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German Pages 334 [336] Year 2015
Heritage Studies
Heritage Studies
Editor Marie-Theres Albert Advisory Editorial Board: Christina Cameron, University of Montréal/Canada, Claire Cave, University College Dublin/Ireland, Magdalena Droste, Brandenburgische Technische Universität Cottbus/Germany, Jennifer Harris, Curtin University, Perth/Australia, Ana Pereira Roders, Eindhoven University of Technology/The Netherlands, Birgitta Ringbeck, Federal Foreign Office of Germany/Germany, Helaine Silverman, University of Illinois at Urbana-Champaign/USA, Jutta Ströter-Bender, University of Paderborn/Germany
Volume 2
Marie-Theres Albert, Birgitta Ringbeck
40 Jahre Welterbekonvention
Zur Popularisierung eines Schutzkonzeptes für Kultur- und Naturgüter
Weitere Informationen unter: http://www.tu-cottbus.de/interkulturalitaet http://www.tu-cottbus.de/gradschool/heritage-studies
ISBN 978-3-11-031237-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-031245-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038314-0 ISSN 2196-0275 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 Walter De Gruyter GmbH Berlin/München/Boston Einbandabbildung: © Hans-Joachim Aubert, 2000 Redaktion: Stefan Simon Satz: LVD Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Eine Publikation über das 40-jährige Erfolgsmodell der Welterbekonvention war unseres Erachtens schon lange überfällig. Insofern waren die Veranstaltungen, die im Kontext der Würdigung dieser Konvention im Jahr 2012 weltweit durchgeführt wurden, Anlass und Motiv, diese Publikation fertigzustellen, konnten wir doch auf viele vorausgehend gehaltene Vorträge, aber auch Teilveröffentlichungen zurückgreifen. Das ist auch der Anlass für dieses Vorwort. Die Publikation 40 Jahre Welterbekonvention – Zur Popularisierung eines Schutzkonzeptes für Kultur- und Naturgüter greift eine Vielzahl unserer in den vielen Jahren der Arbeit im Kontext der Welterbekonvention publizierten Fach- und Sachartikel auf und entwickelt sie weiter. Die Diskussion zum Thema Popularisierung kann deshalb auch als eine Reflexion bisheriger Einschätzungen gelten. Ausformuliert in sieben Kapiteln werden diese Einschätzungen in der Einleitung zusammengefasst und im Kapitel 2 auf der Grundlage dessen, was als Welterbe anerkannt ist, erläutert. Welterbe ist einerseits ein inzwischen bekanntes Gut. Es ist aber andererseits ein auf internationalen Regularien und Richtlinien beruhendes Konstrukt. Welterbe besteht nicht per se, sondern wird durch Begründungs- und Bedingungskriterien, die durch die Welterbekonvention festgelegt sind, dazu gemacht. Konstrukte und die sie begründenden Kriterien sind gesellschaftlichen Entwicklungen ausgesetzt. Das betrifft auch das Welterbe. Deshalb war es uns wichtig, einige der das Welterbe prägenden Entwicklungen aufzuzeigen. Diese haben wir im 3. Kapitel dargelegt. Unterschiedliche Betrachtungen von Welterbe finden sich im Kapitel Welterbediskurse. Hier ging es uns darum, die vielfältigen Bedeutungen, die Welterbe für ein breites Spektrum an Akteuren besitzt, zu erörtern. In diesem Kapitel ging es uns auch darum, den Kreis der bisher mit Welterbe befassten Experten um Laien sowie um Akteure aus nicht-Welterbespezifischen Fachrichtungen zu er weitern. Kapitel 5 ist in gewisser Weise eine Fortsetzung des Kapitels Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit. War das Kapitel 3 als Darstellung vieler sich mit dem Thema Kultur- und Naturgüterschutz befassenden nationalen und internationalen Organisationen zu verstehen, so werden im Kapitel Auswirkungen der Popularisierung weitergehende Interpretationen von Welterbe dargelegt, die den ursprünglichen Schutzgedanken in Nutzungsaspekte transformiert haben und die diese Veröffentlichung überhaupt motiviert haben. Insbesondere anhand der touristischen Verwertung von Welterbe wird die Transformation der Konvention von einem Schutzkonzept zu einem Label erläutert. Das Problem einer Inwertsetzung von Erbe für ökonomische Interessen betrifft in gewisser Weise auch die Konvention zum immateriellen Erbe. Aus diesem Grund wird darauf im Kapitel 6 Bezug genommen wird. Der im Kapitel 7 vorgenommene Ausblick soll als die die Veröffentlichung abschließende Reflexion verstanden werden. Es war uns ein Anliegen, die Welterbekonvention in ihrem fünften Jahrzehnt so zu interpretieren, dass es mit ihrer Anwendung besser als im dritten und vierten Jahrzehnt gelingen kann, Schutz und Nutzung von Erbe in Einklang zu bringen. Wir möchten betonen,
VI
Vorwort
dass wir uns eben wegen unserer langjährigen Auseinandersetzung mit der Welterbekonvention nicht die Mühe gemacht haben, die Quellen bereits veröffentlichter Positionen hier noch einmal zu explizieren. Im Gegenteil, wir haben unsere Vorarbeiten bewusst in diese Veröffentlichung einbezogen. Dies betrifft auch die verwendeten Zahlen, die durchgängig im Jahr 2013 erhoben wurden. Dennoch möchten wir bezüglich einer Quelle detaillierte Informationen geben. Diese beziehen sich auf Ausführungen zum immateriellen Erbe im Kapitel 6. Verwendet wurde insbesondere für das Unterkapitel 6.2 die Machbarkeitsstudie: Umsetzung der UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes (2003) in Deutschland. Auch diese Studie ist Ergebnis von Vorarbeiten der Autorinnen. Sie entstand im Auftrag der Kultusministerkonferenz an die IGS Heritage Studies, um die Potenziale der Konvention für ihre Ratifizierung in Deutschland zu prüfen. Wir möchten jedoch nicht versäumen, den an der Erstellung dieser Studie wesentlich beteiligten Autor Stefan Disko zu benennen und ihm nochmals für die gute Arbeit zu danken. Ein weiterer Aspekt, auf den wir in diesem Vorwort hinweisen wollen, ist die vielleicht etwas andere Sicht auf die Entwicklung der Welterbekonvention, dargelegt in der Publikation Many Voices, One Vision: the Early Years of the World Heritage Convention, die von Christina Cameron und Mechtild Rössler geschrieben wurde und im vorletzten Jahr bei Ashgate erschien. Cameron und Rössler haben Zeitzeugen befragt und dabei ein breites Spektrum an Sichten und Ansichten gesammelt. Diese sind unabdingbar wichtig für ein tiefergehendes Verständnis des Erfolges dieser Konvention. Diese Veröffentlichung ist daher als Ergänzung zu unserer Publikation zu sehen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie vieles anders einschätzt als wir das tun. Welterbe erhebt den Anspruch auf Vielfalt. Das setzt zugleich eine Vielfalt der Einschätzungen über die Entstehung- und Erfolgsbedingungen für die Welterbekonvention voraus. In diesem Sinne präsentieren wir mit dieser Veröffentlichung keine Wahrheiten, sondern Sichtweisen, die auf unserer langjährigen Verknüpfung mit den Facetten der Welterbekonvention basieren. Wir möchten abschließend nicht versäumen, uns bei diversen Kooperationspartnern für die Herstellung unseres Buches zu bedanken. Unser Dank gilt zunächst Dr. Hans-Joachim Aubert, der uns für unsere Reihe bereits zum zweiten Mal das Coverfoto aus seiner wunderbaren Fotoserie „Welterbe in Deutschland“ kostenlos zur Verfügung stellte. Bedanken möchten wir uns auch bei Stefan Simon, Eike Schmedt und Chee Meng Wong für die konstruktiven Recherchen zu diversen Beschlüssen der Welterbekomitees oder Generalversammlungen der UNESCO. Weiterhin wäre auch die visuelle Begleitung der Beispiele, Inhalte und Positionen in diesem Buch ohne ihre engagierten Recherchen nicht möglich gewesen. Insofern ist dieses Buch Ergebnis einer konstruktiven Zusammenarbeit des Teams des UNESCO Chairs in Heritage Studies. Wir wünschen eine anregende Lektüre.
Inhalt 1
1
Einleitung
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
11 Was ist ein Welterbe? 18 Kulturgüter/Naturgüter 24 Begründungskriterien: Merkmale und Typen 27 Die Bedingungskriterien Authentizität und Integrität Typologische, thematische und regional-chronologische 29 Betrachtungen 40 Management-Anforderungen 42 Die Liste des Welterbes in Gefahr
3 3.1 3.2 3.3
Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit 48 Wie alles begann 61 Etappen der Implementierung 86 Die Global Strategy
4 4.1
100 Diskurse im Kontext des Welterbes Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized 105 discourse Der Diskurs über die Aneignung von Erbe im sozialen Prozess
4.2 4.3
47
116
Der Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im 122 Interesse menschlicher Entwicklung 136
5 5.1 5.2
Auswirkungen der Popularisierung 138 Welterbe und Politik 143 Welterbe und Tourismus
6 6.1 6.2
160 Welterbe versus immaterielles Erbe Transformationsprozess: vom Materiellen zum Immateriellen 167 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
7 7.1 7.2 7.3
182 Ausblicke 184 Erbe und Ermächtigung der Akteure Kultur, Erbe und Vielfalt 186 189 Welterbe und nachhaltige Entwicklung
162
VIII
Glossar
Inhalt
192
203 Dokumente Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten 204 Konflikten 222 Charta von Venedig Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der 227 unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut 238 Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik – Weltkonferenz über 254 Kulturpolitik 263 Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller 280 Ausdrucksformen Literaturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Die Autoren Index
323
322
301 317 321
1 Einleitung Seit die UNESCO im November 1972 die Konvention zum Schutz und zur Erhaltung von Natur- und Kulturgütern aller Art und aller Zeiten¹ sowie deren Auf bereitung und Vermittlung für alle Schichten der Bevölkerung verabschiedet hat, sind mehr als vierzig Jahre vergangen. Angesichts der enormen Popularität, die diese Konvention weltweit genießt, scheint unbestritten, dass sich die internationale Gemeinschaft mit diesem Übereinkommen ein herausragendes Instrument geschaffen hat, das kulturelle und natürliche Erbe der Völker der Welt nachhaltig zu würdigen und zu schützen. Heute haben 190 Länder die Welterbekonvention ratifiziert. In 160 Ländern wurden 981 Stätten als Welterbe ausgezeichnet. Von diesen sind 759 als Kulturstätten, 193 als Naturstätten und 29 als gemischte Kultur- und Naturstätten eingeschrieben worden. Es lässt sich festhalten, dass dieses anerkannte Konzept von Erbe dank des globalen Netzwerkes der Welterbegemeinschaft und der internationalen Anstrengungen der Völkergemeinschaft, ihr außergewöhnliches universelles Erbe zu schützen, weltweit erfolgreich umgesetzt worden ist. Mit vorsichtigem Optimismus kann man deswegen auch sagen, dass der Schutz des Erbes der Menschheit zu einem Anliegen aller Völker geworden ist. Mit anderen Worten ausgedrückt heißt das, dass die wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Globalisierung erfolgreich auf der kulturellen Ebene nachvollzogen worden ist. Das war auch nicht anders zu erwarten, da die Entwicklung der globalen Prozesse von Wirtschaft und Wissenschaft sowie von Technik und Gesellschaft nur unter Einbeziehung der Beiträge der Kulturen der Welt möglich war. Kulturen sind von Menschen gemacht, genauso, wie sie von Menschen zerstört werden. Das betrifft die materiale Kultur wie die geistige, die Kunst ebenso wie ihre kulturellen Institutionen. Konstituierend für Kulturen ist auch der Umgang der Menschen mit der Natur. Er ist vielfältig und häufig zerstörerisch ausgerichtet. Kulturen sind integrative Einheiten von Mensch, Technik und Gesellschaft, die sich in historischen Prozessen herausgebildet haben und die sich in eben solchen Prozessen weiterentwickeln (Albert 2000).² In diesen Prozessen der Entwicklung und Weiterentwicklung der Kulturen entscheiden diese immer auch darüber, wie sie mit ihren natürlichen Ressourcen umgehen. In diesem Sinne hat Erbe, das es zu erhalten gilt, mehrere Dimensionen. Es besteht zunächst aus der Natur und ihren Ressourcen, die zeit- und raumübergreifend die Grundlage menschlicher Lebensausdrücke bilden. Die Kultur
1 Der Begriff der Konvention wird in der offiziellen deutschen Übersetzung häufig mit Übereinkommen bezeichnet. In dieser Veröffentlichung werden die Begriffe Konvention und Übereinkommen synonym ver wendet. 2 Die Diskussion zur Rolle von Kultur im Prozess der Globalisierung und des Welterbes wurde von der Autorin kurz nach der Einrichtung des internationalen Masterstudiengangs World Heritage Studies an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus initiiert und in einer Reihe von wissenschaftlichen Beiträgen publiziert, siehe u. a. Albert 2000.
2
1 Einleitung
betreffend besteht Erbe einerseits aus den überlieferten Elementen der Geschichte von Kulturen, ihrem geistigen immateriellen Erbe. Dieses Erbe bildet den Erfahrungshintergrund, auf den Gesellschaften bei der Gestaltung ihrer Gegenwart zurückgreifen (Jouhy 1985, S. 46 f.).³ In diesem Sinne wirkt kulturelles und natürliches Erbe in seiner Gesamtheit für die Gestaltung der Gegenwart orientierend. Andererseits ist kulturelles Erbe als Denkmal zugleich Produkt einer gesellschaftlichen Interpretation von Gegenwart und Geschichte. Die bewusste Pflege kulturellen Erbes bezieht sich daher auf ausgewählte Kulturelemente, in der Regel auf Stoff liches wie Denkmale, Monumente usw. Denkmale, historische Monumente oder historische Stätten sind nicht aus sich selbst heraus erfahrungsleitend oder identitätsbildend. Sie werden es erst dann, wenn sie von der jeweiligen gegenwärtigen Gesellschaft für ihre kulturelle Identität als repräsentativ erklärt werden. Welchen Kulturelementen der Status eines zu pflegenden kulturellen Erbes zuerkannt wird, hängt deshalb nicht von der Vergangenheit ab. Es ist immer die aktuelle Gesellschaft, die ihre Geschichte definiert. Es sind die Werthaltungen und Zielsetzungen der Gegenwart, die die Reflexion über die eigene Vergangenheit motivieren und orientieren. Im Hinblick auf die Unterschutzstellung von stoff lichem Erbe ist noch eine weitere Dimension zu berücksichtigen. Sie besteht darin, dass die gesellschaftliche Funktionalität kulturellen Erbes auch bei der Planung von Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen ist. Nicht zuletzt ist die gesellschaftliche Bedeutung von Erbe auch bei der Nominierung von Kulturerbestätten in Betracht zu ziehen. In den Worten des Kulturerbespezialisten Nicholas Stanley-Price, Generaldirektor von ICCROM (International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property) von 2000–2005 ausgedrückt, bedeutet das: „Needless to say, preservation of those material expressions is subject to the values attached to them by society […] And successful preservation of the material expressions is informed by a full understanding of all cultural heritage, both tangible and intangible heritage“ (Stanley-Price 2001, S. 2). Die Schlussfolgerung daraus ist, dass Erhaltungskonzepte niemals nur auf dem Einsatz neuester Technik oder angepasstem Material, auf modernsten Computerprogrammen und sonstigem Hightech allein beruhen können und dürfen. Erhaltung ist niemals nur ein technokratischer Akt, weder die Erhaltung stoff lichen Erbes noch die
3 „Alle gesellschaftlichen Wertsysteme ordnen einmal Erfahrung, so wie sie unter gesellschaftlichhistorischen Bedingungen ethnozentrisch bzw. egozentrisch gemacht wurden, in eine Struktur von Wahrnehmung, Gefühl und Denken ein, um derart Verhalten und Handeln der Individuen und Gruppen überhaupt zu ermöglichen. […] Ein anderes Mal aber sagen diese Denksysteme und Bewertungsmuster etwas über Mensch und Natur aus. […] Der tätige Umgang mit dem Wirklichen ist ohne Einbeziehung akkumulierten Wissens und Könnens ebenso wenig möglich wie ohne gedankliche Vor wegnahme der zu bewirkenden Zukunft. Zielgerichtetheit der Wertungen ist mithin ein konstituierendes Element jeder Kultur, jeder Klasse und jeden Individuums.“ (Jouhy 1985, S. 46 f.).
1 Einleitung
3
des darauf bezogenen kulturellen Gedächtnisses. Vielmehr ist Erhalt von Erbe ein eminent politischer, partizipativer und interdisziplinärer Akt. Das Erbe, das es zu bewahren gilt, ist durch das Zusammenwirken von menschlichem Know-how, dessen materialer und technischer Umsetzung sowie von Interessenverbänden und Widerständen dagegen entstanden. Mit jedem Erhaltungskonzept von Erbe oder von Erbestätten wird wertend Geschichte strukturiert. Es werden Entscheidungen darüber getroffen, welche Teile des historischen Kontextes wert sind, in Erinnerung gerufen zu werden. Es werden Rekonstruktionen von Geschichte entwickelt und damit Orientierungen und Werthaltungen für die Bewältigung von Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft angeboten. Auch bei der Nominierung von kulturellen Stätten und Naturstätten zum Erbe der Menschheit sowie bei der Suche und Formulierung von Schutz- und Erhaltungskonzepten kommt es deswegen darauf an, dass sich nach Möglichkeit alle lokal, national oder international betroffenen Personengruppen in dem gesetzten Interpretationsrahmen und in den darauf abgestimmten Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen wiederfinden. Dies ist nämlich die erste Voraussetzung dafür, dass Schutz nachhaltig wird. Sie wurde bereits im Jahr 1972 im Artikel 5 der Welterbekonvention festgeschrieben, der wie alle weiteren Artikel der Konvention bis heute gültig ist. Der Artikel besagt: „Um zu gewährleisten, dass wirksame und tatkräftige Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes getroffen werden, wird sich jeder Vertragsstaat bemühen, nach Möglichkeit und im Rahmen der Gegebenheiten seines Landes a) eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben und den Schutz dieses Erbes in erschöpfende Planungen einzubeziehen; b) in seinem Hoheitsgebiet, sofern Dienststellen für den Schutz und die Erhaltung des Kulturund Naturerbes in Bestand und Wertigkeit nicht vorhanden sind, eine oder mehrere derartige Dienststellen einzurichten, die über geeignetes Personal und die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel verfügen; c) wissenschaftliche und technische Untersuchungen und Forschungen durchzuführen und Arbeitsmethoden zu ent wickeln, die es ihm ermöglichen, die seinem Kultur- und Naturerbe drohenden Gefahren zu bekämpfen; d) geeignete rechtliche, wissenschaftliche, technische, Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen zu treffen, die für Erfassung, Schutz, Erhaltung in Bestand und Wertigkeit sowie Revitalisierung dieses Erbes erforderlich sind, und e) die Errichtung oder den Ausbau nationaler oder regionaler Zentren zur Ausbildung auf dem Gebiet des Schutzes und der Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit zu fördern und die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu unterstützen.“ (UNESCO 1972a, Artikel 5).⁴
4 Die gesamte Konvention befindet sich im Anhang Dokumente. In den weiteren Ausführungen wird auf diesen Anhang ver wiesen.
4
1 Einleitung
Die Partizipation von Menschen, Gesellschaften und Kulturen an der Unterschutzstellung ihres Erbes ist im Sinne der Welterbekonvention eine unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Nutzbarmachung von Erbe und damit auch für die Gestaltung von Zukunft. Unseres Erachtens ist die Einbeziehung von Menschen in den Schutz und in die Nutzung ihres Erbes auch der einzige Weg, der tatsächlich ein nachhaltiges Interesse am Erbe der Menschheit selbst und entsprechend an dessen Erhaltung hervorbringt. In der Partizipation aller Beteiligten an der Erhaltung von Erbe allein liegen auch die Perspektiven begründet, Welterbe im Sinne nachhaltiger menschlicher Entwicklung zu nutzen. Wie oben schon erwähnt, belegt die stolze Zahl von fast 1.000 Stätten auf der Liste des Welterbes nicht nur die Attraktivität der Konvention, sondern auch ihre Popularität, und zwar weit über eine fachlich interessierte Öffentlichkeit hinausgehend. Das Interesse am Welterbe ist schon lange nicht mehr auf disziplinäre Kontexte und ihre wissenschaftlichen Expertisen wie die der Denkmalpflege oder der Architektur, der Anthropologie oder der Geschichtswissenschaften, auf die Archäologie oder Geografie, auf die Natur- oder Geowissenschaften beschränkt. Vielmehr hat die Popularität der Konvention dazu beigetragen, dass Menschen alters-, status- und kulturübergreifend heute zumindest davon gehört haben, was ein Welterbe ist, oder beeinflusst, welche Objekte oder Artefakte und welche Formen unberührter Natur Menschen unterschiedlicher sozialer, kultureller, politischer oder ökonomischer Provenienz mit Welterbe assoziieren. Auch im Vergleich zu allen anderen UNESCOKonventionen, Programmen oder Aktionen kann dieses Übereinkommen als Erfolgsmodell bezeichnet werden. Aber gerade deswegen sollte ein 40-jähriges Jubiläum Anlass sein, eventuelle Fehlentwicklungen zu identifizieren und notfalls zu korrigieren. Denn so evident der Erfolg dieser Konvention gemessen an der Anzahl der auf der Liste des Welterbes eingeschriebenen Stätten ist, so problematisch wirkt sich eben ihre Popularität auf eine schon fast populistische Auslegung der Konvention aus. Das betrifft interpretative Annäherungen an stärker werdende ökonomische Interessen bei neuen Nominierungen. Ein sich durchsetzender Populismus bei der Auslegung der Konvention im Hinblick auf eine Welterbenominierung zeigt sich auch in der zunehmenden Vernachlässigung der Bedingungsfaktoren⁵ wie Authentizität und Integrität oder in der Verwässerung von materiellen Begründungsfaktoren zur Festlegung des außergewöhnlichen universellen Wertes durch immer stärker immateriell ausgerichtete Begründungsstrategien. Problematisch sind die regionale Verteilung von Stätten sowie die Kategorien, unter denen die Stätten häufig eingeschrieben sind, nämlich Kulturerbe
5 Für die Nominierungen von Welterbe sind mehrere Faktoren erforderlich. Die wichtigsten sind die laut Birgitta Ringbeck zu erfüllenden „Bedingungsfaktoren“, die Authentizität und Integrität festlegen, sowie die „Begründungsfaktoren“ für die Bestimmung des Outstanding Universal Value (OUV).
1 Einleitung
5
(Art. 1), Naturerbe (Art. 2) oder Kulturlandschaften (s. dazu Rössler 2002, S. 27 ff.). Fehlentwicklungen zeigen sich bei den regionalen Zugehörigkeiten und/oder Epochen, der die Stätten zugeordnet worden sind und werden. Sie zeigen sich nicht zuletzt an Nominierungen von Stätten, die aufgrund attraktiver Themen von bedeutenden Herrschern mit ihren entsprechenden Palästen und respektiven Architekten gewählt worden sind, um touristische Interessen zu bedienen. Insofern ist ein Jubiläum auch Anlass, solche Initiativen zu unterstützen, die den negativen Folgen der Popularisierung entgegenwirken wollen. Zur Verdeutlichung solcher qualitativen Probleme, die sich im Laufe der 40-jährigen Praxis in der Umsetzung der Welterbekonvention herausgebildet haben, möchten wir zunächst auf einige ihrer Ziele selbst eingehen. Diese sind in der Präambel der Konvention formuliert und besagen u. a.: „[…] dass der Verfall oder der Untergang jedes einzelnen Bestandteils des Kultur- oder Naturerbes eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt darstellt; […] in der Erwägung, dass die bestehenden internationalen Übereinkünfte, Empfehlungen und Entschließungen über Kultur- und Naturgut zeigen, welche Bedeutung der Sicherung dieses einzigartigen und unersetzlichen Gutes, gleichviel welchem Volk es gehört, für alle Völker der Welt zukommt; in der Er wägung, dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen; […]“ (UNESCO 1972a, Präambel).⁶
In diesem Verständnis der internationalen Völkergemeinschaft ist ein Welterbe ein Gut, das einen außergewöhnlichen universellen Wert für die Menschheit besitzt. Es muss deswegen auch das Erbe der gesamten Menschheit repräsentieren. Die Völkergemeinschaft muss es dann und dort unter Schutz stellen, wo es durch gesellschaftliche Entwicklungen gefährdet ist. Welterbe hat die Funktion der Identitätsbildung und der Friedenssicherung in der Welt. Welterbe besteht aus Kultur- und aus Naturerbe. Aufgrund seiner weltweiten Bedeutung muss es in Quantität und Qualität auch die Stätten der Welt repräsentieren. Insofern sind die Ziele deutlich formuliert. Oben genannte Probleme bildeten sich im Zuge ihrer Umsetzung in die Praxis heraus und sollen nachfolgend anhand einiger Zahlen und ihrer Interpretationen kurz verdeutlich werden.⁷ Die Welterbekonvention zielt auf den Schutz und die Nutzung des Erbes der Menschheit insgesamt. Wie die Grafik jedoch verdeutlicht, besteht zwischen den Zielen und der Umsetzung der Konvention ein eklatantes Missverhältnis. Dieses betrifft die Zahl der eingeschriebenen Stätten (Abb. 1.1) in Europa und den USA einerseits und dem Rest der Welt andererseits.
6 Siehe die Welterbekonvention im Anhang Dokumente. 7 Ausführlicher werden die Probleme bei der Umsetzung der Konvention im Kapitel 3 diskutiert.
6
1 Einleitung
Aufteilung nach Kontinenten 4 2
4
10
60
10
3 36
57 36 48 68 Afrika
Arabischer Staaten
154 Asien und Pazifik
399 Europa und Nordamerika
90 Lateinamerika und Karibik
Legende
Kultur
Natur
Gemischt
Abb. 1.1: Welterbestätten im Jahr 2013 nach Region (eigene Darstellung)
Von den insgesamt 759 in die Welterbeliste eingetragenen Kulturgütern befinden sich 399 in Europa und Nordamerika, was einem Anteil von insgesamt 53 % entspricht; 47 % aller Stätten sind außerhalb Europas und Nordamerika auf den Rest der Welt verteilt. Wenn man die Welterbestätten auf die Gesamtheit der Erdoberfläche umrechnet, dann befinden sich 53 % aller Welterbestätten auf nur 28 % der gesamten Landfläche der Erde. Noch drastischer sind die Zahlen, wenn man die Bevölkerung betrachtet. 16 % der Bevölkerung verfügen über 53 % aller Welterbestätten, während 84 % sich den Rest teilen (UNESCO 2013a). Eine Kritik an der Praxis der Umsetzung der Konvention zielt daher auf den Eurozentrismus. Die eurozentrische Praxis der Einschreibung von Welterbestätten in die Liste wird quantitativ zunächst durch die Verteilung von Stätten im Weltmaßstab evident. Der Eurozentrismus-Vorwurf hat aber auch eine qualitative Dimension. Eine qualitative Kritik an der Umsetzung der Konvention besteht darin, dass in den Zonierungskategorien der UNESCO Europa und die USA zu einer regionalen Einheit zusammengefügt worden sind. Sie repräsentieren damit die in der Entstehungsgeschichte der UNESCO begründete und bis heute ungebrochene Weltsicht von einer entwickelten gegenüber einer unterentwickelten Welt, die sich im kollektiven Bewusstsein vieler Menschen leider immer noch in der Unterscheidung von repräsentativer Kultur gegenüber Natur ausdrückt. Wie die Grafik (Abb. 1.2) zeigt, spiegelt sich dieses Bewusstsein auch in der Welterbeliste wider, und zwar im Ungleichgewicht der Eintragungen von Kultur- und Naturerbe zum Beispiel in Europa und in Afrika. Interessant ist hier die relativ hohe Anzahl von Naturerbestätten bspw. in Afrika, den Arabische Staaten, Asien oder Lateinamerika im Vergleich zu Einschreibungen von Kulturstätten. Interessant ist auch, dass diese Einschreibungen im umgekehrten Verhältnis zu denen in Europa stehen. Die bspw. in Afrika eingeschriebenen Naturerbestätten sind mit 43 % im Vergleich zu den Kulturstätten (57 %) relativ ausgewogen.
7
1 Einleitung
Aufteilung nach Kontinenten
77 % 12 %
6 %
19 %
9 %
10 %
19 %
14 % 7 %
2 % 20 % 20 %
53 %
34 % 30 %
31 %
34 %
3 % Welterbestätten Total
Kulturerbestätten
Naturerbestätten
gemischte Stätten
Legende Kultur Gemischt
Natur
Afrika Arabische Staaten Europa und Nordamerika
Asien und Pazifik Lateinamerika und Karibik
Abb. 1.2: Ver teilung der Welterbestätten 2013 nach Kontinenten (eigene Darstellung)
Das ist nachvollziehbar, verfügt Afrika doch über großflächige Naturschutzgebiete, während dichte Besiedlungen Europa seit dem Mittelalter geprägt haben. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch dieses internationale Ungleichgewicht der regionalen Einschreibungen traditionelle Bilder über die euro-amerikanischen Kulturräume und die entwicklungsländertypischen Naturräume durch die Welterbeliste reproduziert werden. Dissonanzen zeigen sich nicht nur bei dem Verständnis davon, was ein Kulturbzw. ein Naturerbe sein soll,⁸ also bei dem in den Artikeln 1 und 2 definierten Welterbe, sondern auch bei den Welterbetypen,⁹ denen einzuschreibende Stätten zugeordnet werden, gemäß den von verschiedenen Welterbekomitees erarbeiteten und kontinuierlich weiterentwickelten Operativen Leitlinien.¹⁰ Von den in der ICOMOS-Studie vorgeschlagenen 14 unterschiedlichen Typen¹¹ finden am häufigsten historische Gebäude und Ensembles mit 341 Nennungen Berücksichtigung sowie historische Städte (269), religiöse Stätten (234) und archäologisches Erbe (171). Diese Typen repräsentieren zusammengenommen 69 % aller Kulturerbestätten auf der Liste, während kulturelle Routen mit lediglich 8, Fossilienstätten mit nur 14 und modernes Erbe mit nur 15 Stätten unterrepräsentiert sind (ICOMOS 2004, S. 19).
8 Definiert bzw. ausgearbeitet werden diese Artikel im Kapitel 2.1. 9 Auch Typen von Welterbe werden im Kapitel 2.2 ausführlich vorgestellt und diskutiert. 10 Die Operativen Leitlinien sind die Durchführungsbestimmungen für die Welterbekonvention. Sie wurden erstmals am 30. Juni 1977 herausgegeben und werden seither kontinuierlich angepasst. Die derzeit aktuelle Version ist die aus dem Jahre 2013. 11 Siehe dazu ausführlich das Kapitel 2.2.
8
1 Einleitung
Hierin liegt auch das Problem der unausgewogenen Verbreitung von Welterbe. In der Untersuchung von ICOMOS wurde herausgearbeitet, dass die Welterbeliste von den Denkmälern des Christentums, den barocken Schlössern und Herrscherresidenzen der europäischen Mächte der Renaissance sowie von mittelalterlichen Stadtensembles dominiert ist. Mit ihren diversen Begründungen für Erstrangig- und Einzigartigkeit geht zugleich die Assoziation einher, dass das am schützenswerteste Kulturerbe das europäische ist. Das impliziert mehr als Eurozentrismus. Die Zahlen suggerieren, wie zu Zeiten des Kolonialismus, welcher Kontinent über Kultur verfügt und welcher nicht. Und genau darin besteht ein kaum lösbarer Widerspruch gegenüber den Zielen der Konvention. Denn obwohl im Laufe der 40-jährigen Praxis viele Maßnahmen ergriffen wurden, diese Probleme zu lösen, sind nur minimale Erfolge zu verzeichnen. Das unterstreicht Smith bereits 2006 in ihrem Buch „Uses of Heritage“. Nach ihr hat die Welterbekonvention „further institutionalized the nineteenth-century conservation ethic and the ‚conserve as found‘ ethos […] the European sense of the historical monument as universally significant underwrites this Convention, which inevitably universalizes Western values and systems of thought […] A glance at the World Heritage List today demonstrates the degree to which the sense of the monumental underwrites the convention, with cathedrals and grand buildings of state dominating the listing process“ (Smith 2006, S. 27). „Part of the authority of the European [Authorized Heritage Discourse], subsequently, lies in its own legitimizing assumptions that it is universally applicable and that there is, or must be, universal cultural values and expressions. […] Although the claims to universality within the text of the World Heritage Convention and associated guidelines, practices and debates appear to offer a straightforward description of a value that simply is, it is nevertheless an explicit argument about the legitimacy of European cultural narratives and values.“ (ebd., S. 99). „It is thus no accident that the World Heritage List is heavily represented by European ‚universally significant places‘, as Europeans attempt to come to terms with the changing place of their nations in a world where the European colonial and imperial pasts (and present) are increasingly being reconsidered, and as European states redefine themselves as part of a unified Europe.“ (ebd., S. 100).¹²
Die Ausführungen von Smith auf der Grundlage der Zahlen führen zu der Schlussfolgerung, dass sich, entgegen der eigentlichen Intention der Konvention, ein Welterbe für die Menschen zu schaffen, mit der europäischen Dominanz an Stätten auf der
12 Diese Kritik an der europäischen und materiellen Konstruktion von Erbe wird heute von der Association of Critical Heritage Studies fortgeführt. In ihrem Manifest heißt es: „The study of heritage has historically been dominated by Western, predominantly European, experts in archaeology, history, architecture and art history. Though there have been progressive currents in these disciplines they sustain a limited idea of what heritage is and how it should be studied and managed. The old way of looking at heritage – the Authorised Heritage Discourse – privileges old, grand, prestigious, expert approved sites, buildings and artefacts that sustain Western narratives of nation, class and science.“ (Campbell and Smith 2012).
1 Einleitung
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Liste auch die europäischen Vorstellungen von Kultur und kulturellen Gütern einschließlich der sie begründenden Werte durchgesetzt haben. Es sind die bildungsbürgerlichen Konzepte der europäischen Mittelschicht, die Welterbe definieren und konstruieren. Und diese sind bekanntlich materiell und auch deswegen von den kulturellen Konzepten und von den Erbekonzepten der afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Welterbe-Gemeinschaft weit entfernt. Das bedeutet auch, dass die Gründe für die Auswahl der immer wieder gleichen Welterbetypen in der Konvention selbst begründet liegen. Denn solange die Konstruktionen des außergewöhnlichen universellen Wertes auf der Grundlage eines bildungsbürgerlichen materiellen Kulturbegriffs bestimmt ist und immaterielle Interpretationen der Stätten nur bedingt möglich sind, bleibt das europäische Erbe konkurrenzlos. Nicht zuletzt aufgrund dieser materiellen Konstruktionen von Erbe haben wir auch ein Interpretationsproblem. Es besteht darin, dass die Einschreibungen die historischen Ereignisse, die sich in den Kontexten der Stätten zugetragen haben, nur unzureichend wiedergeben, wie wir nachfolgend exemplarisch aufzeigen.
Abb. 1.3: Historische Stadtmauer von Toledo
Das Beispiel ist die historische Altstadt von Toledo (Abb. 1.3), die, wie alle anderen 758 Kulturstätten auch, unter materiellen Kriterien eingeschrieben wurde. Zwar wurde ihre historische Bedeutung im Zusammenhang der Entwicklung des christlichen Abendlandes und der darin noch existierenden religiösen Vielfalt erwähnt. Nicht erwähnt wurde die mit der Etablierung des katholisch-spanischen Herrscherhauses
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1 Einleitung
sukzessive abnehmende Toleranz gegenüber einem multireligiösen Zusammenleben von Menschen verschiedener Glaubenszugehörigkeiten in „al-Andalus“.¹³ Im Erbauungszeitraum der Stadtmauern im 12. und 13. Jahrhundert erlebte Toledo seine kulturelle, intellektuelle sowie administrative Blüte. Mit der Eroberung Toledos 1041 durch Alfonso VI. wurde die Stadt die offizielle Hauptstadt von Kastilien, in der Juden, Christen und Muslime in friedlicher Koexistenz zusammenlebten. Alfonso X. legte beispielsweise besonderen Wert auf die einzigartige Übersetzerschule der Stadt und ließ griechische, jüdische, islamische und wichtige wissenschaftliche Texte in der westlichen Welt verbreiten. Das goldene Zeitalter Toledos zerbröckelte unter der Vereinigung Spaniens durch die katholischen Könige und die anschließende Inquisition. Die nachfolgenden Herrscherhäuser ließen keine religiöse Toleranz mehr zu und beendeten somit auch den Wohlstand der Stadt, der auf einer jahrhundertelangen friedlichen Koexistenz der Religionen, bestehend aus Juden, Christen und Muslime, beruht hatte. Welterbe könnte und sollte dazu dienen, auch die historischen Erfahrungen der Menschen als positiv oder negativ besetzte Leitbilder in Erinnerung zu rufen. Diese Potenziale werden jedoch verschenkt durch die eurozentrischen und materiellen Konstruktionen des Welterbes, so wie sie insbesondere laut Smith in den Begründungen durch den Outstanding Universal Value klassifiziert sind. Beispielsweise könnte gerade diese Stätte dazu genutzt werden, die jahrhundertelange friedliche Kooperation der Religionen und Kulturen der Welt ins Bewusstsein der Menschen zurückzurufen. Denn es sind die historischen Erfahrungen des friedlichen – oder auch kriegerischen – Zusammenwirkens von Kulturen, mit denen nachhaltige Nutzungsstrategien für die Zukunft visioniert werden müssen. Wir werden in unserer Veröffentlichung aufzeigen, wie sich die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 40 Jahre positiv und negativ auf die Kriterien und die Politik der Einschreibungen ausgewirkt haben. Dabei ist natürlich auch die sukzessive Kommerzialisierung des Welterbes aufzuzeigen, da sich diese mit den Strategien der Vermarktung deckt. Nicht zuletzt sollen den immer wieder gleichen historischen Epochen für die Begründung von Stätten des Welterbes, die die Großartigkeit der historischen Baumeister, ihrer Produkte und Hinterlassenschaften sowie die damit einhergehenden Authentizitäten reproduzieren, Alternativen entgegengestellt werden. Diese ließen sich zum Beispiel aus thematischen Kontexten herleiten. Thematische Begründungen für Nominierungen und für Einschreibungen zum Welterbe werden seit geraumer Zeit von den Generalversammlungen der Mitgliedsländer der Welterbekonvention gefordert. Ob sie sich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten.
13 Entgegen der Idee eines Kampfs der Kulturen erinnern Ilija Trojanow und Ranjit Hoskoté in ihrem Buch „Kampfabsage“ daran, das sich Kulturen nicht bekämpfen, sondern zusammenfließen. Die kulturellen Einflüsse der islamischen Welt zeigen sich am Beispiel al-Andalus mit herrlichen Palästen, Bewässerungssystemen und Astronomiebüchern (vgl. u. a. Trojanow und Hoskoté 2007, S. 88).
2 Was ist ein Welterbe? In der Einleitung haben wir den Rahmen für das Thema dieser Veröffentlichung vorgestellt. Wir haben dabei das Spannungsfeld aufgezeigt, in dem Welterbe derzeit verhandelt wird. Es besteht zwischen Welterbe als einem Schutzkonzept für Kulturund Naturgüter mit einem außergewöhnlichen universellen Wert für die Menschheit und seiner Popularisierung, einhergehend mit einer teilweise problematischen kommerziellen Nutzung. Wir haben skizziert, in welcher Weise die Umsetzung der Welterbekonvention weltweit ein Bewusstsein für die materiellen Hinterlassenschaften vergangener Generationen hervorgebracht hat. Wir haben zugleich den beispiellosen Prozess der Popularisierung dieses Erbes aufgezeigt und damit einhergehend das eklatante regionale Ungleichgewicht der eingeschriebenen Welterbestätten aufgezeigt. In diesem Kapitel werden wir uns mit der Frage befassen, was ein Welterbe eigentlich ist. Wie ist es definiert? Was sind die konstituierenden Bedingungs- und Begründungskriterien? Welche Voraussetzungen sind für Nominierungen von Welterbe erforderlich und wie kann und darf Welterbe etwa durch Tourismus genutzt werden? Das heißt, wir werden uns in diesem Kapitel mit der Konvention selbst auseinandersetzen. Die Frage, was ein Welterbe eigentlich ist, kann auch anders gestellt werden, nämlich: Was verbindet den Kaiserpalast in Peking mit der Grube Messel in Hessen? Was verbindet die Pyramiden von Giseh mit der KZ-Gedenkstätte Ausschwitz-Birkenau? Oder was verbindet die Siedlungen der Berliner Moderne mit der Kulturlandschaft der Wachau in Österreich? Und was verbindet sie insgesamt miteinander? Die Auswahl der genannten Stätten folgt keiner Systematik, sondern beruht auf unseren persönlichen Erfahrungen durch Besuche dieser Stätten. Sie werden hier exemplarisch genannt, da sie bei aller Verschiedenheit für die Kriterien und Rahmenbedingungen stehen, die sie als Welterbe erfüllen müssen. Die genannten Stätten verbindet, dass sie als Welterbe über einen oder mehrere der ihnen durch die UNESCO zugeschriebenen Kriterien des außergewöhnlichen universellen Wertes verfügen müssen. Es ist dieser sogenannte außergewöhnliche universelle Wert (OUV)¹⁴, der sie als ein repräsentatives Erbe der Menschheit auszeichnet, das es zu schützen gilt. Die Verbotene Stadt oder der Kaiserpalast mit den ihn umgebenden Gärten (Abb. 2.1) ist ein Weltkulturerbe, das eine über fünf Jahrtausende (1416–1911) dauernde Macht chinesischer Dynastien repräsentiert, insbesondere der Quing- und Mingdynastien. Der Palast wurde als Abbild der kosmischen Ordnung gebaut. Er diente den Kaisern zunächst als Winterdomizil und später, nach der Verlagerung des Regierungssitzes von Nanjing nach Beijing, als Hauptsitz. Gemäß den Vorstellungen der Dynastien vom Reich der Mitte repräsentierte dieser Palast die Mitte des Reiches und wurde dadurch zum wichtigsten Areal der Stadt. Der Name Verbotene Stadt weist darauf hin, dass
14 Im Kapitel 2.2 wird das Konzept des außergewöhnlichen universellen Wertes bzw. des Outstanding Universal Value (OUV) ausführlich dargelegt und erläutert.
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2 Was ist ein Welterbe?
Abb. 2.1: Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt in Peking
der Bevölkerung der Eintritt in diese Stadt verboten war, während die Stadt selbst sukzessive nach innen weiter ausgebaut wurde und dadurch von innen heraus mehr und mehr Macht repräsentierte (Veser 2000, S. 104). Die Stätte wurde 1987 mit den Kriterien (iii) und (iv) eingeschrieben und 2004 um die Kriterien (i) und (ii) erweitert.¹⁵ Begründet wurde die Einschreibung folgendermaßen:¹⁶ „Criterion (i): The Imperial Palaces represent masterpieces in the development of imperial palace architecture in China. Criterion (ii): The architecture of the Imperial Palace complexes […] exhibits an important interchange of influences of traditional architecture and Chinese palace architecture particularly in the 17th and 18th centuries. Criterion (iii): The Imperial Palaces bear exceptional testimony to Chinese civilisation at the time of the Ming and Qing dynasties, being true reserves of landscapes, architecture, furnishings and objects of art, as well as carrying exceptional evidence of the living traditions and the customs of Shamanism practised by the Manchu people for centuries. Criterion (iv): The Imperial Palaces provide outstanding examples of the greatest palatial architectural ensembles in China. They illustrate the grandeur of the imperial institution from the Qing Dynasty to the earlier Ming and Yuan dynasties, as well as Manchu traditions, and present evidence on the evolution of this architecture in the 17th and 18th centuries.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 439).
15 Die Einschreibung von Stätten des Welterbes erfolgt u. a. durch 10 potenzielle Begründungskriterien zur Bestimmung des außergewöhnlichen universellen Wertes. Die Kriterien werden ausführlich im Kapitel 2.2 erläutert. 16 Bei den nachfolgenden Begründungen handelt es sich um die Originalfassungen mit minimalen Kürzungen.
2 Was ist ein Welterbe?
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Abb. 2.2: In der Grube Messel gefundenes Fossil (Pflasterzahn-Krokodil)
Die Grube Messel (Abb. 2.2) ist eine der wenigen deutschen Naturerbestätten. Sie entstand auf der Grundlage eines durch einen Vulkanausbruch erzeugten Sees, dessen Tuffring allerdings durch die klimatischen Einflüsse abgetragen wurde. „Die ‚Grube‘ selbst ist erst zwischen 1885 und 1971 entstanden, als man den Ölschiefer abbaute, um Rohöl zu gewinnen“ (Mangel 2011, S. 13). Sie steht heute nicht nur für eine faszinierende Flora und Fauna, sondern insbesondere für spektakuläre Fossilienfunde von weltweiter Bedeutung. Fast wäre aus dem Weltnaturerbe eine Mülldeponie geworden, hätte es nicht eine aktive Bürgerbewegung gegeben. Die Grube Messel wurde 1995 mit dem Kriterium (viii) eingeschrieben und 2010 geringfügig erweitert. „Criterion (viii): Messel Pit Fossil Site is considered to be the single best site which contributes to the understanding of the Eocene, when mammals became firmly established in all principal land ecosystems. The state of preservation of its fossils is exceptional and allows for high-quality scientific work.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 720).
Die Pyramiden von Giseh (Abb. 2.3) gehören zu den berühmtesten archäologischen Stätten auf der Liste des Weltkulturerbes. Das Gelände von Giseh umfasst insgesamt 9 Pyramiden. Ihr Bau geht zurück auf das Jahr 2900 v. u. Z., eine Zeit, in der Ägypten von den Pharaonen zu einem Großreich vereinigt und die Stadt Memphis zu ihrer Hauptstadt gemacht wurde. Der Pyramidenbau ging sowohl mit einer kreativen Architektur einher als auch mit der Nutzung von verschiedenen Materialien. Das Handelszentrum Memphis zum Beispiel wurde weitgehend mit Materialien wie Schilf-
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2 Was ist ein Welterbe?
Abb. 2.3: Pyramiden von Giseh in Ägypten
rohr, Schlammziegel oder Holz gebaut, während die Pyramiden aus riesigen Kalksteinquadern errichtet wurden. „Die Frage, wie die Arbeiter den Transport der Steinkolosse für die himmelwärts strebenden Wunderwerke mit den damaligen Hilfsmitteln bewältigten konnten, übersteigt das Vorstellungsvermögen der Nachgeborenen und wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben“ (Veser 2000, S. 18). Die Einschreibung der Pyramiden erfolgte 1979 unter den Kriterien (i), (iii) und (vi): „Criterion (i): The pyramids of Egypt have always provoked universal admiration; even during Antiquity, they were included among the ‚Wonders of the World‘. Surrounded by necropolis and temples which house fabulous treasures and invaluable works of art, they solidly merit their reputation as unique artistic realisations and masterpieces of the creative spirit of man. Criterion (iii): The ensemble of Memphis embraces singular monuments of a very grand antiquity. The step pyramid of Zoser, the first pharaon of the Memphis period, constructed entirely in limestone, is the oldest architectural structure known, which is built from regularly cut stone. At Giza, in the complex of Cheops, one of the oldest boats preserved today, the ‚solar barge‘ was discovered intact. The archaic necropolis of Sakkara dates back to the period of the formation of pharaoic civilisation. Criterion (vi): The exceptional historic, artistic and sociological interest of those monuments, witnesses of one of the most brilliant civilisations of this planet, needs no commentary.“ (ICOMOS 1979, S. 5).
2 Was ist ein Welterbe?
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Abb. 2.4: Eingangstor der KZ-Gedenkstätte Ausschwitz-Birkenau
Das ehemalige Vernichtungslager Ausschwitz (Abb. 2.4) kennzeichnet den Ort der Welt, der für menschliches Leid und Vernichtung in die Geschichte eingegangen ist. „Dieses Lager wurde zum Symbol des Bruchs mit allen grundlegenden Menschenrechten. Es ist ein schreckliches Beispiel dafür, wozu Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie, Chauvinismus und Intoleranz führen. Der Name des Lagers ist zu einem kulturellen Code geworden, der die negativsten zwischenmenschlichen Beziehungen beschreibt wie auch zu einem Synonym für den Zusammenbruch unserer Zivilisation und Kultur unserer Zeit. […] Aus diesem Grund hat Ausschwitz sowohl eine universelle Bedeutung, wie auch jene, die sich auf die Erinnerung und Geschichte vieler Nationen bezieht, die zu seinen Opfern wurden.“ (Bujak 2004, S. 70).
Die Einschreibung erfolgte 1979 unter dem: „Criterion (vi): Auschwitz-Birkenau, monument to the deliberate genocide of the Jews by the Nazi regime (Germany 1933–1945) and to the deaths of countless others bears irrefutable evidence to one of the greatest crimes ever perpetrated against humanity. It is also a monument to the strength of the human spirit which in appalling conditions of adversity resisted the efforts of the German Nazi regime to suppress freedom and free thought and to wipe out whole races. The site is a key place of memory for the whole of humankind for the holocaust, racist policies and barbarism; it is a place of our collective memory of this dark chapter in the history of humanity, of transmission to younger generations and a sign of warning of the many threats and tragic consequences of extreme ideologies and denial of human dignity.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 31).
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2 Was ist ein Welterbe?
Abb. 2.5: Siedlung Schillerpark in Berlin
Die Berliner Siedlungen der Moderne (Abb. 2.5) sind seit 2008 als Kulturerbe-Siedlungen in die Welterbeliste eingetragen. Sie repräsentierten den Auf bruch des sozialen Wohnungsbaus zwischen 1924 und 1930 sowie eine damit einhergehende internationale Bedeutung für neue Maßstäbe des Bauens. Bis heute spiegeln diese Siedlungen nicht nur die architektonischen und städtebaulichen Debatten der Moderne wider, sie verkörpern zugleich ihr Lebensgefühl. Obwohl diesem Ausdruck die Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 und der aufstrebende Nationalsozialismus ein Ende bereiteten, tradierten sich die mit der Moderne geschaffenen Standards im Hinblick auf die Erfüllung von Wohn- und Lebensbedürfnissen auch nach 1945 (Hoff 2011, S. 254 ff.). Das Jahr der Einschreibung war 2008, als Kriterien wurde (ii) und (iv) herangezogen: „Criterion (ii): The six Berlin housing estates provide an outstanding expression of a broad housing reform movement that made a decisive contribution to improving housing and living conditions in Berlin. Their quality of urban, architectural and garden design, as well as the housing standards developed during the period, served as guidelines for social housing constructed since then, both in and outside Germany. Criterion (iv): The six Berlin housing estates are exceptional examples of new urban and architectural typologies, designed in the search for improved social living conditions. Fresh design solutions and technical and aesthetic innovations were incorporated by the leading modern architects who participated in their design and construction.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 1239).
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Abb. 2.6: Kulturlandschaft Wachau in Österreich
Die Wachau (Abb. 2.6) ist ein 36 Kilometer langes Durchbruchstal entlang der Donau. Die vielfältige Landschaftsstruktur, die zahlreichen bedeutenden Kulturdenkmale und kleinstädtischen Ensembles machen die Wachau zu einer historischen Kulturlandschaft von herausragender Bedeutung. Natürliche Landschaftsformationen wie etwa das gewundene Donautal, die Auwälder und schroffen Felsen sowie die vom Menschen gestalteten Elemente wie Weinbauterrassen, Ortschaften und Flurformen, Stifte, Burgen und Ruinen ergänzen sich in harmonischer Weise. Mit ihrem warmen und trockenen Klima ist die Kulturlandschaft Wachau eine der bedeutendsten Weinbauregionen Österreichs und landschaftlich vom Weinbau seit Jahrhunderten geprägt (ICOMOS 2000). Die Wachau wurde 2000 mit den Kriterien (ii) und (iv) eingeschrieben: „Criterion (ii): The Wachau is an outstanding example of a riverine landscape bordered by mountains in which material evidence of its long historical evolution has survived to a remarkable degree. Criterion (iv): The architecture, the human settlements, and the agricultural use of the land in the Wachau vividly illustrate a basically medieval landscape that has evolved organically and harmoniously over time.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 970).
Die Beispiele verdeutlichen, was die so unterschiedlichen Stätten des Welterbes verbindet: Es ist der Status des Kultur-¹⁷ bzw. Naturerbes, das für die gesamte Menschheit wichtig und schützenswert ist. In der UNESCO-Terminologie verbindet diese Stätten
17 Das Konzept von Kultur- bzw. Naturerbe wird ausführlich im Kapitel 2.1. präsentiert.
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der OUV, also die sogenannten Begründungskriterien¹⁸, die für die Feststellung des außergewöhnlichen universellen Wertes notwendig sind. Doch was unterscheidet sie? Es sind einerseits die Bedingungskriterien von Authentizität und Integrität¹⁹ sowie die typologischen Zuordnungen und damit natürlich die Geschichten, die sie erzählen. Der Kaiserpalast ist als Ensemble historischer Gebäude typologisiert und die Pyramiden von Giseh als Archäologisches Erbe. Ausschwitz wurde als Symbolische Stätte eingetragen mit dem Kriterium (vi)²⁰, das wiederum in der Liste von zehn Kriterien zur Bestimmung des OUV als das wichtigste Kriterium für die immaterielle Bedeutung einer Stätte gilt. Die Grube Messel ist ein Naturerbe, die Siedlungen der Berliner Moderne stehen für Modernes Erbe, während die Wachau als Kulturlandschaft eingeschrieben ist. Insofern ist die Frage, was ein Welterbe eigentlich ist, mehrdimensional zu beantworten. Wir beginnen mit den Begründungskriterien, dem OUV.
2.1 Kulturgüter/Naturgüter In der Einleitung zu diesem Kapitel haben wir exemplarisch an ausgewählten Stätten erläutert, was diese als Stätten des Welterbes verbindet. In den nun folgenden Kapiteln werden wir ausdifferenzieren, worin sie sich als Welterbe unterscheiden. Welterbestätten sind Beispiele für die Vielfalt unserer Welt, selbst dann, wenn – wie gezeigt – die Liste durch europäische Stätten geprägt ist. Und die Vielfalt wiederum drückt sich in den Gütern selbst aus, in den Begründungs- und Bestimmungskriterien sowie nicht zuletzt in Typen, Themen und Chronologien. In ihrem Beitrag zum Buch Natur und Kultur – Ambivalente Dimensionen unseres Erbes – Perspektivwechsel, das von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und der Deutschen UNESCO-Kommission zum 30-jährigen Bestehen der Welterbekonvention herausgegeben worden ist, schreibt Mechtild Rössler: „30 Jahre nach dem Beschluss der Generalkonferenz der UNESCO ist die Welterbekonvention von 1972 immer noch das einzige internationale Rechtsinstrument, das darauf abzielt, das Kulturerbe und das Naturerbe zu schützen“ (Rössler 2002, S. 30). Das gilt auch heute noch, 40 Jahre nach Verabschiedung der Konvention, obwohl durch ihre Popularisierung der Eindruck entstanden ist, dass ihre Schutzfunktion hinter die kommerzialisierte Nutzung zurückgedrängt worden ist. In gleicher Weise gelten auch die 1972 formulierten politischen Erklärungen und Visionen sowie die zugrunde liegende Philosophie und deren globaler Kontext, die in der Präambel festgelegt worden sind. Es gelten ebenfalls die Kategorien für das, was durch die Konvention als Kultur- bzw. als Naturerbe bezeichnet wird. Nach Artikel 1 der Konvention gelten als Kulturerbe:
18 Siehe dazu Kapitel 2.2. 19 Siehe dazu Kapitel 2.3. 20 Sieht zu den Kriterien für die Beurteilung des außergewöhnlichen universellen Wertes Kapitel 2.2.
2.1 Kulturgüter/Naturgüter
19
„Denkmäler: Werke der Architektur, Großplastik und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“ (UNESCO 1972a, Art. 1).
In die Kategorie der Denkmäler fallen die zuvor gezeigten Stätten wie die Pyramiden von Giseh oder der Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt in Peking. „Ensembles: Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“ (ebd., Art. 1).
Ein Ensemble stellt insbesondere die Berliner Siedlung der Moderne dar. „ Stätten: Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“ (ebd., Art. 1).
Als Stätte ist die KZ-Gedenkstätte Ausschwitz-Birkenau ausgewiesen. Wie schon erwähnt, sind auf der aktuellen Liste des Welterbes 759 Kulturerbestätten verzeichnet. Naturerbe ist im Artikel 2 der Konvention definiert und mit 193 Stätten auf der Welterbeliste vertreten. Nach Artikel 2 gelten als Naturerbe: „Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungsformen oder -gruppen bestehen, welche aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind; geologische und physiografische Erscheinungsformen und genau abgegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind; Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.“ (UNESCO 1972a, Art. 2).
Die Fossillagerstätte Grube Messel steht bspw. für ein Naturgebilde, das aus wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert ist und Aufschluss über die frühe Evolution der Säugetiere gibt. Das Great Barrier Reef in Australien ist ein Beispiel für eine geologische und physiografische Erscheinungsform vor Naturerbe und bildet den Lebensraum für tausende Meeresorganismen. Das Putorana-Plateau in Russland ist eine Naturstätte, die wegen ihrer weitläufigen, unberührten Landschaft und natürlichen Schönheit 2010 in die UNESCO-Welterbeliste eingeschrieben wurde (UNESCO 2013a). Auf Grundlage der in Artikel 1 und 2 der Konvention definierten Güter wurden im Laufe der Jahre insbesondere die Kategorien er weitert, die das Kulturerbe betreffen. Die bekannteste und auch zunehmend stärker verwendete Kategorie ist die der Kulturlandschaft. Mechtild Rössler schreibt dazu:
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2 Was ist ein Welterbe?
„Die Aufnahme von Kulturlandschaften in die Welterbeliste war eine weitere Errungenschaft. In Erfüllung des Textes und der Philosophie der Konvention, die die ‚gemeinsamen Werke‘ von Mensch und Natur einbezieht, beschloss das Welterbekomitee im Dezember 1992 die Aufnahme von 3 Kategorien von Kulturlandschaften in die Operativen Leitlinien:²¹ klar definierte Landschaften, die vom Menschen bewusst geplant und geschaffen wurden; Landschaften, die sich organisch ent wickelt haben (ent weder als Relikt- oder als kontinuierliche Landschaft) und assoziative Kulturlandschaften“ (Rössler 2002, S. 30).
Gemäß der Operativen Leitlinien aus dem Jahr 1999 Paragraf 39 wird unter Kulturlandschaften Folgendes verstanden: Tab. 1: Die drei Kategorien von Welterbe-Kulturlandschaften (Rössler 2002, S. 31) Kategorie von Kulturlandschaft
Auszug aus Paragraf 39 der Operativen Leitlinien für die Umsetzung der Welterbekonvention
i
Am leichtesten zu identifizieren ist die klar definierte Landschaft, die vom Menschen mit Absicht geplant und geschaffen wurde. Diese Kategorie umfasst Garten- und Parklandschaften, die aus ästhetischen Gründen angelegt wurden und häufig (jedoch nicht immer) mit religiösen oder sonstigen Denkmälern und Ensembles verbunden sind.
ii
Die zweite Kategorie ist die Landschaft, die sich organisch ent wickelt hat. Sie geht ursprünglich auf soziale, wirtschaftliche, administrative und/oder religiöse Anforderungen zurück und ent wickelte ihre derzeitige Form in Verbindung mit ihrer natürlichen Umgebung und als Reaktion auf diese. Derartige Landschaften spiegeln diesen Evaluationsprozess in ihrer Form und ihren Komponenten wider. Sie lassen sich in zwei Unterkategorien untergliedern: – Eine Reliktlandschaft (oder fossile Landschaft) ist eine Landschaft, in der ein Ent wicklungsprozess zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit zu Ende ging, ent weder abrupt oder über einen längeren Zeitraum hinweg. Ihre bedeutenden Unterscheidungsmerkmale sind jedoch noch immer in materieller Form sichtbar. – Eine kontinuierliche Landschaft ist eine Landschaft, die weiterhin eine aktive soziale Rolle in der zeitgenössischen Gesellschaft spielt, die eng mit der traditionellen Lebensweise verbunden ist, und in der dieser Entwicklungsprozess noch andauert. Gleichzeitig enthält sie erhebliche materielle Hinweise auf ihre Ent wicklung über die Zeit.
iii
Die letzte Kategorie ist die assoziative Kulturlandschaft. Die Auf nahme derartiger Landschaften in die Welterbeliste lässt sich durch die starken religiösen, künstlerischen oder kulturellen Assoziationen des natürlichen Elements begründen und weniger durch materielle kulturelle Hinweise, die unbedeutend sein oder sogar fehlen können.
21 Die Operativen Leitlinien sind die Umsetzungsbestimmungen der Welterbekonvention. Sie wurden auf der Grundlage der Philosophie der Konvention von den Experten der Mitgliedsländer erarbeitet. Diese Richtlinien werden von den Komitees verabschiedet und fortlaufend angepasst.
2.1 Kulturgüter/Naturgüter
21
Abb. 2.7: Orangerie in Versailles
Die eingangs gezeigte Wachau ist eine Kulturlandschaft, die sich organisch entwickelt hat und sich im Kontext ihrer Nutzung auch kontinuierlich weiterentwickelt. Die Schlösser und Parks von Versailles (Abb. 2.7) in Frankreich mit ihren Bauten und weitläufigen geplanten Gärten sind eine vom Menschen gestaltete Landschaft. Das Schutzgebiet von Lopé-Okanda (Abb. 2.8) in Gabun wäre ein Beispiel für eine Reliktlandschaft. Die Landschaft verbindet das gut erhaltene Ökosystem des tropischen Regenwaldes mit der Reliktlandschaft der Savanne von Gabun, die Lebensraum für viele Menschen und Tiere während der Eiszeit war. Der Nationalpark von Uluru Kata-Tjuta (Abb. 2.9), einer der heiligsten Orte der Aborigines in Australien, ist ein Beispiel für eine assoziative Landschaft. Eine weitere Kategorie von Erbe, die sich direkt aus der Konvention herleitet, ist das sogenannte „Gemischte Kultur- und Naturerbe“. Als ein solches gelten nach Artikel 46 der aktuellen Leitlinien Güter, die die „Begriffsbestimmungen des Kulturund des Naturerbes nach Artikel 1 und 2 des Übereinkommens teilweise oder ganz erfüllen“ (UNESCO 2013b). Gemischte Stätten sind mit 29 Listeneinträgen unterrepräsentiert (UNESCO 2013a). Das mag einerseits am Mangel an solchen Stätten selbst liegen. Es mag aber auch einen Grund darin haben, dass das Nominierungsverfahren um vieles anspruchsvoller ist als der klare Bezug zu Kultur oder Natur. Repräsentative Beispiele für gemischte Stätten sind der Mont Perdido (Verlorener Berg) in den Pyrenäen (Abb. 2.10) und der Kakadu-Nationalpark (Abb. 2.11) in Australien.
22
2 Was ist ein Welterbe?
Abb. 2.8: Reliktlandschaft von Lopé-Okanda
Abb. 2.9: Nationalpark Uluru Kata-Tjuta in Australien
2.1 Kulturgüter/Naturgüter
Abb. 2.10: Blick auf den Mont Perdido (Pyrenäen)
Abb. 2.11: Felsmalereien der Aborigines im Kakadu National Park
23
24
2 Was ist ein Welterbe?
2.2 Begründungskriterien: Merkmale und Typen Die Welterbekonvention bezieht sich auf klar und eindeutig definierte Kultur- und Naturgüter, die aus verschiedenen, das Gut selbst erläuternden Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind. Bei den Denkmälern und Ensembles sind es geschichtliche, künstlerische oder wissenschaftliche Gründe, die zur Bewertung herangezogen werden, während der universelle Wert von Stätten aufgrund geschichtlicher, ästhetischer, ethnologischer oder anthropologischer Gründe festgelegt wird. Ähnliche Bewertungen finden sich bei den Naturgütern. Hier sind es ästhetische, wissenschaftliche und insbesondere Erhaltungsgründe, die zur Bestimmung des universellen Wertes herangezogen werden. In den Kriterien zur Begründung des außergewöhnlichen universellen Wertes finden sich weitere Differenzierungsmerkmale von Welterbestätten. In den Operativen Leitlinien, die zur Umsetzung der Welterbekonvention erarbeitet wurden²², ist der außergewöhnliche universelle Wert unter Art. 49 definiert. Dort heißt es: „Der außergewöhnliche universelle Wert bezeichnet eine kulturelle und/oder natürliche Bedeutung, die so außergewöhnlich ist, dass sie die nationalen Grenzen durchdringt und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Generationen der gesamten Menschheit von Bedeutung ist. Aus diesem Grunde ist der dauerhafte Schutz dieses Erbes von größter Bedeutung für die gesamte internationale Staatengemeinschaft. Das Komitee bestimmt die Kriterien für die Eintragung von Gütern in die Liste des Erbes der Welt.“ (UNESCO 2008a, Art. 49).
Um diesen Schutz wirksam zu erreichen, sind die Länder nach Art. 50 der Leitlinien aufgefordert, Listen mit Gütern von außergewöhnlichem universellem Wert zu erstellen und dem Welterbekomitee vorzulegen. Wenn ein Gut als Welterbe eingeschrieben wird, akzeptiert das Komitee nach Art. 51 diesen außergewöhnlichen universellen Wert zugleich als „die wichtigste Grundlage für den wirksamen Schutz und die wirksame Ver waltung des Gutes“. Im Art. 52 ist dann festgelegt, dass „das Übereinkommen nicht alle Güter von großem Interesse, Rang oder Wert schützen soll, sondern nur eine ausgewählte Anzahl der vom internationalen Standpunkt hervorragendsten Güter“. Diese dem Komitee letztlich „vorgelegten Anmeldungen sollen die uneingeschränkte Verpflichtung des Vertragsstaats zum Ausdruck bringen, das betreffende Erbe im Rahmen seiner Möglichkeiten zu erhalten. Diese Verpflichtung soll die Form geeigneter politischer, rechtlicher, wissenschaftlicher, technischer, ver waltungstechnischer und finanzieller Maßnahmen haben, die angenommen und vorgeschlagen werden, um das Gut und seinen außergewöhnlichen universellen Wert zu schützen.“ (UNESCO 2008a, Art. 50–53).
22 Die hier wiedergegebenen Leitlinien sind der 2., er weiterten Auflage des Welterbe-Manuals entnommen, das erstmals 2006 von den nationalen UNESCO-Kommissionen Deutschlands, Luxemburgs, Österreichs und der Schweiz herausgegeben wurde.
2.2 Begründungskriterien: Merkmale und Typen
25
Das Welterbekomitee betrachtet ein Gut als von außergewöhnlichem universellem Wert, wenn es mindestens einem oder auch mehreren der folgenden Kriterien entspricht. Ob und welche oder welches zutreffend sind oder ist, wird von den die UNESCO beratenden internationalen Fachorganisationen ICOMOS, IUCN und ICCROM geprüft. Angemeldete Güter sollten demnach: „i) ii)
ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen; für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Ent wick lung der Architektur oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen; iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen; iv) ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen; v) ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder der Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere, wenn diese unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht wird; vi) in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein. (Das Komitee ist der Ansicht, dass dieses Kriterium in der Regel nur in Verbindung mit anderen Kriterien angewandt werden sollte); vii) überragende Naturerscheinungen oder Gebiete von außergewöhnlicher Naturschönheit und ästhetischer Bedeutung auf weisen; viii) außergewöhnliche Beispiele der Hauptstufen der Erdgeschichte darstellen, darunter der Ent wicklung des Lebens, wesentlicher im Gang befindlicher geologischer Prozesse bei der Ent wicklung von Bodenformen oder wesentlicher geomorphologischer oder physiografischer Merkmale; ix) außergewöhnliche Beispiele bedeutender im Gang befindlicher ökologischer und biologischer Prozesse in der Evolution und Ent wicklung von Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeres-Ökosystemen sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften darstellen; x) die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutendsten und typischsten natürlichen Lebensräume, einschließlich solcher, die bedrohte Arten enthalten, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.“ (UNESCO 2008a, Art. 77).
Die 10 Kriterien selbst sind noch einmal unterschieden in Kriterien für Kulturgüter (i–vi) und für Naturgüter (vii–x). Während in den Kriterien für die Kulturerbestätten Merkmale beschrieben sind, sind für Naturerbestätten Typen genannt, was die Stringenz in der Anwendung wesentlich gefördert hat. In der Zeit von 1978 bis 2013 wurden die Kriterien auf die 981 Stätten wie in Tabelle 2 zu sehen verteilt. Dabei bestätigt die überproportionierte Ver wendung des Kriteriums (iv) noch einmal die eingangs formulierte Kritik am Eurozentrismus der Konvention.
26
2 Was ist ein Welterbe?
Tab. 2: Gesamtverteilung der von 1978 bis 2013 in die Welterbeliste eingeschriebenen Stätten unter Berücksichtigung der verwendeten Kriterien (eigene Darstellung) Kulturerbestätten Region
Anzahl der Stätten
Anzahl ver wendeter Kriterien Kriterium … i
ii
iii
iv
v
vi
Afrika Arabische Staaten Asien und Pazifik Europa und Nordamerika Lateinamerika und Karibik
48 68 154 399 90
7 16 53 132 21
14 27 89 219 44
35 45 104 162 37
19 44 89 294 70
14 20 20 54 15
23 22 60 88 13
Gesamt
759
229
393
383
516
123
206
Naturerbestätten Region
Afrika Arabische Staaten Asien und Pazifik Europa und Nordamerika Lateinamerika und Karibik Gesamt
Anzahl der Stätten
Anzahl ver wendeter Kriterien Kriterium … vii
viii
ix
x
36 4 57 60 36
22 0 33 38 21
6 1 20 38 12
19 1 34 25 23
30 3 34 24 29
193
114
77
102
120
Gemischte Stätten Region
Anzahl der Stätten
Anzahl ver wendeter Kriterien Kriterium … i
ii
iii
iv
v
vi
vii
viii
ix
x
Afrika Arabische Staaten Asien und Pazifik Europa und Nordamerika Lateinamerika und Karibik
4 2 10 10 3
1 1 2 4 2
0 0 2 3 0
2 2 5 8 3
2 0 3 6 1
1 1 3 6 0
0 0 7 2 0
3 2 8 8 2
1 1 4 3 0
2 0 3 4 3
3 0 6 3 2
Gesamt
29
10
5
20
12
11
9
23
9
12
14
2.3 Die Bedingungskriterien Authentizität und Integrität
27
2.3 Die Bedingungskriterien Authentizität und Integrität Bei Stätten, ob Natur- oder Kultur, die zum Welterbe nominiert werden sollen, müssen neben dem Nachweis von mindestens einem der 10 Begründungskriterien die beiden Bedingungskriterien Authentizität und Integrität erfüllt werden. Auch die Praxis im Umgang mit diesen Bedingungskriterien ist im Laufe der 40 Jahre weiterentwickelt worden. In den ersten Jahren der Implementierung der Konvention wurde Authentizität zunächst nur bei der Evaluierung von Kulturerbestätten herangezogen und Integrität nur für die Bewertung von Naturerbestätten ver wendet. Mit der Änderung der Operativen Leitlinien zur Umsetzung der Welterbekonvention im Jahr 2005²³ wurde der Nachweis der Integrität auch für Kulturerbestätten obligatorisch. Während das Konzept von Integrität bereits in den ersten Operativen Richtlinien von 1978 verwendet wurde, taucht der Begriff der Authentizität erstmals in der Charta von Venedig von 1964 auf und „setzte aufgrund des Multiplikators der UNESCOWelterbe-Vision 1972 zu einem Höhenflug an. 30 Jahre nach Venedig offenbarte der Begriff der Authentizität im Nara Document on Authenticity (in Japan 1994) im Spiegel postkolonialer und postmoderner Kritik seine plurale Anwendbarkeit und damit aber gleichzeitig seine ganze globale Widersprüchlichkeit und östlich wie westlich essentialistische Instrumentalisierbarkeit“ (Falser 2011, S. 1). Die Bedingungen für das Kriterium Integrität sind im Naturerbebereich sehr anschaulich mit Bezug zu den einschlägigen Kriterien (vii)–(x) beschrieben worden. Im Kulturerbebereich fehlen derart klare Vorgaben leider immer noch. Anhaltspunkte liefern nur die allgemeinen Ausführungen in Paragraf 88 der Leitlinien: „An der Unversehrtheit bemisst sich die Ganzheit und Intaktheit des Natur- und/oder Kulturguts und seiner Merkmale. Die Prüfung, ob die Bedingungen der Unversehrtheit erfüllt sind, erfordert daher eine Beurteilung, inwieweit das Gut a) alle Elemente, die notwendig sind, um seinen außergewöhnlichen universellen Wert zum Ausdruck zu bringen, umfasst; b) von angemessener Größe ist, um die Merkmale und Prozesse vollständig wiederzugeben, die die Bedeutung des Gutes ausmachen; c) unter den nachteiligen Auswirkungen von Ent wicklung und/oder Vernachlässigung leidet. Dies sollte in einer Erklärung zur Unversehrtheit dargestellt werden.“
Weitere Erläuterungen für das Bedingungskriterium Integrität werden außerdem in Paragraf 89 der Leitlinien gegeben: „Bei allen nach den Kriterien i bis vi angemeldeten Gütern sollte die physische Substanz des Gutes und/oder seiner besonderen Merkmale in gutem Zustand und die Auswirkungen der Verfallsprozesse unter Kontrolle sein. Ein wesentlicher Teil der Elemente, die erforderlich sind, um den Gesamtwert des Gutes zu verdeutlichen, sollte mit erfasst werden. In Kulturlandschaften,
23 Dies war die 14. Überarbeitung seit der ersten vom Welterbekomitee angenommenen Fassung von 1978.
28
2 Was ist ein Welterbe?
historischen Städten oder anderen belebten Gütern bestehende Beziehungen und dynamische Funktionen, die ihr besonderes Wesen ausmachen, sollten ebenfalls erhalten werden.“ (UNESCO 2008a, S. 224).
Aus den Arbeitsrichtlinien lässt sich grundsätzlich nur ableiten, dass die Schlüsselindikatoren für Integrität als eine qualifizierende Bedingung einer Stätte, ihren außergewöhnlich universellen Wert zu sichern und zu erhalten, Ganzheit und Intaktheit sind. Die Versuche, darüber hinaus auch für die sechs Kulturerbekriterien präzise und verbindliche Erläuterungen zu geben, sind bislang fehlgeschlagen. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass sich die Naturerbekriterien auf Typen beziehen, während die Kulturerbekriterien qualifizierende Merkmale festlegen. Die Diskussionen während diverser Expertentreffen zu dieser Thematik haben bislang keinen Eingang in die Arbeitsrichtlinien zur Umsetzung der Welterbekonvention gefunden. Das betrifft insbesondere auch die Beiträge repräsentativer Experten wie Jukka Jokiletho und Herbe Stovel. Jokiletho wollte Funktionale Integrität, Strukturelle Integrität und Visuelle Integrität als entscheidende Merkmale für den Nachweis der Integrität von Kulturerbestätten definiert wissen (Jokiletho 2008). Herb Stovel schrieb in „Effective Use of Authenticity and Integrity as a World Heritage Qualifying Conditions“: „Improving the state of conservation of World Heritage properties, namely that authenticity may be understood as the ability of a property to convey its significance over time, and integrity understood as the ability of a property to secure or sustain its significance over time“ (Stovel 2007, S. 21).
und schlug vor, in Hinblick auf präzise Anforderungen an den Nachweis der Bedingungskriterien analog dem Naturerbebereich ebenfalls Typen zu bilden. Er unterscheidet die Kulturerbestätten in Archäologische Stätten, Altstädte, Denkmäler und Ensembles sowie in Kulturlandschaften und benennt die jeweils zu erfüllenden Bedingungen für Ganzheit und Intaktheit als zentrale Prüfkriterien für den Nachweis der Integrität. Während er Authentizität als Eigenschaft einer Stätte versteht, ihre Bedeutung über die Zeit bewahrt zu haben, definiert er Integrität als Fähigkeit einer Stätte, ihre Bedeutung über die Zeit zu sichern und erhalten zu können. Obwohl Erläuterungen bis heute nicht per Beschluss des Welterbekomitees in den Richtlinien verankert sind und es keine exakten Definitionen gibt, ist insbesondere der von Jukka Jokiletho vorgeschlagene Ansatz praktiziert und als Bewertungsmaßstab von ICOMOS angelegt worden. Die größte Aufmerksamkeit hat dabei der Aspekt der visuellen Integrität bekommen aufgrund der akuten Gefährdung von Ansichten, Aussichten, Sichtachsen, Silhouetten und Panoramen durch Hochhausplanungen und Infrastrukturprojekte in Welterbestätten, ihren Pufferzonen und ihrer weiteren Umgebung. Der Kölner Dom wurde beispielsweise mit Hinweis auf die Gefährdung der visuellen Integrität im Jahr 2005 auf die Liste des Welterbes in Gefahr gesetzt. Ein Ergebnis des International World Heritage Expert Meeting on Integrity for Cultural Heritage in Al Ain, zu dem die Vereinigten Arabischen Emirate im März 2012 eingeladen hatten, ist die Empfehlung, den bestehenden Paragrafen 89 der Operativen
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen
29
Leitlinien von 2005 zu ergänzen. Ein konkreter Formulierungsvorschlag sieht eine Typisierung der Kulturerbestätten in a) Kulturlandschaften, b) Archäologische Stätten, c) Altstädte, d) Denkmäler und e) Ensembles vor (UNESCO 2012c). Beispielhaft werden für jeden Typ notwendige Merkmale und Bestandteile zum Nachweis der Integrität benannt. Die Begriffe Functional Integrity, Structural Integrity und Visual Integrity werden nicht ver wandt; es wird empfohlen, diese Aspekte in einem Annex zu den Leitlinien ergänzend zu erläutern. Die zentrale Empfehlung des International World Heritage Expert Meeting on Visual Integrity vom 6.–9. März 2013 im indischen Agra war es, auf die Ver wendung des Begriffs Visual Integrity zu verzichten, weil entsprechende Beeinträchtigungen nicht nur Auswirkungen auf die Integrität, sondern auch auf die Begründungskriterien (i)–(vi) sowie auf das Bedingungskriterium Authentizität und auf das Management einer Stätte haben können. Stattdessen wird die Verwendung der Formulierung „visuelle Qualitäten und Auswirkungen auf den außergewöhnlich universellen Wert (OUV) einer Stätte“ vorgeschlagen. Dringend wird geraten, sehr sorgfältig die Qualitäten (einschließlich der visuellen) und Eigenschaften einer Stätte zu bestimmen, die ihren außergewöhnlichen universellen Wert begründen.
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen Ergänzend zu den Definitionen von Kultur und Natur sowie den seit 1992 existierenden Kategorien für Kulturlandschaften gibt es Typologien, Themen und regional gefasste Chronologien. Diese sollen Antragstellern helfen, die Potenziale von Stätten zu identifizieren und festzuschreiben. Der hier in Tabelle 3 vorgestellte typologische Rahmen wurde bereits 2004 verabschiedet und ist bis heute gültig. Tab. 3: Typologischer Rahmen nach dem ICOMOS Filling the Gaps Report von 2004 Typologischer Rahmen Archäologisches Erbe
Steinmalerei-Stätten
Fossilienstätten
Historische Gebäude und Ensembles
Städtische und ländliche Siedlungen/ Historische Städte und Dörfer
Traditionelle Architektur
Religiöse Stätten
Landwirtschaftliche, industrielle und technologische Stätten
Militärische Stätten
Kulturlandschaften, Parks und Gärten
Kulturelle Routen
Begräbnisstätten
Symbolische Stätten und Denkmäler
Modernes Erbe
30
2 Was ist ein Welterbe?
So gehören von den eingangs genannten Erbestätten der Kaiserpalast zum Typ Historische Gebäude und Ensembles, die Grube Messel ist eine Fossilienstätte, die Pyramiden von Giseh werden dem Typ Archäologisches Erbe zugeordnet, die Gedenkstätte Ausschwitz-Birkenau repräsentiert den Typ Symbolische Stätten und Denkmäler, die Siedlungen der Moderne gehören zum Typ Modernes Erbe, während die Wachau als Kulturlandschaft eingetragen ist. Weitere Beispiele für Welterbetypen sind: Steinmalerei-Stätten, wie etwa die Höhlenmalereien im Tal der Vézère, Frankreich (Abb. 2.12). „The Vézère valley contains 147 prehistoric sites dating from the Palaeolithic and 25 decorated caves. It is particularly interesting from an ethnological and anthropological, as well as an aesthetic point of view because of its cave paintings, especially those of the Lascaux Cave, whose discovery in 1940 was of great importance for the history of prehistoric art. The hunting scenes show some 100 animal figures, which are remarkable for their detail, rich colours and lifelike quality.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 85).
Städtische und ländliche Siedlungen/Historische Städte und Dörfer wie die Altstadt von Goslar, Deutschland (Abb. 2.13). „Situated near the Rammelsberg Mines, Goslar held an important place in the Hanseatic League because of the rich Rammelsberg metallc ore depoisits. From the 10th to the 12th century it was the seat of the Holy Roman Empire of the German Nation. Its historic centre, dating from the Middle Ages, is perfectly preserved with some 1,500 semi-timbered houses between the 15th and 19th centuries.“ (WHC Nomination Documentation 1992, S. 1).
Kulturlandschaften und Archäologische Stätten, beispielsweise das Bamiyan Tal, Afghanistan (Abb. 2.14). „Criterion (i): The Buddha statues and the cave art in Bamiyan Valley are an outstanding representation of the Gandharan school in Buddhist art in the Central Asian region. Criterion (ii): The artistic and architectural remains of Bamiyan Valley, and an important Buddhist centre on the Silk Road, are an exceptional testimony to the interchange of Indian, Hellenistic, Roman, Sasanian influences as the basis for the development of a particular artistic expression in the Gandharan school. To this can be added the Islamic influence in a later period. Criterion (iii): The Bamiyan Valley bears an exceptional testimony to a cultural tradition in the Central Asian region, which has disappeared. Criterion (iv): The Bamiyan Valley is an outstanding example of a cultural landscape which illustrates a significant period in Buddhism. Criterion (vi): The Bamiyan Valley is the most monumental expression of the western Buddhism. It was an important centre of pilgrimage over many centuries. Due to their symbolic values, the monuments have suffered at different times of their existence, including the deliberate destruction in 2001, which shook the whole world.“ (WHC Nomination Documentation 2003, S. 1).
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen
Abb. 2.12: Höhlen im Tal der Vézère, Frankreich
Abb. 2.13: Altstadt von Goslar
31
32
2 Was ist ein Welterbe?
Abb. 2.14: Bamiyan-Tal in Afghanistan
Traditionelle Architektur, exemplarisch dargestellt am Kirchenbezirk Gammelstad in Luleå, Schweden (Abb. 2.15). „Gammelstad, at the head of the Gulf of Bothnia, is the best-preserved example of a ‚church village‘, a unique kind of village formerly found throughout northern Scandinavia. The 424 wooden houses, huddled round the early 15th-century stone church, were used only on Sundays and at religious festivals to house worshippers from the surrounding countryside who could not return home the same day because of the distance and difficult travelling conditions.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 762).
Landwirtschaftliche, industrielle und technologische Stätten, wie etwa die Semmeringbahn, Österreich (Abb. 2.16). „The Semmering Railway represents an outstanding technological solution to a major physical problem in the construction of early railways. The railway, built over 41 km of high mountains between 1848 and 1854, is one of the greatest feats of civil engineering from this pioneering phase of railway building. The high standard of the tunnels, viaducts and other works has ensured the continuous use of the line to the present day. Furthermore, with its construction, areas of great natural beauty became more easily accessible and as a result these were developed for residential and recreational use, creating a new form of cultural landscape.“ (WHC Nomination Documentation 1998, S. 1).
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen
Abb. 2.15: Kirchenbezirk Gammelstad in Lulea in Schweden
Abb. 2.16: Die Semmeringbahn, Österreich
33
34
2 Was ist ein Welterbe?
Militärische Stätten, wie zum Beispiel die Festungen und Schlösser der Kolonialzeit an der Volta-Mündung, in Accra, der Zentral- und der Westregion, Ghana (Abb. 2.17). „The remains of fortified trading-posts, erected between 1482 and 1786, can still be seen along the coast of Ghana between Keta and Beyin. They were links in the trade routes established by the Portuguese in many areas of the world during their era of great maritime exploration.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 34).
Kulturelle Routen, wie der Pilgerweg nach Santiago de Compostela, Spanien/Frankreich (Abb. 2.18). „Santiago de Compostela was proclaimed the first European Cultural itinerary by the Council of Europe in 1987. This route from the French-Spanish border was – and still is – taken by pilgrims to Santiago de Compostela. Some 1,800 buildings along the route, both religious and secular, are of great historic interest. The route played a fundamental role in encouraging cultural exchanges between the Iberian peninsula and the rest of Europe during the Middle Ages. It remains a testimony to the power of the Christian faith among people of all social classes and from all over Europe.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 669).
Begräbnisstätten, wie die Königsgräber der Choson-Dynastie, Südkorea (Abb. 2.19). „Criterion (iii): Within the context of Confucian cultures, the integrated approach of the Royal Tombs of Joseon to nature and the universe has resulted in a distinctive and significant funeral tradition. Through the application of pungsu principles and the retention of the natural landscape, a memorable type of sacred place has been created for the practice of ancestral rituals. Criterion (iv): The Royal Tombs of Joseon are an outstanding example of a type of architectural ensemble and landscape that illustrates a significant stage in the development of burial mounds within the context of Korean and East Asian tombs. The royal tombs, in their response to settings and in their unique (and regularized) configuration of buildings, structures and related elements, manifest and reinforce the centuries old tradition and living practice of ancestral worship through a prescribed series of rituals. Criterion (vi): The Royal Tombs of Joseon are directly associated with a living tradition of ancestral worship through the performance of prescribed rites. During the Joseon period, state ancestral rites were held regularly, and except for periods of political turmoil in the last century, they have been conducted on an annual basis by the Royal Family Organization and the worshipping society for each royal tomb.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 1319).
Der typologische Rahmen für Einschreibungen von Stätten wurde insbesondere in den Empfehlungen der Globalen Strategie der UNESCO²⁴ und in der Veröffentlichung
24 Siehe dazu insbesondere das Kapitel 3.3.
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen
35
Abb. 2.17: Festungen und Schlösser der Kolonialzeit an der Volta-Mündung, in Accra, der Zentralund der Westregion, Ghana
Abb. 2.18: Pilgerweg nach Santiago de Compostela (Spanien und Frankreich)
36
2 Was ist ein Welterbe?
Abb. 2.19: Königliche Gräber der Joseon-Dynastie in Südkorea
von ICOMOS Filling the Gaps²⁵ bemüht, um die Ungleichgewichte auf der Liste zwischen Europa und dem Rest der Welt etwas auszugleichen. Immerhin waren im Prozess der 40-jährigen Einschreibepraxis die Europa repräsentierenden Historischen Gebäude und Ensembles, die städtischen und ländlichen Siedlungen/Historische Städte oder Dörfer oder die christlichen religiösen Stätten völlig überrepräsentiert.²⁶ Er wurde andererseits auch im Kontext der fortwährenden Evaluierung der Global Strategy herangezogen, um Antragsteller zu motivieren, unterrepräsentierte Stätten besonders zu nominieren. Zum Beispiel formulierte der UNESCO External Auditor 2011, dass die Politik mit der Strategie: „To fill the gaps of cultural heritage identified in 2004“ dazu geführt habe, dass die Anzahl der Einschreibungen von „industrial heritage and 20th century properties, prehistoric and rock art, routes and cultural landscapes, as well as some vernacular architecture“ erhöht wurde, dass aber die letzte Kategorie nach wie vor sehr unterrepräsentiert ist (UNESCO 2011, S. 4). Der typologische Rahmen steht in engem Zusammenhang mit dem thematischen und dem chronologisch-regionalen Rahmen. Auch diese im Kontext der Globalen
25 Filling the Gaps ist eine Untersuchung, die von ICOMOS durchgeführt worden ist, um die Ungleichgewichte der Welterbestätten typologisch zu erfassen und sogenannte Gaps oder Lücken zu identifizieren. 26 Erstere nehmen nach dem Filling the Gaps – an Action Plan for the Future von 2005 18 % der gesamten Welterbeliste ein.
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen
37
Strategie erarbeiteten und weiterentwickelten inhaltlichen Vorgaben für Präzisierungen von Stätten sollen die Nominierungs- und Einschreibungsprozesse von Welterbe unterstützen. Der thematische Rahmen wurde bisher am weitesten von Jokiletho in der bereits mehrfach genannten Studie ausdifferenziert. Danach sollten für Nominierungen folgende thematische Kontexte beachtet werden (Jokilehto 2008, S. 17–18): 1) Expressions of Society a) Interacting and communicating i) Language, oral traditions, myths, song-lines ii) Social systems iii) Music, Dance, Sports iv) Literature, artistic references, theatre b) Cultural and symbolic associations i) Identity ii) Significant personalities iii) Memorials c) Developing knowledge i) Educating ii) Philosophy and science iii) Human health iv) Law and justice 2) Creative responses and continuity (Monuments, groups of buildings and sites) a) Domestic habitat b) Religious and commemorative architecture (temples, synagogues, churches, mosques, tombs, cemeteries, shrines, memorials) c) Pyramids, obelisks, minarets, belfries d) Castles, palaces, residences e) Governmental and public buildings (town halls, capitols, courthouses, post offices, main public squares) f) Educational and public welfare architecture (schools, universities, hospitals, sports structures, hammams, hotels, prisons, aqueducts, baths, etc.) g) Recreational architecture (theatres, auditoriums, athletic facilities, museums, libraries, depositories, etc.) h) Agricultural architecture (farms, barns, stables, silos, etc.) i) Commercial architecture (office buildings, banks, warehouses, etc.)
j) Industrial architecture (factories, mines, stores, refineries, power plants, water management, etc.) k) Military architecture i) Fortified boundaries ii) Forts, castles, fortified houses iii) Fortified cities l) Transport structures (roads, ports, canals, bridges) m) Cave dwellings n) Rock art, monumental painting o) Monumental sculpture, dolmens p) Equipping historic buildings i) Decoration, wall paintings, sculpture, stucco, mosaic, and furnishings ii) Works of art and collections iii) Fittings (windows, doors), special functional features or facilities q) Rural settlements r) Urban settlements i) Towns which are no longer inhabited ii) Inhabited urban areas iii) Colonial towns iv) Towns established in 19th–20th centuries s) Sacred sites i) Sacred forests and sacred trees ii) Sacred mountains iii) Sacred settlements iv) Cemeteries, necropolises t) Cultural Landscapes i) Parks and Gardens ii) Botanical and zoological gardens iii) Natural environment, seascapes iv) Organically evolved landscapes; v) Associative landscapes vi) Industrial landscapes 3) Spiritual Responses (Religions) a) Ancient and indigenous belief systems
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2 Was ist ein Welterbe?
i)
b)
c)
d) e) f) g)
h)
Ancient Middle East and Egypt (Mesopotamia, Iran) ii) Ancient Mediterranean (Greek, Hellenistic, Roman religions) iii) Indigenous belief systems in Europe iv) Indigenous belief systems in Asia – Pacific v) Indigenous belief systems in Africa vi) Indigenous belief systems in the Americas (Olmec, Inca, Maya, etc.) vii) Indigenous belief systems in the Arctic Region Hinduism and other South-Asian Religions i) Hinduism, Vedism, Brahmaism; ii) Vaisnavism, Saivism, Tantrism, Saktism, Jainism iii) Sikhism, Parsiism Buddhism i) Ashoka, Sri Lanka, Theravada, Mahayana, Prajñaparamita, Suddharma-pundarika, Vimalakirtinirdesha, Shurangama-samadhi, Zen Buddhism, Sukhavati-vyuha, Madhyamaka, Yogachara, Tantra ii) Chinese Buddhism, Pure Land, Ch’an, The Blossoming of schools iii) Japanese Buddhism, Zen Buddhism iv) Tibetan Buddhism v) Buddhism in the West Confucianism, Taoism, Shintoism, etc. Zoroastrianism Judaism Christianity i) Early Christian Church; Ethiopian Church ii) Orthodox Church iii) Catholic Church iv) Protestantism Islam i) The Khawarij, The Mutazilah ii) The Sunnah iii) The Shiah, Ismaili, Sufism
4) Utilising Natural Resources a) Agriculture and food production i) Irrigation systems
ii) Crop and flock farming iii) Hunting, gathering and fishing b) Mining and quarrying c) Manufacturing 5) Movement of Peoples a) Migration (incl. Slavery) b) Colonisation c) Nomadism and transhumance d) Cultural Routes i) Pilgrimage routes, commercial and trade routes, heritage routes ii) Pilgrimage places and places of origin e) Systems of transportation and Trade i) Centres of trade and exchange of goods ii) Caravan routes, oases iii) Land road transport, bridges iv) Water transport, navigation, ports, canals v) Railroads, stations, tunnels, viaducts vi) Aviation and airports 6) Developing Technologies a) Converting and utilising energy i) Wind power, windmills ii) Water energy, water as power source, watermills; dam construction, etc. iii) Seam, coal, gas, petroleum, electric power iv) Thermonuclear, space-age technology b) Processing information and communicating i) Writing, inscriptions, manuscripts; archives ii) Post, telegraph, telephone, radio and TV systems, satellite communication systems iii) Astrology and astronomy c) Technology in urban community i) Infrastructures (water-supply, sanitation, electric power, etc.) ii) Urban transportation systems iii) Construction technology d) Handicraft and industrial technologies
2.4 Typologische, thematische und regional-chronologische Betrachtungen
39
Ob diese Themen tatsächlich in der Nominierungspraxis berücksichtigt werden, ist schwer einzuschätzen, da es zu dieser Empfehlung keine Evaluationen gibt. Bekannt ist lediglich, dass die Generalversammlung der Mitgliedsstaaten zur Welterbekonvention auf ihrer 18. Sitzung im Jahre 2011 Arbeitsgruppen mit der Beteiligung diverser Experten aus unterschiedlichen Regionen der Welt einrichtete, mit dem Ziel, die existierenden Tentativlisten der Länder im Hinblick auf ihre thematischen Ausrichtungen zu evaluieren. Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen sind bisher nicht vorgestellt worden (ICOMOS 2004, S. 16). Chronological-Regional Framework I.
Early Evolution of Humans
II.
Near and Middle East, North Africa 1. Mesopotamia 2. Egypt 3. Ancient Anatolia 4. Phoenician civilisation in the Mediterranean and Ancient North Africa 5. Near Eastern Kingdoms 6. Ancient Iran 7. Persian Empires 8. Empire of Alexander the Great, Hellenistic period 9. Roman Empire, 10. Byzantine Empire 11. Arabia and related states 12. Caliphates in the Near and Middle East and Egypt 13. The Maghreb 14. Seljuk Empire (1038–1279) 15. Ottoman Empire (1300–1922)
III.
Europe 1. Aegean, Minoan and Mycenaean civilisations 2. Greek City States and Classical Greece 3. Empire of Alexander the Great and the Hellenistic period 4. Early Non-Classical Europe 5. Rome and Roman Empire 6. Byzantine Empire (4th CE – 1453) 7. Eastern Medieval Europe 8. Southern Medieval Europe
9.
Western and Northern Medieval Europe 10. 15th–16th centuries (Renaissance, Religious Discords) 11. 17th–18th centuries (Absolutism, Age of Reason) 12. Europe from the French Revolution to the First World War IV.
Asia 1. Indian subcontinent 2. South-East Asia 3. East Asia (Far East) 4. Central Asia
V.
The Pacific and Australia 1. Australia 2. New Zealand 3. Melanesia 4. Micronesia 5. Polynesia
VI.
Sub-Saharan Africa 1. West Africa 2. Nilotic Sudan and Ethiopia 3. East Africa and Madagascar 4. Central Africa 5. Southern Africa
VII. The Americas 1. North America 2. Mesoamerica 3. The Caribbean 4. South America VIII. The Arctic and Antarctic Regions IX.
The Modern World
40
2 Was ist ein Welterbe?
Insgesamt ist daher, bezogen auf die Themen und die regionale-chronologische Unterscheidung von Stätten, keine endgültige Aussage zu treffen, obwohl Jokiletho in der genannten Veröffentlichung gerade für eine diesbezügliche Umsetzung Empfehlungen formuliert und sogar exemplarisch präsentiert hat. Er stellt nämlich in diesen Empfehlungen nicht nur Zusammenhänge zwischen Themen und Kriterien her (Kapitel III), sondern schlägt auch Abläufe vor. Er schreibt: „Identification of the meaning and relative value of a property should start with the identification of the themes, then proceed to the chronological-regional assessment, and finally define the typology to proposed, whether for a monument, an ensemble or a site.“ (Jokilehto 2008, S. 16).
2.5 Management-Anforderungen Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt wird in erster Linie über die Welterbeliste wahrgenommen. Ihr Anliegen aber ist, wie schon ihr Titel deutlich macht, die Pflege und Erhaltung der Stätten mit außergewöhnlichem universellem Wert. Sie ist keine Rangliste herausragender touristischer Destinationen. Als Flagship-List steht die Welterbeliste für den umfassenden Erhaltungsansatz der Welterbekonvention und die sich aus der Ratifizierung durch die Vertragsstaaten ergebenden Pflegeverpflichtung, nicht nur für die Stätten von außergewöhnlichem universellem Wert zu sorgen, sondern auch das Kultur- und Naturerbe zu pflegen, das die Kriterien der Konvention nicht erfüllt. Voraussetzung für die Weitergabe des kulturellen und natürlichen Erbes an die künftigen Generationen ist die Bewahrung von Integrität und Authentizität sowie der Werte und Attribute, die den außergewöhnlichen universellen Wert begründen. Angesichts der – wie in der Präambel der Welterbekonvention nach wie vor gültig formuliert – Gefährdungen, denen das Kultur- und Naturerbe ausgesetzt ist, ist verantwortungsvolles und konzertiertes Handeln notwendig. Bereits die erste Fassung der Richtlinien zur Umsetzung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt aus dem Jahr 1977 (UNESCO 1977b, S. 9. Paragraf 14.iv) ver weist deshalb ausdrücklich auf Managementpläne, um bereits im Rahmen der Antragstellung deutlich zu machen, wie Schutz und Erhaltung sichergestellt werden bzw. werden sollen. Ein Managementplan für eine Welterbestätte ist ein integriertes Planungs- und Handlungskonzept zur Festlegung der Ziele und Maßnahmen, mit denen der Schutz, die Pflege, die Nutzung und Entwicklung von Welterbestätten ver wirklicht werden sollen. Mit der am 1. Februar 2005 in Kraft getretenen Fassung der Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (UNESCO 2008a) ist er für eingetragene Welterbestätten zwingend erforderlich. Als wesentliche Bausteine eines Managementplans werden in den Richtlinien genannt:
2.5 Management-Anforderungen
– –
41
Schutzmaßnahmen durch Gesetze, sonstige Vorschriften und Verträge, Festlegung von Grenzen für wirksamen Schutz, Pufferzonen, Verwaltungssysteme und nachhaltige Nutzung.
Form und Inhalt eines Managementplans für eine Welterbestätte ergeben sich zudem aus der Empfehlung betreffend den Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene (UNESCO 1972b) und aus dem Fragenkatalog der in den Jahren 2004/2005 für Europa und Nordamerika erstmals durchgeführten periodischen Berichterstattung.²⁷ Eine knappe Darstellung des Managements ist seit 2007 auch Teil der Erklärung zum außergewöhnlichen universellen Wert, die inzwischen für jede Welterbestätte vorliegt. Der allgemeine Rahmen und die langfristigen Perspektiven in Hinblick auf die zur Erhaltung des OUV notwendigen Schutzinstrumente und Erhaltungsmaßnahmen sind kurz zu erläutern. Der Managementplan selbst sollte erschöpfend Auskunft geben über die Grundlagen und Instrumente zur Sicherung des außergewöhnlichen universellen Wertes einer Stätte. Neben der Darstellung des außergewöhnlichen universellen Wertes und der Feststellung der Echtheit und/oder Unversehrtheit, die dem Text vorangestellt werden sollten, und den genannten zentralen Bausteinen sollte er Aussagen zum Erhaltungszustand, zum Gefährdungspotenzial und zur Über wachung enthalten, zu Wissenschaft und Forschung und zu finanziellen Ressourcen, zur Zahl und Qualifikation der Mitarbeiter bzw. der beteiligten Institutionen, zu Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, zu Bewusstseinsbildung und Vermittlung, zu Besucherzahlen und Besucherlenkung sowie zu Tourismus- und Verkehrskonzepten. Es gibt inzwischen verschiedene Handreichungen zu Managementplänen (Ringbeck 2008). Ein verbindliches Muster oder Inhaltsverzeichnis des Welterbezentrums und der Beratungsorganisationen für einen Managementplan existiert nicht. Seine Inhalte orientieren sich an der jeweiligen Welterbestätte und ihren Besonderheiten sowie den Gesetzen und Verfahren auf nationaler oder auch regionaler Ebene. Die er wähnte Empfehlung zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene macht auch deutlich, dass dem Erhaltungsanspruch und der Pflegeverpflichtung der Welterbekonvention ein integrativer Ansatz mit einem rechtlichen Schutzinstrumentarium auf nationaler Ebene zugrunde liegt, der sowohl für die Stätten von außergewöhnlichem universellem Wert als auch für das Erbe von „nur“ nationaler oder regionaler Bedeutung gilt. Die Unterzeichnung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt ist in erster Linie eine Selbstverpflichtung, die im Land bestehenden gesetzlichen Regelungen und Verfahren einzuhalten und anzuwenden.
27 Siehe hierzu UNESCO World Heritage Reports 20: Periodic Report and Action Plan, Europe 2005–2006. Online: http://whc.unesco.org/documents/publi_wh_papers_20_en.pdf (letzter Zugriff: 21. 05. 2014).
42
2 Was ist ein Welterbe?
2.6 Die Liste des Welterbes in Gefahr Die Welterbekonvention wurde am 16. November 1972 u. a. deswegen verabschiedet, weil: „das Kulturerbe und das Naturerbe zunehmend von Zerstörung bedroht sind, nicht nur durch die herkömmlichen Verfallsursachen, sondern auch durch den Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, der durch noch verhängnisvollere Formen der Beschädigung oder Zerstörung die Lage verschlimmert“ (UNESCO 1972a, Präambel).
Die Gründe, die die internationale Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg dazu bewogen haben, das Erbe der Menschen, das über einen außergewöhnlichen Wert verfügt, zu schützen, wurden deshalb einleitend dargelegt. Hier soll nun aufgezeigt werden, worin potenzielle und reale Gefahren für das Welterbe bestehen und wie sie sich auswirken. Auch soll gezeigt werden, welche Möglichkeiten des Schutzes durch das Instrument der Liste des gefährdeten Erbes der Welt, die im Artikel 11 Abs. 4 der Welterbekonvention festgeschrieben ist, bestehen. Herkömmliche Schäden, das heißt ein alters- oder nutzungsbedingter Verfall von Kultur- und Naturgütern, gehören zu den üblichen Begleiterscheinen jeder Nutzung, seien sie aktiv durch Menschen direkt erzeugt oder nur einem altersbedingten Verfall geschuldet. Es müssen also nicht kriegerische oder andere machtpolitisch motivierte Zerstörungsabsichten sein, wie sie etwa mit der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten verhindert werden sollen²⁸, die Erbe in Gefahr bringen. Insofern visionierten die Begründer der Welterbekonvention einen ganz normalen Verschleißprozess von materiellen Gütern. Die Weitsicht der Väter und Mütter der Konvention bestand aber auch darin, solche potenziellen Zerstörungsfaktoren von Kultur- und Naturgütern vorauszusehen, die einem Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse geschuldet sind. Viele Auswirkungen von Modernisierungsprozessen, die die Städtebaupolitik der 60er und 70er und die damit einhergehende Verlusterfahrung gekennzeichnet haben, sind zeitversetzt in den Ländern zu beobachten, in denen heute die Industrie boomt.²⁹ Der Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie normale altersbedingte Verfallsursachen von Erbe haben zur Einrichtung der Liste des gefährdeten Erbes der Welt geführt. Die Liste bietet betroffenen Regierungen die Möglichkeit, bei Gefährdungen der Authentizität oder Integrität von Stätten³⁰ sowie bei Gefährdungen
28 Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten wurde 1954 als Antwort auf die Kriegszerstörungen verabschiedet. Sie befindet sich in der Anlage Dokumente. 29 Für eine ausführliche Diskussion über die Auswirkungen der gesellschaftlichen Ent wicklungen auf Erbe siehe Kapitel 3. 30 Siehe Kapitel 2.3.
2.6 Die Liste des Welterbes in Gefahr
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des OUV ³¹ im Fall einer entsprechenden Eintragung der gefährdeten Stätte in diese Liste besondere Schutzmaßnahmen für die betroffene Stätte in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der allgemeinen Schutzfunktion für alle Stätten des Welterbes, die in der Konvention festgelegt ist, gibt sie dem Welterbekomitee auch die Möglichkeit, eine Stätte gegen den erklärten Willen des Mitgliedstaates mittels der Liste besonders zu schützen. Deshalb ist zu betonen, dass die Liste des gefährdeten Erbes der Welt eine besondere Schutzmaßnahme ist. Ihr Ziel besteht darin, solchen gefährdeten Stätten besondere Aufmerksamkeit, politische und finanzielle Unterstützung und besondere Beratung zu bieten.
Abb. 2.20: Platz der zerstörten Bhuddastatuen im Bamiyan-Tal in Afgahnistan
Das markanteste Beispiel für diese Liste sind die Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal (Abb. 2.20) in Afghanistan. Durch die Taliban im Jahre 2001 zerstört, einschließlich der leeren Nischen und der verbliebenen archäologischen Stätte im Jahr 2003 als Welterbe eingeschrieben und zugleich auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt gesetzt. Die Begründung für die Einschreibung war: „Criterion (i): The Buddha statues and the cave art in Bamiyan Valley are an outstanding representation of the Gandharan school in Buddhist art in the Central Asian region. Criterion (ii):
31 Siehe Kapitel 2.2.
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2 Was ist ein Welterbe?
The artistic and architectural remains of Bamiyan Valley, an important Buddhist centre on the Silk Road, are an exceptional testimony to the interchange of Indian, Hellenistic, Roman and Sasanian influences as the basis for the development of a particular artistic expression in the Gandharan school. To this can be added the Islamic influence in a later period. Criterion (iii): The Bamiyan Valley bears an exceptional testimony to a cultural tradition in the Central Asian region, which has disappeared. Criterion (iv): The Bamiyan Valley is an outstanding example of a cultural landscape which illustrates a significant period in Buddhism. Criterion (vi): The Bamiyan Valley is the most monumental expression of the western Buddhism. It was an important centre of pilgrimage over many centuries. Due to their symbolic values, the monuments have suffered at different times of their existence, including the deliberate destruction in 2001, which shook the whole world.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 208).
Im Laufe des Verfahrens bat die afghanische Regierung das Welterbekomitee, die Stätte auf der List of World Heritage in Danger einzutragen, denn „it is threatened by serious and specific danger, and because major operations are necessary for its conservation.“ (ICOMOS 2003a, S. 3). Die Einschreibung der Buddha-Statuen in die Liste des Welterbes und zugleich ihr Eintrag in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt hatte international eine ausgesprochen positive Signalwirkung und trug nicht zuletzt dazu bei, die internationale Gemeinschaft zur Zusammenarbeit bei der Restaurierung des gesamten Tales zu mobilisieren. Andererseits mussten einige Stätten in Deutschland erst Erfahrungen mit dem Instrument der Liste des Welterbes in Gefahr machen, um das vorhandene Erbe auch vor wirtschaftlich und/oder politisch motivierten Gefährdungen zu schützen. Als herausragende Beispiele in Deutschland sind der Kölner Dom (Abb. 2.21) und Potsdam zu nennen. In Köln, Potsdam und Wien gefährdeten Modernisierungskonzepte, einhergehend mit dem allseits bekannten Bauboom an Hochhäusern, die Integrität der Stätten. Der Kölner Dom wurde Juli 2004 auf der 28. Sitzung des Welterbekomitees in Suzhou, China, auf die Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt, da ICOMOS Deutschland schon im Februar 2003 Bedenken gegen den Entwicklungsplan für einen Hochhauskomplex, bestehend aus 5 Büro- und Hoteltürmen in Köln-Deutz, geäußert hatte.³² Dieser Komplex sollte zwischen 100 und 120 Meter hoch sein und hätte die visuelle Integrität des Doms gestört. Das geplante Ensemble von Hochhäusern war Ergebnis des Architektur-
32 „The World Heritage Committee, Regrets that the German authorities had not provided the information concerning the high-rise building projects in time, in accordance with paragraph 56 of the Operational Guidelines (2002); Noting the information provided on the current situation at the site, including the announcement to continue with the implementation of the construction project, Regrets that the State Party has not yet designated a buffer zone for the property despite the Committee’s request at the time of the inscription; Urges the City of Cologne to reconsider the current building plans as to their visual impact on the World Heritage property of Cologne Cathedral and requests that any new construction should respect the visual integrity of the property, […] Decides to inscribe Cologne Cathedral on the List of World Heritage in Danger.“ (UNESCO 2004, S. 116).
2.6 Die Liste des Welterbes in Gefahr
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Abb. 2.21: Kölner Dom
wettbewerbs „ICE-Terminal Deutz“ (ICOMOS 2003b), das jedoch dem Welterbekomitee nicht bekannt war. Das Komitee verlangte Anpassungsmaßnahmen an die visuelle Integrität und darüber hinaus die Festlegung einer Pufferzone, die für die Stätte noch nicht vorgelegt worden war (UNESCO 2004, S. 116). Die Maßnahme wirkte, die Pläne wurden geändert und die Pufferzone festgelegt, sodass das Komitee auf seiner 30. Tagung in Vilnius entschied, den Kölner Dom aus der Liste des gefährdeten Erbes wieder herauszunehmen (DUK 2006 und Ringbeck 2006). Ähnlich wirkungsvoll war das Instrument der Liste des gefährdeten Welterbes bei dem geplanten „Potsdam Center“ im Jahr 1997, das ebenfalls die visuelle Integrität der Schlösser und Parks von Potsdam bedrohte (UNESCO 1997a, S. 27 ff.). Auch beim historischen Zentrum von Wien musste das Welterbekomitee 2002 mittels der Liste darauf einwirken, dass die groß angelegten Neubauten auf die Pufferzone beschränkt blieben (UNESCO 2002, S. 37).
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2 Was ist ein Welterbe?
Die Diskussion um Dresden ist in bleibender Erinnerung, gerade weil die Landesund Stadtregierung es nicht verstanden, die Schutzpotenziale, die die Liste des gefährdeten Erbes der Welt vorsieht, zu nutzen. Dresden wurde 2004 als Welterbe eingetragen. Die Stätte wurde 2006 auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt gesetzt und 2009 als erste Kulturerbestätte gegen das Votum Deutschlands von der Liste gestrichen.³³ Derzeit sind 44 Stätten in der Liste des gefährdeten Erbes der Welt eingetragen. Davon sind 18 Naturerbestätten und 26 Kulturerbestätten. Von diesen sind 7 Stätten wegen Verletzung der Integrität bspw. durch Hochhäuser in den Kern- oder Pufferzonen in Gefahr, den OUV zu verlieren, so wie bspw. Liverpool ihn gerade verloren hat.³⁴ 5 Stätten sind aufgrund von Umwelteinflüssen oder sonstigen Auswirkungen des Klimawandels gefährdet. Weitere 14 Stätten sind durch politische oder bewaffnete Konflikte in Gefahr geraten. Mit 30 Stätten machen den Großteil auf der Liste des gefährdeten Erbes der Welt bzw. Roten Liste jedoch jene aus, bei denen die beteiligten Akteure auf unterschiedlichen fachlichen und finanziellen Ebenen nicht über entsprechende Möglichkeiten eines nachhaltigen und gemäß der Begründungs- und Bedingungskriterien erforderlichen Schutzes der Stätten verfügen. Gerade für solche Stätten ist Liste des gefährdeten Erbes der Welt ein hervorragendes Instrument.
33 Siehe dazu ausführliche Erläuterungen und Bilder im Kapitel 3.2. 34 Einschreibung in die Rote Liste im Jahre 2012: „Considers that the proposed development of Liverpool Waters constitutes a potential danger to the World Heritage property and, therefore, decides to inscribe Liverpool – Maritime Mercantile City (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland) on the List of World Heritage in Danger, with the possibility of deletion of the property from the World Heritage List, should the current project be approved and implemented.“ (UNESCO 2012b, S. 133).
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit Die historischen, sozialen, politischen aber auch sozio-ökonomischen Entwicklungen zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts, die zur Formulierung und Verabschiedung der Welterbekonvention geführt haben, werden aus denkmalpflegerischer, historischer oder sozialwissenschaftlicher Sicht unterschiedlich eingeschätzt.³⁵ Zugrunde liegen jeweils disziplinär einschlägige und erkenntnistheoretisch ausformulierte Interessen. Wir gehen hier einerseits historisch vor, indem wir bei den gesellschaftlichen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg ansetzen und daraus die Interessen am Schutz von Kultur- und Naturgütern herleiten. Wir reflektieren diese Entwicklungen aber zugleich kritisch-analytisch, um sie politisch und paradigmatisch einordnen zu können. Wir gehen davon aus, dass durch die massiven Kriegszerstörungen der materiellen Infrastruktur von Gesellschaften die Einsicht in die Notwendigkeit des Schutzes des materiellen kulturellen Erbes von Gesellschaften gewachsen ist. In diesem Krieg war wieder einmal deutlich geworden, dass die Durchsetzung politischer und militärischer Interessen und Ziele auch vor der Vernichtung von materiellem Erbe nicht halt gemacht hatte.³⁶ Seit langer Zeit ist bekannt, dass materielles kulturelles Erbe identitätsstiftend ist und dass die Zerstörung von Erbe immer auch mit dem Ziel der Zerstörung von Identität einhergeht.³⁷ Dazu schreibt der renommierte Denkmalpfleger Marian Arszynsky aus Torún in Polen in der Einleitung zu seinem Essay über die Vergegenwärtigung der ordenszeitlichen Vergangenheit des Preußenlandes und die Erweckung des Interesses für seine Kunstdenkmäler und ihre Pflege 2012. In der „Vergegenwärtigung der Vergangenheit [ist, d. V.] die geschichtliche Memoria als eine der wichtigsten Triebkräfte der gesellschaftlichen und politischen Prozesse anerkannt worden“ (Arszynski 2012, S. 587). Insofern waren es solche Schlüsselerfahrungen mit der Zerstörung von Kulturgütern, die die Völkergemeinschaft motivierten, Instrumente zum Schutz von kulturellem Erbe zu entwickeln und international zu verankern (Albert 2006).³⁸
35 Hier ist insbesondere auf die Veröffentlichung von Christina Cameron und Mechtild Rössler „Many Voices, One Vision: The Early Years of the World Heritage Convention“ aus dem Jahr 2013 hinzuweisen. In dieser Veröffentlichung werden Initiatoren, Gründer und Ideengeber der Welterbekonvention befragt. Analog der jeweiligen Herkunft und entsprechender Sichten visionieren die Befragten vielfältig. 36 Ausführlich wurde dieser Aspekt von der Mitautorin M.-T. Albert in der Veröffentlichung Natur und Kultur diskutiert (Siehe Albert 2002). 37 Eine erste offizielle internationale Anerkennung erhielt das materielle Kulturerbe als Träger und Mittler für die Identitäten der Zukunft durch die Verabschiedung der Charta von Athen 1931. Sie gilt seither als Manifest für die Erhaltung von Kulturdenkmälern und für eine städtebaulich orientierte Denkmalpflege. Sie ist Vorläufer der Charta von Venedig von 1964, die seither das Verständnis von Authentizität in der Denkmalpflege grundlegend prägt. 38 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema materielles Erbe und Identitätsstiftung wurde von der Mitautorin M.-T. Albert in der Veröffentlichung Kultur, Erbe, Identität aus dem Jahr 2006 geführt.
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2 Was ist ein Welterbe?
Zum anderen waren es auch Erfahrungen mit Modernisierungsprozessen von Gesellschaften aus den 50er, 60er und 70er Jahren, die Kultur- und Naturgüterschutz erforderlich machten. Die Modernisierungsprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg hatten dazu geführt, dass materielle Kultur immer weniger hinsichtlich ihrer authentischen Strukturen und Materialien gewertet wurde, sondern dass die Bewertung von sogenannten cultural properties oder Kulturgütern³⁹ auf Funktionalität reduziert wurde. In der Folge wurden Gebäude und ganze Stadtviertel abgerissen, um sie entsprechend des in dieser Zeit dominierenden funktionalistischen Ver wertungsinteresses von materieller Kultur wieder aufzubauen. Mit der Verabschiedung der Welterbekonvention sollte materielle Kultur auch gegenüber diesen Entwicklungen geschützt werden. Das wurde bereits in der Einleitung und im vorausgehenden Kapitel dieses Buches sowie in der Präambel der Welterbekonvention hervorgehoben. Der Schutz von kulturellem und natürlichem Erbe kann daher im historischen Prozess als ein Anliegen der Völker der Welt gewertet werden, das durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges neuen Auftrieb erhielt.
3.1 Wie alles begann Wie zuvor erwähnt, hatten die Krieg führenden Länder vor der Zerstörung kulturellen Erbes keinen Halt gemacht. Sie hatten Monumente und ganze Städte vernichtet, um die Identifikationen der Menschen mit den ideellen und materiellen Produkten ihrer Vergangenheit zu zerstören und Leerstellen für die Oktroyierung ihrer neuen Ideologien und/oder politischen Strategien zu erzeugen. Als markante Beispiele dafür sind die alte polnische Königsstadt Warschau und Dresden zu nennen. Warschau wurde von den Nazis mindestens zweimal zerstört (Abb. 3.1), einmal beim ersten Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen Ende 1939 und dann nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands im August 1944. Ca. 85 % der Stadt wurden vernichtet und schätzungsweise 700.000 Einwohner kamen ums Leben. Der Wiederaufbau von Warschau nach dem Krieg dauerte fünf Jahre und gilt als eine der größten kulturellen Leistungen der Nachkriegsära. Er stiftete dem Land und seiner Bevölkerung bis heute ein hohes Maß an kultureller Identität. Seit 1980 gehört die Warschauer Altstadt (Abb. 3.2) zum Weltkulturerbe und ist damit international als außergewöhnliches Erbe der Menschheit anerkannt. Die Zerstörung von Dresden (Abb. 3.3) durch die Alliierten im Februar 1945 war politisch-ideologisch völlig anders motiviert. Dennoch ging es auch hier darum, materielles Erbe zu zerstören, um die Identifikationen der Menschen mit den Objekten, die natürlich auch die sie tragenden Kulturen und Systeme repräsentierten, zu vernichten.
39 Der Begriff ist aus der Haager Konvention übernommen. Diese befindet sich in der Anlage Dokumente und wird im Kapitel Die Liste des Welterbes in Gefahr näher besprochen.
3.1 Wie alles begann
Abb. 3.1: Warschau in Trümmern
Abb. 3.2: Restauriertes Warschau
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Abb. 3.3: Dresden in Trümmern. 1945 wurde Dresden von den Alliierten bombardiert und ein großer Teil der Altstadt zerstört
Auch Dresden hatte sich zu einem gesellschaftlichen und kulturellen Zentrum herausgebildet, das seit dem 17. Jahrhundert eine kontinuierliche industrielle, infrastrukturelle und geistige Entwicklung sowie eine Vielzahl prachtvoller Gebäude aufzuweisen hatte. Und wenngleich die Bevölkerung Dresdens nicht mehr und nicht weniger nationalsozialistisch war als der Rest Deutschlands, wurde die Stadt noch im Februar 1945 durch die Alliierten bombardiert. Es wurden ca. 25 % der Stadtfläche zerstört und eine bis heute nicht eindeutig belegte Anzahl von Menschen starb. Viele weitere Beispiele ließen sich finden, die mit den bereits genannten verdeutlichen können, dass die Zerstörung von Kulturen Bestandteil der historischen Entwicklung der Menschheit ist, die sich bis hinein in die Gegenwart erstreckt. Die Zerstörung von materieller und immaterieller Kultur zielt auf die Vernichtung von Identität. Deshalb ist die Erhaltung von materieller und immaterieller Kultur wichtig, um auch individuelle und kollektive Identität nachhaltig zu schützen. So formulierte schon John Ruskin 1849: „Kümmert euch um eure Denkmäler, und ihr werdet nicht nötig haben, sie wiederherzustellen. […] Bewacht ein altes Bauwerk mit ängstlicher Sorgfalt; […] zählt seine Steine wie die Edelsteine einer Krone; stellt Wachen ringsherum auf, wie an den Toren einer belagerten Stadt […] Tut dies alles zärtlich und ehrfurchtsvoll und unermüdlich, und noch manches Geschlecht wird unter seinem Schatten erstehen, leben und wieder vergehen.“ (Zitiert nach Huse 2006 [1984], S. 91).
3.1 Wie alles begann
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Zerstörung von Erbe und Zerstörung von Identität war im Zweiten Weltkrieg evidenter denn je und hat die Völkergemeinschaft in der Nachkriegsära für die Gestaltung eines friedvollen Zusammenlebens mobilisiert.⁴⁰ Dabei haben die Zerstörungsaktionen der sich bekämpfenden Staaten international ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass auch und gerade materielle Kulturgüter geschützt werden müssen, repräsentieren sie doch die Schaffenskraft von Menschen und damit ein breites Spektrum des kulturellen Erbes der Völker. Deshalb wundert es nicht, dass viele Initiativen der sich schon 1945 gründenden Vereinten Nationen (UNO)⁴¹ und der im gleichen Jahr als eine Sonderorganisation der UNO gegründeten UNESCO dem Schutz materieller Kulturgüter gewidmet sind. Es wurde eine Reihe von normativen Instrumenten verabschiedet, die der Völkergemeinschaft die legitime Basis für die im Laufe der folgenden Jahre einsetzenden Schutzaktionen von Kulturgütern verschafften. In der Verfassung der UNESCO heißt es dazu in Artikel 1: „Ziel der UNESCO ist es, durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beizutragen, um in der ganzen Welt die Achtung vor Recht und Gerechtigkeit, vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu stärken, die den Völkern der Welt ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder Religion durch die Charta der Vereinten Nationen bestätigt worden sind.“ (UNESCO 1945, Art. 1 Abs. 1).
Um dieses Ziel zu realisieren, ist das Bewahren, Erweitern und Verbreiten von Wissen ebenfalls eine wichtige Aufgabe der UNESCO: „[…] durch Erhaltung und Schutz des Welterbes an Büchern, Kunstwerken und Denkmälern der Geschichte und Wissenschaft sowie durch Empfehlung der dazu erforderlichen internationalen Vereinbarungen an die jeweils betroffenen Staaten […]“ (ebd., Art. 1, Abs. 2).
40 Auch zu diesem Teil sind ausführliche Reflexionen aus vorausgehenden Publikationen der Autorinnen zusammengefasst worden. Siehe u. a. Albert 2009, S. 1; Albert 2012a, S. 6 f., Ringbeck 2008, S. 23 ff. und S. 47. 41 Die Vereinten Nationen (UNO) sind ein zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 194 Staaten. Sie haben sich 1945 mit dem Ziel der Schaffung von Frieden in der Welt, der Sicherung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen, der Förderung des sozialen Fortschritts, der Schaffung besserer Lebensbedingungen insbesondere in Entwicklungsländern sowie der weltweiten Respektierung der Menschenrechte gegründet. Die UNO setzen sich heute aus fünf Hauptorganen zusammen: der UN-Generalversammlung (General Assembly), dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ESOSOC), dem Internationalen Gerichtshof (International Court of Justice), dem UN-Sicherheitsrat (Security Council), und dem UN-Sekretariat (vgl. United Nations 2006). ECOSOC (Economic and Social Council) koordiniert die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Arbeit der UNO sowie ihrer Sonderorganisationen und Institutionen. Die UNESCO gehört als Sonderorganisation dem ECOSOC an. Als spezialisierte Agentur ist UNESCO berechtigt, auf den Sitzungen des Rates von ECOSOC vertreten zu sein, ohne sich an Abstimmungen zu beteiligen oder Vorschläge, die von weitergehender Bedeutung für die Organisation sind, einzureichen (UNESCO 2013d).
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Auf der Grundlage dieser Visionen wurde 1954 dann die erste der inzwischen zahlreichen Konventionen zum Schutz von kulturellen Gütern in der Haager Konvention für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten verabschiedet. Im Haager Abkommen ist zwar schon von Erbe, das es zu schützen gilt, die Rede. Der Stellenwert, den materielles Erbe im weiteren Verlauf der öffentlichen Anerkennung als ein eigenständiges identitätsbildendes Gut erhält, ist hier noch nicht expliziert. Vielmehr wird Erbe noch funktional im Hinblick auf seinen Wert als Kulturgut (Cultural Property) betrachtet. Im Abkommen heißt es in Artikel 1 dazu: „Kulturgut im Sinne dieses Abkommens [ist] […] ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist, wie z. B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler kirchlicher oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gruppen von Bauten, […] Kunst werke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern […] des oben umschriebenen Kulturguts […]“ (UNESCO 1954, S. 8).
Dennoch finden sich die meisten der Begründungen zur Verabschiedung der Haager Konvention 1972 ähnlich formuliert auch in der Konvention zum Schutz des Kulturund Naturerbes wieder. Ein entscheidender Unterschied ist, dass in der 1972er-Konvention von beweglichem Erbe nicht mehr die Rede ist. Sie ist endgültig auf unbewegliches Erbe festgelegt und damit, wie oben schon angedeutet, auf Naturerbe einerseits und auf Kulturerbe im Sinne der klassischen Denkmalpflege andererseits, wie sie u. a. von Hubel formuliert wurde: „Jedes Denkmal ist an die materielle Substanz gebunden, aus der es besteht und die seine Existenz erst ermöglicht. Sie lässt uns den Prozess der Entstehung und Bearbeitung des Denkmals nachvollziehen, zeigt aber auch die Spuren der Zeit, die seit der Fertigstellung vergangen ist, berichtet von Umbauten, Veränderungen und Funktionswandlungen, vom Schicksal der Bewohner und Benutzer, von guten wie schlechten Phasen“ (Hubel 2011, S. 311).
In der Chronologie der Verabschiedung international anerkannter Instrumente⁴² zum Kulturgüterschutz folgte der Haager Konvention 1964 die Charta von Venedig, in der die Authentizität eines Denkmals als ein wichtiges Kriterium für seine Unterschutzstellung festgelegt wurde. Damit wurde bereits in diesem Jahr formuliert, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen ein kulturelles Erbe schützenswert ist und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Schutz nicht erfolgen muss. Einem schützenswerten Kulturgut wurde damit schon vor der Verabschiedung der Welterbekonvention ein nachhaltiger Wert zugeschrieben, der sich bis heute trotz aller zeitgemäßen Anpas-
42 In der UNESCO-Terminologie sind das die sogenannten (legally) binding instruments, mit denen die Völkergemeinschaft ihre Verpflichtungen regelt und umsetzt, wie zum Beispiel Chartas und Pakte oder Konventionen (UNESCO 2013e). Siehe Anlage Dokumente.
3.1 Wie alles begann
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sungen und Interpretationen erhalten hat. Damit ging das Ringen um die Definitionsmacht über ein angemessenes Konzept von Authentizität einher, das zugleich den Fachexpertendiskurs kreiert bzw. er weitert hat. Jokilehto zum Beispiel, den wir als einen der renommiertesten Repräsentanten für das für Welterbe formulierte Verständnis von Authentizität bereits im Kapitel über die Bedingungskriterien von Welterbe zitiert haben, vergleicht das Verständnis von Authentizität heute mit philosophischen Debatten in der Antike über Kontinuität und Wandlung bzw. Wahrheit, die er am Schiff des Theseus nach Plutarchs Vita Thesei festmacht. Er schreibt: „The ship was kept by Athenians as a memorial for a long time. Due to gradual replacement of rotten planks, the ship retained its original form but its material was entirely renewed. The question was then raised: was it still the ship of Theseus? In modern times […] we can think that the gradual renovation over time still provided a spatio-temporal continuity for the ship, thus retaining a certain identity. In another alternative, one could imagine that the materials that were removed would have been reassembled elsewhere in another ship. What would then be the significance of this other ship?“ (Jokilehto 2006, S. 2 f.).
Er meint daher, dass sich Authentizität als Begriff auf Wahrhaftigkeit bezieht, und zwar nicht nur im Sinne eines Beweises, sondern auch als kreative Tätigkeit. In diesem Kontext ver weist er auch auf Alois Riegls Konzept des Kunst wollens und schreibt: „Etymologically the concept of ‚being authentic‘ refers to being truthful, both in terms of standing alone as an autonomous human creation as well as being a true evidence of something. […] Alois Riegl coined the concept of Kunst wollen to indicate the relationship of human creative activity with the relevant cultural context.“ (Jokilehto 2006, S. 8).
In der Charta von Venedig heißt es zu Authentizität: „Als lebendige Zeugnisse jahrhundertelanger Traditionen der Völker vermitteln die Denkmäler der Gegenwart eine geistige Botschaft der Vergangenheit. Die Menschheit, die sich der universellen Geltung menschlicher Werte mehr und mehr bewusst wird, sieht in den Denkmälern ein gemeinsames Erbe und fühlt sich kommenden Generationen gegenüber für ihre Bewahrung gemeinsam verantwortlich.“ (ICOMOS 1964, Präambel).
In dem im November 1994 in Nara, Japan, verabschiedeten Nara-Dokument zur Echtheit/Authentizität geht man weit darüber hinaus und definiert Authentizität zeitgemäß als „das wesentliche Merkmal zur Bestimmung des Wertes eines Gutes“ (ICOMOS 1994, Art. 10). In Artikel 9 des Dokumentes heißt es: „Die Erhaltung des Kulturerbes in allen seinen Formen und aus allen geschichtlichen Epochen beruht auf dem ihm beigemessenen Wert. Unsere Fähigkeit, diesen Wert zu verstehen, hängt unter anderem davon ab, inwieweit wir die Informationsquellen zu diesem Wert als glaubwürdig oder verlässlich ansehen. Die Kenntnis und das Verständnis dieser Informationsquellen in Bezug auf die ursprünglichen und später hinzugekommenen Merkmale des Kulturerbes und
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
ihrer Bedeutung sind die grundlegende Voraussetzung für die Beurteilung aller Aspekte der Echtheit.“ (ICOMOS 1994, Art. 9).
Noch weiter geht man in der im August 1979 in Burra, Australien, verabschiedeten und zuletzt im November 1999 und Oktober 2013 revidierten Charta von Burra, in der die Significance (der Denkmalwert) von Kulturgütern betont wird: „Denkmalwert meint ästhetische, historische, wissenschaftliche oder gesellschaftliche Werte für vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Generationen.“ (ICOMOS 1998, Artikel 1.2). Wichtig ist zu erwähnen, dass sich das durch die Kriegszerstörungen herausgebildete Verständnis davon, dass materielle Kulturgüter identitäts-, wert- und bewusstseinsbildend sind, mit der Verbreitung von Schutzkonzepten und ihren rechtswirksamen Anwendungen über die UNESCO auch in das internationale gesellschaftliche Bewusstsein der beteiligten Mitgliedstaaten umsetzte. Dieses vollzog sich in den euroamerikanischen Ländern durch die Ausweitung des europäischen, den Konventionen und Chartas zugrunde liegenden Kultur verständnisses. In den Entwicklungsländern erfolgte es durch eine modernistisch geprägte Entwicklungspolitik mit einhergehender Bildungshilfe. Besonders hervorzuheben sind hier die modernistisch geprägten Entwicklungsund Bildungskonzepte der 60er und 70er Jahre, an denen die UNESCO einen entscheidenden Anteil hatte. Eine Schlüsselidee in der Bildungsplanung der UNESCO war damals, nationale Pläne und Strategien in einem regionalen Kontext umzusetzen. Das Ziel dabei war, neue Trends, Probleme und Perspektiven in der Bildung in größeren Bezugsrahmen zu bedenken (UNESCO 1997b). Schon 1951, kurz nachdem die 14. International Conference on Public Education von der UNESCO und dem IBE (International Bureau of Education) einberufen worden war, wurden dann die Recommendation No. 32 on compulsory education and its prolongation verabschiedet. Darin hieß es: „The plans should be co-ordinated with plans for reform and for economic and social development; preliminary studies should be made of the economic, financial, social, geographical, political and linguistic factors. Lastly, the plans should be flexible and subject to constant amendment.“ (UNESCO 1997b).
Von 1961 bis 1963 richtete die UNESCO dann regionale Zentren für Bildungsplanung in Beirut, Neu-Delhi, Santiago und Dakar ein. 1963 wurde das International Institute for Educational Planning (IIEP) in Paris etabliert (ebd.).⁴³
43 Allein zwischen 1960 und 1965 schickte die UNESCO Planungsgruppen in rund 30 Länder und leistete technische Hilfe durch Experten-Dienstleistungen in rund 50 Ländern (Maheu 1965, vi). Man ging damals bei den Konzepten in der Bildungsplanung davon aus, dass Bildungsausgaben auch eine Investition in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sein sollten. Es entsprach dem Geist dieser Jahre und wurde von der großen Mehrheit der Regierungen der Welt, vor allem in Lateinamerika (ebd., S. vii) forciert. Erst später wurden Bildungsansätze wie „lebenslanges Lernen“ thematisiert, die dann vor allem 1972 bekannt gemacht wurden im UNESCO-Bericht mit dem Titel Learning to Be.
3.1 Wie alles begann
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Andererseits wurden insbesondere auch die technischen Innovationen und Entwicklungen des Zeitraumes zwischen der Nachkriegsära und den 70er Jahren⁴⁴ für die Rettung von Kulturgütern eingesetzt. Nicht zuletzt wurden diese Maßnahmen durch Kampagnen darüber begleitet, dass materielles Erbe eben auch wichtige Funktionen für die Identifikationen von Völkern mit ihren vorausgehenden Generationen hat und damit identitätsbildend ist. Das betraf zum Beispiel die Restaurierung und Konservierung der Tempelanlage in Angkor in Kambodscha. Ebenso 1980 die Aufnahme des historischen Zentrums von Warschau in die Welterbeliste, obwohl die Authentizität aufgrund der Zerstörung nicht mehr gegeben war. Es betraf auch die erfolgreiche Restaurierung der Altstadt von Dubrovnik, die nach schweren Schäden durch Artilleriefeuer 1998 als Weltkulturerbe in die Liste der Stätten in Gefahr eingeschrieben wurde (UNESCO 2013e). Das markanteste Beispiel für die Bedeutung von materiellem Erbe für Gesellschaften ist die internationale Kampagne zur Rettung der nubischen Tempel von Abu Simbel, Philae, Kalabscha und anderer Stätten in Ägypten, die durch den geplanten Bau des Assuan-Staudamms Gefahr liefen, überflutet zu werden. Diese Kampagne wurde zwischen 1963 und 1968 in einer weltweiten Solidaritätsaktion mit über 50 teilnehmenden Ländern durchgeführt. Dabei wurde zunächst in relativ kurzer Zeit die Hälfte der zur Rettung benötigten 80 Millionen Dollar gesammelt. Die Tempelanlage sollte in mehr als 1.000 Blöcke zerlegt – 807 für den großen Tempel und 235 für den kleinen – und an einer höher gelegenen Stelle wiederaufgebaut werden (Scholz 1994, S. 181 f.). Bis heute wird diese Kampagne als einmalig eingeschätzt. Das betrifft sowohl die finanziellen und technischen Leistungen, die im Rahmen der Umsetzung der Tempel erbracht wurden, als auch das Ausmaß an internationaler Solidarität, die mit der Aktion einherging und die das internationale gesellschaftliche Bewusstsein für außergewöhnliche Kulturgüter schärfte. Wie geplant wurden die Tempel mit Hilfe der ersten für solche Zwecke entwickelten Computer in tausende von Einzelteilen zerlegt, sorgfältig kartiert, verpackt und auf einem 65 Meter höhergelegenen und 180 Meter weiter ins Landesinnere reichenden Areal wieder zusammengebaut (ebd., S. 179). Bis heute gilt diese Rettungsaktion als Meilenstein sowohl für Leistungen der beteiligten Ingenieure als auch für die internationale Zusammenarbeit. Dass 1972, nur wenige Jahre danach, die Welterbekonvention verabschiedet wurde,
The World of Education Today and Tomorrow, auch „Faure-Bericht“ genannt, nach dem Hauptverfasser Edgar Faure. Vier Grundannahmen waren damals leitend: Die Existenz einer internationalen Gemeinschaft und die grundlegende Solidarität der Regierungen und Völker trotz Differenzen und Konflikte; der Glaube an Demokratie und die Rechte jedes Menschen, die eigenen Potenziale für die Zukunft zu realisieren, die Selbst verwirklichung des Menschen als Ziel der Ent wicklung sowie eine lebenslange Bildung als Notwendigkeit, mit immer strengeren Auf lagen (Faure et al 1972, S. v–vi). 44 Laut Statistik des International Patent Institute, das 1947 gegründet und 1978 in die Europäische Patentorganisation integriert wurde, lag die Zahl der jährlich erteilten Patente schon in den frühen 1970er Jahren bei ca. 80.000 (Shenhav 2013, S. 12).
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
war nur die logische Folge aus dieser international erfolgreichen Aktion für den Kulturgüterschutz. Der Erfolg der Rettungsaktion von Abu Simbel motivierte die internationale Gemeinschaft dazu, weitere Erhaltungskampagnen durchzuführen, wie zum Beispiel den Erhalt der Lagunenstadt Venedig, die durch Überschwemmung bedroht war (UNESCO 2013e), den Erhalt der Ruinenstadt von Mohenjo-Daro in Pakistan, die durch Versalzungsprozesse (Fodde u. Khan 2010, S. 3) bedroht war, oder die Restaurierung der Borobudur-Tempelanlagen in Indonesien (UNESCO 2013e) und Instrumente zu erarbeiten, um solche einzigartigen Kulturstätten für zukünftige Generationen zu bewahren und zu schützen. So war es nur folgerichtig, dass 1972 die Welterbekonvention verabschiedet wurde. Das materielle Verständnis von Kultur und kulturellen Gütern einschließlich der ihnen zugeschriebenen identitätsbildenden Werte verfestigte sich durch solche Rettungsaktionen auch gesellschaftlich. Wurden noch in den 50er, 60er und frühen 70er Jahren kulturelle Güter maßgeblich anhand ästhetischer Ausdrücke interpretiert und beruhten Kulturkonzepte in diesen Jahren auch theoretisch auf elitären und bürgerlichen Interpretationen, so veränderte sich durch die Rettungsaktionen der internationalen Gemeinschaft auch dieses Verständnis von kulturellen Gütern und der Notwendigkeit, diese zu schützen. Kulturgüterschutz wurde damit einhergehend sukzessive zu einer gesellschaftlich relevanten Aufgabe erklärt und festigte die identitätsbildende Bedeutung von kulturellen Objekten im gesellschaftlichen Bewusstsein. Kultur in Form von Monumenten, religiösen Stätten oder Palästen wurde in diesem Prozess als schützenswertes authentisches und einzigartiges materielles Gut⁴⁵ ausgewiesen. In der Folge von Abu Simbel veränderte sich auch das gesellschaftliche Bewusstsein von einem kulturellen Gut – analog zur Haager Konvention noch als Property gefasst – hin zu einem kulturellen Erbe. Die verabschiedeten Chartas und Konventionen bildeten den Legitimationsrahmen zur weiteren, auch fachlichen Auseinandersetzung mit der Bedeutung von kulturellem Erbe für die Identität nachfolgender Generationen. Zugleich blieb der Kulturbegriff auf die materiellen Konstruktionen beschränkt. Ein Verständnis von Kultur, das diese als Gesamtheit von Lebensausdrücken von Menschen interpretierte, kam zwar in der angelsächsischen oder auch französischen Kulturanthropologie und insbesondere in den sich herausbildenden Cultural Studies vor, jedoch nicht in der Gemeinschaft, die
45 So die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten: „[…] In der Überzeugung, dass jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit bedeutet, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet; in der Erwägung, dass die Erhaltung des kulturellen Erbes für alle Völker der Welt von großer Bedeutung ist, und dass es wesentlich ist, dieses Erbe unter internationalen Schutz zu stellen […]“ (UNESCO 1954, Präambel).
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schützenswerte Kulturgüter im Kontext der Konventionen und Chartas und später in der UNESCO identifizierte. Dennoch fand durch den eingeleiteten Diskurs über den Bedarf der Welt, materielles Erbe zu schützen, ein Paradigmenwechsel statt. Wie mehrfach erwähnt, ist eine der Begründungen für die Welterbekonvention von 1972 die, dass Konzepte von Modernisierung und Industrialisierung materielle Güter und materielles Erbe beschädigen könnten. Insofern lässt sich festhalten, dass die Initiatoren der Welterbekonvention den Entwicklungsprozessen in der Welt einschließlich der sie tragenden Philosophien und Strategien weit voraus waren. Trotz Welterbekonvention fanden Modernisierungs- und Industrialisierungsprozesse auf der Grundlage des ungebrochenen Glaubens daran statt, dass diese Prozesse Wohlstand für die Menschen erzeugten. Es war ein Glaube, der sich in allen theoretisch begründeten Konzepten von Gesellschaft zeigte⁴⁶ und der es schwer machte, auch die Schattenseiten von Fortschritt und Moderne zu benennen. Diese Schattenseiten wurden u. a. von Vertretern der Kritischen Theorie wie zum Beispiel Jürgen Habermas formuliert. Er sagte, dass die Gesellschaften sich verändert haben von einem kommunikativen System hin zu einem System, in dem die kommunizierten menschlichen Werte „nicht mehr an das Bewusstsein zusammenlebender und miteinander sprechender, sondern an das Verhalten hantierender Menschen adressiert ist. Sie (die gesellschaftlich wirksame Theorie, d. V.) verändert als eine Produktivkraft der industriellen Ent wicklung die Basis des menschlichen Lebens, aber sie reicht nicht mehr kritisch über die Basis hinaus, um das Leben selbst auf eine andere Stufe zu heben“ (Habermas 1974, S. 309).
Dieses Verständnis von Gesellschaft und Entwicklung in diesen Jahren betraf in hohem Maße auch die Auffassungen über die Bedeutung der Natur für den Menschen und seine Entwicklung. Gerade im gesellschaftlichen Umgang mit der Natur waren die 1972er Jahre noch nicht derart sensibilisiert, dass sie die Natur als einen lebens-
46 Grundzüge der Modernisierungstheorien finden sich bereits in Max Webers Buch Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905), daneben in Werken von Tocqueville und Durkheim. Als evolutionäre Universalien in der modernen Gesellschaft benannte Talcott Parsons bürokratische Herrschaftsformen, eigenständige Sphäre der Marktorganisation und des Geldtausches, Entwicklung eines universalistischen Rechts sowie die demokratische Assoziation (siehe Brock et al 2012, S. 211). In Evolutionary Universals in Society (1964): „Fundamental to the structure of modern societies are […]: bureaucratic organization of collective goal-attainment, money and market systems, generalized universalistic legal systems, and the democratic association with elective leadership and mediated membership support for policy orientations.“ (Parsons 1964, S. 356). Ein führender Vertreter der Modernisierungstheorien war Walt. W Rostow (1960) mit einem wirtschaftsgeschichtlichen Modell: die traditionale Gesellschaft (the traditional society); die Anlaufzeit (the preconditions); das Beginn des Wirtschaftswachstums (the take-off); das technische Reifestadium (the drive to technological maturity); das Zeitalter des hohen Massenkonsums (the age of high mass-consumption) (S. 4 ff.; siehe Rothermund 1994, S. 80).
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Abb. 3.4: Waldsterben im Bayrischen Wald
notwenigen Reichtum gesehen hätten. Vielmehr wurde Natur als ein Hindernis für die ökonomische und technische Entwicklung verstanden. In jenen Jahren dominierte noch das Fortschrittskonzept aus der Auf klärung die modernen Gesellschaften, indem die Vision vom Recht der Kulturen der Welt darin bestand, ihre natürliche Umgebung für Modernität zu nutzen. Diese Vorstellung war tief in den Strukturen des kulturellen Gedächtnisses verankert und zwar unabhängig von den zu dieser Zeit noch existierenden kapitalistischen bzw. sozialistischen Ideologien sowie in den jeweiligen abhängigen Entwicklungsländern. Die Ausbeutung der Natur und, damit einhergehend, des natürlichen Erbes wurde als Menschenrecht angesehen, das direkt mit den Entwicklungsbedürfnissen der Menschheit verbunden war. Bei aller Kritik gerade internationaler Repräsentanten aus den Kultur- und Sozialwissenschaften an dem materiellen und eurozentrischen Konstrukt der Welterbekonvention⁴⁷, die vorausgehend bereits an der Masse der in Europa eingeschriebenen
47 Siehe hierzu u. a. Uses of Heritage von Laurajane Smith (Smith 2006, S. 27 und S. 99 f.). In seinem Beitrag zu dem Buch The 1972 World Heritage Convention: A Commentary, eine ausführliche Analyse der Welterbekonvention, herausgegeben von Francesco Francioni, hat Abdulqawi A. Yusuf auch bemerkt: „First, as originally identified in the Convention, the notion of ‚cultural heritage‘ was found to be essentially based on a ‚European-inspired monumentalist vision‘ of cultural heritage which isolated its physical dimensions from its non-physical ones.“ (Yusuf 2008, S. 29). Denis Byrne hat gezeigt, wie die Selbst verständlichkeit der westlichen und mittlerweile internationalen Konservierungsethik, mit der Welterbekonvention als Maßstab, auch in Konflikt mit nicht-westlichen Kulturen
3.1 Wie alles begann
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Abb. 3.5: Favelas in Rio de Janeiro
Stätten festgemacht wurde, erscheint die Einbeziehung des Naturgüterschutzes in die Welterbekonvention für die 70er Jahre revolutionär. Sie ist dennoch vor dem Hintergrund der Lebensreformbewegung bereits seit Mitte des 19., aber insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts historisch gewachsen.⁴⁸ Ausdrücke eines Denkens, in der auch Natur ein schützenswertes Gut ist, waren in diesen Jahren zwar bei antimodernistischen und teilweise konservativen Vertretern der Lebensreform durch das Propagieren einer naturnahen Lebensweise vorhanden, aber gesamtgesellschaftlich eher selten. Die wenigen, die es gab, speisten sich auch noch nicht aus Perspektiven auf die Zukunft und auf Nachhaltigkeit. Vielmehr resultierten sie aus Zerstörungen von Naturstätten wie bspw. aus dem zu Beginn der 70er Jahre beklagten Waldsterben (Abb. 3.4) oder aus der Zersiedlung von Landschaften (Abb. 3.5) durch sich ausbreitende Städte und ihren infrastrukturellen Erfordernissen.
geraten könnte, wie am Beispiel der gemalten Wandjina-Figuren in Australien, welche die Aborigines immer wieder neu übermalen sollen: „Aborigines periodically repaint the figures, often superimposing new figures on old, in a practice which is traditionally sanctioned and is an integral part of their relationship with the powerful Wandjina. However, in 1987 their right to continue this practice was threatened after an outcry initiated by a local white landowner that ancient paintings which were ‚Part of the heritage of all mankind‘ were being desecrated by Aborigines engaged in a repainting project“ (Byrne 2008, S. 233). 48 Siehe die beiden Kategorien von Erbe im Kapitel 2.1.
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Im vorherrschenden gesellschaftlichen Bewusstsein galt immer noch: Was immer eine Gesellschaft als notwendig für ihre kulturelle und politische, soziale, wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung erachtete, konnte und sollte auf Kosten der Natur durchgesetzt werden. Der Bau von Autobahnen durch Naturschutzgebiete ist ein Beispiel dieser Weltanschauung in jenen Jahren. Naturschutzgebiete wurden wegen ihrer Ressourcen und Bodenschätze im Namen der menschlichen Entwicklung ausgebeutet. Man sah es daher nicht als Problem an, dass sie im Interesse eines gegenwärtigen oder erwarteten Verkehrsaufkommens von Zufahrtsstraßen und Autobahnen regelrecht erstickt wurden. Sehr wenige Begründungen waren nötig, um natürliche Gebiete zu räumen und Platz für die industrielle Entwicklung zu schaffen. Die erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt fand vom 5. bis zum 16. Juni 1972 in Stockholm statt als United Nations Conference on the Human Environment (UNCHE). An ihr nahmen 6.000 Personen und Delegationen aus 113 Staaten teil, was allerdings schon ein verbreitetes Bewusstsein für die Problematik im Umgang mit der Ölverschmutzung in den Meeren und der Nutzung von DDT widerspiegelte (Kiss u. Shelton 2007, S. 33 f.). Auch die beispiellose Ausbeutung der nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen durch globale wirtschaftliche Entwicklungen in der Nachkriegszeit war ein Thema (ebd) … Unter Berufung auf wissenschaftliche und wirtschaftliche Gründe wurde die Stockholm Declaration on the Human Environment verabschiedet und darüber hinaus ein Aktionsplan mit 109 Empfehlungen verfasst (ebd). Ab den 1970er und 80er Jahren begannen internationale Organisationen dann Abkommen zu ratifizieren, die zunehmend breitere Environmental Impact Assessments (EIA) oder Umweltverträglichkeitsprüfungen forderten (ebd. S. 112). Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP empfiehlt hinsichtlich EIA neun generelle Prinzipien wie: „EIA should be applied as a tool to help achieve sustainable development; […] EIA should include meaningful opportunities for public involvement […]; EIA should be carried out in a multi- or inter-disciplinary manner […]“ (Abaza, Bisset u. Sadler 2004, S. 42). Obwohl auch der World Wide Fund For Nature (WWF) bereits zu Beginn der 1970er Jahre seine erste weltweite Kampagne für den Schutz tropischer Regenwälder organisierte⁴⁹ und damit den Grundstein für die Festlegung von Schutzgebieten legte, veränderte sich das umweltzerstörende Verhalten der Gesellschaften trotz Welterbekonvention erst gegen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, also etwa 10 Jahre, nachdem in dieser Konvention auch Naturgüter als schützenswertes Erbe definiert worden waren. In dieser Zeit setzten sich auch die ersten wissenschaftlich begründeten Diskurse über die destruktiven Potenziale des Modernismus mehr und mehr durch.
49 Der WWF begann 1973 nicht nur, sich auf artenbezogene Erhaltungsprojekte zu konzentrieren, sondern auch auf den Schutz der Lebensräume durch die Errichtung von Nationalparks und Naturschutzgebieten. Die Schaffung des Corcovado-Nationalparks in Costa Rica 1975 mit Hilfe des WWF ist ein gutes Beispiel für den Schutz tropischer Regenwälder in Zentralamerika, den der WWF initiierte.
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Insofern war, und das muss wiederholt werden, bei aller Kritik gerade der internationalen Repräsentanten aus den Kultur- und Sozialwissenschaften an dem materiellen und eurozentrischen Konstrukt der Welterbekonvention ihre Entwicklung und Verabschiedung bereits 1972 innovativ. Denn mit der Konvention rekurrierten ihre Väter und Mütter auf genau das Problem, das sich für kulturelle und natürliche Güter durch das auf klärerische Modernisierungskonzept gezeigt hatte und das sie in der Präambel der Welterbekonvention berücksichtigt hatten. In diesem Sinne war die Konvention selbst schließlich die Antwort auf die Herausforderungen der modernen Welt. Und das nicht zuletzt, weil sie mit dem Instrument der sogenannten Liste des Welterbes in Gefahr zugleich ein entsprechendes Instrumentarium zum Umgang mit weiteren modernistischen oder sonstigen Entwicklungen, die schützenswerte Güter beeinträchtigen, geschaffen hatte. Nach der Verabschiedung der Konvention dauerte es weitere drei Jahre, bis sie 1975 formal in Kraft trat. Dazu waren die Ratifizierungen der Konvention in 20 Ländern erforderlich.⁵⁰ Das erste Welterbekomitee wurde 1976 gewählt und 1977 wurden die ersten Ausführungsempfehlungen verabschiedet. Diese wurden dann im Laufe der Jahre kontinuierlich modifiziert, ergänzt oder erweitert, um die Konvention auch vor dem Hintergrund einer sich ändernden Welt praktikabel werden zu lassen. Diesen Prozess der praktischen Umsetzung der Konvention, der zugleich ein beispielloser Prozess ihrer Popularisierung war, werden wir im anschließenden Kapitel nach den von Bernd von Droste⁵¹ skizzierten vier Phasen nachzeichnen.
3.2 Etappen der Implementierung Bernd von Droste, der als Gründungsdirektor des Welterbezentrums die Umsetzung der Welterbekonvention in der UNESCO in den ersten Jahren grundlegend mitgestaltet hat, beschreibt in der ersten Ausgabe des von Ana Pereira Roders und Ron van Oers herausgegebenen Journal of Cultural Heritage Management and Sustainable Development (Vol. 1, Issue 1, 2011) den Prozess der Umsetzung der Welterbekonvention in die Praxis. In seinem Aufsatz mit dem Titel The Concept of Outstanding Universal Value and its Application: ‚From the seven wonders of the ancient world to the 1000 World Heritage places today‘ zeichnet von Droste (von Droste 2011, S. 26–41) die Herausbildung des materiellen Konzeptes von Erbe nach und zeigt auf, dass und wie im gesellschaft-
50 In Artikel 8, Abs. 1 der Konvention ist festgeschrieben, dass die Anzahl an Sitzen im Zwischenstaatlichen Komitee auf 21 erhöht wird, wenn mehr als 40 Länder die Konvention ratifiziert haben. 51 Siehe von Droste (2011 S. 26–41) in der ersten Ausgabe des Journal of Cultural Heritage Management and Sustainable Management. Dieses Journal erforscht die Rolle des Kulturerbes in Prozessen der Erneuerung und nachhaltigen Ent wicklung von Städten und Regionen. (Roders und van Oers, 2011, S. 5–14).
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lichen Umgang mit der Welterbekonvention diese im Laufe der Zeit popularisiert worden ist. Er zeigt auch auf, dass sich in diesem Prozess der Popularisierung von Welterbe das gesellschaftliche Bewusstsein von kulturellem Erbe von einer zunächst streng konservativ und materiell ausgerichteten Interpretation sukzessive für immaterielle Einflüsse öffnete und wie sich darüber hinaus auch das Verständnis von Natur als einem zu schützenden Erbe in der Konvention etablierte. Rückblickend auf diesen Prozess identifiziert er in der Implementierung der Konvention vier grundlegende Phasen. Nach von Droste bezieht sich die erste Phase auf die Zeit von 1978–1991. Es ist die, in der die Konvention laufen lernte. Die zweite Phase ist die der Einführung und ersten Umsetzung der sogenannten Global Strategy⁵² von 1992–1999. Die dritte Phase, 2000–2005, ist charakterisiert durch die Professionalisierung der Arbeit aller an der Konvention beteiligten Experten. Er meint damit insbesondere die Experten der UNESCO auf lokalem, nationalem und internationalem Niveau. Die derzeit noch laufende vierte Phase setzte 2006 ein und ist durch genau jene Popularität in ihren positiven und negativen Auswirkungen geprägt, die bereits in der Einleitung skizziert wurde.
Erste Phase 1978–1991 Die Phase, in der die Konvention laufen lernte, kann als eine konstituierende Phase bezeichnet werden. Das betraf die Einrichtung der formalen Strukturen wie bspw. die der Generalversammlung der Vertragsstaaten, dem höchsten Organ der Umsetzung der Welterbekonvention im internationalen Kontext, die nach Artikel 8 der Konvention die Mitglieder des Komitees wählt und nach Artikel 16 den Beitrag der Mitgliedsländer zum Welterbefond festlegt. Es betraf die Wahl und Bestätigung der ersten, zur Umsetzung der Welterbekonvention notwendigen Welterbekomitees. In dieser Hinsicht ist diese Phase durch die Arbeitsaufnahme der verschiedenen internationalen Gremien geprägt, nachdem 1978 40 Staaten die Konvention ratifiziert hatten. In diesem Jahr befasste sich das in Washington tagende Komitee zunächst mit den Modalitäten des World Heritage Fund sowie mit den ersten Einschreibungen auf der Grundlage der 1977 verabschiedeten Operativen Leitlinien. Rückwirkend betrachtet sind diese ersten Jahre aus mehreren Gründen interessant. Das Komitee agierte explizit im Kontext der schon eingangs formulierten gesamtgesellschaftlich vorherrschenden dichotomen Trennung von Kultur und Natur. In den Operativen Leitlinien wurde der OUV für das Kulturerbe (i–vi) bzw. für das Naturerbe (vii–x) getrennt über zwei Listen festgestellt und das Konzept von Authentizität, wie
52 Die Global Strategy wird ausführlich im Kapitel 3.3 diskutiert. Es ist dennoch erforderlich, hier dazu einige Ent wick lungen vor wegzunehmen, da andernfalls die Phaseneinteilung selbst nicht deutlich wird.
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zuvor schon erläutert, streng auf der Grundlage der Charta von Venedig von 1964 definiert. Gleichzeitig agierte das Komitee noch eng angelehnt an die Ziele der Konvention, was sich im Bemühen darstellt, zum Beispiel Kultur- und Naturerbe ausgewogen einzuschreiben. Auch achtete man in diesen ersten Jahren bei den Einschreibungen noch auf eine regionale Balance. Die anfänglichen Bemühungen, die Einschreibungen von Stätten in die Welterbeliste gleichgewichtig vorzunehmen, lassen sich an der Tabelle 4 ablesen.⁵³ Tab. 4: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Erste Phase 1978–1991 (eigene Darstellung) Region
Kultur
Natur
Gemischt
Gesamt 1. Phase
Afrika Arabische Staaten Asien & Pazifik Europa & Nord Amerika Lateinamerika & Karibik
16 40 41 131 32
22 2 17 26 11
2 1 7 6 3
40 43 65 163 46
Gesamt 1. Phase
260
78
19
357
Abb. 3.6: Rekonstruierte Innenstadt von Kotor
53 Das erkennbare Ungleichgewicht an Einschreibungen zwischen Europa und dem Rest der Welt zeichnet sich zwar ab, nimmt jedoch im weiteren Verlauf der Implementierung der Konvention zu. Aus diesem Grund wird 1992 die oben er wähnte Global Strategy beschlossen. S. dazu Kap. 3.3.
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Die politische Ernsthaftigkeit, mit der die internationale Gemeinschaft in diesen Jahren den Schutz von Erbe im Geist der Konvention vornahm, ist daran zu ermessen, dass schon 1979 die erste Stätte, nämlich die Stadt Kotor (Abb. 3.6) in Montenegro, sowohl in die Welterbeliste als auch, wegen der Zerstörung großer Teile der Stadt durch ein Erdbeben, im selben Jahr in die Liste des Welterbes in Gefahr eingeschrieben wurde. Im April 1979 legten die jugoslawischen Behörden wegen der fast vollständigen Zerstörung Kotors dem Welterbekomitee einen Nominierungsantrag für die Aufnahme der Stadt in die Liste des Welterbes sowie zugleich einen Antrag für die Aufnahme der Stätte in die Liste des Welterbes in Gefahr vor, da damit auch finanzielle Unterstützung u. a. aus dem Welterbefond ermöglicht wurde (UNESCO 1979, S. 1). Zur Unterstützung dieser Initiative war vom Generaldirektor ein weltweiter Aufruf zur Hilfe beim Wiederaufbau des Kulturerbes in Montenegro vorausgegangen (Pichard 1979, S. 23). In diesem Jahr wurde auch das Prozedere zum delisting (Streichung von Stätten aus der Welterbeliste) verabschiedet, und zwar für den Fall, dass die in der Präambel formulierten Werte sowie die vorausgehend erläuterten Begründungs- und Bedingungskriterien einer Stätte so nachhaltig gefährdet sind, dass die Qualitätskriterien als Welterbestätte nicht mehr erfüllt werden (von Droste 2011, S. 9). In den Operativen Leitlinien, die dazu in den 1980er Jahren publiziert wurden, heißt es unter Kapitel 1 A Absatz 6 (vii): „When a property has deteriorated to an extent that it has lost those characteristics which determined its inclusion in the World Heritage List, the procedure concerning the possible deletion from the List will be applied“ (UNESCO 1980, S. 3). Warum dieser Beschluss des Komitees im Laufe des 40-jährigen Bestehens nur zweimal – einmal auf Antrag des Mitgliedsstaates und einmal gegen das Votum des Mitgliedsstaates – umgesetzt wurde, kann nicht hinreichend geklärt werden. In den Operativen Leitlinien der frühen Jahre wurde nämlich auch das Verfahren der Streichung von Gütern von der Welterbeliste erläutert und bis heute nicht geändert. Im Kapitel 1 E „Procedure for the eventual deletion of properties from the World Heritage List“ der Operativen Leitlinien aus dem Jahr 1980 heißt es ab Absatz 25 dazu: „When a property inscribed on the World Heritage List has seriously deteriorated, or, when the necessary corrective measures have not been taken within the time proposed, the State Party on whose territory the property is situated should so inform the Secretariat of the Committee. […] 26. When the Secretariat receives such information from a source other than the State Party concerned, it will, as far as possible, verify the source and the contents of the information in consultation with the State Party concerned and request its comments. […] 27. In all cases except those on which the Chairman decided that no further action should be taken, the Secretariat will request the competent advisory organization (s), (ICOMOS, IUCN or ICCROM), to forward comments on the information received. […] 29. The Committee will examine the recommendation of the Bureau and all the information available and will take a decision. […] The Committee shall not decide to delete any property unless the State Party has been consulted on the question.“ (UNESCO 1980, S. 7 f.).
Ob es den verschiedenen Komitees gelang, die Ursachen für die Gefährdung des OUV durch Eintragungen in die Liste des Welterbes in Gefahr aufzuheben, ob die Umset-
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Abb. 3.7: Freie Sicht vom Elbtal nach Dresden
zung des Beschlusses von Streichungen aus der Liste wegen politischer Interessenkoalitionen oder Interessenkonflikte der Vertragsstaaten nicht durchsetzbar war oder ob Beschädigungen des OUV bspw. durch Modernisierungsprozesse⁵⁴ nicht mehr so wichtig genommen wurden, kann nicht hinreichend geklärt werden. Fakt ist, dass trotz vieler von Jahr zu Jahr sich wiederholender Einschreibungen in die Liste des gefährdeten Erbes im Laufe der 40-jährigen Geschichte der Welterbekonvention Streichungen nur zweimal beschlossen wurden. Die erste Streichung fand 2007 im Oman auf Wunsch des Omans statt. Hintergrund war die Entscheidung des Landes, die Fläche des geschützten Gebiets um 90 % zu reduzieren (UNESCO 2007d), um eine entsprechend größere Fläche für die Ölförderung zu erhalten. Beachtenswert war diese Entscheidung des Komitees deswegen, weil sie im Widerspruch zu den in der Präambel formulierten Schutzzielen getroffen wurde. Die zweite Streichung fand 2009 gegen den Widerstand des Vertragsstaates Deutschland statt. Hier handelte es sich um die Zerstörung des außergewöhnlichen universellen Wertes des Dresdener Elbtals (Abb. 3.7) durch den Bau der inzwischen legendären Waldschlößchenbrücke (Abb. 3.8).⁵⁵
54 Ein Beispiel für diesen Prozess ist der Torre Belli in der Pufferzone der historischen Welterbestadt Sevilla. Siehe dazu Kapitel 5.1. 55 Siehe dazu Albert/Gaillard 2012b und Ringbeck/Rössler 2011.
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Abb. 3.8: Beeinträchtigte Sicht durch die Waldschlösschenbrücke
Ein weiteres Politikum, das bereits in dieser ersten Phase auftrat, und das das Komitee bis heute beschäftigt, war die von Jordanien beantragte Einschreibung der Altstadt von Jerusalem und ihrer Festungswälle. Die Einschreibung erfolgte gegen das Votum der USA⁵⁶ und führte dazu, dass die USA ihre Beitragszahlungen zur Finanzierung der UNESCO ab 2011 einstellten. Eine Auswahl der in den ersten Jahren eingeschriebenen Stätten zeigt, dass Einschreibungen damals noch der Idee der Erhaltung von Kulturgütern folgten. Bei den meisten Eintragungen stand die in der Präambel formulierte Vision, dass „der Verfall oder der Untergang jedes einzelnen Bestandteils des Kultur- oder Naturerbes eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt darstellt“ (UNESCO 1972a, Präambel) noch im Vordergrund. Folgerichtig sind daher Eintragungen von
56 „The Old City of Jerusalem and its Walls was inscribed as world heritage site in 1981 and in 1982 the Committee decided by 14 votes for, 1 against and 5 abstentions, to inscribe it on the List of World Heritage in Danger“ (UNESCO 2013 f.). „The delegate of the United States of America (USA) had opposed to this inscription as he stressed that a property had to be located in territories of the nominating State and Jordan had no standing for such nomination whereas the consent of Israel would be required as it effectively controlled Jerusalem“ (ebd). „The USA eventually withdrew from UNESCO in 1984, with reasons of finances, bureaucracy and political focus cited, until its rejoining in 2002“ (Fitchett 14. September 2002). „The US decision to cancel its funding in October 2011 was blamed on American laws that prohibit funding to any UN agency that implies recognition of the Palestinians’ demands for their own state.“ (Reuters 11 Oktober 2013).
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Stätten in die Liste des Welterbes wie die Ruinen von Kilwa Kisiwani und die von Songo Mnara in Tansania, das Amphitheater von El Djem in Tunesien, die Ruinen und Totenstadt von Thatta in Pakistan, die Kathedrale von Chartres in Frankreich, die Stadt Cuzco in Peru, die Altstadt von Ouro Preto in Brasilien, die islamische Stadt und vorislamische Städte von Djenné in Mali, die Altstadt von Aleppo in Syrien, die Moghulstadt Fatehpur Sikri in Indien, die Ruinen von Olympia in Griechenland oder die Jesuitenmissionen der Chiquitos in Bolivien (UNESCO 1994). Ruinen von Kilwa Kisiwani und Ruinen von Songo Mnara (Abb. 3.9), Tansania Jahr der Einschreibung: 1981, Eintragung in die Liste des gefährdeten Welterbes: 2004, Kulturstätte, Kriterium: (iii).
Abb. 3.9: Fort am Ufer von Kilwa Kisiwani
„The remains of two great East African ports admired by early European explorers are situated on two small islands near the coast. From the 13th to the 16th century, the merchants of Kilwa dealt in gold, silver, pearls, perfumes, Arabian crockery, Persian earthenware and Chinese porcelain; much of the trade in the Indian Ocean thus passed through their hands.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 144).
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Amphitheater von El Djem (Abb. 3.10), Tunesien Jahr der Einschreibung: 1979, geringfügige Änderungen: 2010, Kulturstätte, Kriterien: (iv) und (vi). „The impressive ruins of the largest colosseum in North Africa, a huge amphitheatre which could hold up to 35,000 spectators, are found in the small village of El Jem. This 3rd-century monument illustrates the grandeur and extent of Imperial Rome.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 38).
Ruinen und Totenstadt von Thatta (Abb. 3.11), Pakistan Jahr der Einschreibung: 1981, Kulturstätte, Kriterium: (iii). „The capital of three successive dynasties and later ruled by the Mughal emperors of Delhi, Thatta was constantly embellished from the 14th to the 18th century. The remains of the city and its necropolis provide a unique view of civilization in Sind.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 143).
Kathedrale von Chartres (Abb. 3.12), Frankreich Jahr der Einschreibung: 1979, geringfügige Änderungen: 2009, Kulturstätte, Kriterien: (i), (ii) und (iv). „Partly built starting in 1145, and then reconstructed over a 26-year period after the fire of 1194, Chartres Cathedral marks the high point of French Gothic art. The vast nave, in pure ogival style, the porches adorned with fine sculptures from the middle of the 12th century, and the magnificent 12th- and 13th-century stained-glass windows, all in remarkable condition, combine to make it a masterpiece.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 81).
Abb. 3.10: Blick auf das Amphitheater von El Djem
3.2 Etappen der Implementierung
Abb. 3.11: Innenhof der Moschee in Thatta
Abb. 3.12: Kathedrale von Chartres
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Stadt Cuzco (Abb. 3.13), Peru Jahr der Einschreibung: 1983, Kulturstätte, Kriterien: (iii) und (iv). „Situated in the Peruvian Andes, Cuzco developed, under the Inca ruler Pachacutec, into a complex urban centre with distinct religious and administrative functions. It was surrounded by clearly delineated areas for agricultural, artisan and industrial production. When the Spaniards conquered it in the 16th century, they preserved the basic structure but built Baroque churches and palaces over the ruins of the Inca city.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 273).
Altstadt von Ouro Preto (Abb. 3.14), Brasilien Jahr der Einschreibung: 1980, Kulturstätte, Kriterien: (i) und (iii). „Founded at the end of the 17th century, Ouro Preto (Black Gold) was the focal point of the gold rush and Brazil’s golden age in the 18th century. With the exhaustion of the gold mines in the 19th century, the city’s influence declined but many churches, bridges and fountains remain as a testimony to its past prosperity and the exceptional talent of the Baroque sculptor Aleijadinho.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 124).
Ähnlich können auch die Visionen der nationalen Antragsteller für Welterbestätten gegen Ende der ersten Phase und im Übergang zur zweiten Periode eingeschätzt werden. Auch jetzt noch stand der Schutzgedanke von unersetzlichem Kulturgut im Vordergrund. Die islamische Stadt Djenné in Mali ist ein Musterbeispiel für islamische Architektur des 15./16. Jahrhunderts, deren Erhaltung durch die Einschreibung in die Welterbeliste sicherer geworden war.
Abb. 3.13: Kathedrale auf der Plaza de Armas in Cuzco
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Djenné, islamische Stadt und vorislamische Städte (Abb. 3.15), Mali Jahr der Einschreibung: 1988, Kulturstätte, Kriterien: (iii) und (iv). „Inhabited since 250 B. C., Djenné became a market centre and an important link in the transSaharan gold trade. In the 15th and 16th centuries, it was one of the centres for the propagation of Islam. Its traditional houses, of which nearly 2,000 have survived, are built on hillocks (toguere) as protection from the seasonal floods.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 116).
Abb. 3.14: Blick auf die Altstadt von Ouro Preto
Abb. 3.15: Djenné
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Die Altstadt von Aleppo in Syrien repräsentierte ebenfalls grandiose Architektur, verbunden mit einer religiösen Ausdruckskraft. Jüngst stand sie im Zentrum der Zerstörung durch das Assad-Regime. Altstadt von Aleppo (Abb. 3.16), Syrien Jahr der Einschreibung: 1986, Eintragung auf die Liste des gefährdeten Welterbes: 2013, Kulturstätte, Kriterien: (iii) und (iv). „Located at the crossroads of several trade routes from the 2nd millennium B. C., Aleppo was ruled successively by the Hittites, Assyrians, Arabs, Mongols, Mamelukes and Ottomans. The 13th-century citadel, 12th-century Great Mosque and various 17th-century madrasas, palaces, caravanserais and hammams all form part of the city’s cohesive, unique urban fabric, now threatened by overpopulation.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 21).
Ähnlich bedeutsam war die Moghulstadt Fatehpur Sikri (Abb. 3.17), Indien Jahr der Einschreibung: 1986, Kulturstätte, Kriterien: (ii), (iii) und (iv). „Built during the second half of the 16th century by the Emperor Akbar, Fatehpur Sikri (the City of Victory) was the capital of the Mughal Empire for only some 10 years. The complex of monuments and temples, all in a uniform architectural style, includes one of the largest mosques in India, the Jama Masjid.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 255).
Abb. 3.16: Innenhof der Großen Moschee in Aleppo
3.2 Etappen der Implementierung
73
Oder die Ruinen von Olympia (Abb. 3.18), Griechenland Jahr der Einschreibung: 1989, Kulturstätte, Kriterien: (i), (ii), (iii), (iv) und (vi). „The site of Olympia, in a valley in the Peloponnesus, has been inhabited since prehistoric times. In the 10th century B. C., Olympia became a centre for the worship of Zeus. The Altis – the sanctuary to the gods – has one of the highest concentrations of masterpieces from the ancient Greek world. In addition to temples, there are the remains of all the sports structures erected for the Olympic Games, which were held in Olympia every four years beginning in 776 B. C.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 517).
Abb. 3.17: Abdar Khana Gebäude und Anoop Talao Wasserbassin in der Stadt Fatehpur Sikri
Abb. 3.18: Ruinen von Olympia
74
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Repräsentativ für Lateinamerika waren in diesen ersten Jahren bspw. Jesuitenmissionen in Bolivien, erzählten sie doch vom kolonialen Erbe des Kontinents. Jesuitenmissionen der Chiquitos (Abb. 3.19), Bolivien Jahr der Einschreibung: 1990, Kulturstätte, Kriterien: (iv) und (v).
Abb. 3.19: Innenhof der Mission in Chiquitos
„Between 1696 and 1760, six ensembles of reducciones (settlements of Christianized Indians) inspired by the ‚ideal cities‘ of the 16th-century philosophers were founded by the Jesuits in a style that married Catholic architecture with local traditions. The six that remain – San Francisco Javier, Concepción, Santa Ana, San Miguel, San Rafael and San José – make up a living heritage on the former territory of the Chiquitos.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 529).
Zweite Phase 1992–1999 Die zweite Phase kann als die Etablierung der Welterbekonvention im positiven wie im negativen Sinn gesehen werden. Positiv gewertet werden kann, dass die Konvention mit ihren vielfältigen Herausforderungen auf der Grundlage der Arbeit des 1992 eingerichteten Welterbezentrums nunmehr professionell und qualitativ hochwertig umgesetzt werden konnte. Negativ gewertet werden muss, dass sich in nur 25 Jahren der praktischen Umsetzung der Konvention die sich schon frühzeitig abzeichnende
3.2 Etappen der Implementierung
75
Dominanz Europas bei den Welterbeeintragungen quantitativ und qualitativ gefestigt hatte (Tab. 5). Bereits 1999 verfügte Europa über ca. 50 % aller Stätten auf der Welterbeliste. Tab. 5: Welterbeeinschreibungen, zweite Phase 1992–1999 (eigene Darstellung) Region
Kultur
Natur Gemischt
Gesamt 1. Phase
Gesamt 2. Phase
Gesamte WH Sites
10 9 59 154 40
50 52 124 317 86
Afrika Arabische Staaten Asien & Pazifik Europa & Nordamerika Lateinamerika & Karibik
3 8 41 138 29
7 1 16 13 11
0 0 2 3 0
40 43 65 163 46
Gesamt 1. Phase Gesamt 2. Phase Gesamte WH Sites
260 219 479
78 48 126
19 5 24
357 272 629
Markant für die zweite Phase ist die 1994 verabschiedete Global Strategy, mit der dem Missverhältnis zwischen europäischen Einschreibungen und dem Rest der Welt sowie der Diskrepanz zwischen Kultur- und Naturerbestätten entgegengewirkt werden sollte.⁵⁷ Dazu wurden mehrfach die Kriterien zur Bestimmung des OUV angepasst, und zwar in den Jahren 1983, 1984, 1988, 1992, 1994, 1996, 1997, 2005 (siehe dazu Jokilehto „What is OUV?“ 2008). 1994, also inmitten dieser Periode, wurden vor dem Hintergrund der Einführung der Kategorien Kulturlandschaften und Historische Städte auch die Leitlinien entsprechend er weitert. „Following a Committee decision, the cultural and natural criteria are now merged into a single list“ (Ebd. S. 13).⁵⁸ Weiterhin wurden thematische Schwerpunktsetzungen für die Einschreibungen formuliert, die das materielle Erbe nicht mehr isoliert, sondern in den Kontext seiner durch Menschen geschaffenen Ausdrücke stellte.⁵⁹
57 Die Global Strategy wird ausführlich im Kapitel 2.3 vorgestellt. Es werden hier daher nur Ausschnitte aus dieser Strategie skizziert. 58 In dem oben genannten Buch zeichnet Jokiletho akribisch die Ent wicklung der Kriterien schon aus der ersten Phase nach. Danach wurde der außergewöhnliche universelle Wert auf einem Expertentreffen 1976 so gefasst, dass eine Stätte in der Welterbeliste eine Reihe von Ideen oder Werten darstellen oder symbolisieren soll, die universell als wichtig anerkannt werden oder die die Ent wicklung der Menschheit als Ganzes beeinflusst haben. In den 1980 verabschiedeten Richtlinien wurde zum ersten Mal erklärt, dass ein außergewöhnlicher universeller Wert einer Kulturerbestätte über mindesten eines der im Kapitel 2.2 dargelegten sechs Kriterien verfügen muss. Spezifische Kriterien für die Definition von historischen Städten und Kulturlandschaften wurden den Operativen Leitlinien 1994 hinzugefügt (Jokilehto 2008, S. 13). 59 Siehe dazu Kapitel 2.4.
76
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Auf einem Expertentreffen im Juni 1994 wurden folgende Empfehlungen formuliert: „In order to redress the imbalances in the current List, some areas have been identified as having high potential to complete gaps in representation. Areas such as these should be considered in their broad anthropological context through time: human coexistence with the land – Movement of peoples (nomadism, migration), Settlement, Modes of subsistence, Technological evolution; Human Beings in Society – Human Interaction, Cultural Coexistence, Spirituality and Creative Expression.“ (UNESCO 1994).
Auch die Operativen Leitlinien wurden im Hinblick auf die er weiterten Themen angepasst⁶⁰ sowie die Konzepte des Monitorings als „benchmark statement of integrity, which involves all stakeholders and is the basis for ongoing continuing monitoring of the state of conservation of World Heritage sites“ ausgeweitet (UNESCO 1998b, S. 16). Im März 1998 formulierten Experten in Amsterdam, dass die Vertragsstaaten nachdrücklich aufgefordert werden sollten, „to implement paragraphs 68 to 75 of the Operational Guidelines since the credibility of the World Heritage List as well as the integrity of individual sites depends very much on what happens once the responsibilities of inscription have been formally accepted. A process of two stages could well be considered.“ (Ebd., S. 17). Eine absolute Innovation in dieser Periode war die Einführung eines neuen Typs von Stätte, nämlich dem der Kulturlandschaft. Dem Konventionstext folgend, wurde dieser Typ zwar auf den Artikel 1 der Konvention zur Definition von Kultur bezogen, doch war weder direkt in diesem Artikel noch im Artikel 2 der Konvention die Definition von Natur vorgesehen. Das den Kulturlandschaften immanente Erbe, nämlich die Evolution solcher Landschaften durch menschliche Einflussnahme, musste deswegen zunächst definiert werden, um auf dieser Grundlage Kriterien zu Einschreibung formulieren und verabschieden zu können.⁶¹ Repräsentative Kulturlandschaften in dieser Phase waren beispielsweise die Reisterassen der philippinischen Kordilleren (Abb. 3.20) oder Hallstein-Dachstein/Kulturlandschaft Salzkammergut (Abb. 3.21) in Österreich.
60 Die in Artikel 24 der Operativen Leitlinien aufgeführten Kriterien zur Bestimmung des OUV wurden 1994 wie folgt angepasst: „Criterion (i) Remove ‚unique artistic achievement‘ from the English version so that it corresponds with the French; Criterion (ii) Re-examine this criterion so as to reflect better the interaction of cultures, instead of the present formulation, which suggests that cultural influences occur in one direction only; Criterion (iii) Removed ‚which has disappeared‘, since this excludes living cultures; Criterion (v) Remove the phrase ‚especially when it has become vulnerable under the impact of irreversible change‘, since this favours cultures that have disappeared; Criteria (vi) Encourage a less restrictive interpretation of this criterion.“ (Jokiletho 2008, S. 77 f.). 61 Siehe dazu Kapitel 2.
3.2 Etappen der Implementierung
77
Abb. 3.20: Reisterrassen
Reisterrassen der philippinischen Kordilleren, Philippinen Jahr der Einschreibung: 1990, Kulturstätte, Kriterien: (iii), (iv), (v). „Criterion (iii): The rice terraces are a dramatic testimony to a community’s sustainable and primarily communal system of rice production, based on harvesting water from the forest clad mountain tops and creating stone terraces and ponds, a system that has survived for two millennia. Criterion (iv): The rice terraces are a memorial to the history and labour of more than a thousand generations of small-scale farmers who, working together as a community, have created a landscape based on a delicate and sustainable use of natural resources. Criterion (v): The rice terraces are an outstanding example of land-use that resulted from a harmonious interaction between people and its environment which has produced a steep terraced landscape of great aesthetic beauty, now vulnerable to social and economic changes.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 722).
78
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Abb. 3.21: Hallstatt
Hallstatt-Dachstein/Kulturlandschaft Salzkammergut, Österreich Jahr der Einschreibung: 1997, Kulturstätte, Kriterien: (iii), (iv). „Criterion (iii): Humankind has inhabited the valleys between huge mountains for over three millennia. It is the mining and processing of salt, a natural resource essential to human and animal life, which has given this area its prosperity and individuality as a result of a profound association between intensive human activity in the midst of a largely untamed landscape. Criterion (iv): The Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut alpine region is an outstanding example of a natural landscape of great beauty and scientific interest which also contains evidence of fundamental human economic activity. The cultural landscape of the region boasts a continuing evolution covering 2500 years. Its history from the very beginning is linked primarily with the economic history of salt extraction. Salt mining has always determined all aspects of life as well as the architectural and artistic material evidence. Salt production on a major scale can be traced back in Hallstatt to the Middle Bronze Age.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 806).
Interessant für diese Phase ist weiterhin, dass das bis dahin dominierende Verständnis von Authentizität modifiziert wurde. Nach Michael S. Falser fand eine Veränderung in der Konstruktion von Erbe statt, beeinflusst insbesondere durch das 1994 im japanischen Nara verabschiedete Document on Authenticity ⁶² und durch die 1999 in Burra,
62 Siehe dazu Kapitel 2.3.
3.2 Etappen der Implementierung
79
Australien, verabschiedete Charter for Places of Cultural Significance. Das Verständnis von Erbe mutierte vom selbsterklärenden materiellen monumentalen Erbe hin zu Interpretationen, die das materielle Erbe immer stärker in Kontexte seiner immateriellen Bedeutungen und Funktionen stellte und damit Elemente der Global Strategy umsetzte. Laut Falser hat sich das Konzept von Kulturerbe dadurch „von monumentalen, elitären und ausschließlich superlativen hin zu mehr alltäglichen Kategorien verschoben“. Diese Entwicklung ging mit einer „Erweiterung der Kulturerbe-Typologien einher“, die nun „neben Sakralbauten und historischen Stadtzentren u. a. industrielles, vernakuläres anonymes und kommerzielles Erbe“ einschloss (Falser 2011, S. 6). An der Dominanz Europas änderte auch die vermehrte Einschreibung außereuropäischer Stätten in die Liste nichts. Eine weitere negative Entwicklung zeigte sich aber auch in einer immer intensiveren und extensiveren Nutzung der Stätten durch einen nicht nachhaltig angelegten Tourismus. Beides hatte Entwicklungen zur Folge, die bis heute trotz fortlaufender Anpassung von Schutzkriterien nicht behoben sind. Je schneller sich die Idee von Welterbe als einem einzigartigen Ausdruck von schützenswerter materieller Kultur ausbreitete, umso attraktiver wurden diese historischen Zeugnisse für den Massentourismus. Die Folgen daraus sind evident. Viele Stätten verloren ihre Authentizität. Historische Gebäude wurden auf Fassaden reduziert oder in vielen Fällen abgerissen und als Fakes oder Imitate wieder aufgebaut. Andere Stätten wie beispielsweise historische Altstädte wurden musealisiert. In manchen Fällen wurden sie zu „Disneylands“ umfunktioniert, wie bspw. an der Festung und historischen Altstadt von Carcassonne (Riding 1997) in Frankreich gezeigt werden kann. Zusammengenommen kann daher insbesondere die zweite Phase der Implementierung der Welterbekonvention als die eigentliche Phase einer im Wesentlichen negativen Popularisierung gewertet werden.
Dritte Phase 2000–2005 Wie die weiteren Zahlen demonstrieren, kann die dritte Phase als die der Verstetigung des quantitativen Erfolges insbesondere in Europa bezeichnet werden, in der die wachsende Welterbegemeinschaft einschließlich ihrer diversen Akteure sich mit den positiven wie negativen Auswirkungen eben dieses Erfolges zu konfrontieren hatte. Dabei musste die Welterbegemeinschaft zur Kenntnis nehmen, dass die Welterbeliste ihren eurozentrischen materiellen und monumentalen Charakter behalten, ja sogar verstärkt hatte. Die Bezüge zur einleitend zitierten Präambel der Welterbekonvention waren anhand vieler Einschreibungen nicht mehr wirklich erkennbar. Beispiele für diese Entwicklung sind u. a. die Longmen-Grotten (Abb. 3.22) von Luoyang in China oder die Kulturlandschaft des Tals der Loire zwischen Sully-sur-Loire und Chalonnes.
80
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Abb. 3.22: Touristen vor den Longmen-Grotten
Longmen-Grotten, China Jahr der Einschreibung: 2000, Kulturstätte, Kriterien: (i), (ii) und (iii). „Criterion (i): The sculptures of the Longmen Grottoes are an outstanding manifestation of human artistic creativity. Criterion (ii): The Longmen Grottoes illustrate the perfection of a long-established art form which was to play a highly significant role in the cultural evolution in this region of Asia. Criterion (iii): The high cultural level and sophisticated society of Tang Dynasty China are encapsulated in the exceptional stone carvings of the Longmen Grottoes.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 1003).
Das wichtigste Charakteristikum dieser Periode bestand im Bemühen der internationalen Gemeinschaft, die Auswirkungen dieser im Hinblick auf die Ziele der Konvention festgestellten Fehlentwicklungen zu begrenzen. Mit anderen Worten: diese Entwicklungen selbst umzukehren. Dazu wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, die jedoch alle als Fortsetzung bzw. Weiterentwicklung der Global Strategy gewertet werden können. Das betraf insbesondere die Fortführung der Expertentreffen zu der thematischen Entwicklung. Mit dem Ziel, die inzwischen deutlich erkennbaren und von vielen Mitgliedsländern kritisierten Ungleichgewichte zu beheben und dafür entsprechende Strategien zu entwickeln, fanden auch in dieser dritten Phase der Implementierung
81
3.2 Etappen der Implementierung
der Konvention regelmäßig solche Expertentreffen statt. Bei den meisten ging es darum, holistische Konzepte zu erarbeiten, um die regionalen mit den thematischen und den typologischen Konzepten in Beziehung zu setzen. Man erhoffte sich dadurch, Anregungen auch für neue Nominierungen bzw. für entsprechende Erweiterungen der nationalen Vorschlagslisten zu erhalten, um alternative Interpretationen und Positionen zum Welterbe formulieren zu können. Tab. 6: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Dritte Phase 2000–2005 (eigene Darstellung) Region
Afrika Arabische Staaten Asien & Pazifik Europa & Nordamerika Lateinamerika & Karibik Gesamt 1.–2. Phase Gesamt 3. Phase Gesamt WH Sites
Kultur
Natur Gemischt
Gesamt 1.–2. Phase
Gesamt 3. Phase
Gesamt WH Sites
15 9 40 93 27
65 61 164 410 113
12 8 30 83 15
2 1 10 10 11
1 0 0 0 1
50 52 124 317 86
479 148 627
126 34 160
24 2 26
629 184 813
Das Ziel war die Erreichung einer repräsentativen Welterbeliste, die dem Anspruch, der in der Präambel formuliert war, gerecht würde (ICOMOS 2004, S. 10 ff.). Der seit 1994 existierenden Kategorie der Kulturlandschaften wurde dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Aber auch „other subjects ranging from heritage canals, exchange routes, traditional know-how and spiritual heritage“ (ebd.). wurden in den Blick der Experten genommen und für potenzielle Nominierungen auf bereitet. Auf dem 12. Treffen der Generalversammlung der Mitgliedsländer zur Welterbekonvention im Jahre 1999 war ein Aktionsplan beschlossen worden, der jetzt von den Komitees umgesetzt werden sollte. Dieser sah vor: „to adopt a regional and multi-year Action Plan for the implementation of the Global Strategy and to evaluate the progress“ (UNESCO 2003b, S. 1). Er wurde auf der 24. Sitzung des Komitees in Cairns im Jahre 2000 er weitert, indem das Komitee damit fortfuhr, „to proceed with an analysis of sites on a regional, chronological, geographical and thematic basis“ (ICOMOS 2004, S. 2). Im Oktober 2003 forderte die 14. Generalversammlung das Welterbekomitee auf, „to submit an evaluation of the Global Strategy to enable the Committee to develop appropriate action plans, following a report by an ICOMOS working group sent to the Centre in January 2003“ (ebd., S. 13). Der Report The Filling the Gaps wurde im Februar 2004 veröffentlicht. Er enthielt einen „typological framework based on categories, chronological-regional framework and thematic framework“ (ebd., S. 2) und wird bis heute für die Beurteilung von sogenannten Gaps als unterrepräsentierte Stätten auf der Welterbeliste herangezogen.
82
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Ein weiterer Meilenstein zum Erreichen einer repräsentativen Liste war die sogenannte Cairns Decision, die im Jahre 2000 verabschiedet wurde. Sie zielte darauf, die Anzahl der Nominierungen auf 30 pro Jahr zu beschränken. Länder, die mit Stätten auf der Liste überrepräsentiert waren, wurden angehalten, nur eine neue Nominierung pro Jahr zu beantragen. Ausgenommen waren Länder, die Anträge mit unterrepräsentierten geografischen Stätten einreichten (UNESCO 2003a, S. 1). Man erhoffte sich durch diese Maßnahme zugleich, die Arbeitslast auch des Komitees, der Beraterorganisationen und des Welterbezentrums einzugrenzen (ebd). „However, at the 28th session of the Committee in Suzhou, the limit per State Party was brought up to two nominations, provided at least one concerns a natural property“ (UNESCO 2007d, S. 1). Zum 30. Jahrestag der Welterbekonvention im Jahre 2002 wurden mit der Deklaration von Budapest vier strategische Ziele verabschiedet, die ebenfalls zu einer ausgewogenen Welterbeliste beitragen sollten. Diese strategischen Ziele waren formuliert als: „(a) strengthen the Credibility of the World Heritage List, as a representative and geographically balanced testimony of cultural and natural properties of outstanding universal value; (b) ensure the effective Conservation of World Heritage properties; (c) promote the development of effective Capacity-building measures, including assistance for preparing the nomination of properties to the World Heritage List, for the understanding and implementation of the World Heritage Convention and related instruments; (d) increase public awareness, involvement and support for World Heritage through communication.“ (UNESCO 2002, S. 7).
Schließlich wurden auch Maßnahmen beschlossen, mit denen die Mitgliedsländer ihre fachlichen Kompetenzen verbessern sollten und mit denen bessere Kommunikationsstrategien umgesetzt werden sollten. Hervorzuheben ist das im Jahre 2002 etablierte Netzwerk World Heritage Partnerships for Conservation Initiative (PACT). Zugleich sollte mit PACT der Kreis der an den Nominierungs- und Erhaltungsprozessen beteiligten Akteure vergrößert werden. Der bisher ausschließlich im Kreis von Experten geführte Diskurs über die richtige oder falsche Interpretation von schützenswertem Welterbe sollte durch die Einbeziehung von „Nicht-Experten“ auf andere Gruppen und deren Kenntnisse ausgeweitet werden. Schließlich wurde auch das Expertentum selbst modifiziert, indem den Beratungsorganisationen, bestehend aus ICOMOS,⁶³
63 ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) ist eine Nicht-Regierungsorganisation, die mit der Förderung von Theorie und Methodik für die Erhaltung und den Schutz des architektonischen und archäologischen Erbes befasst ist (ICOMOS 2011a). Die Organisation wurde 1965 gegründet, basierend auf den Prinzipien der Charta von Venedig (ICOMOS 2011b). Heute hat ICOMOS mehr als 11.000 individuelle Mitglieder, 95 nationale Ausschüsse und 27 internationale wissenschaftliche Ausschüsse (ICOMOS 2011a).
3.2 Etappen der Implementierung
83
IUCN⁶⁴ und ICCROM⁶⁵, nationale Institutionen mit UNESCO-Auftrag⁶⁶ oder auch UNESCO-Chairs⁶⁷ an die Seite gestellt wurden. Leider wurde die Zusammensetzung der Akteure von PACT auf solche privaten und institutionellen Sponsoren reduziert, von denen man sich finanzielle Unterstützung für die immer auf wendigeren Konservierungsmaßnahmen erhoffte. Eine der größten Dringlichkeiten, nämlich die Einbindung der Bevölkerung in die Inbesitznahme von Erbe, wurde auch mit PACT nicht erreicht. Als erfolglos kann auch die Einführung der oben definierten vier strategischen Cs eingeschätzt werden, da sie die anvisierten Zielgruppen – nämlich die lokale Bevölkerung – nicht mobilisieren konnte. Aufgrund der immer noch von den Interessen der lokalen Bevölkerungen abgetrennten Implementierung der Konvention lernten auch in dieser Phase die Menschen selbst wenig über die eigentlichen Ziele der Übereinkunft. Die Popularisierung hatte den Bekanntheitsgrad von Welterbe zwar erhöht, aber nicht zugleich die Ziele der Konvention bekannt gemacht. Und obwohl gerade in der dritten Phase das
64 IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) wurde 1948 als erste globale Umweltorganisation der Welt in Fontainebleau, Frankreich, gegründet. Heute hat IUCN mehr als 1.200 Mitgliedsorganisationen, darunter etwa 200 Regierungs- und 900 Nicht-Regierungsorganisationen (IUCN 2013). Die Organisation beschäftigt sich mit dem Schutz der Biodiversität, der von grundlegender Bedeutung ist für die Bewältigung einiger der größten Herausforderungen der Welt wie den Klimawandel, nachhaltige Ent wicklung und Ernährungssicherheit. 65 ICCROM (International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property) ist eine zwischenstaatliche Organisation (IGO) zur Förderung der Erhaltung des beweglichen und unbeweglichen Erbes. Sie wurde 1959 in Rom gegründet. 2011 hatte ICCROM 125 Vertragsstaaten. Seit 1991 befasst sich ICCROM auch damit „to encourage initiatives that create a better understanding of the conservation and restoration of cultural property“ (ICCROM 2010). Auf dieser Grundlage betont ICCROM: „Every element of cultural heritage is particular and irreplaceable […] Every element of cultural heritage is vulnerable and fragile […] Every element of cultural heritage has one or several messages […]“ (ebd.). 66 „UNESCO has designated 98 International and Regional Institutes and Centres as Category 2 under its auspices; these are not legally part of the Organization, but are associated with UNESCO through formal arrangements approved by the General Conference, selected upon proposal by Member State(s), based on the strength of their specialization in one of UNESCO’s fields of competence“ (UNESCO 2013 g). „Category 2 Institutes and Centres fall under the following sectors: Education; Natural Sciences; Social and Human Sciences; Culture; Communication and Information; Bureau of Strategic Planning“ (ebd). „At its 37th session (November 2013), UNESCO’s General Conference amended the integrated comprehensive strategy for category 2 institutes and centres, as approved in 37 C/Resolution 93 which supersedes all relevant prior resolutions by the General Conference on the subject“ (UNESCO 2013j). 67 „The UNITWIN/ UNESCO Chairs Programme established in 1992 consists of UNESCO Chairs and a university twinning and networking scheme, to help promote international inter-university cooperation and capacity-building of higher education through exchange of knowledge and sharing; they serve dual functions as ‚think tanks‘ and ‚bridge builders‘ between the academic world, civil society, local communities, research and policy making“ (UNESCO 2009a, S. 1 ff.).
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Bildungsprogramm World Heritage in Young Hands⁶⁸ ausgebaut wurde, trug auch das nicht zum tieferen Verständnis der Konvention bei. Die Umsetzung der strategischen Ziele blieb im technischen Know-how von Experten verhaftet und löste die Probleme nicht. Beginnend in der dritten Phase, wenngleich verstärkt wirksam in der vierten, zeichnete sich andererseits eine Trendwende ab. Diese bestand darin, dass die inzwischen vermehrt aus den Entwicklungsländern stammenden Mitglieder der wechselnden Komitees die bis dahin von den offiziellen Beraterorganisationen vorgetragenen Fachgutachten zum außergewöhnlichen universellen Wert, zur Authentizität oder zur Integrität nicht mehr widerspruchslos annahmen. Der westliche Diskurs, der auch durch die Beraterorganisationen mitverantwortet werden musste und der als einzig relevanter Diskurs für die Bestimmung dessen, was Welterbelistenwürdig sein sollte und was nicht, bis dahin unangetastet Gültigkeit beansprucht hatte, wurde nicht mehr kritiklos akzeptiert. Insbesondere die europäischen Mitglieder im Komitee mussten zur Kenntnis nehmen, dass Entscheidungen gerade von Mitgliedern des Komitees aus Entwicklungsländern mehr und mehr aufgrund politischer Interessen auch in Abgrenzung und im Widerspruch zu den Expertisen der Berater getroffen wurden. Ein neuer Diskurs hatte sich zu etablieren begonnen. Dieser verlagerte die Sicht vom materiellen zum immateriellen Erbe und wurde insbesondere – wen wundert es? – von Entwicklungs- und Schwellenländern eingeführt. Seit 2003 nun wird das immaterielle Erbe durch eine eigene Konvention geschützt, welche die von 1972 ergänzt. Mit ihr können nun auch solche kulturellen Ausdrücke bewahrt werden, die die menschliche Erlebnis-Gedanken- und Repräsentationswelt lebendig halten. Die neue Konvention erkennt orale Traditionen als Ausdrücke menschlicher Kommunikation genauso an wie überlieferte Formen des traditionellen Wissens und des Handwerks, der Kunst und des Kunsthandwerks, der Rituale und der Gebräuche. Der Schutz des immateriellen Erbes eröffnete neue Dimensionen in der Kommunikation und ermöglichte zugleich neue Wege für die Förderung kultureller Vielfalt in der Globalisierung.
68 „The World Heritage in Young Hands refers to an educational resource kit for secondary school teachers that was developed in 1998, aimed at sensitising young people to the importance of preserving their local, national and world heritage – it discusses World Heritage in relation to issues of heritage and identity, sustainable tourism, environment and peace“ (UNESCO 2013 h). „It is one of the activities as part of the UNESCO World Heritage Education Programme initiated in 1994, along with international and regional Youth Forums, as well as World Heritage Volunteers projects“ (UNESCO 2013i).
3.2 Etappen der Implementierung
85
Vierte Phase (2006 – heute) Die vierte Phase der Anwendung der Konvention beginnt nach von Droste im Jahr 2006 und hält genauso an wie der Boom der europäischen Länder mit angemeldeten Welterbestätten (Tab. 7). Als wichtigste Maßnahme in der letzten Phase kann die im Jahr 2007 auf der Sitzung des Komitees in Neuseeland verabschiedete Einführung eines fünften Cs für Community Involvement zur Umsetzung der Global Strategy betrachtet werden. Man wollte mit dieser Entscheidung Fragen des Schutzes und der Nutzung von Erbe wieder dorthin zurückzubringen, wo es vermeintlich hingehörte, nämlich zu den lokalen Bevölkerungen. Bisher wurden jedoch auch mit dieser Strategie nicht die erhofften Erfolge erzielt. Tab. 7: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Vierte Phase 2006–2013 (eigene Darstellung) Region
Afrika Arabische Staaten Asien & Pazifik Europa & Nordamerika Lateinamerika & Karibik Gesamt 1.–3. Phase Gesamt 4. Phase Gesamt WH Sites
Kultur
Natur Gemischt
Gesamt 1.–3. Phase
Gesamt 4. Phase
Gesamt WH Sites
23 14 57 61 16
88 75 221 471 129
17 12 42 48 13
5 1 14 12 3
1 1 1 1 0
65 61 164 410 113
627 132 759
160 35 195
26 4 30
813 171 984
Folgt man den Ausführungen von Bernd von Droste in seinem o. g. Aufsatz weiter, muss man festhalten, dass es in der vierten Phase der Implementierung der Welterbekonvention gegenüber der dritten keine substanziellen Veränderungen gegeben hat. Was sich verändert hat, sind die diversen Akteure des Welterbekomitees. Entsprechend modifiziert sind deren Diskurse. Die ehemals dominanten westlichen Experten sind politischen Diplomaten gewichen. Diese kommen zu immer größeren Teilen aus Entwicklungsländern. Die positiven Auswirkungen davon waren, dass mit Beginn dieser Phase verstärkt Stätten aus dem nichteuropäischen Raum eingeschrieben wurden. Zu den negativen Effekten gehört, dass ein immerhin noch existierendes Kulturgüterschutzverständnis im Kontext der Einschreibungen von Erbe – und sei es auch noch so elitär und materiell – durch ein über wiegend politisch motiviertes Verständnis ersetzt worden ist. Die neuen Mitglieder der Komitees fordern – völlig berechtigt – mehr globale Beteiligung. Diese setzen sie mit den vorhandenen Statuten um. Die betroffenen Menschen, um deren Erbe und Identität es ja im weitesten Sinne geht, bleiben auch in diesem Diskurs Statisten. Wie sie zu Akteuren werden können, ist nach wie vor eine offene Frage.
86
3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
3.3 Die Global Strategy ⁶⁹ Die Idee, mit dem Aktionsprogramm der Global Strategy die vielfältigen Ungleichgewichte auf der Welterbeliste zu beheben, entstand Mitte der 80er Jahre, als der Eurozentrismus deutlich geworden war. Erste Vorschläge für die Erarbeitung einer globalen Strategie für die Einschreibung von Welterbe, einhergehend mit Anforderungen an globale Schutzkonzepte von Stätten, erfolgten durch IUCN im Jahr 1982 und ICOMOS 1983. Schon 1982 wurden erste Qualitätskriterien zur Verbesserung der Einschreibepraxis seitens der USA vorgeschlagen, die auf einem Monitoring des Yellow Stone National Park beruhten. In diesem Bericht wurden analog zum Abschnitt IV der Operativen Leitlinien die Konservierungs- und Managementkriterien festgelegt, mit denen der Erhaltungszustand überprüft werden soll. Folgende Kriterien wurden darin festgelegt und für weitere Monitoring-Prozesse genutzt: Abschnitt 1: – generelle Fragen zur Erfassung und zum Schutz der Welterbestätten – gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen – Aus- und Fortbildung in den relevanten Bereichen – internationale Kooperation Abschnitt 2: – detaillierte Angaben zu den einschlägigen Kriterien – zu Authentizität und Integrität – zu Management und Finanzierung – zu Forschung, Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit (UNESCO 2008a, Abschnitt V. und Anlage 7) Von 1987–1993 führte ICOMOS eine globale Studie durch, in der festgestellt wurde, dass Europa mit seinen „historic towns, religious monuments, christianity, historical periods and elitist architecture (in relation to vernacular) completely overrepresented“ (http://whc.unesco.org/en/globalstrategy/) war, während „living cultures (especially traditional cultures) underrepresented“ (ebd.) waren. Die daraus gezogenen politischen Schlussfolgerungen der Welterbekomitees bestanden darin, die Mitgliedstaaten zu veranlassen, nationale Tentativlisten zu erstellen und auf dieser Grundlage internationale Vergleichsstudien über die zur Einschreibung vorgeschlagenen Typen sowie deren OUV durchzuführen. Man erhoffte sich, mit solchen Übersichtslisten mehr Informationen über die Tendenzen der Nominierungen zu gewinnen und dadurch die Einschreibungen besser steuern zu können (UNESCO 1993).
69 Die Global Strategy ist ein feststehendes Konzept. Siehe dazu die Anlage Glossar.
3.3 Die Global Strategy
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Die dazu 1987 eingerichtete Arbeitsgruppe sollte zunächst die bis dahin eingereichten Tentativlisten der Länder evaluieren. Sie legte auf der 12. Sitzung des Welterbekomitees im Jahre 1988 in Brasilia eine Referenzliste, die sogenannte globale Studie vor, die eine Übersicht über die geplanten Einschreibungen weltweit enthielt. Mit dieser Liste hoffte man, für die folgenden 10 Jahre die Einschreibepraxis gemäß der regionalen und chronologischen, der thematischen und typologischen Kriterien besser vergleichen und damit die Welterbeliste perspektivisch ausbalancieren zu können. Deshalb wurden in dieser Liste nicht nur die Typen erfasst, sondern auch die Themen, mit denen Einschreibungen begründet wurden. Man musste feststellen, dass bspw. the evolution of ideas, die im Prozess der Entstehung des kulturellen Erbes wichtig war, verlorengegangen war. Die in den späten 80er Jahren entwickelten thematic studies wurden dann 1991 für die Bestimmung des OUV von Welterbe um temporal, cultural and theoretic aspects er weitert. Ab 1992 prüften verschiedene Welterbekomitees, wie man die in der Konvention festgeschriebene Vision von kultureller Vielfalt als interkulturelle, religiöse, authentische oder soziale Vielfalt in ein Gesamtbild von Erbe integrieren könnte. Man erhoffte sich dadurch, den nationalen oder typologischen Systematiken von Welterbe ein ganzheitliches Konzept gegenüberstellen zu können. Wieder einmal wurden die Mitgliedsstaaten der Konvention aufgefordert, ihre nationalen Kriterien für die Tentativlisten analog zu den sich entwickelnden Vorlagen zu internationalisieren, da sich keine signifikanten Veränderungen in der Verteilung von Stätten ergeben hatten, wie eine Studie der Autorinnen dieses Buches zu der Verteilung von Stätten im Jahr 1992 zeigt. Nach wie vor waren die historischen Altstädte und Gebäude mit 65 % aller Einschreibungen überrepräsentiert. Christliche Stätten rangierten mit 20 % vor allen anderen Religionen, die 14 % ausmachten. Bei den chronologischen Einschreibungen dominierten die Epochen 15. bis 18. Jahrhundert im Vergleich zu prähistorischen Perioden oder zum 19. und 20. Jahrhundert. Vernacular Architecture (traditionelle Architektur) war gegenüber Elitist Architecture (elitärer Architektur) mit 16 % zu 45 % unterrepräsentiert und von allen Stätten waren nur 25 % Naturstätten. Auch die Empfehlungen verblieben im Abstrakten. Zum Beispiel sollte bei der Nominierung von Architektur der Fokus nicht mehr auf die „großen Architekten und ihre Ästhetik“ gelegt werden, wie hier am Beispiel Gaudi und Barcelona (Abb. 3.23) deutlich wird.
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Abb. 3.23: Architektur von Antoni Gaudí, Spanien
„Criterion (i): The work of Antoni Gaudí represents an exceptional and outstanding creative contribution to the development of architecture and building technology in the late 19th and early 20th centuries. Criterion (ii): Gaudí’s work exhibits an important interchange of values closely associated with the cultural and artistic currents of his time, as represented in el Modernisme of Catalonia. It anticipated and influenced many of the forms and techniques that were relevant to the development of modern construction in the 20th century. Criterion (iv): Gaudí’s work represents a series of outstanding examples of the building typology in the architecture of the early 20th century, residential as well as public, to the development of which he made a significant and creative contribution.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 320).
Vielmehr sollten die Transformationen der Gesellschaften durch vielfältige Bedeutungen in der Verwendung von Material, Technologie, Arbeit, Organisation oder von Raum berücksichtigt werden, wie etwa am Beispiel von Brasilia (Abb. 3.24) gezeigt werden kann.
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Abb. 3.24: Brasilia, Brasilien
„Brasilia, a capital created ex nihilo in the centre of the country in 1956, was a landmark in the history of town planning. Urban planner Lucio Costa and architect Oscar Niemeyer intended that every element – from the layout of the residential and administrative districts (often compared to the shape of a bird in flight) to the symmetry of the buildings themselves – should be in harmony with the city’s overall design. The official buildings, in particular, are innovative and imaginative.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 445).
Auch sollte Welterbe verstärkt als Motor für menschliche Entwicklung gesehen und behandelt werden. Diese Strategie bedeutete, dass neben der typologischen eine breitere thematische Ausrichtung vorgeschlagen wurde, mit der zum Beispiel die Inbesitznahme von Land und Raum durch die Menschen berücksichtigt werden konnte. Für diese Ausrichtung sind die Wanderungen von Nomaden in verschiedenen Regionen der Welt bekannt geworden, wie zum Beispiel die der Lappen (Abb. 3.25) in Schweden.
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Abb. 3.25: Saami Familie in Norwegen ca. 1900
„The Arctic Circle region of northern Sweden is the home of the Saami, or Lapp people. It is the largest area in the world (and one of the last) with an ancestral way of life based on the seasonal movement of livestock. Every summer, the Saami lead their huge herds of reindeer towards the mountains through a natural landscape hitherto preserved, but now threatened by the advent of motor vehicles. Historical and ongoing geological processes can be seen in the glacial moraines and changing water courses.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 774).
Nominierungen im o. g. Sinne sollten auch die Entwicklung industrieller Technologien, einhergehend mit der Herausbildung verbesserter Lebensbedingungen, liberaler Denkweisen usw. berücksichtigen. Ein Beispiel dafür sind die vorausgehend bereits gezeigten Berliner Siedlungen der Moderne. Auf der Grundlage der 1992er-Beschlüsse zur Einrichtung der Global Strategy initiierte ICOMOS 1993 thematische Studien. In einer ersten befassten sich die Experten mit dem industriellen Erbe, in der zweiten wurde die Architektur des 20. Jahrhunderts untersucht. Zur gleichen Zeit, nämlich im Juli 1993, richtete ICOMOS eine Expertengruppe ein, um kulturelle Güter auf der Grundlage von drei Aspekten zu erforschen, nämlich: „using a three-dimensional approach of time, culture and human achievement, including undertaking thematic studies on a geographical and trans-regional basis rather than on an historico-cultural basis“, auf dessen Grundlage dann dem Welterbekomitee für die 17. Sitzung im Dezember 1993 vorgeschlagen werden sollte, einen:
3.3 Die Global Strategy
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„methodological approach with broader reflection involving various disciplines of ’history, art and architecture history, archaeology, social anthropology, conservation and restoration […] [and] different institutions and regions of the world concerned“ (UNESCO 1993) zu verabschieden.
Die Ergebnisse der Untersuchungen dieser Expertengruppen untermauerten die bisherige Kritik an der Umsetzung der Konvention, indem sie Gründe bspw. für das Ungleichgewicht identifizierten. Es war nicht nur die in Europa zunehmende Popularisierung, die es hervorgerufen hatte, sondern auch ein Mangel an Wissen und Kompetenzen für eine Erarbeitung von Nominierungsanträgen von Welterbestätten in Entwicklungsländern. Auch wurde mangelhaftes Management oder fehlende Kompetenzen für die Erarbeitung und Anwendung von Konservierungs- und Schutzmaßnahmen identifiziert. Auf der 18. Sitzung des Welterbekomitees in Thailand wurden diese Erkenntnisse in der Folge perspektivisch formuliert und umgesetzt. In den Beschlüssen wurde u. a. festgelegt, dass die bereits in den 80er Jahren formulierten Vorschläge an die Vertragsstaaten, tentative Listen zu erstellen, nunmehr als deren Verpflichtung in die Operativen Leitlinien (OPG) aufgenommen werden sollten. Seither werden alle Staaten nachdrücklich aufgefordert, solche Tentativlisten zu erstellen und in Abständen von 10 Jahren zu überprüfen. Eine weitere innovative Entscheidung auf dieser Sitzung war die Einführung der eingangs erläuterten Kategorie der Kulturlandschaft⁷⁰. Weiterhin erfolgte ab 1994 in jeder Komiteesitzung eine Bewertung der Global Strategy und korrespondierend damit die Formulierung und Implementierung von entsprechenden Maßnahmen. Einhergehend mit dem alten und neuen ganzheitlichen Konzept von Welterbe wurden auch typologische Erweiterungen eingeführt, die als mineries, industrial heritage, deserts, coastal-marine, small island sites zu einer größeren Diversität bei den typologischen Potenzialen von Stätten in den Nominierungsprozessen führen sollten. Im Ergebnis können folgende Maßnahmen aus dieser ersten Etappe der Einführung und Umsetzung der Global Strategy⁷¹ festgehalten werden: – Von allen Mitgliedsstaaten für einen Zeitraum von 10 Jahren zu erstellende Referenzlisten (Tentativlisten), die die beabsichtigten Nominierungen und damit die zu erwartenden Vorschläge für Einschreibungen überschaubarer machen sollen. – Weitere Ursachenanalysen für die ungleichgewichtige regionale und typologische Verteilung der Stätten, um Gegenmaßnahmen entwickeln zu können. – Umfangreiche Weiterbildungsmaßnahmen zur Verbesserung des Know-hows von Antragstellern/Antragstellerinnen insbesondere in Entwicklungsländern. – Fortführung der Lückenanalysen mit dem Ziel, diese perspektivisch zu schließen.
70 Siehe dazu Kapitel 2.2. und 3.2. 71 Die Phase entspricht der zweiten Periode nach von Droste, siehe Kapitel 3.2.
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Entwicklung eines integralen Konzeptes für das Aufspüren des OUV auf der Grundlage von weiteren thematischen, regional-zeitlichen und typologischen Studien.
Nach Bernd von Droste setzte die dritte Phase der Umsetzung der Welterbekonvention etwa ab dem Jahr 2000 ein und verlief bis etwa 2005/6. Diese Periode ist auch für Umsetzung der Global Strategy wichtig. Das betrifft insbesondere die nunmehr verstärkt verabschiedeten Beschlüsse der Komitees, die Nominierungen zu begrenzen. Eine wichtige Entscheidung wurde dazu im Jahre 2000 in Cairns in Australien in der sogenannten Cairns Decision getroffen, mit der eine Begrenzung der Anzahl der zu begutachtenden Stätten auf 30 pro Jahr festgelegt wurde. Obwohl 2006 dieses Limit wieder auf 45 Anträge pro Jahr hinaufgesetzt wurde, konnte damit die Flut der eingereichten Nominierungen zunächst gebremst werden. Wichtiger war jedoch die Entscheidung des Komitees in Cairns, nur noch eine Nominierung jährlich pro Land zu gestatten, es sei denn, es wurde auch Naturerbe nominiert. Der Cairns Decision folgte in einem weiteren wichtigen Schritt zur Umsetzung der Global Strategy die sogenannte Deklaration von Budapest, die 2002 auf der Komiteesitzung in Budapest beschlossen wurde. Mit dieser Erklärung wurde eine neue Gesamtstrategie definiert, durch die mittels der vier Cs für credibility, conservation, capacity building und communication⁷² Fehlentwicklungen entgegengesteuert werden sollte. Im Jahre 2004, also 10 Jahre nach der ersten Umsetzung der Global Strategy, wurden in verschiedenen Regionen der Welt erstmals mittels des bereits Ende der 90er Jahre eingeführten Systems der periodischen Berichterstattungen Evaluationen der vorhandenen Stätten durchgeführt. Man stellte fest, dass die meisten Ziele nicht erreicht worden waren. Auch die europäische Dominanz war in keiner Weise zurückgedrängt worden. „As of May 2004, 178 State Parties had become signatories to the convention in comparison with 140 in 1994. As of September 2004, 137 States had submitted Tentative Lists against 33 in 1994, and 788 properties had been included on the World Heritage List as of July 2004 compared with 440 in 1994 […] some of the geographical gaps noted in 1994 have been filled […] thirty-oneStates Parties have had their first site inscribed on the list since the adoption of the global strategy […]“ (Labadi, 2005, S. 92).
Weiterhin wurde 2004 der ICOMOS-Report Filling the Gaps veröffentlicht, in dem die bis zu diesem Zeitpunkt erarbeiteten neuen und er weiterten Themen, Typen oder Perioden präsentiert wurden. In diesem Dokument gab es dann auch erstmals Hinweise auf Stätten des Typs Astronomie. Aber insbesondere die Kulturlandschaften hatte sich als ein wichtiges Konzept für ein ausgewogeneres Welterbe erwiesen, wie
72 Siehe dazu Kapitel 3.2 zu den Etappen der Implementierung.
3.3 Die Global Strategy
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Abb. 3.26: Kulturlandschaft Mapungubwe, Südafrika
zum Beispiel anhand der Mapungubwe Kulturlandschaft (Abb. 3.26) in Südafrika, eingeschrieben 2003, gezeigt werden kann. „Mapungubwe is set hard against the northern border of South Africa, joining Zimbabwe and Botswana. It is an open, expansive savannah landscape at the confluence of the Limpopo and Shashe rivers. Mapungubwe developed into the largest kingdom in the sub-continent before it was abandoned in the 14th century. What survives are the almost untouched remains of the palace sites and also the entire settlement area dependent upon them, as well as two earlier capital sites, the whole presenting an unrivalled picture of the development of social and political structures over some 400 years.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 1099).
Zu den Empfehlungen für eine stärkere Berücksichtigung der auf der Welterbeliste unterrepräsentierten Typen gehörte auch Felsenkunst oder industrielles Erbe. Ein Beispiel dazu ist die Darjeeling Himalayan Railway (Abb. 3.27). „This site includes three railways. The Darjeeling Himalayan Railway was the first, and is still the most outstanding, example of a hill passenger railway. Opened in 1881, its design applies bold and ingenious engineering solutions to the problem of establishing an effective rail link across a mountainous terrain of great beauty. The construction of the Nilgiri Mountain Railway, a 46-km long metre-gauge single-track railway in Tamil Nadu State was first proposed in 1854, but due to the difficulty of the mountainous location the work only started in 1891 and was completed in 1908. This railway, scaling an elevation of 326 m to 2,203 m, represented the latest
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Abb. 3.27: Gebirgseisenbahn in Indien technology of the time. The Kalka Shimla Railway, a 96-km long, single track working rail link built in the mid-19th century to provide a service to the highland town of Shimla is emblematic of the technical and material efforts to disenclave mountain populations through the railway. All three railways are still fully operational.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 944).
Zu den wichtigsten Maßnahmen, die in den ersten 10 Jahren der Implementierung der Global Strategy ergriffen wurde, gehörte die Einführung des Konzeptes von seriellen Nominierungen. Auf der Grundlage gleicher oder vergleichbarer Themen, Inhalte und Typen konnte mit solchen seriellen Nominierungen länder- oder regionenübergreifend Welterbe identifiziert und eingeschrieben werden. Zu den wichtigsten Serien gehören bis heute sogenannte Routen wie die Sklavenrouten, die in Angola, Benin und Ghana auf den nationalen Tentativlisten stehen und die helfen, diese grausame Epoche aufzuarbeiten. Aber auch die Salzroute (Abb. 3.28) in Nigeria ist in diesem Kontext zu erwähnen, da das Salzgeschäft seit 1000 Jahren floriert. „Seit 1000 Jahren blüht das Geschäft der Karawanen auf dieser Route, und weder Räuber noch Dürre noch die Transportmittel der Moderne konnten ihm etwas anhaben. Von Oktober bis März, wenn die Temperaturen tagsüber auf erträgliche 30 bis 35 Grad sinken, schleppen die Karawanen Hirse, getrockneten Ziegenkäse und die Güter des täglichen Bedarfs durch die Ténéré. Ziel sind zwei der abgelegensten Oasen der Sahara, Fachi und Bilma, deren Salinen ein besonders hochwertiges Salz erzeugen. Das ‚weiße Gold‘ ist Segen und Fluch zugleich. Denn
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Abb. 3.28: Salzkarawane auf dem Weg von Agadez nach Bilma in Niger auf den versalzenen Böden der Oasen wachsen weder Getreide noch Gemüse. Seit je sind die Bewohner deshalb auf den Handel angewiesen. Hirse nach Norden, Salz nach Süden, lautet die Formel.“ (Märtin 2008).
Auch die technologischen Entwicklungen in der Welt wurden während der ersten 10 Jahre der Global Strategy bedacht und durch Einschreibungen diverser industrieller Stätten als Welterbe gewürdigt. Ein Beispiel ist das Salpeterwerk (Abb. 3.29) in Chile, das 2005 mit den Kriterien (ii), (iii) und (iv) eingeschrieben und 2011 er weitert wurde. In der Beschreibung dazu heißt es: „Humberstone and Santa Laura works contain over 200 former saltpeter works where workers from Chile, Peru and Bolivia lived in company towns and forged a distinctive communal pampinos culture. That culture is manifest in their rich language, creativity, and solidarity, and, above all, in their pioneering struggle for social justice, which had a profound impact on social history. Situated in the remote Pampas, one of the driest deserts on Earth, thousands of pampinos lived and worked in this hostile environment for over 60 years, from 1880, to process the largest deposit of saltpeter in the world, producing the fertilizer sodium nitrate that was to transform agricultural lands in North and South America, and in Europe, and produce great wealth for Chile. Because of the vulnerability of the structures and the impact of a recent earthquake, the site was also placed on the List of World Heritage in Danger to help mobilize resources for its conservation.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 1178).
Eine weitere Innovation für das Konzept von Welterbe war in der ersten Phase der Global Strategy die Ausweitung des Verständnisses von religiösem Erbe außerhalb von christlichen Stätten. Vermehrt wurden jetzt auch Stätten wie die Longmen-Grotten (Abb. 3.30) eingeschrieben.
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Abb. 3.29: Salpeterwerke von Humberstone und Santa Laura
Abb. 3.30: Grotten von Longmen, China
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„The grottoes and niches of Longmen contain the largest and most impressive collection of Chinese art of the late Northern Wei and Tang Dynasties (316–907). These works, entirely devoted to the Buddhist religion, represent the high point of Chinese stone carving.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 1003).
Die Ergebnisse dieser Phase der ersten 10 Jahre der Global Strategy⁷³ zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zwar thematische und typologische Erfolge erzielt werden konnten, das Ungleichgewicht zwischen Welterbe aus Europa und dem Rest der Welt sich aber fortsetzte. Auch konnten in arabischen, afrikanischen, asiatisch-pazifischen, lateinamerikanischen und karibischen Ländern gravierende Probleme im Hinblick auf Nominierungen aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen identifiziert, aber nicht gelöst werden. Das machte sich insbesondere daran fest, dass trotz der Zunahme an Stätten auf den von den verschiedenen Komitees geforderten Tentativlisten immer noch relativ wenige Länder diese Listen erstellt und abgegeben hatten, nämlich 126 von 181 Vertragsstaaten (69,6 %). Das machte sich auch daran fest, dass in vielen Ländern der genannten Regionen nach wie vor grundlegende Kenntnisse über OUV, Authentizität, Integrität, Bewahrungsstrategien und Management fehlten. Ein umfassendes Verständnis zu den Themen und Typologien war ebenfalls nicht erreicht worden, wie die Evaluationen gezeigt hatten. Die Kategorie Modernes Erbe war bspw. in vielen Ländern noch unbekannt. Die Kategorie Industrielles Erbe wurde in dieser Zeit noch mit industrieller Revolution gleichgesetzt. Deshalb kann die nach von Droste skizzierte vierte Phase der Implementierung der Welterbekonvention für die Global Strategy eher als ein weiterer Schritt bei der Abarbeitung von Defiziten denn als innovativ interpretiert werden. Als wichtigster Meilenstein dieser Phase kann die Verabschiedung des fünften Cs für Community Involvement auf der 31. Sitzung des Welterbekomitees in Neuseeland im Jahre 2007 gewertet werden. Community Involvement bedeutet: „the identification, management and successful conservation of heritage must be done, where possible, with the meaningful involvement of human communities, and the reconciliation of conflicting interests where necessary. It should not be done against the interests, or with the exclusion or omission of local communities“ (UNESCO 2007b, S. 2) und komplettiert die zuvor verabschiedeten vier Cs.
Community Involvement zielte aber nicht nur darauf, in die Phasen der Nominierung von Welterbe lokale und regionale Gruppen und weitere Akteure einzubeziehen, diese Entscheidung ging auch mit der Anerkennung lokaler und indigener Gruppen und deren Werten einher. In diesem Sinne gingen in dieser Phase innovative Strategien und Stagnationen Hand in Hand. Seitens der ebenfalls im Jahr 2007 stattfindenden
73 Sie entspricht weitgehend der zweiten und dritten Phase der Anwendung der Konvention nach von Droste.
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3 Die Welterbekonvention im Laufe der Zeit
Generalkonferenz wurde festgehalten, dass diese „[…] expresses its deep concern for the limited results achieved so far“ (UNESCO 2008b. S. 59). Erneut wurden Arbeitsgruppen zur Entwicklung von Vorschlägen zur Angleichung des nach wie vor existierenden Nord-Süd-Gefälles eingerichtet (UNESCO 2009c, S. 5). Das Welterbezentrum und die Beraterorganisationen wurden aufgefordert, der Staatenkonferenz der Mitgliedstaaten auf seiner 18. Sitzung in Paris im Jahre 2011 nunmehr Erfolgsmeldungen über die durchgeführten Aktivitäten insbesondere im Hinblick auf die Zukunft der Welterbekonvention zu liefern. Weiterhin sollte „an independent evaluation by UNESCO’s external auditor on the implementation of the Global Strategy from its inception in 1994 to 2011“ (UNESCO 2009c, S. 7) erfolgen. Die Ergebnisse der einzelnen Aktivitäten wurden im November 2011 in Paris auf der 18. Sitzung der Generalversammlung vorgestellt. Erstmals konnten sichtbare Erfolge verzeichnet werden. Diese zeigten sich insbesondere in der Zunahme von Mitgliedsstaaten auf 193, die die Konvention ratifiziert hatten. Im Vergleich dazu waren es noch 187 im Jahr 2010 und 139 im Jahr 1994. Auch die Anzahl der Mitgliedsstaaten, die wenigstens eine Stätte eingeschrieben hatte, hatte sich von 72 % auf 80 % erhöht. Positive Entwicklungen konnten auch bei der Diversität der eingeschriebenen Stätten festgestellt werden. „In 1994, […] specific criteria were introduced into the Guidelines to define historic cities, cultural itineraries and cultural landscapes. Criterion (i) has evolved since 2005 from aesthetic properties to more technical ones. Criterion (iii) has included living cultures. […] To fill the gaps of cultural heritage […] industrial heritage and 20th century properties, prehistoric and rock art, routes and cultural landscapes, as well as some vernacular architecture were inscribed, but this latter category remains very under-represented.“ (UNESCO 2011a, S. 4).
Weitere identifizierte Probleme bestanden im Wesentlichen in: – formalen Mängeln wie klaren Zielvorgaben oder Strategien zur Umsetzung der Strategie einschließlich nicht entsprechend definierter Indikatoren zur Messung von Erfolgen bzw. Misserfolgen. Bemängelt wurde, dass Konzepte durch die Komitees nicht festgelegt waren und entsprechend auch nicht in die Leitlinien umgesetzt werden konnten. – Mängeln des Monitoring-Systems: „The evaluation of the Global Strategy presented at each session is based on an inadequate mechanism that reduces the notions of credibility, representativity and balance to a series of simplified statistical tables on numbers and regions of World Heritage properties. This tool is not based on scientific criteria, contributing to a drift towards a more political rather than heritage approach to the Convention.“ (UNESCO 2011a, S. 3). – nach wie vor unterrepräsentierten Stätten des Naturerbes, obwohl die Naturerbestätten auf den Tentativlisten von 8 im Jahr 1994 auf 162 im Jahr 2010 angestiegen waren. Es wurde angemerkt, dass es immer noch Mitgliedsländer gab, die keine entsprechenden Fachleute in ihren Verwaltungen haben, die Naturerbe nominie-
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ren könnten, und dass selbst das Welterbezentrum diesbezüglich über nicht ausreichend qualifizierte Experten verfügt. der geografischen Einteilung der Welt durch die UNESCO in Afrika, Arabische Staaten, Asien und Pazifik, Europa und Nordamerika, Lateinamerika und Karibik, da diese Einteilung weder historisch noch politisch, weder quantitativ noch qualitativ die globalen Entwicklungen repräsentieren.
Die Probleme wurden auf 18. Sitzung der Generalversammlung diskutiert und mit entsprechenden Lösungsempfehlungen verabschiedet (UNESCO 2011a, S. 3 ff.). Erneut wurde eine Arbeitsgruppe mit der Maßgabe eingerichtet, die Zukunft der Konvention zu visionieren. Leider brachten auch diese Ergebnisse keinen wirklichen Fortschritt. Sie wurden auf der 19. Sitzung der Generalversammlung im November 2013 in Paris vorgestellt. Die wichtigsten Aussagen darin waren, dass die Generalversammlung „appreciates the work of the open-ended working group on the Implementation Plan for the recommendations of the External Auditor on the Global Strategy and the PACT Initiative carried out in 2012 and 2013 and endorses its recommendations. […] Also encourages the continuation of the efforts to link the follow-up to the Implementation Plan for the recommendations of the External Auditor on the Global Strategy and the PACT Initiative with the implementation on the Strategic Action Plan for the World Heritage Convention.“ (UNESCO 2013k, S. 5).
Weiterhin wurden Vorschläge formuliert, die die periodischen Berichterstattungen und die Verfahren zur Erstellung der nationalen Tentativlisten verbessern sollten. Ob damit in Zukunft eine glaubwürdige Liste erreichbar ist, bleibt abzuwarten.
4 Diskurse im Kontext des Welterbes Die Diskurse zum Thema Welterbe zielen darauf, das Erbe der Menschheit den Menschen so zugänglich zu machen, dass sich jeder Einzelne mit dem Welterbe identifiziert, es schützt und entsprechend nachhaltig nutzt. Der Diskurs zum übergreifenden Thema Erbe ist jedoch breiter und grundlegender. Das Erben eröffnet bereits innerhalb der Familie Potenziale, die in kultureller, sozialer und ökonomischer Hinsicht ausgestaltet sind. Es sind Veränderungen und Weiterentwicklungen von Traditionen, Wissen und materiellem Besitz, mit denen sich die Erbenden auseinandersetzen müssen, aber auch mit deren Bewahrung und Schutz. Für Gesellschaft(en) und ihre Erben ergeben sich ähnliche Anforderungen. Dabei ist das, was in Gesellschaften als Erbe bezeichnet werden kann, viel schwieriger zu fassen als ein individuelles Erbe oder als das Erbe der Menschheit. Was Erbe ist, lässt sich nicht, wie in Familien, aus den Rechtsnormen der Übertragungen nach dem Tode bzw. aus einer biologisch-genetischen Zugehörigkeit ableiten. Erbe muss vielmehr aus einer gesellschaftlichen Verantwortung heraus realisiert und wahrgenommen werden. Das, was gesellschaftlich als Erbe verstanden wird, ist dementsprechend Gegenstand von Diskursen und Deutungen. Im weitesten Sinne berühren die Prozesse gesellschaftlichen Erbens und Vererbens auch die von der UNESCO verabschiedeten Programme, Erklärungen und Konventionen. Letztere haben dazu geführt, dass auch innerhalb gesellschaftlicher Diskurse immer häufiger von Erbe die Rede ist. Dieses ist eine neue Entwicklung im gesellschaftlichen Umgang mit Erbe, da die Erbekonventionen der UNESCO politische Normen der Übertragung sind, die von dem gesellschaftlichen Diskurs über Erbe unabhängig erscheinen. Dennoch hat die UNESCO mit ihren Erbekonventionen und insbesondere durch die Popularität der Welterbekonvention wichtige Grundlagen für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem „Erbe der Menschheit“ (UNESCO) geschaffen. Die gesellschaftliche Verantwortung besteht in einer Ausgestaltung von Erbe im Sinne der Potenziale für eine friedliche und nachhaltige menschliche Entwicklung. Erbe ist durch die UNESCO-Konventionen zu einem gesellschaftlichen Schlüsselbegriff geworden, ohne dass seine immanenten Potenziale entsprechend genutzt würden. Gleichzeitig reduzieren die mit Erbe befassten wissenschaftlichen Disziplinen ihre Betrachtung auf Rekonstruktionen von inzwischen gesellschaftlich weiterentwickelten Traditionen, auf restaurierenden Schutz von Denkmälern, auf Digitalisierung oder Dokumentation von kulturellem Erbe. Weder wurde in diesen Disziplinen die Bedeutung und Bedeutsamkeit von Erbe für die Zukunft ausdifferenziert noch in ihrer Komplexität erfasst, und das, obwohl die Verbindungen der spannungsreichen Positionen von wissenschaftlicher Theorie und praktischer Ausgestaltung evident sind. Angesichts des zunehmenden Bekanntheitsgrades des Welterbes in den Gesellschaften sind Diskurse zum Welterbe inzwischen ebenso populär wie die Konvention selbst. Debatten zum Thema Welterbe sind auf mehreren Ebenen zu finden. Neben den
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chronologischen, disziplinären, aber auch epistemologischen Diskursen gibt es solche immer mehr von Gruppen, die sich – der Popularität der Konvention folgend – beteiligen und neue Akzente setzen. Das war nicht immer so, da die Welterbe-Community⁷⁴ zunächst und bedingt durch den historischen Prozess ihrer Herausbildung gar nicht daran dachte, den von ihr und für sie eingeführten Diskurs zum materiellen und eurozentrischen Verständnis von Erbe auch nur anzuzweifeln.⁷⁵ Wie an anderer Stelle schon erwähnt, war und ist Erbe für diese Community das, was in den Artikeln 1 und 2 der Konvention definiert wird⁷⁶, obwohl sich in der Debatte in den letzten Jahren neue Akteure positionierten. Dennoch kann dieser besondere Diskurs nicht auf das Welterbe reduziert werden und sollte darüber hinaus zielgruppenübergreifend geführt werden. Andernfalls würde das Potenzial der Konvention für menschliche Entwicklung und ihr immanenter Auftrag selbst konterkariert. Wir möchten daher in diesem Kapitel untersuchen, welche Ansätze und Diskurse es im Kontext der Auseinandersetzung mit Erbe im Allgemeinen und mit Welterbe im Speziellen gibt. Welche Wahrnehmungen und Paradigmen liegen diesen Debatten zugrunde? Wie sind die vielfältigen Konstruktionen von Erbe innerhalb der Diskurse systematisiert? Wie sind sie implementiert und wie können die die Welterbekonvention übergreifenden Visionen von Erbe dessen immanente Potenziale für menschliche Entwicklung verdeutlichen? Wir möchten daher zunächst auf ein sehr allgemeines Verständnis von Erbe zurückgehen. Wir wollen verdeutlichen, wie sich der Erbebegriff im Kontext seiner Ver wendung durch eine politische internationale Organisation wie die UNESCO verselbständigt hat. Vor diesem Hintergrund ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die verändernden Bedeutungskonstruktionen zunächst weniger im deutschsprachigen Raum am Erbebegriff, sondern im englischsprachigen Raum am Heritage-Begriff vollzogen haben. Das wundert nicht, da der Erbe- und Welterbediskurs weitgehend im englischen Sprachraum stattgefunden hat. Die am weitesten verbreiteten Verkehrssprachen der UNESCO sind Englisch und Französisch. Schaut man in traditionelle Quellen, aber auch in moderne wie das Internet, dann sind in deutschsprachigen Beiträgen lediglich die klassischen Interpretationen von erben, Erbrecht, das Erbe usw. zu finden, während die vielfältigen Bedeutungen von Heritage ausführlich ver-
74 Mit Welterbe-Community ist eine Gruppe bestehend aus Experten mit entsprechendem Expertenwissen gemeint. Es ist eine Gruppe, die sich aufgrund dieses Wissens selbst legitimiert und entsprechend abgrenzt von anderen Gruppen, die das Welterbe bspw. von außen und auch kritisch betrachten. 75 Die Community bestand und besteht über wiegend aus Fachleuten aus den Bereichen: Denkmalpflege, Archäologie, Kunstgeschichte oder Architektur für das Kulturerbe sowie aus Experten aus der Geografie oder der Naturwissenschaft und Ökologie für das Naturerbe. S. dazu die Artikel 8.3., 13.7., 14.2 der Welterbekonvention. 76 Siehe dazu Kapitel 2.1.
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handelt werden. Im Folgenden werden deshalb auch viele englischsprachige Quellen genutzt. In seiner allgemeinsten Bedeutung bezeichnet Erbe „[…] those things that are inherited and provide cultural identity and continuity, or a link with the past.“ (Miura 2011, S. 101). Ergänzend dazu ist Erbe im „New Shorter Oxford Dictionary“ definiert als: „1. That which is or may be inherited; fig. the portion allotted to a specified person, group, etc. b Property consisting of land etc. that devolved on the heir at law as opp[osed] to the executor. […] 3. A gift which constitutes a proper possession […] 4. Inherited circumstances or benefits.“ (Aplin 2002, S. 13).
Betrachtet man die o. g. Definitionen näher, dann ist in den meisten von ihnen Heritage als ein materielles Gut bestimmt. Dieses wird von Erblassern auf ihre Erben übertragen. Nur in der letzten Definition lassen sich Bedeutungen feststellen, die gesellschaftliche Ereignisse und damit einhergehend Erfahrungen beinhalten. „Geerbte Umstände, Nutzen oder Probleme“⁷⁷ schließen Erfahrungen mit Geschichte ein. Es sind die „inherited circumstancies“ in denen Menschen die Erfahrungen machen, aus denen man lernt. Menschen, Kulturen und Gesellschaften machen Erfahrungen im historischen Prozess und nutzen diesen für die Gestaltung des aktuellen oder zukünftigen Lebens. In solchen Ereignissen, Begebenheiten oder Umständen (circumstances), die Menschen vererbt worden sind, haben sie Werte und Normen ausgebildet. Sie haben zu entscheiden gelernt, welche Umstände sie in der Gegenwart verbessern, verändern oder welche sie beibehalten wollen. Diese Werte geben sie an nachfolgende Generationen weiter, die diese wiederum für die Konstruktion ihrer eigenen Werte nutzen. Obwohl diese Werte auch dem Erbe der Menschheit zugewiesen werden, kommen sie in den meisten der uns in diesem Kontext bekannten Formulierungen, Wahrnehmungen oder Interpretationen von Erbe nicht vor. Dennoch sind es die „vererbten historischen Umstände“, die bewusstseinsbildend und deshalb nachhaltig sind. Es ist diese Auffassung von Erbe, die auch für die Identitätsforschung relevant ist und die explizit für die Identitätsbildung zuständig ist. Es sind immer die aus der Geschichte bezogenen Erfahrungswerte, die auf Identitätsentwicklung Einfluss nehmen. Und wir möchten hier hervorheben, dass diese allgemeine Funktion von Erbe, nämlich identitätsbildend zu sein, lange vor der Inflationierung des Identitätsbegriffs im Kontext des Welterbediskurses existierte. Wir möchten einige Beispiele dafür geben, dass das Anliegen, Erbe zu verstehen, nur bedingt etwas mit der Vererbung von Objekten zu tun hat. Vielmehr wird es im Erbediskurs immer darum gehen, ererbte Geschichte für Menschen nachvollziehbar und damit Geschichte selbst verständlich zu machen. Das soll beispielhaft an den
77 Im englischen Original: „Inherited circumstances, benefits or problems“.
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Ausführungen einer Amerikanerin für die Gestaltung von Zukunft verdeutlicht werden. Zu ihrem Erbe befragt, sagte eine 33-jährige US-Immigrantin: „I have a family of my own, and I want to instill a sense of family values in them by being around their extended family. I wasn’t born here in the U. S. I’m a transplant. My family immigrated here. Being around my family gives my children a different culture than what they’re surrounded with. It gives them a broader base. They’re able to see the best of both worlds.“ (Rosenzweig, Thelen 1998, S. 59).
In diesem Beispiel wird erläutert, dass Werte und Normen für die Identitätsbildung des Menschen erforderlich sind und durch welches Erbe und durch welche historischen Erfahrungen Menschen ihre Identität erwerben. Denn Identitätsbildung erfolgt im Prozess der Sozialisation. Insofern zielt die Heritage-Forschung – wie in dem hier genannten Kontext sozialwissenschaftlicher Forschung erläutert – direkt auf die Menschen und nur mittelbar auf das, was Menschen an Objekten produzieren. Soweit eine erste Differenzierung zwischen den Bedeutungskonstruktionen von Heritage im Kontext von Welterbe und denen von Erbe in darüber hinausführenden Diskursen. Es gibt eine weitere interessante Auffassung. Auch dazu wollen wir eine Definition aus dem „Oxford Wordpower Dictionary“ von 1993 präsentieren. Dort ist Erbe verstanden als: „the traditions, qualities and cultural achievements of a country that exist for a long time and that have great importance for the country: the countryside is of our national heritage. […] We must preserve our cultural heritage for future generations.“ (Oxford Wordpower Dictionary 1993, S. 302). Diese Bedeutungskonstruktion von Erbe hat den Kontext des gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisses oder den der Wirkung von Sozialisationserfahrungen auf die Herausbildung von Werten und Verhaltensmustern verlassen. Erbe wird im Sinne von „Traditionen, Eigenschaften von Personen oder Sachen und kulturellen Errungenschaften eines Landes“⁷⁸ verstanden und ist dadurch auf materielle oder immaterielle Güter ausgerichtet. Diese sind darüber hinaus auch noch an diversen Interpretationen des Nationalen festgemacht. Die Bedeutungskonstruktion ist mit der Formulierung „wir müssen uns kulturelles Erbe für zukünftige Generationen bewahren“⁷⁹ darüber hinaus eng an das materielle Verständnis von Erbe herangerückt, das wir auch im Kontext von UNESCO und anderen nationalen und internationalen Organisationen kennen. Dieses Verständnis setzt sich um in die schon formulierte Funktionszuschreibung von Erbe, nämlich dass das Erbe insbesondere deswegen geschützt werden muss, weil es Träger von Identität ist, wie am Beispiel des Baus (Abb. 4.1) und des Falls der Berliner Mauer bestens gezeigt werden kann. Die Mauer teilte die Stadt von 1961 bis 1989 und galt als das Symbol des Kalten Krieg schlechthin. Ihr Fall im Jahr 1989 signalisierte sein Ende.
78 „traditions, qualities and cultural achievements of a country“. 79 „we must preserve our cultural heritage for future generations“.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.1: Berlin, Mauerbau, Aufstellen von Betonblöcken mit einem Kran hinter Stacheldraht Bundesarchiv, Bild 173-1321
Der Mauerbau hatte zwar direkte Auswirkungen auf die Deutschen, hatte politisch jedoch nur mittelbar etwas mit Deutschland zu tun. Unmittelbar war die Berliner Mauer ein Produkt des Kalten Krieges. Sie war eine geopolitische Inszenierung und Ausdruck der sich seit der Potsdamer Konferenz unversöhnlich gegenüberstehenden Machtblöcke des Westens und des Ostens. Sie war weiterhin der sogenannte Schutzwall gegenüber der westlichen Einflusssphäre. So evident dieses Mahnmal während des Kalten Krieges für die Welt und für Deutschland als politisches Erbe war, das geopolitische Interesse der Mächte an seiner Errichtung wurde weder im Osten noch im Westen Deutschlands hinreichend vermittelt. Im Gegenteil: Mit der Mauer, die Deutschland und die Welt in Blöcke teilte, wurden jeweils Feindbilder konstruiert, die als historisches Erbe aus der Geschichte des Krieges so nachhaltig wirkten, dass trotz des Falls der Mauer die Mauer im Kopf und im Herzen, wie wir heute sagen, lange Zeit nachwirkte. Es sind immer die ererbten historischen Begebenheiten, die aktuelles Bewusstsein prägen. Die deutsche Teilung prägt deutsches Bewusstsein bis heute genauso, wie alle anderen historischen Erfahrungen von Völkern deren Bewusstsein prägen. Und es ist diese Konstruktion von Erbe, die für unsere Ausführungen und nicht zuletzt für die UNESCO-Konventionen wichtig ist. Andererseits muss auch hervorgehoben werden, dass eben genau solche ererbten Erfahrungen und Lebensumstände, die
4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse
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das individuelle und kollektive Bewusstsein nachhaltig prägen, leider nicht explizit durch Konventionen bewahrt werden. Aufgrund der bereits mehrfach genannten Kriterien für die Bestimmung eines Welterbes wären es im Fall einer potenziellen Nominierung der Berliner Mauer auch nur ihre materiellen Relikte, die eingeschrieben werden könnten. Erfahrungen, die Menschen und Gesellschaften in historischen Prozessen erwerben, bilden Identität aus und prägen die Menschen. Dieses ist eine Funktion von Erbe, die es ergänzend zu den ererbten Objekten zu beachten gilt. Und obwohl diese Bedeutung von Erbe auch für das Welterbe konstituierend ist, wurde sie in der Begründung für die Konvention zwar formuliert, in ihrer Umsetzung aber wird das Potenzial für die sich verändernde Welt, das dieser Zuschreibung von Erbe immanent ist, nicht immer deutlich.
4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse In der Einleitung zu diesem Kapitel wurde aufgezeigt, dass die Popularisierung von Welterbe politischen und gesellschaftlichen Diskursen folgt, die ökonomische Verwertungsinteressen unterschiedlicher Akteure zur Grundlage haben. Vor diesem Hintergrund wollen wir hier zunächst den materiellen Diskurs wiedergeben. Evident für die materielle Ausrichtung der Welterbekonvention ist, dass sie durch die Definition dessen, was als Kultur- bzw. als Naturerbe bezeichnet wird⁸⁰, als eine sogenannte an den Stätten orientierte Konvention⁸¹ verstanden ist und dass die Kriterien zur Begründung des OUV einer Stätte ausschließlich deren materielle bzw. Naturwerte hervorheben. Von zehn Kriterien zur Bestimmung des OUV – so wurde in Kapitel 2.2 dargelegt – werden fünf (i–v) exklusiv auf die materielle Beschaffenheit der Stätten angewandt, ein Kriterium (vi) beschreibt ergänzend immaterielle Attribute von Stätten und vier Kriterien (vii–x) heben den natürlichen Wert des sogenannten außergewöhnlichen universellen Wertes hervor. Entsprechend ausgerichtet muss das fachliche Profil derjenigen Experten/innen sein, die die Anträge zur Aufnahme von Stätten in die Liste des Welterbes evaluieren. Die Expertenkomitees zur Evaluierung von Anträgen gehören in der Regel ICOMOS, (International Council on Monuments and Sites)⁸², IUCN (International Union for Conservation of Nature) und ICCROM (International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property) an. Ihre Urteile sind entsprechend
80 S. Artikel 1 und 2 der Welterbekonvention. 81 In der englischsprachigen Originalfassung lautet die Bezeichnung site based convention. Leider gibt es keine offizielle Übersetzung. 82 ICOMOS, IUCN und ICCROM wurden im Kapitel 3.2 definiert und erläutert.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
fachlich und fachkompetent ausgerichtet. Und auch in solchen Fällen, wo weitere Gutachter/innen in die Verfahren einbezogen werden, gehören diese den technischen und/oder denkmalpflegerischen Wissenschaften einerseits und den Natur-, Bio- oder Geowissenschaften andererseits an, die das Materielle und Natürliche am Welterbe als einzig legitim ansehen. Als eine der bekanntesten Kritikerinnen an dieser materiellen/naturellen Ausrichtung der Konvention soll hier Laurajane Smith zitiert werden, die australische Archäologin und Herausgeberin der renommierten Reihe: International Journal of Heritage Studies, herausgegeben seit 1994 im Routledge Verlag in London. Ihre Positionen stehen stellvertretend für die diesen Diskurs insgesamt repräsentierende Gruppe. In ihrem 2006 veröffentlichten Buch Uses of Heritage schreibt sie: „There is, really, no such a thing as heritage […] and ‚heritage‘ can unproblematically be identified as ‚old‘, grand, monumental and aesthetically pleasing sites, buildings, places and artefacts.“ (Smith 2006, S. 11). Das heißt faktisch, Erbe – und hier ist immer an Welterbe gedacht – ist monumental und materiell. Es ist weiterhin repräsentativ für Epochen der europäischen Kulturgeschichte, und damit – wie bereits erwähnt – den monumentalen europäischen Kulturbegriff generalisierend. Wir möchten diese Einschätzung der Gruppe um Smith exemplarisch am Beispiel der auf der Welterbeliste überrepräsentierten Typen von Stätten aufzeigen, nämlich den europäischen Schlössern quer durch alle historischen Epochen, da die Schlösser des Barock, des Rokoko oder der Renaissance ca. 18 %⁸³ aller eingetragenen Monumente ausmachen. Die ihnen zugewiesenen kulturellen Werte dominieren damit einhergehend auch die Kulturbegriffe der Epochen. Exemplarisch haben wir das Schloss Chambord (Abb. 4.2) an der Loire ausgewählt. Chambord wurde 1981 in die Welterbeliste eingetragen; und zwar als „(i) ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft“, als ein Ausdruck einer „(iv) Architektur, die aus verschiedenen Epochen stammende Stilelemente integriert“ und als „(vi) besondere Architektur, in der sich die Ideen von Systemen widerspiegeln.⁸⁴ Chambord steht als Meisterwerk für die Renaissance im frühen 16. Jahrhundert und damit einhergehend für einen Stilbegriff der materiellen Kultur dieser Epoche. Seit dem Jahr 2000 ist das Chateau Bestandteil der Kulturlandschaft „Loiretal“ und wird dort neben weiteren Schlössern der Loire in einem breiteren Kontext gewürdigt.⁸⁵
83 Eigene Recherche auf der Grundlage der Zahlen von 2004 ICOMOS, Filling the Gaps. 84 „(i) Represent a unique artistic or aesthetic achievement, a masterpiece of the creative genius“, (iv) „Be an outstanding example of a type of structure which illustrates a significant stage in history.“ und (vi) „Be directly or tangibly associated with events or with ideas or beliefs of outstanding universal significance“ (WHC Nomination Documentation 1981, S. 4; Operational Guidelines 1980, S. 5). 85 In der Begründung für das Loiretal heißt es: „Criterion (i): The Loire Valley is noteworthy for the quality of its architectural heritage, in its historic towns such as Blois, Chinon, Orléans, Saumur, and Tours, but in particular in its world-famous castles, such as the Château de Chambord. Criterion (ii):
4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse
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Abb. 4.2: Chateau Chambord
Im Diskurs der UNESCO-Experten sind diese materiellen Zuschreibungen von Einzigartigkeit selbsterklärend. Insofern unterscheidet sich dieses Meisterwerk von anderen europäischen Schlössern zum Beispiel nicht durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder individuellen Präferenzen ihrer Besitzer, sondern durch Stile, Materialien oder bauliche Besonderheiten. Dennoch ist es zum Verständnis dieses Meisterwerks notwendig, über seine Architektur hinausgehend auch die Beweggründe seines Erbauers König Franz I. von Frankreich zu bedenken. Spiegeln sie doch den Größenwahn der europäischen Könige und Kaiser in dieser Epoche vor dem Hintergrund ihrer Rivalitäten wider. Um insbesondere Kaiser Karl V. zu imponieren, sollte Chambord größer, schöner und besser als die anderen Loire-Schlösser sein. Die großartige Architektur ist daher auch ein Ausdruck oder sogar ein Produkt einer besonderen epochalen Kräfte- und Machtkonstellation. Diese Merkmale, die das historische Bewusstsein von Menschen für Geschichte schärften, sind jedoch leider im materiellen Diskurs nicht relevant.
The Loire Valley is an outstanding cultural landscape along a major river which bears witness to an interchange of human values and to a harmonious development of interactions between human beings and their environment over two millennia. Criterion (iv): The landscape of the Loire Valley, and more particularly its many cultural monuments, illustrate to an exceptional degree the ideals of the Renaissance and the Age of the Enlightenment on western European thought and design.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 933).
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.3: Schloss Mir, Weißrussland
Vergleichbare Interpretationen können für Nominierungen der meisten Schlösser herangezogen werden und bestätigen dadurch die Materialität der Begründung für den OUV. Schloss Mir (Abb. 4.3) in Weißrussland wird zum Beispiel im Einschreibungsdokument als ein außergewöhnliches Beispiel mitteleuropäischer Schlösser beschrieben, dessen Bau bereits im 15. Jahrhundert begann und durch kontinuierliche Anpassungen heute Elemente der Gotik, der Renaissance und des Barock repräsentiert (WHC Nomination Documentation 2000b, S. 1).⁸⁶ Auch bei dieser Nominierung fehlen Hintergrundinformationen über die Motive oder Zwänge der Erbauer des Schlosses, die seine Architektur über stilistische Aspekte hinaus auch in seiner Funktion erklären. Im Nominierungsdokument heißt es lediglich: „The place of foundation is abundant lands situated in moderate continental climate in geographic centre of Europe, on the cross-roads of the most important North-South and East-West
86 Begründung für die Einschreibung: „Criterion ii: Mir Castle is an exceptional example of a central European castle, reflecting in its design and layout successive cultural influences (Gothic, Baroque, and Renaissance) that blend harmoniously to create an impressive monument to the history of this region. Criterion iv: The region in which Mir Castle stands has a long history of political and cultural confrontation and coalescence, which is graphically represented in the form and appearance of the ensemble.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 625).
4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse
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Abb. 4.4: Schloss Kronborg, Dänemark trade directions, which were at the same time at the epicentre of the most crucial European and global military conflicts between neighbouring powers with different religious and cultural traditions. The struggle of powers for spheres of influence was being expressed in ideological and culturological forms as well.“ (WHC Nomination Documentation 2000b, S. 28).
An Schloss Kronborg (Abb. 4.4) in Dänemark lässt sich laut Nominierungsdokument zwar insbesondere die Rolle der Renaissance in Nordeuropa erkennen, in welcher Weise dadurch die damaligen Kräfte- und Machtkonstellationen geprägt waren, ist auch hier nicht Bestandteil der Nominierung. (WHC Nomination Documentation 2000a, S. 1). „Located on a strategically important site commanding the Sund, the stretch of water between Denmark and Sweden, the Royal castle of Kronborg at Helsingör (Elsinore) is of immense symbolic value to the Danish people and played a key role in the history of northern Europe in the 16th–18th centuries. Work began on the construction of this outstanding Renaissance castle in 1574, and its defences were reinforced according to the canons of the period’s military architecture in the late 17th century. It has remained intact to the present day. It is world-renowned as Elsinore, the setting of Shakespeare’s Hamlet.“ (WHC Nomination Documentation 2000a, S. 1).⁸⁷
87 Begründung für die Einschreibung: „Criterion (iv): Kronborg Castle is an outstanding example of the Renaissance castle, and one which played a highly significant role in the history of this region of northern Europe.“ (WHC Nomination Documentation 2000a, S. 1).
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.5: Schloss Lytomyšl, Tschechische Republik
Aber auch am Beispiel des Schlosses Lytomyšl (Abb. 4.5) in der Tschechischen Republik wird deutlich, dass die Materialität der Stätte im Vordergrund steht, die als Adaption italienischer Renaissance für den mitteleuropäischen Raum und die dortige Aristokratie gesehen werden kann. Diese Adaption belegt im Zusammenhang mit dem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand laut Nominierungsdokument den OUV der Stätte. (WHC Nomination Documentation 1999, S. 1). „Litomyšl Castle was originally a Renaissance arcade-castle of the type first developed in Italy and then adopted and greatly developed in central Europe in the 16th century. Its design and decoration are particularly fine, including the later High-Baroque features added in the 18th century. It preserves intact the range of ancillary buildings associated with an aristocratic residence of this type.“ (WHC Nomination Documentation 1999, S. 1).⁸⁸
88 Begründung für die Einschreibung: „Criterion (ii): Litomyšl Castle is an outstanding and immaculately preserved example of the arcade castle, a type of building first developed in Italy and modified in the Czech lands to create an evolved form of special architectural quality. Criterion (iv): Litomyšl Castle illustrates in an exceptional way the aristocratic residences of Central Europe in the Renaissance and their subsequent development under the influence of new artistic movements.“ (WHC Nomination Documentation 1999, S. 1).
4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse
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Die Fokussierung auf die materiellen Werte der Stätten durch die Welterbekonvention hat den Vorteil, dass damit zugleich ihre Authentizität und Integrität begründbar wird. Der Nachteil ist, dass dadurch die Realisierung der Potenziale solcher Stätten für weitergehende Konzepte von kulturellen Gütern, etwa für deren sozio-kulturelle, sozio-ökonomische oder politisch-institutionelle Interpretationen, ausgeschlossen oder zumindest erheblich erschwert ist. Gerade am Beispiel der Schlösser der Renaissance könnten die wechselseitigen Beziehungen zwischen der christlichen Kirche, den Päpsten sowie ihren weltlichen und religiösen Widersachern dargestellt werden. Erbe könnte mittels solcher Darstellungen auch im eingangs formulierten Sinne als für zukünftige Generationen sozialisierend genutzt werden. Im Kontext der Welterbekonvention sind derartige Bildungsprozesse zwar gewünscht, durch die materiellen Konstruktionen aber schwer umsetzbar. Dennoch ist es nicht nur die Materialität der Konvention, die von einer inzwischen größer werdenden Gruppe von Experten kritisiert wird. Es ist weitergehend eine Kritik an dem diese materielle Konstruktion von Kultur begründenden Eurozentrismus. Smith schreibt dazu: „[…] the World Heritage Convention further institutionalized […] the European sense of the historical monument as universally significant […], which inevitably universalizes Western values and systems of thought […] A glance at the World Heritage List today demonstrates the degree to which the sense of the monumental underwrites the convention, with cathedrals and grand buildings of state dominating the listing process“ (Smith 2006, S. 27). „It is thus no accident that the World Heritage List is heavily represented by European ‚universally significant places‘, as Europeans attempt to come to terms with the changing place of their nations in a world where the European colonial and imperial pasts (and present) are increasingly being reconsidered, and as European states redefine themselves as part of a unified Europe.“ (Smith 2006, S. 100).
Die Kritik wird auch nicht durch Maßnahmen der verschiedenen Komitees entkräftet, den Eurozentrismus der Liste im Kontext der Global Strategy durch bisher wenig repräsentierte Erbetypen zu beheben, wie es von Insidern der materiellen Diskurse gefordert wurde.⁸⁹ Dazu gehören u. a. Stätten der Ingenieurskunst wie die Völklinger Eisenhütte (Abb. 4.6).
89 In the 2011 Evaluation of the Global Strategy and the PACT initiative, a number of concerns were addressed and discussed. These include mainly issues in respect to the Representative, Balanced and Credible World Heritage List, which furthermore includes the review of the OUV, examination of the manner in which „studies on the disparities of the List“ carried out by ICOMOS and IUCN have contributed to the implementation of the Global Strategy and the study the possible link between all inscriptions withdrawn or deferred during the period 1994–2010 and the Global Strategy (UNESCO 2011a).
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.6: Völklinger Eisenhütte
„The ironworks, which cover some 6 ha, dominate the city of Völklingen. Although they have recently gone out of production, they are the only intact example, in the whole of western Europe and North America, of an integrated ironworks that was built and equipped in the 19th and 20th centuries and has remained intact.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 687).
Zwar sind die Meisterwerke der Ingenieure im Vergleich zu vielen anderen Typen auf der Liste unterrepräsentiert, sie sind deswegen jedoch nicht weniger eurozentrisch als Schlösser oder christliche Kathedralen. Werke von Ingenieuren repräsentieren mindestens so gut wie Schlösser das Erbe Europas. Im Vergleich zu den oben genannten Schlössern der Renaissance, des Barock oder des Rokoko repräsentiert das industrielle Erbe Europas lediglich eine andere Epoche der Entwicklung von Machtstrukturen. Es repräsentiert für Europa sogar eine seiner historisch wichtigsten Phasen, nämlich weitgehend das 19. Jahrhundert, und steht deswegen für die Entwicklung eines ganzen Raumes. Die industrielle Entwicklung Europas geht nicht nur mit einer neuen Organisation von Arbeit einher. Sie ist geprägt von einer sich verändernden Sozialstruktur der Gesellschaften auf der Grundlage neuer Besitz-, Eigentums- und Machtverhältnisse. Die Industrialisierung in Europa hat nicht nur den europäischen Kontinent bis heute geprägt, sondern ihm die Potenziale verschafft, auch andere Räume kolonial und neokolonial zu vereinnahmen. Smith sagt dazu, dass die in dieser Epoche entstandenen
4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse
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Abb. 4.7: Semmeringbahn
Stätten einerseits die Vormacht Europas vor dem Rest der Welt dokumentieren, und dass andererseits auch die für diese Stätten erforderlichen Konservierungsstrategien den Diskurs beherrschen. Sie haben „[…] the nineteenth-century conservation ethic and the ‚conserve as found‘ ethos“ (Smith 2006, S. 27) auch im Hinblick auf aktuelle Konser vierungskonzepte eingeführt und legitimiert. Die Einschreibung der Semmeringbahn (Abb. 4.7) in Österreich 1998 ist dafür ein gutes Beispiel. Diese Stätte wurde speziell wegen ihrer außergewöhnlichen technischen Lösungen und die Erschließung neuer Regionen auf die Welterbeliste aufgenommen, wie an der Begründung des OUV im Nominierungsdokument ersichtlich ist (WHC Nomination Documentation 1998, S. 1). „The Semmering Railway represents an outstanding technological solution to a major physical problem in the construction of early railways. The railway, built over 41 km of high mountains between 1848 and 1854, is one of the greatest feats of civil engineering from this pioneering phase of railway building. The high standard of the tunnels, viaducts and other works has ensured the continuous use of the line to the present day. Furthermore, with its construction, areas of great natural beauty became more easily accessible and as a result these were developed for residential and recreational use, creating a new form of cultural landscape.“ (WHC Nomination Documentation 1998, S. 1).
Insofern wurde sie auch als ein Gesamtkunstwerk der Ingenieursbaukunst eingeschrieben und gilt bis heute als Prototyp für Eisenbahnbrücken. Stätten des Ingenieur-
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
baus sind, wie oben skizziert, Zeichen der Industrialisierung, die sich aufgrund vielfältiger Rahmenbedingungen weitgehend in Europa vollzog und wo diese Stätten auch ihre Reputation erhielten. Jedoch wird auch dieser Aspekt für Nominierungen nicht thematisiert. Gleichzeitig fehlen in diesen Begründungen für die Einschreibungen auch die kulturhistorischen Begebenheiten, die die materiellen Produkte erst ermöglicht haben, um bei dem Beispiel der Semmeringbahn zu bleiben. Selbst wenn die Begründungen für diese Einschreibung inhaltlich weiter gefasst⁹⁰ sind als bei der Einschreibung von Chambord, fehlt auch hier der Gesamtzusammenhang. Die Brücke entstand während der Phase der Industriellen Revolution in Europa und der damit einhergehenden massiven Veränderungen in den Lebensbedingungen der Menschen. Diese haben nicht zuletzt zu revolutionären Veränderungen (1848/49) der politischen Strukturen in Gesamteuropa geführt und damit auch weltweit Auswirkungen erzeugt. Diese lassen sich heute in philosophischen wie in kulturellen, in architektonischen oder in archäologischen Schriften über das 19. Jahrhundert belegen und sollten deswegen in den Begründungen für Stätten des Welterbes Berücksichtigung finden. Schließlich wird der zum Welterbe geführte Diskurs von der von Smith gegründeten Association of Critical Heritage Studies auch als authorized discourse kritisiert. Der Begriff authorized bezieht sich dabei sowohl auf das europäisch-bildungsbürgerliche und monomentale Verständnis von Erbe als auch auf die Rolle von europäischen Experten, die begutachten, was Welterbe sein soll und was nicht. In ihrem Manifest erklärt die Association of Critical Heritage Studies: „The study of heritage has historically been dominated by Western, predominantly European, experts in archaeology, history, architecture and art history. Though there have been progressive currents in these disciplines they sustain a limited idea of what heritage is and how it should be studied and managed. The old way of looking at heritage – the Authorized Heritage Discourse – privileges old, grand, prestigious, expert approved sites, buildings and artefacts that sustain Western narratives of nation, class and science.“ (Campbell and Smith 2012).
Der Expertendiskurs ist deswegen in der Einschätzung der Association selbstreferentiell. Er ist ein Diskurs, der, wie oben formuliert, von einer kleinen Gruppe von realen oder selbsternannten – in der Regel europäischen – Experten geführt wird, die aufgrund realer oder vermeintlich objektiver Kriterien den OUV, die Authentizität und die Integrität einer nominierten Stätte überprüfen und entsprechend ihrer spezifischen europäischen und fachlichen Einschätzungen positive oder negative Empfehlungen
90 Begründung für die Einschreibung: „Criterion (ii): The Semmering Railway represents an outstanding technological solution to a major physical problem in the construction of early railways. Criterion (iv): With the construction of the Semmering Railway, areas of great natural beauty became more easily accessible and as a result these were developed for residential and recreational use, creating a new form of cultural landscape.“ (WHC Nomination Documentation 1998, S. 1).
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4.1 Der materielle Diskurs der Experten oder the authorized discourse
3
1
2
1
3
2 1
2
5 7 7 Welterbekomitee
3 IUCN Council
10 ICOMOS Executive Committee
Legende Afrika Arabische Staaten Europa und Nordamerika
Asien und Pazifik Lateinamerika und Karibik
Abb. 4.8: Zusammensetzung der Führungspositionen im Bereich Welterbe nach Kontinenten 2013 (eigene Darstellung)
abgeben. Wie bereits ausgeführt, geht mit dieser quantitativen Dominanz europäischer Stätten auf der Welterbeliste die Suggestion einher, dass das europäische Erbe das repräsentativste Erbe der Welt ist. Dadurch, dass europäische Experten zugleich die fachlichen NGOs und Kommissionen (Abb. 4.8) dominieren, verstärken sich darüber hinaus die Auswirkungen. Nominierungen von Erbe – von Welterbe wie von immateriellem Erbe – benötigen ausgewiesene Kenntnisse zu allen mit der Nominierung, Erhaltung und nachhaltigen Nutzung einer Stätte verbundenen Fachfragen. Das betrifft fachliches Wissen im Kontext des zu nominierenden Typs einer Stätte und reicht vom Finanz-, Besucheroder Erhaltungsmanagement bis hin zum Wissen über Nachhaltigkeit oder Authentizität. Aufgrund der existierenden Praxis der Akquisition von Mitgliedern für solche NGOs und aufgrund der auch diese quantitativ dominierenden Mitglieder geht mit der europäischen Dominanz der Erbestätten auch eine der Experten einher und bestätigt das, was Smith als authorized discours beschreibt. Folgen und Auswirkungen dieser Entwicklungen sind, dass bis auf die von den Mitgliedsstaaten zu den Konventionen teilfinanzierte IGO (Intergovernmental Organization) ICCROM andere Repräsentanten, wie einige der von ICOMOS und IUCN, in Personalunion häufig mit mehrfacher Auftragslage unter wegs sind. Sie sind als Beraterorganisationen zugleich Evaluatoren von Anträgen und überprüfen, ob die für eine Einschreibung in die Liste des Welterbes nominierte Stätte die Kriterien des OUV, von Authentizität und Integrität erfüllt oder nicht. Andererseits werden solche Experten als Inhaber von privat geführten Beratungsunternehmen von Antragstellern angeheuert, um Nominierungsanträge von Erbe als NGOs oder als Privatpersonen zu erstellen. Allein eine solche Doppelfunktion konterkariert sachliche und fachliche Unabhängigkeit und führt die immer wieder betonte Objektivität bei der Einschreibung von Stätten in die Liste des Welterbes ad absurdum.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
In diesem Zusammenhang soll abschließend noch einmal Smith zitiert werden, die diesen authorized discourse als unvereinbar mit den Zielen der Konvention bezeichnet und schreibt: „Part of the authority of the European [Authorized Heritage Discourse], subsequently, lies in its own legitimizing assumptions that it is universally applicable and that there is, or must be, universal cultural values and expressions. […] Although the claims to universality within the text of the World Heritage Convention and associated guidelines, practices and debates appear to offer a straightforward description of a value that simply is, it is nevertheless an explicit argument about the legitimacy of European cultural narratives and values.“ (Smith 2006, S. 99).
4.2 Der Diskurs über die Aneignung von Erbe im sozialen Prozess Ein Welterbediskurs, der in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erfahren hat, ist der als Gegenmodell zum materiellen authorized discourse konzipierte und publizierte non-authorized discourse, auch bekannt als Erklärungsansatz, der Erbe prozessual begreift. Für die Mitglieder dieses Diskurses besteht Erbe – und insbesondere Welterbe – nur mittelbar aus monumentalen Objekten. Erbe besteht vielmehr in den die Menschen prägenden sozialen und kulturellen Ideen, Performanzen und Praktiken sowie in entsprechenden Formen und Prozessen der Aneignung von Erbe. Gegenüber dem materiellen, durch die Denkmalpflege, Archäologie oder Architektur definierten Erbe haben sich in diesem Diskurs sozialwissenschaftliche Positionen durchgesetzt. Deren erkenntnistheoretische Zugänge reichen von poststrukturalen über solche aus der Kritischen Theorie bis zu postkolonialen Positionen. Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Positionen derjenigen präsentiert, die Erbe als Prozess verstehen. Im Selbstverständnis der Repräsentanten des prozessualen Diskurses über Erbe sind es die Kontexte und Konstruktionen, die Interpretationen und Repräsentationen von Erbe, die dazu beitragen, dass sich Menschen politisch und sozial, ökonomisch und kulturell positionieren, dass sie dadurch Identität herausbilden und bewahren und erst deswegen Erbe produzieren. Der Diskurs entstand im Umfeld der Mitglieder der Association of Critical Heritage Studies. Er wird heute von immer mehr sozialwissenschaftlich positionierten Repräsentanten getragen. Unter anderem wird Kritik am materiellen Verständnis von Erbe auch im Kontext der International Graduate School Heritage Studies des UNESCO Chair Heritage Studies formuliert. Alle Kritiker des materiellen Diskurses betrachten Erbe analog ihres kritischen Erkenntnisinteresses ganzheitlich, das heißt, sie stellen bspw. das materielle Welterbe in seine kulturellen Zusammenhänge und erfassen es so als ein dynamisch sich entwickelndes Phänomen. Ein gutes Beispiel für ein solches Verständnis ist die Berliner Museumsinsel (Abb. 4.9).
4.2 Der Diskurs über die Aneignung von Erbe im sozialen Prozess
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Abb. 4.9: Alte Nationalgalerie in Berlin
„Die Berliner Museumsinsel gilt als ein einzigartiges Ensemble von Museumsbauten, das die Ent wicklung modernen Museums-Designs über mehr als ein Jahrhundert illustriert. Sie ist ein herausragendes Beispiel für das Konzept des Kunstmuseums, das auf die Zeit der Auf klärung und der Französischen Revolution zurückgeht“ (DUK o. J.).
So die Begründung für die Einschreibung der Museumsinsel als Weltkulturerbe 1999. Das Welterbe präsentiert sich demnach als Gesamtobjekt, das mit einer Einheit von Museumsbauten und den Interdependenzen der darin ausgestellten Objekte einhergeht. Neben den architektonischen und konservatorischen Werten der Insel, die auf die im 19. Jahrhundert angestrebte Bildung und die Wissenschaften zurückgeht, können gleichsam die Komponenten der zeit-, orts- und zielgruppenübergreifenden Bedeutungen hervorgehoben werden. Vor dem Hintergrund der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen haben diese Bedeutungen Anpassungsprozesse durchlaufen, die dazu führen, dass sich die Museumsinsel zwar als ein auf Zeit und Ort bezogenes, aber auch als ein dynamisch sich weiterentwickelndes Objekt präsentiert. Im Gegensatz zu anderen Objekten des Kulturerbes und auch im Vergleich zu anderen Museen repräsentiert die Museumsinsel gleichsam eine Fülle an immateriellen Werten, die den Antrieb menschlichen Agierens in einer sich verändernden Welt widerspiegeln. In den UNESCO-Bewertungskriterien zur Begründung für das Welterbe kommen solche immateriellen Werte nicht vor. Dazu bedarf es eines Interpretationsprozesses, der Erbe als ein holistisches Konstrukt begreift. Das betrifft auch die Bedeutung, die die Museumsinsel als ein außergewöhnliches Beispiel dafür hat, wie eine kulturelle
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Institution als urbaner Mittelpunkt in der Stadtplanung konzipiert und umgesetzt wurde. Da die Kriterien des Outstanding Universal Value materiell begründet sind, wurde mit dieser Einschreibung zwar ein Weltkulturerbe unter Schutz gestellt,⁹¹ das stärker als andere seine immateriellen, historischen, gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, aber auch ökonomischen Potenziale einbezieht, das jedoch im Selbstverständnis der Mitglieder des authorized discourse von seinem umfangreichen Bedeutungsspektrum noch weit entfernt ist. Insbesondere wurde in der Begründung für die Einschreibung dieses Museumskomplexes in die Liste des Welterbes vernachlässigt zu formulieren, dass es in der Folge der Ideen der Französischen Revolution als ein Ort der Bildung der Allgemeinheit konzipiert worden war und deshalb von Anfang an auch für die gesamte Berliner Bevölkerung geöffnet war. Insofern stellt die Museumsinsel einen Fundus für soziale und kulturelle Entwicklungsprozesse im Interesse eines nachhaltigen Verständnisses von Welterbe dar, deren Potenziale jedoch nicht ausgeschöpft werden. Hinzu kommt, dass die Insel mit ihren jährlich rund 3,4 Millionen Besuchern heute zu den beliebtesten Ausflugszielen der Hauptstadt gehört und so den Heritage-Aktivisten eine Bandbreite an Zielgruppen zur Verfügung stellt.⁹² Sowohl die nationalen und internationalen Besucher der Museumsinsel als auch die Berliner Bevölkerung sind bestens geeignet, die Potenziale des Objektes als Prozess kultureller und interkultureller Bedeutungskonstruktionen und Bedeutungszuwächse zu erfahren und damit auch dieses Erbe dem Aneignungsprozess von Geschichte nutzbar zu machen. Nur müsste das Objekt selbst auch als Welterbe ein solches prozessuales Herangehen zulassen. Das betrifft auch das Verhältnis der einzelnen Häuser der Insel zum Gesamtobjekt Weltkulturerbe sowie die dazu wiederum in Beziehung stehenden Sammlungen und Ausstellungen⁹³. Insbesondere Letztere wären geeignet, das diesem Welterbe immanente Potenzial für Einblicke in und das Nachvollziehen von Geschichte und Gegen-
91 Kriterien, unter denen die Museumsinsel als Weltkulturerbe eingeschrieben wurde: „(ii) The Berlin Museumsinsel is a unique ensemble of museum buildings which illustrates the evolution of modern museum design over more than a century. (iv) The art museum is a social phenomenon that owes its origins to the Age of Enlightenment and its extension to all people to the French Revolution. The Museumsinsel is the most outstanding example of this concept given material form and a symbolic central urban setting.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 896). 92 2010 zählte die Museumsinsel rund 3,35 Millionen Besucher. 2011 stieg die Besucherzahl auf 3,4 Millionen. Die Angaben wurden von den Besucher-Diensten der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz zur Verfügung gestellt. 93 „Das Alte Museum beherbergt die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Das Neue Museum beherbergt heute das Ägyptische Museum und Papyrussammlung sowie das Museum für Vor- und Frühgeschichte; Die Alte Nationalgalerie beherbergt Skulpturen und Gemälde des 19. Jahrhunderts präsentiert; Das Bode-Museum ist Standort der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst. Derzeitig sind im Pergamonmuseum Teile der Antikensammlung, das Museum für Islamische Kunst und das Vorderasiatische Museum beheimatet.“ (Stiftung Preußischer Kulturbesitz. o. J.).
4.2 Der Diskurs über die Aneignung von Erbe im sozialen Prozess
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wart im Sinne internationaler und interkultureller Verständigungsprozesse zu nutzen. Indem das Erbe materiell und statisch konzipiert ist, verfehlt es das mit dem Welterbestatus verfolgte Ziel, die Völker der Welt mit ihren gemeinsamen und eben von ihnen allen geteilten kulturellen wie auch sozialen Objekten zu konfrontieren und sie für neue Formen des friedlichen, grenzüberschreitenden Zusammenwirkens zu nutzen. Dieses wäre der Ansatz derjenigen, die Erbe als sozialen Prozess begreifen. Solche Positionen der Mitglieder der Critical Heritage Studies sind jedoch nicht neu. Sie beruhen auf Untersuchungen der Pioniere⁹⁴ der Heritage Studies, die bereits in den 80er Jahren den Zusammenhang von Geschichte, Erbe und Identität herstellten. Auch die von den Mitgliedern der Association kritisierte ökonomische Verwertung des Welterbes wurde von Autoren wie Ashworth oder Larkham (Ashworth, Larkham 1994) vorweggenommen. Zu denjenigen, die Erbe in direkter Abgrenzung zu den materiellen und eurozentrischen Konstruktionen der Welterbe-Gemeinschaft interpretierten, gehörte schon früh David C. Harvey. Er positionierte die Diskurse über Erbe „beyond the confines of present-centred cultural, leisure or tourism studies“ (Harvey 2001, S. 320) und schaffte damit die Voraussetzungen für das oben skizzierte Paradigma, nämlich Erbe als langfristig angelegten sozialen Prozess zu begreifen. Das bedeutet, sowohl den kritisierten objektbezogenen statischen Begriff von Erbe zu revidieren als auch die Exklusivrechte der im UNESCO-Kontext ernannten Experten auf richtige oder falsche Deutungen von Erbe aufzuheben. Beide Elemente werden in dem materiellen Diskurs zum Welterbe vertreten und von den Repräsentanten des non-authorized discourse als konservativ und eurozentrisch und deswegen als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Es ist nicht nur der veränderte disziplinäre und epistemologische Kontext, der die unterschiedlichen Heritage-Konstruktionen hervorbringt, es ist auch das Objekt selbst, das für eine Erforschung die entsprechenden Forschungsmethoden und nicht zuletzt das Forschungsparadigma zusammenbringt. Das Paradigma von Erbe als einem sozialen Prozess wurde auch von Smith, aufgegriffen. In Anlehnung an Harvey schreibt sie: „Heritage is not a ‚thing‘, is not a ‚site‘, building or other material object. […] these things […] are not themselves heritage. Rather, heritage is what goes on at these sites, […] Heritage I want to suggest, is a cultural process that engage with the present, and the sites themselves are cultural tools that can facilitate, but are not necessarily vital for, this process.“ (Smith 2006 S. 44).
Mit der Formulierung: „heritage is not a site“ bezieht sich Smith explizit auf die Welterbekonvention, in der – wie einleitend schon dargelegt – festgeschrieben ist, welche Stätten besonderen Schutz genießen und welche nicht. Gemäß der Welterbekonvention
94 Die Positionierungen der sogenannten Pioniere der Heritage Studies finden sich ausführlich in der ersten Ausgabe der Reihe Heritage Studies, herausgegeben von Albert, Bernecker und Rudolff. (Albert, Bernecker, Rudolff 2013).
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
sind solche Stätten zu schützen und zu bewahren, die über einen OUV verfügen, über dessen Vorhandensein oder Nichtvorhandensein anhand formaler Kriterien entschieden wird. Deren Relevanz wiederum wird durch eine UNESCO-Expertengruppe legitimiert. Aus dieser Legitimation leitet sich der Anspruch ab, dass ein von dieser Gruppe identifiziertes Erbe als Erbe aller Menschen betrachtet werden kann. Dem widersprechen die Kritiker des authorized discourse, weil sie der Ansicht sind, dass alle Werte, also auch die, die für das materielle Erbe ausgewiesen sind, sozial und kulturell konstruiert sind. Im Fall der Konstruktion der Werte von Welterbe sind es sogar nur die einer elitären Minderheit. Sie haben laut der Kritiker dieser Gruppe Erbe als Welterbe für sich vereinnahmt und universalisiert. Erbe kann jedoch, so die Kritiker dieser Interpretation, weder ausschließlich als materiell noch als objektiv gültig identifiziert sein. Alles Erbe ist dynamischen und vielfältigen Interpretationen ausgesetzt. Das betrifft auch die mit Erbe einhergehende Herausbildung von Identität. Selbst dann, wenn Erbe die außergewöhnlichen Objekte der Menschheitsgeschichte repräsentiert, sind die Stätten nicht aus sich selbst heraus identitätsbildend. Dazu benötigen sie die Menschen und die Prozesse, in denen Identität konstruiert wird. Die Zuschreibung einer identitätsbildenden Funktion von materiellem Erbe ist daher aus einer sozialwissenschaftlichen Betrachtung heraus abzulehnen. Am stärksten ist diese Ablehnung seitens der Postcolonial Studies artikuliert. Sie bezeichnen den authorized discourse als elitär und die Ziele, die mit ihm verknüpft sind, als kontraproduktiv im Sinne der Potenziale von Erbe. Alle Mitglieder des non-authorized discourse kritisieren grundlegend die Konstruktionen von Erbe, die ein materielles und statisch verstandenes Objekt zu einem gesellschaftlich relevanten Phänomen erheben; sie sehen dies als unzulässige Verallgemeinerungen an. Vielmehr sei alles Erbe gesellschaftlich und innerhalb eines dynamischen Prozesses konstruiert. Allein im Prozess liege das Potenzial der Aneignung von Erbe und von Welterbe und damit des Erwerbs von Identität. Ob in diesem Prozess dem Objekt ein OUV zugewiesen werden kann oder nicht, ist für die Identitätsbildung unbedeutend, da diese eben auf Erfahrungsprozessen und Bewusstseinsbildung beruhe. Und deswegen liege nur im prozessualen Aneignen von Welterbe das gesellschaftliche und identitätsbildende Potenzial begründet. Die Vertreter des prozessualen Verständnisses von Erbe nehmen mit dieser Position einen Paradigmenwechsel vor und eröffnen damit ein Erfahrungsfeld für diejenigen, die sich für alle Prozesse der Identifizierung, Prüfung und Einschreibung von Welterbe mehr Partizipation aller Akteure wünschen.⁹⁵ Weitere Kritiker des materiellen Diskurses wie zum Beispiel die Mitglieder der 2012 in Gothenburg in Schweden gegründeten Association of Critical Heritage Studies setzen sich mit dem Widerspruch zwischen der das Welterbe bestimmenden institutionellen Struktur und einer anvisierten Basisorientierung auseinander. Sie fragen nach den Hintergründen und Wirkungen der Tatsache, dass eine Institution wie die UNESCO
95 Siehe dazu insbesondere Kapitel 3.3, die Global Strategy.
4.2 Der Diskurs über die Aneignung von Erbe im sozialen Prozess
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einerseits die Definitionsmacht behauptet über das, was Welterbe sein soll, und gleichzeitig Partizipation lokaler Akteure einfordert. Die Association stellt dabei auch die Initiativen der UNESCO selbst sowie ihrer diversen Komitees in Frage, durch NGOs im Kontext des Welterbes neue Akzente setzen zu wollen. NGOs sind konstituierende Bestandteile der Zivilgesellschaft, und als solches sind sie für die Association die eigentlichen Repräsentanten ihres Erbes. Als Ansprechpartner für das Welterbe sind sie für die offiziellen politischen Gremien wie die Welterbekomitees oder die Generalversammlung trotz aller kontinuierlichen Anpassungen der Operativen Leitlinien⁹⁶ zur Implementierung der Konvention bis heute nicht relevant. Analog Artikel 5⁹⁷ der Welterbekonvention sind es die Vertragsstaaten, die die institutionelle Verantwortung für Schutz, Nutzung und Verbreitung von Welterbe tragen und damit auch das gesellschaftliche Bewusstsein über dessen Stellenwert prägen. Folglich betrachtet diese neue Gruppe auch das vom Welterbezentrum im Kontext des 40-jährigen Geburtstags der Konvention formulierte Paradigma zur nachhaltigen Ent wicklung kritisch. Nachhaltige Entwicklung von Welterbe, die sich nicht mit den Auswirkungen der materiellen Verwertung des Erbes befasst, hat nach deren Ansicht die verschiedenen Konzepte von Nachhaltigkeit nicht erfasst. Die Kritiker des materiellen Diskurses fordern deshalb, Erbe im Kontext der Millenniumsziele der UN, bis 2015 mehr globale Gerechtigkeit zu erreichen, als sozialen Prozess der Akteure zu definieren. Das setzt die Prüfung voraus, ob und in welcher Weise die gesellschaftlichen Gruppen in den Prozess der Identifizierung und Nominierung von Welterbe eingebunden sind und worin ihr spezifischer Beitrag für die Erhaltung besteht. Eine Einbindung von Gemeinden und gesellschaftlichen Gruppen in Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen von Erbe benötigt eine Vision dazu, was solch eine Gemeinschaft für das Erbe selbst und was das Erbe für diese Gruppe wiederum bedeutet. Es gilt zu prüfen, was sie ausmacht, warum sie Interesse am nachhaltigen Erhalt von Erbe habe sollte und müsste. Erst solche Überlegungen zielen auf Nachhaltigkeit und erst mit diesem Verständnis von Nachhaltigkeit können Identifizierungen von Erbe mit und durch Gemeinschaften erfolgen. Wir möchten dieses anhand eines Beispiels erläutern, das, obwohl Bestandteil des offiziellen Heritage-Diskurses, mit der Generierung von Heritage-Konstruktionen durch die beteiligten Akteure alternative Akzente setzt. Das Beispiel ist der Praxis des Erbe-Managements entnommen. Es ist deshalb interessant, weil gerade Management von Welterbe ein Experten vorbehaltenes Terrain ist. Innerhalb der Gemeinschaft des authorized discourse beweisen diese Experten ihre Zugehörigkeit dadurch, dass sie entsprechend formal und fachlich qualifiziert sind. Das Know-how, über das sie verfügen müssen, erlangen sie über formale Bildungsabschlüsse als Ökonomen, Denkmalpfleger, Architekten oder als Absolventen der World Heritage Studies.
96 Letze Fassung von 2013 online verfügbar unter: http://whc.unesco.org/archive/opguide13-en.pdf. 97 Siehe Artikel 5 der Welterbekonvention in der Anlage Dokumente.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Im Unterschied dazu stehen die Konzepte des joint manangment systems zum Beispiel in den australischen Nationalparks. Auch dieses System arbeitet mit formal ausgewiesenen Experten. Zugleich zeichnet es sich in hohem Maße durch die Merkmale des non-authorized discourse aus, wie am Beispiel der Kultur- und Naturerbestätte Kakadu-Nationalpark gut verdeutlicht werden kann. Partizipation in diesem Konzept bedeutet nicht nur Teilhabe an der Verantwortung, sondern in gleicher Weise Teilhabe an der Stätte selbst – und nur so kann auch Nachhaltigkeit erreicht werden. „This unique archaeological and ethnological reserve, located in the Northern Territory, has been inhabited continuously for more than 40,000 years. The cave paintings, rock carvings and archaeological sites record the skills and way of life of the region’s inhabitants, from the huntergatherers of prehistoric times to the Aboriginal people still living there. It is a unique example of a complex of ecosystems, including tidal flats, floodplains, lowlands and plateaux, and provides a habitat for a wide range of rare or endemic species of plants and animals.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 147).
Im Management-Plan der Stätte heißt es dazu: „Aboriginal people are through legal ownership of some, or all, of the land involved, and have the principal role in decisionmaking processes, most importantly through a majority on the Board of Management.“ (Press et al 1995, S. 15 f.). Nur auf diese Weise wird eine Identifikation erreicht. Die Stätte selbst wurde bereits 1981 eingeschrieben und ist seither mehrfach erweitert worden. Immer waren alle Akteure sowohl in die kommunikativen Prozesse als auch in die der Entscheidungsfindung eingebunden. Vielleicht ist es auch aus diesem Grund gelungen, die Vereinnahmung der Stätte durch die australische Regierung nach dem Fund von Uran abzuwenden (Australian National Periodic Report 2002, S. 20 f.). In der Konstruktion von Erbe hinsichtlich dieses Parks wurden die Interessen der Gemeinschaft allein deswegen berücksichtigt, weil sie Mitbesitzer der Stätte war und ist und weil sie deswegen ein immanentes Interesse an der Erhaltung hat. Da davon auch das Management geprägt ist, ist dies das beste Beispiel für den Paradigmenwechsel. Ein solches Management beruht nämlich auf Wissen, das sowohl lokal und authentisch er worben ist als auch moderne Managementkenntnisse einschließt. Entscheidend allerdings ist gerade hier die Verlagerung des Diskurses, nämlich vom Experten zum Akteur. Und genau darin liegt die Chance, nicht nur für diese Stätte, sondern auch für ein Verständnis von Erbe, das eine Identifikation der Bevölkerung mit dem Objekt ermöglicht und deshalb Nachhaltigkeit immanent bereitstellt.
4.3 Der Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Entwicklung Die in diesem Kapitel vorgeschlagenen Eckpunkte eines zu entwickelnden Heritage Studies-Diskurses – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung können als ein erstes Ergebnis eines ganzheitlichen Verständnisses von Erbe angesehen werden. Dessen vielfältige Facetten wurden seit 2010 in der International
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
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Graduate School Heritage Studies vom UNESCO Chair in Heritage Studies entwickelt. Der Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung beruht auf einer breit und tief geführten Auseinandersetzung mit den vorausgehend skizzierten Diskursen einschließlich ihrer Protagonisten. Er berücksichtigt die vom Welterbekomitee im Rahmen der Global Strategy formulierten Anforderungen zur Einbindung lokaler Bevölkerungen in die Prozesse der Nominierungen. Er reflektiert diese Anforderungen jedoch weitergehend im Hinblick auf Umsetzungsmöglichkeiten. Diese betreffen einen nachhaltigen Schutz und eine nachhaltige Nutzung von Stätten des kulturellen und natürlichen Erbes im politisch-praktischen Kontext. Sie beziehen sich auch auf systematische, disziplinäre und interdisziplinär ausgerichtete Forschungen. Der Heritage Studies-Diskurs sucht Lücken in der Forschung zu identifizieren, wissenschaftlich zu bearbeiten und – soweit möglich – zu schließen. Ein weiterführendes Ziel dieses Diskurses ist es, die Heritage Studies als eine akademische Disziplin zu konstituieren und sie dabei von den politischen Mechanismen des authorized discourse und von denen des non-authorized discourse zu unterscheiden. Der Zugang zur Erreichung dieses Ziels ist vergleichbar mit den Zugängen der inzwischen als Disziplin weltweit anerkannten Cultural Studies⁹⁸. Auch der Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung betrachtet sein Objekt Erbe mehrdimensional. Er geht aber bei dieser Betrachtung – wie oben bereits erwähnt – weit über die skizzierten Diskurse hinaus. Wir denken, dass es dem Objekt Erbe entspricht, wenn sich dessen vielfältige Repräsentationen in einer ebenso großen Vielfalt an Paradigmen, wissenschaftlichen Begriffen, Konstruktionen und Zugängen spiegeln und wiederfinden. Der Heritage-Diskurs startet im Unterschied zu den bisher genannten Diskursen auf einer sehr allgemeinen Ebene mit der wissenschaftlichen Identifizierung der disziplinär, interdisziplinär und transdisziplinär begründeten Interpretationen von Erbe unter den Bedingungen der Globalisierung. Soweit sich diese auf das innerhalb der UNESCO-Konventionen formulierte Verständnis von Erbe als materielles⁹⁹ oder immaterielles Erbe¹⁰⁰, als Naturerbe oder als Kulturlandschaften¹⁰¹ beziehen, werden sie um die Herausforderungen erweitert, die mit der Globalisierung einhergehen. Das betrifft auch die im UNESCO-Kontext formulierten Bedeutungen von Erinnerung.¹⁰²
98 Die Cultural Studies gehen zurück auf Texte von marxistisch geprägten Philologen wie Raymond Williams, Richard Hoggarts oder E. P. Tompsen des Center for Contemporary Cultural Studies der Universität Birmingham bereits in den 1950er Jahren. Diese Autoren und in der Folge eine wachsende Community verabschiedeten sich von dem elitären materiellen Kulturbegriff der Zeit, um Kultur als ein ganzheitliches Phänomen mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft einschließlich der sie prägenden Lebensumstände zu betrachten (Hepp 1999). 99 Damit ist die 1972er-Welterbekonvention gemeint. 100 Damit ist die 2003er-Konvention zur Bewahrung des Immateriellen Erbes gemeint. 101 Naturerbe ist in der Welterbekonvention definiert, Kulturlandschaften sind es in den Leitlinien. 102 Hiermit ist das seit 1992 existierende Programm Memory of the World gemeint.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.10: Neubau von Bürogebäuden am Dock in Liverpool
Die Auswirkungen der Globalisierung auf das Erbe der Menschen tangieren die Menschen selbst, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Sie betreffen ihr Erbe als materielle und immaterielle Güter, indem sie dessen Bedeutungen in sich dynamisch verändernden kulturellen und sozialen Prozessen kontinuierlich neu bewerten, aber manchmal auch entwerten. Am auffälligsten können solche sich verändernden Zuschreibungen an Welterbestädten bzw. an Ensembles von Monumenten beobachtet werden. Beispiele dafür sind aktuell Liverpool als maritime Handelsstadt (Abb. 4.10) oder Sevilla. „[…] In terms of visual perception, the redevelopment scheme will fragment and isolate the different dock areas, instead of integrating them into one continuous historic urban landscape. The mission considers that the development scheme does not reflect, nor evolve from the fragile and subtle yet significant heritage structures present in the dock areas. Instead it treats the inscribed site and its buffer zones very differently (in terms of building height), while introducing the same mass and typology throughout. It also considers that the introduction of a cluster of high-rise buildings, with towers three times the height of the Three Graces, would destroy the more or less symmetrical city profile which is expressed as a three-tiered urban structure including the waterfront, the massing and height of the Three Graces, and the shoulders of the Anglican Cathedral on the ridge overlooking the city, with the historic docklands to the north to complement those to the south, putting the Three Graces centre-stage.“ (UNESCO 2012 h, S. 184).
Aber auch Köln, Wien und Potsdam mussten den Ausgleich zwischen modernen Entwicklungsinteressen von Stadtplanern und Investoren einerseits und den UNESCOKriterien für den OUV, die Authentizität und Integrität andererseits wiederherstellen, wie bereits im Kapitel 2.6 zum Thema Welterbe in Gefahr erläutert wurde. Während
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
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Abb. 4.11: Der Grosse Aletschgletscher, links im Jahre 1979, in der Mitte im Jahre 1991 und rechts 2002
Wien und Potsdam die Umsetzung der Baupläne für die Modernisierung der Innenstädte, die die Integrität des Welterbes zerstört hätten, stoppen konnten, noch bevor diese Städte auf die Liste des gefährdeten Erbes transferiert wurden, war der Kölner Dom von 2004 bis 2006 auf dieser Liste vermerkt. Vergleichbar diversifiziert werden im Heritage-Diskurs weitere Facetten des durch die Globalisierung beeinflussten Erbes der Menschheit erforscht. Zum Beispiel geht es um die Einflüsse des Klimawandels (Abb. 4.11) auf Mensch und Natur und darum, dessen immanentes Zerstörungspotenzial für menschliche Entwicklung zu identifizieren. Es gilt, ein umfassendes Konzept von Strategien für nachhaltige Entwicklung zu erarbeiten, das auch den Erbetourismus betrifft. Die Gefahr des weltweiten Tourismus für die Substanz, die Authentizität und die Wertigkeit von Erbestätten ist vielen mit Erbe befassten Touristikern noch nicht bewusst. Schließlich werden sich die Heritage Studies mit den Widersprüchen zwischen einer geforderten Vielfalt und realen Nominierungen von materiellem und immateriellem Erbe¹⁰³ und nicht zuletzt mit der noch nicht eingelösten Forderung nach der Nutzung von Erbe für menschliche Entwicklung befassen. Zu den umfassendsten Einflüssen auf den Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung gehören die durch die Globalisierung erzeugten Migrationsprozesse. Diese beeinflussen das Erbe von Einheimischen in gleicher Weise wie das von Immigranten und Emigranten. Allerdings ver-
103 Das betrifft die mehrfach angesprochenen Typen wie christliche Kirchen beim materiellen Erbe und die Flut von darstellenden Künsten im Fall des immateriellen Erbes.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
ändern sie es auf je unterschiedliche Weise genauso, wie sie das Erbe der Etablierten¹⁰⁴ veränderten, einer von Norbert Elias schon in den 1960er Jahren identifizierten Vorortgemeinde einer größeren Stadt in England. Durch Migration wurden die Lebensräume der Etablierten im Laufe der Zeit durch immigrierte Außenseiter vereinnahmt und entsprechend verändert. Insofern steht das jeweilige Erbe in einer Wechselbeziehung mit einer sich verändernden Umwelt, genauso, wie Erbe und Umwelt selbst aufeinander bezogen sind. Ob durch freie Entscheidung zum überregionalen Handeln motiviert oder durch ökonomische Not zur Migration gedrängt: Menschen, die sich freiwillig oder gezwungenermaßen in Bewegung setzen und aus ihrem angestammten Umfeld emigrieren, verändern sich und ihre Umwelt – sowohl ihre ursprüngliche als auch ihre neue. Auch temporäre Migranten, die zum Teil erst nach Jahren von ihren Reisen und Aufenthalten in fremden Kulturen neue Erfahrungen in ihre ursprünglichen Lebenswelten zurückbringen (die sogenannten Re-Pats) tragen zu einer Bereicherung des vorhandenen Erbes bei. Sie bringen neues Wissen in eine vorhandene Wissenskultur und lernen selbst Neues hinzu. Sie sind Multiplikatoren von Wissen und Transformatoren von Kulturen und kulturellem Erbe. Insofern muss der Heritage StudiesDiskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung den Ausdrücken menschlichen Lebens insgesamt mehr Bedeutung verleihen und sie in die Prozesse menschlicher Entwicklung einbeziehen. Neben Migrationsprozessen beeinflusste auch der technologische Wandel das Erbe von Gesellschaften. Technologische Errungenschaften hielten Einzug in neue Regionen, wo sie auf jeweils spezifische Weise adaptiert wurden. Dies findet historisch seinen Ausdruck in kulturellen Brüchen wie dem Übergang von der Bild- zur Sprachkultur, von der Sprach- zur Schriftkultur und von dieser wieder verstärkt zur Bildkultur im 20. und 21. Jahrhundert. Der technologische Wandel macht sich gegenwärtig an vielfältigen Erscheinungen fest. Eine ihrer bemerkenswertesten ist zum Beispiel die der realen oder vermeintlichen Auf lösung von Privatheit, die sich durch die technische Revolution bei den Kommunikationsmedien ergeben hat. Das betrifft auch die dauerhafte Erreichbarkeit und die Auf lösung von Zeit und Raum durch das Internet. Wenngleich insbesondere das Thema der Zentralisierung ökonomischen Handelns ein altes und aktuelles zugleich ist, sind die Auswirkungen auf Welterbe und Ausdrücke kultureller Vielfalt nur ansatzweise untersucht. Die weltweite Zentralisierung von ökonomischen Prozessen betrifft Erbe in all seinen Facetten und Darstellungen. Das gilt unabhängig vom Typ des Erbes. Es betrifft Welterbe, das als Kulturerbe von unterschiedlichen Interessengruppen für den Tourismus beworben und genutzt wird. Es betrifft immaterielles Erbe, das in Form von Souvenirs kommerzialisiert wird. Beide Erbeformen werden zunehmend durch die internationalen Netzwerke von Unter-
104 Eine der besten Untersuchungen zu einem solchen Veränderungsprozess wurde von Norbert Elias bereits 1965 in seinem Buch The Established and the Outsiders veröffentlicht (Elias 1965).
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
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nehmen, Produzenten und Händlern vereinnahmt. Der lokalen Ver wertung in Form einer lokalen Organisation von beispielsweise Tourismus oder der Produktion und dem Verkauf von Souvenirs aus den Stätten werden durch solche Prozesse die Grundlagen entzogen. Weitere Prozesse der Einflussnahme auf und der Veränderung von Erbe, die durch Globalisierung und den damit einhergehenden Tourismus bedingt sind, ist der Wertewandel im Bewusstsein der Menschen hinsichtlich der Bedeutung von Erbe. Dieser Wandel zeigt sich unabhängig vom Status eines Erbes – zum Beispiel bei einem Welterbe wie Angkor Wat (Abb. 4.12), das, als touristische Destination vermarktet, jährlich von etwa 2 Millionen (http://www.tourismcambodia.com/) Besuchern heimgesucht wird und nicht mehr als ein Welterbe, sondern als ein Event wahrgenommen wird.¹⁰⁵
Abb. 4.12: Massentourismus in den Tempelanlagen von Angkor, Kambodscha
„Angkor is one of the most important archaeological sites in South-East Asia. Stretching over some 400 km², including forested area, Angkor Archaeological Park contains the magnificent remains of the different capitals of the Khmer Empire, from the 9th to the 15th century. They include the famous Temple of Angkor Wat and, at Angkor Thom, the Bayon Temple with its countless sculptural decorations. UNESCO has set up a wide-ranging programme to safeguard this symbolic site and its surroundings.“ (UNESCO Welterbeliste Ref. 668).
105 Siehe dazu insbesondere das Kapitel 5.3. Welterbe und Tourismus.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.13: Touristen vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Er zeigt sich aber auch bei nationalen Denkmalen, wie dem Brandenburger Tor (Abb. 4.13) in Berlin, das ebenfalls als touristische Attraktion in den Reiseführern angepriesen wird, wie etwa im MARCO POLO Reiseführer (Berger 2013). Durch Globalisierung und Migration wird das lokale Erbe von Ethnien oder von besonderen Traditionen verändert. Es wird durch diese Prozesse immanent entpersonalisiert und vom jeweiligen kulturellen und sozialen Kontext gelöst. Es kann auf diese Weise kommerzialisiert und popularisiert werden. Das betrifft auch diverse Schutz- bzw. Nutzungskonzepte. Die jedem Erbe innewohnenden Entwicklungspotenziale für das Individuum und die Gemeinschaft werden dadurch beeinträchtigt. Weiterhin sind im Kontext der Globalisierung im weitesten Sinne die Einflüsse des demografischen Wandels auf Erbe zu reflektieren. Dabei geht es schon lange nicht mehr allein um die Folgen der Überalterung der Gesellschaften, die in ihren extremen Formen insbesondere in China (Abb. 4.14) aufgrund der Ein-Kind-Politik ausgelöst wurde. Es geht insbesondere um eine zukunftsorientierte Qualifizierung von jungen Menschen in und für Gesellschaften, die sich rapide verändern und entsprechend neue Formen von Qualifikationen er warten.¹⁰⁶
106 2013 lockerte China die Ein-Kind-Politik, um dem zunehmenden demografischen Wandel entgegenzuwirken (Süddeutsche Zeitung 2013).
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
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Abb. 4.14: Demografischer Wandel in China
Last but not least wird Erbe durch den Klimawandel geprägt, zum Beispiel dort, wo ehemals normal besiedelte urbane Räume ent weder überbevölkert oder geschrumpft sind (Abb. 4.15) oder wo rurale Räume im Wasser untergegangen sind (Abb. 4.16). Gerade weil insbesondere diese Fragen noch stark unter fachwissenschaftlichen Expertisen wie der Migrations-¹⁰⁷ oder Klimaforschung¹⁰⁸ durchgeführt werden, ist befindet sich die Entwicklung holistischer Konzepte noch ganz am Anfang. Konstruktionen von Erbe unter den Bedingungen der Globalisierung – und dies waren nur wenige Beispiele der im 21. Jahrhundert noch zu er wartenden Entwicklungen – beinhalten daher theoretische und praktische Herausforderungen, die durch den Expertendiskurs der UNESCO-Berater oder den politischen non-authorized discourse allein nicht mehr gemeistert werden können. Deshalb gilt es, die Expertisen der bisherigen Repräsentanten der verschiedenen Erbediskurse um die der Heritage Studies zu er weitern. Dieser Herausforderung muss auf unterschiedliche Weise begegnet werden. Unter anderem lassen sich die vielfältigen Zugänge zum Verständnis des Erbes der Menschheit identifizieren und als grundlegende Diskursbeiträge positio-
107 U. a.: De Haas 2006; GCIM 2005; Hoerder 2002. 108 U. a.: Schönberger 2013; Annan 2009; Stern 2009.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Abb. 4.15: Blick auf die Favela da Rocinha in Rio de Janeiro
Abb. 4.16: Das letzte Haus auf Holland Island, einer von Über flutung und Erosion betroffenen Insel in der Chesapeake Bay, USA
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
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nieren. In dieser Veröffentlichung geht es um die Entwicklung des Welterbes von einem Schutzkonzept zu einer Marke und in der Folge zu einem Wirtschaftsfaktor. Wenn man so will, kann auch diese Entwicklung paradigmatisch verstanden werden. Der Heritage-Diskurs, so wie wir ihn perspektivisch sehen, ist – wie oben formuliert – mehrdimensional. Er sollte jedoch zunächst eine vorrangig disziplinär strukturierte Systematik entwickeln, um überhaupt ein Spektrum an potenziellen und realen fachlichen Kompetenzen für die vielfältigen Konstruktionen und Repräsentationen zu erhalten. Die Frage, ob das Erbe der Menschheit in der Interpretation der Welterbekonvention unter Berücksichtigung humanökologischer, juristischer, bauhistorischer, kunsthistorischer, planerischer oder sozialwissenschaftlicher Zugänge und Methoden nachhaltiger zu schützen ist als mittels der aktuellen Herangehensweisen, wurde unseres Wissens bisher noch nicht beantwortet. Uns geht es nicht um den wissenschaftlichen Diskurs als solchen. Uns geht es darum, die im Kontext der oben nur anhand einer Thematik entwickelte Vielfalt von Erbe zu erfassen, sie für ein ganzheitliches und tieferes Verständnis aufzubereiten, um damit bisher noch nicht identifizierte Erkenntnis- und Praxismöglichkeiten zu erschließen. Mit anderen Worten geht es uns nicht darum, die bisher im authorized discourse vorgetragenen politisch-praktischen Positionen zu beschränken. Wir sind der Meinung, dass wir mehr denn je auch politisch-praktisch gewonnene Erkenntnisse benötigen. Allerdings wollen wir den vorhandenen Diskurs um den akademischen, disziplinären und interdisziplinären, thematischen und systematischen er weitern. Insbesondere muss der Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung das Interesse der Heritage-Communities auf das Thema Nachhaltigkeit im weitesten Sinne lenken. Es gilt auch, Nachhaltigkeit aus der populistischen Sichtweise herauszuholen und wissenschaftlich zu erforschen. Dazu ist es unabdingbar, sich auch ältere Konzepte von Nachhaltigkeit wieder vor Augen zu führen, denn schon in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden nachhaltige Entwicklungskonzepte für die Nutzung von kulturellen Gütern insbesondere im Kontext der Entwicklungspolitik erarbeitet (Taylor 2012). Eine ebenfalls in den 90er Jahren entwickelte Idee von Nachhaltigkeit, die durchaus im Erbediskurs relevant sein sollte, ist das Konzept der Commons. Es geht zurück auf die inzwischen verstorbene Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom und besteht darin, dass knappe Ressourcen wie saubere Luft, Wasser und das Erbe der Menschheit nicht als private oder öffentliche Güter betrachtet werden dürfen, sondern dass sie Gemeingüter sind und als solche auch behandelt werden müssen. Für Gemeingüter trägt die Gemeinschaft, bestehend aus mündigen Bürgern, die Verantwortung. Nachhaltigkeit betrifft im Bereich des Erbes die kulturellen und natürlichen Güter der Menschheit. Deswegen könnten diese Güter auch als Gemeingüter betrachtet werden, und es wären dann die mündigen Bürger, die es als identitätsstiftend erhalten wollen. Es ist in vielen Projekten nachgewiesen, dass Menschen in jeder Weise in der Lage sind, sich verantwortlich zu engagieren; und das tun sie insbesondere dann, wenn es um ihr Erbe geht.
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Ein weiteres Themenfeld, das aus der politischen Sphäre der UNESCO-Komitees und Berater in anwendungsorientierte Forschung hineintransferiert werden sollte, sind die Forderungen nach der Nutzung von Erbe im Interesse ökonomischer Entwicklung, verbunden mit Nachhaltigkeit und Partizipation. So evident diese Konzepte seit den ersten internationalen Diskussionen zu nachhaltiger Entwicklung, dargelegt in dem Brundtland-Report aus dem Jahr 1987, in der Theorieentwicklung nicht zuletzt für innovative Anwendungsstrategien waren und sind, so wenig kommen sie bisher in den Expertendiskursen vor. Hier heißt es lediglich dazu, dass Nachhaltigkeit und Partizipation erforderlich sind¹⁰⁹. Mit anderen Worten sind Nachhaltigkeit und lokale Partizipation an Entwicklungsprozessen im politischen Diskurs hinreichend bekannte und relativ verbreitete Forderungen. Es ist bekannt, dass es für eine Umsetzung dieser Strategie eines Konzeptes einer umfassenden Aus-, Weiter- und Bewusstseinsbildung bedarf. Auch solche Konzepte sind im Erbediskurs verankert.¹¹⁰ Die Frage ist, warum solche politischen Ambitionen auf der Grundlage der geforderten und auch umgesetzten Strategien nicht oder kaum funktionieren. Unseres Erachtens liegt das daran, dass die Forderungen losgelöst von real existierenden Interessen- und Machtkonstellationen aufgestellt werden und dass sie daher immanent widersprüchlich sind. Auch diese Aussage möchten wir beispielhaft belegen. Es ist eine stärkere nationale Einbindung einzelner Länder in Bildungs-, Ausbildungs- oder Normierungsverfahren mittels ihrer Categorie-2-Institute¹¹¹ vorgesehen. Aber wie sollen internationale Standards erreicht werden, wenn nationale Institutionen nationale Politiken vertreten müssen und wenn diese aufgrund jeweils eigener nationaler oder kultureller Wertsysteme internationalen Standards entgegengesetzt sind? Oder weiterhin: Wie sollen Länder mit nach wie vor nicht demokratisch verfassten Strukturen Interesse daran haben, lokale Akteure zu befragen? Wie sollten Länder, die bis heute nicht einmal ihre Bevölkerung ernähren können, Erbe nominieren? Oder warum sollen Entwicklungsländer mit touristischen Attraktionen von Welterbe, deren Bruttosozialprodukt inzwischen zu großen Teilen vom Welterbetourismus profitiert, wegen Nachhaltigkeit auf einen sich abzeichnenden Tourismusboom verzichten, wenn die reichen europäischen Länder seit Jahren ihre Nominierungen für das Welterbe mit der Hoffnung auf einen wachsenden Tourismus legitimieren, obwohl dessen immanente Zerstörungspotenziale bekannt sind?
109 Diese Aussage zielt insbesondere auf die Global Strategy. 110 S. dazu die Ausführungen zur Global Strategy in Kapitel 3.3. 111 UNESCO has designated 98 International and Regional Institutes and Centres as Category 2 under the auspices of UNESCO. Though not legally part of the Organization, these Institutes and Centres are associated with UNESCO through formal arrangements approved by the General Conference. They are selected upon proposal by Member State(s), based on the strength of their specialization in one of UNESCO’s fields of competence. Through capacity-building knowledge sharing and research, they provide a valuable and unique contribution to the implementation of UNESCO’s strategic programme objectives for the benefits of Member States (UNESCO 2013j).
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
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Mit anderen Worten: In den Forderungen nach mehr Partizipation oder mehr Nachhaltigkeit bleiben Problemidentifikationen und Lösungsstrategien häufig innerhalb der von den UNESCO-Experten selbst legitimierten Systeme und Strategien gefangen. Sie stehen damit zu ihren eigenen Konzepten im Widerspruch. Auch die damit einhergehenden Zielsetzungen sind kontraproduktiv. Genau dieses sollte mittels der Heritage Studies durch solche Forschungsansätze verdeutlicht und entsprechend korrigiert werden, die sowohl epistemologisch als auch methodisch die Dichotomien auf lösen und mit politisch-historisch-gesellschaftlich ausgerichteten Forschungen in der Lage sind, Alternativen aufzuzeigen. Das setzt disziplinär und interdisziplinär erweiterte Erkenntnisinteressen voraus. Um hier nur einige zu nennen: Die Glaubwürdigkeit der Welterbelisten könnte durch eine veränderte Politik insgesamt wieder hergestellt werden, und nicht – wie bisher versucht – durch Aus- und Weiterbildung in Entwicklungsländern oder durch ungehört bleibende Appelle zum Beispiel an Europa, seine Nominierungen einzuschränken. Man könnte beispielsweise empfehlen, einen Perspektivenwechsel in der Sicht auf das Erbe insgesamt vorzunehmen. Anstatt bspw. afrikanische Länder aus der dominanten europäischen Sicht zu bewerten, könnten die Interessen und das Verhalten der betroffenen Akteure in den betreffenden Ländern selbst zum Gegenstand der Heritage Studies gemacht werden. Eine solche Sicht verweist nämlich auf ein eigenes Erbe, das trotz oder sogar wegen der Globalisierung mit dem westlichen Erbe konkurriert. Das beste Beispiel für die bisherige Wirkung der Welterbekonvention ist das nach wie vor eklatante Ungleichgewicht zwischen Europa und dem Rest der Welt im Hinblick auf die in die Welterbeliste eingetragenen Güter. Für solche Probleme gibt es viele politische Antworten. Wir wollen Antworten, die im Kontext der Heritage Studies den Diskurs aus dem normativen Setzen von Standards in das analytische Reflektieren zurückholen. Um bei dem Beispiel der ungleichgewichtigen Verteilung der Stätten im Weltmaßstab zu bleiben, muss man sich damit auseinandersetzen, dass die in den Erbekonventionen formulierten Legitimationen für die Ernennung von Erbestätten von der Praxis überholt worden sind. Für die meisten Europäer ist Erbe von einem Gut zur Ware geworden und Ware wird naturgemäß nicht unter kulturellen, sondern unter ökonomische Kriterien ver wertet. Ergo müssen auch ökonomische Kriterien in politischen Strategien berücksichtigt werden. Dieses wiederum setzt voraus, dass die Widersprüchlichkeit herausgearbeitet wird, die dem politischen Diskurs zum Thema Erbe immanent ist. Es gilt weiterhin, sich analytisch mit den Ursache- und Wirkungsfaktoren für das relative Scheitern der Global Strategy zu befassen und dieses nicht zuletzt systematisch unter Einbeziehung entsprechender Kriterien zu tun. Und dazu bedarf es des Heritage Studies-Diskurses – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung. Das bedeutet nicht nur einen Paradigmen – sondern auch einen Perspektivenwechsel. Nur mittels eines Perspektivenwechsels wird nachvollziehbar, warum die im Kontext westlicher Rationalität entwickelten Begründungen und Maßnahmen für die Balancierung der Listen nicht greifen bzw. nicht greifen können, weil bereits die
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4 Diskurse im Kontext des Welterbes
Konstruktionen eurozentrisch sind. Deshalb gilt es, der immer wieder geforderten Partizipation und Nachhaltigkeit Taten folgen zu lassen. Und das heißt, der eurozentrischen Definitionsmacht für alles das, was Erbe ausmachen soll, ein Ende zu setzen. Ob solche Forderungen zielführend, adäquat oder realistisch sind, sollte im Kontext der Heritage Studies und nicht mehr im Expertendiskurs beantwortet werden. Im Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung wollen wir verdeutlichen, dass die mit den Erbekonventionen formulierten Ziele ohne theoretische Grundlagen nicht mehr zu bewältigen sind. Schon die im Welterbejargon existierenden Konstruktionen wie bspw. die von Sustainable Development,¹¹² Human Development¹¹³, Community and Local Involvement¹¹⁴, Diversity of Culture and Heritage¹¹⁵ etc. sind hochgradig mit kulturellen, technischen oder auch wirtschaftlichen Konnotationen belegt, ohne dass ihre Erfolgs- oder Misserfolgsaussichten hinreichend wissenschaftlich untersucht und auf die gesellschaftlichen Möglichkeiten bzw. Grenzen oder auch in ihren nationalen Potenzialen oder Widerständen hinterfragt worden wären. Die Heritage-Diskurse benötigen mehr denn je die Unabhängigkeit der Wissenschaft, und wie könnte diese Forderung besser als mittels des Heritage Studies-Diskurses umgesetzt werden? Die junge Disziplin der Heritage Studies, deren traditionelle disziplinäre Zugänge in Anthropologie, Archäologie, Architektur, Ethnologie, Denkmalpflege, Ökologie und Kunstgeschichte liegen, öffnet sich dabei zunehmend interdisziplinären Zugängen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch – wie bereits der non-authorized discourse – aus den Cultural Studies und den Postkolonial Studies sowie den sie begründenden Wissenschafts- und Erkenntnistheorien, Phänomenologien und Methoden. Nicht zuletzt wird dieses gestiegene wissenschaftliche Interesse an interdisziplinären Zugängen im Kontext der Heritage Studies auch in einer Vielzahl neuerer Veröffentlichungen erkennbar.¹¹⁶ Die Heritage Studies, wie sie im Heritage Studies-Diskurs – Schutz und Nutzung von Erbe im Interesse menschlicher Ent wicklung an der IGS Heritage Studies, aber auch in anderen international bedeutenden Forschungseinrichtungen entwickelt werden, ergeben sich in gewisser Weise erst aus den politisch-praktischen Konstruktionen der genannten UNESCO-Konventionen. Sie finden sich von daher konfrontiert mit einem Forschungsfeld und mit einem Forschungsbedarf, der in seiner Genese vor der Problematik hegemonialer Diskurse analysiert werden muss. Die zunehmende Brüchigkeit westlicher Paradigmen führt dem Feld verstärkt vor Augen, dass eine bestimmte
112 U. a.: Baker 2006; Egelston 2013; Middleton, O’Keefe 2001. 113 U. a.: Richtscheid 2001. 114 U. a.: Britto 2011. 115 U. a.: Albert, Offenhäußer, Zimmerli 2010. 116 U. a.: Albert, Bernecker, Rudolf 2013; Kirshenblatt-Gimblett 2004; Logan, Reeves 2008; Silverman 2011.
4.3 Schutz und Nutzung von Erbe
135
Art des Sprechens über und des Begreifens von Erbe der Diversität kultureller Ausdrucksformen nicht (mehr) gerecht werden kann. Diese Art der Genese des Forschungsgegenstandes wurde vorausgehend in seinen Implikationen von Smith¹¹⁷ und im Weiteren von Albert¹¹⁸ thematisiert. Sein hegemonialer Anspruch wird disziplin- und institutionenübergreifend in Frage gestellt. In dieser Entwicklung liegt der im hier präsentierten Erbediskurs vertretene Ansatz begründet, nach ganzheitlichen, interdisziplinären theoretischen Ansätzen zu suchen und damit die übergreifende theoretische und methodologische Fundierung der Heritage Studies voranzutreiben. Dementsprechend werden in diesem Diskurs sowohl die den klassischen disziplinären Zugängen zugrundeliegenden Konstruktionen von Erbe identifiziert und thematisiert als auch hinsichtlich der Möglichkeiten eines ganzheitlichen und interdisziplinären Verständnisses von Erbe reflektiert.
117 Smith 2006; Smith, Akagawa 2009. 118 Albert 2013.
5 Auswirkungen der Popularisierung Wie wir zu Beginn unserer Ausführungen in der Einleitung formuliert haben, wurde die Welterbekonvention u. a. deswegen verabschiedet, weil das Kultur- und Naturerbe, das für die Menschheit von einem außergewöhnlichen universellen Wert ist, weltweit sowohl durch herkömmlichen Verschleiß als auch durch Prozesse sozialen und wirtschaftlichen Wandels von Zerstörung bedroht ist. Die große Zahl der in die Welterbeliste eingeschriebenen Stätten spricht für die Akzeptanz dieses Schutzgedankens.¹¹⁹ Auch die nationalen Anmeldelisten, auf denen die mittelfristig beabsichtigten Nominierungen der Vertragsstaaten der Welterbekonvention verzeichnet sind, weisen für die nächsten 10 Jahre eine große Anzahl an Stätten auf.¹²⁰ Der Zunahme an Welterbestätten entspricht – wie mehrfach ausgeführt – eine regionale und damit einhergehend eine typologische Fokussierung.¹²¹ Mit dem Boom an Einschreibungen in Europa etwa seit den 90er Jahren wurde diese Region zum Motor der Popularisierung von Welterbe. Die Auswirkungen konnten bis heute trotz einer Reihe von Maßnahmen, die von diversen Welterbekomitees veranlasst wurden, nicht rückgängig gemacht werden. Insbesondere der mit dem Boom einhergehende Wertewandel, der sich in der Transformation eines Welterbes von einem schützenswerten Gut zu einer Ware ausdrückt, war nicht zu stoppen. Die These, die hier vertreten wird, ist die, das Welterbe vergleichbar mit anderen Bereichen der öffentlichen und privaten Kultur- und Naturpolitik einem Bedeutungswandel unter worfen ist; insbesondere Kultur ist zu einer Ware geworden. Das zeigt sich an vielen Entwicklungen, beispielsweise an markträchtig inszenierten Megaausstellungen nationaler und internationaler Museen. Mit ca. 8,4 Millionen Besuchern pro Jahr ist der Louvre mit der in ihm ausgestellten Mona Lisa das meistbesuchte Museum der Welt.¹²² Ein weiteres Beispiel ist das Museum of Modern Art (MoMA) in New York mit ca. 3 Millionen Besuchern jährlich. Die Besucherzahlen des MoMA haben sich seit der Wiedereröffnung im Jahr 2004 verdoppelt (Vogel 2012). Es zeigt sich auch an kommerzialisierten Veranstaltungen der darstellenden Kunst wie bei den Bay-
119 Im Jahr 2013 waren in 160 Ländern 981 Stätten als Welterbe ausgezeichnet. Von diesen 981 Stätten sind 759 als Kulturstätten, 193 als Naturstätten und 29 als gemischte Kultur- und Naturstätten eingeschrieben worden (UNESCO 2013a). 120 In der Bundesrepublik Deutschland wird bspw. noch bis 2016/17 die derzeit gültig Liste abgearbeitet und die Kultusministerkonferenz (KMK) hat im Juni 2014 eine neue Liste mit weiteren Stätten vorgestellt. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits den vierten Platz in der Rangfolge der Länder mit eingetragenen Stätten einnimmt, kann sie jährlich nur eine Stätte einschreiben lassen. Das bedeutet, dass es vielleicht bis zum 50. Jahrestag der Verabschiedung der Konvention dauert, bis die nächste Liste abgearbeitet ist. 121 Siehe dazu die Einleitung und das Kapitel 3.3 Die Global Strategy. 122 Besucherzahlen entnommen http://de.globometer.com/kultur-louvre.php (letzter Zugriff 25. 03. 2014).
5 Auswirkungen der Popularisierung
137
reuther Festspielen, die im Jubiläumsjahr 2013 zum 200. Geburtstag von Richard Wagner mit dem österreichischen Blechbläserensemble Mnozil Brass „Hojotoho“ inszenierten, eine Crossover-Oper mit Comedy-Elementen (Deutsche Welle 2013). Am Beispiel der bildenden Kunst wurde dieser Trend der Kommerzialisierung vom Künstler Eric Fischl in einem Interview der ZEIT formuliert. Gefragt nach dem Verhältnis von Kunst und Geld und danach, wann das „Gelddenken in die Kunst einzog“ antwortete er, dass seit den 80er Jahren auch die „Kunst Teil der Unterhaltungsindustrie“ geworden sei, in der „die Leute Kunst sehen, aber sich nicht wirklich in sie hineinziehen lassen“. Er berichtet vom „Wandel der Kunst zur Marke“ auch in der Wahrnehmung derjenigen, die eigentlich an Universitäten Kunst studieren (Fischl 2014, S. 47). Transformationen von Gütern in konsumierte Ware finden im gesellschaftlichen Bewusstsein durch eine Kommerzialisierung derselben statt. Transformationen von Welterbe sind deshalb wie die anderer Kulturgüter auch konstituierende Bestandteile sozialer und ökonomischer Entwicklungen der Gesellschaften. Sofern sie die von der UNESCO geadelten Güter betreffen, sind zu diesem Zweck diverse Instrumente wie Empfehlungen (Recommendations), Erklärungen (Declarations) oder Übereinkommen (Conventions)¹²³ verabschiedet worden. Das betrifft immaterielles Erbe im Kontext der Konvention zur Bewahrung des immateriellen Erbes von 2003, aber auch kulturelle Produkte, die unter dem Schlagwort creative industries¹²⁴ gehandelt werden. Nicht zuletzt wurde 2005 eine Konvention verabschiedet, die die nationale Vielfalt von kulturellen Ausdrücken schützt (UNESCO 2005), damit diese Ausdrucksformen eben nicht den Mechanismen des internationalen Marktes ausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund soll in diesem Kapitel diskutiert werden, ob die Welterbekonvention immer noch für das steht, für das sie verabschiedet worden ist, nämlich Kultur- und Naturgüter von einem herausragenden universellen Wert für alle Völker der Welt nachhaltig zu schützen. Es soll untersucht werden, ob und wie gesellschaftliche Entwicklungen auch die Welterbekonvention beeinflusst haben. Vor allen Dingen gilt es nach dem angemessenen und ausgewogenen Verhältnis zwischen Schutz und Nutzung einer Stätte zu fragen und dort Kritik zu üben, wo dieses Verhältnis nicht ausbalanciert ist.
123 Die vollständige Liste der UNESCO-Erklärungen, Empfehlungen und Übereinkommen im Bereich Kultur finden sie auf der folgenden Webseite der UNESCO: http://portal.unesco.org/en/ev.phpURL_ID=13649&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=-471.html (letzter Zugriff: 21. 05. 2014). 124 Die Creative Industries sind als ein Programmpunkt der UNESCO dem Bereich der Kultur untergeordnet und definieren sich wie folgt: „The cultural industries, which include publishing, music, cinema, crafts and design, continue to grow steadily apace and have a determinant role to play in the future of culture. Their international dimension gives them a determining role for the future in terms of freedom of expression, cultural diversity and economic development. Although the globalization of exchange and new technologies opens up exciting new prospects, it also creates new types of inequality.“ (UNESCO 2013 l).
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5 Auswirkungen der Popularisierung
5.1 Welterbe und Politik Die Auswirkungen der Popularisierung von Welterbe sind vielfältig. Hier sollen Entwicklungen dargestellt werden, die den politischen Umgang der Mitglieder der diversen Welterbekomitees mit den Regularien der Welterbekonvention aufzeigen. Einleitend war schon auf die Global Strategy hingewiesen worden, mit der das internationale qualitative und quantitative Ungleichgewicht der eingetragenen Güter auf der Welterbeliste aufgehoben werden sollte. Weiterhin war anhand der Studie von Jukka Jokiletho, erstellt im Jahre 2008, auf die Interpretationen des Outstanding Universal Value im historischen Prozess hingewiesen worden.¹²⁵ Erwähnt werden muss auch die Diskussion um das Kriterium (vi), dessen Bedeutung für die immateriellen Werte von Stätten und damit auch für die geschichtlichen Kontexte von materiellem Erbe während eines Expertentreffens in Warschau im März 2012 noch einmal hervorgehoben und dessen Anwendung durch Experten mit wichtigen Empfehlungen versehen wurde. Unter anderem sollten das Welterbekomitee, die Mitgliedstaaten und die Beraterorganisationen dazu angehalten werden, Antragstellern „further in-depth guidance on the recognition and management of cultural associations as part of the Outstanding Universal Value of properties and on the appropriate use of the various criteria for such recognition“ (UNESCO 2012 f., S. 5) zu geben. Wie diese Unterstützung konkret aussehen könnte, wurde dann in mehreren Artikeln ausformuliert. Insofern können viele Aktivitäten, die mit der Popularisierung der Welterbekonvention einhergehen, deren Ziele und Inhalte weiter verbreiten und untermauern. Dass mit einer Popularisierung auch ein negativer Bedeutungswandel vollzogen werden kann, ist dennoch nicht von der Hand zu weisen. Dieser negative Bedeutungswandel, den Welterbe im Prozess seiner Popularisierung erfahren hat, war der der Transformation von Erbe von einem Gut zu einer Ware. In diesem Kapitel möchten wir diesen Wandel anhand einiger politischer Entscheidungen der verschiedenen Welterbekomitees aufzeigen. Eine zeitliche Orientierung im politischen Umgang mit der Welterbekonvention durch die politischen Repräsentanten ist dabei sicherlich die Entscheidung des Welterbekomitees im Jahre 2009, Dresden aufgrund der Verletzung der Integrität der Landschaft durch den Bau der Waldschlößchenbrücke von der Liste des Welterbes zu streichen. Diese Entscheidung fiel nach heftiger Debatte im Komitee und ohne die Zustimmung von Deutschland als betroffenem Vertragsstaat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. (Ringbeck/Rössler 2011, S. 205–212). Sie fiel auch ungeachtet der bereits zu diesem Zeitpunkt zu beobachtenden Veränderungen in der Entscheidungsfindung des Welterbekomitees, das sich nicht mehr
125 Die letzte Veröffentlichung, die diese Modifikationen chronologisch und systematisch aufzeigte, erschien 2008 unter dem Titel „What is OUV?“, Herausgegeben von ICOMOS, zusammengestellt von Jukka Jokiletho u. a.
5.1 Welterbe und Politik
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allein vom außergewöhnlich universellen Wert, den es zu schützen gilt, leiten zu lassen scheint, sondern sich auch davon beeinflussen lässt, dass Welterbe eine „nationale“ Marke im globalen Kontext ist, die Prestige verleiht und die insbesondere für bis dahin weniger bekannte Stätten ein wertvoller Faktor für die Tourismusentwicklung ist. Beispielhaft für diese Veränderung in der Bedeutung von Welterbe ist auch der Umgang mit Neuanträgen. Von 18 Anträgen, die im Jahr 2011 durch die Beraterorganisationen mit Zurück verweisung (deferral)¹²⁶ bewertet worden waren, wurden nur 3 Anträge tatsächlich zurückverwiesen, während 4 mit der schwächeren Formulierung Aufschiebung und Überarbeitung (referral) gewertet und an den Antragsteller zurückgegeben wurden. Bei 9 Anträgen wurde das Beratergutachten vollständig ignoriert und die Stätten wurden eingeschrieben (inscription) (UNESCO 2011c). Im Jahr 2012 wurden von 8 Anträgen mit der Bewertung Zurückverweisung 2 Anträge in Aufschiebung umgewandelt und 4 wurden sogar eingeschrieben (UNESCO 2012 g). Im Jahr 2013 betraf es 9 Nominierungsanträge, die trotz des negativen Votums der Beraterorganisation mit der weicheren Formulierung gewertet wurden. Auch davon wurden 3 eingeschrieben (UNESCO 2013 m). Diese Entwicklungen wurden bspw. auch durch Bernd von Droste hervorgehoben, der in seinem bereits im Kapitel 3.2 ausführlich besprochenen Aufsatz über die Phasen der Durchführung der Welterbekonvention den Wertewandel erwähnt, der mit der Popularisierung der Konvention einherging. Von Droste identifiziert eine auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtete Politisierung des Welterbekomitees, die er insbesondere in der vierten Phase der Implementierung der Konvention feststellt. Diese Phase reicht von 2006–2011 und zeichnet sich nach von Droste dadurch aus, dass nun auch die diversen Komitees u. a. vom Geist der gesellschaftlichen Ver wertung des Labels Welterbe erfasst sind. Er schreibt: „The period of the past five years has been marked foremost by the sheer number of WH properties inscribed in the WH List (close to 1000), and in fact that practically all Member States of UNESCO have now joined the WH Convention. These quantitative aspects have now clearly caused an overload of work for all international organizations involved, as well as for the agenda of the WH Committee’s annual sessions. There is in fact no more room for substantial debate in the Committee, which is, moreover, now dominated by career diplomats (rather than heritage specialists) who often seem to care more about political correctness and the purely formal aspects of resolutions, rather than about recommendations provided by the Advisory Bodies and other substantive issues.“ (von Droste 2011, S. 38 f.).
126 Die Empfehlungen von ICOMOS und IUCN sowie die Entscheidungen des Welterbekomitees zur Eintragung einer Stätte in die Welterbeliste lassen sich in vier Kategorien aufteilen: a) Anträge, die vorbehaltlos zur Eintragung empfohlen werden (inscription); b) Anträge, die nicht zur Eintragung empfohlen werden (decision not to inscribe); c) Anträge, deren Aufschiebung empfohlen wird (referral); d) Anträge, deren Zurückverweisung empfohlen wird (deferral) (UNESCO 2013b, § 153–160).
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5 Auswirkungen der Popularisierung
Insofern wird auch in diesem politisch repräsentativen Kontext immer deutlicher, dass die UNESCO-Diplomaten oft weniger das Anliegen der Konvention vertreten, als vielmehr das der sie entsendenden Staaten mit ihren (kultur-)politischen und wirtschaftlichen Ver wertungsinteressen von Welterbe. Auswirkungen dieser wirtschaftlich motivierten Politisierung lassen sich u. a. anhand der Begründungen für oder gegen Einschreibungen von Stätten auf die Liste des gefährdeten Erbes festmachen. Auch diese Liste hat – so scheint es – bei den Mitgliedern der Komitees einen Bedeutungswandel erfahren. Das beste Beispiel für diesen Prozess zeigt der offizielle Umgang mit dem seit 2010 von diversen Komitees problematisierten Pelli Tower in der Pufferzone der historischen Altstadt von Sevilla. Der Torre Pelli, auch Torre Cajasol genannt, liegt in der Pufferzone der im Jahre 1987 in die Welterbeliste eingetragenen Altstadt von Sevilla und wurde bereits 2010 in der ICOMOS-Evaluierung als problematisch für die Integrität des Welterbes und der Altstadt gewertet.¹²⁷ Seither wurde Spanien erfolglos aufgefordert, Maßnahmen zu treffen, die Integrität der Stätte und den OUV zu schützen. Und obwohl die fortdauernde Verletzung der Integrität der Stätte auch vom Welterbekomitee in Phnom Penh im Jahre 2013 erneut festgestellt wurde, fand sich nicht die erforderliche Mehrheit, die Stätte auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt zu setzen. Vielmehr wurde ein weiterer Bericht angefordert.¹²⁸ Erstmals wurde offiziell argumentiert, dass man
127 Decision 34COM7B.100: „The World Heritage Committee, 1. Having examined Document WHC-10/ 34.COM/7B, 2. Recalling Decision 33 COM 7B.123, adopted at its 33rd session (Seville, 2009), 3. Acknowledges the information provided by the State Party on the conclusions of the Expert Committee set up to assess the impact of the proposed Torre Cajasol on the Outstanding Universal Value of the property, and that this tower will have a potential adverse impact on the ‚transitional‘ area of the historic city; 4. Regrets that the State Party did not halt the construction works on this project and takes note that the State Party has started preliminary works on this project; 5. Requests the State Party to reconsider the current project in order to avoid any possible adverse impact on the Outstanding Universal Value of the property; 6. Also requests the State Party to submit to the World Heritage Centre, by June 2011, a report on the state of conservation of the property and on the steps taken in order to avoid any possible adverse impact on the Outstanding Universal Value of the property, for examination by the World Heritage Committee at its 35th session in 2011.“ (UNESCO 2010b, S. 144). Decision 34COM8B.61: „The World Heritage Committee, 1. Having examined Documents WHC-10/34. COM/8B and WHC-10/34.COM/INF.8B1.Add, 2. Approves the buffer zone for the Cathedral, Alcázar and Archivo de Indias in Seville, Spain. 3. Notes that the City Council has agreed to complete the remaining catalogues for the sectors within the buffer zone and urges the State Party to ensure that these are in place as soon as possible; 4. Also notes that development outside the buffer zone in the wider setting will be subject to impact assessments on the inscribed property under the 2007 Historical Heritage Act and also urges the State Party to ensure that these are applied rigorously.“ (UNESCO 2010b, S. 249). 128 Decision 37COM7B.84: „3. Notes the progress with finalising and approving Special Protection Plans for sectors of the Conjunto Histórico, due for completion in 2013; 4. Also notes that the buffer zone will be completely covered by these Plans which should provide it with adequate protection; 5. Further notes that for the wider setting, the local authorities will be tasked with establishing
5.1 Welterbe und Politik
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Authentizität und Integrität von Stadtlandschaften und damit natürlich auch deren Nutzung unter Einbeziehung der wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen von Bevölkerungswachstum, Modernisierung und Infrastrukturentwicklung bewerten müsse. So relevant diese Entscheidungen gerade wegen der genannten Entwicklungen sind, so problematisch sind sie dennoch. Drücken sie doch genau den Widerspruch aus, dem die Welterbekonvention selbst ausgesetzt ist. Aufgrund der Kriterien der Konvention soll genau das Erbe bewahrt werden, das durch die Prozesse gesellschaftlicher Entwicklungen gefährdet ist. Dass die Welterbkonvention inzwischen Gefahr läuft, zu einem stumpfen Schwert zu verkommen, soll abschließend am Beispiel Pompejis gezeigt werden. Der Umgang – oder besser die Tatenlosigkeit – der Vertragsstaaten der Welterbekonvention einschließlich der italienischen Regierung und der Europäischen Union mit der größten und prominentesten antiken Ausgrabungsstätte der Welt erweckt den Eindruck, als hätte sich die Welterbekonvention mit ihren Zielen selbst überlebt. Seit Jahren ist bekannt, dass die antike Ruinenstadt durch Umwelteinflüsse (Abb. 5.1) jeder Art gefährdet ist. „Für die zahllosen anderen Schäden indes, die der Winter angerichtet hat, interessiert sich außerhalb des lokalen Umfelds keiner. Fatalistisch nimmt Italien die Statistik zur Kenntnis, die Forscher alle Jahre vorlegen: 82 Prozent der Gemeinden sind von wasserbedingten Katastrophen bedroht: Überschwemmungen und Erdrutsche. Gefährdet sind über 16.000 Kulturgüter. Allein 487.000 Erdrutschzonen sind amtlich erfasst, aktive Muren ebenso wie jahrhundertealte, die schlafen. Aus Geldmangel ist die nationale Gefahrenkarte nie fertiggestellt worden. Dabei nehmen gerade Erdrutsche massiv zu: Zwischen 1850 und 1900 waren es 162, in den letzten 50 Jahren 2204.“ (Kreiner 2014).
Sind solche Zahlen bereits erschreckend und Grund genug, diese Stätte mittels der Liste des gefährdeten Welterbes besser zu schützen, so führen die neuesten Entdeckungen den politischen Willen im Umgang mit Kulturgüterschutz (Abb. 5.2) vollends ad absurdum. Laut FAZ vom 19. 3. 2014 wird in Erweiterung der Ausführungen über fehlende Schutzmaßnahmen an dieser Stätte auch noch über ihre kommerzielle Bedeutung berichtet. „Die abgesägte Brust der Artemis verkauft sich gut. […] In Pompeji haben Diebe ein antikes Fresko geraubt. Dass der Diebstahl erst Tage später auffiel, ist symptomatisch für den Umgang
adequate control measures for new constructions; 6. Considers that impact assessments for new constructions which can potentially impact the Outstanding Universal Value should be carried out in line with the ICOMOS Guidance on Heritage Impact Assessments; 7. Takes note that no collaboration with ICOMOS has so far been undertaken on studies necessary to avoid further high-rise buildings that would impact adversely on the Outstanding Universal Value, but notes furthermore the request made by the State Party to ICOMOS to start this process; 8. Requests the State Party to submit to the World Heritage Centre, by 1 February 2015, a progress report on the implementation of the above.“ (UNESCO 2013 m, S. 131).
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5 Auswirkungen der Popularisierung
Abb. 5.1: Von Erosion zerstörte Ausgrabungsstätte in Pompeji
Abb. 5.2: Wandfresko in Pompeji
5.2 Welterbe und Tourismus
143
mit dem Weltkulturerbe. Die Camorra zieht die Fäden. […] Vor einer Woche frästen, wie erst jetzt bekannt wurde, Diebe in der ‚Casa di Nettuno‘, einem Stadtpalast Pompejis, die Darstellung einer Artemis aus einem Wandgemälde, das sie und ihren Zwillingsbruder Apollon zeigt. Genauer: Man hat ein etwa 20 mal 20 Zentimeter großes Teilstück mit dem Profil und dem Oberkörper der thronenden Göttin entfernt – gut geeignet, als hübsches Brustbild höchstbietend verhökert zu werden. Es ist, so erste Untersuchungen, sicher, dass Profis am Werk waren. Somit ist auch ziemlich sicher, dass die geraubte Artemis vor ihrem heimlichen Verkauf bestens restauriert wird. Was sie auch nötig hat: Das Fresko der göttlichen Geschwister war in verheerendem Zustand, von Schlieren überzogen, von Wind und Wetter bis an die Grenze der Unkenntlichkeit gebleicht. Dasselbe gilt für alle Fresken und Mosaike der ‚Casa di Nettuno‘ – und für das Viertel, das sie umgibt.“ (Bartetzko 2014).
Welterbe ist gerade unter schwierigen politischen und ökonomischen Bedingungen zu schützen. Das ist die politische Botschaft der Welterbekonvention. Diese gilt es gemäß der von den Mitgliedstaaten vereinbarten internationalen Rahmenbedingungen umzusetzen, trotz häufig national anders ausgerichteter Interessen.
5.2 Welterbe und Tourismus Die „Deutsche Zentrale für Tourismus“ hat das Thema des Jahres 2014 dem UNESCOWelterbe in Deutschland gewidmet. Dazu wurde eine Broschüre mit dem Titel „UNESCOWelterbe in Deutschland – Zeit Reise – Vom Anfang der Welt bis in die Zukunft“ publiziert (DZT 2014). In dieser Broschüre werden die 38 Welterbestätten in Deutschland in einer herausragenden Weise vermarktet. Sie werden erklärt, interpretiert und in Kontexte gesetzt. Die Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Zentrale für Tourismus sagt dazu im Vorwort: „Deutschland ist reich an vielfältiger Kulturgeschichte und vereint seine Traditionen mit einem historischen Erbe von unschätzbarem Wert. Die daraus wachsende lebendige und spannende Gegenwartskultur zieht Jahr für Jahr mehr Reisende an. Unter den welt weiten Kulturreisezielen der Europäer liegt Deutschland seit 2012 auf dem ersten Rang.“ (DZT 2014, S. 3).
Welterbetourismus hat sich dank solcher und anderer Initiativen zu einem wichtigen Segment auf dem Markt touristischer Attraktionen etabliert. Die Bedeutung von Welterbe könnte durch eine Ausweitung des nationalen und internationalen Tourismus in Stätten des Welterbes auch im Bewusstsein der Menschen weiter verankert werden. Tourismus bietet somit für die Verbreitung des Welterbegedankens wichtige Potenziale an. Es ist deshalb folgerichtig, dass Welterbestätten Interesse daran haben, von Touristikagenturen in ihre Programme aufgenommen zu werden. Dass sie mit diesen Ambitionen von den für sie politisch, kulturell oder denkmalpflegerisch zuständigen Administrationen einschließlich des Welterbezentrums in Paris unterstützt werden, versteht sich von selbst. Ob allerdings ein Zusammenhang zwischen der Ausweitung von Besucherzahlen in Welterbestätten und der Stärkung des internationalen Bewusstseins
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5 Auswirkungen der Popularisierung
über die außergewöhnliche universelle Bedeutung eines Welterbes besteht, ist bisher nicht nachgewiesen worden. Vielmehr kann man von anderen Entwicklungen ausgehen: Welterbestätten sind Bestandteile eines weltweit boomenden Kulturtourismus. Als touristische Destinationen mit einem eigenen Erfahrungs- Kultur- oder Erlebniswert stehen sie selten für sich selbst. In der sicher unter anderen Voraussetzungen von Chris Smith schon 1997 durchgeführten Untersuchung heißt es dazu: „Many reports have pointed to specific evidence that WHS status increases the popularity of a location or destination with visitors. However, the causal relationship between inscription and tourism is often difficult to establish“ (Pricewaterhouse Coopers 2007, S. 39). Nach Angaben der Welttourismusorganisation (UNWTO) beträgt der Anteil des Tourismus am weltweiten Bruttoinlandsprodukt 9,3 %.¹²⁹ Tourismus zählt zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftszweigen weltweit. Zwar beziehen die Tourismusindustrie und insbesondere das Segment Kulturtourismus auch Welterbestätten als Destinationen¹³⁰ in ihre Reiseangebote ein, das heißt aber selten, dass Welterbe exklusiv bereist wird. Vielmehr werden Reisen in Stätten des Welterbes unter aktuellen und interessanten Themen durchgeführt wie „Routen der Industriekultur“, in Deutschland zum Beispiel mit der Zeche Zollverein oder der Völklinger Hütte oder unter dem Thema „600 Jahre Konstanzer Konzil“ zum Welterbe Insel Reichenau usw. (Wörlitz Tourist 2014). Diese Entwicklung zeichnet sich auch im Ferntourismus ab. Für viele Länder, insbesondere in Asien¹³¹ oder Afrika¹³², ist Kulturtourismus insgesamt zu einer der wichtigsten Einnahmequellen geworden. Auch hier sind Besuche von Welterbestätten in der Regel
129 Quelle: http://www.wttc.org (letzter Zugriff: 05. 03. 2014). 130 In den Katalogen des Reiseveranstalter Studiosus der östlichen und westlichen Mittelmeerländer finden sich u. a. 68 Reiseangebote zu Zielen, die offensiv mit dem UNESCO-Welterbestatus beworben werden. Darunter treten bekannte Touristendestinationen wie Italien mit 16 Angeboten und die Türkei mit 12 Angeboten in der touristischen Vermarktung hervor. (Studiosus 2014a & Studiosus 2014b). 131 BIP-Beitrag des Tourismus einzelner Länder: Indien 6,6 %, China 9,2 %, Südkorea 5,8 %, Kambodscha 26,8 %, Thailand 17,0 %, Vietnam 9,5 %, Philippinen 7,1 %, Malaysia 15,8 %, Indonesien 9,0 % (http://www.wttc.org/) (letzter Zugriff: 05. 03. 2014). 132 Beispiel Ägypten: Nach Angaben der ägyptischen Zentralbank steuerte der Tourismussektor 2010 rund 11 % zum BIP bei und erzielte rund 20 % der Deviseneinnahmen sowie 25 % der Umsatzsteuereinnahmen. Rund 12,5 % aller Arbeitsplätze hingen direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Weitere wichtige Dienstleistungszweige sind Handel, Transport, administrative Tätigkeiten und das Bauwesen. Die Revolution hat die Tourismusindustrie stark beeinträchtigt. 2012 kamen mit rund 10 Millionen fast ein Drittel weniger Touristen nach Ägypten als im Jahr vor der Revolution. Quelle: http://liportal.giz.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/ (letzter Zugriff: 03. 03. 2014). Beispiel Südafrika: Südafrikas Tourismussektor ist einer der am schnellsten wachsenden des Landes. Er steuert rund 8 % zum BIP bei. 2010, im Jahr der Fußball-WM, bezifferte sich die Zahl der Touristinnen/ Touristen auf knapp 10 Millionen. Etwa 7 % der Erwerbstätigen Südafrikas sind unmittelbar oder mittelbar im Tourismussektor beschäftigt. Quelle: http://liportal.giz.de/suedafrika/wirtschaft-entwick lung/ (letzter Zugriff: 03. 03. 2014).
5.2 Welterbe und Tourismus
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Bestandteil eines mehrere Attraktionen umfassenden kulturtouristischen Programms, und genau in dieser Entwicklung des weltweiten Kulturtourismus liegt auch das Potenzial von Welterbestätten.¹³³ Mit anderen Worten könnte man auch sagen, dass der weltweite Kulturtourismus in die Stätten des Welterbes weniger den Welterbestätten als einzigartigen Ausdrücken der Menschheit nutzt, sondern dass Welterbe wie andere attraktive Destinationen im Kulturtourismus für ökonomische und wirtschaftliche Entwicklungsziele der Gesellschaften funktionalisiert wird. Untersuchungen zu den potenziellen Zusammenhängen zwischen Welterbestatus und Besucherzahlen wurden von Van de Baart 2005 in 86 Kulturstätten durchgeführt. Wenngleich auch diese Untersuchung inzwischen 10 Jahre alt ist und auch die Methoden nicht eindeutig offengelegt worden sind, wurde in einer Befragung an Stätten über die Anzahl ihrer Besucher vor und nach der Erlangung des Welterbestatus festgestellt, dass „51 of these sites suggested that there had been no increase and of the remainder, 22 said there had been a large increase and 13 a small increase in visitor numbers. The research pointed to the fact that those tourist sites that were already well established destinations in their own right did not register any increase in visitor numbers as a result of WHS.“ (Pricewaterhouse Coopers 2007, S. 24).
Diese Ergebnisse können auch anhand einiger der repräsentativen Welterbestätten belegt werden, wie zum Beispiel am Taj Mahal, am Kölner Dom, Angkor oder an der Verbotenen Stadt in Peking. Zum Beispiel der Taj Mahal (Abb. 5.3): Er wurde 1983 in die Welterbeliste eingeschrieben. Die Stätte verzeichnete im Jahr 1997 1,5 Mio. Besucher. Eine Dekade später, im Jahr 2007, waren es 3,2 Mio. Touristen, die die Stätte besuchten. Von diesen kamen 18,2 % aus dem Ausland. 18,2 % ausländische Besucher sind eine beachtliche Menge, die aber zugleich die These bestätigt, dass diese Stätte von der großen Mehrheit nicht unbedingt als Welterbestätte besucht wird. Wenngleich das Besucherinteresse nicht erfragt wurde, ist davon auszugehen, dass ca. 80 % Besucher mit indischer Nationalität den Taj Mahal als ein nationales Symbol besuchen, das das Geschichtsbild der Inder bezüglich der Verklärung des Großmoguls Shah Jahan und seiner Erinnerung an seine Lieblingsfrau Mumtaz Mahal widerspiegelt. Für den Besuch der
133 Beispiel Indonesien: In Indonesien herrscht aufgrund der Nähe zum Äquator ein heißes, tropisches Klima. Haupt- und Nebensaisons resultieren eher aus der Regen- und Trockenzeit. Die Insel Bali ist mit Abstand das wichtigste Reiseziel des Landes. Da auf der Insel die Abhängigkeit vom Tourismus sehr hoch ist, der Anteil des Sektors an der indonesischen Wirtschaftsleistung insgesamt aber mit 6 % gering, ist Indonesien ein gutes Beispiel für ein Land, in dem sehr starke regionale Unterschiede hinsichtlich der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Tourismus herrschen. Quelle: Deutsche Bank Research. 2008. Klimawandel und Tourismus – Wohin geht die Reise? Online verfügbar: http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000221332.PDF (letzter Zugriff: 03. 03. 2014).
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5 Auswirkungen der Popularisierung
Abb. 5.3: Taj Mahal
Kultstätte zahlen Inder 20 Rupien¹³⁴, während ausländische Touristen 750 Rupien für den Eintritt in eine nationale Kulturstätte von internationaler Bedeutung bezahlen. Im Jahr 2011 verzeichnete der Taj Mahal 5,3 Mio. Besucher (Uttar Pradeh Tourism 2012, S. 4). Statistisch nicht ausdifferenziert ist, ob die internationalen Besucher den Taj Mahal als eine inzwischen in allen Indienreisen beworbene Kulturstätte oder als Weltkulturerbe besuchen bzw. ob und wie sich dieses Interesse in den steigenden Besucherzahlen (Tab. 8) niedergeschlagen hat. Anzunehmen ist Ersteres, da der Taj Mahal als indische Kultstätte immer schon zugleich als eine bedeutende Destination des Kulturtourismus in und nach Südostasien diente. Insofern kann durchaus behauptet werden, dass die meisten Besucher des Taj Mahal dessen außergewöhnliche Bedeutung als Welterbe quasi zusätzlich zur Kult- und Kulturstätte angeboten bekommen. Diese Annahme lässt sich auch anhand des Angebots diverser Reiseveranstalter, wie etwa Gebeco oder Thomas Cook, bestätigen. Sie haben bei ihrem Angebot an Rundreisen in Nordindien nahezu immer den Taj Mahal in ihrem Programm, ohne dass der Status Weltkulturerbe hervorgehoben würde. Auch die Informationen in gedruckten Reiseführern er wähnen den Status kaum; wenn sie das tun, dann, wie weiter oben am Beispiel von Routen oder Themen erläutert, als Komponente des gesamten touristischen Angebotes. Die Begründungen für die Einschreibungen der Stätten in die Welterbeliste und damit die Potenziale, die sie weit über den Tourismus hinausgehend für die Gestaltung eines friedlichen Zusammenlebens zukünftiger Generationen haben, bleiben unerwähnt.
134 Quelle: http://www.tajmahal.org.uk/timings.html (letzter Zugriff: 03. 03. 2014).
5.2 Welterbe und Tourismus
147
Tab. 8: Die Tabelle zeigt die Veränderung der Besucherzahlen im Taj Mahal (Uttar Pradeh Tourism 2012, S. 4), eigene Darstellung Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 (bis August)
Inder
Ausländer
Total
2.624.085 2.635.284 2.585.560 4.081.426 4.604.603 3.373.615
586.105 591.560 491.554 647.428 692.332 418.606
3.210.190 3.226.844 3.077.114 4.728.854 5.296.935 3.792.221
Ein zweites Beispiel ist der Kölner Dom (Abb. 5.4). Er wurde 1996 zum Welterbe erklärt und verzeichnet seit Beginn der 2000er Jahre steigende Besucherzahlen. Ab dem Jahr 2004 werden im Kölner Dom jährlich ca. 6 Mio. Besucher gezählt¹³⁵. Die Besucherzahlen stagnierten auch nicht, als er von 2004 bis 2006 auf der Liste des gefährdeten Erbes stand. Wenn man sich das Marketing der Stadt Köln ansieht, dann
Abb. 5.4: Blick auf den Kölner Dom
135 http://de.wikipedia.org/wiki/Kölner_Dom (letzter Zugriff: 03. 03. 2014).
148
5 Auswirkungen der Popularisierung
ist auch hier der Welterbestatus zweitrangig. Die Studie „Köln – die Kölner und ihr Image“¹³⁶ aus dem Jahr 2002 belegt, dass 77 % der befragten Besucher den Kölner Dom als Wahrzeichen der Stadt sehen wollten und nicht als Welterbe. Insofern trägt auch bei diesem Beispiel der Status nicht dazu bei, die Attraktivität der Stätte für Besucher zu erhöhen.
Abb. 5.5: Massentourismus in den Tempelanlagen von Angkor
Die Tempelanlagen von Angkor (Abb. 5.5) wurden 1992 in die Welterbeliste aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt besuchten 7.650 Touristen die Stätte. Im Jahr 2010, 18 Jahre nach der Einschreibung, wurden 3 Mio. Besucher in den Anlagen von Angkor verzeichnet (Smith 2007). Auch hier ist der Besucherzuwachs nicht dem Welterbestatus zu verdanken, sondern den positiven Auswirkungen der immensen Investitionen in die kambodschanische touristische Infrastruktur sowie in die damit einhergehende
136 Stadt Köln. 2002. „Köln – die Kölner und ihr Image“. Empirische Analysen zur Innen- und Außenwahrnehmung Kölns im Rahmen des Leitbildprozesses Köln 2020. Kölner Statistische Nachrichten 2002 Nr. 7. online verfügbar: http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf01/leitbild/ koeln-analyse.pdf (letzter Zugriff: 03. 03. 2014).
5.2 Welterbe und Tourismus
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Vermarktung der Stätte als ein wichtiges Segment in der Kategorie Kulturtourismus (Starr 2012, S. 101). Angkor wird wie der Taj Mahal inzwischen von der gesamten Branche und in allen Katalogen im Segment Kulturtourismus beworben und verkauft. Vor diesem Hintergrund ist der Welterbetourismus lediglich als eine Produktlinie des boomenden Kultur- und Naturtourismus zu verstehen, der das Segment durch besondere Attraktionen wie eben Routen oder Kultstätten er weitert. Die Stadt Campeche in Mexiko bewirbt in einer Broschüre zur Kultur der Stadt die vorhandenen Stätten wie folgt: „Campeche is a magical place whose greatness and history is reflected at every turn, either in its wonderful natural landscapes, colorful neighborhoods where time seems to have stood still, quiet beaches, beautiful colonial streets or its stunning Mayan legacy. All this splendor is the legacy of its glorious heritage when ancient rulers, Spanish settlers, brave pirates and enlightened men and artists shaped the history of the peninsula. […] Simply by taking a walk around the city one is able to explore the historical legacy which sets Campeche apart; declared a World Heritage City by the UNESCO where strongholds, manor houses, plazas and neoclassical temples blend the past with the present.“ (Campeche o. J., S. 2).
Der Hoffnung, dass mit Erweiterungen des Kulturtourismus durch Besuche von Stätten des Welterbes steigende Besucherzahlen einhergehen könnten, wurde anhand der o. g. Beispiele widersprochen, obwohl es einzelne Stätten geben mag, die exklusiv bereist werden. Wenn aber die Stätten des Welterbes nur Elemente des Wirtschaftszweiges Tourismus insgesamt sind, wie verhält es sich dann mit den durch Tourismus erhofften Einnahmen? Auch diese Frage kann bisher – wenn überhaupt – nur von den Stätten selbst beantwortet werden. Für Stätten des Welterbes, die keine Eintrittsgelder erheben können, wie zum Beispiel historische Altstädte, bleiben die Zahlen auf Schätzungen bzw. auf vereinzelt erhobene Statistiken beschränkt. Weimar zum Beispiel hat seit 1999 die Übernachtungen in der Stadt festgehalten und in 15 Jahren einen Zuwachs von 100.000 Übernachtung verzeichnet. Es ist jedoch nicht festgehalten, ob der Zuwachs dem Status Welterbe oder dem Segment Kulturtourismus zugeschrieben werden kann. Eine solche Relation müsste daher erst durch eine quantitative und qualitative Erhebung nachgewiesen werden. Wie bereits erwähnt, werden Destinationen wie der Taj Mahal oder Angkor nicht explizit als Welterbestätten bereist. Vielmehr sind sie Elemente eines Fern- bzw. Regionaltourismus. Ob und in welcher Weise ein vergleichbares Interesse an kulturellen Gütern in Europa im Allgemeinen oder an Welterbestätten im Besonderen bei Besuchern aus China, Indien oder Japan besteht, ist ebenfalls noch nicht erforscht. Allerdings ist auch bei dieser Zielgruppe anzunehmen, dass sie vorrangig dem übergreifenden Segment Kulturtourismus zuzuordnen sind, in dem – wie umgekehrt bei europäischen Touristen in Asien – hier die europäischen Stätten des Welterbes schmückendes Beiwerk sind. Was die Potenziale von Tourismus für das Welterbe betrifft, sind sie, so wurde weiter oben schon formuliert, unbedeutend. Die Potenziale dieses Tourismus müssten
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5 Auswirkungen der Popularisierung
Abb. 5.6: Konzentrationslager Buchenwald
zur Erlangung eines tiefergehenden Verständnisses von der Bedeutung von Welterbe für die Menschheit insgesamt explizit ausgewiesen und entwickelt werden. Solange Welterbespezifische Interpretationen nicht erfolgen, solange Welterbetourismus mit Massentourismus gleichgesetzt wird, besteht die Gefahr, dass die Potenziale von Welterbe für ein nachhaltiges Verständnis von Geschichte sich aufgrund des Bedeutungswandels, den es im Prozess seiner Popularisierung im gesellschaftlichen Bewusstsein erfahren hat, sich in ihr Gegenteil verwandeln und als Perversionen der ursprünglichen Idee erscheinen. Diese Sorge soll nachfolgend exemplarisch anhand der Nominierung der KZ-Gedenkstätte Buchenwald (Abb. 5.6) für die deutsche Tentativliste¹³⁷ erläutert werden. Die öffentliche Bekanntmachung des Interesses des Landes Thüringen an der Nominierung der KZ-Gedenkstätte Buchenwald für die deutsche Tentativliste mobili-
137 Die Tentativliste ist eine Vorschlagsliste für zukünftige Nominierungen zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Die aktuelle, seit 1998 geltende deutsche Tentativliste läuft voraussichtlich 2015 aus. Die Kultusministerkonferenz hatte am 4. März 2010 entschieden, dass jedes Bundesland für die Fortschreibung der deutschen Tentativliste bis zum 1. August 2012 grundsätzlich zwei Vorschläge vorlegen könne. Der Kulturausschuss der Kultusministerkonferenz lässt 2013 diese Vorschläge von einer Expertengruppe evaluieren. Das Ergebnis wird voraussichtlich 2014 von der Kultusministerkonferenz bekanntgegeben (DUK o. J.).
5.2 Welterbe und Tourismus
151
sierte die deutsche Presse. Diese setzte aufgrund fehlenden Wissens über Ziele, Inhalte und Bedeutungen eines Welterbes dieses populistisch mit Tourismus und ökonomischer Entwicklung gleich und bewertete in der FAZ (Ausgabe vom 31. 8. 2012; von Altenbockum 2012) den Thüringer Vorschlag als „Weltkulturnippes“. Die FAZ diskreditierte damit nicht nur die Ambition von Thüringen, Buchenwald als Welterbe für die deutsche Tentativliste zu nominieren, sondern das Welterbe insgesamt. Es kann festgehalten werden, dass einhergehend mit der Popularisierung von Welterbe als Label oder Marke ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Dieser zeigt sich in den Entscheidungen und ihren Begründungen der diversen Welterbekomitees, aber auch – wie am Beispiel Buchenwald erläutert – in der Auseinandersetzung der Printmedien mit Weltkultur- und Naturerbe. Mediale Inszenierungen von Weltkulturund Naturerbe in Film und Fernsehen wollen das Erbe der Menschheit erfahrbar und erlebbar machen. Sie agieren jenseits der klassischen Vermittlungen über Fach- und Sachbücher und erreichen damit häufig nicht nur ein anderes, sondern auch ein größeres Spektrum an Zielgruppen.¹³⁸ Den Stellenwert eines Welterbes für eine nachhaltige Nutzung scheinen Medien nicht vermitteln zu können. Wir möchten einer weiteren Fragestellung hinsichtlich einer touristischen Nutzung von Welterbe nachgehen, nämlich der, ob mit steigenden Besucherzahlen in Welterbestätten ökonomische Vorteile erzielt werden, und falls sich die Hoffnung bestätigt, ist zu fragen, wer die Vorteile erzielt und wodurch sie generiert werden. Sind es die Stätten selbst? Sind es die Gemeinden oder Regionen, in denen die Stätten liegen? Weiterhin ist zu fragen, worin der Nutzen besteht. Sind es direkte monetäre Gewinne durch Einkäufe, die die Touristen tätigen, sind es Eintrittsgelder usw.?¹³⁹ Aber nicht nur Einnahmen aus touristischen Nutzungen von Stätten sind zu erforschen, auch die Kosten für die Herstellung und/oder Bereitstellung diverser Angebote für Touristen an den Zielorten müssen hinterfragt werden. Es gilt also zu klären, ob und wodurch ökonomische Vorteile erzielt werden können.¹⁴⁰
138 Das Thema Welterbe wurde nicht nur durch den Tourismus erfasst, seine Popularität verdankt es auch den Medien. Es gibt inzwischen spartenübergreifend Sonderseiten in Die Zeit seit 2005, in tv Hören und Sehen seit 2009, in Hörzu seit 2013, aber auch eine Sonderausgabe des Merian 2007. Es gibt weiterhin Berichte der Deutschen Welle oder die Reihe Schätze der Welt – Erbe der Menschheit in 3sat. 139 Nach einer Information von Horst Wadehn, dem Vorsitzenden des UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V., wird die jährliche Besucherzahl in den 38 deutschen UNESCO-Welterbestätten auf 60 bis 70 Millionen Menschen geschätzt. Man geht davon aus, dass pro Kopf und Tag 30 Euro am Zielort ausgegeben werden. Auf der Basis der geschätzten Besucherzahlen entspricht dies einem jährlichen Einnahmevolumen von 1,8 Milliarden Euro (Schwoon 2013). 140 Dazu heißt es in einem Artikel der FAZ vom 7. 3. 2014: „Teure Handtaschen, teure Uhren, teure Kleidung: Wenn Asiaten die Schweiz besuchen, geben sie reichlich Geld aus. Doch in der Wahl ihrer Hotels sind sie ausgesprochen sparsam. Die Luxushotels leiden, weil sich asiatische Touristen mit Zwei- oder Drei-Sterne-Hotels begnügen.“ (FAZ 2014, S. 21).
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5 Auswirkungen der Popularisierung
Dazu sind Kosten-Nutzenanalysen zu erstellen. Mit solchen Berechnungen werden nicht nur die durch Tourismus er wirtschafteten Gewinne ermittelt¹⁴¹, sondern auch Schäden, die durch die Nutzung jeder Art von Stätten entstehen. Das betrifft Kosten für Infrastrukturentwicklung, für die Durchführung von Schutzmaßnahmen oder die Behebung von Schäden durch touristische Nutzungen. Das betrifft aber auch normale Verschleiß- und Zerstörungspotenziale etwa durch Übernutzung oder nicht hinreichend gesicherte Objekte und nicht zuletzt Zerstörungen durch Vandalismus. Olav Clemes, der die „ZEIT REISEN“ der Zeitung für die Leser der DIE ZEIT organisiert, sagte dazu in einem Interview Folgendes: „Welterbe wird zunehmend zu einer Produktlinie für den sogenannten incoming Tourismus. Tourismus auch in Welterbestätten wird jedoch privatwirtschaftlich organisiert und das Interesse der Privat wirtschaft besteht nicht darin, die Ressourcen zu verbessern. Vielmehr folgt die Nutzung von Stätten dem privatwirtschaftlichen Prinzip der Maximierung von Gewinn. Insofern ist Schutz nur dann und dort er wünscht, wo er kommerzialisiert werden kann. Gleiches gilt für Infrastrukturentwicklung. Auch diese folgt privat wirtschaftlichen Prinzipien und ist deshalb Bestandteil von Kosten-Nutzenrechnungen und deshalb jenseits der Erhaltungspflichten einer Welterbestätte aufgrund der Kriterien der Welterbekonvention. Aus diesem Grund sind auch Kostenberechnungen für direkte Erhaltungsmaßnahmen in Welterbestätten selten detailliert erfasst und deshalb kaum verfügbar. Kultur wird zum Vorwand genommen, um Geld zu verdienen und das ist für Welterbe in vielen Fällen fatal.“ (Olav Clemens, ZEIT REISEN, Zusammenfassung eines Interviews am 8. 3. 2014 anlässlich der ITB in Berlin).
Es zeigte sich im Zeitraum von 2009 bis 2012, dass im Bereich gewerblicher Wirtschaft zur Förderung von Beherbergung und Gastronomie Investitionen in Höhe von 1,2 Mrd. Euro bewilligt wurden. Im Bereich der wirtschaftsnahen Infrastruktur wurden zur Förderung von Gebäudeerschließungen und öffentlichen Einrichtungen für den Tourismus 717 Mio. Euro an Investitionsmittel bewilligt. Im Rahmen des Programms zur Förderung von Investitionen in nationale UNESCO-Welterbestätten stellt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) für den Zeitraum 2009 bis 2014 220 Mio. Euro für den Erhalt und die Weiterentwicklung der deutschen UNESCO-Welterbestätten zu Verfügung. Im Rahmen der Städtebauförderung und des städtebaulichen Denkmalschutzes standen im Jahr 2013 455 Mio. Euro an Bundesmitteln bereit zur Stärkung historischer Stadtkerne, die von baukulturellem und touristischem Interesse sind (Bundestag 2013). So hat sich auch in Welterbestätten nicht nur das Besucher verhalten dem Kommerz angeglichen, sondern in vielen Fällen auch das der lokalen Akteure. Auch für sie steht häufig nicht mehr das Erbe selbst im Zentrum des Interesses, sondern der besagte „Nippes“. Dieser wird in den realen oder vermeintlichen Varianten ihrer
141 Im 17. tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung (Drucksache 17/13674) wurden bspw. für 2012 mehr als 400 Millionen Übernachtungen in Deutschland mit 100 Milliarden er wirtschafteten Euro und 2,9 Millionen Beschäftigten gezählt.
5.2 Welterbe und Tourismus
153
multikulturellen, multiethnischen oder multireligiösen Produktionen einschließlich entsprechender Produktionsstätten verkauft und ist damit zum eigentlichen Event der Welterbestätte geworden. Das hat viele dieser Stätten zu Marktplätzen gemacht, an denen neue und alte Formen des Handelns mit Ware praktiziert werden. So wichtig Handel war und auch noch ist, man sollte er warten, dass wenigstens die Händler in den Stätten des Welterbes die Bedeutung des Ortes oder der Stätte ihres Wirkens kennen. Leider ist auch das kaum noch der Fall, sodass auch bei diesen Akteuren die Bedeutung einer Erbestätte der Funktionalität des ökonomischen Interesses gewichen ist. So erscheint es paradox und ist dennoch in immer mehr Ländern Wirklichkeit geworden: Der das Welterbe promotende Kulturtourismus hat zwar das Prestige von Welterbe mit seiner universellen Einzigartigkeit popularisiert, die Stätten selbst haben davon jedoch kaum profitiert. Vielmehr scheint es, als hätte der boomende Tourismus dem Welterbe mindestens in gleicher Weise geschadet wie genutzt. Beispiele sind evident. Sie zeigen sich in den Belastungen oder Beschädigungen der Authentizität von Welterbestätten insbesondere in Form von Abnutzungen der Böden durch die Begehung durch Hunderttausende von Touristen. Sie zeigen sich in gewollten oder ungewollten Verschmutzungen von Stätten oder in sukzessiven Verletzungen der visuellen Qualitäten durch Invasionen von Kiosken, in denen der besagte „Nippes“ verkauft wird. Können die Industrieländer aufgrund ihrer ökonomischen und materiellen Potenziale solche Schäden noch beheben, so bedeuten sie für Welterbe in Ent wicklungsländern häufig eine systematische Zerstörung des materiellen und ideellen Wertes der Stätte selbst, wie am Beispiel der Pharaonengräber in Ägypten zu sehen ist. Sie sind seit 1979 als Welterbe unter den Kriterien (i), (iii) und (vi) anerkannt. Im Jahr 1980 überschritt die Zahl an Touristen erstmals die Millionenmarke. Die Regierung Mubarak förderte ab 1986 verstärkt die Entwicklung der touristischen Infrastruktur und legte „vor allem Wert auf eine Diversifizierung des Angebotes. Neben den Kulturtourismus tritt der Tauch-, Bade- und Strandtourismus am Roten Meer und auf dem Sinai“ (Steiner 2004, S. 368). Durch das stark wachsende Engagement transnationaler Unternehmen und die Verbreiterung des touristischen Angebotes konnten im Jahr 2000 erstmals 5 Mio. Besucher verzeichnet werden. Mit Rückschlägen aufgrund der politischen Entwicklungen und Reisewarnungen ging der Tourismus in Ägypten im Jahr 2011 von 14 Mio. (2010) auf 9,4 Mio. zurück. Im Folgejahr erholte sich die Tourismusbranche wieder und konnte 11,5 Mio. Gäste verzeichnen, die sich im boomenden Kulturtourismus durch die engen Gänge von Pyramiden und Gräbern drängten (Grieshaber & Batrawy 2013). Statistische Daten über die Besucher sind auch zu diesen Stätten nicht verfügbar. Im Jahrbuch der UNWTO werden für 2010 die „arrivals of non-resident visitors“ aus den klassischen westeuropäischen Reisländern mit insgesamt rund 3,9 Mio. angegeben, aus dem boomenden China mit 106.227, aus Japan mit 126.393 oder aus Russland mit rund 2,8 Mio. (UNWTO 2012, S. 194 f.), während aus allen afrikanischen Staaten nur insgesamt 491.416 Ankünfte gezählt wurden. Dass
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5 Auswirkungen der Popularisierung
der größte Teil der in diesem Jahrbuch verzeichneten Reisenden aus touristischen Motiven kommt, ist in der Statistik zwar nicht explizit ausgewiesen, kann aber kaum bezweifelt werden. Die Auswirkungen dieser touristischen Nutzung von Erbestätten sind für diese laut inoffizieller Berichte von Experten, wie bspw. auch nach der Einschätzung von Professor Gabhur von der Universität Kairo in einem persönlichen Interview, fatal. „Die Touristen haben durch Schweiß und sonstige menschliche Absonderungen ein Ausmaß an Feuchtigkeit in diesen Stätten hinterlassen, die die Farben vieler Wandmalereien verblasst und Gemäuer undicht gemacht haben. Weitere Folgen sind noch nicht absehbar.“
Eine weitere Auswirkung touristischer Nutzungen von Welterbe, die mit dem Interesse der Veranstalter am „Geldverdienen“, wie Olav Clemens es ausdrückte, einhergehen, ist insbesondere die zunehmend respektlose Nutzung von religiösen Erbestätten durch ihre Besucher. Die Kommerzialisierung von Kulturgütern verändert deren Wert vom Gut zur Ware, vermittelt über den bezahlten Preis. Seien es Christen aus Europa, die buddhistische Tempel in Indien oder Indonesien besuchen und sich dort wie auf Marktplätzen verhalten oder seien es moderne Chinesen städtischer Provenienz, die sich auf der Seidenstraße auf den Spuren alter chinesischer, buddhistischer oder taoistischer Gebräuche bewegen – sie alle verhalten sich nicht mehr gemäß dem zu er wartenden Respekt vor den religiösen Normen, sondern als Konsumenten. In der Folge sind solche Stätten nicht allein durch Touristen gefährdet, sondern auch dadurch, dass ihre Attraktivität für die lokale Bevölkerung abnimmt. Für viele örtliche Nutzer von religiösen Erbestätten verlieren diese als Kult-, Kultur- oder Gebetsstätten an Wert, weil Touristen sie profanisieren. Sie verhalten sich häufig pietätlos, indem sie unangemessen gekleidet sind, indem sie dort unerlaubt fotografieren oder einfach nur eine respektvolle Stille stören. In der Folge solcher geringschätzigen Nutzungen von Erbestätten werden sie von der lokalen Bevölkerung sukzessive ignoriert und in der Folge auch nicht mehr gepflegt. Manchmal werden diese Stätten zu „Disneylands“ umfunktioniert, deren einzige Funktion noch darin besteht, Geschäfte mit Touristen zu machen. In solchen Fällen sind Erbestätten durch die Touristen ebenso wie durch fliegende und feste Händler vor Ort in ihrer Authentizität gefährdet. Ihr einziges Interesse am Erhalt der Erbestätte besteht darin, dort den Lebensunterhalt zu verdienen. Eine solche Nutzung von Erbe schließt die Abnutzung von Steinen oder anderen Materialien genauso ein wie ungelöste Müll- und Versorgungsprobleme aufgrund überlasteter Infrastruktur. Schließlich ist eine neuere Entwicklung zu nennen, die den Authentizitätsgedanken vollends konterkariert. Sie zeigt sich insbesondere in historischen Altstädten, die alt sein müssen, um attraktiv zu sein, und gleichzeitig funktional, um für das Geschäftsleben ökonomisch interessant zu sein. Funktionalität bedeutet hier, dass viele Händler unterschiedlichster Couleur viele Waren anbieten und verkaufen können, sodass das gesamte Spektrum touristischer Attraktionen ermöglicht wird.
5.2 Welterbe und Tourismus
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Abb. 5.7: Luftaufnahme der historischen Festungsstadt Carcassonne
Wie soll die altertümliche oder mittelalterliche Stadt mit einer entsprechenden Substanz und Infrastruktur dem touristischen Bedarf gerecht werden? Gar nicht! Deswegen wird alte Substanz oft auf die Fassade reduziert, entkernt oder als Fake bzw. funktionale Rekonstruktion wiederaufgebaut. Fakes von Welterbe finden sich inzwischen weltweit. Die Terrakotta-Armee in China existiert als Fake genauso wie Carcassonne (Abb. 5.7) in Frankreich oder das Grab von Tut Ench Amun im Tal der Könige in Ägypten. Nachahmungen erzeugen mittels der mehr oder weniger dem Original nachempfundenen Fassade einer Stätte die Illusion von Wirklichkeit. Zumindest sind sie geeignet, den Nutzungsdruck von der tatsächlichen Stätte abzuwenden. Ob eine solche Nutzung von Welterbe empfehlenswert ist oder ob sie zu einer weiteren Entwertung der Konvention und der ihr zugrundeliegenden Idee führt, ist an dieser Stelle nicht hinreichend zu beantworten. Festzustellen bleibt, dass solche Strategien auf der Grundlage nicht zuletzt eines technischen Größenwahns die Einzigartigkeit und Authentizität von Welterbe vereinnahmen und auf den visuellen Schein reduzieren. Die Popularisierung der Welterbekonvention hat viele Facetten. Die, die hier im Kontext des boomenden Kulturtourismus aufgezeigt worden sind, zeigen zunächst nur einige der Ambivalenzen, mit denen Welterbe durch diese Form der Nutzung konfrontiert ist. Dass solche Entwicklungen durch Ansätze eines nachhaltigen Tourismus revidiert werden könnten, wie etwa durch ein World Heritage Tourism Programme, das auf der 36. Tagung des Welterbekomitees in St. Petersburg im Jahr 2012 verabschiedet wurde, ist zu bezweifeln. Wie im Fall der meisten UNESCO-Programme ist auch dieses eine politische Willenserklärung, in der die Fehlentwicklungen in der
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5 Auswirkungen der Popularisierung
touristischen Nutzung von Welterbe nur teilweise identifiziert und mittels dieses Programms behoben werden sollen. Zwar soll statt Massentourismus nun ein Tourismus in Welterbestätten gefördert werden, der durch die Beteiligung aller Akteure auch die Verantwortung für das Welterbe mobilisiert.¹⁴² Auch setzt die UNESCO mit diesem Programm darauf, dass die Weltgemeinschaft das Welterbe wieder als kulturelles Gut und als Potenzial für nachhaltige Entwicklung entdeckt. Unbeantwortet bleibt auch jetzt die Frage, ob und wenn ja, wie mit diesem Programm die Transformation von Welterbe von einem Gut zu einer kommerzialisierten Ware beendet werden soll. Nachhaltigkeit im Tourismus setzt wie in allen anderen Bereichen Wissen und die Bereitschaft ihrer Umsetzung voraus. Hindernisse dabei gehen daher weit über das meist nur kurzfristige ökonomische Handeln von Partnern in der Privatwirtschaft hinaus. Nachhaltiger Tourismus ist nicht durch politische Statements zu erreichen, wie das abschließende Beispiel der touristischen Nutzung des Kaiserpalastes in Peking verdeutlicht. Die Verbotene Stadt in Peking (Abb. 5.8 und 5.9) wurde im Jahre 1987 als Weltkulturerbe eingeschrieben und im Jahre 2004 um weitere Stätten im Land, die die gleiche Geschichte widerspiegeln, er weitert. Laut Homepage der Stätte sind es 40.000 Touristen, die sie täglich besuchen, laut Tour Guide sogar 60.000. Während der Nationalfeiertage Anfang Oktober werden ca. 80.000 Karten täglich ausgegeben. 80 % dieser Besucher sind Chinesen aus allen Teilen des Landes. Sie besichtigen diese Stätte nicht, weil sie ein Welterbe ist. Die meisten Besucher wissen das nicht einmal und die Reiseführer ebenfalls nicht. Chinesen aus allen Teilen des Landes müssen die Verbotene Stadt einmal in ihrem Leben besucht haben, so, wie Muslims nach Mekka gereist sein müssen. Die Verbotene Stadt repräsentiert bis heute die Mitte Chinas, also die Mitte des Landes, das sich seit der Ming-Dynastie als den Mittelpunkt der Welt sieht.
142 Die Schlüsselelemente des Programms sind: „[…] realising the vision and mission: a) An interpretation and implementation of the World Heritage Convention that embraces sustainable tourism; b) National, regional and local governments have policies and frameworks that recognise sustainable tourism as an important vehicle for managing their cultural and natural heritage; c) All stakeholders are aware and committed to sustainable development, and have the capacity to manage tourism sustainably; d) Local communities take pride in and have a sense of responsibility and empowerment towards the World Heritage properties and contribute to property conservation and the sustainable management of tourism at the World Heritage destinations; e) The tourism sector values World Heritage and engages in its preservation while ensuring that its activities based at World Heritage properties are responsible, and support social and economic development; World Heritage Tourism Programme; f) Visitors understand and gain an appreciation of the meaning of Outstanding Universal Value of World Heritage and adopt responsible behaviours.“ (UNESCO 2012d, S. 4 f.).
5.2 Welterbe und Tourismus
Abb. 5.8: Massentourismus in der Verbotenen Stadt in Peking
Abb. 5.9: Massentourismus in der Verbotenen Stadt in Peking
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5 Auswirkungen der Popularisierung
Wie sieht das Konzept von nachhaltiger Nutzung bei dieser Stätte aus? Das Ministerium für Tourismus, dem das Management und damit das Konzept von Schutz und Nutzung dieser Stätte unterstellt ist, hat dafür eine relativ einfache Sichtweise. Nachhaltigkeit besteht darin, dass alle Chinesen – man denke hier an 1,3 Milliarden Menschen – die Möglichkeit erhalten, dieses historische Zentrum der chinesischen Zivilisation zu besuchen. Es geht um die nachhaltige Stärkung nationaler Identität, um die Repräsentation des chinesischen Nationalbewusstseins. Dieses Verständnis von Nachhaltigkeit wurde komplementär zur wachsenden ökonomischen Stärke Chinas politisch forciert. Das Problem der Übernutzung ist bekannt, das der potenziellen Beschädigung der Authentizität auch. Laut Ministerium lässt sich bei dieser Welterbestätte nicht, wie bei anderen, die Anzahl der Besucher einfach nur reduzieren. Das würde all die Menschen benachteiligen, die aus allen Teilen des Landes kommen, um dem Ausgangspunkt ihrer kulturellen Identität die Referenz zu er weisen. Die chinesischen Überlegungen zur Nachhaltigkeit unterscheiden sich deshalb auch nicht grundsätzlich von Nachhaltigkeitsüberlegungen in anderen Teilen Welt. Nachhaltigkeit heißt hier, bei gleichbleibenden Besucherzahlen die negativen Auswirkungen dieses Massentourismus auf Stätte und Besucher zu minimieren. Das geschieht dadurch, dass man wie bei vielen anderen überlaufenen Destinationen überlegt, alle Eingänge dieses Palastes zu öffnen, um den Haupteingang vom Druck durch die Massen zu entlasten. Es heißt, thematische Führungen anzubieten, um damit die Besucherströme auf das gesamte Areal zu verteilen. Auch Online-Tickets für festgelegte Zeitfenster werden verkauft. Die Anfertigung von Repliken und ihre Aufstellung an noch nicht genutzten Orten ist in der Diskussion.¹⁴³ Lediglich der Nachbau der Stätte und ihre Präsentation an einem anderen Ort wurde hier noch nicht Erwägung gezogen. Das kann sich aber kurzfristig ändern. Mit anderen Worten ist nicht nur die massentouristische Nutzung dieser Stätte einhergehend mit den Auswirkungen auf die materielle Substanz politisch und ideologisch legitimiert, sondern auch das ver wendete Konzept von Nachhaltigkeit. Und die Verbotene Stadt ist nur ein Beispiel für das immer noch geltende Verständnis von Nachhaltigkeit im Kontext von Welterbe, und das trotz der von der UNESCO formulierten Positionen, die nicht erst seit 2012 existieren.¹⁴⁴ Was diese politischen Zielsetzungen
143 Der Beijing World Park eröffnete 1993 und zieht jährlich ca. 1,5 Mio. Besucher an. Hier sind über 100 Repliken bekannter Bauwerke der Menschheitsgeschichte nachgebaut, meist im Maßstab 1 : 10 (http://www.china.org.cn/english/travel/126712.htm, letzter Zugriff: 27. 03. 2014). 144 „In future, integrated protection of the values of the Imperial Palaces of the Ming and Qing Dynasties will be conducted through implementing and improving the conservation management plan, adhering to the conservation principle of minimal intervention, and improving the scientific and technological measures, so as to ensure the sustainable protection of the authenticity and integrity of the property. All the regulations concerning the protection and management of the Imperial Palaces should be strictly implemented, and the number of tourists, especially in the Forbidden City, should be effectively controlled, so as to reduce the negative impact on the property.
5.2 Welterbe und Tourismus
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und ihre entsprechenden Umsetzungen zur Erhaltung dieser Stätte noch mit denen der Welterbekonvention verbindet, bleibt fraglich. Und selbst dann, wenn – wie am Beispiel dieser Stätte eindeutig festgestellt werden kann – die Nutzung anderen als den üblichen touristischen Nutzungen folgt, ist sie dennoch eine Welterbestätte, die eindeutig festgelegte Schutzkonzepte befolgen muss. Daher ist mit allen Einschränkungen zu sagen, dass die Ansätze nachhaltiger Nutzung von Welterbestätten nur schwer umsetzbar sein werden, solange sie nicht die häufig gegensätzlich ausgerichteten Nutzungsinteressen diverser Akteure berücksichtigen. Auch deshalb sind Nachhaltigkeitskonzepte im Tourismus in der Praxis zu überprüfen, die auf strategische Partnerschaften mit einer entsprechenden Bewusstseinsbildung setzen wie in den UNESCO-Empfehlungen zum World Heritage Tourism Programme bei der 36. Komiteesitzung formuliert wurde (UNESCO 2012d) oder die auf Schlagworte wie: „Öko-Tourismus“, „zukunftsfähiger Tourismus“ oder neuerdings auf „denkmalverträglichen Tourismus“ reduziert sind. Selbst wenn dieser Tourismus mit einer unterstellten Kombination von Ökologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit agiert, greifen diese Konzepte zu kurz, da sie das grundsätzliche Problem nicht lösen können – nämlich die Verwertung von Welterbe innerhalb des Kulturtourismus als einer der größten Wirtschaftszweige. Was erfolgen kann und sollte, sind die Auswirkungen zu antizipieren und sie durch echte Alternativen zu minimieren.
The protection of the setting should be strengthened, especially that of the Imperial Palace of the Qing Dynasty in Shenyang. The needs of the stakeholders should be coordinated to maintain the rational and effective balance between the protection of the Imperial Palaces and the development of tourism and urban construction. The research on interpretation and promotion should be enhanced to better showcase the scientific, historic and artistic values of the Palaces to tourists from home and abroad and provide spiritual enlightenment and enjoyment to people, in order to give play to the social and cultural benefits of the Imperial Palaces in a reasonable way, and promote the sustainability of the protection of the Imperial Palaces within the context of the development of the cities.“ (UNESCO 2012e, S. 95).
6 Welterbe versus immaterielles Erbe Die zunehmende Kritik am Eurozentrismus der Welterbeliste, an der Materialisierung des Verständnisses von Erbe sowie an der Kommerzialisierung des Labels Welterbe hat im Laufe der Jahre neue Programme und Konventionen hervorgebracht. Die bedeutendste dieser Konventionen ist das UNESCO-Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes¹⁴⁵, das im Jahre 2003 verabschiedet wurde und im Jahre 2006, nachdem 30 Mitgliedsstaaten der UNESCO es ratifiziert hatten, in Kraft trat. Diese Konvention hat in kürzester Zeit ein weltweites Interesse geweckt. Das betrifft nicht nur die rapide wachsende Anzahl an Einschreibungen, sondern auch die an solche Einschreibungen verstärkt geknüpften kommerziellen Interessen. Obwohl mit den ersten Einschreibungen in die Listen der Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes dieses Erbe schnell auch in den Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit rückte, wurde die Konvention von Deutschland erst Mitte 2013 ratifiziert.¹⁴⁶ Gründe für diese späte Würdigung der Konvention lagen einerseits darin, dass man der Meinung war, dass die mit diesem Übereinkommen zu schützenden kulturellen Ausdrücke „definitorisch schwer“ (DUK 2007a, Punkt 4) fassbar erscheinen und „ein staatliches und völkerrechtlich normiertes Engagement nicht zwingend erforderlich“ (Bundestag 2009, S. 1) sei. Andererseits gab es angesichts der häufig schwer nachvollziehbaren Entscheidungen für Einschreibungen von immateriellen Kulturgütern durch die UNESCO viel Kritik und zum Teil auch Ablehnung. Unter anderem wurde eine Bürokratisierung gelebten Lebens befürchtet und eine Musealisierung lebendiger Ausdrucksformen und kultureller Praktiken. Auch zeichnete sich bei den internationalen Einschreibungen immer deutlicher ein ökonomisches Interesse ab. Deutschland gehörte zu den letzten Ländern in der Welt, die diese Konvention ratifiziert haben. Und es war sicherlich weniger Verdienst ihrer Akteure, die eine Einschreibung bestimmter Elemente bzw. Ausdrucksformen des immateriellen lebendigen Kulturerbes in Deutschland anstrebten, als vielmehr die politische Einsicht in die internationale Entwicklung, die die Ratifikation des Übereinkommens auch durch Deutschland unabdingbar machten. Immaterielles Kulturerbe ist immer auch durch Improvisation, Weiterentwicklung und Veränderung gekennzeichnet, zumindest dann, wenn es auf einem das Erbe dynamisch interpretierenden Kultur- und Erbebegriff beruht¹⁴⁷. Dementsprechend
145 Siehe die deutsche Fassung des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im Anhang Dokumente. 146 Als Vorlage der Ratifizierung wurde dazu von der IGS Heritage Studies eine Machbarkeitsstudie – Umsetzung zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes (2003) in Deutschland erarbeitet. Siehe BTU Cottbus-Senftenberg – Lehrstuhl Interkulturalität. 2011. Auf diese Studie wird hier häufig Bezug genommen bzw. sie wird in Ausschnitten übernommen, ohne sie nochmal extra zu zitieren. 147 Immaterielles Kulturerbe besteht immer auch aus Werten und Normen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Vgl. Marie-Theres Albert u. a. 2010. World Heritage and Cultural Diversity und Albert u. a. 2013 Understanding Heritage – Perspectives in Heritage Studies.
6 Welterbe versus immaterielles Erbe
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darf die Konvention nicht zu einer Musealisierung des immateriellen Kulturerbes führen, sondern soll dabei helfen, lebendige kulturelle Ausdrucksformen und Traditionen am Leben zu erhalten. Die von der UNESCO angestrebte „Bewahrung“ immateriellen Kulturerbes soll gerade nicht zur Unterdrückung neuer Impulse oder von Weiterentwicklungen führen. Vielmehr soll immaterielles Erbe, wie aus dem Übereinkommen deutlich hervorgeht, zur Identitätsbildung der dieses Erbe repräsentierenden Bevölkerung führen. Es soll nachhaltige Entwicklung initiieren und nicht zuletzt lokale und regionale Bevölkerungen befähigen, Entwicklungsprozesse in die eigenen Hände zu nehmen.¹⁴⁸ Bemerkenswert ist, dass das immaterielle Erbe in kürzester Zeit hochgradig popularisiert worden ist, obwohl es im Vergleich zum Welterbe um vieles jünger und weniger greif bar ist. Immaterielles Erbe wurde als ein eigenständiges Erbe konzipiert, das es wie Kultur- und Naturerbe, Kulturlandschaften oder Weltdokumenterbe zu bewahren gilt. Im Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad hat es den zuvor genannten Erbekonzepten fast den Rang abgelaufen. In nur sechs Jahren (2008–2013) wurden 327 Ausdrücke des immateriellen Erbes in den drei Listen des immateriellen Kulturerbes (Repräsentative Liste, Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes und Register guter Praxisbeispiele) in 98 Ländern eingeschrieben. Davon entfallen 46 Elemente auf Afrika, 132 auf Asien einschließlich Australien, 48 auf Lateinamerika und 109 einschließlich auf Europa und die USA. Von 195 der UNESCO angehörenden Ländern haben 160 die Konvention unterzeichnet, davon 129 sie ratifiziert. Auffällig ist, dass im Unterschied zur Welterbekonvention genau solche Länder immaterielles Kulturerbe schützen lassen, die auf der Welterbeliste noch unterrepräsentiert sind, abgesehen von China, Japan, Spanien, Frankreich und Indien. Insofern könnte man fragen, ob der Eurozentrismus der Welterbekonvention durch einen asiatischen Zentrismus (China 38 Elemente, Japan 22, Südkorea 16, Indien 10) bei der Umsetzung dieser Konvention ersetzt wird. Was macht die 2003er-Konvention gerade für die Länder attraktiv, die nicht über die Ressourcen verfügen, die bspw. notwendig sind, um das materielle Erbe gemäß der Welterbekonvention für die Liste zu nominieren? Worin besteht der Mehrwert, den diese Konvention insbesondere für afrikanische oder asiatische Länder hat? Wir denken, dass es bei dieser Konvention erstmals um eine direkte Belebung der Ausdrücke der kulturellen Identität von Individuen oder Gruppen geht und dass dies den kulturellen Erfahrungen dieser Länder gerecht wird.
148 Dazu heißt es in Artikel 15 – Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen: „Im Rahmen seiner Tätigkeiten zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes bemüht sich jeder Vertragsstaat um eine möglichst weit reichende Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen, die dieses Erbe schaffen, pflegen und weitergeben, und um ihre aktive Einbeziehung in die Ver waltung des Kulturerbes.“ (UNESCO 2003c).
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
Immaterielles Erbe schließt anders als Welterbe die Erfahrungen von Menschen mit ihrer Geschichte ein. Es sind die sogenannten inherited circumstances (Aplin 2002, S. 13), in denen Menschen ihre Erfahrungen machen, aus denen sie lernen. Jeder Mensch, jede Gesellschaft und jede Kultur gewinnt Erfahrungen im historischen Prozess und nutzt sie für die Gestaltung des aktuellen oder zukünftigen Lebens. Aus den Ereignissen, Begebenheiten oder Umständen, die Menschen vererbt worden sind, haben sie Werte und Normen herausgebildet; sie haben zu entscheiden gelernt, welche Umstände sie in der Gegenwart verbessern, verändern oder welche sie beibehalten wollen. Diese Werte geben sie an nachfolgende Generationen weiter, die diese wiederum für die Konstruktion ihrer eigenen Werte und Normen nutzen. Beispielhaft wurde das bereits im Kapitel 4 am Bau und Fall der Berliner Mauer verdeutlicht. Im Rahmen der Konvention von 2003 kommen in der Regel die sogenannten inherited circumstances nicht vor. Dennoch sind es die vererbten historischen Umstände, die bewusstseinsbildend und deshalb nachhaltig sind. Es ist diese Konstruktion von immateriellem Erbe, die für die Identitätsforschung relevant ist. Und die identitätsbildende Funktion des immateriellen Erbes war eine der Begründungen für die 2003erKonvention. Es sind immer die aus der Geschichte bezogenen Erfahrungswerte, die auf Identitätsentwicklung Einfluss nehmen. Und wir möchten hier unterstreichen, dass diese allgemeine Funktion von Heritage, nämlich identitätsbildend zu sein, lange vor der Inflationierung des Identitätsbegriffs im Kontext des materiellen HeritageDiskurses existierte. Auch dazu wurde ausführlich im Kapitel 4 Stellung genommen. Es kann festgehalten werden, dass im allgemeinen Verständnis von immateriellem Erbe dieses mit der Bildung und Transformation von Werten und Normen für die Herausbildung von Identität zusammengebracht wird. Auch wird implizit auf die Konstruktionen des Immateriellen hingewiesen, ohne sich der Objekte des immateriellen Kulturerbes bedienen zu müssen. Es wird erläutert, dass Werte und Normen für die Identitätsbildung der Menschen erforderlich sind. Identitätsbildung erfolgt im Prozess der Sozialisation. Die Heritage-Forschung zielt in den schon zuvor genannten Beispielen aus den Geschichts- und Sozialwissenschaften daher direkt auf die Menschen und nur mittelbar auf das, was Menschen produzieren. Erbe muss geschützt wer den, da es ein „Träger von Identität“ (Marana 2010, S. 11) ist, so Irina Bokova, Generaldirektorin der UNESCO. Und genau daran ist, mehr als bei der 1972er-Konvention, auch das mit der Konvention des Jahres 2003 geschützte immaterielle Erbe geknüpft.
6.1 Transformationsprozess: vom Materiellen zum Immateriellen Den Hintergrund zum Verständnis der Konvention zum immateriellen Erbe bildet stärker als bei der Konvention zum materiellen Erbe der Prozess der Globalisierung und damit einhergehend der ambivalente Prozess diverser Bedeutungskonstruktionen von Erbe. Einerseits erfolgte durch die Globalisierung eine Egalisierung von kulturellen Ausdrücken und entsprechend auch von immateriellem Erbe. Weltweit kann eine
6.1 Transformationsprozess: vom Materiellen zum Immateriellen
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Gleichschaltung von Lebensausdrücken und Bedürfnissen der Menschen bis hinein in infrastrukturell noch wenig entwickelte Region beobachtet werden. Andererseits war es die Globalisierung, die mittels ihrer technischen Errungenschaften globale Kommunikations- und Informationssysteme hervorgebracht hat, mit denen die Vielfalt der kulturellen Ausdrücke der Menschen angemessen verbreitetet werden konnte. Diese Systeme haben die Welt verändert und auf die Kulturen der Welt und ihre Identitäten entsprechend eingewirkt. Kultur, Erbe und Identität wurden im Kontext der UNESCO bis in die 80er Jahre weitgehend materiell interpretiert. Das änderte sich mit der Erklärung von MexikoStadt, die auf der UNESCO-Weltkonferenz über Kulturpolitik am 6. August 1982¹⁴⁹ verabschiedet wurde. Mit dieser Erklärung wurde nicht nur das materielle Verständnis von Erbe transformiert, der Kulturbegriff selbst wurde um die Vielfalt seiner immateriellen Ausdrücke er weitert. Definitorisch wurde in dieser Erklärung dargelegt, dass Kultur als „die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen“ (UNESCO 1982).
Auch die identitätsstiftende Funktion von Kultur wurde erkannt. Ihre Sinndeutung war, „dass der Mensch durch die Kultur befähigt wird, über sich selbst nachzudenken. Erst durch die Kultur werden wir zu menschlichen, rational handelnden Wesen, die über ein kritisches Urteilsvermögen und ein Gefühl der moralischen Verpflichtung verfügen. Erst durch die Kultur erkennen wir Werte und treffen die Wahl. Erst durch die Kultur drückt sich der Mensch aus, wird sich seiner selbst bewusst, erkennt seine Unvollkommenheit, stellt seine eigenen Errungenschaften in Frage, sucht unermüdlich nach neuen Sinngehalten und schafft Werke, durch die er seine Begrenztheit überschreitet“ (UNESCO 1982).
Heute, 30 Jahre später, lässt sich konstatieren, dass die Globalisierung ohne den Beitrag der Kulturen der Welt ebenso wenig möglich gewesen wäre wie der Bedeutungszuwachs, den die Konvention zum Schutze des immateriellen Erbes im Laufe der Jahre erhielt, ohne die Mexiko-Erklärung. Wie zuvor erläutert, ist immaterielles Erbe Teil der menschlichen individuellen und kollektiven Identität. Die Prozesse der Wertschätzung dieser Potenziale des immateriellen Erbes im Kontext der UNESCO sollen daher kurz skizziert werden. Der Mexiko-Erklärung folgte 1987 die von der UNO ausgerufene Dekade für kulturelle Entwicklung¹⁵⁰, im selben Jahr wurde der Brundt-
149 Anlage Dokumente: Erklärung von Mexiko-Stadt über Kulturpolitik. 150 Die Themenschwerpunkte setzen sich aus den folgenden vier Bereichen zusammen: „Kulturelle Dimension der Ent wick lung, Bekräftigung und Bereicherung der kulturellen Identität, breitere Partizipation am Kulturleben, internationale kulturelle Zusammenarbeit“ (Bundestag 1990, S. 14).
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land-Report¹⁵¹ veröffentlicht und 1989 die UNESCO-Empfehlung zur Wahrung des kulturellen Erbes in Volkskunst und Brauchtum¹⁵² verabschiedet. Mit der Anerkennung der Werte des immateriellen Erbes für Identität und menschliche Entwicklung durch die UNESCO wurde nicht nur ein globales Bewusstsein von der grundlegenden Bedeutung von Erbe für Menschen in der Globalisierung geschaffen, es wurde implizit auch die Verantwortung der UNESCO-Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Bewahrung dieses Erbes eingefordert. In der UNESCO-Empfehlung zur Wahrung des kulturellen Erbes in Volkskunst und Brauchtum (Recommendation Concerning the Safeguarding of Traditional Culture and Folklore) aus dem Jahr 1989 wurde immaterielles Erbe noch mit Folklore gleichgesetzt. In der Erklärung heißt es: „Folklore (or traditional and popular culture) is the totality of tradition-based creations of a cultural community, expressed by a group or individuals and recognized as reflecting the expectations of a community in so far as they reflect its cultural and social identity; its standards and values are transmitted orally, by imitation or by other means. Its forms are, among others, language, literature, music, dance, games, mythology, rituals, customs, handicrafts, architecture and other arts.“ (UNESCO 1989).
Jedoch war der Prozess, der mit dem politischen Ziel der Völkergemeinschaft verbunden war, die Vielfalt des immateriellen Erbes als menschliche Lebensausdrücke insgesamt für die Nachwelt lebendig zu erhalten, nicht mehr zu stoppen. In der Chronologie der gesellschaftlichen und politischen Inwertsetzung des immateriellen Erbes folgte der Empfehlung von 1989 die UNESCO-Erklärung zur kulturellen Vielfalt im Jahre 2001 und im gleichen Jahr die Einrichtung des Programms zur Einschreibung in ein Register von sogenannten Meisterwerken des immateriellen Erbes mit Beispielen aus der ganzen Welt. Auch dieses Programm zielt noch nicht direkt auf das immaterielle Erbe, gehört aber als Programm, das die Produkte der vielfältigen Formen von Erinnerung würdigt und schützt, zu den repräsentativen Vorläufern der Institutionalisierung der Wertschätzung von immateriellem Erbe. Das Programm Memory of the World schützt das Weltdokumenterbe¹⁵³ und fördert damit die kollektive Erinnerung. Dokumente jeder Art erzeugen und repräsentieren das kollektive Gedächtnis von Menschen, Kulturen und Gesellschaften und tragen
151 Dieser Perspektivbericht „Our Common Future“ beinhaltete eine Vielzahl von Prognosen und Vorstellungen zum nachhaltigen Gebrauch von Energie und einer umweltschonenderen Entwicklung (UN 1987). 152 Die Recommendation on the Safeguarding of Traditional Culture and Folklore umfasst eine Reihe unterschiedlicher Punkte, wie etwa die Identifikation, den Erhalt und den Schutz von entsprechenden Ausdrucksformen, aber auch Erläuterungen zur internationalen Kooperation in diesem Bereich. 153 Informationen zum Programm Memory of the World sind in der im Jahr 2010 erschienen Publikation des DUK „Gedächtnis der Zukunft. Das UNESCO-Programm ‚ Memory of the World‘ zum Weltdokumentenerbe“ zu finden.
6.1 Transformationsprozess: vom Materiellen zum Immateriellen
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Abb. 6.1: Himmelsscheibe von Nebra – Seit 2013 Teil des UNESCO-Register Memory of the World
dadurch zum Erhalt dieses Gedächtnisses bei. Das Weltdokumentenerbe besteht aus handschriftlichen, gefilmten oder gedruckten Materialien, die für die Entwicklungsgeschichte der Menschheit wichtig waren. Ausgewiesene Beispiele dafür sind die Gutenberg-Bibel, Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie, Fritz Langs Kultfilm „Metropolis“ oder die Himmelsscheibe von Nebra (Abb. 6.1). Der nächste Schritt der Würdigung des immateriellen Erbes erfolgte 1995 in der UN-Veröffentlichung mit dem Titel Our Creative Diversity. Herausgegeben wurde diese Publikation von Javier Pérez de Cuéllar (Pérez de Cuéllar 1995) als das Arbeitsergebnis einer Gruppe von Repräsentanten von und für Entwicklungspolitik mit dem Ziel, nachhaltige menschliche Entwicklung weltweit und unter Einbeziehung von Betroffenen insbesondere in Entwicklungsländern zu erreichen. Der enge Bezug zwischen immateriell verstandener Kultur, kultureller Entwicklung, Erbe und Identität wurde in dieser Veröffentlichung erstmals präsentiert und diskutiert. Bis heute herausragend sind die in dieser Publikation diskutierten direkten und indirekten Bezüge zwischen den vielen für menschliche Entwicklung erforderlichen Ausdrücken in den Gesellschaften und ihren Interdependenzen. Die Bedeutung des immateriellen Erbes wurde
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
in dieser Veröffentlichung zwar nicht wie in der 1989er-Empfehlung im Hinblick auf Traditionen oder Folklore expliziert, die für menschliche Entwicklung erforderlichen immateriellen Beiträge wurden dadurch nicht geschmälert. In den darauffolgenden Jahren wurden seitens der UNESCO weitere praktische Schritte für eine weitergehende Anerkennung von immateriellem Erbe in der Weltgesellschaft unternommen. Das betraf einerseits die Erweiterung des Verständnisses von kulturellen Ausdrücken, die durch die Globalisierung Gefahr liefen zu verschwinden wie bspw. gefährdete Sprachen.¹⁵⁴ Zu diesem Zweck wurde 1996 ein Programm zum Schutz dieser Sprachen und im Jahr 2001 ein Atlas über die Verbreitung der gefährdeten Sprachen eingeführt. Es betraf aber andererseits auch die Erweiterung existierender Instrumente wie die Einfügung des Konzeptes von Kulturlandschaften in die Welterbekonvention.¹⁵⁵ In der Publikation World Heritage Cultural Landscapes (ICOMOS 2009) wird das Konzept einer Kulturlandschaft auch im Hinblick auf ihre immaterielle Bedeutung definiert. Dort heißt es: „The term ‚cultural landscape‘ embraces a diversity of manifestations of the interaction between humankind and its natural environment. Cultural landscapes often reflect specific techniques of sustainable land-use, considering the characteristics and limits of the natural environment they are established in, and a specific spiritual relation to nature“ (ICOMOS 2009, S. 7).
Damit wird die Untrennbarkeit von natürlichen, materiellen und immateriellen Ausdrücken von Menschen unterstrichen sowie ihre kontinuierliche Transformation im Prozess der Vererbung von einer Generation auf die nächste. Zur Bedeutung von materiellem und immateriellem Erbe von Kulturlandschaften kam mit der Anerkennung durch die Welterbekonvention für das immaterielle Erbe hinzu, dass es in Kulturlandschaften insbesondere die immateriellen Ausdrücke von Ethnien und Minderheiten repräsentiert und auch deshalb schützenswert ist. Auch hier zeigen die Beispiele von ethnischen Gruppen wie die nordamerikanischen indianischen Stämme oder die Sami in Schweden, wie wichtig Traditionen sind. Im Kontext der Definition von Kulturlandschaften wurde dieses Erbe zugleich auf den Lebensraum der Gruppen bezogen und war dadurch weitaus holistischer konzipiert als das mit der 2003erKonvention definierte Erbe selbst.
154 Siehe hierzu die interaktive Karte Atlas of the World’s Languages in Danger auf der folgenden Webseite: http://www.unesco.org/culture/languages-atlas/index.php. 155 Siehe dazu die Kapitel 2.1 und 3.3.
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
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6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003¹⁵⁶ Einführung Seit 2006, dem Jahr des Inkrafttretens der 2003er-Konvention, kann immaterielles Erbe im engeren Sinne direkt bewahrt werden. Im Unterschied zu den vorausgehend diskutierten Elementen umfasst das immaterielle Kulturerbe laut Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens¹⁵⁷ die Praktiken, Darstellungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die damit verbundenen Instrumente, Objekte, Artefakte und Kulturräume, die im Selbstverständnis ihrer Träger oder Nutzer Bestandteil ihres Kulturerbes sind und von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Das impliziert, dass dieses Erbe von den jeweiligen Akteuren in der Auseinandersetzung mit der Umwelt fortwährend neu zum Ausdruck gebracht wird und dadurch den betreffenden Gemeinschaften und Gruppen ein Gefühl von Identität und Kontinuität vermittelt. Die Definition des immateriellen Kulturerbes in Art. 2 Abs. 1 der Konvention ist bewusst weit gefasst, da ein enges Verständnis davon dem Kulturerbe in seiner globalen Vielfalt nicht Rechnung tragen könnte. Begriffe wie Folklore, Volkskultur, Nationalidentität, Popularkultur, Volk und sogar Tradition wurden deswegen aus der Definition herausgehalten (Jacobs 2007, S. 12). Die UNESCO hebt hervor, dass immaterielles Kulturerbe im Sinne der Konvention nicht nur ererbte Traditionen aus der Vergangenheit beinhaltet, sondern auch zeitgenössische Praktiken. Immaterielles Kulturerbe ist im Sinne der 2003er-Konvention „zugleich traditionell, zeitgenössisch und lebend“ (UNESCO 2009d). Die Betonung der Lebendigkeit und Gegenwärtigkeit des immateriellen Kulturerbes ist wichtig, da eine Beschränkung auf ererbte, „traditionelle“ Elemente eine Musealisierung des immateriellen Kulturerbes zur Folge haben könnte. Die im UNESCO-Übereinkommen geforderte Bewahrung soll aber gerade nicht zu einem Unterdrücken von Weiterentwicklungen führen, da immaterielles Kulturerbe durch Prozesshaftigkeit und Veränderung gekennzeichnet ist. Andererseits ist ein gewisses Maß an Kontinuität natürlich unabdingbar, damit das zentrale Merkmal des generationenübergreifenden Tradierens gegeben ist und noch von Kultur-„Erbe“ gesprochen werden kann. In der Konvention wird ausdrücklich festgehalten, dass nur solches immaterielles Kulturerbe Berücksichtigung findet, das mit den bestehenden internationalen Rechtsinstrumenten im Bereich der Menschenrechte genauso im
156 Große Teile dieses Kapitel wurden im Januar 2011 in der „Machbarkeitsstudie zur Umset zung zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes (2003) in Deutschland“ erstmals veröffentlicht. Die Studie wurde im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) vom Lehrstuhl Interkulturalität der BTU Cottbus-Senftenberg erstellt, weitgehend von Stefan Disko geschrieben und von der IGS Heritage Studies herausgegeben. 157 Siehe den vollständigen Konventionstext in der Anlage Dokumente.
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
Einklang steht sowie mit der Forderung nach gegenseitiger Achtung zwischen Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen. In der Konvention werden fünf Bereiche genannt, denen das immaterielle Kulturerbe in der Regel zugeordnet werden kann. Dazu gehören mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Vehikel des immateriellen Kulturerbes. Das betrifft Erzählungen, Legenden, Märchen, Fabeln, Gedichte und Reime, Rätsel, Lieder, Sprichwörter, Redewendungen, Gebete.
Tenorgesang der sardischen Schäfer (Abb. 6.2), Jahr der Einschreibung: 2008. „Canto a tenore has developed within the pastoral culture of Sardinia. It represents a form of polyphonic singing performed by a group of four men using four different voices called bassu, contra, boche and mesu boche. One of its characteristics is the deep and guttural timbre of the bassu and contra voices. It is performed standing in a close circle. The solo singers chants a piece of prose or a poem while the other voices form an accompanying chorus. Most practitioners live in the region of Barbagia and other parts of central Sardinia. Their art of singing is very much embedded in the daily life of local communities. Often it is performed spontaneously in local bars called su zilleri, but also at more formal occasions, such as weddings, sheepshearings, religious festivities or the Barbaricino carnival.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 165).
Der zweite Bereich sind darstellende Künste wie unter anderem Musik, Gesang, typische Tanzformen, Maskentanz, Theater, Marionetten-, Puppen- und Mimenspiel, Zirkusformen, traditionelle Gesänge wie Hirtengesang oder polyphone Gesänge.
Nôgaku-Theater (Abb. 6.3), Jahr der Einschreibung: 2008. „Nôgaku theatre had its heyday in the fourteenth and fifteenth centuries, but actually originated in the eighth century when the Sangaku was transmitted from China to Japan. At the time, the term Sangaku referred to various types of performance featuring acrobats, song and dance as well as comic sketches. Its subsequent adaption to Japanese society led to its assimilation of other traditional art forms. Today, Nôgaku is the principal form of Japanese theatre and has influenced the puppet theatre as well as Kabuki.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 12).
Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste wie Formen des Begrüßens, Schenkens, Spielens, Wohnens, Essens und Sich-Kleidens, Geburts-, Initiations-, Heirats- oder Begräbnisrituale, jahreszeitliche Feste und Zeremonien, Umzüge, Prozessionen, Fastnachtsbräuche, traditionelle Lebensweisen bilden die dritte Gruppe des Erbes, das als immaterielles Erbe berücksichtigt werden kann.
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
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Abb. 6.2: Tenorgesang der sardischen Schäfer vorgetragen vom Gesangsquartett Tenores di Bitti „Mialinu Pira“
Abb. 6.3: Nôgaku-Theater
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
Menschliche Pyramiden/Türme (Abb. 6.4), Jahr der Einschreibung: 2010. „Castells are human towers built by members of amateur groups, usually as part of annual festivities in Catalonian towns and cities. The traditional setting is the square in front of the town hall balcony. The human towers are formed by castellers standing on the shoulders of one another in a succession of stages (between six and ten). Each level of the tronc, the name given to the second level upwards, generally comprises two to five heavier built men supporting younger, lighter-weight boys or girls. The pom de dalt – the three uppermost levels of the tower – comprises young children. Anyone is welcome to form the pinya, the throng that supports the base of the tower. Each group can be identified by its costume, particularly the colour of the shirts, while the cummerbund serves to protect the back and is gripped by castellers as they climb up the tower. Before, during and after the performance, musicians play a variety of traditional melodies on a wind instrument known as a gralla, setting the rhythm to which the tower is built. The knowledge required for raising castells is traditionally passed down from generation to generation within a group, and can only be learned by practice.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 364).
Als vierter Bereich stehen das Wissen und die Praktiken über die Natur und das Universum, das sich z. B. in den Kosmologien, im Wissen über Heilpflanzen und ihre Anwendung sowie im landwirtschaftlichen Wissen repräsentiert.
Krabbenfischen zu Pferd in Oostduinkerke (Abb. 6.5), Jahr der Einschreibung: 2013. „Twelve households in Oostduinkerke are actively engaged in shrimp fishing: each has its own speciality, such as weaving nets or an extensive knowledge of Brabant draft horses. Twice a week, except in winter months, the strong Brabant horses walk breast-deep in the surf in Oostduinkerke, parallel to the coastline, pulling funnel-shaped nets held open by two wooden boards. A chain dragged over the sand creates vibrations, causing the shrimp to jump into the net. Shrimpers place the catch (which is later cooked and eaten) in baskets hanging at the horses’ sides. A good knowledge of the sea and the sand strip, coupled with a high level of trust and respect for one’s horse, are the shrimpers’ essential attributes. The tradition gives the community a strong sense of collective identity and plays a central role in social and cultural events, including the two-day Shrimp Festival for which the local community spends months building floats, preparing street theatre and making costumes. The shrimp parade, and a contest involving hundreds of children being initiated into shrimp catching, attract over 10,000 visitors every year. The shrimp fishers function on principles of shared cultural values and mutual dependence. Experienced shrimpers demonstrate techniques and share their knowledge of nets, tides and currents with beginners.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 673).
Den letzten Bereich bilden traditionelle Handwerkstechniken wie z. B. die Verarbeitung von Stein, Lehm, Holz, Metall, Tierhäuten, Glas, Papier, Webtechniken, Sticktechniken, Spitzenklöppeln, Pigmentmischungen, Malerei oder die traditionelle Zubereitung von Speisen.
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
Abb. 6.4: Menschliche Pyramide beim La Merce Festival in Barcelona
Abb. 6.5: Schrimpfischen auf Pferden in Oostduinkerke
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
Abb. 6.6: Teppichweberin im Iran
Traditionelle Teppich-Webtechnik in Kashan (Abb. 6.6), Jahr der Einschreibung: 2010. „Long a centre for fine carpets, Kashan has almost one in three residents employed in carpetmaking, with more than two-thirds of the carpet-makers being women. The carpet-weaving process starts with a design, elaborated from among a series of established styles, including motifs such as flowers, leaves, branches, animals and scenes taken from history. Woven on a loom known as a dar, the warp and woof are of cotton or silk. The pile is made by knotting wool or silk yarns to the warp with the distinctive Farsi knot, then held in place by a row of the woven woof, and beaten with a comb. The Farsi weaving style (also known as asymmetrical knotting) is applied with exemplary delicacy in Kashan, so that the back side of the carpet is finely and evenly knotted. The colours of Kashan carpets come from a variety of natural dyes including madder root, walnut skin, pomegranate skin and vine leaves. The traditional skills of Kashan carpet weaving are passed down to daughters through apprenticeship under instruction from their mothers and grandmothers. Apprenticeship is also the means by which men learn their skills of designing, dyeing, shearing, loom-building and tool-making.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 383).
Ziele Folgende Ziele wurden im Artikel 1 des UNESCO-Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes festgelegt: Die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes; die Sicherstellung des Respekts für das immaterielle Kulturerbe der betreffen-
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
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den Gemeinschaften, Gruppen und Individuen; die Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes und seiner gegenseitigen Wertschätzung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene sowie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und Unterstützung (UNESCO 2003c). Die die Ziele tragenden Erkenntnisse sind in der Präambel der Konvention ausformuliert. Sie greifen all die Aspekte auf, die vorausgehend bereits als die immanenten Potenziale des immateriellen Erbes für menschliche Entwicklung formuliert worden sind.¹⁵⁸ Interessant an der Terminologie dieser Konvention ist die Verwendung des Begriffs der Bewahrung, der sich von der Welterbekonvention unterscheidet. Wurde dort der Terminus Schutz ver wendet, der erforderlich ist, um das Erbe der Menschheit für zukünftige Generationen zu erhalten, so wird in dieser Konvention von Bewahrung gesprochen. Dies bedeutet nach Art. 2 Abs. 3 der Konvention, Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Sicherstellung der Lebensfähigkeit des immateriellen Kulturerbes gerichtet sind und deshalb als dynamische Elemente einzustufen sind. Bewahrung setzt die Identifizierung des Erbes, seine Dokumentation und Erforschung der Möglichkeiten der Erhaltung sowie dessen Weitergabe insbesondere durch formale und informelle Bildung voraus. Wie schon in der 1972er-Konvention, so sind auch hier die Vertragsstaaten die bedeutendsten Akteure (UNESCO 2003c, Art. 2. Abs. 4., Art. 11). Sie müssen auf nationaler Ebene die notwendigen Maßnahmen zur Bewahrung ihres immateriellen Kulturerbes treffen und im Hinblick auf dieses Ziel auf bilateraler, regionaler und internationaler Ebene zusammenarbeiten. Neben der reinen Bewahrung ist auch die Stärkung des Bewusstseins für die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes ein wichtiges Ziel. Die Konvention stellt eine Ergänzung zu den früheren internationalen Rechtsinstrumenten zum Kultur- und Naturerbe dar, die sich auf den Schutz beweglicher und unbeweglicher Kulturgüter und Naturgüter in Kriegs- und Friedenszeiten beschränken.¹⁵⁹ Sie soll diese Rechtsinstrumente bereichern und ergänzen und verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, eine ganzheitliche Kulturerbe-Politik anzustreben. Immaterielles Kulturerbe wird in der Konvention als praktizierter, dynamischer Teil der Identität von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen betrachtet, das in seiner ganzen Prozesshaftigkeit weiter praktiziert und gefördert werden soll. Die Konvention richtet sich somit auf die „kontextuellen Bedingungen, unter denen das immaterielle Kulturerbe praktiziert, angewandt und nachhaltig tradiert werden kann“ (EDI 2006, S. 19). Alle zur Bewahrung ergriffenen Maßnahmen sollen die Lebensfähigkeit des immateriellen Kulturerbes in seinem dynamischen und wandlungsfähigen
158 Siehe Präambel Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (UNESCO 2003c). 159 Haager Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, 1954; Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, 1970; Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, 1972 und Zweites Protokoll zum Haager Übereinkommen von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, 1999.
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
Charakter sichern. Eine Musealisierung von Einzelelementen soll verhindert werden. Dazu schreibt die Deutschen UNESCO-Kommission: „Die im UNESCO-Übereinkommen geforderte Bewahrung darf nicht zu einem Unterdrücken neuer Impulse oder von Weiterentwicklungen dieser Kulturformen führen. Immaterielles Kulturerbe ist immer auch durch Improvisation und Veränderung gekennzeichnet“ (DUK 2007a, Punkt 33). Von herausragender Bedeutung ist deswegen die umfassende Einbeziehung der Träger des immateriellen Kulturerbes bei der Umsetzung der Konvention, bei der Identifizierung von immateriellem Kulturerbe und bei der Durchführung aller Bewahrungs- und Förderungsmaßnahmen.
Verpflichtungen der Vertragsstaaten Die sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen der Vertragsstaaten sind vielfältig. In einer allgemeinen Verantwortung verpflichtet die Konvention die Vertragsstaaten zur Bewahrung, Entwicklung und Förderung des in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes durch geeignete Institutionen und Maßnahmen (UNESCO 2003c Art. 11 a, 13), unter möglichst weitreichender Einbindung der Träger des Erbes (ebd. Art. 15). Dieses ist eine Verpflichtung, die dem Ziel der Konvention geschuldet ist, mit der Einbeziehung der Bevölkerung zugleich ihre Identifizierung mit der Konvention zu erzeugen. Die Vertragsstaaten sind angehalten, ein Bündel von Maßnahmen zu ergreifen, um diese zentrale Bewahrungsaufgabe zu erfüllen (ebd. Art. 13, 14). Da diese Bestimmungen keinen unmittelbar rechtsverbindlichen Charakter haben, können sie als Katalog möglicher Schutz- und Fördermaßnahmen angesehen werden, den alle Vertragsstaaten so weit wie möglich umsetzen sollen. Zum Beispiel sollen sie die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes in ihren Kulturpolitiken berücksichtigen (ebd. Art. 13 a) oder eine oder mehrere Fachstellen für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes benennen (ebd. Art. 13 b). Auch wissenschaftliche Untersuchungen zur wirksamen Bewahrung des immateriellen Kulturerbes sollen sie fördern (ebd. Art. 13 c), dazu Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und Dokumentationszentren einrichten. Durch Sensibilisierungs- und Informationsprogramme für die breite Öffentlichkeit oder Bildungs- und Trainingsprogramme in den betreffenden Gemeinschaften (ebd. Art. 14 a) sollen Anstrengungen unternommen werden, die Öffentlichkeit einerseits für das Kulturerbe zu interessieren und sie andererseits über die Gefahren zu unterrichten, die das immaterielle Kulturerbe bedrohen (UNESCO 2003c Art. 14 b). Auch die internationale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten ist eingefordert (ebd. Art. 19). Neben den allgemeinen Verpflichtungen enthält die Konvention aber auch wichtige spezifische Verpflichtungen, die in den Artikeln 11, 12, 26 und 29 festgelegt sind. Zu den wichtigsten gehören die Identifizierung der verschiedenen Elemente des immateriellen Kulturerbes im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates und die Erstellung von Inventarlisten (ebd. Art. 11 b, 12). Zu den weiteren spezifischen Verpflichtungen gehören
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
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der alle zwei Jahre zu entrichtende Beitrag an den UNESCO-Fonds für das immaterielle Kulturerbe sowie die periodische Berichterstattung an das Zwischenstaatliche Komitee der Konvention über die Maßnahmen, die zur Umsetzung des Übereinkommens getroffen worden sind (ebd. Art. 29, Art. 12 Abs. 2). Das betrifft die Erstellung nationaler Inventarlisten und die in den Artikeln 11, 13, 14 und 19 angeführten Maßnahmen. Die Berichte müssen auch Informationen über den Status der in die internationalen Listen aufgenommenen Elemente enthalten, die sich auf dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaates befinden (DUK 2013, Kapitel V).
Die Inventarlisten Die Konvention zur Bewahrung des immateriellen Erbes weist gegenüber der Welterbekonvention und ihren Ausführungsempfehlungen einige herausragende Besonderheiten auf. Eine davon ist die Vorgabe, das vorhandene immaterielle Erbe systematisch zu identifizieren und zu inventarisieren. Es geht darum, das Potenzial des Erbes unter Berücksichtigung und Beteiligung seiner Träger eben für die Menschen selbst in Wert zu setzen. Die Träger des immateriellen Kulturerbes sind die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen. Es sind zugleich Nichtregierungsorganisationen, Experten und Forschungsinstitute (UNESCO 2003c, Art. 11 b, 12, 15 und DUK 2013, Kapitel III), die die Prozesse der Inwertsetzung dieses Erbes begleiten. Obwohl das Übereinkommen keine einklagbaren Rechte oder Ansprüche einzelner Träger immateriellen Kulturerbes auf Einschreibung eines Elements in eine Inventarliste schafft, zielt diese Konvention explizit auf die Partizipation der Betroffenen und damit auf ihre Identifikation mit dem Erbe. Die Eintragung eines Elements in eine Inventarliste zieht keine Pflichten der Träger des betreffenden Kulturerbes nach sich. Bestehende Rechte und Pflichten von Trägern immateriellen Kulturerbes, insbesondere im Bereich des geistigen Eigentums, werden vom Übereinkommen nicht berührt (BAK 2010, S. 6). Während der Ausarbeitung der Konvention wurde die systematische Inventarisierung des immateriellen Kulturerbes auf nationaler Ebene von einigen Staaten als ein dem immateriellen Kulturerbe nicht angemessenes Vorgehen kritisiert. Es wurde eingewendet, dass unverhältnismäßig hohe Kosten staatlicher Verwaltung letztendlich zu Lasten der Förderung der kulturellen Praxis gehen könnten und dass die Inventarisierung zu einer Musealisierung dieser eigentlich dynamischen kulturellen Ausdrucksformen führen könnte. Die Inventarisierung wurde dann aber als zentrales Element in die Konvention aufgenommen, weil ohne eine vorausgehende Identifizierung des immateriellen Kulturerbes eine gezielte Bewahrung und Förderung einzelner Elemente nicht möglich wäre. Auch bieten Inventarlisten auf nationaler Ebene eine sinnvolle Grundlage für die Auswahl von Elementen für die in der Konvention vorgesehene internationale Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit, die zu einer besseren Sichtbarkeit des immateriellen Kulturerbes beitragen und das all-
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
gemeine Bewusstsein für seine Bedeutung stärken soll (EDI 2006, S. 12 und Blake 2006, S. 63). Zwar enthält die Konvention keine genaueren Anweisungen bezüglich des Inhalts und Detaillierungsgrads der Inventarlisten, ihr kann aber entnommen werden, dass die Inventarisierung kein Selbstzweck ist, sondern „zur Sicherstellung der Identifizierung im Hinblick auf die Bewahrung“ geschehen soll. Daraus kann gefolgert werden, dass die in die Inventare aufgenommenen Elemente in einer Art und Weise und in einem Umfang beschrieben und dokumentiert werden sollten, dass die Inventarisierung zur Bewahrung beitragen kann und die Inventare eine Grundlage für weiterführende, das immaterielle Kulturerbe unterstützende Initiativen bieten können. In jedem Fall müssen die Träger des Kulturerbes in die Inventarisierung und Dokumentierung einbezogen werden. Das bedeutet vor allem, dass die betreffenden Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Individuen mit der Einschreibung in das Inventar und dem Inhalt des Eintrages einverstanden sein müssen. Dieses Prinzip der freien Einwilligung nach vorhergehender Auf klärung, also der auch im Kontext internationaler Entwicklungspolitik und der Stärkung indigener Organisationen eingeforderten Berücksichtigung von Rechten als „Free, Prior and Informed Consent“ (DUK 2013, Kapitel IV, Punkt 101; GIZ 2012 und UN 2005) ist eine der innovativsten Elemente dieser Konvention.
Stand der Umsetzung Bisher haben 160 Staaten die Konvention unterschrieben und 129 das Übereinkommen ratifiziert. Von den insgesamt 327 eingetragenen Ausdrücken des immateriellen Erbes sind 281 in der Liste des „Repräsentativen Erbes“ verzeichnet. Die „Liste des immateriellen Kulturerbes, das eines dringenden Schutzes bedarf“ umfasst gegenwärtig 35 kulturelle Ausdrucksformen aus 20 Ländern. Dazu gehören z. B. das Neujahrsfest in Qiang (China), das gemeinschaftliche Fischen in Sanké mon (Mali), der Kulturraum der katholischen Minderheit der Suiti (Lettland), die Dschunkenbautechnik (China) und die traditionelle Tsuur-Musik (Mongolei). In das Register guter Praxisbeispiele sind gegenwärtig 11 Programme bzw. Projekte eingetragen, die nach Meinung des Zwischenstaatlichen Komitees die Grundsätze und Ziele des Übereinkommens besonders gut widerspiegeln. Ein Projekt bspw. zur Erhaltung des kulturellen Erbes der Aymara (Bolivien, Chile, Peru), ein Projekt zur Förderung indonesischer Batik in Bildungseinrichtungen (Indonesien) und ein Schul- und Museumsprojekt in Elche (Spanien), in dessen Rahmen Wissen über das lokale Kultur- und Naturerbe in Lehrpläne integriert werden.
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
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Abb. 6.7: Batik Workshop in Ketelan, Indonesion
Programm zur Forderung indonesischer Batik (Abb. 6.7), Jahr der Einschreibung: 2009. „Indonesian Batik is a traditional hand-crafted dye-resist textile rich in intangible cultural values, passed down for generations in Java and elsewhere since the early nineteenth century. The batik community noted the younger generation’s interest in batik was waning, and felt the need to increase efforts to transmit batik cultural heritage to guarantee its safeguarding. The main objective of the programme is therefore to increase the awareness and appreciation of the cultural heritage of Indonesian batik, including its history, cultural values and traditional skills, among the younger generation. Law No. 20 of 2003 makes it possible to include batik culture in curricula as ‚local content‘ in areas having batik cultural heritage, such as Pekalongan City.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 318).
Wie bei allen UNESCO-Konventionen ist das oberste Organ des Übereinkommens die Vollversammlung der Vertragsstaaten (General Assembly). Sie tritt alle zwei Jahre zusammen und wählt u. a. das Zwischenstaatliche Komitee für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes (Intergovernmental Committee for the Safeguarding of Intangible Cultural Heritage). Dieses besteht aus Vertretern von 24 Vertragsstaaten, die von der Vollversammlung für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt werden. Bei der Wahl der Mitgliedstaaten des Komitees muss die Vollversammlung die Grundsätze der gleichgewichtigen geografischen Verteilung und der Rotation beachten. Das Komitee hat die Aufgabe, die Umsetzung des Übereinkommens zu unterstützen, zu über wachen und dessen Ziele zu fördern. Zur Durchführung seiner Aufgaben hat das Zwischenstaatliche Komitee operationelle Richtlinien (Operational Directives) erarbeitet, die als work in progress anzusehen
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
sind und von Komitee und Vollversammlung laufend überarbeitet und vervollständigt werden. Die derzeit geltenden operationellen Richtlinien sind aus dem Jahr 2012 und enthalten u. a. die Auswahlkriterien für die Aufnahme von Elementen in die drei internationalen Listen, Bestimmungen zum Nominierungsverfahren, Bestimmungen zu den von den Vertragsstaaten einzureichenden periodischen Berichten sowie Anordnungen zur Mittelverwendung und Finanzierung des Fonds für das immaterielle Kulturerbe. Daneben enthalten sie Grundsätze zu den von den Vertragsstaaten durchzuführenden Bildungs-, Sensibilisierungs- und Informationsprogrammen, Bestimmungen zur Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und anderen nichtstaatlichen Akteuren an der Implementierung der Konvention und Bestimmungen zur Akkreditierung von Nichtregierungsorganisationen als Berater des Komitees. Auf seiner dritten ordentlichen Sitzung im November 2008 eröffnete das Zwischenstaatliche Komitee die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes“ mit der Einschreibung der von der UNESCO in den Jahren 2001–2005 proklamierten „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“, die damit bereits 90 Elemente aus allen Regionen der Welt umfasste. Über die ersten Neueinschreibungen in die Repräsentative Liste entschied das Komitee auf seiner Tagung im Herbst 2009 in Abu Dhabi. Dem Komitee lagen über 100 Vorschläge aus 35 Ländern vor, von denen 76 in die Liste eingetragen wurden. Im November 2010 wurden weitere 45 Elemente, im Jahr 2011 18, 2012 27 Ausdrücke und 2013 weitere 25 Elemente in die Repräsentative Liste aufgenommen. Damit umfasst sie jetzt insgesamt 281 Elemente immateriellen Kulturerbes aus insgesamt 93 Ländern. Die herausragenden Beispiele sind der argentinische und uruguayische Tango, der spanische Flamenco (Abb. 6.8), die tibetische Oper in China oder der „Carnaval de Negros y Blancos“ in Kolumbien. Auch der Houtem Jaarmarkt in Belgien, die chinesische Akupunktur (Abb. 6.9) oder die traditionelle Teppich-Knüpfkunst aus Aserbaidschan sind hier zu nennen. Flamenco, Jahr der Einschreibung: 2010. „Flamenco is an artistic expression fusing song (cante), dance (baile) and musicianship (toque). Andalusia in southern Spain is the heartland of Flamenco, although it also has roots in regions such as Murcia and Extremadura. Cante is the vocal expression of flamenco, sung by men and women, preferably seated, with no backing singers. The gamut of feelings and states of mind – grief, joy, tragedy, rejoicing and fear – can be expressed through sincere, expressive lyrics characterized by brevity and simplicity. Flamenco baile is a dance of passion, courtship, expressing a wide range of situations ranging from sadness to joy. The technique is complex, differing depending on whether the performer is male (heavier use of the feet) or female (gentler, more sensual movements). Toque or the art of guitar playing has long surpassed its original role as accompaniment.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 363).
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
Abb. 6.8: Flamenco in einem Café in Madrid
Abb. 6.9: Anwendung einer Akupunktur
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6 Welterbe versus immaterielles Erbe
Traditionelle chinesische Medizin – Akupunktur und Moxibustion, Jahr der Einschreibung: 2010. „Acupuncture and moxibustion are forms of traditional Chinese medicine widely practised in China and also found in regions of south-east Asia, Europe and the Americas. The theories of acupuncture and moxibustion hold that the human body acts as a small universe connected by channels, and that by physically stimulating these channels the practitioner can promote the human body’s self-regulating functions and bring health to the patient. This stimulation involves the burning of moxa (mugwort) or the insertion of needles into points on these channels, with the aim to restore the body’s balance and prevent and treat disease.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 425).
Bedenkt man andererseits die Ambitionen zum Beispiel der deutschen Bierbrauer, Brotbäcker oder von Verbänden kommerziell agierender Orgelbauer in Westdeutschland, dann lässt sich auch im Prozess der Anwendung dieser Konvention ein Wertewandel erkennen. Die Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes war ursprünglich entwickelt worden, um die Potenziale von Erbe für Identitätsbildung und nachhaltige Entwicklung insbesondere in den bisher auf der Welterbeliste unterrepräsentierten Staaten zu fördern. Betrachtet man die aktuelle Politik der Einschreibung – und zwar die der Repräsentativen Liste – sowohl qualitativ als auch quantitativ, dann lässt sich auch bei dieser Konvention ein Popularisierungsprozess mit einer begleitenden Kommerzialisierung dieses Erbes nicht mehr von der Hand weisen. Auch hier ist die Frage zu stellen, ob und inwieweit die Praxis noch den Zielen entspricht.
Ausblick Als die UNESCO im Jahre 2005 ihren 60. Jahrestag feierte, hielt Claude Lévi-Strauss die Rede. Erneut unterstrich er die Gründungsprinzipien der UNESCO. Er führte aus, in welcher Weise die Prinzipien der UNESCO der Tatsache Rechnung tragen, dass Erbe und Identität grundlegende Faktoren für Kultur und kulturelle Entwicklung sind, und zwar unabhängig davon, wie, wo und wann sie ausgedrückt werden. Er sagte: „The true contribution of a culture consists, not in the list of inventions which it has personally produced, but in its difference from others. The sense of gratitude and respect which each single member of a given culture can and should feel towards all others can only be based on the conviction that the other cultures differ from his own in countless ways.“ (Lévi-Strauss 1952, S. 45).
Diese Ziele wurden in allen Projekten der UNESCO berücksichtigt. Sie spiegeln sich aber insbesondere in der Idee zur Bewahrung des immateriellen Erbes im Interesse einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung. In diesem Sinne setzt sich die Bewahrung des immateriellen Erbes in der allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt um und findet dort eine Zukunft.
6.2 Immaterielles Erbe in der Konvention von 2003
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Abb. 6.10: Vortrag auf dem Jemaa el-Fna Platz
„Im Laufe von Zeit und Raum nimmt die Kultur verschiedene Formen an. Diese Vielfalt spiegelt sich wider in der Einzigartigkeit und Vielfalt der Identitäten, die die Gruppen und Gesellschaften kennzeichnen, aus denen die Menschheit besteht. Als Quelle des Austauschs, der Erneuerung und der Kreativität ist kulturelle Vielfalt für die Menschheit ebenso wichtig wie die biologische Vielfalt für die Natur. Aus dieser Sicht stellt sie das gemeinsame Erbe der Menschheit dar und sollte zum Nutzen gegenwärtiger und künftiger Generationen anerkannt und bekräftigt werden.“ (DUK 2001, Art. 1).
Der Platz Jemaa el-Fna, Jahr der Einschreibung: 2008. „The Jemaa el-Fna Square is one of the main cultural spaces in Marrakesh and has become one of the symbols of the city since its foundation in the eleventh century. It represents a unique concentration of popular Moroccan cultural traditions performed through musical, religious and artistic expressions.“ (UNESCO Liste immaterielles Erbe Ref. 14).
7 Ausblicke Die Welterbekonvention kann als die erfolgreichste aller UNESCO-Konventionen betrachtet werden. Dennoch, der Erfolg ist durchaus ambivalent einzuschätzen. Einerseits ist es der Weltgemeinschaft gelungen, Erbe in Form von materieller Kultur und Natur als für die Nachwelt zu erhaltende Güter zu identifizieren und im öffentlichen wie im privaten Bewusstsein zu verankern. Andererseits haben sich einhergehend mit dem Bedeutungszuwachs der Konvention auch die Gefahrenpotenziale ihrer Funktionalisierung für sehr unterschiedliche Interessen und ihre diversen Repräsentanten herausgebildet. Die Nutzung der Konvention in einem politisch-ökonomischen Interesse in den Welterbekomitees oder für einen boomenden Tourismus wurde vorausgehend schon diskutiert. Hingewiesen wurde auch auf den Eurozentrismus des Welterbes, einhergehend mit einem Rückgang der Typenvielfalt von Erbe und einer Dominanz der europäischen Stätten. In diesem Kapitel befassen wir uns mit den Potenzialen, die Welterbe für eine nachhaltige menschliche Ent wicklung im weitesten Sinne bereithält. Das schließt ein, die Bedeutung herauszuarbeiten, über die Welterbe für Identitätsbildung und Friedensstiftung verfügt. Es beinhaltet weiterhin, die dem Welterbe immanenten Potenziale von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung in entsprechenden Nutzungskonzepten zu verankern. Das wiederum setzt Initiativen von Qualifizierung und Ermächtigung von Akteuren für die Ausbildung von individuell und gesellschaftlich verantwortlichem Handeln voraus. Verantwortliches Handeln von Menschen oder Gruppen benötigt Visionen über die Gestaltung von Zukunft. Es benötigt Wissen und Bewusstsein der Menschen über die Bedeutung von Erbe insgesamt, sei es im Kontext von Globalisierung und Migration, sei es vor dem Hintergrund des Klimawandels oder sei es unter Berücksichtigung des demografischen Wandels insbesondere in der medialen Revolution. Die in diesem abschließenden Kapitel Ausblicke entwickelten Vorschläge greifen den formulierten Bedarf auf und versuchen, ihn in Empfehlungen und Handlungskonzepte umzusetzen. Dabei wird berücksichtigt, dass die Zukunft der Welterbekonvention bereits in den Gründungsdokumenten der UNESCO formuliert worden ist, obwohl die Konvention selbst erst 1972 verabschiedet wurde. Insofern ist der Ausblick dialektisch konzipiert. Aus dem historischen Auftrag der UNESCO ergibt sich eine Reflexion der Gegenwart und daraus hergeleitet die Entwicklung von Konzepten für die friedliche Gestaltung der Zukunft. Die Welterbekonvention kann somit als ein Instrument der mehr als 60-jährigen politischen Repräsentation der UNESCO gewertet werden, das, wie andere Instrumente auch, für eine der diversen politisch bedeutsamen Maßnahmen steht, den Frieden in der Welt auf der Grundlage des gleichberechtigten Zusammenwirkens der Völker zu erreichen. Sie bezieht die bereits 1948 verabschiedete und umgesetzte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte genauso ein wie weitere Konventionen zum Kulturgüterschutz und zum Schutz des Erbes der Menschheit wie etwa die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten oder das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung
7 Ausblicke
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der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Konkretisiert im Sinne eines ausformulierten Entwicklungskonzeptes wurden die Beschlüsse und Umsetzungsvorschläge der UNESCO als sogenannte Rechtsinstrumente zu Beginn der 80er Jahre erstellt, auf der Mexiko-Konferenz zu Kulturpolitik,¹⁶⁰ im Jahre 1982, 1987 im Brundtland-Report¹⁶¹ und 1995 im Bericht Unsere kreative Vielfalt (Our creative diversity),¹⁶² der von Perez de Cuellar geleiteten Weltkommission für Kultur and Entwicklung. Als Handlungsempfehlungen fanden sich diese Strategien implizit auch in den Millennium-Entwicklungszielen (Millennium Development Goals)¹⁶³ wieder. In ihnen verdeutlichten die UN einmal mehr die engen Bezüge zwischen nationalen und internationalen Organen, den von diesen verabschiedeten Instrumenten und ihre strukturellen Umsetzungen in die Zivilgesellschaft. Immer ging es darum, das enorme Entwicklungspotenzial der Kulturen der Welt und ihr Erbe zu erfassen und dadurch neue Erkenntnisse über die Wirkungskraft existierender Werkzeuge in der Anwendung auf gesellschaftliche Transformationsprozesse zu gewinnen. Erbe gehört zu den konstituierenden Bestandteilen von Kultur. Deshalb bedarf es auch keiner expliziten Begründung dafür, dass kulturelle Entwicklung als menschliche Ent wicklung erfolgt und dass dafür Erbe in all seinen Facetten verfügbar gemacht werden muss. Denn: „Human development, as an approach, is concerned with what I take to be the basic development idea: namely, advancing the richness of human life, rather than the richness of the economy in which human beings live, which is only a part of it.“ (Sen 2007. S. 4). Menschliche Entwicklung in unserem Verständnis schließt Konzepte und Überlegungen zur Nachhaltigkeit im weitesten Sinne des Begriffs ein. Und selbst wenn Nachhaltigkeit in der theoretischen Diskussion bis heute auf den Schutz und die Nutzung der natürlichen Ressourcen der Welt ausgerichtet ist, findet ihre Umsetzung dennoch in den Institutionen und Strukturen der Zivilgesellschaft statt. Und genau hier schließt sich der Kreis. Menschliche Entwicklung ist ohne eine nachhaltige Nut-
160 World Conference on Cultural Policies vom 26. Juli bis 6. August in Mexiko-Stadt. Die Beschlüsse sind in der Mexico City Declaration on Cultural Policies zusammengefasst und beinhalten Themen wie etwa Cultural Identity, Cultural Dimension of Development, Culture and Democracy, Cultural Heritage etc. 161 Report of the World Commission on Environment and Development 1987. Our Common Future. Dieser Perspektivbericht beinhaltet eine Vielzahl von Prognosen und Vorstellungen zum nachhaltigen Gebrauch von Energie und einer umweltschonenderen Ent wicklung (UN 1987). 162 World Commission on Culture and Development 1995. Our Creative Diversity. Dieser Report umfasste im Wesentlichen ethische sowie kulturelle Fragen und enthielt des weiteren Abschnitte über Gender und junge Menschen (Pérez de Cuéllar. 1995). 163 Die Millennium Development Goals setzen sich aus den folgenden acht Ziele zusammen: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger, Primarschulbildung für alle, Gleichstellung der Geschlechter/ Stärkung der Rolle der Frau, Senkung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Mütter, Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten, ökologische Nachhaltigkeit und Aufbau einer globalen Partnerschaft für Ent wicklung (UN o. J.).
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7 Ausblicke
zung von Ressourcen nicht möglich und Nachhaltigkeit wiederum benötigt eine aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft.
7.1 Erbe und Ermächtigung der Akteure Die Ermächtigung von Akteuren zur Übernahme von Verantwortung (Stakeholder Empowerment) ist eine Strategie, die in den 80er Jahren im Zuge des Scheiterns des Ökonomismus in der Entwicklungspolitik erarbeitet wurde, die auf Partizipation unterschiedlichster Akteure an Prozessen von Demokratisierung und Entwicklung zielte. „Partizipation ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche und nachhaltige EZ (Ent wicklungszusammenarbeit) Partizipation trägt dazu bei, dass sich die Beteiligten für die Programme und Projekte selbst verantwortlich fühlen (ownership) und ihre jeweiligen kulturellen Wertvorstellungen und Interessen einbringen können. Damit unterstützt partizipative EZ die selbstbestimmte Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Partnerländern. Sie erweitert die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Zielgruppen, sich für verbesserte Rahmenbedingungen einzusetzen (empowerment).“ (BMZ 1999 S. 2).
Obwohl diese in den 80er Jahren formulierten Vorstellungen noch stark durch eine enge Verbindung von Wirtschaft und Politik geprägt waren, beruhten sie von Anfang an auf den Menschrechten und damit implizit auf den Zielen zur menschlichen Entwicklung. Im Laufe der Zeit wurde diese Strategie sukzessive von Institutionen wie der UNDP (United Nations Development Programme), der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) aber auch von den mit Entwicklungspolitik befassten Organen in der EU und nicht zuletzt auch von UN-Organisation wie insbesondere der UNESCO übernommen und thematisch wie zielgruppenspezifisch er weitert oder angepasst. In der Literatur erschien die Strategie dann als participatory development and good governance (OECD 1995) oder wie es inzwischen in Kurzform heißt: sustainable development und popular oder local participation. (UNESCO 2006). Wie weitgehend sich dieses partizipatorische Verständnis von Entwicklung durchgesetzt hat, einschließlich kultureller und nachhaltiger oder demokratischer und demografischer Entwicklung und nicht zuletzt einer, die gleiche Voraussetzungen für unterschiedlichste Zielgruppen schafft, wird deutlich an der Arbeit der im internationalen Feld agierenden Institutionen sowie an theoretischen Reflexionen über die Effektivierung und Effizienz der entwickelten Instrumente (vgl.: BMZ 1999; DUK 2009; DUK, UNESCO, BBF 2009; Bleckmann, P., Krüger, A., 2007; Henderson, P., Vercseg, I., 2010). Die für das Welterbe relevanten Instrumente finden sich heute in einer ganzen Reihe von Beschlüssen. Die dabei wichtigsten sind der Beschluss des Welterbekomitees von Budapest 2002, in dem formuliert wurde, dass bei zukünftigen Nominierungen
7.1 Erbe und Ermächtigung der Akteure
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nachhaltige Strategien zur conservation, credibility, capacity builiding, communication berücksichtigt werden sollten und der Beschluss des Komitees in Neuseeland im Jahr 2007, der community involvement zur Erreichung einer repräsentativen und ausgewogenen Welterbeliste vorsah¹⁶⁴. Explizit wurde die Berücksichtigung lokaler Akteure in der 2003er-Konvention zum immateriellen Erbe formuliert. Dort wurde die Einbeziehung aller Akteure in den Nominierungsprozess als Voraussetzung dafür festgeschrieben, dass sich die Komitees überhaupt mit einem Bewerbungsantrag für einen Eintrag in die Liste des immateriellen Erbes befassen. Das Welterbe selbst wurde noch einmal mit der Schwerpunktsetzung zum 40-jährigen Bestehen der Welterbekonvention: World Heritage and Sustainable Development: Role of Local Communities gewürdigt. Mittel- und langfristig sind Strategien zur Partizipation und zur Ermächtigung von Menschen in den Positionen zum Schutz und zur Nutzung von Erbe in der Millennium-Entwicklungstrategie vorgesehen. Die Ziele und auch die Inhalte, die mit menschlicher Ent wicklung und Ermächtigung der Akteure erreicht werden sollen, sind eindeutig definiert. Allerdings mangelt es bis heute an Umsetzungsstrategien genauso wie an einer anwendungsorientierten Forschung mit korrespondierenden Methoden. Einen entsprechenden Zugang bietet das im Kontext der Cultural Studies entwickelte Paradigma, das Kulturen als von Menschen gemacht versteht und deshalb die Zerstörung von Kulturen ebenso in Menschhand sieht. Dieses Paradigma bezieht die materielle Kultur wie die geistige ein, die Kunst genauso wie ihre kulturellen Institutionen. In diesem Verständnis sind Kulturen integrative Einheiten von Mensch, Technik und Gesellschaft, die sich als das Erbe von Individuen und Gesellschaften in einem historischen Prozess herausgebildet haben und die sich in ebensolchen Prozessen weiterentwickeln. Insofern ist Erbe wie Kultur selbst eine hochgradig dynamische Kategorie, die die kollektive Identität der Völker der Welt prägt und kontinuierlich weiterentwickelt. Es ist zugleich dieses kollektive Erbe der Menschen, das die Grundlage dafür bildet, dass Menschen jeweils individuelle Identitäten ausbilden können. Der Ertrag dieser aus den Cultural Studies begründeten wechselseitigen Beziehungen zwischen Kultur, Erbe und Identität für die Partizipation von Menschen am nachhaltigen Schutz und der Nutzung ihres Erbes könnte ein Zugang für weitergehende und mehrdimensionale Strategien von Qualifizierung und Ermächtigung sein. Auf der Grundlage eines im Kontext der Cultural Studies formulierten erkenntnistheoretischen Zugangs zu Erbe könnten schulische wie außerschulische Curricula entwickelt werden. Ermächtigung umgesetzt durch die Cultural Studies könnte auch Eingang in speziell mit Welterbe befassten Weiterbildungsprogrammen finden. Sie könnte zugleich die diversen Konstruktionen von Erbe aus dem bis heute sehr materiell definierten Diskurs im wissenschaftlichen Kontext um hermeneutische Geschichtsinterpretation, sozialwissenschaftlich geprägte Erkenntnistheorien und Methoden erweitern. Nicht zuletzt
164 Mit den hier formulierten sogenannten 5 Cs wird auf die Global Strategy ver wiesen.
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7 Ausblicke
erscheint es notwendig, die Ansätze der Diskussion um Global Governance durch Ansätze von nachhaltiger Entwicklung, Erbe und Partizipation der Akteure zu erweitern. Auf einer strukturell-praktischen Ebene könnten und sollten die die Welterbekonvention auslegenden Instrumente und Kategorien, mit denen der potenzielle Wert eines Erbes gemessen wird, für Nichtexperten nachvollziehbar gemacht werden. Zum Beispiel ist bisher in den Kriterien zur Bestimmung von Welterbe festzustellen, dass mit den Kategorien des Outstanding Universal Value eine Zielgruppe von Experten angesprochen wird, dass jedoch die damit einhergehenden Konstruktionen von Erbe jenseits der Interessen der in der Region bzw. der Lokalität lebenden Bevölkerung liegen. Das Gleiche gilt für die Identifizierungs- und Nominierungsprozesse von Stätten. Strategien von Qualifizierung und Ermächtigung sollten folgende exemplarische Maßnahmen ergreifen. Bei allen Nominierungs-, Schutz- und Nutzungskonzepten von Erbe sollten durch lokale Bevölkerungen identifiziert werden, wer die unterschiedlichen Akteure sind, welche Interessen(gruppen) sie vertreten und welche Beziehungen sie zu-, mit- und untereinander pflegen. Es sollte durch die sogenannten Locals analysiert werden, welche Formen der gesellschaftlichen Organisation es gibt und durch welche Entscheidungsstrukturen sie bestimmt sind. Für Akteure ist interessant zu erfahren, wie sie selbst, aber auch wie andere gesellschaftliche Gruppen Erbe im Sinne einer ganzheitlichen Entwicklung interpretieren und welche Ressourcen sie dafür mobilisieren. Die Beteiligten selbst sollten bei einer potenziellen Stätte in ihrem Umfeld ihr eigenes lokales Interesse identifizieren und insbesondere auch ihre immateriellen Werte ausfindig machen und berücksichtigten. Dass die Menschen dabei ihrer Schaffenskraft eine hohe Bedeutung zumessen, steht außer Frage. Durch solche und ähnliche Prozesse erhalten Erbestätten nicht nur eine größere Akzeptanz durch lokale Bevölkerungen, sie bieten zugleich Potenziale für eine nachhaltige sozio-ökonomische Entwicklung der Orte und Gesellschaften, in denen diese Stätten liegen. Erbe insgesamt wird durch die beschriebenen Maßnahmen von Ermächtigung zur Entwicklung der Persönlichkeiten der beteiligten Akteure beitragen.
7.2 Kultur, Erbe und Vielfalt „Das Beste an der Welt ist die Vielfalt der darin enthaltenen Universen“ (Galeano 2001, S. 64). Und die Erhaltung dieser Vielfalt ist eine Herausforderung für die Zukunft. Wichtige Bestandteile der Vielfalt der Universen sind die Natur mit ihrer Biodiversität und die Kultur. Kultur ist dabei ganzheitlich als materielle und stoff liche sowie als immaterielle und geistige Kultur verstanden. Spätestens seit der Budapester Deklaration des Welterbe-Komitees im Jahre 2002 ist der Bedarf an thematischer, kultureller und geografischer Diversität der Welterbestätten bekannt.¹⁶⁵ Bekannt sind auch die
165 Siehe dazu die Kapitel 3.2 und 3.3.
7.2 Kultur, Erbe und Vielfalt
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Forderungen der Staaten, im Welterbe die Vielfalt der menschlichen Kulturen als Beitrag für menschliche Entwicklung zu repräsentieren. Die immer wieder gleichen Typen von Stätten aus den immer wieder gleichen Regionen mit den gleichen historischen Kontexten werden diesen Forderungen nicht gerecht. Es ließe sich vielmehr, zugespitzt formuliert, sagen, dass bei der Bestimmung des Welterbes Einfalt statt Vielfalt vorherrscht. Auch das wird einer ausgewogenen globalen und nachhaltigen Entwicklung nicht gerecht. Andererseits wurden mit den Konventionen zur Bewahrung des immateriellen Erbes der Menschheit (2003) und mit dem Übereinkommen zur Förderung der kulturellen Vielfalt der Menschheit (2005) Instrumente verabschiedet, die den Trend der Uniformierung von kulturellem Erbe etwas bremsen sollen und vielleicht auch können. Der Stellenwert, den kulturelle Vielfalt selbst für die Herausbildung von Identität im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung hat, bleibt aber bisher auch mit der Anwendung dieser Konventionen unberücksichtigt (vgl. DUK 2007b). Die Potenziale, über die die vielfältigen Facetten von Kultur und Erbe im Interesse einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung verfügen, bleiben dadurch ungenutzt. Kulturelle Vielfalt ist repräsentiert durch ein sehr breites Spektrum an unterschiedlichen Lebensausdrücken und Bedürfnissen sowie durch einen ebenfalls sehr weit gefassten Umgang mit entsprechenden kulturellen und natürlichen Ressourcen. Kulturelle Vielfalt drückt sich aus in einer Vielzahl subkultureller Milieus einschließlich ihrer jeweiligen Vorlieben für Traditionen, Kunst, Ökonomie oder Religion. Die je national oder regional, kulturell oder gesellschaftlich geprägten Lebensausdrücke und Bedürfnisse von Menschen ermöglichen ihnen, ihre eigene Vergangenheit zu verstehen und zu interpretieren. Und das erlaubt ihnen, die Gegenwart zu bewältigen und die Zukunft zu gestalten. Der Schutz dieser natürlichen und kulturellen Vielfalt ist daher ein Anliegen der Völkergemeinschaft, die es über eine Reihe an Konventionen und Erklärungen ausgedrückt. Die jüngste dieser Konventionen ist die im Oktober 2005 von der UNESCO verabschiedete Übereinkunft zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Mit ihr festigte die Weltgemeinschaft die Besonderheiten nationaler kultureller Ausdrücke, so wie sie sich in der Kunst und im Film, in der Fotografie oder im Theater repräsentieren. Die fortschreitende Liberalisierung des Weltmarktes, die eben auch die kulturellen Ausdrücke von Menschen einbezieht, wurde mit dieser Konvention gebremst. Die Dresdner Völkerrechtlerin Sabine von Schorlemer, die von deutscher Seite an den Verhandlungen dieser Konvention beteiligt war, sagte dazu: „Im Kern geht es beim UNESCO-Übereinkommen um das Verhältnis zwischen ‚Markt‘ und ‚Staat‘ sowie um das Verhältnis zwischen Kulturindustrie und Kulturpolitik“ (Scheytt 2008, S. 48). Das Paradigma, das die Konzepte von der Vielfalt der Kulturen theoretisch trägt, beruht einerseits auf Ansätzen der Artikulation von kulturellen Differenzen und Zwischenräumen, in denen sich Menschen grenzen- und klassenübergreifend begegnen (Bhabha 2007). Andererseits beruht es auf den Transformationen von kultu-
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rellen Repräsentationen aus der kulturellen Gedächtnisforschung (Assmann, A. 1993, 2004; Assmann, J. 1997). Insofern ist Vielfalt selbst ebenso wie ihre gesellschaftliche Wahrnehmung dynamischen Prozessen ausgesetzt. Die Wahrnehmung von Vielfalt in der Welt beruht u. a. auf Erfahrung, und diese gewinnt man zum Beispiel durch Reisen. Noch in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts waren mit Reisen die unbegrenzten Möglichkeiten des Lebens und Erlebens von kultureller Andersartigkeit verbunden. Das galt selbst noch zu Beginn des in dieser Zeit entstehenden Massentourismus. Reisen erlaubten es, in jedem Land der Welt einzigartige materielle und immaterielle kulturelle Ausdrucksformen zu erleben. Auf lokalen Märkten konnte man Lebensausdrücke und die einheimische Produktvielfalt sinnlich wahrnehmen. Man konnte Produkte durch handeln erwerben und damit eintauchen in lokale Traditionen. Es entsprach den kulturellen Bedürfnissen der Menschen, kulturelle Ausdrücke als immaterielle Erinnerungen an Gerüche oder Bilder, als immaterielle Güter wie Musik oder handwerkliche Techniken für sich zu vereinnahmen. Obwohl diese Bedürfnisse immer noch vorhanden sind, sind heute solche immateriellen Erfahrungen kaum noch möglich. Inzwischen sind wir laut Nigel Barlay „mehr oder weniger alle Touristen in Hawaiihemden“ (Barley 2000) geworden, Reisende also, die heute eigentlich die Vielfalt der Welt besser denn je physisch für sich erschließen könnten, diese Vielfalt meistens aber nur noch auf Produkte reduzieren. Produkte der Vielfalt sind nicht mehr erlebnisreiche Welten selbst, sondern Imitationen von kulturellen Ausdrücken in Form von Animationen in abgeschotteten Hotelanlagen oder Interpretationen von kulturellen Gütern, hergestellt als Massenprodukte, wie die vom „Spiegel“ benannten Hawaiihemden oder andere, mit „weiter Welt“ konnotierte Produkte. Auf lokalen Märkten finden sich die immer gleichen industriell erzeugten Figuren, Gefäße oder sonstiger Kitsch. So ist auch internationale Vielfalt zu einer besonderen Einfalt mutiert, die mit Fast Food beginnt und bei einem Einheitsoutfit endet, das sich weltweit ähnelt. Die Stylings sind den global ausgestrahlten TV-Serien abgeschaut, Uniformität kennzeichnet Musik-, Literatur- und Kunststile. Die Vielfalt der Kulturen und damit die Konstruktionen von Erbe bestehen darin, dass sie geradezu prädestiniert sind, subkulturelle Lebensformen und verschiedenartige Ausdrücke abzubilden. Kulturen sind niemals in sich geschlossene Gebilde. Auch dann, wenn Kulturen durch autokratische Systeme nach außen abgeschottet wurden, haben sie sich nach innen differenziert, weiterentwickelt und neue materielle und immaterielle Ausdrucksformen entstehen lassen. Die Herausbildung kultureller Vielfalt ist konstituierender Bestandteil von kultureller Entwicklung selbst. Es ist kein Phänomen, das aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen geschuldet ist. Kulturelle Vielfalt entspringt der Dynamik, mit der sich Kulturen aus der Vergangenheit in die Gegenwart bewegen und dabei mit all der ihnen immanenten Kreativität die Herausforderungen meistern, mit denen sie in diesen Prozessen konfrontiert sind und mit der sie zugleich die Zukunft zu gestalten.
7.3 Welterbe und nachhaltige Entwicklung
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Hier stellt sich deshalb die Frage, wie Vielfalt erfasst und vermittelt werden muss, damit sie für die Menschen fruchtbar gemacht werden kann. Diese Frage bezieht sich auf die Vielfalt menschlicher Kulturen einschließlich ihrer Werte und Normen. Sie betrifft ebenso die Religionen und ihre Repräsentationen. Vielfalt wird seit jeher auch in Musik-, Tanz- oder Kunststilen ausgedrückt oder dort, wo Menschen ihre materiellen Lebensbedingungen in kulturelle Muster umsetzen wie in die vielfältigen Facetten der heutigen Jugendkulturen. Diese Vielfalt bezieht sich auch auf das Erbe der Menschheit und darauf, wie die Kategorien zur Bestimmung des Erbes der Menschheit gefasst werden müssen, damit sie die geografische, kulturelle, religiöse, materielle und immaterielle Vielfalt in den Welterbelisten widerspiegeln können. Die Frage nach einer anwendbaren Interpretation von Vielfalt und ihrer Umsetzung in Handlungsstrategien muss von globalen und nationalen UN-Institutionen wie der UNESCO genauso beantwortet werden wie von der Wissenschaft. Es ist zugleich eine Herausforderung an die Wissenschaft, zu erforschen, ob und in welcher Weise kulturelle Vielfalt und Erbe konstruktiv für menschliche Entwicklung umsetzbar sind bzw. wie Schutz von Vielfalt zum Beispiel im Schutz und durch den Schutz von Erbe zu fokussieren ist. Wie können lokale Akteure ihre kulturelle, religiöse, ökonomische und politische Vielfalt, die sich an und in den Stätten ihres Erbes repräsentiert, für menschliche Entwicklung nutzen, ohne auf die vorhandenen Kategorien verzichten zu müssen? Dabei stellen sich im Kontext der Konventionen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes, zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und zum Schutz des Welterbes eine Reihe von grundsätzlichen Fragen: Wie können in sich dynamisch verändernden Kulturen vor allen Dingen das immaterielle Erbe und die kulturellen Ausdrücke geschützt werden, ohne kulturelle Innovationen zu blockieren? Worin besteht die Sinnhaftigkeit der Bewahrung des immateriellen Erbes, und ab wann kehrt sich lebenserhaltende Bewahrung in Musealisierung um? Wo ist die Grenze zwischen Bewahrung von Kultur und ihrer Exotisierung zu ziehen? Wie sollten Traditionen bewahrt und überliefert werden, damit sie nicht statisch werden? Zugespitzt formuliert: Was ist zu tun, damit der Schutz der materiellen und immateriellen Kulturgüter sich nicht kontraproduktiv auf die Entwicklung vielfältiger Lebenspraktiken und ihren Innovationen auswirkt?
7.3 Welterbe und nachhaltige Entwicklung Ausgelöst durch die Industrialisierung und damit einhergehend durch massiven Holzschlag in den großen Wäldern Europas entstand die Idee von Nachhaltigkeit im 19. Jahrhundert. Sie wurde geprägt von den Waldarbeitern, die sich durch eben diesen Holzschlag ihrer ökonomischen Grundlagen beraubt sahen und sich dafür einsetzten, dass Bäume nachgepflanzt wurden. Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Begriff von der entstehenden Umweltbewegung aufgegriffen.
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Seine bis heute anerkannte Bedeutung erhielt der Begriff durch seine Einbindung in das Konzept der nachhaltigen Entwicklung, geprägt 1987 von der sogenannten United Nation’s Brundtland Commission, die nach ihrer Leiterin, der damaligen schwedischen Ministerpräsidentin Brundtland, benannt wurde. Diese Kommission gilt als die erste, die sich vor dem Hintergrund der Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt mit Fragen von Bevölkerungsentwicklung und Humanressourcen, Ernährung, Ökosystemen, Energie, industrieller Entwicklung und Urbanisierung auseinandersetzte. Als Weltkommission für Umwelt und Ent wicklung veröffentlichte sie den Report Unsere gemeinsame Zukunft (Our Common Future), aus dem bis heute zitiert wird. Definiert wird nachhaltige Entwicklung (sustainable development) als: „Development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (UN 1987, Kapitel 2, Punkt 1). Der Begriff der Nachhaltigkeit ist von dem der Entwicklung nicht zu trennen und sollte deswegen auch perspektivisch so genutzt werden. Nachhaltige Entwicklung bedeutet ökonomische Entwicklung auf der Grundlage eines Gebrauchs der natürlichen Ressourcen, der es ermöglicht, dass auch die nachfolgenden Generationen von ihnen noch profitieren können. Es ist ein Verbrauch von Ressourcen, der das Bewusstsein darüber beinhaltet, dass eben diese begrenzt sind. Deshalb sind die Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen Nutzung von UNESCO-Welterbestätten daraufhin zu untersuchen, wie die Zukunft bei aktueller ökonomischer Nutzung gestaltet werden kann. Und um es vor wegzunehmen: Wir halten es für eine falsche Strategie, damit allein auf den Tourismus einschließlich der ihm immanenten Begrifflichkeiten und Vermarktungsstrategien zu setzen. Nachhaltigkeit betrifft nicht allein die Stätte, sondern steht im Kontext ihres sozialen und kulturellen Umfeldes. Sie ist darüber hinaus in kurz- mittel- und langfristiger Perspektive zu formulieren. Das betrifft auch die übergreifende und/oder die jeweilige inhaltliche und methodische Schwerpunktsetzung. Kritik an den Konstrukten nachhaltiger Nutzungen von Welterbestätten zielt auch auf solche Ansätze, die Nachhaltigkeit im Kontext von sozialer und ökonomischer Entwicklung fordern, ohne die Interessen der beteiligten Akteure einzubeziehen. Mit anderen Worten: Nachhaltigkeit und lokale Partizipation an Entwicklungsprozessen ist eine im politischen Diskurs hinreichend bekannte und relativ verbreitete Forderung. Auch ist bekannt, dass es für eine Umsetzung dieser Strategie eines Konzeptes von Aus- und Weiterbildung bzw. Ermächtigung bedarf. Die Frage, die jedoch beantwortet werden muss, ist die, warum die eingesetzten Strategien selten erfolgreich sind. Erbe unter ökonomischen Kriterien zu fassen bedeutet, innovative Überlegungen aus dem Entrepreneurship umzusetzen, wie sie zum Beispiel von Günter Faltin in seinem Buch Kopf schlägt Kapital (Faltin 2013) vorgestellt werden oder Konzepte von öffentlich-privaten Partnerschaften zu realisieren wie bspw. bei der Kooperation der Deutschen UNESCO-Kommission mit dem Reinigungsgerätehersteller Kärcher bei der Reinigung deutscher Welterbestätten. Solche Ansätze lassen sich aber auch aus den Konzepten der kürzlich verstorbenen Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom zu den Gemein-
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gütern herleiten, die sie bereits in den 90er Jahren entwickelte und propagierte (vgl. dazu Ostrom 1990). Die Idee der Gemeingüter besteht darin, dass knappe Ressourcen wie saubere Luft, Wasser und das Erbe der Menschheit nicht als private oder öffentliche Güter betrachtet werden dürfen, sondern dass sie Gemeingüter sind und als solche auch behandelt werden müssen. Für Gemeingüter trägt die Gemeinschaft, bestehend aus mündigen Bürgern, die Verantwortung. Welterbe ist ein Gemeingut und als solches zu behandeln, wenn die Menschen es für mündige Bürger als identitätsstiftend erhalten wollen. Es ist evident, dass Menschen in jeder Weise in der Lage sind, sich verantwortlich zu engagieren. Dazu brauchte es nicht erst Erfahrungen mit Entwicklungen wie zum Beispiel mit „Stuttgart 21“ oder Bürgerinitiativen gegen neue Startbahnen an Flughäfen. Auch Welterbe wurde in Dresden oder im Fall des Kakadu-Nationalparks in Australien mit großem Engagement lokaler Bevölkerung verteidigt. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass eine nachhaltige Nutzung von Erbe auch an mündige Bürger übertragen werden muss, anstatt dieses – wie bisher im politisch-administrativen Feld üblich – nur zu fordern.
Glossar Das Glossar erläutert im Buch verwendete Begriffe aus dem Kontext von UNESCO und Welterbe. Außergewöhnlicher Universeller Wert (Outstanding Universal Value (OUV)): „Der außergewöhnliche universelle Wert bezeichnet eine kulturelle und/oder natürliche Bedeutung eines Erbes, das so außergewöhnlich ist, dass es die nationalen Grenzen durchdringt und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Generationen der gesamten Menschheit wichtig ist. Aus diesem Grund ist der dauerhafte Schutz dieses Erbes von größter Bedeutung für die gesamte internationale Staatengemeinschaft“ (UNESCO 2008a, § 49). Authentizität bzw. Echtheit (Authenticity): Bedeutet diejenige Qualität einer Stätte, die ihre kulturelle Bedeutung durch ihre materiellen Eigenschaften und ihre immateriellen Werte auf stimmige und glaubwürdige Weise ausdrückt. Sie ist abhängig von der Art des kulturellen Erbes und ihrem kulturellen Zusammenhang (UNESCO 2008a, § 79–86). Beratende Fachgremien (Advisory Bodies): Drei beratende Fachgremien unterstützen das Welterbekomitee. Im Bereich des Kulturerbes sind dies der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS, siehe ICOMOS) und das Internationale Studienzentrum für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (ICCROM, siehe ICCROM), im Bereich des Naturerbes die Internationale Union zur Erhaltung der Natur (IUCN, siehe IUCN) (UNESCO 2008a, § 30–37). Brundtland-Bericht – Unsere gemeinsame Zukunft (Our Common Future): Als Brundtland-Bericht wird ein Bericht mit dem Titel „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Our Common Future) bezeichnet, den die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen („Brundtland-Kommission“) 1987 veröffentlichte. Im Brundtland-Bericht wurde erstmals ein Leitbild zur nachhaltigen Entwicklung (sie nachhaltige Entwicklung) entwickelt. Ferner stellt der Brundtland-Bericht fest, dass globale Umweltprobleme hauptsächlich das Resultat der großen Armut im Süden und der nicht nachhaltigen Produktionsprozesse und des Rohstoff konsums des Nordens sind (UN 1987). Empfehlungen (Recommendations): Empfehlungen werden von der Generalkonferenz der UNESCO mit einfacher Mehrheit angenommen, sind völkerrechtlich nicht verbindlich und stellen formulierte Grundsätze und Normen für die internationale Regulierung einer bestimmten Frage dar. Empfehlungen fordern die Mitgliedstaaten dazu auf, gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, um sie unter Berücksichtigung der regionalen Prinzipien und Normen anzuwenden (Winkler 2009, S. 8 f.).
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Empowerment: Empowerment umfasst Strategien und Maßnahmen, die Menschen dabei helfen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Empowerment ist als Prozess zu verstehen, der das Selbstvertrauen benachteiligter Bevölkerungsgruppen stärkt und sie in die Lage versetzt, ihre Interessen zu artikulieren und sich am politischen Prozess zu beteiligen. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung der vorhandenen Potenziale der Menschen (BMZ 2014). Erklärungen (Declarations): Erklärungen sind ein Instrument zur Festlegung von Normen, die nicht Gegenstand einer Ratifikation (siehe Ratifikation) sind. Erklärungen sind in der Satzung der UNESCO nicht ausdrücklich vorgesehen und sind wie Empfehlungen nicht rechtlich bindend. Inhalt, Form und Funktion von Erklärungen sind unterschiedlich aufgebaut, doch verfügen sie grundsätzlich über eine einheitliche Struktur, bestehend aus einer Präambel und einer Reihe von Artikeln. Im Gegensatz zu Übereinkommen und Empfehlungen existieren für Erklärungen keine Verfahrensregeln. Ebenso gibt es keine standardisierten Verfahren zur Über wachung der getroffenen Regelungen und Ideen. In den meisten Fällen basiert eine Erklärung auf einer freiwilligen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der in ihr enthaltenen Leitsätze (Winkler 2009, S. 9 f.). Exekutivrat (Executive Board): Der Exekutivrat der UNESCO ist das Bindeglied zwischen Generalkonferenz und Sekretariat. Als Aufsichtsorgan bereitet er die Generalkonferenz vor und prüft die Arbeitsprogramme sowie den Haushaltsplan. Er tagt insgesamt fünf Mal in einem Zweijahreszeitraum für drei Wochen. Der Exekutivrat schlägt auch den Generaldirektor vor, der von der Generalkonferenz für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird (DUK 2014a). Gemischte Stätten (Mixed Sites): „Stätten gelten als gemischtes Kultur- und Naturerbe, wenn sie die Begriffsbestimmungen des Kultur- und des Naturerbes nach Artikel 1 und 2 des Übereinkommens teilweise oder ganz erfüllen.“ (UNESCO 2008a, § 46). Generalkonferenz (General Conference): Die UNESCO-Generalkonferenz ist das Hauptentscheidungsgremium der gesamten Organisation. Alle zwei Jahre entscheidet sie in Paris über Programme und Haushalt der Organisation. Sie verabschiedet Übereinkommen, Empfehlungen und Erklärungen. Sie wählt den Exekutivrat, der sich aus 58 Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt. In der Generalkonferenz gilt das Prinzip: ein Staat – eine Stimme (DUK 2014a). Generalversammlung der Ver tragsstaaten der Welterbekonvention (General Assembly): Bisher haben 190 Staaten das Übereinkommen zum Schutz des Kulturund Naturerbes der Welt unterzeichnet. Alle zwei Jahre wird die Generalversammlung der Vertragsstaaten der Welterbekonvention einberufen. Sie wählt die 21 Mitglieder des Welterbekomitees und setzt den einheitlichen, für alle Vertragsstaaten geltenden Schlüssel für die Beiträge zum Welterbefonds fest (DUK 2014b).
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Globale Strategie (Global Strategy): Die UNESCO hat 1994 die Globale Strategie verabschiedet. Sie ist ein Instrument, mit dem durch eine Reihe von Maßnahmen eine geografisch und kulturell ausgewogene Welterbeliste erreicht werden soll. Unter anderem sieht sie Strategien vor, Nominierungen aus Ländern, die bisher nicht in der Welterbeliste verzeichnet sind, Priorität einzuräumen (DUK 2014c). Good Governance: „Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff ‚gute Staatsführung‘ oder auch ‚gute Regierungsführung‘. Gemeint ist die Art und Weise, in der in einem Staat Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Good Governance beschränkt sich nicht auf die Regierung, sondern gilt für alle Betroffenen und Beteiligten. Gute Regierungsführung ist verantwortungsvolle Regierungsführung und hat unter anderem folgende Charakteristika: Sie ist transparent und effektiv. Sie legt Rechenschaft ab. Sie beteiligt alle Menschen und berücksichtigt die Meinung von Minderheiten und die Bedürfnisse von Schwachen“ (BMZ 2014). ICCROM: Die Internationale Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (ICCROM) wurde 1956 gegründet und befasst sich weltweit mit der Erforschung von Schutz- und Restaurierungsmaßnahmen bezüglich Kulturgütern. ICCROM sammelt, prüft und verbreitet Informationen, koordiniert Forschungsvorhaben, leistet Beratung und technische Unterstützung und ist vorrangiger Partner der UNESCO bei der Ausbildung von Fachkräften zur Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (UNESCO 2008a, § 32–33). ICOMOS: Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) ist die internationale nichtstaatliche Organisation, die sich weltweit für den Schutz und die Pflege von Denkmälern und für die Bewahrung des historischen Kulturerbes einsetzt. ICOMOS beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbekomitees und an der Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Weltkulturerbe. Nationalkomitees bestehen bereits in mehr als 120 Ländern. Darüber hinaus hat ICOMOS mehr als 25 internationale wissenschaftliche Komitees (UNESCO 2008a, § 34–35). Immaterielles Kulturerbe (Intangible Heritage): „Unter ‚immateriellem Kulturerbe‘ sind Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume – zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen. Dieses immaterielle Kulturerbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, wird von den Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet und vermittelt ihnen ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird“ (UNESCO 2003c, Art. 2).
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Integrität bzw. Unversehrtheit (Integrity): Integrität ist ein Maßstab für die Prüfung des Vorhandenseins von Vollständigkeit und Intaktheit eines gebauten Erbes, seiner Eigenschaften und Werte. Die Prüfung, ob die Bedingungen von Integrität erfüllt sind, verlangt deshalb eine Beurteilung darüber, inwieweit das Denkmal: a) alle Bestandteile enthält, die notwendig sind, um seinen Wert auszudrücken; b) die gesamte Bandbreite von Eigenschaften und Prozessen auf weist, welche die Bedeutung des Denkmals vermitteln; c) durch nachteilige Effekte der Entwicklung und/oder Vernachlässigung geschädigt ist (UNESCO 2008a, § 87–95). IUCN: Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) wurde 1948 gegründet und umfasst derzeit 80 Staaten, 120 Regierungsorgane, über 800 Nichtregierungsorganisationen sowie Experten und Wissenschaftler aus 181 Ländern. Die IUCN hat sich zur Aufgabe gemacht, dass die Integrität und die Diversität der Natur weltweit respektiert werden. Zudem engagiert sie sich für einen ökologisch nachhaltigen und gerechten Umgang mit den natürlichen Ressourcen. IUCN ist das größte weltweite Netzwerk von Umweltwissen und setzt allgemeingültige Umweltstandards (UNESCO 2008a, § 36–37). Kriterien für die Beurteilung des außergewöhnlichen universellen Wertes (Criteria): Bei der Entscheidung über die Aufnahme einer Stätte in die Welterbeliste werden übergreifende Kriterien der Einzigartigkeit (OUV), der Authentizität (historische Echtheit) und der Integrität (Unversehrtheit) angewendet. Der außergewöhnliche universelle Wert beruht auf 10 Kriterien, von denen mindestens ein Kriterium für eine Aufnahme in die Welterbeliste erfüllt sein muss. Die Stätte muss „(i) ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen; (ii) für einen Zeit- oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf Entwicklung der Architektur oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen; (iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen; (iv) ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Menschheits-Geschichte versinnbildlichen; (v) ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder der Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere, wenn diese unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht wird; (vi) in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein. (Das Komitee ist der Ansicht, dass dieses Kriterium in der Regel nur in Verbindung mit einem weiteren Kriterium angewandt werden sollte);
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(vii) überragende Naturerscheinungen oder Gebiete von außergewöhnlicher Naturschönheit und ästhetischer Bedeutung auf weisen; (viii) außergewöhnliche Beispiele der Hauptstufen der Erdgeschichte darstellen, einschließlich der Entwicklung des Lebens, wesentlicher im Gang befindlicher geologischer Prozesse bei der Entwicklung von Landschaftsformen oder wesentlicher geomorphologischer oder physiographischer Merkmale; (ix) außergewöhnliche Beispiele bedeutender im Gang befindlicher ökologischer und biologischer Prozesse in der Evolution und Entwicklung von Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeresökosystemen sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften darstellen; (x) die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutendsten und typischsten Lebensräume enthalten, einschließlich solcher, die bedrohte Arten enthalten, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.“ (UNESCO 2008a, § 77–78). Kulturerbe (Cultural Heritage): Im Sinne des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972 gelten als Kulturerbe: „Denkmäler: Werke der Architektur, Großplastik und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind. Ensembles: Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind. Stätten: Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“ (UNESCO 2008a, § 45). Kulturgut (Cultural Property): Kulturgut im Sinne des am 14. Mai 1954 verabschiedeten Haager Abkommens für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten sind ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: „(a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist, wie z. B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler kirchlicher oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gruppen von Bauten, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, von Archivalien oder von Reproduktionen des oben umschriebenen Kulturguts; (b) Gebäude, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des unter a umschriebenen beweglichen Guts dienen, wie z. B. Museen, große Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a umschriebene bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; (c) Denkmalzentren, das
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heißt Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a und b auf weisen“ (UNESCO 1954, Art. 1). Kulturlandschaften (Cultural Landscapes): „Kulturlandschaften sind Kulturgüter und stellen die in Artikel 1 des 1972 UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kulturund Naturerbes der Welt bezeichneten gemeinsamen Werke von Natur und Mensch dar. Sie sind beispielhaft für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und Ansiedlung im Verlauf der Zeit unter dem Einfluss der physischen Beschränkungen und/oder Möglichkeiten, die ihre natürliche Umwelt auf weist, sowie der von außen und innen einwirkenden aufeinander folgenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte“ (UNESCO 2008a, § 47). Liste des gefährdeten Welterbes bzw. Rote Liste (List of World Heritage in Danger): Nach Artikel 11 der Welterbekonvention werden in die Liste des gefährdeten Welterbes Stätten aufgenommen, die infolge von Krieg oder Naturkatastrophen, durch Verfall, durch städtebauliche Vorhaben oder private Großvorhaben ernsthaft bedroht sind. Mit der Eintragung in die sogenannte „Rote Liste“ will das Welterbekomitee die Aufmerksamkeit der politisch Verantwortlichen und das öffentliche Interesse am Schutz der gefährdeten Kultur- und Naturerbestätten wecken. Die Liste des gefährdeten Welterbes wird jährlich auf der Tagung des Welterbekomitees überprüft. Derzeit stehen 46 Welterbestätten auf der Roten Liste (UNESCO 2008, § 11). Mitgliedsstaaten (Member States): Derzeit sind 195 Staaten und Gebiete Mitglied der UNESCO. Neun weitere Territorien sind assoziierte Mitglieder, hierzu zählen Anguilla, Aruba, die Britischen Jungferninseln, Curaçao, Färöer, die Kaimaninseln, Macao, Sint Maarten und Tokelau. Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development): „Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um unsere globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein“ (BMZ 2014). Naturerbe (Natural Heritage): „Im Sinne dieses 1972er-UNESCO-Übereinkommens gelten als Naturerbe: Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungsformen oder -gruppen bestehen, welche aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind. Geologische und physiographische Erscheinungsformen und genau abgegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind. Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“ (UNESCO 2008a, § 45).
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Operative Leitlinien bzw. Richtlinien (Operational Guidelines): Die Operativen Leitlinien sind die Durchführungsbestimmungen des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt und erleichtern die Umsetzung des Übereinkommens in den Vertragsstaaten, indem sie Verfahren festlegen für: „(a) die Eintragung von Gütern in die Liste des Erbes der Welt und die Liste des gefährdeten Erbes der Welt; (b) den Schutz und die Erhaltung von Welterbegütern; (c) die Gewährung internationaler Unterstützung im Rahmen des Fonds für das Erbe der Welt; (d) die Mobilisierung innerstaatlicher und internationaler Unterstützung für das Übereinkommen“ (UNESCO 2008a, § 1). Partizipation: Der Begriff Partizipation geht auf das lateinische Wort „particeps“ zurück und steht für Beteiligung, Teilhabe, Mitwirkung und Einbeziehung. Partizipation bedeutet, dass sich Bevölkerungsgruppen und Organisationen aktiv und an allen Entscheidungen beteiligen, die ihr Leben beeinflussen. Partizipation trägt dazu bei, dass die Zielgruppen ihre Interessen artikulieren und durchsetzen können (siehe Empowerment). Partizipation bedeutet außerdem, dass die Menschen ihre Erfahrungen und Wertvorstellungen in die gemeinsame Arbeit einbringen (BMZ 2014). Pufferzonen (Buffer zones): Pufferzonen sind Übergangsgebiete von der Kernzone einer Stätte zur weiteren Umgebung. „Zum Zwecke eines wirksamen Schutzes einer Welterbestätte wird eine Pufferzone als ein Gebiet definiert, welche die Stätte umgibt und dessen Nutzung und Entwicklung durch ergänzende gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Regeln eingeschränkt sind, die einen zusätzlichen Schutz für das Gut bilden. Die Pufferzone sollte das unmittelbare Umfeld der Stätte, wesentliche Sichtachsen und andere Gebiete oder Merkmale umfassen, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen“ (UNESCO 2008a, § 104). Ratifikation: Bedeutet die Bestätigung eines völkerrechtlich bindenden Vertrags durch die Mitgliedstaaten der UNESCO entsprechend der Verfassung des jeweiligen Staates. In Deutschland muss der Bundestag in Form einer Gesetzesvorlage ratifizieren. Nach der Unterzeichnung des entsprechenden Vertrags werden völkerrechtliche Verträge rechtswirksam. Regelmäßige Berichterstattung (Periodic reporting): Die regelmäßige Berichterstattung ist ein Verfahren zur Überwachung von Welterbestätten durch die Vertragsstaaten zum UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Die regelmäßige Berichterstattung dient vier Hauptzielen: „(a) zu einer Bewertung der Anwendung des Welterbe-Übereinkommens durch den Vertragsstaat zu gelangen; (b) zu einer Bewertung zu gelangen, ob der außergewöhnliche universelle Wert der in die Liste des Erbes der Welt eingetragenen Güter andauernd bewahrt wird; (c) aktuelle Informationen über die Welterbegüter zur Verfügung zu stellen, um die Veränderungen der Umstände und den Erhaltungszustand der Güter zu erfassen; (d) einen Mechanismus für die regionale Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen den Vertragsstaaten über die Durchführung des Übereinkom-
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mens und die Erhaltung des Welterbes zur Verfügung zu stellen“ (UNESCO 2008a, § 199–201). Schutz von Welterbe (Protection): Der Schutz von Welterbe ist durch eine Reihe von festgelegten Maßnahmen geregelt. Hierzu gehören Richtlinien auf nationaler und lokaler Ebene, die den Erhalt einer Stätte und ihren Schutz vor Entwicklungen und Veränderungen gewährleisten, die nachteilige Auswirkungen auf den außergewöhnlichen universellen Wert oder die Unversehrtheit und/oder die Echtheit der Stätte haben könnten. Vertragsstaaten sollten ferner die vollständige und wirksame Umsetzung dieser Maßnahmen sicherstellen (UNESCO 2008a, § 98). Sekretariat (Secretariat): „Das Sekretariat der UNESCO in Paris, an dessen Spitze die Generaldirektorin Irina Bokova steht, setzt das UNESCO-Programm operativ um. Es gliedert sich in mehrere Abteilungen, in denen rund 2000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Generaldirektorin nimmt an den Sitzungen der Generalkonferenz, des Exekutivrates und der Ausschüsse ohne Stimmrecht teil und erstellt Berichte über die Tätigkeit der Organisation“ (DUK 2014a). Strategische Ziele (Stategic Objectives): Die strategischen Ziele für die Welterbekonvention wurden ausgearbeitet, um die Umsetzung des Übereinkommens zu fördern. Diese Ziele werden in regelmäßigen Abständen überprüft und überarbeitet, damit die konkreten Zielsetzungen des Welterbekomitees so festgelegt werden, dass die wirksame Bekämpfung neuer Gefahren, die das Welterbe bedrohen, sichergestellt werden kann. Die derzeit geltenden strategischen Ziele (im Englischen als 5 Cs bezeichnet) sind: „1. Stärkung der Glaubwürdigkeit der Liste des Erbes der Welt (Credibility). 2. Sicherstellung der wirksamen Erhaltung der Welterbegüter (Conservation). 3. Förderung des wirksamen Aufbaus von Kapazitäten in den Vertragsstaaten (Capacity-Building). 4. Förderung des öffentlichen Bewusstseins, der öffentlichen Beteiligung und Unterstützung für das Erbe der Welt durch Öffentlichkeitsarbeit (Communication). 5. Stärkung der Rolle der Gemeinschaften bei der Durchführung des WelterbeÜbereinkommens (Communities)“ (UNESCO 2008a, § 25–26). Übereinkommen bzw. Konvention (Convention): Als Übereinkommen bezeichnet die UNESCO ein von den Mitgliedstaaten der UNESCO erarbeitetes Instrument bzw. ein Vorhaben, das durch die Parlamente der Mitgliedsstaaten selbst ratifiziert werden muss, um auch für den entsprechenden Staat Gültigkeit zu erlangen. Sobald ein Mitgliedstaat ein Übereinkommen ratifiziert hat, wird dieser Staat ein Vertragsstaat der Konvention (siehe Vertragsstaaten) (Winkler 2009, S. 7 f.). Überwachung des Erhaltungszustands von Welterbestätten (Monitoring): In Artikel 29 des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt werden die Unterzeichnerstaaten aufgefordert, regelmäßig über die Anwendung der Konvention und den Zustand der Welterbestätten zu berichten (siehe regelmäßige
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Berichterstattung). Auf der Generalversammlung der Vertragsstaaten der Welterbekonvention wurde 1997 beschlossen, dass diese Berichte alle sechs Jahre dem Welterbekomitee vorgelegt werden sollen (UNESCO 2008a, § 29). UNESCO: UNESCO steht für United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization – Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Sie ist eine von 16 rechtlich selbstständigen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Derzeit sind 195 Mitgliedstaaten in der UNESCO vertreten. Sie hat ihren Sitz in Paris. Die Leitidee der UNESCO lautet: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“ (UNESCO 1945). Unsere kreative Vielfalt (Our Creative Diversity): Dieser von der Weltkommission für Kultur und Entwicklung erarbeitete Bericht wurde den Vereinten Nationen 1995 vorgelegt und erörtert die Möglichkeiten, Grenzen und Probleme der künftigen Nutzung von Kultur für die globale Entwicklung. Der Bericht betrachtet kulturelle Vielfalt als Grundlage jeder menschlichen Entwicklung und thematisiert die Grundsätze einer neuen Kulturpolitik. Er bietet Anregungen zur Neudefinition von Entwicklung in ihrem kulturellen Kontext und steht für eine die Entwicklungspolitik inspirierende starke Gewichtung von Kultur. Vertragsstaaten (State Parties): Als Vertragsstaaten werden Mitgliedsstaaten der UNESCO bezeichnet, die die Welterbekonvention im nationalen Recht ratifiziert haben. Die Vertragsstaaten des Welterbe-Übereinkommens sind dafür verantwortlich, „a) Erfassung, Anmeldung, Schutz, Erhaltung und Präsentation des Kultur- und Naturerbes, das sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet, sowie dessen Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen und bei diesen Aufgaben den anderen Vertragsstaaten Hilfe zu leisten, die darum ersuchen; b) eine allgemeine Politik zu verfolgen, die dem Erbe eine Funktion im öffentlichen Leben gibt; c) den Schutz des Erbes in umfassende Planungen einzubeziehen; d) Dienststellen für Schutz, Erhaltung und Präsentation des Erbes einzurichten; e) wissenschaftliche und technische Untersuchungen durchzuführen, um Maßnahmen zur Bekämpfung der dem Erbe drohenden Gefahren zu entwickeln; f) geeignete rechtliche, wissenschaftliche, technische, Ver waltungs- und Finanzmaßnahmen zum Schutz des Erbes zu treffen; g) die Einrichtung oder den Ausbau nationaler oder regionaler Zentren zur Ausbildung auf dem Gebiet des Schutzes, der Erhaltung und der Präsentation des Erbes zu fördern und die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu unterstützen; h) vorsätzliche Maßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar ihr Erbe oder das eines anderen Vertragsstaats des Übereinkommens beschädigen, zu unterlassen; i) dem Komitee für das Erbe der Welt ein Verzeichnis der Güter vorzulegen, die für eine Eintragung in die Liste des Erbes der Welt geeignet sind;
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j)
regelmäßig Beiträge an den Fonds für das Erbe der Welt zu zahlen, deren Höhe von der Generalversammlung der Vertragsstaaten festgesetzt wird; k) die Einrichtung nationaler Stiftungen und Vereinigungen des öffentlichen und privaten Rechts, die den Zweck haben, Spenden für den Schutz des Welterbes anzuregen, zu erwägen und zu fördern; l) zugunsten des Fonds für das Erbe der Welt organisierte internationale Werbemaßnahmen zur Auf bringung von Mitteln zu unterstützen; m) Bildungs- und Informationsprogramme einzusetzen, um die Würdigung und Achtung des in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes durch die Völker der Vertragsstaaten zu stärken und die Bevölkerung über die diesem Erbe drohenden Gefahren zu unterrichten; n) dem Komitee für das Erbe der Welt Angaben über die Durchführung des WelterbeÜbereinkommens und den Erhaltungszustand der Güter zu machen“ (UNESCO 2008a, § 15). Vorschlagslisten für das Welterbe (Tentative List): „Eine Vorschlagsliste ist ein Verzeichnis der Güter, die sich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats befinden und die er für die Eintragung in die Liste des Erbes der Welt für geeignet hält. Die Vertragsstaaten sollten daher in ihre Vorschlagslisten die Bezeichnung der Güter aufnehmen, die sie für Kultur- und/oder Naturerbe von außergewöhnlichem universellem Wert halten und deren Anmeldung sie für die kommenden Jahre beabsichtigen“ (UNESCO 2008a, § 62). Welterbefonds (World Heritage Fund): Der Welterbefonds unterstützt finanziell internationale Hilfsprojekte, Soforthilfen für Notfälle, die Ausbildung von Fachpersonal und technische Kooperationsprojekte. Über die Ver wendung des Fonds entscheidet das Welterbekomitee. Welterbekomitee (World Heritage Committee): Das Welterbekomitee der UNESCO ist das wichtigste mit der Umsetzung der Welterbekonvention betraute Gremium. Das Komitee, dem Experten aus 21 Ländern angehören, prüft auf seiner jährlichen Tagung, welche der von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Stätten in die Liste des Kulturund Naturerbes der Welt aufgenommen werden und prüft, ob die bereits gelisteten Stätten den Kriterien der Welterbekonvention noch entsprechen. Es unterstützt die Vertragsstaaten beim Schutz und/oder der Restaurierung durch fachliche und materielle Hilfe. Welterbeliste (World Heritage List): Die UNESCO-Liste des Erbes der Welt enthält alle Stätten, die von der UNESCO zum Weltkultur- sowie Weltnaturerbe ernannt wurden. Insgesamt sind 1007 Denkmäler in 161 Ländern in der Liste eingeschrieben (Stand 2014).
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Welterbestätten (World Heritage Sites): Als Welterbestätten werden die vom Welterbekomitee als Welterbe anerkannten Stätten bezeichnet. Derzeit sind 1.007 Stätten in 161 Ländern in der Welterbeliste eingetragen. Von den eingetragenen Welterbestätten sind 779 Kulturstätten, 197 Naturstätten und 31 gemischte Stätten. Welterbezentrum (World Heritage Centre): Das 1992 durch Bernd von Droste zu Hülshoff gegründete und bis 1999 geleitete Welterbezentrum ist das ständige Sekretariat des Welterbekomitees. Es hat die Aufgabe, die vom Welterbekomitee getroffenen Beschlüsse umzusetzen, zu protokollieren, zu dokumentieren und zu publizieren. Es organisiert die Tagungen der Generalversammlung und des Komitees, nimmt die Nominierungsanträge für die Welterbeliste entgegen, koordiniert das Monitoring der Welterbestätten und organisiert die periodische Berichterstattung. Es betreut den Welterbefonds, koordiniert internationale Hilfsprojekte und unterstützt die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Ziele und Programme im Rahmen der Welterbekonvention. Weltkommission für Kultur und Ent wicklung (World Commission on Culture an Development): Am 8. Dezember 1986 erklärten die Vereinten Nationen den Zeitraum von 1988 bis 1997 zur Weltdekade für kulturelle Entwicklung. 1991 wurde auf Ersuchen des UN-Generalsekretärs Javier Pérez de Cuéllar eine unabhängige Expertenkommission für Kultur und Entwicklung eingerichtet. Unter seinem dem Vorsitz erarbeitete die Weltkommission für Kultur und Entwicklung im Zeitraum von 1992 bis 1995 den Bericht „Unsere kreative Vielfalt“ („Our Creative Diversity“). Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development (WCED)): 1983 gründeten die Vereinten Nationen die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung als unabhängige Sachverständigenkommission mit Sekretariat in Genf. Ihr Auftrag war die Erstellung eines Perspektivberichts zu langfristig tragfähiger, umweltschonender Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus. Die Kommission veröffentlichte 1987 ihren auch als Brundtland-Bericht bekannt gewordenen Zukunftsbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“. Dieser beeinflusste die internationale Debatte über Entwicklungs- und Umweltpolitik maßgeblich. Die Kommission wurde am 31. 12. 1987 offiziell aufgelöst und im April 1988 als Zentrum für eine gemeinsame Zukunft (Centre for Our Common Future) in Genf fortgeführt und im Rahmen der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 reaktiviert.
Dokumente Die nachfolgenden Dokumente sind in der Chronologie ihrer Erstellung bzw. Verabschiedung zusammengestellt 1954
Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten 204 Konflikten
1964
Charta von Venedig
1970
Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der 227 unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut
1972
Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt
1982
Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik – Weltkonferenz über 254 Kulturpolitik
2003
Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes
2005
Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller 280 Ausdrucksformen
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238
263
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Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten Übersetzung¹
0.520.3
Abgeschlossen in Den Haag am 14. Mai 1954 Von der Bundesversammlung genehmigt am 15. März 1962² Schweizerische Beitrittsurkunde hinterlegt am 15. Mai 1962 In Kraft getreten für die Schweiz am 15. August 1962
Die Hohen Vertragsparteien – In der Erkenntnis, dass das Kulturgut während der letzten bewaffneten Konflikte schweren Schaden gelitten hat und infolge der Entwicklung der Kriegstechnik in zunehmendem Masse der Vernichtungsgefahr ausgesetzt ist; In der Überzeugung, dass jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit bedeutet, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet; In der Erwägung, dass die Erhaltung des kulturellen Erbes für alle Völker der Welt von grosser Bedeutung ist, und dass es wesentlich ist, dieses Erbe unter internationalen Schutz zu stellen; Geleitet von den Grundsätzen für den Schutz des Kulturguts bei bewaffneten Konflikten, die in den Haager Abkommen von 1899³ und 1907⁴ und im Washingtoner Vertrag vom 15. April 1935⁵ niedergelegt wurden; In der Erwägung, dass dieser Schutz nur dann wirksam sein kann, wenn sowohl nationale als auch internationale Massnahmen ergriffen werden, um ihn schon in Friedenszeiten zu organisieren; Entschlossen, alle zum Schutz des Kulturguts möglichen Massnahmen zu treffen – haben folgendes vereinbart:
AS 1962 1007; BBl 1961 II 1204 1 Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. 2 AS 1962 1005 3 SR 0.515.111 4 SR 0.515.112 5 Die Schweiz ist diesem Vertrag nicht beigetreten.
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Kapitel I Allgemeine Schutzbestimmungen
Art. 1 Begriffsbestimmung des Kulturguts Kulturgut im Sinne dieses Abkommens sind, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von grosser Bedeutung ist, wie z. B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler kirchlicher oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gruppen von Bauten, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, von Archivalien oder von Reproduktionen des oben umschriebenen Kulturguts; b) Gebäude, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des unter a umschriebenen beweglichen Guts dienen, wie z. B. Museen, grosse Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a umschriebene bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; c) Denkmalzentren, das heisst Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a und b aufweisen.
Art. 2 Schutz des Kulturguts Der Schutz des Kulturguts im Sinne dieses Abkommens umfasst die Sicherung und die Respektierung solchen Guts.
Art. 3 Sicherung des Kulturguts Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, schon in Friedenszeiten die Sicherung des auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet befindlichen Kulturguts gegen die voraussehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts vorzubereiten, indem sie alle Massnahmen treffen, die sie für geeignet erachten.
Art. 4 Respektierung des Kulturguts 1. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, das auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet oder auf dem Hoheitsgebiet anderer Hoher Vertragsparteien befindliche Kulturgut zu respektieren, indem sie es unterlassen, dieses Gut, die zu dessen Schutz bestimmten Einrichtungen und die unmittelbare Umgebung für Zwecke zu benutzen, die es im Falle bewaffneter Konflikte der Vernichtung oder Beschädigung aussetzen könnten,
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und indem sie von allen gegen dieses Gut gerichteten feindseligen Handlungen Abstand nehmen. 2. Von den in Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Verpflichtungen darf nur in denjenigen Fällen abgewichen werden, in denen die militärische Notwendigkeit dies zwingend erfordert. 3. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich ferner, jede Art von Diebstahl, Plünderung oder anderer widerrechtlicher Inbesitznahme von Kulturgut sowie jede sinnlose Zerstörung solchen Guts zu verbieten, zu verhindern und nötigenfalls solchen Handlungen ein Ende zu setzen. Sie verzichten darauf, bewegliches Kulturgut, das sich auf dem Hoheitsgebiet einer anderen Hohen Vertragspartei befindet, zu requirieren. 4. Sie verpflichten sich, gegenüber Kulturgut keinerlei Massnahmen im Sinne von Repressalien zu ergreifen. 5. Keine Hohe Vertragspartei kann sich den ihr nach diesem Artikel obliegenden Verpflichtungen gegenüber einer anderen Hohen Vertragspartei mit der Begründung entziehen, dass letztere die in Artikel 3 genannten Sicherungsmassnahmen nicht getroffen habe.
Art. 5 Besetzung 1. Jede Hohe Vertragspartei, die das Hoheitsgebiet einer anderen Hohen Vertragspartei ganz oder zum Teil besetzt hält, hat, soweit wie möglich, die zuständigen nationalen Behörden des besetzten Landes bei der Sicherung und Erhaltung seines Kulturguts zu unterstützen. 2. Sollten sich Massnahmen zur Erhaltung von Kulturgut, das sich in besetztem Hoheitsgebiet befindet und das durch militärische Handlungen beschädigt worden ist, als dringend notwendig erweisen und sollten die zuständigen nationalen Behörden dazu nicht imstande sein, so hat die Besetzungsmacht, soweit wie möglich, in enger Zusammenarbeit mit diesen Behörden die notwendigsten Erhaltungsmassnahmen zu treffen. 3. Jede Hohe Vertragspartei, deren Regierung von den Angehörigen einer Widerstandsbewegung als ihre legitime Regierung angesehen wird, hat, wenn möglich, die Angehörigen der Widerstandsbewegung auf die Verpflichtung hinzuweisen, diejenigen Bestimmungen des Abkommens, die die Respektierung von Kulturgut zum Gegenstand haben, zu beachten.
Art. 6 Kennzeichnung des Kulturguts Gemäss den Bestimmungen von Artikel 16 kann Kulturgut mit einem Kennzeichen versehen werden, das seine Feststellung erleichert.
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Art. 7 Militärische Massnahmen 1. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, schon in Friedenszeiten in ihre militärischen Dienstvorschriften oder Anweisungen Bestimmungen aufzunehmen, die geeignet sind, die Einhaltung dieses Abkommens zu gewährleisten und den Angehörigen ihrer Streitkräfte Achtung vor der Kultur und dem Kulturgut aller Völker beizubringen. 2. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, bereits in Friedenszeiten bei ihren Streitkräften Dienststellen oder Fachpersonal vorzubereiten oder einzugliedern, mit der Aufgabe, über die Respektierung des Kulturguts zu wachen und mit den für dessen Sicherung verantwortlichen zivilen Behörden zusammenzuarbeiten.
Kapitel II Sonderschutz
Art. 8 Gewährung des Sonderschutzes 1. Unter Sonderschutz können gestellt werden: Eine begrenzte Anzahl von Bergungsorten zur Unterbringung beweglicher Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten, von Denkmalzentren und von andern sehr wichtigen unbeweglichen Kulturgütern, vorausgesetzt, a) dass diese sich in ausreichender Entfernung befinden von grossen Industriezentren oder von wichtigen militärischen Objekten, die als solche empfindliche Punkte darstellen, wie z. B. Flugplätze, Rundfunksender, für die Landesverteidigung arbeitende Betriebe, bedeutendere Häfen oder Bahnhöfe, Hauptverkehrsadern; b) dass sie nicht für militärische Zwecke verwendet werden. 2. Ein Bergungsort für bewegliches Kulturgut kann, ohne Rücksicht auf seine Lage, ebenfalls unter Sonderschutz gestellt werden, wenn er so gebaut ist, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach bei Bombardierungen nicht beschädigt werden kann. 3. Ein Denkmalzentrum gilt als zu militärischen Zwecken benutzt, wenn es, sei es auch nur im Durchgangsverkehr, für die Verschiebung von Militärpersonal oder Kriegsmaterial verwendet wird. Das gleiche gilt, wenn innerhalb eines Denkmalzentrums Handlungen durchgeführt werden, die in unmittelbarem Zusammenhang stehen mit militärischen Operationen, mit der Unterbringung von Militärpersonal oder mit der Herstellung von Kriegsmaterial. 4. Nicht als Benutzung zu militärischen Zwecken gilt die Bewachung von in Absatz 1 dieses Artikels bezeichnetem Kulturgut durch eigens dafür bestimmtes, bewaffnetes Wachpersonal oder die Anwesenheit von Polizeikräften, die normalerweise für die
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Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlich sind, in der Nähe solchen Kulturguts. 5. Befindet sich ein Kulturgut im Sinne von Absatz 1 dieses Artikels in der Nähe eines wichtigen militärischen Objektes im Sinne desselben Absatzes, so kann es trotzdem unter Sonderschutz gestellt werden, wenn die diesen Schutz beantragende Hohe Vertragspartei sich verpflichtet, im Falle eines bewaffneten Konflikts das Objekt nicht zu benutzen und insbesondere, falls es sich um einen Hafen, Bahnhof oder Flugplatz handelt, jeden Verkehr davon abzuleiten. In diesem Falle muss die Umleitung schon in Friedenszeiten vorbereitet werden. 6. Die Gewährung des Sonderschutzes erfolgt durch Eintragung in das „Internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz“. Diese Eintragung darf nur in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Abkommens und unter den in den Ausführungsbestimmungen⁶ vorgesehenen Bedingungen vorgenommen werden.
Art. 9 Unverletzlichkeit des Kulturguts unter Sonderschutz Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die Unverletzlichkeit des unter Sonderschutz stehenden Kulturguts zu gewährleisten, indem sie vom Zeitpunkt der Eintragung in das Internationale Register an auf jede gegen solches Gut gerichtete feindselige Handlung und, ausser in den in Absatz 5 des Artikels 8 vorgesehenen Fällen, auf jede Benutzung dieses Guts oder seiner unmittelbaren Umgebung zu militärischen Zwecken verzichten.
Art. 10 Kennzeichnung und Kontrolle Während eines bewaffneten Konflikts ist das unter Sonderschutz stehende Kulturgut mit dem in Artikel 16 beschriebenen Kennzeichen zu versehen und einer internationalen Überwachung gemäss den Ausführungsbestimmungen⁷ zu diesem Abkommen zugänglich zu machen.
Art. 11 Aufhebung der Unverletzlichkeit 1. Begeht eine der Hohen Vertragsparteien bezüglich eines unter Sonderschutz stehenden Kulturguts eine Verletzung der in Artikel 9 festgelegten Verpflichtungen, so ist die Gegenpartei, solange die Verletzung fortbesteht, von ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Unverletzlichkeit dieses Kulturguts befreit. Doch hat die Gegen-
6 SR 0.520.31 7 SR 0.520.31
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partei, wenn immer möglich, zunächst die Einstellung der Verletzung innerhalb einer angemessenen Frist zu verlangen. 2. Abgesehen von dem in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehenen Falle darf die Unverletzlichkeit von unter Sonderschutz stehendem Kulturgut nur in Ausnahmefällen unausweichlicher militärischer Notwendigkeit aufgehoben werden, und nur solange diese Notwendigkeit fortbesteht. Das Vorliegen einer solchen Notwendigkeit darf nur durch den Kommandanten einer militärischen Formation festgestellt werden, die der Grösse nach einer Division oder einer höheren Einheit entspricht. Wenn immer die Umstände es erlauben, ist der Entschluss, die Unverletzlichkeit aufzuheben, der Gegenpartei angemessene Zeit vorher bekanntzugeben. 3. Die Partei, die die Unverletzlichkeit aufhebt, hat dies, sobald wie möglich, dem in den Ausführungsbestimmungen⁸ zu diesem Abkommen vorgesehenen Generalkommissär für Kulturgut unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.
Kapitel III Transport von Kulturgut
Art. 12 Transporte unter Sonderschutz 1. Transporte, die ausschliesslich der Verlagerung von Kulturgut innerhalb eines Hoheitsgebietes oder in ein anderes Hoheitsgebiet dienen, können auf Antrag der interessierten Hohen Vertragspartei unter den in den Ausführungsbestimmungen⁹ zu diesem Abkommen vorgesehenen Bedingungen unter Sonderschutz stattfinden. 2. Transporte unter Sonderschutz erfolgen unter der in den erwähnten Ausführungsbestimmungen vorgesehenen internationalen Aufsicht und führen das in Artikel 16 beschriebene Kennzeichen. 3. Die Hohen Vertragsparteien unterlassen jede feindselige Handlung gegen Transporte, die unter Sonderschutz stehen.
Art. 13 Transporte in dringenden Fällen 1. Ist eine der Hohen Vertragsparteien der Auffassung, dass die Sicherheit bestimmter Kulturgüter deren Verlagerung erfordert und dass die Angelegenheit so dringlich ist, dass, insbesondere zu Beginn eines bewaffneten Konflikts, das in Artikel 12 vorgesehene Verfahren nicht eingehalten werden kann, so kann der Transport das in
8 SR 0.520.31 9 SR 0.520.31
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Artikel 16 beschriebene Kennzeichen führen, sofern nicht bereits ein Antrag auf Unverletzlichkeit gemäss Artikel 12 gestellt und abgelehnt wurde. Soweit möglich sollen die Gegenparteien von der Verlagerung benachrichtigt werden. Ein Transport von Kulturgut nach dem Hoheitsgebiet eines anderen Landes darf jedoch das Kennzeichen keinesfalls führen, sofern ihm nicht die Unverletzlichkeit ausdrücklich zugesichert worden ist. 2. Die Hohen Vertragsparteien werden nach Möglichkeit die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um feindselige Handlungen gegen Transporte im Sinne von Absatz 1 dieses Artikels, die das Kennzeichen führen, zu vermeiden.
Art. 14 Unverletzlichkeit in bezug auf Beschlagnahme, Wegnahme und Ausübung des Prisenrechts 1. Vor Beschlagnahme, Wegnahme und Ausübung des Prisenrechts sind geschützt: a) Kulturgut, das unter dem in Artikel 12 oder Artikel 13 vorgesehenen Schutz steht; b) Transportmittel, die ausschliesslich der Verlagerung solchen Kulturguts dienen. 2. Die Bestimmungen dieses Artikels beschränken in keiner Weise das Recht zur Durchsuchung und Kontrolle.
Kapitel IV Personal
Art. 15 Personal Das mit dem Schutz von Kulturgut betraute Personal ist, soweit sich dies mit den Erfordernissen der Sicherheit vereinbaren lässt, im Interesse dieses Gutes zu respektieren; fällt es in die Hände der Gegenpartei, so darf es seine Tätigkeit weiter ausüben, sofern das von ihm betreute Kulturgut ebenfalls in die Hände der Gegenpartei gefallen ist.
Kapitel V Das Kennzeichen
Art. 16 Das Kennzeichen des Abkommens 1. Das Kennzeichen des Abkommens besteht aus einem mit der Spitze nach unten zeigenden Schild in Ultramarinblau und Weiss (der Schild wird aus einem ultramarinblauen Quadrat, dessen eine Ecke die Spitze des Schildes darstellt, und aus einem oberhalb des Quadrats angeordneten ultramarinblauen Dreieck gebildet, wobei
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der verbleibende Raum auf beiden Seiten von je einem weissen Dreieck ausgefüllt wird). 2. Unter den in Artikel 17 festgelegten Bedingungen wird das Kennzeichen entweder einzeln angewandt oder dreifach wiederholt (in Dreiecksanordnung, ein Schild unten).
Art. 17 Verwendung des Kennzeichens 1. Das dreifach wiederholte Kennzeichen darf nur angewendet werden: a) für unbewegliches Kulturgut unter Sonderschutz; b) für Transporte von Kulturgut unter den in den Artikeln 12 und 13 vorgesehenen Bedingungen; c) für improvisierte Bergungsorte unter den in den Ausführungsbestimmungen¹⁰ zu diesem Abkommen vorgesehenen Bedingungen. 2. Das einfache Kennzeichen darf nur angewendet werden: a) für nicht unter Sonderschutz stehendes Kulturgut; b) für die gemäss den Ausführungsbestimmungen zu diesem Abkommen mit Aufgaben der Überwachung beauftragten Personen; c) für das mit dem Schutz von Kulturgut betraute Personal; d) für die in den Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Ausweise. 3. Während eines bewaffneten Konflikts ist die Verwendung des Kennzeichens für andere als die in den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels vorgesehenen Fälle verboten, ebenso die Verwendung eines dem Kennzeichen ähnlichen Zeichens für irgendwelche Zwecke. 4. Das Kennzeichen darf nur dann auf einem unbeweglichen Kulturgut angebracht werden, wenn zugleich eine von der zuständigen Behörde der Hohen Vertragspartei ordnungsgemäss datierte und unterzeichnete Genehmigung angebracht wird.
Kapitel VI Anwendungsbereich des Abkommens
Art. 18 Anwendung des Abkommens 1. Abgesehen von den Bestimmungen, die schon in Friedenszeiten wirksam werden, findet dieses Abkommen Anwendung im Falle eines erklärten Krieges oder eines anderen bewaffneten Konflikts, der zwischen zwei oder mehreren Hohen Vertrags-
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parteien entsteht, selbst wenn der Kriegszustand von einer oder mehreren von ihnen nicht anerkannt wird. 2. Das Abkommen findet auch in allen Fällen teilweiser oder vollständiger Besetzung des Gebietes einer der Hohen Vertragsparteien Anwendung, selbst wenn diese Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand stösst. 3. Ist eine an dem Konflikt beteiligte Macht nicht Vertragspartei dieses Abkommens, so bleiben die Mächte, die Vertragsparteien sind, trotzdem in ihren gegenseitigen Beziehungen durch das Abkommen gebunden. Sie sind ferner durch das Abkommen auch gegenüber der erwähnten Macht gebunden, wenn diese die Annahme der Bestimmungen des Abkommens erklärt hat und solange sie sie anwendet.
Art. 19 Konflikte nichtinternationalen Charakters 1. Im Falle eines bewaffneten Konflikts, der nicht internationalen Charakter hat und innerhalb des Gebietes einer der Hohen Vertragsparteien ausbricht, ist jede in den Konflikt verwickelte Partei verpflichtet, mindestens diejenigen Bestimmungen dieses Abkommens anzuwenden, die die Respektierung von Kulturgut betreffen. 2. Die an diesem Konflikt beteiligten Parteien sollen bestrebt sein, durch Sondervereinbarungen auch die anderen Bestimmungen dieses Abkommens ganz oder teilweise in Kraft zu setzen. 3. Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur kann den an dem Konflikt beteiligten Parteien ihre Dienste anbieten. 4. Die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen lässt die Rechtsstellung der in den Konflikt verwickelten Parteien unberührt.
Kapitel VII Durchführung des Abkommens
Art. 20 Ausführungsbestimmungen Das Verfahren zur Anwendung dieses Abkommens ist in den Ausführungsbestimmungen¹¹ festgelegt, die einen integrierenden Bestandteil des Abkommens bilden.
11 SR 0.520.31
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Art. 21 Schutzmächte Dieses Abkommen und seine Ausführungsbestimmungen¹² werden unter Mitwirkung der Schutzmächte angewandt, die mit der Wahrung der Interessen der an dem Konflikt beteiligten Parteien betraut sind.
Art. 22 Schlichtungsverfahren 1. Die Schutzmächte leihen ihre guten Dienste in allen Fällen, in denen sie dies im Interesse des Kulturguts für angezeigt erachten, insbesondere wenn zwischen den an dem Konflikt beteiligten Parteien über die Anwendung oder Auslegung der Bestimmungen dieses Abkommens oder seiner Ausführungsbestimmungen¹³ Meinungsverschiedenheiten bestehen. 2. Zu diesem Zweck kann jede der Schutzmächte entweder auf Einladung einer Partei oder des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur oder von sich aus den am Konflikt beteiligten Parteien eine Zusammenkunft ihrer Vertreter und insbesondere der für den Schutz des Kulturguts verantwortlichen Behörden vorschlagen, gegebenenfalls auf einem passend gewählten neutralen Gebiet. Die am Konflikt beteiligten Parteien sind gehalten, den ihnen gemachten Vorschlägen von Zusammenkünften Folge zu leisten. Die Schutzmächte schlagen den am Konflikt beteiligten Parteien eine einer neutralen Macht angehörende oder vom Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur bezeichnete Persönlichkeit zur Genehmigung vor; diese wird aufgefordert, an der Zusammenkunft als Vorsitzender teilzunehmen.
Art. 23 Mitwirkung der Unesco 1. Die Hohen Vertragsparteien können bei der Organisierung des Schutzes ihres Kulturgutes oder in Zusammenhang mit jedem andern Problem, das sich aus der Anwendung dieses Abkommens oder seiner Ausführungsbestimmungen¹⁴ ergibt, um die technische Mitwirkung der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nachsuchen. Die Organisation gewährt diese Mitwirkung im Rahmen ihrer Zielsetzung und ihrer Mittel. 2. Die Organisation kann in dieser Hinsicht den Hohen Vertragsparteien von sich aus Vorschläge unterbreiten.
12 SR 0.515.111, 0.515.112 13 SR 0.515.125 14 SR 0.520.31
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Art. 24 Sondervereinbarungen 1. Die Hohen Vertragsparteien können Sondervereinbarungen über alle Fragen treffen, deren besondere Regelung ihnen zweckmässig erscheint. 2. Sondervereinbarungen, die den Schutz verringern, den dieses Abkommen dem Kulturgut und dem mit seinem Schutz betrauten Personal gewährt, dürfen jedoch nicht getroffen werden.
Art. 25 Verbreitung des Abkommens Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in Friedens- und in Konfliktzeiten für die weitestmögliche Verbreitung des Wortlautes dieses Abkommens und seiner Ausführungsbestimmungen¹⁵ in ihren Ländern zu sorgen. Insbesondere verpflichten sie sich, die Behandlung des Problems in die militärischen und, wenn möglich, in die zivilen Ausbildungspläne aufzunehmen, so dass die Gesamtheit der Bevölkerung und namentlich die Streitkräfte und das mit dem Schutz des Kulturguts betraute Personal seine Grundsätze kennenlernen.
Art. 26 Übersetzung und Berichte 1. Die Hohen Vertragsparteien stellen sich gegenseitig durch Vermittlung des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur die amtlichen Übersetzungen dieses Abkommens und seiner Ausführungsbestimmungen¹⁶ zu. 2. Ausserdem übersenden sie dem Generaldirektor mindestens alle vier Jahre einen Bericht mit den ihnen geeignet erscheinenden Angaben über die von ihren Behörden zur Durchführung dieses Abkommens und seiner Ausführungsbestimmungen getroffenen, vorbereiteten oder in Aussicht genommenen Massnahmen.
Art. 27 Tagungen 1. Der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur kann mit Zustimmung des Exekutivrats Tagungen von Vertretern der Hohen Vertragsparteien einberufen. Er muss dies tun, wenn mindestens ein Fünftel der Hohen Vertragsparteien es wünscht.
15 SR 0.520.31 16 SR 0.520.31
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2. Unbeschadet anderer ihr durch dieses Abkommen oder durch seine Ausführungsbestimmungen¹⁷ übertragener Aufgaben dient eine solche Tagung dem Zweck, Probleme der Anwendung des Abkommens und seiner Ausführungsbestimmungen zu untersuchen und entsprechende Empfehlungen auszuarbeiten. 3. Die Tagung kann ferner, vorausgesetzt, dass die Mehrheit der Hohen Vertragsparteien vertreten ist, nach Massgabe der Bestimmungen des Artikels 39 eine Revision des Abkommens oder seiner Ausführungsbestimmungen vornehmen.
Art. 28 Strafrechtliche und disziplinarische Massnahmen Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, im Rahmen ihres Strafrechts alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um Personen jeder Staatsangehörigkeit, die sich einer Verletzung dieses Abkommens schuldig machen oder den Befehl zu einer solchen geben, zu verfolgen und strafrechtlich oder disziplinarisch zu bestrafen.
Schlussbestimmungen
Art. 29 Sprachen 1. Dieses Abkommen ist in englischer, spanischer, französischer und russischer Sprache abgefasst; alle vier Fassungen sind in gleicher Weise verbindlich. 2. Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur wird Übersetzungen des Abkommens in die anderen Amtssprachen ihrer Hauptversammlung anfertigen lassen.
Art. 30 Unterzeichnung Dieses Abkommen trägt das Datum des 14. Mai 1954 und liegt bis zum 31. Dezember 1954 für alle zu der Haager Konferenz vom 21. April bis 14. Mai 1954 eingeladenen Staaten zur Unterzeichnung auf.
Art. 31 Ratifizierung 1. Die Unterzeichnerstaaten haben dieses Abkommen nach Massgabe ihrer eigenen verfassungsmässigen Verfahren zu ratifizieren.
17 SR 0.520.31
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2. Die Ratifikationsurkunden sind beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu hinterlegen.
Art. 32 Beitritt Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an steht dieses Abkommen allen Staaten zum Beitritt offen, die in Artikel 30 erwähnt sind und nicht unterzeichnet haben, sowie allen anderen Staaten, die vom Exekutivrat der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zum Beitritt eingeladen werden. Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur.
Art. 33 Inkrafttreten 1. Dieses Abkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung von fünf Ratifikationsurkunden in Kraft. 2. Späterhin tritt es für jede Hohe Vertragspartei drei Monate nach Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittserklärung in Kraft. 3. Treten die in den Artikeln 18 und 19 vorgesehenen Lagen ein, so werden die Ratifikations- und Beitrittserklärungen, die von den in den Konflikt verwickelten Parteien vor oder nach Beginn der Feindseligkeiten oder der Besetzung hinterlegt wurden, sofort wirksam. In diesen Fällen erlässt der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur auf dem schnellsten Wege die in Artikel 38 vorgesehenen Benachrichtigungen.
Art. 34 Wirksame Durchführung 1. Jeder Staat, der bei Inkrafttreten dieses Abkommens Vertragspartei ist, hat alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um seine wirksame Durchführung binnen sechs Monaten zu gewährleisten. 2. Für diejenigen Staaten, die ihre Ratifikations- oder Beitrittsurkunde nach dem Inkrafttreten des Abkommens hinterlegen, beträgt die Frist sechs Monate, vom Tage der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde an gerechnet.
Art. 35 Ausdehnung des Geltungsbereichs des Abkommens Jede der Hohen Vertragsparteien kann bei der Ratifizierung oder beim Beitritt oder zu jedem späteren Zeitpunkt durch Notifizierung an den Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur erklären, dass dieses Abkommen sich auf alle oder auf einzelne der Gebiete erstreckt, deren inter-
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nationale Beziehungen sie wahrnimmt. Diese Notifizierung wird drei Monate nach dem Tage ihres Eingangs wirksam.
Art. 36 Zusammenhang mit früheren Abkommen 1. In den Beziehungen zwischen Mächten, die durch die Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (IV)¹⁸ und betreffend die Beschiessung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten (IX)¹⁹ – seien es die Abkommen vom 29. Juli 1899 oder vom 18. Oktober 1907 – gebunden und gleichzeitig Vertragsparteien des vorliegenden Abkommens sind, ergänzt dieses letztere das genannte Seekriegsabkommen (IX) und die Ausführungsbestimmungen²⁰ im Anhang zum Landkriegsabkommen (IV); das in Artikel 5 des Seekriegsabkommens (IX) beschriebene Kennzeichen wird ersetzt durch das in Artikel 16 des vorliegenden Abkommens beschriebene in allen Fällen, in denen dieses selbst und seine Ausführungsbestimmungen die Verwendung des Kennzeichens vorsehen. 2. In den Beziehungen zwischen Mächten, die durch den Vertrag von Washington vom 15. April 1935²¹ über den Schutz künstlerischer und wissenschaftlicher Einrichtungen und geschichtlicher Denkmäler (Roerich-Pakt) gebunden und gleichzeitig Vertragsparteien des vorliegenden Abkommens sind, ergänzt dieses letztere den RoerichPakt und ersetzt die in Artikel III des Paktes beschriebene Flagge durch das Kennzeichen gemäss Artikel 16 des vorliegenden Abkommens in allen Fällen, in denen dieses selbst und seine Ausführungsbestimmungen die Verwendung des Kennzeichens vorsehen.
Art. 37 Kündigung 1. Jeder Hohen Vertragsparteien kann das vorliegende Abkommen für sich selbst oder für Gebiete, deren internationale Beziehungen sie wahrnimmt, kündigen. 2. Die Kündigung erfolgt durch eine schriftliche Erklärung, die beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu hinterlegen ist. 3. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Kündigungserklärung wirksam. Ist jedoch die kündigende Partei beim Ablauf dieser Frist in einen bewaffneten Konflikt verwickelt, so wird die Kündigung nicht vor Einstellung der Feindseligkeiten oder vor Abschluss der Rückführung des Kulturgutes wirksam, je nachdem welcher Zeitpunkt der spätere ist.
18 SR 0.515.111, 0.515.112 19 SR 0.515.125 20 SR 0.520.31 21 Die Schweiz ist diesem Vertrag nicht beigetreten.
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Art. 38 Notifikationen Der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur benachrichtigt die in den Artikeln 30 und 32 bezeichneten Staaten und die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller in den Artikeln 31, 32 und 39 vorgesehenen Ratifikations- und Beitrittsurkunden oder Annahmeerklärungen sowie von den in den Artikeln 35, 37 und 39 vorgesehenen Notifikationen und Kündigungen.
Art. 39 Abänderung des Abkommens und seiner Ausführungsbestimmungen 1. Jede der Hohen Vertragsparteien kann Abänderungen dieses Abkommens oder seiner Ausführungsbestimmungen²² vorschlagen. Abänderungsvorschläge sind dem Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu unterbreiten, der ihren Wortlaut allen Hohen Vertragsparteien mit der Bitte übermittelt, ihn innerhalb von vier Monaten wissen zu lassen, a) ob sie die Einberufung einer Konferenz zur Erörterung des Abänderungsvorschlags wünschen; oder b) ob sie für die Annahme des Abänderungsvorschlags ohne Abhaltung einer Konferenz eintreten; oder c) ob sie für die Ablehnung des Abänderungsvorschlags ohne Abhaltung einer Konferenz eintreten. 2. Der Generaldirektor übermittelt die gemäss Absatz 1 dieses Artikels bei ihm eingegangenen Antworten allen Hohen Vertragsparteien. 3. Sprechen sich alle Hohen Vertragsparteien, die innerhalb der vorgeschriebenen Frist dem Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur gemäss Absatz 1 Unterabsatz b dieses Artikels ihre Stellungnahme bekanntgegeben haben, für Annahme des Abänderungsvorschlags ohne Abhaltung einer Konferenz aus, so wird dieser Entscheid durch den Generaldirektor gemäss Artikel 38 bekanntgemacht. Die Abänderung tritt dann nach Ablauf von 90 Tagen, vom Datum der Bekanntmachung an gerechnet, für alle Hohen Vertragsparteien in Kraft. 4. Der Generaldirektor hat eine Konferenz der Hohen Vertragsparteien zur Erörterung des Abänderungsvorschlages einzuberufen, wenn mehr als ein Drittel der Hohen Vertragsparteien dies verlangt. 5. Abänderungsvorschläge zum Abkommen oder zu seinen Ausführungsbestimmungen, die gemäss dem in Absatz 4 dieses Artikels festgelegten Verfahren behandelt werden, treten erst in Kraft, nachdem sie von den an der Konferenz vertretenen Hohen
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Vertragsparteien einstimmig beschlossen und von allen Hohen Vertragsparteien angenommen worden sind. 6. Die Annahme durch die Hohen Vertragsparteien von Abänderungsvorschlägen zum Abkommen oder zu seinen Ausführungsbestimmungen, die von der in den Absätzen 4 und 5 erwähnten Konferenz beschlossen worden sind, erfolgt durch Hinterlegung einer förmlichen Erklärung beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. 7. Nach Inkrafttreten von Abänderungen dieses Abkommens oder seiner Ausführungsbestimmungen steht nur der so abgeänderte Text des Abkommens oder seiner Ausführungsbestimmungen zur Ratifizierung oder zum Beitritt offen.
Art. 40 Eintragung Gemäss Artikel 102 der Satzung der Vereinten Nationen wird dieses Abkommen auf Ersuchen des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur beim Sekretariat der Vereinten Nationen eingetragen.
Zu Urkund dessen haben die gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses Abkommen unterschrieben. Geschehen zu Den Haag, am 14. Mai 1954 in einem einzigen Exemplar, das in den Archiven der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt wird und von dem beglaubigte Ausfertigungen allen in den Artikeln 30 und 32 bezeichneten Staaten sowie den Vereinten Nationen übermittelt werden. (Es folgen die Unterschriften)
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Geltungsbereich des Abkommens am 1. Oktober 1991 Vertragsstaaten
Ratifikation Beitritt (B)
Inkrafttreten
Ägypten Albanien Argentinien Australien Belgien Brasilien Bulgarien Burkina Faso Côte d’Ivoire Deutsche Demokratische Republik Bundesrepublik Deutschland* Dominikanische Republik Ekuador Frankreich Gabun Ghana Griechenland Guatemala Guinea Indien Indonesien Irak Iran Israel Italien Jemen (Aden) Jordanien Jugoslawien Kambodscha Kamerun Katar Kuba Kuwait Libanon Libyen. Liechtenstein Luxemburg Madagaskar Malaysia Mali Marokko Mexiko Monaco Mongolei Myanmar
17. August 20. Dezember 22. März 19. September 16. September 12. September 7. August 18. Dezember 24. Januar 16. Januar 11. August 5. Januar 2. Oktober 7. Juni 4. Dezember 25. Juli 9. Februar 2. Oktober 20. September 16. Juni 10. Januar 21. Dezember 22. Juni 3. Oktober 9. Mai 6. Februar 2. Oktober 13. Februar 4. April 12. Oktober 31. Juli 26. November 6. Juni 1. Juni 19. November 28. April 29. September 3. November 12. Dezember 18. Mai 30. August 7. Mai 10. Dezember 4. November 10. Februar
7. August 20. März 22. Juni 19. Dezember 16. Dezember 12. Dezember 7. November 18. März 24. April 16. April 11. November 5. April 2. Januar 7. September 4. März 25. Oktober 9. Mai 2. Januar 20. Dezember 16. September 10. April 21. März 22. September 3. Januar 9. August 6. Mai 2. Januar 7. August 4. Juli 12. Januar 31. Oktober 26. Februar 6. September 1. September 19. Februar 28. Juli 29. Dezember 3. Februar 12. März 18. August 30. November 7. August 10. März 4. Februar 7. August
1955 1960 B 1989 B 1984 1960 1958 1956 B 1969 B 1980 B 1974 B 1967 1960 B 1956 1957 1961 B 1960 B 1981 1985 B 1960 B 1958 1967 1967 1959 1957 1958 1970 B 1957 1956 1962 1961 B 1973 B 1957 1969 B 1960 1957 1960 B 1961 1961 B 1960 B 1961 B 1968 B 1956 1957 1964 B 1956
1956 1961 1989 1984 1960 1958 1956 1970 1980 1974 1967 1960 1957 1957 1962 1960 1981 1986 1960 1958 1967 1968 1959 1958 1958 1970 1958 1956 1962 1962 1973 1958 1969 1960 1958 1960 1961 1962 1961 1961 1968 1956 1958 1965 1956
Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten
Vertragsstaaten
Ratifikation Beitritt (B)
Inkrafttreten
Nicaragua Niederlande Niger Nigeria Norwegen Oman Österreich Pakistan Panama Peru Polen Rumänien San Marino Saudi-Arabien Schweden Schweiz Senegal Sowjetunion Spanien Sudan Syrien Tansania Thailand Tschechoslowakei Tunesien Türkei Ukraine Ungarn Vatikanstadt Weissrussland Zaire Zypern
25. November 14. Oktober 6. Dezember 5. Juni 19. September 26. Oktober 25. März 27. März 17. Juli 21. Juli 6. August 21. März 9. Februar 20. Januar 22. Januar 15. Mai 17. Juni 4. Januar 7. Juli 23. Juli 6. März 23. September 2. Mai 6. Dezember 28. Januar 15. Dezember 6. Februar 17. Mai 24. Februar 7. Mai 18. April 9. September
25. Februar 14. Januar 6. März 5. September 19. Dezember 26. Januar 25. Juni 27. Juni 17. Oktober 21. Oktober 6. November 21. Juni 7. August 20. April 22. April 15. August 17. September 4. April 7. Oktober 23. Oktober 6. Juni 23. Dezember 2. August 6. März 28. April 15. März 6. Mai 17. August 24. Mai 7. August 18. Juli 9. Dezember
* Das Abkommen gilt auch für das Land Berlin.
1959 1958 1976 B 1961 B 1961 1977 B 1964 1959 B 1962 B 1989 B 1956 1958 1956 1971 B 1985 B 1962 B 1987 B 1957 1960 1970 B 1958 1971 B 1958 B 1957 1981 B 1965 B 1957 1956 1958 B 1957 1961 B 1964 B
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1960 1959 1977 1961 1961 1978 1964 1959 1962 1989 1956 1958 1956 1971 1985 1962 1987 1957 1960 1970 1958 1971 1958 1958 1981 1966 1957 1956 1958 1957 1961 1964
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Charta von Venedig
Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles (1964)
Als lebendige Zeugnisse jahrhundertelanger Traditionen der Völker vermitteln die Denkmäler der Gegenwart eine geistige Botschaft der Vergangenheit. Die Menschheit, die sich der universellen Geltung menschlicher Werte mehr und mehr bewußt wird, sieht in den Denkmälern ein gemeinsames Erbe und fühlt sich kommenden Generationen gegenüber für ihre Bewahrung gemeinsam verantwortlich. Sie hat die Verpflichtung, ihnen die Denkmäler im ganzen Reichtum ihrer Authentizität weiterzugeben. Es ist daher wesentlich, daß die Grundsätze, die für die Konservierung und Restaurierung der Denkmäler maßgebend sein sollen, gemeinsam erarbeitet und auf internationaler Ebene formuliert werden, wobei jedes Land für die Anwendung im Rahmen seiner Kultur und seiner Tradition verantwortlich ist. Indem sie diesen Grundprinzipien eine erste Form gab, hat die Charta von Athen von 1931 zur Entwicklung einer breiten internationalen Bewegung beigetragen, die insbesondere in nationalen Dokumenten, in den Aktivitäten von ICOM und UNESCO und in der Gründung des „Internationalen Studienzentrums für die Erhaltung und Restaurierung der Kulturgüter“ Gestalt angenommen hat. Wachsendes Bewußtsein und kritische Haltung haben sich immer komplexeren und differenzierteren Problemen zugewandt; so scheint es an der Zeit, die Prinzipien jener Charta zu überprüfen, um sie zu vertiefen und in einem neuen Dokument auf eine breitere Basis zu stellen. Daher hat der vom 25.–31. Mai 1964 in Venedig versammelte II. Internationale Kongreß der Architekten und Techniker der Denkmalpflege den folgenden Text gebilligt:
Definitionen Artikel 1 Der Denkmalbegriff umfaßt sowohl das einzelne Denkmal als auch das städtische oder ländliche Ensemble (Denkmalbereich), das von einer ihm eigentümlichen Kultur, einer bezeichnenden Entwicklung oder einem historischen Ereignis Zeugnis ablegt. Er bezieht sich nicht nur auf große künstlerische Schöpfungen, sondern auch auf bescheidene Werke, die im Lauf der Zeit eine kulturelle Bedeutung bekommen haben.
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Artikel 2 Konservierung und Restaurierung der Denkmäler bilden eine Disziplin, welche sich aller Wissenschaften und Techniken bedient, die zur Erforschung und Erhaltung des kulturellen Erbes beitragen können.
Zielsetzung Artikel 3 Ziel der Konservierung und Restaurierung von Denkmälern ist ebenso die Erhaltung des Kunstwerks wie die Bewahrung des geschichtlichen Zeugnisses.
Erhaltung Artikel 4 Die Erhaltung der Denkmäler erfordert zunächst ihre dauernde Pflege.
Artikel 5 Die Erhaltung der Denkmäler wird immer begünstigt durch eine der Gesellschaft nützliche Funktion. Ein solcher Gebrauch ist daher wünschenswert, darf aber Struktur und Gestalt der Denkmäler nicht verändern. Nur innerhalb dieser Grenzen können durch die Entwicklung gesellschaftlicher Ansprüche und durch Nutzungsänderungen bedingte Eingriffe geplant und bewilligt werden.
Artikel 6 Zur Erhaltung eines Denkmals gehört die Bewahrung eines seinem Maßstab entsprechenden Rahmens. Wenn die überlieferte Umgebung noch vorhanden ist, muß sie erhalten werden, und es verbietet sich jede neue Baumaßnahme, jede Zerstörung, jede Umgestaltung, die das Zusammenwirken von Bauvolumen und Farbigkeit verändern könnte.
Artikel 7 Das Denkmal ist untrennbar mit der Geschichte verbunden, von der es Zeugnis ablegt, sowie mit der Umgebung, zu der es gehört. Demzufolge kann eine Translozierung des ganzen Denkmals oder eines Teiles nur dann geduldet werden, wenn dies zu seinem
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Schutz unbedingt erforderlich ist oder bedeutende nationale oder internationale Interessen dies rechtfertigen.
Artikel 8 Werke der Bildhauerei, der Malerei oder der dekorativen Ausstattung, die integraler Bestandteil eines Denkmals sind, dürfen von ihm nicht getrennt werden; es sei denn, diese Maßnahme ist die einzige Möglichkeit, deren Erhaltung zu sichern.
Restaurierung Artikel 9 Die Restaurierung ist eine Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten sollte. Ihr Ziel ist es, die ästhetischen und historischen Werte des Denkmals zu bewahren und zu erschließen. Sie gründet sich auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf authentische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenze, wo die Hypothese beginnt. Wenn es aus ästhetischen oder technischen Gründen notwendig ist, etwas wiederherzustellen, von dem man nicht weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das ergänzende Werk von der bestehenden Kopie abheben und den Stempel unserer Zeit tragen. Zu einer Restaurierung gehören vorbereitende und begleitende archäologische, kunst- und geschichtswissenschaftliche Untersuchungen.
Artikel 10 Wenn sich die traditionellen Techniken als unzureichend erweisen, können zur Sicherung eines Denkmals alle modernen Konservierungs- und Konstruktionstechniken herangezogen werden, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen und durch praktische Erfahrung erprobt ist.
Artikel 11 Die Beiträge aller Epochen zu einem Denkmal müssen respektiert werden: Stileinheit ist kein Restaurierungsziel. Wenn ein Werk verschiedene sich überlagernde Zustände auf weist, ist eine Aufdeckung verdeckter Zustände nur dann gerechtfertigt, wenn das zu Entfernende von geringer Bedeutung ist, wenn der aufzudeckende Bestand von hervorragendem historischen, wissenschaftlichen oder ästhetischen Wert ist und wenn sein Erhaltungszustand die Maßnahme rechtfertigt. Das Urteil über den Wert der zur Diskussion stehenden Zustände und die Entscheidung darüber, was beseitigt werden darf, dürfen nicht allein von dem für das Projekt Verantwortlichen abhängen.
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Artikel 12 Die Elemente, welche fehlende Teile ersetzen sollen, müssen sich dem Ganzen harmonisch einfügen und vom Originalbestand unterscheidbar sein, damit die Restaurierung den Wert des Denkmals als Kunst- und Geschichtsdokument nicht verfalscht.
Artikel 13 Hinzufügungen können nur geduldet werden, soweit sie alle interessanten Teile des Denkmals, seinen überlieferten Rahmen, die Ausgewogenheit seiner Komposition und sein Verhältnis zur Umgebung respektieren.
Denkmalbereiche Artikel 14 Denkmalbereiche müssen Gegenstand besonderer Sorge sein, um ihre Integrität zu bewahren und zu sichern, daß sie saniert und in angemessener Weise präsentiert werden. Die Erhaltungs- und Restaurierungsarbeiten sind so durchzuführen, daß sie eine sinngemäße Anwendung der Grundsätze der vorstehenden Artikel darstellen.
Ausgrabungen Artikel 15 Ausgrabungen müssen dem wissenschaftlichen Standard entsprechen und gemäß der UNESCO-Empfehlungen von 1956 durchgeführt werden, welche internationale Grundsätze für archäologische Ausgrabungen formuliert. Erhaltung und Erschließung der Ausgrabungsstätten sowie die notwendigen Maßnahmen zum dauernden Schutz der Architekturelemente und Fundstücke sind zu gewährleisten. Außerdem muß alles getan werden, um das Verständnis für das ausgegrabene Denkmal zu erleichtern, ohne dessen Aussagewert zu verfälschen. Jede Rekonstruktionsarbeit soll von vornherein ausgeschlossen sein; nur die Anastylose kann in Betracht gezogen werden, das heißt, das Wiederzusammensetzen vorhandener, jedoch aus dem Zusammenhang gelöster Bestandteile. Neue Integrationselemente müssen erkennbar sein und sollen sich auf das Minimum beschränken, das zur Erhaltung des Bestandes und zur Wiederherstellung des Formzusammenhanges notwendig ist.
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Dokumentation und Publikation Artikel 16 Alle Arbeiten der Konservierung, Restaurierung und archäologischen Ausgrabungen müssen immer von der Erstellung einer genauen Dokumentation in Form analytischer und kritischer Berichte, Zeichnungen und Photographien begleitet sein. Alle Arbeitsphasen sind hier zu verzeichnen: Freilegung, Bestandssicherung, Wiederherstellung und Integration sowie alle im Zuge der Arbeiten festgestellten technischen und formalen Elemente. Diese Dokumentation ist im Archiv einer öffentlichen Institution zu hinterlegen und der Wissenschaft zugänglich zu machen. Eine Veröffentlichung wird empfohlen.
Mitglieder der Redaktionskommission für die Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern waren: Piero Gazzola (Italien), Präsident; Raymond Lemaire (Belgien), Berichterstatter; Jose Bassegoda Noneil (Spanien): Luis Benavente (Portugal); Djurdje Boscovic (Jugoslawien); Hirsoshi Daifuku (UNESCO); P. L. de Vrieze (Niederlande); Harald Langberg (Dänemark): Mario Matteucci (Italien); Jean Merlet (Frankreich); Carlos Flores Marini (Mexico); Roberto Pane (Italien); S. C. J. Pavel (fschechoslowakei); Paul Philippot (ICCROM); Victor Pimentel (Peru); Harold Plenderleith (ICCROM); Deoclecio Redig de Campos (Vatikan); Jean Sonnier (Frank reich); Francois Sorlin (Frank reich); Eustathios Stikas (Griechenland); Gertrud Tripp (Österreich); Jan Zachwatovicz (Polen); Mustafa S. Zbiss (Tunesien). Deutsche Übersetzung auf der Grundlage des französischen und englischen Originaltextes und vorhandener deutscher Fassungen durch: Ernst Bacher (Präsident des ICOMOS Nationalkomitees Österreich), Ludwig Deiters (Präsident des ICOMOS Nationalkomitees Deutsche Demokratische Republik), Michael Petzet (Präsident des ICOMOS Nationalkomitees Bundesrepublik Deutschland) und Alfred Wyss (Vizepräsident des ICOMOS Nationalkomitees Schweiz), Chorin, 14. April 1989.
(Aus: ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees X, München 1992, s. 45–49) © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Hofgraben 4, 80539 München
Übereinkommen gegen den illegalen Handel von Kulturgut
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Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut Die Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, die vom 12. Oktober bis zum 14. November 1970 in Paris zu ihrer 16. Tagung zusammengetreten ist –
im Hinblick auf die Bedeutung der Bestimmungen der von der Generalkonferenz auf ihrer 14. Tagung angenommenen Erklärung über die Grundsätze der internationalen kulturellen Zusammenarbeit, in der Erwägung, dass der Austausch von Kulturgut unter den Nationen zu wissenschaftlichen, kulturellen und erzieherischen Zwecken das Wissen über die menschliche Zivilisation vertieft, das kulturelle Leben aller Völker bereichert und die gegenseitige Achtung und Wertschätzung unter den Nationen fördert, in der Erwägung, dass das Kulturgut zu den wesentlichen Elementen der Zivilisation und Kultur der Völker gehört und dass sein wahrer Wert nur im Zusammenhang mit einer möglichst umfassenden Unterrichtung über seinen Ursprung, seine Geschichte und seinen traditionellen Hintergrund erfasst werden kann, in der Erwägung, dass es jedem Staat obliegt, das in seinem Hoheitsgebiet vorhandene Kulturgut vor den Gefahren des Diebstahls, der unerlaubten Ausgrabung und der unzulässigen Ausfuhr zu schützen, in der Erwägung, dass es zur Abwendung dieser Gefahren unerlässlich ist, dass sich jeder Staat in zunehmendem Maße der moralischen Verpflichtung zur Achtung seines kulturellen Erbes und desjenigen aller Nationen bewusst wird, in der Erwägung, dass Museen, Bibliotheken und Archive als kulturelle Einrichtungen dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Sammlungen nach weltweit anerkannten moralischen Grundsätzen aufgebaut werden, in der Erwägung, dass die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut der Verständigung zwischen den Nationen im Wege steht, die zu fördern Aufgabe der UNESCO ist, etwa indem sie interessierten Staaten den Abschluss internationaler Übereinkünfte zu diesem Zweck empfiehlt, in der Erwägung, dass der Schutz des kulturellen Erbes nur wirksam sein kann, wenn er sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene durch enge Zusammenarbeit zwischen den Staaten gestaltet wird, in der Erwägung, dass die Generalkonferenz der UNESCO zu diesem Zweck im Jahre 1964 eine Empfehlung angenommen hat,
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angesichts weiterer Vorschläge über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, eine Frage, die als Punkt 19 auf der Tagesordnung der Tagung steht, nach dem auf ihrer 15. Tagung gefassten Beschluss, diese Frage zum Gegenstand eines internationalen Übereinkommens zu machen – nimmt dieses Übereinkommen am 14. November 1970 an.
Artikel 1 Im Sinne dieses Übereinkommens gilt als Kulturgut das von jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders wichtig bezeichnete Gut, das folgenden Kategorien angehört: a) seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Anatomie sowie Gegenstände von paläontologischem Interesse; b) Gut, das sich auf die Geschichte einschließlich der Geschichte von Wissenschaft und Technik sowie der Militär- und Sozialgeschichte, das Leben nationaler Führer, Denker, Wissenschaftler und Künstler und Ereignisse von nationaler Bedeutung bezieht; c) Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen (sowohl vorschriftsmäßiger als auch unerlaubter) oder archäologischer Entdeckungen; d) Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologischer Stätten, die nicht mehr vollständig sind; e) Antiquitäten, die mehr als hundert Jahre alt sind, wie Inschriften, Münzen und gravierte Siegel; f) Gegenstände von ethnologischem Interesse; g) Gut von künstlerischem Interesse wie i) Bilder, Gemälde und Zeichnungen, die ausschließlich von Hand auf einem beliebigen Träger und aus einem beliebigen Material angefertigt sind (ausgenommen industrielle Entwürfe und handbemalte Manufakturwaren); ii) Originalwerke der Bildhauerkunst und der Skulptur aus einem beliebigen Material; iii) Originalgravuren, -drucke und -lithographien; iv) Originale von künstlerischen Zusammenstellungen und Montagen aus einem beliebigen Material; h) seltene Manuskripte und Inkunabeln, alte Bücher, Dokumente und Publikationen von besonderem Interesse (historisch, künstlerisch, wissenschaftlich, literarisch usw.), einzeln oder in Sammlungen; i) Briefmarken, Steuermarken und Ähnliches, einzeln oder in Sammlungen;
Übereinkommen gegen den illegalen Handel von Kulturgut
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j) Archive einschließlich Phono-, Foto- und Filmarchive; k) Möbelstücke, die mehr als hundert Jahre alt sind, und alte Musikinstrumente.
Artikel 2
(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine der Hauptursachen für das Dahinschwinden des kulturellen Erbes der Ursprungsländer darstellen und dass die internationale Zusammenarbeit eines der wirksamsten Mittel zum Schutz des Kulturguts jedes Landes gegen alle sich daraus ergebenden Gefahren ist. (2) Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln diese Praktiken zu bekämpfen, indem sie insbesondere ihre Ursachen beseitigen, im Gang befindliche Praktiken beenden und zu den erforderlichen Wiedergutmachungen beitragen.
Artikel 3 Die Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut gelten als unzulässig, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen stehen, die von den Vertragsstaaten auf Grund dieses Übereinkommens angenommen worden sind.
Artikel 4 Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Sinne dieses Übereinkommens das zu folgenden Kategorien gehörende Gut Teil des kulturellen Erbes jedes Staates ist: a) Kulturgut, das durch die individuelle oder kollektive Schöpferkraft von Angehörigen des betreffenden Staates entstanden ist, und für den betreffenden Staat bedeutsames Kulturgut, das in seinem Hoheitsgebiet von dort ansässigen Ausländern oder Staatenlosen geschaffen wurde; b) im Staatsgebiet gefundenes Kulturgut; c) durch archäologische, ethnologische oder naturwissenschaftliche Missionen mit Zustimmung der zuständigen Behörden des Ursprungslands erworbenes Kulturgut; d) Kulturgut, das auf Grund freier Vereinbarung ausgetauscht worden ist; e) Kulturgut, das als Geschenk entgegengenommen oder mit Zustimmung der zuständigen Behörden des Ursprungslands rechtmäßig gekauft wurde.
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Artikel 5 Um den Schutz ihres Kulturguts vor unzulässiger Einfuhr, Ausfuhr oder Übereignung sicherzustellen, verpflichten sich die Vertragsstaaten, je nach den Gegebenheiten ihres Landes in ihren Hoheitsgebieten zum Schutz des kulturellen Erbes eine oder mehrere Dienststellen einzurichten, soweit solche nicht bereits vorhanden sind, die mit qualifiziertem und zahlenmäßig ausreichendem Personal ausgestattet sind, das in der Lage ist, folgende Aufgaben wirksam zu erfüllen: a) Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen und sonstigen Rechtsvorschriften zum Schutz des kulturellen Erbes und insbesondere zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung wichtigen Kulturguts; b) auf der Grundlage eines nationalen Bestandsverzeichnisses des zu schützenden Gutes Aufstellung und Führung eines Verzeichnisses des wichtigen öffentlichen und privaten Kulturguts, dessen Ausfuhr das nationale kulturelle Erbe merklich verringern würde; c) Förderung des Ausbaus oder der Errichtung wissenschaftlicher und technischer Einrichtungen (Museen, Bibliotheken, Archive, Laboratorien, Werkstätten usw.), die zur Erhaltung und Ausstellung von Kulturgut notwendig sind; d) Einrichtung der Überwachung archäologischer Ausgrabungen, Gewährleistung der Konservierung bestimmten Kulturguts „in situ“ und Schutz bestimmter Gebiete, die künftigen archäologischen Forschungen vorbehalten sind; e) Aufstellung von Vorschriften für die betroffenen Personen (Kuratoren, Sammler, Antiquitätenhändler usw.) entsprechend den ethischen Grundsätzen dieses Übereinkommens und Über wachung der Einhaltung dieser Vorschriften; f) Durchführung von Bildungsmaßnahmen, um die Achtung vor dem kulturellen Erbe aller Staaten zu wecken und zu entwickeln, und Verbreitung der Kenntnis der Bestimmungen dieses Übereinkommens; g) Vorsorge für eine ausreichende Bekanntmachung des Verschwindens von Kulturgut.
Artikel 6 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, a) eine geeignete Bescheinigung einzuführen, durch die der ausführende Staat bescheinigt, dass die Ausfuhr des betreffenden Kulturguts genehmigt ist. Jedes vorschriftsmäßig ausgeführte Kulturgut muss von einer solchen Bescheinigung begleitet sein; b) die Ausfuhr von Kulturgut aus ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten, sofern die oben genannte Ausfuhrbescheinigung nicht vorliegt;
Übereinkommen gegen den illegalen Handel von Kulturgut
c)
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dieses Verbot auf geeignete Weise in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, insbesondere bei Personen, die für die Ausfuhr oder Einfuhr von Kulturgut in Frage kommen.
Artikel 7 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, a) im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Museen und ähnliche Einrichtungen in ihrem Hoheitsgebiet am Erwerb von Kulturgut zu hindern, das aus einem anderen Vertragsstaat stammt und nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten widerrechtlich ausgeführt worden ist. Soweit möglich unterrichten sie einen Ursprungsstaat, der Vertragspartei ist, wenn solches Kulturgut angeboten wird, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für beide Staaten widerrechtlich aus jenem Staat entfernt worden ist; b) i) die Einfuhr von Kulturgut, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten aus einem Museum oder einem religiösen oder weltlichen öffentlichen Baudenkmal oder einer ähnlichen Einrichtung in einem anderen Vertragsstaat gestohlen worden ist, zu verbieten, sofern nachgewiesen werden kann, dass dieses Gut zum Bestand jener Einrichtung gehört; ii) auf Ersuchen des Ursprungsstaats, der Vertragspartei ist, geeignete Maßnahmen zur Wiedererlangung und Rückgabe solchen Kulturguts zu ergreifen, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für beide betreffenden Staaten eingeführt wurde, mit der Maßgabe, dass der ersuchende Staat einem gutgläubigen Erwerber oder einer Person mit einem gültigen Rechtsanspruch an dem Gut eine angemessene Entschädigung zahlt. Ersuchen um Wiedererlangung und Rückgabe sind auf diplomatischem Weg zu übermitteln. Der ersuchende Staat stellt auf seine Kosten die Unterlagen und Nachweise zur Verfügung, die zur Feststellung seines Anspruchs auf Wiedererlangung und Rückgabe erforderlich sind. Die Vertragsstaaten erheben auf das nach diesem Artikel zurückgegebene Gut weder Zölle noch sonstige Abgaben. Alle Kosten im Zusammenhang mit der Rückgabe und Zustellung des Kulturguts werden von dem ersuchenden Staat getragen.
Artikel 8 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, gegen jeden, der für einen Verstoß gegen die in Artikel 6 Buchstabe b und Artikel 7 Buchstabe b genannten Verbote verantwortlich ist, Kriminal- oder Ordnungsstrafen zu verhängen.
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Artikel 9 Jeder Vertragsstaat, dessen kulturelles Erbe durch Plünderung archäologischen oder ethnologischen Gutes gefährdet ist, kann sich an andere betroffene Vertragsstaaten wenden. Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens verpflichten sich, in diesen Fällen an einer konzertierten internationalen Aktion teilzunehmen mit dem Ziel, die erforderlichen konkreten Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, einschließlich der Überwachung der Ausfuhr, der Einfuhr und des internationalen Handels mit dem betreffenden spezifischen Gut. Bis zu einer Vereinbarung ergreift jeder betroffene Staat im Rahmen des Möglichen einstweilige Maßnahmen, um zu verhindern, dass dem kulturellen Erbe des ersuchenden Staates nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt wird.
Artikel 10 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, a) durch Erziehung, Information und aufmerksame Beobachtung den Verkehr mit Kulturgut, das aus einem Vertragsstaat widerrechtlich entfernt worden ist, einzuschränken und je nach den Gegebenheiten jedes Landes die Antiquitätenhändler unter Androhung von Kriminal- oder Ordnungsstrafen zu verpflichten, ein Verzeichnis zu führen, aus dem der Ursprung jedes einzelnen Kulturguts, Name und Anschrift des Lieferanten sowie die Beschreibung und der Preis jedes verkauften Gegenstands hervorgehen, und den Käufer des Kulturguts über das dafür möglicher weise bestehende Ausfuhr verbot zu unterrichten; b) sich zu bemühen, durch erzieherische Maßnahmen in der Öffentlichkeit das Verständnis für den Wert des Kulturguts sowie für seine Gefährdung durch Diebstahl, unerlaubte Ausgrabungen und unzulässige Ausfuhr zu wecken und zu entwickeln.
Artikel 11 Die erzwungene Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, die sich unmittelbar oder mittelbar aus der Besetzung eines Landes durch eine fremde Macht ergeben, gelten als unzulässig.
Artikel 12 Die Vertragsstaaten achten das kulturelle Erbe in den Hoheitsgebieten, deren internationale Beziehungen sie wahrnehmen, und ergreifen alle geeigneten Maßnahmen,
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um die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut in diesen Hoheitsgebieten zu verbieten und zu verhüten.
Artikel 13 Die Vertragsstaaten verpflichten sich ferner im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung, a) mit allen geeigneten Mitteln Übereignungen von Kulturgut zu verhüten, durch die eine unzulässige Einfuhr oder Ausfuhr desselben begünstigt werden könnte; b) dafür zu sorgen, dass ihre zuständigen Dienststellen zusammenarbeiten, um eine möglichst baldige Rückgabe des unzulässig ausgeführten Kulturguts an den rechtmäßigen Eigentümer zu erleichtern; c) Verfahren zur Wiedererlangung verloren gegangenen oder gestohlenen Kulturguts zuzulassen, die vom rechtmäßigen Eigentümer oder in seinem Namen angestrengt werden; d) das unantastbare Recht jedes Vertragsstaats anzuerkennen, bestimmtes Kulturgut als unveräußerlich einzustufen und zu erklären, das daher ipso facto nicht ausgeführt werden darf, und die Wiedererlangung solchen Gutes durch den betreffenden Staat in Fällen zu erleichtern, in denen es ausgeführt worden ist.
Artikel 14 Zur Verhütung der unzulässigen Ausfuhr und zur Einhaltung der aus der Durchführung dieses Übereinkommens entstehenden Verpflichtungen soll jeder Vertragsstaat im Rahmen seiner Möglichkeiten seine innerstaatlichen Dienststellen, die für den Schutz seines kulturellen Erbes verantwortlich sind, mit ausreichenden Mitteln ausstatten und, soweit erforderlich, zu diesem Zweck einen Fonds schaffen.
Artikel 15 Dieses Übereinkommen hindert die Vertragsstaaten nicht, untereinander Sonderabkommen zu schließen oder bereits geschlossene Abkommen weiter anzuwenden, welche die Rückgabe von Kulturgut zum Inhalt haben, das aus irgendwelchen Gründen vor Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten aus dem Ursprungsland entfernt worden ist.
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Artikel 16 Die Vertragsstaaten geben in ihren regelmäßigen Berichten, die sie der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu den von der Generalkonferenz festzulegenden Zeitpunkten und in einer von ihr anzugebenden Weise vorlegen, Auskunft über die von ihnen erlassenen Rechtsund Ver waltungsvorschriften und sonstige von ihnen zur Anwendung dieses Übereinkommens ergriffene Maßnahmen sowie ihre auf diesem Gebiet gewonnenen Erfahrungen.
Artikel 17 (1) Die Vertragsstaaten können die technische Hilfe der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur in Anspruch nehmen, insbesondere in folgenden Belangen: a) Information und Erziehung; b) Beratung und Sachverständigengutachten; c) Koordinierung und gute Dienste. (2) Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur kann von sich aus über Fragen im Zusammenhang mit dem unzulässigen Verkehr von Kulturgut Forschungsarbeiten durchfuhren und Untersuchungen veröffentlichen. (3) Zu diesem Zweck kann sich die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur mit der Bitte um Zusammenarbeit auch an jede sachverständige nichtstaatliche Organisation wenden. (4) Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur kann von sich aus den Vertragsstaaten Vorschläge für die Durchführung des Übereinkommens unterbreiten. (5) Auf Ersuchen von wenigstens zwei Vertragsstaaten, zwischen denen eine Streitigkeit über die Durchführung des Übereinkommens entstanden ist, kann die Unesco ihre guten Dienste für eine Beilegung anbieten.
Artikel 18 Dieses Übereinkommen ist in englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
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Artikel 19 (1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation oder Annahme durch die Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren. (2) Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt.
Artikel 20 (1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Nichtmitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, die vom Exekutivrat der Organisation hierzu aufgefordert werden, zum Beitritt auf. (2) Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur.
Artikel 21 Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nur für die Staaten, die bis zu diesem Zeitpunkt ihre Urkunden hinterlegt haben. Für jeden anderen Staat tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
Artikel 22 Die Vertragsstaaten erkennen an, dass das Übereinkommen nicht nur auf ihre Mutterländer anzuwenden ist, sondern auch auf alle Hoheitsgebiete, deren internationale Beziehungen sie wahrnehmen; sie verpflichten sich, nötigenfalls die Regierungen oder sonstigen zuständigen Behörden jener Hoheitsgebiete vor oder bei der Ratifikation, der Annahme oder dem Beitritt zu konsultieren, damit die Anwendung des Übereinkommens auf diese Gebiete gewährleistet ist, und dem Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur die Hoheitsgebiete zu notifizieren, auf die das Übereinkommen Anwendung findet; die Notifikation wird drei Monate nach ihrem Eingang wirksam.
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Artikel 23 (1) Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen für sich selbst oder für ein Hoheitsgebiet, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt, kündigen. (2) Die Kündigung wird durch eine schriftliche Urkunde notifiziert, die beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt wird. (3) Die Kündigung wird zwölf Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam.
Artikel 24 Der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur unterrichtet die Mitgliedstaaten der Organisation, die in Artikel 20 bezeichneten Nichtmitgliedstaaten der Organisation sowie die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller Ratifikations-, Annahme- und Beitrittsurkunden nach den Artikeln 19 und 20 und von den Notifikationen und Kündigungen nach den Artikeln 22 bzw. 23.
Artikel 25 (1) Dieses Übereinkommen kann von der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur revidiert werden. Jede Revision ist jedoch nur für diejenigen Staaten verbindlich, die Vertragsparteien des Revisionsübereinkommens werden. (2) Nimmt die Generalkonferenz ein neues Übereinkommen an, das dieses Übereinkommen ganz oder teilweise revidiert, so liegt dieses Übereinkommen, sofern das neue Übereinkommen nichts anderes bestimmt, vom Tag des Inkrafttretens des neuen Revisionsübereinkommens an nicht mehr zur Ratifikation, zur Annahme oder zum Beitritt auf.
Artikel 26 Auf Ersuchen des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur wird dieses Übereinkommen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert.
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GESCHEHEN zu Paris am 17. November 1970 in zwei Urschriften, die mit den Unterschriften des Präsidenten der 16. Tagung der Generalkonferenz und des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur versehen sind und im Archiv der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt werden; allen in den Artikeln 19 und 20 bezeichneten Staaten sowie den Vereinten Nationen werden beglaubigte Abschriften übermittelt. Dieses ist der verbindliche Wortlaut des Übereinkommens, das von der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur auf ihrer in Paris abgehaltenen und am 14. November 1970 für beendet erklärten 16. Tagung ordnungsgemäß angenommen wurde. ZU URKUND DESSEN haben wir am 17. November 1970 das Übereinkommen mit unseren Unterschriften versehen.
Der Präsident der Generalkonferenz Atilio Dell’Oro Maini
Der Generaldirektor René Maheu
Amtliche deutsche Fassung (Übersetzung des Auswärtigen Amtes) (http://www.unesco.de/406.html)
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Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt
Die Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, die vom 17. Oktober bis 21. November 1972 in Paris zu ihrer 17. Tagung zusammengetreten ist –
im Hinblick darauf, daß das Kulturerbe und das Naturerbe zunehmend von Zerstörung bedroht sind, nicht nur durch die herkömmlichen Verfallsursachen, sondern auch durch den Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, der durch noch verhängnisvollere Formen der Beschädigung oder Zerstörung die Lage verschlimmert; in der Erwägung, daß der Verfall oder der Untergang jedes einzelnen Bestandteils des Kultur- oder Naturerbes eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt darstellt; in der Erwägung, daß der Schutz dieses Erbes auf nationaler Ebene wegen der Höhe der erforderlichen Mittel und der unzureichenden wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Hilfsquellen des Landes, in dem sich das zu schützende Gut befindet, oft unvollkommen ist; eingedenk der Tatsache, daß die Satzung der Organisation vorsieht, daß sie Kenntnisse aufrechterhalten, vertiefen und verbreiten wird, und zwar durch Erhaltung und Schutz des Erbes der Welt sowie dadurch, daß sie den beteiligten Staaten die diesbezüglich erforderlichen internationalen Übereinkünfte empfiehlt; in der Erwägung, daß die bestehenden internationalen Übereinkünfte, Empfehlungen und Entschließungen über Kultur- und Naturgut zeigen, welche Bedeutung der Sicherung dieses einzigartigen und unersetzlichen Gutes, gleichviel welchem Volk es gehört, für alle Völker der Welt zukommt; in der Erwägung, daß Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen; in der Erwägung, daß es angesichts der Größe und Schwere der drohenden neuen Gefahren Aufgabe der internationalen Gemeinschaft als Gesamtheit ist, sich am Schutz des Kultur- und Naturerbes von außergewöhnlichem universellem Wert zu beteiligen, indem sie eine gemeinschaftliche Unterstützung gewährt, welche die Maßnahmen des betreffenden Staates zwar nicht ersetzt, jedoch wirksam ergänzt; in der Erwägung, daß es zu diesem Zweck erforderlich ist, neue Bestimmungen in Form eines Übereinkommens zur Schaffung eines wirksamen Systems des gemein-
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schaftlichen Schutzes des Kultur- und Naturerbes von außergewöhnlichem universellem Wert zu beschließen, das als ständige Einrichtung nach modernen wissenschaftlichen Methoden aufgebaut wird; nach dem auf ihrer 16. Tagung gefaßten Beschluß, diese Frage zum Gegenstand eines internationalen Übereinkommens zu machen – beschließt am 16. November 1972 dieses Übereinkommen.
I. Begriffsbestimmung des Kultur- und Naturerbes Artikel 1 Im Sinne dieses Übereinkommens gelten als „Kulturerbe“ Denkmäler: Werke der Architektur, Großplastik und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind; Ensembles: Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind; Stätten: Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.
Artikel 2 Im Sinne dieses Übereinkommens gelten als „Naturerbe“ Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungsformen oder -gruppen bestehen, welche aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind; geologische und physiographische Erscheinungsformen und genau abgegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;
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Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.
Artikel 3 Es ist Sache jedes Vertragsstaats, die in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten verschiedenen Güter zu erfassen und zu bestimmen.
II. Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler und internationaler Ebene Artikel 4 Jeder Vertragsstaat erkennt an, daß es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Er wird hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet.
Artikel 5 Um zu gewährleisten, daß wirksame und tatkräftige Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes getroffen werden, wird sich jeder Vertragsstaat bemühen, nach Möglichkeit und im Rahmen der Gegebenheiten seines Landes a) eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben und den Schutz dieses Erbes in erschöpfende Planungen einzubeziehen; b) in seinem Hoheitsgebiet, sofern Dienststellen für den Schutz und die Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit nicht vorhanden sind, eine oder mehrere derartige Dienststellen einzurichten, die über geeignetes Personal und die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel verfügen; c) wissenschaftliche und technische Untersuchungen und Forschungen durchzuführen und Arbeitsmethoden zu entwickeln, die es ihm ermöglichen, die seinem Kultur- und Naturerbe drohenden Gefahren zu bekämpfen;
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d) geeignete rechtliche, wissenschaftliche, technische, Ver waltungs- und Finanzmaßnahmen zu treffen, die für Erfassung, Schutz, Erhaltung in Bestand und Wertigkeit sowie Revitalisierung dieses Erbes erforderlich sind, und e) die Errichtung oder den Ausbau nationaler oder regionaler Zentren zur Ausbildung auf dem Gebiet des Schutzes und der Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit zu fördern und die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu unterstützen.
Artikel 6 (1) Unter voller Achtung der Souveränität der Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich das in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete Kultur- und Naturerbe befindet, und unbeschadet der durch das innerstaatliche Recht gewährten Eigentumsrechte erkennen die Vertragsstaaten an, daß dieses Erbe ein Welterbe darstellt, zu dessen Schutz die internationale Staatengemeinschaft als Gesamtheit zusammenarbeiten muß. (2) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, im Einklang mit diesem Übereinkommen bei Erfassung, Schutz und Erhaltung des in Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit Hilfe zu leisten, wenn die Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich dieses Erbe befindet, darum ersuchen. (3) Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, alle vorsätzlichen Maßnahmen zu unterlassen, die das in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete, im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten befindliche Kultur- und Naturerbe mittelbar oder unmittelbar schädigen könnten.
Artikel 7 Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet internationaler Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt die Einrichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe, das die Vertragsstaaten in ihren Bemühungen um die Erhaltung und Erfassung dieses Erbes unterstützen soll.
III. Zwischenstaatliches Komitee für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt
Artikel 8 (1) Hiermit wird innerhalb der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur ein Zwischenstaatliches Komitee für den Schutz des Kulturund Naturerbes von außergewöhnlichem universellem Wert mit der Bezeichnung „Komitee für das Erbe der Welt“ errichtet. Ihm gehören 15 Vertragsstaaten an; sie werden von den Vertragsstaaten gewählt, die während der ordentlichen Tagung der
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Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu einer Hauptversammlung zusammentreten. Die Zahl der dem Komitee angehörenden Mitgliedstaaten wird auf 21 erhöht, sobald eine ordentliche Tagung der Generalkonferenz nach dem Zeitpunkt stattfindet, an dem das Übereinkommen für mindestens 40 Staaten in Kraft tritt. (2) Bei der Wahl der Komiteemitglieder ist eine ausgewogene Vertretung der verschiedenen Regionen und Kulturen der Welt zu gewährleisten. (3) Je ein Vertreter der Internationalen Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (Römische Zentrale), des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) und der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN) sowie auf Verlangen der Vertragsstaaten, die während der ordentlichen Tagungen der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu einer Hauptversammlung zusammentreten, weitere Vertreter anderer zwischenstaatlicher oder nichtstaatlicher Organisationen mit ähnlichen Zielen können in beratender Eigenschaft an den Sitzungen des Komitees teilnehmen.
Artikel 9 (1) Die Amtszeit der Mitgliedstaaten des Komitees für das Erbe der Welt beginnt mit Ablauf der ordentlichen Tagung der Generalkonferenz, auf der sie gewählt wurden, und endet mit Ablauf der dritten darauffolgenden ordentlichen Tagung. (2) Die Amtszeit eines Drittels der bei der ersten Wahl bestellten Mitglieder endet jedoch mit Ablauf der ersten ordentlichen Tagung der Generalkonferenz nach der Tagung, auf der sie gewählt wurden; die Amtszeit eines weiteren Drittels der zur selben Zeit bestellten Mitglieder endet mit Ablauf der zweiten ordentlichen Tagung der Generalkonferenz nach der Tagung, auf der sie gewählt wurden. Die Namen dieser Mitglieder werden vom Präsidenten der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nach der ersten Wahl durch das Los ermittelt. (3) Die Mitgliedstaaten des Komitees wählen zu ihren Vertretern Personen, die Sachverständige auf dem Gebiet des Kulturerbes oder des Naturerbes sind.
Artikel 10 (1) Das Komitee für das Erbe der Welt gibt sich eine Geschäftsordnung. (2) Das Komitee kann jederzeit Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts oder Einzelpersonen einladen, zur Konsultation über Einzelfragen an seinen Sitzungen teilzunehmen.
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(3) Das Komitee kann beratende Gremien einsetzen, die es zur Wahrnehmung seiner Aufgaben für erforderlich hält.
Artikel 11 (1) Jeder Vertragsstaat legt dem Komitee für das Erbe der Welt nach Möglichkeit ein Verzeichnis des Gutes vor, das zu dem in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kulturund Naturerbe gehört und für eine Aufnahme in die in Absatz 2 vorgesehene Liste geeignet ist. Dieses Verzeichnis, das nicht als erschöpfend anzusehen ist, muß Angaben über Lage und Bedeutung des betreffenden Gutes enthalten. (2) Das Komitee wird auf Grund der von den Staaten nach Absatz 1 vorgelegten Verzeichnisse unter der Bezeichnung „Liste des Erbes der Welt“ eine Liste der zu dem Kultur- und Naturerbe im Sinne der Artikel 1 und 2 gehörenden Güter, die nach seiner Auffassung nach den von ihm festgelegten Maßstäben von außergewöhnlichem universellem Wert sind, aufstellen, auf dem neuesten Stand halten und veröffentlichen. Eine auf den neuesten Stand gebrachte Liste wird mindestens alle zwei Jahre verbreitet. (3) Die Aufnahme eines Gutes in die Liste des Erbes der Welt bedarf der Zustimmung des betreffenden Staates. Die Aufnahme eines Gutes, das sich in einem Gebiet befindet, über das von mehr als einem Staat Souveränität oder Hoheitsgewalt beansprucht wird, berührt nicht die Rechte der Streitparteien. (4) Das Komitee wird unter der Bezeichnung „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“ nach Bedarf eine Liste des in der Liste des Erbes der Welt aufgeführten Gutes, zu dessen Erhaltung umfangreiche Maßnahmen erforderlich sind und für das auf Grund dieses Übereinkommens Unterstützung angefordert wurde, aufstellen, auf dem neuesten Stand halten und veröffentlichen. Diese Liste hat einen Voranschlag der Kosten für derartige Maßnahmen zu enthalten. In die Liste darf nur solches zu dem Kultur- und Naturerbe gehörendes Gut aufgenommen werden, das durch ernste und spezifische Gefahren bedroht ist, z. B. Gefahr des Untergangs durch beschleunigten Verfall, öffentliche oder private Großvorhaben oder rasch vorangetriebene städtebauliche oder touristische Entwicklungsvorhaben; Zerstörung durch einen Wechsel in der Nutzung des Grundbesitzes oder im Eigentum daran; größere Veränderungen auf Grund unbekannter Ursachen; Preisgabe aus irgendwelchen Gründen; Ausbruch oder Gefahr eines bewaffneten Konflikts; Natur- und sonstige Katastrophen; Feuersbrünste, Erdbeben, Erdrutsche; Vulkanausbrüche; Veränderungen des Wasserspiegels, Überschwemmungen und Sturmfluten. Das Komitee kann, wenn dies dringend notwendig ist, jederzeit eine neue Eintragung in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt vornehmen und diese Eintragung sofort bekanntmachen. (5) Das Komitee bestimmt die Maßstäbe, nach denen ein zum Kultur- oder Naturerbe gehörendes Gut in eine der in den Absätzen 2 und 4 bezeichneten Listen aufgenommen werden kann.
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(6) Bevor das Komitee einen Antrag auf Aufnahme in eine der beiden in den Absätzen 2 und 4 bezeichneten Listen ablehnt, konsultiert es den Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich das betreffende Kultur- oder Naturgut befindet. (7) Das Komitee koordiniert und fördert im Einvernehmen mit den betreffenden Staaten die Untersuchungen und Forschungen, die zur Aufstellung der in den Absätzen 2 und 4 bezeichneten Listen erforderlich sind.
Artikel 12 Ist ein zum Kultur- oder Naturerbe gehörendes Gut in keine der in Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Listen aufgenommen worden, so bedeutet das nicht, daß dieses Gut nicht für andere als die sich aus der Aufnahme in diese Listen ergebenden Zwecke von außergewöhnlichem universellem Wert ist.
Artikel 13 (1) Das Komitee für das Erbe der Welt nimmt die von Vertragsstaaten für in ihrem Hoheitsgebiet befindliches, zum Kultur- oder Naturerbe gehörendes Gut, das in die in Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Listen aufgenommen oder möglicherweise für eine Aufnahme geeignet ist, gestellten Anträge auf internationale Unterstützung entgegen und prüft sie. Derartige Anträge können gestellt werden, um den Schutz, die Erhaltung in Bestand und Wertigkeit oder die Revitalisierung dieses Gutes zu sichern. (2) Anträge auf internationale Unterstützung nach Absatz 1 können auch die Erfassung von Kultur- oder Naturgut im Sinne der Artikel 1 und 2 zum Gegenstand haben, wenn Voruntersuchungen gezeigt haben, daß weitere Untersuchungen gerechtfertigt wären. (3) Das Komitee entscheidet über die hinsichtlich dieser Anträge zu treffenden Maßnahmen, bestimmt gegebenenfalls Art und Ausmaß seiner Unterstützung und genehmigt den Abschluß der in seinem Namen mit der beteiligten Regierung zu treffenden erforderlichen Vereinbarungen. (4) Das Komitee legt eine Rangordnung seiner Maßnahmen fest. Dabei berücksichtigt es die Bedeutung des schutzbedürftigen Gutes für das Kultur- und Naturerbe der Welt, die Notwendigkeit, internationale Unterstützung für das Gut zu gewähren, das die natürliche Umwelt oder die schöpferische Kraft und die Geschichte der Völker der Welt am besten verkörpert, ferner die Dringlichkeit der zu leistenden Arbeit, die Mittel, die den Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich das bedrohte Gut befindet, zur Verfügung stehen, und insbesondere das Ausmaß, in dem sie dieses Gut mit eigenen Mitteln sichern können.
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(5) Das Komitee wird eine Liste des Gutes, für das internationale Unterstützung gewährt wurde, aufstellen, auf dem neuesten Stand halten und veröffentlichen. (6) Das Komitee entscheidet über die Ver wendung der Mittel des nach Artikel 15 errichteten Fonds. Es erkundet Möglichkeiten, diese Mittel zu erhöhen, und trifft dazu alle zweckdienlichen Maßnahmen. (7) Das Komitee arbeitet mit internationalen und nationalen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen zusammen, deren Ziele denen dieses Übereinkommens gleichen. Zur Durchführung seiner Programme und Vorhaben kann das Komitee die Hilfe derartiger Organisationen, insbesondere der Internationalen Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (Römische Zentrale), des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) und der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN) sowie sonstiger Einrichtungen des öffentlichen und privaten Rechts und von Einzelpersonen in Anspruch nehmen. (8) Die Beschlüsse des Komitees bedürfen der Zweidrittelmehrheit seiner anwesenden und abstimmenden Mitglieder. Das Komitee ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist.
Artikel 14 (1) Dem Komitee für das Erbe der Welt steht ein Sekretariat zur Seite, das vom Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur bestellt wird. (2) Der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur bereitet unter möglichst weitgehender Nutzung der Dienste der Internationalen Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (Römische Zentrale), des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) und der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN) in ihrem jeweiligen Zuständigkeits- und Fachbereich die Dokumentation des Komitees und die Tagesordnung seiner Sitzungen vor und ist für die Durchführung seiner Beschlüsse verantwortlich.
IV. Fonds für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt Artikel 15 (1) Hiermit wird ein Fonds für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von außergewöhnlichem universellem Wert errichtet; er wird als „Fonds für das Erbe der Welt“ bezeichnet.
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(2) Der Fonds stellt ein Treuhandvermögen im Sinne der Finanzordnung der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur dar. (3) Die Mittel des Fonds bestehen aus a) Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen der Vertragsstaaten; b) Beiträgen, Spenden oder Vermächtnissen i) anderer Staaten, ii) der Organisationen der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, anderer Organisationen des Systems der Vereinten Nationen, insbesondere des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, sowie sonstiger zwischenstaatlicher Organisationen, iii) von Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Rechts oder von Einzelpersonen; c) den für die Mittel des Fonds anfallenden Zinsen; d) Mitteln, die durch Sammlungen und Einnahmen aus Veranstaltungen zugunsten des Fonds aufgebracht werden, und e) allen sonstigen Mitteln, die durch die vom Komitee für das Erbe der Welt für den Fonds aufgestellten Vorschriften genehmigt sind. (4) Beiträge an den Fonds und sonstige dem Komitee zur Verfügung gestellte Unterstützungsbeiträge dürfen nur für die vom Komitee bestimmten Zwecke ver wendet werden. Das Komitee kann Beiträge entgegennehmen, die nur für ein bestimmtes Programm oder Vorhaben verwendet werden sollen, sofern es die Durchführung dieses Programms oder Vorhabens beschlossen hat. An die dem Fonds gezahlten Beiträge dürfen keine politischen Bedingungen geknüpft werden.
Artikel 16 (1) Unbeschadet etwaiger zusätzlicher freiwilliger Beiträge verpflichten sich die Vertragsstaaten, regelmäßig alle zwei Jahre an den Fonds für das Erbe der Welt Beiträge zu zahlen, deren Höhe nach einem einheitlichen, für alle Staaten geltenden Schlüssel errechnet und von der Generalversammlung der Vertragsstaaten festgesetzt wird, die während der Tagungen der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zusammentritt. Dieser Beschluß der Generalversammlung bedarf der Mehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten, die nicht die in Absatz 2 genannte Erklärung abgegeben haben. Der Pflichtbeitrag der Vertragsstaaten darf 1 v. H. des Beitrags zum ordentlichen Haushalt der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nicht überschreiten. (2) Ein in Artikel 31 oder 32 genannter Staat kann jedoch bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde erklären, daß er durch Absatz 1 des vorliegenden Artikels nicht gebunden ist.
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(3) Ein Vertragsstaat, der die in Absatz 2 genannte Erklärung abgegeben hat, kann diese jederzeit durch eine an den Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur gerichtete Notifikation zurücknehmen. Die Rücknahme der Erklärung wird jedoch für den Pflichtbeitrag des betreffenden Staates erst mit dem Zeitpunkt der nächsten Generalversammlung der Vertragsstaaten wirksam. (4) Um dem Komitee die wirksame Planung seiner Tätigkeit zu ermöglichen, sind die Beiträge von Vertragsstaaten, welche die in Absatz 2 genannte Erklärung abgegeben haben, regelmäßig, mindestens jedoch alle zwei Jahre zu entrichten; sie sollen nicht niedriger sein als die Beiträge, die sie zu zahlen hätten, wenn Absatz 1 für sie gelten würde. (5) Ein Vertragsstaat, der mit der Zahlung seiner Pflichtbeiträge oder seiner freiwilligen Beiträge für das laufende Jahr und das unmittelbar vorhergegangene Kalenderjahr im Rückstand ist, kann nicht Mitglied des Komitees für das Erbe der Welt werden; dies gilt jedoch nicht für die erste Wahl. Die Amtszeit eines solchen Staates, der bereits Mitglied des Komitees ist, endet im Zeitpunkt der in Artikel 8 Absatz 1 vorgesehenen Wahl.
Artikel 17 Die Vertragsstaaten erwägen oder fördern die Errichtung nationaler Stiftungen oder Vereinigungen des öffentlichen und privaten Rechts, die den Zweck haben, Spenden für den Schutz des Kultur- und Naturerbes im Sinne der Artikel 1 und 2 anzuregen.
Artikel 18 Die Vertragsstaaten unterstützen die unter der Schirmherrschaft der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zugunsten des Fonds für das Erbe der Welt durchgeführten Werbemaßnahmen zur Auf bringung von Mitteln. Sie erleichtern die Sammlungen, die von den in Artikel 15 Absatz 3 bezeichneten Einrichtungen für diesen Zweck durchgeführt werden.
V. Voraussetzungen und Maßnahmen der internationalen Unterstützung Artikel 19 Jeder Vertragsstaat kann internationale Unterstützung für in seinem Hoheitsgebiet befindliches und zum Kultur- oder Naturerbe von außergewöhnlichem universellem Wert gehörendes Gut beantragen. Mit seinem Antrag hat er alle in Artikel 21 genannten
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Informationen und Unterlagen vorzulegen, über die er verfügt und die das Komitee benötigt, um einen Beschluß zu fassen.
Artikel 20 Vorbehaltlich des Artikels 13 Absatz 2, des Artikels 22 Buchstabe c und des Artikels 23 kann die in diesem Übereinkommen vorgesehene internationale Unterstützung nur für solches zum Kultur- und Naturerbe gehörendes Gut gewährt werden, dessen Aufnahme in eine der in Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Listen vom Komitee für das Erbe der Welt beschlossen wurde oder künftig beschlossen wird.
Artikel 21 (1) Das Komitee für das Erbe der Welt bestimmt das Verfahren, nach dem die ihm unterbreiteten Anträge auf internationale Unterstützung zu behandeln sind, und schreibt die Einzelheiten des Antrags vor, der die er wogene Maßnahme, die erforderliche Arbeit, die voraussichtlichen Kosten, den Dringlichkeitsgrad und die Gründe, warum die Eigenmittel des antragstellenden Staates nicht zur Deckung aller Kosten ausreichen, umfassen soll. Den Anträgen sind, sofern irgend möglich, Sachverständigengutachten beizufügen. (2) Anträge auf Grund von Natur- oder sonstigen Katastrophen sollen vom Komitee wegen der gegebenenfalls erforderlichen dringlichen Arbeiten sofort und vorrangig erörtert werden; es soll für derartige Notfälle über einen Reservefonds verfügen. (3) Bevor das Komitee einen Beschluß faßt, führt es alle Untersuchungen und Konsultationen durch, die es für erforderlich hält.
Artikel 22 Unterstützung durch das Komitee für das Erbe der Welt kann in folgender Form gewährt werden: a) Untersuchungen über die künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen Probleme, die der Schutz, die Erhaltung in Bestand und Wertigkeit und die Revitalisierung des Kultur- und Naturerbes im Sinne des Artikels 11 Absätze 2 und 4 auf werfen; b) Bereitstellung von Sachverständigen, Technikern und Facharbeitern, um sicherzustellen, daß die genehmigte Arbeit richtig ausgeführt wird; c) Ausbildung von Personal und Fachkräften aller Ebenen auf dem Gebiet der Erfassung, des Schutzes, der Erhaltung in Bestand und Wertigkeit und der Revitalisierung des Kultur- und Naturerbes; d) Lieferung von Ausrüstungsgegenständen, die der betreffende Staat nicht besitzt oder nicht er werben kann;
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e) f)
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Darlehen mit niedrigem Zinssatz oder zinslose Darlehen, die langfristig zurückgezahlt werden können; in Ausnahmefällen und aus besonderen Gründen Gewährung verlorener Zuschüsse.
Artikel 23 Das Komitee für das Erbe der Welt kann auch internationale Unterstützung für nationale oder regionale Zentren zur Ausbildung von Personal und Fachkräften aller Ebenen auf dem Gebiet der Erfassung, des Schutzes, der Erhaltung in Bestand und Wertigkeit und der Revitalisierung des Kultur- und Naturerbes gewähren.
Artikel 24 Einer großangelegten internationalen Unterstützung müssen eingehende wissenschaftliche, wirtschaftliche und technische Untersuchungen vorausgehen. Diesen Untersuchungen müssen die fortschrittlichsten Verfahren für Schutz, Erhaltung in Bestand und Wertigkeit und Revitalisierung des Natur- und Kulturerbes zugrunde liegen; sie müssen den Zielen dieses Übereinkommens entsprechen. Die Untersuchungen müssen auch Mittel und Wege erkunden, die in dem betreffenden Staat vorhandenen Hilfsquellen rationell zu nutzen.
Artikel 25 In der Regel wird nur ein Teil der Kosten für die erforderliche Arbeit von der internationalen Gemeinschaft getragen. Der Beitrag des Staates, dem die internationale Unterstützung zuteil wird, muß einen wesentlichen Teil der für jedes Programm oder Vorhaben aufgewendeten Mittel darstellen, es sei denn, seine Mittel erlauben dies nicht.
Artikel 26 Das Komitee für das Erbe der Welt und der Empfängerstaat legen in dem von ihnen zu schließenden Abkommen die Bedingungen für die Durchführung eines Programms oder Vorhabens fest, für das nach diesem Übereinkommen internationale Unterstützung gewährt wird. Es ist Aufgabe des Staates, der die internationale Unterstützung erhält, das betreffende Gut danach im Einklang mit diesem Übereinkommen zu schützen sowie in Bestand und Wertigkeit zu erhalten.
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VI. Erziehungsprogramme Artikel 27 (1) Die Vertragsstaaten bemühen sich unter Einsatz aller geeigneten Mittel, insbesondere durch Erziehungs- und Informationsprogramme, die Würdigung und Achtung des in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes durch ihre Völker zu stärken. (2) Sie verpflichten sich, die Öffentlichkeit über die diesem Erbe drohenden Gefahren und die Maßnahmen auf Grund dieses Übereinkommens umfassend zu unterrichten.
Artikel 28 Die Vertragsstaaten, die internationale Unterstützung auf Grund dieses Übereinkommens erhalten, treffen geeignete Maßnahmen, um die Bedeutung sowohl des Gutes, für das Unterstützung empfangen wurde, als auch der Unterstützung bekanntzumachen.
VII. Berichte Artikel 29 (1) Die Vertragsstaaten machen in den Berichten, die sie der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu den von dieser festgesetzten Terminen in der von ihr bestimmten Weise vorlegen, Angaben über die von ihnen erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und über sonstige Maßnahmen, die sie zur Anwendung dieses Übereinkommens getroffen haben, sowie über Einzelheiten der auf diesem Gebiet gesammelten Erfahrungen. (2) Die Berichte sind dem Komitee für das Erbe der Welt zur Kenntnis zu bringen. (3) Das Komitee legt auf jeder ordentlichen Tagung der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur einen Tätigkeitsbericht vor.
VIII. Schlußbestimmungen Artikel 30 Dieses Übereinkommen ist in arabischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefaßt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
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Artikel 31 (1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation oder Annahme durch die Mitgliedsstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nach Maßgabe ihrer Verfassungsrechtlichen Verfahren. (2) Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt.
Artikel 32 (1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Nichtmitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, die von der Generalkonferenz der Organisation hierzu aufgefordert werden, zum Beitritt auf. (2) Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur.
Artikel 33 Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der zwanzigsten Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nur für die Staaten, die bis zu diesem Tag ihre Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben. Für jeden anderen Staat tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
Artikel 34 Folgende Bestimmungen gelten für die Vertragsstaaten, die ein bundesstaatliches oder nicht einheitsstaatliches Verfassungssystem haben: a) Hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit des Bundes- oder Zentral-Gesetzgebungsorgans fällt, sind die Verpflichtungen der Bundes- oder Zentralregierung dieselben wie für diejenigen Vertragsstaaten, die nicht Bundesstaaten sind; b) hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit eines einzelnen Gliedstaats, eines Landes, einer Provinz oder eines Kantons fällt, die nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet sind, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, unterrichtet die Bundesregierung die zuständigen Stellen dieser Staaten, Länder, Provinzen oder Kantone von den genannten Bestimmungen und empfiehlt ihnen ihre Annahme.
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Artikel 35 (1) Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen kündigen. (2) Die Kündigung wird durch eine Urkunde notifiziert, die beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt wird. (3) Die Kündigung wird zwölf Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Sie läßt die finanziellen Verpflichtungen des kündigenden Staates bis zu dem Tag unberührt, an dem der Rücktritt wirksam wird.
Artikel 36 Der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur unterrichtet die Mitgliedstaaten der Organisation, die in Artikel 32 bezeichneten Nichtmitgliedstaaten der Organisation sowie die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunden nach den Artikeln 31 und 32 und von den Kündigungen nach Artikel 35.
Artikel 37 (1) Dieses Übereinkommen kann von der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur revidiert werden. Jede Revision ist jedoch nur für diejenigen Staaten verbindlich, die Vertragsparteien des Revisionsübereinkommens werden. (2) Beschließt die Generalkonferenz ein neues Übereinkommen, das dieses Übereinkommen ganz oder teilweise revidiert, so liegt dieses Übereinkommen, sofern nicht das neue Übereinkommen etwas anderes bestimmt, vom Tag des Inkrafttretens des neuen Revisionsübereinkommens an nicht mehr zur Ratifikation, zur Annahme oder zum Beitritt auf.
Artikel 38 Auf Ersuchen des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur wird dieses Übereinkommen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert.
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GESCHEHEN zu Paris am 23. November 1972 in zwei Urschriften, die mit den Unterschriften des Präsidenten der 17. Tagung der Generalkonferenz und des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur versehen sind und im Archiv der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt werden; allen in den Artikeln 31 und 32 bezeichneten Staaten sowie den Vereinten Nationen werden beglaubigte Abschriften übermittelt.
Deutsche Übersetzung aus dem Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1977, Teil II, Nr. 10. Der Originaltext des Übereinkommens ist in den sechs Arbeitssprachen der UN auf der Website der UNESCO verfügbar. (http://unesco.de/welterbe-konvention.html)
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Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik Weltkonferenz über Kulturpolitik Mexiko, 26. Juli bis 6. August 1982 Die 129 Mitgliedstaaten der UNESCO, die an der zweiten „Weltkonferenz über Kulturpolitik“ teilnahmen, haben zum Abschluss der Konferenz einstimmig die folgende Erklärung angenommen: In den letzten Jahren haben sich in der Welt tief greifende Veränderungen vollzogen. Die Fortschritte in Wissenschaft und Technik haben die Stellung des Menschen in der Welt und die Art seiner sozialen Beziehungen verändert. Bildung und Kultur, deren Bedeutung und Umfang beträchtlich zugenommen haben, sind eine unerlässliche Voraussetzung für die wahrhafte Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft. Obwohl die Welt von heute mehr Möglichkeiten zum Dialog bietet, steht die Gemeinschaft der Nationen ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten gegenüber, nimmt das Ungleichgewicht zwischen den Nationen zu, und das Wettrüsten sowie zahlreiche Konflikte und schwerwiegende Spannungen bedrohen Frieden und Sicherheit. Deshalb ist es jetzt mehr denn je erforderlich, eine engere Zusammenarbeit zwischen den Nationen einzuleiten, den Respekt vor den Rechten anderer zu gewährleisten und die Ausübung der Grundfreiheiten des Menschen und der Völker und ihres Rechtes auf Selbstbestimmung sicherzustellen. Mehr denn je müssen jetzt unter anderem durch Bildung, Wissenschaft und Kultur „Schutzwälle des Friedens“ im Bewusstsein jedes einzelnen errichtet werden. Die internationale Gemeinschaft hat auf ihrem Treffen in Mexiko-City aus Anlass der Weltkonferenz über Kulturpolitik beschlossen, mit allen Kräften zu engeren Verbindungen zwischen den Völkern und zu einem größeren Verständnis zwischen den Menschen beizutragen. Deshalb stimmt die Konferenz im Vertrauen auf die letztendliche Übereinstimmung der kulturellen und geistigen Ziele der Menschheit darin überein: dass die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen; dass der Mensch durch die Kultur befähigt wird, über sich selbst nachzudenken. Erst durch die Kultur werden wir zu menschlichen, rational handelnden Wesen, die über ein kritisches Urteilsvermögen und ein Gefühl der moralischen Verpflichtung verfügen. Erst durch die Kultur erkennen wir Werte und treffen die Wahl. Erst durch die
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Kultur drückt sich der Mensch aus, wird sich seiner selbst bewusst, erkennt seine Unvollkommenheit, stellt seine eigenen Errungenschaften in Frage, sucht unermüdlich nach neuen Sinngehalten und schafft Werke, durch die er seine Begrenztheit überschreitet. Demzufolge kommt die Konferenz feierlich überein, dass die nachstehend aufgeführten Grundsätze die Kulturpolitik leiten sollen.
Kulturelle Identität
1. Jede Kultur repräsentiert eine einzigartige und unersetzliche Gesamtheit von Werten, da die Traditionen und Ausdrucksformen eines jeden Volkes das wirkungsvollste Mittel sind, seine Präsenz in der Welt zu beweisen. 2. Deshalb trägt die Behauptung der kulturellen Identität zur Befreiung der Völker bei. Im Gegensatz dazu stellt jede Form von Dominanz eine Verleugnung oder Beeinträchtigung dieser Identität dar. 3. Die kulturelle Identität ist eine reiche Quelle, die die Möglichkeiten der Menschheit belebt, sich selbst zu verwirklichen, indem sie jeden Menschen und jede Gruppe dazu führt, aus der Vergangenheit zu schöpfen, Einflüsse von außen aufzunehmen, die mit den eigenen Charakteristika vereinbar sind und auf diese Weise den Prozess seiner eigenen Erneuerung fortzuführen. 4. Alle Kulturen sind Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit. Die kulturelle Identität eines Volkes wird durch den Kontakt mit den Traditionen und Wertvorstellungen von anderen erneuert und bereichert. Die Kultur ist der Dialog, der Austausch von Ideen und Erfahrungen und die Achtung anderer Werte und Traditionen; die Isolation lässt sie verfallen und absterben. 5. Die Universalität kann nicht abstrakt von einer einzigen Kultur gefördert werden: sie entspringt aus den Erfahrungen aller Völker der Welt, von denen ein jedes seine eigene Identität bekräftigt. Kulturelle Identität und kulturelle Vielfalt sind untrennbar miteinander verbunden. 6. Besondere Charakteristika behindern nicht die Teilhabe an den universellen Werten, die die Völker einen; sie bereichern sie eher. Von daher macht die Anerkennung des Vorhandenseins einer Vielzahl von kulturellen Werten in den Fällen, in denen verschiedene Traditionen nebeneinander existieren, das eigentliche Wesen des kulturellen Pluralismus. 7. Die internationale Gemeinschaft sieht es als ihre Aufgabe an, sicherzustellen, dass die kulturelle Identität eines jeden Volkes erhalten und geschützt wird.
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8. All dies zeigt, dass eine Kulturpolitik erforderlich ist, die die kulturelle Identität und das kulturelle Erbe eines jeden Volkes schützt, anregt und bereichert, und dass es notwendig ist, den absoluten Respekt und die wirkliche Achtung von kulturellen Minderheiten und anderen Kulturen der Welt herzustellen. Die Vernachlässigung oder Zerstörung der Kultur irgendeiner Gruppe bedeutet für die gesamte Menschheit einen Verlust. 9. Die Gleichheit und Würde aller Kulturen muss anerkannt werden ebenso wie das Recht eines jeden Volkes und jeder Kulturgemeinschaft, ihre kulturelle Identität zu behaupten und zu bewahren.
Die kulturelle Dimension der Entwicklung
10. Die Kultur ist ein Hauptelement des Entwicklungsprozesses, und sie trägt dazu bei, die Unabhängigkeit, Souveränität und Identität der Nationen zu verstärken. Häufig wurde das Wachstum in quantitativen Begriffen konzipiert, ohne dass die erforderliche qualitative Dimension Berücksichtigung fand, d. h. die Befriedigung der geistigen und kulturellen Bedürfnisse des Menschen. Das Ziel der wahren Entwicklung ist das dauerhafte Wohlergehen und die Entfaltung jedes Menschen. 11. Es ist unbedingt erforderlich, die Entwicklung zu humanisieren, deren Endziel die individuelle Würde des Menschen und seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft sein sollte. Die Entwicklung bedeutet für jeden einzelnen und jedes Volk den Zugang zu Informationen und die Möglichkeit, zu lernen und sich mit anderen zu verständigen. 12. Wenn allen Männern und Frauen die Möglichkeit gegeben werden soll, ihr Los zu verbessern, muss der Lauf der Entwicklung ständig diesem Bestreben angepasst werden. 13. Immer mehr Männer und Frauen sind auf der Suche nach einer besseren Welt. Sie suchen nicht nur nach einer Befriedigung von Grundbedürfnissen, vielmehr streben sie darüber hinaus die Weiterentwicklung der Menschen, ihr Wohlergehen und ihre Möglichkeiten, in Gemeinschaft mit allen Völkern zu leben, an. Ihre Zielsetzung ist nicht die Produktion, Gewinn oder Konsum an sich, sondern die volle Ausschöpfung ihres individuellen und gemeinsamen Potentials und die Erhaltung der Natur. 14. Der Mensch ist der Ursprung und das Endziel der Entwicklung. 15. Jede Kulturpolitik sollte dem Entwicklungsprozess seine tiefgreifende, menschliche Bedeutung wiedergeben. Dafür sind neue Modelle erforderlich, die im Bereich von Kultur und Bildung zu finden sind.
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16. Eine ausgewogene Entwicklung kann nur sichergestellt werden, wen kulturelle Faktoren zu einem integralen Bestandteil der Entwicklungsstrategien gemacht werden. In diesem Sinne sollten Entwicklungspläne und -strategien unter Berücksichtigung der historischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten jeder Gesellschaft entwickelt werden.
Kultur und Demokratie
17. Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verkündet, dass jedermann das Recht hat, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben. Die Staaten müssen alle erforderlichen Schritte einleiten, um dieses Ziel zu erreichen. 18. Die Kultur ist Ausdruck der gesamten Gemeinschaft und sollte nicht das Privileg einer Elite sein. Die kulturelle Demokratie baut auf der möglichst umfassenden Beteiligung von einzelnen und von der Gesellschaft an der Schaffung von kulturellen Gütern, an Entscheidungen über das kulturelle Leben und an der Verbreitung und Nutzung der Kultur auf. 19. Es sollte vor allem das Ziel angestrebt werden, neue Wege der kulturellen Demokratie durch Chancengleichheit in Bildung und Kultur zu eröffnen. 20. Das kulturelle Leben sollte in geographischer und administrativer Hinsicht dezentralisiert werden, und es sollte sichergestellt werden, dass die für kulturelle Aktivitäten zuständigen Institutionen sich stärker der Wünsche, Vorstellung und Bedürfnisse der Gesellschaft im kulturellen Bereich bewusst werden. Deshalb sollten mehr Möglichkeiten für Kontakte zwischen der Öffentlichkeit und der Kulturverwaltung geschaffen werden. 21. Ein Programm zur Demokratisierung der Kultur erfordert vor allem die Dezentralisierung der Zentren, in denen die Kunst geschaffen und öffentlich ausgestellt wird. Eine demokratische Kulturpolitik schafft die Möglichkeit, dass alle Gemeinschaften und die gesamte Bevölkerung die Kunstwerke und das Kunstschaffen positiv nutzen können. 22. Die Beteiligung aller am kulturellen Leben setzt voraus, dass alle Ungleichheiten beseitigt werden, die sich aus dem sozialen Hintergrund und der sozialen Stellung, aus Erziehung, Alter, Sprache, Geschlecht, Glauben, Gesundheit oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit oder eine Randgruppe ergeben können.
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Kulturerbe
23. Das Kulturerbe eines Volkes umfasst die Werke seiner Künstler, Architekten, Musiker, Schriftsteller und Wissenschaftler sowie die Arbeiten namentlich nicht bekannter Künstler, geistige Werke des Volkes und das Wertsystem, das dem Leben Bedeutung gibt. Dazu zählen gleichermaßen materiell greif bare und immaterielle Schöpfungen, durch die sich die Kreativität dieses Volkes ausdrückt: Sprachen, Riten, Glaubensrichtungen, historische Stätten und Monumente, Literatur, Kunstwerke, Archive und Büchereien. 24. Deshalb hat jedes Volk das Recht und die Pflicht, sein kulturelles Erbe zu verteidigen und zu erhalten, da die Gesellschaften sich selbst durch die Werte erkennen, die für sie eine Quelle der schöpferischen Inspiration darstellen. 25. Häufig wurde das Kulturerbe durch Gedankenlosigkeit oder im Verlaufe des Urbanisierungs- und Industrialisierungsprozesses und durch eine immer stärkere Technisierung beschädigt und zerstört. Aber noch unerträglicher ist der Schaden, der dem Kulturerbe durch den Kolonialismus, bewaffnete Konflikte, fremde Besetzung oder die Aufzwingung fremder Wertvorstellung droht. All dies führt dazu, dass die Bindungen eines Volkes zu seiner Vergangenheit zertrennt werden und die Erinnerung an sie ausgelöscht wird. Durch die Erhaltung und Achtung seines Kulturerbes wird einem Volk die Möglichkeit gegeben, seine Souveränität und Unabhängigkeit zu verteidigen und auf diese Weise seine kulturelle Identität zu bekräftigen und zu fördern. 26. Die Rückgabe von Kulturgut, das rechtswidrig aus den Ursprungsländern entfernt wurde, ist ein Grundprinzip der kulturellen Beziehungen zwischen den Völkern. Vorhandene internationale Instrumente, Abkommen und Resolutionen könnten im Hinblick auf ihre Effizienz für dieses Vorhaben verstärkt werden.
Künstlerisches und geistiges Schaffen und Kunsterziehung
27. Nur im Rahmen der Unabhängigkeit der Völker und individueller Freiheit kann die Kultur ihr Leben entfalten. Die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit ist für die schöpferischen Tätigkeiten von Künstlern und Intellektuellen unerlässlich. 28. Es müssen soziale und kulturelle Bindungen geschaffen werden, die eine künstlerische und intellektuelle Kreativität erleichtern, anregen und sicherstellen, die frei ist von politischer, ideologischer, wirtschaftlicher oder sozialer Diskriminierung. 29. Die Entwicklung und Förderung der Kunsterziehung erfordern nicht nur die Erarbeitung von besonderen Programmen, durch die das Kunstverständnis entwickelt und Gruppen oder Institutionen unterstützt werden sollen, die sich mit der Schaffung
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und Verbreitung der Kultur befassen. Gleichzeitig müssen Aktivitäten geschaffen werden, durch die das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die soziale Bedeutung der Kunst und das intellektuelle Schaffen geweckt wird.
Die Beziehung der Kultur zu Bildung, Wissenschaft und Kommunikation
30. Die Gesamtentwicklung der Gesellschaft erfordert zusätzliche Maßnahmen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wissenschaft und Kommunikation, um ein harmonisches Gleichgewicht zwischen dem technischen Fortschritt und der intellektuellen und moralischen Weiterentwicklung der Menschheit herzustellen. 31. Die Bildung ist hervorragend zur Übermittlung nationaler und universeller kultureller Werte geeignet, und sie sollte die Übernahme von wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen ohne Schaden für die Fähigkeiten und Wertvorstellungen eines jeden Volkes fördern. 32. Gegenwärtig wird eine integrale, innovatorische Bildung benötigt, die nicht nur informiert und übermittelt, sondern gleichfalls ausbildet und erneuert, die den Lernenden hilft, sich der Realitäten ihrer Zeit und ihrer Umwelt bewusst zu werden und die zur völligen Entfaltung der Persönlichkeit beiträgt, die zur Selbstdisziplin, zum Respekt vor anderen und zur sozialen und internationalen Solidarität erzieht, die die Menschen zur Organisation und Produktivität und zur Herstellung wirklich notwendiger Güter und Dienstleistungen erzieht und schließlich die Erneuerung fördert und die Kreativität anregt. 33. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Gebrauch nationaler Sprachen im Unterricht gefördert wird. 34. Die geistige Bildung muss als Vorbedingung für die kulturelle Entwicklung eines jeden Volkes angesehen werden. 35. Der Unterricht in Wissenschaft und Technik sollte als kultureller Prozess konzipiert werden und eine kritische Einstellung zum Wissen entwickeln. Er sollte in Übereinstimmung mit den Entwicklungsbedürfnissen der Völker in die Bildungssysteme integriert werden. 36. Der freie Fluss und die möglichst weite und ausgewogene Verbreitung von Informationen, Ideen und Wissen, die Teil der Grundsätze der neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung sind, machen es erforderlich, dass alle Nationen das Recht haben, kulturelle, bildungspolitische, wissenschaftliche und technische Informationen nicht nur zu erhalten, sondern diese auch weiterzugeben.
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37. Die modernen Kommunikationsmedien sollten objektive Informationen über die kulturellen Tendenzen in den verschiedenen Staaten ohne Schaden für die schöpferische Freiheit und die kulturelle Identität der Nationen erleichtern. 38. Der technische Fortschritt, der sich in den letzten Jahren vollzogen hat, führte zur Expansion der Kulturindustrien. Obwohl diese Industrien die Verbreitung von kulturellen Gütern in hohem Maße gesteigert haben, können sie jedoch in ihren eigenen Staaten und in anderen zu Instrumenten der kulturellen Abhängigkeit und Entfremdung werden, wenn sie – wie auch immer sie organisiert und kontrolliert werden – die traditionellen Werte der Gesellschaft missachten und Hoffnungen und Wünsche wecken, die nicht mit den eigenen Entwicklungsbedürfnissen in Einklang stehen. Darüber hinaus kann das Fehlen endogenre Kulturindustrien zur kulturellen Abhängigkeit führen und eine Entfremdung bewirken. 39. Deshalb ist es wichtig, durch bilaterale und multilaterale Unterstützungsprogramme die Schaffung von Kulturindustrien in den Staaten anzuregen, in denen sie noch nicht vorhanden sind, wobei immer sichergestellt werden sollte, dass die Herstellung und Verbreitung von kulturellen Gütern Schritt hält mit der integrierten Entwicklung jeder Gesellschaft. 40. Die modernen Kommunikationsmedien erfüllen eine wichtige Rolle in der Bildung und in der Verbreitung der Kultur. Deshalb muss die Gesellschaft Wege und Mittel finden, um neue Produktions- und Kommunikationstechniken zu nutzen, um eine echte individuelle und gemeinsame Entwicklung zu erreichen und die Unabhängigkeit der Nationen durch die Erhaltung ihrer Souveränität und die Stärkung des Weltfriedens zu fördern.
Planung, Ver waltung und Finanzierung von kulturellen Aktivitäten
41. Die Kultur ist die wichtige Vorbedingung für jede wirkliche Entwicklung. Die Gesellschaft muss bedeutende Anstrengungen im Hinblick auf die Planung, Ver waltung und Finanzierung der kulturellen Aktivitäten unternehmen. Zu diesem Zweck muss den Bedürfnissen und Problemen jeder Gesellschaft Rechnung getragen werden, wobei immer die für die kulturelle Kreativität erforderliche geistige und inhaltliche Freiheit sichergestellt werden muss. 42. Wenn die kulturelle Entwicklung in den Mitgliedstaaten wirkungsvoll sein soll, müssen die dafür notwendigen finanziellen Zuweisungen erhöht werden, und es müssen weitgehend wie möglich Mittel aus einer Vielzahl anderer Quellen eingesetzt werden. Ebenso muss mehr getan werden, um das Personal für Entwicklungstätigkeiten in den Bereichen der Kulturplanung und -verwaltung auszubilden.
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Internationale kulturelle Zusammenarbeit
43. Für die Kreativität des Menschen und die vollständige Entfaltung des einzelnen und der Gesellschaft ist die möglichst umfassende Verbreitung von Ideen und Kenntnissen auf der Grundlage von kulturellen Austauschaktionen und Kontakten von entscheidender Bedeutung. 44. Eine umfassende subregionale, regionale, interregionale und internationale Zusammenarbeit und die Verständigung sind wichtige Faktoren bei der Schaffung eines Klimas des Respekts, des Vertrauens, des Dialogs und des Friedens zwischen den Völkern. Ein derartiges Klima kann nur erreicht werden, wenn die aktuellen Spannungen und Konflikt verringert oder beseitigt werden und das Wettrüsten gestoppt und die Abrüstung erreicht wird. 45. Die Konferenz bekräftigt feierlich den Wert und die Gültigkeit der Erklärung über die Grundsätze der Internationalen Kulturellen Zusammenarbeit, die von der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur auf ihrer vierzehnten Sitzung angenommen wurde. 46. Die internationale kulturelle Zusammenarbeit sollte auf bauen auf der Achtung der kulturellen Identität, der Anerkennung der Würde und des Wertes aller Kulturen, der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität und der Nichteinmischung. Demzufolge sollte bei jeder Zusammenarbeit zwischen den Nationen jeder Form der Unterordnung oder der Ersetzung einer Kultur durch die andere entgegengewirkt werden. Es ist außerdem wichtig, den kulturellen Austausch und die kulturelle Zusammenarbeit neu auszurichten, damit weniger bekannte Kulturen, insbesondere diejenigen bestimmter Entwicklungsländer, in allen Ländern umfassender verbreitet werden. 47. Die Ausweitung und der Austausch von Kultur, Wissenschaft und Bildung sollten den Frieden stärken, die Achtung der Menschenrechte fördern und dazu beitragen, den Kolonialismus, den Neokolonialismus, die Apartheid und alle Formen der Aggression, der Herrschaft und Einmischung zu beseitigen. Desgleichen sollte die kulturelle Zusammenarbeit dazu beitragen, ein internationales Klima zu schaffen, das die Abrüstung fördert, so dass die immensen für die Rüstung vorgesehenen Beträge konstruktiveren Zwecken wie beispielsweise Programmen zu kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zugeführt werden können. 48. Die internationale kulturelle Zusammenarbeit muss diversifiziert und interdisziplinär gefördert werden und der Ausbildung von qualifiziertem Personal für kulturelle Einrichtungen muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. 49. Insbesondere sollte die Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern gefördert werden, so dass Kenntnisse über andere Kulturen und über andere Erfahrungen mit der Entwicklung das Leben dieser Staaten bereichern können.
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50. Die Konferenz bekräftigt feierlich, dass Bildung und Kultur wichtige Faktoren in dem Bemühen sind, eine neue Weltwirtschaftsordnung aufzustellen.
Aufruf an die UNESCO
51. In einer von Konflikten erschütterten Welt, die die kulturellen Werte der verschiedenen Zivilisationen bedrohen, müssen die Mitgliedstaaten und das Sekretariat der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur ihre Bemühungen um die Erhaltung dieser Werte verstärken und noch wirkungsvollere Aktionen zur Förderung der Entwicklung der Menschheit einleiten. Die Aufstellung eines dauerhaften Friedens ist allein für das Bestehen der menschlichen Kultur von Bedeutung. 52. Angesichts dieser Situation erlangen die Ziele der UNESCO, die in ihrer Verfassung niedergelegt, sind, herausragende Bedeutung. 53. Aus diesem Grund ruft die Weltkonferenz über Kulturpolitik die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur auf, ihre Arbeit zur Vertiefung kultureller Kontakte zwischen den Völkern und Nationen weiterzuführen und zu verstärken und ihre anspruchsvolle Aufgabe fortzusetzen, die darin besteht, den Menschen trotz ihrer Unterschiedlichkeit dabei zu helfen, den alten Traum einer universellen Brüderlichkeit wahr werden zu lassen. 54. Die auf dieser Konferenz vereinte internationale Gemeinschaft stimmt dem Motto von Benito Juarez zu, das lautet: „In den Beziehungen zwischen den Menschen und den Nationen bedeutet Frieden den Respekt vor dem Recht der anderen.“
Übersetzt im Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (http://www.unesco.de/2577.html)
Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes
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Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes
Die Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, im Folgenden als „UNESCO“ bezeichnet, die vom 29. September bis 17. Oktober 2003 in Paris zu ihrer 32. Tagung zusammengetreten ist, –
unter Bezugnahme auf die bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünfte, insbesondere auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, auf den Internationalen Pakt von 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und auf den Internationalen Pakt von 1966 über bürgerliche und politische Rechte; angesichts der Bedeutung des immateriellen Kulturerbes als Quelle kultureller Vielfalt und Garant der nachhaltigen Entwicklung, wie dies in der Empfehlung der UNESCO von 1989 über die Erhaltung der traditionellen Kultur und der Volkskultur, der Allgemeinen Erklärung der UNESCO von 2001 über die kulturelle Vielfalt und der vom Dritten Runden Tisch der Kulturminister angenommenen Erklärung von Istanbul von 2002 hervorgehoben wird; angesichts der tief reichenden wechselseitigen Abhängigkeit zwischen dem immateriellen Kulturerbe und dem materiellen Kultur- und Naturerbe; in Anerkennung der Tatsache, dass die Prozesse der Globalisierung und des gesellschaftlichen Wandels neben den Voraussetzungen, die sie für einen neuerlichen Dialog zwischen den Gemeinschaften schaffen, auch – wie das Phänomen der Intoleranz – große Gefahren für den Verfall, den Verlust und die Zerstörung des immateriellen Kulturerbes mit sich bringen, insbesondere, weil Mittel zur Erhaltung dieses Erbes fehlen; im Bewusstsein des allgemeinen Willens und des gemeinsamen Anliegens, das immaterielle Kulturerbe der Menschheit zu erhalten; in Anerkennung der Tatsache, dass Gemeinschaften, insbesondere indigene Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen eine wichtige Rolle bei der Schaffung, Erhaltung, Pflege und Neugestaltung des immateriellen Kulturerbes spielen und auf diese Weise einen Beitrag zur Bereicherung der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität leisten; eingedenk der weit reichenden Folgen der Tätigkeiten der UNESCO zur Schaffung maßgeblicher Übereinkünfte für den Schutz des Kulturerbes, insbesondere des Übereinkommens von 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt;
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weiterhin eingedenk der Tatsache, dass bis heute keine verbindliche mehrseitige Übereinkunft zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes besteht; angesichts der Tatsache, dass die bestehenden internationalen Übereinkünfte, Empfehlungen und Entschließungen über das Kultur- und Naturerbe durch neue Bestimmungen zum immateriellen Kulturerbe wirksam bereichert und ergänzt werden sollten; angesichts der Notwendigkeit, ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes und seine Erhaltung zu entwickeln, insbesondere bei den jungen Generationen; angesichts der Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft zusammen mit den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens im Geiste der Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung zur Erhaltung dieses Erbes beitragen sollte; unter Hinweis auf die Programme der UNESCO betreffend das immaterielle Kulturerbe, insbesondere auf die Proklamation der Meisterwerke des mündlich überlieferten und immateriellen Erbes der Menschheit; angesichts der unschätzbaren Bedeutung des immateriellen Kulturerbes als Mittel zur Förderung von Annäherung, Austausch und Verständnis zwischen den Menschen – nimmt dieses Übereinkommen am 17. Oktober 2003 an.
I. Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 – Ziele des Übereinkommens Die Ziele dieses Übereinkommens sind a) die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes; b) die Gewährleistung der Achtung vor dem immateriellen Kulturerbe der jeweiligen Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen; c) die Bewusstseinsförderung in Bezug auf die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes und seiner gegenseitigen Wertschätzung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene; d) die internationale Zusammenarbeit und Unterstützung.
Artikel 2 – Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieses Übereinkommens gilt Folgendes: 1. Unter „immateriellem Kulturerbe“ sind Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte
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und kulturellen Räume – zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen. Dieses immaterielle Kulturerbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, wird von den Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet und vermittelt ihnen ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird. Im Sinne dieses Übereinkommens findet nur das immaterielle Kulturerbe Berücksichtigung, das mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung in Einklang steht. 2. Das „immaterielle Kulturerbe“ im Sinne der Nummer 1 wird unter anderem in folgenden Bereichen zum Ausdruck gebracht: a) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes; b) darstellende Künste; c) gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste; d) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum; e) traditionelle Handwerkstechniken. 3. Unter „Erhaltung“ sind Maßnahmen zur Sicherstellung des Fortbestands des immateriellen Kulturerbes zu verstehen, einschließlich der Ermittlung, der Dokumentation, der Forschung, der Sicherung, des Schutzes, der Förderung, der Auf wertung, der Weitergabe, insbesondere durch schulische und außerschulische Bildung, sowie der Neubelebung der verschiedenen Aspekte dieses Erbes. 4. Unter „Vertragsstaaten“ sind die Staaten zu verstehen, die durch dieses Übereinkommen gebunden sind und zwischen denen es in Kraft ist. 5. Dieses Übereinkommen findet sinngemäß Anwendung auf die in Artikel 33 bezeichneten Hoheitsgebiete, die unter den dort genannten Bedingungen Vertragsparteien des Übereinkommens werden. Insoweit bezieht sich der Begriff „Vertragsstaaten“ auch auf diese Hoheitsgebiete.
Artikel 3 – Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkünften Dieses Übereinkommen darf nicht so ausgelegt werden, a) dass der Status der im Rahmen des Übereinkommens von 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt zum Welterbe erklärten Güter, mit denen ein Element des immateriellen Kulturerbes in einem unmittelbaren Zusammenhang steht, einer Änderung unterzogen oder der Grad des Schutzes dieser Güter verringert wird oder
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b) dass die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten berührt werden, die sich aus einer internationalen Übereinkunft über die Rechte des geistigen Eigentums oder über die Nutzung der biologischen und ökologischen Ressourcen ergeben, deren Vertragsparteien sie sind.
II. Organe des Übereinkommens Artikel 4 – Generalversammlung der Vertragsstaaten (1) Hiermit wird eine Generalversammlung der Vertragsstaaten eingerichtet, die im Folgenden als „Generalversammlung“ bezeichnet wird. Die Generalversammlung ist das oberste Organ dieses Übereinkommens. (2) Die Generalversammlung tritt alle zwei Jahre zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Sie kann zu einer außerordentlichen Tagung zusammentreten, wenn sie dies beschließt oder wenn der Zwischenstaatliche Ausschuss für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes oder mindestens ein Drittel der Vertragsstaaten einen entsprechenden Antrag einbringen. (3) Die Generalversammlung gibt sich eine Geschäftsordnung.
Artikel 5 – Zwischenstaatlicher Ausschuss für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (1) Hiermit wird innerhalb der UNESCO ein Zwischenstaatlicher Ausschuss für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes eingerichtet, der im Folgenden als „Ausschuss“ bezeichnet wird. Ihm gehören Vertreter von 18 Vertragsstaaten an; sie werden von den in der Generalversammlung zusammentretenden Vertragsstaaten gewählt, sobald dieses Übereinkommen nach Artikel 34 in Kraft tritt. (2) Die Zahl der Mitgliedstaaten des Ausschusses wird auf 24 erhöht, sobald die Zahl der Vertragsstaaten des Übereinkommens 50 erreicht.
Artikel 6 – Wahl und Amtszeit der Mitgliedstaaten des Ausschusses (1) Bei der Wahl der Mitgliedstaaten des Ausschusses werden die Grundsätze der ausgewogenen geographischen Vertretung und der Rotation beachtet. (2) Die Mitgliedstaaten des Ausschusses werden von den in der Generalversammlung zusammentretenden Vertragsstaaten des Übereinkommens für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt.
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(3) Die Amtszeit der Hälfte der Mitgliedstaaten des Ausschusses, die bei der ersten Wahl gewählt werden, ist jedoch auf zwei Jahre begrenzt. Diese Staaten werden bei der ersten Wahl durch Los ermittelt. (4) Alle zwei Jahre wird die Hälfte der Mitgliedstaaten des Ausschusses von der Generalversammlung neu gewählt. (5) Die Generalversammlung wählt außerdem so viele Mitgliedstaaten des Ausschusses wie nötig, um freie Sitze zu besetzen. (6) Ein Mitgliedstaat des Ausschusses kann nicht für zwei aufeinander folgende Amtszeiten gewählt werden. (7) Die Mitgliedstaaten des Ausschusses wählen zu ihren Vertretern Personen aus, die Sachverständige auf den verschiedenen Gebieten des immateriellen Kulturerbes sind.
Artikel 7 – Aufgaben des Ausschusses Unbeschadet sonstiger Befugnisse, die ihm durch dieses Übereinkommen übertragen werden, nimmt der Ausschuss folgende Aufgaben wahr: a) Förderung der Ziele des Übereinkommens sowie Unterstützung und Überwachung seiner Durchführung; b) Beratung im Hinblick auf beispielhafte Praxis und Abgabe von Empfehlungen für Maßnahmen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes; c) Erarbeitung eines Entwurfs für die Verwendung der Mittel des Fonds und Vorlage des Entwurfs zur Genehmigung durch die Generalversammlung nach Artikel 25; d) Bemühungen zur Beschaffung zusätzlicher Mittel und Ergreifen der dafür notwendigen Maßnahmen nach Artikel 25; e) Erarbeitung von Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens und Vorlage derselben zur Genehmigung durch die Generalversammlung; f) Prüfung der Berichte der Vertragsstaaten nach Artikel 29 und Erstellung einer Zusammenfassung für die Generalversammlung; g) Prüfung der von den Vertragsstaaten eingereichten Anträge und Entscheidung anhand objektiver Auswahlkriterien, die vom Ausschuss festgelegt und von der Generalversammlung genehmigt wurden, über (i) die Aufnahme in die Listen und die Vorschläge, die in den Artikeln 16, 17 und 18 erwähnt sind; (ii) die Bewilligung internationaler Unterstützung nach Artikel 22.
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Artikel 8 – Arbeitsweise des Ausschusses (1) Der Ausschuss ist der Generalversammlung gegenüber rechenschaftspflichtig. Er erstattet ihr über alle seine Tätigkeiten und Entscheidungen Bericht. (2) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung, die mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder angenommen wird. (3) Der Ausschuss kann beratende Ad hoc-Gremien, die er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben für erforderlich hält, zeitlich befristet einsetzen. (4) Der Ausschuss kann Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts oder natürliche Personen, die nachgewiesene Sachkenntnis auf den verschiedenen Gebieten des immateriellen Kulturerbes besitzen, zur Beratung spezifischer Fragen zu seinen Sitzungen einladen.
Artikel 9 – Akkreditierung beratender Organisationen (1) Der Ausschuss schlägt der Generalversammlung die Akkreditierung von nichtstaatlichen Organisationen vor, die nachgewiesene Sachkenntnis auf dem Gebiet des immateriellen Kulturerbes besitzen. Diese Organisationen üben beratende Funktionen gegenüber dem Ausschuss aus. (2) Der Ausschuss schlägt der Generalversammlung des Weiteren die Kriterien und Modalitäten für diese Akkreditierung vor.
Artikel 10 – Das Sekretariat (1) Der Ausschuss wird vom Sekretariat der UNESCO unterstützt. (2) Das Sekretariat erstellt die Unterlagen für die Generalversammlung und den Ausschuss sowie einen Entwurf der Tagesordnung ihrer Sitzungen und stellt die Umsetzung ihrer Beschlüsse sicher.
III. Erhaltung des immateriellen Kulturerbes auf nationaler Ebene Artikel 11 – Rolle der Vertragsstaaten Jeder Vertragsstaat hat die Aufgabe, a) die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes zu ergreifen;
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b) als Teil der in Artikel 2 Nummer 3 genannten Erhaltungsmaßnahmen die verschiedenen Elemente des immateriellen Kulturerbes, die sich in seinem Hoheitsgebiet befinden, unter Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und einschlägigen nichtstaatlichen Organisationen zu ermitteln und zu beschreiben.
Artikel 12 – Verzeichnisse (1) Zur Sicherstellung der Ermittlung im Hinblick auf die Erhaltung erstellt jeder Vertragsstaat in einer seiner Situation angemessenen Weise ein oder mehrere Verzeichnisse des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes. Diese Verzeichnisse werden regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. (2) Jeder Vertragsstaat, der dem Ausschuss seinen Bericht nach Artikel 29 in regelmäßigen Abständen vorlegt, stellt einschlägige Informationen über diese Verzeichnisse zur Verfügung.
Artikel 13 – Sonstige Maßnahmen zur Erhaltung Zur Sicherstellung der Erhaltung, Entwicklung und Förderung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes bemüht sich jeder Vertragsstaat, a) eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, die Funktion des immateriellen Kulturerbes in der Gesellschaft aufzuwerten und die Erhaltung dieses Erbes in Programmplanungen einzubeziehen; b) eine oder mehrere Fachstellen zu benennen oder einzurichten, die für die Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes zuständig sind; c) wissenschaftliche, technische und künstlerische Studien sowie Forschungsmethodologien im Hinblick auf die wirksame Erhaltung des immateriellen Kulturerbes, insbesondere des gefährdeten immateriellen Kulturerbes, zu fördern; d) geeignete rechtliche, technische, administrative und finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, die darauf gerichtet sind, i) den Auf- oder Ausbau von Ausbildungseinrichtungen für die Verwaltung des immateriellen Kulturerbes zu fördern sowie die Weitergabe dieses Erbes im Rahmen von Foren und Örtlichkeiten, die dazu bestimmt sind, dieses Erbe darzustellen und zum Ausdruck zu bringen; ii) den Zugang zum immateriellen Kulturerbe zu gewährleisten, gleichzeitig aber die herkömmliche Praxis zu achten, die für den Zugang zu besonderen Aspekten dieses Erbes gilt; iii) Dokumentationsstellen für das immaterielle Kulturerbe einzurichten und den Zugang zu diesen zu erleichtern.
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Artikel 14 – Bildung und Erziehung, Bewusstseinsförderung und Aufbau von Kapazitäten Jeder Vertragsstaat bemüht sich unter Einsatz aller geeigneten Mittel, a) die Anerkennung, die Achtung und die Aufwertung des immateriellen Kulturerbes in der Gesellschaft sicherzustellen, insbesondere mit Hilfe von i) Bildungs-, Bewusstseinsförderungs- und Informationsprogrammen für die breite Öffentlichkeit, insbesondere für junge Menschen; ii) speziellen Bildungs- und Ausbildungsprogrammen in den jeweiligen Gemeinschaften und Gruppen; iii) Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten im Bereich der Erhaltung des immateriellen Kulturerbes, insbesondere in Verwaltung und wissenschaftlicher Forschung, und iv) informellen Formen der Wissensvermittlung; b) die Öffentlichkeit laufend über die Gefahren zu unterrichten, die dieses Erbe bedrohen, sowie über die Tätigkeiten, die in Anwendung dieses Übereinkommens durchgeführt werden; c) die Erziehung zum Schutz von Naturräumen und Gedenkorten zu fördern, deren Bestehen erforderlich ist, um immaterielles Kulturerbe zum Ausdruck zu bringen.
Artikel 15 – Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen Im Rahmen seiner Tätigkeiten zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes bemüht sich jeder Vertragsstaat um eine möglichst weit reichende Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen, die dieses Erbe schaffen, pflegen und weitergeben, und um ihre aktive Einbeziehung in die Verwaltung des Kulturerbes.
IV. Erhaltung des immateriellen Kulturerbes auf internationaler Ebene Artikel 16 – Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit (1) Um eine bessere Sichtbarkeit des immateriellen Kulturerbes sicherzustellen, das Bewusstsein für seine Bedeutung zu stärken und den Dialog bei gleichzeitiger Achtung der kulturellen Vielfalt zu fördern, erstellt der Ausschuss auf Vorschlag der jeweiligen Vertragsstaaten eine Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit, hält sie auf dem neuesten Stand und veröffentlicht sie. (2) Der Ausschuss erarbeitet die Kriterien für die Erstellung, Aktualisierung und Veröffentlichung dieser Repräsentativen Liste und legt sie der Generalversammlung zur Genehmigung vor.
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Artikel 17 – Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes (1) Um geeignete Maßnahmen zur Erhaltung ergreifen zu können, erstellt der Ausschuss eine Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes, hält sie auf dem neuesten Stand, veröffentlicht sie und nimmt dieses Erbe auf Antrag des jeweiligen Vertragsstaats in die Liste auf. (2) Der Ausschuss erarbeitet die Kriterien für die Erstellung, Aktualisierung und Veröffentlichung dieser Liste und legt sie der Generalversammlung zur Genehmigung vor. (3) In Fällen höchster Dringlichkeit – die objektiven Kriterien dafür werden auf Vorschlag des Ausschusses von der Generalversammlung genehmigt – kann der Ausschuss in Absprache mit dem jeweiligen Vertragsstaat ein Element des betreffenden Erbes in die in Absatz 1 genannte Liste aufnehmen.
Artikel 18 – Programme, Projekte und Tätigkeiten zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (1) Auf der Grundlage der von den Vertragsstaaten vorgelegten Vorschläge und anhand der Kriterien, die vom Ausschuss festgelegt und von der Generalversammlung genehmigt werden, wählt der Ausschuss in regelmäßigen Abständen nationale, subregionale oder regionale Programme, Projekte und Tätigkeiten zur Erhaltung des Erbes aus, die seiner Meinung nach den Grundsätzen und Zielen des Übereinkommens am besten entsprechen, wobei er die besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsländer berücksichtigt. (2) Zu diesem Zweck nimmt der Ausschuss die von den Vertragsstaaten gestellten Anträge auf internationale Unterstützung für die Erarbeitung dieser Vorschläge entgegen, prüft und genehmigt sie. (3) Der Ausschuss begleitet die Umsetzung dieser Programme, Projekte und Tätigkeiten durch die Verbreitung von beispielhafter Praxis nach den von ihm festgelegten Modalitäten.
V. Internationale Zusammenarbeit und Unterstützung Artikel 19 – Zusammenarbeit (1) Im Sinne dieses Übereinkommens umfasst internationale Zusammenarbeit unter anderem Informations- und Erfahrungsaustausch, gemeinsame Initiativen sowie die Einführung eines Mechanismus zur Unterstützung der Vertragsstaaten bei ihren Bemühungen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes.
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(2) Unbeschadet ihres innerstaatlichen Rechts, ihres Gewohnheitsrechts und ihrer herkömmlichen Praxis anerkennen die Vertragsstaaten, dass die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im allgemeinen Interesse der Menschheit liegt, und verpflichten sich daher zur Zusammenarbeit auf zweiseitiger, subregionaler, regionaler und internationaler Ebene.
Artikel 20 – Ziele der internationalen Unterstützung Internationale Unterstützung kann für folgende Ziele gewährt werden: a) Erhaltung des Erbes, das in die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde; b) Erstellung von Verzeichnissen im Sinne der Artikel 11 und 12; c) Unterstützung von Programmen, Projekten und Tätigkeiten, die auf nationaler, subregionaler und regionaler Ebene zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes durchgeführt werden; d) jedes andere Ziel, das der Ausschuss für notwendig erachtet.
Artikel 21 – Formen der internationalen Unterstützung Die Unterstützung, die der Ausschuss einem Vertragsstaat zuerkennt, unterliegt den in Artikel 7 vorgesehenen Richtlinien sowie der in Artikel 24 genannten Vereinbarung und kann wie folgt gewährt werden: a) Studien zu verschiedenen Aspekten der Erhaltung; b) Bereitstellung von Experten aus Theorie und Praxis; c) Ausbildung des benötigten Personals jedweder Art; d) Erarbeitung von richtungsweisenden oder sonstigen Maßnahmen; e) Schaffung und Unterhalt von Infrastrukturen; f) Bereitstellung von Ausrüstungsgegenständen und Fachwissen; g) sonstige Formen der finanziellen und technischen Unterstützung, gegebenenfalls auch die Vergabe von niedrig verzinsten Darlehen und von Zuwendungen.
Artikel 22 – Voraussetzungen für internationale Unterstützung (1) Der Ausschuss legt das Prüfungsverfahren für die Anträge auf internationale Unterstützung fest und bestimmt die im Antrag vorzulegenden Angaben, darunter die geplanten Maßnahmen, die dafür erforderlichen Schritte sowie deren voraussichtliche Kosten. (2) In dringenden Fällen ist der Antrag auf Unterstützung vom Ausschuss vorrangig zu prüfen.
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(3) Um einen Beschluss zu fassen, führt der Ausschuss die Studien und Konsultationen durch, die er für erforderlich hält.
Artikel 23 – Anträge auf internationale Unterstützung (1) Jeder Vertragsstaat kann beim Ausschuss einen Antrag auf internationale Unterstützung für die Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes stellen. (2) Ein solcher Antrag kann auch von zwei oder mehr Vertragsstaaten gemeinsam gestellt werden. (3) Der Antrag hat die in Artikel 22 Absatz 1 bezeichneten Angaben und die erforderlichen Unterlagen zu enthalten.
Artikel 24 – Rolle der begünstigten Vertragsstaaten (1) Im Einklang mit diesem Übereinkommen wird die bewilligte internationale Unterstützung durch eine Vereinbarung zwischen dem begünstigten Vertragsstaat und dem Ausschuss geregelt. (2) In der Regel beteiligt sich der begünstigte Vertragsstaat im Rahmen seiner Möglichkeiten an den Kosten der Maßnahmen zur Erhaltung, für die internationale Unterstützung geleistet wird. (3) Der begünstigte Vertragsstaat legt dem Ausschuss einen Bericht über die Verwendung der für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes gewährten Unterstützung vor.
VI. Fonds für das immaterielle Kulturerbe Artikel 25 – Art und Mittel des Fonds (1) Hiermit wird ein „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ eingerichtet, der im Folgenden als „Fonds“ bezeichnet wird. (2) Der Fonds besteht aus einem im Sinne der Finanzordnung der UNESCO errichteten Treuhandvermögen. (3) Die Mittel des Fonds bestehen aus a) den Beiträgen der Vertragsstaaten; b) den zu diesem Zweck von der Generalkonferenz der UNESCO zugewendeten Mitteln;
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c)
Zahlungen, Spenden oder Vermächtnissen, die von i) anderen Staaten, ii) den Organisationen und Programmen des Systems der Vereinten Nationen, insbesondere dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, sowie sonstigen internationalen Organisationen, iii) Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Rechts oder Einzelpersonen eingebracht werden können; d) den für die Mittel des Fonds anfallenden Zinsen; e) Mitteln, die durch Sammlungen und Einnahmen aus Veranstaltungen zu Gunsten des Fonds aufgebracht werden; f) allen sonstigen Mitteln, die nach den vom Ausschuss für den Fonds aufzustellenden Vorschriften zulässig sind. (4) Über die Ver wendung der Mittel durch den Ausschuss wird auf der Grundlage der Leitlinien der Generalversammlung entschieden. (5) Der Ausschuss kann Beiträge und andere Formen der Unterstützung für allgemeine oder bestimmte Zwecke im Zusammenhang mit bestimmten Projekten entgegennehmen, sofern diese Projekte vom Ausschuss genehmigt worden sind. (6) An die dem Fonds geleisteten Beiträge dürfen keine politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bedingungen, die mit den Zielen dieses Übereinkommens unvereinbar sind, geknüpft werden.
Artikel 26 – Beiträge der Vertragsstaaten an den Fonds (1) Unbeschadet etwaiger zusätzlicher freiwilliger Beiträge verpflichten sich die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, mindestens alle zwei Jahre einen Beitrag an den Fonds zu zahlen, dessen Höhe nach einem einheitlichen, für alle Staaten geltenden Schlüssel errechnet und von der Generalversammlung beschlossen wird. Dieser Beschluss der Generalversammlung bedarf der Mehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten, die die in Absatz 2 genannte Erklärung nicht abgegeben haben. Der Beitrag darf auf keinen Fall 1 % des Beitrags des Vertragsstaats zum ordentlichen Haushalt der UNESCO überschreiten. (2) Ein in Artikel 32 oder 33 genannter Staat kann jedoch bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, dass er durch Absatz 1 nicht gebunden ist. (3) Ein Vertragsstaat des Übereinkommens, der die in Absatz 2 genannte Erklärung abgegeben hat, bemüht sich, diese Erklärung durch eine an den Generaldirektor der UNESCO gerichtete Notifikation zurückzunehmen. Die Rücknahme der Erklärung wird jedoch in Bezug auf den Beitrag des jeweiligen Staates erst mit dem Zeitpunkt der Eröffnung der folgenden Tagung der Generalversammlung wirksam.
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(4) Um dem Ausschuss die wirksame Planung seiner Tätigkeit zu ermöglichen, werden die Beiträge derjenigen Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, die die in Absatz 2 genannte Erklärung abgegeben haben, regelmäßig, mindestens jedoch alle zwei Jahre, entrichtet; sie sollen so weit wie möglich den Beiträgen entsprechen, die sie zu zahlen hätten, wenn sie durch Absatz 1 gebunden wären. (5) Ein Vertragsstaat dieses Übereinkommens, der mit der Zahlung seiner Pflichtbeiträge oder seiner freiwilligen Beiträge für das laufende Jahr und das unmittelbar vorhergegangene Kalenderjahr im Rückstand ist, kann nicht Mitglied des Ausschusses werden; dies gilt nicht für die erste Wahl. Die Amtszeit eines solchen Staates, der bereits Mitglied des Ausschusses ist, endet zum Zeitpunkt der in Artikel 6 vorgesehenen Wahl.
Artikel 27 – Zusätzliche freiwillige Beiträge an den Fonds Die Vertragsstaaten, die zusätzlich zu den in Artikel 26 vorgesehenen Beiträgen freiwillige Beiträge zahlen möchten, unterrichten den Ausschuss so bald wie möglich, damit er seine Tätigkeiten entsprechend planen kann.
Artikel 28 – Internationale Kampagnen zur Sammlung von Spenden Die Vertragsstaaten unterstützen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die unter der Schirmherrschaft der UNESCO zu Gunsten des Fonds durchgeführten internationalen Kampagnen zur Sammlung von Spenden.
VII. Berichte Artikel 29 – Berichte der Vertragsstaaten Die Vertragsstaaten legen dem Ausschuss in der von ihm zu bestimmenden Form und in den von ihm festzulegenden Abständen Berichte darüber vor, welche Rechts- und sonstigen Vorschriften sie zur Durchführung dieses Übereinkommens erlassen und welche sonstigen Maßnahmen sie dafür getroffen haben.
Artikel 30 – Berichte des Ausschusses (1) Auf der Grundlage seiner Tätigkeiten und der in Artikel 29 bezeichneten Berichte der Vertragsstaaten legt der Ausschuss der Generalversammlung auf jeder Tagung einen Bericht vor. (2) Dieser Bericht wird der Generalkonferenz der UNESCO zur Kenntnis gebracht.
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VIII. Übergangsbestimmung Artikel 31 – Verhältnis zur Proklamation der Meisterwerke des mündlich überlieferten und immateriellen Erbes der Menschheit (1) Der Ausschuss nimmt die Elemente, die vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens zu „Meisterwerken des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ erklärt wurden, in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf. (2) Die Aufnahme dieser Elemente in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit stellt in keiner Weise einen Vorgriff auf die Kriterien dar, die nach Artikel 16 Absatz 2 für eine künftige Aufnahme in die Liste festgelegt werden. (3) Nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens werden keine weiteren Proklamationen erfolgen.
IX. Schlussbestimmungen Artikel 32 – Ratifikation, Annahme oder Genehmigung (1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Mitgliedstaaten der UNESCO nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren. (2) Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt.
Artikel 33 – Beitritt (1) Dieses Übereinkommen steht allen Nichtmitgliedstaaten der UNESCO zum Beitritt offen, die von der Generalkonferenz der UNESCO dazu eingeladen werden. (2) Dieses Übereinkommen steht ferner allen Hoheitsgebieten zum Beitritt offen, die eine als solche von den Vereinten Nationen anerkannte volle innere Selbstregierung genießen, jedoch noch nicht die volle Unabhängigkeit im Sinne der Resolution 1514 (XV) der Generalversammlung erreicht haben, und die die Zuständigkeit über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten haben, einschließlich der Zuständigkeit, in diesen Angelegenheiten Verträge zu schließen. (3) Die Beitrittsurkunde wird beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt.
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Artikel 34 – Inkrafttreten Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nur für die Staaten, die bis zu diesem Tag ihre Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben. Für jeden anderen Vertragsstaat tritt sie drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
Artikel 35 – Bundesstaatliche oder nicht einheitsstaatliche Verfassungssysteme Folgende Bestimmungen gelten für Vertragsstaaten, die ein bundesstaatliches oder ein nicht einheitsstaatliches Verfassungssystem haben: a) Hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit des Bundes- oder Zentral-Gesetzgebungsorgans fällt, sind die Verpflichtungen der Bundes- oder Zentralregierung dieselben wie für diejenigen Vertragsstaaten, die nicht Bundesstaaten sind; b) hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit einzelner Bundesstaaten, Länder, Provinzen oder Kantone fällt, die nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet sind, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, bringt die Bundesregierung den zuständigen Stellen dieser Bundesstaaten, Länder, Provinzen oder Kantone die genannten Bestimmungen zur Kenntnis und empfiehlt ihnen ihre Annahme.
Artikel 36 – Kündigung (1) Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen kündigen. (2) Die Kündigung wird durch eine Urkunde notifiziert, die beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt wird. (3) Die Kündigung wird zwölf Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Sie lässt die finanziellen Verpflichtungen des kündigenden Vertragsstaats bis zu dem Tag unberührt, an dem der Rücktritt wirksam wird.
Artikel 37 – Aufgaben des Ver wahrers Der Generaldirektor der UNESCO unterrichtet als Verwahrer dieses Übereinkommens die Mitgliedstaaten der Organisation, die in Artikel 33 bezeichneten Nichtmitgliedstaaten sowie die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller Ratifikations-,
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Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden nach den Artikeln 32 und 33 und von den Kündigungen nach Artikel 36.
Artikel 38 – Änderungen (1) Jeder Vertragsstaat kann Änderungen dieses Übereinkommens durch eine schriftliche, an den Generaldirektor gerichtete Mitteilung vorschlagen. Der Generaldirektor übermittelt diese Mitteilung allen Vertragsstaaten. Antwortet mindestens die Hälfte der Vertragsstaaten innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag der Absendung der Mitteilung befürwortend auf diesen Antrag, so legt der Generaldirektor diesen Vorschlag der Generalversammlung auf ihrer nächsten Tagung zur Erörterung und möglichen Beschlussfassung vor. (2) Änderungen werden mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten beschlossen. (3) Nach Beschluss von Änderungen dieses Übereinkommens werden diese den Vertragsstaaten zur Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder zum Beitritt vorgelegt. (4) Für die Vertragsstaaten, die die Änderungen ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben oder ihnen beigetreten sind, treten die Änderungen dieses Übereinkommens drei Monate nach Hinterlegung der in Absatz 3 bezeichneten Urkunden durch zwei Drittel der Vertragsstaaten in Kraft. Danach tritt eine Änderung für einen Vertragsstaat, der die Änderung ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihr beitritt, drei Monate nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch diesen Vertragsstaat in Kraft. (5) Das in den Absätzen 3 und 4 festgelegte Verfahren findet keine Anwendung auf Änderungen des Artikels 5 hinsichtlich der Zahl der Mitgliedstaaten des Ausschusses. Diese Änderungen treten zu dem Zeitpunkt, zu dem sie beschlossen werden, in Kraft. (6) Ein Staat, der nach dem Inkrafttreten von Änderungen nach Absatz 4 Vertragspartei dieses Übereinkommens wird, gilt, sofern er keine andere Absicht zum Ausdruck bringt, a) als Vertragspartei dieses Übereinkommens in seiner geänderten Fassung und b) als Vertragspartei dieses Übereinkommens in seiner ungeänderten Fassung im Verhältnis zu jedem Vertragsstaat, der nicht durch die Änderungen gebunden ist.
Artikel 39 – Verbindliche Wortlaute Dieses Übereinkommen ist in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
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Artikel 40 – Registrierung Auf Ersuchen des Generaldirektors der UNESCO wird dieses Übereinkommen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen beim Sekretariat der Organisation der Vereinten Nationen registriert.
Die Originalfassung des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes ist in den sechs offiziellen Arbeitssprachen der UN (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch) auf der Website der UNESCO veröffentlicht. Offizielle Übersetzung des Sprachendienstes des Auswärtigen Amts (http://unesco.de/ike-konvention.html)
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Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen Die Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die vom 3. bis zum 21. Oktober 2005 in Paris zu ihrer 33. Tagung zusammengetreten ist,
in Bekräftigung dessen, dass die kulturelle Vielfalt ein bestimmendes Merkmal der Menschheit ist; in der Erkenntnis, dass die kulturelle Vielfalt ein gemeinsames Erbe der Menschheit darstellt und zum Nutzen aller geachtet und erhalten werden soll; in dem Bewusstsein, dass die kulturelle Vielfalt eine reiche und vielfältige Welt schafft, wodurch die Wahlmöglichkeiten erhöht und die menschlichen Fähigkeiten und Werte bereichert werden, und dass sie daher eine Hauptantriebskraft für die nachhaltige Entwicklung von Gemeinschaften, Völkern und Nationen ist; eingedenk dessen, dass die kulturelle Vielfalt, die sich in einem Rahmen von Demokratie, Toleranz, sozialer Gerechtigkeit und gegenseitiger Achtung der Völker und Kulturen entfaltet, für Frieden und Sicherheit auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene unabdingbar ist; in Würdigung der Bedeutung der kulturellen Vielfalt für die volle Verwirklichung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in anderen allgemein anerkannten Übereinkünften verkündeten Menschenrechte und Grundfreiheiten; unter Betonung der Notwendigkeit, die Kultur als strategisches Element in die nationale und internationale Entwicklungspolitik sowie in die internationale Entwicklungszusammenarbeit aufzunehmen, auch unter Berücksichtigung der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen (2000), in der besonderer Nachdruck auf die Beseitigung der Armut gelegt wird; in Anbetracht dessen, dass die Kultur in Zeit und Raum vielfältige Formen annimmt und dass diese Vielfalt durch die Einzigartigkeit und Pluralität der Identitäten und kulturellen Ausdrucksformen der Völker und Gesellschaften verkörpert wird, aus denen die Menschheit besteht; in Anerkennung der Bedeutung des traditionellen Wissens als Quelle immateriellen und materiellen Reichtums, insbesondere der Wissenssysteme indigener Völker, und seines positiven Beitrags zur nachhaltigen Entwicklung sowie der Notwendigkeit, es angemessen zu schützen und zu fördern;
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in Anerkennung der Notwendigkeit, Maßnahmen zum Schutz der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, einschließlich ihrer Inhalte, zu ergreifen, insbesondere in Situationen, in denen kulturellen Ausdrucksformen möglicherweise die Auslöschung oder schwerer Schaden droht; unter Betonung der Bedeutung der Kultur für den sozialen Zusammenhalt im Allgemeinen und insbesondere ihres Potenzials für die Verbesserung der Stellung und der Rolle der Frau in der Gesellschaft; in dem Bewusstsein, dass die kulturelle Vielfalt durch den freien Austausch von Ideen gestärkt wird und dass sie durch den ständigen Austausch und die Interaktion zwischen den Kulturen bereichert wird; in Bekräftigung dessen, dass die Gedankenfreiheit, die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit sowie die Medienvielfalt die Entfaltung kultureller Ausdrucksformen in den Gesellschaften ermöglichen; in Anerkennung dessen, dass die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, einschließlich traditioneller kultureller Ausdrucksformen, ein wichtiger Faktor ist, der Einzelpersonen und Völkern die Möglichkeit gibt, ihre Ideen und Werte auszudrücken und anderen mitzuteilen; eingedenk dessen, dass die Sprachenvielfalt ein grundlegender Bestandteil der kulturellen Vielfalt ist, und in Bekräftigung der wesentlichen Rolle, die die Bildung beim Schutz und bei der Förderung kultureller Ausdrucksformen spielt; in Anbetracht der Bedeutung der Lebendigkeit der Kulturen, auch für Personen, die Minderheiten oder indigenen Völkern angehören, die in der Freiheit dieser Personen zum Ausdruck kommt, ihre traditionellen kulturellen Ausdrucksformen zu schaffen, zu verbreiten, zu vertreiben und Zugang zu ihnen zu haben, um so ihre eigene Entwicklung zu fördern; unter Betonung der wesentlichen Rolle der kulturellen Interaktion und der Kreativität, die kulturelle Ausdrucksformen bereichern und erneuern sowie die Bedeutung der Rolle derer erhöhen, die an der Entwicklung der Kultur beteiligt sind, um den Fortschritt der Gesellschaft insgesamt zu fördern; in Anerkennung der Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums zur Unterstützung derer, die an der kulturellen Kreativität beteiligt sind; in der Überzeugung, dass kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen sowohl eine wirtschaftliche als auch eine kulturelle Natur haben, da sie Träger von Identitäten, Werten und Sinn sind, und daher nicht so behandelt werden dürfen, als hätten sie nur einen kommerziellen Wert; angesichts dessen, dass der Prozess der Globalisierung, der durch die rasche Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien erleichtert worden ist, noch
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nie da gewesene Voraussetzungen für eine bessere Interaktion zwischen den Kulturen geschaffen hat, gleichzeitig jedoch eine Herausforderung für die kulturelle Vielfalt darstellt, insbesondere im Hinblick auf die Gefahr von Ungleichgewichten zwischen reichen und armen Ländern; in dem Bewusstsein des besonderen Auftrags der UNESCO, die Achtung der Vielfalt der Kulturen zu gewährleisten und internationale Übereinkünfte zu empfehlen, die sie für notwendig hält, um den freien Austausch von Ideen durch Wort und Bild zu erleichtern; unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der von der UNESCO angenommenen internationalen Übereinkünfte betreffend die kulturelle Vielfalt und die Ausübung der kulturellen Rechte und insbesondere die Allgemeine Erklärung über die kulturelle Vielfalt aus dem Jahr 2001 – nimmt dieses Übereinkommen am 20. Oktober 2005 an.
I. Ziele und leitende Grundsätze Artikel 1 – Ziele Die Ziele dieses Übereinkommens sind, a) die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern; b) die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kulturen sich entfalten und frei in einer für alle Seiten bereichernden Weise interagieren können; c) den Dialog zwischen den Kulturen anzuregen, um weltweit einen breiteren und ausgewogeneren kulturellen Austausch zur Förderung der gegenseitigen Achtung der Kulturen und einer Kultur des Friedens zu gewährleisten; d) die Interkulturalität zu fördern, um die kulturelle Interaktion im Geist des Brückenbaus zwischen den Völkern weiterzuentwickeln; e) die Achtung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu fördern und das Bewusstsein für den Wert dieser Vielfalt auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu schärfen; f) die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Kultur und Entwicklung für alle Länder, insbesondere für die Entwicklungsländer, zu bekräftigen und die Maßnahmen zu unterstützen, die auf nationaler und internationaler Ebene ergriffen werden, um die Anerkennung des wahren Wertes dieses Zusammenhangs sicherzustellen; g) die besondere Natur von kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen als Träger von Identität, Werten und Sinn anzuerkennen; h) das souveräne Recht der Staaten zu bekräftigen, die Politik und die Maßnahmen beizubehalten, zu beschließen und umzusetzen, die sie für den Schutz und die
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Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet für angemessen erachten; die internationale Zusammenarbeit und Solidarität in einem Geist der Partnerschaft zu stärken, um insbesondere die Fähigkeiten der Entwicklungsländer zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu erhöhen.
Artikel 2 – Leitende Grundsätze 1. Grundsatz der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten Die kulturelle Vielfalt kann nur dann geschützt und gefördert werden, wenn die Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie die freie Meinungsäußerung, die Informations- und die Kommunikationsfreiheit sowie die Möglichkeit der Einzelpersonen, ihre kulturellen Ausdrucksformen zu wählen, garantiert sind. Niemand darf unter Berufung auf dieses Übereinkommen die Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt oder durch Völkerrecht garantiert sind, verletzen oder ihren Geltungsbereich einschränken. 2. Grundsatz der Souveränität Die Staaten haben nach der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht, Maßnahmen und eine Politik zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet zu beschließen. 3. Grundsatz der gleichen Würde und der Achtung aller Kulturen Der Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen setzen die Anerkennung der gleichen Würde und die Achtung aller Kulturen, einschließlich der Kulturen von Personen, die Minderheiten oder indigenen Völkern angehören, voraus. 4. Grundsatz der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit Die internationale Zusammenarbeit und Solidarität sollen darauf abzielen, alle Länder, insbesondere die Entwicklungsländer, in die Lage zu versetzen, ihre Mittel des kulturellen Ausdrucks auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu schaffen und zu stärken; dies umfasst ihre Kulturwirtschaft, unabhängig davon, ob diese gerade entsteht oder bereits länger besteht. 5. Grundsatz der Komplementarität der wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte der Entwicklung Da die Kultur eine der Hauptantriebskräfte der Entwicklung ist, sind die kulturellen Aspekte der Entwicklung ebenso wichtig wie ihre wirtschaftlichen Aspekte; Einzelpersonen und Völker haben das Grundrecht, an ihnen teilzuhaben und sie zu genießen. 6. Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung Die kulturelle Vielfalt stellt einen großen Reichtum für Einzelpersonen und Gesellschaften dar. Der Schutz, die Förderung und der Erhalt der kulturellen Vielfalt sind
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eine entscheidende Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung zu Gunsten gegenwärtiger und künftiger Generationen. 7. Grundsatz des gleichberechtigten Zugangs Der gleichberechtigte Zugang zu einem reichen und vielfältigen Spektrum kultureller Ausdrucksformen aus der ganzen Welt und der Zugang der Kulturen zu den Mitteln des Ausdrucks und der Verbreitung stellen wichtige Elemente dar, um die kulturelle Vielfalt zu vergrößern und das gegenseitige Verständnis zu fördern. 8. Grundsatz der Offenheit und Ausgewogenheit Beschließen die Staaten Maßnahmen, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu unterstützen, so sollen sie danach streben, in geeigneter Weise die Offenheit gegenüber anderen Kulturen der Welt zu fördern und sicherzustellen, dass diese Maßnahmen im Einklang mit den durch dieses Übereinkommen verfolgten Zielen stehen.
II. Geltungsbereich Artikel 3 – Geltungsbereich Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf die Politik und die Maßnahmen, die die Vertragsparteien im Zusammenhang mit dem Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen beschließen.
III. Begriffsbestimmungen Artikel 4 – Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Übereinkommens gilt Folgendes: 1. Kulturelle Vielfalt „Kulturelle Vielfalt“ bezieht sich auf die mannigfaltige Weise, in der die Kulturen von Gruppen und Gesellschaften zum Ausdruck kommen. Diese Ausdrucksformen werden innerhalb von Gruppen und Gesellschaften sowie zwischen ihnen weitergegeben. Die kulturelle Vielfalt zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Weise, in der das Kulturerbe der Menschheit durch eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen zum Ausdruck gebracht, bereichert und weitergegeben wird, sondern auch in den vielfältigen Arten des künstlerischen Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung, des Vertriebs und des Genusses von kulturellen Ausdrucksformen, unabhängig davon, welche Mittel und Technologien ver wendet werden.
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2. Kultureller Inhalt „Kultureller Inhalt“ bezieht sich auf die symbolische Bedeutung, die künstlerische Dimension und die kulturellen Werte, die aus kulturellen Identitäten entstehen oder diese zum Ausdruck bringen. 3. Kulturelle Ausdrucksformen „Kulturelle Ausdrucksformen“ sind die Ausdrucksformen, die durch die Kreativität von Einzelpersonen, Gruppen und Gesellschaften entstehen und einen kulturellen Inhalt haben. 4. Kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen „Kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen“ bezieht sich auf die Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hinsichtlich eines besonderen Merkmals, einer besonderen Verwendung oder eines besonderen Zwecks betrachtet werden, kulturelle Ausdrucksformen verkörpern oder übermitteln, und zwar unabhängig vom kommerziellen Wert, den sie möglicherweise haben. Kulturelle Aktivitäten können ein Zweck an sich sein oder zur Herstellung von kulturellen Gütern und Dienstleistungen beitragen. 5. Kulturwirtschaft „Kulturwirtschaft“ bezieht sich auf die Wirtschaftszweige, die kulturelle Güter oder Dienstleistungen im Sinne der Nummer 4 herstellen und vertreiben. 6. Kulturpolitik und kulturpolitische Maßnahmen „Kulturpolitik und kulturpolitische Maßnahmen“ bezieht sich auf die Politik und die Maßnahmen im Zusammenhang mit Kultur auf lokaler, nationaler, regionaler oder internationaler Ebene, die entweder Kultur als solche zum Gegenstand haben oder darauf abzielen, sich unmittelbar auf die kulturellen Ausdrucksformen von Einzelpersonen, Gruppen oder Gesellschaften auszuwirken, einschließlich des Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung und des Vertriebs kultureller Aktivitäten, Güter oder Dienstleistungen sowie des Zugangs zu ihnen. 7. Schutz „Schutz“ bedeutet das Beschließen von Maßnahmen, die auf die Erhaltung, Sicherung und Erhöhung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen abzielen. „Schützen“ bedeutet, derartige Maßnahmen zu beschließen. 8. Interkulturalität „Interkulturalität“ bezieht sich auf die Existenz verschiedener Kulturen und die gleichberechtigte Interaktion zwischen ihnen sowie die Möglichkeit, durch den Dialog und die gegenseitige Achtung gemeinsame kulturelle Ausdrucksformen zu schaffen.
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IV. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien Artikel 5 – Grundregel zu Rechten und Pflichten (1) Die Vertragsparteien bekräftigen in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsätzen des Völkerrechts und den allgemein anerkannten Menschenrechtsübereinkünften ihr souveränes Recht, ihre Kulturpolitik zu formulieren und umzusetzen sowie Maßnahmen zu beschließen, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern sowie die internationale Zusammenarbeit zu verstärken, damit die Ziele dieses Übereinkommens erreicht werden. (2) Setzt eine Vertragspartei eine Politik zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet um beziehungsweise ergreift sie derartige Maßnahmen, so müssen ihre Politik und ihre Maßnahmen mit diesem Übereinkommen vereinbar sein.
Artikel 6 – Rechte der Vertragsparteien auf nationaler Ebene (1) Im Rahmen ihrer Kulturpolitik und kulturpolitischen Maßnahmen im Sinne des Artikels 4 Nummer 6 und unter Berücksichtigung ihrer eigenen besonderen Gegebenheiten und Bedürfnisse kann jede Vertragspartei Maßnahmen, die auf den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen innerhalb ihres Hoheitsgebiets abzielen, beschließen. (2) Derartige Maßnahmen können Folgendes umfassen: a) Regelungen, die darauf abzielen, die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern; b) Maßnahmen, durch die in geeigneter Weise für innerstaatliche kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen im Rahmen der insgesamt im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates verfügbaren kulturellen Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen Möglichkeiten hinsichtlich ihrer Schaffung, ihrer Herstellung, ihrer Verbreitung, ihres Vertriebs und ihres Genusses geschaffen werden, einschließlich Bestimmungen bezüglich der bei diesen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen ver wendeten Sprache; c) Maßnahmen, die darauf abzielen, der unabhängigen innerstaatlichen Kulturwirtschaft und kulturellen Aktivitäten des informellen Sektors einen wirksamen Zugang zu den Herstellungs-, Verbreitungs- und Vertriebsmitteln für kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen zu verschaffen; d) Maßnahmen, die darauf abzielen, öffentliche Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen; e) Maßnahmen, die darauf abzielen, nicht auf Gewinn ausgerichtete Organisationen sowie öffentliche und private Einrichtungen, Künstler und Kulturschaffende darin
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zu bestärken, den freien Austausch und Fluss von Ideen, kulturellen Ausdrucksformen und kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen zu entwickeln und zu fördern, und die sowohl den kreativen als auch den unternehmerischen Geist in deren Aktivitäten anregen; f) Maßnahmen, die darauf abzielen, öffentliche Einrichtungen auf geeignete Weise zu errichten und zu unterstützen; g) Maßnahmen, die darauf abzielen, Künstler und andere Personen, die an der Schaffung kultureller Ausdrucksformen beteiligt sind, zu fördern und zu unterstützen; h) Maßnahmen, die darauf abzielen, die Medienvielfalt zu erhöhen, und zwar auch durch den öffentlichen Rundfunk.
Artikel 7 – Maßnahmen zur Förderung kultureller Ausdrucksformen (1) Die Vertragsparteien bemühen sich, in ihrem Hoheitsgebiet ein Umfeld zu schaffen, in dem Einzelpersonen und gesellschaftliche Gruppen darin bestärkt werden, a) ihre eigenen kulturellen Ausdrucksformen zu schaffen, herzustellen, zu verbreiten, zu vertreiben und Zugang zu ihnen zu haben, wobei die besonderen Bedingungen und Bedürfnisse von Frauen sowie von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, einschließlich der Personen, die Minderheiten oder indigenen Völkern angehören, gebührend berücksichtigt werden; b) Zugang zu den vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen aus ihrem Hoheitsgebiet und aus anderen Ländern der Welt zu haben. (2) Die Vertragsparteien bemühen sich ferner, den wichtigen Beitrag, den Künstler, andere am kreativen Prozess Beteiligte sowie kulturelle Gemeinschaften und Organisationen, die ihre Arbeit unterstützen, leisten, und ihre zentrale Rolle bei der Bereicherung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen anzuerkennen.
Artikel 8 – Maßnahmen zum Schutz kultureller Ausdrucksformen (1) Unbeschadet der Artikel 5 und 6 kann eine Vertragspartei das Vorliegen einer besonderen Situation feststellen, in der kulturelle Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet von Auslöschung bedroht oder ernsthaft gefährdet sind oder aus anderen Gründen dringender Sicherungsmaßnahmen bedürfen. (2) Die Vertragsparteien können alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um kulturelle Ausdrucksformen in den in Absatz 1 bezeichneten Situationen in einer Art und Weise zu schützen und zu erhalten, die mit diesem Übereinkommen vereinbar ist.
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(3) Die Vertragsparteien berichten dem in Artikel 23 bezeichneten Zwischenstaatlichen Ausschuss über alle Maßnahmen, die ergriffen wurden, um den Erfordernissen der Situation gerecht zu werden; der Ausschuss kann geeignete Empfehlungen abgeben.
Artikel 9 – Informationsaustausch und Transparenz Die Vertragsparteien a) legen alle vier Jahre in ihren Berichten an die UNESCO geeignete Informationen über die zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet und auf internationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen vor; b) bezeichnen eine Kontaktstelle, die für den Informationsaustausch in Zusammenhang mit diesem Übereinkommen verantwortlich ist; c) legen Informationen betreffend den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen vor und tauschen diese mit anderen aus.
Artikel 10 – Bildung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit Die Vertragsparteien a) stärken und fördern das Verständnis für die Bedeutung, die dem Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zukommt, unter anderem durch Bildungsprogramme und Programme zur Förderung der Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit; b) arbeiten mit anderen Vertragsparteien sowie mit internationalen und regionalen Organisationen zusammen, um das Ziel dieses Artikels zu erreichen; c) bemühen sich, die Kreativität zu fördern und die Herstellungskapazitäten zu stärken, indem sie Bildungs-, Ausbildungs- und Austauschprogramme im Bereich der Kulturwirtschaft einrichten. Diese Maßnahmen sollen in einer Art und Weise umgesetzt werden, die keine nachteiligen Auswirkungen auf traditionelle Formen der Herstellung hat.
Artikel 11 – Beteiligung der Zivilgesellschaft Die Vertragsparteien erkennen die grundlegende Rolle der Zivilgesellschaft beim Schutz und bei der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen an. Die Vertragsparteien ermutigen die Zivilgesellschaft zur aktiven Beteiligung an ihren Bemühungen, die Ziele dieses Übereinkommens zu erreichen.
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Artikel 12 – Förderung der internationalen Zusammenarbeit Die Vertragsparteien bemühen sich, ihre zweiseitige, regionale und internationale Zusammenarbeit zu verstärken, um Voraussetzungen zu schaffen, die der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen dienen, wobei sie die in den Artikeln 8 und 17 bezeichneten Situationen besonders berücksichtigen; insbesondere verfolgen sie die Absicht, a) den Dialog zwischen den Vertragsparteien über die Kulturpolitik zu erleichtern; b) die Planungs- und Managementkapazitäten in Kultureinrichtungen des öffentlichen Sektors durch fachliche und internationale Kulturaustauschprogramme und den Austausch bewährter Vorgehensweisen zu verbessern; c) Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft, mit nichtstaatlichen Organisationen und mit dem privaten Sektor sowie zwischen diesen zu verstärken und damit die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu begünstigen und zu fördern; d) den Einsatz neuer Technologien zu fördern, zu Partnerschaften anzuregen, die den Informationsaustausch und das kulturelle Verständnis verbessern, und die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu begünstigen; e) zum Abschluss von Abkommen über Koproduktionen und einen gemeinsamen Vertrieb anzuregen.
Artikel 13 – Integration der Kultur in die nachhaltige Entwicklung Die Vertragsparteien bemühen sich, die Kultur auf allen Ebenen in ihre Entwicklungspolitik zu integrieren, um Voraussetzungen zu schaffen, die der nachhaltigen Entwicklung dienen, und innerhalb dieses Rahmens die Aspekte, die in Zusammenhang mit dem Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen stehen, zu begünstigen.
Artikel 14 – Zusammenarbeit zu Gunsten der Entwicklung Die Vertragsparteien bemühen sich, die Zusammenarbeit zu Gunsten der nachhaltigen Entwicklung und der Bekämpfung der Armut zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsländer, um das Entstehen eines dynamischen Kultursektors unter anderem durch folgende Mittel zu fördern: a) Stärkung der Kulturwirtschaft in Entwicklungsländern, indem i) die Kapazitäten für die Herstellung und den Vertrieb von Kulturgütern in Entwicklungsländern geschaffen und verstärkt werden; ii) ihren kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen ein breiterer Zugang zum Weltmarkt und zu den internationalen Vertriebsnetzen erleichtert wird; iii) das Entstehen funktionsfähiger lokaler und regionaler Märkte ermöglicht wird;
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iv) in den entwickelten Ländern, soweit möglich, geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen aus den Entwicklungsländern den Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu erleichtern; v) die kreative Arbeit unterstützt und die Mobilität der Künstler aus den Entwicklungsländern, soweit möglich, erleichtert wird; vi) eine geeignete Zusammenarbeit zwischen den entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern, unter anderem in den Bereichen Musik und Film, gefördert wird; b) Aufbau von Kapazitäten durch den Austausch von Informationen, Erfahrung und Fachwissen sowie durch die Ausbildung der menschlichen Ressourcen in den Entwicklungsländern im öffentlichen und privaten Sektor, unter anderem in den Bereichen Planungs- und Managementkapazitäten, Entwicklung und Umsetzung von Politik, Förderung und Vertrieb kultureller Ausdrucksformen, Entwicklung von mittleren, kleinen und Kleinstunternehmen, Einsatz von Technologien sowie Entwicklung und Weitergabe von Fertigkeiten; c) Weitergabe von Technologie und Know-how durch die Einführung geeigneter Anreizmaßnahmen, insbesondere im Bereich der Kulturwirtschaft und -unternehmen; d) finanzielle Unterstützung durch i) die Errichtung eines Internationalen Fonds für kulturelle Vielfalt, wie in Artikel 18 vorgesehen; ii) die Gewährung staatlicher Entwicklungshilfe, einschließlich technischer Hilfe, zur Anregung und Unterstützung der Kreativität, falls erforderlich; iii) andere Formen finanzieller Hilfe wie Darlehen mit niedrigem Zinssatz, Beihilfen oder andere Finanzierungsmechanismen.
Artikel 15 – Modalitäten der Zusammenarbeit Die Vertragsparteien regen die Entwicklung von Partnerschaften im öffentlichen und privaten Sektor und in nicht auf Gewinn ausgerichteten Organisationen sowie zwischen diesen an, um mit den Entwicklungsländern bei der Verbesserung ihrer Kapazitäten zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zusammenzuarbeiten. Bei diesen innovativen Partnerschaften wird in Übereinstimmung mit den praktischen Bedürfnissen der Entwicklungsländer der Schwerpunkt auf die weitere Entwicklung der Infrastruktur, der menschlichen Ressourcen und der Politik sowie auf den Austausch kultureller Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen gelegt.
Artikel 16 – Vorzugsbehandlung für Entwicklungsländer Die entwickelten Länder erleichtern den Kulturaustausch mit Entwicklungsländern, indem sie in geeigneten institutionellen und rechtlichen Rahmen Künstlern, Kultur-
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schaffenden und anderen im Kulturbereich Tätigen sowie kulturellen Gütern und Dienstleistungen aus Entwicklungsländern eine Vorzugsbehandlung gewähren.
Artikel 17 – Internationale Zusammenarbeit in Situationen ernsthafter Gefährdung kultureller Ausdrucksformen Die Vertragsparteien arbeiten zusammen, indem sie einander und insbesondere den Entwicklungsländern in den in Artikel 8 bezeichneten Situationen Hilfe gewähren.
Artikel 18 – Internationaler Fonds für kulturelle Vielfalt (1) Hiermit wird ein Internationaler Fonds für kulturelle Vielfalt, im Folgenden als „Fonds“ bezeichnet, errichtet. (2) Der Fonds besteht aus einem im Sinne der Finanzordnung der UNESCO errichteten Treuhandvermögen. (3) Die Mittel des Fonds bestehen aus a) freiwilligen Beiträgen der Vertragsparteien; b) zu diesem Zweck von der Generalkonferenz der UNESCO zugewendeten Mitteln; c) Beiträgen, Spenden und Vermächtnissen anderer Staaten, Organisationen und Programme des Systems der Vereinten Nationen, anderer regionaler oder internationaler Organisationen sowie Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Rechts oder von Einzelpersonen; d) den für die Mittel des Fonds anfallenden Zinsen; e) Mitteln, die durch Sammlungen und Einnahmen aus Veranstaltungen zu Gunsten des Fonds aufgebracht werden; f) allen sonstigen Mitteln, die durch die Vorschriften für den Fonds genehmigt sind. (4) Über die Ver wendung der Mittel des Fonds entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss auf der Grundlage der von der in Artikel 22 bezeichneten Konferenz der Vertragsparteien festgelegten Richtlinien. (5) Der Zwischenstaatliche Ausschuss kann Beiträge und andere Formen der Unterstützung für allgemeine oder bestimmte Zwecke in Zusammenhang mit bestimmten Projekten entgegennehmen, sofern diese Projekte von ihm genehmigt worden sind. (6) An die dem Fonds geleisteten Beiträge dürfen keine politischen, wirtschaftlichen oder anderen Bedingungen, die mit den Zielen dieses Übereinkommens unvereinbar sind, geknüpft werden. (7) Die Vertragsparteien bemühen sich, regelmäßig freiwillige Beiträge zur Durchführung dieses Übereinkommens zu leisten.
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Artikel 19 – Austausch, Analyse und Verbreitung von Informationen (1) Die Vertragsparteien vereinbaren, über die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sowie zu bewährten Vorgehensweisen zu ihrem Schutz und ihrer Förderung Informationen auszutauschen und Fachwissen zur Sammlung von Daten und zu Statistiken hierzu zur Verfügung zu stellen. (2) Die UNESCO erleichtert die Sammlung, Analyse und Verbreitung aller einschlägigen Informationen, Statistiken und bewährten Vorgehensweisen durch die Nutzung der im Sekretariat vorhandenen Mechanismen. (3) Die UNESCO richtet ferner eine Datenbank zu verschiedenen Sektoren und staatlichen, privaten und nicht auf Gewinn ausgerichteten Organisationen, die im Bereich der kulturellen Ausdrucksformen tätig sind, ein und pflegt diese. (4) Um die Sammlung von Daten zu erleichtern, legt die UNESCO ihr besonderes Augenmerk auf den Aufbau von Kapazitäten und die Erhöhung des Fachwissens bei Vertragsparteien, die einen Antrag auf derartige Unterstützung stellen. (5) Die in diesem Artikel beschriebene Sammlung von Informationen ergänzt die nach Artikel 9 gesammelten Informationen.
V. Verhältnis zu anderen Übereinkünften Artikel 20 – Verhältnis zu anderen Verträgen: wechselseitige Unterstützung, Komplementarität und Nicht-Unterordnung (1) Die Vertragsparteien erkennen an, dass sie ihre Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen und allen anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind, nach Treu und Glauben zu erfüllen haben. Ohne dieses Übereinkommen anderen Verträgen unterzuordnen, a) fördern sie daher die wechselseitige Unterstützung zwischen diesem Übereinkommen und anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind; b) berücksichtigen die Vertragsparteien bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge, deren Vertragsparteien sie sind, oder bei Eingehen anderer internationaler Verpflichtungen die einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens. (2) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als verändere es die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind.
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Artikel 21 – Internationale Konsultationen und Koordinierung Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Ziele und Grundsätze dieses Übereinkommens in anderen internationalen Foren zu fördern. Zu diesem Zweck konsultieren die Vertragsparteien einander unter Berücksichtigung dieser Ziele und Grundsätze, falls erforderlich.
VI. Organe des Übereinkommens Artikel 22 – Konferenz der Vertragsparteien (1) Eine Konferenz der Vertragsparteien wird eingesetzt. Die Konferenz der Vertragsparteien ist das Plenarorgan und oberste Gremium dieses Übereinkommens. (2) Die Konferenz der Vertragsparteien tritt, soweit möglich in Verbindung mit der Generalkonferenz der UNESCO, alle zwei Jahre zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Sie kann auf eigenen Beschluss oder auf einen entsprechenden, an den Zwischenstaatlichen Ausschuss gerichteten Antrag von mindestens einem Drittel der Vertragsparteien zu einer außerordentlichen Tagung zusammentreten. (3) Die Konferenz der Vertragsparteien gibt sich eine Geschäftsordnung. (4) Die Aufgaben der Konferenz der Vertragsparteien sind unter anderem, a) die Mitglieder des Zwischenstaatlichen Ausschusses zu wählen; b) die Berichte der Vertragsparteien des Übereinkommens, die ihr vom Zwischenstaatlichen Ausschuss übermittelt werden, entgegenzunehmen und zu prüfen; c) die auf ihr Ersuchen hin vom Zwischenstaatlichen Ausschuss erstellten Richtlinien zu genehmigen; d) alle sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, die sie für notwendig erachtet, um die Ziele dieses Übereinkommens zu fördern.
Artikel 23 – Zwischenstaatlicher Ausschuss (1) Ein Zwischenstaatlicher Ausschuss für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, im Folgenden als „Zwischenstaatlicher Ausschuss“ bezeichnet, wird innerhalb der UNESCO errichtet. Ihm gehören Vertreter von 18 Staaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind, an; diese werden von der Konferenz der Vertragsparteien nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens nach Artikel 29 für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. (2) Der Zwischenstaatliche Ausschuss tritt einmal jährlich zusammen.
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(3) Der Zwischenstaatliche Ausschuss arbeitet im Auftrag und unter Anleitung der Konferenz der Vertragsparteien und ist dieser rechenschaftspflichtig. (4) Die Zahl der Mitglieder des Zwischenstaatlichen Ausschusses wird auf 24 erhöht, sobald die Zahl der Vertragsparteien des Übereinkommens 50 erreicht. (5) Die Wahl der Mitglieder des Zwischenstaatlichen Ausschusses erfolgt nach den Grundsätzen der ausgewogenen geographischen Vertretung und der Rotation. (6) Unbeschadet der sonstigen ihm durch dieses Übereinkommen zugewiesenen Verpflichtungen gehört es zu den Aufgaben des Zwischenstaatlichen Ausschusses, a) die Ziele dieses Übereinkommens zu fördern sowie zu seiner Durchführung zu ermutigen und diese zu über wachen; b) die Richtlinien zur Durchführung und Anwendung des Übereinkommens auf Ersuchen der Konferenz der Vertragsparteien zu erstellen und sie dieser zur Genehmigung vorzulegen; c) der Konferenz der Vertragsparteien Berichte der Vertragsparteien des Übereinkommens sowie seine Anmerkungen und eine Zusammenfassung des Inhalts zu übermitteln; d) geeignete Empfehlungen für Situationen abzugeben, auf die er von Vertragsparteien des Übereinkommens in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens, insbesondere Artikel 8, hingewiesen wird; e) Verfahren und andere Mechanismen für Konsultationen, die auf die Förderung der Ziele und Grundsätze dieses Übereinkommens in anderen internationalen Foren abzielen, einzurichten; f) alle sonstigen Aufgaben, die ihm von der Konferenz der Vertragsparteien zugewiesen werden, wahrzunehmen. (7) Der Zwischenstaatliche Ausschuss kann jederzeit in Übereinstimmung mit seiner Geschäftsordnung Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts oder Einzelpersonen einladen, zur Konsultation über bestimmte Angelegenheiten an seinen Tagungen teilzunehmen. (8) Der Zwischenstaatliche Ausschuss arbeitet seine Geschäftsordnung aus und legt sie der Konferenz der Vertragsparteien zur Genehmigung vor.
Artikel 24 – Sekretariat der UNESCO (1) Die Organe des Übereinkommens werden vom Sekretariat der UNESCO unterstützt. (2) Das Sekretariat erstellt die Unterlagen für die Konferenz der Vertragsparteien und den Zwischenstaatlichen Ausschuss sowie die Tagesordnung ihrer Tagungen und unterstützt sie bei der Umsetzung ihrer Beschlüsse und erstattet darüber Bericht.
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VII. Schlussbestimmungen Artikel 25 – Beilegung von Streitigkeiten (1) Im Fall einer Streitigkeit zwischen Vertragsparteien dieses Übereinkommens über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens streben die Vertragsparteien eine Lösung durch Verhandlungen an. (2) Können die betroffenen Vertragsparteien eine Einigung durch Verhandlungen nicht erreichen, so können sie gemeinsam die guten Dienste einer dritten Partei in Anspruch nehmen oder um deren Vermittlung ersuchen. (3) Werden die guten Dienste oder die Vermittlung nicht in Anspruch genommen oder kommt es durch Verhandlungen, gute Dienste oder Vermittlung nicht zu einer Beilegung der Streitigkeit, so kann eine Vertragspartei einen Vergleich nach dem in der Anlage dieses Übereinkommens niedergelegten Verfahren beantragen. Die Vertragsparteien prüfen den von der Vergleichskommission vorgelegten Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit nach Treu und Glauben. (4) Jede Vertragspartei kann bei der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass sie das in Absatz 3 vorgesehene Vergleichsverfahren nicht anerkennt. Jede Vertragspartei, die eine solche Erklärung abgegeben hat, kann diese jederzeit durch eine an den Generaldirektor der UNESCO gerichtete Notifikation zurücknehmen.
Artikel 26 – Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder Beitritt durch die Mitgliedstaaten (1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder des Beitritts durch die Mitgliedstaaten der UNESCO nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren. (2) Die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt.
Artikel 27 – Beitritt (1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Staaten, die nicht Mitglieder der UNESCO, aber Mitglieder der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen sind und die von der Generalkonferenz der UNESCO hierzu aufgefordert werden, zum Beitritt auf.
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(2) Dieses Übereinkommen liegt ferner für Hoheitsgebiete zum Beitritt auf, die eine als solche von den Vereinten Nationen anerkannte volle innere Selbstregierung genießen, jedoch noch nicht die volle Unabhängigkeit im Sinne der Resolution 1514 (XV) der Generalversammlung erreicht haben, und die die Zuständigkeit über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten haben, einschließlich der Zuständigkeit, in diesen Angelegenheiten Verträge zu schließen. (3) Die folgenden Bestimmungen gelten für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration: a) Dieses Übereinkommen liegt auch für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zum Beitritt auf, die durch alle Bestimmungen des Übereinkommens in der gleichen Weise wie Vertragsstaaten gebunden sind, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist; b) sind ein oder mehrere Mitgliedstaaten einer solchen Organisation auch Vertragspartei dieses Übereinkommens, so entscheiden die Organisation und dieser Mitgliedstaat beziehungsweise diese Mitgliedstaaten über ihre Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen. Eine derartige Aufteilung der Verantwortlichkeiten gilt nach Abschluss des unter Buchstabe c beschriebenen Notifikationsverfahrens. Die Organisation und die Mitgliedstaaten sind nicht berechtigt, die Rechte aufgrund dieses Übereinkommens gleichzeitig auszuüben. Ferner üben Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind. Eine solche Organisation übt ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt; c) haben eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration und ihr Mitgliedstaat beziehungsweise ihre Mitgliedstaaten eine Aufteilung der Verantwortlichkeiten nach Buchstabe b vereinbart, so teilen sie den Vertragsparteien jede vorgeschlagene Aufteilung der Verantwortlichkeiten auf folgende Weise mit: i) In ihrer Beitrittsurkunde erklärt die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration genau die Aufteilung der jeweiligen Verantwortlichkeiten in Bezug auf die durch das Übereinkommen erfassten Angelegenheiten; ii) im Fall einer späteren Änderung ihrer jeweiligen Verantwortlichkeiten teilt die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration dem Ver wahrer jede vorgeschlagene Änderung ihrer jeweiligen Verantwortlichkeiten mit; der Verwahrer unterrichtet seinerseits die Vertragsparteien über diese Änderungen; d) es wird davon ausgegangen, dass Mitgliedstaaten einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens werden, die Zuständigkeit über alle Angelegenheiten behalten, die nicht Gegenstand einer Übertragung von Zuständigkeiten an die Organisation gewesen sind, die ausdrücklich erklärt oder dem Ver wahrer mitgeteilt worden ist;
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„Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration“ bedeutet eine von souveränen Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen sind, gebildete Organisation, der diese Staaten die Zuständigkeit für die durch dieses Übereinkommen erfassten Angelegenheiten übertragen haben und die im Einklang mit ihren internen Verfahren ordnungsgemäß ermächtigt ist, Vertragspartei dieses Übereinkommens zu werden.
(4) Die Beitrittsurkunde wird beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt.
Artikel 28 – Kontaktstelle Jede Vertragspartei bezeichnet, wenn sie Vertragspartei dieses Übereinkommens wird, eine Kontaktstelle im Sinne des Artikels 9.
Artikel 29 – Inkrafttreten (1) Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nur für die Staaten oder Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die bis zu diesem Tag ihre Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben. Für jede andere Vertragspartei tritt es drei Monate nach Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft. (2) Für die Zwecke dieses Artikels gilt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der Organisation hinterlegten Urkunden.
Artikel 30 – Bundesstaatliche oder nicht einheitsstaatliche Verfassungssysteme In Anerkennung der Tatsache, dass internationale Übereinkünfte für alle Vertragsparteien unabhängig von ihren Verfassungssystemen gleichermaßen bindend sind, gelten folgende Bestimmungen für die Vertragsparteien, die ein bundesstaatliches oder ein nicht einheitsstaatliches Verfassungssystem haben: a) Hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit des Bundes- oder Zentral-Gesetzgebungsorgans fällt, sind die Verpflichtungen der Bundes- oder Zentralregierung dieselben wie für diejenigen Vertragsparteien, die nicht Bundesstaaten sind; b) hinsichtlich derjenigen Bestimmungen des Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit einzelner Glieder, wie Bundesstaaten, Grafschaften, Provinzen oder Kantone, fällt, die nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet sind, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, unterrichtet die Bundesregierung
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die zuständigen Stellen der einzelnen Glieder, wie Bundesstaaten, Grafschaften, Provinzen oder Kantone, von den genannten Bestimmungen und empfiehlt ihnen ihre Annahme.
Artikel 31 – Kündigung (1) Jede Vertragspartei kann dieses Übereinkommen kündigen. (2) Die Kündigung wird durch eine Urkunde notifiziert, die beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt wird. (3) Die Kündigung wird zwölf Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Sie lässt die finanziellen Verpflichtungen der das Übereinkommen kündigenden Vertragspartei bis zu dem Tag unberührt, an dem der Rücktritt wirksam wird.
Artikel 32 – Aufgaben des Ver wahrers Der Generaldirektor der UNESCO unterrichtet als Verwahrer dieses Übereinkommens die Mitgliedstaaten der Organisation, die Nichtmitgliedstaaten der Organisation und die in Artikel 27 bezeichneten Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration sowie die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden nach den Artikeln 26 und 27 und von den Kündigungen nach Artikel 31.
Artikel 33 – Änderungen (1) Jede Vertragspartei dieses Übereinkommens kann Änderungen dieses Übereinkommens durch eine schriftliche, an den Generaldirektor gerichtete Mitteilung vorschlagen. Der Generaldirektor übermittelt diese Mitteilung allen Vertragsparteien. Antwortet mindestens die Hälfte der Vertragsparteien innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag der Absendung der Mitteilung befürwortend auf diesen Antrag, so legt der Generaldirektor der Konferenz der Vertragsparteien auf ihrer nächsten Tagung einen entsprechenden Vorschlag zur Erörterung und möglichen Beschlussfassung vor. (2) Änderungen werden mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsparteien beschlossen. (3) Nach Beschluss von Änderungen dieses Übereinkommens werden diese den Vertragsparteien zur Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder zum Beitritt vorgelegt. (4) Für Vertragsparteien, die Änderungen dieses Übereinkommens ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben oder ihnen beigetreten sind, treten die Änderungen
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drei Monate nach Hinterlegung der in Absatz 3 bezeichneten Urkunden durch zwei Drittel der Vertragsparteien in Kraft. Danach tritt eine Änderung für eine Vertragspartei, die die Änderung ratifiziert, angenommen oder genehmigt hat oder ihr beigetreten ist, drei Monate nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch diese Vertragspartei in Kraft. (5) Das in den Absätzen 3 und 4 festgelegte Verfahren findet keine Anwendung auf Änderungen des Artikels 23 hinsichtlich der Zahl der Mitglieder des Zwischenstaatlichen Ausschusses. Solche Änderungen treten zu dem Zeitpunkt, zu dem sie beschlossen werden, in Kraft. (6) Staaten oder in Artikel 27 bezeichnete Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die nach dem Inkrafttreten von Änderungen nach Absatz 4 Vertragspartei dieses Übereinkommens werden, gelten, sofern sie keine andere Absicht zum Ausdruck bringen, a) als Vertragsparteien dieses Übereinkommens in seiner geänderten Fassung und b) als Vertragsparteien dieses Übereinkommens in seiner ungeänderten Fassung im Verhältnis zu jeder Vertragspartei, die nicht durch die Änderungen gebunden ist.
Artikel 34 – Verbindliche Wortlaute Dieses Übereinkommen ist in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
Artikel 35 – Registrierung Auf Ersuchen des Generaldirektors der UNESCO wird dieses Übereinkommen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert.
Anlage Vergleichsverfahren Artikel 1 – Vergleichskommission Auf Antrag einer der Streitparteien wird eine Vergleichskommission gebildet. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, besteht die Kommission aus fünf Mitgliedern, zwei von jeder beteiligten Partei bestellten Mitgliedern und einem von diesen Mitgliedern einvernehmlich gewählten Präsidenten.
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Artikel 2 – Mitglieder der Kommission Bei Streitigkeiten zwischen mehr als zwei Parteien bestellen die Parteien mit demselben Interesse ihre Mitglieder für die Kommission einvernehmlich. Sind zwei oder mehr Parteien mit unterschiedlichen Interessen vorhanden oder besteht Unstimmigkeit darüber, ob sie dasselbe Interesse haben, so bestellen sie ihre Mitglieder getrennt.
Artikel 3 – Bestellungen Sind innerhalb von zwei Monaten nach dem Antrag auf Bildung einer Vergleichskommission nicht alle Mitglieder der Kommission von den Parteien bestellt worden, so nimmt der Generaldirektor der UNESCO auf Ersuchen der Partei, die den Antrag gestellt hat, diese Bestellungen innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten vor.
Artikel 4 – Präsident der Kommission Ist der Präsident der Vergleichskommission innerhalb von zwei Monaten nach Bestellung des letzten Mitglieds der Kommission nicht ernannt worden, so ernennt der Generaldirektor der UNESCO auf Ersuchen einer Partei innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten den Präsidenten.
Artikel 5 – Entscheidungen Die Vergleichskommission entscheidet mit der Mehrheit ihrer Mitglieder. Sofern die Streitparteien nichts anderes vereinbaren, bestimmt die Kommission ihr Verfahren. Sie legt einen Lösungsvorschlag zu der Streitigkeit vor, den die Parteien nach Treu und Glauben prüfen.
Artikel 6 – Uneinigkeiten Bei Uneinigkeit darüber, ob die Vergleichskommission zuständig ist, entscheidet die Kommission.
Zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung. Der Originaltext des Übereinkommens ist in den sechs Arbeitssprachen der UN auf der Website der UNESCO verfügbar. (http://www.unesco.de/konvention_kulturelle_vielfalt.html)
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1: Abb. 1.2: Abb. 1.3: Abb. 2.1: Abb. 2.2: Abb. 2.3: Abb. 2.4: Abb. 2.5: Abb. 2.6: Abb. 2.7: Abb. 2.8: Abb. 2.9: Abb. 2.10: Abb. 2.11: Abb. 2.12: Abb. 2.13: Abb. 2.14: Abb. 2.15: Abb. 2.16: Abb. 2.17:
Abb. 2.18: Abb. 2.19: Abb. 2.20:
Welterbestätten nach Regionen im Jahr 2013, Quelle: http://whc.unesco.org/en/list/ stat letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Ver teilung der Welterbestätten im Jahr 2013, Quelle: http://whc.unesco.org/en/list/ stat letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Stadtmauer von Toledo, Quelle: https://www.flickr.com/photos/wentzelepsy/ 3261228941, Autor: Larry Wentzel Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt in Peking, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/alanandanders/4890763130, Autor: Alan Lam In der Grube Messel gefundenes Fossil (Pflasterzahn-Krokodil), Quelle: https://www. flickr.com/photos/erestor0404/4470380512, Autor: Patrick Bürgler Pyramiden von Giseh, Quelle: https://www.flickr.com/photos/isawnyu/7832659646, Autor: Institute for the Study of the Ancient World KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/69694546@N02/12170246284, Autor: Steve Hunt Siedlung Schillerpark in Berlin, Quelle: https://www.flickr.com/photos/28179929@ N08/3878478599/, Autor: Sludge G Kulturlandschaft Wachau, Quelle: https://www.flickr.com/photos/89649959@N00/ 2224123842, Autor: jay8085 Orangerie in Versailles, Quelle: https://www.flickr.com/photos/68777787@N00/ 202917381/, Autor: netcfrance Reliktlandschaft von Lopé-Okanda, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ briangratwicke/4395602536, Autor: Brian Grat wicke Nationalpark Uluru Kata-Tjuta, Quelle: https://www.flickr.com/photos/nosha/ 2836119312, Autor: nosha Blick auf den Mont Perdido, Quelle: https://www.flickr.com/photos/84554176@N00/ 9709415119, Autor: Guilaume Baviere Felsmalereien der Aborigines im Kakadu National Park, Quelle: https://www.flickr. com/photos/albertoog/3892548096, Autor: albertoog Höhlen im Tal der Vézère, Quelle: https://www.flickr.com/photos/dynamosquito/ 2531512743, Autor: dynamosquito Altstadt von Goslar, Quelle: https://www.flickr.com/photos/swynt/9255410880, Autor: swynt Bamiyan-Tal in Afghanistan, Quelle: https://www.flickr.com/photos/crw3/ 8662549911, Autor: Calvin Wilhelm Kirchenbezirk Gammelstad in Luleå.jpg, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ bahadorjn/140292259, Autor: Bahador Semmeringbahn, Quelle: https://www.flickr.com/photos/michael_hanisch/ 4279181748, Autor: Michael Hanisch Festungen und Schlösser der Kolonialzeit an der Volta-Mündung, in Accra, der Zentral- und der Westregion, Ghana, Quelle: https://www.flickr.com/photos/fran001/ 3587087813, Autor: Francisco Anzola Pilgerweg nach Santiago de Compostela, Spanien und Frankreich, Quelle: https://www.flickr.com/photos/freecat/6116470448, Autor: José Antonio Gil Martínez Königliche Gräber der Joseon-Dynastie in Südkorea, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/davidstanleytravel/5063812324, Autor: David Stanley Platz der zerstörten Bhuddastatuen im Bamiyan-Tal in Afgahnistan, Quelle: https://www.flickr.com/photos/dvids/7408738172, Autor: DVIDSHUB
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.21: Kölner Dom, Quelle: https://www.flickr.com/photos/e-coli/4945638660, Autor: Michele M. F. Abb. 3.1: zerstörter Marktplatz von Warschau (1945), Quelle: http://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Old_Town_Warsaw_waf-2012-1501-31(1945).jpg, Autor: unbekannt, Copyright: : Marek Tuszyński’s Kollektion des zweiten Weltkrieges Abb. 3.2: Restauriertes Warschau, Quelle: https://www.flickr.com/photos/guillaumespeurt/ 8121510499/, Autor: Guillaume Speurt Abb. 3.3: Blick vom Turm der Kreuzkirche auf die durch die Luftangriffe zerstörte Innenstadt Dresdens, Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/96/ Bundesarchiv_Bild_183-Z0309-310%2C_Zerst%C3%B6rtes_Dresden.jpg, Autor: Beyer, G., Bundesarchiv, Bild 183-Z0309-310 Abb. 3.4: Waldsterben im Bayrischen Wald, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ michaelpollak/7488296860, Autor: Michael Pollak Abb. 3.5: Favelas in Rio de Janeiro, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ kj-an/2359557473/, Autor: Kevin Jones Abb. 3.6: Rekonstruierte Innenstadt von Kotor, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ ashlynnpai/13553214045, Autor: Ashlynn Pai Abb. 3.7: Freie Sicht vom Elbtal auf Dresden, Quelle: https://www.flickr.com/photos/jbidpost/9565871550, Autor: János Balázs Abb. 3.8: Beeinträchtigte Sicht durch die Waldschlösschenbrücke, Quelle: https://www.flickr. com/photos/jbid-post/6983671413, Autor: János Balázs Abb. 3.9: Fort am Ufer von Kilwa Kisiwani, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Kilwa_Kisiwani_Fort.jpg, Autor: Gustavgraves Abb. 3.10: El-Djem Amphitheater, Quelle: https://www.flickr.com/photos/archer10/7847033730, Autor: Dennis Jarvis Abb. 3.11: Makli Thatta, Quelle: https://www.flickr.com/photos/adeelanwer/7473119410, Autor: Adeel Anwer Abb. 3.12: Chartres Cathedral, Quelle: https://www.flickr.com/photos/stevecadman/752594655, Autor: Steve Cadman Abb. 3.13: Kathedrale auf der Plaza de Armas in Cuzco, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ theodorescott/2517644318, Autor: Theodore Scott Abb. 3.14: Blick auf die Altstadt von Ouro Preto, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ filipe_dilly/3955013062, Autor: Filipe Soares Dilly Abb. 3.15: Djenné, Quelle: https://www.flickr.com/photos/kartlasarn/12030043155, Autor: Göran Höglund Abb. 3.16: Innenhof der Großen Moschee in Aleppo, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ varunshiv/5347872305, Autor: Varun Shiv Kapur Abb. 3.17: Abdar Khana Gebäude und Anoop Talao Wasserbassin, Quelle: https://www.flickr. com/photos/dalbera/8511795693, Autor: Jean-Pierre Dalbéra Abb. 3.18: Ruinen von Olympia, Quelle: https://www.flickr.com/photos/troymckaskle/ 6179074104, Autor: troy mckaskle Abb. 3.19: Innenhof der Mission in Chiquitos, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ franciscojgonzalez/6286847872, Autor: Francisco Gonzalez Abb. 3.20: Reisterrassen, Quelle: https://www.flickr.com/photos/bigberto/2190743807, Autor: Schubert Ciencia Abb. 3.21: Hallstatt, Quelle: https://www.flickr.com/photos/unicoletti/2845611323, Autor: Umberto Nicoletti Abb. 3.22: Touristen vor den Longmen-Grotten, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ anapaulahrm/7118327369, Autor: Ana Paula Hirama
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 3.23: Arbeiten von Antoni Gaudi, Quelle: https://www.flickr.com/photos/oprior/3866860, Autor: Owen Prior Abb. 3.24: Brasilia, Brasilien, Quelle: https://www.flickr.com/photos/dalnunes/3631372244, Autor: Dal Nunes Abb. 3.25: Saami Familie in Norwegen ca. 1900, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ tonynetone/13570014703, Autor: tonynetone Abb. 3.26: Kulturlandschaft Mapungubwe, Südarfika, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ wfeiden/1476842995, Autor: wfeiden Abb. 3.27: Gebirgseisenbahn in Indien, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ ciamabue/8660412403, Autor: Jon Connell Abb. 3.28: Salzkarawane auf dem Weg von Agadez nach Bilma in Niger, Quelle: http://en. wikipedia.org/wiki/File:Bilma-Salzkarawane1.jpg, Autor: Holger Reineccius Abb. 3.29: Salpeterwerke von Humberstone und Santa Laura, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/c32/8348275868, Autor: Carlos Varela Abb. 3.30: Grotten von Longmen, China, Quelle: https://www.flickr.com/photos/kevinpoh/ 3578878087, Autor: Kevin Poh Abb. 4.1: Mauerbau, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_ Bild_1731321,_Berlin,_Mauerbau.jpg, Bundesarchiv, Bild 173-1321/CC-BY-SA, Autor: Helmut J. Wolf Abb. 4.2: Chateau Chambord, Quelle: https://www.flickr.com/photos/lamouroux/7989572147, Autor: flamouroux Abb. 4.3: Schloss Mir, Weißrussland, Quelle: https://www.flickr.com/photos/gusevg/ 2585104972, Grigory Gusev Abb. 4.4: Schloss Kronborg, Dänemark, Quelle: https://www.flickr.com/photos/caspermoller/ 2527405529, Autor: Casper Moller Abb. 4.5: Schloss Lytomyšl, Tschechische Republik, Quelle: http://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Z%C3%A1mek_Litomy%C5%A1l_1.JPG, Autor: Michael Louc Abb. 4.6: Völklinger Eisenhütte, Quelle: https://www.flickr.com/photos/twicepix/8857397905, Autor: Martin Abegglen Abb. 4.7: Semmeringbahn, Quelle: https://www.flickr.com/photos/michael_hanisch/ 4278444889, Autor: Michael Hanisch Abb. 4.8: Zusammensetzung der Führungspositionen im Bereich Welterbe nach Kontinenten 2013, Quellen: http://whc.unesco.org/en/committee/; http://www.icomos.org/en/ about-icomos/governance/general-information-about-the-executive-committee; http://iucn.org/about/union/council/iucn_council_2012_16/letzter Zugriff: 29. 11. 2013. (eigene Darstellung) Abb. 4.9: Alte Nationalgalerie in Berlin, Quelle: https://www.flickr.com/photos/dalbera/ 6094709790, Autor: Jean-Pierre Dalbéra Abb. 4.10: Neubau von Bürogebäuden am Dock in Liverpool, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/karen_od/2585593656, Autor: Karen Abb. 4.11: Gletscherschmelze_Der Grosse Aletschgletscher, links im Jahre 1979, in der Mitte im Jahre 1991 und rechts 2002, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File: Gletscherschmelze.jpg, Autor: L. Albrecht/Pro Natura Zentrum Aletsch, German Wikipedia, original upload 25. Jul 2004 by Zuecho Abb. 4.12: Massentourismus in Angkor Wat, Kambodscha, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/85258471@N00/1710896192, Autor: tartahart Abb. 4.13: Brandenburger Tor, Copyright und Autor: Stefan Simon Abb. 4.14: Demografischer Wandel in China, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ 124765246@N04/14487873996, Autor: stardust kay
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 4.15: Favela da Rocinha in Rio de Janeiro, Quelle: https://www.flickr.com/photos/c32/ 6857699871, Autor: Carlos Varela Abb. 4.16: Das letzte Haus auf Holland Island, einer von Über flutung und Erosion betroffenen Insel in der Chesapeake Bay, USA, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ baldeaglebluff/4640582389/, Autor: baldeaglebluff Abb. 5.1: Von Erosion zerstörte Ausgrabungsstätte in Pompeji, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/tintedglasssky/4094771722, Autor: jbarreiros Abb. 5.2: Wandfresko in Pompeji, Quelle; http://www.flickr.com/photos/20466740@N00/ 6333879401, Autor: Caroline Abb. 5.3: Taj Mahal, Autor und Copyright: Hans-Joachim Aubert Abb. 5.4: Blick auf den Kölner Dom, Quelle: https://www.flickr.com/photos/kjunstorm/ 8480219766, Autor: Lori Branham Abb. 5.5: Massentourismus in den Tempelanlagen von Angkor, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/52058725@N04/6091087433, Autor: EyeofJ Abb. 5.6: Konzentrationslager Buchenwald, Quelle: http://www.flickr.com/photos/larskjensen/ 4046343878/, Autor: Lars K Jensen Abb. 5.7: Luftaufnahme der historischen Festungsstadt Carcassonne, Quelle: http://www.flickr. com/photos/24736216@N07/6345347088, Autor: Roger Wollstadt Abb. 5.8: Massentourismus in der Verbotenen Stadt in Peking, Quelle: http://www.flickr.com/ photos/whatleydude/5683312816/, Autor: whatleydude Abb. 5.9: Massentourismus in der Verbotenen Stadt in Peking, Quelle: http://www.flickr.com/ photos/watchsmart/502023721/, Autor: watchsmart Abb. 6.1: Himmelsscheibe von Nebra – Seit 2013 Teil des UNESCO-Register Memory of the World, Quelle: https://www.flickr.com/photos/patsch/373262976, Autor: Patrick Tschudin Abb. 6.2: Tenorgesang der sardischen Schäfer. Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/ commons/5/56/Tenores_di_bitti_mialinu_pira_2.jpg. Autor: Sardegnabella (letzter Zugriff: 10. 09. 2014) Abb. 6.3: Noh Theater, Quelle: https://www.flickr.com/photos/aak/42653902, Autor: raichovak Abb. 6.4: Menschliche Pyramide beim La Merce Festival in Barcelona, Quelle: https://www. flickr.com/photos/tomczak/6184603217, Autor: Stasiu Tomczak Abb. 6.5: Schrimpfischen auf Pferden in Oostduinkerke, Quelle: https://www.flickr.com/ photos/inessaraiva/9551569753, Autor: ines saraiva Abb. 6.6: Teppichweberin im Iran, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ninara/4018378455, Autor: ninara Abb. 6.7: Batik Workshop in Ketelan, Indonesion, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ shkizzle/5981170339, Autor: Stephen Kennedy Abb. 6.8: Flamenco, Quelle: https://www.flickr.com/photos/icyfrance/200292602, Autor: Brandie Heinel Abb. 6.9: Akkupunkturanwendung, Quelle: https://www.flickr.com/photos/marniejoyce/ 5080409314, Autor: Marnie Joyce Abb. 6.10: Vortrag auf dem Jemaa El Fna Platz, Quelle: https://www.flickr.com/photos/ bryceedwards/ 316381918, Autor: Bryce Edwards
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Die drei Kategorien von Welterbe-Kulturlandschaften (Rössler 2002, S. 31) Tab. 2: Ver teilung Welterbekriterien nach Regionen, Quelle: http://whc.unesco.org/en/list/stat. letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Tab. 3: Typologischer Rahmen nach dem ICOMOS Filling the Gaps Report von 2004 Tab. 4: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Erste Phase 1978–1991, Quelle: http://whc. unesco.org/en/list/stat letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Tab. 5: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Zweite Phase 1992–1999, Quelle: http://whc.unesco.org/en/list/stat letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Tab. 6: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Dritte Phase 2000–2005, Quelle: http://whc.unesco.org/en/list/stat letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Tab. 7: Welterbeeinschreibungen nach Regionen, Vierte Phase 2006–2013, Quelle: http://whc.unesco.org/en/list/stat letzter Zugriff: 22. 10. 13 (eigene Darstellung) Tab. 8: Veränderungen Besucherzahlen Taj Mahal, Quelle: Uttar Pradeh Tourism 2012, S. 4, eigene Darstellung
Die Autoren Albert, Marie-Theres Marie-Theres Albert studierte Erziehungswissenschaften, Soziologie und Bildungsökonomie an der TU Berlin. Sie promovierte zum Dr. phil und habilitierte in den Erziehungswissenschaften an der TU Berlin mit der Schrift Grenzen kulturalistischer Pädagogikkonzeptionen angesichts grenzübergreifender krisenhafter Entwicklungen. Seit 1994 leitet sie den Lehrstuhls Interkulturalität an der BTU CottbusSenftenberg und seit Oktober 2003 ist sie Chairholderin des UNITWIN/UNESCO-Chairs in Heritage Studies. Sie ist Mitbegründerin und ehemalige Leiterin (1999–2010) des Masterprogramms World Heritage Studies und seit 2010 Gründerin und Leiterin des Ph. D.-Programms International Graduate School: Heritage Studies at Cottbus University. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Fragen des Schutzes und der Nutzung von tangible und intangible Heritage sowie von Identität und Entwicklung. Sie war Leiterin vieler nationaler und internationaler Projekte zum Thema Erbe. Sie ist Herausgeberin der World Heritage Studies-Reihe, in der bisher vier Sammelbände zu den Themen Natur und Kultur – Ambivalente Dimensionen unseres Erbes (2002), Perspektiven des Welterbes (2006), Training Strategies for World Heritage Management (2007) und World Heritage and Cultural Diversity (2010) erschienen sind. Der jetzt veröffentlichte Band ist der 2. ihrer erstmals 2012 bei de Gruyter aufgelegten Publikationsreihe Heritage Studies. Er setzt die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Erbe fort. Aubert, Hans-Joachim Dr. Hans-Joachim Aubert arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten als Reisejournalist, Fotograf und Verfasser von Bildbänden und Reiseführern für renommierte Verlage. Seit fast 10 Jahren befasst er sich intensiv mit der Dokumentation der UNESCO-Welterbestätten im Panoramaformat und hat auf seinen zahlreichen Reisen bisher mehr als 100 Welterbestätten auf allen Kontinenten mit der GroßbildPanoramakamera fotografiert. In über 35 Ländern wurden seine Bilder der deutschen Welterbestätten in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission, dem Auswärtigen Amt und dem GoetheInstitut gezeigt. Überdies haben GEO, DuMont und die Edition Panorama seine Bilder in großformatigen Kalendern veröffentlicht. Ringbeck, Birgitta Dr. Birgitta Ringbeck ist Ministerialrätin, studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Ethnologie in Bonn, Münster und Rom und promovierte zum Dr. phil. über den römischen Barockarchitekten Giovanni Battista Soria. Von 1988 bis 1990 forschte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Münster) zur Geschichte der Heimatbewegung über Architektur und Städtebau unter dem Einfluss des ganzheitlichen Ansatzes der lebens- und kulturreformerischen Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Von 1990 bis 1997 leitete sie das Referat Heimat- und Kulturpflege bei der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege in Düsseldorf, ab 1997 bis 2011 das Referat Baudenkmalschutz und Baudenkmalpflege (Oberste Denkmalbehörde) im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit dem 01. 01. 2012 ist sie im Auswärtige Amt. Sie ist Mitglied im Welterbekomitee der UNESCO und Welterbekoordinatorin. Sie verfasste zahlreiche Publikationen zur Denkmalpflege und zum Welterbeprogramm der UNESCO, u. a. die Publikation Managementpläne für Welterbestätten.
Index A Association of Critical Heritage Studies 8, 114, 116, 120 Außergewöhnlicher Universeller Wert (OUV) 4, 8, 10–12, 18, 24–26, 29, 41, 43, 46, 62, 64, 65, 75 f., 86 f., 92, 97, 105, 108, 110 f., 113–115, 120, 124, 138, 140, 192, 195 Authentizität/Echtheit 4, 11, 18, 27–29, 40–42, 46 f., 47, 52 f., 53, 55, 62, 78 f., 84, 86, 97, 111, 114 f., 124 f., 141, 153–155, 158, 192, 195, 199, 222 Authorized Discourse 8, 105–116 B Bedingungskriterium für eine Welterbenominierung, siehe Authentizität Begründungskriterium für eine Welterbenominierung, siehe Außergewöhnlicher Universeller Wert Brundtland-Report 132, 164, 183 C Cairns Decision 82, 92 Capacity-Building 82, 83, 92, 132, 185, 199 Charta von Burra (1979) 54, 78 Charta von Venedig (1964) 27, 47, 52 f., 63, 82, 203, 222 f., 225 Convention, siehe Übereinkommen D Denkmäler 19, 28–30, 50, 52 f., 196, 201, 205, 217, 222 f., 228, 239 Denkmalpflege 4, 47, 52, 101, 116, 134, 192, 194, 222, 227, 242, 245 Declaration, siehe Erklärung
Ensembles 7, 17, 19 f., 24 f., 28–30, 36, 124, 195 f., 222, 239 Entwicklung – Entwicklungspolitik 54, 131, 165, 176, 184, 200, 280, 289 – industrielle Entwicklung 60, 112 – kulturelle Entwicklung 163, 180, 183, 202, 259, 260 – menschliche Entwicklung 89, 100 f., 125, 164–166, 173, 182 f., 187, 189 – nachhaltige Entwicklung 83, 125, 156, 161, 180, 189–192, 197, 280, 284, 289 – wirtschaftliche Entwicklung 1, 42, 44, 54, 60, 134, 136, 139 f., 145, 152 Erbe – immaterielles Erbe/Intangible Heritage 123, 126, 137, 160–164, 166–168, 170, 172, 174, 176, 177 f., 180, 182 – industrielles Erbe 29, 32, 79, 90, 93, 97, 112 – Kulturerbe 4, 8, 16, 18 f., 42, 47, 52, 62, 79, 101, 126, 160 f., 167 f., 173–176, 178, 194, 196, 238 f., 258, 263–265, 269 f., 273, 284 – materielles Erbe 47, 48, 52, 55, 57 – Naturerbe 3, 5–7, 17–19, 21, 40, 42, 52, 62 f., 92, 99, 101, 105, 123, 136, 151, 161, 173, 176, 193, 197, 201, 238, 239, 240 f., 241, 243 f., 247 f., 263, 264 – Schutz und Nutzung von Erbe 122 f., 125–127, 129, 131, 133–135 – Welterbe, siehe Welterbe Erklärung/Declaration – Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) 182, 263 – Allgemeine Erklärung der UNESCO zur kulturellen Vielfalt (2001) 164, 180 – Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik (1982) 203, 254 f., 257, 259, 261 – Stockholm Declaration on the Human Environment (1972) 60 Eurozentrismus 6, 8, 25, 86, 111, 160 f., 182
E F Echtheit, siehe Authentizität Empfehlungen/Recommendations – Empfehlung für den Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene (1972) 41 – Empfehlung zur Wahrung des kulturellen Erbes in Volkskunst und Brauchtum (1989) 164
Filling the Gaps Report 29, 36, 81, 92, 106 Fünf Cs (5Cs) – Capacity-Building 82, 92, 185, 199 – Communication 83, 199 – Community Involvement 85, 97
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Index
– Conservation 82 f., 105, 195, 199 – Credibility 82, 199 G Gemeingüter 131, 191 Gemeinschaft 1, 9, 42, 44, 55 f., 64, 80, 119, 121 f., 128, 131, 191, 238, 249, 254–257, 262, 264 Gesellschaft 1 f., 20, 57, 60, 100, 162 f., 185, 197, 223, 254, 256 f., 259–261, 269 f., 281 Globale Strategie/Global Strategy 34, 36 f., 75, 86–99, 194 Globalisierung 1, 85, 123–125, 127–129, 133, 162–164, 166, 182, 263, 281 H Heritage Studies 1, 8, 106, 114, 116, 119, 120, 122 f., 125 f., 129, 131, 133–135, 160, 167 I ICCROM 2, 25, 64, 83, 105, 115, 192, 194, 226 ICOMOS 7, 8, 14, 17, 25, 28 f., 36, 39, 44 f., 53, 54, 64, 81–83, 86, 90, 92, 105, 106, 111, 115–141, 166, 192, 194, 226, 242, 245 Identität – Identitätsbildung 5, 52, 54–56, 102 f., 120, 161 f., 180, 182 – kollektive Identität 50, 185 – kulturelle Identität 2, 48, 255 f., 258, 260 – Träger von Identität 103, 162, 282 Intangible Heritage, siehe Erbe – immaterielles Erbe Integrität/Unversehrtheit 4, 18, 27–29, 40, 42, 44–46, 84, 86, 97, 111, 114 f., 124 f., 138, 140 f., 195, 225 Internationale Zusammenarbeit 271, 291 IUCN 25, 64, 83, 86, 105, 111, 115, 139, 192, 195, 242, 245 K Kategorien für Welterbe 4, 18–20, 29–40, 184 Kernzone 46, 198 Klimawandel 83, 129, 145, 308 Kommerzialisierung 10, 137, 154, 160, 180 Konvention, siehe Übereinkommen
Kriterien zur Bestimmung des Außergewöhnlichen Universellen Wertes, siehe Außergewöhnlicher Universeller Wert Kulturelle Vielfalt 187 f., 284 Kulturerbe, siehe Erbe – Kulturerbe Kulturgut 42, 52, 56, 70, 173, 183, 192, 194, 196 f., 203–215, 217, 219, 221, 227–235, 237, 242, 245, 258 Kulturgüterschutz 52, 56, 141, 182 Kulturlandschaft/en 11, 17–21, 30, 76, 78 f., 91, 93, 106, 166 L Listen des immateriellen Kulturerbes – Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes 161, 271 f. – Register guter Praxisbeispiele 161, 176 – Repräsentative Liste 161, 175, 178, 270, 276 Listen des Welterbes – Liste des Welterbes in Gefahr 28, 42–45, 48, 61, 64 – Tentativliste 39, 86 f., 91 f., 94, 97, 99, 150 f. – Welterbeliste 6–8, 12 f., 15–17, 19 f., 26, 30, 32, 34, 36, 40, 44, 55, 63 f., 67 f., 70–75, 77–82, 86–90, 93–95, 97, 106–108, 112 f., 115, 118, 122, 128, 133, 136, 138–140, 145 f., 148, 150, 160 f., 180, 185, 194 f., 201 f. M Management 29, 40 f., 61, 86, 91, 97, 121 f., 158 Materielles Erbe, siehe Erbe – materielles Erbe Memory of the World 123, 164, 165 Migration 38, 126, 128, 182 Millenniumsziele bzw. Millennium-Entwicklungsziele 121, 183, 185, 280 Monitoring 86, 98, 199, 202 N Nachhaltigkeit 59, 115, 121 f., 131–134, 156, 158, 182–184, 189 f., 197 Nara-Dokument zur Echtheit/Authentizität (1994) 27, 53, 78 Naturerbe, siehe Erbe – Naturerbe Naturgebilde 19, 197, 239 Naturstätten 1, 3, 19, 59, 87, 136, 197, 202, 240 Non-Authorized Discourse 116, 119 f., 122 f., 129, 134
Index
O
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Operative Leitlinien 7, 20, 24, 27, 62, 64, 75 f., 86, 91, 121, 198 OUV, siehe Außergewöhnlicher Universeller Wert
– Städtische und ländliche Siedlungen/ Historische Städte und Dörfer 7, 8, 16, 25, 28–30, 36, 48, 59, 67, 75, 79, 87, 124, 149, 154 – Steinmalerei-Stätten 28–30, 154 – Traditionelle Architektur 29, 32, 70, 72, 87
P
T
Partizipation 4, 120–122, 132–134, 163, 175, 184–186, 190, 198 Periodic Reporting, siehe regelmäßige Berichterstattung Popularisierung von Welterbe 62, 105, 136, 138, 151 Postcolonial Studies 27, 116, 120, 134 Präambel der Welterbekonvention 40, 48, 61, 79 Pufferzonen 28, 41, 46, 198
Tourismus – Erbetourismus 125 f. – Kulturtourismus 144–146, 149, 153, 155, 159 – Massentourismus 79, 127, 148, 150, 156–158, 188 – Welterbetourismus 132, 143, 149, 150 – World Heritage Tourism Programme 155 f., 159
R
Übereinkommen/Konvention – Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten mit Ausführungsbestimmungen (1954) 42, 48, 52, 56, 173, 182, 204 – Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (1970) 173, 227 – Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (1972) 40, 173, 193, 198, 203, 238 f., 241, 243, 245, 247, 249, 251, 253 – Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (2005) 187, 189, 280 – Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (2003) 173, 203, 263, 265, 267, 269, 271, 273, 275, 277, 279 UNESCO – Exekutivrat 193, 216, 235 – Generalkonferenz 18, 98, 192 f., 199, 227 f., 234, 236–238, 242, 246, 250–253, 261, 263, 274, 276, 280, 291, 293, 296 – Generalversammlung der Vertragsstaaten der Welterbekonvention 193, 200 – Mitgliedstaaten 54, 86, 98, 138, 143, 177, 192 f., 198–201, 235 f., 242, 252, 254, 260, 262, 266 f., 276–278, 295–298
Regelmäßige Berichterstattung/Periodic Reporting 41, 92, 99, 175, 198 Regionen – Afrika 6 f., 26, 63, 75, 81, 85, 99, 115, 144, 161 – Arabische Staaten 6 f., 26, 63, 75, 81, 85, 99, 115 – Asien und Pazifik 7, 26, 99, 115 – Europa und Nordamerika 6 f., 26, 41, 99, 115 – Lateinamerika und Karibik 7, 26, 99, 115 Recommendations, siehe Empfehlungen S Stätten – Archäologische Stätten 7, 13, 18 f., 28, 29, 30, 43, 52, 82 – Begräbnisstätten 29, 34 – Gemischte Erbestätten 1, 7, 21, 26, 136, 193 – Kulturelle Routen 29, 34, 94, 144, 146, 149 – Kulturerbestätten 2, 7, 19, 25–29, 46, 75, – Kulturlandschaften 5, 20, 27–30, 75 f., 81, 92, 123, 161, 166, 197 – Landwirtschaftliche, industrielle und technologische Stätten 25, 29, 32, 195 – Militärische Stätten 29, 34, 37, 109 – Naturerbestätten 6 f., 13, 25–27, 46, 75, 98, 197
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Index
– Sekretariat 51, 193, 199, 202, 219, 237, 245, 253, 262, 268, 279, 292, 294, 299 – Vertragsstaaten 40, 62, 65, 76, 83, 91, 97, 121, 136, 141, 173 f., 177 f., 193, 198–202, 220, 229–235, 241 f., 244, 246 f., 250 f., 264, 265–268, 270–275, 277 f., 296 United Nations, siehe Vereinte Nationen Unversehrtheit, siehe Integrität V Vereinte Nationen/United Nations (UNO) 51, 60, 163, 184, 190, 200 W Welterbe – Einschreibung 6, 12, 14–16, 43 f., 46, 66–68, 70–74, 76–80, 86, 108–110, 113–115, 117 f., 120, 148, 160, 164, 168, 170, 172, 175–178, 180 f.
– Erhaltung von Welterbe 2–4, 19, 24 f., 40 f., 47, 50 f., 53, 56, 60, 66, 70, 82 f., 86, 115, 121, 152, 159 – Experten 20, 28, 39, 54, 62, 76, 81 f., 84 f., 90, 99, 101, 105, 107, 109, 111, 113–115, 119, 121 f., 133, 138, 154, 175, 186, 195, 201 – Nominierung 2 f., 82, 87, 92, 97, 105, 108 f., 115, 121, 150 – Schutz und Nutzung 4 f., 10 f., 13, 18, 21, 4042, 60, 79, 85, 115, 121–135, 137, 141, 151–159, 182, 184–186, 190 – Strategische Ziele 82–84, 199 – Welterbefonds 194, 201 f. – Welterbekomitee 20, 24 f., 27, 43–45, 61, 64, 81, 90, 115, 123, 138, 140, 192, 197, 200–202 – Welterbekonvention, siehe Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (1972) – Welterbezentrum 98 f., 121, 202 – World Heritage Partnerships for Conservation Initiative (PACT) 82 f., 99, 111