Abenteuer Fernhandel: Die Ostindienkompanien [2 ed.] 3534240294, 9783534240296

Die Ursprünge der Globalisierung liegen in der europäischen Expansion der Frühen Neuzeit. Wesentliche Akteure dieser Exp

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German Pages 208 [210] Year 2011

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Inhalt
I. Einleitung
II. Der frühe Handel in Asien
Raum und Handel
Die Waren Ostindiens
Produzenten und Kaufleute
Wege und Transport
Märkte und Städte
III. Die Ostindien-Kompanien
Privilegien und Freihandel
Kaufleute und Börsen
Kammern und Kontore
Gemeine und Spezialisten
Diplomaten und Kriegsherren
Handelsdiaspora und Monopolisten
IV. Tee, Opium und Baumwolle – Die britischen Kompanien
Die angloniederländische Rivalität
Die Etablierung in Indien
Die Blüte des Handelsunternehmens
Der Übergang zur Kolonialagentur
V. Gewürze, das Gold des Ostens – Die niederländischen Kompanien
Die Vorkompanien
Die Etablierung der VOC
Die Blüte der VOC
Der Niedergang der VOC
VI. Verspätete Händler – Die Konkurrenz Europas
Die französischen Kompanien
Die dänischen Kompanien
Die Kompanie von Ostende
Die schwedischen Kompanien
Randerscheinungen und gescheiterte Versuche
VII. Piraten, Moguln, Stammesführer – Die Reaktion Ostindiens
Herrscher
Mittelsleute
Konkurrenten
Feinde
Untertanen
Betroffene
VIII. Wegbereiter der Globalisierung – Ein Schlusswort
Anmerkungen
Kommentierte Auswahlbibliografie
Personenregister
Sachregister
Ortsregister
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Abenteuer Fernhandel: Die Ostindienkompanien [2 ed.]
 3534240294, 9783534240296

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Jürgen G. Nagel Abenteuer Fernhandel

Jürgen G. Nagel

Abenteuer Fernhandel Die Ostindienkompanien 2. Auflage

Abbildungsnachweis: akg-images: S. 11, 18, 78, 85, 95, 148, 175 / Bridgeman: S. 87, 123, 147 / Jürgen G. Nagel: S. 15, 33, 73, 103, 105, 151 / picture-alliance: S. 43, 169, 179 / WBG-Archiv: S. 20, 40, 48, 61, 114, 118, 132, 134, 157.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., bibliographisch aktualisierte Auflage 2011 © 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2007 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Rebecca Schaarschmidt, Berlin Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Heppenheim. Umschlagabbildung: Ankunft des Schiffes „Acushnet“ auf den Marquesas-Inseln, Polynesien, im Jahre 1841. Gemälde, undat., von Louis Dodd. akg-images. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-24029-6 Die Buchhandelsausgabe erscheint beim Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt / Mainz Umschlaggestaltung: Ines von Ketelhodt, k und m design Umschlagabbildung: Indischer Ozean / Landkarte n. Seller 1675; akg-images; Bearbeitung: Ines von Ketelhodt, k und m design

ISBN 978-3-8053-4320-6 www.zabern.de

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71598-5 (für Mitglieder der WBG) eBook (epub): 978-3-534-71600-5 (für Mitglieder der WBG) eBook (PDF): 978-3-8053-4339-8 (Buchhandel) eBook (epub): 978-3-8053-4338-1 (Buchhandel)

Inhalt I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der frühe Handel in Asien . Raum und Handel . . . . . Die Waren Ostindiens . . . Produzenten und Kaufleute Wege und Transport . . . . Märkte und Städte . . . . .

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III. Die Ostindien-Kompanien . . . . . Privilegien und Freihandel . . . . . Kaufleute und Börsen . . . . . . . Kammern und Kontore . . . . . . Gemeine und Spezialisten . . . . . Diplomaten und Kriegsherren . . . Handelsdiaspora und Monopolisten

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IV. Tee, Opium und Baumwolle – Die britischen Kompanien Die angloniederländische Rivalität . . . . . . . . . . . . Die Etablierung in Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Blüte des Handelsunternehmens . . . . . . . . . . . Der Übergang zur Kolonialagentur . . . . . . . . . . . .

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V. Gewürze, das Gold des Ostens – Die niederländischen Kompanien Die Vorkompanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Etablierung der VOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Blüte der VOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Niedergang der VOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Verspätete Händler – Die Konkurrenz Europas Die französischen Kompanien . . . . . . . . . Die dänischen Kompanien . . . . . . . . . . . Die Kompanie von Ostende . . . . . . . . . . Die schwedischen Kompanien . . . . . . . . . Randerscheinungen und gescheiterte Versuche

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Inhalt

VII. Piraten, Moguln, Stammesführer – Die Reaktion Ostindiens Herrscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelsleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betroffene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. Wegbereiter der Globalisierung – Ein Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . 177 Anmerkungen

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Kommentierte Auswahlbibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

I. Einleitung Mehr als zwei Jahrhunderte prägten staatlich privilegierte Handelsgesellschaften die Beziehungen zwischen Asien und Europa. Diese Ostindien-Kompanien waren ein historisch einmaliges Phänomen, das Zeitgenossen gleichermaßen faszinierte wie heute Wissenschaftler und interessierte Laien. Faszination und Singularität beruhen nicht zuletzt auf der Doppelgesichtigkeit der Unternehmen. So galt es Coenraad van Beuningen, einem Direktor der niederländischen Verenigden Oostindischen Compagnie (VOC), als „allgemeines und in gewissem Sinne wahres Wort, dass die Niederländische Ostindische Kompanie nicht nur eine Handelsgesellschaft, sondern auch eine Kompanie der Herrschaftsausübung ist.“1 Eben dieser Charakter veranlasste den Historiker Reinout Vos, die VOC als „Gentle Janus“, als doppelgesichtige Erscheinung, zu personifizieren.2 Mehr noch als das Machtinstrument beeindruckt die ökonomische Institution die Geschichtswissenschaftler. Altmeister Charles R. Boxer sah in der VOC „eine kolossale Organisation, vergleichbar mit einer modernen multinationalen Firma“, die in der Lage war, „das Beste beider Welten in Krieg und Frieden“ für sich zu nutzen.3 Den kommerziellen Erfolg des englischen Konkurrenten East India Company (EIC) führte der indische Historiker Kirti N. Chaudhuri auf ein System der Entscheidungsfindung zurück, das die „logische Anwendung theoretischer Prinzipien auf die Lösung unternehmerischer Probleme“ zum Grundsatz gemacht hatte.4 Der dänische Wirtschaftshistoriker Niels Steensgaard brachte es schließlich auf den Punkt: „Ohne Zweifel repräsentieren die Kompanien das Beispiel einer institutionellen Innovation oder, wenn man so will, einen Fall von Fortschritt im Sinne einer Institution, die es ermöglichte, Güter mit möglichst ökonomischem Einsatz knapper Ressourcen zu beschaffen.“5 Der seit dem Mittelalter bestehende Ostindienhandel – man denke nur an Marco Polo – war stets ein Abenteuer; daran hatte sich auch in der Frühen Neuzeit nichts geändert. Die große Innovation der Ostindien-Kompanien bestand gerade darin, das Abenteuerliche an diesem Fernhandel zu reduzieren, wenngleich es im vorindustriellen Zeitalter nicht gänzlich zu beseitigen war. Unter diesen Leitgedanken wurden 1602 in den Niederlanden mehrere kleinere Handelsgesellschaften zur VOC zusammengeführt, die in den beiden folgenden Jahrhunderten vor allem im Malaiischen Archipel, auf Ceylon und dem indischen Subkontinent, aber auch im Persischen Golf, auf der Arabischen Halbinsel, auf Taiwan (Formosa), am Kap der Guten Hoffnung und in den Häfen von Kanton und Nagasaki aktiv war. Erst 1799 wurde sie nach jahrelanger Krise endgültig zahlungsunfähig und musste aufgelöst werden. Bereits seit 1600 bestand die britische EIC, die sich, als ihre niederländische Konkurrenz längst Geschichte war, kontinuierlich zur indischen Kolonialagentur weiterent-

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I. Einleitung

wickelte, bis sie Mitte des 19.Jahrhunderts von staatlichen Verwaltungsstrukturen abgelöst wurde. Daneben war die EIC in ganz Südostasien und zunehmend in China aktiv. Die beiden Großkompanien prägten das zeitgenössische wie das moderne Bild der ostindischen Kompanien, waren jedoch nicht die einzigen Vertreter ihrer Art. Den Dänen gelang die Festsetzung in Indien und vorübergehend in der malaiischen Inselwelt; die französische Compagnie des Indes war in Indien und Südostasien aktiv. Auch Schweden und Belgier waren bemüht, sich mit Hilfe der „institutionellen Innovation“ ein Stück vom großen Kuchen des Asienhandels zu sichern. Solche recht erfolgreichen Bestrebungen wie auch einige vergebliche Versuche veranschaulichen die hohe Attraktivität der Organisationsform „Ostindien-Kompanie“ in der Frühen Neuzeit. Mit ihr gewann der Globalisierungsprozess eine Qualität, die erstmals eine solche Bezeichnung überhaupt rechtfertigte. Die Verknüpfung von europäischen und asiatischen Märkten in einem bis dahin nicht bekannten Ausmaße bedeutete einen Schub für die weltwirtschaftliche Entwicklung, wie er durch ältere Expansionsformen, sei es die spanische Konquista in Amerika oder der portugiesische Estado da India in Asien, noch nicht erreicht worden war. Eine Darstellung, die der Geschichte des Phänomens in seiner ganzen Komplexität gerecht werden will, braucht die Frühphase der Globalisierung als wesentlichen Bezugspunkt, darf jedoch nicht auf der globalen Ebene stehen bleiben. Die Akteure dieses Buches bewegten sich ebenso in der asiatischen wie in der europäischen Welt. Entsprechend sind Kenntnisse der Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur in den asiatischen Operationsgebieten ebenso unverzichtbar wie Informationen über die Bedingungen in den europäischen Herkunftsländern. Das folgende Kapitel geht daher auf die Welt des asiatischen Handels ein, ehe die Ostindien-Kompanien in einer systematischen Darstellung als spezifischer Unternehmenstypus vorgestellt werden. Da sie je nach Nation unterschiedliche Ausprägungen aufwiesen, folgt die Darstellung der wichtigsten Einzelkompanien – jeweils eingebettet in die asiatischen wie europäischen Rahmenbedingungen, unter denen sie agieren mussten und ihren Erfolg entfalten konnten. Nicht nur den runden Abschluss eines Überblicks, sondern einen zentralen Aspekt für die gesamthistorische Einordnung stellen schließlich die Reaktionen in der asiatischen Welt dar. Das Zeitalter der Globalisierung begann, so viel Einigkeit kann unter Historikern mittlerweile vorausgesetzt werden, spätestens in der Frühen Neuzeit. Verbindungen, die bereits seit der Antike oder dem Mittelalter bestanden, gewannen durch die Europäische Expansion eine neue Dynamik, wodurch die erste Phase der Globalisierung eingeläutet wurde.6 Geprägt wurde diese von den Ostindien-Kompanien, die so zu den ersten Agenten der Globalisierung wurden. In diesem Sinne zeigt auch der vorliegende Band ein doppeltes Gesicht: einerseits als Baustein der Globalisierungsgeschichte, andererseits als Beitrag zu einem nicht-eurozentrischem Geschichtsverständnis.

II. Der frühe Handel in Asien Raum und Handel Die Europäer trafen in Asien auf eine alte und komplexe Handelswelt, die weder geopolitisch noch wirtschaftsgeografisch eine Einheit bildete. Der Aktionsradius der Kompanien, der vom Persischen Golf bis nach Japan reichte, brachte sie mit den unterschiedlichsten Klimazonen, Verkehrswegen und Ansprechpartnern in Berührung. Auf der schier unendlichen Festlandmasse bestanden traditionsreiche Staatswesen wie das Kaiserreich China, das Reich der Moguln in Indien und das safawidische Persien. Mit dem auf Abschottung bedachten Japan hatte sich ein weiterer konsolidierter Nationalstaat etabliert. Daneben existierten zahlreiche kleinere Königtümer in Südostasien sowie Stadtstaaten an den Küsten, die als Handelsemporien für die Europäer von besonderer Bedeutung waren. Zwischen all diesen Staaten bestand ein Geflecht aus Beziehungen und Abhängigkeiten, das von Neuankömmlingen nur schwer zu durchschauen war. Bevor die chinesische Ming-Dynastie im 15.Jahrhundert abermals zu einer Abschottungspolitik zurückkehrte, die nur noch wenigen Handelshäusern der Provinz Fukien Überseekontakte gestattete, hatte sie durch gewaltige Flottenexpeditionen erfolgreich die Vasallentreue zahlreicher Herrscher bis hin nach Persien eingefordert, ohne außerhalb der eigenen Landesgrenzen eine dauerhafte Präsenz aufzubauen. In Indien herrschten die muslimischen Moguln nach dem Prinzip „divide et impera“ und standen wechselnden Allianzen hinduistischer Herrscher gegenüber. Auch in der malaiischen Inselwelt stiegen Staaten auf, deren Einflussbereiche mehr auf Vasallenverhältnissen als Gebietseroberungen beruhten. Srivijaya im 15. Jahrhundert und Majapahit im 16. Jahrhundert beherrschten so den Westen des maritimen Südostasien; Makassar und Ternate teilten sich im späten 16. und frühen 17.Jahrhundert dessen Osten. Landwege nach Asien waren in Europa seit der Antike bekannt. Christliche Missionare ebenso wie italienische Kaufleute kamen während des europäischen Mittelalters bis nach China. Die wichtigste Verbindung war die Seidenstraße, deren Hauptroute das Reich der Mitte und Zentralasien mit der syrischen Mittelmeerküste verband. Der Weg war jedoch beschwerlich und teuer. Er führte durch unwegsames Gelände wie die extrem wasserarmen Wüsten Zentralasiens sowie durch zahlreiche Städte und Reiche, deren Machthaber nicht nur den Bestand wichtiger Märkte garantierten, sondern auch den ständigen Fluss ihrer Staatseinnahmen sicherten. Der Wunsch, einen Weg zu den Märkten Asiens zu finden, der die hohen Transaktionskosten des Landweges ebenso umging wie das faktische Marktmonopol der Vene-

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II. Der frühe Handel in Asien

zianer im Mittelmeer, war eine der mächtigsten Triebfedern der Europäischen Expansion. Seit der Portugiese Vasco da Gama 1498 das indische Kalikut erreicht hatte, war der Seeweg nicht mehr nur theoretisch bekannt. Die Fahrt um Afrika öffnete zunächst den Portugiesen und ein Jahrhundert später den westeuropäischen Ostindien-Kompanien den Zugang zu den asiatischen Märkten; die traditionellen Karawanenwege verloren ihre Bedeutung. Gerade für Seefahrer gliederte sich der Kontinent allein geografisch in mehrere Welten, die zwar untereinander in Beziehung standen, doch ihr jeweils eigenes Gepräge entwickelt hatten. Die Durchquerung des Indischen Ozeans eröffnete zunächst den Zugang zum Roten Meer, wo vor allem der Hafen von Mokka für europäische Handelsreisende interessant war, und zum Golf von Oman, an dem die Hafenstadt Maskat eine vergleichbare Rolle spielte. Auf der östlichen Seite des Arabischen Meeres lockte die MalabarKüste mit ihren Handelszentren Goa, Kalikut oder Cochin sowie das Indus-Delta mit der Metropole Diu. Eine Umrundung des indischen Subkontinents führte an die Koromandel-Küste und zu den bengalischen Wirtschaftszentren. Ganz eigene maritime Räume bildeten das Südchinesische Meer und die Inselwelt des Malaiischen Archipels. Häufig waren es nur enge Seestraßen, welche die verschiedenen maritimen Zonen Asiens miteinander verbanden. An solchen vielbefahrenen Meerengen hatten sich urbane Stapelplätze etabliert, denen es dort ein Leichtes war, den Schiffsverkehr zu kontrollieren und Profit aus ihm zu ziehen. An der Straße von Hormuz dominierte die gleichnamige Hafenstadt die lukrative Zufahrt zum Persischen Golf. Nach der englischen Eroberung 1622 übernahm Bandar Abbas diese Rolle. Andere prominente Beispiele waren Malakka an der Meerenge zwischen Sumatra und der Malaiischen Halbinsel sowie Banten an der Sunda-Straße zwischen Sumatra und Java, welche die wichtigsten Seerouten vom Indischen Ozean in die malaiischen und chinesischen Gewässer kontrollierten. Dabei blieb es nicht bei der Abschöpfung von Abgaben. Ähnlich den großen Stapelplätzen des vormodernen Europas etablierten sich hier bedeutende Handelszentren. Und auch die Europäer machten sich in den folgenden Jahrhunderten diese Standortvorteile zu Nutzen, wie das niederländische Batavia (gegründet 1619) und das britische Singapore (gegründet 1819) zeigen. Neben den unverrückbaren Gegebenheiten des Kontinents, seiner Inseln und der Ozeane bestimmte ein weiteres Naturphänomen die Welt des asiatischen Handels: der Monsun. Im Frühjahr wehte er als Nordostmonsun von der indischen und als Nordwestmonsun von der chinesischen Küste auf das Meer hinaus. Im Herbst bescherten der Südwestmonsun auf dem Indischen Ozean und der Südostmonsun auf dem Chinesischen Meer allen, die aus dem Westen kommend die Küsten entlang bis nach Japan segelten, günstige Fahrtbedingungen. Reisen, die Indien mit China verbanden, konnten nicht in einer Saison zurückgelegt werden; in den großen Häfen am Südende der Chinesischen See mussten Kapitäne oft monatelang auf den Wechsel der Windrichtung warten. Insbesondere im Malaiischen Archipel, der wie keine andere Region auf maritime Verbindungen angewiesen war, bestimmte das Wechselspiel der Winde den Jahresrhyth-

Raum und Handel

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Dschunke eines Mandarin. Aquarellierte Federzeichnung um 1793 von William Alexander.

mus. Bis Ende März brachte der Monsun nicht nur die jährliche Regenzeit, sondern auch günstige Winde für die West-Ost-Passage durch den Archipel und die Meerengen, die ihn mit den großen Ozeanen verbanden. Mit Beginn des Sommers blies den Seefahrern der Ostmonsun entgegen, so dass viele von ihnen eine Wartezeit dem mühseligen Kreuzen gegen den Wind vorzogen. Bis Ende Dezember hatten sich die meisten Kapitäne in ihre Heimathäfen zurückgezogen, wo sie ihre Schiffe auf die nächste Saison vorbereiteten. Im Malaiischen Archipel beeinflussten zudem die zahlreichen Inseln die Windströmungen, so dass neben der West-Ost-Richtung auch die Süd-Nord-Richtung unter das Diktat der Jahreszeiten gezwungen wurde. Auf dem südostasiatischen Festland hingegen bedeutete der jahreszeitliche Wechsel der Windrichtung einen Wechsel zwischen Land- und Seewinden. Der küstennahe Verkehr war damit erheblichen Einschränkungen unterworfen, wenn er auch nie ganz zum Erliegen kam. Vor dem Hintergrund der geografischen Struktur des Kontinents und den Gegebenheiten des Monsuns, der gleichermaßen Verbindungen schuf wie Restriktionen auferlegte, hatten sich lange vor dem Eintreffen der Europäer verschiedene regionale Wirtschaftssysteme herausgebildet. Janet Abu-Lughod beschreibt in ihrer Rekonstruktion des

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II. Der frühe Handel in Asien

mittelalterlichen Weltsystems drei Zirkel, in die sich die Handelswelt Asiens gliederte. Der erste Zirkel verband den Persischen Golf, die Arabische Halbinsel und Ostafrika mit Indien. Der zweite Zirkel stellte die Verbindung zwischen dem indischen Subkontinent und dem südostasiatischen Festland her und umfasste dabei den westlichen Teil des Malaiischen Archipels. Der gesamte Archipel war schließlich Bestandteil des dritten Zirkels, der Südostasien und China in wirtschaftliche Beziehung zueinander setzte.7 Fernand Braudel geht für das 15. Jahrhundert ebenfalls von drei traditionellen, sich überschneidenden Wirtschaftszonen in Asien aus. Hierzu zählt er einerseits den islamischen Bereich, der den Indischen Ozean, das Rote Meer und den Persischen Golf sowie den Wüstengürtel von Arabien bis China umfasst, und andererseits Indien, dessen Einflussbereich sich auf den ganzen Indik westlich und östlich von Kap Komorin erstreckte. Als dritte Wirtschaftszone führt er China an, das als Kontinentalmacht den Osten Asiens sowie als Seemacht die nördlichen Randbereiche des Pazifiks dominierte.8 Bei allen Unterschieden in den Ansätzen sind sich Abu-Lughod und Braudel in der Grundstruktur einig. Weitgehend unbestritten sind die Eigenständigkeit und Bedeutung des asiatischen Handels, ebenso seine räumliche Gliederung und die zugrunde liegende Vorrangstellung des Seeverkehrs. Beide Modelle veranschaulichen sowohl die arabische, indische sowie chinesische Dominanz in einzelnen Wirtschaftszonen als auch den überregional verbindenden Charakter dieser Räume. Insgesamt wurde der Kontinent mehrheitlich in eine umfassende räumliche Struktur einbezogen, die sich auch nach dem Eintreffen der Europäer zunächst gar nicht und später nur allmählich wandelte. Allerdings verharrt diese Sichtweise in der Vogelperspektive, indem sich die Aufmerksamkeit ganz auf Prozesse konzentriert, die weit entfernte Räume miteinander verknüpften. Nicht nur der vorindustrielle asiatische Handel wird häufig so gesehen, sondern auch die Geschichte der ostindischen Kompanien. Ein solcher Blick kann leicht verzerrend sein, da er Entwicklungen in kleinräumigen Zusammenhängen und somit vor Ort die spezifischen Bedingungen für und die konkreten Veränderungen durch die Kompanien außer Acht lässt. Es bedarf einer dritten räumlichen Dimension, die als vertikale Ergänzung des zweidimensionalen Zirkel-Konzeptes dienen kann und Entwicklungen oder Strukturen sichtbar macht, die ansonsten von den Ereignissen auf der globalen Ebene überdeckt würden. Handel lässt sich nicht nur sinnvoll nach Organisationsformen differenzieren, sondern auch nach Ebenen, die sich zunächst in der räumlichen Reichweite ihrer kommerziellen Akteure und der von ihnen bewegten Waren unterscheiden.9 Dadurch werden auf verschiedenen Ebenen verschieden große Räume in einen Handelszusammenhang eingebunden, wodurch die Ebenen auch unterschiedliche Funktionen hinsichtlich der einbezogenen Warenmärkte erhalten. Sie stehen keineswegs unverbunden nebeneinander, sondern sind an verschiedenen Punkten auf vielfältige Weise miteinander verknüpft und gewinnen gerade dadurch ihre Funktionalität. Solche Verbindungselemente, die den Austausch zwischen den Ebenen garantieren – seien es große Hafenstädte, Märkte in Wüstenmetropolen oder herrschaftliche Höfe –, sind für die Geschichte der OstindienKompanien von besonderem Interesse.

Raum und Handel

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Um die facettenreichen Erscheinungsformen des asiatischen Handels in der Frühen Neuzeit zu strukturieren, erweist sich ein Vier-Ebenen-Modell als sinnvoll. Die oberste Ebene, die Ebene des interkontinentalen Handels, war im 17. und 18. Jahrhundert vor allem die Domäne der Kompanien; in den Jahrhunderten zuvor hatten hier die Langstreckenkarawanen dominiert, wie sie auf der Seidenstraße verkehrten. Die zentrale Funktion dieser Ebene bestand in der Verbindung geografisch weit entfernter Wirtschaftsräume einer expandierenden Weltwirtschaft. Auf der zweiten Ebene spielte sich der überregionale Handel ab. Kann man heute von einer Ebene der Weltmärkte ohne scharfe Grenzen zwischen erster und zweiter Ebene sprechen, galten für die Frühe Neuzeit noch andere Bedingungen. Die Europäer begegneten einer komplexen asiatischen Handelswelt mit eigenen Märkten, Akteuren, Organisationen und Strukturen, die von sich aus wenig mit Europa zu tun hatte, aber einen ganzen Kontinent verband. Sowohl die arabische Welt wie der indische Subkontinent, das chinesische Reich und das maritime Südostasien brachten Kaufleute hervor, die in verschiedenen Handelssektoren und auf vielfältigen Wegen den asiatischen Kontinent kommerziell integrierten. Diese Handelswelt wurde mit dem Erscheinen der Europäer zur See durch viele europäische Privatiers sowie vor allem durch die Beteiligung der Kompanien, die einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen aus dem innerasiatischen Handel (country trade) bezogen, beträchtlich erweitert. Die dritte Ebene, die Ebene des regionalen Handels, umfasste überschaubarere Räume und nahm eine Schanierfunktion zwischen den Ebenen des Fernhandels und des lokalen Markthandels ein. Auf dieser Ebene wurden Waren an zentralen Marktplätzen gesammelt und für den überregionalen Handel bereitgestellt. Ebenso trafen hier umgekehrt die Güter des Fernhandels ein, um auf die einzelnen lokalen Märkte verteilt zu werden. Während sich hier eine unüberschaubare Vielzahl asiatischer Kaufleute mit den unterschiedlichsten Spezialisierungen tummelte, beteiligten sich die europäischen Kompanien nur selten unmittelbar an diesem Handel. Gleichwohl hatte er in seiner Zulieferfunktion entscheidende Bedeutung für ihre Geschichte. Ähnliches gilt für die vierte Ebene, die Ebene des lokalen Markthandels, begann doch der Weg der begehrten Luxuswaren häufig mit dem kleinen Einzelhändler vor Ort. Die konkreten Strukturen der Ebene alltäglicher Austauschbeziehungen und Versorgungsfunktionen, welche die unmittelbare Verbindung zu den Plätzen der Warenproduktion und des Konsums herstellte, blieb dem europäischen Einfluss lange Zeit weitgehend entzogen. Die ostindischen Kompanien spielten auf mehreren Ebenen eine Rolle. Beschränkt man sich für den Augenblick auf die geografische Perspektive, bestand ihre eigentliche Aufgabe in der Verknüpfung asiatischer und europäischer Märkte und lag damit auf der ersten Ebene. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, hatten sie sich jedoch intensiv mit den Akteuren und Gegebenheiten auf den Ebenen darunter auseinanderzusetzen. Die besten Ansatzpunkte hierfür bestanden an den Verbindungselementen zwischen den Ebenen, den zentralen Marktplätzen und bedeutenden Seehäfen. Eine Geschichte der Ostindien-Kompanien als reine Institutionengeschichte würde

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II. Der frühe Handel in Asien

die komplexen Verflechtungen, deren Auswirkungen ihre historische Gestalt maßgeblich prägten, zu gering schätzen. Im Folgenden werden die Kompanien deshalb vor allem als Teilnehmer asiatischer Märkte geschildert. Hierfür ist es notwendig, zunächst ein Bild der „Gegenseite“, der asiatischen Handelswelt dieser Epoche, zu skizzieren.

Die Waren Ostindiens Zunächst empfiehlt sich ein Blick auf die Warenpalette, die auf den verschiedenen Ebenen umgeschlagen wurde und europäische Kaufleute nach Asien lockte. Die Ostindien-Kompanien entstanden erst, als bereits ein umfangreiches Wissen darüber vorlag, was einen Kaufmann im Osten erwartete. Trotz aller Geheimhaltungspolitik sorgte im 16.Jahrhundert vor allem die portugiesische Präsenz für grundlegende Kenntnisse. Aber bereits seit dem Mittelalter bestanden Kontakte von Kaufleuten nach Asien, die mehr als nur Mythen nach Europa brachten. Keine Informationsquelle war verbreiteter als das Il Millione des Venezianers Marco Polo, der 1271 mit Vater und Onkel nach China reiste, wo er 16 Jahre in Diensten Kublai Khans stand. Auch wenn gelegentlich angezweifelt wird, dass Polo tatsächlich so weit gekommen war und die von ihm beschriebenen Länder mit eigenen Augen gesehen hat, geben seine Informationen doch den Kenntnisstand seiner Zeit wieder. Über das chinesische Quanzhou (Zaitum oder Çaitun) weiß er zu berichten: „Nach fünf Tagen erreicht man die edle und schöne Stadt Zaitum mit ihrem berühmten Seehafen, von dem aus sich die Waren der zahllosen Schiffe über die ganze Provinz Mangi verteilen. Der Pfeffer, der von Alexandria in alle Länder des Westens geht, macht nur ein Hundertstel dessen aus, der hier entladen wird. Es ist unmöglich, sich eine Vorstellung von der Zahl der Kaufleute und der Menge der Güter in diesem Hafen zu machen, der als einer der größten und günstigsten der Welt gilt. Dem Großkhan verschafft er gewaltige Einnahmen, denn jeder Kaufmann muß zehn Prozent des Wertes seiner Waren an ihn abführen. Der Schiffseigner verlangt für Feinwaren 30 Prozent, für Pfeffer 44 Prozent, für Aloë, Sandelholz und andere Spezereien und Güter 40 Prozent, so daß die Abgaben der Kaufleute – Zoll und Fracht – sich zusammen auf die Hälfte ihrer Ladung belaufen; und trotzdem schlagen sie aus der ihnen verbleibenden Hälfte noch so große Gewinne, daß sie jederzeit mit anderen Waren wiederkommen.“10

Neben Schilderungen von Orten, die er selbst besucht haben will, bezog Marco Polo auch Berichte über weitere wichtige Handelsplätze in sein Werk ein, so auch über eine Insel namens Java, bei der es sich wahrscheinlich um Sumatra handelt: „Die Insel ist sehr reich. Es gibt Pfeffer, Muskatnüsse, Spieke, Galgant, Zibeben, Gewürznelken und viele andere köstliche Spezereien. Viele Schiffe steuern die Insel an und erzielen große Gewinne, weil Gold im Überfluß vorhanden ist. Der Großkhan unternahm wegen des langen und gefährlichen Seewegs keinen Versuch, sie zu unterwerfen. Die Kaufleute von Zaitum und aus der Provinz Mangi haben viel Gold von dort geholt und holen es noch heute, so wie man den größeren Teil der Gewürze, deren die Welt bedarf, von der Insel bezieht.“11

Es ist nur verständlich, dass solch verlockende Aussichten das Interesse Europas weckten und die Fantasie anregten. Doch war dies eine spezifisch europäische Sicht, ein Blick

Die Waren Ostindiens

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Gewürzmarkt auf der Insel Banda (1646).

auf die Highlights des asiatischen Handels, ohne dessen Rückgrat zu erkennen. Es dürfte kaum überraschen, dass die Luxusgüter, an denen Marco Polo den Reichtum der damals größten chinesischen Hafenstadt verdeutlicht, nur einen Bruchteil des Güterverkehrs ausmachten, der den asiatischen Kontinent durchlief. Der Alltag des Warenhandels wurde von Massengütern geprägt, wobei Nahrungsmittel eine zentrale Rolle spielten, insbesondere der Reis. Dieser stellte ein besonders günstiges Handelsgut dar, weil er auch auf längeren Schiffsreisen nicht verdarb und seinen Geschmack beibehielt oder, wie manche sagten, sogar verbesserte. Da er drei grundlegend verschiedene Anbauarten erlaubt, konnte er sich spätestens seit dem 15. Jahrhundert fast überall in Asien als Grundnahrungsmittel durchsetzen. Die Intensivierung des Reisanbaus brachte eine große Vielfalt und einen spezialisierten Handel mit sich. Bis zu 3000 Sorten sollen es gewesen sein, die auf den Marktplätzen feilgeboten wurden und so manchen Basarhändler dazu veranlassten, sich ganz auf den Import und Verkauf möglichst vieler und hochwertiger Reisvarianten zu konzentrieren. Daneben fand sich auch Getreide, das in den trockenen Zonen Asien angebaut wurde, auf den überregionalen Märkten. Eine besonders wichtige Rolle spielte Weizen, der vor allem aus zentral- und westasiatischen Anbaugebieten stammte. Und auch andere Nahrungsmittel fanden ihren mitunter weiten Weg bis auf die großen Märkte, insbesondere dann, wenn sie nur mit Aufwand gewonnen werden konnten und von daher selten und entsprechend wertvoll waren – wie dies für das unentbehrliche Salz zutraf. Auch wenn die geringe Transportfähigkeit von Frischeprodukten wie Obst, Gemüse oder Fisch einen ähnlich weiträumigen Verkauf verhinderte, waren sie durchaus wichtige Handelsgüter auf den unteren Ebenen – nicht zuletzt dort, wo exportorientierte Agrarökonomien wie auf den molukkischen Gewürzinseln mit Nahrungsmitteln versorgt werden mussten. Fleisch hingegen konnte vielerorts lebend die Märkte erreichen, vor allem auf dem Festland. Hier stellte die Viehzucht nomadischer Völker die Versorgung sicher. Der

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II. Der frühe Handel in Asien

exportorientierte Anbau spezialisierter Landwirtschaften brachte nicht nur unmittelbar verwertbare Nahrungsmittel auf den Markt, sondern, neben dem Gewürzanbau, eine ganze Reihe lukrativer cash crops. Nennenswert sind Produkte wie Ölsaat, Zuckerrohr, Baumwolle, Rohseide, Indigo oder Hanf. Textilien waren die zweite große Produktgruppe, die den asiatischen Handel bestimmte. Zwei der bedeutendsten Textilregionen der frühneuzeitlichen Welt waren hier zu finden: Indien mit seinen feinen Woll- und Baumwolltuchen, die in allen küstennahen Regionen des Subkontinents für den Export hergestellt wurden, und China mit seiner hochwertigen Seidenproduktion für nationale wie internationale Luxusmärkte. Solche Produkte waren von Anfang an auf den Langstreckenhandel ausgerichtet, der auch hochwertigen Textilprodukten von geringerer Stückzahl, beispielsweise Teppichen aus Zentralasien, eine vergleichbare Reichweite ermöglichte. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass viele dieser Waren aufgrund ihrer Qualität so teuer waren, dass sie als Luxusgut nur von bestimmten Schichten erstanden werden konnten. Der rein mengenmäßige Absatz darf daher nicht überschätzt werden. Für den Alltagsbedarf wurde auf dem Land im Wesentlichen selbst gewebt. In der Stadt war dies teilweise auch möglich, doch wurden hier im größeren Ausmaß die benötigten Textilien eingehandelt. So behielten regionale Produkte stets ihren Markt, nicht zuletzt dadurch, daß für viele Regionen der Transport von einfachen Textilien aus Indien oder China zu teuer war. Zwischen den Kernregionen des Textilgewerbes verblasste Südostasien als Produzent und wurde lange lediglich als Konsument angesehen, obwohl es über eine Eigenproduktion verfügte, die nicht nur dem eigenen Verbrauch diente. Im Malaiischen Archipel waren während des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich Ostjava, Bali und Sumbawa die Hauptexporteure von Textilien. Javanische Gewebe waren seit dem frühen 15. Jahrhundert in Nordsumatra, gestreifte Stoffe aus der javanischen Region um Panarukan und Pasuruan Ende des 16. Jahrhunderts in Malakka populär. Für den molukkischen Markt kauften javanische Händler in Gresik sowie auf Bali und Sumbawa farbenfrohe Tuche ein. Die traditionellen batik-Stoffe aus Java waren hingegen nicht konkurrenzfähig, da die Färbemethode einen enormen Arbeitseinsatz erforderte. Neben vielen anderen Funktionen, die China in wirtschaftlicher Hinsicht wahrnahm, erwies sich das Reich der Mitte auch als Motor für die Entwicklung von Handelskeramik. Einerseits hatte es auf diesem Feld neben großen Mengen und einer erstaunlichen Vielfalt auch besonders anspruchsvolle Produkte zu bieten. China lieferte dem breiten Geschmack angepasste Massenwaren, die nach ihrem Exporthafen Swatow-Keramik genannt wurden, und es lieferte Porzellan, das bis ins frühe 18. Jahrhundert ein exklusiv chinesisches Produkt blieb. Zudem hatte das Reich weitreichende Einflüsse auf Produktionsstätten in der weiteren Nachbarschaft. So lebte in Vietnam die Okkupation durch die Ming-Dynastie in einfarbigen, schwarz-weiß oder blau-weiß glasierten Keramiken weiter, die nach chinesischem Vorbild für den Export hergestellt wurden. In Thailand hingegen entwickelten sich im Königreich Sukhotai zwei eigenständige Stilrichtungen, die bis weit in das östliche Indonesien hinein zu finden waren. Asiatische Handelskera-

Die Waren Ostindiens

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mik für jeden Zweck und auf jedem Preisniveau machte einen europäischen Marktzugang zunächst weitgehend unmöglich, bis sich im 19.Jahrhundert industriell hergestellte Massenwaren aus Europa auf den asiatischen Märkten etablieren konnten. Ein ganz besonderes Handelsgut stellten Menschen dar. In Asien gab es keinen Handel mit Sklaven, der in Art und Umfang mit dem Atlantischen System vergleichbar gewesen wäre. Dennoch wurden zahllose Menschen aufgrund von Schulden und Strafurteilen, aber auch von Beutezügen ihrer Freiheit beraubt. Die Mehrheit von ihnen fand sich in Gesellschaften wieder, in denen sie keine Freiheitsrechte mehr genossen und sich ihr ökonomischer Nutzwert auf den Einsatz ihrer Arbeitskraft, zumeist in der Landwirtschaft, beschränkte. Eine Minderheit wurde allerdings auch zum Handelsgut degradiert, sei es auf den Dienstbotenmärkten in China, im sozioökonomisch und kulturell bedingten Sklavenexport der überbevölkerten Insel Bali oder in den arabischen Handelsbeziehungen nach Ostafrika. Die weltwirtschaftliche Einbindung vieler Regionen, an der die Ostindien-Kompanien maßgeblichen Anteil hatten, und die dadurch bedingte Steigerung des Arbeitskräftebedarfs verstärkte bis zur Abolition im 19. Jahrhundert die Tendenz, unfreie Menschen als Ware anzusehen und auf Märkten feilzubieten. Vor dem Hintergrund der breiten, diversifizierten Warenpaletten, die im asiatischen Handel anzutreffen waren, setzten die europäischen Interessen an einem sehr schmalen Ausschnitt an. Es waren zunächst die Luxusgüter, die ihnen das Abenteuer des Fernhandels lohnend erscheinen ließen. Dabei konnte es sich um Edelmetalle handeln – Gold und Silber verloren niemals ihre Attraktivität und waren in China, im Malaiischen Archipel und in Japan zu finden –, mehr aber noch um kulinarisch wertvolle Waren, befeuert durch die wachsende Nachfrage nach „Spezereien“ in Europa. Pfeffer war bereits seit der Antike in Europa bekannt, wo er über die weitverzweigten Wege des römischen Reichs verbreitet worden war. Er stammte insbesondere aus den Waldgebieten Südindiens, Sumatras und Borneos. Ersatzweise konnte auch „langer Pfeffer“ aus Nordindien, sogenannter Bengalpfeffer, erstanden werden. Dieser wurde von Europäern jedoch nicht als gleichwertig anerkannt und nur als Ersatz bei völlig leeren Märkten akzeptiert, war in Asien aber recht beliebt und ebenfalls ein wichtiges Handelsgut. Man kann hierin ein Indiz dafür sehen, dass die Europäer mit sehr klar gefassten Vorstellungen nach Asien kamen und sich wenig mit der Verwendung und Bedeutung der Produkte im Herkunftsgebiet auseinandersetzten. Neben dem Pfeffer waren es die molukkischen Gewürze, die zunächst Portugiesen und Spanier und danach die Ostindien-Kompanien auf den Plan riefen. Die Muskatpflanze, die sowohl die „echten“ Muskatnüsse als auch den Mazis lieferte, war nach dem Kenntnisstand der Europäer nur auf den Inseln des winzigen Banda-Archipels im Osten Indonesiens zu finden. Ebenfalls nur auf wenigen Inseln wurden Gewürznelken gewonnen – einerseits auf Ambon und den Inseln in unmittelbarer Umgebung, andererseits auf einigen Vulkaninseln in den nördlichen Molukken. Der Bericht Suma Oriental des Portugiesen Tomé Pires, der zwischen 1511 und 1515 im indischen Cochin und im malaiischen Malakka entstand, repräsentiert den europäi-

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II. Der frühe Handel in Asien

Botanisches Blatt mit Darstellung von Pfeffer und Ingwer.

schen Wissensstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts.12 In ihm beschreibt Pires die fünf nördlichen Molukken-Inseln, auf die sich neben Ambon die Produktion von Gewürznelken konzentrierte: Ternate, Tidore, Moti, Makian und Bacan. Der Gewürzanbau nahm die gesamte agrarische Kapazität der Inseln in Anspruch. Lediglich im Falle Motis erwähnt Pires ausdrücklich die überdurchschnittliche Verfügbarkeit von Lebensmitteln, die zur Versorgung der anderen Inseln beitrugen. Ähnliche Funktionen schrieb Pires den

Die Waren Ostindiens

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Nachbarinseln Halmahera und Morotai zu, auf denen Nelken nur wild wuchsen. Die weit überdurchschnittliche Fruchtbarkeit der Vulkaninseln wirkte sich günstig auf den Nelkenanbau aus und erlaubte bis zu sechs Ernten pro Jahr. Erst der Franzose Pierre Poivre konnte Ende der 1760er Jahre die enge räumliche Beschränkung des Nelkenanbaus auf die Molukken, die durch die VOC nur noch gefördert wurde, durchbrechen, als er Nelkenpflanzen stehlen ließ und auf Mauritius heimisch machte. Im Zimthandel war für Europäer der Kaneel oder Ceylonzimt vorrangig, der auf Ceylon und an der Südwestküste Indiens kultiviert wurde. Ersatzweise kamen das so genannte Kassie aus China, das in Asien länger schon als der Kaneel gehandelt wurde, und Padangzimt aus Indonesien, der zumindest den frühneuzeitlichen Europäern als minderwertig erschien, in Frage. Daneben bot der asiatische Handel eine Reihe Waren an, die für europäische Kaufleute interessant waren, jedoch keinen entscheidenden Impetus für eine kommerzielle Expansion geben konnten. Eher „im Vorübergehen“ wurden weit verbreitete Spezereien wie Ingwer oder Kampfer mitgenommen. Zudem fanden verschiedene Farbstoffe großes Interesse sowie Edelhölzer und Gummi aus den tropischen Gefilden Südostasiens. All diese Güter waren auf den asiatischen Märkten präsent. Es bedufte nicht der europäischen Nachfrage, um daraus exportorientiert angebaute Produkte zu machen. Folgt man Tomé Pires, so hatte die Kultivierung der zuvor wild wachsenden Gewürznelken in den Molukken nur wenige Jahre vor seiner Ankunft im Malaiischen Archipel eingesetzt. Demnach wäre die Nachfrage durch die Portugiesen das ausschlaggebende Moment für einen exportorientierten Anbau gewesen, eine Interpretation, die auch in der Wissenschaft immer wieder vertreten wird. Andererseits finden sich schon in indischen und chinesischen Schriften des ersten nachchristlichen Jahrhunderts Hinweise auf den Gebrauch der Gewürznelken. Importe in beide Länder lassen sich für die Zeit des europäischen Mittelalters ebenso nachweisen wie deren Bedeutung für den Aufstieg maritimer Königreiche wie Srivijaya im westlichen Indonesien. Hinzu kommen die bekannten Transporte auf dem Landweg in die Levante und nach Ägypten. In Anbetracht dieser weit zurückreichenden Nachfrage in Asien wie in Europa sowie der extrem geringen potentiellen Anbauflächen auf den kleinen Molukkeninseln ist es durchaus wahrscheinlich, dass bereits im 14. und 15. Jahrhundert Gewürznelken als cash crop angebaut wurden, davon jedoch mangels europäischer Berichterstatter keine schriftlichen Überlieferungen bekannt sind. Die Ostindien-Kompanien gestalteten also keinen neuen Markt in Asien, sondern wurden geschaffen, um effektiv an einem bestehenden teilzunehmen. Im 16. Jahrhundert, als die Portugiesen die Produktion entscheidend angeregt haben sollen, wurde lediglich ein Viertel bis ein Drittel der aus Südostasien exportierten Nelken nach Europa verschifft. Abnehmer waren mehrheitlich Asiaten einschließlich der Araber, die auch Ostafrika belieferten. An der geschätzten Gesamtproduktion war der europäische Anteil extrem niedrig. Allerdings sind wegen der schwachen Quellengrundlage teilweise kaum mehr als Mutmaßungen möglich. Es kann jedoch mit Sicherheit davon ausgegangen

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Botanisches Blatt mit Darstellung der Zimtpflanze.

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werden, dass stets eine umfangreiche innerasiatische Nachfrage bestanden hatte und die Europäer erst nach und nach in diesen Markt eindrangen. Der weitgreifende Auftritt der westeuropäischen Handelsgesellschaft am Markt veränderte dann die Struktur des Angebotes und sorgte für eine deutliche Steigerung der Gewürzausfuhr.13 Andere Waren wurden hingegen überhaupt erst durch die Aktivitäten der Kompanien in Asien relevant. Dies galt vor allem für Plantagenprodukte wie Zucker, Tabak oder Kaffee. Gelegentlich kamen aber auch Alltagsprodukte, die ausschließlich auf der untersten Ebene gehandelt wurden, erst auf diesem Weg nach Asien. Das auffälligste Beispiel für jeden Asienreisenden und Restaurantbesucher ist sicherlich die ursprünglich aus Amerika stammende Chilischote, die aus vielen asiatischen Küchen nicht mehr wegzudenken ist. Eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Warenpalette Asiens spielten schließlich Rausch- und Genussmittel. Während eine „Volksdroge“ wie Betel auf der untersten Handelsebene verweilte und für Europäer ohne jedes Interesse blieb, erfreuten sich die „Tränen des Mohnsaftes“, das Opium, schon in voreuropäischer Zeit einer fatalen Beliebtheit. Bereits seit der Antike bekannt und zunächst vorrangig im westasiatischen Raum angebaut, verbreitete sich das auch in der Heilkunde eingesetzte Schlafmohn-Produkt seit dem 7. Jahrhundert nach und nach über ganz Asien. Für China ist Opiumkonsum für das 13. Jahrhundert nachgewiesen, und spätestens seit dem 16. Jahrhundert kann vom Massenkonsum im Reich der Mitte gesprochen werden. China wurde zum größten Absatzmarkt des inzwischen auch in Zentral- und Südostasien angebauten Rauschgiftes und sollte so unfreiwillig den Ostindien-Kompanien die Tür zu einem der lukrativsten und am rücksichtslosesten betriebenen Geschäftszweige öffnen.

Produzenten und Kaufleute Eine langlebige wirtschaftshistorische These besagt, dass der gesamte Handel in Asien ausschließlich von pedlars getragen wurde. Sie geht auf den Niederländer Job C. van Leur zurück,14 der das Verdienst für sich beanspruchen darf, in seiner Untersuchung des frühen indonesischen Handels die wissenschaftliche Begrifflichkeit Max Webers in die Erforschung asiatischer Geschichte eingeführt zu haben. Leider konnte er die Forschung zu seinen Thesen nicht vertiefen, da er zu den zahlreichen niederländischen Opfern des Zweiten Weltkrieges im Pazifik zählte. Es war Niels Steensgaard, der seine Interpretation der Ostindien-Kompanien dezidiert auf dieses Konzept bezog und so wesentlich dazu beitrug, dass es für lange Zeit zur Grundannahme der Forschung wurde. Aus dieser Sicht begleiteten Kaufleute ihre Ware stets selbst und verkauften sie auf Märkten, deren Bedingungen wie Angebot, Nachfrage und Preisentwicklung sie vorab nicht kannten und kaum einschätzen konnten. Entsprechend blieb solchen pedlars gar nichts anderes übrig, als mit ihren Waren auf Reisen zu gehen, um vor Ort angemessen reagieren zu können. Dieser grundlegende Charakter sorgte dafür, so Steensgaard und andere Historiker in

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seiner Nachfolge, dass asiatische Kaufleute nicht in der Lage waren, gegen die europäischen Kompanien zu bestehen. Ganz abgesehen von der Frage, ob Asiens Händler tatsächlich nicht haben bestehen können, ist darauf hinzuweisen, dass Asien wesentlich vielfältigere und komplexere Erscheinungsformen kannte, als es die These vom peddling trade, die so wunderbar zur Erfolgsgeschichte der Ostindien-Kompanie passt, nahelegen will. Bereits Fernand Braudel widerspricht dieser Auffassung, wenn er die Aktivitäten von Großkaufleuten, von „gehobenen Vertretern des Handels“, hervorhebt.15 Die jüngere Forschung hat inzwischen in einer Vielzahl von Fallstudien sowohl Belege für die weit verbreitete Existenz des peddling trade als auch für komplexere Handelsverbindungen gesammelt, die auch Kreditsysteme, Handelsniederlassungen und große Transportflotten aufweisen konnten. Die Charakterisierung des asiatischen Handels insgesamt als peddling trade darf inzwischen als widerlegt gelten. Dennoch ist die Vorstellung von pedlars keineswegs abwegig. Vielmehr ist ein Nebeneinander und vor allem Miteinander von „traditionellen“ und „modernen“ Elementen zu beobachten, eine vielfältige Realität, die an Komplexität der europäischen Situation zu dieser Zeit kaum nachstand. Eine Spielart des peddling trade prägte die unterste Handelsebene, die Ebene des lokalen Markthandels, der Versorgung von Land- und Stadtbevölkerung. Hier herrschten einfache Formen vor, hier brachten die Produzenten – Bauern oder Handwerker – Grundnahrungsmittel und Alltagsgegenstände zum Verkauf. Nicht nur der gemeinsame Weg von Ware und Anbieter zum Markt war selbstverständlich, sondern auch die Kombination des Handels mit anderen Tätigkeiten. Aber auch auf den höheren Ebenen waren zahlreiche Kaufleute unterwegs, auf die vordergründig das Etikett pedlar passt. Es war durchaus möglich, dass ein Langstreckenhändler seine Waren durch den ganzen Kontinent begleitete oder an jedem Umschlagplatz sein Sortiment veränderte und auf diese Weise häufig weit mehr als ein Jahr unterwegs war. Entscheidend ist jedoch, dass die wenigsten unter ihnen allein auf sich gestellt waren. Der asiatische Langstreckenhandel basierte vielmehr auf Netzwerken, denen das Modell des peddling trade zu geringe Beachtung schenkt. An den Knotenpunkten dieser Netzwerke, in Städten, Häfen oder Oasen, konnte der reisende Kaufmann neben dem An- und Verkauf von Waren auf Dienstleistungen für seine Versorgung und Sicherheit zurückgreifen. An den Enden der Netzwerke war er in der Regel in ein Beziehungsgeflecht eingebunden, das sich aus Geschäftspartnern und der eigenen Familie zusammensetzte. Hier entstanden komplexe Organisationsformen wie Zusammenschlüsse von Kaufleuten, die den Grundgedanken europäischer Handelskompanien sehr nahe kamen. So beteiligten sich regelmäßig Türken, Armenier, Araber, Perser und Abessinier an den Flotten, die gujaratische Kaufleute für die Reise nach Malakka, in das Zentrum des malaiischen Gewürzhandels, ausrüsteten. Auch die Reisen einzelner Schiffe, wie den seltenen schriftlichen Überlieferungen malaiischen Seehandelsrechts zu entnehmen ist,16 oder Karawanen konnten das Ergebnis der Investitionen zahlreicher Einzelinteressenten sein.

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Mehr noch als die reisenden Kaufleute selbst waren Unternehmer, die sich ganz auf den Finanzmarkt spezialisiert hatten, die entscheidenden Investoren. Sie streckten zu Beginn das nötige Kapital einer Handelsreise vor, um die Investition nach Rückkehr des Händlers mit Rendite zurückerstattet zu bekommen. Dies konnte in Bereiche führen, die dem heutigen Betrachter extrem erscheinen mögen. Die Rendite betrug in Indien oder Indonesien bis zu 100%, während der Handlungsreisende nicht nur mit seinem gesamten Vermögen haftete, sondern häufig auch mit seinem Leben – worunter weniger die Todesstrafe als die Schuldsklaverei zu verstehen war. Allerdings herrschten auf den verschiedenen Handelsebenen unterschiedliche Bedingungen. Die genannten 100% waren der Kapitalzinssatz für die zweite Handelsebene, für den grenzüberschreitenden innerasiatischen Handelsverkehr. Auf der dritten, nur regional ausgerichteten Ebene waren ebenfalls Formen der Kreditwirtschaft und spezialisierte Investoren zu beobachten, allerdings zu weitaus geringeren Zinssätzen. Die Regel waren wahrscheinlich 18 bis 20%, so weit dies heute angesichts einer Handelswelt, die im Wesentlichen auf verbindlichen mündlichen Absprachen beruhte, rekonstruierbar ist. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich Finanzsysteme mit übergreifenden Strukturen, die Möglichkeiten der Kreditierung über den ganzen Kontinent hinweg eröffneten. In Indien spielten Geldwechsler und ihre Netzwerke schon seit dem 14.Jahrhundert die Rolle einer Bankwirtschaft, auf die später auch die Engländer zurückgriffen. Die Niederländer nutzten ebenfalls einheimische Finanzmärkte wie zeitweilig im japanischen Kyoto. Aus der Vogelperspektive betrachtet griffen verschiedene Netzwerkstrukturen ineinander, wenn reisende Kaufleute Kapital akquirierten, auf Versorgungspotenziale zugriffen und an regionale Verteilungswege für ihre Waren anknüpften. Insofern kann eine Handelsverbindung wie die Seidenstraße nicht nur in geografischer Hinsicht als komplexes Netzwerk verstanden werden. Die Notwendigkeit des vorelektronischen Zeitalters, große Entfernungen physisch überbrücken zu müssen, um den Waren-, Kapital- und Informationsfluss aufrechtzuerhalten, führte zur Bildung von Handelsdiasporen entlang ethnischer Grenzen, die nicht selten im Laufe ihrer Entwicklung ökonomische Schwerpunkte setzten und als spezialisierte Händlergruppen das Gesicht des asiatischen Handels prägten. Vielen ihrer Mitglieder gelang es, eine herausgehobene Stellung im Herrschaftsverband ihrer Wahlheimat zu erlangen. Versteht man unter Diasporen Gruppen einer spezifischen kulturellen Identität, die als solche dauerhaft in einer fremden Gesellschaft leben, kommt rasch der Eindruck isolierter Exilanten auf. Auch wenn die Exilerfahrung vielfach eine soziokulturelle Rolle gespielt haben mag, müssen gerade aus ökonomischer Sicht die Kontakte in die Heimat oder zumindest in starke Wirtschaftszentren besonders betont werden. So griff auch die vielleicht prominenteste Gemeinschaft dieser Art, die seit der Antike aus ihrer palästinensischen Heimat vertriebenen Juden, auf große Gemeinden in wichtigen Städten wie Kairo zurück. Die meisten Diasporagruppen bildeten Netzwerke mit einer mehr oder weniger starken Anbindung an die Ursprungsgesellschaft aus, wodurch ihre starke Rolle überhaupt erst möglich wurde.

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Den größten Einfluss einer Diaspora in Asien konnten die Chinesen aufbauen, die während der Frühen Neuzeit mehrheitlich aus der Küstenprovinz Fukien stammten. Dort waren sie von der wechselhaften chinesischen Außenhandelspolitik betroffen, in der nur kurze Phasen einer liberalen Öffnung von langen Perioden der Abschottung abgelöst wurden. Den großen Handelsdynastien der Region blieb wenig anderes übrig, als Außenposten in Süd- und Südostasien zu schaffen, wollten sie weiterhin ihren Geschäften nachgehen. Vor allem in Hafenstädten entstanden so Relaisstationen des chinesischen Außenhandels, über die sowohl der Export chinesischer Luxus- und Massenwaren als auch der Import teurer Naturprodukte für Küche und Medizin abgewickelt wurden. Eine bedeutende Rolle spielten indonesische und indische Gewürze, weswegen die Chinesen für die europäischen Neulinge Konkurrenten und Ansprechpartner zugleich wurden. Der chinesische Außenhandel war vor allem ein Luxushandel; dies bedeutete einerseits die Beteiligung kapitalkräftiger Kaufleute und andererseits eine Marktkompetenz in Bereichen, die für die Kompanien von Interesse waren. Der wirtschaftliche Erfolg von Diaspora-Chinesen zog beträchtlichen politischen Einfluss nach sich. Chinesen stiegen vielerorts in höchste Verwaltungsämter auf. So bekleideten sie in zahlreichen bedeutenden Emporien das Amt des Hafenmeisters (syahbandar), eine für alle Marktteilnehmer unentbehrliche Kontaktstelle. Eine andere Gruppe mit großem wirtschaftlichen und politischen Einfluss waren die armenischen Kaufleute, die durch die stets unsichere Situation in ihrer kaukasischen Heimat in der Verstreuung lebten. Sie verfügten über ein Netz von Gemeinden, ganz ähnlich der jüdischen Diaspora, das ebenso reisende Kaufleute wie stationäre Geldgeber hervorbrachte. Armenische Investoren etwa im persischen Isfahan entwickelten weitreichende Handelsinteressen und überließen ihren reisenden Landsleuten in der Regel ein Viertel des Erlöses als Kommission. Ein beredtes Beispiel dieses Systems war der Kaufmann Hovhannès, der von Isfahan aus elf Jahre lang nach Schiras, Surat, Agra, Patna, Katmandu und Lhasa reiste und überall auf armenische Gemeinden zurückgreifen konnte.17 Zahlreiche andere Gruppen dieser Art spannen ihre kommerziellen Netze ganz oder teilweise über Asien, doch können hier nur wenige von ihnen benannt werden. Die südindischen Chettiars etablierten sich bereits vor dem Eintreffen der Handelskompanien als Finanziers und bildeten gegen Ende des 19. Jahrhunderts das vielleicht wichtigste Geldhändlernetz im kolonialen Südostasien. Ähnliches gilt für die jemenitischen Hadrami. Sie brachten in der Hochzeit des Kolonialismus weitverzweigte Handelsdynastien hervor, die ebenfalls auf Auswanderungen zumindest seit dem 17. Jahrhundert und auf noch ältere kaufmännische Strukturen im Jemen zurückgingen. Weitere Beispiele sind die tamilischen Chulia oder die gujaratischen Banyas. So existierte im 15. und 16. Jahrhundert eine gut tausendköpfige gujaratische Gemeinde in Malakka. Zu den verschiedenen Handelsdiasporen zählten auch Gruppen geringerer Reichweite wie die Seefahrer der Bugis und Makassaren von der südwestlichen Halbinsel Sulawesis, die schon vor den tiefgreifenden Veränderungen ihres Umfeldes durch die VOC über zahlreiche Gemein-

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den in den Häfen des Malaiischen Archipels verfügten, insbesondere auf den Molukken. Dort gesellten sich Minangkabau aus Sumatra sowie malaiische und javanische Kaufleute zu ihnen. Solche verzweigten Netzwerke bildeten das Rückgrat zahlreicher Handelsverbindungen, mit denen sich die Europäer auseinandersetzen mussten. Wesentlich für das enge Zusammenspiel zwischen Langstreckenhandel und Warenproduktion waren die hohen Qualitätsstandards in Asien, denkt man nur an begehrte Textilien wie Seiden- und Baumwollstoffe, an hochwertige Keramik wie die chinesische Spezialität Porzellan oder an Metallwaren wie die unübertroffenen Damaszener Schwerter. Solche Leistungen galten in Europa lange Zeit als unerreichbar, woraus ein erster komparativer Vorteil der asiatischen Wirtschaft erwuchs. Auf der anderen Seite waren nach zeitgenössischen Berichten bereits damals die Lohnkosten in Asien deutlich niedriger als in Europa, wodurch ein zweiter komparativer Vorteil ins Spiel kam. Solche Gegebenheiten lockten europäische Kaufleute an, bereiteten ihnen aber gleichzeitig auch Sorgen, tat man sich doch schwer, konkurrenzfähige Gegenleistungen auf den Markt zu bringen. Spätestens seit Karl Marx geistert der Mythos der „orientalischen Produktionsweise“ durch die westliche Wirtschaftsgeschichte und zeichnet das Bild einer in sich geschlossenen, sich selbst genügenden Dorfgemeinschaft in perfektem Gleichgewicht. Basis dieser Produktionsweise waren demzufolge kleinere agrarische Einheiten, die zusätzlich ein Heimgewerbe betrieben, oder Dorfgemeinschaften, welche die Bewirtschaftung eines gemeinsamen Landbesitzes mit gewerblicher Produktion verbanden. Kirti N. Chaudhuri betont zu Recht, dass es sich bei dieser Sichtweise in erster Linie um ein europäisches Konstrukt handelt, um ein „inverses Spiegelbild für eine industrielle Gesellschaft des aufkommenden Maschinenzeitalters, eine imaginäre Antithese, die von Historikern und europäischen Kolonialbeamten als Gegenpol zu den eigenen verstörenden Erfahrungen mit dem strukturellen Wandel in ihrer Heimat geschaffen wurde“.18 Sicherlich wurden Agrarwirtschaft und Warenproduktion an vielen Orten in Kombination betrieben. Dies gilt vor allem für Textilien. Eine Exportorientierung der Produktion ist dadurch allerdings noch lange nicht ausgeschlossen. Zudem existierten spezialisierte Werkstätten wie die Baumwollfärbereien in Indien oder die beginnenden Seidenwebereien nicht nur in China, sondern beispielsweise auch im mittelalterlichen Byzanz. Die urbane Prägung des asiatischen Kontinents verstärkte noch die Bedeutung dieser Werkstätten, deren Produktion ihren Betreiber und seine nicht selten zahlreichen Angestellten ernähren musste. Der Übergang vom Handwerker zum Unternehmer war gerade hier oft fließend. Die Herstellung technisch anspruchsvoller Produkte, die in Europa nicht geleistet werden konnte, erforderte darüber hinaus ein Niveau, das auf der Ebene der selbstgenügsamen Dorfgemeinschaft nicht erreicht werden konnte. Neben hochwertigen Textilien und Metallwaren, die mehrere Veredelungsprozesse durchlaufen mussten, ist das Porzellan in China ein besonders augenfälliges Beispiel hierfür. In solchen Fällen konnte das Know-how selbst zur Ware werden. Entsprechend stellte Handwerkermigration ein

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häufiges Phänomen in der asiatischen Geschichte dar. Durch sie wurden Herstellungstechniken und gestalterische Programme über die Grenzen von Gesellschaften und Kulturkreisen hinweg transferiert. Es existierte ein reger Austausch innerhalb des indischen Subkontinents wie auch innerhalb der islamischen Welt oder zwischen China und Südostasien. Die kulturelle Gebundenheit vieler Produkte bildete hierbei keinen grundsätzlichen Widerspruch. Symbole in Ornamenten, ja ganze Bildprogramme konnten traditionell festgelegt sein – besonders starr bei einem religiösen Nexus, wie die Symbolik der buddhistischen Kunst zeigt. Grundsätzlich aber erwiesen sich die handwerklichen Künste Asiens als sehr aufnahmebereit. Dies gilt nicht nur für die großen kulturellen Transferwellen der Indisierung in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, der Islamisierung seit dem 7. Jahrhundert und der Sinisierung vornehmlich im 14. und 15.Jahrhundert, sondern auch für kleinräumigere und jüngere Austauschformen bis in die Zeit der Kompanien hinein. So fanden selbst niederländische Bildprogramme ihren Weg auf chinesische Handelskeramik. Nicht zuletzt war es die Auftragsvergabe, welche die einheimische Produktpalette beeinflusste. Die gewerbliche Produktion Asiens hatte in den meisten Städten, aber auch Dörfern solch ein Niveau und einen Umfang erreicht, dass eine Absatzbeschränkung auf den lokalen Kontext genauso unmöglich wurde wie in Europa. Je spezieller und anspruchsvoller ein Produkt ausfiel, desto größer musste der Absatzraum sein, desto eher produzierte der Handwerker für den überregionalen Markt, vielleicht sogar für einen „Weltmarkt“. Die Entwicklung einer spezialisierten Kaufmannschaft ging Hand in Hand mit der Entwicklung spezialisierter Handwerker, wodurch wiederum eine Ausweitung der Arbeitsteilung bei der Produktion und eine zunehmende Monetarisierung des Geschäftslebens bedingt wurden. In diesem Umfeld entwickelten sich die ersten Stufen von Unternehmertum, insbesondere dort, wo Kaufleute die auf fernen Märkten benötigten Waren in Auftrag gaben. Die Komplexität der Wirtschaft berührte auch die Belange des Staates, die sich in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Kontrolle über die Aktivitäten der Untertanen und dem fiskalischen Interesse an einer blühenden Wirtschaft bewegten. Dadurch entwickelten sich sehr unterschiedliche staatliche Versuche der Reglementierung und der Abschöpfung, verknüpft mit den verschiedenen religiösen Vorstellungen vom Wirtschaften. Das Land, welches lange die meisten Sehnsüchte der Europäer auf sich zog, hatte die größte staatliche Reglementierung aufzuweisen. Insbesondere während der Ming-Dynastie (1368–1644) etablierte China eine Wirtschaftsverfassung, die zwar insgesamt Handel und Gewerbe weder besonders behinderte noch besonders förderte, aber eindeutig am alten Agrarstaatsideal ausgerichtet war. Der Hof in Peking zeigte wenig Neigung, gezielt die Rahmenbedingungen für neue wirtschaftliche Impulse zu schaffen, vielmehr waren die Kaufleute in ein umfassendes System von Registrierung und ausdifferenzierten Branchen eingebunden. Eine eigenständige Kategorie der Kaufleute existierte nicht; Geschäftsleute mussten aus Familien stammen, die bereits in der jeweiligen Branche etabliert waren. Fernhandelskaufleute mussten sich mit ihren Waren und Routen bei loka-

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len Agenten registrieren lassen, ohne deren Beteiligung auch keine Geschäfte auswärtiger Kaufleute zugelassen waren. Zudem waren Kaufleute in den konfuzianisch legitimierten Ehrenkodex der Ming-Zeit eingebunden. Von ihnen wurde erwartet, dass sie ihre Waren nur zu fairen Preisen kauften und verkauften. Bei Zuwiderhandlung, beurteilt durch die lokalen Würdenträger des Staates, hing die Bestrafung von der Diskrepanz zu den üblichen Marktpreisen ab. Die Behörden führten regelmäßige Kontrollen von Preisen, Qualität und Gewichten durch. Durch Staatsmonopole auf Salz, Tee und Alaun blieb die Kontrolle über wichtige Produktionszweige in öffentlicher Hand; private Händler wurden durch staatliche Lizenzvergabe am Absatz beteiligt. In der Praxis stand der Salzhandel aufgrund extrem hoher Lizenzabgaben nur den wohlhabendsten Kaufleute offen, während das Tee-Monopol weniger selektiv gehandhabt wurde.19 Erstaunlicherweise schränkte die Registrierungspflicht die Handlungsfreiheit der Kaufleute nur in Maßen ein. Ungefähr zur Mitte ihrer Epoche gingen die Ming-Kaiser zunehmend zu einer Wirtschaftspolitik über, die Handel und Gewerbe zurückhaltender behandelte und gleichzeitig eine Stärkung der traditionellen Agrarausrichtung mit sich brachte. Auf den Handel wurden niedrigere Steuern erhoben, während der agrarischen Produktion zunehmend Abgaben aufgebürdet wurden. Eine Ausnahme bildeten Bereiche, welche die Sicherheitsinteressen des Reiches betrafen, wodurch immer wieder auch der maritime Außenhandel betroffen war. Das Verbot des Seehandels und die militärisch kontrollierte Abschottung der Küsten bildeten eine Konstante in der chinesischen Geschichte und einen wesentlichen Grund für die Herausbildung chinesischer Diasporagruppen. Daran änderten auch einige Aufsehen erregende Ausnahmen nichts, wie z. B. das staatliche Expansions-Engagement zu Beginn des 15. Jahrhunderts, als unter Admiral Cheng Ho mehrere große Flotten die Anrainer des Chinesischen Meeres und des Indischen Ozeans aufsuchten, um von deren Herrschern Anerkennung und Tribut für den „Sohn des Himmels“ einzufordern. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser beinahe gigantomanischen Unternehmungen war gering; der maritime Außenhandel blieb die Domäne der südchinesischen Kaufmannsdynastien und ihrer Außenposten. Gemessen am chinesischen Beispiel bildeten die Stadtstaaten des maritimen Südostasiens das entgegengesetzte Extrem. In Herrschaften, die auf der Funktion von Emporien, von Stapel- und Umschlagplätzen großer Warenmengen beruhten, bestanden ganz andere existenzielle Interessen. Doch auch hier verfolgten die Herrscher ihre Interessen, indem sie bestimmte Warengruppen, gerade im Gewürzhandel, monopolisierten. Es entstanden jedoch ebenso tatsächliche Freihäfen, deren Administration darauf achtete, dass kein Marktteilnehmer die anderen übervorteilen konnte. Die initiale Zulassung zum Markt behielten sich jedoch in fast allen Fällen die Herrscher oder ihre Regierungen vor. Ganz ähnlich, wenn auch häufig komplexer, gestaltete sich die Situation in Indien und im arabisch-persischen Raum. Auch hier waren die Kaufleute von den lokalen Autoritäten abhängig. Stand hinter diesen jedoch eine Zentralgewalt, wie im indischen MogulReich oder im safawidischen Persien, konnten Konfliktsituationen zwischen lokaler und

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zentraler Regierungsebene auftreten. Gerade in indischen Häfen mussten sich Europäer immer wieder mit dieser Situation auseinandersetzen. Begünstigt wurden die Interessen der Händler durch den Islam, der einen ganz anderen Kodex als der chinesische Konfuzianismus vertrat. In einer kaufmännisch geprägten Umgebung entstanden, legte er ebenfalls ethische Maßstäbe an das Handeln von Kaufleuten an, betrachtete dieses jedoch als etwas grundsätzlich Förderungswürdiges. Mit den Europäern betraten zunächst nur einige zusätzliche Gruppen die Bühne des asiatischen Handels. Man kannte sie bereits aus dem Mittelalter, wenn auch nur als Exoten. Es waren die Portugiesen, die als erste Europäer unmittelbar am Gewürzhandel teilhaben konnten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts regelten Kontrakte den Zufluss von Pfeffer und molukkischen Gewürzen nach Europa. Von der portugiesischen Krone privilegierte Kaufmannssyndikate waren teilweise für die Einfuhr aus Asien zuständig und teilweise für die Distribution in Europa. 1591 übernahm ein Syndikat den europäischen Part des Geschäfts, bestehend aus einer portugiesischen Firma in Antwerpen, aus Fuggern, Welsern und italienischen Kaufleuten. Der Zugang zum Gewürzhandel selbst war für die westeuropäischen Handelsmächte in dreierlei Hinsicht erschwert: Hohe Transaktionskosten, die von den Abgaben für die zahlreichen lokalen Herrscher und den Aufwendungen für den Schutz der Karawanen bestimmt wurden, machten den Landweg zunehmend unattraktiv, im Mittelmeer verfügte Venedig über eine quasimonopolistische Stellung, und ebenso quasi-monopolistisch war die Verteilung der auf dem Seeweg importierten Gewürze durch Portugal und seine Kontraktnehmer organisiert. Doch vermochten die vorhandenen Angebote die Nachfrage nicht zu decken, wodurch die Entwicklung beinahe zwangsläufig auf weitere neue Akteure auf diesem Markt hinauslief: die Ostindien-Kompanien.

Wege und Transport Dem Handel in Asien stand zu Lande wie zu Wasser eine umfassende Transportinfrastruktur zur Verfügung. Auf den beiden obersten Handelsebenen verband die legendäre Seidenstraße Ostasien mit dem Mittelmeer, ergänzt um eine „Seidenstraße der Meere“. Über den Landweg nach China (Cathay) informierte Francesco Balducci Pegolotti in seinem Handbuch La Practica della Mercatura bereits 1338 die interessierten Europäer: „Und in Tana sollte er Turkmenen in Dienst nehmen und nicht wegen des Preises einen weniger guten dem besseren vorziehen, weil der bessere nicht mehr kostet als man sich an Vorteil durch eine größere Ausgabe verschafft; und zusätzlich zu den Turkmenen besorge er sich wenigstens zwei Gehilfen, die das Kumanische gut beherrschen. […] Der Weg von Tana nach Cathay ist nach allem, was die Kaufleute sagen, die ihn gezogen sind, bei Tag und Nacht sehr sicher, es sei denn, der Kaufmann stirbt auf dem Weg, sei es auf dem Hin- oder auf dem Rückweg; denn in diesem Fall würde alles dem Herrn des Landes gehören, in dem der Kaufmann stirbt, und ähnlich ist es, wenn er in Cathay stirbt. […] Es heißt, daß ein Händler mit einem Turkmenen und zwei Gehilfen und einer Habe von 25000 Florentiner Goldgulden bis Cathay 60–80 Tana-Silberstücke ausgeben

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würde, wenn er sparsam ist; und für die ganze Rückreise von Cathay nach Tana soll er, wenn die Kosten für Verpflegung, die Löhne der Gehilfen und all die sonstigen Ausgaben berechnet, noch fünf zu dieser Summe schlagen oder auch weniger. Das Tana-Silberstück kann fünf Goldgulden wert sein. Und es heißt, der eine Wagen ist von einem Ochsen zu ziehen, und das ist der Wagen für 10 genuesische Kantar und den Kamelwagen ziehen drei Kamele, und das ist der für 30 Kantar, und ein Pferd zieht den Pferdewagen, und das ist der für 61/2 Kantar, gewöhnlich für Seide, das sind 250 Genueser Pfund. […] Es heißt, der Weg von Tana nach Sara sei nicht so sicher wie der übrige Weg; aber wenn man zu sechzig Mann wäre, würde man den schlimmsten Weg sicher gehen, als wäre man zu Hause. […] Das ganze Silbergeld, das die Händler mit sich führen und das nach Cathay kommt, läßt der dortige Herrscher für sich wegnehmen und in seine Schatzkammer bringen, und den Händlern, die es mit sich führen, gibt er dafür Papiergeld, das sind gelbe, mit dem Siegelzeichen des Herrschers abgestempelte Papiere. […] Und jeder im Land ist verpflichtet, das Geld anzunehmen, und obgleich es sich um Papiergeld handelt, kauft man die Waren nicht zu teuer ein.“20

Pegolotti bietet in seinem Handbuch, welches das europäische Wissen zur Zeit Marco Polos wiedergibt, die Schilderung eines sicheren Reiseweges. Für die Sicherheit sorgten die verschiedenen Herrscher, die entlang der Route ein vitales Interesse an einem reibungslosen Handelsablauf hatten. Allerdings waren unterwegs spezielle Ortskenntnisse unabdingbar, die ein einzelner Handelsreisender nicht mitbringen konnte – auch nicht mit der Practica della Mercatura in der Satteltasche. Daher gab es schon früh jene hauptberuflichen Führer, deren Dienste Pegolotti so dringend empfiehlt. Brachten sie zusätzlich organisatorisches Talent und gute Beziehungen zum lokalen Arbeitsmarkt mit, konnten sie sich als Karawanenführer verdingen und Warentransporte in Eigenverantwortung durchführen. Dies war deshalb besonders wichtig, da der Typus des einsam reisenden Kaufmannes kaum der Realität entsprach, sondern sich mehrere Kaufleute zu einer Transporteinheit, der Karawane, zusammenschlossen. Eine solche Organisationsform half die Kosten zu senken und die Sicherheit zu fördern. Daneben spielten Dolmetscher eine besonders wichtige Rolle, da die Verbindung von China nach Europa unzählige Sprachräume durchlief. Zwar reduzierte sich die Zahl der faktisch notwendigen Sprachen auf Märkten und in Karawansereien im kaufmännischen Alltag deutlich, eine einheitliche lingua franca kannte die Seidenstraße jedoch nicht. In Asien nahm die Seidenstraße ihren Ausgang im Herkunftsland des namensgebenden Gutes. Innerhalb der chinesischen Grenzen bestand nicht nur ein homogenes, administrativ durchgesetztes Wirtschaftssystem, wie es in Pegolottis Hinweis auf das Papiergeld zum Ausdruck kommt, sondern auch ein ebenso gut ausgebautes wie weit verzweigtes Straßennetz, so dass hier von einer spezifischen Route der Seidenstraße nicht mehr die Rede sein konnte. Jenseits der Grenzen des Kaiserreichs führte die Hauptroute zunächst den Fluss Wei entlang nach Lanzhou, lief dann weiter nach Nordosten und teilte sich zur Umgehung der Wüsten Gobi und Taklamantan in eine nördliche und eine südliche Route. Daraufhin verlief sie westwärts zu den usbekischen Metropolen Samarkand und Buchara, durchquerte das iranische Hochland und führte in das Zweistromland von Euphrat und Tigris nach Bagdad und weiter über Aleppo oder

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Damaskus an die levantinische Küste. Allerorts blühten die Märkte reicher Handelsstädte und zweigten untergeordnete Routen von der Hauptstrecke ab. Die Seidenstraße stellte keine reine Transitstrecke dar, sondern integrierte alle umliegenden Regionen in ihr Handelsnetz. Außerhalb Chinas existierten keine ausgebauten Straße im modernen Sinne; vielmehr kannten die professionellen Führungskräfte neben den Zentren die kleineren Versorgungsstationen, die befestigten Karawansereien und die wichtigsten Landmarken, so dass sie ohne bauliche Maßnahmen einer festen Route folgen konnten. Auch in diesem Sinne stellte die Seidenstraße eher ein Netzwerk als einen konkreten Weg dar. Die Nutzung der Seidenstraße von einem Ende zum anderen war ein kostspieliges Unterfangen, aber für die meisten europäischen Interessen im Asienhandel notwendig. Dabei schlugen vor allem die Kosten zur Absicherung des eigenen Transportes zu Buche. Dies konnte die Besoldung bewaffneter Kräfte sein, die zur Abwehr von Raubüberfällen rekrutiert wurden, und mehr noch die Abgaben, die regionale oder lokale Autoritäten für die Sicherstellung der Unversehrtheit durchreisender Kaufleute erhoben. Diese Aufwendungen wurden von Frederic C. Lane unter dem Stichwort protection costs in die Debatte eingeführt.21 Der amerikanische Wirtschaftshistoriker und Venedig-Experte weist zu Recht darauf hin, dass es vor allem die Kosten des Landweges waren, welche die Europäer auf den Seeweg nach Indien trieben, und kaum die Behinderungen des Langstreckenhandels durch islamische Fürsten. Die Landverbindungen durch Karawanen beruhten auf der Leistungsfähigkeit von Tieren. Auf der Seidenstraße dominierten Kamele als Lastenträger, wobei im Osten die robusteren zweihöckrigen Trampeltiere, im Westen hingegen die einhöckrigen Dromedare zum Einsatz kamen. Daneben spielten Esel eine große Rolle, die den Kamelen in Wüstentauglichkeit und Belastbarkeit kaum nachstanden. Für schwierige Gebirgspassagen griff man zudem gerne auf Maultiere zurück, im Umfeld des Himalaya auch auf Yaks. Alle anderen grundsätzlich für das Tragen von Lasten geeigneten Tiere waren für die langen Strecken durch Wüste, Steppe und Gebirge weitaus weniger geeignet und kamen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. Dies bedeutete jedoch nicht, dass Pferde, Ochsen oder Elefanten nicht im Rahmen kleinerer Transportnetzwerke mit geringerer Reichweite Verwendung fanden. Landgestützte Transportwege für Exportgüter existierten schließlich auch auf der dritten Handelsebene, beispielsweise für Pfeffer in Indien oder Tee in China. Hier kamen neben Tieren häufig auch menschliche Träger zum Einsatz. Von besonderer Bedeutung in diesem Bereich waren allerdings die unzähligen Flussläufe Asiens. In China wurde die Versorgung Kantons mit Exportwaren vornehmlich über den Zhu Jiang (Perlfluss) sichergestellt; der in Borneo gewonnene Pfeffer fand über das dichte Netz von Urwaldflüssen seinen Weg in die Häfen von Banjarmasin, Sukadana oder Brunei. Schließlich war auch der in Zentral- und Westasien – und auf Booten sogar im maritimen Südostasien – weit verbreitete Nomadismus als Transportnetzwerk von Bedeutung. Dies galt nicht nur für Waren aus eigener Herstellung, die in der Regel mit Viehwirtschaft und Pferdezucht – oder bei Seenomaden mit Fischfang – zusammenhingen, sondern auch für zusätzliche

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Einkünfte, die Nomadengruppen für die Mitnahme fremder Waren zu Handelsplätzen, die sie im eigenen Interesse sowieso besuchten, gerne in Anspruch nahmen. Die alte maritime Tradition Asiens bedingte eine wichtige Alternative zur ruhmreichen Seidenstraße, die nur in der allgemeinen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle spielte. Ein großer Teil der auf den oberen Ebenen gehandelten Waren wurde auf dem Seeweg transportiert. Auch in Richtung Europa war diese Möglichkeit bereits im Mittelalter von Bedeutung, wenn auch aufgrund fehlender Zugänge vom Indischen Ozean zum Mittelmeer noch indirekt. Als Gegenstück zur Landroute kann also durchaus zu Recht von einer „Seidenstraße der Meere“ gesprochen werden. Ihre Route nahm ihren Ausgang in den chinesischen Seehäfen, verlief entlang der chinesischen, vietnamesischen und malaiischen Küste zur Straße von Malakka, von dort nach Bengalen und die indischen Gestade entlang bis zum Indusdelta. Dort teilte sie sich in zwei Hauptrichtungen, die in den Persischen Golf oder ins Rote Meer führten. Anders als die späteren Routen der europäischen Kompanien verlief dieser Seeweg stets in Küstennähe, konnte jederzeit unterbrochen werden und band wie die landgestützte Seidenstraße die angrenzenden Märkte in den Warenaustausch ein. Die komplizierten Windverhältnisse, die Vielfalt der Küsten, ihrer Häfen und Seeverbindungen sowie die unzugänglich anmutenden Archipele aus Korallen- oder Vulkaninseln brachten es mit sich, dass Seereisen ohne spezielle Ortskenntnisse kaum sicher durchzuführen waren. Als Vasco da Gama den Portugiesen 1498 endlich den Seeweg nach Asien öffnete, war er für die Überfahrt von Ostafrika nach Indien auf einen indischen oder arabischen, auf jeden Fall muslimischen Lotsen angewiesen. Gerade in den häufig unübersichtlichen Gewässern Südostasiens stellten professionelle Navigatoren einen reibungslosen maritimen Handelsverkehr sicher. Von ihrer Tätigkeit sind umfangreiche Handbücher und Segelanweisungen in chinesischer und arabischer Sprache überliefert, die den Kenntnisreichtum und die Professionalität des asiatischen Lotsenwesens belegen.22 Nicht nur auf dem Landweg, sondern auch zur See entstanden so Transaktionskosten für den Warentransport. Die Herrscher der unentbehrlichen Hafenstädte an den großen Routen strebten nach Einnahmen, ortskundige Lotsen oder Schiffsführer kosteten Geld und wahrscheinlich war die Sicherheit ein noch größeres Problem als auf den Karawanenrouten. Die Piraterie in asiatischen Gewässern ist bis heute ein schwerwiegendes Problem; je unübersichtlicher eine Meeresregion war und ist, desto größer das Risiko. Kleinere Transporteinheiten waren Piraten hilflos ausgeliefert, weswegen eine bewaffnete Handelsseefahrt zumindest für Unternehmungen mit großem Kapitaleinsatz unabdingbar erschien – und zum Charakteristikum der Ostindien-Kompanien wurde. Bereits vor dem Eintreffen europäischer Schiffe hatten sich jedoch auch asiatische Werften auf die Erfordernisse des maritimen Langstreckenhandels eingestellt. Der auffälligste Schiffstyp in diesem Bereich war die chinesische Dschunke, welche die unterschiedlichsten Tonnagen und Mastzahlen aufweisen konnte. Ihre größten Vertreter verfügten über eine Transportkapazität, Bemannung und Bewaffnung, die in Asien einma-

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II. Der frühe Handel in Asien

lig und zumindest den Zahlen nach den europäischen Ostindienfahrern ebenbürtig war. Erst den hochmodernen Kriegsschiffen aus Europa waren sie nicht mehr gewachsen. Ein anderer prägender Schiffstyp war die arabische oder indische Dhau, ein Langstreckensegler, der sich durch sein charakteristisches Lateiner- oder Dreiecks-Segel auszeichnet. Schiffe dieser Art waren an allen Küsten und auf allen Routen des Indischen Ozeans anzutreffen. Allerdings waren sie weitaus weniger wehrhaft als ihr chinesisches Gegenstück, wenn auch wendiger. Von Kultur zu Kultur kamen darüber hinaus unzählige kleinere Schiffstypen zum Einsatz, über die hier nicht einmal ein Überblick gegeben werden kann. Sie wiesen die unterschiedlichsten Transportkapazitäten auf und waren in hohem Maße an die jeweils regionalen Verhältnisse angepasst. In der Regel waren sie kaum bewaffnet, hatten also im Zweifelsfall einer gewaltsamen Handelsexpansion nichts entgegenzustellen. Andererseits waren die meisten ausgezeichnet für die Fahrt auf Flüssen geeignet und verfügten insofern über einen Vorteil, der auch gegenüber den großen europäischen Fahrzeugen Bestand hatte. Die Ostindien-Kompanien konnten sich im nautischen Bereich also nie alleine auf ihre militärtechnische Überlegenheit verlassen.

Märkte und Städte „Sämtliche Kulturen und Zivilisationen sind von Märkten durchsetzt, mit Läden übersät“, stellt Fernand Braudel in seinem epochalen Werk zur Weltwirtschaft fest und fährt fort: „Während der Marktflecken in die ländliche Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft eingebunden bleibt, ragt die Stadt darüber hinaus, und so zeigt die Hierarchie der Märkte letztlich die hierarchische Staffelung der Gesellschaft auf.“23 Darüber hinaus bildeten Städte und ihre Märkte die Verknüpfungspunkte von Handelsebenen und nahmen eine zentrale Stellung in den asiatischen Handelsnetzwerken ein, die ohne sie gar nicht denkbar waren. Eine solche Position brachte die Entwicklung zahlreicher zusätzlicher Funktionen mit sich, nicht zuletzt im wirtschaftlichen Bereich. Daher waren sie die zentralen, wenn nicht gar einzig möglichen Anknüpfungspunkte für die Ostindien-Kompanien. Dies mag selbstverständlich klingen, doch ist der Umgang mit dem Begriff „Stadt“ im asiatischen Kontext nicht unproblematisch. Vielmehr bestehen ebenso zeitgenössische wie wissenschaftliche Definitionsschwierigkeiten, wenn das Bild der europäischen Stadt zum entscheidenden Maßstab wird. In Europa bestand immer eine Vorstellung davon, was eine „orientalische Stadt“ darstellt. Bei Max Weber, dem Ahnherrn systematischer Begrifflichkeit, beruht der Begriff in erster Linie auf einer negativen Definition in Abgrenzung von der europäischen Stadt, die durch ihren Verbandscharakter konstituiert wird.24 Seinen Ausdruck fand dieser Charakter in Stadtgemeinde und Bürgertum, die beide in Asien nicht vorhanden waren; ihr Fehlen wird so zum Merkmal der „orientalischen Stadt“. Max Weber bezieht sich dabei auf China, Japan und Indien, wodurch weite Bereiche der islamischen und buddhistischen Kulturkreise außen vor bleiben. Dies ist für den vorliegenden Zusammenhang insofern relevant, als dass eine am europäi-

Märkte und Städte

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Die wichtigsten urbanen Zentren und Handelsplätze Asiens vor 1600.

schen Verständnis klammernde Sichtweise sowohl die Rolle von Städten in den Handelsnetzen als auch den urbanen Charakter aller asiatischen Regionen verwischt, zumal auch rein topografische Abgrenzungsschwierigkeiten eine Rolle spielen. Der europäische Blikkwinkel bringt die Gewohnheit mit sich, Städte mit Mauern, Kirchen und engen Gassen in Verbindung zu bringen. Bereits die ersten europäischen Beobachter stießen jedoch in einigen Regionen Asiens auf Siedlungsphänomene, die vielleicht in der Bevölkerungsdichte, aber kaum in der Morphologie der europäischen Gewohnheit entsprachen. Die lockere Streuung und hohe Flexibilität der Bebauung so mancher vor allem südostasiatischer Stadtareale, die in Extremfällen bis zur Verlegung einer ganzen städtischen Siedlung bei drohender Gefahr reichen konnte, macht bis heute eine eindeutige Zuweisung zu traditionell europäischen Begriffen schwierig. Um eine der Frage nach den Handelsnetzwerken Asiens angemessene Perspektive zu entwickeln, bietet sich ein Blick an, der die Funktionen von Siedlungen anstatt ihre sichtbaren Institutionen betrachtet. Die von Weber angeführten Entstehungsgrundlagen einer Stadt, nämlich Herrschaftssitz und Markt, kommen dem schon relativ nahe, wenn man diese Begriffe nicht allzu materiell denkt. Sinnvoller noch ist der Rückgriff auf das Konzept der zentralen Orte, wie es der Geograf Walter Christaller am Beispiel süddeutscher Städte entwickelt hat.25 Es bietet ein umfassenderes Verständnis, das sich nicht von kulturell vorgegebenen Kriterien bestimmen lässt und eine Dynamik erlaubt. Ein Ort kann dann als zentral angesehen werden, wenn „von den Interaktionen innerhalb einer

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II. Der frühe Handel in Asien

wohldefinierten Region mindestens eine auf diesen Ort gerichtet ist. Die Zentralität eines Ortes wird gemessen mit Hilfe der Zahl der auf ihn gerichteten Interaktionen.“26 Solche konnten den unterschiedlichsten administrativen, kulturellen oder wirtschaftlichen Bereichen entstammen, von denen für die Langstreckenkaufleute und die Kompanien vor allem die ökonomischen relevant waren. Beide Gruppen waren operativ auf zentrale Orte – welchen äußeren Erscheinungsbildes auch immer – ausgerichtet. In dieser Hinsicht unterschieden sich die europäischen Kompanien wenig von ihrer asiatischen Konkurrenz; sie waren ein vor allem im urbanen Asien relevantes Phänomen, das erst für das Land bedeutsam wurde, als sie ihre Begehrlichkeiten auf Steuereinnahmen ausdehnten. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts, also über ihre Blütezeit als Handelsunternehmen hinweg, konzentrierten die Kompanien ihre Aktivitäten auf so genannte Emporien. Diese definiert Dietmar Rothermund als „ein[en] Marktplatz, auf dem eine Varietät an Güter[n] mehr oder weniger kontinuierlich verfügbar ist und auf dem eine Vielfalt an Käufern und Verkäufern ohne übermäßige Einschränkung unter vorhersehbaren Bedingungen von Angebot und Nachfrage zusammentreffen kann“.27 Dabei bestanden keine funktionalen Unterschiede zwischen Hafen- und Karawanenstädten, welche in wirtschaftshistorischer Sicht die gleichen Grundlagen aufwiesen, natürlich aber große morphologische wie soziokulturelle Differenzen. Solche zentralen Orte, die ihren Reichtum und ihre überregionale Bedeutung ihrer Funktion als Warenumschlagplatz verdankten, bestimmten das Gesicht der asiatischen Handelswelt und bildeten die Grundlage allen netzwerkorientierten Handels, ob von armenischen pedlars oder niederländischen Kompaniedirektoren. Das malaiische Malakka war in diesem Zusammenhang ein Paradebeispiel für eine multiethnische, auf Kommerz ausgerichtete Stadt, die alle Charaktermerkmale einer südostasiatischen Metropole ihrer Zeit aufwies. Ihr Stadtbild wurde von der Vielzahl der hier aktiven Nationalitäten geprägt, die von den Herrschenden nicht nur geduldet, sondern bewusst gefördert wurden. Dies spiegelte sich auch in der Verwaltungsstruktur des Hafens wider. Das Amt des Hafenmeisters, des syahbandar, existierte in Malakka vierfach: Der erste war für die Gujaratis aus Indien zuständig, der zweite für die Indonesier aus Java, Sumatra und dem östlichen Archipel, der dritte für Kaufleute aus Bengalen, Pegu und Pasai und der letzte für Händler aus China und Indochina. Die wirtschaftsgeografische Lage, eine anfängliche Protektion durch China, die Politik ihrer Herrscher und die Exportmöglichkeiten des eigenen Hinterlandes, die vornehmlich in Zinn bestanden, hatten Malakka im 15. Jahrhundert zur Wirtschaftsmetropole aufsteigen lassen.28 Das Aufblühen anderer Emporien im maritimen Südostasien stand in engem Zusammenhang mit den europäisch induzierten kriegerischen Auseinandersetzungen in der Straße von Malakka, von denen insbesondere Banten auf Java und Makassar auf Sulawesi profitierten. Malakka musste einen Teil seiner Zentralität abgeben. Diesen konnten andere zentrale Orte zusätzlich auf sich ziehen – und damit auch das Interesse der verschiedenen Kaufleute.

Märkte und Städte

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Ein anderes Beispiel einer wirtschaftlich zentralen Stadt liefert Marco Polo mit seinem Bericht über das chinesische Quinsai (Hang-Tschou): „Jeder der zehn Marktplätze ist von hohen Wohnhäusern umgeben, in deren Erdgeschoss die Handwerker arbeiten und die in Läden alles anbieten, Spezereien, Schmuck und Perlen, daneben schenkt man den gewürzten Reiswein aus, immer frisch und nicht teuer. Viele Straßen führen auf die Marktplätze; in einigen findet man Badeanstalten, wo man kalte Bäder nehmen kann und sich von Dienern und Dienerinnen pflegen lässt. […] Andere Straßen sind den Kurtisanen vorbehalten, von denen es so viele gibt, dass ich es gar nicht zu sagen wage. Diese bieten ihre Dienste nicht nur bei den Märkten an, wo sich gewöhnlich ihr Strich befindet, sondern überall. […] In anderen Straßen im Umkreis der Märkte haben sich Ärzte und Astrologen niedergelassen, die auch im Lesen und Schreiben und anderen Künsten Unterricht erteilen. Auf dem Marktplatz stehen auf beiden Seiten große Wachgebäude, von denen aus die kaiserlichen Beamten sofort eingreifen, falls irgendwo Streitigkeiten unter den fremden Kaufleuten oder unter Einheimischen ausbrechen. Außerdem kontrollieren sie täglich die Wachen auf den nächstgelegenen Brücken […] und ahnden Wachvergehen auf der Stelle. Die Hauptstraße, welche, wie gesagt, die Stadt durchschneidet, wird von Gebäuden und Palästen mit ihren Gärten gesäumt, und gleich daneben arbeiten die Handwerker in ihren Läden. Zu jeder Stunde bewegen sich solche Menschenmassen, in denen jeder seinen Geschäften nachgeht, durch die Straßen, dass man kaum glaubt, dass sie hier alle leben können. Aber an jedem Markttag wimmeln die genannten Plätze von Käufern und Verkäufern, die ihre Ware auf Karren und Kähnen herbeischaffen, und alles wird verkauft. Von den umgesetzten Mengen Fleisch, Wein und Gewürzen und ähnlichem kann man sich einen Begriff machen, wenn man […] erfährt, dass der tägliche Bedarf an Pfeffer sich auf 43 Lasten belaufe, jede Last zu 223 Pfund.“29

Städtische Märkte wiesen komplexe topografische Strukturen auf, an die sich noch andere Geschäftszweige wie Gastronomie oder Prostitution anlagerten. Der einzelne, real existierende Marktplatz war natürlich vorhanden, blieb jedoch in den wenigsten Städten eine singuläre Erscheinung. Vielmehr existierten in den großen Handelsstädten zumeist mehrere Marktplätze, die auf bestimmte Warengruppen spezialisierte Märkte hervorbrachten und nicht selten von spezialisierten Brokern bestimmt wurden. Auf dieser Grundlage konnten sich auf einzelne Waren und Handwerke spezialisierte Viertel entwickeln, wie sie insbesondere für islamische Städte typisch sind. In Verbindung mit den Diasporagruppen entstanden ethnisch konstituierte Viertel mit einer weitreichenden Selbstverwaltung. Neben dem soziokulturellen Bedürfnis, unter Landsleuten zu leben, war die häufige Konzentration solcher Gruppen auf einzelne Wirtschaftszweige grundlegend für eine Struktur, die selbst unter europäischen Kolonialherren Bestand hatte. Die ethnische Segregation in asiatischen Kolonialstädten entsprang daher weniger einer kolonialen Diskriminierungspolitik, sondern hatte ihre Wurzeln in einem letztendlich traditionellen Stadtbild. Korrespondierend zu den Netzwerken der Kaufleute und den Hierarchien der Handelsebenen entwickelten sich Netze von Handelsstädten. Diese konnten größere Regionen verbinden wie den Malaiischen Archipel, den indischen Subkontinent und die Anrainerstaaten der Seidenstraße. Einige von ihnen ragten noch darüber hinaus und spielten eine zentrale Rolle auf den oberen Handelsebenen. Sie stellten die Konstanten dar,

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II. Der frühe Handel in Asien

welche die Verbindung über den ganzen Kontinent, ja sogar bis nach Europa ermöglichten, wodurch sie einerseits asiatische Langstreckenkaufleute in großer Zahl anzogen und andererseits schon im Mittelalter selbst in Europa bekannt waren. Auch die Städte in Staaten, die zur Selbstabschließung neigten, in China und Japan, verfügten stets über einige auswärtige Verbindungen und waren, wenn vielleicht auch nicht zentral, in die Stadt- und damit Handelsnetzwerke Asiens integriert. Natürlich war der voreuropäische Handel eines ganzen Kontinents weitaus facettenreicher und vielschichtiger, als er hier auf wenigen Seiten beschrieben werden kann. Auf die Belange der Ostindien-Kompanien bezogen, ist jedoch eine zusammenfassende Bemerkung möglich. Der Asienhandel war für die Europäer in der Frühen Neuzeit mit Sicherheit ein Abenteuer, bedenkt man die schwierigen Kommunikationsbedingungen, die ganz realen Gefahren auf den Handelsrouten, die Weite der Reisen oder die Unwägbarkeiten des Klimas. Dennoch war er alles andere als undurchführbar, da auf bestehende Systeme zurückgegriffen werden konnte, die ihn bedingt berechenbar, allerdings auch sehr teuer machten.

III. Die Ostindien-Kompanien Zu Beginn des 17.Jahrhunderts wurde die ebenso bunte wie vielschichtige Welt des asiatischen Handels mit einem neuen Teilnehmer konfrontiert, mit den Ostindien-Kompanien. Zunächst nur als einer von vielen Interessenten in den Häfen und auf den Märkten wahrgenommen, gelang es der britischen EIC und der niederländischen VOC, sich in weiten Bereichen des Kontinents als einflussreichste Handelsmacht zu etablieren. Die Kompanien stellten eine gänzlich neue Spielart der europäischen Expansion dar. Die zuvor übliche Form europäischer Festsetzung, der Kronmonopolismus, den insbesondere der portugiesische Estado da India vertreten hatte, erwies sich dieser Neuerung gegenüber als nicht konkurrenzfähig und wurde regelrecht überrollt. Die Portugiesen verloren ihre wichtigsten Niederlassungen an die westeuropäische Konkurrenz und wurden auf wenige Enklaven zurückgedrängt; die Spanier mussten sich auf ihre philippinische Kronkolonie beschränken, die wirtschaftlich nur noch am Rande eine Rolle spielte. Der schnelle und doch sehr gründliche Sieg der Kompanien über ihre iberische Konkurrenz bedeutete allerdings nicht gleichzeitig die Vorherrschaft über den gesamten asiatischen Markt. Es waren vor allem EIC und VOC, die sich auf dem indischen Subkontinent, auf Ceylon und der Arabischen Halbinsel, am Persischen Golf und der Meerenge von Malakka, in der malaiischen Inselwelt und am Kap der Guten Hoffnung, ja sogar an den Zugängen zu den verschlossenen Reichen Chinas und Japans etablieren konnten. Die Kompanien anderer Staaten, die bei weitem nicht an deren Erfolge heranreichen konnten, waren mehr oder weniger nach ihrem Vorbild organisiert. Insofern lässt sich an ihrem Beispiel in vergleichender Perspektive festmachen, worin die Strukturmerkmale dieser institutionellen Innovation bestanden, auf denen Erfolg, aber auch Niedergang der Ostindien-Kompanien beruhten.

Privilegien und Freihandel Das 17. Jahrhundert gilt gemeinhin als das Jahrhundert, welches vom Merkantilismus geprägt wurde. Hinter diesem Schlagwort verbirgt sich weniger eine geschlossene Wirtschaftstheorie als vielmehr eine Denkrichtung, die einen Fundus an wirtschaftspolitischen Maßnahmen auf ein praktisches Ziel hin bündelte und von zahlreichen zeitgenössischen Theoretikern, vor allem aber von der Mehrheit der europäischen Regierungen vertreten wurde. Dieses Denken beruhte auf einem dualen Ausgangspunkt. Einerseits, mit Blick auf das Innere des Staates, folgte es der Grundannahme einer unterbeschäftig-

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III. Die Ostindien-Kompanien

ten Wirtschaft, die zusätzlichen Einsatz von Produktionsmitteln, also von Arbeitskraft und Kapital, ohne Einfluss auf die Preisentwicklung ermöglichte. Andererseits, mit Blick auf die globalen Zusammenhänge, herrschte die Vorstellung, dass die Weltwirtschaft letztendlich ein Nullsummenspiel darstellte. Natürliche Ressourcen und Geldmittel standen aus dieser Perspektive nicht grenzenlos zur Verfügung, wobei der Geldwert völlig in Abhängigkeit vom Edelmetallgehalt der Münzen gedacht wurde. Geldvermehrung und die Steigerung der Umlaufgeschwindigkeit bedingten also eine positive Entwicklung des Wohlstandes im eigenen Land, die jedoch in der globalen Bilanz auf Kosten anderer Länder gehen musste. Eine nationale Regierung musste also darauf bedacht sein, den eigenen Anteil am Kuchen und damit die eigene Handelsbilanz so positiv wie möglich zu gestalten. Daraus entwickelte sich ein allgemein akzeptiertes Instrumentarium merkantilistischer Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, bei Rohstoffen Importe zu stärken und Exporte zu minimieren, bei Fertigwaren eine genau umgekehrte Gewichtung zu erstreben und schließlich die Abwicklung von Dienstleistungen möglichst innerhalb der eigenen Grenzen zu halten. Hierzu diente vor allem eine Vielfalt an Handelshemmnissen in Gestalt von Zöllen und Abgaben sowie Verboten und Reglementierungen. Dabei war der Abfluss von Rohstoffen noch nicht unbedingt ein negatives Zeichen, soweit deren Wert auf andere Weise und anderen Wegen zurückfloss. Der Merkantilismus dachte dezidiert in globalen Zusammenhängen; ein multilateraler Handel war eine entscheidende Voraussetzung für ein erfolgreiches merkantilistisches Regierungsprogramm. Da eine möglichst positive Abschlussbilanz höchstes merkantilistisches Ziel eines Staates war, bedeutete diese Denkweise auch eine Legitimierung von Handelskriegen und die Schaffung von Instrumenten, die Handel und Krieg gewinnbringend vereinen konnten. Die Ausrichtung des merkantilistischen Denkens war keineswegs einheitlich, sondern abhängig von der Ausrichtung der jeweiligen Volkswirtschaft. Während sich die meisten deutschen Staaten auf die Förderung von Gewerbe und Landwirtschaft konzentrierten und in der Peuplierungspolitik ein zentrales Instrument sahen, verlegten sich zahlreiche Staaten des westlichen und südlichen Europas auf den Handel. Zudem wurde nicht überall dem merkantilistischen Protektionismus der gleiche Stellenwert eingeräumt. Großbritannien war vor dem Hintergrund der eigenen gewerblichen Produktion von dieser Denkweise besonders geprägt. Ein Land wie die Niederlande, das seine wirtschaftliche Potenz vorrangig aus dem Re-Export bezog, während Landwirtschaft und Gewerbe vergleichsweise wenige Exportgüter anbieten konnten, war auf eine solche wirtschaftspolitische Ausrichtung weniger angewiesen. Vielmehr war es der Freihandel, der im genuinen Interesse der Eliten des erst 1581 vom habsburgischen Spanien unabhängig gewordenen Staates lag. Der protestantische Rechtsgelehrte und Politiker Hugo Grotius (1583–1645) setzte in seinem programmatischen Werk Mare Liberum von 1609 dieser Forderung ein breit beachtetes literarisches Denkmal: „Wir wollen kurz und klar beweisen, dass die […] Vereinigten Niederlande das Recht haben, in bisher gewohnter Weise nach Indien zu fahren und dort Handel zu treiben. Wir wollen dabei die erste und gewisseste Regel des Völkerrechts zugrunde legen, deren Beweiskraft klar und unum-

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stößlich ist: Jedes Volk kann ein anderes aufsuchen und mit ihm Geschäfte machen. So spricht Gott selbst in der Natur: er reicht nicht überall des Lebens Notdurft gleichmäßig dar, sondern will, dass die Völker sich hier durch diese, dort durch jene Vorzüge auszeichnen. Warum? Weil Gott wollte, dass der Mangel hier und die Fülle da die Menschen freundschaftlich zusammenführe, damit sie nicht glaubten, jeder könne sich selbst genügen und sie ungesellig würden. […] Wer also diese Ordnung beseitigt, beseitigt jene gepriesene Gemeinschaft des Menschengeschlechts, beseitigt die Gelegenheit, sich gegenseitig wohlzutun, verletzt endlich die Natur selbst. Denn beweist nicht die Tatsache, dass der Ozean, den Gott um die Länder gelegt hat, nach allen Richtungen hin befahrbar ist und dass die Winde […] nicht nur aus derselben Richtung, sondern aus allen möglichen Richtungen wehen, zur Genüge, dass die Natur jedem Volke gestattet hat, jedes andere Volk aufzusuchen?“30

Als quasi-offizielle Rechtsposition der Niederlande und „Grundgesetz“ ihrer Handelskompanie erregten solche Zeilen großes Aufsehen. Die englische Gegenposition verfasste bereits 1618 John Selden (1584–1654), Jurist wie Grotius, der in Mare Clausum die Rechtmäßigkeit weiträumiger Hoheitsgewässer rund um die Britischen Inseln betonte. Bei aller Rivalität unterschieden sich Briten und Niederländer jedoch kaum in der Ausgangsposition. Gemeinsam war ihnen, dass sie auf freihändlerischer Grundlage Front gegen die Weltordnung des Vertrages von Tordesillas machten, der 1494 die Welt in eine portugiesische und eine spanische Hemisphäre eingeteilt hatte. Letztendlich waren die Kompanien allerdings nur sehr bedingt Vorkämpfer des Freihandels. Vielmehr zeichneten sie sich durch eine Janusköpfigkeit aus, die ein freihändlerisches Grundgesetz ohne Umstände mit der Forderung nach Privilegien unter einen Hut brachte. Wesentliches Charaktermerkmal der Kompanien war die Tatsache, dass sie vom jeweiligen Herrscher mittels eines gesetzgeberischen Aktes – einer Charter nach englischem oder eines Oktroi nach holländischem Sprachgebrauch – ins Leben gerufen und mit Privilegien ausgestattet wurden. In rechtshistorischer Sicht handelt es sich bei Privilegien um gesetzesgleiche Rechtstitel, die daher nur der Gesetzgeber in Form einer Urkunde an Einzelpersonen oder Gruppen von Berechtigten vergeben konnte. Neben der Berechtigung gewährte das Privileg Schutz gegen jede Zuwiderhandlung, indem es diese staatlicherseits mit Strafandrohungen belegte. Insofern war das Privileg ein Gnadenakt des Gesetzgebers und später auch die Erfüllung seiner Pflicht, dem Interesse des Staates und seiner Bürger zur Durchsetzung zu verhelfen.31 In England rief Königin Elisabeth I. mit einer Charter vom 31. Dezember 1600 die EIC zunächst für 15 Jahre ins Leben. Die Generalstände der Vereinigten Niederlande erließen 1602 ein Oktroi, das anfänglich eine Gültigkeit von 21 Jahren hatte, um bereits bestehende Ostindien-Kompanien zur VOC zusammenzuschließen. Diese beiden Rechtsakte dienten als Vorbild für zahlreiche andere Gründungen, längst nicht nur für den Ostindienhandel. Bereits 1616 folgte in Dänemark eine ostindische Kompanie, 1717 in Ostende in den spanischen Niederlanden und 1731 in Schweden. In Frankreich wurde 1664 die Compagnie des Indes unter Einfluss von Colbert auf staatliche Initiative hin gegründet. Bei diesem Sonderfall lagen alle Befugnisse aufseiten des Königs, der die Gesellschaft kontrollierte, ihre Verwaltung bestimmte und alle Gremien einzuberufen hatte.

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III. Die Ostindien-Kompanien

Der Innenhof des Ostindischen Hauses in Amsterdam.

Die französische Krone trug im Gegenzug auch das wirtschaftliche Risiko. In gewisser Weise kann man in der Compagnie des Indes das merkantilistische Gegenstück zu den freihändlerisch legitimierten VOC und EIC sehen – wenn man im merkantilistischen Instrumentarienbündel die aktive Rolle des Staates besonders betonen will. Die englische Charter garantierte der EIC das alleinige Recht, mit Ostindien maritimen Handel zu treiben, und schrieb die Verpflichtung der Krone fest, für ihre Laufzeit keiner anderen Privat- oder Rechtsperson die Erlaubnis zum Asienhandel einzuräumen. Unter den Untertanen Ihrer Majestät war es nur den Mitgliedern der Kompanie oder der Kompanie selbst als Rechtsperson erlaubt, nach eigenen Regeln kommerzielle Kontakte in den Fernen Osten aufzubauen. Dieses Recht schloss eine mögliche Lizenzvergabe ausdrücklich ein. Bei Verstößen drohte eine Gefängnisstrafe, die allerdings gegen £ 1000 abgelöst werden konnte. Der Erlös illegaler Asienfahrten, die aufgedeckt werden konnten, fiel jeweils zur Hälfte an Krone und Kompanie. Dieses staatlich privilegierte Handelsmonopol behielt seine Gültigkeit bis in das Jahr 1823. Hinzu kamen in der Gründungscharter Regelungen für die Zoll- und Abgabenfreiheit der ersten vier Reisen sowie für die Ausfuhr von Silber. Kaum anders sah das niederländische Oktroi aus. Auch der VOC wurde das Privileg erteilt, als einzige Privat- oder Rechtsperson des Landes mit Ostindien Handel treiben zu dürfen, wobei eine besondere Betonung auf den asiatischen Gewürzen lag. Die Gesell-

Privilegien und Freihandel

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schaft musste allerdings ihr Privileg bezahlen. 1602 handelte es sich um eine Summe von 25 000 Gulden, die bei den Erneuerungen des Oktrois auf 1,5 Millionen Gulden (1647) bzw. 3 Millionen Gulden (1696 und 1700) gesteigert wurde und schließlich 3% der jährlichen Dividende (1742) erreichte. Im Unterschied zur britischen EIC, deren Freiheit Schiffe auszustatten im Kriegsfalle beschnitten werden konnte, erhielt die VOC sogar dezidiert Souveränitätsrechte. Sie konnte Gouverneure benennen, Armeen und Flotten aufstellen, Festungen errichten und völkerrechtlich bindende Verträge abschließen. Dass sie dies im Namen der Vereinigten Niederlande tat, blieb letztendlich eine Formalie; in Asien agierte die VOC auf dieser Grundlage wie ein souveräner Staat. Die Privilegien wurden prinzipiell auf bestimmte Zeit vergeben, wodurch eine turnusmäßige Erneuerung der Charter und Oktrois notwendig wurde. König Jacob I. verlieh 1609 der EIC die perpetual succession, also die Vergabe ihrer Rechte auf Dauer mit einer Kündigungsfrist von drei Jahren. Die neue Charter von 1657 und die Reorganisation von 1709 bestätigten hinsichtlich der Privilegien, die den Kern der Kompanie ausmachten, sämtliche Rechte. Nicht anders verhielt es sich bei den niederländischen Erneuerungen der Oktrois, die zwar aufgrund des wirtschaftlichen Erfolges der Kompanie die Abgaben für das Privileg in die Höhe trieben, deren Ausgestaltung aber nicht grundsätzlich änderten. Die Erteilung weitreichender, geografisch allerdings klar umgrenzter Privilegien an potente Interessengruppen wurde zur gängigen Vorgehensweise merkantilistisch orientierter Herrscher, um Handelsgesellschaften ins Leben zu rufen, die nach der vorherrschenden Wirtschaftsideologie dem Gesamtwohl des Staates zuträglich waren. Es entstanden privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, jedoch blieb das staatliche Interesse stets erkennbar. In England bestimmte die Regierung immerhin den governor der EIC, den man als eine Art Vorstandsvorsitzenden interpretieren kann. In den Niederlanden kam der Zusammenschluss verschiedener konkurrierender OstindienKompanien zur VOC erst durch erheblichen Druck der Generalstände zustande. Und in Frankreich entstand letztendlich sogar eine königliche Kompanie. Das wirtschaftliche Kernanliegen widerspricht nicht dem gelegentlich geäußerten Argument, dass noch ganz andere Gründe einen Herrscher bewogen haben mögen, gerade diese Form von Gesellschaft durch gerade diese Regelungen zu privilegieren. Indem mit den Fernkaufleuten die kapitalkräftigste Gruppe mit weitgehenden Privilegien ausgestattet wurde, die ihnen die Errichtung einer eigenen Militärmacht aus Flotte, Festungen und Soldaten erlaubte, konnte ein nicht unbeträchtlicher Teil der militärischen Ausgaben eines Landes privatisiert werden. Dies war im Zeitalter der frühneuzeitlichen europäischen Expansion mit ihrer hitzigen und blutigen Konkurrenz zwischen England, Frankreich, den Niederlanden und den iberischen Mächten äußerst wichtig. Ohne die gezielte Förderung ganz konkreter merkantiler Interessen durch den Herrscher wäre dies jedoch nicht möglich gewesen, weswegen der Kern der Privilegierungspolitik zur Schaffung sogenannter chartered companies nach wie vor ökonomisch bedingt war.

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III. Die Ostindien-Kompanien

Das Selbstverständnis, eine privilegierte Organisation zu sein, prägte maßgeblich das Vorgehen der Kompanien in Asien. Ganz anders als in der innereuropäischen Auseinandersetzung und in der Begründung des eigenen Rechts auf ungehinderten Überseehandel waren die Kompanien hier keinesfalls Vorkämpfer des Freihandels. Angestrebt wurde aus diesem Verständnis heraus eine Monopolstellung in Asien. Dies kam nicht nur in gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Freihändler zum Ausdruck, die als sogenannte interloper regelrecht kriminalisiert und verfolgt wurden. Auch die Festsetzung in Asien, die Verhandlungen mit den dortigen marktkontrollierenden Eliten – seien es Fürsten oder kaiserliche Bürokratien – waren stets von der Zielsetzung geprägt, sich selbst eine Stellung mit exklusiven Privilegien zu verschaffen. Dass dies angesichts der Verhältnisse in der asiatischen Handelswelt nicht immer von Erfolg gekrönt sein konnte, steht zunächst auf einem anderen Blatt .

Kaufleute und Börsen Man hat es schon häufig gehört und gelesen: Die Ostindien-Kompanien waren die ersten Aktiengesellschaften der Wirtschaftsgeschichte. Sicherlich sind sie nicht in allen Punkten mit den AGs der Gegenwart gleichzusetzen, doch genauso sicher ist, dass sie am Anfang der Entwicklung standen und diese aufgrund ihrer langen Existenz und ihres wirtschaftlichen Erfolges maßgeblich prägten. Der Aufstieg der beiden wichtigsten europäischen Börsenplätze in der Frühen Neuzeit – London und Amsterdam – ist ohne die Kompanien kaum denkbar. Das Prinzip der Anteilsteilung bei größeren, risikobehafteten wirtschaftlichen Unternehmungen geht auf das 15. Jahrhundert zurück, als im mitteleuropäischen Bergbau Schürfrechte in Form von sogenannten Kuxen vergeben wurden. Die Aktie als Wertpapier, das faktisch als Stück ausgegeben wird, trat jedoch tatsächlich erst mit den Handelskompanien in Erscheinung. Zunächst handelte es sich ausschließlich um Namensaktien, die auf einen bestimmten Anteilseigner ausgestellt wurden, der im Aktienbuch der Gesellschaft verzeichnet wurde. Zwar wurde auch mit Namensaktien gehandelt, doch machte der eher umständliche Besitzübertrag diese Papiere nicht uneingeschränkt börsenfähig. Bei der EIC wurden handelbare Anteilsscheine überhaupt erst mit der Installierung eines festen Kapitalstocks (joint stock) im Jahr 1657 relevant. Mit der Ausgabe von Aktien im Sinne realer Wertpapierstücke war der Zugang zur privilegierten Kompanie für alle geöffnet, die über das notwendige Kapital verfügten. Börsen, die sich durch den Handel mit abwesenden, aber vertretbaren, sogenannten fungiblen Gütern bei zeitlicher und örtlicher Konzentration auf vorgeschriebene Handelszeiten und räumlich klar definierte Handelsplätze auszeichnen,32 bestehen seit dem frühen 15. Jahrhundert. Die Entwicklung von warenunabhängigen Handelsplätzen begann 1409 in Brügge und setzte sich mit den Börsengründungen von Antwerpen (1460) und Lyon (1462) fort. Dabei handelte es sich noch nicht um Effektenbörsen, die sich

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Die Alte Börse in London, erbaut 1567–69. Kupferstich um 1600.

ganz auf den Handel mit Wertpapieren konzentrierten. Diese traten erst mit der Amsterdamer Börse in Erscheinung, die ihren Aufstieg bereits während des 16.Jahrhunderts erlebte, aber erst 1609 ihr repräsentatives Gebäude erhielt. Die Emission der VOC-Anteile im Jahr 1602 brachte erstmals Beteiligungspapiere auf das Börsenparkett, die neben Obligationen zunehmend die Entwicklung der beiden größten Börsen in Amsterdam und London, wo seit 1557 der Royal Exchange existierte, prägten. Die Grundidee der Ostindien-Kompanien bestand in der Zusammenführung von Kapital, um kostenintensive und risikoreiche Unternehmungen über längere Zeit zu ermöglichen. Zunächst geschah dies nur für den Zeitraum einer einzelnen Reise nach Asien. Da diese von der Ausfahrt bis zur Rückkehr weit über ein Jahr dauerte, war es bald nicht mehr möglich, die einzelnen Fahrten säuberlich getrennt nacheinander ablaufen zu lassen. Zwangsläufig kam es zu Überschneidungen und Unklarheiten in Buchführung und Bilanzierung, die nicht selten zu Ausschüttungen führten, die jenseits der Summe aus Kapital und Gewinn lagen. So wurde frühzeitig die Schaffung einer Institution unabdingbar, die für eine Verstetigung sorgte und solche Unternehmungen unabhängig von den tagesaktuellen Entwicklungen einzelner Reisen erlaubte. In England bedeutete dies den Übergang von einer terminable stock company, die lediglich unter festen Rahmenbedingungen das Kapital für ein Unternehmen organisier-

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III. Die Ostindien-Kompanien

te, zur joint stock company, die zeitlich unbefristet einen fest definierten Kapitalstock für alle Reisen zur Verfügung stellte. Die Vorteile im Kapitalbereich, die eine Kompanie mit sich brachte, wurden hier also erst mit der Charter von 1657 entfaltet. Ausgegeben wurden Anteile im Wert von mindestens £ 100, die sich zunächst zu einem Kapital von £ 739 782 summierten. Nach der Reorganisation von 1709, als zwei zwischenzeitlich konkurrierende Kompanien zu einer erneuerten EIC fusioniert wurden, betrug das Grundkapital £ 3 200 000. Weitere Kapitalerhöhungen folgten 1786 und 1789. Im ersten Jahrhundert ihrer Existenz dominierten Großaktionäre die englische Kompanie. Um 1700 lagen 70% der Anteile bei einer Gruppe von 80 bis 90 Großaktionären, die Anteile von jeweils über £ 2000 hielten. Die beiden größten Aktionäre, Sir Josiah Child und Sir Thomas Cook, kontrollierten zusammen bereits 15% des Kapitals; die nächsten 15% lagen in den Händen von sechs weiteren Aktionären.33 Die Kontrolle über die EIC wurde vornehmlich von Großkaufleuten aus London ausgeübt. Der landed gentry, dem in Teilen durchaus investitionswilligen britischen Landadel, versuchten interessierte Londoner Kaufmannskreise zunächst den Zugang, wenn schon nicht zu verbauen, so doch zumindest zu erschweren. Ungeachtet dessen lag in Großbritannien der Anteil adeliger Anleger im Allgemeinen bei über 20% und somit weit über dem europäischen Durchschnitt.34 Im Laufe des 18.Jahrhunderts setzte in England ein grundlegender Wandel ein, gegen dessen Ende Großaktionäre kaum noch eine Rolle spielten. Er ging einher mit dem sozioökonomischen Aufstieg des Landadels, dessen Wohlstand auf einer kommerziell betriebenen Landwirtschaft beruhte und der zunehmend Investitionsmöglichkeiten suchte, vorzugsweise im Fernhandel. Die britischen Historiker Peter Cain und Anthony Hopkins, denen diese Gruppe aufgrund ihres Habitus die Bezeichnung „Gentleman-Kapitalisten“ verdankt, haben in ihren wegweisenden Forschungen zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hintergrund des Imperialismus darauf hingewiesen, dass in Großbritannien bei weitem nicht nur Industrieunternehmer den Aufstieg des Kapitalismus, des ökonomischen Rückgrats des Imperialismus, trugen.35 Vielmehr beteiligten sich mehrere Spielarten von Kapitalisten mit recht unterschiedlichem Hintergrund, unter denen es dem investitionswilligen Teil der gentry in der Zeit nach der Glorious Revolution von 1688 gelang, die geschlossene Finanzstruktur der EIC aufzubrechen. Gegen Ende des Jahrhunderts waren deren Anteile weit über das Land gestreut, waren sie doch längst zu einer relativ sicheren und lukrativen Geldanlage nicht nur für Kaufleute und Gentleman-Kapitalisten, sondern auch ganz handelsfern für Pensionen oder Renten geworden. Eine zusätzliche Akzentverschiebung brachte eine Entwicklung mit sich, die mit der neuen Charter von 1657 ihren Anfang nahm und in deren Zuge zunehmend Schiffe für die Reise nach Asien von privaten Anteilseignern gechartert wurden. Diese Vorgehensweise vereinfachte Organisation und Verwaltung und verhinderte die Bindung von Kapital, das nun an anderer Stelle eingesetzt werden konnte. Zudem entstanden der Kompanie keine Versicherungskosten mehr. Innerhalb des Kreises der Anteilseigner entwickelte sich so eine eigenständige Fraktion, die Gruppe der Schiffseigner (shipping

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interests). Einfluss auf die Politik der Kompanie beruhte somit nicht mehr ausschließlich auf Anteilen am Kapital, sondern zusätzlich auf der Kontrolle über Bestandteile der Flotte. In den Niederlanden bedeutete die Schaffung eines festen Kapitalstocks das Ende der auf Einzelfahrten ausgerichteten Vorkompanien, die nun zur VOC vereinigt wurden. Der Entwicklungsweg glich dem englischen durchaus, doch erkannte man in den Niederlanden die Vorteile einer joint stock company bereits ein halbes Jahrhundert zuvor. Zudem spielte der Adel in den Vereinigten Niederlanden nur eine geringe Rolle, sowohl in der ebenfalls kommerziellen Landwirtschaft als auch im kapitalistischen Entwicklungsprozess überhaupt. Dementsprechend entstand keine vergleichbar enge Verbindung des Landadels und der Agrarwirtschaft zum Handelskapital. In den Niederlanden waren es vorrangig Kaufleute, die den joint stock von 6,4 Millionen Gulden aufbrachten, der während der gesamten Existenz der VOC konstant blieb. Und es blieben vornehmlich Kaufleute, die im Laufe dieser zwei Jahrhunderte in Anteile an der Kompanie investierten. Das Rückgrat des niederländischen Kapitalismus war nicht so ausdifferenziert wie das britische, doch durchliefen beide Ostindien-Kompanien eine Entwicklung hin zu einer breiten Anteilsstreuung. Organisatorische Schwierigkeiten ergaben sich zwar daraus, dass keine faktischen Anteilsscheine der VOC ausgegeben, sondern nur Transfereinträge in den Büchern der Kompanie vorgenommen wurden. Den Börsenhandel mit den Anteilen verhinderte dies jedoch keineswegs. Dieser führte dazu, dass sich neben den großen Kaufmannsdynastien der niederländischen Hafenstädte früh eine breite Anlegerschaft entwickelte. Anders als in Großbritannien konnten nie einzelne Persönlichkeiten überproportionalen Anteil und damit Einfluss erwerben. In den Niederlanden wurde eher in Gruppen gedacht; es waren letztendlich die Amsterdamer Kaufleute, die in der VOC den Ton angaben. Allgemein profitierten die Vereinigten Niederlande von der Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes in Folge der Unabhängigkeit von Spanien 1581 sowie von der wirtschaftlichen Blüte in der Region zu dieser Zeit. Im Speziellen profitierten die Unternehmer Amsterdams, da diese Entwicklung mit der Verlagerung des Handelszentrums von Antwerpen in ihre Stadt einherging. Sowohl in den freien Niederlanden als auch in ihrer Metropole Amsterdam stand ausreichend Anlagekapital zur Verfügung, das dringend Investitionsmöglichkeiten suchte und in der VOC eine der lukrativsten fand. Andere Kompanien dienten nicht selten als Ausweichmöglichkeiten für niederländisches und britisches Kapital, das bei den beiden großen Gesellschaften nicht zum Zuge kam. Waren es in Dänemark noch vorrangig die Kopenhagener Großkaufleute und der einheimische Mittelstand, die das Kapital aufbrachten, investierten in die Kompanie von Ostende, den kleinen Konkurrenten aus den katholischen habsburgtreuen Niederlanden, auch englische Anleger. In die schwedische Kompanie flossen schließlich neben einheimischen Geldern auch englisches, niederländisches und französisches Kapital. Spätestens im 18. Jahrhundert kann von einem offenen Kapitalmarkt gesprochen werden,

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III. Die Ostindien-Kompanien

auf dem international operierende Anleger ihr wirtschaftliches Glück suchten – eine Entwicklung, die nicht zuletzt durch die offizielle Öffnung der EIC für auswärtige Geldgeber im Jahr 1709 unterstützt wurde. Lediglich Frankreich bildete einen Sonderfall. Auch im Bourbonenreich waren die Ostindien-Kompanien als Kapitalgesellschaften gedacht worden, doch mangelte es den einheimischen Kaufleuten, die eine lukrativere und sicherere Geldanlage suchten, an Interesse, während die streng merkantilistische Ausrichtung der französischen Regierung ausländisches Kapital als unerwünscht erachtete. In der Folge wurde der Staat zum wichtigsten Kapitalgeber, so dass zumindest in finanzhistorischer Sicht bei den französischen Kompanien nur eingeschränkt von einer Innovation gesprochen werden kann. Das eingelegte Kapital reichte den beiden großen Gesellschaften aus Großbritannien und den Niederlanden bereits in der Anfangsphase nicht aus. Immerhin mussten nicht nur die auslaufenden Flotten ausgerüstet werden. Der Aufbau eines Stützpunktsystems und die Absicherung des Erreichten schlugen auf Dauer weitaus höher zu Buche. Folgerichtig mussten bald neue Finanzquellen erschlossen werden. In den Niederlanden waren von Beginn an Anleihen im Spiel, wenn es um den Schiffsneubau einzelner Kammern ging. Spätestens 1622 begann die VOC als solche mit der Ausgabe von Obligationen, die zunächst eine Laufzeit von sechs, zunehmend aber von zwölf Monaten hatten. Hinzu kamen die sogenannten anticipatiepenningen, mit denen die Kompanie Geld gegen Vorkaufsrechte und Zinsen aufnahm. Ende des 17.Jahrhunderts erreichte das aufgenommene Kapital beinahe den doppelten Wert des gezeichneten Aktienkapitals. Die Obligationen der VOC wurden selbst zu einem begehrten Handelsobjekt, mit dem sogar die fälligen Dividenden ausgezahlt wurden. Im 18. Jahrhundert war die älteste Aktiengesellschaft der Wirtschaftsgeschichte längst in mehrfacher Gestalt auf dem Kapitalmarkt präsent – und von diesem abhängig. Auch die EIC geriet recht schnell in finanziell schwieriges Fahrwasser. Da anfangs noch der feste Kapitalstock fehlte, bestand das eigentliche Ziel darin, den vollen Umfang des Kapitals zuzüglich der Dividende nach jeder Asienfahrt zurückzuzahlen. Bereits nach zwei Jahrzehnten war dies nicht mehr möglich. Die Schulden der Kompanie, welche die Abwicklung der laufenden Geschäfte nun ebenfalls durch Anleihen absicherte, stiegen rapide, bis kurz vor der Zahlungsunfähigkeit die finanzielle Unternehmensbasis auf einen festen joint stock umgestellt wurde. Auch wenn es sich die EIC 1698 leisten konnte, dem Staat einen Kredit von £ 700 000 zum Vorzugszinssatz von 4% anzubieten, blieb sie langfristig selbst auf Anleihen angewiesen. Die Hoffnungen, dass Steuereinnahmen im Zuge der territorialen Herrschaftsausweitung in Indien während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine solide Finanzgrundlage schaffen könnten, wurden enttäuscht. Die für eine Kolonialverwaltung notwendigen Ausgaben überstiegen bald die Einnahmen; die Schuldenlast der EIC wuchs weiter. So gehörte die Betätigung auf dem freien Kapitalmarkt bei beiden großen OstindienKompanien zum alltäglichen Geschäft. Während die VOC letztendlich die immer wieder auftretenden Finanzlücken nicht dauerhaft schließen konnte und 1799 vordergründig

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wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit liquidiert werden musste, spielte die finanzielle Situation bei der Auflösung der EIC 1858 nur eine nachrangige Rolle. Bei den kleineren Gesellschaften wiederum war die häufig sehr dünne Kapitaldecke stets ein Damoklesschwert, das eine entscheidende Rolle für den Niedergang spielte. Hinter solchen Kompanien standen weder das kaufmännische Potenzial noch das machtpolitische Interesse, welche die finanziellen Probleme dauerhaft hätten auffangen können.

Kammern und Kontore Die ostindischen Kompanien operierten stets in zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein konnten. In der Heimat waren sie große Wirtschaftsunternehmen, die finanzkräftige Wirtschaftssubjekte an sich binden und eine bedeutende Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft spielen konnten. In Asien stellten sie souveräne Mächte dar, die nicht nur in der Lage waren, Handelsnetzwerke aufzubauen, sondern Verträge aushandeln und Kriege führen konnten. Diese Doppelgesichtigkeit bedingte auch eine doppelte Verwaltungsstruktur, die aus Komitees und Kammern in der Heimat sowie aus Gouvernements und Kontoren in Übersee bestand. Dabei ist stets eine Diskrepanz zwischen einem zentralistischen Verwaltungsansatz und der dezentralen Realität zu beobachten – sowohl im Verhältnis zwischen heimatlicher Zentrale und asiatischen Außenposten als auch im Verhältnis der Niederlassungen in Übersee untereinander. Besonders augenfällig wird dies am Beispiel des niederländischen Kammernsystems. Die zentralen Verwaltungseinheiten der VOC in der Heimat waren sechs Kammern, die jeweils eine wichtige Hafenstadt mit mehr oder weniger Erfahrung im Asienhandel repräsentierten: allen voran Amsterdam, daneben Middelburg für die Provinz Seeland sowie Rotterdam, Delft, Hoorn und Enkhuizen. An der Spitze der Administration stand das Leitungsgremium der Heren XVII, die aus dem Kreis der Kammerdirektoren gewählt wurden. Bei der Zahl der Direktorenposten und auch bei den Kostenanteilen galt ein strenges föderatives Proporzsystem mit der Zielsetzung, eine Überlegenheit des mächtigen Amsterdams zu verhindern. So stellte die Kammer Amsterdam, die von 20 Direktoren geführt wurde, acht Mitglieder der Heren XVII und bestritt exakt die Hälfte der Ausrüstungskosten. Die zweitgrößte Kammer und zugleich der größte Interessent an einer gezügelten Rolle Amsterdams war Seeland, dessen Kammer von zwölf Direktoren geleitet wurde, vier Mitglieder in das Leitungsgremium entsandte und ein Viertel der anfallenden Kosten trug. Die übrigen, kleineren Kammern wurden von jeweils sieben Direktoren geführt, hatten je einen Sitz unter den Heren XVII und bestritten jeweils ein Sechzehntel der Kosten. In der Tat konnte Amsterdam in dieser Konstellation die anderen Kammern nicht alleine übertrumpfen – allerdings nur dann nicht, wenn unter diesen Einigkeit herrschte. Darüber hinaus wiesen weitere Fakten der niederländischen Metropole eine führende Rolle zu. In Amsterdam wurde – genau dies hatten die Seeländer befürchtet und durch die Proporzstruktur abzufedern versucht – mit 57,3% weit mehr als

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III. Die Ostindien-Kompanien

Sitzung der Direktoren der VOC.

die Hälfte der Kapitalanteile gezeichnet. Sechs Jahre hintereinander war Amsterdam die Residenz der Heren XVII, jeweils nur abgelöst von zwei Jahren in Middelburg. Und von der Insel Texel aus, die aufgrund zunehmend versandeter Fahrrinnen die Rolle des Hochseehafens von Amsterdam übernommen hatte, stachen die Flotten nach Asien in See. Zweifellos bestand innerhalb der VOC trotz föderaler Strukturen ein Übergewicht der Amsterdamer Kaufmannschaft, nur notdürftig durch ein administratives Gegengewicht austariert, das aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit tatsächlich kaum von Bedeutung war. Etwas anders gestaltete sich die Situation in England. Entsprechend der eindeutigen politischen Ausrichtung des Königreichs auf London sowie der herausragenden Stellung der Metropole im Außenhandel war auch die EIC weitaus zentralistischer organisiert als ihr niederländischer Konkurrent. An der Spitze der Kompanie stand der governor, der von einem deputy-governor und einem treasurer unterstützt wurde. Bestimmt wurde der governor von der königlichen Regierung aus der Mitte des höchsten gewählten Gremiums, des Committees, das aus 24 Mitgliedern bestand. Diese wurden von den Anteilseignern zunächst auf ein Jahr gewählt; ab 1773 erfolgte jährlich die Wahl von sechs Mitgliedern, um durch eine individuelle Amtszeit von vier Jahren eine größere Kontinuität

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in der Geschäftsführung zu erreichen. Jeder Investor verfügte über eine Stimme für jeden Anteil (share) von 500 £. Es war jedoch möglich, Stimmen zu akkumulieren oder einen share, und damit auch eine Stimme, unter mehreren Eignern aufzuteilen. Kontrolliert wurde das Direktorenkollegium vom Court of Committees, einer Art Aufsichtsrat, der zunächst uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Abwicklung der Geschäfte hatte. In der Mitte des 17. Jahrhunderts erhielt der General Court die Möglichkeit, Beschlüsse des Court of Committees zu verhindern. An die Seite der Leitungsgremien traten zahlreiche Kommissionen für die praktische Organisation der verschiedenen Aufgabenbereiche. Besonders augenfällig war die Möglichkeit, ein eigenes Gericht einzurichten, das nach den selbst erlassenen Regeln der EIC urteilte und einen eigenen Strafvollzug unterhielt – solange nicht gegen königliches Recht verstoßen wurde. Schließlich wurde die Führungsebene durch ein Secret Committee ergänzt, das aus drei Direktoren bestand und nur bei politisch sensiblen Anlässen zusammentrat. Erst nach 1784 wurde das Secret Committee zu einer ständigen Einrichtung. Die zunehmend kolonialherrschaftlichen Tendenzen der EIC in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die britische Besonderheit gegenüber den Niederlanden, fanden ihren Ausdruck im Board of Control, das zur Sicherung staatlichen Einflusses in allen Fragen der Territorialverwaltung eingerichtet wurde. Die Kammern und Komitees respektive ihre Kommissionen trugen die Verantwortung für die alltägliche Geschäftsabwicklung in der Heimat. Ihnen oblagen vor der Ausreise der Flotten die Beschaffung und Ausrüstung der Schiffe, der Einkauf der versandten Waren sowie die Rekrutierung des notwendigen Personals. Nach der Rückkehr der Flotten galt es vor allem, den Verkauf der angelieferten Waren, die zumeist auf Auktionen veräußert wurden, zu organisieren und auf Grundlage der Beschlüsse in den Leitungsgremien die Gewinne zu investieren oder auszuschütten. Dabei herrschte ein Zentralismus in der Administration vor, wenn auch gelegentlich durch föderative Elemente abgemildert, wie er bei den kleineren Gesellschaften besonders deutlich wird. Die Metropolen Dänemarks und Schwedens waren jeweils Sitz der Kompanien, wenn sie auch nicht ganz die Rolle Londons spielten, da in Skandinavien vermehrt ausländisches Kapital im Spiel war. Das belgische Ostende beherbergte eine sowieso nur auf diese eine Seestadt konzentrierte Gesellschaft. Und die französischen Kompanien waren staatlich dominierte Gesellschaften in einem dezidiert zentralistischen Staat. Diese Struktur suchte nun in Übersee ihr Gegenstück. Die Zuständigkeiten der Kammern und Komitees galten naturgemäß nur für die Heimat. In Asien trugen die dortigen administrativen Einrichtungen, die in einer flachen Hierarchie organisierten Kontore, notgedrungen die Eigenverantwortung für Warenbeschaffung und Rücksendung wie auch die Zusammenstellung der Anforderungen für die nächste Waren- und Materialsendung aus Europa. Dabei zeigten sich in der Realität schnell zwei Ebenen dieser Zuständigkeit, denn letztendlich konnte die Zentrale in Übersee nicht den gesamten asiatischen Bereich überblicken und war auf die Zulieferungen von Waren und Informationen aus den Außenposten angewiesen. Entsprechend

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stand der heimatlichen Administration eine weitaus dezentralere Struktur in Asien gegenüber. Die EIC errichtete ihren ersten Hauptsitz in Banten auf Java, konnte aber dieses Kontor nur vorübergehend halten. Es war Ausdruck der ursprünglichen britischen Absicht, sich im Malaiischen Archipel als Herkunftsregion der wichtigsten Gewürze festzusetzen – eine Absicht, die bald an der niederländischen Dominanz in dieser Region scheiterte. In Indien, auf das sich die EIC daraufhin konzentrierte, wurde die Verantwortung zunächst auf drei unabhängige presidencies in Bombay, Madras und Kalkutta verteilt. Diese Aufteilung hatte lange Zeit Bestand und führte zu eigenständigen Entwicklungen in den jeweiligen Regionen, die sogar über das Ende der Kolonialzeit hinaus wirkten. Es war insofern kaum verwunderlich, dass es zu heftigen Streitigkeiten kam, als die Kompanie 1772 alle administrativen Einheiten einer einzigen Zentrale in Kalkutta unterstellte. Den umgekehrten Weg beschritten die Niederlande, die zunächst ihr zentrales Kontor ebenfalls in Banten unterhielten, sehr bald aber eine asiatische „Hauptstadt“ mit allen Anlagen zu einer eigenständigen Metropole errichtete. Batavia wurde nach einem ebenso kurzen wie erfolgreichen Eroberungszug unter Generalgouverneur Jan Pieterszoon Coen 1621 an der Nordwestküste Javas gegründet. Es lag nicht allzu weit von der ersten Niederlassung entfernt, aber immerhin weit genug, um sich dem Machtbereich des Sultans von Banten entziehen zu können. Bis zum Ende blieb Batavia der offizielle Sitz des Generalgouverneurs, des obersten Befehlshabers der VOC in Asien. Zusammen mit der so genannten „Hohen Regierung“ (auch Rad van Indië), der die ranghöchsten Vertreter des kaufmännischen Personals, des Militärs und der Rechtssprechung in Asien angehörten, bestimmte er Politik und Strategie der VOC und regierte eine Kolonialstadt, die schon bald mit Lagern, Märkten, gelehrten Einrichtungen und einer Werft eine dichte Infrastruktur für die Belange der Kompanie bereitstellen konnte. Für die einzelnen Tätigkeitsbereiche waren auch hier entsprechende Ausschüsse oder Räte zuständig, in denen sich die Struktur der heimatlichen Kammern widerspiegelte. Ein Spiegelbild bot sich auch auf der Verwaltungsebene darunter. Dort unterschied die VOC zwischen Residenzen von Gouverneuren und solchen von Direktoren. Die Gouvernements in Ambon, Banda, Makassar, Malakka, in Ternate für die Molukken, Semarang für die Nordküste Javas, Negapatam für die indische Koromandel-Küste, Colombo für Ceylon sowie schließlich in der Kapkolonie waren eine vollständige Kopie der Zentrale in Batavia mit Regierung, Räten und eigener Garnison. An den Sitzen von Direktoren, die sich auf das kaufmännische Kerngeschäft der Kompanie konzentrierten, reichten ein kaufmännischer Direktor und eine Niederlassung mit eingeschränkter Ausstattung aus. Direktoren leiteten die Geschäfte auf der Arabischen Halbinsel, im Persischen Golf, in einigen zentralen indischen Niederlassungen oder in Japan. Den Gouverneuren und Direktoren zugeordnet waren Residenzen sehr unterschiedlicher Größenordnung, die teilweise mit einer militärischen Besatzung und einem kaufmännischen Stab ausgestattet waren, in der Regel aber reine Handelsniederlassungen darstellten und gelegentlich auch nur aus

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einem einzelnen Gesandten am Hof eines lokalen Herrschers bestanden. Rein formal unterhielt die VOC in Asien eine streng hierarchische Administration, wie sie die Briten erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vollendeten. Einen Sonderfall bildete lediglich Ceylon, das unmittelbar den Heren XVII unterstand. Auch Franzosen und Dänen etablierten mit Pondicherry und mit Tranquebar am Golf von Bengalen in unmittelbarer Nähe des niederländischen Gouverneurssitzes Negapatam zentrale Niederlassungen, denen die anderen Stützpunkte untergeordnet wurden. Kleine Gesellschaften wie die Compagnie van Ostende und die schwedischen OstindienKompanien kamen kaum je über eine funktionierende Niederlassung hinaus, so dass sich bei ihnen die Frage nach einer zentralistischen Struktur erübrigt. Ganz offiziell existierten also stets eine oder zumindest wenige zentrale Stellen als Gegenüber der heimatlichen Zentrale. Entscheidend für die Bewertung der administrativen Struktur ist aber die Alltagsrealität. Unabhängig von der Nationalität und der Ausgestaltung der Binnenstrukturen im Detail war für die verschiedenen Gesellschaften immer ein Punkt konstitutiv: die „unfreiwillige“ Selbständigkeit der Außenposten aufgrund knapper Ressourcen. Bei der Entfernung der asiatischen Niederlassungen von den europäischen Zentralen – ein englisches Schiff brauchte rund sieben Monate nach Kalkutta, ein niederländisches rund acht nach Batavia – war es kein Zufall, dass ein in Europa geschlossener Ausgleichsvertrag von 1619 keinen spürbaren Einfluss auf die aggressiven Auseinandersetzungen zwischen EIC und VOC in Asien entwickelte.36 Denn auch in Asien selbst waren enorme Distanzen zu überwinden, die einen unmittelbaren Einfluss der asiatischen Zentrale auf die Aktivitäten der einzelnen Niederlassungen schlicht unmöglich machten. Die verfügbaren Flottillen erlaubten keinen lückenlosen, zeitnahen Kontakt, zudem lenkte die Monsunabhängigkeit auch innerhalb Asiens die Kommunikationswege zur See. Reisen von Batavia zur Niederlassung Deshima im Hafen von Nagasaki oder von Madras nach Kanton konnten vier, fünf, manchmal sogar sieben Monate dauern.37 Dabei waren die geringen Kontrollmöglichkeiten der Zentralen nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite waren die Verantwortlichen der Außenstationen, ob sie wollten oder nicht, in allen kommerziellen, diplomatischen und strategischen Entscheidungen weitgehend auf sich selbst gestellt. Freilich gab es eine generelle Linie sowie Vorgaben aus den Zentralen, und natürlich unterstanden die indischen residencies den Anordnungen aus London ebenso wie Batavia den Vorstellungen der Heren XVII in Amsterdam. In der konkreten Entscheidungssituation nutzte dies jedoch wenig. Die men on the spot mussten unmittelbar auf ihr einheimisches Gegenüber reagieren. Die Zeitverzögerung, die entstand, bis aus Batavia oder Kalkutta Direktiven eingeholt waren, hätte Realpolitik, ein Aushängeschild der Kompanien, unmöglich gemacht. Entsprechend gaben Batavia oder Kalkutta zwar Grundsätze vor und forderten regelmäßig Rechenschaft ein. Die alltäglichen Entscheidungen zur Abwicklung von Geschäft und Diplomatie, ja gelegentlich sogar über Krieg und Frieden mussten jedoch die Residenten vor Ort treffen.

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III. Die Ostindien-Kompanien

Als anschauliches Beispiel für diese Situation mag Makassar dienen, ein bedeutendes Emporium des molukkischen Gewürzhandels auf Sulawesis (Celebes).38 Die VOC nahm 1603 erstmals im Rahmen ihrer ersten Reise in den Malaiischen Archipel unter Admiral van Warwijck Kontakt mit dem Sultan von Makassar auf. In Anbetracht eines mächtigen islamischen Herrschers mit konsolidiertem Staatswesen auf der einen und einer kleinen niederländischen Flotte auf der anderen Seite konnte die VOC ihrem Wunsch, in privilegierter Stellung am Gewürzhandel teilzuhaben, nur wenig Nachdruck verleihen. Auf eine militärische Aktion, die zu diesem Zeitpunkt zwar einige Zerstörung, aber nur wenig Nachhaltigkeit versprochen hätte, verzichtete man wohlweislich. Wahrscheinlich bis Anfang 1616 existierte dann eine erste, in den Quellen nur schwer fassbare niederländische Faktorei, die, wirtschaftlich wenig erfolgreich, nach Unstimmigkeiten mit dem Herrscher geräumt werden musste. Die EIC, die zwischen 1613 und 1667 ununterbrochen eine Faktorei in Makassar unterhielt, verhielt sich diplomatisch geschickter, sah sich jedoch auf dem Markt erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Ihre Handelsaktivitäten lassen ein Bild entstehen, das man nur mit „try and error“ charakterisieren kann. Die zunächst aus Banten, später aus Indien gelieferten Waren ließen sich allzu oft nicht absetzen; ein auf den makassarischen Markt abgestimmtes Sortiment entwickelte sich während der ganzen Zeit nicht. Zugleich blieb die Finanzausstattung der Faktorei zu schwach, um dennoch Gewürze in befriedigendem Umfang einkaufen zu können. Der Leiter der Faktorei musste zusehen, wie er unter diesen Bedingungen seine Niederlassung über Wasser halten konnte. Als die VOC begann, mit großem Einsatz von Bargeld den Gewürzmarkt von Makassar aufzukaufen, blieb den Briten nichts anderes übrig, als hilflos zuzusehen. Dennoch gelang es ihnen, durch geschicktes Ausnutzen jeder sich bietenden Gelegenheit, oft in Kooperation mit etablierten einheimischen Kaufleuten, die Faktorei so lange am Leben zu erhalten, bis die VOC zwischen 1666 und 1669 die Hafenstadt und ihr Umland eroberte. Auch nachdem Makassar zur niederländischen Kolonialstadt geworden war, blieb die Eigenständigkeit der europäischen Residenz bewahrt. Ihr Gouverneur war zuständig für die Kontrolle über Südsulawesi, wo immer wieder aufbrechende Konflikte sein ganzes diplomatisches Geschick erforderten, und für die Sicherung der niederländischen Vorherrschaft auf den umliegenden Seewegen. Hierfür standen ihm eine Garnison von rund 500 Soldaten, eine Flottille von sieben oder acht kleineren Fahrzeugen europäischer, aber auch indonesischer Bauart mit ein bis zwei Dutzend Mann Besatzung und ein Netz von einem halben Dutzend minimal besetzter Residenzen im Umfeld zur Verfügung. Weitere Unterstützung für die zahlreichen Kontrollfahrten und militärischen Operationen war aus Batavia nicht zu erwarten. Die Verbindung dorthin hielt einmal im Jahr ein Postboot aufrecht. Hinzu kamen gelegentliche Warentransporte, die jedoch vielfach in den Händen von Privatiers lagen. Die skizzierte Situation, für die sich leicht zahlreiche andere Beispiele finden ließen, darf nicht den Eindruck einer völlig unzureichenden Ausstattung der Kompanien in Asien vermitteln. Vielmehr zeigt sie die Diskrepanz zwischen dem machtvollen Potenzial

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einer großen Kapitalgesellschaft mit bis dahin ungekannten Privilegien und den begrenzten Umsetzungsmöglichkeiten in der konkreten Alltagssituation, bedingt durch die Weite des Operationsgebietes. Darauf ist nicht zuletzt deswegen Wert zu legen, um der populären Vorstellung einer „Eroberung“ Asiens durch die Ostindien-Kompanien entgegenzutreten. Ohne Zweifel schufen sie ein System von Niederlassungen, das durchaus geeignet war, das Abenteuerliche des Asienhandels durch ein organisatorisches Netzwerk zu mindern. Zudem mobilisierten gerade EIC und VOC zu dessen Aufbau und Sicherung enorme seefahrerische Potenziale. Allein die VOC operierte bald mit drei großen Flotten zwischen Europa und Asien. Die Hinflotten liefen zu Weihnachten und zu Ostern von Texel aus; für ihre Ausrüstung waren die Kammern zuständig, wobei die Federführung wieder einmal in Amsterdam lag. Von Batavia aus reiste ein Mal im Jahr, zumeist im Herbst, die sogenannte Retourflotte zurück nach Europa, deren Ausrüstung von der Hohen Regierung in Batavia verantwortet wurde. In Großbritannien war der Schiffseinsatz durch Charterverträge weitgehend privatisiert, wodurch ein zusätzlicher Machtfaktor und ein weiteres Dezentralisierungsmoment in einem Kernbereich des operativen Geschäfts ins Spiel kamen. Der Schiffsverkehr der Kompanien wurde zu einer ganz eigenen Welt. Britische Schiffseigner ließen einen speziellen Schiffstyp, den sogenannten Indiaman, auf den heimischen Werften bauen. In den Niederlanden kamen vor allem Fleuten, die dank der Kombination großen Laderaums mit starker Bewaffnung und hoher Manövrierfähigkeit seit den 1570er Jahren den maritimen Fernfrachtverkehr revolutioniert hatten, und Fregatten, ein ursprünglich rein militärischer, stärker bewaffneter und besser bemannter Schiffstyp, zum Einsatz. Andere Nationen orientierten sich an diesen Vorbildern oder gaben ihre Schiffe gleich in England, Holland oder Seeland in Auftrag. In Asien unterhielten die Kompanien eigene Werften wie auf der Insel Onrust in der Hafenzufahrt von Batavia, die vorrangig auf Reparaturarbeiten eingestellt waren, aber auch kleinere Schiffe bauen konnten. Der Typus des Frachtseglers mit den Eigenschaften von Kriegsschiffen prägte das Bild des Asienhandels und war ein weiterer sichtbarer Ausdruck der Bemühungen der Kompanien, das Risiko des Fernhandels zu reduzieren. Der Begriff Faktorei bezeichnet grundsätzlich die Handelsniederlassungen in Übersee, erlaubt aber noch kein einheitliches, für alle Niederlassungen gültiges Bild. Zahlreiche Stützpunkte waren befestigte Anlagen; große Forts dominierten das Bild der britischen presidencies in Indien oder der niederländischen Gouverneurssitze im Malaiischen Archipel. An solchen zentralen Plätzen vollzogen sich im Laufe der Jahre eine koloniale Durchdringung der zugehörigen Siedlung und deren Umwandlung zur – zumindest im Kern – europäisch geprägten Kolonialstadt. So manche Faktorei jedoch, wenn sie sich in einer weitaus weniger europäisch kontrollierten Umgebung befand, war nur durch hölzerne Palisaden befestigt oder bestand überhaupt nur aus einem freistehenden Kontorgebäude. So sehr sie sich in Ausstattung und administrativer Aufgabe unterschieden, war doch die wirtschaftliche Funktion der Faktoreien grundsätzlich sehr ähnlich. Ihnen oblagen der Einkauf der Waren, deren Angebot überhaupt erst zu ihrer Gründung geführt

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hatte, und der Verkauf der eigenen Güter, so weit dies möglich war. Darüber hinaus dienten sie der Sicherung der erreichten Position auf dem lokalen Markt und möglichst auch deren Ausbau. Vor diesem Hintergrund entwickelte Dietmar Rothermund eine Stufentypologie der Aufgaben einer Faktorei: „(1) Die Faktorei übernimmt Ankauf und Verkauf und sieht ihre Hauptaufgabe darin, regelmäßige Schiffsladungen bereitzuhalten. (2) Die Faktorei spezifiziert die Bestellung für den Export, sie verteilt Muster und bestellt vor. (3) Die Faktorei finanziert einen großen Teil der Bestellungen durch Vorschüsse und ist damit auch in der Lage, eine Standardisierung durchzusetzen und Qualitätskontrolle auszuüben. (4) Die Faktorei greift in den Produktionsprozess ein, setzt Vorschüsse gezielt ein, stimuliert eine Produktionserhöhung für den wachsenden Export. (5) Die Faktorei übernimmt die Produktionsorganisation im Sinne eines Verlagssystems (putting out system) und durch Weiterverarbeitung in eigenen Werkstätten.“39

Allerdings kann die Typologie Rothermunds nicht als allgemeingültige Aussage stehen bleiben. Sein Modell wurde eindeutig am Beispiel der britischen Indien-Niederlassungen entwickelt, die sich zunehmend auf das Textilgeschäft kaprizierten. Es traten jedoch auch andere Ausrichtungen und Funktionen von Faktoreien auf, insbesondere im Bereich der VOC. Diese hatte, nachdem sie sich im Malaiischen Archipel und auf Ceylon hatte durchsetzen können, ein weitaus größeres Interesse am Gewürzhandel als die EIC. In diesem Kerngeschäft reduziert sich die Entwicklung der Faktoreien auf die ersten drei Stufen des Modells. Auf den Molukken zeigte sich, dass eine vollständige Organisation der Produktion von Nelken und Muskat gar nicht notwendig war. Hier genügte ein Käufermonopol, das sowohl in enger Kooperation mit dem lokalen Herrscher wie auf Ternate und Tidore als auch als durch die Etablierung von mehr oder weniger umfangreicher Territorialherrschaft wie auf Ambon und Banda errichtet werden konnte. Darüber hinaus ist es beinahe unnötig zu erwähnen, dass Niederlassungen, die ganz vom Wohlwollen des lokalen Herrschers abhängig waren wie in China, Japan oder auch in Makassar vor 1666, aufgrund der eingeengten Rahmenbedingungen gar nicht in der Lage waren, eine Entwicklung wie in Indien zu nehmen. Kammern wie Kontore, die auf den ersten Blick gar nicht so recht in einem Kapitel zusammenpassen wollen, waren Formen der konkreten Präsenz einer Handelskompanie, zum einen in der Heimat, zum anderen in Übersee. Ein Vergleich der beiden großen Kompanien zeigt auf, dass die Organisationsstruktur der EIC insgesamt zentralistischer angelegt war, da sie ganz auf London ausgerichtet wurde und eine größere Kontrolle der Zentrale und damit der Anteilseigner anstrebte. Bei der VOC setzte sich bald eine größere Bedeutung von Batavia, der Zentrale in Übersee, durch und sorgte für einen größeren Einfluss der Entscheidungsträger in Übersee. In den Niederlanden waren die Anteilseigner insofern mehr Anleger als beteiligter Kaufmann. Die EIC war vornehmlich auf den heimischen Markt und die aufstrebenden Märkte des atlantischen Systems ausgerichtet, während die VOC sich auf den kontinentaleuropäischen Markt konzentrierte und gleichzeitig – ein wesentlicher Punkt für die Stärkung der asiatischen Seite innerhalb der administrativen Struktur – dem innerasiatischen country trade eine größere Bedeutung

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zukommen ließ. Der Schiffsbesitz hingegen war bei der EIC eher privat organisiert, wodurch der Einfluss der Zentrale geschwächt wurde und sich neue Gruppen von Entscheidungsträgern herausbildeten. In diesem Bereich führte die VOC ein rigideres Regime, behielten die Kammern und die Leitung in Batavia den Schiffseinsatz doch stets unter Kontrolle. Die Unterschiede in der Grundstruktur schlugen sich durchaus auch auf dem Kapitalmarkt nieder. Im Verhältnis zu den EIC-Anteilen sackten die Werte der VOC-Aktien im Laufe des 18.Jahrhunderts dramatisch ab.40 Die Bewertung der Investoren in der Heimat schlug zugunsten der zentraleren Organisationsstruktur der EIC aus, die eine vermeintlich intensivere Kontrolle des operativen Geschäfts durch die Eigentümer versprach. Ein genauerer Blick auf die Erscheinungsformen innerhalb der zunächst recht klar und hierarchisch wirkenden Administration verrät jedoch die eigentliche Struktur der Ostindien-Kompanien. In Übersee war sie das Ergebnis strategischer Anpassung und Auseinandersetzung mit den vorgegebenen Verhältnissen.

Gemeine und Spezialisten Bevor die Sprache auf solche Strategien kommen kann, ist zunächst der Blick auf die Personen zu lenken, die für die Umsetzung zu sorgen hatten. Hinsichtlich ihrer Mitarbeiterschaft waren die Ostindien-Kompanien Großunternehmen, die seinerzeit ihresgleichen suchten und auch heute noch mit so manchen internationalen Unternehmen mithalten könnten. Die VOC verfügte von Anfang an über einen vergleichsweise hohen Personalstand, der im Laufe ihres Bestehens eine stets steigende Tendenz aufwies und für wachsende Personalkosten sorgte. Anfang des 17. Jahrhunderts beschäftigte sie rund 3500 Seeleute und 3000 Soldaten; 1750 waren es 12 000 Seeleute und 17 000 Soldaten. Die EIC setzte noch im 17. Jahrhunderts weniger Personal ein als ihr niederländischer Konkurrent, überflügelte ihn bis Ende des 18. Jahrhunderts jedoch bei weitem, nicht zuletzt durch eine Vervielfachung der militärischen Kapazitäten. Sprachen die Privilegien mit ihrem merkantilistischen Hintergrund und die Kapitalzusammensetzung noch nicht unbedingt für einen multinationalen Charakter der Unternehmen, taten dies doch die Weite des Operationsgebietes und vor allem die Zusammensetzung des Personals. Insbesondere in den Niederlanden war es kaum möglich, den Bedarf an Männern für die langen und gefahrvollen Reisen nach Asien nur aus Einheimischen zu decken. Zahlreiche Arbeitsmärkte konkurrierten mit der Kompanie um die Einwohnerschaft eines ziemlich kleinen Landes. Seeleute wurden in großer Zahl für den innereuropäischen und den atlantischen Handel benötigt. Aufstrebende Produktionszweige wie die Textilindustrie boten Arbeitsmöglichkeiten, während Landwirtschaft und Fischerei viele Männer in ihren angestammten Dörfern hielten. Schließlich boten in den blühenden Städten Handwerk und Dienstleistungsgewerbe Chancen, ein Auskommen in der Heimat zu finden. Hingegen veranlassten die vielversprechenden Bedingungen des „Goldenen Zeitalters“ in den Niederlanden unzählige Männer aus weniger be-

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günstigten Nachbarländern, ihr berufliches Glück zumindest auf Zeit in Holland oder Seeland zu suchen. Die Mehrheit dieser „Hollandgänger“ stammte aus den Ländern des Deutschen Reichs; und nicht wenige führte der Weg in den Dienst der VOC. In den 1730er Jahren überstieg die Ausländerquote in der niederländischen Kompanie erstmals die 50%, wobei die überwältigende Mehrheit der Ausländer Deutsche waren. Wirtschaftliche, nicht selten existenzielle Überlegungen und sicherlich auch häufig die Flucht vor Strafen bildeten die grundlegende Motivation in die Niederlande zu gehen und dort nach Arbeit zu suchen. Über die Motive, dort ausgerechnet den aufwändigsten und langwierigsten Weg, nämlich denjenigen nach Asien zu wählen, der in der Regel mit einem Zwei-Jahres-Vertrag besiegelt wurde, kann kaum mehr als spekuliert werden. Sicherlich geriet der Arbeitsmarkt in den großen Hafenstädten ob des Andrangs von Ausländern gelegentlich unter Druck, so dass aus jedem Vertrag ein guter Vertrag wurde. So mancher überlieferte Bericht lässt vermuten, dass bei etlichen auch ein gewisses Maß an Abenteuerlust im Spiel war. Zudem hielt sich, genau wie in Großbritannien, hartnäckig die Vorstellung, dass man in Ostindien Karriere machen und sogar reich werden konnte. In der Realität war die Zahl derjenigen, die tatsächlich zu Wohlstand kamen, ausgesprochen gering. Immerhin spricht die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der Geldrückflüsse aus Asien in privaten Transfers von Kompanie-Bediensteten bestand, für eine gewisse Lukrativität eines Vertrages bei einer Ostindien-Kompanie – allen Gefahren, die sich schnell in Europa herumgesprochen haben dürften, zum Trotz. Vor diesem Hintergrund konnte es sich die VOC leisten, aus der großen Zahl der Bewerber auszuwählen und das Auswahlprozedere zu konzentrieren. In der Regel wurden in Amsterdam drei Aufnahmetermine pro Jahr festgesetzt, die immer wieder großen Andrang erlebten. In Amsterdam wurde die Flotte nach Asien ausgerüstet und zusammengestellt – entsprechend wurde hier das Gros des Personals rekrutiert. Eine besondere Rolle spielten Vermittler, meist Betreiber von Gasthäusern, in denen die Arbeitssuchenden aus dem In- und Ausland auch wohnten. Diese führten jedoch nicht, wie manchmal der Anschein erweckt wird, arme Teufel der Kompanie zu, die hinterlistig mit Alkohol ausgetrickst wurden, sondern waren aufgrund ihrer Kontakte notwendige und begehrte Türöffner. Angesichts der hohen Attraktivität, die der VOC-Dienst nicht nur für die armen Teufel, sondern auch für Angehörige begüterter Schichten hatte, entwickelte sich so ein lukratives Provisionsgeschäft. Das Tätigkeitsspektrum des gemeinen Mannes unter den VOC-Angestellten umfasste in erster Linie den Dienst als Seemann und Soldat, daneben aber auch als Handwerker und in geringerem Umfang als einfacher kaufmännischer Bediensteter wie Schreiber oder Handelsgehilfe. Die meisten Bewerber wurden ohne Rücksicht auf die eventuell mitgebrachten Qualifikationen auf der untersten Ebene eingestellt. Für die Ausreise wurden nun einmal vorrangig Seeleute gebraucht, die mit Ausnahme der erfahrenen Deckoffiziere keine besondere Ausbildung benötigten und in den ersten Wochen der Reise angelernt wurden. Daneben bestand der höchste Bedarf an Soldaten, insbesondere nach der Ankunft in Asien. Wer die Anreise und den ersten Einsatz vor Ort überlebt und

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sich auf die eine oder andere Weise ausgezeichnet hatte, konnte immer noch für anspruchsvollere Aufgaben – im Verwaltungsbereich oder als Unteroffizier – rekrutiert werden. Abgesehen von Führungskräften und Spezialisten mit intellektuellem Hintergrund, die bereits als solche angeworben wurden, bildeten vor allem die Handwerker eine gewisse Ausnahme von dieser rigoros egalitären Rekrutierungspolitik. Auf der Seereise wurden sie zwar auch zum einfachen seemännischen Dienst herangezogen, in Asien wurden jedoch in den Niederlassungen dringend ihre Fachkenntnisse benötigt. Schiffs- und Bauzimmerleute, Schmiede und Maurer, Küfer und Segelmacher waren für die Instandhaltung der kompanieeigenen Einrichtungen unentbehrlich; Berufe wie Bäcker, Schlachter oder Koch wurden für den Unterhalt der Mannschaften gebraucht. In allen Faktoreien war ein entsprechender Kern an Handwerkern zu finden. Neben ihnen war ein kaufmännischer Stab zur Abwicklung des Kerngeschäftes unabdingbar. Den Sockel bildeten Schreiber, Buchhalter und Dolmetscher mit guten Aufstiegsmöglichkeiten zum Unterkaufmann oder sogar Oberkaufmannn, der bereits umfassende Leitungsaufgaben zu übernehmen hatte. Das Personal der EIC wies eine weniger multinationale Zusammensetzung auf. Gründe hierfür waren das im Vergleich zu den Niederlanden größere Potenzial des britischen Arbeitsmarktes sowie das verstärkt quasi-kolonialstaatliche Auftreten der Kompanie. Vor allem ihre militärischen Einheiten boten aber auch Ausländern, vor allem Nichteuropäern, eine Chance. Zahlreiche Regimenter bestanden im 19. Jahrhundert ausschließlich aus Einheimischen. Auch die VOC bediente sich indigener Hilfstruppen; allerdings unterhielt sie insgesamt keine Militärverbände in der Größenordnung, wie sie die EIC dauerhaft in Indien aufbaute. Das zivile Personal der britischen Kompanie unterschied sich in der Struktur nicht von demjenigen der VOC und auch nicht von dem der anderen in Asien tätigen Handelskompanien. Die hohen Personenverluste gerade in der Etablierungsphase bedingten zunächst eine hohe Durchlässigkeit der Hierarchie innerhalb der Kompanien. Gemeine konnten schon während der Hinreise in mittlere Verantwortungsposten aufsteigen und erhielten nicht selten die Gelegenheit, tatsächlich Karriere zu machen – so sie denn selbst überlebten. So übernahm der Soldat Johann Verken aus Meissen bereits auf der Hinreise vor Mocambique das Kommando über ein kleineres VOC-Schiff und wurde zwischen 1609 und 1611 immerhin als Fähnrich auf Banda stationiert.41 Und der Nürnberger Johann Sigmund Wurffbain, der als Spross einer Patrizierfamilie im Deutschland des 30-Jährigen Krieges keine Karrierechance sah, diente sich zwischen 1632 und 1646 in niederländischen Diensten auf den Molukken und in Indien nicht nur bis zum Oberkaufmann und Faktoreileiter empor, sondern erwarb dabei auch ein Vermögen, das es ihm nach der Rückkehr ermöglichte, seinem ursprünglichen Stande gemäß wieder in der Heimat zu leben.42 Erst mit der Konsolidierung des Verwaltungssystems der Kompanien in Asien wurde die Durchlässigkeit geringer. Sie erlaubte es VOC und EIC, ihre Eliten vermehrt in der Heimat zu rekrutieren und dabei von Anfang an auf Qualifikation und gesellschaftliche Stellung zu achten. Auf diese Weise gelangten gelegentlich Adelige in Kompaniediensten

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III. Die Ostindien-Kompanien

nach Asien, auch wenn diese gesellschaftliche Gruppe insgesamt nie eine entscheidende Rolle spielte. Eher noch waren es Bildungseliten, die neben den von Anfang an dominierenden Angehörigen von Kaufmannsfamilien den Kern des Führungspersonals stellten. Das Tätigkeitsspektrum der Eliten umfasste See- und Armeeoffiziere sowie das kaufmännische Leitungspersonal. Daneben wurden Spezialisten wie Juristen, Mediziner oder auch Geistliche benötigt. Für solche Kräfte bestanden Aufstiegsmöglichkeiten über die eigenverantwortliche Leitung von Niederlassungen bis hin zu Gouverneursposten. Die dafür nach und nach notwendigen diplomatischen und militärischen Qualifikationen wurden dabei nicht formal erworben, sondern ergaben sich in der Regel während der praktischen Tätigkeit vor Ort. Dass dies nicht bei allen Führungspersonen in gleichem Maße zutraf, führte zu manchen Verwicklungen und Krisen, die durch individuelles Missmanagement verursacht wurden. Trotzdem kam es in der Epoche der Kompanien zu keiner spezifischen Ausbildung für den Einsatz in Übersee, wie sie im späteren 19.Jahrhundert die koloniale Beamtenschaft kannte. Die Etablierung in Asien sowie die zunehmende Ausdifferenzierung der Verwaltungsaufgaben begünstigten die Ausbildung eines Spezialistentums. Vermehrt bestand die Möglichkeit für Quereinsteiger, auf der Grundlage zumeist akademischer Qualifikationen auf einer der höheren Hierarchiestufen in den Kompanie-Dienst einzutreten. Mediziner kümmerten sich um die Fortentwicklung der ärztlichen Betreuung, durchaus auch unter Einbeziehung einheimischer Kenntnisse; Ingenieure wurden für den Festungsbau oder die verschiedenen Bergbauversuche angeheuert; Naturwissenschaftler und Geografen vermehrten das Basiswissen der Kompanien über ihr Einsatzgebiet und legten Grundsteine für die ersten wissenschaftlichen Institute in Übersee. Um nur ein Beispiel zu nennen, sei auf den Lemgoer Arzt Engelbert Kaempfer verwiesen, der nach einer Persienreise in schwedischen Diensten in Bandar Abbas der VOC beitrat und in der Niederlassung Deshima Dienst tat, wo er zum Begründer einer aufgeklärten Japankunde wurde.43 Eine Besonderheit stellte das geistliche Personal dar. In der VOC herrschte ein ambivalentes Verhältnis zu Religion und Mission. Als profitorientiertes Unternehmen gehörte ein missionarisches Sendungsbewusstsein eigentlich nicht zu ihrem geistigen Rüstzeug, doch wenn ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Interessen nicht berührt wurden, sah sie sich durchaus als Schutzherr des protestantischen Christentums und förderte, allerdings in Maßen, dessen Ausbreitung in Asien. Ihre Predikanten erhielten dann nicht nur freie Hand zur Verbreitung des Evangeliums, sondern gelegentlich auch Unterstützung durch die Einrichtung entsprechender Institutionen. So entstanden auf Ceylon religiöse Schulen zur Förderung eines einheimischen Klerikernachwuchses.44 Die missionarischen Bemühungen der niederländischen Predikanten und Laienprediger zeitigten allerdings kaum nachhaltige Wirkung. Nach dem Untergang der VOC blieben so gut wie keine protestantischen Gemeinden in Asien dauerhaft bestehen. Im Gegensatz dazu herrschte innerhalb der EIC von vornherein ein faktisches Missionsverbot, um die Interessen der Kompanie nicht durch religiös motivierte Auseinandersetzungen zu gefährden. Geistliche wurden nur zur spirituellen Versorgung der eigenen Bediensteten be-

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schäftigt. Alle Geistlichen unterstanden dem Kommando ihrer jeweiligen Kompanie. Die heimischen Kirchen bildeten zwar die religiösen Dachorganisationen, hatten aber keinen Einfluss auf die Rekrutierung und den Einsatz von Priestern und geistlichem Hilfspersonal in Asien. Die Lebensverhältnisse der Kompanie-Bediensteten, insbesondere auf den mittleren Rängen der Diensthierarchie, zeichneten sich aus durch die Spannung zwischen der vergleichsweise niedrigen Bezahlung und dem hohen persönlichen Aufwand in Einheit mit erheblicher Gefahr für Gesundheit und Leben, zwischen starker Hierarchisierung und hoher Eigenverantwortlichkeit vor Ort auch auf niedrigen Positionen. Die unfreiwillige Dezentralität der Kontore in Asien sorgte dafür, dass vielfach weitreichende Entscheidungen und umfassende Verantwortung die Situation von Leuten prägten, die einen einfachen Kaufmanns- oder Unteroffiziersrang bekleideten. Das „mittlere Management“ wurde so zum Bestandteil der institutionellen Elite innerhalb der Kompanien, die Entlohnung erfolgte allerdings weiterhin nach den niedrigeren Soldsätzen ihrer untergeordneten Stellung. Dass der Dienst in Ostindien ein Karriereversprechen war, das aber nur selten Realität wurde, bildete ganz bewusst einen Bestandteil der Personalpolitik. Ein privates Engagement im asiatischen Handel als Ergänzung des gezahlten Solds wurde mit unterschiedlicher Gewichtung grundsätzlich eingeplant. In England fand die relativ geringe Bezahlung ihre offizielle Begründung darin, dass sie durch in begrenztem Umfang gestattete Eigengeschäfte kompensiert werden sollte. Mit der zunehmenden Entwicklung der EICBediensteten von Kaufleuten zu Verwaltungsbeamten entwickelte sich ein Interessengegensatz; aus kompensierenden Eigengeschäften wurde mehr und mehr Korruption. Gleichzeitig entwickelte sich aus dieser Keimzelle innerhalb der Kompanie eine englische Kaufmannschaft, die außerhalb der Kompanie eine bedeutende Stellung in der Handelswelt Indiens erlangen sollte. In den Niederlanden waren Eigengeschäfte zwar einkalkuliert, aber in ihrer Natur beschränkt. Vor allem war den Bediensteten der VOC die Beteiligung am country trade untersagt. Die mit großer Konsequenz durchgesetzte Regelung förderte letztendlich nur den Schmuggel. Diese Form von Korruption war ein Baustein der zunehmenden Schwerfälligkeit, die letztendlich zum Untergang der Kompanien beitrug. Viele Personen, die auf solche Weise ihre Erfahrungen mit dem asiatischen Handel gesammelt hatten, blieben diesem auch treu, nachdem sie aus dem Dienst der Kompanie entlassen worden waren oder ihr Vertrag ausgelaufen war. Zumeist erhielten sie die Erlaubnis, unter dem Schutz ihres ehemaligen Arbeitsgebers in Asien zu bleiben und ihren Geschäften nachzugehen. Viele Engländer erhielten sogar ausdrücklich die Erlaubnis, am country trade teilzuhaben. Durch die Aktivitäten der niederländischen vrijburgher und der englischen freemen, die sich einerseits in einem von den Kompanien gesteckten Rahmen zu bewegen hatten, andererseits das Rückgrat einer freihändlerisch orientierten europäischen Konkurrenz der Kompanien bildeten, wurde die Grenze zu den eigentlich verfolgten interlopern auf Dauer fließend.

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Die Grundlage für deren Bekämpfung bildeten die Garantien in den Chartern und Oktrois, die anderen Untertanen als den Kompanieteilhabern den Asienhandel untersagten. Vor diesem Hintergrund entstanden Aussagen wie die, dass „interloper kaum besser als Piraten“ wären, und Forderungen, diese schon in der Heimat zu bekämpfen.45 In der Praxis war dies allerdings nur schwer durchzusetzen. Das immer deutlichere Problem der fließenden Grenzen ließ Forderungen nach einer Öffnung des Handels für weitere Kreise laut werden, wie sie Tomas Papillon bereits in den 1680er Jahren formuliert hatte, der allerdings noch durch die Intervention seines Förderers Josiah Child gebremst worden war.46 Letztendlich setzte sich die normative Kraft des Faktischen durch. Bereits ab 1662 wurden seitens der EIC freemen oder free merchants geduldet, solange sie nicht die Interessen der Kompanie störten. Sie bildeten den Kern einer starken britischen Kaufmannschaft in Asien und operierten mit eigenen Schiffstypen, die auf indischen Werften gebaut wurden. Ganz ähnlich etablierten sich niederländische vrijburgher und ihre Mestizen-Nachkommen, die kleinere europäische Transportschiffstypen, sogenannte Schaluppen, im Malaiischen Archipel einführten, aus deren Fortentwicklung malaiische Schiffstypen entstanden. Die Duldung durch die Kompanien hatte natürlich ihre Grenzen. Das stetige Wachstum des freien europäischen Handels in Asien ließ die Beziehungen zu den Kompanien konfliktträchtig werden. So bewegten sich in den Kompanien ausgebildete Handelsspezialisten nach ihrer Dienstzeit stets auf einem schmalen Grad, zumal die räumliche wie wirtschaftliche Nähe zu der jeweiligen Kompanie in der Regel bestehen blieb.

Diplomaten und Kriegsherren Ostindien-Kompanien waren bewaffnete Handelsgesellschaften, die nicht davor zurückschreckten, ihre Ziele auch durch Gewaltanwendung zu erreichen. Ihr primäres Ziel war die Etablierung in der asiatischen Handelswelt. In der Konsequenz bestand eine grundsätzliche Bereitschaft zur Eroberung und zur gewaltsamen Beseitigung von Konkurrenten. Die VOC griff vor allem in ihren ersten Jahrzehnten im Malaiischen Archipel zu militärischer Gewalt, wo sie nacheinander Banda, Jayakatra (Batavia), Malakka, Makassar und Banten eroberte sowie sich unter Gewaltandrohung oder mit unterstützendem Waffeneinsatz auf Ambon, Ternate und Tidore festsetzte. Bei der EIC lassen sich weniger Eroberungen in der Etablierungsphase beobachten, allerdings ausgewachsene Kriege im Zuge ihrer Entwicklung zu einer Kolonialagentur. Die aufwändigsten Operationen führte sie zwischen 1780 und 1799 in vier Kriegen gegen Haider Ali und Tipu Sultan von Mysore und von 1839 bis 1842 im ersten Opium-Krieg gegen China durch. Die kleineren Ostindien-Kompanien besaßen ebenfalls eine militärische Ausstattung, was allein zur Selbstverteidigung notwendig war. Aus gutem Grund aber führten sie kaum größere kriegerische Aktionen durch, erforderten diese doch einen enormen Kräfte- und Materialaufwand. Die Eroberung von Hafenstädten bedurfte größerer Flotten,

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Reinier Nooms, Schiffe der ost- und westindischen Kompanie.

die auch die führenden Kompanien erst aus mehreren Quellen zusammenstellen mussten. Zudem reichte eine maritime Streitmacht nicht immer aus. Die Unterstützung durch ein Landheer machte nicht selten einen Bündnispartner notwendig. Die niederländische Kriegsflotte, die 1641 das seit 1511 portugiesisch verwaltete Malakka eroberte, erhielt Unterstützung von einer Streitmacht aus dem verbündeten Sultanat Johor. Und an der Eroberung des unabhängigen Sultanates Makassar zwischen 1666 und 1669 war neben einer Flotte von 19 Schiffen mit über 800 Seeleuten ein Heer von rund 580 niederländischen und 400 einheimischen Soldaten beteiligt. Die Kriege gegen Ende des 18. Jahrhunderts, in deren Verlauf zunehmend indische Regionen unter britische Herrschaft gerieten, erforderten schließlich ein großes stehendes Heer. Je nach aktueller kolonialpolitischer und militärischer Situation hielt die EIC in Indien gelegentlich mehr als 100 000 Soldaten, mehrheitlich in einheimischen Bataillonen, unter Waffen. Der OpiumKrieg war unter Einbindung der britischen Kriegsmarine die größte europäische Flottenaktion überhaupt, die in Asien bis dahin gesehen worden war. Solche Kraftanstrengungen waren besonders auffällig und haben sich daher in der Literatur einen herausgehobenen Platz erobert. In der Realität von weit über zwei Jahrhunderten Kompaniegeschichte blieben sie letztendlich Ausnahmen. Die asiatische Handelswelt, mit der die Kompanien konfrontiert wurden, zeichnete sich durch langfristig gewachsene Strukturen und etablierte Institutionen mit Einfluss und Kontrolle, aber auch durch Dynamik aus. Wenn es nicht bereits von Anfang an klar war, genügten die ersten Kontakte in dieser Welt, um deutlich zu machen, dass hier die Sprache der Kanonen und Musketen allein keinen dauerhaften Erfolg garantieren konnte. Sicherlich waren die Kompanien stark genug, um sich an der einen oder anderen Stelle als Vormacht zu etablieren, aber keine von ihnen konnte bis in das späte 18. Jahr-

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III. Die Ostindien-Kompanien

hundert hinein einen Bereich, der über regionale Marktgrenzen hinausging, uneingeschränkt gestalten, geschweige denn beherrschen. Die Kompanien mussten andere Wege des Umgangs mit den bestehenden Verhältnissen finden. Zwangsläufig waren ihre Vertreter mehr noch als erfolgreiche Militärs versierte Diplomaten. 1615 reiste eine Delegation der EIC unter Thomas Roe in königlichem Auftrag an den Hof des Moguls in Agra bei Delhi. Ziel war es, möglichst umfangreiche Handelsrechte im Einflussbereich des Moguls zu erreichen, zu dem mehr als zwei Drittel Indiens zählten. Die diplomatische Mission war weitaus erfolgreicher, als es ein Waffeneinsatz je hätte sein können. Der an wirtschaftlichen Kontakten durchaus interessierte Mogul Jahangir sicherte dem König von England zu, dass alle britischen Händler in den Staaten und Häfen unter seiner Herrschaft als Untertanen eines Freundes empfangen und uneingeschränkte Freiheit genießen würden. Er garantierte Schutz vor Übergriffen durch Konkurrenten, Niederlassungsfreiheit und die Freiheit nach Belieben zu kaufen und zu verkaufen. Als Gegenleistung erwartete er neben der Pflege freundschaftlicher Beziehungen regelmäßig europäische Luxusgüter als Geschenke. Präsente waren in Asien eine gängige diplomatische Währung. Die vordergründig unterwürfig oder freundschaftlich dargereichten Tributgaben waren für die Kompanien letztendlich nichts anderes als Abgaben für die Einräumung von Handelsrechten im Großen wie im Kleinen – mit dem kleinen Unterschied, dass sie etwas mehr Kreativität erforderten. Was auf der monarchischen Ebene zwischen Jahangir und James I. abgesprochen wurde, erlebten im kleinen Maßstab auch die Residenten der EIC im bereits angesprochenen Makassar. Das Kernstück der institutionalisierten Geschenkvergabe bestand dort in vertraglich festgelegten Lieferungen von Waffen und Munition, wie sie einem stets kriegsbereiten Souverän zustanden. Darüber hinaus wurden immer wieder prunkvolle Gaben von klar erkennbarer Einzigartigkeit übergeben. Die auffälligsten Geschenke waren ein junger Mastiff, ein persisches Pferd, zwei irische Windhunde oder ein galileisches Fernglas. Die Notwendigkeit, sorgfältig angemessene Geschenke auszuwählen, zeigte sich, als der Sultan das Fernglas zurückgab – ein Geschenk an seinen Vorgänger, mit dem er nichts anzufangen wusste – und sich den Kaufpreis in Gold auszahlen ließ. Dieses Geschenksystem war kein Ausdruck vordergründiger Unterwürfigkeit; auch kann nicht von einem durch Geschenke erbettelten Handelsrecht ausgegangen werden. Vielmehr handelte es sich um eine dem Status der Sultane angemessene Gabe, die der Kaufmann dem Herrscher schuldete. Dem stand auf der anderen Seite die garantierte Handelsfreiheit gegenüber – und zwar nicht in direkter Abhängigkeit vom Wert der Geschenke. Die Förderung des Handels war weniger als Gegenleistung für Geschenke zu verstehen und somit auch nicht käuflich, sondern war Bestandteil der indigenen Wirtschaftspolitik, in Makassar genauso wie in zahlreichen anderen asiatischen Herrschaften. Nicht immer waren die großen diplomatischen Missionen erfolgreich. In China reisten vor dem ersten Opium-Krieg zahlreiche niederländische und englische Delegationen an den chinesischen Hof, die der chinesische Kaiser als traditionelle Tributmissionen ansah. Diese längst ritualisierte Kontaktpflege zu den umliegenden Völkern, die in

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ihren Gaben und Gegengaben mehr den Charakter von Warenaustausch als von politischen Beziehungen angenommen hatte, wurde vom Hof in Peking nur noch pauschal als angemessene Symbolik der Unterwerfung angesehen. Der Kaiser ignorierte die diplomatischen Anliegen der europäischen Gesandten. So blieben diese Missionen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ohne realen politischen Einfluss und waren aufgrund des widersprüchlichen Verständnisses ihrer Funktion sogar kontraproduktiv, da der chinesische Herrscher nicht das Tributverständnis der malaiischen oder indischen Herrscher teilte. Andere diplomatische Missionen hatten zwar äußerlich den Anschein von Unterwerfung, stellten aber den fälligen Tribut für Handelsprivilegien dar. Einmal im Jahr musste die Leitung der niederländischen Faktorei in Japan an den Hof in Edo (Tokio) reisen und dort ein ebenfalls ritualisiertes Ergebenheitsprogramm absolvieren. In Anbetracht der exklusiven Handelsrechte, die der VOC in Japan eingeräumt wurden, nahm man dies jedoch gerne in Kauf. Auf jeden Fall waren Verhandlungen, Freundschaftsbekundungen, Geschenkaustausch und die stete Erneuerung abgeschlossener Verträge, kurz gesprochen die Diplomatie auf allen Ebenen, die wichtigsten Pfeile im Köcher der Kompanien. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Arsenal angepasster Vorgehensweisen oder Strategien, die je nach eigenem Potenzial und indigenen Rahmenbedingungen eingesetzt werden konnten, um eine optimale Position auf einem ganz bestimmten Markt erobern zu können. Der Maßstab für das „Optimale“ war dabei nicht mehr der eigene Maximalanspruch oder die in der Heimat entwickelten Monopolvorstellungen, sondern das konkret „Machbare“ vor Ort. Träger und Entwickler solcher Strategien waren nicht die Direktoren in London und Amsterdam, geschweige denn in Paris, Kopenhagen, Ostende oder Stockholm, sondern die vielzitierten men on the spot in den asiatischen Zentralen, mehr aber noch in den Faktoreien selbst. Um noch einmal auf Makassar zurückzukommen: Der Weg der VOC vom ersten tastenden Kontakt zur Errichtung einer Kolonialstadt auf Sulawesi bietet ein anschauliches Beispiel für die wichtigsten strategischen Optionen einer Ostindien-Kompanie – ohne ein zwingendes Verlaufsmodell darzustellen. Zunächst unternahm die VOC, wie ihre englischen und dänischen Konkurrenten auch, den Versuch, eine Faktorei in Makassar zu etablieren, von der kaum mehr bekannt ist, als dass sie spätestens 1616 nicht mehr existierte. Nachdem ein erneutes Ansinnen in diese Richtung abgewiesen worden war, existierte erst zwischen 1638 und 1649 wieder eine Faktorei der VOC. Weitere Versuche blieben ohne Erfolg, nicht zuletzt aufgrund übermäßiger Forderungen, die im Kontrast zu der behutsameren und auch erfolgreicheren englischen Diplomatie standen. Für ein europäisches Ansinnen, weitreichende Privilegien eingeräumt zu erhalten, war der Sultan von Makassar zu dieser Zeit zu stark, seine Kontrolle über Staatswesen und Stadtgebiet in allen Bereichen ungebrochen. Sämtliche europäischen Kaufleute mussten sich den herrschenden Rahmenbedingungen anpassen, die sich an einer Stärkung des Handels durch eine Vielzahl an potenten Marktteilnehmern, nicht aber an einem exklusiven

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III. Die Ostindien-Kompanien

Partner ausrichteten. In einer zweiten Phase verfolgte die VOC eine Höchstpreispolitik mit dem Ziel, den Gewürzmarkt in Makassar so weit wie möglich aufzukaufen, um ihn für die Konkurrenz trockenzulegen. Die Kompanie war nicht mehr kontinuierlich vor Ort präsent, sondern schickte in unregelmäßigen Abständen Schiffe, deren Kaufleute gezielt Nelken und Muskatprodukte ohne Rücksicht auf den Preis aufkauften. Dieses Vorgehen blieb nicht ohne Auswirkung auf den Markt in Makassar, der inflationäre Preissteigerungen erlebte und so deutlich geschädigt wurde, jedoch nicht zum Erliegen kam. Dies veranlasste die VOC, während der 1650er Jahre den Hafen mehrfach zu blockieren und 1660 schließlich eine erste militärische Expedition durchzuführen. Der daraufhin geschlossene Friedensvertrag mit umfassenden Zugeständnissen an die Niederländer wurde von makassarischer Seite allerdings weitgehend ignoriert. Das Scheitern aller Versuche, den Gewürzumschlagplatz Makassar unter Kontrolle zu bringen, ließ die VOC endgültig zu militärischen Maßnahmen greifen. In einem Krieg, der einschließlich aller Scharmützel und Rückzugsgefechte von 1666 bis 1669 dauerte, eroberte eine niederländische Flotte unter Admiral Cornelis Speelman im Bündnis mit einer Landstreitmacht oppositioneller Bugis unter Arung Palakka die Stadt Makassar und ihr Territorium in Südsulawesi.47 Das Hauptziel des Feldzuges war die endgültige Beseitigung des Gewürzmarktes von Makassar. Makassar wurde Kolonialstadt unter zumindest formal uneingeschränkter Herrschaft der VOC. Die Kompanie kontrollierte den Hafen durch ein Passsystem, welches alle Handelsfahrten erfassen sollte. Verboten waren der Handel mit Gewürzen und mit Textilien. Die Regelung des ersteren – das eigentliche Ziel aller niederländischen Anstrengungen – wurde konsequent durchgesetzt, was sich bei letzterem angesichts der Diversität und Bedeutung dieses Sektors als schwierig erwies, weswegen der Textilhandel bald ganz offiziell geduldet wurde. Die Besonderheit Makassars bestand darin, dass die Stadt als wichtiges Gewürzemporium eine Schlüsselstelle im ursprünglichen Kerngeschäft der Kompanien spielte. Für die VOC war dieses so zentral, dass sie zu einer maximalen Steigerung des eingesetzten Potenzials bereit war. Im Gegensatz dazu orientierte sich die EIC um. Sie konnte sich nicht langfristig im molukkischen Gewürzhandel halten, weder in Makassar noch auf Ambon. Mitte des 17.Jahrhunderts, als die heiße Phase der angloniederländischen Rivalitäten ihr Ende fand, unterhielt die EIC nur noch im peripheren Bengkulu auf Sumatra einen Posten im Malaiischen Archipel. Ihr Schwerpunkt hatte sich längst auf den indischen Subkontinent verlagert, was eine Umorientierung des Kerngeschäftes bedingte. Der VOC hingegen gelang die Festsetzung im molukkischen Gewürzgeschäft dank eines Kräfteeinsatzes, der im Extremfall alle Kosten rechtfertigte. Außerhalb des Malaiischen Archipels betrieb sie nur noch in zwei Fällen militärischen Aufwand vergleichbaren Umfangs. Ceylon als wichtigster Herkunftsort von Zimt wurde während der 1650er Jahre in den Küstenregionen mit kontinuierlichen militärischen Operationen überzogen, die allerdings vorrangig gegen die Portugiesen gerichtet waren, während gegenüber einheimischen Herrscherhäusern im Landesinneren Diplomatie dominierte. Und auf Taiwan, das lange als Relais des Chinahandels fungierte, konnte die VOC 1624 mit Fort

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Zeelandia eine befestigte Niederlassung gründen, sich jedoch 1662 nicht gegen das einfallende Heer der letzten Ming-Sympathisanten halten. Während die EIC in Indien keine militärischen Einsätze im eigentlichen Kerngeschäft, vor allem dem Gewürzhandel, durchführte, sondern sich auf ihre diplomatischen Erfolge verließ, war im Zusammenhang mit dem konkurrierenden Karawanenhandel, der nach wie vor Gewürze über die Seidenstraße nach Europa transportierte, auch bei ihr die Gewaltoption von Bedeutung. Der Stadtstaat Hormuz an der gleichnamigen Meerenge hatte sich im Mittelalter zum zentralen Umschlagplatz der traditionellen Routen entwickelt und diese Rolle auch nach der portugiesischen Eroberung 1507 beibehalten. Die EIC machte sich die machtpolitischen Spannungen der Region zunutze und verbündete sich mit Abbas I., dem safawidischen Herrscher Persiens. Diese Allianz eroberte 1622 die Stadt, die daraufhin ihre Rolle als Emporium dauerhaft verlor.48 Die Motivation der Engländer entsprach ohne weiteres derjenigen der Niederländer im Malaiischen Archipel und zielte auf eine negative Zentralität des unter eigene Kontrolle gebrachten Ortes. Allerdings handelte es sich hier nur um den Abschluss eines schon länger andauernden Niedergangs, bedingt durch die höhere Effektivität des Kompaniehandels im Vergleich zum Karawanenhandel, von dem Hormuz in erster Linie lebte. Der Normalfall war für die Kompanien jedoch die Teilnahme an einem Markt, ohne mit allen Mitteln die Kontrolle erlangen zu wollen, auch wenn möglichst eine bevorzugte Stellung angestrebt wurde. Der Begriff „Monopol“ hatte in diesem Zusammenhang nur Bedeutung im Sinne einer Exklusivität unter den europäischen Konkurrenten. Je nach Interessenlage des lokalen Herrschers und dessen machtpolitischer Stärke entwickelten sich zwei Grundtypen der europäischen Präsenz. Einerseits konnte eine privilegierte Stellung das Ergebnis von Verhandlungen sein. Keine andere europäische Kompanie durfte in diesem Fall noch am Markt teilnehmen; asiatische Händler waren von solchen Bestimmungen in der Regel nicht betroffen. Die meisten niederländischen Kontore im Malaiischen Archipel arbeiteten unter diesen Bedingungen, und auch der Zugang zu den Häfen auf der Arabischen Halbinsel oder am Persischen Golf war in der Regel exklusiv. Zudem boten zahlreiche Häfen in Indien exklusiven Zugriff für einzelne Kompanien, sogar für die kleineren Gesellschaften wie im Falle der Franzosen in Pondycherry oder der Dänen in Tranquebar. Gerade in Indien war jedoch der zweite Grundtypus weitaus häufiger anzutreffen, der in einer gleichberechtigten Stellung der Europäer in einem Hafen oder auf einem Markt bestand. Das bengalische Hugli beherbergte im Laufe seiner Geschichte tatsächlich alle europäischen Mächte, die überhaupt je in Indien tätig waren. Angesichts besonders lukrativer Märkte, die für die Europäer eigentlich geschlossen waren, bei gleichzeitig übermächtiger einheimischer Herrschaft, gegen die eine militärische Option von Anfang an unrealistisch war, bestand die Bereitschaft, in marginalisierter Position und unter strenger Kontrolle asiatischer Bürokraten Handelsniederlassungen zu unterhalten. Der Chinahandel, der erst durch die ungleichen Verträge in Folge des Opiumkriegs für Europäer geöffnet wurde, war der bedeutendste Fall dieser Art.

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III. Die Ostindien-Kompanien

Auch wenn die EIC seit Anfang des 18. Jahrhunderts konsequent Kontakte nach China aufbaute, um insbesondere vom Teehandel zu profitieren, hatte sie doch nie die Gelegenheit, unmittelbar mit den Produzenten in Kontakt zu treten. Ganz im Sinne der chinesischen Administration konzentrierte sich der Handel auf die Metropole Kanton am Perlfluss, der für hochseetüchtige Fahrzeuge schiffbar war. Die Engländer, und mit ihnen auch alle anderen Europäer, blieben auf diesen Hafen beschränkt, wo sie unter Kontrolle der chinesischen Bürokratie standen und auf gute Kontakte zu chinesischen Geschäftspartnern angewiesen waren. 1760 wurde eine große Zahl älterer Regularien zum so genannten Kanton-System zusammengefasst, das auf einem dualen Monopol basierte. Auf der chinesischen Seite waren die Hong-Kaufleute, etablierte und kapitalkräftige Handelsdynastien, privilegiert. Auf der europäischen Seite waren es die Ostindien-Kompanien, die das alleinige Recht auf den transkulturellen Handel zugestanden bekamen. Ihre Bediensteten waren auf ein bestimmtes Areal außerhalb der Stadtmauern, die „Dreizehn Faktoreien“, festgelegt, in dem ihre chinesischen Geschäftspartner Kontore und Lagerhäuser unterhielten. Trotz dieser Einschränkungen blieb der Chinahandel über Kanton lukrativ genug, um alle wesentlichen europäischen Kompanien anzulocken. Die VOC ging in Japan sogar noch weiter. Dort waren die Niederländer die einzige europäische Nation, die überhaupt Handel treiben durfte. Die Residenten der Kompanie waren in einer verschärften Version des Kanton-Systems auf eine winzige künstliche Insel im Hafen Nagasakis namens Deshima beschränkt. Kommerzielle Kontakte konnten ausschließlich über offiziell akkreditierte Mittelsleute geknüpft werden, die den einzigen Kontakt der Exklave zum Land herstellten. Lediglich die regelmäßige Gesandtschaftsreise nach Edo erlaubte den Niederländern einen flüchtigen Kontakt mit der japanischen Realität. Solche Vorgehensweisen waren nur bedingt ein Zeichen von Unterlegenheit; vielmehr handelte es sich durchaus um wohldurchdachte Strategien. Immerhin konnten sich die Niederländer über 1799 hinaus in Japan eine einzigartige merkantile Exklusivität sichern. Die jährlichen Reisen nach Edo dienten vordergründig der ständigen Unterwerfung unter die Autorität des Tenno, waren gleichzeitig aber auch Ausdruck der diplomatischen Absicherung eines exklusiven Marktzugangs von nicht unerheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Nicht an allen Orten war eine kontinuierliche Marktteilnahme möglich, so dass auch temporäre Vorgehensweisen zum strategischen Arsenal der Ostindien-Kompanien zählten. Sie bestanden in einzelnen Expeditionen, wie sie bereits bei den Vorkompanien oder den frühen Reisen der EIC üblich waren. Bei einer etablierten Präsenz in Asien wurden daraus häufig turnusmäßige Expeditionen, die zumeist unter den Bedingungen gleichberechtigter Marktteilnahme vor Ort abgewickelt wurden. Dies setzte Niederlassungen in akzeptabler Reichweite voraus, wie Batavia und Makassar für den Pfeffermarkt in Banjarmasin auf Borneo oder diverse bengalische Niederlassungen für den Handel mit dem südostasiatischen Festland. In solchen Fällen konnte allenfalls eine gelegentliche Marktbeherrschung durch aggressive Höchstpreispolitik erreicht werden, die sich zu-

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meist gegen europäische Konkurrenten richtete wie gegen die Engländer in Makassar, aber nicht geeignet war, um sich langfristig gute Handelsmöglichkeiten an einem indigenen Handelsplatz zu sichern. Auf der anderen Seite des Spektrums standen gelegentliche oder zufällige Marktteilnahmen, die weniger Ausfluss einer Strategie waren als einfacher Mitnahmeeffekt bei sich bietender günstiger Gelegenheit. Der Handel auf dem kommerziell weniger interessanten südostasiatischen Festland spielte sich häufig nach diesem Muster ab. Das Problem der Absicherung von einmal erreichten Monopolen oder privilegierten Stellungen erforderte diplomatische und militärische Bemühungen auf den niedrigeren Ebenen, im Verantwortungsbereich der men on the spot. Ihnen oblagen die Versuche, mit den verfügbaren Mitteln unliebsame Konkurrenz auch unter Gewaltanwendung zu beseitigen. Die ständigen krijstochten zur Bekämpfung von vermeintlichen Schmugglern und exstirpatien zur Ausrottung unerwünschter Gewürzplantagen im niederländischen Einflussbereich waren die auffälligste Spielart der Durchsetzung eines Rechtsverständnisses, das allein die Europäer vertraten. Da aber in Anbetracht der Weite des Raumes, der Vielfältigkeit indigener Wirtschaftsformen und der Komplexität regionaler Machtverhältnisse selbst die beiden großen Kompanien diesbezüglich nur sehr begrenzte Möglichkeiten hatten, lag auch auf dieser Ebene eine besondere Bedeutung auf dem diplomatischen Geschick der Beteiligten. Angestrebt wurde, mit nicht unbeträchtlichem Erfolg, die Abwälzung von Verantwortung und Aufwand auf lokale Bündnispartner, die allerdings selbst schwach genug sein mussten, um solche Verträge zu akzeptieren oder auch nur Interesse an ihnen zu haben. In der Folge blieb das, was auf englischer Seite clandestine trade und auf niederländischer sluijkerhandel genannt wurde, stets lebendig. Ihre ungesicherte Situation im Asienhandel zwang die Kompanien zu einem angepassten, strategischen Vorgehen. Die Wahl der spezifischen Strategie war einerseits von der Warenpalette auf dem fraglichen Markt abhängig – es gab eine Hierarchie der Güter nach ihrer Absetzbarkeit primär in Europa und sekundär im country trade, die von Kompanie zu Kompanie unterschiedlich und auch im Laufe der langen Präsenzzeit in Asien wandelbar war – und andererseits vom militärischen Potenzial, das in der aktuellen Situation mobilisiert werden konnte. Die Eroberung von Stadtstaaten oder größeren Inseln bedurfte der Zusammenstellung einer Kriegsflotte aus der Retourflotte oder aus Schiffen des country trade, nicht selten auch eines Heeres oder eines Bündnispartners, während das Potenzial vor Ort, an den Gouverneurssitzen und den residencies, im Regelfall mit dem alltäglichen Kontrollgeschäft ausgelastet war und lediglich für kleinere Strafexpeditionen taugte. Nicht zuletzt waren die indigene Marktstruktur und auch die Persönlichkeit der Verantwortungsträger ein maßgeblicher Faktor für die Vorgehensweise der Kompanien, die insofern zwar primär, aber bei weitem nicht ausschließlich strukturell bedingt waren.

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III. Die Ostindien-Kompanien

Handelsdiaspora und Monopolisten Die Innovation der privilegierten Handelskompanie konnte das „Abenteuer Fernhandel“ zwar in mancherlei Hinsicht minimieren, aber niemals ganz beseitigen. Die Situation vor Ort blieb vielfach schwierig und gefährlich unberechenbar. Sieht man einmal bewusst von der kolonialen Sonderentwicklung der EIC auf dem indischen Subkontinent ab, hatte das System der Ostindien-Kompanien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts seine größte Ausdehnung erreicht. Dabei war die Etablierung von formalen Monopolen für die angestrebte Risikominimierung allenfalls sekundär. Der Monopolanspruch der Kompanien kam weniger in den Privilegien, die völkerrechtlich ja nur gegenüber Landsleuten eine exklusive Position garantieren konnten, als in ihren Verhaltensweisen in Übersee zum Ausdruck. Die verschiedenen Vorgehensweisen der einzelnen Kompanien führten bis Ende des 18. Jahrhunderts zu einer ausdifferenzierten Landkarte europäischer Präsenz in Asien, aufgespannt zwischen den Polen Monopol und marginale Marktteilnahme. Das erste wurde zwar idealtypisch angestrebt, war in der Realität aber kaum zu erreichen. Diese Realität wurde durch das Spannungsverhältnis zwischen Monopolanspruch, den Verhältnissen vor Ort und den dort real zur Verfügung stehenden Potenzialen gestaltet. In ihr fanden sich die Kompanien vielerorts in der Rolle einer Handelsdiaspora wieder, die sich kaum von anderen Diasporen wie chinesischen oder armenischen Kaufleuten, jemenitischen Hadrami oder indischen Chettiar unterschied. Ein letztes Mal zurück zu Makassar: EIC, VOC und die dänische Kompanie unterhielten dort vor 1666 Faktoreien in Abhängigkeit vom Wohlwollen des Herrschers und stellten so neben Portugiesen, Chinesen, Malaiien und anderen nur drei von vielen Diasporagruppen im Handel des unabhängigen Emporiums dar. Die Absicherung ihrer Position beruhte auf einer Diplomatie der Geschenke und auf dem vitalen Interesse des Herrschers an finanzstarken europäischen Handelspartnern. Eine Unterscheidung zwischen den chartered company und europäischen Privatiers war für den Herrscher wenig relevant, weswegen auch die portugiesische Gemeinde bis 1666 Bestand hatte und die Kompanie-Residenten vergeblich gegen französische interloper klagten. Nach der Eroberung wurde Makassar zwar eine niederländische Kolonialstadt, doch darf dieser Begriff weder eine allumfassende kolonialherrschaftliche Durchdringung noch eine uneingeschränkte Durchsetzung eines Monopols vorgaukeln. Es gelang der VOC nie, einen so umfassenden Einfluss auf einheimische Verhältnisse zu entwickeln, dass sie „illegale“ Marktplätze und Schiffsanlegestellen auf Dauer hätte verhindern können – von den begrenzten Möglichkeiten der Kontrolle über den Seeverkehr im eigenen Einzugsbereich ganz zu schweigen. Vielmehr bestanden in den vom urbanen Zentrum weiter entfernt gelegenen, ethnisch relativ geschlossenen Stadtvierteln durchaus Umschlagplätze auch für diejenigen Waren, zu deren Monopolisierung die Kompanie den Eroberungsfeldzug überhaupt erst in Szene gesetzt hatte. Und die in Makassar stationierte Flottille reichte nur für eine stichprobenartige Kontrolle des indigenen Schiffsverkehrs aus, der sich an

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entlegeneren Küsten und auf vermeintlich unbedeutenden Eilanden neue Umschlagplätze schuf.49 Auch bei einer punktuell etablierten, durch Waffen abgesicherten Herrschaft befand sich die Kompanie im weiteren Umfeld doch wieder in einer Diasporaposition. Insofern war nicht die koloniale Herrschaft das Erfolgsrezept der Kompanien, sondern die Ausbildung von weiträumigen Netzwerken. Diese konnten je nach primären Interessen der einzelnen Gesellschaften zu geografischen Schwerpunkten führen, die bei der EIC in Indien und der VOC im Malaiischen Archipel lagen. Beide führenden Kompanien waren mit ihren Faktoreien jedoch auch an zahlreichen anderen Punkten vertreten, wo man sich einen interessanten Anknüpfungspunkt an Märkte und Wirtschaftsräume versprach. Die Brückenköpfe in China und Japan verfügten im Vergleich zum Gesamtpotenzial der Gesellschaften nur über eine minimale Ausstattung, waren aber ökonomisch besonders lukrativ. Kleinere Kompanien hatten nur das Potenzial für rudimentäre Netzwerke, weswegen ihr vergleichsweise geringer Erfolg kaum verwundern mag. Tatsächliche Kolonialherrschaft, die sich durch eine konsequente Unterwerfung der einheimischen Bevölkerung unter die eigene Administration in allen staatlichen Bereichen auszeichnete, hatte zunächst nur funktionale Bedeutung für die eigentlichen Aufgaben der Kompanien. Erst nach und nach wurden die beiden großen Kompanien Träger kolonialer Herrschaft, die dann im späten 18. Jahrhundert über die punktuellen Eroberungen von Inseln und Städten hinausging. Die koloniale Ausbreitung der EIC in Indien begann in Bengalen, wo sie 1757 einen proenglischen Putsch unterstützte und 1765 die Steuerhoheit (diwan) übernahm, und bezog bis zu ihrer Ablösung durch eine staatliche Kolonialverwaltung die Regionen Assam, Oudh, Panjab, Sind, Nagpur, Karnataka sowie Ceylon ein. Die VOC dehnte vor allem auf der Insel Java unter Ausnutzung regionaler Auseinandersetzungen schrittweise ihren Herrschaftsbereich aus, bis sie diese Ende des 18. Jahrhunderts weitgehend kontrollierte. Beide Kompanien bedienten sich dabei des Modells der indirekten Herrschaft, welches die indigenen Fürsten formal in ihren Ämtern beließ und den eigenen Einfluss über vermeintliche Berater an deren Höfen aufrechterhielt. Koloniale Expansionen dieser Art hatten nur noch wenig mit den ursprünglichen Handelsgeschäften der Kompanien zu tun, auch wenn indische Steuereinnahmen und javanische Plantagen natürlich von enormer wirtschaftlicher Bedeutung waren. Einerseits waren die Expansionen Ausdruck einer Umorientierung, die nicht zuletzt durch die eigennützigen Machtinteressen so mancher men on the spot verstärkt wurde, andererseits dienten sie der Schließung von Finanzierungslücken, denen die Kompanien in der asiatischen Handelswelt angesichts eines beständig wachsenden Apparats auf Dauer nicht gewachsen waren. Diese Problematik kommt auch in der negativen Handelsbilanz der Kompanien zum Ausdruck. Die geringe Absetzbarkeit europäischer Waren – so konnte die englische Textilindustrie ausschließlich in Persien einen kleinen Markt ohne überlegene indische und chinesische Konkurrenz für sich erschließen – führte zu einem Edelmetallabfluss, der

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III. Die Ostindien-Kompanien

trotz der Ausbeutung amerikanischer Vorkommen nicht ausgeglichen werden konnte und den merkantilistischen Vorstellungen bei der Gründung der Kompanien diametral entgegen lief. Die VOC konnte immerhin mit dem Silberhandel in Japan lange Zeit einen Teil des Edelmetallbedarfs decken, dennoch wurde ein Refinanzierungshandel unausweichlich, also die Beteiligung am innerasiatischen Warenverkehr, die unter der Bezeichnung country trade bekannt geworden ist. Seit 1680, als die VOC ihren wirtschaftlichen Höhepunkt erlebte, machte sich auf niederländischer Seite ein Rückgang dieses Kompensationshandels unter dem verstärkten Konkurrenzdruck durch die EIC bemerkbar. Allerdings hatte sich die VOC bis dahin im country trade etabliert, was der EIC im Zuge ihres Aufschwungs ebenfalls gelang. Kleinere Kompanien wie die dänische konnten sich phasenweise überhaupt nur durch die Beteiligung am innerasiatischen Warenverkehr behaupten. Auf diese Weise wurden die Kompanien auf mehreren Ebenen der Handelswelt in Asien zu einer festen Größe, und ihre Teilhabe – anstelle einer Dominanz oder eines Überstülpens eigener Strukturen – das Charaktermerkmal der merkantilen Seite ihrer Aktivitäten. Zurück zu den Monopolen, von denen es in Asien, trotz des inflationären Gebrauchs des Begriffs „Monopolgesellschaften“, nur wenige gab. Im Wesentlichen bestanden sie in dem Gewürzmonopol der VOC im östlichen Malaiischen Archipel, und selbst dieses wurde beständig unterlaufen. Daneben mag man mit einigem Recht anführen, dass der Wandel der EIC auf dem indischen Subkontinent zu einer monopolartigen Entwicklung vor allem im fiskalischen Bereich führte. Darüber hinaus handelt es sich jedoch vorrangig um einen Begriff für die Stellung der Kompanien im Rahmen der heimatlichen Wirtschaftsverhältnisse. Und hier blieben ihre Privilegien nicht unwidersprochen. Im Laufe des 18.Jahrhunderts bestimmten verstärkt freihändlerische Forderungen die wirtschaftspolitische Debatte, die Kompanien wurden als merkantilistisches Relikt betrachtet. In England führte dies letztendlich dazu, dass der EIC 1823 ihr Monopol entzogen wurde. In den ebenfalls zunehmend freihändlerisch orientierten Niederlanden hätte die Entwicklung kaum einen anderen Verlauf genommen, wären nicht die Zahlungsunfähigkeit der VOC und die Umwälzungen durch die napoleonischen Kriege dazwischengekommen. Am Ende blieb der Eindruck, dass die Kompanien vor allem unwirtschaftliche und parasitäre Monopolisten waren. Dies prägte nicht nur das zeitgenössische Denken seit Ende des 18. Jahrhunderts, sondern hielt sich auch in der Wissenschaft, zumindest bis zu Niels Steensgaard und dessen eingangs zitierter Interpretation der Ostindien-Kompanien als institutionelle Innovation.

IV. Tee, Opium und Baumwolle – Die britischen Kompanien Die angloniederländische Rivalität Die EIC war nicht die erste privilegierte Handelskompanie im britischen Königreich. Die Muscovy Company operierte bereits seit mehreren Jahrzehnten im landgestützten Orienthandel auf der Grundlage einer uneingeschränkten Handelserlaubnis, die ihr Zar Ivan IV. 1553 für ganz Russland zugestanden hatte. Um die Teilhabe am mediterranen Gewürzhandel zu sichern, wurde 1581 die Levant Company gegründet. Ihr Privileg wurde 1593 auf den gesamten Indienhandel ausgedehnt, ohne etwas an ihrer Ausrichtung auf den Landweg zwischen Asien und der Levante zu ändern. Als 1599 sechs niederländische Schiffe aus Asien zurückkehrten und angeblich einen Gewinn von 400% erzielten, machte sich unter den Anteilseignern der Levant Company die Befürchtung mangelnder Konkurrenzfähigkeit breit. Diese akute Sorge um den Gewürzhandel bildete die Initialzündung zur Gründung der EIC, die zunächst als Tochter der Levant Company gedacht war. Anfangs war sogar eine gemeinsame Buchführung vorgesehen, von der allerdings nichts überliefert ist. Für eine erfolgreiche Teilnahme am maritimen Asienhandel war zunächst eine intensive Informationsbeschaffung notwendig, hatten doch einige Nationen diesbezüglich einen deutlichen Vorsprung. Erforderlich waren sowohl Kenntnisse der geografischen Gegebenheiten im Zielgebiet als auch der konkreten Handelsstrukturen vor Ort. Solche Kenntnisse hatten bis Ende des 16. Jahrhunderts vorrangig die Portugiesen. Kaperfahrten, die auch von der EIC in den ersten Jahren ihrer Existenz durchgeführt wurden, dienten daher nicht nur der Aneignung portugiesischer Schiffsladungen, sondern auch des Wissens der Offiziere in Gestalt von Karten, Logbüchern oder nautischen Tabellen. Der zweite Schritt der Informationsbeschaffung waren die ersten Reisen der Kompanie selbst. Es ist nicht verwunderlich und war durchaus gewollt, dass diese – ebenso sehr Erkundungsreisen wie Handelsfahrten – tastend und nicht selten nach dem Prinzip „trial and error“ vonstatten gingen. Dies bot zwar keine Sicherheit vor Rückschlägen, erlaubte aber der EIC recht bald, sich in der asiatischen Handelswelt sicher zu bewegen. Ihre erste Reise verließ im Februar 1601 den Ärmelkanal und führte nach Aceh auf Sumatra, nach Banten und schließlich zu den Molukken. Die vier Schiffe unter dem Kommando von Kapitän James Lancaster kehrten zwei Jahre später mit einer Ladung Pfeffer zurück, welche die Expedition zu einem kommerziellen Erfolg werden ließ. Unter Kapitän Henry Middleton folgte die zweite Reise zwischen 1604 und 1606 der gleichen Route. Sie brachten neben lukrativen Gütern für den Londoner Markt auch die Erkennt-

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IV. Die britischen Kompanien

nis mit, dass sich britische Waren im Malaiischen Archipel nicht in ausreichendem Maße absetzen ließen, indische Waren jedoch hoch im Kurs standen. Konsequenterweise steuerte die dritte Reise der EIC das Rote Meer und Surat an, wo der stellvertretende Leiter der Expedition, Kapitän William Hawkins, ein ehemaliger Bediensteter der LevanteKompanie, sogar vorübergehend in den Dienst des Mogul Jahangir trat. Der erste Schritt zu einer ebenso intensiven wie wechselvollen Beziehung der englischen Kompanie zum mächtigsten Herrscher in Indien war getan. Zunächst blieb jedoch der malaiische Gewürzhandel im Fokus des Interesses. Mit kleinen, schwerbewaffneten Schiffen und erfahrenen Kapitänen wurden vor der Einführung des joint stock weitere Einzelreisen unternommen, deren Ausstattung eine militärische Überlegenheit gegenüber den Portugiesen sicherte – allerdings nicht gegenüber den Niederländern, die in Asien bereits über eine größere Flotte verfügten. Allein zwischen 1613 und 1617 sandte die VOC 51 Schiffe nach Ostindien, während die EIC nur auf 29 kam. Zudem verfügten die Niederländer aufgrund ihrer Organisationsstruktur über eine höhere Kontinuität in ihrer maritimen Präsenz in Asien. Angeblich, so kann man gelegentlich lesen, herrschte in der VOC auch eine größere Disziplin, während der EIC in ihrer Anfangsphase gern ein Übermaß an Abenteurertum unterstellt wird. Wahrscheinlich aber spiegelt diese Behauptung nur die Tatsache wider, dass die VOC von Anfang an ein dauerhaftes Netzwerk aufzubauen bemüht war, während die EIC noch von Fall zu Fall darum kämpfen musste, ihre einzelnen Expeditionen zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund scheiterte die EIC letztendlich an dem Versuch, ein stabiles System von Niederlassungen im Malaiischen Archipel zu errichten. Das javanische Emporium Banten war der erste Anlaufpunkt, an dem sich die Engländer jedoch stets mit der Konkurrenz der VOC auseinandersetzen mussten, da der Sultan des Stadtstaates auf den Erhalt eines freien Hafens bedacht war. Immerhin konnte die EIC hier von 1602 bis 1682 eine Faktorei unterhalten, die anfangs sogar als ihr Hauptsitz in Asien diente. Die angestrebte Festsetzung auf den Molukken führte hingegen zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem niederländischen Konkurrenten. Diese bestanden zwar nicht in regelrechten Seeschlachten, doch überforderten bereits die ständigen Kaperungen und kleineren militärischen Sticheleien die Möglichkeiten der EIC. So war es vor allem die englische Initiative, die zum accord von 1619 führte, in dem nicht nur die Einstellung der Feindseligkeit und die Aufteilung der Handelsbereiche, sondern auch ein erstaunlich hoher Grad an Kooperation im Malaiischen Archipel angestrebt wurden. Die EIC erhielt ein Drittel des Gewürz- und die Hälfte des Pfefferhandels zugestanden und erklärte sich zu gemeinsamen Aktionen bereit, wie sie in der Belagerung von Banten unmittelbar in die Tat umgesetzt wurden. Zu unterschiedliche Auffassungen von der Vorgehensweise und zu unterschiedliche militärische Potenziale führten allerdings schnell zu Streitigkeiten, die das Abkommen kurz nach dem Abschluss schon wieder Makulatur werden ließen. Die von der VOC eingeforderte Beteiligung an einer weiterführenden Handelsexpansion war von der EIC nicht zu leisten. Daneben sorgte die niederländische Gründung Batavias (1619) für Differenzen. Die Engländer hatten noch vor dem accord die

Die angloniederländische Rivalität

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Karte der europäischen Niederlassungen in Indien.

Errichtung einer befestigten niederländischen Zentrale im Bündnis mit Banten militärisch verhindern wollen, mussten aber schnell ihre Unterlegenheit eingestehen. Eine Kooperation in diesem Punkt war auch nach dem Abkommen bei der VOC nicht zu erreichen, die Batavia als kommendes Zentrum des Archipels ganz für sich beanspruchte. Der accord verfiel, noch ehe die Tinte richtig getrocknet war. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen nahmen wieder zu und erlebten ihren Höhepunkt im so genannten Amboina-Massaker von 1623. Um auf den Gewürzinseln ein für alle Mal für klare Verhältnisse zu sorgen, überfielen 200 europäische und 300 bis 400 einheimische Soldaten der VOC die kleine britische Niederlassung auf Ambon. Berichte von Folterungen und Hinrichtungen der englischen Faktorei-Mitglieder erreichten Großbritannien und sorgten für helle Empörung. Sie wurden geschickt kanalisiert, um Stimmung gegen den größten Rivalen zu machen, wurden doch dessen „Verbrechen“ im umgekehrten Fall als notwendige Maßnahmen im Kampf um ein gerechtes Ziel gesehen. In der britischen Geschichtsschreibung galt das Amboina-Massaker lange als Auslöser des Zusammenbruchs des englischen Gewürzhandels im Malaiischen Archipel.50 Dieser war jedoch ins-

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IV. Die britischen Kompanien

gesamt eher eine mittelfristige Frage der Potenziale; der Rückzug aus dem Archipel war bereits vor den Ereignissen auf Ambon aus London angeordnet worden. Auch Indien erlebte Auseinandersetzungen zwischen den beiden westeuropäischen Mächten, die allerdings einen anderen Charakter hatten als im Südosten Asiens. Die Möglichkeiten europäischer Kontrolle waren auf dem Subkontinent weitaus geringer als auf den kleinen indonesischen Inselgruppen. Diplomatische und kaufmännische Konkurrenz stand daher im Vordergrund, was nicht heißt, dass auf Waffen grundsätzlich verzichtet wurde. Weitere Reisen, die vor der Umorganisation der EIC nach Indien unternommen wurden, gingen durchaus mit Demonstrationen der Stärke nicht nur gegenüber den Portugiesen, sondern auch dem Mogul-Reich einher. Entscheidend für die englische Etablierung in Indien war allerdings die bereits erwähnte Mission unter Thomas Roe an den Hof Jahangirs, wenn auch nicht auszuschließen ist, dass der Militärapparat im Rücken für ein günstiges Verhandlungsklima gesorgt hatte. Immerhin hatten weder EIC noch VOC Zweifel daran gelassen, dass hier ein Marktteilnehmer von ganz neuer, wehrhafter Qualität die indischen Küsten erreicht hatte. Beließen es Engländer und Niederländer in Indien untereinander zumeist bei Drohungen, bekamen die Seeverbände des Estado da India mehrfach die militärische Überlegenheit der EIC zu spüren. Deren Präsenz in Asien beruhte auf einem System (cartaz), das durch den Vertrag von Tordesillas legitimiert wurde und von allen Schiffen auf Indischem Ozean und Chinesischem Meer einen portugiesischen Pass verlangte. Da der Estado da India nur über ein grobmaschiges Stützpunktnetz verfügte, spielte der Passzwang im Alltag des asiatischen Seehandels keine Rolle. Die Portugiesen fühlten sich aber berechtigt, auf dieser Grundlage fremde Schiffe aufzubringen und ihre Ladung zu beschlagnahmen – ein Vorgehen, das kaum etwas anderes als staatliche Piraterie darstellte. Die EIC zeigte keine Neigung diese Situation hinzunehmen und setzte ihre wachsenden Militärpotenziale gegen die schnell schwindende portugiesische Vormacht ein. Nicht nur aus dem Malaiischen Archipel musste sich die EIC in ihrer Anfangsphase wieder zurückziehen. Der englische Japan-Handel scheiterte, obwohl ihm in den frühen Planungen gegenüber dem China-Handel Priorität eingeräumt worden war. Vor der Vertreibung aller Europäer aus Japan (1636) war die Kompanie noch in Hirado vertreten; danach hatte sie keine Chance mehr, neben der VOC als zweite Kompanie akzeptiert zu werden. Versuche, in Macau, Manila und auf dem Festland Südostasiens Faktoreien zu etablieren, geschahen ohne Absprache mit der Zentrale und wurden von den Direktoren in London gestoppt. Auch Stützpunkte in Johor und Aceh im äußersten Westen des Malaiischen Archipels waren nicht zu halten. Die Überlegenheit der Niederländer bestand in der größeren Kapitaldecke, in besseren nautischen und geografischen Kenntnissen und in der Tatsache, dass die Vorkompanien der VOC das Feld schon bereitet hatten. Sie konnte dies aber nur dort in uneingeschränkten Erfolg umsetzen, wo es der Markt hinsichtlich seiner Überschaubarkeit und der Kontrollmöglichkeiten zuließ, aber nicht in Regionen, in denen die Weite der Handelswelt eine Vielfalt ökonomischer Ansätze bot. Wären die Ostindien-Kompanien aus-

Die angloniederländische Rivalität

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schließlich für den Gewürzhandel des Malaiischen Archipels gegründet worden, wäre die EIC wahrscheinlich bereits in den 1680er Jahren untergegangen. Die Option, in anderen Regionen, namentlich in Indien, unter anderen Rahmenbedingungen aktiv zu werden, erlaubte es einer anfangs benachteiligten Kompanie, dennoch in Asien Fuß zu fassen. Hinzu kam die verbesserte Situation in England. Vor dem Hintergrund einer sich anbahnenden Wirtschaftskrise als Nachwirkung des 30-Jährigen Krieges wurden am 9. Oktober 1651 die Navigation Acts erlassen, die zwischen 1660 und 1663 mehrere Ergänzungen erfuhren. In erster Linie waren diese Erlasse gegen die auf Re-Export spezialisierten Niederlande gerichtet. Waren aus Übersee mussten nun grundsätzlich auf englischen Schiffen importiert werden. Aus europäischen Ländern waren entweder Importe auf englischen Schiffen, auf Schiffen des Herkunftslandes der Waren oder auf solchen des ersten Ausfuhrhafens gestattet. In diesen Erlassen kam das Interesse der Großkaufleute an der Sicherung ihrer Frachten und auch ihrer guten Beziehungen zu Krone und Regierung zum Tragen; gleichzeitig gab der Staat seinem merkantilistisch motivierten Interesse an der Sicherung des geschäftlichen Erfolges der wichtigsten Kaufleute im Lande Ausdruck. Die Verschärfung protektionistischer Handelspolitik seitens der englischen Krone ging mit drei Seekriegen gegen die Niederlande während der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts einher. Versucht man unter Verzicht auf die Darstellung der einzelnen Kampfhandlungen eine Gesamtbilanz zu ziehen, so lässt sich kein eindeutiger Sieger dieser Auseinandersetzungen feststellen. Allerdings erwies sich England willens und fähig, den einst übermächtigen Niederländern die Stirn zu bieten und ihren globalen Vormachtsanspruch zumindest aufzuhalten. In Asien führte die Phase der angloniederländischen Auseinandersetzungen zu einer faktischen Aufteilung der Interessensphären. In Indien entwickelte sich die EIC zunehmend zur Vormacht, während sie den Malaiischen Archipel weitgehend der VOC überlassen musste. Das periphere Bengkulu auf Sumatra blieb ihr als letzter dauerhafter Stützpunkt in Indonesien, gelegentlich begleitet von temporären Niederlassungen auf Borneo. In anderen Regionen Asiens gingen sich die beiden Mächte weitgehend aus dem Weg, wie auf der Arabischen Halbinsel oder im Persischen Golf, oder pflegten unter festen Rahmenbedingungen friedliche Koexistenz wie später im chinesischen Kanton. Die Rivalität blieb natürlich bestehen, doch bewegten sich die beiden großen Konkurrenten nach Klärung der Interessensphären nie mehr so nahe an der Schwelle zum offenen Krieg wie in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts. Ganz anders gestaltete sich die Situation für die EIC in Indien gegenüber anderen Gegnern, indischen Staaten ebenso wie dem ewigen Rivalen Frankreich.

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IV. Die britischen Kompanien

Die Etablierung in Indien Keine andere Kompanie wird so eng mit der europäischen Unterwerfung des indischen Subkontinents in Verbindung gebracht wie die EIC. Diese konnte sich in Indien bereits ein gutes Jahrhundert zuvor als Handelsunternehmen und nicht erst als administrative Kolonialmacht wie seit dem späten 18.Jahrhundert eine solch starke Position erarbeiten. Aus der Perspektive der Machtverhältnisse betrachtet, stieß die EIC anfangs auf eine starke Position der Portugiesen, die von Goa aus die Gewässer vor Indien dominierten. Zudem setzte der Mogul-Herrscher noch nicht auf die britische Karte, so dass der EIC zunächst ein starker Verbündeter gegen die Portugiesen fehlte. Der Umschwung erfolgte 1613, als sich die Portugiesen auf eine unmittelbare Konfrontation mit Mogul Jahangir einließen und vor Surat eine kleine englische Flotte die portugiesischen Verbände schlagen konnte. Nach der beeindruckenden Demonstration ihrer Stärke erhielt die EIC Handelsvorrechte in Surat. 1616 erfolgte nach den erfolgreichen Verhandlungen Thomas Roes ein farman, ein Privileg, das den Briten günstigere Handels- und Zollkonditionen als den anderen Europäern, ja sogar als den asiatischen Kaufleuten einräumte. Die diplomatische Grundlage dieser Privilegien soll nicht verschleiern, dass sie auch vor dem Hintergrund militärischer, insbesondere maritimer Stärke ausgehandelt wurden. In Indien bestanden keine nennenswerten Kriegsflotten, zumindest nicht in ausreichendem Umfang, um den Europäern auf diesem Feld Paroli bieten zu können. Dieser Umstand war bereits den Portugiesen zugute gekommen, welche im 16. Jahrhundert die eigentliche indische Seemacht waren. Bereits 1611 gründete die EIC eine Niederlassung in Masulipatnam an der Koromandel-Küste, um den Einkauf von Textilien für Südostasien zu organisieren. Die Faktorei ging auf die Initiative zweier niederländischer Privatiers, Peter Floris und Lucas Atheunis, zurück. Eine enge Verflechtung bestand in der Frühzeit der englischen Aktivitäten an der Koromandel-Küste zudem mit der VOC. Der accord von 1619 führte auch in Indien zu einer eher ungeliebten Kooperation zwischen der EIC und ihrem niederländischen Konkurrenten. In Pulicat, wo die VOC ihre wichtigste regionale Faktorei errichtet hatte, wurden sowohl Handel als auch die Unterhaltskosten geteilt. Da dies zu denselben Streitigkeiten führte wie im Malaiischen Archipel, war auch diese Kooperation nur von kurzer Dauer. Seit Mitte der 1620er war die Kompanie an der Koromandel-Küste dann auch in Armagon eigenständig vertreten. Die Gründung ihrer Niederlassung in Madras im Jahr 1640 führte schließlich dazu, dass seit 1641 eine offizielle Zentrale der Faktoreien an der Koromandel-Küste existierte. Nur kurze Zeit nach der Gründung der Niederlassung in Masulipatnam begann die englische Festsetzung in Surat. Noch während der sechsten Reise der EIC nach Asien war Henry Middleton bei dem Versuch, dort Handelsrechte zu erwerben, gescheitert, doch bereits im September 1612 war Thomas Best erfolgreicher. Seit 1613 war die Faktorei in Surat aktiv; es folgten Niederlassungen in Ahmedabad, Burhanpur und Agra. In Malabar befand sich die EIC anfangs in einer äußerst schwachen Position, da sie anders als die

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VOC keine Privilegien hatte erhalten können. Dennoch etablierte sie in Tellicherry, Cochin und Anjengo eigene Faktoreien. Bengalen, das wegen seiner Seidenproduktion und der hohen Qualität seiner Baumwollprodukte für die EIC besonders wichtig war und im folgenden Jahrhundert ihr koloniales Kernland bilden sollte, war zunächst ein schwierigeres Feld für die Kompanie. Erst 1651 wurde in Hugli die erste dauerhafte Faktorei eingerichtet. Ihr folgten Niederlassungen in Belasore, Kasimbazar, Patna, Dhaka und Malda, so dass Bengalen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum regionalen Schwerpunkt in der Indienpolitik der EIC aufstieg. Im Gegensatz zu anderen indischen Regionen begann die EIC ihre Aktivitäten hier mit einem komparativen Vorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz. Vom Mogul hatte sie die Befreiung von Steuern und Abgaben erreicht und zahlte im Gegenzug eine Pauschale von rund 3000 Rupien pro Jahr. Hinzu kamen 1656 noch einmal 3000 Rupien jährlich, zu zahlen an die Hafenbehörden von Hugli, bis zum Aufstieg Kalkuttas der wichtigste Hafen Bengalens. Diese privilegierte Position blieb der EIC durch mehrfache Erneuerung des entsprechenden farman bis in die Epoche erhalten, in der sie selbst die administrative Kontrolle in Bengalen übernahm. Die politische, militärisch abgesicherte Position der Kompanie war die eine Seite der Medaille. Ohne eine andere, nämlich ein solides wirtschaftliches Standbein, hätte sich eine Handelskompanie allerdings kaum nachhaltig in Indien etablieren können. Der EIC gelang ein Einstieg in den Textilhandel, der letztendlich weit über das Engagement eines reinen Händlersyndikats hinausging. Der Handel mit Baumwoll- und Leinenprodukten hatte eine überragende Bedeutung auf allen kommerziellen Ebenen – sei es in Indien, im Rahmen des country trade oder für das Mutterland. In England war das 17.Jahrhundert durch einen grundlegenden Nachfragewandel im Textilbereich gekennzeichnet. Der Bedarf an farbigen Baumwollerzeugnissen ließ ein spezialisiertes Textilveredelungsgewerbe entstehen, allen voran eine blühende Zeugdruckerei. Von dieser ging eine drastisch steigende Nachfrage nach Baumwollstoffen aus, die eine wichtige Grundlage für den Aufstieg der EIC nach den anfänglichen Schwierigkeiten darstellte. Schließlich konnte eine solche Nachfrage nur mit Importprodukten aus Indien, dem größten Baumwollproduzenten der Zeit, gedeckt werden. Dadurch, dass sie sich nicht nur am Rande mit der Verschiffung von Textilien befasste, sondern sich gezielt darum bemühte, so weit wie möglich die Kontrolle über die indische Textilwirtschaft zu erreichen, schuf sich die EIC ein ökonomisches Standbein in einem Bereich, in dem weder Niederländer noch Portugiesen, geschweige denn andere Europäer konkurrenzfähig waren. Aktiv wurde sie in allen wichtigen Regionen des baumwollverarbeitenden Gewerbes: im Hinterland von Madras, in der Umgebung von Masulipatnam zwischen den Flüssen Godaveri und Krishna sowie in Bengalen und Gujarat. In Städten, vor allem aber in gewerblich geprägten Dörfern im Umfeld der urbanen Handelszentren wurden Tuche gewebt, gefärbt und bedruckt. Doch die dezentrale Arbeitsorganisation erschwerte den unmittelbaren Zugang für Europäer, zumal sie außerhalb der islamisch geprägten Regionen auf berufsbezogenen Kasten beruhte.

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„Der indische Webstuhl / Ein Brigbassi.“ Kolorierte Radierung, 1806.

Daher setzte die EIC auf indische Mittelsmänner und unternahm auf diese Weise den Versuch, über Vorbestellungen eine Standardisierung der indischen Textilwaren zu erreichen. Sie konnte dabei auf etablierte Broker (dalal) des traditionellen Textilgewerbes zurückgreifen. Die großen technischen Differenzen und das Beharrungsvermögen indischer Weber vereitelten jedoch eine umfassende Einheitlichkeit der Textilprodukte gemäß den Bedürfnissen des europäischen Marktes. Immerhin gingen im 18. Jahrhundert zwei Drittel der eingekauften Textilien auf Vorbestellungen zurück, während nur beim letzten Drittel auf das tagesaktuelle Marktangebot zurückgegriffen wurde. Indische Weber, Färber und Textildrucker stellten sich aufgrund der starken Marktposition der EIC zunehmend von sich aus auf die europäische Nachfrage ein. Um die Produktion kontrollieren zu können, streckte die EIC den Webern über ihre Mittelsleute Bargeld vor. Das dadurch erzeugte Preisdiktat zwang die indischen Textilproduzenten zunehmend in eine Abhängigkeit von den Mittelsleuten. Hinzu kamen englische Bemühungen, gezielt Fachkräfte im eigenen Einflussbereich anzusiedeln und Innovationen vor allem im Bereich der Webstuhltechnik durchzusetzen.

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Das von der EIC über Jahrzehnte hinweg entwickelte System des Tucheinkaufs beruhte auf drei Komponenten: „1. Ein effizientes System zum Bestellen und Kontrollieren der Stoffe. 2. Eine stabile Machtposition auf den Einkaufsmärkten. 3. Ein Instrumentarium zur Beeinflussung sowohl der Organisation, wie der Technologie des Produktionsprozesses.“51 Gerade die Anstrengungen im technischen Bereich verliefen lange schleppend, führten aber langfristig doch zum Erfolg. Nicht unwesentlich war dabei die Migrationsbereitschaft armer Weber aus Regionen in größerer Entfernung zu den Textilzentren, die sich zu Recht im Einflussbereich der EIC einen verbesserten Lebensunterhalt erwarteten. Im organisatorischen Bereich gelang es der EIC, die Vorherrschaft der indischen Großkaufleute zu brechen, indem sie gezielt den Zusammenschluss kleinerer Händler nach dem Modell des joint stock, das keineswegs rein europäisch war, förderte und diese geschäftlich an sich band. Bei allen Erfolgen hatte jedoch auch diese Medaille ihre Kehrseite, brachte doch eine solche Schwerpunktsetzung die EIC in Abhängigkeit von einer funktionierenden indischen Textilindustrie. Zur Organisation von Textilgewerbe und Warenaustausch baute die EIC ein System von Stützpunkten auf. Diese Faktoreien konnten sämtliche Entwicklungsstufen des von Dietmar Rothermund entworfenen Modells durchlaufen. Entsprechend übernahmen sie am Ende dieser Entwicklung die Organisation der einheimischen Produktion und sorgten für eine Weiterverarbeitung in den eigenen Werkstätten. Die Vielzahl dieser Stützpunkte wurde in drei administrative Großregionen gegliedert, an deren Spitze die presidencies in Madras, Kalkutta und Surat, das später von Bombay abgelöst wurde, standen. Madras war für Koromandel und Kalkutta für Bengalen zuständig, während Surat für Gujarat, die Westküste Indiens sowie Persien, Arabien und den Persischen Golf verantwortlich zeichnete. Die Faktoreien befanden sich bevorzugt an solchen Orten, die Verknüpfungspunkte zwischen den verschiedenen Ebenen des Handels darstellten. Für diese Funktion reichten singuläre Niederlassungen nicht aus. Vielmehr war ein urbaner Charakter des Ortes notwendig, um die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur sicherzustellen. Die Engländer konnten hierbei in Indien wie auch im maritimen Südostasien auf bestehende Strukturen zurückgreifen. Gleichzeitig jedoch sorgten sie in Indien mit ihrem Engagement für einen grundlegenden Wandel im urbanen System des Landes oder, wie es der indische Wirtschaftshistoriker Om Prakash ausdrückt: „Diese Hafenstädte repräsentierten einen Wechsel von regionalen wirtschaftlichen Systemen auf Grundlage einer Verbindung zwischen inländischem Zentrum und Hafen, die sich gegenseitig ergänzten, hin zu einem neuen System, in dem der Hafen die Funktionen von Politik, Administration und Überseehandel in sich vereinte.“52 Für die Hafenstädte bedeutete diese Entwicklung einen Zugewinn an Zentralität, der sie in der Städtehierarchie des Subkontinents aufsteigen ließ und sie im urbanen Netzwerk unentbehrlich machte. Im Malaiischen Archipel waren Hafenstädte mit solch zentraler Bedeutung bereits vor Eintreffen der Europäer weitaus üblicher gewesen. Die Niederländer griffen dementsprechend auf Strukturen zurück, die ihren eigenen Bedürfnissen weitaus näher waren, weswegen die Hafenstädte

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dort auf dem Weg zum Kolonialsystem eine geringere europäische Prägung erfuhren. In Indien waren die Hafenstädte zum Abschluss der Entwicklung angesichts ihrer Funktion weitaus mehr als nur die Orte, an denen englische Faktoreien standen. Auch ohne formale Inkorporation in ein europäisches Staatswesen konnten indische Städte auf diese Weise zum Kern eines Kolonialsystems werden. Ergänzt wurden sie dabei um solche Orte, die sich bereits früh in territorialem Besitz europäischer Mächte befanden und sich erst unter deren Oberherrschaft zu urbanen Zentren entwickelten. Die Ehe Charles II. mit der portugiesischen Prinzessin Katharina von Braganza im Jahr 1661 brachte Bombay als Mitgift unter britische Kontrolle. Ohne unmittelbare staatliche Kolonialinteressen in Indien verpachtete die Krone Bombay an die EIC, die hier ab 1683 ihr Hauptquartier an der Westküste unterhielt. Mit der Umwandlung der Siedlung in eine Marinebasis entstand die erste befestigte Niederlassung der EIC in Indien. Damit revidierte die Kompanie nach rund einem halben Jahrhundert die seit Thomas Roes Mission an den Mogulnhof vertretene Doktrin, sich in Indien ausschließlich auf den Handel zu konzentrieren. Allerdings ging dies ohne eine Eroberung einher, handelte es sich doch zunächst um ein von unwirtlichem Sumpfland umgebenes Fischerdorf, das sich schon länger unter europäischer Kontrolle befand und erst durch die Entscheidungen der EIC urbanen Charakter und militärische Funktion erhielt. Von Bombay ausgehend verfolgte die EIC nun Pläne zu einer verstärkten Militarisierung. Vor allem zwei Gründe spielten dabei eine Rolle. Zum einen bestand nach Ansicht der Leitungsgremien die Notwendigkeit, eine robustere Vorgehensweise gegen die niederländische Konkurrenz an den Tag zu legen, die 1682 mit der Eroberung Bantens endgültig und gewaltsam die Präsenz der EIC im südostasiatischen Handel beendet hatte. Zum anderen war eine Verschärfung der Lage in Indien durch den neuen Mogul zu beobachten. Aurangzeb (1618–1707), der sich 1658/59 in einem Bruderkrieg um die Nachfolge Shah Jahans durchgesetzt hatte, beendete die tolerante Politik seiner Vorgänger gegenüber der hinduistischen Mehrheitsreligion und vertrat im Zuge der einhergehenden Bemühungen um größere zentrale Kontrolle auch eine restriktivere Politik gegenüber der EIC. Diese entschied sich für ein militärisches Vorgehen, um die eigene Position an den Küsten des Mogul-Reiches dauerhaft zu zementieren. Die praktische Umsetzung des Krieges war dann jedoch wenig beeindruckend. Wieder einmal wirkte sich das Problem des übermäßigen Aufwandes aus, zumal das Direktorium in London noch nicht bereit war, sich auf größere militärische Abenteuer einzulassen. Zwar wurden 1684 zehn Schiffe und sechs Kompanien nach Bombay verlegt, doch waren nur zwei von ihnen mit 308 Soldaten einsatzbereit, als die EIC schließlich losschlagen wollte. Ohne dass es zu größeren Auseinandersetzungen gekommen wäre oder gar zählbare Erfolge erzielt worden wären, kam es 1690 zum Friedensschluss mit dem Mogul. Immerhin hatte sich die Kompanie im Zuge ihrer Militäreinsätze Kalkutta als weitere Niederlassung gesichert. Nach dem Tod Aurangzebs und den folgenden Thronwirren waren es abermals diplomatische Missionen, die Erfolge für die EIC verzeichnen konnten. Zwischen 1714 und

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1717 verhandelte unter der Leitung von John Sturman eine gemeinsame Mission der drei presidencies, die eigentlich unabhängig voneinander waren, am Hof Farrukh Siyars, dem bereits sechsten Nachfolger Aurangzebs. Sturman gelang es, drei farmans, welche die höchste Möglichkeit staatlicher Privilegierung im Mogul-Reich darstellten, für die Provinzen Bengalen, Haiderabad und Gujarat auszuhandeln. In Bengalen erlaubte der farman den steuerfreien Handel gegen die Zahlung einer jährlichen Pauschale von 3000 Rupien. Zudem genoss die EIC freies Niederlassungsrecht und durfte Land in der Region von Kalkutta pachten. Auch in Haiderabad wurde künftig steuerfrei gehandelt; lediglich für die Metropole Madras waren 1200 Rupien pro Jahr und die Hälfte der Zollund Grundsteuereinnahmen fällig. Eine Pauschale von 10 000 Rupien als Gegenleistung für die Zolleinnahmen wurde in Surat erwartet. Schließlich erreichte Sturman auch noch, dass die von der EIC geschlagenen Rupien vom Mogul offiziell anerkannt wurden. In Bezug auf das Mogul-Reich hatte sich die EIC auf diesem Wege eine langfristig gesicherte starke Position geschaffen, die schon allein dadurch nicht mehr gefährdet wurde, dass unter den 18 Herrschern, die in den anderthalb Jahrhunderten nach Aurangzeb den Thron innehatten, die alte Macht und der alte Glanz zusehends verfielen.

Die Blüte des Handelsunternehmens Mit der Reorganisation der EIC 1657, welche die Kompanie auf das Fundament eines festen joint stock stellte, verbesserten sich auch ihre ökonomischen Grundlagen. Zur dauerhaften Festsetzung in Indien gesellte sich der Aufschwung ihres Handels. Dies blieb nicht ohne innenpolitische Folgen oder, wie es Philip Lawson, Autor eines lesenswerten Überblicks der EIC-Geschichte, ausdrückt: die EIC wurde Opfer des eigenen wirtschaftlichen Erfolgs.53 In London machte nicht etwa die niederländische Konkurrenz der EIC zu schaffen, sondern die Versuche konkurrierender wirtschaftlicher Interessengruppen innerhalb des Landes, einen Anteil am lukrativen Ostindienhandel zu ergattern. Die Nähe ihres Gouverneurs Josiah Child zu den Stuarts, die 1689 die Macht an das Haus Oranie verloren, erschwerte die Lage der EIC zusätzlich. Für einige Jahre geriet die Kompanie zwischen die Fronten. Unter William III., dem Nachfolger des letzten Stuart-Königs Jacob II., verschärfte sich der Streit über die Möglichkeiten, wie die EIC für den Staat unmittelbarer nutzbar zu machen sei. William strebte eine Kapitalerhöhung an, um dem Staat zusätzliche Geldmittel gegen Zinsen zur Verfügung stellen zu können. Gleichzeitig existierten Bestrebungen, den Ostindienhandel allen britischen Untertanen zugänglich zu machen, die ihren Weg sogar bis in einen Parlamentsbeschluss fanden. Die EIC hingegen war bemüht, sowohl größeren Einfluss seitens des Staates als auch eine größere Öffnung hinsichtlich der Anleger zu verhindern. In dieser angespannten Lage geriet das Monopol der Kompanie in Gefahr, als William zunächst die fällige Verlängerung verweigerte. Mit Unterstützung der Unterhausmehrheit gelang zwar die Abwehr eines solchen Totalverlustes der operativen Grundlage, doch konnte die Neugrün-

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dung einer konkurrierenden Kompanie im Sinne des Königs zunächst nicht verhindert werden. Diese, kurz New Company genannte, Gesellschaft wurde in ihrer Charter vom 5. September 1698 mit den gleichen Handelsrechten für Ostindien ausgestattet wie die bestehende Kompanie. Es bedurfte intensiver Verhandlungen, die sich über beinahe ein Jahrzehnt hinzogen, um 1709 den Zusammenschluss der beiden Gesellschaften unter dem Namen The United Merchants of England Trading to the East Indies oder kurz United Company zu erreichen. Das im allgemeinen Sprachgebrauch weiterhin EIC titulierte Unternehmen zeichnete sich durch eine größere Öffnung aus, da von nun an der Eintritt in den Investorenkreis kein Aufnahmegeld mehr erforderte, sondern nur noch den Anteilserwerb voraussetzte. Zudem wurden dauerhafte Anleihen an den Staat gegen die Übertragung der Besteuerung von Salz und Papier installiert. Auch wenn diese Entwicklung vielen Direktoren der „alten“ Kompanie nicht behagte, ermöglichte sie doch eine breitere ökonomische Basis und verbesserten Kapitalzugang. In der Folge erlebte die EIC während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen kontinuierlichen Gewinnzuwachs. 1734 konnte sogar eine Steigerung um 21,7% im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden. Parallel dazu stiegen die Investitionen in Asien. In den beiden wichtigsten Regionen ihrer Aktivitäten, Koromandel und Bengalen, verfünffachte die EIC ihre Aufwendungen in diesem Zeitraum, was eine flexible Kreditaufnahme erforderte. Dabei wurde auch auf lokale Möglichkeiten zurückgegriffen, bei denen die eigenen Bediensteten eine wichtige Rolle spielten. Ein Wechsel (bill of exchange), der ihnen seitens ihres Arbeitgebers ausgestellt wurde, bedeutete für sie die einfachste Möglichkeit, privat erzielte Gewinne sicher nach Europa zu transferieren. Betrachtet man die europäischen Möglichkeiten in der asiatischen Handelswelt insgesamt, verfügte die EIC über fünf Wege, in Übersee Kapital zu beschaffen. An erster Stelle stand der Import von Edelmetallen aus Europa, während die zweite Möglichkeit, nämlich Waren aus Europa abzusetzen, stets nachgeordnet blieb. Barmittel ließen sich darüber hinaus durch besagte Wechsel für Angestellte und Privatiers sowie auf den lokalen einheimischen Kreditmärkten beschaffen. Schließlich konnte die EIC noch auf Zölle und Abgaben zurückgreifen, vorausgesetzt sie kontrollierte die entsprechenden Häfen. Letztendlich war die EIC auf einen möglichst ausgewogenen Mix aus diesen Möglichkeiten angewiesen, konnte jedoch lange den spürbaren Edelmetallabfluss nicht verhindern. Die Kritik an der merkantilistisch legitimierten Monopolgesellschaft, die auf diese Weise die Volkswirtschaft vermeintlich schwächte, blieb bei allen ökonomischen Erfolgen immer lebendig. Die Entwicklung des Textilhandels war die erste große Erfolgsgeschichte der EIC. Allerdings muss man einräumen, dass es in Wirklichkeit zunächst eine Erfolgsgeschichte der indischen Textilindustrie war, auch wenn sie zunehmend unter britischen Einfluss geriet. Der Anteil der Textilien an den Importen nach Europa stieg bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf über 50%. Grundlage war vor allem ein Modewandel in Europa, dem die traditionelle englische Produktion, die ganz auf Wolle spezialisiert war, nicht mehr begegnen konnte. Der Erfolg asiatischer Textilien in Großbritannien beruhte

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gleichermaßen auf der wohlhabenden Oberschicht, in deren Kreisen sich edle Seidenprodukte großer Beliebtheit erfreuten, als auch auf den breiten Bevölkerungsschichten, die für den Alltagsgebrauch zunehmend Baumwollstoffe nachfragten. Indische Textilien konnten also dank des Handelsnetzes der EIC sowohl den englischen Markt einschließlich seiner Re-Exporte auf das europäische Festland und nach Amerika als auch über den country trade die verschiedenen asiatischen Märkte bedienen. Die Attraktivität dieses Handels war selbstverständlich nicht nur der britischen Kompanie geläufig. Vielmehr herrschte ein heftiger Konkurrenzkampf auf den asiatischen Textilmärkten, bei dem die EIC vor allem gegen die französischen und niederländischen Kompanien alle ökonomischen Mittel einsetzte. Diese reichten von dem bekannten Versuch, durch möglichst hohe Preise den gesamten Markt aufzukaufen, über die Lockerung der Qualitätsmaßstäbe gegenüber den indischen Produzenten und der unterschiedslosen Annahme aller angebotenen Waren bis hin zur Rekrutierung möglichst aller noch nicht vertraglich gebundenen Weber. Folge des Konkurrenzkampfes war eine starke Position der lokalen Weber und der Zwischenhändler bis weit in das 18.Jahrhundert hinein. Gleichzeitig richtete sich gerade das indische Textilgewerbe so weit auf die Europäer als kapitalkräftigste – und auch rücksichtsloseste – Abnehmer aus, dass eine Kompanie wie die EIC einen wesentlichen Teil ihrer langfristigen Stabilität auf dessen Produkten aufbauen konnte. Das zweite Standbein dieser Art war im 18. Jahrhundert der Teehandel, der entscheidend zum Aufschwung der EIC beitrug. Als Luxusgut der höheren sozialen Schichten Großbritanniens setzte sich der Tee bereits während des 17. Jahrhunderts durch. Im 18. Jahrhundert erlebte der Konsum des neuen Modegetränkes dann einen regelrechten Boom. Zwischen 1713 und 1720 importierte die EIC 2 146 000 Pfund nach Europa und in den 1750ern bereits 37 350 000 Pfund. Allein im letzten Jahrzehnt erlebte der Teeimport einen Zuwachs von 85% und eine Wertsteigerung von gut einer Million Pfund Sterling auf knapp 1,7 Millionen.54 Die Steigerung der Importe fiel so intensiv aus, dass in den 1720er Jahren erstmals ein Überangebot auf dem englischen Markt entstand, das nicht zuletzt durch den enormen Konkurrenzkampf mit VOC und Ostende-Kompanie bedingt war. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zog der englische Teekonsum noch einmal deutlich an. Die Nachfrage nach Tee verbreiterte sich durch die Einbeziehung niedrigerer sozialer Schichten; das chinesische Heißgetränk wurde „demokratisiert“. Zwischen 1760 und 1810 vervierfachte die EIC ihre Investitionen in den Teehandel. Dennoch konnten ihre Importe den britischen Bedarf nicht decken. Dies gelang vielmehr den Schmugglern vom Festland, zumindest bis zum Commutation Act von 1784, in dem die auf Tee erhobenen Einfuhrzölle gesenkt wurden. Für die britischen Interessen reichten die neuen Regelungen allerdings nicht aus. Premierminister William Pitt d. J. gelang es, mit dem niederländischen Tee-Importhaus J. J. Voute and Company eine Vereinbarung zur gemeinsamen Monopolisierung des Teehandels zu treffen. Es handelte sich um kein formales, staatlich garantiertes Monopol, aber durch den Zusammenschluss zweier global

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player in diesem Bereich und durch staatliche Subventionen seitens der englischen Regierung gelang es, hinsichtlich des Teeeinkaufs ein Käufermonopol zu errichten. Erst jetzt war die Bedarfsdeckung in England durch den offiziellen Monopolisten EIC möglich. So konnte die EIC durch klassischen merkantilistischen Staatsinterventionismus ihren Konkurrenten im Teehandel am Ende deutlich enteilen. Dass dies nicht von Anfang an so war, zeigte auch die Situation in Asien. Abermals handelte es sich beim Teegeschäft um ein Feld, auf dem die Europäer frei auf einem Markt konkurrierten, der asiatisch bestimmt war. Exportorientierter Teeanbau fand zunächst ausschließlich in China statt, wo er wahrscheinlich seit der Tang-Dynastie (618– 907) praktiziert wurde. Zunächst wurde Tee auf dem Landweg den überregionalen Märkten zur Verfügung gestellt. Die andere asiatische Teesorte aus dem indischen Assam wurde erst unter britischem Einfluss zum Massenexportgut – nicht zuletzt, da die chinesische Teeproduktion für Europäer unzugänglich blieb. China nahm die Chancen der steigenden europäischen Nachfrage gerne wahr, der Teehandel blieb jedoch auf ausgewählte Häfen und konzessionierte Zwischenhändler beschränkt. Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich daraus das Kanton-System, welches den Teeexport auf eine einzige Stadt und einen einzigen streng reglementierten Markt konzentrierte. Ungeachtet der staatlichen Einschränkungen entwickelte sich der Chinahandel über Kanton zum zentralen Ansatz der Eigenfinanzierung des englischen Asienhandels. Seit 1698 unterhielt die EIC eine Faktorei in der Hafenstadt am Perlfluss. Neben Tee wurden hier noch Porzellan, Kupfer, Quecksilber, Alaun und Tutenag – das so genannte „weiße Kupfer“, eine Legierung aus Kupfer, Zink und Nickel – eingekauft. Bezahlt wurde bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein mit Silber. Daneben wurde auch Baumwolle, von der EIC aus Indien importiert, von der chinesischen Seite abgenommen. Im Alltagsgeschäft standen die europäischen Kaufleute in Kanton einem Zusammenschluss der staatlich konzessionierten Hong-Handelshäuser gegenüber, so dass im Grunde europäische Monopolgesellschaften mit einer chinesischen Monopolgesellschaft verhandelten. Auch wenn das Kanton-System sicherlich vielen Wunschvorstellungen der Kompanien nicht entsprach und von der Idee her ganz auf den Vorteil Chinas ausgerichtet war, bot es doch immerhin einen hohen Grad an Zuverlässigkeit und aufwandsparender Routine. Der konkrete Teehandel war Schritt für Schritt durchorganisiert, wie der Schweizer Kaufmann Charles de Constant, der in französischen Diensten stand, Ende des 18.Jahrhunderts zu schildern wusste: „Am Vorabend der Warenübernahme benachrichtigt der Kaufmann seine Kunden, man tariert die Kisten, wiegt sie jede einzeln mit dem Blei und ihrer Schutzhülle, dann wird ihr Gewicht im Buch des Lagerhauses festgehalten, wobei man sich an die Abfolge der Nummern hält, die ihnen zusammen mit dem Zeichen des Schiffes aufgedrückt werden, für das sie bestimmt sind. […] Am nächsten Tag begeben sich die Einkaufsleiter gegen fünf Uhr in der Frühe in das Geschäft (hang) des Verkäufers, dort finden sie dann bereits 600 oder 700 Körbe, angefüllt mit Tee und für die Untersuchung aufgereiht, vor. Davon prüft man vielleicht 20, die man ganz zufällig herausgreift, und

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Die Handelsniederlassungen der Europäer in Kanton. Chinesische Gouache um 1800.

wenn man sich davon überzeugt hat, dass die Qualität weitgehend gleich ist, schreitet man weiter in die Schütthalle (versée). Im Zentrum dieser Geschäftshäuser, die vorwiegend für die Lagerung von Tee verwendet werden, stößt man zuerst auf eine Art Halle […] Dieser große Raum wird Schütthalle genannt und kann eine so große Menge an Tee aufnehmen, dass man damit 200 oder 300 große Kisten füllen kann. Nachdem die Ware als den vertraglichen Bestimmungen entsprechend eingestuft worden ist, stellen sich die Einkaufsleiter in der Schütthalle in gewissen Abständen voneinander auf, dann tragen die Kulis die Körbe herbei und breiten den Inhalt zu den Füßen der Agenten aus. Man testet mit der Nase zwei oder drei Handvoll aus jedem Korb, und diese Arbeit wird ohne Unterbrechung ständig fortgesetzt, wenn man nicht zwischendurch auf einen Korb mit verdorbener Ware stößt. Dieser Vorgang nimmt vielleicht zwei oder drei Stunden in Anspruch […].“55

Nach Constants Ausführungen war mit dieser intensiven Qualitätskontrolle der Ablauf noch lange nicht beendet. Es folgten, abermals unter größtmöglicher Kontrolle, die Reinigung der Teeblätter von Verpackungsrückständen und deren Zerstampfung, bis der Tee endlich in die genormten Kisten mit einem Maximalgewicht von 385 Pfund abgefüllt und in die europäischen Lagerhäuser gebracht werden konnte. Auch die letzten Arbeitsgänge fanden unter dem kritischen Blick der Kompanie-Einkäufer und offiziell bestallter chinesischer Schreiber statt. Auf dieser Grundlage konnte ein zuverlässiger Teehandel abgewickelt werden, der beiden Seiten zum Vorteil gereichte. Störfaktor in diesem System war allerdings der staatliche chinesische Zollaufseher, der in weitreichender Autonomie agierte und nicht selten zum Nachteil beider Seiten des interkulturellen Teehandels seine privaten Interessen verfolgte. Nicht zuletzt deshalb war die EIC nicht gewillt, dauerhaft in den eingespielten Bahnen des Kanton-Systems zu ver-

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bleiben. Der diplomatische Versuch, die eigenen Einkaufsmöglichkeiten über Kanton hinaus auszudehnen, scheiterte in zwei diplomatischen Missionen der Jahre 1759 und 1792. Der kaiserliche Hof in Peking gab der Kompanie unmissverständlich zu verstehen, dass China an englischen Produkten nicht interessiert sei und daher kein Anlass bestünde, die EIC anders zu behandeln als alle anderen Teeeinkäufer im Hafen von Kanton. Die englische Kompanie hatte dort sicherlich eine starke Stellung, da nicht einmal die VOC oder die Compagnie des Indes dauerhaft ebenbürtige Investitionen aufbringen konnte, aber unter den Bedingungen des Kanton-Systems war sie dennoch nur ein auswärtiger Teilnehmer unter vielen. An den Waren Englands war der „Sohn des Himmels“ nicht interessiert, durchaus aber am Silberreichtum der Europäer. Die Beschaffung von Silber war aufgrund der Edelmetallausfuhren aus Spanisch-Amerika in Europa deutlich billiger als in Asien. Nicht zufällig war Cádiz zwischenzeitlich der größte europäische Kapitalmarkt. Asien erlebte enorme Silberimporte angesichts der stetig, manchmal rasant wachsenden europäischen Warennachfrage. Der EIC war es in Indien vielerorts sogar gelungen, den Moguln zur Erteilung des Rechts zu bewegen, aus dem importierten Silber unmittelbar Münzen zu schlagen. Auch wenn diese nicht immer als gleichwertig anerkannt wurden, sorgten sie doch nach der Verteilung über indische Geldhändler für eine spürbare Erhöhung der umlaufenden Geldmenge. Ein entsprechender Preisanstieg konnte nicht ausbleiben. Kirti N. Chaudhuri geht von einer Verzehnfachung der britischen Exportwerte in Silber von 100 000 £ in den 1660er auf 1000 000 £ in den 1750er Jahren aus.56 Zugleich stieg erstmals die Nachfrage nach europäischen Gütern, da deren Preise im Gegenzug sanken. Dieser Effekt führte jedoch nicht zu einer Umkehr der terms of trade. Entscheidend war weiterhin der Abfluss von Edelmetallen aus Europa, was die Kritik an der EIC in England nicht verstummen ließ – ganz in merkantilistischer Tradition, obwohl sich die meisten Kritiker der EIC, die sich vor allem an ihrem Monopol stießen, als glühende Verfechter des Freihandels präsentierten. Eine Lösung des Problems sollte auf Dauer der Opiumhandel bieten. Ursprünglich im Nahen Osten beheimatet, wurde Opium seit dem 8. Jahrhundert auch in Indien angebaut. Der Anbau diente allerdings zunächst der Deckung des Eigenbedarfs als Rauschund Arzneimittel. Erst seit Mitte des 17.Jahrhundert wurde Opium zu einem relevanten Handelsgut und fand seinen Weg vor allem nach China, wo sich der Opiumkonsum von der Oberschicht ausgehend in der gesamten Gesellschaft verbreitete – ganz ähnlich der Teeverbreitung in Europa. Die europäischen Handelsgesellschaften verstanden sehr schnell, dass Opium das einzige Erfolg versprechende Substitut für Edelmetalle im Chinahandel sein konnte. Zunächst kaufte die VOC in Bengalen und Bihar Opium ein, um es in den Malaiischen Archipel zu verschiffen, von wo aus ein beträchtlicher Anteil Kanton erreichte. Die EIC beteiligte sich auf direktem Wege seit 1708 an diesem lukrativen Chinageschäft und ließ die niederländische Konkurrenz schnell hinter sich. In der Frühphase wirken die englischen Opiumlieferungen nach China beinahe noch bescheiden. 200 Kisten zu 130 bis 160 englischen Pfund wurden im Jahr 1729 verschifft; um 1750

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Der Besitzer einer Opiumhöhle leitet seine Arbeiter an. Chinesisch, 19. Jh.

stieg die Zahl auf 600 Kisten. Ganz andere Zahlen wurden zur Jahrhundertwende registriert. 1790 waren es 4540 Kisten, zehn Jahre später 4590 Kisten. In den 1820er Jahren wurde die Schallgrenze von 10 000 Kisten pro Jahr überschritten, und in den 1830ern überstiegen die Zahlen den Wert von 23 000 Kisten.57 Hinter dieser enormen Nachfrage steckte mutmaßlich der Bedarf von mindestens einer Million Opiumrauchern. Bereits seit den 1780er Jahren konnte die EIC damit tatsächlich ihre Silberexporte nach China substituieren; im folgenden Jahrhundert kehrte sich der Silberfluss sogar um. Dieser Geschäftszweig wurde durch Entwicklungen in Indien abgesichert. Die Ausweitung der englischen Territorialrechte in verschiedenen Regionen Indiens, insbesondere in Bengalen, ermöglichte der EIC zunehmenden Einfluss auf den Anbau von Agrarprodukten. Sie setzte vor allem Baumwolle und Opium für das Chinageschäft durch. 1772 erhielt die EIC in Bengalen ein offizielles Monopol für das gesamte Opiumgeschäft, in das sie über Verträge eigene Bedienstete und private Kaufleute einbezog. In Patna und Benares entstanden die Zentralen des englischen Opiumhandels unter Aufsicht von Agenten der Kompanie. 1799 wurde der private Opiumhandel schließlich verboten. Die indischen Bauern waren zu diesem Zeitpunkt bereits vertraglich verpflichtet worden, festgesetzte Anteile des Ackerlandes mit Opium zu bepflanzen und die Ernte an die EIC abzuliefern. Eine Reaktion des chinesisches Herrscherhauses konnte angesichts der sich dramatisch verschärfenden Situation nicht ausbleiben. 1813, 1821 und 1830 wurden die Geset-

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ze gegen den Opiumhandel verschärft, ohne dass sich eine Wirkung zeigte. 1839 griff der kaiserliche Sonderkommissar Lin Zexu zu drastischeren Maßnahmen und ließ 1400 Tonnen Opium vernichten. Diese hatte der Vertreter der EIC in Kanton allerdings gerade noch rechtzeitig zum Eigentum der britischen Krone erklärt. Dadurch war der Anlass für den Opiumkrieg gegeben, der eine grundlegende Änderung des britischen Chinageschäfts einläutete. Auch ein anderer, wenig beachteter Handel mündete in letzter Konsequenz in einen Krieg. Bengalen lieferte nicht nur Textilien, sondern mit Salpeter auch den Hauptbestandteil von Schießpulver. Die Häufung von Kriegen in Europa ließ die Nachfrage sprunghaft ansteigen. Hauptumschlagplatz in Indien war abermals Patna, wo bereits seit 1668 eine EIC-Faktorei bestand. Der Handel mit dem begehrten Produkt lag in den Händen indischer Kaufleute, unter denen sich ein Oligopol herausgebildet hatte, während sich der Nawab von Bengalen zunächst aus dem Marktgeschehen heraushielt – selbst dann noch, als die explodierende europäische Nachfrage die Konkurrenz auf dem Markt Patnas deutlich verschärfte. 1740 einigten sich die drei großen europäischen Akteure, EIC, VOC und Compagnie des Indes, auf eine feste Aufteilung des europäischen Marktanteils. Die Vereinbarung scheiterte jedoch nach wenigen Jahren, ebenso wie die Bemühungen, Einfluss auf den Abbau zu erlangen. Den Europäern gelang es nicht zu verhindern, dass indische Großhändler die dominierende Stellung im Salpetergeschäft behaupteten. Die EIC suchte schließlich einen Ausweg, indem sie zu gewaltsamen Mitteln griff. Unter anderem wurde einer der Oligarchen des Salpeterhandels inhaftiert. Solche Vorgehensweise rief dann doch den Nawab von Bengalen auf den Plan, der bisher nur an einem lebendigen Markt interessiert gewesen war. Nun war es so weit gekommen, dass sich die Europäer massiv in innere Angelegenheiten Bengalens einmischten. Das Ergebnis dieser Entwicklung war der Krieg der EIC gegen Bengalen, der die Kompanie endgültig vom Prinzip des sparsamen Einsatzes kriegerischer Maßnahmen innerhalb der Bandbreite strategischer Optionen wegführte. Auch wenn es gelegentlich den Anschein hat, war die EIC nicht ausschließlich am indischen und chinesischen Handel beteiligt. Ein wichtiger Aktionsraum während der Frühphase ihrer Expansion war Persien. Im Bündnis mit dem Safawiden-Shah Abbas I., mit dem zusammen Hormuz erobert worden war, konnte sich die EIC in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts im Persischen Golf etablieren. Niederlassungen errichtete die Kompanie im eroberten Hormuz, das seine wirtschaftliche Bedeutung rasch verlor, daneben in Jask, in der Hauptstadt Isfahan und in Bandar Abbas, das an Stelle von Hormuz in eine zentrale Rolle hineinwuchs. Einen Rückgang erlebte der englische Handel in der Phase von den 1650er bis zu den 1680er Jahren. Nicht zuletzt die private Konkurrenz machte der Kompanie zu schaffen, vor allem aber die gestiegene Bedeutung des Golfs von Bengalen und die zunehmende Konkurrenz durch die VOC auch in diesen Gewässern. Dennoch gelang den Engländern Ende des 17. Jahrhunderts eine Wiederbelebung des anfangs so erfolgversprechenden Persienhandels. Das Hauptexportgut der Region war persische Seide, die als Alternative zur besonders teuren chinesischen in Europa sehr

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erfolgreich war. Im Gegenzug war Persien ein interessanter Absatzmarkt, da das schiitische Reich die einzige asiatische Region darstellte, die an englischen Exporttextilien interessiert war. 80 bis 90% der nach Persien ausgeführten Güter waren Tuche, so dass die EIC am Golf eine deutlich ausgeglichenere Handelsbilanz als in Ostasien erreichen konnte. Allerdings war der persische Markt insgesamt und auf Dauer nicht groß genug, um eine zentrale Rolle im System der Kompanie zu spielen. Im 18. Jahrhundert erlebte ihr Handel einen schleichenden Rückgang; die Position des 17. Jahrhunderts konnte nicht mehr erreicht werden. Das erneute Einrücken in die malaiische Welt nach der weitgehenden Vertreibung durch die VOC 1684 war eine vergleichsweise späte Entwicklung in der Geschichte der EIC. Sie stand in engem Zusammenhang mit der Plantagenwirtschaft, die sich in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts entwickelte und zu einem weiteren wichtigen Standbein nicht nur der englischen Kompanie wurde. Ihren Ausgang nahm sie im englischen Einflussbereich auf Sumatra, wo in erster Linie Kaffee und Pfeffer angebaut wurden. Für Pfeffer gab es zu dieser Zeit eine steigende asiatische Nachfrage im Rahmen des country trade. Kaffee setzte sich hingegen in Europa zunehmend als weiteres Genussmittel neben dem Tee durch. Ende des 18. Jahrhunderts resultierte daraus ein regelrechter Handelsschub im Malaiischen Archipel. Dies brachte zunächst neue Kultivationsformen von Pfeffer, Kaffee und Gambier mit sich, die neue Arbeitsmärkte eröffneten und zur Migration von Arbeitskräften führten. Hierdurch veränderte sich wiederum die Sozialstruktur, da sich im Zuge des Zustroms fremder Arbeitskräfte die traditionellen Abhängigkeitsverhältnisse grundlegend wandelten. Zudem waren die nun häufig monokulturell geprägten Regionen abhängig von Reisimporten. Die machtpolitisch schwachen Herrscher im politisch zersplitterten Westen des Malaiischen Archipels begünstigten eine starke Positionierung der EIC, die auf diese Weise in den Vorherrschaftsbereich der VOC eindringen konnte, aus dem sie vor einem guten Jahrhundert verdrängt worden war. Einheimische Herrscher in der Straße von Malakka waren froh über einen neuen Bündnispartner gegen die VOC, aber auch gegen thailändische Expansionsbestrebungen und die zunehmende Machtfülle der sulawesischen Bugis, die weite Bereiche des regionalen Wirtschaftslebens unter ihre Kontrolle bringen konnten. Die bald aufblühenden Gründungen Penang, das die EIC in Kooperation mit dem indigenen Herrscher zum Umschlagplatz für Opium ausbaute, und Singapore, das ab 1819 als neues Emporium errichtet wurde, waren die sichtbaren Manifestationen der neuen Stellung der EIC im maritimen Südostasien. Auf der Malaiischen Halbinsel entwickelte sich im 19. Jahrhundert ebenfalls ein starkes Interesse an der Plantagenwirtschaft, die hier vorrangig Kautschuk betraf, sowie zunehmend am Bergbau in den zahlreichen malaiischen Zinkminen. Diese Geschäfte lagen allerdings vermehrt in der Hand von Diasporachinesen, wovon die EIC eher indirekt, aber immer noch gewinnbringend profitierte. Das fortschreitende 18. Jahrhundert sah aber auch eine gewisse Selbstbeschränkung der EIC, die eng mit ihrem kommenden Funktionswandel einherging. Die Kompanie

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konzentrierte sich auf ihr Kerngeschäft, den euroasiatischen Handel auf der ersten Ebene und den sinoindischen Warenaustausch auf der zweiten Ebene, während sie den country trade der zweiten und vor allem dritten Ebene möglichst früh in private Hände zu legen suchte. Dabei handelte es sich vielfach um ihre eigenen hochrangigen Bediensteten, welche die Infrastruktur ihres Arbeitgebers nutzen konnten, um ein lukratives Privatgeschäft aufzubauen. Aus dieser Verknüpfung von Kompanie- und Privathandel bezog die britische Wirtschaftsexpansion in Asien einen Gutteil ihrer Dynamik. Andererseits wurden interloper, also Privatiers, die das bestehende Monopol aus Sicht der Kompanie durchbrachen, nach wie vor heftig bekämpft. Ende des 18. Jahrhunderts war der britische country trade nahezu vollständig von privaten Händlern übernommen worden, während die Kerngeschäfte durch bewaffnete Protektion und fortschreitende administrative Durchdringung abgesichert wurden. Um die Jahrhundertwende konnte die EIC kaum noch als Handelsunternehmen im engeren Sinne bezeichnet werden. Neben den im Folgenden anzusprechenden kolonialen Eroberungen machte sich im Geschäftsleben während des 18.Jahrhunderts ein hohes Maß an Professionalisierung, um nicht zu sagen Bürokratisierung bemerkbar. Die Geschäftsabläufe unterlagen auch und gerade in Übersee einer exakten Planung, wodurch die Bedeutung von Verwaltungstätigkeit anwuchs. Zudem gehörten vermehrt Arbeitsbereiche zum Geschäftsablauf, die eine administrative Kontrolle von Territorien voraussetzten, wie dies hinsichtlich von Steuereinnahmen, der Steuerung der Agrarwirtschaft und der Ausrichtung der Textilindustrie auf den europäischen Markt der Fall war. Seit Mitte des 18.Jahrhunderts wandelte sich die einst mächtige Handelsgesellschaft zu einer ebenfalls mächtigen, doch gänzlich anders orientierten Kolonialagentur.

Der Übergang zur Kolonialagentur Formen der kolonialen Territorialherrschaft dienten den Ostindien-Kompanien zunächst als Strategien zur Absicherung ihrer handelspolitischen Position in den verschiedenen Regionen Asiens. Erst in der Spätphase ihrer Geschichte, bedingt durch ein Bündel unterschiedlicher, teilweise auch gegensätzlicher Faktoren, entwickelte sich eine expansionistische Dynamik, die weit über den ursprünglichen Zweck hinausführte und im englischen Fall zur eigentlichen Aufgabe der Kompanie wurde. Im Unterschied zur VOC, die durch interne Fehlentwicklungen einerseits und durch das Schicksal des Mutterlandes andererseits noch vor dem Übergang zur territorialen Kolonialmacht von der Bühne verschwand, konnte die EIC zunächst ungehindert von der europäischen Mächtekonstellation den Schritt zur Kolonialherrschaft vollziehen. Die Weltgeschichte konnte das Paradoxon beobachten, dass die EIC einerseits der erfolgreiche Wegbereiter der britischen Kronkolonie Indien wurde, ihr Ende als Handelsgesellschaft andererseits genau dieser Wegbereiterschaft verdankte. Hinsichtlich der Ursachen dieses allmählichen, aber fundamentalen Wandels ist die

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Forschung noch weit von einer einheitlichen Position entfernt. Während Stig Förster die eigenmächtige Politik der men on the spot, ihren „Sub-Imperialismus“, betont,58 legen die führenden britischen Imperialismusforscher Anthony Hopkins und Peter J. Cain besonderen Wert auf die Rolle des Zentrums London.59 In seiner Untersuchung der Kolonisierung Bengalens hat Michael Mann hingegen ein Wechselspiel der unterschiedlichen Interessen im britischen Mutterland und in Indien ausgemacht.60 Allen Interpretationsrichtungen ließen sich, mehr oder weniger eindeutig, zahlreiche andere Autoren zuordnen. Fest stehen dürfte bei allen Unterschieden in der konkreten Faktorenanalyse, dass kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Schaffung von Rohstoff- und Absatzmärkten für die Industrialisierung in Großbritannien bestanden hat, wie viele ältere Imperialismusdeutungen voraussetzen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass sich die koloniale Expansion der EIC nur aus einer Verflechtung der Interessen von Regierung, von Investoren und Direktoren sowie von Vertretern der Kompanie vor Ort in Asien erklären lässt. Zwar mussten die men on the spot ihre Vorgehensweise gegenüber London rechtfertigen, ja waren im Prinzip sogar weisungsgebunden, doch galten auch im späten 18.Jahrhundert noch immer die Bedingungen der „unfreiwilligen Dezentralität“. Die lokalen Residenten mussten nach wie vor nur allzu häufig auf eigene Verantwortung handeln, wodurch natürlich auch die Tore für Eigenmächtigkeiten geöffnet waren. Unautorisierte militärische Aktionen ließen sich relativ einfach mit übertriebenen Gefährdungsszenarien rechtfertigen, die in London nicht überprüfbar waren, konnte die Zentrale doch nur auf die Informationen ihrer Verantwortungsträger vor Ort zurückgreifen. Die Interpretation, dass dem „Sub-Imperialismus“ der men on the spot keine unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen, sondern ausschließlich sicherheitspolitische Maximen zugrunde lagen, löst diese Vorgehensweisen allerdings zu sehr aus ihrem historischen Zusammenhang. Sie neigt dazu, die britische Expansionsphase in Indien und später in Südostasien als isoliertes Phänomen zu betrachten. Immer noch war es die Handelsgesellschaft EIC, deren Akteure Großbritannien in Asien vertraten, und ihr Bestreben Steuereinnahmen zu erzielen war insofern wirtschaftlich motiviert, als dass durch sie ein Ausgleich der Bilanz erzielt werden sollte. Die Idee stammte bereits aus Zeiten, als militärische Maßnahmen tatsächlich nur zum Schutz der Handelsposition eingesetzt wurden. Zugleich handelte es sich um ein Instrument, zentrale Wirtschaftsbereiche unter größere Kontrolle zu bringen. Dies galt vorrangig für die Textilproduktion und für den Einfluss auf die Landwirtschaft. Es waren die Bauern, die den Löwenanteil der Steuereinnahmen aufbrachten, und gleichzeitig waren sie diejenigen, die das britische Verlangen nach cash crops in Gestalt von Opium und Baumwolle befriedigen mussten. Dass die notwendigen Ausgaben für militärische Einsätze wiederum höheren Finanzbedarf zeitigten, der durch Einkünfte aus weiteren territorialen Expansionen gedeckt werden sollte, war die Konsequenz, nicht jedoch der Ursprung. Die Öffnung der EIC zu Beginn des 18. Jahrhunderts ermöglichte zwar ausländisches Kapital, das vor allem aus den Niederlanden zufloss, aber auch mit diesem wären die anschwellenden

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Kriegskosten allein nicht finanzierbar gewesen. Insofern war ein gleitender Übergang von einer Verbreiterung der ökonomischen und fiskalischen Basis hin zu vornehmlich sicherheitspolitisch und strategisch begründeten Aktionen zu beobachten. In der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurden Kriege nicht nur zum bestimmenden Faktor in den Bilanzen der Kompanie, sondern ließen deren Grenzen zum Staat nach und nach verwischen. Die eigenen Kapazitäten der Kompanie reichten immer weniger aus, um alle benötigten Truppenkontingente aus eigener Kraft aufzustellen. Der vermehrte Einsatz regulärer britischer Truppen war die Folge, bis schließlich im ersten Opium-Krieg gegen China (1839–1842) ein primär an den Marktinteressen der Kompanie orientiertes Ziel mittels eines staatlichen Feldzuges durchgesetzt wurde. Auch wenn die Schilderung der Kriegsereignisse an dieser Stelle weder ausreichend Platz hat noch angemessenen Nutzen verspricht, muss den kriegerischen Auseinandersetzungen dieser Zeit angesichts ihrer prägenden Rolle doch Beachtung geschenkt werden. Die Kriege der EIC sind vor einem doppelten Hintergrund zu sehen. Auf der einen Seite ging es um die Absicherung der Handelsinteressen in Asien, und so mancher Direktor oder Investor träumte von exorbitanten Ausweitungen des Asienhandels durch territoriale Expansion, die mit Hilfe von Steuereinnahmen finanziert werden sollte. Diese Hoffnung zerschlug sich sehr bald, da die Steigerung des Steueraufkommens nie mit der Potenzierung der Militärkosten Schritt halten konnte. Das Regierungsinteresse an der Absicherung des einmal Erreichten blieb jedoch bestehen. Auf der anderen Seite sind die Aktionen in Asien durchaus vor dem Hintergrund europäischer Auseinandersetzungen zu sehen. Großbritannien hatte sich im Spanischen Erbfolgekrieg (1701– 1713) die maritime Vormacht in Europa und auf den Weltmeeren gesichert, doch wuchs Frankreich im weiteren Verlauf des Jahrhunderts zunehmend zum größten Rivalen heran. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich in England zwei politische Denkrichtungen. Die eine Seite befürwortete eine Konzentration auf die Mächtebalance in Europa, wodurch den Kolonien nur eine zweitrangige Bedeutung blieb. Die Gegenseite erhob die Forderung nach einer globalen Durchsetzung englischer Interessen gegenüber europäischen Rivalen, also auch in Nordamerika und in Asien. Gemeinsam waren beiden Positionen der Interventionismus und die Vorstellung, dass das Königreich die Rolle des Wächters im europäischen Kräftegleichgewicht zu spielen hätte. Letztendlich setzten sich der globale Ansatz und die damit verbundene Vorstellung eines britischen Empire durch. Aufgrund ihres Monopols, ihres semistaatlichen Charakters und ihres etablierten Netzwerkes wurde die EIC zwangsläufig zum Vertreter dieses Empires in Asien. Auch dieser politische Hintergrund musste gegeben sein, damit aufwändige militärische Aktionen zum häufig gewählten strategischen Mittel der Kompanie werden konnten. Die Politik des Gegenspielers Frankreich in Indien wurde vor allem von der Person Joseph François Dupleix’ geprägt. Der Sohn eines wohlhabenden Landwirts war 1720 im Alter von 23 Jahren nach Indien gekommen, wo er eine beispiellose Karriere machte, die ihn als wohlhabenden Mann 1742 in das Amt des französischen Generalgouverneurs

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führte. Unter seiner Leitung versuchte die Compagnie des Indes zu Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740–1748) zumindest in Asien die Neutralität zu bewahren. Die EIC lehnte einen Waffenstillstand jedoch in ihrem neuen Verständnis als Vertreter des britischen Empires ab. Auch eine eingeschränkte Neutralität zwischen Madras und Pondicherry ließ sich nicht herstellen. Erst die Kaperung französischer Schiffe durch die EIC brachte Dupleix dazu, eine aggressive und expansive Politik zu verfolgen. Im ersten Karnataka-Krieg eroberte die französische Flotte 1746 Madras, wodurch der englischen Position in Indien ein schwerwiegender Schlag versetzt wurde. Der Frieden von Aachen (1748) sorgte allerdings für die Wiederherstellung der Vorkriegsverhältnisse. Trotz des Friedensschlusses in Europa ging in Indien der Krieg um die Vorherrschaft an der Koromandel-Küste weiter. Durch eine geschickte Bündnispolitik mit diversen indischen Regionalfürsten konnte sich die Compagnie des Indes wieder in eine vorteilhafte Position bringen. Diese endete schlagartig mit der Abberufung Dupleix’ im Jahr 1752. Zuvor hatten die Briten für eine Wende in den Auseinandersetzungen gesorgt, als im Handstreich Arcot genommen wurde. Dupleix war im Gegenzug an der Belagerung von Trichinopolis gescheitert, wo sich verbündete Truppen der EIC und des Nawab von Bengalen verschanzt hatten. Zwei Jahre nach Dupleix’ unfreiwilligem Abgang wurden die Feindseligkeiten im Vertrag von Pondicherry schließlich eingestellt. Was mit einer militärisch ausgetragenen Rivalität zwischen zwei europäischen Mächten um eine möglichst günstige Position in Südasien begonnen hatte, mündete in eine territoriale Expansionspolitik. Während die französische Seite zwar eine kleine, bis ins 20. Jahrhundert bestehende indische Kolonie begründet hatte, jedoch mit dem Vertrag von Pondicherry alle weiteren Bestrebungen zurückstellen musste, begann auf englischer Seite nun eine unaufhaltsame Ausbreitung über ganz Indien. Diese Expansion stand anfangs in engem Zusammenhang mit dem Namen Robert Clive, dem Sohn eines kleinen Grundbesitzers aus traditionsreicher Familie, der 1743 im Alter von 18 Jahren als Sekretär in die EIC eingetreten war. Sein erster Dienstort wurde Madras, wo er die Kapitulation der englischen Niederlassung miterlebte. In der Folge trat er als Fähnrich in die Streitkräfte der Kompanie ein, in denen er eine steile Karriere bis hin zum Oberbefehlshaber machte. Er kommandierte die Truppen, die Arcot eroberten und damit das Ende der Ära Dupleix auf französischer Seite einläuteten. Seine weiteren Erfolge sollten die entscheidenden Schritte zur ersten kolonialen Durchdringung Indiens sein. Die Schlüsselrolle für den ersten großen Expansionsschub und die britische Kolonialstaatswerdung spielte Bengalen. Hier beteiligte sich die EIC im Jahr 1757 an einem Staatsstreich, der längst von reichen Kaufleuten und von dem Nawab von Bengalen unterstehenden rajas vorbereitet war. Eine Kooperation lag sowohl im Interesse der Kompanie als auch der Rebellen. Zudem hatte der bengalische Herrscher mit der Eroberung Kalkuttas im Zuge der Auseinandersetzungen um den Salpeterhandel die offenen Kriegshandlungen eröffnet. Robert Clive konnte die britische Zentrale schnell und ohne große Verluste zurückerobern. Der sich anschließende Bengalen-Krieg, der 1764 mit dem Sieg britischer Truppen bei Baksar endete, führte zur faktischen Entmachtung des

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Nawab. Bereits zuvor hatte die Kompanie sukzessive Steuerrechte in Bengalen übernommen. 1765 musste der Mogul der übermächtigen EIC schließlich den diwan zugestehen, also die vollständige Steuerhoheit einschließlich der relevanten Rechtssprechung. Bengalen wurde zum Modellfall für ganz Indien. Die Erwerbung der Steuerrechte bildete für die EIC die ideale Grundlage, um ihre macht- und wirtschaftspolitischen Interessen vor Ort durchzusetzen. Dabei griff sie zunächst auf die gewachsenen Strukturen des mogulischen Steuersystems zurück, legte aber 1789 im permanent settlement die Steuerbedingungen dauerhaft fest, wodurch die Freiheiten der indischen Steuerpächter (zamindars) beschnitten wurden. Vor allem zwei indische Gegner, die in das Visier der britischen Expansion gerieten, verdienen aufgrund ihrer Bedeutung noch eine Erwähnung. Die Marathen, eine Föderation kleinerer hinduistischer Herrscher mit Ursprung im nördlichen Bergland, profitierten in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts vom Verfall des Mogul-Reiches und weiteten ihren Machtbereich in dessen Provinzen aus, wodurch sie, zumindest in der offiziellen Gefahrenanalyse der men on the spot, zur unmittelbaren Gefahr für die britische Position wurden. In zwei Kriegen wurden sie schließlich besiegt, was 1817/18 einen Aufwand von immerhin 120 000 Soldaten auf englischer Seite erforderte. Der andere Gegner, dem ein übergroßes Bedrohungspotenzial zugewiesen wurde, war das eigentlich hinduistische Mysore in Südindien unter den muslimischen Herrschern Haider Ali (1761–1782) und Tipu Sultan (1782–1799). Es bedurfte mehrerer Kriege, um den Expansionismus dieses Rivalen zu beenden. Erst in der vierten kriegerischen Auseinandersetzung, die mit dem Tod Tipu Sultans endete, konnte sich die EIC durchsetzen und Mysore unter der restaurierten Hindu-Dynastie zum britischen Vasallen machen. Das Ende der Mysore-Expansion und der Marathen-Föderation bedeutete auch das Ende militärisch potenter Landmächte in Indien, die der britischen Expansion hätten entgegentreten können, und brachte zugleich die endgültige Etablierung eines stehenden Heeres als zweites Standbein der EIC neben der Bürokratie mit sich. Diese Phase der Kompaniegeschichte war auch die Stunde expansionsorientierter Generalgouverneure, deren Amt mit den Umstrukturierungen des Jahres 1773 geschaffen wurde. Herausragende Persönlichkeiten wie Cornwallis oder Wellesley konnten relativ frei agieren und durch ihre Politik das Gesicht Indiens nachhaltig verändern. Charles Cornwallis war zwischen 1786 bis 1793 Generalgouverneur in Indien. In dieser Zeit wurde er der erste Sieger über Tipu Sultan von Mysore, den er 1793 bei Bangalore entscheidend schlug und zum vorläufigen Friedensschluss zwang. Daneben profilierte er sich auch als Reformer, der das Steuer- und Rechtssystem der Kompanie modernisierte. Zwischen 1798 und 1805 bekleidete Richard Wellesley das Amt des Generalgouverneurs. Er eroberte am 4. Mai 1799 Mysores Hauptstadt Srirangapatna, wodurch die MysoreKriege endgültig beendet wurden, und unternahm ab 1803 den erfolgreichen Feldzug gegen die Marathen-Föderation, der nicht zuletzt das Ende des französischen Einflusses im Landesinneren einläutete. Mit dessen Beseitigung und der Eingliederung von Mysore und den Marathen in das britische System wurde Wellesley zum eigentlichen Begründer

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Sepoy-Soldaten, aus Einheimischen gebildete Truppen in Britisch-Indien. Kolorierte Radierung, 1806.

des britischen Empires in Indien, wenn man dies an Persönlichkeiten festmachen will. Er führte jedoch auch die Konsolidierung der Verwaltung fort und gründete mit dem College Fort William in Kalkutta die erste Fachschule für britische Kolonialbeamte. Der Erste, der das Amt des Generalgouverneurs von Indien bekleidete, war Warren Hastings. Er kann als Schüler, Erbe, aber auch als Pervertierung von Robert Clive betrachtet werden. Bereits 1750 als Schreiber in die EIC eingetreten, absolvierte er eine imposante militärische Karriere unter Clive, bevor er 1764, inzwischen Ratsmitglied in Kalkutta, nach England reiste. Nach seiner Rückkehr 1769 brachte er es bis 1772 zum Gouverneur von Bengalen und mit Schaffung des Amtes 1773 schließlich zum Generalgouverneur. Einerseits war er ein Mann, der die EIC auf ihrem Weg zur Kolonialagentur entscheidend prägte; unter seiner Führung wurden die notwendigen Verwaltungsreformen eingeleitet, die erreichte Machtposition der Kompanie durch Feldzüge gegen die Marathen und gegen Benares gesichert und ausgedehnt, die ihr zufließenden öffentlichen Einnahmen gesteigert. Der Name Warren Hastings steht aber auch für den Miss-

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brauch einer solch einflussreichen Position. Nicht nur seine erklärten Gegner warfen ihm vor, zwölf Jahre wie ein Alleinherrscher regiert zu haben, der sich in militärische Abenteuer stürzte, begleitet von Brandschatzungen und Folter, und alle verfügbaren Finanzen auf Kosten der steuerzahlenden Inder in deren Finanzierung steckte. 1785 abberufen, nachdem sein Förderer Lord North die Regierung verlassen hatte, wurde ihm zwischen 1788 und 1795 in London der Prozess gemacht (impeachment), der zwar mit einem Freispruch endete, Hastings aber sein gesamtes Vermögen kostete. Die Herrschaftsform der EIC in Indien zeichnete sich durch indirekte Einflussnahme auf einheimische Herrscher aus, die vor dem Hintergrund einer militärischen, aber auch ökonomischen Drohkulisse so weit ausgebaut wurde, dass sie den lokalen Herrschern faktisch ihre Souveränität raubte. In der kolonialen Alltagsrealität Indiens wurde so, lange bevor Lord Lugard das theoretisch fundierte Konzept der indirect rule gegen Ende des 19.Jahrhunderts im Norden Nigerias entwickelte, ein wesentliches Element des britischen Imperialismus geboren. Organisatorischer Kern des indischen Systems war der Resident, der die EIC am Hof des indigenen Fürsten vertrat, was diesem die Bezeichnung residency system einbrachte. Juristischer Kern waren Verträge zwischen der Kompanie und den indischen Staaten, in denen letztere eben jene Residenten in ihrer herausgehobenen Position anerkannten, britische Truppen auf ihrem Territorium gestatteten und die eigene Außenpolitik in die Hände der EIC legten. Spätestens jetzt steckt die Geschichte der EIC mitten in der indischen Kolonialgeschichte. Dies betrifft das politische System Indiens, das eine zunehmende Destabilisierung sowie die Ausweitung der britischen Annexionen erlebte. Dies betrifft auch die Wirtschaft, in der die Textilproduktion endgültig unter britische Kontrolle kam. Durch das EIC-kontrollierte Produktionssystem wurde ein erster entscheidender Schritt zur Industrialisierung Indiens getan; gleichzeitig wurde diese aber auch gezielt eingeschränkt, um den Interessen der britischen Industrie, die beinahe zeitgleich ihren Aufschwung erlebte, Genüge zu tun – wie auch eine eigene indische Schwerindustrie, beispielsweise im Eisenbahnbau, auf möglichst niedrigem Niveau gehalten wurde. Die Gewichtung von Anschub und Behinderung der indischen Industrialisierung durch den britischen Einfluss ist in der Forschung allerdings nicht abschließend geklärt. Darüber hinaus betrifft dies die Umwelt. Die Ausbreitung von Monokulturen dank der Durchsetzung von cash crops hatte teilweise verheerende Folgen für die Qualität der Ackerböden und damit für die Lebensgrundlage der Bauern. Hinzu kam der Verlust weiter Waldgebiete aus dem gleichen Grund und wegen des steigenden Holzbedarfs der EIC. Und schließlich ist das Personal der Kompanie selbst betroffen, dessen Mitglieder sich zunehmend von Vertretern einer Kaufmannsgesellschaft zu Verwaltungsbeamten wandelten. Damit einher gingen die Notwendigkeit neuer Qualifikationen und der Beginn einer entsprechenden Ausbildung, wodurch sich ein neuer, spezifischer Typus der men on the spot herausbildete, der typische Vertreter des britischen colonial service. All dies hatte seine Ursprünge in der Historie der EIC, ist aber im Kern und in den langfristigen Entwicklungen bereits eine andere Geschichte.

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Zu ergänzen ist lediglich noch, dass sich diese Entwicklung nicht auf Indien beschränkte. Zum einen wurden in den letzten beiden Jahrzehnten der EIC die indischen Errungenschaften durch Feldzüge im Sind, im Sikh-Gebiet und in Burma abgesichert. Zum anderen fasste die Kompanie Fuß in Malaya, wohin sie während des 18. Jahrhunderts die erwähnte wirtschaftlich motivierte Expansion geführt hatte. Machtpolitisch erlebte das frühe 19. Jahrhundert dann eine Ausweitung des Einflussbereichs nach Osten, als in den Wirren um die Napoleonischen Kriege nicht nur die VOC untergegangen war, sondern auch der niederländische Staat zugunsten einer Vasallenrepublik Bonapartes vorübergehend aufgehört hatte zu existieren. In der Folge übernahm die EIC, beseelt von der Vorstellung einer Pax Britannica für ganz Asien, die Vorherrschaft in Indonesien. Batavia wurde bis 1818 Residenz eines britischen Gouverneurs, bevor der Wiener Kongress dafür sorgte, dass der Malaiische Archipel dem neu entstandenen Königreich Niederlande „zurück“erstattet wurde und in Ermangelung einer Kompanie unter staatliche Kolonialherrschaft kam – wenn auch zunächst nur dem Anspruch nach. Mit Thomas Stamford Raffles trat auch hier ein Vertreter der men on the spot in den Vordergrund. Als Mann mit großem Erfahrungsschatz – war er doch bereits mit 14 Jahren im Dienst der EIC nach Asien gekommen und seit 1805 im malaiischen Penang stationiert – wurde er 1811 Gouverneur in Batavia. Dort ergriff er Maßnahmen zur weiteren kolonialen Durchdringung der Insel, die von der VOC bis dahin weitgehend unter militärisch-politische Kontrolle gebracht worden war. Er initiierte Landvermessungen, gab der europäischen Präsenz eine neue Verwaltungsstruktur und führte allgemeine Bodensteuern ein. Dass er dabei zufällig auch zum Entdecker Borobudurs wurde, des größten buddhistischen Tempelkomplexes außerhalb Indiens, zeigt den Forscherdrang, der diese men on the spot häufig zusätzlich zu ihren dienstlichen Überzeugungen leitete. Als 1818 die Niederländer nach Indonesien zurückkehrten, blieb Raffles in Südostasien und übernahm die Niederlassung in Bengkulu. Von hier aus unternahm er Anfang 1819 eine Expedition an die Südspitze der Malaiischen Halbinsel und legte auf einer vorgelagerten Insel, die zum verbündeten Sultanat Johor gehörte, den Grundstein für die zukünftige Metropole Singapore. Spätestens dieses Ereignis symbolisierte den Übergang zur britischen Kolonialherrschaft auch im malaiischen Raum. Als sich für die EIC die Machtfrage auch im Operationsbereich China stellte, verfolgte sie keine so weitgehenden Ansprüche wie in Indien. Aber auch die Absicherung ihrer Handelsinteressen, die sie wegen der strittigen Opiumeinfuhren in Konflikt mit dem chinesischen Staat brachte, ließ eine Interessendurchsetzung mit militärischen Mitteln zur ultima ratio werden. Der Erste Opiumkrieg (1839–1842) schlug im Verhältnis der EIC zum britischen Staat eine neue Seite auf. Schließlich waren es die Kanonenboote der Royal Navy, welche die Öffnung der wichtigsten chinesischen Häfen erzwangen. Eine Folge des Vertrages von Nanking (1842) war die Gründung der Kronkolonie Hongkong auf einem Territorium, das bereits im Januar 1841 besetzt worden war. Dieses Ereignis bedeutete nicht nur einen weiteren territorialen Besitz der EIC, sondern auch den Beginn der Einbeziehung Chinas in den imperialen Einflussbereich, das informal empire

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Großbritanniens. Ausgangspunkt der Ereignisse waren die Handelsinteressen der EIC gewesen, für deren Durchsetzung benötigte die Kompanie jedoch den britischen Staat; die Grenzen waren endgültig verwischt. Der Rückgang der ursprünglichen Wirtschaftskraft im asiatischen Kerngeschäft ging Hand in Hand mit der Umstrukturierung der Kompanie und den konsequenten Bemühungen der Regierung, ihren Einfluss zu verstärken und festzuschreiben. Dies blieb nicht ohne Wechselwirkungen. Der rein wirtschaftliche Niedergang begann nicht zuletzt mit der Entscheidung des Parlaments von 1767, Teile der Steuer- und Zolleinnahmen aus Indien abzuschöpfen. Dass der Zugriff auf die Steuereinnahmen eine eigentlich auf Handel ausgerichtete Kompanie wesentlich schwächte, ist ein deutlicher Hinweis auf deren Übergang zur Kolonialagentur. Mit dem sogenannten Regulations Act von 1773 erhielt die EIC eine neue Charter, die ganz die Handschrift des Premierministers Lord Frederick North trug. Zur Verbesserung der Rentabilität wurden die Eigengeschäfte der Mitarbeiter eingeschränkt und es wurde ihnen ein verantwortungsvolleres Verhalten abverlangt. Gleichzeitig wurde die Verwaltungsstruktur in Asien durch die Einrichtung des Postens eines Generalgouverneurs und eine übergeordnete presidency in Kalkutta zentralisiert. In der Heimat wurde durch die Erhöhung der Mindesteinlage und das Verbot der Stimmenaufteilung die Gruppe der Entscheidungsträger konzentriert, während sich die Krone das Recht auf Ernennung der Gouverneure in Übersee vorbehielt. Proteste gegen diesen Charakterwandel der Kompanie blieben ohne Erfolg; der Weg zur Kolonialagentur wurde auch in Hinblick auf die staatliche Privilegierung unumkehrbar. Der Prozess wurde im India Act 1784 durch die Nachfolge-Regierung unter William Pitt d. J. fortgesetzt. Die Einrichtung eines ständigen secret committee verdeutlicht das zunehmende Gewicht des politischen Elements; der Einfluss der Krone wurde durch das board of control weiter verstärkt. Der ebenfalls im India Act angekündigte Verzicht auf koloniale Ausdehnung blieb nicht zuletzt angesichts der Auseinandersetzungen mit dem französischen Rivalen reines Papier. Weitere Schritte des Wandels folgten im 19. Jahrhundert. So musste die EIC ab 1813 Mittel für das Erziehungswesen bereitstellen, während in Großbritannien selbst erst 1833 eine staatliche Finanzierung eingeführt wurde. Das Handelsmonopol der Gesellschaft wurde 1823 endgültig beseitigt. Für ihre Position in Asien war dies allerdings kaum noch relevant. Das Vorgehen des längst offen expansionistischen britischen Staates und die Strategien der ehemaligen Handelskompanie EIC waren kaum noch voneinander zu trennen. Insofern war es nur noch ein formaler Akt, dass der Government of India Act von 1858 alle von der EIC ausgeübte Macht und alle von ihr beherrschten Territorien auf den Staat übertrug und die Existenz der Kompanie offiziell beendete. Die Verwaltungsstrukturen vor Ort blieben weitgehend unverändert bestehen; lediglich in England übernahm ein Ministerium fortan die oberste Verantwortung. Somit waren die dem India Act vorausgegangenen dramatischen Ereignisse, die vielfach als Beleg angesehen wurden, dass die EIC das falsche Instrument für den weiteren Aufbau eines britischen Indiens darstellte, allenfalls noch von symbolischem Wert. Für die indische Geschichte hingegen war die als Sepoy-Aufstand oder Great Mutiny be-

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kannte Erhebung größerer Truppenkontingente (1857–1859), die sich an einem Streit um „unreine“ Patronen entzündete, letztlich aber auf ein ganzes Bündel sozialer und religiöser Verwerfungen zwischen Briten und Indern zurückging, eine bedeutende Zäsur. Für die Geschichte der EIC markierte sie lediglich ein Ende, das bereits seit Jahren vorgezeichnet war. Nachdem die loyalen Truppen der britischen Kolonialmacht in einer überaus blutigen Auseinandersetzung die Aufständischen, denen sich große Bevölkerungsteile angeschlossen hatten, niedergeworfen hatten, war der britische Staat in allen Belangen der Rechtsnachfolger der EIC in Asien.

V. Gewürze, das Gold des Ostens – Die niederländischen Kompanien Die Vorkompanien Gerne wird die niederländische VOC als Vormacht unter den Ostindien-Kompanien während der ersten Phase ihrer Präsenz in Asien, also bis in die 1680er Jahre, beschrieben. Diese Sichtweise sollte jedoch nicht zu einer Unterbewertung der englischen EIC führen, die zwar Rückschläge einstecken musste, aber gleichzeitig die Grundlagen für ihre spätere Bedeutung in dieser Zeit legen konnte. Dennoch sind zu Recht einige Unterschiede in der Frühphase auszumachen. So setzte die VOC mehr Kapital ein und sandte mehr Schiffe nach Asien; und vielleicht war es sogar hilfreich, mit der Fleute über einen idealen Schiffstyp für den bewaffneten Langstreckenhandel zu verfügen. Wesentlich war auf jeden Fall, dass die Niederländer dank älterer Kontakte über einen Erfahrungsvorsprung verfügten. Zwar wurde die VOC erst zwei Jahre nach der EIC gegründet, doch verkehrten bereits Jahre zuvor niederländische Handelsexpeditionen im maritimen Asien. Für ihre Betreibergesellschaften hat sich die Bezeichnung Vorkompanien eingebürgert. Die Kenntnisse der Seewege zu den asiatischen Reichtümern nahmen gegen Ende des 16.Jahrhunderts in den Niederlanden deutlich zu. Es handelte sich nicht mehr, wie noch wenige Jahrzehnte zuvor, um Geheimwissen der Portugiesen. Bedeutende Gelehrte, allen voran der Mercator-Schüler Petrus Plancius, fungierten als Berater der ersten holländischen und seeländischen Reisen nach Asien. Ihnen gelang es, der niederländischen Kartografie eine führende Rolle in Europa zu erobern, die in einem aufblühenden Gewerbe ebenso zum Ausdruck kam wie in der Entwicklung hochwertiger vertraulicher Karten für den Gebrauch innerhalb der Kompanien. Wesentliche Grundlagen lieferten Berichte von Seeleuten, die in portugiesischen Diensten nach Asien reisten. Unter ihnen nahm Jan Huygen van Linschoten, der zwischen 1584 und 1592 als Angestellter des Estado da India und der Fugger den Indischen Ozean befuhr, eine herausragende Stellung ein. Unter Einbeziehung portugiesischer Quellen, zu denen er in Goa Zugang erhielt, veröffentlichte er 1596 sein Itinerario. Linschoten steht damit beispielhaft für den zu seiner Zeit gängigen Rückgriff auf das portugiesische Wissen über asiatische Länder, auf ihre Errungenschaften auf dem Gebiet nautischer Instrumente oder auf ihre Routen nach Indien. Dieses Wissen war umso bedeutsamer, als die niederländischen Versuche, eine alternative Nordostpassage zu erkunden, spätestens mit der unfreiwilligen Überwinterung der Expedition von Willem Barents auf Nowaja Semlja (1596/97) gescheitert waren. Einbezogen wurde darüber hinaus seitens der Niederländer das Wissen asiati-

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scher Seefahrer – eine Entwicklung, die ebenfalls schon vor der Gründung der VOC einsetzte.61 Die erste offizielle niederländische Reise, für die eigens in Amsterdam die Compagnie van Verre gegründet und mit einem Freibrief von Prinz Mauritz ausgestattet worden war, stach 1595 in See. Sie bestand aus vier Schiffen und erforderte eine Investition von 290 000 Gulden, von denen allein 100 000 zum Ankauf von Gewürzen in Ostindien dienen sollten. Die Expedition stand unter der Leitung von Cornelis de Houtman und Gerrit van Beuningen und konnte sich Petrus Plancius’ als Berater versichern, der Linschotens Itinerario als Vorabdruck mit sich führte. Die Schiffe kamen bis Banten; die vorgesehene Weiterreise zu den Molukken musste abgebrochen werden, da Streitigkeiten der beiden Kommandeure untereinander und mit der Besatzung eine Umkehr erzwangen. Auch wenn eher Unwägbarkeiten und Abenteuer als kühler Geschäftssinn ihren Aufenthalt im Malaiischen Archipel bestimmten, kehrte die Flotte, zwar in schlechtem Zustand, immerhin doch in die Heimat zurück und erschien dort der interessierten Öffentlichkeit erfolgreich genug, um Nachfolger zu finden. Nach ihrer Rückkehr liefen bereits 1598 fünf Expeditionen verschiedener Kompanien von unterschiedlichen Hafenstädten aus. Neben einer Amsterdamer Flotte unter Jacob Cornelis van Neck mit beachtlichen acht Schiffen verließen drei Schiffe das seeländische Middelburg, zwei den Hafen von Veere auf Walcherem und fünf Rotterdam. Daneben entsandte ein Zusammenschluss von Kaufleuten aus Rotterdam, Amsterdam, Noort und einigen kleineren Küstenorten eine fünfte Flotte nach Asien. In den folgenden drei Jahren schlossen sich neun weitere Fahrten an. Die Oude Compagnie aus Amsterdam erwies sich mit vier Fahrten und insgesamt 18 Schiffen als die stärkste Gesellschaft, die jedoch mit der Nieuwe Brabantse Compagnie, die zwei Fahrten mit insgesamt sechs Schiffen ausrüstete, einen Konkurrent in der eigenen Stadt erhielt. Daneben spielte die Provinz Seeland die wichtigste Rolle. Beständiges Ziel all dieser Ostindien-Expeditionen blieb das Emporium Banten auf Java, das nicht nur für die Vorkompanien den entscheidenden Gewürzumschlagplatz darstellte. Die Verantwortlichen dachten allerdings von Anfang an über die Sunda-Straße hinaus. 1599 erreichte Wybrand van Warwijck als erster niederländischer Kommandeur die Molukken, als er Ambon und Ternate ansteuerte. Eine Teilexpedition unter Jacob van Heemskerck gelangte sogar bis zu den Banda-Inseln und nach Sulawesi. Insgesamt sandten die Vorkompanien also 15 Flotten mit insgesamt 65 Schiffen in den Malaiischen Archipel, auf den sich zu dieser Zeit die niederländischen Interessen beinahe ausschließlich konzentrierten. Dieser enorme Aufwand des größten maritimen Konkurrenten, der zudem noch äußerst erfolgreich zu sein schien, stellte einen der Gründe dar, der die englische Seite zur raschen Gründung der EIC veranlasste. Innerhalb der Niederlande gab es bald verschiedene Tendenzen, gegen die Zersplitterung in zahlreiche konkurrierende Unternehmungen anzugehen. Bereits nach der Rückkehr der ersten Flotte fusionierte in Amsterdam ein gerade erst gegründetes Unternehmen mit der bestehenden Compagnie van Verre zur Oude Compagnie. Dieser

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Zusammenschluss investierte dann 1598 in die Flotte Jacob van Necks, die dem zeitgenössischen Vernehmen nach ein sagenhafter Erfolg gewesen sein soll. Von 300%, gar 400% Gewinn war und ist bis heute die Rede, auch wenn sich die Zahl nicht eindeutig belegen lässt. Dennoch blieb das Problem bestehen, mit dem die britische Konkurrenz noch Jahrzehnte zu kämpfen haben sollte: Die Kompanien wurden ausschließlich für Einzelreisen und zur unmittelbaren Realisierung des Gewinns gegründet, wodurch keine Kontinuität des Geschäftes erzielt werden konnte und die Vorkompanien zwangsläufig in Asien kaum mehr als Besucher blieben. Zudem trug diese Situation im noch jungen niederländischen Staatswesen nicht gerade zur inneren Einheit bei. Und schließlich drohte der konkurrierende Gewürzimport die Preise zu verderben. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich schnell politischer Druck, die verschiedenen Kompanien zu vereinigen. Insbesondere der Landadvocaat von Holland, Johan van Oldenbarnevelt, sah in dem Konkurrenzkampf der Vorkompanien und dem Überangebot an Gewürzen auf dem niederländischen Markt eine Gefahr. Entsprechend war es zunächst auf seine Initiative hin eine Kommission der Staaten von Holland, die einen Oktroi-Entwurf für ein gemeinsames Unternehmen entwickelte. Das entscheidende Problem, das solchen Plänen entgegenstand, war das tief sitzende Misstrauen zwischen Amsterdamern und Seeländern, da letztere stets eine Übermacht der holländischen Konkurrenten befürchteten. Dies sollte sich bis in die Organisationsstruktur der VOC auswirken. Zunächst war also noch kein allgemeiner Zusammenschluss möglich; vielmehr versuchten die Streithähne ihre Kräfte zu bündeln. 1600 wurde in Middelburg die Verenigde Zeeuwse Compagnie gegründet; weniger später folgte als Antwort aus Amsterdam die Eerste Vereinigde Compagnie op Oost-Indië tot Amsterdam, die bereits mit einem Monopol ausgestattet war, das sich zwar noch auf städtischer Ebene bewegte, aber doch die späteren VOC-Privilegien weitgehend vorwegnahm. Als 1601 die Staaten von Holland die Situation vor den Generalstaaten thematisierten, wurde der öffentliche Druck für die Seeländer schließlich zu groß, um sich weiterhin zu widersetzen. Außerdem wurde ihnen zunehmend klar, dass sie selbst von einer Einigung nur profitieren konnten, da sie nicht so erfolgreich agierten wie die Konkurrenz aus Amsterdam und zudem staatliche Protegierung nur für ein gemeinsames Vorgehen zu erwarten war. Dennoch blieben es zähe, langwierige Verhandlungen, die sich immer wieder in Details verloren. Der Wert der Vorkompanien, deren Geschichte mit dem erfolgreichen Ende dieser Verhandlungen und dem Oktroi von 1602 endete, lag für die VOC einerseits in der Akkumulation von Wissen und dem Aufbau von Kontakten in Asien, andererseits in der Bereitstellung von erfahrenem Personal sowie mit dem Geschäft vertrauten Investoren, die das Risiko bereits einzuschätzen gelernt hatten. Das „Vereinigte“ im Namen der VOC war also nicht nur politische Absichtserklärung; vielmehr war die neue Kompanie eine unmittelbare Fortführung des bereits Bestehenden.

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Karte der europäischen Niederlassungen im Malaiischen Archipel.

Die Etablierung der VOC Dank der Aktivitäten der Vorkompanien stand eine ausgerüstete Flotte schon bereit, als die erste Reise der neu gegründeten VOC am 18. Dezember 1603 gestartet wurde. Mit zwölf bewaffneten Schiffen stach Admiral Steven van der Haghen in See. Er hatte eindeutige Anweisung, auf seiner Fahrt auch militärisch gegen die Portugiesen in Indien und an den ostafrikanischen Küsten vorzugehen, nicht jedoch gegen die anzulaufenden asiatischen Häfen. Der martialische Auftritt gelang so überzeugend, dass die Portugiesen 1605 kampflos ihr Fort Victoria auf Ambon übergaben. Zuvor war van der Haghen der gängigen Route der Vorkompanien gefolgt und hatte neben einem längeren Aufenthalt in Banten auch Makassar einen Besuch abgestattet. Dreh- und Angelpunkt der frühen niederländischen Reisen, sowohl der Vorkompanien als auch der VOC, war die javanische Hafenstadt Banten,62 die am Eingang der Sunda-Straße über eine ausgezeichnete Lage verfügte und ihren Aufstieg erst ein knappes Jahrhundert zuvor erlebt hatte. Banten profitierte von der Eroberung Malakkas durch die Portugiesen im Jahr 1511 und war von Anfang an ganz auf den maritimen Handel ausgerichtet. Es handelte sich, für diese Breiten ungewöhnlich, um eine geplante Stadt, die sich um ihr kaufmännisches Zentrum mit Markt und Hafen entwickelte. Von Beginn an lebte in Banten eine multiethnische Händlergesellschaft, die eine besonders starke chinesische Präsenz aufwies. Beim Eintreffen der ersten Niederländer war das

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Amt des Hafenmeisters, die handelspolitisch wichtigste Position, fest in chinesischer Hand. Im Hafen handelten Türken, Araber, Perser, Bengalen, Gujaratis und andere Inder vorrangig mit Pfeffer, molukkischen Gewürze und chinesischen Luxuswaren. Die Ankunft der ersten Westeuropäer und die folgende dauerhafte Präsenz von VOC und EIC in der Stadt forcierten sowohl die hervorgehobene Stellung der chinesischen Gemeinde, da ihre Mitglieder als Mittelsleute benötigt wurden, als auch die Involvierung des Sultans selbst in den Handel, da der Machthaber durch die Kompanien erstmals offiziell um Privilegien angegangen wurde. Solches Bemühen hatte für die Niederländer allerdings in erster Linie ein schlechtes Verhältnis zum Regenten des minderjährigen Sultans zur Folge, der die Konkurrenzsituation im Hafen aufrechterhalten wollte, um die zentrale Rolle Bantens dauerhaft zu sichern. Den Ansprüchen der VOC, ein Monopol im Bereich der Gewürze Südostasiens aufzubauen, konnte die Situation dauerhaft nicht genügen. Die Direktoren in Amsterdam entschieden sich für eine Konzentration der Kräfte auf einen zentralen Stapelplatz, eine zentrale Regierung in Übersee und ein zentrales strategisches Ziel in Gestalt des molukkischen Gewürzmonopols – ganz wie es Cornelis Matelief, Oberbefehlshaber der zweiten VOC-Reise, bereits anregt hatte. Eine Konsequenz war die Gründung eines eigenen Emporiums, das als administrative Zentrale und wichtigster Warenumschlagplatz der eigenen Einflusszone fungieren konnte. Angestrebt wurde ein Zentrum, das die Verbindung zwischen allen Handelsebenen herstellen und eine möglichst dominierende Rolle im Zentralitätsgefüge der südostasiatischen Emporien einnehmen konnte. Den geeigneten Standort fand die Kompanie schnell in der weniger bedeutenden Stadt Jayakatra an der Mündung des Ciliwung-Flusses, deren hinduistische Vorläufersiedlung, die mit den Portugiesen in Kontakt gestanden hatte, 1527 von Banten zerstört worden war. Vor diesem Hintergrund erhob das Sultanat Herrschaftsansprüche über die Nachfolgesiedlung, die sich schnell zu einem, wenn auch sekundären, Warenumschlagplatz entwickelt hatte. Diese Funktion machte sie aber auch für die VOC zu einer attraktiven Alternative. Zudem war hier ein schwacher lokaler Herrscher beheimatet, der nur über eine von mehreren tausend Sundanesen bewohnte, von Bambuspallisaden umgebene urbane Siedlung ohne ernsthafte Ausstrahlung in das Hinterland gebot und somit auch unerwünschten Neuankömmlingen wenig entgegenzusetzen hatte. Bereits 1613 errichtete die VOC ein Lagerhaus vor den Toren Jayakatras, das nach und nach zu einem Fort ausgebaut wurde. Weder die EIC noch das Sultanat Banten waren zunächst bereit, den Ansprüchen der VOC nachzugeben. Allerdings waren sie sich auch nicht einig genug, um sie ernsthaft verhindern zu können. Mehrere Militäraktionen der beiden Konkurrenten und auch Jayakatras selbst wurden gegen die VOC durchgeführt, ohne mehr zu erreichen als einen vorübergehenden taktischen Rückzug der Niederländer. Als ihr Generalgouverneur Pieter Willemszoon Coen 1619 mit frischen Truppen von den Molukken zurückkehrte, konnte er die Belagerungen der Faktorei beenden, Jayakatra endgültig in niederländischen Besitz überführen und nach der völligen Zerstörung der Siedlung auf ihren Ruinen die niederländische Stadt Batavia gründen.

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Ansicht Batavias aus dem Atlas van Stolk, 1754.

Die zweite Konsequenz aus der Konzentrationspolitik bestand in einem einheitlichen Lenkungsgremium in Übersee. 1609 wurde mit Pieter Both erstmals ein Generalgouverneur ernannt, der 1610 Banten erreichte. Mit Batavia bekam dieses Amt unter dem vierten Inhaber Pieter Willemszoon Coen eine uneingeschränkt eigene Residenz, welche auch die Hohe Regierung (Rad van Indië), das höchste Gremium der VOC in Asien, beherbergte. Die dritte Konsequenz schließlich war die Festsetzung der VOC auf den Molukken. Der Einkauf von Gewürzen in Emporien, selbst unter privilegierten Bedingungen, reichte für die angestrebte Vormachtstellung nicht aus. Das Monopol unmittelbar auf den Gewürzinseln zu suchen, war bei weitem keine neue Idee; schon die ersten Expeditionen hatten auf allen wesentlichen Inseln Exklusiv-Verträge abgeschlossen, die sich allerdings aus niederländischer Sicht als wertlos erwiesen hatten, und das aus drei Gründen. Zunächst hatten diese für die einheimischen Machthaber angesichts der stets wieder entschwindenden europäischen Flotten nicht die gleiche Bedeutung wie für die Niederländer. Daneben verfügten Vorkompanien und frühe VOC noch nicht über hinreichende Möglichkeiten, ihre Ansprüche auch tatsächlich durchzusetzen. Und schließlich befand sich eine erhebliche portugiesische, spanische, englische, aber auch chinesische, malaiische oder javanische Konkurrenz auf den Molukken, die ebenfalls in ständigen Verhandlungen ihre Interessen durchzusetzen versuchte. Letztendlich jedoch konnte keine dieser Gruppen auf Dauer der Entschlossenheit der VOC, in diesem Kernbereich alle verfügbaren Mittel einzusetzen, Entscheidendes entgegensetzen. Die Festsetzung der VOC auf Ambon vollzog sich in kleinen Schritten. Die Portugiesen waren von Anfang an zu schwach, um auch nur an Widerstand zu denken. Die Eng-

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länder hingegen unternahmen immerhin den Versuch, sich ebenfalls zu etablieren und eine Faktorei zu betreiben. Dieser Versuch endete trotz aller vorherigen Kooperationsversuche 1623 im erwähnten Massaker von Amboina. Komplizierter gestaltete sich die Situation gegenüber den Einheimischen. Mehrfach wurde der VOC seitens indigener Autoritäten der exklusive Zugriff auf die Gewürznelken der Insel zugesagt. Bei dem Versuch, diesen in die Tat umzusetzen, stieß sie jedoch immer wieder auf Widerstand, der auch bewaffnet ausfallen konnte. Erst 1655 wurde in einer militärischen Aktion die Insel Ambon aus Sicht der VOC weitgehend „befriedet“. Der Zugriff auf den Gewürzanbau blieb auch dann nicht uneingeschränkt. Insbesondere das benachbarte Ceram wurde zum Hort unkontrollierten Gewürzanbaus, weswegen sich die VOC immer wieder veranlasst sah, Expeditionen zur Vernichtung der vermeintlich illegalen Nelkenpflanzungen (exstirpatiën) durchzuführen. Dennoch blieb ein einheimischer Gewürzhandel auf der dritten Handelsebene bestehen. Kaum anders verlief die niederländische Festsetzung auf Ternate und Tidore. Nach der Vertreibung der Portugiesen blieb bis 1662 eine wenig bedeutende spanische Niederlassung bestehen, welche die niederländischen Ambitionen jedoch nicht beeinträchtigen konnte. Das Verhalten der Sultane der kleinen Inselstaaten blieb lange Zeit ambivalent und bewegte sich zwischen dem Bestreben, die VOC als wichtigsten Kunden zu binden, und den Widerständen im eigenen Land gegen eine fremde Vormacht. Die ungeklärte Situation wurde 1684 nicht zuletzt unter Androhung militärischer Lösungen in der „Unterwerfung auf ewig“ des Sultanats Ternate beendet. Dieses Datum wird gerne, zusammen mit dem Ende des unabhängigen Sultanats Banten im gleichen Jahr, als Höhepunkt der niederländischen Machtentfaltung in Südostasien angesehen. Etwas anders entwickelte sich der Handel mit Muskatnüssen und Mazis, denn auf Banda ging die Kompanie noch wesentlich weiter als auf den übrigen Gewürzinseln. Die südlichste Molukkengruppe sah nicht nur eine abermalige Vertreibung der Portugiesen und Briten, sondern auch ein radikales Vorgehen gegen die indigene Bevölkerung, das in modernen Begrifflichkeiten durchaus als Genozid bezeichnet werden kann. Zunächst hatte die VOC einen äußerst problematischen Anfang ihrer Beziehungen zum Banda-Archipel erlebt. Dessen kriegerische Einwohnerschaft, die in heftige Fehden untereinander verstrickt war, machte es den Neuankömmlingen nicht leicht. Einmal geschlossene Abkommen mochten in der nächsten Siedlung schon nicht mehr gelten. 1608 fiel Pieter Willemszoon Verhoef sogar einem Hinterhalt der Bandanesen zum Opfer, der wahrscheinlich von einem gerade vor Ort operierenden britischen Kapitän gestützt wurde. Auf der größten Insel, Banda-Neira, konnte dann trotz der ersten Rückschläge Fort Nassau errichtet werden, doch war die Situation bei weitem noch nicht geeignet, den Ansprüchen in Amsterdam und Batavia zu genügen. 1621 leitete Generalgouverneur Coen die konsequente Eroberung Bandas ein. In ihrem Zuge wurden 47 bandanesische Führungspersönlichkeiten nach Folter hingerichtet, 800 Bandanesen als Sklaven nach Java verschifft. Wer sich der Sklaverei nicht fügte, wurde entweder bedingungslos getötet oder konnte in das unwirtliche Innere der Inseln

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fliehen. Dort verhungerten die meisten Geflohenen. Ihre Zahl lässt sich nicht mehr zuverlässig rekonstruieren, doch kann man wahrscheinlich von mehreren tausend Opfern sprechen – angesichts der Größenordnung des kleinen Archipels in der Tat ein Völkermord. Das fruchtbare Land der Inseln wurde von der VOC konfisziert und an private niederländische Pächter, so genannte perckeniers, verteilt. Diese bewirtschafteten den Muskatanbau von nun ab mit eigens dafür importierten Sklaven. Die sich bis in die 1660er Jahre hinein wild fortpflanzende Frucht wurde zu einem echten Plantagenprodukt kultiviert. Insofern war Banda die erste und lange Zeit einzige rein koloniale Plantagenwirtschaft im Bereich der Ostindien-Kompanien. Darüber hinaus gelang es der VOC auf dem europäischen Markt, die Produkte der Banda-Inseln als einzig echtes Muskat zu verkaufen. Das vermeintliche Monopol beruhte also nicht zuletzt auf einem geschickten Marketing in Europa, während in Asien nach wie vor konkurrierende Produkte anderen Ursprungs auf den Märkten zu finden waren.63 Kurzfristig existierte in einigen Kreisen der VOC die Vorstellung, die so erreichte Position nach dem Vorbild Spanisch-Amerikas auszubauen. Generalgouverneur Coen selbst legte 1623 Pläne zur Gründung von Siedlungskolonien im Malaiischen Archipel vor,64 in denen er die langfristige Ansiedlung niederländischer Farmer anstrebte. Dieses Vorhaben ließ sich nicht, das war Coen völlig klar, ohne einen umfangreichen Privathandel realisieren. Die Attraktivität einer Ansiedlung im Malaiischen Archipel sollte durch den freien Handel aller Produkte außer Gewürzen, die das unantastbare Kerngeschäft der VOC darstellten, garantiert werden. Zusätzlich hielt Coen eine Ausfallbürgschaft durch den Staat für unabdingbar. Die Investoren in der Heimat strebten im Gegensatz zu ihrem Generalgouverneur jedoch kurzfristig realisierbare Gewinne an. Auch waren weder willige Siedler noch ausreichende staatliche Finanzhilfen in Sicht. Also blieb die VOC zunächst ein reines Handelsunternehmen, das sich zur Absicherung des eigenen Netzwerkes mit einem Stützpunktkolonialismus begnügte. Zu dieser Form des Kolonialismus gehörte es auch, die wichtigsten zentralen Orte des Handelssystems im maritimen Südostasien uneingeschränkt unter eigene Kontrolle zu bringen. Die daraus resultierenden Eroberungen von Malakka (1641), Makassar (1667) und Banten (1684) wurden bereits mehrfach erwähnt; bei anderen zentralen Orten der malaiischen Handelswelt wie Aceh oder Johor reichte der Druck einer flottentechnisch überlegenen Macht völlig aus. Aufgrund des Ursprungs einiger der wichtigsten Gewürze und der strategischen Möglichkeiten, eine Suprematie aufzubauen, wurde der Malaiische Archipel von Anfang an der eigentliche Schwerpunkt der VOC. Dies bedeutete jedoch nicht, dass andere Regionen Asiens außerhalb ihres Interesses lagen. Auch andernorts konnte die VOC Erfolge verbuchen, wenn auch meist unter anderen Rahmenbedingungen. Die Palette der attraktiven Produkte war breit genug, um Indien, China und Japan von Anfang an in den Blick der Kompanie zu rücken. Die Verhältnisse in diesen Regionen erlaubten allerdings nicht, die gleiche Vorgehensweise wie im Archipel zu wählen.

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Ein eigener Japan-Handel, um den sich die VOC seit Beginn des 17. Jahrhunderts bemühte, erschien aufgrund des Angebots an Gold, Silber, Kupfer, Kampfer, Getreide und einigen anderen Luxuswaren wie Lackarbeiten außerordentlich lukrativ. Immerhin war Japan seit dem 16. Jahrhundert zum zweitgrößten Silberlieferanten nach Spanisch-Amerika aufgestiegen. Aber auch als Absatzmarkt für vielfältige europäische Güter und Waren des country trade spielte Japan eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dabei fungierten die Europäer als Schaltstelle des japanischen Chinahandels, da dieser den eigenen Untertanen verboten war und chinesische Kaufleute nicht geduldet wurden. Chinesische Seide spielte daher in den niederländischen Geschäften eine prominente Rolle. 1605 durfte ein Kapitän, der fünf Jahre zuvor als Bediensteter einer Vorkompanie in Japan gestrandet war, das Inselreich verlassen, ausgestattet mit einer offiziellen Handelserlaubnis für die Niederlande. Die Expedition der VOC unter Admiral Pieter Willemszoon Verhoeven, die 1607 Texel verließ, hatte in der Folge ausdrückliche Order, einige Schiffe nach Japan zu entsenden. Zwei von ihnen erreichten 1609 den kleinen südjapanischen Hafenort Hirado. Trotz intensiver Intrigen der bereits in Japan tätigen Portugiesen und Spanier konnten sich die Niederländer hier dauerhaft niederlassen. Während sich die Iberer nicht zuletzt wegen ihrer Christianisierungspolitik zunehmender Skepsis des Shoguns gegenübersahen, wurden die Niederlande nicht als ihr Anhängsel verstanden und somit auch gleich aus dem Reigen der christlichen Nationen aussortiert. Wohlweislich enthielt sich die VOC, anders als auf Ceylon, jedes Missionierungsversuchs. Dies erwies sich als gute Entscheidung, denn bereits ab 1612 wurden verstärkt Maßnahmen gegen die christliche Mission ergriffen, die im Zusammenhang mit den Bemühungen des Tokugawa-Shoguns standen, seine frisch eroberte Macht zu konsolidieren, der einige konvertierte Regionalfürsten entgegenstanden. Zunächst wurde die Verbreitung des Christentums verboten, 1616 alle Missionare offiziell des Landes verwiesen. Diese Maßnahmen gingen mit der Restriktion der europäischen Präsenz auf die Hafenstädte Nagasaki und Hirado einher. Nachdem bereits 1624 die Spanier das Land hatten verlassen müssen, folgte 1636 die endgültige Ausweisung der Portugiesen, die zuvor als letzte legale Rückzugsstätte die künstliche Insel Deshima im Hafen von Nagasaki bezogen hatten. Dort wurden 1641 die Vertreter der VOC ihre Nachfolger, die allein den japanischen Machthabern als Handelspartner attraktiv genug waren, um eine Ausnahme zu erhalten. Ein dauerhaftes Wirken unmittelbar auf japanischem Boden war nun nicht mehr möglich, aber immerhin hatte die VOC als einzige europäische Macht, wenn auch unter strengen Kontrollen, Zugang zum japanischen Markt. In China war die VOC während des 18. Jahrhunderts neben anderen europäischen Mächten unter gleichberechtigten Bedingungen in Kanton präsent. Im vorangegangenen Jahrhundert war der Versuch, sich in herausgehobener Position im Chinahandel zu etablieren, aufsehenerregend gescheitert. Generalgouverneur Coen gelang es 1622 nicht, Macau zu erobern, und auch die Blockade Manilas blieb erfolglos. Daraufhin gründete die VOC eine wirtschaftlich nie einträgliche Niederlassung auf den Pescadores, um sich

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schließlich auf Taiwan (Formosa) als Kolonialmacht zu versuchen – ein Unterfangen, das beispielhaft für die Misserfolge steht, welche die VOC zu dieser Zeit in Asien auch verzeichnete. 1624 wurden Fort Zeelandia und die zugehörige kleine Kolonialstadt gegründet. Das wirtschaftliche Interesse der VOC beruhte auf der Drehscheibenfunktion Taiwans im Handel zwischen China und Japan, die insbesondere nach Freigabe des Dschunkenhandels zwischen Amoy in Fukien und Taiwan im Jahr 1633 durch eine eigenmächtige Entscheidung der südchinesischen Administration sowie nach der Vertreibung der Portugiesen aus Japan besonders wertvoll erschien. Durch die Forcierung des Zuckeranbaus für die Arrakproduktion legte die VOC im Umland den Grundstein für den Aufbau einer territorialen Kolonialherrschaft. Der gewählte Wirtschaftszweig war durchaus bedeutsam, stellte der Zuckerbranntwein Arrak doch ein wesentliches Gut des innerasiatischen Handels dar, insbesondere auf der dritten, regionalen Ebene. Zu einer langfristigen Kolonisierung kam es jedoch nicht. Nachdem die letzten Getreuen der entmachteten Ming-Dynastie in Südchina eine schwere Niederlage gegen die neuen Mandschu-Herrscher hatten einstecken müssen, setzten sie unter der Führung des „Piraten“ – um die zeitgenössische niederländische Titulierung zu gebrauchen – Coxinga (Cheng Ch’ing Kung) nach Taiwan über. Das Potenzial der VOC vor Ort reichte bei weitem nicht aus, um den 25 000 Soldaten Coxingas in einem Krieg widerstehen zu können. Die Kompanie musste sich zurückziehen und Zeelandia als dauerhaften Verlust abschreiben. Mehrere maritime Expeditionen bis 1690, die nach einiger Zeit nur noch aus Einzelschiffen bestanden, hatten mehr symbolischen Wert als irgendeinen merkantilen oder gar militärischen Effekt. Letztendlich setzte man in Batavia auf den etablierten Dschunkenhandel zwischen Fukien und Java. Auch die Etablierung der VOC auf Ceylon, das sich wegen des dort gewonnenen Zimts der höchsten Güteklasse im Visier europäischer Interessen befand, beruhte auf militärischen Aktionen, die allerdings vorrangig auf die Vertreibung der hier seit 1518 etablierten Portugiesen ausgerichtet waren. Generalgouverneur Antonio van Diemen, der von Coen gezielt als Nachfolger aufgebaut worden war und das Amt zwischen 1636 und 1645 bekleidete, konzentrierte sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern darauf, westlich des Malaiischen Archipels Fuß zu fassen, wobei vor allem Ceylon und Malabar in den Blick genommen wurden. Einem bewährten Muster folgend, machte sich die VOC zunutze, dass Raja Sinha II. von Kandy schon seit geraumer Zeit Auseinandersetzungen mit den Portugiesen hatte. In Kooperation mit Kandy, der Vormacht im Landesinneren Ceylons, eroberte die VOC 1638 Batticola im Osten und Galle im Süden der Insel. Ergänzt wurde das Vorgehen gegen den Estado da India durch wiederholte Blockaden Goas. Nach der zwischenzeitlichen Eroberung Malakkas auf der Malaiischen Halbinsel, welche die Position der Portugiesen in Asien entscheidend schwächte, wurden van Diemen und seine Nachfolger wieder auf Ceylon aktiv. 1656 fiel Colombo an die Kompanie, 1658 schließlich Jaffnapatnam. Der zwischenzeitlich in Europa geschlossene Waffenstillstand, der den 30-Jährigen Krieg beendete, spielte in Asien so gut wie keine Rolle.

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Die langjährige Präsenz der Portugiesen auf Ceylon hatte jedoch Folgen, die nicht einfach mit der Einnahme einiger Hafenstädte beseitigt werden konnten. Die mit dem Vordringen des Estado da India stets einhergehende christliche Mission hatte eine katholische Gemeinschaft entstehen lassen, die nach dem Sieg der Niederländer im Untergrund weiter existierte. Dieser Untergrundkirche setzten die Niederländer calvinistische Christianisierungsversuche entgegen.65 Neben dem missionarischen Engagement einiger niederländischer Geistlicher im Dienst der Kompanie sollten mehrere Schulgründungen für den Grundstein eines indigenen Priestertums sorgen. Eine Mischung aus der Hoffnung, die eigene Position in der einheimischen Gesellschaft festigen zu können, und dem latenten Selbstverständnis, eine christlich-protestantische Schutzmacht zu repräsentieren, ließ die Direktoren der VOC hier in kulturimperialistischer Sicht weiter gehen als anderswo in Asien. Die neuen Gemeinden standen in engem Zusammenhang mit den niederländischen Ansiedlungen und konnten sich als „Besatzerkirche“ nicht mit langfristiger Wirkung etablieren, während der Katholizismus aus dem Untergrund heraus wieder erstarkte und eine indigene Kirche bis in die Gegenwart bildet. Erfolgreicher war die Kompanie im Handel auf Ceylon. Grundlage hierfür bildete ein Abkommen mit Kandy, das den Niederländern einen privilegierten Zugriff auf die Zimtproduktion garantierte. Allerdings befand sich der Vertragspartner im Landesinneren, so dass Ceylon mittelfristig eine geografische Interessenaufteilung erlebte. Die VOC dominierte zunehmend die Küstenregionen, wo sich ihre Niederlassungen mit dem Gouverneurssitz in Colombo und mit Galle als wichtigstem Hafen befanden. Das Landesinnere blieb von ihr weitgehend unberührt. Bei dieser Konstellation beließ man es bis weit ins 18. Jahrhundert. Einige spätere Expansionsbestrebungen führten zu keinem Erfolg, so dass die unangefochtene Präsenz der VOC stets auf die Küste ausgerichtet war. Rijcklof van Goens, der erfolgreiche Eroberer Ceylons, nutzte seine starke Stellung nach den Erfolgen in den 1650er Jahren, um seinem Gouvernement eine Ausnahmestellung zu erobern. Er umging die Hohe Regierung in Batavia, indem er unmittelbar mit den Heren XVII kommunizierte. Batavia duldete dies zunächst zähneknirschend, woraus eine Sonderstellung Ceylons im asiatischen System der VOC erwuchs, die dem Gouverneur in Colombo eine gewisse Autonomie von Batavia ermöglichte. Abermals Zimt, vor allem aber Pfeffer und Textilien, die für die VOC aus den gleichen Gründen wie für die EIC von allergrößter Bedeutung im innerasiatischen Handel waren, führten die Niederländer auf den indischen Subkontinent. Schon unter van der Haghen wurden 1605 die ersten Erkundigungen an der Koromandel-Küste durchgeführt. Seit 1606 war die VOC im Norden der Küste durch eine Faktorei in Petapuli vertreten, wodurch sie die erste Kompanie war, die über eine dauerhafte Niederlassung in Indien verfügte. Ein farman des Königs von Golconda setzte den allgemeinen Zollsatz für die VOC auf 4% fest und nahm sie von allen anderen Abgaben aus. Unter gleichen Bedingungen folgten Faktoreien in Tirupapaliyur (1608) und Pulicat (1610). Das dortige Fort Geldria wurde 1616 zum Gouverneurssitz für die Koromandel-Küste erklärt. In der Niederlassung von Masulipatnam wurde mit ihrer Gründung 1612 der Zollsatz erstmals in ein

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jährlich zu zahlendes Fixum von 3000 pagodas umgewandelt. Im Zuge der letzten Phase der erfolgreichen Auseinandersetzung mit dem Estado da India konnte 1658 Negapatam von den Portugiesen übernommen werden, das seit 1690 als neuer Sitz des Gouverneurs diente. In Gujarat war die VOC ab 1618 durch eine Niederlassung in Surat präsent. Da hier die Portugiesen besonders stark vertreten waren und das Mogul-Reich den Niederländern nicht immer freundlich gesonnen war, konnte eine langfristige Festsetzung erst später als in Koromandel gelingen. Der Mogul setzte nach seinem Zerwürfnis mit den Portugiesen auf ein Bündnis mit der EIC. Nachdem die Niederländer aber schließlich die Erlaubnis für eine Faktorei in Surat erhalten hatten, war die Tür so weit geöffnet, dass innerhalb weniger Jahre weitere untergeordnete Niederlassungen in Broach, Baroda, Ahmedabad und Agra gegründet werden konnten. Die darüber hinaus entstandenen Faktoreien in Cambay und Burhanpur wurden bald aufgrund ihrer Unwirtschaftlichkeit wieder aufgegeben. Auch wenn die britische EIC bereits seit 1613 in Surat etabliert war, konnte ihr die VOC doch frühzeitig aus einer Position der Stärke heraus begegnen. In Bengalen erlebte die VOC zunächst eine schnelle Abfolge von Gründungen, Schließungen und Wiedereröffnungen. Der Seidenexporteur Bengalen war für die VOC ganz besonders interessant, da sie als einzige Handelskompanie in der Lage war, die große Nachfrage in Japan zu bedienen. Zugleich stieß sie hier auf eine besonders große Konkurrenz. So wurde in Hugli, wo nach der Vertreibung der Portugiesen durch den Mogul im Jahr 1635 eine Faktorei gegründet werden konnte, diese nach nur einem Jahr wieder geschlossen und rund zehn Jahre später wieder belebt. Auch dann konnte die VOC allerdings nichts daran ändern, dass auch andere Kompanien in Hugli aktiv waren. Die Hauptfaktorei wurde daher 1636 zunächst in Pipli in Orissa gegründet. In der gleichen Region bestand bereits seit 1633 eine Niederlassung in Harihapur, hinzu kamen noch Patna und Kasimbazar. Erst in den 1650er Jahren herrschten klarere Verhältnisse, als die bengalischen Faktoreien von Pulicat unabhängig wurden und der VOC-Direktor für Bengalen nun doch in Hugli seine Residenz nahm. In der Folge pachtete die Kompanie mehrere Dörfer und eröffnete vorübergehend auch eine Faktorei für Nordbengalen in Malda. Die Grundlage der niederländischen Aktivitäten bildeten drei farmane aus den 1630er Jahren, die allerdings nur sehr unklare Regeln aufwiesen. Es waren mehrere diplomatische Missionen an den Hof des Mogul ab 1679, die eindeutige Regelungen der Abgaben erreichen konnten und denen es gelang, diese nach und nach auf 3,5% und schließlich auf 2,5% zu senken. Im Süden Indiens, an der Malabar- und Kanara-Küste, konnte die VOC erst Mitte des 17.Jahrhunderts nachhaltig Fuß fassen. Auch bei dieser Region handelte es sich um eine portugiesische Hochburg, in die man erst nach und nach eindringen konnte. Ein Vertrag für Kalikut, der 1626 abgeschlossen werden konnte und der VOC allen Pfeffer und Ingwer aus der Umgebung der Hafenstadt zusprach, wurde mangels niederländischer Schiffe vor Ort nie umgesetzt. Erst 1637 entstand in Vengurla im Königreich Bijapur die erste Faktorei im Süden Indiens. 1647 wurde mit Kayakulam erstmals ein vergleichbarer Ver-

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such an der Malabar-Küste unternommen, der jedoch aufgrund der stärkeren regionalen Position der Portugiesen nur bis 1652 währte. Erst eine Kooperation mit dem Raja von Cochin konnte die portugiesische Stellung schließlich unterminieren. Der Raja räumte nach dem portugiesischen Rückzug Ende der 1650er Jahre der VOC PfefferPrivilegien ein, die ihr auch in der letzten indischen Großregion eine dauerhafte Präsenz sicherten. Wie die Engländer übten also auch die Niederländer von Anfang an militärischen Druck auf die Portugiesen aus. Bereits die großen Flotten der frühen Jahre unternahmen Einsätze gegen Schiffe und Festungen des Estado da India im Indischen Ozean. Im September 1608 wurde die erste Blockade Goas unternommen, der bis in die 1650er Jahre noch zahlreiche weitere folgen sollten. Hinzu kamen Plünderungen von portugiesischen Schiffen in der Straße von Malakka. Zunächst richteten sich solche Unternehmen vor allem gegen die portugiesischen Ansprüche im Rahmen des cartaz-Systems, das zumindest theoretisch auch von europäischen Schiffen einen portugiesischen Pass verlangte, was für die VOC genauso wenig in Frage kam wie für die EIC. Da sie selbst mit Monopolansprüchen in Asien auftrat, reichte die Zielsetzung allerdings bald weiter und führte zu einem militärisch untermauerten Verdrängungswettkampf, dem auch die portugiesischen Privatiers im country trade zum Opfer fielen. Nach einem portugiesischen Bericht vernichtete die VOC allein zwischen 1629 und 1636 155 private portugiesische Schiffe. Allerdings darf dadurch nicht der Eindruck einer niederländischen Eroberungswelle in Asien hervorgerufen werden. Das in der Literatur gerne als „Eroberung Malabars“ bezeichnete Vorgehen im Süden Indiens war faktisch, mehr noch als die parallelen Ereignisse auf Ceylon, eine militärisch unterstützte Verdrängung der Portugiesen aus den Städten, während die anschließende Positionierung in der Region auf Verträgen mit den einheimischen Fürsten beruhte. Es handelte sich weder um territoriale Eroberungen im großen Stil noch um typische Kolonialkriege, wie sie in den folgenden Jahrhunderten, beispielsweise zwischen Engländern und Franzosen in Nordamerika, zu beobachten waren. Weiter im Westen, auf der Arabischen Halbinsel und im Persischen Golf, agierte die VOC mit weitaus geringeren Kraftanstrengungen als in Indien oder gar dem Malaiischen Archipel. In Mocha bestanden seit 1616 Kontakte, die aber bald unter Schwierigkeiten mit dem lokalen Herrscher litten und 1624 vorerst aufgegeben werden mussten. Mocha war allerdings als wichtigster Markt des orientalischen Kaffeehandels für die VOC vor der Forcierung eigener Plantagen so bedeutsam, dass die Bemühungen um eine Wiederbelebung der Kontakte nie wirklich abrissen und im 18. Jahrhundert sogar erfolgreiche Geschäfte getätigt werden konnten. In Persien war vor allem die Rohseide für den Japanhandel für die VOC von Interesse. In Bandar Abbas wurde für dieses Geschäft seit 1623 die Faktorei Gambron unterhalten. Anders als die Engländer konnten die Niederländer als Vertreter einer Nation, die selbst ganz auf den Re-Export ausgerichtet war, nur Edelmetalle oder asiatische Produkte wie indische Textilien oder Gewürze auf den Markt bringen. In den ersten Jahrzehnten brachte die VOC bis zu einem Drittel

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ihrer Silberausfuhren unmittelbar nach Persien. Dies kehrte sich in den 1640er Jahren um, als Persien Nettoexporteur von Silber- und Goldmünzen wurde. Dem niederländischen Persienhandel erging es schließlich wie dem englischen. Er versiegte nie völlig, spielte insgesamt in der Handelsbilanz jedoch nur eine sekundäre Rolle, insbesondere als im 18. Jahrhundert andere Produkte und Wirtschaftsformen die Interessen der Heren XVII in Amsterdam und der Hohen Regierung in Batavia bestimmten.

Die Blüte der VOC Batavia blieb das unumstrittene Zentrum der VOC-Welt in Asien. Die Stadt war der Sitz des Generalgouverneurs, der im späten 18. Jahrhundert in den ruhigeren Vorort Weltevreden verlegt wurde, und Standort weiterer zentraler Einrichtungen wie einem Rathaus, einem zentralen Marktplatz sowie einer steigenden Anzahl von Warenlagern der Kompanie, einem Waffenarsenal, aber auch Kirchen, unter ihnen zwei portugiesische, Hospitäler und einem Waisenhaus. Der zunächst vor den Toren des Forts angesiedelte Bootsbauplatz wurde nicht nur kontinuierlich ausgebaut, sondern auch um eine moderne Schiffswerft auf der vorgelagerten Insel Onrust ergänzt. Batavia war der Dreh- und Angelpunkt der innerasiatischen wie der europäisch-asiatischen Flotten der VOC und zudem ihr entscheidendes Kommunikations- und Informationszentrum. Nicht zuletzt bildeten die Einrichtungen der VOC den Kern eines wissenschaftlichen Zentrums. Noch zu Zeiten der Kompanie wurden ein botanischer Garten und ein hydrografisches Institut eingerichtet. Zudem beherbergte die Stadt die mächtigste niederländische Garnison in Asien mit zumeist mehreren tausend Mann Besatzung. Ein beliebter Vergleich bringt Batavia mit Delft in Verbindung; die Stadt im südlichen Holland soll der Anlage der javanischen Metropole als Vorbild gedient haben. Immerhin wies Batavia ein schematisch aufgebautes Zentrum südlich des Marktplatzes auf, das von mehreren Kanälen (Grachten) durchzogen wurde, die vornehmlich der Entwässerung dienten. Die planmäßige Anlage nach einem europäischen Vorbild unterstreicht den Eindruck einer typischen Kolonialstadt ebenso wie die Stadtmauer und das zugehörige Fort, das von der kleinen, unzureichenden Anlage vor den Toren Jayakatras innerhalb von acht Jahren in eine gemauerte, schwer bewaffnete Festungsanlage, umgeben von einem Wassergraben, ausgebaut worden war und von einem Ring kleinerer Befestigungsanlagen im Umland abgesichert wurde. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass Batavia von Anfang an mehr war als ein Kolonialstützpunkt. Die Ansiedlung von Einheimischen und von Kaufmannsdiasporen und die damit verbundene Etablierung weiterer zentralörtlicher Funktionen auch für andere Gruppen der asiatischen Handelswelt, die ganz im Sinne der niederländischen Stadtgründer war, ließ Batavia zu einem wesentlichen zentralen Ort des Malaiischen Archipels – und auch darüber hinaus – werden. Trotz der „typisch holländischen“ Stadtanlagen wurde das Bild bald von Chinesen im Zentrum und „typisch indonesischen“ Stadtvierteln um das Zentrum herum ge-

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Der VOC-Oberkaufmann Jacob Martensen mit seiner Frau auf der Rede von Batavia. Gemälde von Aelbert Cuyp, zwischen 1640 und 1660.

prägt.66 Aus dem extrem heterogenen Bevölkerungsgemisch, nicht zuletzt bedingt durch das Ansiedlungsverbot für die javanische Bevölkerungsmehrheit nach der Vertreibung der Sundanesen Jayakatras, entwickelte sich im Verlauf der Jahrhunderte eine eigenständige Mischkultur. Europäischer Einfluss und asiatische Präsenz brachten eine neue Gesellschaft hervor, die unter der Bezeichnung Indische Culture in die historische Forschung eingegangen ist. Obwohl viele Elemente für eine durch und durch europäische Kolonialstadt sprechen, bezeichnet Leonard Blussé, einer der besten Kenner der Geschichte Batavias, das Zentrum der VOC als „chinesische Kolonialstadt“.67 So spielte Batavia neben anderen Rollen auch diejenige eines Emporiums des Dschunkenhandels. Nach dem vorläufigen Scheitern der VOC in China bildete diese von chinesischen Handelshäusern betriebene Handelsverbindung die Lebensader des äußerst lukrativen niederländischen Handels mit Seide, Porzellan, Keramik und zunehmend mit Tee. In dem eigentlich nach außen abgeschlossenen China verfügten einige Kaufmannsdynastien in der Küstenprovinz Fukien über Lizenzen für den Überseehandel. Ihr eigenes Emporium, das Gegenstück zu Batavia am anderen Ende der Seeroute, war die Hafenstadt Amoy (Xiamen). Aufgrund der schon traditionsreichen Einschränkung der Handelsmöglichkeiten im Kaiserreich waren viele chinesische Kaufleute ausgewandert und hatten sich als weitgehend autonome Handelsdiasporen in den wichtigen Hafenstädten Süd- und Südostasiens niedergelassen.

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Dies galt auch für Batavia. Insofern spielten Chinesen auch eine vielfältige Rolle in der Stadt selbst. Sie waren nicht nur als turnusmäßig einlaufende Langstreckenhändler, sondern auch als größte auswärtige Bevölkerungsgruppe vor Ort wesentliche Träger der urbanen Wirtschaft. Blussés Charakterisierung Batavias ist somit durchaus zutreffend. Dies muss allerdings keineswegs im Widerspruch zum Verständnis Batavias als europäischer Kolonialstadt bereits während des 17. und 18. Jahrhunderts stehen, nimmt man die Frage der Machtausübung in den Blick. Die Stadtherrschaft unterlag immer noch den Niederländern, was die chinesische Einwohnerschaft in einem verheerenden Massaker im Jahr 1740 überdeutlich zu spüren bekam. Batavia entwickelte sich zum Wirtschaftszentrum der unmittelbaren Umgebung, in dem vor allem der von chinesischen Unternehmern kontrollierte Zuckerrohranbau und die Arrak-Produktion blühten. Im Seehandel übernahm die Stadt zentrale Funktionen auf mehreren Ebenen. Zunächst war sie der wichtigste regionale Hafen auf den untersten Ebenen des Handels. Zahlreiche private Schiffe hielten ein vielfältiges regionales Handelssystem entlang der Nordküste Javas aufrecht, das sich im Wesentlichen außerhalb der kommerziellen Interessen der VOC bewegte.68 Durch ein Pass-System bemühte sich die Kompanie allerdings, zumindest den Teil dieses Handels, der offiziell in den von ihr kontrollierten Häfen stattfand, zu überwachen und zu steuern. In einigen Bereichen traten asiatische Privatiers auch als Zulieferer der VOC in Erscheinung. Diese Rolle spielten insbesondere diejenigen Kaufleute, die Batavia als Anlaufpunkt für den Handel der zweiten Ebene, der überregionalen innerasiatischen Verbindungen, nutzten. Unter ihnen ragten die Betreiber des chinesischen Dschunkenhandels eindeutig hervor. Chinesische Schiffe liefen im 18. Jahrhundert auch das sulawesische Makassar an, und auch indonesische Häfen unter niederländischer Kontrolle hätten ihnen – unter klar definierten Beschränkungen – offen gestanden. Die Restriktionen der VOC erwiesen sich jedoch als nicht notwendig, war doch kein Hafen im Archipel für die chinesische Seite so interessant wie Batavia. Die meisten europäischen Privatiers hatten sich aufgrund der Einschränkungen durch die VOC in wirtschaftlichen Nischen angesiedelt. Vielfach übernahmen sie die Versorgung der nachgeordneten Faktoreien, denen sie Grundnahrungsmittel und europäische Genussmittel lieferten, auf welche die VOC-Besatzungen und die wenigen Privatpersonen auch in den entlegensten Winkeln nicht verzichten wollten. Auf den Frachtlisten privater niederländischer Schiffe finden sich Güter wie Butter, Olivenöl, BordeauxWeine oder holländischer Genever. Batavia war zugleich Zentrale solcher Versorgungsfunktionen wie auch der kompanieinternen Kommunikation, die in Gewässern, die keine bewaffneten Flotten erforderten, mit kleinen Booten, häufig einheimischen Typs, aufrechterhalten wurde. Schließlich und vor allem war Batavia der Sammelpunkt der Retourflotte, in der einmal jährlich die für Europa bestimmten Waren zusammengeführt wurden. Während das Gouvernement auf Ceylon bereits frühzeitig seine Exportprodukte eigenständig nach Amsterdam sandte, trafen im Laufe des Jahres in den Lagerhäusern von Batavia Gewür-

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ze und Textilien aus Indien, Seidenprodukte aus Persien, Kaffee aus Arabien, Metallwaren aus Japan und die Gewürze aus den verschiedenen Bereichen des Malaiischen Archipels ein, um im Herbst Richtung Holland verschifft zu werden. Ihren Weg in diese Lagerhäuser, die Herzkammern des euroasiatischen Handels der VOC, fanden auch Produkte aus den übrigen Handelsverbindungen Batavias, die von chinesischen Fernkaufleuten oder malaiischen Kleinhändlern betrieben wurden. Über den reinen Warenhandel hinaus war die Retourflotte zugleich die wichtigste Nachrichtenverbindung zwischen den Kammern in der Heimat und ihren Außenposten in Asien sowie die vorrangige Rückkehrmöglichkeit von Personen, die ihren Dienst in der Kompanie beendet und sich gegen einen Lebensabend in Asien entschieden hatten. In den ersten Jahren transportierte die Retourflotte mehrheitlich Pfeffer nach Europa. Um 1620 machte dieses Gewürz rund 56% der gesamten Warenpalette aus, bevor es ab Mitte des 17.Jahrhunderts einen extremen Rückgang erlebte. Um 1700 betrug der Anteil nur noch gut 11%. Die übrigen Gewürze, die vor allem molukkischen Ursprungs waren, erlebten einen ähnlichen Rückgang, wenn auch von einer weitaus niedrigeren Ausgangsbasis aus. Um 1620 machten sie ungefähr 17% der Warenpalette aus, während sie zur folgenden Jahrhundertwende den gleichen Anteil wie Pfeffer hatten. Die Textilien waren der Profiteur oder, mehr noch, der Auslöser dieser Entwicklung. Ihr Anteil lag in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts bei rund 15% und kletterte bis 1700 auf ungefähr 55%. Relevant waren in der Warenpalette der Retourflotte daneben noch spezielle asiatische Pharmazeutika oder Farbstoffe, die relativ konstant einen Anteil von 8% bis 10% aufwiesen. Bestimmte noch über weite Strecken des 17. Jahrhunderts das Interesse an Gewürzen die kommerzielle Politik der VOC, erlebte sie im 18.Jahrhundert einen deutlichen Prioritätenwandel. Zwar ging der Gewürzverbrauch in Europa im Vergleich zum 16. Jahrhundert nicht wesentlich zurück, doch brachten zusätzliche Nachfragen und notwendige Strukturanpassungen auch Veränderungen bei den Schwerpunkten der VOC. Zum einen wurde die Palette der Importe deutlich erweitert, gleichermaßen bedingt durch Intensivierung der entsprechenden Produktion in Asien und die steigende Nachfrage in Europa. Plantagenprodukte machten Ende der 1730er Jahre bereits über 30% der Gesamtimporte der VOC aus und lagen Ende der 1770er Jahre immer noch bei rund 27%. An der Spitze dieser Warengruppe standen Tee und Kaffee, für die sich die Basis des Konsums in Europa deutlich verbreitert hatte. Kaffee wurde in zunehmendem Maße von der VOC selbst kultiviert, insbesondere auf Java, während der Tee nach wie vor teuer in China eingekauft werden musste. Daneben machten Textilien, die vorrangig aus Indien importiert wurden, Ende der 1730er Jahre immer noch gut 40% der Gesamteinfuhren aus, Ende der 1770er Jahre wieder rund 50%. Während der Anteil des Pfeffers auch in den 1770er Jahren noch bei 11% lag, stieg die Bedeutung der molukkischen und ceylonesischen Gewürze sogar wieder an und bewegte sich Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen 24% und 28%. Während aus Japan immer weniger Edelmetalle ausgeführt werden konnten, da zunächst die niederländischen Warenimporte seitens der Regierung limitiert und später

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die Gold- und Silberausfuhr völlig verboten wurden, konnte die VOC in Persien und Surat für zusätzliche Gold- und Silbermünzen sorgen. Dennoch reichten die asiatischen Edelmetalle bei weitem nicht aus, da die niederländische Edelmetallausfuhr bis in die 1720er Jahre stetig anstieg. Waren es in den 1610er Jahren noch gut zehn Millionen Gulden gewesen, kletterte die Summe auf 66 Millionen Gulden in den 1720er Jahren. Danach schwankte der Export zwischen 40 und 60 Millionen Gulden pro Jahrzehnt. Dieser Anstieg korrespondierte mit der Gewinnsituation der Kompanie. Sieht man von den 1650er Jahren ab, die im Zuge der letzten Auseinandersetzungen mit den Portugiesen durch hohe Kriegskosten geprägt wurden, verzeichnete die VOC im 17.Jahrhundert beachtliche Gewinne. Den Höhepunkt erlebte die Entwicklung in den 1660er Jahren, die durchschnittlich einen Jahresgewinn von 1,6 Millionen Gulden einbrachten. Ab ungefähr 1690 wendete sich das Blatt allerdings grundlegend und konnte trotz intensiver Bemühungen um neue Märkte und neue Waren nicht wieder gedreht werden. Diese Bemühungen sorgten auch für Veränderungen der innerasiatischen Strukturen der VOC. Im Chinahandel setzte die Hohe Regierung in Batavia nach wie vor ganz auf den Dschunkenhandel, den sie keinesfalls gefährden wollte. Dessen wirtschaftliche Situation wurde jedoch zunehmend problematisch, als die Teenachfrage in Europa explosionsartig anstieg und die EIC direkt in Kanton die beste Ware einkaufte, so dass Batavia zum Teehandelsplatz zweiter Kategorie wurde. Von der Befürchtung alarmiert, in einem entscheidenden Sektor des sich wandelnden Asienhandels den Anschluss zu verlieren, setzten die Direktoren in den Niederlanden durch, dass ab 1728 ein unmittelbarer Schiffsverkehr zwischen Kanton und Amsterdam eingerichtet wurde. 1756 verlor Batavia sogar die formale Kontrolle über dieses Geschäft, als in Amsterdam eine spezielle Chinakommission zur Abwicklung des Teegeschäfts etabliert wurde. Und auch Hugli in Bengalen sandte ab 1734 seine Textilien direkt nach Europa. Bengalische Stoffe ließen sich in Europa am besten von allen indischen Produkten verkaufen, weswegen die Kammern schnellere Lieferungen verlangten und unmittelbare Bestellungen, orientiert an der aktuellen Mode, aufgeben wollten. Darüber hinaus verliefen einige Ströme des niederländischen country trade auf direktem Wege, ohne in Batavia einen Zwischenhalt einzulegen – allerdings stets unter administrativer Kontrolle der Hohen Regierung. Die starke Position der VOC im country trade beruhte innerhalb Asiens in hohem Maße auf den beiden einzigen Monopolen, die im Zeitalter der vermeintlichen „Monopolgesellschaften“ tatsächlich eingerichtet werden konnten: die Kontrolle des Gewürzhandels der Molukken und die exklusive Position im Japan-Handel. Auch wenn Japan als Edelmetalllieferant Ende des 17.Jahrhunderts endgültig ausfiel, blieb es doch ein interessierter Abnehmer von Seidenprodukten und Gewürzen. Während sich die VOC in Kanton gegenüber der dominierenden EIC zumindest behaupten konnte, erlebte sie in Japan trotz aller Restriktionen eine Erfolgsgeschichte. Plakativ gesprochen, kann man Deshima als eine verschärfte Spielart des Kanton-Systems bezeichnen. Der deutsche Arzt und Asienreisende Engelbert Kaempfer, der zwischen 1688 und 1694 im Dienst der VOC stand und von 1690 bis 1692 in Deshima sta-

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Ansicht der künstlichen Insel Deshima im Hafen Nagasakis.

tioniert war, beschreibt diese von 13 Pfählen mit Verbotsschildern umgebene künstliche Insel von gut 13 000 m2, die lediglich zwei Zugänge zum Be- und Entladen von Schiffen aufwies, als „Kerker“ und fährt fort: „Die jährlich ankommenden Schiffe mögen ihre Leute, die 2 oder 3 Monaten ihres Verbleibens, nachdem jeder wohl gevisitiert und aufgezeichnet, nach einander in dieselbe lassen abtreten, und sich erfrischen; und nach ihrem Abzuge ist das Oberhaupt gehalten mit noch verschiedenen Personen, etwa 7, nach belieben mehreren (bei großem Handel nicht unter 20) in denselben zu verharren. Wie wohl nun diese Nation von demselben über bleibenden nichts Nachteiliges vermuten kann; nicht sag ich, einige Feindseligkeit, angesehen ihrer so kleinen unbewehrten Anzahl; nicht Schleicherei, angesichts der Waren und was zu Gelde kann gemacht werden, unter ihren eigenen Schlössern, Siegeln und Inventaren beruht, ja selbst was zu Kleidern mitgebracht, von dem Werkmeister, bis es von beschworenen Schneidern zugeschnitten werde, in Bewahrung liegt; noch minder einiger Einbruch in der Religion angesichts des Lichtes unseres Christlichen Glaubens, allhier so wenig aus den Exempeln unseres Lebens zu bemerken ist, dass man keinen Elefant dabei aufsuchen könnte. So werden sie, dessen allen ungeachtet, noch in dieser Person gar genau und stark von verschiedenen Wachten, Gesellschaften, Zünften und deren beschworenen, und unter ihnen selbst misstrauischen und fremden Gliedern inner- und außerhalb unserer geschlossenen Insel bewacht; nicht wie ehrliche Menschen, sondern wie Übeltäter, Verräter, Kundschafter, Gefangene […].“69

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Die künstliche Insel war gegen 55 kamme Silber, die einem Edelmetallgehalt von rund 450 Pfund entsprachen, gepachtet und mit allen notwendigen Lagern, Wohnhäusern und Wirtschaftsgebäuden der VOC, aber auch Unterkünften für japanische Offizielle und einem Garten ausgestattet. Sogar Viehzucht zur Selbstversorgung wurde auf ihr betrieben. Für die winzige niederländische Besatzung wurde eine enorme japanische Bürokratie aufgebaut. Engelbert Kaempfer spricht von rund 270 Personen in verschiedensten Funktionen, darunter allein 150 Übersetzern. Daneben waren Wachen, aber auch hochrangige Aufseher und Inhaber der Gerichtsbarkeit ausschließlich für die niederländische Faktorei zuständig. Nur über diese Bürokratie, die eine umfassende Isolation durch übermäßige Betreuung sicherstellte, konnten die Handelskontakte nach Japan abgewickelt werden. Japanisches Festland durften die VOC-Bediensteten nur während der jährlichen Reise nach Edo an den Hof des Tenno betreten, die der Huldigung des Herrschers und der Schaustellung niederländischer Eigenart diente und letztendlich die Langfristigkeit niederländischer Präsenz über das Zeitalter der VOC hinweg sicherte. Der Handel selbst unterlag einem staatlichen Preisdiktat und einem Monopson, das von einer Gilde von Kaufleuten der Städte Edo, Osaka, Kyoto, Sakai und Nagasaki gebildet wurde. Über den Warenverkehr hinaus gab es trotz der Isolation Deshimas auch geistigen Austausch zwischen Europäern und Japanern. Was mit Kaempfer Ende des 17.Jahrhunderts begann – nämlich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Japan –, setzte sich auf der Grundlage seiner Arbeiten fort, und auch in der umgekehrten Richtung etablierte sich mit der japanischen „Hollandwissenschaft“ (rangaku) ein gelehrtes System, um von der anderen Seite zu profitieren. Sah die Welt der VOC von Deshima aus betrachtet beinahe statisch aus, veränderte sich die Situation in Indien spürbar. Den sich wandelnden Nachfragekonjunkturen in Europa standen vergleichsweise geringe Veränderungen in Asien gegenüber, so dass einerseits vermehrt Gewürze in den country trade eingebracht wurden und andererseits indische Waren stärker in den europäischen Fokus traten. Die Koromandel-Küste erlebte steigende Exporte, die neben Textilien auch Garne, Salpeter und Indigo betrafen, während das niederländische Exportgeschäft in Gujarat heftigen Schwankungen unterlag. Bis in das erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wurde von hier aus mehrheitlich Europa beliefert, wobei zu Beginn dieses Jahrhunderts ein Warenwert von über 600 000 Gulden im Jahr erreicht wurde. Danach überflügelte die Warenbeschaffung für den country trade den Europahandel und erreichte um 1750 ihrerseits Werte von über 600000 Gulden, die später jedoch einen drastischen Rückgang aufwiesen. Ganz anders entwickelten sich die Geschäfte der VOC in Bengalen, das die konkurrierenden indischen Regionen bezüglich des europäischen Marktes ausstechen konnte. Die VOC realisierte in dieser Region einen stetigen Anstieg ihrer Exporte bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, als sie einen Warenwert von knapp fünf Millionen Gulden erreichte. Damit war Bengalen auch zu Zeiten, als die EIC längst eine vorherrschende Rolle erstritten hatte, der wichtigste Standort der VOC in Indien. Sein Anteil an allen nach Europa exportierten Waren pendelte sich zwischen 35% und 50% ein. Im 17. Jahrhundert be-

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stand noch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den bengalischen Exporten nach Japan und nach Europa. Im 18.Jahrhundert verschiffte die VOC bis zu drei Viertel ihrer in Bengalen erstandenen Waren in die Heimat. Das übrige Asien spielte in diesem Geschäft stets eine nachrangige Rolle; die Versorgung des eigenen Handels im Malaiischen Archipel stellte die Kompanie vorrangig über Waren aus Koromandel und Gujarat sicher. Darüber hinaus konnte die VOC anders als ihre asiatischen Konkurrenten zwischen verschiedenen europäischen und asiatischen Märkten jonglieren und bei entsprechender Nachfrage in Europa die bengalische Seide, die zuvor nach Japan ging, durch persische Produkte substituieren. In Indien befand sich die VOC hinsichtlich des Textilmarktes im Grunde in einer ähnlichen Situation wie alle europäischen Kompanien. Durch den Rückgriff auf Mittelsleute und ein System der Vorfinanzierung versuchte sie, die einheimische Produktion im eigenen Interesse zu lenken, wobei auch für sie Kredite vor Ort, beispielsweise auf dem wichtigen Kapitalmarkt in Surat, eine entscheidende Rolle spielten. Allerdings gelang es ihr nicht, angesichts der realen Machtkonstellation im 18. Jahrhundert, so weitreichenden Einfluss wie die EIC zu entwickeln. Einen ganz besonderen, für eine Ostindien-Kompanie untypischen Fall stellte die Kapkolonie als einzige Siedlungskolonie der VOC dar. Sie wurde 1652 von Jan van Riebeeck gegründet und war eigentlich als point of call konzipiert. Ein günstiger natürlicher Hafen in der Bucht vor Kapstadt erlaubte einen zentralen Versorgungshafen, der alle notwendigen Güter und Dienstleistungen bereitstellen konnte – bis hin zum größten Bordell der Welt. Dies war nicht nur für die Flotten der VOC eine wesentliche Erleichterung, sondern für alle Schiffe auf der Kaproute rund um Afrika. Da sich kein Handel und auch sonst kein tragfähiger Wirtschaftskontakt mit der nomadisierenden Bevölkerung aufbauen ließ, wurden zur Versorgung der Schiffe und der Kolonie niederländische Farmer angesiedelt, die ihre fruchtbaren neuen Ländereien mit der Arbeitskraft von Sklaven aus Madagaskar, Indien und dem Malaiischen Archipel bewirtschafteten. Auf diese Weise wurden in zweifacher Hinsicht erste Grundlagen einer komplexen, bis heute problematischen Gesellschaftsstruktur gelegt. Die niederländischen Siedler bildeten den Kern der späteren burischen Bevölkerung, während der permanente Frauenmangel in der frühen Kapkolonie zu euroafrikanischen und euroasiatischen Nachkommen und damit zur Entstehung einer Mischbevölkerung, den so genannten cape coloured, führte. Der koloniale Charakter der VOC blieb darüber hinaus lange Zeit rudimentär. In Asien bestanden vorrangig nur kleine niederländische Gemeinden, die sich auf die wichtigsten Hafenstädte konzentrierten. Die VOC verstand sich zwar auf etwas diffuse Weise als protestantische Schutzmacht und akzeptierte insofern auch einen Christianisierungsauftrag, den ihre engagierteren Geistlichen an sie herantrugen, zumal – da die EIC grundsätzlich nicht missionierte – ansonsten vor dem 19. Jahrhundert nur katholische Missionare in Asien vertreten waren. Dennoch blieb das Verhältnis der VOC zur Mission ambivalent und stets abhängig vom konkreten Nutzen für die Kernanliegen, so dass Entwicklungen wie auf Ceylon Ausnahmen blieben.

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Tatsächliche Territorialherrschaft war während der zwei Jahrhunderte ihrer Existenz unter der VOC nur wenig ausgeprägt. Ihre prinzipielle Ausrichtung am Stützpunktkolonialismus führte dazu, dass es vorrangig Stadtareale waren, die sie administrativ beherrschte. Und auch hier stellte sich das Problem mangelnder Kontrollmöglichkeiten, sobald die Bereiche des europäisch oder chinesisch geprägten Stadtkerns verlassen wurden. Die meisten der ethnisch konstituierten Stadtteile erfreuten sich einer weitreichenden Autonomie, auch dann, wenn diese von der Kompanie nicht gewollt war. Mangelnde Ortskenntnisse und fehlende Machtpotenziale zwangen die Verantwortungsträger vor Ort, sich mit dieser Situation abzufinden. So manche Gebiete, die in Schulbüchern gerne als „niederländische Kolonie“ für die Zeit vor 1800 ausgewiesen werden, unterstanden allenfalls einer indirekten Herrschaft. Lediglich Banda war tatsächlich direkt kolonialisiert worden. Südsulawesi beispielsweise war vertraglich dem Sultanat Boné, beherrscht von den Nachkommen des Bündnispartners im Makassarischen Krieg (1666–1669), zugesagt worden und unterstand nur sehr mittelbar niederländischer Kontrolle. Die Macht der VOC über die molukkischen Inseln wie Ambon, Ternate oder Tidore glich eher dem residency system der EIC in Indien als einer formalen Herrschaft. Gleiches gilt für die Fürstentümer auf Java. Hier sah sich die VOC nach der Gründung Batavias zunächst den Expansionsbestrebungen Matarams unter Sultan Agung, das den Osten der Insel beherrschte, gegenüber. Eine Belagerung Batavias durch Agung scheiterte allerdings; daraufhin machte sich die VOC geschickt den Umstand zunutze, dass die Eliten javanischer Kleinstaaten ihre Unabhängigkeit von Mataram zwar unbedingt bewahren wollten, dies aber ohne Waffenhilfe nicht konnten. Im Gegenzug zur niederländischen Unterstützung konnte die VOC nach und nach in den meisten Residenzen Javas auf dem Wege informeller Herrschaft Fuß fassen. Eine Intensivierung territorialer Herrschaft fand auf Java erst im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert durch die verstärkte Nutzung innerjavanischer Auseinandersetzungen durch die VOC statt. Hier entstand die eigentliche Keimzelle der späteren Kolonie Nederlands-Indië. Eine verstärkte territoriale Herrschaft ging auch mit neuen Wirtschaftszweigen einher. Wo es die Reichweite ihres Einflusses erlaubte, setzte die VOC im Laufe des 18.Jahrhunderts neue Plantagenkulturen durch, wobei Kaffee aufgrund der europäischen Nachfrage und Zucker für die asiatischen Märkte eine herausgehobene Stellung einnahmen. Möglich war dies vor allem auf Java und daneben auf Sumatra, wo auch Kautschuk und Tabak eine zunehmende Rolle spielten. Die Plantagenversuche auf Sulawesi blieben deutlich dahinter zurück. Die Molukken hingegen berührte diese Entwicklung nicht, wurden ihre Produkte doch immer noch in Europa wie in Asien benötigt. In ihrer Spätphase erlebte die VOC vor diesem Hintergrund eine letzte wirtschaftliche Akzentverschiebung, die sich in Europa nicht nur an der importierten Warenpalette bemerkbar machte, sondern durch die Nachfragesituation wesentlich bedingt wurde. Den Untergang der Kompanie konnte dies letztendlich aber nicht aufhalten.

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V. Die niederländischen Kompanien

Der Niedergang der VOC Ihr offizielles Ende fand die VOC am 31. Dezember 1799, als ihr Oktroi aufgehoben wurde. Allerdings kam die Auflösung der Kompanie Ende des 18. Jahrhunderts eher einem langsamen Verlöschen gleich. Immerhin existierte bis zum 31. Dezember 1803 eine formal noch gültige Satzung, die einfach nicht mehr verlängert wurde, weil sich niemand mehr fand, dies überhaupt auf die Tagesordnung zu setzen. Die Bedingungen hatten sich bereits 1795 grundlegend gewandelt. In diesem Jahr besetzten französische Revolutionstruppen, unterstützt von einheimischen Sympathisanten, die Vereinigten Niederlande; unter demokratischen Vorzeichen wurde die Batavische Republik gegründet. Dies ging einher mit der Entmachtung der traditionellen Eliten, die auch zu guten Teilen die Träger der VOC waren – sei es als Investoren, als Direktoren oder in beiden Funktionen. Die Heren XVII wurden aufgelöst und durch ein staatliches Komitee ersetzt. Als staatliche Einrichtung blieb die Kompanie auch nach der formellen Aufhebung ihres Oktrois weiterhin bestehen, betraut mit der Verwaltung der nach wie vor gehaltenen asiatischen Besitzungen, allen voran Batavia. Dort blieb auch der Posten des Generalgouverneurs weiterhin besetzt. Diese ebenso unvermittelte wie ungeplante Verwandlung in eine staatliche Kolonialagentur war jedoch nicht mit der Situation der EIC vergleichbar. Vielmehr war sie zufälliger Ausdruck der ungeklärten Verhältnisse in der Heimat, die in kurzer Zeit mehrere Umstürze erlebte. Entsprechend blieb die Situation in Asien in der Schwebe, bis die Niederlande 1811 in das Reich Napoleons einverleibt wurden und die asiatischen Niederlassungen vorübergehend unter britische Verwaltung kamen. Diese Ereignisse stellten aber eigentlich nur noch ein Nachspiel dar. Die VOC erlebte im Laufe des 18.Jahrhunderts schrittweise und mit zunehmender Beschleunigung einen Niedergang, der – das kann zumindest vermutet werden – auch ohne das wechselhafte Schicksal der Niederlande zwischen Französischer Revolution und Wiener Kongress zur Auflösung geführt hätte. Seit dem Rechnungsjahr 1768/69 ist ein kontinuierlicher Rückgang der jährlichen Einnahmen in den Büchern der Kompanie nachweisbar. Waren in den 1740er und 1750er Jahren noch durchschnittlich über sechs Millionen Gulden im Jahr verbucht worden, sank die Zahl in den 1770er Jahren auf durchschnittlich 2,5 Millionen Gulden und 2,8 Millionen in den 1780er Jahren. Gleichzeitig lassen sich bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts nicht nur sinkende Gewinne beobachten, sondern auch ein dauerhaftes Abrutschen in die Verlustzone. In Asien überschritt der jährliche Verlust nach 1690 schnell die Grenze von einer Million Gulden pro Jahr. Lediglich in den 1770er Jahren konnten noch einmal schwarze Zahlen geschrieben werden; im Jahrzehnt danach erreichten die Zahlen sogar ein durchschnittliches Minus von fünf Millionen Gulden. Die Gesamtbilanz der Kompanie wies schließlich seit 1736 Verluste auf. Nur eine verstärkte Kreditaufnahme konnte die Kompanie noch operationsfähig halten. Bis 1795 hatte die VOC Schulden in Höhe von 112 Millionen Gulden angehäuft. In diesem Zusammenhang kehrte sich auch das Verhältnis zwischen europäischem und asiatischem Kapital um. Im 17. Jahrhundert führte Batavia durch die enormen Warenwerte der Re-

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Ansicht von Fort Utrecht auf Java.

tourflotte, welche diejenigen der im Gegenzug gelieferten europäischen Waren bei weitem überstiegen, der niederländischen Seite des Unternehmens stets frisches Kapital zu. Als im 18. Jahrhundert die Preise der asiatischen Güter sanken und die administrativen Kosten zugleich anstiegen, sahen sich die Kammern gezwungen, die Aufrechterhaltung des asiatischen Systems der VOC finanziell zu stützen. So weit die Ursachen für die negative Entwicklung der VOC im Bereich des Handels selbst zu suchen sind, standen sie mit der verschärften Konkurrenzsituation und der eigenen Schwerpunktsetzung in Zusammenhang. Gewürze wurden auf den europäischen Märkten zwar immer noch nachgefragt, so dass sie weiterhin einen wesentlichen Bestandteil der niederländischen Importe bildeten. Ihre Bedeutung war jedoch anderen Gütern gegenüber deutlich zurückgegangen, ebenso wie die Preise, die für sie zu erzielen waren. Tee, Kaffee und Textilien bestimmten zunehmend das Bild. Anders als bei den Gewürzen, die sie teilweise sogar hatte monopolisieren können, fand sich die VOC in diesen Bereichen in Konfrontation mit einer europäischen Konkurrenz wieder, die sich nicht mehr verdrängen ließ. Die EIC hatte sich im indischen Textilgeschäft und im Teehandel Kantons eine Position erarbeitet, die ihr einen entscheidenden Vorsprung der VOC gegenüber einbrachte. Deren Schwerpunkt, die Konzentration auf den Malaiischen Archipel und seine Gewürze, erwies sich als nicht mehr zeitgemäß. Zwei weitere Punkte kamen erschwerend hinzu. Zum einen verschärfte das Auftreten weiterer europäischer Kompanien, allen voran die französische Compagnie des Indes, Marktsituation und

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V. Die niederländischen Kompanien

Preisentwicklung zusätzlich. Zum anderen war die Menge der in Asien verfügbaren Edelmetalle drastisch gesunken, insbesondere durch die Ausfuhrverbote für Gold und Silber sowie die Einfuhrreglementierungen für VOC-Waren durch die japanische Regierung. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass der eigentliche Warenhandel an Bedeutung verlor. Wurden während des 17. Jahrhunderts rund 90% der Einnahmen aus den Handelsaktivitäten erzielt, sank dieser Anteil im 18.Jahrhundert auf ungefähr 60%. Zölle, Abgaben und Lizenzgebühren machten den Rest der asiatischen Einnahmen aus. Bereits hierdurch veränderte sich der Charakter der VOC, wenn auch nicht so tief greifend wie im Falle der EIC in Indien. Insbesondere die zeitgenössische Debatte legt nahe, dass auch kompanieinterne Faktoren, die nicht unmittelbar mit Märkten und Finanzen zu tun hatten, einen wesentlichen Beitrag zum Niedergang geleistet haben. Im späten 18.Jahrhundert verzeichneten die Direktoren mehr Korruption unter den Bediensteten als je zuvor. Nicht aus Zufall wurde das Kürzel VOC von Spöttern gerne mit „Vergaan Onder Corruptie“ (durch Korruption untergegangen) übersetzt. Allerdings stellt sich die Frage, was unter Korruption in diesem Zusammenhang überhaupt zu verstehen war. Da die VOC sich weitaus intensiver am innerasiatischen country trade beteiligte als die EIC, war das private Betätigungsfeld für ihre Angestellten sehr eingeschränkt. Ihnen stand nur geringer Schiffsraum in der Retourflotte und im country trade zur Verfügung, und vor allem waren ihnen ausdrücklich Geschäfte in allen Bereichen untersagt, welche die Kompanie selbst als lukrativ einstufte. Bezüglich privater Interessen war der Textilhandel besonders betroffen, ließen sich doch Tuchwaren vielerorts von den verschiedensten Anbietern versilbern. Hinter dem Etikett „Korruption“ verbarg sich mithin vorrangig der Handel auf eigene Rechnung seitens der Kompanie-Bediensteten, der von ihrem Arbeitgeber nicht geduldet wurde; Bestechlichkeit im engeren Sinne war demgegenüber ein nachrangiges Problem. Aus den vorhandenen Quellen heraus lässt sich der Umfang der Korruption und der Eigengeschäfte nicht in Zahlen ausdrücken. Die Häufung von förmlichen Verboten und offiziellen Anklagen wie auch die Tatsache, dass viele VOC-Funktionäre alles andere als mittellos aus Asien zurückkehrten, sprechen jedoch eine eindeutige Sprache. Sie deuten auch darauf hin, dass die Bemühungen der VOC in diese Richtung letztendlich nur geringe Effektivität erzielen konnten. Ein weiterer Korruptionstatbestand war in der Personalpolitik zu finden. Nicht nur die Direktoren in der Heimat bedienten ihre eigene Klientel bei der Vergabe leitender Positionen in Übersee, sondern auch vor Ort entstanden Seilschaften und Abhängigkeitsverhältnisse. Da es gerade die führenden Kreise in den einzelnen Niederlassungen waren, die immer wieder unter Korruptionsverdacht gerieten, führte die Kompanie bereits 1687 das Amt des independent fiscaal ein.70 Das Amt des fiscaal gehörte in solchen Niederlassungen, die über einen vollständigen Regierungsapparat verfügten, also vornehmlich Sitze von Gouverneuren und Direktoren waren, zu den Spitzenämtern. Es war eine Kombination aus den Funktionen eines leitenden Staatsanwalts, eines Polizeichefs und eines Innenrevisors, der zudem als Mitglied des lokalen Justizrates (Raad van Jus-

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titie) auch an der Rechtsprechung beteiligt war. Der Versuch, an wesentlichen Stellen dieses Amt von den gegebenen Hierarchien unabhängig zu machen, sollte eine nur den Heren XVII verantwortliche Kontrollinstanz schaffen. Insgesamt wurden zwischen 1689 und 1719 in Surat, Ceylon, Koromandel, Bengalen und Malakka 31 independent fiscaals eingesetzt; dass das Amt danach wieder abgeschafft wurde, belegt allein schon den Misserfolg dieses Versuchs. Einerseits fehlten den Amtsinhabern vor Ort die Mittel, um sich im Sinne ihres Auftrages konsequent durchsetzen zu können. Andererseits zeigte sich schnell, dass auch die meisten independent fiscaals, waren sie erst einmal in Amt und Würden, ebenfalls ihre eigenen Karriere- und Geschäftsinteressen verfolgten. Zwar agierten sie unter Ausnutzung ihres Status durchaus unabhängig, doch handelte es sich um eine ganz andere Unabhängigkeit, als sie die Direktoren in Amsterdam im Sinn gehabt hatten. Der VOC gelang es nie, das strukturelle Problem der weitgehenden Eigenständigkeit ihres Führungspersonals im Alltagsgeschäft dauerhaft und befriedigend zu lösen. Allerdings nahm es eine andere Gestalt an als in der EIC. Da die Amtsinhaber, gerade in der Spätzeit der Kompanie, wie auch ihre Vorgesetzten aus der führenden Kaufmannsschicht der Niederlande stammten und sich in den Vereinigten Provinzen nie eine ideologischsendungsbewusste Vorstellung eines Empire entwickelte, konzentrierten sich die Eliten der VOC in Übersee weniger auf eine eigenmächtige Expansionspolitik, sondern bevorzugten den Blick auf die eigenen Einkünfte und Vorteile. Damit schadeten sie nicht nur ihrem eigenen Ruf, sondern dem der gesamten Kompanie in der Öffentlichkeit. Doch im Verständnis der traditionellen Machteliten, welche die niederländische Republik bis 1795 prägten, war die VOC als wesentliche wirtschaftliche Säule trotzdem stets ein integraler Bestandteil ihres Staatswesens – auch dies ein Unterschied zur Situation in England in der Spätphase der Kompanien. Es war letztendlich die Struktur einer OstindienKompanie selbst, die es grundsätzlich nicht erlaubte, solchen Entwicklungen einen endgültigen Riegel vorzuschieben. Schulden, die Schwächung der eigenen Marktposition und Korruption sind die wesentlichen Gründe des Untergangs, die in unterschiedlicher Gewichtung in der Fachliteratur diskutiert werden. Den maritimen Aspekten der Entwicklung wurde hingegen lange Zeit wenig Beachtung geschenkt, bis sie 1992 Ingrid G. Dillo in ihrer Dissertation in den Mittelpunkt der Betrachtung stellte.71 So führte der vierte angloniederländische Krieg (1780–1783) zu großen Verlusten sowohl an Schiffsbeständen als auch an Seeleuten. Gerade weil die VOC längst nicht mehr an die Verkaufserfolge ihrer frühen Jahrzehnte anknüpfen konnte, fehlten auf Dauer die Geldmittel, um diese Verluste ausgleichen zu können. Weitere Staatshilfen wurden nötig, private Schiffe mussten gechartert und vermehrt asiatische Seeleute beschäftigt werden. Auch nach Kriegsende verbesserte sich die Situation, im Gegensatz zur Erwartung der Direktoren, nicht wesentlich. Konkurrierende maritime Gewerbe wie eine blühende Hochseefischerei machten es immer schwerer, ausreichend qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Die Konkurrenz machte sich zudem in den Preisen für Schiffsneubauten bemerkbar. Und schließlich blieben die

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V. Die niederländischen Kompanien

Zeiten nur vorübergehend friedlich. Die Kriege in Folge der Französischen Revolution führten zu weiteren Verlusten und Erschwernissen auf dem Seeweg nach Asien, zumal die Niederlande ab 1795 als französischer Vasallenstaat erst recht von der britischen Kriegsmarine bedroht waren. Dabei mangelte es nicht an Restaurationsbemühungen.72 Vorschläge wurden spätestens seit Mitte des 18.Jahrhunderts regelmäßig von hochrangigen VOC-Repräsentanten in Asien wie in den Niederlanden sowie von Vertretern der politischen Gremien gemacht. Die Memoranden enthielten Überlegungen zu strukturellen Veränderungen in der Kompanie, Vorschläge für Geschäftsverlagerungen oder -konzentrationen und reichten bis zur Anregung, den Privathandel in Asien freizugeben. So innovativ manches Vorhaben gewesen sein mag, keines führte zu zählbaren Resultaten. Vor allem das Misstrauen zwischen den Gremien in der Heimat und solchen in Asien blockierte die VOC nachhaltig. Darüber hinaus verfügten die Heren XVII nur über mangelhafte Kenntnisse der realen Situation in Asien. An den bestehenden Strukturen wurde eisern festgehalten und Bemühungen, eine Dezentralisierung des Systems in Asien zu erreichen, wurden zugunsten der Bestandswahrung für Batavia abgeschmettert. Auf diese Weise schaukelten sich wirtschaftliche Probleme, strukturelle Fehlentwicklungen und die Fährnisse der politischen Großwetterlage gegenseitig auf, während in maßgeblichen Kreisen der VOC keine Bereitschaft bestand, grundsätzliche Veränderungen einzuleiten. Die politischen Entwicklungen in Europa bildeten schließlich den Rahmen für das Ende der VOC. Sie waren in ihren Auswirkungen nicht unwesentlich, aber auch nicht allein entscheidend für die Auflösung der Kompanie. In Asien verblieb eine niederländische Präsenz, so dass der Übergang für viele Betroffene vor Ort fließend war, wenn er überhaupt wahrgenommen wurde. General Herman Willem Daendels, ein führender Militär der Batavischen Republik und der nachfolgenden napoleontreuen Monarchie, der zwischen 1808 und 1811 als Generalgouverneur in Batavia residierte, hatte sogar den Ehrgeiz, wichtige Grundlagen für die spätere Kolonialherrschaft zu legen. Ihm gelang es, die indirekte Herrschaft über die javanischen Fürstentümer noch zu festigen, die eigene Verwaltung und Rechtssprechung zu modernisieren und an die veränderten Gegebenheiten anzupassen sowie mit dem Ausbau einer Postverbindung, dem Grote Postweg, die Basis einer kolonialen Infrastruktur zu errichten. Als nach dem britischen Interregnum 1818 die Kolonie Nederlands-Indië folgte, bedurfte es noch langer Zeit bis zur Errichtung einer umfassenden niederländischen Kolonialherrschaft. Die notwendige Unterwerfung der verschiedensten Klein- und Kleinststaaten war erst Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen. In Japan blieb die Niederlassung auf Deshima noch bis 1853 besetzt und erfüllte beharrlich ihre Funktion. Mit der gewaltsamen Öffnung Japans durch die USA und den inneren Reformen des Meiji-Kaisers wurde sie schließlich überflüssig. Mit ihr verschwand das letzte Relikt der alten VOC aus Asien.

VI. Verspätete Händler – Die Konkurrenz Europas Die französischen Kompanien Die Ursprünge des französischen Kompaniehandels sind untrennbar mit der Person Jean Baptist Colberts (1619–1683) verbunden. Der Marquis de Seignelay wurde 1661, nachdem er dem Kardinal Jules Mazarin als Vermögensverwalter gedient hatte, von König Ludwig XIV. zum Intendanten für Finanzen, Handel und Verkehr ernannt. Er bekleidete damit eine Position, die wie keine zweite geeignet war, die Rahmenbedingungen des französischen Handels zu bestimmen. Und Colbert war gewillt, dies auch zu tun. Wie kaum ein anderer Staatsmann seiner Zeit wurde er mit der Vorstellung in Verbindung gebracht, dass der Handel vorrangig die Quelle der Staatsfinanzen und seine Regulierung daher allererstes Staatsziel sei (Colbertismus). Privilegierte Handelskompanien setzte er gezielt als Instrument ein, um den Überseehandel diesem Ziel unterzuordnen. In den 1660er Jahren gründete er als regulated companies nacheinander die kurzlebige Westindien-Kompanie Compagnie des Indes Occidental, die Compagnie du Nord für den Baltikumhandel, eine Levante-Kompanie sowie eine Senegal-Kompanie. So blieb es den Aktivitäten Colberts vorbehalten, Frankreich in den Kreis der europäischen Handelsmächte in Asien zu führen. Die erste konkurrenzfähige französische Kompanie, die Compagnie des Indes, verfügte über ein Kapital von 15 Millionen Livre, von denen der König persönlich allein drei Millionen zeichnete. Auf fünfzig Jahre privilegierte er die Gesellschaft für den gesamten Indischen und Pazifischen Ozean vom Kap der Guten Hoffnung bis zur Magellan-Straße einschließlich der Besitzrechte an allen eroberten Gebieten. Das französische Monopol endete allerdings bereits 1682. Dennoch folgten ökonomisch durchaus erfolgreiche Zeiten, in denen eine Aufweichung des Verbots, ausländische Textilien nach Frankreich einzuführen, erreicht werden konnte. Erst dadurch wurde dem Absatz asiatischer Waren durch die Kompanie überhaupt eine einigermaßen zuverlässige Basis geschaffen. Im Gegensatz zu ihren niederländischen, englischen und dänischen Konkurrenten hatte die Compagnie des Indes von Anfang an kaum eine Möglichkeit, sich erfolgversprechend am Gewürzhandel zu beteiligen. Als ihre ersten Schiffe in Asien erschienen, war das europäisch kontrollierte Segment dieses Marktes längst aufgeteilt. Da an das „Gold des Ostens“ nur über Zwischenhändler und zu deutlich verteuerten Preisen heranzukommen war, bildeten Textilien das Herzstück des französischen Asienhandels. Dieser begann in Surat, das François Martin 1668 mit der ersten Flotte der Kompanie erreichte. Er gründete auch 1674 die Niederlassung in Pondicherry, die zum französischen Hauptquartier in Asien wurde, auch wenn sie zwischen 1693 und 1697 nach einem Hand-

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VI. Verspätete Händler

streich in niederländische Hand gelangte. Im Frieden von Rijswijk wurde Pondicherry 1697 wieder an die Franzosen zurückerstattet und 1699 erneut besetzt. Seit 1686 streckte die Kompanie ihre Fühler auch nach Bengalen aus, wo Faktoreien in Balasore, Kasimbazar und Patna entstanden. Den eigentlichen Beginn des Bengalen-Handels markierte allerdings erst 1690 die Festsetzung in Chandernagore unter dem Kommando von Martins Schwiegersohn. Auch im vietnamesischen Tongking, in Trincomalee auf Ceylon und auf Madagaskar festigte die Kompanie ihre Präsenz. Zudem spielte der Chinahandel bereits eine Rolle, doch wurde eine reguläre Niederlassung in Kanton erst im 18. Jahrhundert relevant. Die Hoffnung des Staates, dass sich ausreichend Kaufleute finden ließen, die sich neben spekulativem Gewinn auch verstärkt am Risiko der Gesellschaft beteiligten, blieb weitgehend unerfüllt. Schon nach wenigen Jahren befand sich die Kompanie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Colbert suchte nach neuen Wegen, private Interessenten für den Asienhandel zu gewinnen. Während auf dem Atlantik eigenständige Sklavenhandel-Kompanien zugelassen wurden, gestattete die Regierung im Asienhandel die Beteiligung von Privatiers in bestimmten Handelsbereichen, so weit diese die Schiffe und die Verkaufsstruktur der Kompanie nutzten. 1682 verschifften zwei der Direktoren der Compagnie des Indes auf eigene Rechnung Waren, die ein Drittel der Gesamtfracht ausmachten, wofür sie eigens eine private Gesellschaft gegründet hatten. Solche den merkantilistischen Gründungsabsichten zuwiderlaufenden Aktivitäten läuteten einen schleichenden Niedergang der Kompanie ein, der nach dem Tod Colberts 1683 nicht mehr aufzuhalten war. Die Aushöhlung der privilegierten Stellung der Kompanie setzte sich fort. 1698 ließ der zuständige Minister Pontchartrain eine Compagnie de Chine unter der Bedingung zu, dass diese der Compagnie des Indes 5% ihres Profits überließ. Um weiterhin am offenbar lukrativen Geschäft mit China beteiligt zu sein, entzog der Staat der Compagnie des Indes die China-Privilegien und gründete eine eigene Compagnie Royal de Chine. In Indien erlaubte die Kompanie lizenzierten Privatiers zunehmend, in ihrem Einflussbereich eigenen Handel zu treiben. Während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714) verlor die Kompanie schließlich ihr Monopol auf Silberausfuhren an ein Konsortium aus St. Malo. Letztendlich profitierten vor allem Bankiers und Spekulanten aus Paris von diesem Aushöhlungsprozess. Der Entwicklung in Frankreich stand ein um die Jahrhundertwende durchaus erfolgreicher Handel in Indien gegenüber. 1699 wurden beispielsweise über 20% Gewinn beim Verkauf von Gütern aus Surat und Bengalen erzielt.73 Die Kompanie hatte ein überschaubares, aber stabiles Stützpunktsystem in Asien, vor allem auf dem indischen Subkontinent, errichtet. Auf diesem baute eine kontinuierliche französische Präsenz in Asien auf, die in ihrem Kern von den Irrungen und Wirrungen französischer Handelspolitik erstaunlich unbeeindruckt blieb. Obwohl ihr Monopol seit über drei Jahrzehnten aufgehoben war, erlebte die Compagnie des Indes in ihrem asiatischen Operationsgebiet erst ab 1716 einen deutlichen Niedergang, der sich vor allem in der finanziellen Situa-

Die französischen Kompanien

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tion niederschlug. Die französischen men on the spot büßten zunehmend ihren Bewegungsspielraum ein; die Kompanie musste sich nun auch in Indien verschulden. In dieser Situation geriet die Kompanie in den Sog der vielleicht größten Spekulationsblase des 18.Jahrhunderts und wurde 1719 förmlich liquidiert, als sie wie alle anderen Übersee-Kompanien Frankreichs in der Compagnie Perpétuelle des Indes aufging. Mit John Law (1671–1729) war zuvor ein schottischer Wirtschaftstheoretiker und Spekulant mit schillerndem Lebenslauf, der in Paris ein Vermögen gemacht hatte, zum Generalkontrolleur der Finanzen aufgestiegen. Durch gute Beziehungen zum Hof, dessen prekäre Finanzlage aufgrund des Spanischen Erbfolgekrieges er ausnutzen konnte, erhielt Law die Genehmigung zur Gründung einer privaten Notenbank, die mehrheitlich aus bedenklichen Staatsanleihen finanziert wurde und bald unter dem Namen Banque Royal firmierte. Für einige Jahre lag damit in Frankreich das Recht auf Ausgabe von Banknoten und quasistaatlicher Anleihen in Privathand. Auf dem Höhepunkt seines innerfranzösischen Erfolges entschied sich Law für eine Ausweitung seiner Interessen nach Übersee, indem er 1717 die Mississippi-Kompanie (Compagnie de la Louisiane ou d’Occident) gründete. Zur Stabilisierung des zunächst schwachen Kapitalstocks erwarb er weitere Privilegien, was durch die Übernahme der anderen, schwächelnden Handelskompanien am leichtesten zu realisieren war. In kürzester Zeit gelang es Law, alle französischen Übersee-Aktivitäten in seiner nun zur Compagnie des Indes aufgestiegenen Gesellschaft zu konzentrieren. Gleichzeitig verstärkte die Banque Royal ihre Geldausgabe. Die Folge war eine Aktienhausse mit dramatisch überbewerteten Kompanie-Anteilen. Zwar konnte die Staatsverschuldung durch ein niedrigverzinsliches Darlehen seitens der Kompanie gesenkt werden, doch brach die Hausse, nachdem sich die hohen Erwartungen in Amerika nicht erfüllt und auf dem Höhepunkt viele Spekulanten ihre Anteile verkauft hatten, schlagartig in sich zusammen. Das Platzen der Spekulationsblase ließ sowohl den Wert der Aktien als auch der Banknoten der Banque Royal abstürzen. Das Ende des Law’schen Systems stellte einen Wendepunkt in der französischen Kompaniegeschichte dar, nicht jedoch den Untergang dieser Gesellschaftsform. Der Compagnie des Indes gelang es, eine Umschuldung durch den Staat in die Wege zu leiten und neue Einnahmequellen in Gestalt einer nationalen Lotterie und des Tabak- und KaffeeMonopols zu erschließen. In Asien machte sich die Schwächung in der Heimat durchaus bemerkbar, doch blieb das grundlegende System französischer Handelsverbindungen bestehen. In China wurden Tee, Porzellan, Seidenstoffe, Lackwaren und andere Luxusgüter, in Indien Baumwoll- und Seidenprodukte, im jemenitischen Mocha Kaffee und im südindischen Mahé Pfeffer erstanden. Da die Compagnie des Indes auch weiterhin für den Atlantikhandel zuständig war, kamen Gold, Elfenbein und Sklaven hinzu. Der Anteil der Geschäfte in Indien ging zugunsten des Chinahandels im Laufe des 18. Jahrhundert kontinuierlich zurück. Insgesamt erlebte der Asienhandel große Schwankungen, kam jedoch niemals zum Erliegen – ganz im Gegenteil. In den 1730er Jahren holte die französische Kompanie im Vergleich mit EIC und VOC sogar auf, was einige Forscher dazu verleitet hat, die französische Kompanie als gleichwertige Konkurrenz zu diesen zu stili-

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VI. Verspätete Händler

sieren.74 So liefen, um einen sichtbaren Beleg dafür anzuführen, 1731 die vier wichtigsten indischen Textillieferanten der VOC zur Compagnie des Indes über. In den folgenden Jahrzehnten gingen die Werte der nach Europa geschafften Waren jedoch kontinuierlich zurück – trotz eines Wiederauflebens Ende der 1760er Jahre, das sich jedoch als Strohfeuer entpuppte. Eine dauerhafte Verbesserung der Position in Asien konnten auch die Aktivitäten von Jean François Dupleix (1697–1763), seit 1742 Generalgouverneur der französischen Besitzungen, nicht erreichen, der einen Ausgleich merkantiler Schwächen durch die Ausweitung territorialen Einflusses anstrebte. Die Auseinandersetzung mit der EIC, in die er damit zwangsläufig – vornehmlich in den Karnataka-Kriegen – hineinsteuerte, war für die Compagnie des Indes zu keinem erfolgreichen Ende zu führen. Dafür hatte die Kompanie angesichts stagnierender, wenn nicht sogar rückläufiger Geschäfte in Indien und gleichzeitig unzureichender Unterstützung aus Europa nicht das notwendige Potenzial. Zudem vertrat der andere starke Mann Frankreichs in Asien, Admiral Bertrand François Mahé de la Bourdonnais (1699–1753), seit 1734 Gouverneur von Mauritius und Réunion und seit 1740 Oberkommandierender der französischen Flotte in Asien, eine gegenteilige Position. Die Bemühungen Dupleix’ bildeten ein weiteres Kapitel der anglofranzösischen Kriege in Übersee, ihr Scheitern die endgültige französische Niederlage in der europäischen Machtrivalität auf dem indischen Subkontinent – während für den Handel als eigentliche Aufgabe der Kompanie nichts erreicht werden konnte. Folgerichtig ging 1769 das Privileg verloren, und bereits 1770 wurde die Compagnie des Indes endgültig liquidiert. Dass Ludwig XVI. 1785 eine China-Kompanie gründete, ausgestattet mit einem Kapital von 40 Millionen Livres sowie einem siebenjährigen Privileg für alle Gebiete östlich des Kaps der Guten Hoffnung außer den Kronkolonien Mauritius und Réunion, blieb aus institutionengeschichtlicher Sicht ein kurzlebiger Epilog. Bemerkenswerter war die Nachhaltigkeit französischer Präsenz in Asien. Die neue Kompanie unternahm nicht nur mit sieben Schiffen von Lorient aus Reisen nach Indien und China und nahm dort direkte Handelsbeziehungen zu Engländern und Niederländern auf, sondern konnte auch auf eine stabile Situation in Pondicherry zurückgreifen, wo langfristige etablierte Kontakte zur Textilproduktion im Umland bestanden. 1790 wurden im Zuge der Französischen Revolution der Kompanie ihre Privilegien aberkannt; die neue Nationalversammlung garantierte freien Handel in Asien für alle Franzosen. Unter diesen veränderten Umständen hielt die Kompanie einen reduzierten Handel noch bis 1794 aufrecht. Die endgültige Liquidation erfolgte erst 1826. Die zuvor besetzten Gebiete in Indien (Pondicherry und Karaikal an der Koromandel-Küste, Mahé an der Malabar-Küste, Yanam im Godavari-Delta und Chandannagar in Bengalen) blieben sogar bis 1954 als Französisch-Indien Kolonialbesitz. Kaum ein Unternehmen hatte ein so schlechtes Ansehen unter Zeitgenossen und späteren Kommentatoren wie die französischen Spielarten der Ostindien-Kompanie. Sie galten als überregulierte und unterfinanzierte Institutionen, die über Privilegien verfüg-

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ten, privates Unternehmertum erstickten, geschäftlichen Konservatismus förderten und auf diese Weise nie zu einem effektiven Instrument der weiteren Wirtschaftsentwicklung bis hin zur Industrialisierung wurden.75 Auch wenn die verschiedenen französischen Kompanien alles andere als strahlende Erfolgsgeschichten waren, spricht aus einem solchen Urteil auch eine teleologische Sichtweise, die alle wirtschaftliche Institutionen nur am Maßstab einer linearen Entwicklung, vom Mittelalter bis zur Industrialisierung, zu messen bereit ist. Sicherlich war der französische Staat überrepräsentiert und die Kaufmannschaft desinteressiert; sicherlich waren solche Kompanien ein besonders leichtes Opfer desaströser Experimente auf dem Kapitalmarkt. Daneben waren sie aber eben auch Garanten eines durchaus relevanten Handels, den die beiden großen Konkurrenten zumindest in seiner Glanzzeit sehr ernst nahmen, und bildeten die Grundlage einer Kontinuität französischer Präsenz in Indien und China, die weitaus größer war, als es die wechselhafte Entwicklung der Kompanie in der französischen Heimat vermuten lässt.

Die dänischen Kompanien Betrachtet man die Dauer der Präsenz in Asien, dann waren die Ostindien-Kompanien des Königreiches Dänemark beinahe ein ebenbürtiger Konkurrent Englands. Und lenkt man den Blick auf die Struktur der Kompanien, entdeckt man einen kleinen Bruder der niederländischen VOC. Zwischen 1616 und 1840 bestanden nacheinander drei privilegierte Kompanien für den Asienhandel in Dänemark, die für eine kontinuierliche Präsenz der dänischen Flagge, des Danebrog, in Indien von 1620 bis 1845 sorgten. Die erste Ostindisk Kompagni (1616–1650) ging auf eine Petition zurück, die Kopenhagener Kaufleute 1615 an König Christian IV. richteten und die bei Hofe auf großes Wohlwollen stieß. Am 17. März 1616 verlieh der König eine Charter nach niederländischem Vorbild. Von diesem wurde vor allem zugunsten einer zentralistischeren Leitungsebene abgewichen; der Anlass für ein Kammernsystem entfiel in Dänemark, die Regierung bevorzugte eine Organisationsform, bei der sie den Direktor ernennen konnte, anstatt ihn wählen zu lassen. Die Aufnahme der Geschäfte verzögerte sich, da es zunächst Schwierigkeiten gab, ausreichend Kapital zusammenzubringen. Erst 1618 war der joint stock von 178999 Reichstalern aufgebracht, dessen Anteile sich auf das Königshaus (12,5%), den Adel (15,5%), auf Kopenhagener Bürger (35%), solche aus den Staatsteilen Dänemark, Norwegen, Schleswig und Holstein (29,5%) sowie niederländische und Hamburger Kaufleute (5% bzw. 2,5%) verteilten. Einer ersten Asienreise, die zuerst nach Banten auf Java führte, stand nun nichts mehr im Wege. Die Hoffnungen, die man aufgrund der – leeren – Versprechungen des holländischen Kaufmannes Machelis Boshouwer an die Kontakte zum dortigen Sultan geknüpft hatte, zerschlugen sich jedoch schnell. Die Expedition reiste weiter nach Ceylon und Südindien. An der Koromandel-Küste gelang es schließlich, mit dem Herrscher (Nayak) von Tanjore handelseinig zu werden und eine Niederlassung in der Stadt Tranquebar zu grün-

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VI. Verspätete Händler

Plan von Tranquebar mit der Dansburg.

den, für die sogar eine Gruppe Siedler mit Frauen und Kindern an Bord war. Der Vertrag wurde offiziell zwischen dem Nayak und dem dänischen König abgeschlossen; die neue Niederlassung war dementsprechend königliches Eigentum und ihr Gouverneur stets auch Vertreter der Krone. Tranquebar, das schnell zur unbestrittenen Zentrale der dänischen Aktivitäten in Asien wurde, bot günstige Rahmenbedingungen, hatte es sich doch zu einem der wichtigsten Umschlagplätze von Pfeffer, der auf dem Landwege von der Malabar-Küste kam, im Südosten Indiens entwickelt. Daran änderte sich auch nichts, als der Nayak als Reaktion auf den Druck der EIC, die einen neuen Konkurrenten nur ungern sah, den Pachtzins auf 7000 Reichstaler erhöhte. Bis 1639 schickte die Kompanie 13 weitere Schiffe nach Asien, bevor der reguläre Kontakt aufgrund von Schwierigkeiten, die vor allem mit hohen Schiffsverlusten und dem 30-Jährigen Krieg zusammenhingen, vorerst einschlief. Der Tod ihres Förderers Christian IV. im Jahr 1648 ließ die letzte Stütze der Kompanie wegfallen, die daraufhin 1650 liquidiert wurde. Festung und Faktorei in Tranquebar waren auf sich allein gestellt, blieben aber ein Außenposten Dänemarks, den der König nicht endgültig aufgeben wollte. Trotzdem gelang es erst 1668, ein jeweils zur Hälfte privat und staatlich finanziertes Versorgungsschiff nach Indien zu entsenden. Dieses nahm auf dem Rückweg in Banten wertvolle Fracht auf, so dass die Reise ein kommerzieller Erfolg wurde und das Interesse in Dänemark an einer Kompanie wieder steigen ließ.

Die dänischen Kompanien

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Ergebnis war die Gründung der zweiten Ostindisk Kompagni (1670–1729) mit einer Charter vom 28. November 1670, die den Anteilseignern mehr Einfluss ermöglichte und die in der ersten Kompanie auf Lebenszeit bestimmten Direktoren zur Wahl stellte. Die königliche Familie, die nach wie vor zu den größten Anteilseignern gehörte, gab ein NichtEinmischungsversprechen ab. Ab 1670 fuhren wieder ein bis zwei Schiffe pro Jahr nach Asien. Allerdings wurden die Reisen immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen mit Schweden behindert, weswegen 1681 eine Kapitalerhöhung von 12% zur Deckung der militärischen Kosten unumgänglich wurde. 1698 wurde die ursprünglich auf 40 Jahre ausgestellte Charter bis 1750 verlängert, doch war die Kompanie bereits 1720 nicht mehr in der Lage, die Schiffe für die Asienreise auszurüsten. In einem letzten Versuch, den Handelsverkehr dennoch aufrechtzuerhalten, gab die Kompanie ein Schiff pro Jahr für Charterfracht frei. Zahlungsunfähig wurde sie dennoch. 1729 wurde auch die zweite dänische Ostindien-Kompanie aufgelöst; Tranquebar fiel an die Krone zurück. Sowohl bei König Christian VI., der schon als Kronprinz den Ostindien-Handel forciert hatte, als auch bei den Kopenhagener Kaufleuten bestand trotz aller Rückschläge weiterhin Interesse am Asiengeschäft, weswegen kurzfristig zwei kleinere Gesellschaften aus der Taufe gehoben wurden, die den Chinahandel einerseits und die Fahrten nach Indien andererseits aufrechterhalten sollten. Am 2. April 1732 wurden diese beiden Unternehmen zu der königlich privilegierten dänischen Asiatisk Kompagni (1732–1840) zusammengeschlossen, in der die Anteilseigner weiter gestärkt wurden und Machtkonzentrationen vermieden werden sollten, unter anderem durch eine Beschränkung auf maximal drei Stimmen pro Teilhaber. Die wirtschaftlichen Erfolge blieben bald hinter den Erwartungen zurück, so dass die Finanzierung zunehmend auf Krediten beruhte. Vor allem wurden kurzfristige Barkredite bei der Kopenhagener Kurantbank aufgenommen, die aber nicht verhindern konnten, dass die Aktivitäten zurückgefahren werden mussten. Die Kompanie wurde für die großen Handelshäuser zunehmend uninteressant, während kleinere Investoren an Einfluss gewannen. Diese Entwicklung machte sich auch in der Führung bemerkbar. Immer mehr Positionen auf der Leitungsebene in Dänemark wurden durch Führungskräfte besetzt, die aus Übersee zurückgekehrt waren. Ausländische Investoren zogen sich nach einer gewissen Gründungseuphorie im Jahr 1772, als sie 25% des Kapitals stellten, wieder zurück. Während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges mit seinen wirtschaftlichen Unwägbarkeiten ging ihr Anteil auf 10% zurück, während die Beteiligung des dänischen Mittelstandes im Gegenzug von der Hälfte auf zwei Drittel anstieg. Die großen Handelshäuser verlegten sich zunehmend auf einen eigenverantwortlichen Freihandel, verbunden mit entsprechenden Forderungen an den dänischen Staat. Dies führte schon in der Charter von 1772 zu einer in Europa bis dahin einmaligen Situation: in Indien erlaubte Dänemark gleichzeitig Kompaniehandel und privaten Freihandel, nicht zuletzt bedingt durch den Konkurrenzdruck der auf dem Subkontinent inzwischen übermächtigen EIC. Das Chinamonopol der dänischen Kompanie blieb allerdings bestehen.

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VI. Verspätete Händler

Ansicht von Tranquebar.

Bis 1807 konnte die Gesellschaft ihre Geschäfte zumindest rudimentär aufrechterhalten. Danach wurden nur noch sehr wenige, sehr sporadische Reisen nach Asien durchgeführt, welche die Niederlassungen dort kaum noch mit dem Notwendigsten versorgen konnten. Dies hatte nicht ausschließlich wirtschaftliche Gründe. Dänemark war auf Seiten Frankreichs in die Napoleonischen Kriege eingetreten, was sich nicht nur auf die Reisemöglichkeiten nach Asien, sondern auch auf die Bedingungen in Indien negativ auswirkte. Eine Besetzung ihrer Niederlassungen in den Jahren 1801/02 durch die Engländer konnte die dänische Kompanie noch verkraften, die Okkupation durch EICTruppen zwischen 1808 und 1814 sorgte schließlich für den Zusammenbruch der bestehenden Handelsstrukturen. Daran änderte sich auch nichts mehr, als durch den Wiener Kongress die dänischen Besitzungen, also auch Tranquebar, zurückerstattet wurden. Die Asiatisk Kompagni wurde 1840 liquidiert; der Gouverneur in Tranquebar räumte seinen Sitz schließlich 1845, nachdem Fort Daneborg an die EIC verkauft worden war. In Asien entwickelten die dänischen Kompanien ihren Schwerpunkt in Indien. Mit Tranquebar befand sich die zentrale Niederlassung an der für die Europäer so wichtigen Koromandel-Küste, wo anfangs auch in Masulipatnam (1625–1642) und möglicherweise, allerdings kaum belegt, vor den Franzosen in Pondicherry Faktoreien unterhalten wurden. In zwei anderen Zentren europäischen Interesses, an der Malabar-Küste und in Bengalen, waren die dänischen Kompanien ebenfalls vertreten. In Bengalen unterhielten sie die zweite große Niederlassung in Serampore mit dem Namen Frederiksnagar, die

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von 1755 bis 1845 existierte und bereits 1630 und 1676 kurzlebige Vorgänger hatte. Daneben waren sie in Balasore, Zentrum des bengalisch-ceylonesischen Handels (1636– 1642/1674–1845), in Gondalpara (1676–1714) und bei Chandernagore mit der Faktorei Dannemarksnagore (1698–1714) präsent. An der Malabar-Küste wurde in der Metropole Kalikut die Faktorei Kozhikode (1752–1784) unterhalten, die von den Engländern im Zuge der Mysore-Kriege okkupiert wurde, und daneben ein kleiner Stützpunkt in Eddowa (1695/96–1721/22). Die Ausrichtung auf das südliche Indien entsprach dem ursprünglich anvisierten Kerngeschäft des Pfefferhandels. Daneben hatten es die Dänen zu Beginn auf die molukkischen Gewürze abgesehen, weswegen sie während der ersten Ostindisk Kompagni auch in Banten (1625–1645) sowie in Makassar und Japara sporadisch präsent waren. Ansätze hierzu bestanden auch nach der zweiten Charter. Gegen die Dominanz der VOC im Malaiischen Archipel waren die dänischen Kompanien jedoch letztendlich machtlos. Nach dem Fall des freien Banten 1684 waren sie nicht mehr dauerhaft in Indonesien vertreten, mit Ausnahme einer kleinen, zumindest gelegentlich besetzten Faktorei in Aceh. An Stelle des versiegten Molukkenhandels gewann im 18. Jahrhundert zunehmend das Chinageschäft an Bedeutung. Die dänische Kompanie war ein Teil des Kanton-Systems und gründete 1742 eine ständige Niederlassung im Gebiet der „Dreizehn Faktoreien“ zur Verstetigung ihres längst etablierten Handels. 1792 wurde diese Faktorei wieder aufgelöst, der Chinahandel aber über regelmäßige Schiffe aus der Heimat bis 1833 aufrechterhalten. Neben den Indienfahrern, die Tranquebar ansteuerten, fuhren in den besseren Zeiten auch jährlich ein bis zwei Schiffe unmittelbar von Dänemark nach Kanton. Die mitunter jahrelangen Wartezeiten der asiatischen Niederlassungen auf Schiffe aus der Heimat ließen in Verbindung mit der notorischen Kapitalknappheit die dänischen Kompanien noch weitaus mehr als andere europäische Handelsgesellschaften auf die Beteiligung am country trade angewiesen sein – so weit überhaupt eine Trennung zwischen diesem und dem ursprünglichen Asienhandel sinnvoll ist, da sie bei den Dänen besonders eng miteinander verquickt waren. Es bestand bis in die 1680er Jahre ein regelrechter Dreieckshandel zwischen dem Malaiischen Archipel, der Koromandel-Küste und Dänemark. Vor der Vertreibung aus Indonesien durch die VOC bestand eine regelmäßige Verbindung von Masulipatnam nach Makassar und später, als Ersatz, von Tranquebar nach Banten. Im Gegenzug zu den eingekauften Gewürzen wurden indische Textilien geliefert. Der Wegfall der Zufuhr molukkischer Gewürze steigerte noch die Bedeutung von Textilien, auch für den europäischen Markt, und von Pfeffer als einzigem noch unbehindert verfügbaren Gewürz. Daneben spielte in Indien Salpeter eine wichtige Rolle und während der dritten Kompanie chinesische Produkte, allen voran Tee. Aus Europa lieferten die Dänen neben Silber vor allem Waffen. Mit kleinen, in Asien gebauten Schaluppen oder Schiffen asiatischen Typs wurden auch relativ regelmäßige Kontakte auf anderen Strecken hergestellt, so nach Ceylon, Persien und, als die spanische Kolonialmacht 1745 ihren wichtigsten Hafen in Asien öffnete, nach Manila. All diese Bemühungen konnten allerdings keine dauerhaft konkurrenzfähige Position aufbauen;

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genauso wenig die Festsetzung auf den Nikobaren 1756, die nur zur Errichtung einer Versorgungsstation führte. Um die Präsenz in Asien überhaupt sichern zu können, mussten die Ostindien-Kompanien unorthodoxe Methoden in Betracht ziehen. Die Dänen verpachteten ihren Schiffsraum, führten im Auftrag der EIC Reistransporte durch und stellten ihre neutrale Flagge in Kriegszeiten Niederländern, Franzosen oder Engländern zur Verfügung. Alles, was Einkünfte versprach, wurde ohne Denkverbote genutzt, um die Niederlassungen auch über größere Durststrecken hinwegzuführen. Dänemark profitierte zumindest bis Ende des 18.Jahrhunderts von seiner Neutralität. Grundlage waren Freundschafts- und Handelsverträge mit England, Frankreich und den Niederlanden. Vor diesem Hintergrund konnte die Kompanie auch in Asien als neutrale Macht auftreten, wodurch Tranquebar faktisch die Rolle eines Freihafens spielte. Dänischen Schiffen standen in Konfliktzeiten manche Wege offen, die den Vertretern großer Expansionsnationen zu gefährlich wurden. Letztendlich fanden sich die dänischen Kompanien in einer ambivalenten Lage wieder. Einerseits standen sie unter dem überdurchschnittlichen Druck ihrer großen Konkurrenten, die sie am liebsten aus ihrem Umfeld entfernt hätten, andererseits erwies sich der neutrale Danebrog auch für diese immer wieder als nützlich.

Die Kompanie von Ostende Der Handel in den südlichen, katholischen Niederlanden war nach der Unabhängigkeit des protestantischen Landesteils deutlich ins Hintertreffen geraten. Interesse am Asienhandel bestand allerdings auch hier, wenn auch vor dem Hintergrund einer weitaus geringeren Kapitalkraft. Immerhin gab es eine bedeutende Kaufmannschaft in Antwerpen, Gent und Ostende. Es dauerte jedoch lange, bis die institutionelle Form des nachbarlichen Überseehandels auch hier Eingang fand. Im Dezember 1722 erließ der Habsburger Kaiser Karl VI. in Wien die Charter der Kompanie von Ostende an eine Investorengruppe aus den beiden Niederlanden, aus Irland und aus Dänemark. Diese Gruppe hatte bereits seit 1713 Reisen nach Indien ausgerüstet und unterhielt seit 1719 in Kovilam bei Madras eine Faktorei. Mehrheitlich waren es nach Ausschreibung der Anteile Kaufleute aus Antwerpen und Gent, welche die sechs Millionen Gulden Kapital aufbrachten, doch blieb die Kompanie ein international finanziertes Unternehmen. Die erste Reise der Kompanie wurde auf der Grundlage positiver Nachrichten aus Bengalen bereits im Gründungsjahr 1722 ausgerüstet und über einen armenischen Bankier in Murshidabad mit einem Kapital von 70 000 Reichstalern ausgestattet. Auf der Rückreise brachte die Expedition im Februar 1724 den bisherigen Residenten in Kovilam, den Schotten Alexander Hume, zurück nach Ostende. Als neuer Resident blieb Andreas Cobbé vor Ort, der bald eine Faktorei übernehmen konnte, die 1714 von den Dänen wegen Streitigkeiten mit dem lokalen Herrscher aufgegeben worden war. Allerdings zettelte Cobbé durch die Kaperung einheimischer Schiffe bewaffnete Auseinander-

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setzungen an, bei denen er selbst tödlich verwundet wurde und die restlichen Bediensteten in der französischen Faktorei von Chandernagore Zuflucht suchen mussten. Nach diesem unglücklichen Auftakt der Kompanie-Geschäfte in Indien wurde der erfahrene Alexander Hume zum Gouverneur der Niederlassungen ernannt. Er kehrte 1726 nach Bengalen zurück, wo er sich umgehend um die Zulassung seiner Kompanie in den regionalen Handelszentren bemühte – allerdings zunächst erfolglos. Als letzte Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen, griff Hume auf das gleiche Mittel wie sein Vorgänger zurück. Er ließ vor Balasore indische Fahrzeuge kapern und setzte mit zwei Fregatten solche Aktionen im Fluss Hugli fort. Hume erwies sich im Vergleich zu Cobbé als der gewieftere Taktiker, denn im Ergebnis hatte er letztendlich Erfolg: Nach etlichen Verhandlungen mit einheimischen Autoritäten erhielt die Kompanie am 5. Juli 1727 die Erlaubnis in Bankibazar eine Faktorei zu gründen. Diese Episode macht die schwierige Position eines Nachzüglers unter den OstindienKompanien deutlich, waren doch solche herrschaftlichen Handelserlaubnisse in Bengalen eigentlich eher eine Formsache. In diesem speziellen Fall wurden sie aber von den längst übermächtigen Kompanien aus Großbritannien und den Niederlanden hintertrieben. Der Herrscher von Hugli nutzte die Situation, um beide Seiten – Ostende-Kompanie einerseits und eine informelle angloniederländische Koalition andererseits – gegeneinander auszuspielen, was ihm zumindest eine möglichst hohe Abgabe seitens der Ostender einbrachte. Trotz der krisenhaften Situation bemühten sich die Residenten der Ostende-Kompanie, ihre kaufmännischen Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Die unsichere Situation zwischen taktierenden indischen Herrschern und massiv auftretenden europäischen Konkurrenten, die vergleichsweise schwache finanzielle Ausstattung vor Ort und nicht zuletzt ein gravierender Mangel an Erfahrung sorgten allerdings dafür, dass sich der Erfolg in Grenzen hielt. Neben der phasenweise stark behinderten Ausfuhr bengalischer Textilien versuchte die Kompanie von Ostende ihr Glück in der Teilnahme am country trade. Vor allem entlang der Küste im Osten des Subkontinents war man aktiv, wobei neben indischen Kaufleuten die dänische Kompanie als Handelspartner eine wichtige Rolle spielte. Daneben segelten Schiffe der Kompanie auch nach Mocha und Jidda auf der Arabischen Halbinsel. Dabei kam auch eine Geschäftsform zur Anwendung, die bereits von den Dänen bekannt ist und generell einen Notanker für weniger konkurrenzfähige Gesellschaften darstellte: die Vermietung von Schiffsraum an Privatiers und vor allem an andere Ostindien-Kompanien. Im belgischen Fall handelte es sich um private englische Kaufleute und um die EIC. Das zweite kommerzielle Standbein der Kompanie sollte der Handel mit China werden. Auch in diesem Bereich nahmen die Kontakte schon im Vorfeld ihren Anfang. Eine Expedition des Antwerpener Bankiers Paul-Jacques Cloots, die im Dezember 1717 Ostende verließ und im Sommer 1719 zurückkehrte, erhielt für 127 000 Gulden die kaiserliche Erlaubnis, in Kanton eine Faktorei zu gründen. Angesichts des Wertes des Tees, der auf dieser einen Reise erstanden wurde und für eine Million Gulden verkauft werden

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konnte, handelte es sich durchaus um eine lukrative Investition. Seit 1720 bestand ein geringer, aber regelmäßiger Schiffsverkehr nach Kanton. Im Rahmen der privilegierten Kompanie wurden vier Reisen ausgerüstet. Der Vorrang des China-Geschäftes lag zeittypisch auf dem Teehandel; daneben wurden Porzellan, Seide und Satin nach Europa ausgeführt. Wie alle anderen Kompanien waren auch die Belgier auf den Einsatz von Edelmetallen als Gegenwert für die chinesischen Luxuswaren angewiesen. Zeit ihrer Existenz stand die Ostende-Kompanie unter großem Druck ihrer beiden Konkurrenten EIC und VOC. Dies machte sich schon bei der Etablierung in Indien drastisch bemerkbar, während in China das Kanton-System solche Auseinandersetzungen unmöglich machte. In Europa riss der politische Druck seitens der englischen Krone und der niederländischen Republik nicht ab. Da der Kaiser die Unterstützung dieser beiden Seemächte benötigte, um im Spanischen Erbfolgekrieg dem Hause Habsburg die Herrschaft über Spanien zu sichern, musste er diesem Druck schließlich nachgeben. 1727 wurde die Charter der Kompanie für sieben Jahre ausgesetzt – eine Entscheidung, die aus rein wirtschaftlichen Gründen sicherlich noch nicht erfolgt wäre. Da der belgische Handel in Asien noch nicht gescheitert war, ging man in Indien dazu über, ihn unter fremden Flaggen fortzusetzen. Von englischer und niederländischer Seite wurde er jetzt erst recht auch mit militärischen Mitteln bekämpft, wie eine Blockade des Flusses Hugli zeigt, auf dem vier belgische Schiffe unter falscher Flagge aufgebracht wurden. Aus einer Position der Stärke heraus verhandelten EIC und VOC mit dem Nawab von Bengalen, der gegen die Zahlung großzügiger Abgaben die Vertreibung der Belgier aus Bengalen zusagte. In dieser unhaltbaren Situation wurde die Kompanie 1731 endgültig aufgelöst; der Kaiser übernahm zumindest formell die Faktoreien. Die Investoren orientierten sich entweder nach Skandinavien um oder bemühten sich, als private Kaufleute ihre Geschäfte unter fremder, häufig polnischer Flagge fortzusetzen. Die Bediensteten in Asien suchten ihr Glück nicht zuletzt in den konkurrierenden Gesellschaften. So wechselte François de Schonamille aus Antwerpen, der Nachfolger Humes im Amt des Gouverneurs, 1730 die Fronten, trat der EIC bei und leitete unter ihrer Flagge die Faktorei in Bankibazar bis 1744.

Die schwedischen Kompanien Nach dem Ende der Ostende-Kompanie gingen zahlreiche ihrer Investoren entweder nach Dänemark oder nach Schweden. In Schweden hatte es bis dahin einige wenige Ideen in Richtung einer privilegierten Kompanie gegeben, die bis in das Jahr 1626 zurückgingen, in dem ein erstes königliches Privileg an einen niederländischen Kaufmann vergeben wurde. Dieses blieb ebenso folgenlos wie einige Versuche zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Während der 1720er Jahre kam durch König Frederik I. selbst neue Bewegung in die Frage eines schwedischen Asienhandels. Mit der VOC als Vorbild trat er, bei weitem nicht unwidersprochen, für die Privilegierung einer Ostindien-Kompanie

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ein. Das Ende der Ostende-Kompanie und die Tatsache, dass einige ihrer Investoren neue Anlagemöglichkeiten suchten, ermöglichten es schließlich dem König, sich gegen seine Kritiker in der nationalen Handelskommission durchzusetzen. Am 14. Juni 1731 wurde die Charter für eine Gruppe um die Schotten Hugh und Colin Campbell sowie den Göteborger Kaufmann Henry Koenig ausgestellt. Erneuert wurde sie erstmals am 17. Juni 1746. Es ist allerdings zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es sich nicht einfach um die Fortsetzung der Ostende-Kompanie unter anderer Flagge handelte, sondern allein schon aufgrund der Initiative des Königs um eine eigenständige schwedische Gründung.76 In der Heimat wurde Göteborg zum Zentrum der Kompanie. Alle Schiffe traten ihre Reise in dem südschwedischen Hafen an und kehrten dorthin zurück. Hier fand auch die Versteigerung der asiatischen Waren statt. Die exportierten Waren entsprachen den Möglichkeiten des Ursprungslandes der Kompanie und bestanden vor allem aus Eisen, Metallwaren und Bauholz. In Asien war die Kompanie mehr auf den China- als auf den Indien-Handel ausgerichtet. Hier spielten nicht zuletzt die Lehren aus dem Scheitern der Ostende-Kompanie eine Rolle, die sich nach der Einschätzung mancher mit Bengalen und China als Operationsgebiet verzettelt hatte. Auf schwedischer Seite gab es nur einige eher unergiebige Experimente in Surat und Bengalen. Von den 61 Fahrten nach Asien, die zwischen 1733 und 1767 durchgeführt wurden, kehrten nur vier mit bengalischen Textilien nach Europa zurück. Noch geringere Bedeutung hatte Surat, wo ebenfalls Baumwolle eingekauft wurde. Bereits die erste Reise steuerte unmittelbar Kanton an. Sie verließ am 2. Februar 1732 unter dem Kommando von Colin Campbell Göteborg und wurde trotz eines Zwischenfalls – die VOC kaperte das Schiff während der Rückreise und brachte es vorübergehend nach Batavia – ein großer Erfolg. In China beteiligte sich die schwedische Kompanie vorrangig am Teehandel. Dass ursprünglich auch Gewürze ganz oben auf der Agenda gestanden hatten, war wohl eher eine Reminiszenz an das „Gold des Ostens“ und weniger an den realen Asienhandel Mitte des 18.Jahrhunderts gewesen. In den 1770er Jahren machte Tee 90% der Rückfracht aus; Porzellan immerhin noch 5%. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil des Tees wurde nach England reexportiert, was aufgrund des EICMonopols in Großbritannien nichts anderes als ein Schmuggelgeschäft war. Die schwedische Ostindien-Kompanie blieb ihrer geschäftlichen Ausrichtung langfristig treu und entwickelte so eine erstaunliche, wenn auch im Volumen bescheidene Kontinuität. Den ersten beiden Privilegierungen folgte eine dritte Charter am 7. Juli 1766, die auf 20 Jahre ausgestellt und anschließend für den Zeitraum 1786 bis 1806 verlängert wurde. Auch diese beiden Epochen waren eine durchaus erfolgreiche Zeit, denkt man an die immerhin 39 respektive 32 Schiffe, die in ihrem Verlauf ohne nennenswerte Verluste die Verbindung zwischen China und Schweden sicherstellten. Ein dramatischer Niedergang der Geschäfte setzte erst an der Wende zum 19. Jahrhundert ein, als bereits 1804 eine fünfte Charter folgte, der Handel aber dennoch langsam versandete. Das letzte

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Schiff kehrte 1806 aus Asien nach Göteborg zurück; die Kompanie erlebte 1809 endgültig ihren Bankrott. In ihrem Fall waren es weniger Ereignisse auf der großen politischen Bühne – auch wenn die Napoleonischen Kriege an keiner Ostindien-Kompanie spurlos vorbeigingen –, die für den Untergang verantwortlich waren. Vielmehr folgte das Schikksal der schwedischen Kompanie dem allgemeinen, auch in Asien relevanten Trend zum Freihandel; privilegierte Handelsgesellschaften dominierten nicht mehr den OstindienHandel. Dass die EIC über diese Phase hinaus noch existierte, lag an ihrem Rollenwandel. Für eine solche Entwicklung konnte Schweden, das eine Handels- und Seefahrtsmacht, nie aber eine Kolonialmacht war, keinerlei Hintergrund bieten.

Randerscheinungen und gescheiterte Versuche Die ungebrochene Attraktivität des Asienhandels sowie die hohe Effektivität und der kommerzielle Erfolg der Kompanien aus England und den Niederlanden – so mussten es die europäischen Zeitgenossen wahrnehmen – veranlassten auch eine Reihe anderer Nationen, die Gründung von Ostindien-Kompanien ins Auge zu fassen. Sogar in Ländern, die gemeinhin für einen ganz anderen Zugang zu Asien bekannt waren, stieß das Konzept auf Interesse. Portugal rief 1628 eine Companhia da India Oriental ins Leben, die in erster Linie der Kapitalakquise für den chronisch unterfinanzierten Estado da India diente.77 Während EIC und VOC längst ein eigenes Handels- und Schifffahrtssystem aufgebaut hatten, diente diese Gesellschaft allenfalls der Ausrüstung auslaufender Schiffe und entwickelte kein eigenes Unternehmertum. Das Privileg der Companhia bezog sich lediglich auf den Handel zwischen Lissabon und den asiatischen Niederlassungen des Estado da India. Investoren wurden nur von der Iberischen Halbinsel zugelassen, wodurch eine tragfähige Ausstattung mit zusätzlichem ausländischen Kapital, von der die skandinavischen Kompanien profitierten, grundsätzlich ausgeschlossen blieb. Das verfügbare iberische Kapital und, mehr noch, das Investitionsinteresse seiner Besitzer blieben deutlich hinter den Notwendigkeiten zurück. Stattdessen dominierten modernisierungsfeindliche Bürokratien auf beiden Seiten der Carreira da India das portugiesische Handelssystem, so dass die Companhia von Anfang an keine konkurrenzfähige Idee darstellte und folgerichtig 1635 nach nur 14 Schiffen bankrott ging. Auch der Philippinischen Kompanie Spaniens war kein bleibender Erfolg beschieden, obgleich sie vorübergehend, als unmittelbarer Bezieher von Waren der EIC, in den country trade eingebunden war. In Italien herrschte weder Mangel an Fernhandelskaufleuten noch an Kapital, doch bedurfte es 1647 der Initiative der Niederländer Willem und Hendrik Meulman und Jakob van den Heuvel, damit unter ihrer führenden Beteiligung die Compagnia Genovese delle Indie Orientali gegründet wurde. Es existiert allerdings kein Nachweis, dass ein Schiff dieser Gesellschaft jemals nach Asien gereist ist. Auch die Gründung in Genua, einer der traditionsreichsten Handelsstädte und Heimat Marco Polos, konnte nichts

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daran ändern, dass nach dem Untergang des mediterranen Gewürzhandels die italienische Kaufmannschaft kaum mehr zu bewegen war, unter den veränderten Vorzeichen einen neuen Anlauf zu nehmen, wieder an dem einstmals lukrativen Geschäft teilzuhaben. Ebenso blieben die Pläne des Herzogs Jakob von Kurland (1642–1681), sich mit einer eigenen Kompanie am Indienhandel zu beteiligen, reines Papier. Zwar konnte der Herzog erreichen, dass die Flagge seines kleinen Staates an der Düna-Mündung zwischen Litauen und Livland zeitweilig in Westafrika und in der Karibik wehte, doch bestand der Großteil der kurländischen „Kolonialgeschichte“ aus fruchtlosen Verhandlungen, die Jakobs Gesandte in allen relevanten europäischen Metropolen führten. 1655 wurden sogar zwei kurländische Schiffe in niederländischen Häfen ausgerüstet; die erwartete Ausreise nach Indien fand jedoch nie statt.78 Etwas intensiver und auch erfolgreicher gestalteten sich die Versuche in BrandenburgPreußen. Friedrich Wilhelm I., der Große Kurfürst, war ein engagierter Verfechter des Überseehandels aus merkantilistischen Überlegungen heraus; immerhin gelang es ihm, mit der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie (1682–1717) eine privilegierte Gesellschaft des atlantischen Dreieckshandels zu etablieren. Bereits zuvor hatte er, nicht zuletzt vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen in den Niederlanden, etliche Überlegungen in diese Richtung angestellt. Hierzu gehörten 1651 die Verhandlungen mit Frederik III. von Dänemark, der dem Großen Kurfürsten seine Ostindien-Kompanie zum Vorzugspreis von 400 000 Reichstalern zu verkaufen suchte. Der dänische König hatte dem Brandenburger für seine Pläne einer Brandenburgisch-Ostindischen Kompanie bereits Zollerleichterungen im Sund zugesagt. Die langwierigen Verhandlungen ließen die Idee einer Dänisch-Brandenburgischen Kompanie entstehen und führten am 10. August 1651 zum Abschluss eines Kaufvertrages über Fort Dransborg, die Stadt Tranquebar und zwei benachbarte Dörfer für die Summe von 120 000 Reichstalern. 1653 wurde das Abkommen annulliert, da der Große Kurfürst die Kaufsumme nicht aufbringen konnte angesichts negativer Einschätzungen, die über die Lukrativität der dänischen Niederlassungen vorlagen. Auch die Bemühungen des in Lübeck ansässigen Kaufmanns Max Brand, einen preußischen Persienhandel auf dem Landwege aufzubauen, scheiterten an ergebnislosen Verhandlungen. Weder mit den als Geschäftspartnern ins Auge gefassten Armeniern noch mit dem Moskauer Zarenhof, der eine sichere Durchreise einer preußischen Gesellschaft hätte garantieren müssen, konnte Brand als offizieller Abgesandter des Preußenkönigs Friedrich I. Einigkeit erzielen.79 Größeren Erfolg konnte Preußen unter dem Urenkel des Großen Kurfürsten, Friedrich dem Großen, verzeichnen, der in hohem Maße auf die Handelsunabhängigkeit seines Landes bedacht war. Unter ihm wurde die Hafenstadt Emden, mit Ostfriesland 1744 preußisch geworden, 1750 Sitz der Königlich-Preußischen Asiatischen Compagnie nach Canton und China, nachdem sie sich zuvor bereits als günstiger Ausgangsort der brandenburgischen Afrika-Kompanie erwiesen hatte. Lediglich sechs Schiffe konnte die Kompanie über Java nach Kanton entsenden, bevor der Siebenjährige Krieg eine Fortset-

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zung der Geschäfte verhinderte. Die vorhandenen Schiffe wurden abgetakelt oder in einem Fall in Großbritannien verkauft; der Direktor floh vor französischen Truppen in die Niederlande. 1765 löste Friedrich der Große die real längst untergegangene Kompanie auch offiziell wieder auf. Darüber hinaus operierte einige Jahre ebenfalls über Emden eine 1754 gegründete preußische Bengalen-Kompanie, ohne einen nennenswerten Handel entwickeln zu können. Ihr Rückgrat bildeten britische Kompanie-Bedienstete in Kalkutta, die ein Vehikel benötigten, private Profite im Verborgenen nach Europa zu transferieren.80 In Österreich gab es auch nach dem Ende der habsburgischen Ostende-Kompanie weiterhin Befürworter eines Indien- und China-Handels, doch verblieb die Debatte lange auf einer eher theoretischen Ebene. Kaiser Joseph II. zeigte sich interessiert, war aber nicht gewillt nach französischem Vorbild eine staatlich kontrollierte Gesellschaft zu errichten. So ging die Initiative von einer einzelnen Persönlichkeit aus. Wilhelm Bolts, in Amsterdam geborener Sohn deutscher Eltern, war nach seiner Dienstzeit in der EIC mittellos aus Indien zurückgekehrt und warb in Österreich für eine in Triest stationierte Gesellschaft. Für diese erhielt er 1775 tatsächlich ein Oktroi, auf dessen Grundlage er in Asien aktiv wurde. Bereits auf seiner Hinreise gründete er eine Station in der ostafrikanischen Delagoa-Bay, in Verbindung mit illusorischen Vorstellungen einer zukünftigen Plantagenwirtschaft, die natürlich niemals realisiert wurden. In Indien angekommen, hatte er große Schwierigkeiten, auf dem Subkontinent Fuß zu fassen. Die EIC verweigerte ihm eine Anlandung in Surat und sorgte durch militärische Drohungen dafür, dass er auch wieder das neutrale Goga in der Bay von Cambay verlassen musste. Mehr Erfolg hatten die Österreicher mit den daraufhin angebahnten Kontakten zu Haider Ali, der die Erlaubnis für drei unbefestigte Faktoreien erteilte. Darüber hinaus waren die Österreicher auch auf den Nikobaren präsent, die zwischen 1778 und 1790 offiziell von Österreich beansprucht wurden, aber nur fünf Jahre eine österreichische Besatzung sahen, bis sie 1783 mit dem Tod des Residenten endete. Nachdem einige Schiffe bereits Nachricht und Fracht aus Indien gebracht hatten, kehrte Wilhelm Bolts schließlich 1781 nach Europa zurück – nicht ohne zwischenzeitlich von den Briten inhaftiert worden zu sein. Im gleichen Jahr wurde in Antwerpen eine Versammlung abgehalten, um eine große joint stock company zu gründen, die nicht nur auf Bolts’ Eigeninitiative angewiesen war. Die Gesellschaft kam auf der Grundlage des Bolts’schen Oktrois zustande, wurde jedoch mehrheitlich von Antwerpener Kaufleuten getragen. Die wenigen Schiffe, welche diese Kompanie bis 1785 nach Asien senden konnte, brachten weder einen nennenswerten Gewinn ein, noch konnten sie die prekäre Lage verbessern, in der sich die österreichischen Faktoreien befanden. Der Handel blieb völlig auf Indien beschränkt, da China keine Aktivitäten unter österreichischer Flagge zuließ, solange die Schulden der Ostende-Kompanie in Kanton nicht beglichen waren. 1785 war die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens unübersehbar, so dass Joseph II. das Oktroi nicht verlängerte und die Kompanie damit faktisch auflöste.81

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Es hat beinahe den Anschein, als wäre nicht genug Platz im Ostindien-Handel für mehr als zwei große und eine Handvoll kleinerer Kompanien vorhanden gewesen. Das Marktvolumen war sicherlich umfangreich genug für eine größere europäische Beteiligung. Marktstruktur und Konkurrenzlage bedingten jedoch einen enormen Aufwand, den nur wenige europäische Nationen während des 17. und 18. Jahrhunderts zu leisten willens und in der Lage waren. Hierzu zählten der Aufbau und – noch wichtiger und anspruchsvoller – der dauerhafte Unterhalt eines Stützpunkt-Netzwerkes, einer Flotte, eines großen Personalstamms und einer hinreichenden militärischen Ausstattung. Daneben war auch eine investitionswillige, risikobereite und kapitalstarke Kaufmannschaft unabdingbar, wie sie sich lange vor allem in den Niederlanden und in England fand. Gerade diese sah spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bessere Aussichten im Freihandel, wodurch weiteres Kapital für neue Gründungen verloren ging.

VII. Piraten, Moguln, Stammesführer – Die Reaktion Ostindiens Herrscher In der Etablierungsphase, zunächst noch ohne eigene Machtbereiche, waren für die Ostindien-Kompanien Kontakte zu einheimischen Machthabern unabdingbar. Auch wenn auf vielen Märkten Asiens Bedingungen herrschten, die europäischen Vorstellungen von Freihandel sehr nahe kamen, lag die Vergabe der Zugangsberechtigungen doch in der Regel in den Händen des Herrschers oder der von ihm legitimierten lokalen Autoritäten. Nicht selten führte dies zu der Situation, dass die Vertreter einer Kompanie weitaus mehr auf einheimische Fürsten angewiesen waren, als dies im Sinne ihres Arbeitsgebers war. Die konkreten Alltagsverhältnisse vor Ort führten zur Ausbildung recht unterschiedlicher Beziehungen zwischen Ostindien-Kompanien und asiatischen Machthabern, deren Typologie von bestimmten Variablen auf beiden Seiten abhängig war. Zunächst spielten die ökonomisch-politischen Variablen seitens der Kompanien eine entscheidende Rolle. An erster Stelle stand die Intensität des Interesses an etwas, das im Machtbereich des Herrschers lag. Dabei handelte es sich mehrheitlich um eine Ware oder eine Warengruppe, es konnte jedoch auch um Dienstleistungen oder Kapital- und Infrastrukturzugänge gehen. Daraus konnte als abhängige Variable einerseits das Interesse einer Kompanie an guten Beziehungen zum betreffenden Herrscher abgeleitet werden, andererseits aber auch das Interesse an seiner graduellen, vielleicht auch ultimativen Ausschaltung. Schließlich stellte das Machtpotenzial, das einem spezifischen Herrscher gegenüber in Stellung gebracht werden konnte, die entscheidende veränderliche Größe dar. Das unterschiedliche Verhalten der VOC in ihrem Kernbereich, dem Handel mit molukkischen Gewürzen, und beim Edelmetalllieferanten Japan macht die Bedeutung und gegenseitige Bedingtheit dieser Faktoren deutlich – wie es ebenso deutlich macht, dass die Seite der Kompanie allein zur Erklärung eines konkreten Verhältnisses nicht ausreicht. Daher waren die ökonomisch-politischen Variablen seitens der Herrscher oder ihrer Bevollmächtigten von gleichwertiger Bedeutung. Diese bestanden in dem Ausmaß des Interesses an guten Handelsbeziehungen zu einer Kompanie, in dem Interesse, eine Kompanie als machtpolitischen Bündnispartner zu gewinnen, und nicht zuletzt im Potenzial des Herrschers, sich die Kompanien vom Leibe zu halten. In diesem Zusammenhang sind auch die kulturellen Variablen seitens der Herrscher nicht zu unterschätzen. Der spezifische kulturelle Hintergrund konnte die Türen zu einem Fürstenhof

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auch dann bis zu einem gewissen Grade öffnen, wenn die Kompanien eigentlich unwillkommen waren. Dies trifft beispielsweise auf islamische Höfe zu, deren Politik den Grundsätzen der Gastfreundschaft verpflichtet und prinzipiell kaufmannsfreundlich ausgerichtet war. Auch Neugierde auf die europäischen Neuankömmlinge, auf ihr Denken und ihre technischen Errungenschaften, wie sie an vielen der weltoffenen Höfe im Malaiischen Archipel vorherrschte, konnte ein solcher Türöffner sein. Der spezifische kulturelle Hintergrund – und insofern hatte er ebenfalls die Funktion einer Variable – konnte aber auch von vornherein eine Beziehung auf Augenhöhe und dadurch eine auf reellen Interessen beruhende Beziehung unmöglich machen. Das prominenteste Beispiel hierfür war die Politik des chinesischen Hofes, die von dem Selbstverständnis des Kaisers als legitimen und gottgleichen Weltenherrscher bestimmt wurde. Die an früherer Stelle betonte Bedeutung strategischer Entscheidungen der Kompanien ist also durch solche der indigenen Gegenseite zu ergänzen. In Banjarmasin im Südosten Borneos stieß die VOC seitens des Reichsverwesers, der die Regierungsgeschäfte führte, lediglich auf ein mäßiges Handelsinteresse, andererseits aber auch auf ein zunehmendes machtpolitisch motiviertes Interesse an einem Bündnis mit einer militärisch potenten Macht von außen. Seitens der VOC bestand hingegen ein großes Handelsinteresse an den noch wenig genutzten Pfefferbeständen der Region, der jedoch nur geringes einsetzbares Potenzial gegenüberstand, da die niederländische Kompanie Mitte des 18. Jahrhunderts ihre Kräfte im Malaiischen Archipel mehr auf die Erhaltung des Erreichten als auf die Erschließung neuer Märkte konzentrieren musste. Durch das geschickte Nutzen der sich eröffnenden Bündnismöglichkeiten konnten die niederländischen Gesandten Zugang zum Markt finden, blieben aber bis Ende der 1780er Jahre von den Zuteilungsquoten für Pfeffer durch den besagten Reichsverweser angewiesen.82 In Japan, um rein illustrativ eines der zahlreichen weiteren Beispiele zu wählen, sah sich die VOC einer ganz anderen Situation gegenüber. Auf beiden Seiten bestand hier ein großes Interesse an Handelsbeziehungen und, gewissermaßen nachgelagert, auch ein wissenschaftliches Interesse an der jeweils anderen Kultur. Gleichzeitig verfolgte das Tokugawa-Shogunat eine Politik der Abwehr alles Fremden und der Abschottung, für die zumindest den Ostindien-Kompanien gegenüber die entsprechenden Machtmittel zur Verfügung standen. Da in dieser geografisch peripheren Lage innerhalb ihres Operationsgebietes die Kompanien nur ein geringes eigenes Potenzial einsetzen konnten, blieben sie hier von der Politik des Gastlandes abhängig, die sich aus einer spezifischen Kombination von Ausgrenzung und wirtschaftlichem Interesse ergab. Thailand war zwar nicht das primäre Ziel der Kompanien, aber auch hier hatten sie durchaus relevante Handelsinteressen, die sich auf Tierhäute, Edelsteine, pflanzliche Luxusgüter wie Färbemittel, wohl auch auf Keramik und Edelmetalle bezogen. Diese Interessen stießen jedoch auf den erklärten Willen aller thailändischen Regierungen, die Kontrolle über den Außenhandel zu behalten, egal ob als Königreich von Ayutthaya bis zur birmanischen Eroberung 1767 oder als das Siam der Chakri-Dynastie seit 1782. Dies

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führte in den 1680er Jahren zu erheblichen Spannungen; die französische Compagnie des Indes war 1687 sogar kurzfristig mit einem kleinen Truppenkontingent im Land vertreten. Nachdem die thailändische Seite ihre Interessen durchgesetzt hatte, begann eine längere Periode der nachdrücklichen Abwehr europäischer Ansprüche. Diplomatische Kontakte blieben jedoch stets erhalten und wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch wieder intensiviert.83 Während der ganzen Zeit verfolgte Siam konsequent eine Politik des gleichen Abstandes zu den europäischen Mächten, die es verstand, die bestehenden Kontakte zu nutzen, aber zugleich die daraus entstehenden europäischen Einflüsse zu minimieren. In der Folge blieb Thailand der einzige Staat in Südostasien, der nie kolonisiert wurde. Der indische Subkontinent wies bei Ankunft der Engländer und Niederländer eine weitaus kompliziertere politische Struktur auf. Zahlreichen autonomen Fürstenstaaten unterschiedlichster Prägung und Größe stand das muslimische nordindische Mogulreich gegenüber, das während des 17. Jahrhunderts weiterhin expandierte und in den 1690er Jahren unter Aurangzeb seine größte Ausdehnung erreichte. Die teils muslimischen, teils hinduistischen Staaten, welche unter die Herrschaft des Mogul in Delhi geraten waren, hörten jedoch nicht auf zu existieren, sondern wurden als halbautonome Vasallenstaaten eingegliedert. Im Zweifelsfall sahen sich die Europäer einer zweifachen Autorität gegenüber, die einerseits aus den lokal herrschenden Fürsten bestand und andererseits aus dem weit entfernten Mogul, der nichtsdestotrotz das letzte Wort in allen Außenbeziehungen für sich beanspruchte. Vor allem die EIC setzte bald taktisch geschickt auf gutes Einvernehmen und grundlegende Verträge mit der Zentralmacht, die auch für die Autoritäten vor Ort bindenden Charakter hatten. Dies bedeutete allerdings nicht, dass vor Ort keine zusätzlichen Abkommen ausgehandelt werden mussten, um die grundsätzlich zugestandenen Rechte alltagstauglich machen zu können. Zweifelsohne bestand auf europäischer wie auf indischer Seite großes Interesse am Handelsaustausch, so dass im 17.Jahrhundert eine Etablierung der Kompanien vornehmlich auf diplomatischem Wege möglich wurde. Die verstärkt militärisch getragene Etablierung der Engländer in Indien war ein Phänomen des fortgeschrittenen 18. Jahrhunderts und stand in Zusammenhang mit dem Wandel der politischen Landkarte. Die Vorherrschaft der Moguln verfiel nach dem Tod Aurangzebs 1707; die Vorteile hinsichtlich des Potenzials lagen nicht länger auf Seiten der Moguln. Dies stärkte nicht nur die Position der EIC, sondern auch der verschiedenen Vasallenstaaten und der erklärten Feinde des Mogulreiches. Allerdings führte die Machterosion nicht dazu, dass die Fürstenstaaten auch formal ihre Unabhängigkeit erklärten. Die Institution des Moguls blieb erhalten und wurde, mehr und mehr zum Mythos degradiert, weiterhin zur Legitimation von Macht benötigt. Ungeachtet dessen kam es unterhalb der Ebene des Mogulnreichs im 18. Jahrhundert verstärkt zu Staatsbildungsprozessen. Die schrittweise Loslösung der verschiedenen Herrscher von der einstigen muslimischen Vormacht geschah zunächst über die Aneignung vermehrter Steuer-

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Audienz am Hof des Moguls. Indische Miniatur im persischen Stil.

rechte, der Delhi keine ausreichenden Machtmittel mehr entgegensetzen konnte. Es folgten in der Regel die Formulierung einer eigenen Außenpolitik und die Okkupation weiterer Insignien der Souveränität, wie sie beispielsweise die Prägung eigener Münzen darstellte. Diese Entwicklungen blieben nicht ohne Wechselwirkung mit den zugleich verstärkten Aktivitäten der britischen Kompanie. Die EIC hatte sich längst in das System der geteilten Herrschaft unter der Oberhoheit Delhis eingegliedert und bewegte sich auf der gleichen Ebene wie die Vasallenstaaten. Darüber hinaus verfügte sie über entscheidende Vorteile, die vorrangig aus ihrem vergleichsweise effektiven Verwaltungsapparat und der Möglichkeit, auf externe finanzielle und militärische Ressourcen zurückzugreifen, bestanden. Anfangs vom Mogul beinahe abhängig, wurde sie nun zunehmend zur zersetzenden Kraft innerhalb des Systems und war insofern alles andere als unbeteiligt

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Der Mogul-Kaiser Jahangir (1569–1627) mit einem Bildnis der Jungfrau Maria. Indische Miniatur, 17. Jh.

am Untergang des Mogulreiches. Dieses erlebte 1858 nach der Niederschlagung des großen Aufstandes seine formale Auflösung, die zugleich den Übergang von der Kompanie zur staatlichen Kolonialherrschaft markierte. Die Steuerhoheit war, wie auch für die verschiedenen Fürsten, der entscheidende Ansatzpunkt für die EIC. Ihre Gegenüber waren nun jene Fürsten, die ihnen nicht nur als Kriegsfeinde wie im Fall der Marathen oder Mysores entgegentraten, sondern auch in komplexeren politischen Verflechtungen wie der nawab von Bengalen, in dessen Reich die Kompanie über den diwani, die Kontrolle über das Steueraufkommen, mittelfristig die faktische Herrschaft übernehmen konnte. Auf dieser Hausmacht aufbauend konnte die EIC ihre Kontrolle über weite Bereiche Indiens, letztendlich über den gesamten Subkontinent ausdehnen. Das Grundprinzip indischer Staatlichkeit blieb jedoch erhalten. Auch unter englischer Vorherrschaft bestanden weiterhin zahlreiche semisouveräne Fürstentümer neben den unmittelbar britisch kontrollierten Provinzen. So durch die EIC vorbereitet, konnte Großbritannien in die Rolle des Mogulreiches schlüpfen – ein Rollentausch, der unter der Kompanie „nur“ faktisch erfolgte, nach deren Auflösung

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und mit der Übernahme der „indischen Kaiserkrone“ durch die britischen Monarchen dann aber auch formal vollzogen wurde. Die Fürstenstaaten blieben somit weiterhin Vasallenstaaten der Vormacht oder wurden erneut zu solchen. Die VOC befand sich in ihrem Kernterritorium, auf Java, in einer etwas anders gelagerten Situation. Hier bestand keine Macht, die eine dem Mogul-Reich vergleichbare Rolle eingenommen hätte. Der entsprechende Versuch Matarams in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde mit Hilfe der VOC abgewehrt, wodurch sie zu diesem Zeitpunkt eine andere Machtposition als die EIC in Indien einnahm. Sie war schon früh für viele regionale Fürstentümer eine Schutzmacht, die sich an den Höfen eine einflussreiche Stellung erarbeiten konnte. Unter diesen Vorzeichen und in zunehmender Abhängigkeit von den niederländisch geprägten Wirtschaftsprozessen vollzog sich die Staatenbildung auf Java, die eine Reihe Kleinstaaten ohne dominierende Zentralmacht hervorbrachte.84 Am Übergang zur staatlichen Kolonialherrschaft in Indonesien war das Ergebnis allerdings nur wenig von demjenigen der EIC in Indien zu unterscheiden. Eine besondere Schwierigkeit begegnete den Kompanien in der Tatsache, dass sie nicht an allen Orten auf Staatswesen trafen, wie sie aus Europa bekannt waren. Mit Systemen geteilter Herrschaft konnten sie durchaus noch umgehen, zumal solche Verhältnisse im vormodernen Europa nicht unbekannt waren. Es existierten jedoch auch andere Fälle, in denen keine komplexen Staatsformen, keine formalen Institutionen und damit entweder gar keine oder viel zu viele Autoritätspersonen vorhanden waren. In den zeitgenössischen Quellen werden solche Erscheinungen pauschal mit dem Begriff „Stämme“ belegt, der sich hartnäckig auch in der Forschung bis in die Gegenwart hält – trotz seiner simplifizierenden, die verschiedensten außereuropäischen Gesellschaftssysteme unzulässig vereinheitlichenden Konnotationen. Den Europäern machten solche Verhältnisse besonders im frühen Molukkenhandel zu schaffen, wie sich am Beispiel der Banda-Insel bereits gezeigt hat. Abkommen, die in einem Dorf geschlossen wurden, konnten unter Umständen im nächsten bedeutungslos sein. Selbst wenn, wie in den Nordmolukken, muslimische Sultane existierten, war vielfach nur schwer zu erkennen, wer wirklich die Entscheidungsgewalt innehatte und wer insbesondere über die Macht verfügte, einmal getroffene Absprachen auch durchzusetzen. Der gerne gebrauchte Begriff „Häuptling“ ist in diesem Zusammenhang kaum mehr als eine europäische Zuschreibung, hinter der sich alles und nichts verbergen konnte – sei es der Älteste einer egalitär organisierten Gemeinschaft, sei es eine religiöse Führungspersönlichkeit, sei es ein tatsächlicher regionaler Herrscher mit absoluten Machtmitteln oder auch nur ein Wichtigtuer, der sich den Neuankömmlingen gegenüber Autorität einfach angemaßt hatte. Mit dem Aufbau eines Stützpunktsystems und den damit anwachsenden Möglichkeiten, die Handelsaktivitäten auch zu kontrollieren, schwand für die Kompanien die Gefährdung durch solche unübersichtlichen dezentralen Strukturen. Sie waren jedoch dauerhaft Ursache dafür, dass gerade die VOC im Malaiischen Archipel Phänomene, die sie am liebsten als „Schmuggel“ und „Piraterie“ bezeichnete, nie dauerhaft unter Kon-

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trolle bringen konnte. Diese basierten unter anderem auf der in kleine und kleinste Siedlungen verstreuten Diaspora der Bugis und Makassaren, auf Seenomaden, wie sie vor Thailand und der Malaiischen Halbinsel auch der EIC begegneten, oder auf der Einwohnerschaft unübersichtlicher Archipele wie den Tukangbesis, den Andamanen, Pescadores oder dem Sulu-Archipel zwischen Indonesien und den Philippinen. Auch dass die Kompanien bei dem Versuch, alternative und eher periphere Gewürzmärkte wie den Pfefferhandel von Banjarmasin zu erschließen, häufig nur über Herrscher und Mittelsleute einen Marktzugang fanden, lag nicht zuletzt daran, dass der Handel in Dörfern und auf Flussläufen nur mit einem vertieften Verständnis möglich gewesen wäre, wer hier eigentlich mit wem in Kontakt trat. Die gesellschaftliche und staatliche Vielgestaltigkeit Asiens, auf welche die Kompanien mit einem Set an strategischen Optionen reagierten, blieb während der gesamten Zeit europäischer Monopolgesellschaften bestehen. Was sich änderte, war die zunehmende Beteiligung der Kompanien als eigenständiger Akteur an dieser Welt, wobei sie sich nicht nur an selbstgesetzten Grenzen orientieren mussten. Mancherorts blieben Formen der Abhängigkeit von lokalen Verhältnissen bestehen (Japan) oder konnten erst unter veränderten Vorzeichen beseitigt werden (China). Woanders fehlte dauerhaft der Einblick in autonome Strukturen. Und in manchen Ländern läuteten die Kompanien letztlich nachhaltige Transformationsprozesse ein (Indien).

Mittelsleute Spricht man die Abhängigkeit der Kompanien von einheimischen Strukturen an, treten nicht nur Staaten und Herrscher in den Blick. Angesichts von Marktsituationen, mit denen sich die Europäer noch nicht auskannten, waren nicht nur gute Kontakte zum Machthaber notwendig. Vor allem in ihrer Etablierungsphase waren die Kompanien auf Personen mit entsprechenden Marktkenntnissen angewiesen. Deren Vorteil bestand zunächst in Faktenwissen, das sich auf die Preise, Maßeinheiten oder Institutionen vor Ort bezog. Ein solcher Wissensvorsprung ließ sich allerdings relativ bald ausgleichen. Der entscheidende Vorteil von solchen Mittelsmännern bestand aber in ihrem Zugang zu den gewünschten Waren, der für Europäer aus den verschiedensten Gründen verstellt sein mochte, und konnte den direkten Zugriff auf die Produktion einschließen. Vor diesem Hintergrund waren die Grenzen zwischen den verschiedenen Funktionen fließend. Mittelsleute agierten nicht nur im Sinne einer reinen Vermittlung von Warenaustausch, sondern konnten Zwischenhändler sein, auch Gewerbetreibende oder Beauftragte eines Herrschers, der den Marktzugang kontrollierte. Auf jeden Fall profitierten die meisten von ihnen in hohem Maße von den Wirtschaftsaktivitäten, in die sie durch die Kompanien involviert wurden. Viele wurden integrale Bestandteile der Wirtschaftssysteme, die sich daraus entwickelten.

Mittelsleute

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Ein chinesischer Kaufmann.

Unter den Mittelsleuten in den asiatischen Hafenstädten spielten Diaspora-Gruppen nicht selten die Schlüsselrolle. Besonders galt dies für die chinesischen Gemeinschaften, die sich nicht nur über ganz Südostasien ausgebreitet, sondern in ihrer Wahlheimat vielfach wichtige Positionen in Wirtschaft und Verwaltung eingenommen hatten. Die Geschichte der Ostindien-Kompanien zeigt immer wieder, dass Chinesen erste Ansprechpartner in neuen Häfen und auf neuen Märkten waren. Die diesbezügliche Wertschätzung ging in Indonesien sogar so weit, dass sie in den Plänen der VOC zu den bevorzugten Untertanen wurden. Aber auch andere ethnisch oder religiös konstituierte Gruppen stellten, je nach Region, vielgesuchte Mittelsleute. Die EIC stand in Indien in engem Kontakt mit armenischen Kaufleuten,85 die über ein weitverzweigtes eigenes Handelsnetz verfügten. Zudem spielten die ursprünglich aus dem Iran stammenden Parsen vielerorts in Indien eine den südostasiatischen Chinesen vergleichbare Rolle.86 Aus Indien selbst stammten wiederum zahlreiche Diaspora-Gruppen in Südostasien, unter denen die muslimischen Gujaratis eine prominente Stellung einnahmen. Ihre Handelsnetze konnten

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auch den Kompanien, die für ihre Aktivitäten dieselben Märkte nutzten, wertvolle Dienste bezüglich des Transfers von Informationen wie auch Finanzen leisten. Handelsnationen, die einen kleineren Aktionsradius aufwiesen als die dauerhaft verstreuten Diasporen, stellten ebenfalls Ansprechpartner der Europäer, wie es im Falle der Malaiien innerhalb des Malaiischen Archipels, beispielsweise auf den Kleinen Sunda-Inseln,87 der Fall war. Die Rolle solcher Gruppen als Fernhandelskaufleute in der Fremde, die der Situation der Kompanie-Bediensteten zumindest graduell entsprach, verlieh ihnen neben der Offenheit für Gleichgesinnte auch die nötigen Spezialkenntnisse. Vordergründig erscheinen Mestizen, im Zeitalter der Kompanien in der Regel Abkömmlinge von europäischen Männern und asiatischen Frauen, als die geborenen Mittelsmänner. Sie standen in vermeintlich engem Zusammenhang mit den Europäern aus dem Umfeld der Kompanien und konnten eine Brücke zwischen diesen und den asiatischen Gemeinschaften schlagen, da sie in beiden Welten verwurzelt waren. Diese nahe liegende Annahme muss allerdings – von Ort zu Ort in unterschiedlichem Maße – relativiert werden. Das entscheidende Angebot, das Mittelsleute machen konnten, um überhaupt erst die entsprechende Funktion übernehmen zu können, war die Vermittlung von Zugang zu bestimmten Märkten und Produktionen. Zwar verfügten die meisten Mestizen über Kontakte sowohl in die Kompanie-Kreise als auch in die einheimische Bevölkerung, doch bedeutete dies noch lange nicht, dass sie auch Positionen erreichen konnten, die eine Vermittlerrolle ermöglichten. Vielfach sahen sie sich Diskriminierungen von beiden Seiten ausgesetzt. Im Gegenzug etablierten sich Mestizen als eigene, durch eine hybride Ethnizität konstituierte Gruppe, die als solche auch in den Akten der Kompanien zu finden ist. Allein diese Ethnizität machte sie jedoch noch nicht zu Mittelsleuten. Vielmehr war großen Teilen dieser anwachsenden Gruppe, die wie alle anderen soziale Schichten ausbildete, der Zugang zu wesentlichen Ressourcen versperrt. Wenn Mestizen in die Rolle eines für die Kompanien wertvollen Vermittlers hineinwuchsen, dann geschah dies auf der Grundlage anderer Karriereschritte im Privathandel oder innerhalb der europäischen Administration, für welche die rein ethnische Qualifikation nicht ausreichte.88 Im Laufe der Zeit beschäftigten Kompanien, insbesondere die VOC in den von ihr kontrollierten Hafenstädten, vermehrt Mestizen auf den mittleren Verwaltungsebenen. Daneben legten die erfolgreichsten Händler unter ihnen die Grundsteine für Kaufmannsdynastien, die in der bevorstehenden Kolonialzeit Wirtschaft und Gesellschaft zahlreicher Emporien prägten. Insofern waren Mestizen vor allem eine wichtige Gruppe der Kompanie-Untertanen, wodurch nicht ausgeschlossen war, dass einige Verbindungen zu hochrangigen indigenen Familien die diplomatischen Kontakte der Europäer in das gesellschaftliche Umfeld ihrer Niederlassungen erleichterten. Da auch auf dieser Ebene Vermittlung benötigt werden konnte, können auch diverse asiatische Notabeln in eine weit verstandene Gruppe der Mittelsleute eingereiht werden. Für die ökonomischen Ziele der Kompanien waren die einheimischen Wirtschaftseliten die weitaus interessanteren Broker. Sie erfüllten die wichtigste Eigenschaft von

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Mittelsleuten weitaus eher als die meisten Mestizen. Vorausgesetzt, es bestand keine uneingeschränkte Konkurrenzsituation und es konnte stattdessen von beiderseitigem Interesse und Profit ausgegangen werden, bot ihre lokale sozioökonomische Stellung genau die Marktzugänge an, die sie nicht nur zu natürlichen Ansprechpartnern für die Kompanien machten, sondern auch zu ihren dauerhaften Kooperationspartnern. Besonders deutlich wird dies in einem zentralen Bereich der europäischen Wirtschaftsaktivitäten, dem indischen Textilgewerbe. Auch hier stand am Anfang der Entwicklung der Zwischenhandel indigener Kaufleute. Die dänische Kompanie hatte bis 1776 einen Monopolhandelsvertrag für bengalische Baumwollstoffe mit einem einheimischen Chefeinkäufer (sarkar). Nach dem Ende des Vertrags arbeitete die Kompanie mit englischen Kaufleuten, unabhängigen Händlern sowie indischen und armenischen Maklern (dalal) zusammen.89 Die Niederländer bedienten sich in Hafenstädten wie Dhaka und Pipli ebenfalls so genannter dalal, um Exportgüter zu beschaffen, unter denen Textilien die herausragende Rolle einnahmen. Die dalal erhielten eine bestimmte Summe Geld, die sie nach eigener Einschätzung, aber auf Risiko der Kompanie in die Weberei des Umlandes investierten. Nach der Warenlieferung erhielten sie eine Kommission von 2%. Teilweise taucht in den niederländischen Quellen sogar noch eine weitere zwischengeschaltete Instanz auf, der hoofd wever („Hauptweber“), der zwischen den eigentlichen Handwerkern und den dalal vermittelte. Die Geschichte der englischen EIC in Indien hat gezeigt, dass die Engländer solche Systeme, die bei den kleineren Kompanien rudimentär blieben und bei den Niederländern bereits weitreichende Strukturen ausbildeten, wie keine zweite europäische Expansionsmacht ausbauten und perfektionierten. Durch die Fortentwicklung ihrer Niederlassungen zu organisatorischen Zentralen eines Verlagssystems und die Einbeziehung indigener Subunternehmer, die einerseits den Produzenten Rohstoffe sowie Kredite vorstrekkten und andererseits der Kompanie die Lieferung der Fertigwaren garantierten, etablierten sie dezentrale Produktionssysteme, die eine enge Verwandtschaft zu zeitgenössischen protoindustriellen Wirtschaftsformen in Europa aufwiesen – und in der Forschung auch als solche diskutiert werden.90 Einen Gegenpol zu solchen Maklern oder Brokern, die wesentliche Träger der Dynamik asiatischer Ökonomien mit Ausrichtung auf europäische Märkte wurden, stellt der Fall staatlich bestellter, institutionalisierter Mittelsleute dar. Diese wurden von asiatischen Staaten bestallt, um die zwar kommerziell willkommenen, aber ansonsten misstrauisch beobachteten Europäer unter strenger Kontrolle zu halten. Im japanischen Nagasaki und im chinesischen Kanton konnten die Kompanien keinen Schritt ohne diese Mittelsleute unternehmen. Aber auch in weniger bedeutenden Fällen wie dem Pfefferhandel von Banjarmasin, den die dortige Regierung von lokal ansässigen Chinesen unter Kontrolle halten ließ, waren solche Institutionen zu beobachten. Im Unterschied zu den marktgegebenen Mittelsleuten sorgten ihre institutionalisierten Kollegen in der Regel für eine Erstarrung des Systems, das in China und mit Abstrichen auch in Japan erst gewaltsam für weiterreichende europäische Interessen aufgebrochen werden konnte.

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Das indische Textilgewerbe hingegen macht deutlich, dass die Einbeziehung von Mittelsleuten, die den gegebenen Ökonomien entstammten, zur Transformation ganzer Wirtschaftssysteme führen konnte; insofern waren auch die darauf aufbauenden Entwicklungen eine Form von Kooperation und kein unmodifiziertes Überstülpen kolonialer Strukturen.

Konkurrenten Die gängige Bezeichnung der Ostindien-Kompanien als Monopolgesellschaften findet sich nicht nur regelmäßig als schlichtes Synonym in der gegenwärtigen Forschungsliteratur, sondern repräsentiert vor allem das zeitgenössische Verständnis, das sich als außerordentlich zählebig erwies. Nähert man sich dem Begriff allerdings mit wirtschaftswissenschaftlicher Akkuratesse, bleibt von diesem Bild zunächst nicht allzu viel übrig. In einer engen definitorischen Perspektive hat ein formal-rechtliches Monopol – in Abgrenzung von einem eher weit verstandenen faktischen Marktmonopol – seine Grundlage in einem formalen Rechtsakt und umfasst den staatlich garantierten Ausschluss aller Konkurrenten des Privilegierten von einem bestimmten Markt. Zwar verstanden die Ostindien-Kompanien das ihnen von ihren Regierungen für Asien verliehene Monopol genau auf diese Weise, doch war es real vor Ort nicht durchsetzbar. Zumindest aber bildete dieses Verständnis die ideologische Grundlage für das europäische Vorgehen in weiten Teilen Asiens. Erklärtes Ziel war ein faktisches Marktmonopol, das als eine aus dem – wie auch immer geführten – Konkurrenzkampf hervorgegangene Marktbeherrschung bei zwar vorhandener, aber nur marginaler Konkurrenz zu verstehen ist. Teilweise konnte dieses Monopol durch den Einsatz gewaltsamer Mittel erreicht werden, teilweise waren die Kompanien langfristig ein zu starker Marktteilnehmer, als dass einheimische Konkurrenten das faktische Monopol hätten verhindern können. Mehrheitlich konnte jedoch selbst diese Monopolform nicht durchgesetzt werden. Die Kompanien wandten dennoch alle friedlichen und unfriedlichen Mittel an, um dem angestrebten Ziel so nahe wie möglich zu kommen. Vor diesem Hintergrund kann also durchaus auch von Monopolen gesprochen werden, ohne dass ein formaler Rechtstitel vorlag. Ungeachtet dessen existierten wirkliche Monopole so gut wie gar nicht; die Kompanien mussten sich stets mit Konkurrenten auseinandersetzen. Die europäischen Rivalen waren dabei die eine Seite der Medaille, die Asiaten, die auf der gleichen Ebene tätig waren wie die Kompanien und in unmittelbare Konkurrenz zu ihnen traten, die andere. Unter den europäischen Konkurrenten befanden sich zunächst natürlich die Kompanien der anderen Expansionsnationen, auf die nicht mehr eingegangen werden muss. Allenfalls ein Verweis auf konkurrierende Gesellschaften im eigenen Land sei kurz erlaubt. Während die Niederlande mit der staatlich forcierten Vereinigung das Problem inländischer Konkurrenz bereits 1602 gelöst hatten, blieb es in England durch die nicht unumstrittene Position der EIC noch lange virulent. Bereits 1635 wurde eine Gruppe Londoner Kaufleute, die keinen Zugang zur EIC erhalten hatten, für den Handel mit

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Asien privilegiert, solange sie sich von Häfen fernhielt, in denen die EIC bereits Niederlassungen errichtet hatte. Die daraus hervorgegangene Handelsgesellschaft errichtete mehrere Faktoreien an der Koromandel-Küste und unternahm den untauglichen Versuch einer Plantagengründung auf der Insel Assada vor Madagaskar, die ihr den Namen Assada Company einbrachte. Die Konkurrenzsituation führte dazu, dass die EIC nicht ausreichend Kapital akquirieren und die Assada Company in Indien kaum Fuß fassen konnte. Erst als die Finanzsituation der EIC prekär wurde, fühlte sich das Parlament 1650 genötigt einzugreifen und anzuordnen, dass nur eine Kompanie den britischen Asienhandel durchführen durfte. Die Mitglieder und Einrichtungen der Assada Company wurden mehr oder weniger zwangsweise integriert, was jedoch noch nicht verhinderte, dass zeitweise mehr private Schiffe als Fahrzeuge der Kompanie nach Asien reisten. Diese Situation wurde erst mit der Charter von 1657 zugunsten der EIC geklärt. Rund vier Jahrzehnte später führten die ungebrochenen Bemühungen der Monopolgegner, die Position der EIC zu unterminieren, erneut zu einer Konkurrenzgründung, der New Company, die abermals erst auf politischen Druck mit der EIC vereint wurde. Während die Versuche, konkurrierende Unternehmungen nach gleichem Recht zu etablieren, abgewehrt werden konnten, hatte sich die EIC längst mit der Existenz von privaten Asienhändlern (interloper) abgefunden. Europäische Privatiers waren im Wesentlichen ein Phänomen des country trade, verfügten sie in der Mehrheit doch gar nicht über das Potenzial, nachhaltig einen Handel auf der ersten Ebene zu organisieren, ohne in eine Kompanie mit staatlicher Rückendeckung eingebunden zu sein. Diejenigen, die dieses Wagnis dennoch unternahmen, mussten umgehend mit Feindseligkeit seitens der Kompanien rechnen, die in der Heimat diese Konkurrenten gezielt und wenn nötig in großer Zahl vor Gericht brachten und in Übersee nötigenfalls ihre überlegene Militärmacht ausspielten. Gerade die Auseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts führten in England zu größeren Maßnahmen der EIC gegen unerwünschte interloper, während die VOC diesbezüglich weitaus weniger Probleme hatte. Bereits auf der zweiten Ebene, der klassischen Ebene des country trade, sah die Situation anders aus. Da die Kompanien auf diese Ebene zur Refinanzierung angewiesen waren, relativierte sich ihr Vorteil auf der ersten Ebene recht schnell. Hier agierten mit mehr oder weniger offizieller Duldung der Kompanien zahlreiche europäische Kaufleute, die sich dauerhaft in Asien niedergelassen hatten, weswegen ihre Aktivitäten durchaus der asiatischen Seite der Medaille zugeordnet werden können. Sehr häufig handelte es sich um Landsleute der jeweils vor Ort präsenten Kompanie, da sich ehemalige Bedienstete nach ihrem Ausscheiden bevorzugt als freie Kaufleute oder Gewerbetreibende im Umfeld ihres ehemaligen Arbeitgebers ansiedelten, um dessen Schutz und merkantile Strukturen nutzen zu können. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts stieg die Bedeutung der englischen Privatiers, da sich die EIC mehr und mehr aus dem country trade zurückzog, obwohl dieser Zulieferfunktion für die Warentransporte nach Europa hatte. Die Kompanie hatte erkannt, dass der innerasiatische Küstenhandel auf privater Basis wesentlich flexibler und kostengünstiger gestaltet werden konnte. Recht bald schlossen sich solche

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Privatiers unter Einbeziehung asiatischer, vorrangig indischer und armenischer Partner zu Unternehmungen mit gemeinsamen joint stocks zusammen, die zu so genannten agencies weiterentwickelt wurden. Aus diesen kapitalreichen Unternehmen gingen die Agency Houses des britischen Kolonialreichs hervor, die dank ihrer Flexibilität und Effektivität wesentliche Träger der Dynamik englischer Wirtschaftsentwicklung in Asien wurden. Die niederländischen Gemeinden in Asien waren in wirtschaftlicher Hinsicht nicht ganz so erfolgreich. Ihre Aktivitäten füllten vor allem Nischen aus, da die VOC selbst weitaus intensiver am country trade beteiligt war als ihre englische Konkurrenz und weil sie zudem hinsichtlich der Warenzulieferung verstärkt auf asiatische Händler vertraute. Hinsichtlich der von ihr erlassenen Verbote für den privatwirtschaftlichen Bereich – wie sie beispielsweise im Textilhandel galten – verfolgte sie eine besonders restriktive Politik. Solche Verbote ließen sich einheimischen Kaufleuten gegenüber nur schwer, oftmals gar nicht durchsetzen; die niederländischen Privatiers hingegen mussten im Gegenzug zum Schutz, den sie im Umfeld der VOC-Niederlassungen genossen, Einschränkungen akzeptieren. Aber auch hier entstanden eurasische Handelsdynastien, die in Städten wie Batavia oder Makassar zu Beginn der niederländischen Kolonialzeit die urbane Wirtschaft und die regionalen Handelsbeziehungen dominierten. Die Grenzen vom privaten europäischen Unternehmertum in Asien zum Eigenhandel der Kompanie-Angestellten waren stets fließend. Häufig wurden noch im Dienst Geschäfte vorbereitet, die nach dem Ausscheiden erfolgreich privat fortgeführt wurden. Allerdings dürfen solche Karrieren in ihrer Gesamtbedeutung nicht überschätzt werden. Die große Mehrheit derjenigen, die aus dem Dienst einer Ostindien-Kompanie ausschieden, reiste nach Europa zurück. Diejenigen, die sich für ein Bleiben entschieden, hatten sich nicht nur mit den Bedingungen der jeweils vorherrschenden Kompanie und den zahlreichen indigenen Konkurrenten auseinanderzusetzen, sondern auch mit einigen anderen Gruppen europäischen Ursprungs, die gelegentlich in den Häfen auftauchten. Sowohl die portugiesische und lusoasiatische Diaspora, welche die Verdrängung des Estado da India durch VOC und EIC überdauert hatte, als auch französische Kaufleute, die bereits lange vor dem Aufstieg der Compagnie des Indes gelegentlich in südostasiatischen Häfen beobachtet wurden, bereicherten die asiatische Handelswelt um weitere europäische Elemente. Schließlich sorgten viele Europäer, die sich in Asien ansiedelten und dort auch ihr privates Glück suchten, in Gestalt ihrer Mestizen-Nachkommenschaft für Konkurrenz, die sowohl von den Kompanien als auch von den wenigen rein europäischen Handelshäusern mit Argwohn beobachtet wurde. Die asiatische Konkurrenz der Ostindien-Kompanien bot ein mehr als unübersichtliches Bild, wodurch sich eine umfassende Schilderung an dieser Stelle von vornherein verbietet. Berechtigt ist jedoch die Frage, wie sich die Konkurrenzsituation für die Entscheidungsträger der Kompanien darstellte. Auf der einen Seite standen für sie die Machthaber oder Eliten, die selbst nicht kaufmännisch tätig waren, aber den Monopoloder Suprematievorstellungen der Kompanien entgegenstanden. Auf der anderen Seite

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Eine javanische Prau, ein typisches Handelsschiff des Malaiischen Archipels.

bewegten sich die einheimischen Kaufleute, die real um Waren und Märkte konkurrieren konnten. Wesentliche Bereiche des asiatischen Handels blieben dabei dauerhaft außerhalb des europäischen Blickfeldes. So waren etliche merkantile Sektoren für die Kompanien gar nicht erst von Interesse. Beispielsweise wurden die für den chinesischen Heil- und Genussmittelmarkt so wertvollen Meeresprodukte wie trepang („Seegurken“) oder agar-agar nur selten von Europäern und nie von den Kompanien gehandelt. Andere Konkurrenz war für die Handelssektoren der Kompanien zwar relevant, blieb aber dennoch außerhalb jeder Reich- und Sichtweite. Der traditionelle Karawanenhandel Innerasiens blieb nach dem Siegeszug der Kompanien bestehen, auch wenn die westeuropäischen Märkte nicht mehr die größten Abnehmer stellten. Der Einfluss der Kompanien beschränkte sich jedoch darauf, die Einfuhr von Waren, auf die sie ein staatliches Monopol unterhielten, auf den heimatlichen Markt zu verhindern. In dieser Hinsicht waren sie außerordentlich erfolgreich, ohne allerdings die innerasiatischen Handelsstrukturen in ihrer schieren Existenz treffen zu können.

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Größere Anstrengungen, unerwünschte indigene Konkurrenz zu unterbinden, wurden auf den Gewässern Asiens unternommen. Aber auch dort blieb vieles für die europäischen Kapitäne und Kaufleute unsichtbar. Mit „Schmugglern“ pflegten die europäischen Kompanien die Spitze des Eisberges indigener Handelsstrukturen im Gewürz-, Textil-, Edelholz- oder Färbemittelhandel zu bezeichnen, den sie mit ihren Möglichkeiten ausmachen konnten. Die eingeschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten stellen auch den Historiker heute vor ein nicht abschließend zu lösendes Problem. Weite Bereiche des asiatischen Handels beruhten auf Mündlichkeit, insbesondere im maritimen Südostasien, der Heimat des seegestützten Gewürzhandels. So lassen die Aufzeichnungen der Kompanie-Bediensteten, die nur allzu oft die einzigen schriftlichen Quellen darstellen, persistente und alternative Handelsverbindungen in Wirtschaftsbereichen, welche die Kompanien mit aller Kraft monopolisieren wollten, zwar immer wieder erahnen, kaum jedoch in ihrem ganzen Ausmaß seriös belegen. Zieht man in Betracht, welche Potenziale vor Ort zur Verfügung standen, kann man durchaus annehmen, dass die Kompanien gerade auf der dritten Handelsebene in buchstäblich allen Bereichen mit umfassender indigener Konkurrenz zu tun hatten, die sie letztendlich nicht beseitigen konnten. Allerdings beeinträchtigte diese Situation allenfalls den Anspruch und das Selbstwertgefühl mancher Direktoren der großen Kompanien, kaum jedoch die grundlegenden Tatbestände ihrer Geschichte, waren doch die Kompanien bei allem Erfolg und aller Expansion nie mächtig genug, um die Wirtschaft eines ganzen Kontinents geradezu im Handstreich zu übernehmen – oder es auch nur zu wollen. Fließende Grenzen und unscharfe Trennlinien wurden schon mehrfach angesprochen, ja sie werden nachgerade zum charakteristischen Merkmal der Beziehungen der Kompanien zu ihrem asiatischen Umfeld. Denn neben der Konkurrenz um attraktive Güter stand stets die Tatsache, dass die Kompanien durchaus von asiatischen Handelsstrukturen profitierten, so dass in vielen Fällen keine trennscharfe Abgrenzung zu Mittelsleuten möglich scheint. Ein besonders auffälliges Beispiel stellt der chinesische Dschunkenhandel nach Batavia dar, der eine Alternative zur beengten Marktsituation in Kanton bieten konnte.91 Gerade die kleineren Kompanien wie die dänische, die gelegentlich sogar auf fremde Schiffe zurückgreifen musste, konnten Nutzen aus indigenen Strukturen ziehen. Spezialisierte Händlergemeinschaften waren den Kompanien dienlich, da sie auf tragfähige Netzwerke zurückgriffen, konnten aber aus dem gleichen Grund zu Konkurrenten werden, wenn über diese Netze den Retourflotten Waren entzogen wurden oder Finanzströme an den europäischen Niederlassungen vorbeiflossen. Zu erwähnen wäre die Rolle der indischen Chettiars als Geldhändler, der arabische Hadrami als Kaufmannsdynastien oder der Chinesen aus Amoy als Garanten des chinesischen Außenhandels. Solche Gruppen erlebten ihre Blütezeit überhaupt erst in einer Ökonomie, die von den Kompanien bereits geprägt war. Anderen Diasporagruppen, die wie Juden und Armenier bereits im Mittelalter wichtige merkantile Funktionen erfüllt hatten, gelang es unter solchen Bedingungen auch, wirtschaftlich zu überleben. Für die VOC ein steter Dorn im Auge blieben die Bugis und ihr dichtes Netz auf der dritten

Feinde

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Handelsebene des Malaiischen Archipels, auf dessen Grundlage sie Ende des 18. Jahrhunderts in weitere Geschäftszweige wie die Plantagenwirtschaft vordringen konnten, in denen sie sich wieder in Gegensatz zu den niederländischen Interessen setzten. Die tatsächlichen pedlars, die Kleinhändler, wie sie Job van Leur verstand, erfüllten nur bedingt Zuliefererfunktionen für die Kompanien, konnten diesen aber gewisse Marksegmente entziehen und wiesen dabei eine große Beharrungskraft auf. Gerade an dieser Stelle, an den Begegnungslinien zum kleinräumigen und kleinteiligen asiatischen Handel, ist auch der Übergang zu Diffamierung und Kriminalisierung zu finden. In den Quellen wimmelt es nicht nur von ungeliebten interlopers, sondern auch von Schmugglern, Piraten und anderen vermeintlich dunklen Gelichtern. Insofern bestehen auch fließende Grenzen zwischen Konkurrenten und Feinden der OstindienKompanien in Asien – zumindest durch die Brille ihrer Direktoren betrachtet.

Feinde Sieht man von Anfeindungen unter den europäischen Expansionsmächten und ihren kriegerischen Auseinandersetzungen zunächst einmal ab, verblieben den Kompanien noch genügend, nicht selten „hausgemachte“ Feinde. Während die Bezeichnung interloper noch eine relativ klare Zuordnung erlaubt, da er nur auf Europäer angewandt wurde und unter „Schmugglern“ mit Blick auf die reale Vorgehensweise der Kompanien zumeist einheimische Konkurrenten zu verstehen waren, ist der Begriff des Piraten wesentlich unklarer. Besonders hartnäckigen Störenfrieden der eigenen Monopolvorstellungen wurde schnell Piraterie vorgeworfen; außerdem war nicht jeder Pirat, der in den niederländischen oder englischen Quellen in Erscheinung tritt, ein Seeräuber im klassischen Verständnis, das von Erzählungen über karibische Korsaren des 17. und 18.Jahrhunderts bestimmt wird. Bei aller Unsicherheit der präzisen Zuordnung waren Piraten in den maritimen Regionen Asiens ein reales Problem. An den Küsten Indiens operierten größere Verbände in seeräuberischer Absicht, die teilweise von ihren Rückzugsorten auf Madagaskar aus den gesamten Indischen Ozean befuhren und gelegentlich sogar unter europäischem Kommando standen. Sie stellten eine erhebliche Bedrohung nicht nur für die Seefahrer, sondern auch für die Städte und Staaten entlang der Küste dar, weswegen indische Herrscher die europäischen Kompanien um Unterstützung baten. Ihre ursprüngliche Politik, möglichst nicht in solche Auseinandersetzungen involviert zu werden, konnten diese nicht immer durchhalten, zumal ihre eigenen Interessen unmittelbar betroffen waren. Dennoch blieb die europäische Hilfe sehr zurückhaltend. Als Chittagong 1664 von 60 bis 70 Piratenschiffen bedroht wurde, schickte Batavia zwar eine Entsatzflotte, die aber zu spät vor Ort eintraf; die Truppen des Moguls hatten die von Piraten besetzte Hafenstadt bereits zurückerobert. Immerhin beschützten seit 1692 englische, niederländische und französische Konvois Handelsschiffe aus Surat gegen die ständigen Übergriffe von Pira-

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ten, wobei sich die Kompanien auf Druck des Herrschers auf ein Abkommen einlassen mussten, demzufolge sie für dennoch entstandene Schäden zu haften hatten.92 Im Chinesischen Meer waren Piraten vor allem im 16. Jahrhundert eine ähnliche Gefahr. Ihre Bedeutung stand in engem Zusammenhang mit der Abschottungspolitik der späten Ming-Dynastie und den staatlichen Maßnahmen zur Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften in vielen südlichen Küstenprovinzen. Wer dort nicht Handel treiben oder auswandern durfte, suchte sein Glück häufig unter Schmugglern oder Piraten. Auch wer seine Freiheit behalten wollte, schloss sich ihnen an. Hinzu kamen zahlreiche japanische Piraten, die sich den Restriktionen in ihrer Heimat entzogen oder durch die innerjapanischen Auseinandersetzungen entwurzelt waren. Die daraus erwachsende Gefährdung der Handelswege im Südchinesischen Meer bekamen auch die Portugiesen zu spüren und veranlasste sie, militärisch mit dem kaiserlichen China zu kooperieren. Die Teilliberalisierung unter den Mandschu und die gleichzeitige Beendigung des Piratenunwesens durch das neue Regime in Japan ließen die Bedrohung schrumpfen, auch wenn sie latent immer bestehen blieb. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie wieder in großem Ausmaß akut. Diese Entwicklung hatte vorranig innere Gründe in den Anrainerstaaten. Vor allem die Niederschlagung von Aufständen auf Taiwan und im nördlichen Vietnam sowie die damit zusammenhängenden Zwangsrekrutierungen durch die chinesische Armee sorgten für einen neuerlichen großen Zulauf für die Freibeuterei. Dies machte sich auch für die europäischen Niederlassungen in der Region bemerkbar, wobei weniger die schwerbewaffneten Indienfahrer als die zahlreichen kleineren Fahrzeuge des country trade betroffen waren. Eine als pirate queen bekannt gewordene Piratenwitwe und -führerin, die zwischen 1807 und 1810 vor Hongkong und Makau operierte, verfügte am Ende ihrer Laufbahn, als sie im Gefecht den Tod fand, über eine Flotte von 270 Dschunken mit rund 23 000 Männern und Frauen Besatzung. Zwar kapitulierte ihr Nachfolger und führte diese immense Flotte in die chinesische Marine über, doch wurde die Situation auf dem Meer weder hierdurch noch später im Zuge der Opium-Kriege sicherer.93 Die Piraterie im Malaiischen Archipel gestaltete sich weitaus differenzierter und verstreuter, aber nicht minder gefährlich. Im Sulu-Archipel zwischen Indonesien und den Philippinen, in der Straße von Malakka, in den Gewässern um Sulawesi und auch südlich der Molukken hatte sie ihre Hochburgen. Nicht nur die verschiedenen Gruppen kleiner und kleinster Inseln waren möglicherweise ein idealer Nährboden für Piraterie, auch uralte kulturelle Traditionen konnten Auslöser von maritimen Raubzügen werden. So sah sich die VOC Piraten vom Volk der Papua auf Neuguinea gegenüber, die Kopfjagden und Raubzüge im gesamten östlichen Teil des Malaiischen Archipels durchführten. Das Phänomen der Piraterie ließ sich also weder regional noch ethnisch eingrenzen, sondern durchdrang auf vielfältiger Grundlage den gesamten Malaiischen Archipel. Die erwähnte unklare Terminologie der Kompanien erschwert dem heutigen Betrachter ein Verständnis noch zusätzlich. Auch tatsächliche Feinde im engeren militärischpolitischen Sinne wurden nicht zuletzt zur Inanspruchnahme höherer moralischer

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Standpunkte zu den Piraten gezählt. Verwiesen sei nur auf den Ming-Anhänger und südchinesischen Feldherrn Coxinga, der die VOC aus Taiwan vertreiben konnte und schon deshalb von dieser die Bezeichnung Pirat verpasst bekam. Zudem sorgten die Kompanien selbst für Grauzonen zwischen offizieller Feindschaft und krimineller Piraterie. Besonders deutlich wird dies an Beispielen der stets prekären Lage in Sulawesi. So musste der wajoresische Prinz Arung Singkang als erklärter Gegner der VOC und ihrer buginesischen Verbündeten zu Beginn des 18.Jahrhunderts Sulawesi verlassen.94 Er siedelte sich mit zahlreichen Gefolgsleuten an der Ostküste Borneos an, wo bereits kleinere Wajo-Gemeinden existierten. Durch eine geschickte Heiratspolitik mit den lokalen Herrscherfamilien konnte er zum Sultan von Pasir aufsteigen und die verstreuten Siedlungen seiner Landsleute unter seiner Hoheit organisieren. Seine Rückkehr nach Wajo auf Sulawesi, wo er zum neuen Herrscher gewählt worden war, führte zu einem erneuten erfolglosen Krieg gegen den niederländischen Bugis-Verbündeten Boné. Arung Singkang war sowohl im Handel etabliert wie auch in die Piraterie involviert, die seine Position absicherte und seine machtpolitischen Ziele stützte. In den 1730er Jahren machten er und sein Admiral Toassa die Gewässer vor Banjarmasin und die Straße von Makassar unsicher. Nicht zuletzt die Pfefferfahrten nach Banjarmasin konnten durch seine Aktivitäten schnell zum Misserfolg werden. Toassa leistete sich sogar Übergriffe auf die Stadt selbst. An anderen Orten betrieben seine Piraten Menschenraub, um Sklaven in Südsulawesi zu verkaufen. Zahlreiche Menschen flohen vor ihm unter den Schutz der Kompanie in Makassar. Arung Singkang steht beispielhaft für einen Zusammenhang zwischen Piraterie und buginesischem Hochadel; von ähnlichen Verhältnissen kann auch an anderen Orten außerhalb Südsulawesis ausgegangen werden. Piraterie diente als Fortsetzung von Politik und Krieg mit anderen Mitteln. Möglicherweise wurden die von der VOC als „klassische“ Piratenakte verstandenen Aktionen von den Durchführenden als Guerilla-Unternehmungen gesehen. Daneben dienten solche Raubzüge der materiellen Absicherung von Oppositionsbestrebungen aus dem Exil, die häufig eine lange Zeit in Anspruch nahmen. Ein ganz anderer Fall, der aber ebenfalls mit der Präsenz und den Ansprüchen der VOC in der angesprochenen Region zusammenhängt, bezieht sich auf die Aktivitäten eines Niederländers namens Frans Franszoon.95 Dieser war als Übersetzer im Außenposten Bantaeng stationiert, als er sich 1751 das Schiff eines Prinzen aus Boné aneignete und dessen Frau vergewaltigte. Daraufhin zog der Prinz gegen Bantaeng, dessen Resident ihm seine Truppen unter Führung von Franszoon entgegenschickte. Letzterer vernichtete die Bugis, enthauptete den Prinz und hängte die Leichname an Bäume. Der Resident hatte es daraufhin sehr eilig, nach Batavia und dann in die Heimat abzureisen und alle Verantwortung Franszoon zu überlassen. Dieser floh nach Buton und begann ein Leben als Pirat – offenbar zusammen mit dem syahbandar von Buton. Unterstützt wurde Franszoon von zwei einflussreichen Freibürger-Familien in Makassar. Auch die internen Skandale und Korruptionsfälle der Kompanien konnten also Piraten hervor-

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bringen, die zwar Europäer waren, aber nach langjährigen Asienaufenthalten im Dienst einer Kompanie über die notwendigen Erfahrungen und Beziehungen verfügten, um erfolgreich zu sein. Zugleich veranschaulicht dieses Beispiel, dass viele Freibeuter über gute Kontakte bis hinein in die angesehenen Kreise der einheimischen Gesellschaften oder auch der Kolonialstädte verfügten. Angesichts der ständigen Bedrohung auf See bei gleichzeitig nur nebelhaften Kenntnissen einzelner Ethnien und ihrer Untergruppen standen schnell ganze Völker unter Verdacht, ihren Lebensunterhalt vornehmlich durch Piratenüberfälle zu sichern. Vor dem Hintergrund der geschilderten Beispiele aus Sulawesi sah sich das Volk der Bugis pauschal dem Vorwurf der Piraterie ausgesetzt. Ähnliches gilt für die verschiedenen Gruppen von Seenomaden in den Gewässern des Malaiischen Archipels, des Sulu-Archipels und der thailändischen Küstenregionen. Allerdings ließ die vor allem im 16. Jahrhundert verbreitete Neigung, alle Völker Indonesiens generell unter Piraterieverdacht zu stellen, während der Epoche der VOC deutlich nach. Der zunehmende Kontakt zu einheimischen Nationen, die gelegentliche Zusammenarbeit und die ersten zumindest protowissenschaftlich gesammelten Kenntnisse trugen dazu bei. In den dauerhaften Niederlassungen der Kompanie sorgten langjährige Erfahrungen im intensiven tagtäglichen Kontakt für teilweise sehr differenzierte Sichtweisen auf die verschiedenen Ethnien. So hätte Ende des 18.Jahrhunderts kein VOC-Beamter mehr die Bugis pauschal als Piraten gekennzeichnet. Stereotypen blieben trotzdem lange lebendig, wie das gängige Klischee des „malaiischen Piraten“ in der Publizistik des 19.Jahrhunderts verdeutlicht. Neben dem Raub lukrativer Schiffsladungen diente Piraterie in zunehmendem Maße der Beschaffung unfreier Arbeitskräfte. Europäische Berichte aus dem frühen 19. Jahrhundert bestätigen dies immer wieder und sprechen vor allem von der Vielzahl der verschleppten Sklaven. Eine gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu konstatierende Kommerzialisierung des Sklavenhandels korrespondierte demnach mit einer zunehmenden Aktivität von Seeräubern, die im 19. Jahrhundert auch Europäern gegenüber immer aggressiver wurden. Waren im 17. und 18. Jahrhundert noch mehrheitlich einheimische Seefahrer die Opfer, vermehrten sich im folgenden Jahrhundert die Übergriffe auf europäische Schiffe. Zugleich musste die Kompanie bereits sehr früh feststellen, dass nicht nur die Nachfrage nach Sklaven zu Raubzügen führte, sondern aus der Sklaverei auch die Piraterie nicht selten mit neuem Personal versorgt wurde, sei es durch den unmittelbaren Einsatz von Sklaven, sei es durch die Rekrutierung geflohener oder freigelassener Leibeigener. Im Sulu-Archipel etablierte sich im späten 18. Jahrhundert im Zuge dieser Entwicklungen ein Sultanat, das ganz auf einer Ökonomie aus Sklavenraub und -arbeit aufbaute und für die Europäer zum Inbegriff der malaiischen Piraterie wurde.96 Eine besondere Gefahr der indigenen Piraterie bestand in ihrer Kombination aus Flexibilität und Schlagkraft. Genutzt wurden fast ausschließlich einheimische Bootstypen, die wendig, schnell und in der Lage waren, sich in untiefe Gewässer oder Flüsse zurückzuziehen, wohin ihnen die meisten europäischen Schiffe nicht folgen konnten. Gleichzeitig traten sie nur in größeren Schiffsgruppen auf. Dabei durfte auch die Stärke der

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einzelnen Piratenboote nicht unterschätzt werden. Der englische Reisende Thomas Forrest beschrieb ein typisches Exemplar dieser Boote, wie er sie selbst auf einer seiner Reisen erlebt hatte, als Fahrzeug von knapp 28 Metern Länge, rund acht Metern Breite und einem Meter Tiefgang. Auf solchen Schiffen war Platz für eine Besatzung von bis zu 90 Männern.97 Die Kompanien sahen sich immer wieder gezwungen, bewaffnete Anstrengungen gegen die Piraterie zu unternehmen. Regelrechte Flottenoperationen wie in Indien gegen Ende des 17.Jahrhunderts blieben dabei eher die Ausnahme. Zum Alltag hingegen gehörte die Auseinandersetzung mit flink operierenden kleinen Piratenverbänden, die vornehmlich mit den bescheidenen Beständen der einzelnen Niederlassungen durchgeführt werden mussten. Zur Ruhe kamen die Europäer in dieser Hinsicht nicht; vielmehr erlebten sie eine dramatische Zunahme in der Spätphase der Existenz ihrer mächtigen Kompanien. Diese war sicherlich nicht ausschließlich von ihnen selbst herbeigeführt, doch hatten sie ihren Anteil daran, da viele Mitglieder indigener Eliten von den Kompanien ins Abseits, teilweise geradezu in den Untergrund gedrängt wurden. Insofern hatten die Kompanien nicht nur große Feinde in Form von Staaten, sondern auch viele kleine, die manchmal nur Nadelstiche versetzen konnten, aber so immerhin ein gewisses Potenzial einer Kompanie banden. Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass Piraten die einzigen Feinde der Ostindien-Kompanien waren. Festzuhalten ist jedoch, dass gerade diese kleinen Feinde den Alltag der Kompanien bestimmten. Da so manche Form der Feindseligkeit unter die Piraterie subsumiert wurde und wird, kann ein solcher Abriss für sich in Anspruch nehmen, das Spektrum der Feinde weitgehend, wenn auch exemplarisch, abzudecken. Selbstverständlich mussten sich die Kompanien auch mit Feinden im großen Maßstab auseinandersetzen, insbesondere im Zusammenhang mit den bereits angesprochenen bewaffneten Expansionsbestrebungen der Kompanien. Dies hatte sowohl während der Etablierung als auch anlässlich der territorialen Expansion in der Spätphase seine Gültigkeit. Auch wenn vielerorts einer potenziellen Feindschaft ausgewichen respektive alles getan wurde, um erst gar keine aufkommen zu lassen, waren es diese Auseinandersetzungen, die den Unterhalt größerer Gruppenkontingente erforderten und den Kompanien den Anstrich einer Militärmacht verliehen, der bis heute ihr Image überdeutlich prägt. In diesem Zusammenhang soll schließlich die Feindschaft zwischen Europäern nicht gänzlich unerwähnt bleiben. Sowohl auf dem heimatlichen Kontinent als auch in den Gebieten der kolonialen und merkantilen Expansion prägten die angloniederländische ebenso wie die englisch-französische Rivalität die gesamte Frühe Neuzeit. Sicherlich bestand auch in Übersee ein Zusammenhang mit den Feindseligkeiten zwischen den Nationen in Europa, doch waren die Auseinandersetzungen in Asien mehr noch der Ausdruck eines erbitterten Konkurrenzkampfes um günstige Zugänge zu Märkten und Herrscherhöfen. Indessen waren auch Kooperation oder friedliche Koexistenz möglich, wenn die Rahmenbedingungen oder schlicht die Erfolgsaussichten es sinnvoll erschei-

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nen ließen. In Asien kamen keine Erbfeindschaften zum Tragen, durchaus aber die Rücksichtslosigkeit einer erbitterten Konkurrenz. Tiefer scheint auf den ersten Blick die Feindschaft der westeuropäischen Expansionsmächte gegenüber den Portugiesen gegangen zu sein, die als größter europäischer Konkurrent in der Anfangsphase bereits seit einem Jahrhundert etabliert waren. Die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts wurden vielerorts von der radikalen Vertreibung und Marginalisierung des Estado da India wie auch portugiesischer Privatiers geprägt. Letztendlich blieben dem Estado im Operationsbereich der Kompanien mit Goa und Macau wichtige und langlebige Rückzugsenklaven, während sich portugiesische und lusoasiatische Diasporagruppen in den Kreis der regionalen Konkurrenten von VOC und EIC einreihten. Hinzu kamen die Vorteile der institutionellen Innovation, welche die Kompanien darstellten, die gegenüber dem militärisch unterbesetzten und wirtschaftlich erstarrten Stützpunktnetz des Estado den entscheidenden Hebel für eine Wachablösung unter den europäischen Mächten in Asien zur Verfügung stellten.

Untertanen Versteht man unter Kolonialismus eine „Herrschaftsform zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden“,98 dann übten die Kompanien schon früh koloniale Macht aus und herrschten über Untertanen. Zunächst waren es im Rahmen des Stützpunktkolonialismus nur eng begrenzte Brennpunkte, vor allem eroberte Hafenstädte; im Laufe der Zeit kamen erste Territorien im Hinterland hinzu, bis schließlich die EIC koloniale Kontrolle zur zentralen Unternehmensstrategie erhob. Im niederländischen Einflussbereich bildete sich eine eigene Begrifflichkeit für die betroffenen Personen heraus, die unter der Bezeichnung compagnie-onderdaanen zusammengefasst wurden. Wie auch im britischen Machtbereich konnte es sich dabei um recht unterschiedliche Gruppen handeln. Zunächst waren es die europäischen Siedler aus dem eigenen Herkunftsland, darüber hinaus die Asiaten vor Ort, die zugezogenen Asiaten und schließlich die Mestizo-Nachkommenschaft beider Seiten. Wenn man den Begriff weit fasst – und dies taten die Kompanien –, fielen auch die Bediensteten der Kompanien wie Seeleute und Soldaten unter die Kompanie-Untertanen. Einerseits bedeutete diese Zuordnung für die Betroffenen die Unterordnung unter das Recht der Kompanien einschließlich Gerichtshoheit und militärischer Dienstverpflichtungen. Andererseits standen diese Untertanen auch unter dem Schutz der Kompanien. Im Vergleich mit anderen, vor allem späteren Kolonialismus-Erfahrungen stellt sich die Frage, wie weit die koloniale Herrschaft der Kompanien eigentlich reichte. Nach Georges Balandier machen auf Seiten der Kolonialherren die Selbstverständlichkeit von

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Zwangsmitteln, ein klares Helden- und Vorbildbewusstsein, latentes Herrenmenschentum und innere Geschlossenheit die koloniale Situation aus.99 Bei den Kompanien entstanden recht unterschiedliche Erscheinungsformen von Fremdherrschaft, aber angesichts ihrer primären Ziele, ihrer zentralen Strategien und ihrer Machtpotenziale war ihr Kolonialismus weniger umfassend und tiefgehend als in der Beschreibung Balandiers, die das französische Kolonialreich an der Wende zum 20. Jahrhundert widerspiegelt. Entsprechend werden die Kompanien in der Forschung längst nicht mehr einfach unter die erobernden und unterdrückenden Kolonisatoren subsumiert. Ein vielschichtiges Fallbeispiel für den Charakter kolonialer Herrschaft der Kompanien stellt die Situation im niederländischen Batavia dar. Die javanische Metropole war als Zentrale der VOC bevorzugter Ansiedlungsort von Europäern, darunter auch solchen, die nicht mehr im Dienst der Kompanie standen. Als asiatische Stadt von hoher Zentralität war sie gleichzeitig Ziel verschiedener, zumeist aus wirtschaftlichen Gründen zugewanderter asiatischer Gruppen und beherbergte schließlich eine nicht zu vernachlässigende einheimische Einwohnerschaft. Die sozialhistorische Erforschung einer solch komplexen urbanen Gesellschaft hat den Begriff der Indischen Culture hervorgebracht, ein niederländisch-englisches Wortungetüm, das sich auf Indonesien, nicht auf Indien bezieht. Das Konzept wurde in Anlehnung an die Studien Gilberto Freyres zur brasilianischen Gesellschaft von Pauline Milone am Beispiel Batavias entwickelt und von Jean G. Taylor weitergeführt.100 Die beiden Autorinnen entwerfen das Bild einer Kultur, die im Wesentlichen auf der Verbindung europäischer Männer mit indonesischen Frauen aufbaute. Letztendlich bedingte die besondere Situation der Männer in Diensten der VOC diese kulturelle Entwicklung. Da sie alleinstehend nach Asien kamen, gingen sie dort Verbindungen mit einheimischen Frauen ein, die hierdurch einen sozialen Aufstieg erlebten und Teil der Führungsschicht wurden. Durch die Dienstverpflichtungen der Männer, die häufig zu geringer Präsenz bei ihrer Familie führten, konnten asiatische Kulturelemente über die Frauen stärker in deren neues Lebensumfeld eindringen, als dies im Rahmen eines Siedlungskolonialismus, der eine ganze Gesellschaftsform nach Asien geführt hätte, der Fall gewesen wäre. Wurden die eurasischen Kinder aus solchen Mischehen von ihren europäischen Vätern anerkannt, blieben sie Mitglieder der Gesellschaftsschicht ihrer Eltern, wodurch die Mischkultur zunehmenden Einfluss in der Gesamtgesellschaft erlangen konnte. Es entstand ein Kultur- und Lebensstil, der auf niederländischen Vorstellungen aufbaute, jedoch mannigfaltige Elemente der indonesischen Kulturen inkorporierte, ohne den eigenen Überlegenheitsanspruch aufzugeben. Die „Indische“ Kultur bildete eigene Baustile und Kunstformen aus, brachte eigene Musik und sogar eine eigene Literatur hervor. Die Herausbildung einer solchen hybriden Kultur ist auch an anderen Orten unter Vorherrschaft der VOC zu beobachten, doch kann das am Beispiel Batavia entwickelte Konzept nicht allzu bedenkenlos auf den Malaiischen Archipel oder den indischen Subkontinent ausgedehnt werden. Die Zentrale der VOC auf Java bildete in vielfacher Hinsicht eine Ausnahme. In anderen Kolonialstädten war die Gruppe der Europäer weitaus

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kleiner, die Mehrheit ihrer Mitglieder blieb nur für wenige Jahre. Gleichzeitig war auf den indonesischen Außenposten und auch in den indischen Emporien der Anteil der regionalen indigenen Bevölkerung weitaus größer und ließ die Städte „asiatischer“ erscheinen als Batavia. Auch hier entstand eine soziale Gruppe unter den Vorzeichen der Indischen Culture, doch blieb sie eine kleine Elite und prägte nicht die gesamte urbane Gesellschaft. Andere Städte, die wie Kota Ambon auf der gleichnamigen Insel auf europäische Ursprünge zurückgingen, wiesen ebenfalls hybride Gesellschaftsformen auf, die sich allerdings vorrangig aus den unterschiedlichen Kulturen zugewanderter Asiaten und importierter Sklaven speisten.101 Noch ein weiterer Punkt hob Batavia aus der Reihe der Kolonialstädte Südostasiens hervor. Wie andernorts auch stellten die Chinesen eine der wichtigsten Bevölkerungsgruppen, doch nirgendwo waren sie so dominant wie in Batavia, das Leonard Blussé, ein Wort von Thomas S. Raffles aufnehmend, nicht aus Zufall als chinesische Kolonialstadt unter niederländischer Protektion beschreibt. Der holländische Geistliche François Valentijn, der sich zwischen 1685 und 1694 sowie zwischen 1705 und 1712 in Asien aufhielt und sein Wissen in seinem monumentalen Werk Oud en Nieuw Oost-Indiën (1724– 1726) niederlegte, liefert aus eigener Anschauung eine lebendige Schilderung: „Sie sind ein ungewöhnlich gewandtes, höfliches, geschäftiges und diensteifriges Volk, das umfangreiche Dienste in dieser Stadt anbietet. Sie betreiben hier nicht nur Großhandel in Tee, Porzellan, Seide und Lackwaren, sondern betätigen sich äußerst betriebsam in vielen Handwerken; sie sind sehr gute Schmiede, Zimmerleute, sehr geschickte Stuhlmacher, die Wohnzimmerstühle ebenso herstellen wie reich verzierte Sänften. Sie stellen alle Sonnenschirme her, die hier benutzt werden. Sie führen sehr feine Lack- und Vergoldungsarbeiten aus. Auch sind sie die führenden Arrakbrenner, Landpächter, Ziegelhersteller und Betreiber von Zuckermühlen außerhalb Batavias und deren Auftraggeber innerhalb der Stadt. Viele betreiben Gaststätten und Teehäuser für Seeleute und Soldaten, und eine große Zahl verdient ihr Geld durch Wassertragen, Fischerei oder die Beförderung von Personen überallhin in chinesischen Booten (was sehr bequem ist); auf diesen Fahrzeugen rudern sie stet im Stehen mit zwei gekreuzten Riemen. Viele steuern regelmäßig mit Sampans und großen Booten Schiffe an, um deren Waren zu löschen. Zudem basiert die gesamte Wirtschaft des Umlandes von Batavia auf ihnen, in der sie ungewöhnlich erfinderisch und geschäftig sind. […] Den ganzen Tag transportieren sie alle Arten von Gemüse, Textilien, Porzellan, Lackwaren und Tee für einen schmalen Gewinn von Haus zu Haus. Man kann sich nichts vorstellen, das sie nicht unternehmen und durchführen.“102

Die große Bedeutung der Chinesen in allen wirtschaftlichen Bereichen veranlasste die VOC, ihre Ansiedlung gezielt zu fördern und ihnen weitreichende Autonomie in Steuerund Rechtsfragen einzuräumen. Ihre Gemeinde entrichtete eine hohe Pauschalsteuer, deren Eintreibung ihrem Oberhaupt oblag, und genoss im Gegenzug die Befreiung vom Militärdienst. Der zunehmende Einfluss der Chinesen zeitigte jedoch auch gravierende Probleme. Die Zuckerindustrie im Umland Batavias befand sich seit jeher fest in chinesischer Hand und wurde von der VOC durch Preis- und Abnahmegarantien protegiert; seit Mitte des 17. Jahrhunderts erlebte sie eine lang anhaltende Blüte. Die Arbeitskräfte dieses Gewerbes stammten ebenfalls aus China, doch stieg ihre Zahl durch wachsenden

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Auswanderungsdruck in Südchina in nicht mehr kontrollierbarem Maße an. Dies lag aufgrund sinkender Löhne durchaus im Interesse der chinesischen Arbeitgeber, nicht aber im Interesse der VOC, die das Wachstum eines Teils ihrer Untertanenschaft nicht mehr im Griff hatte. Die Situation auf dem Land führte zudem zur Entfremdung zwischen den zunehmend krisengeschüttelten Arbeitern und der urbanen Honoratiorenschicht, welche die Zuckermühlen betrieb und zugleich die Ansprechpartner für die VOC stellte. Das System der Autonomie einer wichtigen ethnischen Gruppe stieß an seine Grenzen. Vor dem Hintergrund des Überdrucks auf dem ländlichen Arbeitsmarkt und der sinkenden Zuckerpreise senkte die VOC 1740 die garantierten Abnahmemengen und -preise und löste damit die Schließung zahlreicher Zuckermühlen und in der Folge eine Massenarbeitslosigkeit aus. Das Ergebnis war eine Armutsrevolte der Chinesen im Umland, ausgelöst durch ein Gerücht, die VOC wolle alle nicht registrierten chinesischen Arbeiter nach Ceylon abschieben. Ein Angriff der Aufständischen auf Batavia konnte abgewehrt werden und führte zu einem Massaker, dem rund zwei Drittel der Chinesen zum Opfer fielen. Die Katastrophe in Batavia löste zudem kriegerische Auseinandersetzungen in ganz Java aus, in denen sich die VOC gegen einheimische Fürsten behaupten musste, welche die Gunst der Stunde nutzen wollten. Die dabei erzielten Erfolge stärkten die indirekte Herrschaft der VOC auf Java zusätzlich. In Batavia selbst wurde die Autonomie der Chinesen beschnitten und die Diasporagemeinde in ein geschlossenes Viertel umgesiedelt. Ingesamt waren die Chinesen für die Kompanie allerdings viel zu wichtig, um dauerhaft marginalisiert zu werden. Sie erholten sich schnell wieder von den Ereignissen des Jahres 1740 und blieben langfristig der wichtigste wirtschaftliche Faktor in der Stadt. Das Chinesen-Massaker von Batavia war sicherlich ein singuläres Ereignis, verdeutlicht aber dennoch wesentliche Elemente der Beziehung zwischen der VOC und ihren Untertanen. Aus wirtschaftlicher Nutzenerwägung wurden ethnische Gruppen gefördert und Diasporagemeinden Autonomie garantiert, wovon auch zahlreiche andere Gruppen wie die Malaiien profitieren konnten. Unter der Herrschaft der VOC lebten nicht nur Geknechtete; vielmehr bestanden traditionell in Südostasien verankerte Sozialstrukturen weiter und entwickelten sich, je nach lokalen Vorgaben, neue, eigenständige Gesellschaftsformen. Auf beiden Wegen gerieten zudem zahlreiche Sklaven in den Machtbereich der Kompanie. Zeitgenössische niederländische Bevölkerungslisten, die allerdings kaum in der Lage waren, eine städtische Siedlung in ihrer Gesamtheit abzubilden, vermitteln den Eindruck, dass die große Mehrheit der Einwohnerschaft Sklaven waren. Unfreie Lebensformen waren in Südostasien – wie auch im britischen Indien – traditionell verbreitet und beruhten auf sehr verschiedenen Grundlagen wie individueller Verschuldung, strafrechtlicher Verurteilung oder Kriegsgefangenschaft. Der Sklave als reines Handelsgut und damit auch zunehmende Sklavenraubzüge gewannen in den meisten Regionen erst im 18. und 19. Jahrhundert an Bedeutung.103 Mit der Eingliederung der verschiedenen sklavenhaltenden Personengruppen in ihren Untertanenverband gliederte

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die VOC deren unfreie Arbeitskräfte gleich mit ein. Darüber hinaus griffen europäische Privatiers gerne auf die Institution Sklaverei zurück. Aus ihren freigelassenen, nicht selten christianisierten Sklaven ging eine weitere gesellschaftliche Gruppe unter den VOCUntertanen hervor, die so genannten mardijker. Die VOC selbst war nur in einigen spezifischen Fällen dauerhaften Arbeitskräftebedarfs an Sklavenhaltung und -handel interessiert. Hierzu gehörten die Umwandlung der Muskatproduktion auf den Bandas in eine Plantagenwirtschaft sowie die dauerhafte Versorgung der Kapkolonie mit Arbeitern. Die Einbeziehung von Untertanen in den Herrschaftsbereich der EIC fand vornehmlich im Zuge der Expansion in Indien statt und nahm ihren Weg zunächst über die Steuern. Der Kompanie gelang es nach und nach, die bestehenden Steuersysteme, die ein Drittel bis zur Hälfte der agrarischen Erträge dem Staat sicherten, zu okkupieren. Dabei entstand noch kein einheitlich strukturierter Kolonialstaat, sondern regional sehr unterschiedliche Spielarten. In Bengalen legte nach der britischen Übernahme des diwan das so genannte permanent settlement von 1793 nicht nur einheitliche Steuersätze fest, sondern beseitigte gleichzeitig alle Besitzansprüche der Bauern. Die zamindars, die etablierten Steuerpächter, blieben als einzige Grundbesitzer und Ansprechpartner der EIC übrig; die Bauern wurden zu reinen Pächtern degradiert. In den zu Beginn des 19. Jahrhunderts annektierten nordindischen Provinzen, den Ceded and Conquered Provinces, bemühte sich die Kompanie hingegen vergeblich, ein auf mehreren Säulen basierendes System der Steuerveranlagung zu vereinheitlichen und zu modernisieren. Ihr Zugriff auf die Steuern war dennoch bald gefestigt. In der Folge litt die ländliche Bevölkerung unter den besonders hohen Steuerforderungen der britischen Provinzregierung, die bis zu 90% des Ertrages erreichen konnten. Im Süden des Subkontinents hatte sich die EIC schon früh – seit 1750 in der Region von Madras, seit 1765 im Herrschaftsbereich von Haiderabad – die Einnahmen aus der ländlichen Besteuerung gesichert, beließ es jedoch lange dabei, die einheimischen Veranlagungssysteme abzuschöpfen. Erst mit dem Beginn der Annexionen im Süden nach dem Sieg über Mysore 1799 begann die EIC ein eigenes Besteuerungssystem aufzubauen. Hier wie in allen anderen Regionen der britischen Expansion in Indien änderte sich aus der Sicht der Bauern im ersten Augenblick kaum etwas. Steuern auf die Erträge des Landes hatten die Fürsten und Moguln auch erhoben, und die Briten griffen in der Praxis auf deren etablierte Institutionen zurück. Wurde ihre Machtokkupation auf dem Lande überhaupt als solche wahrgenommen, dann trat die EIC eher in Form einer Ablösung in vorhandene Strukturen ein, als dass sie eine neue Herrschaft in Gestalt durchdringender Kolonialisierung aufbaute. Die Bauern bekamen nach und nach dennoch zu spüren, wessen faktische Untertanen sie nun geworden waren. Im Laufe der Zeit veränderte die EIC die Institutionen, konfrontierte die Betroffenen mit europäischen Vorstellungen von Eigentumsrecht, nutzte die Steuerpolitik als Instrument zur Durchsetzung exportorientierter Agrarstrukturen und schraubte schließlich angesichts steigenden Kapitalbedarfs die Steuersätze teilweise in nie gekannte Höhen. All das blieb nicht ohne tief

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Eine europäische Dame wird von indischen Dienstboten in einer Sänfte getragen.

greifende Folgen für die indische Landwirtschaft und auch nicht immer ohne Widerspruch. Im westindischen Khandesh führten die Eingriffe der EIC in althergebrachte Privilegien und Steuerveranlagungen 1852 zu einer Bauernrevolte,104 die einen Vorgeschmack auf die Great Mutiny wenige Jahre später gab. Der als Great Mutiny bekannt gewordene Aufstand der Sepoy-Truppen innerhalb der britischen Armee zwischen 1857 und 1859 rückt eine besondere Gruppe von Untertanen in das Blickfeld: die asiatischen Soldaten im Dienste der Ostindien-Kompanien. Mit diesen gerade in Indien immer größer werdenden Truppenteilen rekrutierten die Verantwortlichen nicht nur militärisches Potenzial, sondern zunehmend auch die Möglichkeit kultureller Missverständnisse und Konflikte. Dass dies nicht selten unbewusst geschah, zeigt der auslösende Funke des Sepoy-Aufstandes. Die Einführung neuer Munition, deren eingefettete Kartusche mit dem Mund zu öffnen gewesen wäre, wurde nach dem Protest der muslimischen Sepoy, die Kontakt mit Schweinefett befürchteten, nicht etwa revidiert; vielmehr nahmen einige Offiziere den Konflikt zum Anlass, ein Exempel zu statuieren. Die daraufhin revoltierenden muslimischen Truppenkontingente fanden rasch Unterstützung bei Bauern und Kaufleuten. Der vielerorts angestaute Unmut gegen die Auswirkungen der britischen Expansions- und Steuerpolitik entlud sich in einer bewaffneten Massenbewegung, die ein letztes Mal die symbolische Identifikationsfigur des Moguls auf den Schild hob. In einer aufwändigen militärischen Aktion, deren Erfolg in

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hohem Maße auf der Loyalität der Sikh-Truppen aus dem Panjab beruhte, konnte die EIC den Aufstand schließlich niederschlagen – doch war nun auch dem letzten Beobachter in Großbritannien klar, dass die Strukturen der alten Handelskompanie trotz aller Metamorphosen nicht mehr geeignet waren, eine solch vielschichtige Untertanenschaft effektiv zu kontrollieren. Auch die niederländische VOC setzte indigene Hilfstruppen ein.105 Dies konnten gelegentlich bunt zusammengewürfelte Söldnereinheiten sein; eine weitaus wichtigere Rolle spielten aber Truppenkontingente, die von regionalen Bundesgenossen bereitgestellt wurden. Vor allem Bugis und Molukker aus Ambon fanden sich in Kampfeinsätzen der VOC wieder. In beiden Fällen unterhielt die Kompanie enge, zugleich aber auch recht einseitige Vertragsbeziehungen mit den entsprechenden Machthabern, die durchaus als indirekte Herrschaft bezeichnet werden können. Darüber hinaus erwiesen sich die freigelassenen Sklaven aus dem eigenen Machtbereich (mardijker) als besonders loyale Truppen. Als 1740/41 die Unruhen des Chinesen-Aufstandes auf Java tobten, zog die VOC größere Einheiten von Ambonern und mardijkers in Makassar zusammen und verschiffte sie von dort aus nach Semarang an der javanischen Nordküste. Die hier angewandte Maxime, indigene Truppenteile möglichst nie in ihrer eigenen Heimat einzusetzen, war wesentlicher Bestandteil des recht geschickten Umgangs der VOC mit ihren Hilfstruppen, der neben der geringeren Ausbreitung territorialer Kolonialherrschaft entscheidende Ursache dafür war, dass die niederländische Kompanie von größeren Meutereien ihrer militärischen Untertanen verschont blieb. Eine einheitlich strukturierte Gruppe der Kompanie-Untertanen hat es also nie gegeben, wohl aber ein breites Spektrum an Individuen und Personenverbänden, die unmittelbar der Herrschaft einer Ostindien-Kompanie unterstanden. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ganz unterschiedliche Einstellungen und Reaktionen gegenüber den Kompanien zu beobachten sind. Die einen sahen in den Kompanie eine Chance, wie es in der Kollaboration mit VOC oder EIC, aber auch in der Nutzung der neuen Rahmenbedingungen für die eigenen Interessen zum Ausdruck kam. Vor allem in den europäisch kontrollierten Hafenstädten wie Batavia, aber auch in Armee oder Flotte bestanden solche Möglichkeiten. Die anderen erlebten die Kompanien vornehmlich als Unterdrücker. Diese Erfahrung führte in einigen Fällen zu offenem Widerstand, in anderen aber zur Hinnahme der neuen Herrschaft, die letztendlich zur Entstehung einer kolonialen Untertanenschaft führte.

Betroffene Gerade wenn man an die frühen Jahrzehnte ihrer Präsenz in Asien denkt, sollte der Einfluss der Ostindien-Kompanien nicht überbetont werden. Aber es ist unzweifelhaft, dass die Kompanien eine Entwicklung durchlebten und sich an vielen Orten und in vielen Bereichen zunehmend durchsetzen konnten. Insofern darf eine angemessene Relativierung ihrer in der älteren und populären Literatur überzeichneten Rolle nicht zur völli-

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gen Marginalisierung führen. EIC und VOC leiteten so manche Entwicklung ein, die über ihren eigenen Horizont – in zeitlicher wie in geografischer Hinsicht – weit hinausreichte. Ein Teil der Betroffenen stand nur sehr mittelbar oder auch gar nicht mit den Kompanien in Kontakt, war jedoch noch lange nach deren Ende mit ihrem Einfluss konfrontiert. Grundsätzlich lassen sich vier Bereiche ansprechen, in denen die Kompanien einen langfristigen Wandel initiierten: der Handel, Landwirtschaft und Umwelt, Urbanisierung und Industrialisierung sowie die Machtstrukturen Asiens. Es liegt nahe, dass von den Aktivitäten eines Handelsunternehmens in erster Linie andere Kaufleute betroffen sind. Viele asiatische Händler bewegten sich auf anderen Ebenen und in anderen Größenordnungen als die Kompanien und konkurrierten nicht mit ihnen um dieselben Märkte oder Produkte. Dennoch waren sie in Bereichen tätig, die sich mittelbar durch die Aktivitäten der Kompanien veränderten. Auf der ersten Ebene versuchten die Kompanien, den Luxushandel von Asien nach Europa zu monopolisieren. Dies gelang zwar nicht uneingeschränkt, doch hatten die Karawanenwege der Seidenstraße ihre Exklusivität und den Großteil ihrer europäischen Märkte verloren. Die Ausrichtung vieler Kaufleute änderte sich dadurch. Reichweite und Struktur der regionalen Netzwerke, die ineinandergriffen und sich so zur Seidenstraße zusammenfügten, veränderten sich, wurden teilweise enger oder richteten sich neu aus – eine Entwicklung, die von Europa aus als Niedergang gesehen wurde und wird. Auf den Ebenen darunter wurde die unmittelbare Konfrontation der Europäer mit asiatischen Wirtschaftssubjekten häufiger und direkter. Sie bedeutete die Integration der Kompanien in bestehende Zusammenhänge, aber auch die Verdrängung etablierter asiatischer Kaufleute. Letzteres geschah nicht allein zugunsten der Europäer, sondern zeitigte auch langfristige innerasiatische Folgen, unter denen die weitere Stärkung der chinesischen Kaufmannsdiaspora, die bis heute die Wirtschaft mancher südostasiatischer Staaten bestimmt, die auffälligste ist. Mittelbare Folgen bestanden in der Verschiebung von Warenströmen, ja ganzen Handelsnetzwerken, und der damit einhergehenden Entwicklung neuer Warenumschlagplätze. Die Handelswelt der Bugis, der in ökonomischer Hinsicht wahrscheinlich dynamischsten Ethnie Südostasiens, beruhte im 18. und frühen 19. Jahrhundert vorrangig auf solchen neuen Netzwerken. Dies bedeutete nicht nur, dass interessante Waren nun an den Kompanien vorbeigeschleust wurden; vielmehr zogen solche Verlagerungen Nachfragen an neuen Orten nach sich, die wiederum andere Händler anlockten. Auch auf der untersten Ebene, der Ebene des Markthandels, kann von Verschiebungen und Konzentrationen ausgegangen werden, so weit sich dies aus heutiger Sicht beobachten lässt. Die Notwendigkeit der Zulieferung von Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen für Wirtschaftszweige, die sich ganz auf die Befriedigung der Nachfrage durch die Kompanien ausgerichtet hatten, sei es durch Spezialisierung in der Textilindustrie oder landwirtschaftliche Produktion von cash crops, hatte wahrscheinlich tiefgreifendere Auswirkungen auf das wirtschaftliche Umfeld, als der verengte Blick auf die Aktivitäten der Kompanien vermuten lässt.

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VII. Die Reaktion Ostindiens

Es ist jedoch unvermeidlich, dass Aussagen in diesem Bereich schwammig bleiben. Gerade im Bereich des regionalen Handels bestehen noch zahlreiche Forschungsdesiderate, hatte sich die Geschichtswissenschaft doch lange ganz an den auffälligen Kompanien ausgerichtet. Diese überstrahlten manch anderes nicht nur aufgrund der eurozentrischen Perspektive vieler Forscher, sondern auch durch ihre überbordende schriftliche Hinterlassenschaft. Die Geschichtswissenschaft steht ein wenig hilflos vor dem Problem, dass der asiatische Handel, dessen gleichrangige Erforschung gleichwohl eine conditio sine qua non für eine angemessene Einordnung der Ostindien-Kompanien ist, vorrangig mündlich abgehandelt wurde. Neben dem Handel war es die Landwirtschaft und in der Folge auch die Umwelt, die sich vielfältigen und weitreichenden Einflüssen ausgesetzt sahen. In allen Regionen Asiens, in denen die Kompanien längerfristig tätig waren, wurde die lokale Agrarwirtschaft endgültig an den Weltmarkt angebunden. Die europäischen Kaufleute legten ein schier unstillbares Interesse an Waren wie Baumwolle, Zucker, Kaffee, Tee, Tabak, Opium, Indigo oder Kautschuk an den Tag, die eine intensive, spezialisierte und exportorientierte Landwirtschaft erforderten. Die ursprünglich im Mittelpunkt stehenden Gewürze traten im Laufe der Zeit dahinter zurück. Ihr Absatz ließ sich in Europa nicht in gleichem Maße steigern, so dass die bereits etablierten Einkaufsmöglichkeiten weitgehend ausreichten. Diese wiesen selbstverständlich ebenfalls eine eindeutige Exportorientierung auf, die häufig bereits vor 1600 bestand oder gelegentlich, wie auf Banda, erzwungen wurde. Auch bei den exportorientierten Kulturen, die sich erst im 18.Jahrhundert etablierten, waren sowohl Formen der freiwilligen Ausrichtung aufgrund der Verdienstmöglichkeiten dank großer europäischer Nachfrage zu beobachten wie auch solche der von den immer einflussreicheren Europäern erzwungenen, die in Indien die okkupierten Steuersysteme oder auf Java die verschiedenen Formen indirekter Herrschaft nutzten. Für die indigene Landwirtschaft bedeutete dies eine Kommerzialisierung im Sinne verstärkter Geldwirtschaft und Abhängigkeit von externen, nicht beeinflussbaren Preisentwicklungen. Sie führte zu Monokulturen und zur Reduzierung oder Beseitigung der traditionellen Subsistenzmöglichkeiten. Zudem gerieten die Bauern in zunehmende Abhängigkeit von Zwischenhändlern und mussten sich mit der Transformation ihrer althergebrachten Dorfstrukturen arrangieren. So wurde Gemeinschaftsland in die Produktion einbezogen, wodurch landlose Arme ihrer Subsistenzmöglichkeit beraubt, dörfliche Solidaritätsstrukturen aufgebrochen und Migrationsbewegungen in die Ballungszentren gefördert wurden. Verstärkt wurden solche Transformationsprozesse noch durch die steigende Verschuldung vieler Bauern. Im niederländischen Einflussbereich wurde zunächst der Weg über die Steuerhoheit der lokalen Fürsten eingeschlagen, der auf Dauer aber weder die erwünschten Einkünfte noch die angestrebte Umorientierung der Landwirtschaft bieten konnte. Der entscheidende Schritt wurde erst von der niederländischen Kolonialverwaltung unternommen, welche die Verfügungsgewalt über das Land und seine Besteuerung unmittelbar an den Kolonialstaat übertrug, der nun den Umfang der exportorientiert genutzten Anbauflä-

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chen ebenso bestimmen konnte wie Art und Höhe der Steuerveranlagung. Diese Kombination aus direkter und indirekter Durchsetzung exportorientierter Agrarwirtschaft wurde in Niederländisch-Indien unter der Bezeichnung kultuurstelsel offiziell erst 1830 eingeführt, hatte aber ihre Wurzeln in den Interessen und Aktivitäten der VOC. In einigen Bereichen erlebte die Agrarwirtschaft noch unter den Kompanien den Übergang zur Plantagenkultur, die sich durch kapitalintensives Unternehmertum und billige Lohnarbeit auszeichnete. Sie stand in engem Zusammenhang mit der Übersiedlung fremder Kulturpflanzen nach Süd- und Südostasien. Tee kam aus China nach Nordindien, Kaffee aus dem arabischen Raum nach Java und Ceylon, Opium aus dem westlichen Asien nach Indien, der Tabak sogar aus Amerika. Zuckerrohr und Kautschuk hingegen waren im malaiischen Raum beheimatet. Sozial gesehen bedeuteten diese Entwicklungen die Entstehung einer Lohnarbeiterschaft anstelle der agrarischen Dorfgemeinschaft. Agrarökonomisch und ökologisch betrachtet führten sie vielfach zur Etablierung neuer Kulturpflanzen, die das Gesicht ganzer agrarischer Großräume neu gestalteten. Die Transformation der Landwirtschaft blieb nicht ohne ökologische Folgen. Nicht nur die unmittelbaren Bedürfnisse der Kompanien wie jenes nach Holz, das vornehmlich durch den britischen Schiffsbau bedingt wurde und zur Entwaldung weiter Landstriche Indiens führte, sondern auch das rücksichtslose Vorantreiben der agrarischen Kommerzialisierung konnten verheerende Folgen haben. Der Wasserverbrauch, dem man von britischer Seite durch immer größere Kanalisationsprojekte gerecht zu werden versuchte, und die Ausbeutung der Böden spielten hierbei die entscheidende Rolle. So wurden, um nur ein Beispiel herauszugreifen, in der nordindischen Landschaft Doab große Waldflächen für die Ausweitung des Nutzlandes gerodet. Die Folge waren ein drastischer Rückgang der Niederschläge bis hin zum akuten Wassermangel und zum saisonalen Versiegen der Flussläufe. Dies wiederum führte zur Versalzung der Böden und zu Erosionserscheinungen.106 Es kann daher kaum überraschen, dass hier der Aufstand von 1857 besonders eifrige und radikale Unterstützer fand. Ein weiteres Feld, auf dem sich eine zentrale Bedeutung für die Kompanien mit ihrer Langzeitwirkung verbindet, sind die Städte Asiens. Zunächst waren sie vor allem als Anlaufpunkte wichtig, von denen aus die Europäer an kommerzielle Netze anknüpfen konnten. Später wurden Städte zu den Zentren fast aller Aktivitäten der Kompanien. Dadurch waren diese mittelbar wie unmittelbar an der Herausbildung oder Transformation ganzer Städtesysteme beteiligt. Die VOC bestimmte im Malaiischen Archipel in hohem Maße den Grad der Zentralität der wichtigsten Hafenstädte. Auch wenn sie in ihrer Expansionsphase zumeist auf bestehenden urbanen Zentren aufbaute, setzte sie doch mit Batavia eine entscheidende und langfristig wirkende Neuerung an die Spitze des regionalen Systems. Mittelbar hatte dieser Einfluss gelegentlich zur Folge, dass sich manche Strukturen völlig von urbanen Zentren loslösten. In Indien waren vor allem die Textilgeschäfte der Kompanien im Urbanisierungsprozess wirkungsmächtig. Eine Reihe von Städten – allen voran die britischen Kolonialmetropolen Bombay, Kalkutta und Madras – wurden früh zu regelrechten Ballungszen-

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VII. Die Reaktion Ostindiens

tren, die eine große Zentripetalkraft auf die Bevölkerung im engen wie im weiten Umland ausübte. In einer Zeit, die keine stadtplanerischen Überlegungen kannte, konnten die traditionellen indischen Städte einen solchen Ansturm nicht bewältigen. Überbevölkerung, Slumbildung und katastrophale Gesundheitsverhältnisse prägten bereits in der Endphase der EIC das Bild. Aus der Vogelperspektive betrachtet hatten solche Entwicklungen zudem zu einer Umstrukturierung des urbanen Netzwerkes Indiens geführt, das sich frühzeitig auf die kolonialen Metropolen ausrichtete und viele ältere Zentren wirtschaftlich marginalisierte. Nur hingewiesen werden kann an dieser Stelle auf die beginnende Industrialisierung, die ebenfalls mit den genannten Prozessen in Zusammenhang stand und eine frühe Katalysatorwirkung der Kompanien offenbart. Im Textilgewerbe erwies sich das Produktionssystem, das sich unter ihrer Dominanz herausgebildet hatte, als sehr flexibel und blieb lange weitgehend dezentral. Auf Dauer standen jedoch in den Metropolen zunehmend billige Arbeitskräfte zur Verfügung, die manchem aus der Schicht der Mittelsmänner hervorgegangenen Unternehmer eine verstärkte Zentralisierung lohnend erscheinen ließen. Allerdings blieb es in der Regel bei eher rudimentären Fabriken, die ihre Strukturschwächen bis in die nachkoloniale Zeit behielten. In anderen Bereichen ging die Dynamisierung der Arbeitsmärkte noch weiter. Die Plantagenwirtschaft wie auch der malaiische Zinnbergbau hatten einen außerordentlich hohen Arbeitskräftebedarf. Benötigt wurde zwar nur gering qualifiziertes Personal, doch konnte dieser Bedarf in der Regel nicht allein aus dem Umland gedeckt werden. Die notwendigen Arbeiter mussten aus weiter entfernten Gegenden angeworben werden. Die daraus entstehende Arbeitsmigration, welche die javanische Geschichte schon früh beeinflusst hat und im 19. Jahrhundert zum Massenphänomen wurde, bildete vor allem ein Ventil für den Bevölkerungsüberschuss in Südchina. Die chinesische Diaspora wurde dadurch nicht nur aufgrund ihrer ökonomischen Funktionen ein Machtfaktor, sondern schlichtweg auch wegen ihrer zahlenmäßigen Stärke. In geringerem Maße fanden sich auch Inder unter den Arbeitsmigranten. Zunächst folgten sie mehrheitlich noch den Möglichkeiten, die sich im eigenen Land anboten, wo Teeplantagen völlig neue Arbeitsmärkte etablierten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdingten sie sich dann auch verstärkt auf den Arbeitsmärkten in Südostasien und darüber hinaus. Nicht zuletzt durch die Interessen der Ostindien-Kompanien begann nun auch der Arbeitsmarkt ein Weltmarkt zu werden. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Politik der Kompanien auf die regionalen Machtstrukturen in Asien teilweise gravierende Auswirkungen hatte. An mehreren Stellen wurde bereits die Destabilisierung bestehender Herrschaftsstrukturen angesprochen, die sowohl eine äußere hinsichtlich des Eingriffs in zwischenstaatliche Konstellationen als auch eine innere hinsichtlich der Aushöhlung staatlicher Autorität sein konnte. Den vielleicht augenfälligsten Fall langfristiger Beeinflussung durch die Kompanien stellt das eigentlich übermächtige China dar. Das Reich der Mitte war letztendlich weitaus mehr betroffen, als es die Verhältnisse in Kanton während des 18. Jahr-

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Ein Europäer der Ostindischen Handelskompanie raucht eine Wasserpfeife, von indischen Dienstboten umgeben.

hunderts vermuten lassen. Positive und negative Auswirkungen reichten sich dabei die Hand. Der chinesische Teeanbau profitierte zunächst von der europäischen Nachfrage, wurde aber später durch die Konkurrenz neuer englischer Plantagen in Indien geschädigt. Der Arbeitsmarkt in Südchina unterlag seit dem 18. Jahrhundert unkontrollierbaren Einflüssen von außen, doch bedeutete die zunehmende Arbeitsmigration auch eine

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VII. Die Reaktion Ostindiens

Entlastung. Weitaus fatalere Auswirkungen hatte der Opium-Import durch die Ostindien-Kompanien. Das Rauschmittel wurde zum Massenkonsumgut und drohte umfassende soziale Verwerfungen hervorzurufen. Der aus den chinesischen Gegenmaßnahmen resultierende Opiumkrieg leitet die finale Erschütterung des Kaiserreichs und die Einbeziehung in den informellen Herrschaftsbereich der europäischen Expansionsmächte ein. Insofern waren es die Kompanien, die einen entscheidenden Beitrag zur inneren Destabilisierung Chinas leisteten. Dass dies keine zwingende Entwicklung sein musste, zeigen Fälle wie Persien, das aus internen Gründen, kaum aber durch die Aktivitäten der Kompanien einen Bedeutungsverlust erfuhr, oder Japan, das sich die Anwesenheit der VOC zunutze machte, ohne ihr einen dauerhaften Einfluss zu gestatten.

VIII. Wegbereiter der Globalisierung – Ein Schlusswort Als „Gentle Janus“ wurden die Ostindien-Kompanien in der Einleitung vorgestellt. Zwei Seiten wies ihr Antlitz gleich in mehrfacher Hinsicht auf. Die Kompanien spielten sowohl in Europa als auch in Übersee eine Rolle, die nicht ignoriert werden konnte. Sie waren zugleich Handelsgesellschaften, die auf Märkte und Profite sahen, und Expansionisten, die Regionen in Übersee in den europäischen Machtbereich integrieren wollten; und sie bewegten sich in einer ihnen fremden Welt gleichermaßen als Fremdkörper und als Teilhaber. Derjenige, der die eine oder andere Seite außer Acht lässt, greift in seinem Verständnis der Ostindien-Kompanien zwangsläufig zu kurz. Insofern zielt die unter anderem von Pierre Boulle aufgeworfene Frage, ob die Kompanien dauerhafte Instrumente des „kolonialen“ Handels waren oder vorrangig zur Redistribution von Kapital in neue Richtungen dienten, bis privates Unternehmertum übernehmen konnte,107 auf eine wenig fruchtbare Verengung ihrer Funktion. Und insofern ist Niels Steensgaards Diktum, dass das wichtigste Exportgut der Kompanien Gewalt war, nicht nur angesichts der enormen Edelmetallexporte eine Simplifizierung. Sicherlich können wichtige Aspekte der Kompanien in einem Schlagwort wie „institutionelle Innovation“ zugespitzt werden; und sicherlich ist die permanente Bereitschaft zur Gewaltanwendung nicht der unerheblichste dieser Aspekte. Ohne jeden Zweifel steht auch fest, dass die Kompanien Asien nachhaltig verändert haben, doch wird hier die Ambivalenz ihres Charakters endgültig unübersehbar. Schließlich haben die asiatischen Verhältnisse die Kompanien ebenso geprägt und durch vielfältigen Anpassungsdruck verändert. Ebenso ambivalent gestaltete sich ihre Situation in der Heimat, wo sie nicht selten zu gleicher Zeit als Garanten der nationalen Wohlfahrt und erstarrter Hemmschuh der Modernisierung galten. Auch in der Forschung gibt es keine abschließende, endgültige Bewertung ihrer historischen Bedeutung. Der zeitgenössischen Einschätzung in den Mutterländern lassen sich durchaus ähnliche Äußerungen aus der aktuellen Literatur an die Seite stellen. Für die Bewertung ihrer Rolle in Übersee lassen sich positive Aspekte ebenso auflisten wie negative. Einig ist sich die moderne Forschung mehrheitlich in den Punkten, die es zu vermeiden gilt, nämlich eine eurozentrische Perspektive und Simplifizierungen wie die Gleichsetzung von Ostindien-Kompanien und Kolonialismus. Ob in diesem Zusammenhang ein monolithisches Werturteil sinnvoll ist, darf allerdings mit Fug und Recht bezweifelt werden. Weitaus sinnvoller erscheint aus wissenschaftlicher Sicht die Frage, worin die nachhaltigste Wirkung der Ostindien-Kompanien bestand und ob diese mehr in Europa oder in

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VIII. Wegbereiter der Globalisierung – Ein Schlusswort

Asien zum Tragen kam. Die angemessenste Antwort dürfte darin bestehen, dass ihre diesbezüglich größte Bedeutung in der Verknüpfung der verschiedenen Welten liegt. Die Geschichte der Kompanien ist keine Einbahnstraße, kein Transferprozess eines singulären Machtmittels von Europa nach Asien. Die immer wieder betonte Gewaltanwendung spielte sicherlich eine gewichtige Rolle, doch das eigentliche Erfolgsgeheimnis bestand in ihren Netzwerken, in ihrer Integrationsfähigkeit und in ihrer Flexibilität im Umgang mit den vorgefundenen Gegebenheiten. Insofern bestand die Nachhaltigkeit ihrer Wirkung weniger in Unterwerfung und Ausbeutung als vielmehr in Transformationsprozessen wirtschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher Art. Bei der Betrachtung dieser Transformationen und Verflechtungen stößt man auf Elemente, die aus aktuellen Debatten erstaunlich vertraut erscheinen. Zwar wird die „Globalisierung“ nach wie vor mehrheitlich als Gegenwartsphänomen angesehen und ihr allenfalls eine sehr knapp befristete Geschichtlichkeit zugestanden, doch hat der Begriff – von seinem Missbrauch in der ideologischen Auseinandersetzung einmal abgesehen – einen sozialwissenschaftlichen Inhalt, der seine Anwendung auf historische Zusammenhänge sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig macht.108 Bei allen Unterschieden der Denkschulen herrscht doch Einigkeit über einige zentrale Elemente. Als Kern des Phänomens „Globalisierung“ wird gemeinhin die Intensivierung transkultureller Verflechtungen und Kommunikationsformen angesehen, die primär von ökonomischen Vorgaben ausgeht. Dies führt zum Bedeutungsverlust von Nationalstaaten und im Gegenzug zu einer maßgeblich gestaltenden Rolle grenzüberschreitender Wirtschaftsunternehmen. Insofern wächst die Bedeutung von Strukturen jenseits der üblichen Instrumente nationalstaatlicher Beziehungen, insbesondere von Netzwerken formaler, aber auch informeller Ausgestaltung. Allgemein konstatiert wird darüber hinaus die Auswirkung auf die Kultur bis in die kleinsten Einheiten und der Verlust von Autarkie sozialer oder kultureller Gruppen. Der an dieser Stelle notwendige Wechsel der Perspektive ist vielleicht noch kein Allgemeingut, aber für viele Sozialwissenschaftler längst elementar. Es mag paradox klingen, aber die Globalisierung war und ist ein regionales, ein lokales Phänomen – ohne Wortschöpfungen wie „Glokalisierung“ überstrapazieren zu wollen. Entscheidend ist, dem Zusammenwachsen von unten ein angemessenes Gewicht zukommen zu lassen. Die meisten lokalen Subjekte waren stets über Vernetzungen wie Handelsbeziehungen, religiösen Austausch oder auch Migration in weitläufigere Zusammenhänge eingebunden. Dies war eine Erfahrung, die auch die Kompanien immer wieder machten und die sie nach Kräften ausnutzten. Die funktionale Intensivierung und räumliche Ausweitung dieser Vernetzung stellen wesentliche Schritte hin zur Globalisierung dar; und die Kompanien waren entscheidende Akteure, die solche Schritte einleiteten. Die Ostindien-Kompanien können nicht alle Elemente für sich beanspruchen, die zur Gegenwartsdiagnose von Globalisierung gehören. So war die Zeitgleichheit moderner, weltumspannender Kommunikation zu ihrer Zeit noch nicht einmal ein Traum. Die ex-

VIII. Wegbereiter der Globalisierung – Ein Schlusswort

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Ansicht Batavias, Stahlstich um 1850.

trem langen Wege zwischen ihren Außenposten und der Zentrale wie auch zwischen den verschiedenen Märkten, auf denen sie aktiv waren, machten einschließlich der zugehörigen Kommunikationsstörungen sogar eines ihrer Wesensmerkmale aus. Auch der Finanztransfer gestaltete sich weitaus komplizierter als in der Gegenwart. Und schließlich bedeuteten viele ihrer Operationen ebenso viel Abenteuer wie kühle Planung – ein geschäftliches Vorgehen, das im Zeitalter von Internet und Satellitenkommunikation nicht mehr vorstellbar ist. Die Raum-Zeit-Kompression, die einige Autoren als definitorisches Element für Globalisierung benennen, kann für die Ostindien-Kompanien sicherlich noch nicht in Anspruch genommen werden. An ihrer Rolle auf und zwischen den Märkten ändert dies jedoch nichts, ebenso wenig wie an ihrer Funktion in der Heimat, in der sie einerseits staatlich gewollt und daher privilegiert waren, andererseits aber als sehr eigenständige Organisation mit erheblichem Einfluss auf Volkswirtschaft und Wirtschaftsverfassung auftraten. Die Einordnung in solche übergreifenden Zusammenhänge und der Verzicht auf eindimensionale Urteile lassen ihr Ende nicht ausschließlich als Scheitern erscheinen. Vielmehr haben die Ostindien-Kompanien in der Weltgeschichte auch einen Platz als Wegbereiter. Kurz- und mittelfristig waren sie Wegbereiter der Kolonialisierung weiter Teile Asiens und auch Südafrikas. Langfristig bereiteten sie durch die Transformation von Märkten, Warenströmen und Kulturen bis hin zur unumkehrbaren Bezugssetzung dieser auf überregionaler, zumindest in Ansätzen globaler Ebene das Feld für einen dauerhaften Prozess, der heute in seiner durch das Hightech-Zeitalter beschleunigten Spielart

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VIII. Wegbereiter der Globalisierung – Ein Schlusswort

eben als Globalisierung bekannt ist. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich die Frage, ob Globalisierung überhaupt eine Geschichte hat, zeigt doch auch die Geschichte der Ostindien-Kompanien, dass bereits lange vor der Hochindustrialisierung Entwicklungen existierten, die für nachhaltig wirkende Verflechtungen über nationale und kulturelle Grenzen hinweg sorgten.

Anmerkungen 1 Zitiert nach Femme S. Gaastra, Die Vereinigte Ostindische Compagnie der Niederlande. Ein Abriß ihrer Geschichte, in: Eberhard Schmitt/Thomas Schleich/Thomas Beck (Hrsg.), Kaufleute als Kolonialherren. Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki, 1600–1800, Bamberg 1988, S. 1–89, hier S. 20. 2 Reinout Vos, Gentle Janus, Merchant Prince. The VOC and the Tightrope of Diplomacy in the Malay World, 1740–1800, Leiden 1993. 3 Charles R. Boxer, Jan Compagnie in War and Peace. A Short History of the Dutch East-India Company, Hongkong 1979, S. 51. Alle englischsprachigen Zitate werden in der Übersetzung des Verfassers wiedergegeben. 4 Kirti N. Chaudhuri, The Trading World of Asia and the English East India Company, 1660– 1760, Cambridge 1978, S. 21. 5 Niels Steensgaard, The Asian Trade Revolution of the Seventeenth Century. The East India Companies and the Decline of the Caravan Trade, Chicago 1974, S. 412. 6 Periodisierung nach Jürgen Osterhammel/Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung. Dimensionen – Prozesse – Epochen, München 2003. 7 Janet L. Abu-Lughod, Before European Hegemony. The World System A.D. 1250–1350, New York, Oxford 1989, S. 251, 253. 8 Fernand Braudel, Sozialgeschichte des 15. – 18. Jahrhunderts. Bd. 3: Aufbruch zur Weltwirtschaft, München 21990, S. 21, 39, 540f. 9 Zu den Handelsebenen Jürgen G. Nagel, Der Schlüssel zu den Molukken. Makassar und die Handelsstrukturen des Malaiischen Archipels im 17. und 18. Jahrhundert. Eine exemplarische Studie, Hamburg 2003, insb. S. 31–36. 10 Eberhard Schmitt (Hrsg.), Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion. Bd. 1: Die mittelalterlichen Ursprünge der europäischen Expansion, hrsg. von Charles Verlinden, München 1986, Nr. 19, S. 109. 11 Ebd., Nr. 20, S. 111. 12 Tomé Pires, Suma Oriental. An Account of the East, from the Red Sea to Japan, Written in Malacca and India in 1512–1515, übers. und hrsg. von Amando Cortesão, London 1944, S. 212– 223. 13 Zu den rekonstruierbaren Mengen- und Preisangaben siehe David Bulbeck et al. (Hrsg.), Southeast Asian Exports since the 14th Century. Cloves, Pepper, Coffee, and Sugar, Singapore 1998. 14 Job C. van Leur, Indonesian Trade and Society. Essays in Asian Social and Economic History, Den Haag 1955. 15 Braudel, Sozialgeschichte. Bd. 2: Der Handel, S. 124. 16 Leonard J. J. Caron, Het handels- en zeerecht in de adatrechtsregelen van den rechtskring Zuid Celebes, Bussum 1937; Robert O. Winstedt/P. E. de Josselin de Jong, The Maritime Laws of Malacca, in: Journal of the Malayan Branch of the Royal Asiatic Society 29 (1956) 3, S. 22–59. 17 Levon Khachikian, Le registre d’un marchand arménien en Perse, en Inde et au Tibet (1682–1693), in: Annales E.S.C. 22 (1967), S. 231–278.

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Anmerkungen

Kirti N. Chaudhuri, Asia before Europe. Economy and Civilisation of the Indian Ocean before the Rise of Islam 1750, Cambridge 1990, S. 305f. 19 Timothy Brookes, Communications and Commerce, in: Denis Twitchett/Frederick W. Mote (Hrsg.), The Cambridge History of China. Bd. 8: The Ming Dynasty, 1368–1644, Teil 2, Cambridge 1998, S. 579–707, insb. S. 670–687. 20 Schmitt, Dokumente Bd. 1, Nr. 22, S. 117–119. Tana entspricht Asow am Asowschen Meer, das von 1270 bis 1475 genuesischer Besitz war; Sara entspricht Sarai an der Wolga; das genuesische Gewichtsmaß Kantar entspricht ungefähr 47,25 kg. 21 Frederic C. Lane, Venice and History. The Collected Papers, Baltimore 1966, S. 373–428; ders., Profits from Power. Readings in Protection Rent and Violence-Controlling Enterprises, Albany 1979. 22 J. V. Mills, Arab and Chinese Navigators in Malaysian Waters in about A. D. 1500, in: Journal of the Malayan Branch of the Royal Asiatic Society 47 (1974), S. 1–82. 23 Braudel, Sozialgeschichte. Bd. 2: Der Handel, S. 116, 122. 24 Max Weber, Die nichtlegitime Herrschaft (Typologie der Städte), in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 51980, S. 727–814. 25 Walter Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland. Eine ökonomisch-geographische Untersuchung über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen, Darmstadt 21968. 26 Knut Gustafsson, Grundlagen der Zentralitätsbestimmung dargestellt am Beispiel der Region Westküste Schleswig-Holstein, Hannover 1973, S. 11. 27 Dietmar Rothermund, Asian Emporia and European Bridgeheads, in: ders./Roderich Ptak (Hrsg.), Emporia, Commodities and Entrepreneurs in Asian Maritime Trade, c. 1400–1750, Stuttgart 1991, S. 3–8, hier S. 3. 28 Robert W. McRoberts, A Study of Growth. An Economic History of Melaka, 1400–1510, in: Journal of the Malayan Branch of the Royal Asiatic Society 64 (1991), S. 47–78; Malcolm Dunn, Kampf um Malakka. Eine wirtschaftsgeschichtliche Studie über den portugiesischen und niederländischen Kolonialismus in Südostasien, Wiesbaden 1984. 29 Schmitt, Dokumente Bd. 1, Nr. 21, S. 115f. 30 Hugo Grotius: Von der Freiheit des Meeres. Übersetzt und mit einer Einleitung, erklärenden Anmerkungen und Register versehen von Richard Boschan, Leipzig 1919, S. 24f. 31 Definition nach Wilhelm Hartung: Geschichte und Rechtstellung der Compagnien in Europa. Eine Untersuchung am Beispiel der englischen East-India Company, der niederländischen Vereenigten Oostindischen Compagnie und der preußischen Seehandlung, Bonn 2000, S. 17. 32 Definition nach dem Artikel „Börse“ von Rolf Walter in: Michael North (Hrsg.), Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 60. 33 Zahlen nach Peter G. M. Dickson, The Financial Revolution in England. A Study in Development of Public Credit, 1688–1756, London 1967, S. 249–251. 34 Theodore K. Rabb, Investment in English Overseas Enterprise, in: Economic History Review 19 (1966), S. 70–81. 35 In deutscher Sprache erstmals: Peter J. Cain/Anthony G. Hopkins, Gentleman-Kapitalismus und die britische Übersee-Expansion. Das ‚Old Colonial System‘ 1688–1850, in: Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Britische Übersee-Expansion und britisches Empire vor 1840, Bochum 1987, S. 207–256. Neuerdings grundlegend: dies., British Imperialism 1688–2000, Harlow 22002. 36 Eberhard Schmitt, Der englisch-niederländische Vertrag von 1619 über das ostindische Handelsmonopol, in: Periplus 1 (1991), S. 51–68. 18

Anmerkungen

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Zu den Reisewegen und ihrer Entwicklung siehe Uwe Granzow, Quadrant, Kompass und Chronometer. Technische Implikationen des euro-asiatischen Seehandels von 1500 bis 1800, Stuttgart 1986. 38 Das Fallbeispiel basiert auf Nagel, Schlüssel, insb. S. 167–334. 39 Dietmar Rothermund, Europa und Asien im Zeitalter des Merkantilismus, Darmstadt 1978, S. 94. 40 Larry Neal, The Dutch and English East India Companies Compared. Evidence from the Stock and Foreign Exchange Markets, in: James D. Tracy (Hrsg.), The Rise of Merchant Empires. Long-Distance Trade in the Early Modern World, 1350–1750, Cambridge 1990, S. 195–223. 41 S. P. l’Honoré Naber (Hrsg.), Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompanien 1602–1797. Bd. 2: Johann Verken, Molukkenreise 1607–1612, Den Haag 1930. 42 Ebd. Bd. 8/9: Johann Sigmund Wurffbain, Reise nach den Molukken und Vorder-Indien, 1632–1646, Den Haag 1931. 43 Detlef Haberland, Von Lemgo nach Japan. Das ungewöhnliche Leben des Engelbert Kaempfer 1651 bis 1716, Bielefeld 1990. 44 Jurrien van Goor, Jan Kompenie as Schoolmaster. Dutch Education in Ceylon 1690–1795, Groningen 1978. 45 So z. B. der EIC-Agent William Hedges im bengalischen Hugli Ende des 17. Jahrhunderts, nach John Keay, The Honourable Company. A History of the English East India Company, London 1993, S. 172f. 46 Ebd., S. 175. 47 Leonard Y. Andaya, The Heritage of Arung Palakka. A History of South Sulawesi in the Seventeenth Century, Den Haag 1981. 48 Steensgaard, Asian Trade Revolution, insb. S. 154–331. 49 Nagel, Schlüssel, S. 378–413, 705–803. 50 David K. Bassett, The ‚Amboyna Massacre‘ of 1623, in: Journal of Southeast Asian History 1 (1960), S. 1–19. 51 Sergio Aiolfi, Calicos und gedrucktes Zeug. Die Entwicklung der englischen Textilveredelung und der Tuchhandel der East India Company 1650–1750, Wiesbaden 1987, S. 402. 52 Om Prakash, European Commercial Enterprise in Pre-Colonial India, Cambridge 1998, S. 146. 53 Philip Lawson, The East India Company. A History, London 1987, S. 51. 54 Zahlen nach Chaudhuri, Trading World, S. 388. 55 Eberhard Schmitt (Hrsg.), Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion. Bd. 4: Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche, hrsg. von Piet C. Emmer u. a., München 1988, Nr. 29, S. 307–310. 56 Chaudhuri, Trading World, S. 158f. 57 A. C. Sahu, Genesis and Growth of Indo-Chinese Opium Monopoly under the East India Company, in: Journal of Indian History 57 (1979), S. 163–169. 58 Stig Förster, Die mächtigen Diener der East India Company. Ursachen und Hintergründe der britischen Expansionspolitik in Südindien, 1793–1819, Stuttgart 1992. 59 Peter J. Cain/Anthony G. Hopkins, British Imperialism. Bd. 1: Innovation and Expansion 1688–1914, London 1993. 60 Michael Mann, Bengalen im Umbruch. Die Herausbildung des britischen Kolonialstaates 1754–1793, Stuttgart 2000. 61 C. A. Davids, Navigeren in Azie. De uitwisseling van kenntnis tussen Aziaten en navigatie37

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Anmerkungen

personeel bij de voorcompagnien een de VOC, 1596–1795, in: Tijdschrift voor Zeegeschiedenis 9 (1990), S. 5–18. 62 Jeyamalar Kathirithamby-Wells, Banten. A West Indonesian Port and Polity During the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: ders./John Villiers (Hrsg.), The Southeast Asian Port and Polity. Rise and Demise, Singapore 1990, S. 107–125; Johann Talens, Het sultanat Banten en de VOC, circa 1680–1720. Nieuwe tijden, nieuwe verhoudingen, in: Elsbeth Locher-Scholten/Peter Rietbergen (Hrsg.), Hof en handel. Aziatische vorsten en de VOC 1620–1720, Leiden 2004, S. 113– 138. 63 Thomas Beck, Monopol und Genozid. Die Muskatnußproduktion auf den Banda-Inseln im 17.Jahrhundert, in: Markus A. Denzel (Hrsg.), Gewürze. Produktion, Handel und Konsum in der Frühen Neuzeit, St. Katharinen 1999, S. 71–90. 64 Eberhard Schmitt (Hrsg.), Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion. Bd. 3: Der Aufbau der Kolonialreiche, hrsg. von Matthias Meyn u.a., München 1987, Nr. 16, S. 71–80. 65 Jürgen G. Nagel, Predikanten und Ziekentrooster. Der Protestantismus in der Welt der Verenigden Ostindischen Compagnie, in: Michael Mann (Hrsg.), Europäische Aufklärung und protestantische Mission in Indien, Heidelberg 2006, S. 101–121. 66 James L. Cobban, Geographic Notes on the First Two Centuries of Djakarta, in: Journal of the Malayan Branch of the Royal Asiatic Society 44 (1971), S. 108–150. 67 Leonard Blussé, Batavia, 1619–1740. The Rise and Fall of a Chinese Colonial Town, in: Journal of Southeast Asian Studies 12 (1981), S. 159–178. 68 Gerrit J. Knaap, Shallow Waters, Rising Tide. Shipping and Trade in Java around 1775, Leiden 1996. 69 Engelbert Kaempfer, Heutiges Japan, hrsg. von Wolfgang Michel und Bernd J. Terwiel, München 2001, S. 261, 263 (sprachlich leicht angepasst). 70 Femme S. Gaastra, The Independent Fiscaals of the VOC, 1698–1719, in: Itinerario 9 (1985), S. 92–107. 71 Ingrid G. Dillo, De nadagen van de Verenigde Oostindische Compagnie, 1783–1795. Schepen en zeevarenden, Amsterdam 1992. 72 Jacob J. Steur, Herstel of ondergang. De voorstellen tot de redres van de Verenigde Oost-Indische Compagnie, 1740–1795, Utrecht 1984. 73 Prakash, Commercial Enterprise, S. 253. 74 So die Einschätzung von Om Prakash (Commercial Enterprise, insb. S. 307–309). Ganz anders das Fazit von Catherine Manning, Fortunes a Faire. The French in Asian Trade, 1719–48, Aldershot 1996. 75 Pierre H. Boulle, French Mercantilism, Commercial Companies and Colonial Profitability, in: Leonard Blussé/Femme S. Gaastra (Hrsg.), Companies and Trade. Essays on Overseas Trading Companies during the Ancien Régime, Leiden 1981, S. 97–117, hier S. 97. 76 Christian Koninckx, The First and Second Charters of the Swedish East India Company (1731–1766). A Contribution to the Maritime, Economic and Social History of North-Western Europe and its Relationships with the Far East, Kortrijk 1980, S. 51. 77 George D. Winius, Two Lusitanian Variations on a Dutch Theme. Portuguese Companies in Times of Crisis, in: Blussé/Gaastra, Companies and Trade, S. 119–134. 78 Otto Heinz Mattiesen, Die Kolonial- und Überseepolitik der kurländischen Herzöge im 17. und 18.Jahrhundert, Stuttgart 1940, insb. S. 332–368. 79 Michael Hundt, „Woraus nichts geworden“. Brandenburg-Preußens Handel mit Persien (1668–1720), Hamburg 1997. 80 Florian Schui, Prussia’s ‚Trans-Oceanic Moment‘. The Creation of the Prussian Asiatic Trade

Anmerkungen

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Company in 1750, in: Historical Journal 49 (2006), S. 143–160; Viktor Ring, Die asiatischen Handelscompagnien Friederichs des Großen, Berlin 1890. 81 Franz von Pollack-Parnau, Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775–1785. Ein Beitrag zur österreichischen Wirtschaftsgeschichte unter Maria Theresia und Joseph II., Stuttgart 1927. 82 Nagel, Schlüssel, S. 645–704. 83 Siehe z.B. Leonard Blussé, Van snaphanen en edelsteinen. Briefwisseling tussen de Hoge Regering te Batavia en het koninkrijk Siam, 1769–1809, in: Carel A. Davids et al. (Red.), Kapitaal, ondernemerschap en beleid. Studies over economie en politiek in Nederland, Europa en Azie van 1500 tot heden, Amsterdam 1996, S. 467–482. 84 V. J. H. Houben, Trade and State Formation in Central Java 17th – 19th Century, in: Gerrit J. Schutte (Hrsg.), State and Trade in the Indonesian Archipelago, Leiden 1994, S. 61–76. 85 Ronald W. Ferrier, The Armenians and the East India Company in the Seventeenth and Early Eigteenth Centuries, in: Economic History Review 26 (1973), S. 38–62. 86 Christine Dobbin, From Middlemen Minorities to Industrial Entrepreneurs. The Chinese in Java and the Parsis in Western India 1619–1939, in: Itinerario 13 (1989), S. 109–132. 87 Helius Syamsuddin, The Coming of Islam and the Role of the Malays as Middlemen on Bima, in: Gerrit J. Schutte/Heather A. Sutherland (Hrsg.), Papers of the Dutch-Indonesian Historical Conference held at Laage Vuursche,The Netherlands, June 1980, Leiden, Jakarta 1982, S. 292– 300. 88 So argumentiert für Makassar Heather A. Sutherland, Mestizos as Middlemen? Ethnicity and Access in Colonial Macassar, in: Papers of the Dutch-Indonesian Historical Conference, S. 250–277. 89 Stephan Diller, Die Dänen in Indien, Südostasien und China (1620–1845), Wiesbaden 1999, S. 120. 90 Kirti N. Chaudhuri, Proto-Industrialization. Structure of Industrial Production in Asia, European Export Trade, and Commodity Production, in: René Leboutte (Hrsg.), Proto-industrialisation. Recherches récentes et nouvelles perspectives, Genf 1996, S. 107–128; Frank Perlin, Proto-Industrialization and Pre-Colonial South Asia, in: Past and Present 98 (1983), S. 30–95. 91 Leonard Blussé, Chinese Trade to Batavia during the Days of the VOC, in: Archipel 18 (1979), S. 195–219. 92 Siehe z. B. Michael N. Pearson, Corruption and Corsairs in Sixteenth-Century Western India. A Functional Analysis, in: ders./Blair B. Kling (Hrsg.), The Age of Partnership. Europeans in Asia before Dominion, Honolulu 1979, S. 15–41; Patricia Risso, Cross-Cultural Perceptions of Piracy. Maritime Violence in the Western Indian Ocean and Persian Gulf Region during a Long Eighteenth Century, in: Journal of World History 12 (2001), S. 293–319; Arne Bialuschewski, Das Piratenproblem im 17. und 18. Jahrhundert, in: Stephan Conermann (Hrsg.), Der indische Ozean in historischer Perspektive, Hamburg 1998, S. 245–260. 93 Siehe z. B. Charles R. Boxer, Piracy in the South China Sea, in: History Today 30 (1980) 12, S. 40–44; Roderich Ptak, Piracy along the Coast of Southern India and Ming China. Comparative Notes on Two Sixteenth Century Cases, in: A. Teodoro de Matos/Luis Filipe F. Reis Thomaz (Hrsg.), As relacaos a India portuguesa, a Ásia do Sudeste e o Extremo Oriente, Macao, Lissabon 1993, S. 255–273; Rolf-Harald Wippich, Piraten, Kauffahrer und Piratenabwehr. Der Kampf gegen das chinesische „Meeresgesindel“ im 19.Jahrhundert, in: Thomas Beck u.a. (Hrsg.): Barrieren und Zugänge. Die Geschichte der europäischen Expansion; Wiesbaden 2004, S. 276–299. 94 Jacobus Noorduyn, Arung Singkang (1700–1765). How the Victory of Wadjo’ began, in: Indonesia 13 (1972), S. 61–68; Nagel, Schlüssel, S. 716f. 95 Ebd., S. 792.

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Anmerkungen

Hierzu die Forschungen von James L. Warren, z. B. The global economy and the Sulu zone. Connections, commodities, and culture, Quezon City 2000. 97 Thomas Forrest, Voyage to New Guinea and the Moluccas 1774–1776, Oxford 1969 (Orig. London 1779), S. 225. 98 Jürgen Osterhammel, Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, München 1995, S. 21. 99 Georges Balandier, Die koloniale Situation. Ein theoretischer Ansatz, in: Rudolf von Albertini (Hrsg.), Moderne Kolonialgeschichte, Köln, Berlin 1970, S. 106–124. Siehe auch Osterhammel, Kolonialismus, S. 29–32. 100 Pauline D. Milone, Indische Culture, and Its Relationship to Urban Life, in: Comparative Studies in Society and History 9 (1966/67), S. 407–426; Jean G. Taylor, The Social World of Batavia. European and Eurasian in Dutch Asia, Madison 1983; Gilberto Freyre, Herrenhaus und Sklavenhütte. Ein Bild der brasilianischen Gesellschaft, Stuttgart 1982. 101 Gerrit J. Knaap, A City of Migrants. Kota Ambon at the End of the Seventeenth Century, in: Indonesia 51 (1991), S. 105–128. 102 Zitiert nach Susan Abeyasekere, Jakarta. A History, Singapore 1987, S. 24. 103 Jürgen G. Nagel, Zwischen Kommerzialisierung und Autarkie. Sklavereisysteme des maritimen Südostasiens im Zeitalter der Ostindien-Kompanien, in: Comparativ 13 (2003) 4, S. 42–60. 104 J. F. M. Jhirad, The Khandesh Survey Riots of 1852. Government Policy and Rural Society in Western India, in: Journal of the Royal Asiatic Society 1968, S. 151–165. 105 Remco Raben, Het Asiatisch legion. Huurlingen, bondgenoten en reservisten in het geweer voor de Verenigde Oost-Indische Compagnie, in: Gerrit J. Knaap/Ger Teitler (Hrsg.), De Verenigde Oost-Indische Compagnie tussen oorlog en diplomatie, Leiden 2002, S. 181–207. 106 Michael Mann, Britische Herrschaft auf indischem Boden. Landwirtschaftliche Transformation und ökologische Destruktion, Stuttgart 1992. 107 Boulle, French Mercantilism, S. 106. 108 Grundlegend zur historischen und sozialwissenschaftlichen Dimension des Globalisierungsbegriffs siehe v.a. Osterhammel/Petersson, Globalisierung und Robert J. Holton, Making Globalization, Houndmills 2005. 96

Kommentierte Auswahlbibliografie Der abschließende Versuch, in möglichst knapper Form die grundlegende Literatur vorzustellen, kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern nur Empfehlungen aussprechen. Grundsätzlich werden nur Monografien angeführt; einige wesentliche Aufsätze wurden in den Anmerkungen bereits angesprochen, während für die Mehrheit auf die teilweise ausgezeichneten Literaturverzeichnisse der neuesten Literatur verwiesen sei. Dort findet sich auch das grundlegende Zahlenmaterial, auf dessen überbordende Präsentation im Text bewusst verzichtet wurde. Die hier zusammengestellten Standardwerke bilden zugleich die Grundlage der Ausführungen dieses Bandes und sind daher im Text nicht im Einzelnen nachgewiesen. Aufnahme haben ausschließlich Titel gefunden, die nach 1945 erschienen sind. Die Klassiker der traditionellen Kolonialgeschichtsschreibung bleiben außen vor, da sie von den reinen Fakten der Ereignisgeschichte abgesehen weitgehend überholt sind. Den materialreichsten Überblick der europäischen Expansion in deutscher Sprache bietet nach wie vor das vierbändige deutsche Standardwerk von Wolfgang Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion (Stuttgart 1983 – 90). Für den ersten Einstieg besser geeignet, wenn auch für ein breiteres Publikum eher populär, gelegentlich auch plakativ gehalten, dürften die Kurzfassung Wolfgang Reinhard, Kleine Geschichte des Kolonialismus (Stuttgart 1996) und Horst Gründer, Eine Geschichte der europäischen Expansion. Von Entdeckern und Eroberern zum Kolonialismus (Stuttgart 2003) sein. Den neuesten Forschungsstand repräsentieren die beiden grundlegenden Werke von Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus zur Globalisierung (Paderborn 2007) sowie Die Geschichte der europäischen Expansion 1500 – 1800 (Darmstadt 2011). Die von Eberhard Schmitt herausgegebenen Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion (München 1984 – 88, Wiesbaden 2003 – 08), die inzwischen sechs Bände erreicht hat, ergänzen diese Überblicksdarstellungen um einen facettenreichen Einblick in die Quellen, auch zu den Belangen der Ostindien-Kompanien. Betrachtungen der globalen Zusammenhänge greifen immer wieder auf Immanuel Wallerstein, The Modern World System (New York 1974 – 89) zurück. Dem bislang dreibändigen Werk gebührt das Verdienst, die weltwirtschaftlichen Verflechtungen im Zeitalter der Kompanien als System begriffen zu haben, doch weist es auch zahlreiche empirische und theoretische Schwächen auf. Die über Europa hinausgehenden Zusammenhänge des Mittelalters macht Janet L. Abu-Lughod, Before European Hegemony. The World System A. D. 1250 – 1350 (New York, Oxford 1989) deutlich. Fernand Braudel, Sozialgeschichte des 15. – 18. Jahrhunderts, 3 Bde (München 1985) bietet im Sinne seiner histoire total ein stimmiges Bild gerade der kommerziellen weltweiten Entwicklungen und Beziehungen. In diesen Traditionen betont André Gunder Frank, ReOrient. Global Economy in the Asian Age (Berkeley 1998) die Bedeutung der asiatischen Seite in der Entwikklung eines frühneuzeitlichen Weltsystems. Ebenfalls in der Tradition einer histoire total entfaltet den asiatischen Hintergrund des Themas wie kein zweiter Kirti N. Chaudhuri, Trade and Civilisation in the Indian Ocean. An Economic History from the Rise of Islam to 1750 (Cambridge 1985), sowie in erweiterter Form ders., Asia before Europe. Economy and Civilisation of the Indian Ocean before the Rise of Islam 1750 (Cambridge 1990). Darüber hinaus wurde das etwas betagte Werk Auguste Toussaint, History of the Indian Ocean (Chicago 1966) mittlerweile von Michael N. Pearson, The Indian Ocean (Lon-

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don 2003) und Milo Kearney, The Indian Ocean in World History (New York 2004) abgelöst, die einen enger gefassten, konziseren Überblick bieten als die epochalen Bücher Chaudhuris. In dieser Hinsicht beachtenswert ist auch René J. Barendse, The Arabian Seas 1640 – 1700 (Leiden 1998). Die Welt des asiatischen Handels unmittelbar vor und während der Präsenz der Kompanien erschließt sich sehr gut über die englische Übersetzung einer französischen Publikation (Paris 1988): Denys Lombard/Jean Aubin (Hg.), Asian Merchants and Businessmen in the Indian Ocean and the China Sea (New Delhi 2000). Der Sammelband bietet einen guten, beinahe enzyclopädischer Überblick der meisten relevanten asiatischen Kaufmannsgruppen, der sich zu Einführung ebenso wie zum Nachschlagen eignet. Eine kongeniale Ergänzung mit dem Blick auf verschiedene Diaspora-Gruppen ermöglicht Christine Dobbin, Asian Entrepreneurial Minorities. Conjoint Communities in the Making if the World Economy, 1570 – 1940 (Richmond 1996). Die grenzüberschreitenden Handelsstrukturen in der voreuropäischen Epoche präsentiert umfassend Roderich Ptak, Die maritime Seidenstraße. Küstenräume, Seefahrt und Handel in vorkolonialer Zeit (München 2007). Einen immer noch fruchtbaren systematischen Zugang zu den europäischasiatischen Beziehungen bietet Dietmar Rothermund, Europa und Asien im Zeitalter des Merkantilismus (Darmstadt 1978), oder, besser noch, die erweiterte englische Fassung ders., Asian Trade and European Expansion in the Age of Merkantilism (Delhi 1981). Bei weitem nicht nur auf Asien bezogen, aber dank seiner Perspektive und einiger seiner Fallbeispiele eine lohnende Ergänzung ist Philip D. Curtin, Cross-Cultural Trade in World History (Cambridge 1984). Für den regionalen Hintergrund in Asien sei hier nur pauschal auf die verfügbaren Handbücher hingewiesen, unter denen die jeweilige ‚Cambridge History‘ zu Indien, China, Japan und Südostasien herausragen. Besonders vielversprechend gestaltet sich die seit 1987 in thematischen Einzelbänden erscheinende ‚New Cambridge History of India‘. Zu Indien ist zudem auf Michael Mann, Geschichte Indiens vom 18. bis zum 21. Jahrhundert (Paderborn 2005), eine Überblicksdarstellung, die zwar erst mit der territorialen Expansion der EIC einsetzt, sich aber durch innovative Zugänge zur südasiatischen Geschichte auszeichnet und zahlreiche relevante Aspekte für den vorliegenden Themenkomplex anspricht. Eine wesentliche knappere allgemeine Einführung zu Studienzwecken bietet der gleiche Autor mittlerweile mit Ders., Geschichte Südasiens. 1500 bis heute (Darmstadt 2010). Der Malaiische Archipel wurde bereits gegen Ende der Kolonialzeit von niederländischen Historikern in bewusster Absetzung von traditioneller Kolonialgeschichtsschreibung und Hinwendung zu sozialwissenschaftlichen Methoden neu entdeckt, wie die posthum veröffentlichten Sammlungen Job C. van Leur, Indonesian Trade and Society. Essays in Asian Social and Economic History (Den Haag 1955) und Bertram J. O. Schrieke, Indonesian Sociological Studies. Selected Writings, 2 Bde. (Den Haag, Bandung 1955/57) zeigen. Marie A. P. Meilink-Roelofsz, Asian Trade and European Influence. The Indonesian Archipelago between 1500 and 1630 (Den Haag 1962) führt diese Ansätze mit einer lange Zeit grundlegenden Untersuchung fort. Den heutigen Maßstab für die Geschichte Südostasiens zu Beginn des europäischen Einflusses stellt die histoire totale von Anthony Reid, Southeast Asia in the Age of Commerce, 1450 – 1680, 2 Bde. (New Haven 1988/93) dar. Ein ähnlich angelegtes, etwas mehr an der politischen Geografie orientiertes Werk zu den Molukken stammt von Leonard Y. Andaya, The World of Maluku. Eastern Indonesia in the Early Modern Period (Honolulu 1993). Von zentraler Bedeutung für China über die Handbuchliteratur hinaus ist die Studie Ng Chin Keong, Trade and Society. The Amoy Network on the China Coast, 1683 – 1735 (Singapore 1983), die den für VOC so bedeutsamen Handel aus Fukien auf der Grundlage chinesischer Quellen analysiert. Hinsichtlich der japanischen Geschichte ist für die erste Phase der europäisch-japanischen Beziehungen Derek Massarella, A World Elsewhere. Europe’s Encounter with Japan in the Sixteenth and Seventeenth Centuries (New Haven 1990) von Bedeutung.

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Die englische Seite des europäischen Hintergrunds wird in der richtungsweisenden Darstellung von Peter J. Cain/Anthony G. Hopkins, British Imperialism. Bd. 1: Innovation and Expansion 1688 – 1914 (London 1993) entfaltet. Während dieses Werk den Brückenschlag von Politik und Gesellschaft zur Wirtschaft unternimmt, konzentrieren Jan de Vries/Ad van der Woude, The First Modern Economy. Success, Failure, and Perseverance of the Dutch Economy, 1500 – 1815 (Cambridge 1997) ganz auf die Wirtschaftsgeschichte der niederländischen Seite, die allerdings nirgendwo gründlicher und systematischer dargestellt ist. Den wirtschaftspolitischen Aspekten in diesem Zusammenhang widmet sich neuerdings der Sammelband Oscar Gelderblom (Hg.), The Political Economy of the Dutch Republic (Surrey 2009). Hinsichtlich des Außenhandels in diesem Zusammenhang bietet sich Jonathan I. Israel, Dutch Primacy in World Trade, 1585 – 1740 (New York 1989) an, während die Vorgeschichte der Monopolgesellschaften in den Niederlanden von Hans de Haan, Moedernegotie en grote vaart. Een studie oder de expansie van het Hollandse handelskapitaal in de 16e en 17e eeuw (Amsterdam 1977) nachgezeichnet wird. Für einen allgemeinen Einstieg in die Geschichte der Ostindien-Kompanien bietet sich der Sammelband Leonrad Blussé/Femme S. Gaastra (Hg.), Companies and Trade. Essays in Overseas Trading Companies during the Ancien Régime (Leiden 1981) an, der gute Einführung zu allen relevanten Organisationen, sowohl West- wie Ostindische Kompanien, umfasst. Längst ein Klassiker ist die vergleichend angelegte Studie Holden Furber, Rival Empires of Trade in the Orient, 1600 – 1800 (Minneapolis 1976). Eine wesentlich knappere Überblicksdarstellung des Gesamtphänomens strebt Michel Morineau, Les grandes Compagnies des Indes Orientales, XVIe – XIXe siècles (Paris 1994) an, während sich Martine Julia van Ittersum, Profit and Principle. Hugo Grotius, Natural Rights Theories and the Rise of Dutch Power in the East Indies 1595 – 1615 (Leiden 2006) den staatsrechtlichen Hintergründen widmet. Für Südasien das maßgebliche Werk stellt Band II.5 der ‘New Cambridge History of India’ dar, Om Prakash, European Commercial Enterprise in Pre-Colonial India (Cambridge 1998), das vielfach über den gesteckten geografischen Rahmen hinausgreift. Mehr als nur eine Fallstudie, nämlich seinerzeit den Grundstein einer wirtschaftsgeschichtlichen Neubewertung der Kompanien bietet Niels Steensgaard, The Asian Trade Revolution of the Seventeenth Century. The East India Companies and the Decline of the Caravan Trade (Chicago 1974). Auch wenn Steensgaards Interpretationen seither ausdifferenziert worden sind, handelt es sich doch noch immer um eine instruktive Lektüre. Einen für die Kompanien zentralen Aspekt, den Einsatz von Edelmetallen, behandelt schließlich Arthur Attman, The Bullion Flow between Europe and the East, 1000 – 1750 (Göteborg 1981). In der Heimat der beiden großen Kompanien besteht seit jeher ein großer Markt für mehr oder weniger populärer Darstellungen ihrer abenteuerlichen Geschichte. Solche ereignisgeschichtlich ausgelegten Überblickswerke sind von sehr unterschiedlichem Wert. Im Falle Großbritanniens aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert ist Philip Lawson, The East India Company. A History (London 1987). Mit Abstrichen kommen auch John Keay, The Honourable Company. A History of the English East India Company (London 1993) und Antony Wild, The East India Company. Trade and Conquest from 1600 (London 2000) in Betracht. Weitaus mehr den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Studie wird Holden Furber, John Company at Work. A Study of European Expansion in India in the Late Eighteenth Century (London 1951) gerecht; allerdings repräsentiert dieses Werk kaum mehr den aktuellen Forschungsstand. Als erster Einstieg auf aktuellem Niveau ist Désirée Marie Baumann, The English East India Company in British Colonial History, 1599 – 1833 (Essen 2007) durchaus nützlich. Einen bleibenden Wert als erste quantifizierende Untersuchung zu einer Ostindien-Kompanie hat die Studie von Kirti N. Chaudhuri, The English East India Company. A Study of an Early Joint Stock Company, 1600 – 1640 (London 1965), die als ders., The Trading World of Asia and the English East India Company, 1660 – 1760 (Cambridge 1978) zu einer fundierten Gesamtdarstellung einer wichtigen Epoche in der EIC-Geschichte

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ausgeweitet wurde. Die einzige deutschsprachige Gesamtdarstellung ist ein Studienbrief der FernUniversität in Hagen, der aber über Bibliotheken einsehbar ist und eine sehr differenzierte Sicht der Dinge vermittelt: Michael Mann, Die East India Company, 1600 – 1858 (Hagen 1993). Eine dezidiert indische Sichtweise bieten R. K. Mukherjee, The Rise and Fall of the East India Company (Berlin 1958) und, allerdings weitaus weniger brauchbar, Tripta Desai, The East India Company. A Brief Survey from 1599 – 1857 (Delhi 1984). Ein relativ neuer Sammelband führt zahlreiche Einzelaspekten zusammen und zeichnet sich dadurch aus, nicht nur die gängigen Wege zu beschreiben: H. V. Bowen/Margaret Lincoln/ Nigel Rigby (Hg.), The Worlds of the East India Company (Woodbridge 2002). Einen dieser Einzelaspekte, der gerade bei der EIC sehr komplex ausfällt, nämlich den Schiffseinsatz, behandelt Jean Sutton, Lords of the East. The East India Company and its Ships (London 2000). Für die Wirtschaftsgeschichte der EIC insgesamt grundlegend ist Sudipta Sen, Empire of Free Trade. The East India Company and the Making of the Colonial Marketplace (Philadelphia 1998). Die zentrale Bedeutung, die Bengalen für die englische Kompanie hatte, weckte vergleichsweise früh das Interesse indischer Wirtschaftshistoriker und führte zu einer Reihe grundlegender Studien. Zu nennen wären Sukumar Battacharya, The East India Company and the Economy of Bengal from 1704 to 1740 (Kalkutta 1969), Susil Chaudhuri, Trade and Commercial Organisation in Bengal 1650 – 1720. With Special Reference to the English East India Company (Kalkutta 1975) und R. S. Tripathi, Trade and Finance in the Bengal Presidency, 1793 – 1833 (Kalkutta 1979). Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Textilindustrie, die Hameeda Hossain, The Company Weavers of Bengal. The East India Company and the Organization of the Textile Production in Bengal 1750 – 1813 (Delhi 1988) anhand ihrer Arbeiterschaft untersucht, während Sergio Aiolfi, Calicos und gedrucktes Zeug. Die Entwicklung der englischen Textilveredelung und der Tuchhandel der East India Company 1650 – 1750 (Stuttgart 1987), die Wechselwirkungen zwischen England und Bengalen herausarbeitet. Mit Jeremiah P. Losty, Calcutta. City of Palaces. A Survey of the City in the Days of the East India Company, 1690 – 1858 (London 1990) hat darüber hinaus auch die indische Stadtgeschichtsforschung einen wichtigen Beitrag zur EIC-Geschichte zu bieten. Für die Koromandel-Küste hat vor allem Sinnappah Arasaratnam grundlegende Untersuchungen vorgelegt: Merchants, Companies, and Commerce on the Coromandel Coast, 1650 – 1740 (Delhi 1986) und Maritime Commerce and English Power. Southeast India, 1750 – 1800 (Aldershot 1996). Den Weg hatten andere indische Historiker bereits in den 1970er Jahren bereitet, v. a. R. N. Banerji, Economic Progress of the East India Company on the Coromandel Coast, 1702 – 1764 (Nagpur 1974). Andere indische Regionen sind bislang weitaus weniger mit auffälligen Spezialstudien bedacht worden. Für das westliche Indien ist nach wie vor Pamela Nightingale, Trade and Empire in Western India, 1784 – 1806 (London 1970) wesentlich. Noch bescheidener ist die Situation für den Malaiischen Archipel, für den in monografischer Form vor allem David K. Bassett, The Factory of the English East India Company at Bantam, 1602 – 1682 (London 1955) vorliegt. Der für die EIC so wichtige Chinahandel wurde früh von Michael Greenberg, British Trade and the Opening of China, 1800 – 1842 (Cambridge 1951) untersucht; gründlicher und wesentlich aktueller ist mittlerweile Paul van Dyke, The Canton Trade. Life and Enterprise on the China Coast, 1700 – 1845 (Hongkong 2005). Darüber hinaus werden die Aktivitäten der EIC vorrangig unter die allgemeine Erforschung des britischen Imperialismus gegenüber China subsumiert, die hier nicht vorgestellt werden kann. Immerhin fand der zentrale Teehandel mit Hoh-Cheung Mui/Lorna H. Mui, The Management of Monopoly. A Study of the English East India Company’s Conduct of Its Tea Trade (Vancouver 1984) eigenständige Beachtung. Die umfangreiche, aber recht verstreute Forschung zum Opiumhandel wurde in jüngerer Zeit von Carl A. Trocki,

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Opium, Empire and the Global Political Economy. A Study of the Asia Opium Trade, 1750 – 1950 (London 1999) in überzeugender Weise zusammengeführt. Über die indische Seite der Opiumwirtschaft gibt nun Amar Farooqi, Smuggling as Subversion. Colonialism, Indian Merchants, and the Politics of Opium, 1790 – 1843 (Oxford 2005) Auskunft. Der Übergang zum Kolonialismus zur Zeit der EIC hat hingegen umfangreiche Literatur hervorgebracht. Der Klassiker zum Thema dürfte noch immer Peter J. Marshall, The Problems of Empire. Britain and India 1757 – 1813 (London 1968) sein. Zwei grundlegende deutsche Studien widmen sich dezidiert den Ursachen des Übergangs, wobei sie unterschiedliche Schwerpunkte legen: Stig Förster, Die mächtigen Diener der East-India Company. Ursachen und Hintergründe der britischen Expansionspolitik in Südasien, 1793 – 1819 (Stuttgart 1992) und Michael Mann, Bengalen im Umbruch. Die Herausbildung des britischen Kolonialstaates, 1754 – 1793 (Stuttgart 2000). Ergänzt werden können diese Werke durch eine Untersuchung der politisch-ideologischen Gegebenheiten: Robert Travers, Ideology and Empire in Eighteenth-Century India. The British in Bengal (Cambridge 2007). Die Verbindung der wirtschaftlichen und politischen Aspekte in diesem Zusammenhang macht neuerdings H. V. Bowen, The Business of Empire. The East India Company and Imperial Britain, 1756 – 1833 (Cambridge 2005) deutlich. Die britische Elite in Indien untersucht Percival Spear, The Nabobs. A Study of the Social Life of the English in the Eighteenth Century India (Oxford 1963), während das Militär von T. A. Heathcote, The Military in British India. The Development of British Land Forces in South Asia, 1600 – 1947 (Manchester 1995) einer Gesamtschau unterzogen wird, die auch den militärischen Implikationen der EIC gerecht wird. Auch in den Niederlanden sind gerade in jüngster Zeit zahlreiche populär gehaltene, materialbzw. abbildungsreiche Bände erschienen. Erwähnenswert sind Menno Witteveen, Een onderneming van landsbelang. De oprichting van de Verenigde Oost-Indische Compagnie in 1602 (Amsterdam 2002), Els M. Jacobs, De Verenigde Oost-Indische Compagnie (Zeist 1997), ders., Koopman in Azië. De handel van de Verenigde Oost-Indische Compagnie tijdens de 18de eeuw (Zutphen 2000) und Harm Stevens, Dutch Enterprise and the VOC, 1602 – 1799 (Amsterdam 1998). Den besten Gesamtüberblick bietet immer noch Femme S. Gaastra, De geschiedenis van de VOC (Haarlem 1982); das Werk ist inzwischen in mehreren Auflagen erschienen, 2003 auch in englischer Übersetzung (Zutphen 2003) und 1988 bereits als gekürzte deutsche Fassung im Ausstellungskatalog Eberhard Schmitt/Thomas Schleich/Thomas Beck (Hg.), Kaufleute als Kolonialherren. Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki, 1600 – 1800 (Bamberg 1988), der auch als solcher eine wertvolle Fundgrube zur Geschichte der VOC ist. Die unbestrittenen Klassiker zur niederländischen Kompanie stammen aus der Feder von Charles R. Boxer: zum einen der konzise, allerdings vor allem ereignishistorische Überblick ders., Jan Compagnie in War and Peace. A Short History of the Dutch East India Company (Hongkong 1979), und in weiterer, globaler Perspective ders., The Dutch Seaborne Empire 1600 – 1800 (London 21977). Das bahnbrechende Werk zur Wirtschaftsgeschichte der VOC legte Kristof Glamann, DutchAsiatic Trade, 1620 – 1740 (Kopenhagen, Den Haag 1958) vor, der ein statistisch fundiertes Gesamtbild des differenzierten Warenaustauschs mit Asien rekonstruiert. Ergänzt wird dies durch die auf den Edelmetallhandel ausgerichtete Spezialuntersuchung Arthur Attman, Dutch Enterprise in World Bullion Trade, 1550 – 1800 (Göteborg 1983). Maßgeblich für die Finanzgeschichte der VOC ist ein Werk von 1983, das inzwischen in Englisch neu aufgelegt wurde: J. P. de Korte, The Annual Account in the Dutch East India Company (Amsterdam 2000). Das damit in engem Zusammenhang stehende Thema Börse wurde in jüngster Zeit für ein eher breiteres Publikum von Henk den Heijer, De VOC en de beurs. De Verenigde Oost-Indische Compagnie als grondlegger van de eerste aandelenbeurs (Amsterdam 2002) aufbereitet. Im Überschneidungsbereich

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von Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte bewegt sich die Erforschung der Sklaverei im Umfeld der VOC, die Kerry Ward, Networks of Empire. Forced Migration in the Dutch East India Company (Cambridge 2009) zusammenfasst. Gerade für die VOC liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor, die zu einem Verständnis der Kompanie jenseits der Wirtschaftsgeschichte beitragen. Den zentralen Bereich der diplomatischen Geschichte thematisieren grundlegend Jan A. Somers, De VOC als volkenrechtlijke actor (Deventer 2001) und in Fallbeispielen die Festschrift für Jurrien van Goor, Elsbeth LocherScholten/Peter Rietbergen (Hg.), Hof en handel. Aziatische vorsten en de VOC 1620 – 1720 (Leiden 2004). Zum lange stiefmütterlich behandelten Themenkomplex Kirche und Mission liegt nun der äußerst fundierte, vielfältige Erscheinungsformen vorstellende Sammelband Gerrit J. Schutte (Hg.), Het Indische Sion. De Gereformeerde kerk onder de Verenigde Oost-Indische Compagnie (Hilversum 2002) vor. Schon länger ist das Personal der VOC Gegenstand empirischer Forschungen. Die grundlegende, am Beispiel Bengalens erarbeitete Studie ist F. Lequin, Het personnel van de Verenigde Oost-Indische Compagnie in Azie in de achttiende eeuw. Meer in het bijzander in de vestiging Bengalen (Leiden 1982). Die zahlreichen deutschen Bedienstete nimmt auf der Grundlage der überlieferten Reiseberichte Roelof van Gelder, Het Oost-Indisch aventuur. Duitsers in dienst van de VOC (Nijmegen 1997) in den Blick, deutsch mittlerweile als Ders., Das ostindische Abenteuer. Deutsche in Diensten der Vereinigten Ostindischen Kompanie der Niederlande (VOC), 1600 – 1800 (Hamburg 2004) erschienen. In die selbe Richtung geht Peter Kirsch, Die Reise nach Batavia. Deutsche Abenteurer in Ostasien 1609 bis 1695 (Hamburg 1994), der allerdings lieber ein abenteuerliches Bild als eine quellenkritische Untersuchung liefern will. Die Schiffahrt der VOC ist in einer akribischen dreibändige Aufstellung aller Reisen der auslaufenden Flotte wie der Retourflotte dokumentiert, die um eine fundierte Einführung zur Geschichte der Kompanie ergänzt wird: Jaap R. Bruijn/ Femme S. Gaastra/Ivo Schöffer, Dutch-Asiatic Shipping in the 17th and 18th Centuries (Den Haag 1987). Für die erste Phase der niederländischen Präsenz in Asien liegt zudem eine aktuelle, ausgesprochen detaillierte Studie vor: Robert Parthesius, Dutch Ships in Tropical Waters. The Development of the Dutch East India Company (VOC) Shipping Networks in Asia 1595 – 1660 (Amsterdam 2010). Erkenntnisse der bislang eher kleinteilig betriebenen Wissenschaftsgeschichte der VOC ist in einen materialreichen Sammelband zur Kartografie eingeflossen: P. van Mil/M. Scharloo (Hg.), De VOC in de kaart gekeken. Cartografie en navigatie van de Verenigde Oostindische Compagnie 1602 – 1799 (Den Haag 1988). Eine wesentliche Bereicherung für diesen Themenbereich verspricht der Band Siegfried Huigen (Hg.), The Dutch Trading Companies as Knowledge Networks (Leiden 2010) zu werden, der bei Redaktionsschluss allerdings noch nicht erschienen war. Eine eher dokumentarische als analytische, dennoch sehr wertvolle Bearbeitung des Aspektes Navigation bietet Uwe Granzow, Quadrant, Kompass und Chronometer. Technische Implikationen des euro-asiatischen Seehandels von 1500 bis 1800 (Stuttgart 1986). Iris Bruijn, Ship’s Surgeons of the Dutch East India Company. Commerce and the Progress of Medicine in the Eighteenth Century (Amsterdam 2009) nimmt erstmals den medizinhistorischen Beitrag der VOC unter die Lupe. Die Ursachen des Untergangs der VOC unterzieht Ingrid Gracia Dillo, De nadagen van de Verenigde Oostindische Compagnie, 1783 – 1795. Schepen en zeevarenden (Amsterdam 1992) einer neuen Betrachtung. Thematisiert wurde dieser Bereich, mit größerer Betonung der Rettungsversuche, bereits von Jacob J. Steur, Herstel of ondergang. De voorstellen tot redres van de Verenigde Oost-Indische Compagnie 1740 – 1795 (Utrecht 1984). In Übersee stellt die Stadt Batavia ein zentrales Forschungsobjekt dar. Susan Abeyasekere, Jakarta. A History (Singapore 1987) bietet einen soliden Überblick über die Stadtgeschichte, der insbesondere in topografischer Hinsicht durch H. A. Breuning, Het voormalige Batavia. Een Hollandse stedestichting in de tropen. Anno 1619 (Utrecht 1981) ergänzt werden kann. Wegweisen-

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den Charakter hat Jean G. Taylor, The Social World of Batavia. European and Eurosian in Dutch Asia (Madison 1983) als Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung in der Kolonialstadt. Die dort dominante Gruppe der Chinesen wird in einem Sammelband der wichtigsten Beiträge des besten Kenners der Materie angemessen gewürdigt: Leonard Blussé, Strange Company. Chinese Settlers, Mestizo Women and the Dutch in VOC Batavia (Dordrecht 1986). Einen für die frühe Sozialgeschichte Batavias wertvollen Beitrag leistet Hendrik E. Niemeijer, Batavia. Een koloniale samenleving in de 17de eeuw (Amsterdam 2005), während Peter Harmen van der Brug, Malaria en malaise. De VOC in Batavia in de achttiende eeuw (Amsterdam 1994) eine wertvolle Alternative entwickelt, indem er die Stadtgeschichte aus umwelt- und gesundheitshistorischer Perspektive neu bewertet. Wendet man den Blick über Batavia hinaus auf den gesamten Malaiischen Archipel, bietet sich auch hier eine umfangreiche Forschungsliteratur. Zu Malakka, das ansonsten mehrheitlich als portugiesische Kolonialstadt betrachtet wird, kann auf die wichtige, theoretisch fundierte Studie Malcolm Dunn, Kampf um Malakka. Eine wirtschaftsgeschichtliche Studie über den portugiesischen und niederländischen Kolonialismus in Südostasien (Wiesbaden 1984) zurückgegriffen werden, die allerdings ausschließlich bestehende Forschungen verarbeitet. Die grundlegende Untersuchung der Eroberung des konkurrierenden Makassars stammt von Leonard Y. Andaya, The Heritage of Arung Palakka. A History of South Sulawesi in the Seventeenth Century (Den Haag 1981), die in vorbildlicher Weise niederländische und indigene Schriftquellen sowie mündliche Überlieferungen miteinander verknüpft. Mit der regionalen Rolle der Stadt vor und nach der Eroberung befasst sich Jürgen G. Nagel, Der Schlüssel zu den Molukken. Makassar und die Handelsstrukturen des Malaiischen Archipels im 17. und 18. Jahrhundert – eine exemplarische Studie (Hamburg 2003). Auf ähnlicher Materialgrundlage liegt für das 18. Jahrhundert auch Gerrit J. Knaap/Heather A. Sutherland, Monsoon Traders. Ships, Skippers and Commodities in Eighteenth Century Makassar (Leiden 2004) vor. Einen Vergleich mit der Nordküste Javas hinsichtlich des privaten, aus den Registern der VOC ermittelbaren Handels ermöglicht Gerrit J. Knaap, Shallow Waters, Rising Tide. Shipping and Trade in Java around 1775 (Leiden 1996). Aus der Feder des gleichen Autors stammt die grundlegende Untersuchung der niederländischen Festsetzung auf Ambon: ders., Kruidnagelen en christenen. De verenigde Oostindische Compagnie en de bevolking van Ambon 1656 – 1696 (Dordrecht 1987). Als Gegenstück für Banda liegt in monografischer Form mit Willard A Hanna, Indonesian Banda. Colonialism and its Aftermath in the Nutmeg Islands (Philadelphia 1978) nur ein sehr viel weiter gefasstes Werk vor. Mehrere Untersuchungen auf der Basis gründlicher Quellenarbeit liegen zur Durchsetzung der VOC im westlichen Archipel vor. Reinout Vos, Gentle Janus, Merchant Prince. The VOC and the Tightrope of Diplomacy in the Malay World, 1740 – 1800 (Leiden 1993) befasst sich vorrangig mit der Malaiischen Halbinsel, während Luc Nagtegaal, Rijden op en hollandse tijger. De nordkust van Java en de VOC, 1680 – 1743 (Utrecht 1988) aus ähnlicher Perspektive die Nordküste Javas, also die kleineren javanischen Niederlassungen außerhalb Batavias in den Blick nimmt. Maßgeblich für die Straße von Malakka ist neben Reinout Vos vor allem Dianne Lewis, Jan Compagnie in the Straits of Malacca, 1641 – 1795 (Athens 1995). Die Geschichte der VOC in Indien wird in der Literatur gelegentlich von derjenigen der EIC überstrahlt, doch liegen auch hier grundlegende Untersuchungen vor. Dem Gesamtkomplex, der gelegentliche Verallgemeinerungen notwendig macht, widmen sich George D. Winius/Marcus P. M. Vink, The Merchant-Warrior pacified. The VOC and its Changing Political Economy in India (Delhi 1991). Eine der Pionierstudien indischer Wirtschaftsgeschichte, Tapan Raychaudhuri, Jan Company in Coromandel 1605 – 1690. A Study in the Interelation of European Commerce and Traditional Economies (Den Haag 1962), konzentriert sich dagegen auf die Etablierungsphase der VOC an der Koromandel-Küste. Ebenso wichtig ist Om Prakash, The Dutch East India Compa-

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ny and the Economy of Bengal, 1630 – 1720 (Princeton 1985), eine Fallstudie zu Bengalen, die sich jedoch für die gesamte Geschichte der Kompanien in Indien als fruchtbar erwiesen hat. Einen vorrangig politikhistorischen Ansatz verfolgt dagegen die Studie zu Cochin von Hugo s’Jacob, The Rajas of Cochin 1663 – 1720. Kings, Chiefs and the Dutch East India Company (Neu Delhi 2000), die so einen wichtigen Kontrast setzen kann. Eine Gesamtdarstellung der niederländischen Geschichte auf Ceylon fehlt nach wie vor. Für das 17. Jahrhundert kann nach wie vor auf zwei ältere Spezialstudien zurückgegriffen werden. Während K. W. Goonewardena, The Foundation of Dutch Power in Ceylon, 1638 – 1658 (Amsterdam 1958) die Anfänge der niederländischen Expansionspolitik auf die Zimtinsel vorstellt, analysiert Sinnappah Arasaratnam, Dutch Power in Ceylon, 1685 – 1687 (Amsterdam 1958) für einen eng gewählten Zeitraum die Strukturen niederländischer Machtausübung nach erfolgter Etablierung. Die neueste Forschung befasst sich vor allem mit dem 18. Jahrhundert. Albert van den Berg, Het VOC-bedrijf op Ceylon. Een voorname vestiging van de Oost-Indische Compagnie in de 18de eeuw (Zutphen 2008) thematisiert die politische, Nirmal R. Dewasiri, The Adaptable Peasant. Agrarian Society in Western Sri Lanka under Dutch Rule, 1740 – 1800 (Leiden 2008) sozioökonomische Seite der niederländischen Dominanz. Dahingegen konzentriert sich Alicia Schrikker, Dutch and British Colonial Intervention in Sri Lanka, 1780 – 1815. Expansion and Reform (Leiden 2007) auf das Ende dieser Epoche auf Sri Lanka. Den vielschichtigen Chinahandel untersucht John E. Wills jr., Pepper, Guns and Parleys. The Dutch East India Company and China, 1622 – 1681 (Cambridge/Mass. 1976) für die Hochphase des VOC-Handels; eine gleichrangige Studie zur Situation der VOC im Kanton-System steht noch aus, obwohl mit Liu Yong, The Dutch East India Company’s Tea Trade with China, 1757 – 1781 (Leiden 2008) mittlerweile zumindest der Teehandel eingehender beleuchtet wurde. Das kurzlebige, aber durchaus einflussreiche Gastspiel der VOC auf Taiwan behandelt Chui Hsin-hui, The Colonial ‘Civilizing Process’ in Dutch Formosa, 1624 – 1662 (Leiden 2008). Grundlegend für die niederländische Präsenz in Japan sind zwei klassische Autoren. Charles R. Boxer, Jan Company in Japan, 1600 – 1817 (Den Haag 1950) gibt einen über weite Strecken immer noch gültigen Überblick, der von der ebenfalls schon älteren (Erstveröffentlichung 1967), aber mehrfach neu aufgelegten Publikation von Grant K. Goodman, Japan and the Dutch, 1600 – 1853 (Richmond 2000) wesentlich vertieft wird. Randbereiche in der Welt der VOC haben schließlich in jüngerer Zeit Cornelis G. Brouwer, Dutch Yemeni Encounters. Activities of the United East India Company (VOC) in South Arabian Waters since 1614 (Amsterdam 1999), Wil O. Dijk, 17th Century Burma and the Dutch East India Company, 1634 – 1680 (Kopenhagen 2005) und Hoang Anh Tuan, Silk for Silver. The Dutch-Vietnamese Relations, 1637 – 1700 (Leiden 2008) in den Blick gerückt. Die Literaturlage zu den kleineren Ostindien-Kompanien erweist sich als relativ überschaubar und besteht zu großen Teilen aus recht verstreut publizierten Aufsätzen. Das grundlegende Werk zur französischen Kompanie ist die vierbändige Habilitationsschrift Philippe Haudrère, La compagnie francaise des Indes au XVIIIe siècle (1719 – 1795), 4 Bde. (Paris 1989). Maßgeblich und auf dem neuesten Stand der Forschung sind darüber hinaus Catherine Manning, Fortunes à Faire. The French in Asian Trade, 1719 – 1748 (Brookfield 1996), Glen J. Ames, Colbert, Mercantilism, and the French Quest for Asian Trade (De Kalb 1996) und Aniruddha Ray, The Merchant and the State. The French in India, 1666 – 1739, 2 Bde. (New Delhi 2004), die allerdings jeweils einen engen thematischen oder zeitlichen Rahmen abstecken. Das klassische Werk für die dänischen Kompanien ist Ole Feldbaek, India Trade under the Danish Flag 1772 – 1808. European Enterprise and Anglo-Indian Remittance and Trade (Lund 1969). In jüngerer Zeit war es vor allem die deutsche Geschichtsforschung, die sich diesem Thema widmete und mit Martin Krieger, Kaufleute, Seeräuber und Diplomaten. Der dänische Handel auf dem Indischen Ozean, 1620 – 1868 (Köln 1998) und Stephan Diller, Die Dänen in Indien, Südostasien und China, 1620 – 1845

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(Wiesbaden 1999) zwei Referenzwerke der Zukunft hervorgebracht hat. Die Geschichte der schwedischen Kompanien kann sich im wesentlichen nur auf einen etwas älteren Band von Christian Konickx, The First and Second Charters of the Swedish East India Company, 1731 – 1766 (Coutrai 1980) stützen. Ebenso singulär ist die monografische Publikation zur Kompanie von Ostende: Eduard J. Baels, De Generale Keizerlijke en Koninklijke Indische Compagnie gevestigd in de Oostenrijkse Nederlanden, genaamd de Oostendse Compagnie (Oostende 1972). In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten wurde die angeführte Grundlagenliteratur um eine Vielzahl von Einzelstudien ergänzt, die hier nicht detailliert angesprochen werden können. Ebenso auffällig wie erfreulich ist die Tatsache, dass diese Literatur in ihrer Mehrheit den Focus auf die regionalen Entwicklungen in Asien richtet. Es steht also zu erwarten, dass die Geschichte der Ostindien-Kompanien als immer differenzierteres Bild gezeichnet werden wird, wozu auch der vorliegende Band nur einen ersten Einstieg anbieten kann.

Personenregister Abbas I. (Persien) 65, 88 Abu-Lughod, Janet L. 11–12 Arung Palakka 64 Arung Singkang 161 Aurangzeb (Mogul) 80–81, 146

Frederik I. (Schweden) 138 Freyre, Gilberto 165 Friedrich der Große (Preußen) 141–142 Friedrich I. (Preußen) 141 Friedrich Wilhelm I. (Brandenburg) 141

Balandier, Georges 164–165 Barents, Willem 100 Best, Thomas 76 Beuningen, Coenraad van 7 Beuningen, Gerrit van 101 Blussé, Leonard 166 Bolts, Wilhelm 142 Both, Pieter 105 Boxer, Charles R. 7 Brand, Max 141 Braudel, Fernand 12

Gama, Vasco da 31 Goens, Rijcklof van 110 Grotius, Hugo 38–39

Cain, Peter J. 91 Campbell, Colin und Hugh 139 Charles II. 80 Chaudhuri, Kirti N. 7, 86 Cheng Ch’ing Kung siehe Coxinga Child, Josiah 81 Christaller, Walter 33–34 Christian IV. (Dänemark) 131, 132 Christian VI. (Dänemark) 133 Clive, Robert 93, 95 Coen, Jan Pieterszoon 50, 104–105, 106–107, 108, 109 Colbert, Jean Baptist 127, 128 Cornwallis, Charles 94 Coxinga 109, 161 Daendels, Willem 126 Diemen, Antonio van 109 Dupleix, Joseph François 92–93, 130 Elisabeth I. (England) 39 Forrest, Thomas 163 Förster, Stig 91

Haghen, Steven van der 103, 110 Haider Ali 60, 94 Hastings, Warren 95–96 Hopkins, Anthony G. 91 Houtman, Cornelis de 101 Hume, Alexander 136–137 Jahangir (Mogul) 62, 72, 74, 76 Jakob von Kurland 141 James I. (England) 62 Joseph II. (Österreich) 142 Kaempfer, Engelbert 58, 117–119 Karl VI. (Österreich) 136 Katharina von Braganza 80 Lane, Frederick C. 30 Law, John 129 Lawson, Philip 81 Leur, Job C. van 21 Lin Zexu 88 Linschoten, Jan Huygen van 100, 101 Ludwig XIV. (Frankreich) 127, 130 Mahé de la Bouronnais, Bertrand François 130 Mann, Michael 91 Matelief, Cornelis 104 Mauritz, Prinz (Niederlande) 101 Milone, Pauline 165 Neck, Jacob Cornelis van 101, 102

198 Pegolotti, Balducci 28–29 Pires, Tomé 17–18, 19 Pitt, William d. J. 83 Plancius, Petrus 100, 101 Poivre, Pierre 19 Polo, Marco 7, 14, 35, 140 Prakahs, Om 79 Raffles, Thomas Stamford 97, 166 Roe, Thomas 62, 74 Rothermund, Dietmar 34, 54 Selden, John 39 Sinha II. (Kandy) 109

Personenregister Steensgaard, Niels 7, 21–22, 70, 177 Taylor, Jean G. 165 Tipu Sultan 60, 94 Valentijn, François 166 Verken, Johann 57 Vos, Reinout 7 Warwijck, Wybrand van 101 Weber, Max 32–33 Wellesley, Richard 94–95 William III. (England) 81–82 Wurffbain, Johann Sigmund 57

Sachregister Abessinier (Kaufleute) 22 accord 72–73, 76 agar-agar 157 Agency Houses 156 Aktien 42–46 Alaun 26, 84 Amboina-Massaker 73–74, 106 Araber (Kaufleute) 22 Arbeitsmärkte 29, 55–56, 57, 89, 166–167, 174, 175–176 Armenier (Kaufleute) 22, 24, 151 Arrak 109, 115 Asiatisk Kompagni siehe Dänische OstindienKompanie Assada Company 155 Banque Royal 129 Banyas siehe Gujaratis Batik 16 Baumwolle 16, 25, 77, 84, 87, 91, 129, 139, 172 Bengalen-Krieg 93–94 Betel 21 Board of Control 49 Börse 42–45, 129 Brandenburgisch-Ostindische Kompanie 141 Bugis 24, 64, 89, 150, 158–159, 161–162, 170, 171 cartaz siehe Passsystem cash crops 16, 91, 96, 171 Charter (Dänemark) 131, 133 Charter (EIC) 39–41, 43–45, 98, 155 Charter (Ostende) 136, 138 Charter (Schweden) 139 Chettiars 24, 158 Chili 21 Chinesen (in der Diaspora) 24, 27, 34, 68, 104, 105, 114–115, 150, 158, 166–168, 174 Chinesen-Massaker 166–167, 170 Chulia 24

clandestine trade siehe Schmuggel Colbertismus 127 Communication Act 83 Compagnia Genovese delle Indie Orientali 140–141 Compagnie de Chine 128 Compagnie des Indes 8, 39–40, 46, 65, 86, 88, 92–93, 123, 127–131, 146, 156 Compagnie van Ostende 39, 51, 83, 136–138, 139, 142 Compagnie van Verre 101, 102 Companhia da India Oriental 140 country trade 13, 54–55, 59–60, 67, 70, 77, 83, 90, 108, 112, 119, 124, 135, 137, 140, 155– 156, 160 Court of Committees 49 dalal 78, 153 Dänische Ostindien-Kompanie 39, 65, 131– 136, 153 Deutsche 56, 57 Diaspora 22–24, 89, 103–104, 150, 151–152, 171, 174 Diplomatie 61–63, 64, 144–146 Direktoren 47–51, 81–82, 92, 117, 122, 131, 133 diwan 69, 94, 148 Edelhölzer 14, 158 Edelmetalle 69–70, 82, 86, 108, 112–113, 116, 117, 124, 138, 145 EIC (East India Company) 7–8, 37, 39–42, 48–49, 50, 51, 52–55, 55, 59–60, 60–63, 64–66, 68–70, 71–99, 100, 101, 104, 106, 110, 111, 121, 122, 123, 124, 125, 129, 132, 133, 134, 136, 137, 138, 140, 142, 146–149, 150, 151, 154–156, 164, 168–170, 171, 173–174 Elfenbein 129 Emporium 27, 34, 35–36

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Sachregister

Estado da India 8, 14, 17, 19, 28, 37, 64, 68, 74, 76, 100, 103, 105, 108, 109–110, 111–112, 140, 156, 164 exstirpatien 67, 106 Faktoreien 53–55, 63–64, 68–69, 79–80 Farbstoffe 158 farman 76, 77, 110, 111 Finanzmärkte 23, 24, 46–47, 82, 120, 122–123, 129, 152, 158 freemen siehe Freibürger Freibürger 59–60, 161–162 Gambier 89 Generalgouverneur (EIC) 94–96, 98 Generalgouverneur (VOC) 50, 105, 109, 126 Gentlemen-Kapitalisten 44 gentry 44 Getreide 15, 108 Gewürzhandel 17–19, 27–28, 40–41, 54, 63– 65, 70, 75, 101–102, 104, 106–107, 112, 116, 117, 123, 127, 135, 139, 144, 158, 172 Gewürznelken 14, 17–21, 28, 54, 63–64, 106 Globalisierung 8, 177–179 Gold 14, 17, 108, 113, 117, 129 Government of India Act 98 Great Mutiny 98–99, 169–170 Gujaratis (Kaufleute) 22, 24, 34, 151–152 Hadrami (Kaufleute) 24, 158 Hafenmeister siehe syahbandar Handelsdiaspora siehe Diaspora Heren XVII 47–48, 51, 110, 113, 122, 125, 126 Hohe Regierung siehe Rad van Indië Hong-Kaufleute 66, 84 independent fiscaal 124–125 India Act 98 Indigo 16, 119, 172 Indische Culture 114, 166 Indisierung 26 Industrialisierung 96, 131, 174 Ingwer 111 interloper 42, 59–60, 68, 90, 155–156, 159 Islam 28, 145

Javaner (Kaufleute) 25, 105 joint stock 42–46, 79, 81, 131, 156 Juden 23 Kaffee 21, 89, 112, 116, 123, 129, 172–173 Kammern (VOC) 47–48, 54–55, 123 Kampfer 108 Kanton-System 66, 84–86, 117, 135, 137–138 Kapitalmarkt siehe Finanzmärkte Karawanenhandel 10, 13, 22–23, 28–30, 157, 171 Karnataka-Kriege 93, 130 Kaufmannsdiaspora siehe Diaspora Kautschuk 89, 172 Keramik 16, 17, 115, 145 Kolonialismus 69, 80, 107, 120–121, 126, 146– 149, 163, 164–170, 172–173, 177 Konfuzianismus 27, 28 Königlich-Preußische Asiatische Compagnie 141–142 Korruption 124–125 krijstochten 67 Kupfer 84, 108 Lackwaren 108, 129 Landadel siehe gentry Landwirtschaft 15–16, 17–19, 25–26, 91, 96, 168–169, 172–173 Leinen 77 Levant Company 71 Lotsen 31 Makassaren 24, 150 Malaiien (Kaufleute) 68, 105, 116, 152 Marathen 94, 95, 148 mardijker 168, 170 Mazis 17, 28 men on the spot 51, 63, 69, 91, 94, 96, 97, 129 Merkantilismus 37–39 Mestizen 60, 114, 152–153, 156, 164 Metallwaren 25, 116, 139 Militär 55, 56–57, 61, 92–93, 97, 98–99, 106, 112, 146, 163–164, 169–170 Minangkabau 25 Ming-Dynastie 9, 16, 26–27, 65, 109, 160 Mission 58–59, 108, 110, 120 Mittelsleute 66, 78, 150–154

Sachregister Mogul 9, 62, 74, 76, 80–81, 94, 111, 146–148, 159, 169 Monopol 40–41, 65, 66, 67, 68–70, 81, 83–84, 92, 98, 104, 105, 127, 129, 154, 171 Monsun 10, 11 Münzrecht 81 Muscovy Company 71 Muskat 14, 17, 28, 54, 107 Mysore-Kriege 94, 135 Navigation 71 Navigation Acts 75 New Company 82, 155 Nieuwe Brabantse Compagnie 101 Nomaden 15, 16, 30 Ökologie 173 Oktroi (Österreich) 142 Oktroi (VOC) 40–41, 102, 122 Opium 21, 86–88, 89, 91, 172–173, 176 Opium-Krieg 60, 61, 62, 65, 88, 92, 97, 160, 176 orientalische Produktionsweise 25 Ostindisk Kompagni siehe Dänische Ostindien-Kompanie Oude Compagnie 101, 102 Papier 82 Papua 160 Parsen (Kaufleute) 151 Passsystem 64, 74, 112 pedlars 21–22, 159 perckeniers 107 permanent settlement 94, 168 Perser (Kaufleute) 22 Personal 55–60, 90, 124–125, 155–156, 161– 162 Pfeffer 14, 17, 28, 30, 66, 71, 89, 104, 110, 111– 112, 116, 129, 132, 135, 145, 150 Piraterie 31, 109, 149–150, 159–163 Plantagenwirtschaft 89–90, 112, 116, 173, 175– 176 Portugiesen siehe Estado da India Porzellan 16, 25, 84, 115, 129, 138, 139 Preußische Bengalen-Kompanie 142 Privathandel 42, 59–60, 68, 82, 90, 115, 133, 138, 155–156, 159

201

Privilegien 39–42, 68, 71, 76, 77, 81, 104, 110, 111, 112, 130–131 protection costs 30 Quecksilber 84 Quing-Dynastie 160 Rad van Indië 50, 105, 113 rangaku 119 regulated company 127 Regulations Act 98 Reis 15 residency system 51, 96, 121 Retourflotte 115–116 Salpeter 88, 93, 119, 135 Salz 15, 26, 82 Sandelholz 14 Satin 138 Schiffbau 31–32, 173 Schiffseigner (shipping interests) 44–45 Schiffstypen 31–32, 53, 60, 135, 162–163 Schmuggel 59, 67, 139, 149–150, 158–159 Schwedische Ostindien-Kompanie 39, 51, 138–140 Seenomaden 30, 162 Seide 16, 25, 88–89, 108, 111, 112, 115, 116, 117, 129, 138 Seidenstraße 28–30, 31, 35, 171 Seidenstraße der Meere 28, 30 Sepoy-Aufstand siehe Great Mutiny Sikhs 97, 170 Silber 17, 86, 108, 113, 117, 135 Sinisierung 26 Sklaven 17, 23, 107, 120, 128, 129, 161, 162, 167–168 sluijkerhandel siehe Schmuggel Spanier 17, 37, 105, 108 Spanischer Erbfolgekrieg 92, 128, 129, 138 Städte 22, 32–36, 79–80, 113–114, 120–121, 165–166, 173–174 Steuern 69, 77, 81, 82, 94, 98, 146–148, 168– 169, 172–173 syahbandar (Hafenmeister) 24, 34, 104, 161 Tabak 21, 129, 172–173 Tang-Dynastie 84

202

Sachregister

Tee 26, 27, 30, 66, 83–84, 115, 116, 117, 123, 129, 137–138, 139, 172–173, 175 Textilhandel 16, 64, 77, 82–83, 88–89, 91, 110, 112, 116, 117, 119, 123, 124, 127, 130, 137, 153, 158 Textilproduktion 16, 25, 77–79, 96, 130, 153, 173–174 Tordesillas, Vertrag von 39 trepang (Seegurke) 157 Türken (Kaufleute) 22 Tutenag 84

47, 47–48, 50–51, 52–55, 55–60, 60–61, 63– 65, 66–67, 68–70, 72–74, 75, 76, 83, 86, 88, 89, 90, 97, 100–126, 129–130, 135, 138, 139, 140, 144, 145, 149–150, 151–153, 155–156, 158–159, 161–162, 164, 165–168, 170, 171, 173, 176 Vorkompanien 100–103, 105 vrijburgher siehe Freibürger

United Company 82 Urbanisierung siehe Städte

zamindar 94, 168 Zentralität 34–35, 79–80 Zeugdruckerei 77 Zimt 19, 64, 109, 110 Zink 89 Zoll 77, 81, 82, 84, 98, 110–111, 124 Zucker 16, 21, 115, 166–167, 172

Verenigde Compagnie tot Amsterdam 101, 102 Verenigde Zeeuwse Compagnie 102 Vertrag von Nanking 97 VOC (Vereinigte Ostindische Kompanie der Niederlande) 7, 24–25, 37, 39–42, 43, 45–

Waffenhandel 135 Weltsystem 12

Ortsregister Aceh 71, 74, 107, 135 Agra 24, 62, 76, 111 Ägypten 19 Ahmedabad 76, 111 Aleppo 29 Ambon 50, 54, 73–74, 101, 103, 106, 170 Amoy 109, 115, 158 Amsterdam 42, 47–48, 56, 101, 102, 113, 115, 117 Andamanen 150 Antwerpen 28, 42, 136, 138, 142 Arabische Halbinsel 37, 50, 75, 79, 112, 116, 137, 173 Assada 155 Assam 84 Bagdad 29 Balasore 128 Bali 16, 17 Banda 17, 50, 54, 57, 60, 101, 106–107, 121, 149 Bandar Abbas 10, 58, 88, 112 Banjarmasin 30, 66, 145, 150 Bankibazar 137, 138 Banten 50, 60, 71, 72, 101, 103–104, 106, 107, 135 Batavia 10, 50, 51, 53, 60, 66, 97, 104–105, 109, 110, 113–116, 117, 122–123, 126, 139, 156, 165–167, 170 Belasore 77, 135, 137 Benares 95 Bengalen 31, 34, 65, 66, 69, 77, 81, 82, 86, 87, 88, 93–94, 95, 111, 117, 119–120, 125, 128, 130, 134–135, 136–137, 138, 139, 148, 168 Bengkulu 75, 97 Bihar 86 Bijapur 111 Bombay 79, 80, 173 Boné 121, 161 Borneo 17, 30, 66, 75, 145, 161

Borobudur 97 Brandenburg 141 Brügge 42 Brunei 30 Buchara 29 Burhanpur 76, 111 Burma 97 Buton 161 Cádiz 86 Çaitun siehe Quanzhou Cambay 111, 142 Ceylon 19, 50, 51, 58, 64, 69, 108, 109–110, 112, 115, 120, 128, 131, 135, 173 Chandernagore 128, 130, 135, 137 China 9, 12, 14, 16, 17, 21, 26–27, 28–29, 30, 32, 34, 35, 37, 51, 54, 60, 62–63, 65–66, 69, 74, 75, 83–88, 97, 107, 108–109, 114–115, 117, 128, 129, 130, 131, 133, 135, 137–138, 139. 141, 142, 145, 150, 153, 158, 160, 173, 174–176 Chinesisches Meer 10, 74, 160 Chittagong 159 Cochin 10, 17, 77 Colombo 50, 109, 110 Damaskus 30 Dänemark 39, 131–136 Delago-Bay 142 Delhi 62, 146, 147 Deshima 51, 58, 66, 108, 117–119, 126, 153 Diu 10 Edo 63, 66, 119 Emden 141 England 39–42, 42–45, 47–48, 75, 77, 81–84, 92, 98, 154–155 Frankreich 39–40, 46, 127–131 Fukien 9, 24, 109

204

Ortsregister

Galle 109, 100 Gent 136 Genua 140–141 Goa 10, 76, 100, 112 Golconda 110 Göteborg 139, 140 Gresik 16 Gujarat 81, 111, 119, 120 Haiderabad 81 Halmahera 19 Hirado 108 Hongkong 97, 160 Hormuz 10, 65, 88 Hugli 65, 77, 111, 117, 137 Indien 8, 9, 12, 16, 17, 23, 27–28, 30, 32, 34, 35, 50, 54, 57, 60, 62, 65, 69, 74, 75, 76–81, 87, 88, 91, 92–96, 98–99, 107, 110–112, 116, 119–120, 128–129, 130, 131, 133, 134–135, 136, 139, 142, 146–149, 150, 151, 153, 154, 163, 168–170, 173–174 Indochina 34 Indus-Delta 10, 97 Isfahan 24, 88 Italien 140–141 Jaffnapatnam 109 Japan 9, 17, 32, 35, 37, 50, 54, 63, 66, 69, 74, 107–108, 109, 111, 112, 116, 117–119, 124, 126, 144, 145, 150, 153, 160, 176 Japara 135 Java 10, 16, 50, 97, 109, 115, 121, 126, 141, 149, 165–168, 170, 173 Jayakatra siehe Batavia Jemen 24 Jidda 137 Johor 61, 74, 97, 107 Kairo 23 Kalikut 10, 111, 135 Kalkutta 51, 79, 80, 81, 93, 95, 98, 174 Kanara-Küste 111–112 Kandy 109, 110 Kanton 30, 51, 66, 75, 84–86, 88, 117, 123, 128, 135, 137–138, 139, 141, 158, 174 Kap der Guten Hoffnung siehe Kapkolonie Kap Komorin 12

Kapkolonie 37, 50, 120 Kasimbarar 77, 128 Katmandu 24 Koromandel-Küste 50, 76, 82, 110–111, 120, 125, 130, 131–132, 134, 135, 155 Kovilam 136 Kurland 141 Kyoto 23, 119 Lanzhou 29 Levante 19, 30 Lhasa 24 London 42, 44, 47–48 Macau 74, 108, 160 Madagaskar 120, 128, 155, 159 Madras 51, 76, 77, 79, 81, 93, 136, 168, 173 Mahé 129, 130 Majapahit 9 Makassar 9, 50, 52, 54, 60, 61, 62, 63–64, 66– 67, 68–69, 103, 107, 115, 121, 135, 156, 161, 170 Makian 18 Malabar-Küste 10, 76–77, 109, 111–112, 130, 132, 134, 135 Malaiischer Archipel 7, 9, 10–11, 17, 24–25, 34, 35, 37, 54, 60, 65, 73–74, 75, 76, 79, 89– 90, 97, 101, 103–108, 109, 112, 113, 115, 116, 120, 123, 135, 145, 149–150, 151–152, 158–159, 160, 162, 173 Malakka 16, 17, 22, 24, 31, 34, 60, 61, 103, 107, 112, 125 Malakka, Straße von 37, 89, 112, 160 Malda 77, 111 Manila 74, 108, 135 Maskat 10 Masulipatnam 76, 77, 134, 135 Mataram 121, 149 Mauritius 130 Middelburg 48, 101, 102 Mokka 10, 112, 129, 137 Molukken 9, 17–21, 50, 54, 57, 101, 105–107, 121, 149, 160, 170 Moskau 141 Murshidabad 136 Mysore 60, 94, 148, 168

Ortsregister Nagasaki 51, 58, 66, 108, 117–119, 153 Negapatam 50 Neuguinea 160 Niederlande (Habsburger) 39, 136–138 Niederlande (Republik) 39–42, 45–47, 47–48, 55–56, 75, 97, 100–102, 116, 117, 122–126, 141, 154 Nikobaren 136, 142 Nowaja Semlja 100 Oman, Golf von 10 Onrust 53, 113 Orissa 111 Osaka 119 Ostafrika 12, 17, 142 Ostende 136 Österreich 142 Pasir 161 Patna 24, 77, 88, 128 Peking 63, 86 Penang 89 Persien 9, 24, 29, 58, 65, 79, 88–89, 112–113, 116, 117, 135, 141, 176 Persischer Golf 10, 31, 37, 50, 75, 79, 112 Pescadores 108, 150 Philippinen 74, 108, 135, 150 Pondicherry 65, 93, 127–128, 130, 134 Pulicat 76, 110 Quanzhou (Zaitum, Çaitun) 14 Quinsai (Hang-Tschou) 35 Rotes Meer 31, 72 Rotterdam 101 Russland 71, 141 Samarkand 29 Schiras 24 Schweden 39, 138–140 Seeland 47–48

205

Semarang 50, 170 Serampore 134 Siam siehe Thailand Sind siehe Indus-Delta Singapore 10, 89, 97 Srirangapatna 94 Srivijaya 9, 19 St. Malo 128 Sukadana 30 Sukhotai 16 Sulawesi 24, 52, 63–64, 101, 121, 160, 161–162 Sulu 150, 160, 162 Sumatra 10, 14, 17, 71, 75 Sumbawa 16 Sunda-Inseln 152 Sunda-Straße 10 Surat 24, 72, 76, 79, 111, 117, 125, 128, 139, 142, 159 Taiwan 64–65, 108, 109 Ternate 9, 18, 50, 54, 101, 106, 121, 149 Texel 48, 108 Thailand 16, 89, 145–146 Tidore 18, 54, 106, 121, 149 Tokio siehe Edo Tongking 128 Tranquebar 65, 131–132, 133, 134, 136, 141 Triest 142 Trincomalee 128 Tukangbesis 150 Veere 101 Venedig 28 Vengurla 111 Vietnam 128 Walcherem 101 Xiamen siehe Amoy Zaitum siehe Quanzhou Zeelandia 64–65, 108, 109