Abhandlung über die Akzidenzien: Zweisprachige Ausgabe 9783787328918, 9783787311736

Im Kontext der für die Philosophie des Mittelalters stetig bestimmend gewesenen Befreiung von überkommenen kirchengeschi

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German Pages 144 [194] Year 2002

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Abhandlung über die Akzidenzien: Zweisprachige Ausgabe
 9783787328918, 9783787311736

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DI ET R ICH VON FR EI BERG

Abhandlung über die Akzidentien

Auf der Grundlage des Textes der kritischen Ausgabe von Maria Rita Pagnoni-Sturlese übersetzt von Burkhard Mojsisch mit Einleitung und Begriffsregister versehen von Karl-Hermann Kandler

Lateinisch-deutsch

FEL I X M EI N ER V ER L AG H A M BU RG

PH I L O S OPH I S C H E BI BL IO T H E K BA N D 47 2 Der lateinische Text des »Tractatus de accidentibus« ist der kritischen Ausgabe »Dietrich von Freiberg, Opera omnia« tom. III, p. (47-) 5390, edidit Maria Rita Pagnoni-Sturlese, in: »Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi« Band II, 3, Hamburg 1983, entnommen.

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bi­­­blio­gra­phi­sche Daten sind im Internet a­ brufbar über ‹http://portal.dnb.de›. ISBN: 978-3-7873-1173-6 ISBN eBook: 978-3-7873-2891-8 © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1994. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

IN HALT

Vorwort. Von Burkhard Mojsisch und Kar!-Hermann Kandler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Einleitung. Von Kar!-Hermann Kandler . . . . . . . . . . . . . . . XI

D I ETRI C H VON FRE I B E RG Abhandlung über die Akzidentien Text des "Tractatus de accidentibus und Übersetzung «

1. Vorwort, in dem über das gehandelt wird, was aus­ zuführen beabsichtigt ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Welche Unterscheidungen beim Namen >Akzidens< gemäß den ihm eigentümlichen Bedeutungsgehalten vorzunehmen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ü ber die verschiedenen Prinzipien der Seienden, denen gemäß bei derartigen Seienden verschiede­ ne Weisen von Eigentümlichkeiten anzutreffen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ein Zweifel, der sich aufgrund der Ausführungen erhebt, und seine Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 . Aufweis, daß die in strengem Sinne eigentümlichen Merkmale, die Affektionen an sich und die Bezüge als Bezüge in keiner Weise von den Zugrundelie­ genden abgetrennt existieren können . . . . . . . . . . . . 6. Zurückweisung eines sophistischen Einwandes samt seiner Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. In bezug auf die Akzidentien in der Natur wird vor­ ausgeschickt, was auszuführen beabsichtigt ist, dies mit einer grundsätzlichen Mahnung zu klarem und vorsichtigem Umgang mit der Hl. Schrift . . . . . . . . . .

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VI

Inhalt

8. Mit welcher Notwendigkeit die Akzidentien in der Natur bei bestimmten Seienden anzutreffen sind und bei anderen nicht; über die Einteilung der Sei­ enden in Substanzen und Akzidentien in Hinordnung auf ihre Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1 9. Ü ber den Unterschied zwischen Substanz und Ak­ zidens gemäß den ihnen eigentümlichen allgemei­ nen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 10. Wie es gemäß dem Vorausgeschickten zutreffend ist, daß das Seiende aufverschiedene Weise von der Substanz und dem Akzidens ausgesagt wird; vom analogen Bezug des Akzidens zur Substanz, sofern es Seiendes ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1 1 . Bekräftigung der Ausführungen vermittels des Phi­ losophen; daß die Substanz wahrhaft und in stren­ gem Sinne eine Washeit und eine Definition be­ sitzt, nichtj edoch die Akzidentien . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1 2. Das Wesen der Washeit gemäß dem Philosophen; über die erste Weise, auf die die Washeit unter logi­ scher Perspektive bei den Akzidentien anzutreffen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 45 1 3 . Ü ber die zweite Weise, auf die die Washeit unter logischer Perspektive bei den Akzidentien begegnet 53 1 4. Über die dritte Weise, auf die die Washeit unter logi­ scher Perspektive bei den Akzidentien anzutreffen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 .

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1 5 . Erklärung der Bestimmung des Philosophen, daß nämlich die Washeit der Substanz mit eben der Sub­ stanz identisch ist, die Washeit der Akzidentien sich von den Akzidentien jedoch unterscheidet . . . . . . . . 59 1 6. Hauptschlußfolgerung zu den Akzidentien hin­ sichtlich ihrer Wesenheiten, ihres analogen Bezuges zur Substanz, ihrer Washeit und ihrer Definition; Zurückweisung eines sophistischen Einwandes . . . . 65

VII

Inhalt 1 7. Bekräftigung der Ausführungen durch eine im Anschluß an den Philosophen erfolgende Ableitung mit dem Ziel, das Unzutreffende aufzuzeigen und zu eliminieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 8. Bekräftigung der Ausführungen durch Argumente, die sich auf die Eigentümlichkeit oder die eigentümliche Bestimmung der Washeit, die wahrhaft Washeit ist, stützen 1 9 . Das generelle Akzidentien-Problem, o b nämlich das Akzidens unter der Voraussetzung, daß eine Kraft dies bewirkt, ohne Zugrundeliegendes existieren kann, und Antwort auf dieses Problem . . . . . . . . . . . . 20. Die undurchdachte Antwort einiger und ihre Widerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 . Die wahre Antwort mit der besonderen Lösung, daß die Akzidentien in keiner Weise ohne Zugrundeliegendes existieren können, weder in bezug auf die erste noch in bezug auf die zweite Weise von >an sich< 22. Zurückweisung einiger sophistischer Einwände, die der ermittelten Wahrheit entgegen sind . . . . . . . . . . . 23. Erwiderungen auf die Argumente, die gegen die ermittelte Wahrheit ins Feld geführt werden •

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Kommentierendes Begriffsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 1 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 40

VORWORT

In den letzten beiden Jahrzehnten ist Dietrich von Freiberg zumindest in Fachkreisen zu einem Begriff geworden. Das ist vor allem der Herausgabe seiner >> Opera omnia>CORPUS PHILOSOPHORUM TEUTONICORUM M EDII AEVI>Traktat über die Akzidentiell>Überholt>die in aller Ausführlichkeit ( . . . ) lehrt, das menschliche (und nicht allein das göttliche ) Erkennen -

XII

Karl-Hermann Kandler

( . . . ) konstituiere seine GegenständeZier der Theologie>Berühmtheiten in Philosophie und Logik>fr. Theodoricus magister in theologia>Br. Theodoricus meister gotlicher Kunst>der mächtig­ ste kulturschaffende Apparat im damaligen DeutschlandAbhandlung, die ich in der Schule nach Art einer Quaestion vorgestellt und mit be­ stimmtem Entscheid versehen habe > De iride>Wunderkind>De accidentibus«! ) werden ihm verantwortungsvolle Ordensämter übertragen. Interessant bleibt, daß kirchli-

Einleitung

XIX

cherseits wohl Sätze des Thomas ( 1 277) , aber u. W. keine von Dietrich verurteilt worden sind. Seine Autorität scheint in seinem Orden unbestritten gewesen zu sein. Er hat zwar auf die Dauer keinen Sieg über die Thomisten hinweg­ getragen, aber er hat dafür gesorgt, daß Thomas selbst in seinem Orden lange Zeit umstritten war. Die deutsche Theologie und Philosophie stand zu seiner Zeit vor der Alternative: Dietrich oder die Thomisten, die er verächtlich >>communiter loquentes>De accidentibus« von Dietrich wirklich verste­ hen zu können, ist es nötig, kurz die Entwicklung der Abendmahlslehre - beschränkt auf die Frage nach der Möglichkeit der Gegenwart von Christi Leib und Blut in den Elementen Brot und Wein - darzustellen, weil davon - für Philosophen gleichermaßen wie für Theologen - ihr richtiges Verständnis abhängt. Die Alte Kirche, die Kirche in der christlichen Spätan­ tike, kannte kein Abendmahlsdogma. Die Abendmahls­ lehre war bis ins 9. Jahrhundert hinein kein Gegenstand von Lehrstreitigkeiten. Das Abendmahl wird erst in nach­ neutestamentlicher Zeit als >>Eucharistia>EulogiaDas Heilshandeln Gottes in der Geschichte wird dem Abendmahlsauftrag Jesu zufolge in der Euchari­ stie der Kirche aktualisiert. « Im ostsyrischen Typus findet sich in den Handschriften keine Erwähnung des Einset­ zungsberichtes, wobei es äußerst schwierig ist, daraus die Schlußfolgerung ziehen zu können, ob er während der Li­ turgie wirklich gefehlt hat. Im alexandrinischen Typus gibt es die Logos-Epiklese auf die Abendm.ahlselemente, >>die Konsekration wird somit inkarnatarisch beschriebe n « . So­ weit von einem Symbol oder Typos gesprochen wird, ist da­ mit die Gegenwart des Symbolisierten gemeint, es ist also damit keine Abschwächung der Realpräsenz ausgespro­ chen. Es verbindet sich vielmehr eine >>Aktualpräsenz der Heilstat« mit der >> Realpräsenz der Heilsperson « . Auch bei den Monophysiten verwandelt nicht der Priester, sondern Jesu Wort die Gaben, Christus selbst ist Priester und Op­ fergabe, Opfernder, Geopferter und Empfangender. Bei Maximus Confessor kehrt eine spiritualistisch gefärbte Eu­ charistieauffassung wieder. johannes von Damaskus deutet dagegen das Abendmahl wesentlich von der Inkarnation her, es vermittelt >> eine seinshafte Teilhabe an der Gott­ heit« . Es geschieht also im Grunde dasselbe, was bei der In­ karnation geschieht, die hypostatische Einung der Gottheit mit der Menschheit, es geschieht eine Vergöttlichung des

1 3 L. Lies, Wort und Eucharistie bei Origenes, Innsbrucker theolo­ gische Studien, Band 1 , Innsbruck/Wien/München, 2. Aufl., 1 982, 102, 1 1 3. 1 4 ]. Zizioulas, in: Die Anrufung des Heiligen Geistes im Abend­ mahl, Beih. 31 der Ökumenischen Rundschau, Frankfurt a. M. 1 977, 40.

XXII

Kar!-Hermann Kandler

Menschenjesus Christus durch seine Gottheit. Diese Auf­ fassung bleibt für die Ostkirche maßgeblich. In der ganzen christlichen Spätantike wird die Präsenz der Heilstat und die Präsenz des Leibes und Blutes Christi wie die Präsenz der Person Jesus Christus zusammengese­ hen. Die Unterschiede beschränken sich auf Nuancierun­ gen bei der Akzentsetzung. Aber es sind auch konsubstan­ tialistische (das Verhältnis zwischen den konsekrierten Ele­ menten und Leib und Blut Christi wird sowohl als In-Sein als auch als Mit-Sein verstanden) bzw. kapernaitische Auf­ fassungen (etwa bei Chrysostomus : Die Kommunikanten zer­ kauen das Fleisch Christi mit ihren Zähnen, so wie nach Joh. 6 die Leute von Kapernaum Jesu Predigt mißverstan­ den haben ) 15• Nach Betz kommt erstaunlicherweise die Wandlungsidee . . . mehr im Bereich des antiochenischen Denkens . . . als im Bereich des alexandrinischen>Leib / Blut Christi selbst in Wahrheit und nicht »

1 5 Betz, a.a.O., 60; 6 1 - 63; 67; 8 1 ; 83; 85 f. Bedenklich ist bei Beizdie Trennung der Darstellung in >>Die Aktualpräsenz des Heilswerkes Jesu« (52) und >>Die Realpräsenz des Leibes und Blutes JesUdie Gnade hinzubekommenformen materia>raumgebundene und historisch-materielle Vor­ stellungen ausgeschieden>Konkomitanz>ZU einem bloß statischen Verständnis der Eucharistie beigetragen>abstrakt logi­ sche ( n ) Methode der Betrachtung>successio substantiae ad substan­ tiam« ; es bestehe kein innerer Zusammenhang zwischen dem Aufhören der Existenz der Brotsubstanz und dem Ge­ genwärtigwerden des Leibes Christi. Statt von einer Ver­ wandlung spricht er wieder von der Annihilation. Im Un­ terschied zu Thomas meint er, daß der Leib Christi doch ei­ nen neuen Ort einnimmt. Er vermag keine Antwort auf die Frage zu geben, warum Christi Leib nicht quantitativ und nicht circumscriptiv, sondern ganz in der ganzen und ganz in jedem Teil der Brotgestalt gegenwärtig ist. Withetm von Ockham kennt keine Grenze für die Spekulation. So meint er, wenn es möglich ist, daß Gott die Substanz vernichtet und die Akzidentien erhält, dann muß es auch möglich sein, daß er die Akzidentien vernichtet und die Substanz erhält32• johannes Duns Scotus, Withetm von Ockham und Ga­ brietBietbeugen sich aber der definierten Lehre der Kirche. Sie sagen, nur die Autorität der Kirche verbürgt die Trans­ substantiationslehre, daß also in der Wandlung die Sub­ stanz des Brotes in ein Nichts zurückgeführt wird (annihi­ latio) , andere lehnen eine solche annihilatio ab. Thomas schreibt: »Nach vollzogener Konsekration bleibt die Sub­ stanz von Brot und Wein weder unter den Gestalten des Sa­ kraments noch anderswo. Trotzdem folgt daraus nicht, daß sie vernichtet wird (annihiletur) : denn sie wird in den Leib Christi verwandelt ( convertitur) . Opfer>Transfinalisation >Transsignifikation>weithin dominierende ( n ) Selbstentfremdung der Eucharistielehre >für uns Menschen von heute, Kinder eines naturwissenschaftlich denkenden Zeitalters>Überhaupt noch einen Sinn >als deren Folge Brot für uns nichts mehr von einheitlicher >Substanz< an sich hat, sondern ein kompliziertes, künstli­ ches chemisches Gebilde darstellt>heillosen AnachronismusWesen < , die >Substanznur eine große denkerische Naivität>daß diese Dinge diese ihre kreatürliche Selbständigkeit verlieren, daß sie aufhören, in der dem Geschöpf zukommenden Weise ein­ fach in sich selbst zu stehen , und daß sie statt dessen zu reinen Zeichen Seiner Anwesenheit unter uns werden >die Dinge aus in sich stehenden Dingen zu bloßen Zeichen werden, die ihren kreatürlichen Eigen­ stand verloren haben . . . . Sie sind nun so in ihrem Wesen, in ihrem Sein, Zeichen, wie sie vorher in ihrem Wesen Dinge waren. Gott habe sich an die irdischen Realitäten gebun­ den, sich an die irdischen Dinge angebunden. Synekdo­ che> finitum capax infiniti>Hier wird entgegen der mittelalterlichen Diskussion um Substanz und Akzidens, also dem Versuch, die Abend­ mahlslehre aristotelisch zu adaptieren und denkbar zu machen , die frühe östliche, antiplatonische und antiduali­ stische Tradition wieder aufgenommen. >Schule>Die das Ü bliche quatschen>Da nun in absoluter Bedeutung und vor allem Substanzen >seiend< heißen und erst in zwei­ ter Linie und sozusagen nur in gewisser Hinsicht die hinzu­ kommenden Merkmale, so wird Wesen wahrhaft und ei­ gentlich nur an Substanzen angetroffen; in den hinzukom­ menden Merkmalen findet es sich nur in etwa und in gewis­ ser Hinsicht>quasi secundum quid>ens>quodammodo et secundum quid >essentia>in etwaOmnibus modis est impossibile >Ausge­ burt des Undurchdacht-Seins und Unwissens>die Grundlagen sowohl der Natur als auch der Wissen­ schaft>Faktor der Innova­ tion>formale Verfaßthei­ ten an gewissen Substanzen, durch die die Substanzen bei der Erlangung ihres Zieles sie vervollkommnende Hand­ lungen ausüben >ein Seiendes durch sich sowie an und für sich; das Akzidens aber ist gemäß seiner gänzlich allgemeinen Bestimmung . . . ein Seiendes durch ein anderes oder an einem anderen und für ein anderes>communiter loquentes>Seiendes in einem anderen>Seiendes aufgrund der Zuordnung zum wahrhaft Seienden, der Substanz>Seiendes aufgrund von Zuordnung zum und analogem Bezug zum wahrhaft Sei­ enden, der Substanz> communiter loquenteS>ein Seiendes durch ein anderes oder an einem anderen und für ein anderes, was diejenigen, die nur oberflächlich daherreden, >Seiendes in einem anderen< nennen « (c. 9, 1 ) .

Ei n l ei tung

XLI

Dietrich will dem >>per se>communiter loquentes> durch anderes>in anderem> daß Substanzsein und Akzidenssein sich unterscheiden durch die Art, wie sie das Sein, sofern es nicht Nichtsein ist, ursprünglich differenzieren>ein Sei­ endes durch sich sowie an und für sich>ens per se subsistens> ein Seiendes durch ein anderes oder an einem an­ deren und für ein anderes> essentiatur>erhält sein We­ sen>TrägerMfektionen an sich< nennen, welche auf die unmittelbar bereits genann­ ten Prinzipien ihrer Zugrundeliegenden zurückgeführt werden, wobei dies die Vernunft bewirkt und sie aus derar­ tigen Prinzipien ermittelt, weil sie ihrem Zugrundeliegen­ den hinsichtlich dessen, was vorrangig durch ihren Namen angezeigt wird, keine positive Natur zuführen; erstens, weil meistens die ganze Bestimmtheit ihrer Seiendheit oder ih­ rer Natur auf einem Mangel beruht - es sind dies die Arten des Einen und des Vielen, nämlich das Ähnliche und das

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57, 74-57, 93

sunt species unius et multi, puta simile et dissimile, aequale et inaequale, idem differens diversum, et similia fundata super numerum repertum in substantia vel quantitate vel qualitate; turn quia, licet aliquando positive significentur, important quosdam respectus fundatos super actionem et passionem vel quasi, ut pater filius, causa causatum, domi­ nus servus, et similia; et ea, quae iuristae vocant6 >>res in­ corporales Gemesse­ nes< gründen, weil sie gewisse Bezüge mit sich bringen auch das trägt meistens positive Bedeutung. All dieses Ge­ nannte nun - sei es, daß seine Wesensbestimmung und seine Natur auf einem Mangel beruht, sei es, daß es be­ stimmte Bezüge, die in bestimmten Dingen gründen, mit sich bringt, wie bemerkt worden ist - sind bestimmte Wei­ sen an Dingen aufgrund des Wirkens der Vernunft, und zwar entweder der theoretischen Vernunft, des theoreti­ schen Intellekts, im Falle der theoretischen Wissenschaften - so gilt etwa, daß das Dreieck drei Winkel besitzt, die zwei rechten Winkeln gleich sind - oder der praktischen Ver­ nunft bei dem, was sich auf das Leben bezieht - so gilt etwa, daß die Münze ein Zahlungsmittel ist oder aufhört, ein Zahlungsmittel zu sein, usw. (5) Es gibt somit zwei Weisen von Eigentümlichkeiten oder von in strengem Sinne eigentümlichen Merkmalen; die erste von ihnen läßt sich wie bemerkt auf die Prinzipien der Zusammensetzung oder der Begründung in der Natur - diese Prinzipien sind ihre Ursache - zurückführen; die andere aber verdankt ihren Ursprung prinzipiativ den Prinzipien der Art - es sind dies die Teile der Form, und sie sind vor dem Ganzen anzutreffen, so der Philosoph im VII. Buch der Metaphysik. Und deswegen ist beiden dieser Weisen dies gemein, daß das Zugrundeliegende in ihre Definition eingeht; sonst könnten sie nicht wahrhaft und in

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D e accidentibus

57, 93 - 58, 1 7

definitionem eius; nec aliter vere et proprie definiri pos­ sunt, quia tota ratio entitatis et naturae eorum, si quam habent, attenditur in hoc, quod sunt alicuius entis proprie­ tates vel per se passiones. I

4. Ponitur quaedam dubitatio orta ex dictis et eius solutio

( 1 ) Potest autem aliquis dubitare in hoc, quod, sicut in­ fra ostendetur ex sententia et dictis Philosophi, quod acci­ dentium quorumcumque, et cuiuscumque generis sint, de­ finitiones sunt ex additamentis in eo, quod necessario sub­ stantia ingreditur definitionem cuiuscumque eorum, nec aliter vere definiri possunt, puta qualitas, quantitas et ce­ tera. Secundum hoc ergo non videtur esse differentia inter huiusmodi accidentia et ea, quae supra dicta sunt entium proprietates; et secundum hoc videtur, quod etiam omnia talia accidentia naturae non sint nisi substantiae proprie­ tates. (2) Ad quod dicendum, quod aliter et aliter ingrediun­ tur subiecta dictarum proprietatum suam definitionem, sive subiecta huiusmodi sint substantiae sive aliae res na­ turae. Aliter autem ingreditur substantia definitionem dic­ torum accidentium naturae. ( 3 ) Quantum enim ad proprietates entium subiecta ea­ rum ingrediuntur definitionem earum non ut substantia simpliciter, id est inquantum subiectum, sed secundum rationem principiorum subiecti, ex quibus eliciuntur tales

3 (5) - 4 (3)

Über die Akzidentien

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strengem Sinne definiert werden; denn die ganze Wesens­ bestimmung ihrer Seiendheit und ihrer Natur, wenn sie denn überhaupt eine solche Wesensbestimmung besitzen, läßt sich daran erkennen, daß sie Eigentümlichkeiten oder wesentliche Affektionen eines bestimmten Seienden sind.

4. Ein Zweifel, der sich aufgrund der Ausführungen erhebt, und seine Beseitigung

( 1 ) Es könnte j emand aber daran zweifen, daß, wie wei­ ter unten im Anschluß an die Ansicht und die Ausführun­ gen des Philosophen gezeigt wird, die Definitionen der Akzidentien, welche auch immer es sein und zu welcher Gattung auch immer sie gehören mögen, insofern aus Er­ gänzungen bestehen, als die Substanz notwendig in die De­ finition eines j eden von ihnen eingeht, sie - nämlich die Beschaffenheit, die Größe usw. - sonst gar nicht wahrhaft definiert werden könnten. Insofern scheint es somit keinen Unterschied zu geben zwischen derartigen Akzidentien und den Merkmalen, die oben als Eigentümlichkeiten der Seienden bezeichnet worden sind; insofern hat es auch den Anschein, als seien sogar alle solche Akzidentien in der Natur nur Eigentümlichkeiten der Substanz. (2) Dazu dies: Aufj e andere Weise gehen die Zugrunde­ liegenden der genannten Eigentümlichkeiten in ihre Defi­ nition ein, seien derartige Zugrundeliegende nun Substan­ zen oder andere Gegenstände in der Natur; anders aber geht die Substanz in die Definition der genannten Akzi­ dentien in der Natur ein. (3) Hinsichtlich der Eigentümlichkeiten der Seienden nämlich gehen ihre Zugrundeliegenden in ihre Definition nicht als Substanz schlechthin, das heißt: als Zugrundelie­ gendes, ein, sondern gemäß der Bestimmung der Prinzi­ pien des Zugrundeliegenden, aus denen solche Eigentüm-

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proprietates et determinantur circa subiecta sua, sive talia principia sint principia compositionis seu constitutionis naturae, sive sint principia speciei, partes videlicet formae, quae sunt ante totum, secundum quod eadem est definitio subiecti dicens quid est subiectum et propter quid passio­ nis. Ex hoc enim huiusmodi proprietates habent rationem proprietatum vel per se passionum, quia secundum talia principia insunt et ex his definiuntur. ( 4) Quantum autem ad definitiones naturalium entium, quae sunt accidentia, ut quantitas, qualitas et cetera, sub­ stantia ingreditur definitionem eorum inquantum substan­ tia et vere ens, quod est ens per se, cuius dicta naturaha accidentia sunt quaedam naturales dispositiones. Ex quo competit dictis accidentibus esse entia, inquantum sunt entis, ut dicit Philosophus in principio VII Metaphysicae 9 ; et secundum hoc sunt accidentia secundum propriam ratio­ nem accidentium et distinguuntur per novem genera praedicamentorum. Si autem aliquid istorum reduceretur in principia subiecti et ex his haberent suam definitionem dieentern quid est subiectum et propter quid talis acciden­ tis, ex hoc iam accederet ad rationem et naturam proprie­ tatum, ut si quis ex principiis substantiae caelestis eliceret et concluderet caelum esse sphaericum vel luminosum et similia. I

9 cf. Aristoteles, Metaph. VII l , 1 028al 8-19.

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Über die Akzidentien

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lichkeiten ermittelt und aufgrund deren sie ihren Zu­ grundeliegenden bestimmend zuerkannt werden, seien solche Prinzipien nun Prinzipien der Zusammensetzung oder der Begründung in der Natur oder seien es Prinzipien der Art, nämlich die Teile der Form, die vor dem Ganzen anzutreffen sind, insofern die Definition des Zugrundelie­ genden, die zum Ausdruck bringt, was das Zugrundelie­ gende ist, dieselbe ist wie die Definition, die das Warum der Mfektion zum Ausdruck bringt. Aufgrund dessen nämlich besitzen derartige Eigentümlichkeiten die Bestimmtheit von Eigentümlichkeiten oder wesentlichen Mfektionen, daß sie gemäß solchen Prinzipien inhärieren und aufgrund dieser Prinzipien definiert werden. ( 4) Hinsichtlich der Definitionen der natürlichen Sei­ enden, nämlich der Akzidentien, etwa der Größe , der Be­ schaffenheit usw. , geht die Substanz in deren Definitionje­ doch ein als Substanz und wahrhaft Seiendes, nämlich als Seiendes an sich, an dem die genannten natürlichen Akzi­ dentien gewisse natürliche Verfaßtheiten sind. Aufgrund dessen kommt es den genannten Akzidentien zu, insofern Seiende zu sein, als sie am Seienden anzutreffen sind, wie der Philosoph zu Beginn des VII. Buches der Metaphysik bemerkt; und insofern sind sie Akzidentien gemäß der ei­ gentümlichen Bestimmtheit von Akzidentien und lassen sich nach neun kategorialen Gattungen unterscheiden. Wenn aber eines von diesen auf die Prinzipien des Zu­ grundeliegenden zurückgeführt würde und aufgrund die­ ser Prinzipien seine Definition gewönne, die zum Ausdruck brächte, was das Zugrundeliegende ist, ferner das Warum eines solchen Akzidens, näherte es sich infolgedessen schon der Bestimmtheit und der Natur der Eigentümlich­ keiten, wie wennjemand aus den Prinzipien der Himmels­ substanz ermittelte und erschlösse, der Himmel sei kugel­ förmig oder hell usw.

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D e accidentibus

59, 35 - 59, 52

5. Ostenditur, quod proprie propria et per se passiones et respectus in eo, quod respectus, nullo modo possunt esse separata a sub­ iectis

( 1 ) Habita igitur differentia eorum, quae vere et proprie sunt accidentia distincta per se secundum novem genera praedicamentorum, et eorum, quae large et extenso no­ mine dicuntur accidentia, puta entium proprietates et per se passiones, circa ipsas tales proprietates et per se passio­ nes absolvatur primo quaestio de esse et inesse eorum ex sibi propriis, antequam veniamus ad communia ipsis et aliis, quae vere sunt accidentia. (2) Si igitur de huiusmodi proprietatibus et per se passio­ nibus quaeratur, utrum possint esse sine omni subiecto ita, ut per se absolutam existentiam habeant sine fulcimento cuiuscumque subiecti, dicendum, quod si loquamur de his, quas proprie per se passiones dicimus, qualia sunt illa, quae in mathematicis concluduntur, ut habere tres aequales duobus rectis et par et impar quoad numerum et sie de aliis, (28ra) si etiam sit sermo de respectibus, quantum ad ipsos respectus, qui respectu sui fundamenti habent ratio­ nem et modum per se passionum, ut pater, filius et similia, nulla vi naturae sive creatae sive increatae agente potest fieri , ut talia sint sine suis subiectis, ex quorum principiis talia eliciuntur et constituuntur in esse.

5 ( 1 ) -5 (2)

Über die Akzidentien

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5. Aufweis, daß die in strengem Sinne eigentümlichen Merkmale, die Affektionen an sich und die Bezüge als Bezüge in keiner Weise von den Zugrundeliegenden abgetrennt existieren können

( 1 ) Da somit der Unterschied zwischen den Akzidentien, die wahrhaft und in strengem Sinne Akzidentien sind und nach den neun kategorialen Gattungen wesentlich unter­ schieden sind, und den Akzidentien , die in weitem Sinne und in erweiterter Bedeutung >Akzidentien< heißen, näm­ lich die Eigentümlichkeiten der Seienden und deren Af­ fektionen an sich, bekannt ist, soll bezüglich gerade sol­ cher Eigentümlichkeiten und Affektionen an sich zuerst das Problem gelöst werden, wie es mit ihrem Sein und ihrer Inhärenz angesichts dessen, was ihnen eigentümlich ist, steht, bevor wir zu dem kommen, was ihnen und den ande­ ren Akzidentien, die wahrhaft Akzidentien sind, gemein­ sam ist. ( 2 ) Wenn sich somit in bezug auf derartige Eigentüm­ lichkeiten und Affektionen an sich die Frage stellen sollte, ob sie in der Weise ohne j edes Zugrundeliegende existie­ ren könnten, daß sie an sich eine unabhängige Existenz besäßen, ohne jedweden Zugrundeliegenden als Basis zu bedürfen, wäre zu konstatieren: Wenn wir von dem spre­ chen, was wir in strengem Sinne •Affektionen an sich< nen­ nen - derart sind die mathematischen Inhalte, daß etwa ein Dreieck drei Winkel besitzt, die zwei rechten Winkeln gleich sind, das der Zahl nach Gleiche und Ungleiche usw. -, wenn ferner von den Bezügen die Rede ist, und zwar im Blick auf eben die Bezüge, die in Rücksicht auf ihr Fundament die Bestimmtheit und die Weise von Affe ktionen an sich besit­ zen - so verhält es sich etwa mit dem Vater, dem Sohn usw. -, dann kann durch kein kraftvolles Wirken einer Na­ tur, sei sie nun geschaffen oder ungeschaffen, dies herbei­ geführt werden, daß derlei ohne seine Zugrundeliegen­ den, aus deren Prinzipien derlei ermittelt und aufgrund deren derlei ins Sein begründet wird, existiert.

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D e accidentibus

59, 5 3 - 60, 74

(3) Prima, quia huiusmodi plerumque talia sunt, quod ratio eorum consistit in privatione, quia sunt species unius et multi, ut simile et dissimile, aequale et inaequale et simi­ lia, quae significant unum et multa vel in substantia vel in qualitate vel in quantitate, ut patet; cum hoc etiam aliqua respectus aliquos important, ut per se notum est, puta si­ mile, ae quale et cetera; q uia igitur, ut dieturn est, ratio ta­ lium in privatione consistit, privatio autem est negatio in subiecto secundum Philosophum in IV Metaphysicae 1 0, sub­ tracto subiecto manifestum est non manere nisi puram negationem, quae secund um rem est nihil. ( 4) Quia etiam huiusmodi aliquos respectus important, respectus autem ad respectum non refertur, sed habens re­ spectum, ideo subtracto subiecto seu fundamento nihil manet, quod referatur; ergo nec respectus manet, quia re­ mauere respectus et nihil secundum respectum referri non est intelligibile. Ex eadem ratione concluditur, quod nec hi respectus, qui positive significantur, sive fundentur super actionem et passionem, ut pater, filius, I sive fundentur super rationem mensurae et mensurati, de quibus tractat Philosophus in V Metaphysicae 1 1 , huiusmodi, inquam, nulla vi possunt esse separati ratione iam dicta. (5) Quod autem communiter attinet ad dictas entium proprietates et per se passiones, est hoc, videlicet quod, quia ex principiis subiectorum suorum eliciuntur agente hoc natura vel ratione eo, quod eadem sunt ipsorum et suo­ rum subiectorum principia essendi et definiendi; ex quo

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cf. Aristoteles, Metaph. IV 2, 1 004al5-l6; ibid. IV 6, l O l l b 19-20. 11 cf. Aristoteles, Metaph. V I5, I 020b28-3 I , I 02Iai 4-b3.

5 (3) - 5 (5)

Über die Akzidentien

19

( 3 ) Erstens: Derartiges ist meistens s o beschaffen, daß seine Wesensbestimmung in einem Mangel besteht, denn bei derartigem begegnen die Arten des Einen und Vielen, so etwa das Ähnliche und das Unähnliche, das Gleiche und das Ungleiche usw. , die Eines und Vieles bei der Substanz, bei der Beschaffenheit oder bei der Größe bezeichnen, wie klar ist; auch bringt einiges bestimmte Bezüge mit sich, wie an sich bekannt ist, nämlich das Ähnliche, das Gleiche usw. ; weil somit wie bemerkt die Wesensbestimmung von sol­ chem in einem Mangel besteht, der Mangel aber gemäß dem Philosophen im IV. Buch der Metaphysik >Verneinung im Zugrundeliegenden< meint, verbleibt nach Verschwin­ den des Zugrundeliegenden offenkundig nur eine reine Verneinung, die der Sache nach nichts ist. ( 4) Weil derartiges auch bestimmte Bezüge mit sich bringt, der Bezug sich aber nicht auf einen Bezug bezieht, sondern auf das, was einen Bezug besitzt, deshalb verbleibt nach Verschwinden des Zugrundeliegenden oder des Fun­ daments nichts, was einen Bezug aufwiese; also verbleibt auch der Bezug nicht; denn es ist kein vernünftiger Ge­ danke, daß Bezüge verbleiben, jedoch nichts in Rücksicht auf einen Bezug einen Bezug aufweist. Aus demselben Grund ist folgender Schluß erlaubt: Auch diejenigen Be­ züge, die eine positive Bedeutung tragen, mögen sie sich nun auf ein Tun und ein Erleiden gründen, so etwa der Va­ ter und der Sohn, oder auf die Verhältnisbestimmung von Maß und Gemessenem, worüber der Philosoph im V. Buch der Metaphysik handelt, derartiges kann, wie ich meine, auf­ grund des bereits genannten Arguments durch keine Kraft­ einwirkung abgetrennt existieren. (5) Was aber ganz allgemein auf die genannten Eigen­ tümlichkeiten der Seienden und deren Affe ktionen an sich zutrifft, ist dies: Weil sie aus den Prinzipien ihrer Zugrunde­ liegenden ermittelt werden, indem dies die Natur oder die Vernunft deshalb bewirkt, da deren und ihre Zugrundelie­ genden dieselben Seins- und Definitionsprinzipien besit-

20

De accidentibus

60, 74- 60, 96

etiam sequitur eandem esse definitionem uniuseuiusque ipsorum et sui proprii subieeti dieentern quid est subieeti et propter quid dietae passionis - voeo etiam hie subieetum quoad respeetus ipsum fundamenturn suum, respeetu eu­ ius fundamenti ipse respeetus habet rationem et modum proprietatis -; quia, inquam, sie se habent, quae dieta sunt, im p ossibile est sae p e dictas entium p ro p rie tates et p er se passiones aliqua vi naturae vel etiam virtute supernaturali separari eo modo, ut absque omni subieeto in se propriam subsistentiam habeant. (6) Sequeretur enim rem separari a suis prineipiis, ex quibus et essentiam et definitionem habet. Ex quo sequitur definitum separari a definitione. Ex quo eonsequenter in­ fertur rem separari a sua quiditate et propria et essentiali definitione; sie enim hie aeeipimus definitionem, quae de­ signativa et determinativa est rei seeundum suam quidita­ tem. Ex quo ulterius eoncluditur essentiam talis rei separa­ tae eadere in quandam suae essentiae aequivoeationem. Ex quo neeessario infertur ipsam talem rem separatam eadere non solum in aliam speeiem, sed etiam in aliud genus, non quodeumque, sed in genus substantiae; de ratione enim substantiae est per se esse seeundum rationem suae quidi­ tatis, per quod per se differt ab omni aeeidente et proprie­ tatibus aeeidentium. (7) Ex his autem omnibus neeessario habetur, quod di­ eere saepe dietas proprietates entium et per se passiones separari importat manifeste eontradietionem, quod Deus

5 (5) - 5 (7)

Über die Akzidentien

21

zen, woraus auch folgt, daß die Definition eines j eden Zu­ grundeliegenden von ihnen und des ihnen eigentümli­ chen Zugrundeliegenden, die das >Was< des Zugrundelie­ genden und das >Warum < der genannten Mfektionen aus­ sagt, dieselbe ist - ich spreche hier von >Zugrundeliegen­ dem < auch in Hinsicht auf eben das Fundament des Bezu­ ges, das Fundament, in Rücksicht auf das eben der Bezug die Bestimmtheit und die Weise der Eigentümlichkeit be­ sitzt -, weil, wie ich meine, es sich mit dem Gesagten so verhält, ist es unmöglich, daß die oft genannten Eigentüm­ lichkeiten der Seienden und deren Mfektionen an sich durch eine Kraft in der Natur oder auch durch übernatürli­ che Kraft in der Weise abgetrennt werden, daß sie ohne j e­ des Zugrundeliegende in sich eigenen Seihstand besitzen. (6) Es würde nämlich folgen, daß etwas von seinen Prin­ zipien, aufgrund deren es sowohl sein Wesen als auch seine Definition besitzt, abgetrennt wird. Daraus folgt, daß das Definierte von seiner Definition abgetrennt wird. Daraus folgt weiterhin, daß etwas von seiner Washeit und der ihm eigentümlichen und wesentlichen Definition abgetrennt wird; so verstehen wir hier nämlich >Definitionwahrnehmungsfähig< und bei der Definition des Menschen >vernunftbegabt< angeführt, und es werden dabei die substantiellen Formen des Lebewesens durch die Fähigkeit zum Wahrnehmen, die des Menschen aber durch die Fähigkeit zum Vernunftgebrauch angezeigt. ( 4) Insofern werden auch gewisse eigentümliche Merk­ male der Seienden durch eine bestimmte Fähigkeit und nicht durch die Wirklichkeit angezeigt, so etwa >lachfähig< , >lernfähig>Plerumque enim accidit, ut aliquid de terra, de caelo, de ceteris mundi huius elementis, de motu et conver­ sione vel etiam magnitudine et intervallis siderum, de certis defectibus solis ac lunae, de circuitibus annorum et tem­ porum, de naturis animalium, fructuum, lapidum atque huiusmodi ceteris et non Christianus ita noverit, ut certis­ sima ratione vel experientia teneat. Turpe est autem nimis et perniciosum ac maxime cavendum, ut Christianum de his rebus quasi secund um Christianas litteras loquentem ita delirare quilibet infidelis audiat, ut, quemadmodum dici­ tur, toto caelo errare conspiciens risum tenere vix possit. Et non tarn molesturn est, quod errans homo derideretur, sed

1 2 Augustinus, De Gen. ad litt. I 19, n. 39; PL 34/261 .

7 ( 1 ) - 7 (2)

Über die Akzidentien

7. In bezug auf die Akzidentien in

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Natur wird vorausge­ schickt, was auszuführen beabsichtigt ist, dies mit einer grund­ sätzlichen Mahnung zu klarem und vorsichtigem Umgang mit der Hl. Schrift der

( 1 ) Ü ber die Akzidentien in der Natur aber, die nach den neun kategorialen Gattungen, die von der Gattung der Substanz verschieden sind, an sich unterschieden sind, ist nun zu handeln. (2) Dabei wie auch bei allem anderen, was sich auf die Wissenschaft der Wahrheit bezieht, muß man sich gar sehr davor hüten, nicht nur in Wort oder Schrift etwas, das der Wahrheit, an der wir aufgrund des Glaubens festhalten, entgegen ist, zu behaupten, sondern auch sich eben der Hl. Schrift, die sich auf die auf Ewiges gegründete Wahrheit stützt, zum Vorurteil gegenüber eben der Schrift zu bedie­ nen, wovor Augustin in seiner Schrift Über die Genesis, Buch I, Kapitel 25, eindringlich warnt; er bemerkt dort folgen­ des: »Meistens nämlich geschieht es, daß auch ein Nicht­ Christ etwas von der Erde, dem Himmel, den übrigen Ele­ menten dieses Weltalls, der Bewegung und dem Umlauf oder auch der Größe der Gestirne und der bei ihnen zu be­ obachtenden Zwischenräume, den regelmäßig eintreten­ den Sonnen- und Mondfinsternissen, den Kreisläufen der Jahre und Zeiten, den natürlichen Wesenheiten der Le­ bewesen, Früchte, Steine usw. weiß, und zwar in dem Maße, daß er aufgrund gewissester Vernunfterwägung oder Erfah­ rung daran festzuhalten vermag. Es ist jedoch überaus schändlich und verderblich - und man muß sich sehr davor in acht nehmen -, daß irgendein Ungläubiger einen Chri­ sten, der über diese Dinge gleichsam in Anlehnung an die christliche Wissenschaft spricht, so darüber faseln hört, daß er, wenn er erkennt, wie dieser sozusagen auf ganzer Linie in die Irre geht, sich nur mit Mühe des Lachens erwehren kann. Und wenn jemand, der in die Irre geht, verspottet würde, wäre das nicht in gleichem Maße peinlich, wie wenn

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De accidentibus

62, 5 3 - 63, 73

quod auctores nostri ab eis, qui foris sunt, talia sensisse cre­ duntur et cum magno eorum exitio, de quorum salute sat­ agimus, tamquam indocti reprehenduntur atque respuun­ tur. Cum enim quemquam de numero Christianorum in ea re, quam optime norunt, errare comprehenderint et va­ nam sententiam suam de nostris libris asserere, quomodo illis libris credituri sunt de resurrectione mortuorum et de spe vitae aeternae regnoque caelorum, quando de his re­ bus, quas iam experiri vel indubitatis numeris percipere potuerunt, fallaciter putaverint esse conscriptos? Quid enim molestiae tristitiaeque ingerant prudentibus fratribus temerarii praesumptores, satis dici non potest, cum, si quando de prava et falsa opinione sua reprehendi et con­ vinci coeperint ab eis, qui nostrorum librorum auctoritate non tenentur, ad defendendum id, quod levissima temeri­ tate et apertissima falsitate dixerunt, eosdem libros sanctos, unde id probent, proferre conantur. tä­ tigen Intellekt< -, so ist in ihren Wesenheiten neben den Wesenheiten solcher Seienden keine äußerliche Natur, also kein Akzidens, anzutreffen, erstens, weil sie einfache und durch ihr Wesen in Wirklichkeit seiende Intellekte sind - ein Akzidens aber ist eine Verfaßtheit von etwas, das Teile besitzt -, zweitens, weil ein Akzidens in ihnen funk­ tionslos wäre , da sie durch ihr Wesen ihre Ziele berühren. (3) Andere Seiende aber, die nicht durch ihr Wesen die ihnen eigentümlichen Handlungen ausüben können, be­ dürfen notwendig bestimmter ihrem Wesen äußerlicher akzidenteller Verfaßtheiten, wodurch sie ihre Handlungen beim Berühren ihrer Zielvollkommenheiten ausüben, wie es im Falle der körperlichen Substanzen ganz offenkundig ist. ( 4) Insofern also wird die Gesamtheit der Seienden, wel­ che Dinge von erstem Bedeutungsgehalt und wahrhaft Na­ turdinge sind, in eine zweifache Art von Dingen unterteilt,

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De accidentibus

64, 1 1 2 - 65, 1 2

entis i n eo, quod ens, quae est prima e t simplicissima om­ nium formalium intentionum repertarum in rebus, qua res primo distat a nihilo, distinguitur, inquam, in substantias et accidentia, ut substantiae sint entia, quorum proprium est agere et pati et universaliter operari et sua propria opera­ tione stare sub ordine sui finis; accidentia autem sunt quae­ dam formales dispositiones quarundam substantiarum, quibus suas perfectivas operationes explent in adeptione sui finis. (5) Haec igitur differentia substantiarum et accidentium attenditur in ordine uniuscuiusque entis ad suum finem intra, qui est eius propria operatio.

9. De differentia substantiae et accidentis secundum sibi proprias generales rationes

( 1 ) Secundum se autem quantum ad suos formales mo­ dos considerando substantias et accidentia occurrit eorum ad invicem differentia in eo, videlicet quod substantia se­ cundum generalem rationem substantiae inquantum sub­ stantia est ens per se et secundum se; accidens autem secun­ dum sui com l munem et generalem rationem, id est in­ quantum accidens, est ens per aliud seu secundum aliud, quod communiter loquentes 19 dicunt ens in alio. (2) Potest autem iam dicta differentia duobus modis in­ telligi. Uno modo, ut sit sensus substantiam esse ens per se seu secundum se, inquantum substantia se ipsa subsistit et stat in esse naturae nec aliquo alio fulcitur; accidens autem

1 9 cf. e. g. Bonaventura, In IV Sent. d. XII, p. I, a. 1 , q. 1 ad 4 et 5; Quaracchi 1 889, 271 b; Thomas Aquinas, In Aristotelis Peri herm . I , lect. 8, n. 3; Quaest. disp. d e u n . verb. inc. 2 corp.

8 (4) -9 (2)

Über die Akzidentien

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und zwar gemäß den zwei Unterschieden des Seienden als solchen, welches die erste und einfachste aller formalen Bedeutungsgehalte, die in der Dingwirklichkeit anzutref­ fen sind, ist und wodurch ein Ding sich zuerst vom Nichts unterscheidet, wird, so meine ich, unterteilt in Substanzen und Akzidentien , so daß die Substanzen Seiende sind, de­ nen es eignet, tätig zu sein und zu erleiden, ganz allgemein zu handeln und durch die ihnen eigentümliche Handlung der Hinordnung auf ihr Ziel zu unterstehen; die Akziden­ tien aber sind gewisse formale Verfaßtheiten an gewissen Substanzen, durch die die Substanzen bei der Erlangung ihres Zieles sie vervollkommnende Handlungen ausüben. (5) Dieser Unterschied zwischen den Substanzen und den Akzidentien läßt sich somit daran erkennen, wie j edes Seiende auf sein ihm innerliches Ziel, nämlich die ihm ei­ gentümliche Handlung, hingeordnet ist. 9. Über den Unterschied zwischen Substanz und Akzidens gemäß den ihnen eigentümlichen allgemeinen Bestimmungen

( 1 ) Wenn man nun die Substanzen und die Akzidentien an und für sich hinsichtlich ihrer formalen Weisen be­ trachtet, tritt ihr Unterschied voneinander insofern zutage, als nämlich die Substanz gemäß der allgemeinen Bestim­ mung von Substanz als Substanz ein Seiendes durch sich so­ wie an und für sich ist; das Akzidens aber ist gemäß seiner gänzlich allgemeinen Bestimmung, das heißt: als Akzidens, ein Seiendes durch ein anderes oder an einem anderen und für ein anderes, was diej enigen, die nur oberflächlich daherreden, > Seiendes in einem anderen< nennen. (2) Der bereits genannte Unterschied läßt sich aber auf zwei Weisen verstehen: erstens so, daß der Sinn der Aussage > die Substanz ist ein Seiendes durch sich sowie an und für sich< der ist, daß die Substanz durch sich selbst im Sein der Natur Seihstand und Bestand hat und sich auf nichts ande-

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De accidentibus

65, 1 2 - 65, 34

dicitur ens per aliud seu secundurn aliud, quia sustentatur et fulcitur in esse per substantiarn. (28vb ) (3) Sed iste rnodus differentiae nec re nec intellectu est prirnus, quo differant substantia et accidens, inquanturn sunt entia. Subsistere enirn per se et non fulciri aliquo alio et fulciri et sustentari aliquo alio sunt quidarn rnodi sub­ stantiae et accidentis posteriores essentiis eorurn et quan­ turn ad rnodurn intelligendi et quanturn ad rnodurn signi­ ficandi. Nec etiarn est haec differentia universalis quoad substantias: neque enirn forrna rnaterialis nec rnateria nec partes in toto, curn sint substantiae, non tarnen per se et secundurn se subsistunt in esse. ( 4) Est igitur alius rnodus intelligendi dietarn differen­ tiarn substantiae et accidentis, qua dicitur, quod substantia est ens per se seu secundurn se, accidens autern ens per aliud seu secundurn aliud vel in alio. (5) Hic autern rnodus differendi, ut sit prirnus et univer­ salis, attenditur in essentiis eorurn, substantiae scilicet et accidentis, universalis, inquarn, ut quanturn ad unarn par­ tern differentiae cornpetat ornnibus substantiis, scilicet per se seu secundurn se esse secundurn rationern suae essentiae et propriae quiditatis, secundurn aliarn autern partern diffe­ rentiae cornpetat ornnibus accidentibus, scilicet secundurn aliud et per aliud esse sirniliter secundurn rationern suae essentiae et quiditatis. (6) Dico autern hunc rnodurn differendi esse prirnurn, quoniarn ens in eo, quod ens, quo res prirno distat a nihilo, cadit in prirnarn divisionern entiurn, quae est per ipsorurn

9 (2) -9 (6)

Über die Akzidentien

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res stützt; das Akzidens aber heißt •Seiendes durch ein an­ deres oder an einem anderen und für ein anderes< , weil es im Sein durch die Substanz gehalten und gestützt wird. (3) Aber diese Weise des Unterschieds ist weder der Sa­ che noch dem Begriff nach die erste, wodurch sich Sub­ stanz und Akzidens, sofern sie Seiende sind, unterschei­ den. Denn •durch sich Seihstand haben und nicht von ei­ nem anderen gestützt werden< und •von einem anderen ge­ stützt und gehalten werden< sind bestimmte Weisen der Substanz und des Akzidens, die sowohl hinsichtlich der Weise des Erkennens als auch hinsichtlich der Weise des Bezeichnens später sind als ihre Wesenheiten . Auch gilt dieser Unterschied nicht allgemein bezüglich der Sub­ stanzen; denn weder die stoffliche Form noch der Stoff, noch die Teile im Ganzen haben, obwohl es Substanzen sind, durch sich sowie an und für sich im Sein Selbstand. ( 4) Es gibt daher noch eine andere Weise, wie der ge­ nannte Unterschied zwischen Substanz und Akzidens zu verstehen ist, der Unterschied, daß die Substanz ein Seien­ des durch sich oder an und für sich ist, das Akzidens aber ein Seiendes durch ein anderes oder an einem anderen so­ wie für ein anderes oder in einem anderen. (5) Diese Unterscheidungsweise aber ist, um erste und allgemein zu sein, in ihren, nämlich der Substanz und des Akzidens, Wesenheilen auszumachen, allgemein, sage ich, so daß sie einerseits allen Substanzen zukommt, nämlich durch sich oder an und für sich zu sein gemäß der Be­ stimmtheit ihres Wesens und der eigentümlichen Washeit, andererseits aber allen Akzidentien zukommt, nämlich an einem anderen sowie für ein anderes und durch ein ande­ res zu sein, und dies ähnlich gemäß der Bestimmtheit ihres Wesens und ihrer Washeit. (6) Ich sage aber, diese Unterscheidungsweise sei die erste, weil das Seiende als Seiendes, durch das sich ein Ding zuerst vom Nichts unterscheidet, in die erste Unterteilung der Seienden eingeht, die so erfolgt: durch ihre Wesenhei-

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De accidentibus

65, 34- 66, 54

essentias secundum rationem suarum quiditatum et secun­ dum primam dividendi rationem, secundum quam primo dividitur ens, inquantum stat sub ratione distandi a nihilo. Prima autem ratio dividendi ens secundum hoc est vel ha­ bere essentiam per se et secundum se seeundum rationem suae propriae et intraneae quiditatis vel habere essentiam per aliud et secund um aliud et non secund um rationem in­ traneae quiditatis, sed magis, ut ita dicamus, extraneae. I (7) Patet autem, quod in iam dictis modis differenter ha­ bendi suam essentiam attenditur diversus gradus distandi a nihilo. Magis enim essentiatur et magis rationem et perfee­ tionem entis habet et per eonsequens magis distat a nihilo id, quod per se et seeundum se ipsum seeund um rationem suae quiditatis habet essentiam suam, quam id, quod per aliud aut seeundum aliud et quidifieatur et capit essentiam suam. Primum istorum eompetit substantiae , secundum aeeidenti.

1 0. Quomodo secundum praemissa convenit diversimode praedi­ catio entis de substantia et accidente et de analogia accidentis ad substantiam in eo, quod ens

( 1 ) Et ideo seeund um primum istorum substantia est ens per se et seeundum se et est vere ens non solum ea ratione, quod subsistit in esse sie, quod non fulcitur ab aliquo alio deferente ipsam, sed magis seeundum quod ens dieturn de

9 (6) -10 ( 1 )

Über die Akzidentien

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ten gemäß der Bestimmtheit ihrer Washeiten und gemäß der ersten Unterteilungsweise, gemäß der das Seiende un­ terteilt wird, insofern es der Bestimmtheit, sich vom Nichts zu unterscheiden, untersteht. Die erste Unterteilungsweise des Seienden ist insofern die, entweder das Wesen durch sich sowie an und für sich gemäß der Bestimmtheit seiner eigentümlichen und innerlichen Washeit zu besitzen oder das Wesen durch ein anderes sowie an einem anderen und für ein anderes und nicht gemäß der Bestimmtheit einer innerlichen Washeit, sondern vielmehr einer sozusagen äu­ ßerlichen zu besitzen. (7) Es liegt aber auf der Hand, daß in den bereits ge­ nannten Weisen, auf verschiedene Art sein Wesen zu besit­ zen, eine unterschiedliche Stufe, sich vom Nichts zu unter­ scheiden, zu erkennen ist. Mehr nämlich erhält sein We­ sen, mehr besitzt die Bestimmtheit und die Vollkommen­ heit des Seienden und mehr unterscheidet sich folglich vom Nichts das, was durch sich sowie an und für sich gemäß der Bestimmtheit seiner Washeit sein Wesen besitzt, als das, was durch ein anderes oder an einem anderen und für ein anderes sowohl seine Washeit erhält als auch sein Wesen gewinnt. Das erste davon kommt der Substanz, das zweite dem Akzidens zu.

10. Wie es gemäß dem Vorausgeschickten zutreffend ist, daß das Seiende auf verschiedene Weise von der Substanz und dem Ak­ zidens ausgesagt wird; vom analogen Bezug des Akzidens zur Substanz, sofern es Seiendes ist (I) Deshalb ist gemäß der ersten dieser Weisen die Sub­

stanz ein Seiendes durch sich sowie an und für sich und ist wahrhaft Seiendes nicht nur deswegen, weil sie so im Sein Seihstand hat, daß sie nicht von einem anderen, das sie trägt, gestützt wird, sondern vielmehr insofern, als das von der Substanz ausgesagte Seiende ihr Wesen aussagt, das sie

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De accidentibus

66, 54-67, 77

substantia praedicat essentiam eius, quam secundum se et per se habet secund um modum supra dieturn. ( 2 ) Secundum hoc etiam accidens dicitur ens per attri­ butionem ad vere ens, quod est substantia, quia ipsum non est nisi quaedam dispositio veri entis, quod est substantia: et hoc est essentia eius. Unde non dicitur ens per attributio­ nem ad substantiam per aliquid accidentale ipsi accidenti, quasi propter inhaerentiam eius ad substantiam, tamquam ipsum habeat alias essentiam absolutam in se non depen­ dentem a substantia secundum rationem essentiae, cui essentiae accidentis quasi posterius natura et intellectu campetat esse dispositionem substantiae, sed, ut dieturn est, esse dispositionem substantiae est eius essentia, et se­ cundum hoc accidens dicitur ens per attributionem ad vere ens, quod est substantia. (3) Et hoc est, quod dicit Philosophus in principio VII Metaphysicae 2 0, quod accidentia eo sunt entia, quo sunt entis veri, quod est substantia. Et quod ista analogia, qua ac­ cidens dicitur ens per attributionem ad substantiam, atten­ datur penes essentiam accidentis, ostendit Philosophus in principio IV Metaphysicae 2 1 , ubi assumit, quod ens dieturn de decem generibus praedicamentorum non praedicat nisi ipsarum rerum essentias. Cuius ratio I est, quia ens nominat primam et simplicissimam omnium intentionum, qua res primo distat a nihilo: Hoc autem, quo res primo distat a nihilo, non potest esse aliquid accidentale. Et procedit ulte­ rius Philosophus22 ostendens, quod ens secundum istam intentionem, scilicet inquantum significat uniuscuiusque rei essentiam, dicitur de aliis novem generibus in analogia ad substantiam. Unde Commentator23 dicit ibi, quod alia 20 21 22 23 65vl.

cf. Aristoteles, Metaph. VII I , l 028a i 8-I9. cf. Aristoteles, Metaph. IV I, I 003a26-32. cf. Aristoteles, Metaph. IV 2, I 003b5-6. Averroes, In Aristotelis Metaph . IV, comm. 2; Venetiis I 562,

1 0 ( 1 ) -1 0 (3)

Über die Akzidentien

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gemäß der oben genannten Weise an und für sich sowie durch sich besitzt. ( 2 ) Insofern wird auch das Akzidens >Seiendes< genannt aufgrund der Zuordnung zum wahrhaft Seienden, der Substanz, weil es nichts anderes als eine gewisse Verfaßtheit am wahren Seienden, der Substanz, ist: Und das ist sein Wesen. Von daher heißt es nicht >Seiendes aufgrund der Zuordnung zur Substanz< wegen etwas, das ihm, dem Ak­ zidens, noch zukäme, gleichsam deswegen, weil es der Sub­ stanz inhärierte, als besäße es sonst ein in sich losgelöstes Wesen, ohne von der Substanz gemäß der Bestimmtheit sei­ nes Wesens abhängig zu sein, seines Wesens, dem es gleich­ sam der Natur und dem Begriff nach später zukäme , Ver­ faßtheit an der Substanz zu sein, sondern dies, Verfaßtheit an der Substanz zu sein, ist wie bemerkt sein Wesen, und in­ sofern heißt das Akzidens >Seiendes aufgrund der Zuord­ nung zum wahrhaft Seienden, der Substanz < . (3) Genau das sagt d e r Philosoph a m Anfang des VII. Bu­ ches der Metaphysik, daß die Akzidentien insofern Seiende sind, als sie am wahren Seienden, der Substanz, sind. Und daß der bekannte analoge Bezug, aufgrund dessen das Ak­ zidens >Seiendes aufgrund der Zuordnung zur Substanz< heißt, auf seiten des Wesens des Akzidens auszumachen ist, das zeigt der Philosoph am Anfang des IV. Buches der Me­ taphysik, wo er geltend macht, daß das von den zehn katego­ rialen Gattungen ausgesagte Seiende allein die Wesenhei­ ten eben dieser Dinge aussagt. Der Grund dafür ist der, daß das Seiende der Name ist für den ersten und einfachsten al­ ler Bedeutungsgehalte, durch den sich ein Ding zuerst vom Nichts unterscheidet; das aber, wodurch sich ein Ding zu­ erst vom Nichts unterscheidet, kann nichts Akzidentelles sein. Und der Philosoph fährt fort mit dem AufWeis, daß das Seiende gemäß diesem Bedeutungsgehalt, nämlich in­ sofern es das Wesen eines j eden Dinges anzeigt, von den an­ deren neun Gattungen in analogem Bezug zur Substanz ausgesagt wird. Von daher bemerkt der Kommentator zu

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De accide ntibu s

67, 77- 67, 98

praedicamenta >>universaliter non dicuntur entia, nisi quia sunt dispositiones entis Sei­ ende< genannt werden, weil sie Verfaßtheiten am Seienden sind>Denn das Sitzende und das Stehende werden ohne dieses nicht ausgesagt. Es ist somit offenkundig, daß diese die Ursache für deren Wesen ist. >Da ja die Akzidentien, zum Beispiel das Stehende und das Sitzende, nicht ohne diese >Seiende< ge­ nannt werden . . . und da dies von den Substanzen erklärt worden ist, so ist offenkundig, daß die Substanzen die Ursa­ chen des Wesens der Akzidentien sind und die Akzidentien nur wegen der Substanzen sind . Seiendes aufgrund von Zu­ ordnung zum und analogem Bezug zum wahrhaft Seien­ den, der Substanz< heißt, insofern das Akzidens wesentlich nur eine Verfaßtheit an der Substanz ist, und daß wie vor­ ausgeschickt die Substanz anders ihr Wesen gewinnt als das Akzidens, zeigt der Philosoph im VII. Buch der Metaphysik durch den Hinweis an, daß nämlich kein Akzidens wahr­ haft und in strengem Sinne eine Washeit und eine Defini­ tion besitzt, sondern allein die Substanz.

1 1 . Bekräftigung der Ausführungen vermittels des Philosophen; daß die Substanz wahrhaft und in strengem Sinne eine Was­ heil und eine Definition besitzt, nichtjedoch die Akzidentien

( 1 ) Das aber weist er im allgemeinen von jedem Akzidens nach, indem er die Akzidentien auf vierfache Weise unter­ scheidet, der gemäß sie in Hinordnung auf die Substanz oder aufeinander aufgeteilt werden müssen. Die erste Weise: >Akzidens< wird das genannt, was rein akzidentell ist, so in der Aussage >Das Weiße ist das (wissenschaftlich ) Ge­ bildete < ; die zweite: >Akzidens< ist ein aus dem Zugrundelie-

De accidentibus

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67, 98 - 68, 5

ut sit accidens aliquod aggregatum ex subiecto et aliquo accidente , quod accidentaliter inest tali subiecto, et subiec­ tum non per se, sed accidentaliter ipsum recipit, ut homo albus28; tertius modus, ut dicatur accidens id, quod per se est I quantum ad secund um modum dicendi per se, ut par et impar in numero29; quarto modo vocat accidens unum­ quodque novem generum praedicamentorum, puta quan­ titatem, qualitatem et cetera30. ( 2 ) Hos quattuor modos nominatim exprimit Philoso­ phus in VII Metaphysicae, et in eis exemplificat et ostendit suam intentionem, videlicet quod secundum nullum mo­ dorum accidentis ipsum accidens habet vere et proprie qui­ ditatem nec definitionem, sed sola substantia. Definitiones autem aliorum generum sunt ex additione, quia ingreditur definitiones eorum res alterius naturae, scilicet substantia, sine qua nullum eorum definiri potest vere et proprie, ut dicit31 . Aliquo tarnen modo potest dici, quod habeant quidi­ tates et per consequens definitiones, sed secundum quid et ratione deminuta; unde et consequenter Philosophus, post­ quam ostendit ea habere aliquo modo quiditatem et defini­ tionem32, ulterius probat in substantiis quiditatem eandem esse cum eo, quod est quid, in accidentibus autem differre33.

1 2. Quid sit quiditas secundum Philosophum et de prima modo, quo quiditas modo logico invenitur in accidentibus ( 1 ) Ad quae intelligenda considerandum, quid Philoso­ phus vere et proprie intelligat esse quiditatem, quam dicit solum in substantiis inveniri et non in accidentibus. 28 29 30 31 32 33

cf. Aristoteles, Metaph. VII 4, cf. Aristoteles, Metaph . VII 5, cf. Aristoteles, Metaph . VII 4, cf. Aristoteles, Metaph. VII 5, cf. Aristoteles, Metaph. VII 4, cf. Aristoteles, Metaph. VII 6.

1 029b22-1 030a7. 1 030b l 4-28, 103l al-4. 1 030al 7-32. 103l a2-4. 1030a23-32.

1 1 (1) -12 (1 )

Über die Akzidentien

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genden und einem Akzidens gebildetes aggregathaftes Ganzes, wobei das Akzidens einem solchen Zugrundelie­ genden akzidentell inhäriert und das Zugrundeliegende das Akzidens nicht wesentlich, sondern akzidentell auf­ nimmt, so in der Aussage >Der Mensch ist weiß < ; die dritte: >Akzidens< wird das genannt, was an sich ist, dies hinsicht­ lich der zweiten Weise, wie >an sich< ausgesagt wird, so im Falle des zahlenmäßigen Gleichen und Ungleichen; die vierte: >Akzidens< meint j ede der neun kategorialen Gat­ tungen, so die Größe, die Beschaffenheit usw. (2) Diese vier Weisen führt der Philosoph ausdrücklich im VII. Buch der Metaphysik an, und an ihnen exemplifi­ ziert und demonstriert er seine Aussageabsicht, daß näm­ lich gemäß keiner der Weisen von >Akzidens< eben das Ak­ zidens wahrhaft und in strengem Sinne eine Washeit und eine Definition besitzt, sondern allein die Substanz. Die Definitionen der anderen Gattungen aber erfolgen auf­ grund eines Zusatzes, weil in ihre Definitionen etwas von anderer Natur eingeht, nämlich die Substanz, ohne die, wie er bemerkt, keine von ihnen wahrhaft und in strengem Sinne definiert werden kann. In gewisser Weise kann man gleichwohl sagen, daß sie Washeiten und folglich Definitio­ nen besitzen, aber nur in gewisser Hinsicht und in abge­ schwächter Weise; von daher ist es nur folgerichtig, wenn der Philosoph nach dem Aufweis, sie besäßen in gewisser Weise eine Washeit und eine Definition, noch beweist, bei Substanzen sei die Washeit mit dem Was identisch, bei Akzi­ dentien aber seien sie voneinander verschieden .

1 2 . Das Wesen der Washeit gemäß dem Philosophen; über die erste Weise, auf die die Washeit unter logischer Perspektive bei den Akzidentien anzutreffen ist

( 1 ) Zu dessen Verständnis ist in Betracht zu ziehen, was gemäß dem Philosophen der wahre und strenge Begriff

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De accidentibus

68, 6 - 69, 2 1

( 2 ) Quantum autem e x eodem VII colligitur e x textu34 e t Commentatore3S, quiditas secundum Philosophum i n re­ bus compositis est forma, quam significat definitio; quam­ vis autem solam formam significet definitio, definit tarnen totum compositum. Unde in VIII Metaphysicae 36, ubi distin­ guit pri n l cipia substantiae compositae generabilis et cor­ ruptibilis, et universaliter ubicumque loquitur de tali for­ ma, semper vocat eam »quod quid erat esseDefinitionem autem non habent neque illud, quod est per essentiam« , id est ••quiditatemVernünftiges Lebewesen< wesentlich identisch ist mit >Mensch < , >Mensch < in sich wesentlich durch sich Sei­ endes sowie Eines ist und > Lebewesen < wesentlich identisch ist mit >Vernünftig< , was auch umgekehrt gilt. >>Das näm­ lich > trifft nur auf Substanzen zu. >Eine Definition besitzen sie j e­ doch nicht, auch nicht das, was wesentlich ist die Größe und die Beschaffenheit dem zuzurechnen sind, was durch ein Was ausgesagt wird>color disgregativus visusEine Farbe « , oder wenn das Weiß-Sein definiert wird: Das Weiß-Sein ist »eine Farbe, die den Gesichtssinn zerstreut« ; diese Definition be­ steht aus der eigentümlichen Gattung und der Differenz. Beides davon, nämlich sowohl die Frage als auch die Ant­ wort aufgrund des Was, mag nun mit der eigentümlichen Gattung, der Farbe, oder der Differenz geantwortet wer­ den, ist eine Definition unter logischer Perspektive, inso­ fern nämlich aufgrund der Gattung oder der Definition et­ was bestimmt wird; entsprechend erörtert der Philosoph in der Topik Probleme in bezug auf die Gattung und die Defi­ nition. Denn die vier Prädikate, nämlich Akzidens, Gat­ tung, Eigentümliches und Definition, von denen der Philo­ soph in seiner Topik handelt, auch die kategorialen Gattun­ gen und ihre Zuordnungen, die in einer bestimmten kate­ gorialen Gattung angeordnet sind, so die Gattungen, Arten und Differenzen eben dieser Gattungen, sind gemäß einer schon merkwürdigen Theorie und logischer Betrachtung bestimmt worden; und insofern, nämlich als Prädikate oder Kategorien und aus diesen gewonnene Definitionen, gehören sie zu den Inhalten von zweitem Bedeutungsge­ halt und besitzen einen logischen Status. (7) Dies also ist die eine Weise, auf die die Akzidentien, nämlich die Größe, die Beschaffenheit usw. , eine Washeit und eine Definition besitzen, wie es heißt, freilich nicht schlechthin, sondern unter logischer Perspektive, insofern nämlich bei ihnen die bekannten Bedeutungsgehalte der logischen Betrachtungsweise begegnen, nämlich Gattung, Art, Definition, die washeitlich ausgesagt werden und ln­ halte von zweitem Bedeutungsgehalt sind, wie auch das washeitliche Ausgesagt-Werden selbst. Wenn man daher sagt, etwas besitze eine Washeit unter logischer Perspektive, so trifft das sowohl auf das, was bei der Gattung der Sub­ stanz begegnet, als auch auf das, was bei den anderen neun Gattungen, denen der Akzidentien, begegnet, zu.

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De accidentibus

70, 64 - 71 , 83

1 3. De secundo modo, quo quiditas est in accidentibus modo log;ico ( 1 ) Est et alius modus, videlicet considerando ea in or­ dine ad substantiam, inquantum scilicet sunt dispositiones substantiae. Et iste modus considerationis pertinet ad con­ siderationem essentiae et naturae eorum, inquantum sunt entia et res primae intentionis circumscriptis ab eis rebus secundae I intentionis, ut si quaereretur, quid est color, et responderetur, quod color est extremitas perspicui in cor­ pore terminato48, et si quaereretur de qualitate, quid est qualitas, et responderetur, quod qualitas est, secundum quam quales dicimur49• ( 2 ) In huiusmodi enim definitionibus et interrogationi­ bus et responsionibus per quid est non infertur quiditas ta­ lium accidentium, quae sit eorum quiditas simpliciter, sed modo logico, inquantum videlicet ex ipsa interrogatione per quid est extenditur nomen quiditatis per quandam fa­ mositatem et logicae considerationis probabilitatem etiam ad ipsam responsionem. Quod quidem capit rationem ex eo, quoniam quaestio per quid est importat quandam ge­ neralitatem, sicut et ipsum ens et quodlibet transcenden­ tium. Quaerit enim de essentia; determinatur autem huius­ modi generalitas per responsionem quantum ad determi­ natum modum essentiae; et sie id, quod respondetur ad talem quaestionem de accidente , sortitur modo quodam logicae attributionis nomen quiditatis et non simpliciter et vere.

48 cf. Aristoteles, De sens. et sens. 3, 439bl l-1 2. 49 cf. Aristoteles, Cat. 8, 8b25.

1 3 ( 1 ) - 1 3 (2)

Über die Akzidentien

53

13. Über die zweite Weise, auf die die Washeit unter logischer Per­ spektive bei den Akzidentien begegnet ( 1 ) Es gibt noch eine andere Weise, indem man sie näm­ lich in ihrer Hinordnung auf die Substanz betrachtet, inso­ fern sie Verfaßtheiten an der Substanz sind. Diese Betrach­ tungsweise bezieht sich auf die Betrachtung ihres Wesens und ihrer Natur, insofern sie Seiende und Inhalte von er­ stem Bedeutungsgehalt sind und gegen die Inhalte von zweitem Bedeutungsgehalt abgegrenzt werden, wie wenn gefragt würde: ••Was ist die Farbe? significatio uniuscuiusque isto­ rum est unius entis>die Bedeutung eines jeden von diesen sich dem einen Seienden verdanktprimo significat aceidens et seeundo subieetum: aeeidens enim innatum est existere in subieeto weißer Mensch< besteht somit diese Differenz in der Bedeutungsweise. (8) Hinsichtlich der durch >weiß< und >weißer Mensch < bedeuteten Sache aber gibt es keine Differenz, es sei denn insofern, als >weiß< generell sein Zugrundeliegendes mit

De accidentibus

58

72, 1 2 8 - 73, 1 2

albedinis ad subiectum est per se. I n e a autem, quae est homo albus, specificatur ipsum albedinis subieetum, cui in­ est albedo; et sie tali subieeto aeeidit inesse albedinem, in­ quantum potest sibi non inesse, et ipsi albedini aeeidit in­ esse tali subieeto et non per se inest. I

1 4. De tertio modo, quo quiditas invenitur in accidentibus modo logico

( 1 ) Potest etiam aeeidens tertio modo diei habere quidi­ tatem modo logieo, quia ipsum est dispositio eius, quod ha­ bet vere et simplieiter quiditatem , quod est substantia, sieut etiam dieitur ens, quia est dispositio veri entis, quod est substantia. Et sie seeund um quandam attributionem logiea­ lis eonsiderationis attribuitur sibi nomen et ratio quiditatis.

1 5 . Declaratio eius, quod determinat Philosophus, scilicet quod quiditas substantiae est eadem ipsi substantiae, in accidenti­ bus autem differt

( 1 ) Ad intelligentiam autem eius, quod supra dieturn est et habetur a Philosopho in VII 58, seilieet quod in substantiis quiditas unitatem et identitatem habet eum eo, euius est quiditas, differunt autem in aeeidentibus, eonsiderandum.

ss

cf. Aristoteles, Metaph. VII 6.

1 3 (8) - 1 5 ( 1 )

Über die Akziden tien

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sich führt; und so ist der Verhältnisbezug des Weiß-Seins zu seinem Zugrundeliegenden ein wesentlicher Verhältnis­ bezug. In dem Ausdruck >weißer Mensch < aber wird eben das Zugrundeliegende des Weiß-Seins, dem das Weiß-Sein inhäriert, spezifiziert; und so akzidiert es einem solchen Zugrundeliegenden , daß ihm das Weiß-Sein inhäriert, inso­ fern es ihm auch nicht inhärieren kann, und eben das Weiß-Sein inhäriert einem solchen Zugrundeliegenden auf akzidentelle Weise, inhäriert ihm j edoch nicht an sich.

14. Über die dritte Weise, auf die die Washeit unter logischer Per­ spektive bei den Akzidentien anzutreffen ist

( 1 ) Auch auf eine dritte Weise kann man vom Akzidens sagen, daß es unter logischer Perspektive eine Washeit be­ sitzt, denn es ist eine Verfaßtheit an dem, das wahrhaft und schlechthin eine Washeit besitzt, nämlich an der Substanz, wie es auch > Seiendes< genannt wird, weil es eine Verfaßt­ heil am wahren Seienden, der Substanz, ist. Und so werden ihm gemäß einer bestimmten Zuordnung im Rahmen logi­ scher Betrachtung der Name und der Gehalt der Washeit zuteil.

1 5 . Erklärung der Bestimmung des Philosophen, daß nämlich die Washeit der Substanz mit eben der Substanz identisch ist, die Washeit der Akzidentien sich von den Akzidentien jedoch un­ terscheidet

( 1 ) Zum Verständnis dessen, was oben ausgeführt wor­ den ist und aus dem VII . Buch der Metaphysik des Philoso­ phen stammt, daß nämlich bei Substanzen die Washeit Ein­ heit und Identität mit dem, dessen Washeit sie ist, aufweist, sie sich bei Akzidentien j edoch unterscheiden, sind nun folgende Erwägungen anzustellen.

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73, 1 3 - 74, 36

(2) Huiusmodi autem rei, quam Philosophus circa diffe­ rentiam substantiarum et accidentium pertractat in iam dicto libro, ratio et causa est, quoniam quiditas est id, quo formalissime essentiatur et constituitur res in esse secun­ dum actum formalem quantum ad suam essentiam, ex quo etiam formali principio res talis notificatur in eo, quod quid est. Quamvis enim essentia in rebus compositis impor­ tet utrumque componentium, scilicet materiam et formam, quibus essentia rei constituitur, sola tarnen forma est quidi­ tas substantiae compositae, ut praemissum est. Quam for­ mam significat definitio definiens nihilominus totum com­ positum et notificans in eo, quod quid est, secund um quod habetur a Philosopho59 et Commentatore60 in VII et a Boethio in libro De Trinitate61 , ubi pertractat, quomodo esse est a forma et non a materia: esse, inquam, in eo, quod quid est. (3) Quamvis igitur accidentia suo modo et deminuta ra­ tione quiditatem habeant et modo logico, ut supra habitum est, nihilominus tarnen habent eam proportionaliter sub­ stantiis, videlicet quod quemadmodum in substantiis sie et in accidentibus se habet, ut, quod in constitutione acciden­ tis cuiuscumque et in ipsius noti (29 vb ) ficatione in eo, quod quid est, formalius est et per consequens magis notifi­ cativum essentiae eius, quiditas accidentis talis et sit et vo­ cetur. l ( 4) Sicut igitur in consideratione substantiae forma est principium quiditativum et in hoc etiam notificativum sub­ stantiae in eo, quod quid est, sie habita consideratione circa accidens ipsum subiectum seu substantia est quiditas eius; unde in ipsius accidentis expositione ponitur subiectum seu substantia tamquam principium maxime formale, ut si

59 cf. adn. 34. cf. adn. 35. 61 cf. Boethius, De Trin. Il; Stewart-Rand 8.

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1 5 (2) - 1 5 (4)

Über die Akzidentien

61

( 2 ) Für das, was der Philosoph bezüglich der Differenz zwischen Substanzen und Akzidentien in der bereits ge­ nannten Schrift abhandelt, ist der präzise Grund der, daß die Washeit das ist, wodurch auf gänzlich formale Weise ei­ nem Ding sein Wesen zuteil wird und es hinsichtlich seines Wesens gemäß einem formalen Akt ins Sein begründet wird, aufgrund welchen formalen Prinzips ein solches Ding auch in seinem Was markiert wird. Wenngleich nämlich das Wesen bei zusammengesetzten Dingen beide der die Zusammensetzung bewirkenden Komponenten mit sich führt, nämlich den Stoff und die Form, durch die das We­ sen des Dinges begründet wird, so ist gleichwohl allein die Form wie vorausgeschickt die Washeit der zusammenge­ setzten Substanz. Diese Form zeigt die Definition an, die nichtsdestoweniger das ganze Zusammengesetzte definiert und es insofern, als es ein Was ist, markiert, so der Philo­ soph und der Kommentator im VII. Buch der Metaphysik und Boethius in der Schrift Über die Dreieinheit, wo er davon handelt, wie das Sein von der Form und nicht vom Stoff stammt, das Sein, so sage ich, insofern, als es ein Was ist. (3) Wenngleich somit die Akzidentien auf ihre Weise und in abgeschwächter Form eine Washeit besitzen, und zwar unter logischer Perspektive, wie oben expliziert, so be­ sitzen sie gleichwohl in Analogie zu den Substanzen eine Washeit; denn wie es sich mit den Substanzen verhält, so auch mit den Akzidentien: Was bei der Begründung eines jeden Akzidens und in seiner Markierung als Was formaler ist und folglich markanter sein Wesen anzeigt, ist die Was­ heit eines solchen Akzidens und wird auch so genannt. ( 4) Wie somit bei der Betrachtung der Substanz die Form washeitliches Prinzip ist und insofern auch die Sub­ stanz in ihrem Was markiert, so ist, richtet man das Augen­ merk auf das Akzidens, eben das Zugrundeliegende oder die Substanz Washeit des Akzidens; von daher wird bei der Erklärung eben des Akzidens das Zugrundeliegende oder die Substanz als in höchster Weise formales Prinzip ange-

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74, 36- 74, 56

dicam, quid est simitas, et respondeatur, quod est concavi­ tas nasi62. Additio enim nasi contrahit communitatem con­ eavitatis et formaliter ipsam determinat ad talem speeifi­ eum modum, quem habet, inquantum est simitas. Si igitur fuerit aeeidens per se quantum ad seeundum modum di­ eendi per se in libro Posteriorum 53, subieetum exprimitur in expositione eius et est quiditas eius, et definitio subiecti di­ eens quid est subieetum et propter quid talis passionis est etiam definitio per se talis passionis. Si autem sit aecidens non per se, sed aeeidentaliter inhaerens, ut album homini, ipsum subiectum est quiditas eius, sed aeeidentaliter et non per se, et definitio hominis est definitio talis aeeidentis non per se, sed aecidentaliter. Et hoe est, quod Philosophus de­ terminat in VII64, seilieet quod aecidentia neque quidita­ tem habent proprie nec definitionem, >>sed, sicut quidam dixerunt, modo logico>Was ist die Stülpigkeit? an sich< aus­ gesagt wird, wird das Zugrundeliegende bei seiner Erklä­ rung explizit angeführt und ist seine Washeit, und die Defi­ nition des Zugrundeliegenden , die das Was des Zugrunde­ liegenden und das Warum einer solchen Affektion zum Ausdruck bringt, ist auch eine wesentliche Definition einer solchen Affektion. Sollte es sich aber nicht um ein Akzidens an sich, sondern um ein akzidentell inhärierendes Akzi­ dens - wie es beim Weißen, das dem Menschen inhäriert, der Fall ist - handeln, ist eben das Zugrundeliegende seine Washeit, aber akzidentell und nicht an sich, und die Defini­ tion des Menschen ist die Definition eines solchen Akzi­ dens, freilich nicht an sich, sondern akzidentell. Eben dies legt der Philosoph im VII. Buch präzis auseinander, daß nämlich die Akzidentien in strengem Sinne weder eine Washeit noch eine Definition besitzen, » höchstens, wie ei­ nige behauptet haben, unter logischer Perspektive>Necesse est enim, ut defi­ nitio substantiae accipiatur in definitione cuiuslibet rei. >Denn es ist notwendig, daß die Definition der Sub­ stanz in die Definition eines j eden Dinges aufgenommen wird. Seiendes< genannt wird, beim Akzidens gemäß einem wesentlichen Bezug anzutreffen ist, dies gleichsam aufgrund einer gewissen Hinneigung zur Sub­ stanz, wodurch es durch sein Wesen dahin tendierte, der Substanz zu inhärieren. ( 4) Wenngleich ein solcher Bezug nämlich vom Wesen des Akzidens nicht verschieden wäre, sollte es denn ein We­ sen an und für sich sowie unabhängig besitzen, so bestünde in einem derartigen Bezug oder einer derartigen Hinnei­ gung dennoch nicht das Wesen und die Washeit des Akzi­ dens. Das ist bei den stofflichen Formen, dem ersten Stoff und den Teilen des Ganzen deutlich, die freilich aufgrund ihrer Wesenheiten solche Hinneigungen oder Bezüge be­ sitzen; gleichwohl besteht darin nicht ihre Washeit, auch sind sie aufgrund solcher Bezüge nicht das, was sie wesent­ lich gemäß der Bestimmtheit ihrer Washeit sind, sondern sie besitzen vielmehr dadurch, daß sie wesentlich derartige sind, solche Hinneigungen und Bezüge . Denn die Bezüge verleihen ihren Fundamenten weder Wesen noch Washeit, vielmehr gilt umgekehrt: Aufgrund des Wesens und der Washeit des Fundaments eignet solchen Bezügen die In­ härenz.

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76, 1 - 76, 22

1 7. Confirmatio dictarum per deductionem ad inconveniens se­ cundum Philosoph um

( 1 ) Si igitur aeeidens seeundum se ipsum haberet essen­ tiam seeundum rationem suae propriae quiditatis praeter attributionem et analogiam ad substantiam, (30ra) seeun­ dum omnia ea, quae praemissa sunt, sequeretur, quod nulla differentia esset aeeidentis et substantiae, immo ip­ sum aeeidens vere et eomplete esset substantia. Habere enim talem essentiam, id est seeund um se ipsum seeundum rationem propriae et absolutae quiditatis, proprium est substantiae tantum seeundum Philosophum in VII Meta­ physicae 68. ( 2 ) Sequeretur etiam, quod ens praedieatum de aeei­ dente vel non praediearetur de aeeidente per essentiam, quod est eontra Philosophum in prineipio IV Metaphysi­ cae 69 , vel non praediearetur seeundum analogiam eius ad substantiam, quia in essentia eius esset suffieiens, immo perfeeta ratio, qua reeiperet in se praedieationem entis. Et sie ulterius eoncluderetur, quod aeque primo ens praediea­ retur de substantia et aeeidente . (3) Ulterius etiam ex neeessitate eoncluderetur eontra­ rium eius, quod dieit Philosophus70, quod seilieet aeeiden­ tia sunt entia in eo, quod sunt entis. Essent enim seeundum se ipsum ens per suam essentiam absolutae et propriae quiditatis, et sie perfeete et simplieiter habereut quidita­ tem; et per consequens secundum se et absolute simpliciter et perfeete habereut propriam et simplieiter definitionem. Ex quo sequeretur non esse necessarium substantiam

68 cf. Aristoteles, Metaph. VII 4, 1 030a3-6. 69 cf. Aristoteles, Metaph. IV 1, 1 003a26-32. 70 cf. Aristoteles, Metaph. VII 1, 1 028a1 8-19.

1 7 ( 1 ) - 1 7 (3)

Über die Akzidentien

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1 7. Bekräftigung der Ausführungen durch eine im Anschluß an den Philosophen erfolgende Ableitung mit dem Ziel, das Unzu­ treffende auftuzeigen und zu eliminieren

( 1 ) Wenn das Akzidens somit an und für sich ein Wesen gemäß der Bestimmtheit der ihm eigentümlichen Washeit über die Zuordnung und den analogen Bezug zur Substanz hinaus besäße, würde gemäß allem Vorausgeschickten fol­ gen, daß zwischen dem Akzidens und der Substanz keine Differenz bestünde, daß vielmehr eben das Akzidens wahr­ haft und in vollem Umfang Substanz wäre. Denn ein sol­ ches Wesen zu besitzen, das heißt: an und für sich gemäß der Bestimmtheit eigentümlicher und unabhän gi ger Washeit, eignet gemäß dem Philosophen im VII. Buch der Metaphysik nur der Substanz. (2) Auch wäre die Folge, daß das vom Akzidens ausge­ sagte Seiende entweder nicht wesentlich vom Akzidens aus­ gesagt würde, was dem Philosophen, so zu Beginn des IV. Buches der Metaphysik, widerspräche, oder daß es nicht ge­ mäß seinem analogen Bezug zur Substanz ausgesagt würde, weil in seinem Wesen eine hinreichende, ja sogar vollkom­ mene Bestimmtheit anzutreffen wäre, aufgrund deren es in sich dazu disponiert wäre, daß das Seiende von ihm ausge­ sagt würde. Und so ließe sich darüber hinaus schließen, daß das Seiende in gleicher Weise erstlieh von der Substanz und dem Akzidens ausgesagt würde. (3) Auch ließe sich darüber hinaus mit Notwendigkeit das Gegenteil der Ansicht des Philosophen, daß nämlich die Akzidentien insofern Seiende sind, als sie am Seienden anzutreffen sind, folgern . Das Akzidens wäre nämlich an und für sich ein Seiendes, das aufgrund seines Wesens von unabhängiger und eigentümlicher Washeit wäre, und so besäßen die Akzidentien vollkommen und schlechthin eine Washeit; und folglich besäßen sie an und für sich sowie unabhängig in schlechthinniger und vollkommener Weise eine eigentümliche und schlechthinnige Definition. Dar-

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76, 22- 77, 43

ingredi definitionem eorum, cuius contrarium determinat Philosophus in VII71 versus principium, ubi dicit, quod sub­ stantia est »prima secundum definitionem>Necesse est enim, ut definitio substantiae acci­ piatur in definitione cuiuslibet rei. « Et propter hoc defini­ tio accidentis est ex additione alterius naturae, quod est substan tia, ut infra 72 determinat. ( 4) Nec potest dici, si quis 73 vellet fingere, scilicet quod propter inesse seu inhaerere substantiae accidens habet ta­ lem definitionem, quod substantia necessario ingreditur definitionem eius. (5) Istud, inquam, stare non potest. Si enim inesse seu inhaerere substantiae est essentia accidentis, habetur pro­ positum, scilicet quod accidens nec essentiam absolutam circumscripta substantia nec secundum se propriam I qui­ ditatem nec absque substantia definitionem habet, sicut et ipsum dictum, scilicet inhaerere substantiae, evidenter importat. (6) Si autem dicatur, quod inesse seu inhaerere substan­ tiae est accidens seu proprietas accidentis habentis nihilo­ minus secund um se suam propriam et absolutam essentiam inquantum essentia non concernendo essentialiter sub­ stantiam, tune, cum id, quod est accidens seu proprietas ali­ cuius entis habentis secundum se absolutam essentiam et suae essentiae quiditatem, non imponat modum vel for­ mam vel rationem definiendi talem essentiam, manifestum est, quod ex ipsa inhaerentia ad substantiam non esset ne­ cessarium ipsum accidens ex substantia definiri, cum defi-

7 1 Aristoteles, Metaph. VII 1 , 1 028a34-36. 72 cf. Aristoteles, Metaph. VII 5, 1 0 3 1 a2-4. 73 cf. e. g. Thomas Aquinas, Quaest. quodl. IX 5 ad 1 .

1 7 (3) - 1 7 (6)

Über die Akzidentien

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aus würde folgen, daß die Substanz nicht notwendig in die Definition der Akzidentien einginge; das Gegenteil davon versichert jedoch der Philosoph im VII . Buch gegen An­ fang, wo er erklärt, daß die Substanz >>der Definition nach Erstes>Denn es ist notwendig, daß die Definition der Substanz in die Defi­ nition eines jeden Dinges aufgenommen wird. an sich < ( 1 ) Im Blick auf die angezielte Untersuchung, ob näm­ lich das Akzidens unter der Voraussetzung, daß eine Kraft ­ welche auch immer - dies bewirkt oder es erhält, ohne Zu­ grundeliegendes existieren kann, ist nun zunächst zu be­ herzigen, daß es schlechthin und in j eder Hinsicht unmög­ lich ist, daß das, was auf die erste und die zweite Weise von >an sich< an sich ist, welche Weisen der Philosoph in seiner Schrift !I. Analytik aufzählt, dem, welchem es an sich zu­ kommt, nicht innewohnt. Diese Unmöglichkeit gründet in einem vorrangig Unmöglichen, das im ersten aller Natur­ prinzipien impliziert ist, daß nämlich etwas unmöglich zu­ gleich existiert und nicht existiert, und im ersten Prinzip der Logik, daß nämlich von j eglichem entweder die Beja­ hung oder die Verneinung wahr ist, nicht jedoch beide zu­ gleich. (2) Ein solches Unmögliches träte aber ein, wenn ange­ nommen würde, etwas von dem, das auf die erste oder zweite Weise von >an sich< an sich ist, wohne dem, welchem es an sich zukommt, nicht inne. Hinsichtlich der ersten die-

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De accidentibus

82, 55-82, 72

istorum modorum per se, ut si ponatur homo esse et pona­ tur, quod non sit animal vel rationale, vel removeatur tota definitio, scilicet animal rationale, sequeretur necessario, quod homo sit et non sit. Nihil est enim homo per essen­ tiam nisi animal rationale: ergo posito uno eorum in esse et remoto ( 3Qvb ) alio sequitur idem esse et non esse et impor­ tabitur contradictio, quod est primum omnium impossibi­ lium et in quod omnia impossibilia reducuntur. Unde nulla virtute sive naturali sive supernaturali possunt talia non in­ esse his, quorum sunt per se. (3) Convenit autem hoc universaliter definitioni et de­ finito, ut ab invicem separari non possint, cum in utroque istorum importetur unum et idem per essentiam. Igitur et in his, quae sunt secundi modi per se, eodem modo se ha­ bet. In his enim subiectum cadit in definitione passionis se­ cundum eum modum, quod eadem est definitio subiecti et passionis dicens quid est subiectum et propter quid pas­ sionis. In huiusmodi igitur posito subiecto in esse necessa­ rio ponitur eius definitio; posita autem hac definitione, cum ipsa eadem sit passionis, passione posita non inesse se­ quitur idem esse et non esse et contradictio circa idem, quod simpliciter et omnibus modis est impossibile, ut si poneretur definitio dicens propter quid par vel impar

2 1 (2) - 2 1 (3)

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ser Weisen von •an sich< nun würde, wenn etwa angenom­ men würde, der Mensch existiere, und angenommen würde, er sei kein Lebewesen oder kein Vernunftbegabtes, oder die ganze Definition, nämlich •vernunftbegabtes Lebewesen < , aufgehoben würde, notwendig folgen, der Mensch existiere und existiere nicht. Der Mensch ist näm­ lich wesentlich nichts anderes als ein vernunftbegabtes Lebewesen; wenn also eines davon als existierend ange­ nommen und das andere aufgehoben wird, folgt, daß das­ selbe existiert und nicht existiert, und es dürfte ein Wider­ spruch vorliegen; der widersprüchliche Gegensatz aber ist das erste von allem Unmöglichen, und auf ihn läßt sich alles Unmögliche zurückführen. Von daher ist es durch keine Kraft, sei sie nun natürlich oder übernatürlich, mög­ lich, daß solches dem, welchem es an sich zukommt, nicht innewohnt. (3) Das aber kommt ganz allgemein der Definition und dem Definierten zu, daß sie nicht voneinander abgetrennt werden können, da in beiden von ihnen ein und dasselbe wesentlich impliziert ist. Auch bei dem, was zur zweiten Weise von •an sich< gehört, verhält es sich demnach glei­ chermaßen. Bei dem nämlich gehört das Zugrundelie­ gende zur Definition der Affektion in der Weise, daß die Definition des Zugrundeliegenden und der Affe ktion, die das Was des Zugrundeliegenden und das Warum der Affek­ tion zum Ausdruck bringt, ein und dieselbe ist. Wenn bei derartigem demnach das Zugrundeliegende als existie­ rend angenommen wird, wird notwendig auch seine Defi­ nition angenommen; wird aber diese Definition ange­ nommen, folgt: Da sie auch die der Affektion ist, ist das­ selbe, wenn von der Affektion angenommen wird, sie wohne dem Zugrundeliegenden nicht inne, existent und nicht existent, und es besteht in bezug auf dasselbe ein Widerspruch, was schlechthin und in j eder Hinsicht un­ möglich ist, wie wenn etwa die Definition, die das Warum des Gleichen oder Ungleichen bei der Zahl zum Ausdruck

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82, 72- 83, 3

in numero et cum hoc par vel impar a numero remove­ retur. ( 4) Similiter autem se habet quantum ad alia accidentia positiva in natura, quae per se sunt in aliquo genere prae­ dicamentorum, ut quantitas, qua l litas et cetera genera et species eorum . In his enim ea, quae cadunt in definitione eorum , p erti n e n t ad p ri m u m modum dicendi p er se, in­ quantum ea, quae cadunt in definitione eorum, et ipsa defi­ nitio dicitur de ipsis et convenit eis per se. Cadit autem se­ cundum hoc substantia in definitione eorum, sine qua im­ possibile est aliquid ipsorum definiri, sicut dicit Philoso­ phus in VII89, cuius ratio est, quia tota essentia cuiuslibet eorum est esse dispositionem substantiae, ut supra osten­ sum est, et sunt entia, quia sunt entis veri, quod est sub­ stantia, ut ibi dicit in principio VII90• Posito igitur aliquo istorum accidentium in esse, puta quantitate, qualitate vel quolibet alio, et remota definitione cuiuslibet eorum indi­ cante, quod ipsum est per essentiam dispositio substantiae, et concesso, quod ipsum non sit aliqua dispositio substan­ tiae, cum tarnen ipsum tale accidens ponatur esse in actu, implicat contradictionem. Igitur nulla virtute vel naturali vel supernaturali potest hoc fieri, ut tale accidens sit actu sine subiecto.

22. Remotio quarundam cavillationum obnitentium determina­ tae veritati ( 1 ) Nec obstat hoc, quo aliqui suam positionem nituntur

defendere dicentes, quod inesse subiecto est accidentale

89 cf. Aristoteles, Metaph . VII I, l 028a35-36; ibid. VII 5, 1 03I a2-4. 90 cf. Aristoteles, Metaph . VII I, 1 028ai8-I9.

2 1 (3) - 22 ( 1 )

Über die Akzidentien

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bringt, angenommen würde und zugleich das Gleiche oder Ungleiche von der Zahl getrennt würde. ( 4) Äh nlich verhält es sich nun mit den anderen positi­ ven Akzidentien in der Natur, die an sich in einer kategoria­ len Gattung anzutreffen sind, wie die Größe, die Beschaf­ fenheit und die übrigen Gattungen sowie deren Arten. Bei diesen nämlich bezieht sich das, was zu ihrer Definition gehört, auf die erste Weise, wie >an sich < ausgesagt wird, in­ sofern das, was zu ihrer Definition gehört, und die Defini­ tion selbst von ihnen an sich ausgesagt wird und ihnen an sich zukommt. Insofern aber gehört die Substanz zu ihrer Definition, ohne die unmöglich etwas von ihnen definiert wird, wie der Philosoph im VII. Buch sagt; der Grund dafür ist der, daß das ganze Wesen eines j eden von ihnen darin besteht, eine Verfaßtheit an der Substanz zu sein, wie oben gezeigt worden ist, und daß sie Seiende sind, weil sie am wahren Seienden, der Substanz, anzutreffen sind, wie er dort, zu Beginn des VII. Buches, sagt. Wenn also eines die­ ser Akzidentien als existierend angenommen wird, so die Größe, die Beschaffenheit oder irgendein anderes, die De­ finition irgendeines von ihnen, die anzeigt, daß es wesent­ lich eine Verfaßtheit an der Substanz ist, aufgehoben wird und zugestanden wird, daß es nicht eine Verfaßtheit an der Substanz ist, obwohl dennoch eben ein solches Akzidens als in Wirklichkeit existierend angenommen wird, so impli­ ziert das einen Widerspruch. Also kann durch keine Kraft, sei sie natürlich oder übernatürlich, dies bewirkt werden, daß ein solches Akzidens der Wirklichkeit nach ohne Zu­ grundeliegendes existiert.

22. Zurückweisung einiger sophistischer Einwände, die der ermit­ telten Wahrheit entgegen sind ( 1 ) Dem steht auch nicht das im Wege, aufgrund dessen einige bestrebt sind, ihre Ansicht dadurch zu rechtfertigen,

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De accidentibus

83, 3 - 84, 20

accidenti, scilicet quantitati, qualitati et aliis; potest autern supernaturali virtute separari res et poni in esse sine suo accidente; igitur supernaturali saltern virtute potest esse quantitas vel qualitas ita, quod non insint alicui subiecto. ( 2 ) Sed dicendurn ad istud, quod concesso, quod inesse subiecto sit accidentale quantitati vel qualitati, est tarnen accidentale, sicut propriurn et per se passio dicitur accidens vel accidentale, ut par et irnpar nurnero. In quibus attendi­ tur hoc, videlicet quod eadern est definitio dicens quid est subiecti et propter quid passionis, et sunt secundi rnodi di­ cendi per se: essentia enirn accidentis cuiuscurnque est esse dispositionern substantiae; et haec est ratio dicens propter quid accidens inest substantiae, ut per se patet. Unde nullo rnodo in huiusrnodi accidentibus seu passionibus cadit se­ paratio inter subiecturn et passionern, ut videlicet unurn in­ veniatur vel inveniri possit sine alio, ac si poneretur nurne­ rurn esse nec parern nec irnparern. I (3) Nec potest dici91 , quod accidentia dicantur esse dis­ positiones substantiae aptitudinaliter; non tarnen oportet, quod sernper in actu, et sie non necessariurn est sernper inesse, sed possunt virtute saltern supernaturali non inesse.

9 1 cf e. g. Bonaventura, In IV Sent. d. XII, p. I, a. 1 , q. 1 concl. et ad I et 2; Quaracchi 1 889, 2 7 1 ; Thomas Aquinas, S. theol. III 77, 1 ad 2; Aegidius Romanus, Theor. de corp. Chr. , theor. 4 1 ; Romae 1 554, 28vaC-bA.

22 ( 1 ) -22 (3)

Über die Akzidentien

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daß sie behaupten, dies, einem Zugrundeliegenden inne­ zuwohnen, ist für das Akzidens, nämlich für die Größe , die Beschaffenheit usw. , akzidentell; aufgrund einer überna­ türlichen Kraft kann etwas abgetrennt werden und ohne sein Akzidens als existierend angenommen werden; dem­ nach ist es zumindest aufgrund einer übernatürlichen Kraft möglich, daß die Größe oder die Beschaffenheit so existie­ ren, daß sie keinem Zugrundeliegenden innewohnen. (2) Darauf ist aber zu erwidern: Selbst wenn zugestanden wird, daß dies, dem Zugrundeliegenden innezuwohnen, für die Größe oder die Beschaffenheit akzidentell ist, so ist das dennoch akzidentell in der Weise, wie das Eigentümli­ che oder die Affektion an sich >Akzidens< oder >akzidentell< genannt wird, etwa das der Zahl nach Gleiche und Unglei­ che. Dabei läßt sich das erkennen, daß nämlich die Defini­ tion, die das Was des Zugrundeliegenden und das Warum der Affektion zum Ausdruck bringt, ein und dieselbe ist und daß es sich dabei um die zweite Weise, wie >an sich< aus­ gesagt wird, handelt; denn das Wesen eines j eden Akzidens besteht darin, eine Verfaßtheit an der Substanz zu sein; und das ist die Bestimmung, die zum Ausdruck bringt, warum das Akzidens der Substanz innewohnt, wie an sich klar ist. Von daher begegnet bei derartigen Akzidentien oder Affektionen in keiner Weise eine Trennung von Zu­ grundeliegendem und Affektion, daß nämlich das eine ohne das andere anzutreffen ist oder angetroffen werden kann, wie wenn man annähme, die Zahl sei weder gleich noch ungleich. (3) Auch kann nicht behauptet werden, von den Akzi­ dentien werde ausgesagt, sie seien dem Geeignet-Sein nach Verfaßtheiten an der Substanz; freilich ist nicht erforder­ lich, daß sie immer der Wirklichkeit nach existieren, und somit ist es nicht notwendig, daß sie immer dem Zugrunde­ liegenden innewohnen, vielmehr ist es möglich, daß sie zu­ mindest aufgrund einer übernatürlichen Kraft dem Zu­ grundeliegenden nicht innewohnen.

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De accidentibus

84, 2 1 -84, 42

( 4) Sed haec cavillatoria instantia, ruditatis et ignoran­ tiae filia, eradicat fundarnenta et naturae et scientiae: de­ struit enirn propriarn rationern substantiarurn et aeeiden­ tiurn et eorurn ad invieern differentias, sieut supra latius ostensurn est. Huiusrnodi autern, seilicet substantiae et acci­ dentia, seeundurn suas generales rationes eontinent totarn rnateriarn ornniurn seientiarurn tarn hurnanarurn quarn di­ vinarurn. Tarnen quia sapientibus et insipientibus debitores surnus92, dieendurn, quod definitiones entiurn in eo, quod sunt entia, sunt definitiones eorurn, inquanturn sunt entia seeundurn aeturn seeundurn rationern suae essentiae. Ratio enirn, quarn signifieat nornen, est definitio seeundurn Phi­ losophurn in IV Metaphysicae 9 3; nornina autern irnposita sunt rebus, seeundurn quod sunt in aetu, sieut dieit Corn­ rnentator Super VII Metaphysicae 9 4; non enirn horno est res existens horno in potentia. Igitur ea, quae per se ponuntur in ratione, quarn signifieat nornen et est definitio, surnun­ tur non seeundurn aptitudinern seu seeundurn potentiarn. Sequeretur enirn ex neeessitate, quod ens tale, euius est ta­ lis definitio, esset ens seeundurn aptitudinern et non seeun­ durn aeturn; quod enirn esset aptitudinaliter anirnaturn, non esset anirnal in aetu, et quod esset aptitudinaliter ani­ rnal, non esset horno in aetu et sie de aliis. (5) Habitudines enirn definitionurn et partiurn ( 3 1 ra ) de­ finitionurn ad definita sie sunt per se et essentiales, quod pertinent ad regulas incornrnutabiles aeternae veritatis, quia in talibus habitudinibus definitionurn et partiurn de­ finitionurn ad definita fundantur eonsiderationes seien-

9 2 cf. Rom . 1, 1 4. 93 cf. Aristoteles, Metaph. IV 7, l 0 1 2a23-24. 94 cf. Averroes, In Aristotelis Metaph. VIII, comm. 7; Venetiis 1 562, 2 1 5vK

22 (4) - 22 (5)

Über die Akziden tien

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( 4) Dieser sophistische Einwand, Ausgeburt des Un­ durchdacht-Seins und Unwissens, zerstört die Grundlagen sowohl der Natur als auch der Wissenschaft; denn er hebt die eigentümliche Bestimmtheit der Substanzen und der Akzidentien sowie ihre Unterschiede voneinander auf, wie oben ausführlicher gezeigt worden ist. Derartige aber, nämlich die Substanzen und die Akzidentien, umfassen ihren allgemeinen Bestimmungen gemäß den gesamten Stoff aller Wissenschaften, mögen sie sich auf den mensch­ lichen oder den göttlichen Bereich beziehen. Weil wir je­ doch Schuldner der Weisen und der Toren sind, ist zu sa­ gen, daß die Definitionen der Seienden als solcher Defini­ tionen von ihnen insofern sind, als sie gemäß der Be­ stimmtheit ihres Wesens Seiende der Wirklichkeit nach sind. Denn der Begriff, für den das Wort ein Zeichen ist, ist die Definition, so der Philosoph im IV. Buch der Metaphysik; beigelegt aber sind die Wörter den Dingen, sofern sie wirk­ lich existieren, wie der Kommentator in seinem Kommentar zum VII. Buch der Metaphysik bemerkt; denn nicht ist der Mensch etwas, das als Mensch der Möglichkeit nach exi­ stiert. Deshalb wird das, was an sich im Begriff begegnet, für den das Wort ein Zeichen ist und der die Definition ist, nicht gemäß dem Geeignet-Sein oder der Möglichkeit nach genommen. Es würde nämlich notwendig folgen , daß ein solches Seiendes, das eine solche Definition besitzt, ein Seiendes gemäß dem Geeignet-Sein und nicht der Wirk­ lichkeit nach wäre; was nämlich dem Geeignet-Sein nach ein Beseeltes wäre, wäre kein Lebewesen der Wirklichkeit nach, und was dem Geeignet-Sein nach ein Lebewesen wäre, wäre kein Mensch der Wirklichkeit nach usw. (5) Die Verhältnisbezüge der Definitionen und der Teile der Definitionen zum Definierten sind nämlich in der Weise an sich und wesentlich, daß sie sich auf die unverän­ derlichen Normen der ewigen Wahrheit erstrecken, weil in solchen Verhältnisbezügen der Definitionen und der Teile der Definitionen zum Definierten die Betrachtungen der

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De accidentibus

84, 42 - 85, 64

tiarum quoad incommutabiles earum veritates. Unde Au­ gustinus libro De immortalitate animae 95: >>Quid enim tarn aeternum ut circuli ratio vel si quid aliud in huiusmodi artibus nec non fuisse aliquando nec non fore comprehen­ ditur? >Denn was ist so ewig wie die Bestimmung des Kreises oder etwas anderes in der­ artigen Wissenschaften, von dem begriffen wird, daß es we­ der einmal nicht gewesen ist noch einmal nicht sein wird. an sich < ausgesagt wird. (6) Da demnach die Akzidentien, die vermittels der Sub­ stanz definiert werden, Seiende der Wirklichkeit nach sind, werden sie also definiert und sind Seiende der Wirklichkeit nach insofern, als sie der Wirklichkeit nach am wahren Seienden, der Substanz, anzutreffen sind; dadurch aber sind sie am Seienden anzutreffen, daß sie Verfaßtheiten am wahren Seienden sind, wie der Kommentator in seinem Kommentar zum IV. Buch der Metaphysik bemerkt. Welches Ak­ zidens auch immer also der Wirklichkeit nach unter den Seienden anzutreffen ist, es ist notwendig der Wirklichkeit nach eine Verfaßtheit an der Substanz; die Akzidentien

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De accidentibus

85, 64 - 86, 1 6

dispositiones substantiae aptitudinaliter, sed semper secun­ dum actum positis ipsis in esse. Ad hoc autem sequitur id, quod secundum hoc convenit eis per se quantum ad secun­ dum modum dicendi per se, scilicet inesse substantiae, ut supra ostensum est. Nulla igitur virtute vel naturali vel su­ pernaturali potest hoc fieri, ut accidens sit sine omni sub­ iecto.

23. Responsiones ad rationes, quae adducuntur in contrarium determinatae veritati

( 1 ) Ea autem, quae obiciuntur in contrarium, non est difficile dissolvere, quoniam in rationibus eorum multiplex invenitur defectus. (2) Quandoque enim procedunt ex suppositione falsi, ut cum dicunt accidentia habere propriam suam essentiam secundum se et absolute non concernendo substantiam, quam accidentis essentiam Deus potest facere non inesse subiecto alicui. Hoc autem quantum ad utramque partem huiusmodi dicti supra latius improbatum est. I ( 3 ) Inducunt97 etiam ad assertionem suae intentionis, scilicet quod accidens possit esse sine subiecto, hoc, quod in principio Libri de causis 9 8 habetur, quod causa primaria plus influit in effectum seu causaturn causae secundae quam ipsa causa secunda. Unde quando a causato causae secundae removetur causalitas ipsius causae secundae, ad­ huc remanet causalitas causae primae; unde cum acciden­ tis causa secunda sit subiectum, Deus autem sit talis acci-

97 cf. Thomas Aquinas, In IV Sent. d. XII, q. 1 , a. 1 ad 1 quaest. ; Mandonnet-Moos 4, 498-499, n. 22-23. 98 cf. L. de causis, prop. I; Pattin I 34.

22 (6) - 23 (3)

Über die Akzidentien

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sind somit nicht dem Geeignet-Sein nach Verfaßtheiten an der Substanz, sondern immer der Wirklichkeit nach, vor­ ausgesetzt, sie existieren. Eine Folge davon aber ist dies, daß es ihnen insofern hinsichtlich der zweiten Weise, wie >an sich< ausgesagt wird, an sich zukommt, der Substanz innezuwohnen, wie oben gezeigt worden ist. Durch keine Kraft, sei sie natürlich oder übernatürlich, kann demnach dies bewirkt werden, daß das Akzidens ohne j edes Zu­ grundeliegende existiert.

23. Erwiderungen aufdie Argumente, die gegen die ermittelte Wahrheit ins Feld geführt werden

( 1 ) Das aber, was gegenteilig eingewandt wird, ist un­ schwer zu destruieren, da in ihren Argumenten viele Män­ gel zu beanstanden sind. (2) Gelegentlich gehen sie nämlich so vor, daß sie Fal­ sches voraussetzen, wie es der Fall ist, wenn sie behaupten, daß die Akzidentien ein ihnen eigentümliches Wesen an und für sich sowie unabhängig besitzen ohne Berücksichti­ gung der Substanz; daß dieses Wesen des Akzidens keinem Zugrundeliegenden innewohne, könne Gott bewirken. Das aber ist hinsichtlich beider Teile einer derartigen Aus­ führung oben ausführlicher widerlegt worden. (3) Auch führen sie zur Bekräftigung ihrer Aussageab­ sicht, daß nämlich das Akzidens ohne Zugrundeliegendes existieren kann, das an, was zu Beginn des Buches von den Ursachen steht, daß die Erstursache mehr in die Wirkung oder in das Verursachte der Zweitursache einfließt als eben die Zweitursache. Wenn von daher beim Verursachten der Zweitursache von der Verursachung eben der Zweitursache abgesehen wird, bleibt noch die Verursachung der Erstur­ sache; von daher gilt: Weil das Zugrundeliegende die Zweit­ ursache des Akzidens ist, Gott aber die Erstursache eines solchen Akzidens ist, kann nach Aufhebung des Zugrunde-

1 00

De accidentibus

86, 1 6 - 86, 37

dentis eausa prima, remoto subieeto adhue Deus potest te­ nere aeeidens in suo esse. ( 4) Haee ratio nimis defieit in proposito. Primo, quia non est assumpta ab auetoritate seeundum intentionem auetoris; loquitur enim auetor Libri de causis in dieta aueto­ ritate in eodem genere eausae, puta effieientis vel formalis vel materialis, unde ipse exemplifieat in eausis formalibus, seilieet in ente , vivo, rationali99. Quantum autem pertinet ad propositum, non sie se habet, quoniam Deus est eausa effieiens aeeidentis, subieetum autem est eausa subieetiva seu materialis. (5) Item defieit ratio indueta quantum ad hoe, quod in­ tentio auetoris in auetoritate allegata non est, quod remota eausa seeunda a suo effeetu maneat effeetus idem numero vel speeie, sieut patet in exemplo, quod indueit100, seilieet quod remoto rationah non remaneat homo idem numero vel speeie. Sed in proposito dieunt101 quantitatem vel quali­ tatem eandem non solum speeie, sed numero remanere. (6) Item ratio indueta non est ad propositum. Si enim sit aliquid, quod seeund um rationem suae quiditatis per suam essentiam intrinseee dependeat ab aliquo, hoe prineipio in­ trinseeo remoto impossibile est ipsum sie prineipiatum remanere; alioquin sequeretur rem separari a sua essentia et essentiam rei separari a re, euius est essentia. ( 3 1 rb ) Et hoe eontingeret in proposito, quoniam, sieut supra multi­ plieiter ostensum est, essentia aeeidentis non est, nisi quod ipsum est dispositio substantiae; remota igitur substantia

99 cf. L. de causis, prop. 1, comm . ; Pattin 1 35.

1oo cf. L. de causis, prop. 1, comm. ; Pattin 1 36. 101 cf. Thomas Aquinas, In IV Sent. d. XII, q. 1, a. 2 ad 2 et 6 quaest.; Mandonnet-Moos 4, 509, n. 76, 5 1 6, n. 1 1 9; S. theol. III 77, 1 corp . ; ibid. III 77, 2 corp.; ibid. III 77, 3 corp . et ad l .

23 (3) - 23 (6)

Über die Akzidentien

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liegenden Gott noch immer das Akzidens i n seinem Sein erhalten. ( 4) Dieses Argument ist im Fall unseres Erweiszieles überaus schwach. Erstens: Es ist dem Zitat nicht gemäß der Aussageabsicht des Verfassers entlehnt worden; denn der Verfasser des Buches von den Ursachen verbleibt im genann­ ten Zitat bei ein und derselben Gattung von > Ursache< , nämlich der Wirkursache, der Formursache oder der Stoffursache; von daher führt er ein Beispiel aus dem Be­ reich der Formursachen an, nämlich im Blick auf das Sei­ ende, das Lebende und das Vernünftige . Hinsichtlich des Erweiszieles aber verhält es sich anders, da Gott die Wirkur­ sache des Akzidens ist, das Zugrundeliegende hingegen dessen Substrat- oder Stoffursache ist. (5) Ferner ist das angeführte Argument hinsichtlich des­ sen schwach, daß es im beigezogenen Zitat nicht die Aussa­ geabsicht des Verfassers ist, daß nach erfolgter Trennung der Zweitursache von ihrer Wirkung die Wirkung der Zahl oder der Art nach ein und dieselbe bleibt, wie bei dem Bei­ spiel, das er anführt, deutlich ist, daß nämlich nach Aufhe­ bung des Vernünftigen der Mensch nicht der Zahl oder der Art nach ein und derselbe bleibt. Aber im Fall unseres Er­ weiszieles sagen sie , die Größe oder die Beschaffenheit bleibe nicht nur der Art, sondern auch der Zahl nach ein und dieselbe. (6) Ferner taugt das angeführte Argument nicht für un­ ser ErweiszieL Wenn es nämlich etwas gäbe, das gemäß der Bestimmtheit seiner Washeit aufgrund seines Wesens von etwas innerlich abhängig wäre, wäre es nach Aufhebung dieses innerlichen Prinzips unmöglich, daß eben das so Prinzipiierte noch Bestand hätte; sonst wäre die Folge, daß ein Ding von seinem Wesen abgetrennt würde und das We­ sen des Dinges von dem Ding, dessen Wesen es ist, abge­ trennt würde. Und das träfe hier zu; denn wie oben mehr­ fach gezeigt worden ist, ist das Wesen des Akzidens nichts anderes als eine Verfaßtheit an der Substanz; nach Aufhe-

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De accidentibus

86, 37- 87, 58

non rnanet aliqua causalitas causae prirnae in tenendo acci­ dens in esse. I (7) Exponenda est igitur inducta auctoritas Libri de causis et surnenda secundurn verurn intelleeturn eius, qui non ha­ bet locurn in proposito, sicut patet. (8) Praeterea illud, quod inducitur102 in contrariurn de­ terrninatae veritatis, scilicet quod non est »irnpossibile apud Deurn ornne verburnintellektueller Begriff, verstanden wird, der immer wahr ist, da sich der Intellekt immer auf Wahres bezieht, so der Philosoph und Augustin in seinem Kommen­ tar zur Genesis, ist wahr, daß bei Gott jedes Wort möglich ist; denn alles das, was wahrhaft durch den Intellekt erfaßt wer­ den kann, ist als ganzes Gott möglich. Dann aber ist das an­ geführte Zitat im Zusammenhang mit unserem Erweisziel unangebracht, da durch den Intellekt nicht wahrhaft be­ griffen werden kann, daß das Akzidens ohne Zugrundelie­ gendes existiert, weil das einen Widerspruch impliziert, wie oben gezeigt worden ist. ( 1 1 ) Wenn aber der Name >Wort< impliziert: >Vorstel­ lungsbegriff - welcher Art auch immeran sich< ausgesagt wird. Akzidentelles aber teilt einem Ding nicht seine Washeit mit, auch nicht sein We­ sen, auch nicht seine Definition; und so kann bei dem, was sich wesentlich unterscheidet, bei dem eines seine Washeit und sein Wesen von einem anderen erhält, bei dem das eine auf formale Weise dem Sein und der Definition nach

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De accidentibus

88, 79 - 89, 98

principium secundum esse et definitionem, ut substantia accidenti, et ex hoe neeessario eadit in eius definitione, ne­ quaquam potest esse ab invieem separatio, ut inveniatur posterius sine priore, id est aeeidens sine subieeto. ( 1 4) Quod autem dieunt109, quod id, quod eonvenit ali­ eui seeund um rationem suae quiditatis, potest Deus faeere, quod ei non eonveniat, et sie potest eonvenire aeeidenti virtute divina, quod non insit, quod tarnen eonvenit ei se­ eundum rationem suae quiditatis; sed istud dieere multum dignum est admiratione, si ab aliquo sapiente dieatur. ( 1 5) Quod enim seeundum rationem intrinseeae quidi­ tatis inest, seeundum prineipia speeiei inest ita, ut ex eis­ dem prineipiis eonstet definitio talis rei seeundum suam speeiem dieens quid est subieetum et dieens propter quid eius, quod seeund um rationem quiditatis inest, ut definitio trianguli dieens quid est triangulus et dieens propter quid passionis, quae est habere tres aequales duobus reetis. Ergo Deus posset faeere , quod triangulus esset ( 3 1 va ) et non ha­ beret tres aequales duobus reetis; et sie separaretur defini­ tio a definito. Triangulus enim habet suam definitionem seeund um rationem suae quiditatis; eadem autem est defi­ nitio dietae passionis: ergo posito triangulo in esse et eius definitione, quae eadem est definitio passionis, si non insit passio, stabit definitio sine definito, et sequetur eontradietio in tali positione, ad quod non potest virtus supernaturalis.

109 cf. Thomas Aquinas, In IV Sent. d. XII, q. 1, a. 1 ad l quaest. ad 2; Mandonnet-Moos 4, 499, n. 26.

23 ( 1 3) - 23 ( 1 5)

Über die Akzidentien

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Prinzip für das andere ist, so die Substanz für das Akzidens, und aufgrund dessen notwendig in seine Definition ein­ geht, in keiner Weise eine Abtrennung voneinander erfol­ gen, so daß das Spätere ohne das Frühere, also das Akzi­ dens ohne das Zugrundeliegende, anzutreffen ist. ( 1 4) Wenn sie aber behaupten, Gott könne bewirken , daß das, was einem gemäß der Bestimmtheit seiner Washeit zukommt, ihm nicht zukommt, und es so dem Akzidens aufgrund göttlicher Kraft zukommen kann, daß es dem Zu­ grundeliegenden nicht innewohnt, was ihm jedoch gemäß der Bestimmtheit seiner Washeit zukommt, muß ich mein Befremden über diese Behauptung zum Ausdruck brin­ gen, sollte sie von einem Weisen aufgestellt werden. ( 1 5 ) Was nämlich gemäß der Bestimmtheit seiner inne­ ren Washeit inhäriert, inhäriert gemäß den Prinzipien der Art in der Weise, daß aus eben den Prinzipien die Defini­ tion eines solchen Dinges gemäß seiner Art besteht, indem die Definition das Was des Zugrundeliegenden und das Warum dessen, das gemäß der Bestimmtheit seiner Washeit inhäriert, zum Ausdruck bringt, so etwa im Falle der Defini­ tion des Dreiecks, die das Was des Dreiecks und das Warum seiner Mfektion zum Ausdruck bringt, nämlich drei Win­ kel, die zwei rechten Winkeln gleich sind, zu besitzen. Also könnte Gott bewirken, daß es ein Dreieck gäbe und es nicht drei Winkel, die zwei rechten Winkeln gleich sind, besäße; und so würde die Definition vom Definierten abgetrennt. Das Dreieck hat nämlich seine Definition gemäß der Be­ stimmtheit seiner Washeit; dieselbe Definition aber ist die der genannten Mfektion; wird also das Dreieck als existie­ rend angenommen und auch seine Definition, die auch die Definition der Mfektion ist, würde, wenn die Mfektion dem Zugrundeliegenden nicht innewohnte, die Definition ohne Definiertes dastehen, und folglich läge in einer sol­ chen Ansicht ein Widerspruch, wozu die übernatürliche Kraft nicht in der Lage ist.

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De accidentibus

88, 99 - 89, 1 1 7

( 1 6) Quod autem dicunt110 de ordine accidentium ad substantiam et de ordine ipsorum inter se, scilicet quod alia accidentia, puta qualitas et alia, insunt substantiae me­ diante quantitate, ut color, qui est in superficie, ut di l cunt, et quod quantitas separata a subiecto virtute supernaturali subiectum est aliorum accidentium, quae secundum se non sunt separata, nisi inquantum sunt in quantitate, quae sepa­ rata est virtute supernaturali, non minus praedictis admi­ randum est. ( 1 7) Primo propter communem rationem accidentium in ordine ad substantiam, ex quo capiunt suas essentias, in quo, ut ridendo loquamur, non plus privilegiata est quanti­ tas quam alia aliorum generum accidentia. Competit enim communiter omnibus accidentibus unus modus habendi essentias suas ex eo ordine ad substantiam, quod sunt dis­ positiones substantiae ; et hoc est eorum essentia. Et prop­ ter hoc non plus separabilis est quantitas a substantia quam aliquid aliorum; et secund um hoc loquitur Philosophus in VIP 1 1 , quod null um aliorum a substantia separabile est. ( 1 8) Quod autem dicunt, quod in quantitate nondum se­ parata a substantia insirrt alia tamquam in subiecto, ut color in superficie, et mediante ea insirrt substantiae, intolerabi­ lem falsitatem continet. Sequeretur enim, quod qualitas et huiusmodi alia accidentia essent entia, non quia sunt entis

1 1 0 cf. Thomas Aquinas, In IV Sent. d. XII, q. l , a. l ad 3 quaest. ; Mandonnet-Moos 4, 502, n. 46; S. contra gent. IV 63, n. 4006; ibid. IV 65, n. 40 1 8 et 402 l ; S. theol. III 77, 2. III cf. Aristoteles, Metaph. VII 1, 1 028a22-24, 33-34.

23 ( 1 6) - 23 ( 1 8)

Über die Akzidentien

1 09

( 1 6) Was sie aber über die Hinordnung der Akzidentien auf die Substanz und über die Ordnung der Akzidentien untereinander behaupten, daß nämlich die anderen Akzi­ dentien, so die Beschaffenheit usw. , der Substanz unter Vermittlung der Größe innewohnen, wie etwa die Farbe, die auf der Oberfläche begegnet, so ihre Behauptung, und daß die Größe, die aufgrund der übernatürlichen Kraft vom Zugrundeliegenden abgetrennt ist, das Zugrundelie­ gende ist für die anderen Akzidentien, die an und für sich nicht abgetrennt sind, nur insofern, als sie der Größe in­ newohnen, die freilich aufgrund der übernatürlichen Kraft abgetrennt ist, ist nicht weniger befremdlich als die voran­ gehenden Ausführungen. ( 1 7) Erstens wegen der allgemeinen Bestimmung der Akzidentien in Hinordnung auf die Substanz, aufgrund de­ ren sie ihre Wesenheiten gewinnen und bei der, um es scherzhaft auszudrücken, die Größe kein größeres Vor­ recht als die anderen Akzidentien der anderen Gattungen besitzt. Es kommt nämlich ganz allgemein allen Akziden­ tien nur eine Weise zu: ihre Wesenheiten aufgrund de ij eni­ gen Hinordnung auf die Substanz zu besitzen , daß sie Ver­ faßtheiten an der Substanz sind; und das ist ihr Wesen. Und deswegen ist die Größe von der Substanz ebensowenig abtrennbar wie eines der anderen Akzidentien; und in­ sofern bemerkt der Philosoph im Vll . Buch, daß von der Substanz keine der anderen kategorialen Gattungen ab­ trennbar ist. ( 1 8) Wenn sie aber behaupten, daß der von der Substanz noch nicht abgetrennten Größe die anderen Akzidentien wie einem Zugrundeliegenden innewohnen, so etwa die Farbe der Oberfläche, und unter ihrer Vermittlung der Substanz innewohnen, dann enthält diese Behauptung ei­ nen unerträglichen Irrtum. Es würde nämlich folgen, daß die Beschaffenheit und andere derartige Akzidentien nicht deshalb Seiende wären, weil sie am wahren Seienden, der Substanz, anzutreffen sind, sondern weil sie zunächst Ver-

1 10

De accidentibus

89, 1 1 7 - 90 , 1 38

veri, quod est substantia, sed prima quia sunt dispositiones quantitatis et deinde substantiae: quod est absurdum. ( 1 9) Idem sequitur, si ponatur qualitas et alia accidentia inesse quantitati separatae a substantia, quia sie esset acci­ dens accidentis et formae forma et dispositionis dispositio et sequeretur quantitatem esse calidam vel frigidam et al­ bam et nigram: quod non est intelligibile. Caderent enim omnia, quae secund um dieturn modum inessent quantitati, a suis per se propriis definitionibus. Iam enim color non es­ set extremitas perspicui in corpore terminato 1 1 2, inquan­ tum color per essentiam est dispositio corporis habentis in se naturam multae vel paucae diaphaneitatis et multae vel paucae luminositatis, ut dicit Commentator in tractatu suo De sensu et sensato 1 1 3: quam dispositionem corporis colorati impossibile est attribuere quantitati separatae; quis etiam non abhorreat dicere quantitatem esse calidam vel frigi­ dam vel sie vel sie sapidam vel raram vel densam, cum hu­ iusmodi qualitates per suam essentiam sint dispositiones substantiae habentis aliquas partes qualitativas sie vel sie ad invicem dispositas? Quae partes in quantitate non inve­ niuntur. l ( 20) Quid etiam dicemus de respectibus naturae, qui non ponunt in numerum cum suis fundamentis quantum ad indifferentiam essentiae, ut respectus ad calefaciendum in igne, qui non differt per essentiam a calore, et inclinatio gravium et levium ad sua loca, quae non differt a suo princi­ pio inclinativo, quod est forma substantialis vel accidentalis

1 1 2 cf. Aristoteles, De sens. et sens. 3, 439bl l-l2. 1 1 3 cf. Averroes, In Aristotelis De sens. et sens.; Venetiis 1 562, VI, 2, l 4rB.

23 ( 18) - 23 (20)

Über die Akzidentien

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faßtheilen der Größe und dann der Substanz wären, was wi­ dersinnig wäre. ( 1 9) Dieselbe Konsequenz ergäbe sich, wenn angenom­ men wird, die Beschaffenheit und die anderen Akzidentien wohnten der von der Substanz abgetrennten Größe inne, weil es so ein Akzidens des Akzidens, eine Form der Form und eine Verfaßtheil der Verfaßtheil gäbe und die Folge wäre, daß die Größe warm oder kalt, weiß und schwarz wäre - ein Ungedanke . Es würde nämlich alles, was auf die ge­ nannte Weise der Größe innewohnte , aus den ihm an sich eigentümlichen Definitionen herausfallen. Die Farbe wäre nämlich nicht mehr die äußerste Schicht des Durchsichti­ gen an einem begrenzten Körper, insofern die Farbe we­ sentlich die Verfaßtheil an einem Körper ist, der in sich die Natur von großer oder geringer Durchsichtigkeit und großer oder geringer Helligkeit besitzt, wie der Kommenta­ tor in seiner Abhandlung Über die Wahrnehmung und das Wahrgenommene bemerkt; es istjedoch nicht möglich, diese Verfaßtheil am gefärbten Körper der abgetrennten Größe zuzuerkennen; wer schreckte auch nicht davor zurück zu behaupten, die Größe sei warm oder kalt, besitze diesen oder jenen Geschmack, sei zerstreut oder dicht, da derar­ tige Beschaffenheilen aufgrund ihres Wesens Verfaßthei­ len an der Substanz sind, die bestimmte durch Beschaffen­ heit ausgezeichnete Teile besitzt, die zueinander so oder so verfaßt sind? Diese Teile sind an der Größe j edenfalls nicht anzutreffen. (20) Was sollen wir noch von den Naturbezügen spre­ chen, die sich hinsichtlich der Indifferenz des Wesens von ihren Grundlagen der Zahl nach nicht unterscheiden, wie es etwa im Blick auf das Feuer der Fall ist beim Erwär­ mungsbezug, der sich von der Wärme nicht wesentlich un­ terscheidet, und bei der Hinneigung des Schweren und Leichten hin zu dem ihnen j eweils eigentümlichen Ort, die sich nicht von ihrem Hinneigungsprinzip, der substantiel­ len oder akzidentellen Form des Schweren und Leichten,

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De accidentibus

90, 1 38 - 90 , 1 52

gravis et levis, quae non inveniuntur et impossibile est inve­ niri in quantitate separata a substantia ratione iam dicta? (2 1 ) Patet igitur impossibilitas et absurditas positionis, qua dicitur quantitatem posse separari a substantia et alia in esse quantitati sicut immediato subiecto. ( 22) Invenitur etiam alius defectus quantum ad incon­ venientem processum in inquirendo disputative ea, quae pertinent ad praesens negotium. Ad unam enim partem muniunt suam intentionem per rationes a natura et pro­ prietatibus rerum sumptas; si autem pro alia parte etiam efficacius arguatur, recurrunt ad miraculum, scilicet dicen­ tes, quod miraculose, virtute supernaturali, ( 3 J vb) fiat hoc, quod in sua positione defendunt. (23) De accidentibus igitur quantum ad eorum essentias et quiditates et modum se habendi ad substantias, item de modis definitionum suarum et de esse seu inesse eorum tantum dieturn sit. Deo gratias.

23 (20) - 23 (23)

Über die Akzidentien

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unterscheidet? Alles das ist aufgrund des bereits genannten Arguments bei der von der Substanz abgetrennten Größe nicht anzutreffen und kann nicht angetroffen werden. (21) Es liegt demnach auf der Hand, daß die Ansicht, die Größe könne von der Substanz abgetrennt werden und die anderen Akzidentien wohnten der Größe als unmittelba­ rem Zugrundeliegenden inne, unhaltbar und widersinnig ist. ( 22) Es begegnet aber noch ein anderer Mangel, und zwar im Blick auf das unzutreffende Vorgehen im Rahmen der wissenschaftlichen Erforschung dessen, was unser ge­ genwärtiges Anliegen betrifft. Einerseits nämlich sichern sie ihre Aussageabsicht durch Argumente ab, die der Natur und den Eigentümlichkeiten der Wirklichkeit entlehnt sind; wenn andererseits aber noch wirkungsvoller argu­ mentiert werden soll, greifen sie auf ein Wunder zurück, in­ dem sie nämlich behaupten, daß auf wundersame Weise, aufgrund einer übernatürlichen Kraft, das bewirkt werden soll, was sie in ihrer Annahme zu rechtfertigen versuchen. (23) Über die Akzidentien hinsichtlich ihrer Wesenhei­ ten sowie Washeiten und der Weise, wie sie sich auf die Sub­ stanzen beziehen, ferner über die Weisen ihrer Definitio­ nen und über ihre Existenz oder Inhärenz sei soviel gesagt. Gott Dank!

KO MMENTIERE N D E S BE GRIFFSREGISTER

Erläutert werden wesentliche Begriffe, die Dietrich von Freiberg verwendet. Auf den Gebrauch dieser Begriffe durch Thomas von Aquin wird eingegangen, damit deutlich wird, worin Dietrich mit ihm übereinstimmt bzw. wie stark es sich um scholastisches All­ gemeingut handelt und worin Dietrich von Thomas abweicht. Da­ bei zeigt es sich, wie stark DvF mit Albert übereinstimmt bzw. ihn fortführt. Albert-Schüler sind DvF und ThvA gewesen. Im Gegen­ satz zu DvF hat ThvA sich in seinen Schriften nie auf Albert be­ rufen. Beider Schüler-Verhältnis zu Albert ist ein gänzlich ver­ schiedenes. Die Erklärung der Begriffe geschieht in der Weise, daß zu­ nächst das lateinische Wort angeführt und danach dessen Be­ deutung angegeben wird, welche dem Wort in der Übersetzung gegeben ist. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß ein la­ teinisches Wort (wie z. B. ratio, res) je nach Bedeutung verschie­ den übersetzt werden kann. Abkürzungen: Alb.

Albertus Magnus

Arist.

Aristoteles

Aug. CPTMA

Augustinus Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi, Harnburg 1 977 ff. De acc. DvF, De accidentibus De ente ThvA, De ente et essentia DS A. Denzinger, A. Schönmetzer, Enchiridion symbolo­ rum et definitionum et declarationum de rebus fi­ dei et morum, Freiburg-Basel-Wien, 36. Aufl. , 1 976 DvF Dietrich von Freiberg HWP Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von J Ritter und K. Gründer, Base1 1971 ff. KThGQ II Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Band II, hg. von R Mokrosch und H. Walz, Neukir­ chen-Vluyn, 3. Aufl., 1 989

Kommentierendes Begriffsregister

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mittelalterlich J Neuner und H. Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, neu bearb. von K. Rahner und K. Weger, Regensburg, 1 2 . Aufl., 1 986 Pseudo-Dionysios Areopagita Scholastik ThvA, Summa theologiae Thomas von Aquin

ma. NR Ps.-Dion. Sc hol. STh ThvA

Akzidens. Arist. spricht von »>in etwa und in gewisser Hinsicht« ) . E r kann auch substantia und a . gemeinsam als Seiendes be­ zeichnen. Er nennt a. ens (Seiendes) wegen seiner Hinordnung auf die Substanz; von ihr wird Seiendes an erster Stelle ( ens per prius) ausgesagt. Gottfried von Fontaines, ein Zeitgenosse von DvF, lehnt aber die Selbständigkeit der a. ab. DvF führt - das hat er von Alb. gelernt - zu Arist. wieder zu­ rück, der über a. vor allem in seiner Metaphysik (Buch VII) ge­ handelt hat, auf die DvF sich laufend in seinem Traktat bezieht. accidens

=

accidens - analogia

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DvF macht deutlich, daß man sich nicht so einfach, wie es die »communiter loquentes« tun, von den aristotelischen Begriffen trennen kann, wenn man einmal damit begonnen hat, sich auf sie zu berufen. Alb. wollte schon philosophische Fragen philoso­ phisch (und das vorrangig nach aristotelischen Prinzipien) , nicht aber theologisch behandelt wissen, denn die Theologie beruht auf der Offenbarung, die Philosophie auf der Vernunft (vgl. Alb., Metaphysica, XI tr. 3 c. 7) . DvF bestimmt a. im Anschluß an Arist. als »Seiendes aufgrund von Zuordnung zum und analo­ gem Bezug zum wahrhaft Seienden « (c. 1 0 , n. 4) ; ihr »ihnen ei­ gentümliches Wesen besteht darin, eine Verfaßtheit an der Sub­ stanz zu sein; und insofern sind sie Seiende, weil sie aufgrund ihrer Wesenheiten am Seienden anzutreffen sind, und insofern haben sie aufgrund ihres Wesens einen analogen Bezug zur Substanz, freilich nicht insofern, als sie der Substanz innewoh­ nen, was für das Akzidens akzidentell istdas richtige Verhältnis>entsprechend einem Verhältnis>Ich nenne analog, wenn sich das Zweite zum Er­ sten und das Vierte zum Dritten ähnlich verhält>ist Gleichheit der Verhältnisse>a. entis>De visione beatifica« oder in >>De substantiis spiri­ tualibus et corporibus futurae resurrectionisIch nenne aber dem Erfassen nach Seiende diej enigen, deren Sein in einem gewissen Erfassensakt besteht, so daß sie gewisse Begriffe eines Seienden, das etwas er­ faßt, sind und sich vom Erfassenden selbst unterscheiden>Entia conceptiona­ liadurch die von ihm verschiedenen Erfassensakte die Inhalte, die diesen auch voneinander verschiedenen Erfassensakten gemäß sind>natürliches Akzidens einer in­ tellektuellen SubstanZDie durch das ewige göttli­ che Licht bewirkte Erleuchtung des menschlichen Verstandes in Form einer >Entsprechungesse ipsum sub­ sistens« begreifen. E. bedeutet Einzigkeit, Unbeweglichkeit, das Sein im Unterschied zum Seienden (vgl. ens) . ThvA geht über Arist. auf Parmenides zurück. ThvA unterscheidet zunächst e. und ens. Ens ist das, was ist; das wirklich Seiende; e. aber der Akt des Wesens selbst. Später spricht ThvA von e. subsistens (das für sich bestehende Sein, Dasein und Etwassein zugleich) , von e. commune (gemeinsames Sein) und e. universale (allgemeines Sein) . Gott als e. hat selbst alle Vollkommenheit und Unend­ lichkeit, alles Seiende (ens) hat am e. Anteil (ThvA, Sth 1 , 2 q. 2 a. 5 ad 2) . So ist auch das e. das erste alles Geschaffenen, was ThvA dem >>Liber de causis« entnimmt (STh 1 q. 5 a. 1 ad 1 ) . Es ist weiterhin zu bedenken, daß ThvA das e. essentiae (Sein des We­ sens) vom e. subsistens unterscheidet. Vgl. auch ens, entitas, es­ sentia, existentia. essentia = Wesen. Es steht für das grie c h . >>OVaLa « und mei n t das

Wesen, die Wesenheit einer Sache. Das Adjektiv dazu lautet essentialis (wesentlich) . Bei Arist. bedeutet >>OVala « meist Substanz als selbständig Seiendes, Plato unterscheidet nicht zwi­ schen Substanz und Akzidens, weil er den Begriff >>Akzidentien« nicht kennt. ThvA unterscheidet e. stets von ens. Aber auch er schreibt den Akzidentien (s. accidens) essentia >>auf gewisse Weise und in gewisser Hinsicht« zu ( >>quodammodo et secun­ dum quid« , De ente, c. 1 , n. 3 ) ; e. kann also nicht einfach gleich­ bedeutend mit substantia wiedergegeben werden. Meister Eck­ hart unterscheidet später präziser und übersetzt e. mit >>Wesen­ heit> Liber de causis« oder schließlich den >>Separaten Intellekt« bei Averroes. DvF versteht i. als Substanz ( >>Der tätige Intellekt ist Substanz« , De visione beatifica 1 . 1 .9, Op. omnia I, 3 5 ) , als >>intellektuelle Substanz>ein gewisses Urbild und die Ähn­ lichkeit des Seienden als Seienden>Dynamik der VernunftGott erkennt nicht, weil e r ist, sondern er ist, weil er erkennt>Da j ede Wissenschaft im Intellekt ist, etwas aber dem Akt nach erkennbar wird dadurch, daß es auf eine be­ stimmte Weise von der Materie abstrahiert wird, gehört etwas zu verschiedenen Wissenschaften entsprechend einem verschiede­ nen Verhältnis zur Materie. >VOU�>intelligentiaeerkennbar