201 110 22MB
German Pages 261 [264] Year 2009
Heilbronner Beiträge zur Unternehmensführung 40 Jahre Erfolgsgeschichten
herausgegeben von
Prof. Dr. Ralf Dillerup, Prof. Dr. Karlheinz Haberlandt und
Prof. Dr. Gerhard Vogler Hochschule Heilbronn
OldenbourgVerlag München
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© 2009 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Grafik + Druck, München ISBN 978-3-486-59712-7
Vorwort Der Anlass für dieses Buch sind vierzig Jahre betriebswirtschaftliches Studium an der heutigen Hochschule Heilbronn. Die Veröffentlichung ist daher auch eine Festschrift, mit der wir mit Freude und Stolz auf eine vierzigjährige Erfolgsgeschichte zurückblicken dürfen. Im Jahre 1969 wurde die damalige staatliche Ingenieurschule um die Betriebswirtschaftslehre als neue Disziplin erweitert. Als Name des neuen Studiengangs wurde damals Fertigungsbetriebswirtschaft gewählt. Damit wurde das Ziel einer engen Verbindung zu den Ingenieurwissenschaften zum Ausdruck gebracht. Diese Bezeichnung wurde bis 1999 beibehalten, wobei ein breites betriebswirtschaftliches Spektrum, ergänzt um volks-, rechts- und sozialwissenschaftliche Fächer gelehrt wurde. 1999 wurde der Zusatz „Unternehmensführung“ eingeführt und damit betont, dass normative, entscheidungs- und systemorientierte Aspekte der Betriebswirtschaft integrale Bestandteile des Studienangebots darstellen. Schließlich wurde mit der weiteren Umbenennung in „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ die scheinbare Spezialisierung auf Fertigungsbetriebe aus dem Namenszug entfernt. Im Gegensatz zur zunehmenden Spezialisierung vieler betriebswirtschaftlicher Studiengänge auf einzelne Branchen, Sektoren oder Funktionen wurde im Studiengang ganz gezielt auf eine breit angelegte Ausbildung von betriebswirtschaftlichen Generalisten Wert gelegt. Dabei werden auch die im Bolognaprozess geforderten Schlüsselqualifikationen mit integriert. Der Studiengang „Fertigungsbetriebswirtschaft“ in Heilbronn war das Modell für die Gründung zahlreicher betriebswirtschaftlicher Studiengänge in Baden-Württemberg. Die Besonderheit und das Erfolgsrezept für die akademische Lehre ist die personelle Begrenzung eines Studiengangs auf ca. 40-50 Studierende pro Semester mit einem siebensemestrigen Studium, geregelten Studienverlauf, ausreichenden Wahlmöglichkeiten, Praxissemester und Praxisbezug der Professoren. Diese bringen außer ihrer akademischen Ausbildung mindestens einige Jahre praktischer Erfahrungen in der Wirtschaft mit ein. Der Studiengang „Fertigungsbetriebswirtschaft“ war auf dieser Basis die Keimzelle für die ansehnliche Reihe von insgesamt weiteren 19 betriebswirtschaftlichen Studiengängen an der Hochschule Heilbronn und wurde selbst zu einer Erfolgsgeschichte. Das Bologna-Abkommen mit der Umstellung der akademischen Ausbildung auf strukturierte Bachelor- und Master-Studien hat das Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen zu Gunsten der ehemaligen Fachhochschulen verschoben. Strukturierte Studiengänge, begrenzte Anzahl Studierender, wesentlich stärkerer Praxisbezug führen zu höherer Berufsbefähigung – neudeutsch „Employability“ – als einem Hauptziel der europäischen Reformbemühungen. Unser Studiengang hat in 40 Jahren rund 2.500 Absolventen hervorgebracht. Die Absolventen sind erfolgreich im Berufsleben und auf Augenhöhe mit Absolventen anderer Hochschu-
VI
Vorwort
len und Universitäten. Einige Erfolgsgeschichten von 26 unserer Alumni sind als ein kleiner aber eindrucksvoller Ausschnitt Teil dieser Festschrift. Um die 40 Jahre Erfolgsgeschichte des Studiengangs fortsetzen zu können, sind neue Kapitel aufzuschlagen. Eine neue bestens ausgebildete und praxisbewährte vorwärtsstrebende Generation hat die bisher erfolgreich arbeitende Professorenschaft in den letzten Jahren sukzessiv und nahtlos abgelöst. Qualifizierte Lehre setzt nicht nur engen andauernden praktischen Bezug zum Erkenntnisobjekt Unternehmen voraus, sondern auch nachhaltige eigene Forschung. Zahlreiche Veröffentlichungen sind ein Indikator für Forschung. Der Studiengang geht aber noch konsequenter den Weg, Forschung an der Hochschule zu institutionalisieren und zu bündeln. In einem Zentrum für Betriebswirtschaft und Unternehmensführung an der Hochschule Heilbronn sollen die bisherigen Aktivitäten gebündelt und Forschungsarbeit mit der Unterstützung von Wirtschaft und der Steinbeisstiftung intensiviert werden. Durch die Möglichkeit zur Promotion und verstärkter Forschungsinfrastruktur gibt es einen Aufbruch zu Neuem, gleichsam zu neuen Erfolgsgeschichten. Im Rahmen des Festkolloquiums und deren Veröffentlichung in dieser Festschrift folgen die KollegInnen Dres. Eisele, Alter und Will einem alten Brauch der Antrittsvorlesung. Diese, sowie die wissenschaftlichen Beiträge der Professoren des Studiengangs, geben einen Einblick in die Breite der Unternehmensführung und zeigen vielfältige aktuelle Fragestellungen der Unternehmensführung auf. Zudem sind die dargestellten Erfolgsgeschichten unserer Alumni Bestätigung, Ansporn und Herausforderung auch für zukünftig erfolgreiche Lehre. Für die Vorbereitung und Durchführung des Festkolloquiums bedanken wir uns bei Herrn Michael Müller und allen mitwirkenden Professoren, Mitarbeitern und Studierenden. Wir danken besonders unseren Alumni, die durch ihre Beiträge mitgewirkt haben, aber auch mit Anzeigen die Drucklegung dieser Veröffentlichung unterstützt haben. Besonderer Dank gilt auch Frau Annette Stricker, sowohl für die tatkräftige Mitarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung des Festkolloquiums als auch für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Druckvorlage. Wir wünschen dem Leser eine angenehme Lektüre, vielfältige Impulse. Die Herausgeber im Oktober 2009
Inhaltsübersicht Vorwort
V
Betriebswirtschaft und Unternehmensführung aus Heilbronn
1
1
Grußwort Wolfgang Reinhart
3
2
40 Jahre Betriebswirtschaft und Unternehmensführung: Ein gutes Stück Hochschule 5 Prof. Dr. Jürgen Schröder
3
BU – Ein Modell macht FachhochSchule Prof. Dr. Stefan Wilms
7
4
40 Jahre Erfolgsgeschichte – Aufbruch in eine neue Ära Prof. Dr. Ralf Dillerup
9
5
Leuchtturm BU – Stark im Netzwerk mit der Wirtschaft Peter Schweiker
11
Trends und Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung 1
Strategisches Projektmanagement zur Lösung des aktuellen Trilemmas der Unternehmensführung Prof. Dr. Roland Alter
13 15
2
Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung Prof. Dr. Ralf Dillerup
31
3
Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management Prof. Dr. Daniela Eisele
45
4
Controlling – quo vadis? Prof. Dr. Karlheinz Haberlandt
57
5
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“? 81 Prof. Dr. Dr. Joachim Häcker
6
Leadership im Studium der Unternehmensführung Prof. Dr. Joachim Löffler
7
Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften Prof. Dr. Axel Otte
97 109
VIII
Inhalt
8
Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise Prof. Dr. Gabriele Roth
9
Kundenmanagement und Customer Relationship Management (CRM) – die richtige Anpassung an ein Unternehmen bestimmt den Erfolg des Systems 135 Prof. Dr. Rainer Schnauffer
10
Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke – unterschätzte Erfolgspotenziale des Standorts Deutschland Prof. Dr. Thomas Will
11
„Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre Prof. Dr. Susanne Wilpers
Erfolgsgeschichten der Unternehmensführung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
40 Jahre Studium der Betriebswirtschaftslehre in Heilbronn Karlheinz Haberlandt und Gerhard Vogler Thorsten Bässler Christian Freiherr von Stetten MdB Rafaela Fleischer (geb. Schmidt) Anja Schurr Kirke Meier Tanja Barth Christof Haberlandt (geb. Klump) Betina Sauter (geb. Kurz) Hubert Kittelmann Arndt Wiesheu Norbert Heckmann Martin Seidenfuß Rudolf Jung Ralf Stegmann Markus P. Kocholl Jürgen Stransky Manfred H. Heisen Joachim Nürk Peter Plack Hubert Schönbein Volker König Toni Gmyrek Dr. Klaus Peter Auerbach Anton Dörner Wolfgang Beger Hartmut Fröhlich
Fotos und Presse aus 40 Jahren
119
143 163
173 175 176 178 180 182 184 186 188 190 192 196 198 202 204 206 208 212 214 216 218 220 222 224 226 228 230 232
235
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Betriebswirtschaft und Unternehmensführung aus Heilbronn
1
1
Grußwort Wolfgang Reinhart
3 3
2
40 Jahre Betriebswirtschaft und Unternehmensführung: Ein gutes Stück Hochschule Prof. Dr. Jürgen Schröder
5 5
3
BU – Ein Modell macht FachhochSchule Prof. Dr. Stefan Wilms
7 7
4
40 Jahre Erfolgsgeschichte – Aufbruch in eine neue Ära Prof. Dr. Ralf Dillerup
9 9
5
Leuchtturm BU – Stark im Netzwerk mit der Wirtschaft Peter Schweiker
11 11
Trends und Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung
13
1
Strategisches Projektmanagement zur Lösung des aktuellen Trilemmas der Unternehmensführung 15 Prof. Dr. Roland Alter 15
1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3
Elemente des Trilemmas ..........................................................................................15 Vorwarnzeit vs. notwendige (Re)Aktionszeit ..........................................................15 Vertrauensverlust in Führung ...................................................................................17 Trilemma als strategische Bedrohung ......................................................................19
1.2 1.2.1 1.2.2
Rolle des Topmanagements im Change-Prozess......................................................20 Mangelndes Commitment als zentrales Problem .....................................................20 Wahrnehmung der Promotorenrolle als Pflicht ........................................................21
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3
Strategisches Projektmanagement als Weg aus dem Trilemma ...............................22 Zieltransparenz durch Programme und Projekte ......................................................22 Beschleunigte Umsetzung durch Prozessprofessionalität.........................................24 Vertrauensaufbau durch sichtbares Management-Commitment zu Projekten..........25
1.4
Literaturverzeichnis..................................................................................................27
X
Inhalt
2
Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung Prof. Dr. Ralf Dillerup
31 31
2.1
Begriffsklärung von Betriebswirtschaft und Unternehmensführung........................ 31
2.2
Unternehmensführung als Management komplexer Systeme .................................. 34
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
Integration als Unternehmensführungsaufgabe........................................................ 38 Führungsebenen ....................................................................................................... 38 Führungsfunktionen ................................................................................................. 39 Integriertes System der Unternehmensführung ........................................................ 41
2.4
Integrationsfunktion der Unternehmensführung ...................................................... 43
2.5
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 44
3
Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management Prof. Dr. Daniela Eisele
3.1 3.1.1 3.1.2
Das Fach Change Management................................................................................ 46 Veränderung in Farbe............................................................................................... 48 Toolshops als didaktisches Instrument..................................................................... 51
3.2
Toolshop: Future Search Conference....................................................................... 51
3.3 3.3.1 3.3.2
Entwicklung von Zukunftsbildern für den Studiengang .......................................... 53 Treibermatrix für die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge ......................... 53 Szenarios: Weitere 25 Jahre BU und MU ................................................................ 54
3.4
Literatur.................................................................................................................... 56
4
Controlling – quo vadis? Prof. Dr. Karlheinz Haberlandt
4.1
Controlling – ein Pseudo-Anglizismus! ................................................................... 57
4.2
Betriebswirtschaft und Unternehmensführung als „Controlling-Wurzeln“.............. 58
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7
Kritik an den aktuellen Controlling-Definitionen .................................................... 61 Das Problem der Begriffsbildung............................................................................. 61 Drei prominente Controlling-Definitionen............................................................... 61 Irrtum im Erkenntnisobjekt? .................................................................................... 63 Planung als Controlling-Funktion? .......................................................................... 63 Koordination als Kernaufgabe des Controllers?....................................................... 65 Controlling als betriebswirtschaftliche Daten- und Informationsversorgung?......... 66 Der Controller gestaltet und moderiert den Management-Prozess? ......................... 66
4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3
Betriebliches Rechnungswesen als Controlling-Erkenntnisobjekt........................... 67 Rationale Führung und Zielsetzung des Unternehmens ........................................... 67 Betriebliches Rechnungswesen als Kapital- und Wirtschaftlichkeitsrechnung........ 68 Präzisierung des Controller-Leitbildes des ICV/IGC............................................... 69
4.5 4.5.1 4.5.2
Entwicklungstendenzen des Controlling .................................................................. 71 „Großmannsüchtige“ Tendenzen des ICV ............................................................... 71 Konzentration auf das betriebliche Rechnungswesen .............................................. 71
45 45
57 57
Inhalt
XI
4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6
Überwindung der Diskrepanz von Lehre und Praxis................................................72 Mitgestaltung der IT-Systeme ..................................................................................73 Business Intelligence und Planungsrechnung mit Augenmaß ..................................75 Beendigung des Shareholder-Value-Fetischismus ...................................................75
4.6
Integration des Controlling als betriebswirtschaftliche Teildisziplin .......................77
4.7
Literaturverzeichnis..................................................................................................78
5
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“? Prof. Dr. Dr. Joachim Häcker
81 81
5.1
Einleitung .................................................................................................................81
5.2
Klassische Modelle und Theorien ............................................................................82
5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5
Theorie und Anwendung der Behavioral Finance ....................................................83 Definition Behavioral Finance .................................................................................83 Neue Erwartungstheorie: Entscheidung unter Risiko...............................................84 Sicherheitseffekt.......................................................................................................84 Isolationseffekt .........................................................................................................85 Verlustaversion kombiniert mit Ankerheuristik .......................................................85
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4
Heuristiken ...............................................................................................................87 Affektheuristik .........................................................................................................87 Verfügbarkeitsheuristik ............................................................................................88 Repräsentativitätsheuristik/Attributsersatzheuristik .................................................88 Beurteilungsfehler ....................................................................................................88
5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3
Herdenverhalten .......................................................................................................90 Netzwerkeffekte .......................................................................................................90 Reputation ................................................................................................................91 Asymmetrische und unvollkommene Informationen ...............................................91
5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.6.6
Weitere Erklärungsansätze .......................................................................................92 Moral Hazard............................................................................................................93 Selbsterfüllende Prophezeiung .................................................................................93 Ansteckungseffekte ..................................................................................................94 Monsoonal Effects....................................................................................................94 Spillover Effects .......................................................................................................94 Contagion .................................................................................................................95
5.7
Fazit..........................................................................................................................95
5.8
Literaturverzeichnis..................................................................................................96
6
Leadership im Studium der Unternehmensführung Prof. Dr. Joachim Löffler
6.1
Einleitung .................................................................................................................97
6.2
Was ist eigentlich Leadership?.................................................................................98
97 97
XII
Inhalt
6.3
Woher kommt der Leadership-Boom? ................................................................... 100
6.4
Wie funktioniert Leadership?................................................................................. 101
6.5
Vermittlung von Leadership im Studium der Unternehmensführung .................... 105
6.6
Fazit........................................................................................................................ 106
6.7
Literaturverzeichnis ............................................................................................... 107
7
Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften Prof. Dr. Axel Otte
7.1
Funktion und Wirkungsweise von Rangrücktritten................................................ 109
7.2
Zivilrechtliche Erscheinungsformen und Auswirkungen auf Überschuldungsstatus und handelsrechtlichen Jahresabschluss................................................................. 111 Einfacher Rangrücktritt.......................................................................................... 112 Qualifizierter Rangrücktritt.................................................................................... 113
7.2.1 7.2.2 7.3
109 109
7.3.1 7.3.2 7.3.3
Passivierungsverbot im steuerrechtlichen Jahresabschluss aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 2a EStG.................................................................................................... 114 Kapitalgesellschaften in der Krise.......................................................................... 114 Kapitalgesellschaften nach Überwindung der Krise .............................................. 116 Kapitalgesellschaften in der Insolvenz................................................................... 116
7.4
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen .......................................................... 116
7.5
Literaturverzeichnis ............................................................................................... 117
8
Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise Prof. Dr. Gabriele Roth
119 119
8.1
Business Intelligence-Systeme............................................................................... 119
8.2
Der Closed-Loop Business Analytics Process ....................................................... 120
8.3
Architektur eines BI-Systems................................................................................. 122
8.4
Nutzen von BI-Systemen für die Unternehmensführung ....................................... 124
8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5
Schwächen von BI-Systemen im Bezug zur Finanzkrise....................................... 126 Allgemeine Hemmnisse für eine erfolgreiche BI-Nutzung.................................... 126 Data Governance und Datenqualitätsmanagement gegen schlechte Datenqualität 127 Erhöhung der BI-Durchdringung mit Embedded Analytics................................... 129 Moral Intelligence: Entscheidungsunterstützung vs. -übernahme.......................... 130 Zusammenfassung.................................................................................................. 131
8.6
Finanzkrise = BI-Krise? ......................................................................................... 132
8.7
Literaturverzeichnis ............................................................................................... 132
Inhalt
XIII
9
Kundenmanagement und Customer Relationship Management (CRM) – die richtige Anpassung an ein Unternehmen bestimmt den Erfolg des Systems 135 Prof. Dr. Rainer Schnauffer 135
9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5
Ziele des Customer Relationship Managements (CRM) ........................................136 Integration der Daten und Prozesse mit dem Kunden ............................................136 Langfristigkeit der Kundenbeziehung. ...................................................................137 Profitabilität............................................................................................................137 Differenzierung ......................................................................................................138 IT-Unterstützung. ...................................................................................................139
9.2
Ein Werkzeug zur Optimierung der CRM-Entscheidung.......................................139
9.3
Fazit........................................................................................................................142
9.4
Literatur..................................................................................................................142
10
Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke – unterschätzte Erfolgspotenziale des Standorts Deutschland Prof. Dr. Thomas Will
143 143
10.1
Ursachen und Ziele des Aufbaus internationaler Produktionsnetzwerke ...............144
10.2
Produktionsverlagerung und Rückverlagerung: 2 Seiten internationaler Produktionsnetzwerke ............................................................................................146
10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3
Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke ..........................................148 Geeignete Produkte und Produktionsprozesse segmentieren und auswählen.........148 Alle entscheidungsrelevanten Kosten vergleichen .................................................150 Optimierungs- und Netzwerkpotenziale am Standort wertschätzen, nutzen und neue aktivieren................................................................................................................154 10.3.4 geeignete Kooperations- und Organisationsform für Netzwerkproduktion wählen156 10.4
Fazit: Neue Wertschätzung und Potenzialnutzung des Standorts Deutschland......159
10.5
Literaturverzeichnis................................................................................................159
11
„Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre Prof. Dr. Susanne Wilpers
11.1
Integrative Lehrgestaltung an der Hochschule Heilbronn ......................................163
11.2
Schlüsselkompetenz Führungsfähigkeit .................................................................164
11.3
Assessment Center und Führungskompetenz .........................................................165
11.4
Aufbau der Lehrveranstaltung „Leadership Communication“ ..............................166
163 163
11.5 Lernförderliche Szenarien im Praxisteil .................................................................167 11.5.1 Beispielübung Hausbau..........................................................................................169 11.6
„Leadership Communication“ in Zukunft ..............................................................170
11.7
Literaturverzeichnis................................................................................................171
XIV
Inhalt
Erfolgsgeschichten der Unternehmensführung
173
1
40 Jahre Studium der Betriebswirtschaftslehre in Heilbronn................................. 175 Karlheinz Haberlandt und Gerhard Vogler 175
2
Thorsten Bässler..................................................................................................... 176
3
Christian Freiherr von Stetten MdB ....................................................................... 178
4
Rafaela Fleischer (geb. Schmidt) ........................................................................... 180
5
Anja Schurr ............................................................................................................ 182
6
Kirke Meier ............................................................................................................ 184
7
Tanja Barth............................................................................................................. 186
8
Christof Haberlandt (geb. Klump) ......................................................................... 188
9
Betina Sauter (geb. Kurz)....................................................................................... 190
10
Hubert Kittelmann.................................................................................................. 192
11
Arndt Wiesheu ....................................................................................................... 196
12
Norbert Heckmann................................................................................................. 198
13
Martin Seidenfuß.................................................................................................... 202
14
Rudolf Jung ............................................................................................................ 204
15
Ralf Stegmann........................................................................................................ 206
16
Markus P. Kocholl ................................................................................................. 208
17
Jürgen Stransky ...................................................................................................... 212
18
Manfred H. Heisen ................................................................................................. 214
19
Joachim Nürk ......................................................................................................... 216
20
Peter Plack ............................................................................................................. 218
21
Hubert Schönbein................................................................................................... 220
22
Volker König.......................................................................................................... 222
23
Toni Gmyrek .......................................................................................................... 224
24
Dr. Klaus Peter Auerbach ...................................................................................... 226
25
Anton Dörner ......................................................................................................... 228
26
Wolfgang Beger ..................................................................................................... 230
27
Hartmut Fröhlich.................................................................................................... 233
Fotos und Presse aus 40 Jahren
235
Betriebswirtschaft und Unternehmensführung aus Heilbronn
1
Grußwort
Wolfgang Reinhart Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und im Staatsministerium Baden-Württemberg Zum 40-jährigen Jubiläum des Studiengangs „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ gratuliere ich allen Verantwortlichen, Dozentinnen und Dozenten, den Studierenden sowie Freunden und Förderern der Hochschule Heilbronn sehr herzlich. Das Land Baden-Württemberg verfügt über ein bundesweit einzigartiges Netz von leistungsfähigen staatlichen Hochschulen. Dem konsequenten und zukunftsgerichteten Ausbau des Hochschulstandorts räumt die Landesregierung seit vielen Jahren hohe Priorität ein. Mit der Entscheidung für ein Fachhochschulstudium wählen die Studierenden eine Hochschulart, die in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft praxisorientiertes Wissen in kurzen, klar gegliederten und innovativen Studiengängen anbietet. Die Hochschule Heilbronn steht gemeinsam mit ihren Außenstellen in Künzelsau und Schwäbisch Hall beispielhaft für die Bildungsund Forschungseinrichtungen unseres Landes, in denen fundiertes Wissen vermittelt und so ein wesentlicher Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg Baden-Württembergs gelegt wird. Der Studiengang „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ der Hochschule Heilbronn, dem ich seit vielen Jahren eng verbunden bin, nimmt einen wichtigen Platz im Hochschulwesen der Region ein. In sieben Semestern erwerben die Studierenden fundierte fachliche Kompetenzen in der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und der internationalen Unternehmensführung. Besonders begrüßenswert sind die internationale Ausrichtung des Studiengangs und die Möglichkeit Fremdsprachen- und IT-Kompetenzen zu vertiefen. Sprachkenntnisse und interkulturelle Fähigkeiten sind angesichts der zunehmenden Globalisierung von
4
1 Grußwort
Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar. Dem engagierten Einsatz der Lehrenden und der Lernenden verdanken der Studiengang und die Hochschule das hohe Qualitätsniveau und die damit verbundenen ausgezeichneten Berufsperspektiven der Absolventinnen und Absolventen. Ich gratuliere der Hochschule Heilbronn zum Jubiläum des Studienganges und wünsche den Studierenden und Lehrenden weiterhin alles Gute und viel Erfolg.
2
40 Jahre Betriebswirtschaft und Unternehmensführung: Ein gutes Stück Hochschule
Prof. Dr. Jürgen Schröder Rektor der Hochschule Heilbronn Die Hochschule Heilbronn hat ihren Ursprung in der 1961 gegründeten staatlichen Ingenieurhochschule. Im Jahre 1969, also vor 40 Jahren, wurde mit der Einrichtung des ersten betriebswirtschaftlichen Studiengangs Fertigungsbetriebswirtschaft die Grundlage zur Weiterentwicklung der Ingenieurschule zur Fachhochschule geschaffen und somit die Basis für die Erfolgsgeschichte der Wirtschaftsstudiengänge an der Hochschule Heilbronn gelegt. Aus diesem Studiengang entstand sukzessiv die betriebswirtschaftliche Säule der Hochschule Heilbronn, die über regionale Grenzen hinaus, deutschlandweit aber auch international bekannt und nachgefragt ist. Im Laufe der vergangenen 40 Jahre hat sich viel getan: Die kleine Ingenieurschule von einst gilt heute als eine der größten Hochschulen in Baden-Württemberg und verkörpert mit ihren drei Studienorten in Heilbronn, Künzelsau und Schwäbisch Hall das Herz der Lehre und Forschung in der Region Heilbronn-Franken. Das breit gefächerte Studienangebot umfasst mittlerweile die Bereiche Technik, Wirtschaft und Informatik. In über 40 praxisnahen, international orientierten Bachelor- und Masterstudiengängen sind derzeit nahezu 6.000 Studie-
6
2 40 Jahre Betriebswirtschaft und Unternehmensführung: Ein gutes Stück Hochschule
rende eingeschrieben, die zu gefragten Fach- und Führungskräften für Industrie und Wirtschaft ausgebildet werden. Mit der so genannten Bologna-Reform gibt es auch an der Hochschule Heilbronn die neuen Hochschulabschlüsse Bachelor und Master. Im Einklang und in Abstimmung mit der Wirtschaft entwickelte sich so der Diplomstudiengang Fertigungsbetriebswirtschaft zum heutigen Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung, der sich an der Hochschule Heilbronn als der Generalist und flexible Klassiker unter den betriebswirtschaftlichen Studienangeboten definiert. Als einer der bewerberstärksten Studiengänge an der Hochschule Heilbronn ist der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung nach wie vor attraktiv für Studierende, denen eine fundierte Ausbildung mit großer Praxisorientierung und besten Berufschancen geboten wird. Der konsekutive Masterstudiengang Unternehmensführung/Business Management erweitert und vertieft die Inhalte des Bachelor-Angebotes. Der Master-Abschluss ermöglicht auch Fachhochschulabsolventen den direkten Zugang zum höheren Dienst und zur Promotion. Damit schafft der Masterabschluss eine höhere Wertigkeit des Fachhochschulabschlusses und stattet die Absolventen mit gleichwertigen Abschlüssen zu denen der Universitäten aus. Mit der kleinen Gruppengröße von nur ca. 15 Studierenden, der Vertiefung in Unternehmensführung, der überwiegend englischen Unterrichtssprache, Gemeinschaftsveranstaltungen mit internationalen Partnerhochschulen und der Möglichkeit ein Semester im Ausland zu studieren oder gar einen Doppelabschluss zu erwerben, ist der Masterstudiengang Unternehmensführung/Business Management bereits stark internationalisiert. Die Hochschule Heilbronn strebt insgesamt für die nächsten Jahre eine deutliche Internationalisierung ihrer Studiengänge an. Der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung gilt in diesem Bereich mit als Vorreiter und hat seine Weichen entsprechend gestellt. Die Einführung von Masterstudiengängen erfordert auch eine stärkere Orientierung hin zu mehr Wissenschaft in der Lehre und räumt so der Forschung an Fachhochschulen einen deutlich höheren Stellenwert ein. An der Hochschule Heilbronn werden daher zukünftig Forschungsaktivitäten deutlicher fokussiert werden. Der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung wird mit dem Ausbauprogramm General Management im Rahmen des Hochschulprogramms 2012 auch hier ein neues Kapitel aufschlagen. Die bestehenden Forschungs- und Transferaktivitäten werden in einem Zentrum für Betriebswirtschaft und Unternehmensführung an der Hochschule Heilbronn gebündelt. Zudem werden Möglichkeiten und Infrastrukturen für bessere Forschung geschaffen bis hin zur Betreuung von Promotionen. Damit wandelt sich der ehemalige Diplomstudiengang Fertigungsbetriebswirtschaft zu einem „Vollsortimenter“ klassischer Betriebswirtschaftlehre vom Bachelor über den Master bis hin zur Forschungseinrichtung.
3
BU – Ein Modell macht FachhochSchule
Prof. Dr. Stefan Wilms Dekan der Fakultät Wirtschaft 1 Es existiert kein zweiter Studiengang in Heilbronn der die Entwicklung der Hochschule Heilbronn in den letzten 40 Jahren so stark geprägt hat wie der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung. Um die Auslastung der Ingenieurschule sicherzustellen wurde diese 1969 um die Höhere Wirtschaftsfachschule erweitert: Start des Erfolg-Modells „Hochschulen für Technik und Wirtschaft“ in Baden-Württemberg. Erlaubt sei die Frage, ob die Hochschulen Nürtingen, Reutlingen, Offenburg und Biberach in der heutigen Form existieren würden, wenn das Modell der Betriebswirtschaft an einer Ingenieurschule bei der Fertigungsbetriebswirtschaftslehre in Heilbronn gescheitert wäre. Die „Fertigungsbetriebswirtschaft“ startete als Halbzug und erster betriebswirtschaftlicher Studiengang an der Staatlichen Ingenieurschule und Höheren Wirtschaftsfachschule Heilbronn. Der Studiengang wurde an der Ingenieurschule freundlich aufgenommen, zumal er die Frauenquote bei den Studierenden deutlich anhob. Die damalige Ausstattung würde heutigen Ansprüchen nicht genügen, es gab keine Bibliothek, keine funktionsfähige EDV, keine leistungsfähigen Kopiermaschinen, dafür aber im Gegensatz zu heute ausreichend Platz. Unterrichtet wurde in Klassenräumen mit Anschrift an die Tafel. Die Räume waren ausgestattet mit riesigen Rechenschiebern. Es galt das Versetzungsprinzip. Die Fertigungsbetriebswirtschaft entwickelte sich schnell zur Keimzelle aller betriebswirtschaftlichen Studiengänge und Fakultäten der Hochschule Heilbronn. Ermöglicht wurde dies durch laufende Abspal-
8
3 BU – Ein Modell macht FachhochSchule
tungen wie z. B. bei der Verkehrsbetriebswirtschaft 1972, aus der wiederum andere Studiengänge wie z. B. der Studiengang E-Business, der Master Transport & Logistics 2006 oder der Studiengang Verkehrsbetriebswirtschaft und Personenverkehr 2009 hervorgingen. Aus der Ausgründung der Tourismusbetriebswirtschaft 1979 gingen später die Studiengänge der internationalen Betriebswirtschaft hervor. Auch bei dem Aufbau der neuen Standorte Künzelsau und Schwäbisch Hall 2009 leistete der Studiengang Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung Starthilfe durch Aufbauarbeiten und Personalbereitstellungen. Mittlerweile verfügt die Hochschule Heilbronn über 22 wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge, die mehr als zwei Drittel aller Studierenden der Hochschule stellen. Aufgrund der hohen Nachfrage erfolgt der Ausbau der Fertigungsbetriebswirtschaft zum Vollzug bereits nach zwei Jahren parallel zur Umwandlung der Ingenieurschule in eine Fachhochschule. Auch wenn die formale Abspaltung der Verkehrsbetriebswirtschaft und der Tourismusbetriebswirtschaft bereits innerhalb der ersten zehn Jahre erfolgte, überwogen anfangs jedoch noch die Gemeinsamkeiten. Gemeinsame Studienschwerpunkte, annähernd identisches Grundstudium sowie gemeinsame Gremien und Entscheidungsträger prägten die Entwicklung bis in die neunziger Jahre. Die im Zusammenhang mit dem neuen Landeshochschulgesetz geführten Diskussionen führten schließlich zu einer neuen Aufbauorganisation und einer weitgehenden Trennung der Strategien und Curricula der Fakultäten Wirtschaft 1 und Wirtschaft 2. In diesem Zusammenhang wurde auch die Autonomie der Studiengänge z. B. durch eigene Budgets, direkt zugeordnete Professoren und Studiendekane gestärkt. Auch unter dieser neuen Struktur wurde in den folgenden Jahren die Weiterentwicklung der Fakultät Wirtschaft 1 erheblich durch das Wirken zahlreicher engagierter Dekane aus dem Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung geprägt. Der Studiengang Fertigungsbetriebswirtschaftslehre stellt sich der Herausforderung der neuen Ausrichtung und der neuen Profilierung innerhalb der veränderten Hochschullandschaft und entschied sich im WS 99 zu einer ersten zaghaften Umbenennung in Fertigungsbetriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung. Zwei Jahre später erfolgte die auch heute gültige Umbenennung in Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung. Der Bologna Prozess führte zu weiteren deutlichen Veränderungen im Studiengang Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung. Im WS 2004 erfolgte die Umstellung von den Diplom- auf die Bachelorstudiengänge. Im Jahre 2005 folgte die Umwandlung der Fachhochschule in eine Hochschule und die erstmalige Akkreditierung des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung. Im WS 2006 startete dann erstmals das Masterprogramm. Zur Sicherstellung des immer gesuchten Praxisbezuges und zur Qualitätssicherung der Studienangebote entschied sich der Studiengang im WS 2008 für die Gründung des Fachbeirates Betriebswirtschaft und Unternehmensführung mit Vertretern der Praxis. Der Studiengang entwickelte sich zu einem der begehrtesten Studiengänge mit Bewerbungsrekorden. Die 1200 Bewerbungen für 49 Studienplätze im Wintersemester 2009/10 sprechen eine klare Sprache. Mit stetiger intensiver Nachfrage von Studieninteressierten am Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung ist er über sein 40 jähriges Bestehen hinaus gut gerüstet für die Zukunft und wird sich zukünftigen Herausforderungen stellen und diese auch meistern.
4
40 Jahre Erfolgsgeschichte – Aufbruch in eine neue Ära
Prof. Dr. Ralf Dillerup Studiendekan Betriebswirtschaft und Unternehmensführung Zum Wintersemester 1969 wurde der erste betriebswirtschaftliche Studiengang „Fertigungsbetriebswirtschaft“ an einer technischen Hochschule gestartet und damit die Ära der Hochschulen für Technik und Wirtschaft im Land begründet. Seither wurden erfolgreich rund 2500 Betriebswirte in Heilbronn ausgebildet, viele davon sind Erfolgsgeschichten der Region. Zwischenzeitlich hat sich der Studiengang weiter entwickelt und bildet heute in den Bachelor- und Master- Studiengängen „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ eine klassisch fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung. Heute ist es einer der bewerberstärksten Studiengänge der Hochschule. Nach 40 Jahren Erfolgsgeschichte soll nicht in einem Jubiläum gefeiert und zurück geschaut werden, sondern der Jahrestag ist auch eine Verpflichtung die Erfolgsgeschichte weiter zu schreiben. Heute ist Betriebswirtschaft und Unternehmensführung ein flexibler Studiengang, der eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung in sieben Semestern Vollzeit mit integriertem Praxissemester im Bachelor bietet. Wichtig sind uns dabei folgende Aspekte: • • • • •
Generalistische Prägung mit Fokus Unternehmensführung bietet beste Berufschancen. Flexible Spezialisierung ab dem vierten Semester auf einen von fünf Schwerpunkten. Internationale Inhalte und Ausrichtung mit wählbarem integrierten Auslandsstudium. Ergänzende Veranstaltungen zur Förderung von Persönlichkeit, Sprachen und IT-Wissen. Praxisorientierung durch Vermittlung anwendbaren Wissens und enger Praxisvernetzung.
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4 40 Jahre Erfolgsgeschichte – Aufbruch in eine neue Ära
Unser Master Unternehmensführung / Business Management ist ein vertiefender Aufbaustudiengang in drei Semestern für Studierende mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Erststudium. Er besitzt auch eine generalistische Prägung durch Vermittlung von Zusammenhängen und strategischen Aspekten der Unternehmensführung. Dabei ist er stark international ausgerichtet mit einem integrierbaren Auslandsstudium bis hin zum Doppelabschluss und dem Unterricht auf Deutsch und Englisch. Die Praxisorientierung, Vernetzung mit Unternehmen, Persönlichkeitsentwicklung und gute Berufsvorbereitung sind uns dabei wichtig. Mit dem Jubiläum des Studiengangs wird auch ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der Aufbruch in eine neue Ära soll uns den gemeinsam mit unserem Fachbeirat definierten Zielen näher bringen. Wir haben uns vorgenommen Betriebswirtschaft und Unternehmensführung in einem kompletten Studienangebot vom Bachelor über Master bis zur Promotion generalistisch, international, praxis- und forschungsorientiert anzubieten. Dies bedeutet weiterhin ein besonders erfolgreicher, international orientierter und akkreditierter BWL-Studiengang, der seinen Absolventen beste Berufschancen bietet. Er gilt damit als ein Leuchtturm an der Hochschule, in der Region und in Deutschland, der innerhalb der Hochschule, in Stadt, Region und insbesondere mit der regionalen Wirtschaft eng vernetzt ist. Um den Aufbruch zu diesen Zielen zu konkretisieren haben wir einen Ausbauplan „General Management“ definiert. Er besteht aus den folgenden Elementen: • Ausbau des Studienangebots im Bachelor um die Vertiefungen Personal- und International Management. • Ausbau der Kapazitäten im Rahmen des Programms Hochschule 2012 durch die Aufnahme von 18 zusätzlichen Studienanfängern im Jahr für den Bachelor-Studiengang und Ausbau des Masterangebots vom Halbzug zum Vollzug, d. h. Erhöhung der Kapazität um 15 Studierende je Jahr. • Internationalisierung bzw. Doppelabschlüsse mit Partnerhochschulen. • Qualitätsausbau durch Investition zusätzlicher Ressourcen in bessere Betreuungsrelationen. Zusätzliche Ressourcen werden in eine neue Professur und insbesondere zur Stärkung des akademischen Mittelbaus als Lektoren, in der Forschung und in der Studierendenbetreuung eingesetzt. Damit können effiziente Gruppengrößen in den Veranstaltungen erzielt und die Betreuungsrelationen bzw. -qualität verbessert werden. • Stärkung von Wissenstransfer und praxisnaher Verbundforschung mit regionalen Partnern. Dazu wird ein Zentrum für Betriebswirtschaft und Unternehmensführung (ZfBU) an der Hochschule Heilbronn gegründet, an dem auch Professoren der Hochschule und auch Steinbeis als Partner beteiligt sind. Durch Kooperationen auch mit Universitäten eröffnen wir den akademischen Mitarbeitern eine Promotionsperspektive. Finanziert wird der Aufbruch in ein neues Kapitel Erfolgsgeschichten durch das Land Baden-Württemberg im Rahmen des Hochschulprogramms 2012 und durch Partnerschaften mit Unternehmen. Unterstützung erfahren wir aus der Hochschule, unserem Fachbeirat, der regionalen Wirtschaft und der Landespolitik. Diese Unterstützung ist uns eine Verpflichtung. Wir werden dieses Vertrauen umsetzen um auch zukünftig Erfolgsgeschichten zu schreiben.
5
Leuchtturm BU – Stark im Netzwerk mit der Wirtschaft
Peter Schweiker Geschäftsführer der IHK Heilbronn-Franken Vorsitzender des Fachbeirates Betriebswirtschaft und Unternehmensführung „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.“ Diese Erkenntnis des bekannten Komponisten Anton Bruckner gilt trefflich für den Studiengang „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“. Die damaligen „Bauleute und Architekten“ hatten eine visionäre Idee, als sie 1969 den Studiengang „Fertigungsbetriebswirtschaft“ ins Leben riefen. Durch das betriebswirtschaftliche Element machten sie aus der Ingenieurschule eine „Staatl. Ing.-Schule und Höhere Wirtschaftsfachschule Heilbronn“. Die Fachhochschule Heilbronn bekam ein klares Profil und wurde zu einem attraktiven Partner der Wirtschaft in der Region Heilbronn-Franken. Die Hochschule Heilbronn ist sozusagen das akademische Spiegelbild unserer Unternehmenslandschaft: Technik und Wirtschaft – Ingenieure und Betriebswirte. Der betriebswirtschaftliche Studiengang entwickelte sich schnell zum Wachstums- und Innovationstreiber innerhalb der Hochschule Heilbronn. Schlag auf Schlag wurden aus dem „Mutterstudiengang“ diverse betriebswirtschaftliche Studienangebote entwickelt. Heute nach 40 Jahren ist aus der „Höheren Wirtschaftsfachschule“ eine leistungsstarke Hochschule mit der tragenden Säule Wirtschaft geworden. Die Rechnung der Gründer ist aufgegangen. Das Erfolgsrezept der Fachhochschule war und ist ihre Praxisorientierung. Die Professoren bringen Berufserfahrungen mit und pflegen in Lehre und Forschung die Anwendungsnähe.
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5 Leuchtturm BU – Stark im Netzwerk mit der Wirtschaft
Die Studentinnen und Studenten lernen in Praktika und Abschlussarbeiten die Arbeitswelt kennen. Die Zusammenarbeit der Hochschule mit den Unternehmen in der Region Heilbronn-Franken hat sich zu einem fruchtbaren Miteinander – neudeutsch: einer win-winSituation – entwickelt. In den vergangenen vier Dekaden haben sich die Rahmenbedingungen für die Hochschulen grundlegend verändert. Der Bologna-Prozess, die neuen Anforderungen der Arbeitswelt, die demografischen Veränderungen und die Internationalisierung sind nur einige Stellgrößen, die zu mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen führen. Deshalb war es klug, durch die Gründung eines Fachbeirates für den Studiengang „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ im Jahr 2008 den Schulterschluss zur Wirtschaft zu stärken. Gemeinsam mit den Partnern der Wirtschaft haben sich die Verantwortlichen im Studiengang Gedanken gemacht, wie die nächsten 40 Jahre aussehen könnten. Die Vision ist ebenso mutig und ehrgeizig wie vor 40 Jahren: Der Studiengang „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung wird zum Komplettanbieter für ein generalistisches, internationales, praxis- und forschungsorientiertes Studium vom Bachelor über Master bis zur Promotion.“ Aufbauend auf einer breiten Basis vieler guter Studentinnen und Studenten werden Spitzenleistungen bis hin zu Promotion ermöglicht. Der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung wird zu einem Leuchtturm, der Strahl- und Anziehungskraft über die Region Heilbronn-Franken hinaus besitzt. Gelingen wird dies nur in einem intelligenten Zusammenspiel aller Akteure: der Hochschule, der Wirtschaft und der gesamten Raumschaft. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. Die Bewerberlage ist hervorragend und die Anzahl der Studienanfänger steigt, auch dank des landesweiten Ausbauprogramms „Hochschule 2012“. Die IHK Heilbronn-Franken hat sich als koordinierende Stelle stets für den Ausbau der betriebswirtschaftlichen Studiengänge stark gemacht. Die Unternehmen haben ihre ideelle und finanzielle Unterstützung trotz der aktuellen schlechten Wirtschaftslage signalisiert. Und es gibt belastbare unternehmensnahe Netzwerke wie den Controlling-Dialog Heilbronn-Franken und den Unternehmerkreis „Marketing und Vertrieb“, die eng mit dem Studiengang verbunden sind und eine Plattform für gemeinsame Projekte und anwendungsnahe Forschung bieten. Die Qualität in Lehre, Studium und Forschung muss stimmen. Die Studienangebote müssen mit den Anforderungen und dem Bedarf der Wirtschaft abgestimmt sein. Das Studium sollte bodenständig und weltoffen sein. Der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung muss junge Leute zum Studium in Heilbronn reizen. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann wird der Klassiker „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ ein Spitzenprodukt bleiben. Und sicherlich bereits nicht erst in weiteren 40 Jahren ein sichtbarer Leuchtturm in der Hochschullandschaft sein.
Trends und Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung
1
Strategisches Projektmanagement zur Lösung des aktuellen Trilemmas der Unternehmensführung
Prof. Dr. Roland Alter
1.1
Elemente des Trilemmas
Die Jahre 2008 und 2009 werden in die Wirtschaftsgeschichte eingehen als Synonym für dramatische Veränderungen der Weltwirtschaft. Die Heftigkeit und insbesondere das kurzfristige Auftreten dieser Umfeldveränderungen überraschen, aber der generelle Trend hierzu wurde schon früher von Bleicher mit dem Bild einer „Zeitschere“ als Dilemma beschrieben (vgl. Bleicher, 2004, S. 42ff.). Zu diesem Dilemma der harten Faktoren tritt ein weiterer, ein weicher Faktor, der zu einem Trilemma führt: Vertrauensverlust in Unternehmen und Unternehmensführung.
1.1.1
Vorwarnzeit vs. notwendige (Re)Aktionszeit
Wesentliches Merkmal des Dilemmas der „Zeitschere“, wie sie Abb. 1.1 veranschaulicht, ist das immer stärkere Auseinanderklaffen von Vorwarnzeit und der notwendigen Zeit für Anpassungen: Veränderungen treten immer plötzlicher, immer extremer auf, mit immer kürzerer Vorwarnzeit, während die erforderliche Anpassungszeit aber tendenziell zunimmt.
16
1 Strategisches Projektmanagement und das Trilemma der Unternehmensführung
Anpassungszeit
Benötigte Reaktionszeit bei wachsender Komplexität
Sich öffnende „Zeitschere“
Verfügbare Reaktionszeit bei zunehmender Dynamik 1900
2000 Wachsende Komplexität und Dynamik
Abb. 1.1 Das Dilemma der „Zeitschere“ nach Bleicher (vgl. Bleicher, 2004, S. 45)
Die Markteinbrüche über praktisch alle Branchen in den Jahren 2008 und 2009 sind mit einer Heftigkeit eingetreten, die selbst gestandene Führungskräfte überrascht hat. Konjunkturzyklen sind für diese Personengruppe nichts Ungewöhnliches, und dass sich die Boom-Situation einem Ende nähern würde war absehbar. Überraschend war die Heftigkeit, mit der der Einbruch stattfand. Innerhalb weniger Wochen wandelten sich die Aussagen von im Wesentlichen „Business-as-usual“ oder „Das Schiff wetterfest machen“ zu „Das übertrifft alles, was ich bisher in meinem Berufsleben gesehen habe.“ Während die Vorwarnzeit über Veränderungen offensichtlich sinkt, besteht gleichzeitig aber tendenziell ein höherer Bedarf an Anpassungszeit. Worin ist dies begründet? Waren Geschäfte in der Vergangenheit häufig national bzw. regional ausgerichtet, so sind sie heute deutlich häufiger global positioniert. Waren die Anpassungen früher auf einen eher engen Handlungsraum bezogen, sind heute oftmals Entscheidungen in einem weltumspannenden Wertschöpfungsnetzwerk zu treffen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür geben die Unternehmen in der Region Heilbronn-Franken mit ihren Internationalisierungsaktivitäten. Wirtschaftsprobleme in China hätten noch vor zehn bis fünfzehn Jahren nur wenige der Unternehmen berührt; heute handelt es sich um ein hochgradig relevantes Thema. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für das Asien-Engagement bildet hier die Würth-Gruppe. Die erste Gesellschaft in China wurde 1994 in Hongkong gegründet. Nach rasantem Wachstum verfügte Würth im Geschäftsjahr 2008 in China über 29 Gesellschaften mit ca. 5000 Mitarbeitern (vgl. Würth, 2009, S. 32).
1.1 Elemente des Trilemmas
17
Ein weiteres wichtiges Phänomen im Zusammenhang mit der Zeitthematik sind die sich verkürzenden Produktlebenszyklen. Die Vermarktungsdauer von Produkten hat im Zeitablauf kontinuierlich abgenommen, was zu einer Verkürzung der verfügbaren Entwicklungszeit führt. Wird gleichzeitig die zumeist anzutreffende Komplexitätssteigerung der Produkte (Stichwort: Softwareeinsatz/Mechatronische Systeme) berücksichtigt, so hat sich die relative Entwicklungszeit noch weiter verkürzt. Anschaulich kann diese technische Entwicklung am Beispiel von Verpackungsmaschinen verdeutlicht werden. Hier führte der Weg von Einzelmaschinen hin zu hochkomplexen, verketteten Verpackungssystemen.
1.1.2
Vertrauensverlust in Führung
Was der aktuellen Situation über Plötzlichkeit und Ausmaß der Veränderung hinaus eine neue Qualität verleiht, ist die dritte Dimension, die vom Dilemma zum Trilemma führt: Das Vertrauen in Unternehmen und die Zukunftsfähigkeit ihrer Führung fehlt vielfach oder ist zumindest ernsthaft angegriffen. Was ist Vertrauen eigentlich und welche Bedeutung besitzt es für die Unternehmensführung? Vertrauen dient nach Luhmann der Reduktion sozialer Komplexität. Das zentrale Merkmal von Vertrauen ist danach die Erbringung einer riskanten Vorleistung (vgl. Luhmann, 1973, S. 23ff.). Eine Person begibt sich in ein Risiko und verzichtet auf mögliche, insbesondere vertragliche Schutzmaßnahmen in der Überzeugung, dass diese Situation der potenziellen Schwäche nicht genutzt wird: „Vertrauen ist der Wille, sich verletzlich zu zeigen.“ (Osterloh/Weibel, 2006, S. 35). Den bewussten Verzicht auf absichernde Verträge kann mit Blick auf die Transaktionskostentheorie auch auf die Feststellung reduziert werden: „Vertrauen ersetzt Verträge“. Oftmals wird von Vertrauen auch bildlich im Sinne eines Kontos gesprochen, auf das durch entsprechende Handlungen einzuzahlen sei, um bei Bedarf abheben zu können. Schwierig gestaltet es sich in der Tat, wenn das „Vertrauenskonto“ auf Null steht oder sogar überzogen ist und ein „Vertrauensvorschuss“ angefragt wird. Eine zentrale Komponente von Vertrauen bildet die Berechenbarkeit von Handlungen. Kann eine Handlung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden und wird die erwartete Handlung inhaltlich als positiv oder zumindest als erforderlich bewertet, dann bestehen die Voraussetzungen für Vertrauen. Die Vertrauenskrise, die im Hinblick auf Unternehmen und Unternehmensführung zu beobachten ist, stellt sich in unterschiedlichen Facetten dar: • Sie ist zum einen Ausdruck eines weitverbreiteten Misstrauens gegen Wirtschaft allgemein, das insbesondere durch das Fehlverhalten einzelner prominenter Manager und speziell die Bankenkrise verstärkt wurde. Hier scheint sich aus den negativen Beobachtungen eine weit verbreitete Misstrauenshaltung aufgebaut bzw. weiter manifestiert zu haben, die sich auch in Untersuchungen deutlich niederschlägt. Von der internationalen Kommunikationsagentur Edelman wird seit fast zehn Jahren ein jährliches Vertrauensbarometer erstellt, das die Vertrauenssituation in 20 Ländern auf fünf Kontinenten er-
18
1 Strategisches Projektmanagement und das Trilemma der Unternehmensführung
hebt. Am Jahresende 2008 erreichte der Wert für Deutschland seinen bisher niedrigsten Wert: Nur 33 % der Befragten haben Vertrauen in Unternehmen (vgl. Edelman, 2009a, S. 4). Bezeichnend ist dabei, dass der Prozentwert für Deutschland auch im Vergleich zu anderen Ländern zu den niedrigsten Werten gehört. Selbst unter Berücksichtigung einer leichten Verbesserung zum Halbjahr 2009 (vgl. Edelman, 2009b) bildet Deutschland im Hinblick auf das Vertrauen in Wirtschaft eines der Schlusslichter. • Die beschriebene grundsätzlich kritische Einstellung gegenüber Wirtschaft in breiten Teilen der Bevölkerung findet zum anderen häufig ihre Verstärkung in einer Vertrauenskrise in den Unternehmen. Getrieben wird diese Vertrauenskrise durch spezifische Defizite, die sich z. T. überlagern: Handlungsdefizit: Bisher erlebtes/wahrgenommenes Handeln steht nicht im Übereinklang mit bisher getroffenen Aussagen. Orientierungsdefizit: Zielsetzungen sind nicht kommuniziert und können daher auch keine Orientierung geben. Leistungsdefizit: Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wird als unzureichend für die Zielerreichung angesehen. Negativbilder anderer Unternehmen, zunehmend kritische Grundeinstellung und offene Fragen zum eigenen Arbeitgeber verstärken sich dann schnell gegenseitig: Wohin steuert das Unternehmen? Gelten die bisherigen Ziele noch? Was sind mögliche (harte) Anpassungsmaßnahmen? Gelten die bisherigen Grundannahmen (als Basis der Unternehmenskultur) noch? Werden wir uns an den (möglicherweise schlechten) Beispielen anderer Unternehmen orientieren? Aus diesen und ähnlichen Fragen kann eine schnell um sich greifende Vertrauenserosion entstehen. Unternehmen, und im Konkreten die Führungskräfte an der Spitze, müssen sich diesen Herausforderungen stellen. Diese dritte Komponente, der Vertrauensverlust, führt zu einem „Trilemma der Unternehmungsführung“: Nie war gutes Management so wichtig wie heute und gleichzeitig wird Manager fast zum Unwort einer Epoche. Während eine Unternehmensführung über ausgefeilte Instrumente z. B. für das Liquiditätsmanagement verfügt und den entsprechenden Kontostand tagesaktuell erfahren kann, existiert kein akzeptiertes und verbreitetes Instrumentarium, um das unternehmensinterne „Vertrauenskonto“ zu erfassen (vgl. zu Ansätzen der Vertrauensmessung Daumenlang, 2006). Vertrauen stellt aber nicht nur im Hinblick auf die Beziehungen zu Mitarbeitern einen häufig unterschätzten Erfolgsfaktor dar. Wie Abb. 1.2 veranschaulicht, existieren vielfältige Vertrauensfragen nicht nur von Seiten unternehmensinterner, sondern auch unternehmungsexterner Interessengruppen, insbesondere von Kunden, Lieferanten und Finanziers. Speziell in Gesprächen mit mittelständischen Unternehmen wird immer wieder auf die Bedeutung von vertrauensvollen Kundenbeziehungen hingewiesen, die z. T. über viele Jahre hinweg bestehen. Vertrauen ist auch der Schlüssel für die in neuerer Zeit intensiv diskutierten Unternehmensnetzwerke. Insbesondere Netzwerke können ohne gegenseitiges Vertrauen keinesfalls funktionieren; es ist die unabdingbare Voraussetzung (vgl. Fladnitzer 2006; Osterloh/Weibel, 2006, S. 17ff.; sowie zur Bedeutung von Vertrauen im Kontext interkultureller Geschäftsbeziehungen die Beiträge in Jammal, 2008).
1.1 Elemente des Trilemmas
19 KUNDEN
Netzwerkpartner Engagieren sie sich wirklich dauerhaft? …?
n
rt r
EK-Geber Verfolgt das Top Management wirklich meine Interessen? …?
Mi
ss
t ra
ue
Ve Unternehmensintern
Lieferanten
Kann ich mit meinen Spitzeninnovationen zu ihnen gehen? …?
en
JV-Partner Können wir ihnen Know-how geben? ..?
Können wir ihnen noch weitere Kredite bewilligen? ..?
au
Unternehmensextern
Sind sie auch in Zukunft leistungsstark genug, um A-Lieferant zu bleiben? …?
FK-Geber
Mitarbeiter
Topmanagement
Mittleres Management
Soll ich das Asien-Joint Venture wirklich fachlich unterstützen? …?
Werden wir morgen noch benötigt? …?
Haben meine Kollegen die gleichen Zielsetzungen? …?
Abb. 1.2 Beispielhafte Vertrauensfragen in einem Unternehmen und an ein Unternehmen
Die beispielhaft genannten Vertrauensfragen verdeutlichen einen weiteren erschwerenden Aspekt: Vertrauensfragen existieren, werden aber als solche nicht unbedingt ausgesprochen. Die Aufgabe des Topmanagements besteht also nicht nur darin, gestellte Fragen zu beantworten, sondern oftmals die Vertrauensfragen überhaupt erst zu identifizieren.
1.1.3
Trilemma als strategische Bedrohung
Die zentrale These des vorliegenden Beitrages ist, dass das Trilemma für Unternehmen eine strategische Bedrohung darstellt. Die beschriebene Kombination aus • zunehmend abrupten Umweltveränderungen mit erhöhtem Anpassungsbedarf, • aber reduzierter Anpassungszeit und • jetzt oftmals hinzukommendem (unmerklichen) Vertrauensverlust in Führung, konfrontiert viele Unternehmen mit einer neuen Problemdimension. Besteht aber überhaupt diese enge Beziehung zwischen Vertrauen und Erfolg, handelt es sich wirklich um ein strategisch relevantes Problem? Ein klares „Ja“ als Antwort gibt eine Studie von Watson Wyatt aus 2002, die in der Phase eines eher milden Konjunkturabschwungs erstellt wurde. Darin wurde eine deutliche Beziehung zwischen dem Total-Shareholder-Return (Kurssteigerung plus Dividende) und der Vertrauenssituation in den Unternehmen identifiziert: “Three-year total returns to shareholders (TRS) rates are significantly higher at companies with high trust levels, clear linkages between jobs and objectives, and employees who believe the company manages change well.” (Wattson Wyatt, 2009) Wie lässt sich dies erklären? Einen Schlüssel hierfür liefert das Change-Management-Modell von Krüger, auch als 3-W-Modell bezeichnet. Der Erfolg in einem Veränderungsprozess – und darum handelt es
20
1 Strategisches Projektmanagement und das Trilemma der Unternehmensführung
sich in diesem Zusammenhang – hängt maßgeblich von drei Faktoren ab (vgl. Krüger, 2009, S. 21ff.; sowie zur Gestaltung des organisatorischen Wandels auch Vahs, 2007, S. 266ff.): • Wandlungsbedarf: Wird die Notwendigkeit der Veränderung erkannt und anerkannt? • Wandlungsbereitschaft: Besteht der Wille, die Veränderung aktiv herbeizuführen? • Wandlungsfähigkeit: Verfügt das Unternehmen über die zur Veränderung notwendigen Befähiger, insbesondere Human-, Sach- und Finanzressourcen? Das beschriebene Trilemma verschärft die Situation in doppelter Hinsicht: Zum einen erhöht es den notwendigen Wandlungsbedarf, speziell unter dem Aspekt abrupter Umweltveränderungen bei reduziertem Zeitrahmen. Zugleich setzt es die Wandlungsbereitschaft und die Wandlungsfähigkeit herunter. Vertrauen hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Bereitschaft einer Organisation, grundlegende Veränderungen aktiv zu unterstützen und hilft, entscheidende Energien zu mobilisieren. Umgekehrt führt mangelndes Vertrauen schnell zur Ablehnung von Veränderungen und ausbleibender Unterstützung. Dieses trifft sowohl für unternehmensinternes wie für –externes Vertrauen zu. Ein Unternehmen, das in der Bankenwelt Vertrauen genießt, wird über mehr Finanzressourcen zur Durchführung seiner strategischen Programme verfügen als ein Unternehmen mit geringem „Vertrauenskonto“. Ein Geschäftsführer, der volles Vertrauen der Belegschaft besitzt, kann Ressourcen und Motivation mobilisieren, um strategische Veränderungen schneller durchzuführen als die Konkurrenz.
1.2
Rolle des Topmanagements im Change-Prozess
1.2.1
Mangelndes Commitment als zentrales Problem
Wenn über die Ursachen von Vertrauensverlust gesprochen wird, so besitzt mangelndes (wahrgenommenes) Topmanagement-Commitment eine Schlüsselrolle. Dies bringt eine IBM-Studie aus 2007 mit einer Befragung von über 220 Projekt- und Changemanagern aus Deutschland, der Schweiz und Österreich auf den Punkt: „Fehlendes Commitment des höheren Managements ist ein größeres Problem als mangelnde Motivation der Mitarbeiter.“ (IBM, 2009, S. 7). Was sind aus Beobachtungen der Unternehmenspraxis wesentliche Gründe für dieses Ergebnis? Entweder existiert das betreffende Management-Commitment überhaupt nicht, dann könnte auch von „objektivem Fehlen“ gesprochen werden. Auslöser hierfür können z.B. eine mangelnde Einbindung des betreffenden Managements in die Zielfindung oder persönliche Zielkonflikte bzw. Nachteile aus der betreffenden Zielsetzung sein. Anders stellt sich dies im Falle „subjektiven Fehlens“ dar. Das Commitment besteht zwar aus der persönlichen Sicht des Managements, wird aber von den Mitarbeitern nicht als solches wahrgenommen: Die Kommunikation zwischen Management- und Mitarbeiterebene funktioniert nicht. Mischungen aus fehlendem und teilweise wahrgenommenem Commitment senden verwirrende Signale, die bei Mitarbeitern regelmäßig zu großer Verunsicherung führen und in der Umsetzung dann oftmals in den bekannten „Halbherzigkeiten“ resultieren. Das beschriebene Phänomen kann sehr schnell zu der Situation führen, in der sich das Management über die
1.2 Rolle des Topmanagements im Change-Prozess
21
schleppende Umsetzung von Maßnahmen wundert, während die Mitarbeiter wegen nicht erkennbarem Management-Commitment noch auf klare Signale warten. Dies gilt umso stärker, je radikaler die Maßnahmen von den bisherigen Wegen abweichen. So setzten auch die Befragten der Change Management Studie 2008 von Capgemini mit weitem Abstand Commitment und Glaubwürdigkeit an die Spitze der Erfolgsfaktoren: „Commitment und Glaubwürdigkeit des Managements sind der wichtigste Erfolgsfaktor bei Veränderungsprozessen.“ (Capgemini, 2009, S. 40; vgl. auch die ähnlichen Forschungsergebnisse zum Multiprojektmanagement bei Dammer, 2008, S. 168ff.).
1.2.2
Wahrnehmung der Promotorenrolle als Pflicht
Im Sinne von „Preserve the Core – Stimulate Progress“ (Collins/Porras, 1994) sind gerade jetzt umfangreiche strategische Veränderungsprozesse in vielen Unternehmen notwendig. Speziell für strategische Veränderungen gilt: Kein erfolgreicher Wandel ohne Wahrnehmung der Promotorenrolle durch das Topmanagement. Nach dem auf Witte zurückgehenden Ansatz kann zwischen den unterschiedlichen Rollen unterschieden werden, welche die Organisationsmitglieder in einem Veränderungsprozess wahrnehmen, um diesen voranzutreiben. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Funktion des Machtpromotors (vgl. zum Promotoren-Modell Witte, 1973; Hauschildt, 2004, S. 191ff.). Dem Topmanagement kommt im strategischen Veränderungsprozess eindeutig die Rolle des Machtpromotors zu. Aufgrund rechtlicher und organisatorischer Regelungen ist es nicht nur die Aufgabe, sondern auch die Pflicht des Topmanagements, strategische Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Hierfür hat das Topmanagement die zugeordneten Befugnisse im Sinne einer Machtbasis einzusetzen: Die Rolle des Topmanagements im Unternehmen ist also unmittelbar mit der des Machtpromotors verbunden und von ihm wahrzunehmen. Unternehmen sind hierbei aber nicht mechanistische Konstrukte, die nach einem vordeterminierten Input-Output-Modell arbeiten. Unternehmen werden in ihrem Erfolg neben den harten Faktoren auch entscheidend durch weiche Faktoren beeinflusst: Neben der rationalen Dimension ist auch die emotionale Dimension, und zwar authentisch im positiven Sinne, zu adressieren (vgl. auch Krüger, der von Topmanagern als Promotoren und Enablern des Wandels spricht: Krüger, 2009, S. 144ff.). Wie kann es der Unternehmensführung konkret gelingen, die Herausforderungen, die sich aus dem beschriebenen Trilemma ergeben, erfolgreich zu meistern? Wie kann sie die skizzierte Promotorenrolle wahrnehmen und erkennbares Commitment signalisieren? Auch wenn es in der Unternehmensführung keine „Zauberformeln“ gibt, so bietet der Einsatz des strategischen Projektmanagements beste Voraussetzungen für die praxisnahe Lösung des Trilemmas.
22
1.3
1 Strategisches Projektmanagement und das Trilemma der Unternehmensführung
Strategisches Projektmanagement als Weg aus dem Trilemma
Projektmanagement kann in diesem Kontext einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung des Trilemmas leisten. Sowohl die Sach-/Inhalts- als auch die Vertrauensdimension des Trilemmas werden über drei Hebel adressiert, und zwar durch (1) Zieltransparenz, (2) Prozessprofessionalität und (3) demonstrierbares Commitment.
1.3.1
Zieltransparenz durch Programme und Projekte
Erfolgreiches strategisches Management erfordert Klarheit der Ziele und Strategien und ihre Kommunikation (keine Sprachlosigkeit!). Eine Ausrichtung an strategischen Programmen und Projekten diszipliniert zu Transparenz einschließlich der Aufdeckung von Konflikten und Priorisierung mit entsprechendem strategischem Projektportfolio. Das Schaffen der strategischen Zieltransparenz bildet den Beginn und zugleich schon eine zentrale Stelle des Prozesses, da die verschiedenen Einschätzungen zu Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit letztlich in einer Entscheidung konkretisiert werden. Dies gestaltet sich je nach Größe, Branche, Umweltsituation und Eigentümerstruktur, um nur einige der Einflussfaktoren zu nennen, als ein ausgesprochen komplexer und zugleich unerlässlicher Prozess. Die Kenntnis des wirtschaftlichen Umfeldes, der eigenen Fähigkeiten und die Realitätsnähe der abgeleiteten strategischen Ziele sind die Basis erfolgreicher Strategien, wie auch Abb. 1.3 veranschaulicht (vgl. zu Objekten und Prozess des strategischen Managements Dillerup/Stoi, 2008, S. 111ff.; Hungenberg, 2006; Welge/AlLaham, 2008; sowie die Beiträge in Hahn/Taylor, 2006).
Successful strategy
EFFECTIVE IMPLEMENTATION Long-term, simple, and agreed objective
Profound understanding of the competitive environment
Abb. 1.3 Einflussfaktoren einer erfolgreichen Strategie (Grant, 2003, p. 11)
Objective appraisal of resources
1.3 Strategisches Projektmanagement als Weg aus dem Trilemma
23
Der Prozess vollzieht sich in zwei Phasen: In der ersten Phase erfolgt die Erarbeitung der Ziele, Programme und Projekte auf der obersten Führungsebene. In der zweiten Phase folgt die Kommunikation an die Mitarbeiter und ggf. weitere Stakeholder des Unternehmens. In der ersten Phase sind somit entscheidende Weichenstellungen für das Unternehmen zu treffen und die einheitliche Ausrichtung der oberen Führungskräfte auf diese Ziele zu gewährleisten. Die Bedeutung der einheitlichen Ausrichtung der oberen Führungsebene für die Phase zwei ist nicht zu unterschätzen. Mitarbeiter besitzen eine hohe Sensibilität dafür, ob es zu den Zielen unterschiedliche Sichtweisen im Topmanagement gibt und werden ihr Handeln bzw. Nicht-Handeln entsprechend ausrichten. Zieltransparenz erfordert klare Aussagen zu: • Was wollen wir erreichen? (Beispiel: dauerhafte Unabhängigkeit, Umsatz von X €, Profitabilität von Y%, Stammbelegschaft von Z Mitarbeitern.) • Wie wollen wir es erreichen? (Wesentliche Stoßrichtungen; Beispiel: Umsatzwachstum durch Erhöhung des Auslandsanteils von 50% auf 70% mit Aufbau von Vertriebsorganisationen in neuen Ländern sowie Entwicklung spezieller Produkte für diese Märkte.) An dieser Stelle erfolgt die Festlegung der strategischen Projekte (und ggf. Bündelung in Programmen), da sie die Hebel zur Umsetzung der Strategie darstellen. Insbesondere sind auch Aussagen zu treffen, was wir nicht bzw. nicht mehr tun wollen! („Wer in einer weltweiten Krise keine schmerzhaften Entscheidungen trifft, einschließlich Lieblingsprojekten, ist von der Krise nicht betroffen oder steckt den Kopf in den Sand.“). • Wann soll es erreicht sein? (Ecktermine für übergeordnete Unternehmensziele und Projektziele; Beispiel für Projekt zu Umsatzwachstum: erste 10% der Erhöhung des Auslandsanteils in 12, dann 10% in 24 Monaten.) • Womit wollen wir es erreichen? (Verfügbare Ressourcen: Mitarbeiter, Finanz/Sachmittel.) Hier handelt es sich um einen weiteren zentralen Punkt für die Glaubwürdigkeit von Führungskräften: Werden für die Erreichung der Ziele adäquate Ressourcen zur Verfügung gestellt oder wird ein offenkundiges Ressourcendefizit ignoriert? Speziell in innovationsgetriebenen Unternehmen existieren deutlich mehr Ideen als verfügbare Ressourcen. Der Blick auf die realen Ressourcen erfordert oftmals eine Rückkopplungsschleife zum „Wie“ (mitunter sogar zum „Was“). Das Management muss sich in dieser Phase einer strengen Selbstdisziplin unterwerfen und den Mut besitzen, notfalls auch eigene Projekte zu stoppen. Kennzeichnend für die Phase der Ressourcenkonflikte ist nicht nur die Konkurrenz zwischen verschiedenen strategischen Projekten, sondern auch zwischen den Projekten und dem laufenden operativen Geschäft, das für die Erreichung der Unternehmensziele ebenfalls von zentraler Bedeutung ist. Aus diesem zumeist iterativen Prozess resultiert schließlich das strategische Projektportfolio. Es umfasst die Summe aller strategischen Projekte (ggf. gebündelt in Programmen), die von der Unternehmensleitung beschlossen und zur Umsetzung freigegeben sind (vgl. zur Verknüpfung von Strategie, strategischen Projekten und Projektportfolio Glaschak, 2006, S. 77ff.; Jenny, 2009, S. 91ff. u. S. 217ff.; Kunz, 2007, S. 7ff.; Schelle, 2008, S. 133ff.; sowie die Beiträge in Morris/Pinto, 2007). Wenn die Fragen nach dem Was und mit dem strategischen Projektportfolio auch die Fragen nach dem Wie, Wann, und Womit auf der obersten Führungsebene schlüssig geklärt sind, kann in der darauffolgenden Phase zwei die Kommunikation nach Zielgruppen erfolgen. Im
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1 Strategisches Projektmanagement und das Trilemma der Unternehmensführung
Vordergrund steht dabei die Kommunikation an die Mitarbeiter. Diese sind über die Eckpunkte der Unternehmensziele, die definierten Projekte und Programme sowie wesentliche Meilensteine zu informieren, soweit dem nicht zwingende Geheimhaltungsgründe entgegenstehen. Die entscheidende Zielsetzung besteht darin, keine Sprachlosigkeit aufkommen zu lassen. Kommunikation – auch in der Außenkommunikation – ist hier weniger eine Frage von Details oder Preisgabe sensibler Daten. Es ist primär die Frage nach einer plausiblen Grundstrategie, die mit entsprechenden Projekten hinterlegt und damit in komprimierter, glaubwürdiger Form skizziert werden kann.
1.3.2
Beschleunigte Umsetzung durch Prozessprofessionalität
Der besondere Vorteil von Projektmanagement liegt in der speziellen Zeitorientierung und damit der Möglichkeit, das Dilemma der „Zeitschere“ wirkungsvoll zu adressieren. Kein anderer Managementprozess besitzt für die Handhabung komplexer, multifunktionaler und zeitkritischer Vorhaben auch nur eine annähernd vergleichbare Prozessprofessionalität. Getragen von der International Project Management Association (IPMA) bzw. vom Project Management Institute (PMI) wird umfassendes, systematisches Know-how für Projektmanagement in einer Kompetenzbasis bereitgestellt. Es handelt sich um die International Competence Base Line der IPMA mit nationalen Ausprägungen sowie den Project Management Body of Knowledge des PMI, die heute weltweit bei der systematischen Qualifizierung von Projektmanagern eingesetzt werden (vgl. zu Kompetenzbasis und Qualifikation IPMA, 2006; Project Management Institute, 2008; Litke, 2008; sowie zum Projektmanagement Bea et al., 2008; Jenny, 2009; Kuster et al., 2008; GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., 2008). Gemeinsam ist allen Ansätzen zum Projektmanagement, unabhängig davon, ob sie sich stärker an IPMA oder PMI orientieren, dass das Erreichen der spezifischen Projektziele im Vordergrund steht: Das Projekt soll seine inhaltlichen Vorgaben unter Einhaltung des Zeit- und des Ergebnis- bzw. Kostenzieles erfüllen. Projektmanagement ist letztlich der ManagementAnsatz, der das Zeitziel und dessen Interdependenzen zu anderen Zielen mit in das Zentrum stellt. Besonders bewährt hat sich dabei das Konzept der Meilensteinplanung und -kontrolle als Teil eines phasenorientierten Vorgehens. Abb. 1.4 vermittelt einen Überblick zu typischen Arbeitsschritten, Aktivitäten und Ergebnissen im Rahmen eines solchen Vorgehens. Für das Vorhaben werden somit wichtige Zwischenergebnisse und -termine definiert, die als informatorisches Bindeglied zwischen Topmanagement und Projektebene dienen. Der Blick auf die Erreichung der Meilensteine führt zu mehreren Effekten: • Transparenz: Das Management wird vor unliebsamen Überraschungen am Projektende geschützt und kann bei Bedarf noch rechtzeitig eingreifen. So wird neben dem aktuellen Meilenstein auch die Entwicklung zukünftiger Meilensteine, z. B. mit der MeilensteinTrendanalyse (MTA), erfasst und kann mit einer „Ampelschaltung“ verknüpft werden. • Konzentration und Tempo: Der Projektmanager erhält die Befugnis für alle Detailentscheidungen. Zeitaufwändige Rückfragen entfallen, was neben der Entlastung des Topmanagements zu schnelleren Entscheidungen und damit letztlich höherer Geschwindigkeit führt.
1.3 Strategisches Projektmanagement als Weg aus dem Trilemma
25
• Kommunikation: Meilensteine bieten klare Bezugspunkte für die interne und externe Kommunikation zum Projekt. Sie sind eindeutig definierbar und ermöglichen Aussagen zu „Soll vs. Ist“ noch während des Projektes und damit für eine frühzeitige vertrauensbildende Kommunikation.
Abb. 1.4 Beispiel eines Phasenmodells (Kuster et al., 2008, S. 24)
1.3.3
Vertrauensaufbau durch sichtbares Management-Commitment zu Projekten
Vertrauen wird vor allem durch Klarheit und Berechenbarkeit aufgebaut; verkürzt: durch „Walk-the-Talk“. „Talk“, das ist vor allem die Klarheit in den Zielaussagen: Wofür steht das Management? Was sind seine Ziele? Zeigt dieses Topmanagement mit seinen Zielen und seiner Strategie dem Unternehmen und mir als Mitarbeiter eine nachhaltige Zukunft auf? „Walk“, das sind die Fragen der Umsetzung, der persönlichen Glaubwürdigkeit und Integrität: Steht das Management auch zu seinen Aussagen? Wie verhält sich das Management im Hinblick auf Widerstände im Change-Prozess? Werden unpopuläre Maßnahmen nachvollziehbar und auch mit persönlicher Verantwortung übernommen? Stellt sich das Management in kritischen Situationen auch vor seine Mitarbeiter, die mit der Umsetzung unpopulärer Maßnahmen beauftragt sind? Durch die Umsetzung der Ziele mit Hilfe strategischer Projekte
26
1 Strategisches Projektmanagement und das Trilemma der Unternehmensführung
können diese Herausforderungen direkt adressiert werden. Dies betrifft sowohl die Signalwirkung zu Projektbeginn als auch die weitere Umsetzung. Ein Beispiel für eine solche Signalwirkung liefert die Projektorganisation, die bei SAP für die Durchführung eines länderübergreifenden Shared-Services-Projektes eingesetzt wurde. Derartige Vorhaben, die der Kostensenkung und Qualitätssteigerung dienen, erweisen sich in der Praxis als ausgesprochen komplex, da in die laufenden Prozesse einer Vielzahl von regional verteilten Organisationseinheiten eingegriffen wird. Entsprechend besteht bei der Einführung eines Shared-Services-Centers generell – also unternehmensunabhängig – ein erhebliches offenes oder latentes Widerstandspotential. Wie Abb. 1.5 zeigt, wurde bei SAP zusätzlich zu den klassischen Ebenen eines Projektes ein „Project Sponsor“ eingeführt. Auf diesem Weg kann bei entsprechend hoher hierarchischer Funktion ein klares Signal an die Organisation gesandt werden. Die Funktion des Machtpromotors wird offiziell benannt und das Projekt im Unternehmen positioniert. Die Projektmitarbeiter wissen ab diesem Zeitpunkt, wer ihnen ein „Unterstützungsversprechen“ gegeben hat; das Projektumfeld erhält ein zentrales Signal, was die Bedeutung des Vorhabens betrifft
Steering Committee
Program Management
Project Sponsor
----------------------------------
Advisory Board
--------------------------
Technical Locations
Shared Services Center Design
Technological Architecture & Systems
Communication & Change Management
Migration Management
Abb. 1.5 Projektorganisation eines Shared-Services-Projektes bei SAP (vgl. Neukirchen/Vollmer, 2008, S. 415)
Der gleiche Effekt kann auch erreicht werden, wenn der betreffende Machtpromotor den Vorsitz des Steering Committees übernimmt. Die Variante eines Project Sponsors ist vor allem dann hilfreich, wenn der Machtpromotor nicht durchgängig an den Sitzungen des Steering Committees teilnehmen kann. Wichtig und unerlässlich bleibt, dass die betreffende Führungskraft im weiteren Projektverlauf durch entsprechende Handlungen (einschließlich flankierender Kommunikation) das Vorhaben erkennbar unterstützt. Interessanterweise wird das Thema des klaren Management-Commitments als Erfolgsfaktor der Strategieimplementierung trotz seiner Praxisrelevanz in der Literatur bisher nur ver-
1.4 Literaturverzeichnis
27
einzelt problematisiert (vgl. zu anderen Barrieren der Strategieimplementierung Baum et al., 2007, S. 362f.). Sichtbares Management-Commitment ist Ausdruck der Willensdurchsetzung im Führungsprozess und unerlässlich für den Führungserfolg. Im Projektverlauf ist es die Aufgabe des Topmanagements, das Projekt bei auftretenden Widerständen zu unterstützen. Diese Widerstände können rein sachbezogener Natur sein, wie z. B. das Erfordernis erhöhter Ressourcen. Es kann sich dabei auch um deutlich subtilere Probleme, wie unternehmensinterne Widerstände, handeln. Ein echtes strategisches Projekt wird im Regelfall in der Implementierung durch komplexe Probleme und kontroverse innerorganisatorische Diskussionen gekennzeichnet sein, die ab einem bestimmten Punkt nur noch durch das Topmanagement aufzulösen sind. Das ultimative Commitment, das Führungskräfte hier im Projektverlauf erkennbar geben können, ist das Investment ihrer wichtigsten persönlichen Ressourcen: Zeit und Emotion.
1.4
Literaturverzeichnis
Baum, H.-G./Coenenberg, A. G./Günther, T./Fischer, J.: Strategisches Controlling, 4. Aufl., Stuttgart 2007. Bea, F. X./Scheurer, S./Hesselmann, S.: Projektmanagement, Stuttgart 2008. Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, 7. Aufl., Frankfurt a. M. 2004. Capgemini (Hrsg.): Change Management-Studie 2008, http://www.de.capgemini.com/m/ de/tl/Change_Management-Studie_2008.pdf [Stand: 29.09.2009]. Collins, J./Porras, J.: Built to Last, New York, NY 1994. Dammer, H.: Multiprojektmanagement, Wiesbaden 2008. Daumenlang, K.: Vertrauen messen − Ergebnisse interpretieren, in: Götz, K. (Hrsg.): Vertrauen in Organisationen, München/Mering 2006, S. 137–153. Dillerup, R./Stoi, R.: Unternehmensführung, 2. Aufl., München 2008. Edelman (Hrsg.): 2009 Edelman Trust Barometer, http://www.edelman.co.uk/files/trustbarometer-2009.pdf [Stand: 24.09.2009a]. Edelman (Hrsg.): Edelman Trust Barometer: 2009 Midyear Special Report, http://www.edelman.com/trust/midyear/docs/Exec_Summary_Trust_2009_Midyear_Special _Report_FINAL.pdf [Stand: 24.09.2009b]. Fladnitzer, M.: Vertrauen als Erfolgsfaktor virtueller Unternehmen, Wiesbaden 2006. Glaschak, S.: Strategiebasiertes Multiprojektmanagement, München/Mering 2006. Götz, K. (Hrsg.): Vertrauen in Organisationen, München/Mering 2006.
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Nijkerk
2006,
Jammal, E. (Hrsg.).: Vertrauen im interkulturellen Kontext, Wiesbaden 2008. Jenny, B.: Projektmanagement, Zürich 2009. Keuper, F./Oecking C. (Hrsg.): Corporate Shared Services, 2. Aufl., Wiesbaden 2008. Krüger, W.: Excellence in Change, 4. Aufl., Wiesbaden 2009. Kunz, C.: Strategisches Multiprojektmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden 2007. Kuster, J./Huber, E./Lippmann, R./Schmid, A.: Handbuch Projektmanagement, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2008. Litke, H.-D.: Managementkompetenz und Karriereweg, in: Mayer, T./Wald, A./Gleich, R./Wagner, R. (Hrsg.): Advanced Project Management, Berlin 2008, S. 71–89. Luhmann, N.: Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. 2. Aufl.. Stuttgart 1973. Mayer, T./Wald, A./Gleich, R./Wagner, R. (Hrsg.): Advanced Project Management, Berlin 2008. Morris, P./Pinto, J.: The Wiley Guide to Project Program & Portfolio Management, Hoboken, NJ 2007. Neukirchen, R./Vollmer, M.: Change Management und Shared Services, in: Keuper, F./Oecking C.: Corporate Shared Services, Wiesbaden 2008, S. 399–428. Osterloh, M./Weibel, A.: Investition Vertrauen, Wiesbaden 2006. Project Management Institute (Hrsg.): A Guide to the Project Management Body of Knowledge (PMBOK Guide), 4. Aufl., Newtown Square, PA 2008.
1.4 Literaturverzeichnis
29
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2
Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
Prof. Dr. Ralf Dillerup
2.1
Begriffsklärung von Betriebswirtschaft und Unternehmensführung
Die Betriebswirtschaft beschäftigt sich als Teil der Wirtschaft mit den menschlichen Tätigkeiten, die der Bedürfnisbefriedigung dienen. Da menschliche Bedürfnisse nach knappen Gütern durch wirtschaftliches Handeln befriedigt werden sollen, sind Betriebe planvoll organisierte Wirtschaftseinheiten, welche sich mit der Erstellung und dem Absatz von Sachgütern und Dienstleistungen beschäftigen (vgl. Wöhe/Döring, 2008, S. 2 u. S. 35). Wesentlich ist dabei, die planvolle und rationale Lösung nach Bedürfnisbefriedigung. Diese wird am Wirtschaftlichkeits- oder ökonomischen Prinzip als allgemeinem Vernunftprinzip mengenoder wertmäßig festgemacht, welches in folgenden Ausprägungen vorkommt: • Maximalprinzip: Erwirtschaftung eines größtmöglichen Güterertrags mit gegebenem Aufwand. • Minimalprinzip: Erwirtschaftung eines definierten Güterertrags mit geringst möglichen Einsatzfaktoren. • Optimumprinzip: Erwirtschaftung eines möglichst günstigen Verhältnisses zwischen Gütermenge und Einsatzfaktoren.
32
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
Viele Organisationen wirtschaften als Wirtschaftseinheiten. Beispiele sind Dienstleistungsunternehmen, Sportvereine, Krankenhäuser, Hochschulen, Verwaltungen oder Industrieunternehmen. Um deren Besonderheiten zu berücksichtigen, haben sich spezifische Betriebswirtschaftslehren mit unterschiedlichen Geltungsbereichen gebildet. Auch lassen sich Betriebe nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. Dazu werden meist folgende Kriterien herangezogen (vgl. Kieser/Walgenbach, 2003, S. 26): • Ziele: Privatwirtschaftliche Betriebe bzw. erwerbswirtschaftliche oder ökonomische Betriebe verfolgen die Absicht, Gewinn zu erzielen. Dies ist für eigenständige Organisationen auch erforderlich, um die wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherzustellen. Im Gegensatz dazu verfolgen gemeinnützige Betriebe bzw. Non-Profit-Unternehmen andere Ziele wie z. B. die Förderung der Völkerverständigung oder des Gesundheitswesens. • Sektoren und Branchen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Betrieben ergeben sich vor allem aus ihrem Tätigkeitsbereich. Daher ist eine Unterscheidung nach Sektoren bzw. Branchen üblich. Beispiele sind Verkehrsbetriebe, IT-Unternehmen oder MaschinenbauUnternehmen. • Größe: Sie wird meist an den Kriterien Umsatz, Beschäftigtenanzahl und z. T. auch der Bilanzsumme gemessen und in kleine, mittlere und große Unternehmen unterteilt. Umgangssprachlich werden die Begriffe Betrieb und Unternehmen häufig synonym verwendet. Betriebe sind ein Überbegriff für eine wirtschaftliche Einheit, die sowohl in Plan- als auch in Marktwirtschaften existierten. Unternehmen sind eine besondere Form eines Betriebs, nämlich Betriebe in marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen. Sie legen ihre Ziele selbständig und weitgehend unabhängig von staatlichen Einflüssen fest und sind erwerbswirtschaftlich ausgerichtet. Unternehmen sind daher der Oberbegriff für autonome rechtlichwirtschaftliche Betriebe. Unternehmen sind flexibel, da sie Entscheidungen über Ressourceneinsatz, Zielsetzungen etc. autonom unter ökonomischen Gesichtspunkten fällen können. Unternehmen in diesem Sinne weisen folgende gemeinsame Elemente und Merkmale auf (vgl. Dillerup/Stoi, 2008, S. 4): • Ziele: Ein Unternehmen verfolgt dauerhafte Ziele. So haben Stahlproduzenten z. B. eine jahrhundertealte Tradition. Im Gegensatz dazu verfolgt z. B. eine Bürgerinitiative für besseren Hochwasserschutz ebenfalls ein Ziel, welches jedoch keine Basis für eine auf lange Zeit eingerichtete Organisation ist. – Zielgerichtet: Menschen arbeiten in einem Unternehmen zweckbezogen zusammen, um Ziele zu erreichen. Daran richten sich die Aktivitäten und ihre Mitglieder aus. Hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht wird zwischen gemeinnützigen und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen unterschieden. – Teilautonom: Unternehmen legen ihre Ziele innerhalb bestimmter Grenzen bis hin zur Entscheidung über die Selbstauflösung selbst fest. Diese Selbstständigkeit erfordert Eigeninitiative, Verantwortung und die Übernahme wirtschaftlichen Risikos. • Mitglieder: Ein Unternehmen besteht aus Eigentümern, Führungskräften und Mitarbeitern. Diese Mitglieder arbeiten gemeinsam auf die Erreichung der Unternehmensziele hin. Das Unternehmen basiert auf vertraglichen Beziehungen: Eigentümer begründen durch Verträge ein Unternehmen und legen damit den Rechtsmantel fest. Sie oder eine
2.1 Begriffsklärung von Betriebswirtschaft und Unternehmensführung
33
von ihnen eingesetzte Unternehmensführung regeln in Arbeitsverträgen das Verhältnis zu den Mitarbeitern. – Hierarchisch: Die Mitarbeiter begeben sich in eine Abhängigkeit und akzeptieren ein Direktionsrecht des Arbeitgebers. Damit wird eine hierarchische Beziehung begründet, welche die Ausrichtung auf die Unternehmensziele ermöglicht. – Sozial: Die Zusammenarbeit von Menschen in Gruppen und Teilsystemen macht ein Unternehmen zu einem sozialen System. • Aktivitäten: Vertraglich bringen die Mitglieder ihre Arbeitskraft oder Kapital in das Unternehmen ein. Sie verpflichten sich zur Ausführung bestimmter Handlungen, werden aber nicht Bestandteil des Unternehmens, wie dies bei sozialen Schichten (z. B. Zünften) der Fall ist. Unternehmen werden dadurch gezwungen, die Leistungen ihrer Mitarbeiter so zu präzisieren, dass die Unternehmensziele möglichst gut erreicht werden. – Produktiv: Unternehmen sind auf die Erstellung von Leistungen gerichtet. Durch die Transformation von Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Betriebsmittel) erzeugen sie eine Wertschöpfung. Während Haushalte nur ihren Eigenbedarf decken, erstellen die Unternehmen Leistungen für Dritte und betreiben damit eine Fremdbedarfsdeckung. – Offen: Da Unternehmen nicht den eigenen sondern einen fremden Bedarf decken, stehen sie in vielfältiger Weise zum Absatzmarkt und anderen Bereichen ihrer Umwelt in Beziehung. Da sie somit über ihre Systemgrenzen hinaus aktiv sind, werden sie als offene Systeme bezeichnet. Die drei aufgeführten Elemente und ihre Merkmale beschreiben ein Unternehmen. Ein Unternehmen ist ein komplexes System aus Zielen, Mitgliedern und Aktivitäten. Es strebt die Erreichung von Zielen an, die es zuvor weitgehend autonom festlegt. Seine Mitglieder bilden ein hierarchisches soziales System, welches auf die produktive Erbringung von Leistungen im offenen Austausch mit der Unternehmensumwelt gerichtet ist. Betriebswirtschaftslehre setzt sich aus verschiedenen Funktionslehren wie z. B. Absatz, Produktion oder Forschung & Entwicklung zusammen. Eine solche Teilfunktionslehre der Betriebswirtschaftslehre befasst sich mit der Unternehmensführung, welche die einzelnen Funktionsbereiche eines Unternehmens zu einer zielkonformen Gesamtheit zusammengefasst (vgl. Wöhe/Döring, 2008, S. 49). Sie ist damit eine besondere Teilfunktionslehre der Betriebswirtschaflehre mit Querschnittsfunktion (vgl. Steinmann/Schreyögg, 2005, S. 8) und steht im Mittelpunkt des betrieblichen Geschehens eines Unternehmens. Sie konzentriert sich auf die Probleme die sich im Aufbau und der Steuerung von Unternehmen ergeben. In einem funktionalen Verständnis der Unternehmensführung umfasst diese alle Aufgaben und Handlungen der Planung, Steuerung und Kontrolle zur zielorientierten Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Unternehmens. Die Unternehmensführung führt neben den Mitarbeitern auch alle andere Elemente im Wertschöpfungsprozess und wird deshalb z. T. auch als „General-Management“ bezeichnet.
34
2.2
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
Unternehmensführung als Management komplexer Systeme
Die Definition eines Unternehmens ist je nach theoretischer Perspektive sehr unterschiedlich. Jede Theorie betrachtet ein Unternehmen unter einem anderen Aspekt, weshalb eine Vielzahl an Definitionen existiert. So kann ein Unternehmen z. B. als System, rechtliches Gebilde oder Ansammlung von Ressourcen und Fähigkeiten betrachtet werden. Die Theorien beschreiben und erklären zentrale Zusammenhänge und können die unternehmerische Gestaltung und Problemlösung unterstützen (vgl. Müller-Stewens/Lechner, 2005, S. 144). In diesem Sinne gilt: Nichts ist praktischer als eine gute Theorie! Eine allumfassende Theorie der Unternehmensführung gibt es nicht. Für solch eine komplexe Thematik sollten unterschiedliche Theorien herangezogen werden. Die Wahl der Sichtweise entscheidet dabei maßgeblich, wie Probleme gelöst werden (vgl. Macharzina/Wolf, 2005, S. 45). Zur Abgrenzung von Betriebswirtschaft und Unternehmensführung kann insbesondere die Systemtheorie einen wesentlichen Beitrag leisten. Ein System besteht aus Elementen, die miteinander in Beziehung stehen und einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Es lässt sich in Teilsysteme aufteilen, die als Subsysteme bezeichnet werden. Das System kann selbst Teil eines übergeordneten Systems sein, das die Systemumwelt bildet. Beispielsweise unterteilt sich ein Unternehmen in Geschäftsbereiche (= Subsysteme) und ist Bestandteil einer Branche (= Systemumwelt). Die Systemelemente bilden die kleinsten Bestandteile des Systems. Eine weitere Unterteilung der Elemente ist nicht sinnvoll bzw. möglich. Bei Unternehmen sind dies z. B. die Mitarbeiter. Als Beziehungen werden die Verknüpfungen zwischen den Elementen bezeichnet. Die Systemgrenze bildet die Trennlinie zwischen den Systemelementen und ihrer Umwelt. Verfügt ein System auch über Verbindungen zu seiner Umwelt, so wird es als offenes System bezeichnet. Wie die Systemabgrenzung vorgenommen wird, ist vor allem vom Zweck der Betrachtung abhängig. Ein wesentliches Merkmal eines Systems ist, dass die Systemelemente einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Abb. 2.1 veranschaulicht die Bestandteile eines Systems. Umweltelement
Umwelt
Systemelement
System
Subsystem
Systemgrenze
Beziehung Aussenverbindung
Abb. 2.1 Bestandteile eines Systems
2.2 Unternehmensführung als Management komplexer Systeme
35
Die Systemtheorie beschäftigt sich mit Fragen nach gemeinsamen Eigenschaften, dem Verhalten und der Entwicklung von Systemen (vgl. Ulrich/Probst, 2001, S. 19). Zur Beantwortung dieser Fragen müssen die Elemente und deren Zusammenhänge bekannt sein. Um ein System zu verstehen, können zwei Perspektiven eingenommen werden: • Atomistische Sichtweise: Das Verhalten eines Systems erklärt sich aus seinen Elementen. Hierfür wird ein System in seine Elemente zerlegt und diese näher betrachtet. Im System „Fußballmannschaft“ werden demnach die Fähigkeiten und Qualitäten der Einzelspieler untersucht. Analog ist die Betriebswirtschaftslehre in viele Teilfunktionslehren gegliedert, welche die Funktionsweisen einzelner Elemente fokussiert. • Holistische Sichtweise: Ein System ist nicht nur die Summe seiner Teile. Um die Elemente zu einem leistungsfähigen System zu formen, muss auf die Zusammenhänge zwischen den Elementen geachtet werden. Deshalb ist eine Gruppe guter Fußballspieler noch keine gute Mannschaft. Es kommt vielmehr darauf an, wie die Spieler miteinander harmonieren. Analog ist die Unternehmensführung auf die Betrachtung des Unternehmens als Gesamtsystem ausgelegt. Um die Wirkung und das Verhalten eines Systems zu verstehen, müssen beide Perspektiven eingenommen werden. Eine integrative Betrachtung berücksichtigt das Wechselspiel zwischen Teil und Gesamtheit. Dabei werden mehrere Systemebenen mit unterschiedlichem Differenzierungsgrad betrachtet. Dies wird als ganzheitliche Betrachtung bezeichnet. Für das Verhalten eines Systems sind kausale Zusammenhänge von zentraler Bedeutung. Für Systeme wie z. B. Unternehmen, in denen Menschen handeln und die aufgrund des intensiven Austauschs mit der Systemumwelt ständigen Veränderungen unterliegen, sind lineare Kausalketten nicht sinnvoll. Kreisförmige Vorstellungen bilden die vernetzte Struktur sozialer Systeme besser ab (vgl. Bleicher, 2004, S. 54). Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in Form von Kreisläufen werden durch sog. kybernetische Wirkungsmechanismen erklärt. Die Kybernetik ist schon mehrere tausend Jahre alt und zentraler Theoriebestandteil der Unternehmensführung. Bereits Plato und andere Philosophen aus seiner Schule entwickelten sie als Kunst des Steuerns und Regelns. Beide Prinzipien zu kombinieren führt zur Lenkung von Systemen. Sie richtet Systemelemente auf ein gemeinsames Ziel durch Kombination von Steuerung und Regelung aus. Die Lenkung beeinflusst das Verhalten eines Systems und ist für sein Funktionieren erforderlich. Sind die kausalen Systemzusammenhänge bekannt, so lässt sich das zukünftige Verhalten des Systems vorhersagen. Werden Kausalbeziehungen zusammengefügt sowie Steuerungs- und Regelungsregelkreise kombiniert, so entstehen integrierte Systeme. Ihr Verhalten wird durch seine Strukturen geprägt (vgl. Bleicher, 2004, S. 53). Wirken Elemente über Ursache-Wirkungszusammenhänge aufeinander ein, dann entstehen in integrierten Systemen Rückkopplungen. Das Verhalten ist somit aus der Struktur des Systems erklärbar. Strukturen eines Systems bestehen aus zusammengesetzten Regelkreisen. Hat ein System eine große Anzahl verschiedenartiger Systemelemente und Beziehungen, so wird es als kompliziert bezeichnet. Verändern sich diese Systemelemente und Beziehungen mit der Zeit, dann handelt sich um ein dynamisches System. Treffen beide Eigenschaften zu,
36
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
hoch
niedrig
Veränderlichkeit / Dynamik
dann wird von einem komplexen System gesprochen. Abb. 2.2 veranschaulicht dies. Komplexe Systeme verfügen aufgrund der großen Variabilität über vielfältige und schwierig vorherzusehende Verhaltensmöglichkeiten. Die Handhabung von Komplexität wird daher zum Kern der Lenkung eines Systems (vgl. Bleicher, 2004, S. 37) und zur zentralen Aufgabe der Unternehmensführung.
Dynamisch .
Komplex ,
Einfach
Kompliziert
Vielzahl / Kompliziertheit niedrig
hoch
Abb. 2.2 Komplexitätsdimensionen (vgl. Dillerup/Stoi, 2008, S. 26)
Unternehmen bestehen regelmäßig aus einer Vielzahl an Beziehungen zwischen Elementen, die dauernden Veränderungen unterworfen sind. Somit handelt es sich bei Unternehmen um komplexe Systeme. Darüber hinaus handelt es sich um soziale Systeme. Diese bestehen aus Individuen, die zu eigenen und gemeinsamen Zwecken zusammenarbeiten und vielfältige Austauschbeziehungen mit ihrer Umwelt unterhalten. Das Unternehmen als soziales System zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl das System als auch seine Elemente eigene Ziele verfolgen. Es ist Teil eines übergeordneten Systems. Das Unternehmen steht im Zusammenhang mit anderen Systemen wie z. B. Kunden, Lieferanten und Konkurrenten. Die Unternehmensführung ist ein Subsystem des Unternehmens, dessen Aufgabe die Koordination innerhalb des Systems sowie zwischen dem System und seiner Umwelt ist. Die Systemtheorie ist heute ein weit verbreitetes Grundverständnis von Unternehmen und findet breite Anwendung in verschiedenen betriebswirtschaftlichen Disziplinen. Sie liefert das Grundverständnis der Unternehmensführung und erlaubt, Unternehmen als Elemente der Gesellschaft zu betrachten. Auch Wechselwirkungen zwischen Unternehmen als gesellschaftliche Institution und der Unternehmensumwelt lassen sich einbeziehen. Da Unternehmen komplexe Systeme sind, lässt sich die Wirkung von Eingriffen nicht exakt vorhersagen. Damit ist der Gestaltungsspielraum der Unternehmungsführung begrenzt. Die Ursache-Wirkungszusammenhänge in Unternehmen sind aufgrund verhaltenswissenschaftlicher Einflüsse schwer zu bestimmen, weshalb auch anzuerkennen ist, dass sich ein komplexes System wie ein Unternehmen nicht vollständig beherrschen lässt. Daher sind auch evolu-
2.2 Unternehmensführung als Management komplexer Systeme
37
tionäre und selbstorganisatorische Prozesse mit zu berücksichtigen. Die Unternehmensführung wird aus einer Mischung systemtheoretischer und evolutionsbiologischer Gedanken stark beeinflusst. Ökonomische Evolution ist die Fähigkeit eines wirtschaftlichen Systems, Wandel aus sich selbst heraus zu erzeugen. Ökonomische und soziale Phänomene werden in der Evolutionstheorie als Veränderungsprozesse verstanden. Dabei wird nicht ein statischer Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern die für dessen Entstehung verantwortlichen Mechanismen und Prozesse betrachtet (vgl. Müller-Stewens/Lechner, 2005, S. 153). Die Vorstellung der vollständigen Plan- und Gestaltbarkeit von Unternehmen wird in Konzepten evolutionärer Unternehmensführung aufgegeben. Die Frage ist, wodurch sich das Überleben eines Unternehmens sicherstellen lässt. Es soll so gelenkt werden, dass es sich wie ein lebender Organismus erhalten, anpassen, entwickeln und verändern kann. Hierfür sind zum einen die Grenzen der Beherrschbarkeit komplexer Systeme zu akzeptieren und zum anderen ganzheitliches Denken und Handeln erforderlich. Unternehmen sind danach sich selbst steuernde und organisierende Systeme, in denen die Unternehmensführung wie ein Katalysator Rahmenbedingungen für günstige evolutionäre Veränderungen zu schaffen hat. Aus diesen Überlegungen lassen sich folgende Leitlinien einer evolutionären Unternehmensführung zusammenfassen: • Unternehmensführung bezieht sich auf ein System und geht damit über die reine Menschenführung hinaus. Sie ist Aufgabe vieler Personen und sollte ganzheitlich und vernetzt vollzogen werden. • Unternehmensführung kann die Komplexität nicht vollständig beherrschen und nicht alle Prozesse im Unternehmen direkt beeinflussen. Sie muss deshalb auch indirekt erfolgen, indem die Systemstruktur und die Rahmenbedingungen gestaltet werden. • Unternehmensführung verfolgt auf der normativen Ebene das Ziel der Anpassungs- und damit (Über-)Lebensfähigkeit des Unternehmens. Neben dem Aspekt der Evolution sozialer Systeme ist auch die Möglichkeit der Selbstorganisation eine Herausforderung für die Unternehmensführung. Sie verspricht besonders in dynamischen Umfeldern schnelle, flexible und kreative Strukturen. Phänomene, bei denen durch das Zusammenwirken von Subsystemen spontan geordnete Strukturen entstehen, werden als Selbstorganisation bezeichnet. Selbstorganisation umfasst nicht hierarchisch kontrollierte (selbst gesteuerte) und nicht extern angetriebene (selbst generierte) Prozesse. Durch spontane Systemänderungen, die auf zufälligen und unerwarteten Ereignissen beruhen, werden neue Muster erzeugt. Die Selbstorganisation führt zu neuen, stabilen Strukturen. Selbstorganisation ist ein evolutionärer und damit auch zufälliger Vorgang. Er generiert unvorhersehbare Ereignisse. Richtung und Geschwindigkeit von Veränderungen werden maßgeblich durch das Auftreten neuer Chancen und Risiken beeinflusst. Dies macht eine Vorhersage und Planung der Prozessverläufe und Ergebnisse unmöglich. Die Ergebnisse entstehen aus spontaner Selbstregelung, die zwar schnell ist, aber nicht immer zu einem Gesamtoptimum führt. Insofern bewirkt Selbstorganisation Flexibilität, die jedoch nicht unbedingt effektiver und effizienter als fremdorganisatorische Lösungen sein muss. Nach der Idee spontaner Ordnung soll die Unternehmensführung geeignete Bedingungen schaffen, um die Selbstorganisation zu ermöglichen. Beispielsweise erfordern selbstorganisatorische Prozesse Informationen,
38
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
weshalb eine offene und freie Informationsversorgung im Unternehmen gewährleistet sein sollte. Eine stärkere Berücksichtigung selbstorganisatorischer Prozesse ist insbesondere in Unternehmen in turbulenten Umfeldern sinnvoll. Unter solchen Bedingungen kann Marktorientierung nur mit flexiblen, dynamisch stabilen Organisationen erreicht werden.
2.3
Integration als Unternehmensführungsaufgabe
Die Unternehmensführung als holistische Aufgabe zur zielorientierten Gestaltung und Lenkung eines Unternehmens als komplexes, sozio-technisches System besteht selbst aus den Dimensionen Führungsebenen und -funktionen.
2.3.1
Führungsebenen
Führungsebenen unterteilen sich nach dem Gegenstand der Unternehmensführung. Je nach Tragweite der Handlungen und Zielsetzungen werden folgende Handlungsebenen unterschieden: • Die normative Unternehmensführung umfasst übergeordnete Entscheidungen, die den Charakter einer Norm haben. Sie beruhen auf den Wertvorstellungen der Unternehmensleitung (vgl. Hungenberg, 2006, S. 25). Zentrale Aufgabe der normativen Unternehmensführung ist die Definition des Selbstverständnisses eines Unternehmens. Dieses wird in Form von generellen Zielen, Werten, Prinzipien, Normen, Verhaltensweisen und Spielregeln ausgedrückt und sichert die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit (Legitimität) des Unternehmens. Seinen Ausdruck findet die normative Unternehmensführung in einer Unternehmensvision, welche das angestrebte Zukunftsbild des Unternehmens beschreibt. Welche Identität daraus entsteht und wie sich das Unternehmen gegenüber Bezugsgruppen wie z. B. dem Staat, den Eigentümern und den Mitgliedern des Unternehmens positioniert, konkretisiert die Mission. Darin sind die grundlegenden Ziele und Werte für die Entwicklung des Unternehmens festgelegt. Sie vermittelt den Mitgliedern des Unternehmens und der Umwelt den Sinn und Zweck des Unternehmens. Die Mission wird von der Unternehmenskultur und -verfassung bzw. der Corporate Governance unterstützt. Die normative Unternehmensführung ist damit in ihrer konstitutiven Rolle für alle Handlungen des Unternehmens maßgeblich. • Die strategische Unternehmensführung ist auf die Entwicklung bestehender und die Erschließung neuer Erfolgspotenziale ausgerichtet und beschreibt die hierfür erforderlichen Ziele, Leistungspotenziale und Vorgehensweisen. Die strategische Unternehmensführung ist dafür verantwortlich, die normativen Ansprüche an die Entwicklung des Unternehmens langfristig zu erfüllen. Dazu werden Strategien formuliert, ausgewählt und mit Hilfe von Strukturen und Systemen umgesetzt. Sie zielen sowohl auf die Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb, als auch auf die interne Ausrichtung des Unternehmens. Die strategische Unternehmensführung schafft damit den Handlungsrahmen, in dem die konkreten operativen Handlungen durchgeführt werden (vgl. Hungenberg, 2006, S. 24; Bleicher, 2004, S. 81).
2.3 Integration als Unternehmensführungsaufgabe
39
• Darauf baut wiederum die operative Unternehmensführung auf. Sie befasst sich mit der Planung, Steuerung und Kontrolle der laufenden Aktivitäten eines Unternehmens, um die bestehenden Erfolgspotenziale möglichst effizient zu nutzen. Die operative Unternehmensführung bezieht sich auf die bestehenden Erfolgspotenziale und bestimmt konkrete Handlungen, um diese so effizient wie möglich zu nutzen. Zu diesem Zweck sind detaillierte Ziele und Maßnahmen für die Funktionsbereiche eines Unternehmens zu erarbeiten und umzusetzen. Darüber hinaus werden im Rahmen der operativen Unternehmensführung die Handlungen zwischen den einzelnen Funktionsbereichen abgestimmt (vgl. Hungenberg, 2006, S. 24f.; Bleicher, 2004, S. 82ff.).
Normative Ebene
Strategische Ebene
Le gi tim ie re n
+
Ko nk re tis ie re n
Operative Ebene
Abb. 2.3 Zusammenhang der Führungsebenen
Die Ebenen der Unternehmensführung hängen eng miteinander zusammen. Zwischen ihnen finden deshalb vielfältige Abstimmungsprozesse statt. Vorgaben normativer und strategischer Art sind wegweisend für die operative Umsetzung, während umgekehrt unerreichbare Ziele u. U. die Zukunftsvorstellungen und Strategien verändern können. Abb. 2.3 veranschaulicht den grundlegenden Zusammenhang zwischen den drei Ebenen.
2.3.2
Führungsfunktionen
Führung erfolgt im Unternehmen nach einem grundlegenden Ablauf, der in Phasen aufgeteilt werden kann. Die Schritte Entscheidung, Steuerung und Kontrolle sind die Führungsaufgaben i. e. S. Die Umsetzung erfolgt in aller Regel durch die mit der Ausführung der Vorgaben betrauten Mitarbeiter, welche durch die Unternehmensführung gesteuert werden. Wesentliche Gründe für die Trennung zwischen Führungs- und Ausführungsebene sind: • Die Unternehmensführung soll dem gesamten Unternehmen und nicht einzelnen Teilbereichen dienen. Dies erfordert das Erkennen von Zusammenhängen und langfristiges, globales Denken. Den mit den ausführenden Handlungen betrauten Mitarbeitern fehlen hierzu meist der Überblick, die übergreifenden Informationen und die Kompetenzen. • Eine Vielzahl ausführender Handlungen erfordert umfangreiche Fachkenntnisse, die nur durch entsprechende Spezialisierung auf einen eng abgegrenzten Aufgabenbereich erreicht werden können. Aus diesem Grund spielen in der Ausführungsebene vor allem
40
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
Fachkenntnisse eine Rolle, während in der Führungsebene soziale Fähigkeiten und Problemlösungskompetenzen im Vordergrund stehen. Fachkenntnisse treten für Führungskräfte mit steigender Hierarchie zunehmend in den Hintergrund. • Kontrollen sind ein notwendiger Bestandteil des Führungsprozesses. Sie dienen zur Erreichung der geplanten Ziele und zur Verbesserung der Planung und Steuerung. Die Fremdkontrolle der Ausführung gewährleistet, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten an den Plänen ausrichten und ihre Leistung beurteilt werden kann. Die personelle Trennung von Durchführung und Kontrolle sichert die erforderliche Distanz und Neutralität. Führung ist ein sich ständig wiederholender Prozess. Die Unternehmensführung besteht aus einer Vielzahl an Führungsregelkreisen, die aufeinander einwirken, miteinander verzahnt sind und ein komplexes Führungssystem bilden. Neben der Lenkung in bestehenden Führungskreisläufen ist die Unternehmensführung auch für die Gestaltung und Entwicklung verantwortlich. • Die Gestaltung dient dem Aufbau von Führungssystemen. Sie sichert die Handlungsfähigkeit der Unternehmensführung und ist damit eine Voraussetzung der Lenkung. • Die Entwicklung des Unternehmens sichert die Überlebens- und Anpassungsfähigkeit und wirkt auf die Gestaltung und Lenkung der Unternehmensführung ein. Um die drei Grundfunktionen der Unternehmensführung zu bewältigen, ist eine Reihe von Teilfunktionen zu erfüllen. Sie sind unabhängig von der Art, Größe und Branche des Unternehmens und können in folgende Teilfunktionen unterschieden werden: • Planung und Kontrolle: Planung ist ein systematisches, zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur zukünftigen Zielerreichung. Die Kontrolle als beurteilender Vergleich zwischen zwei Größen bezieht sich auf die Gegenüberstellung der Planansätze mit den realisierten Ergebnissen (Soll-IstVergleich) sowie die daran anschließende Analyse auftretender Abweichungen. Sie ist deshalb eine erforderliche Ergänzung der Planung und erfolgt während/nach der Ausführung. Planung und Kontrolle bilden eine Einheit. • Organisation betrifft die zweckgerichtete Gestaltung betrieblicher Strukturen. Sie beschäftigt sich mit Regelungen, die den Aufbau des Unternehmens und den Ablauf der darin stattfindenden Vorgänge betreffen. • Personalmanagement umfasst alle im Zusammenhang mit den Mitarbeitern eines Unternehmens anfallenden Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben. Es stellt die benötigten Mitarbeiter mit der erforderlichen Qualifikation bereit und beeinflusst ihr Verhalten hinsichtlich der Erreichung von Unternehmenszielen. Alle diese Funktionen stützen sich auf Informationen. Die Entscheidungen der Unternehmensführung können deshalb nur so gut sein, wie die Informationen auf denen sie basieren. Unternehmensführung ist somit ohne die erforderlichen Informationen nicht möglich. Information ermöglicht und verbindet alle Führungsfunktionen miteinander. Führungsinformationen müssen in der richtigen Menge, Qualität, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort vorliegen. Dies zu gewährleisten, ist Aufgabe des Informationsmanagements als einer zentralen Unterstützungsfunktion der Unternehmensführung.
2.3 Integration als Unternehmensführungsaufgabe
2.3.3
41
Integriertes System der Unternehmensführung
Die Funktionen bilden neben den Ebenen die zweite Dimension des Unternehmensführungssystems. Während die normative Ebene vorrangige Aufgabe der obersten Führungsebene ist, wächst die Zahl der beteiligten Führungskräfte hin zur operativen Ebene an. Deshalb wird das Unternehmensführungssystem als Pyramide aus den Dimensionen Ebenen und Funktionen dargestellt. Die Funktionen Personalmanagement, Planung und Kontrolle sowie Organisation stehen gleichberechtigt nebeneinander. Diese Führungsfunktionen basieren auf Informationen, die alle Führungsebenen betreffen sowie die Funktionen und Ebenen unter- und miteinander verbinden und koordinieren. Das Informationsmanagement ist für den Informationsfluss verantwortlich, der durch einen umlaufenden Kreis symbolisiert wird. Die Funktionen werden nach den Handlungsebenen differenziert. Daraus ergibt sich eine Pyramide, die das Integrierte System der Unternehmensführung bildet.
Abb. 2.4 Integriertes System der Unternehmensführung
Die Ebenen der Unternehmensführung bauen hierarchisch aufeinander auf. Die jeweils übergeordneten Teilfunktionen bilden den Rahmen für untergeordnete Teilfunktionen. Die normative Ebene prägt den Gestaltungsrahmen, der einem Unternehmen seine Identität verleiht. Die strategische Unternehmensführung beschäftigt sich im Rahmen der normativen
42
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
Vorgaben mit der Schaffung neuer und der Weiterentwicklung bestehender Erfolgspotenziale. Auf der operativen Ebene werden die Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie ausgeführt und die dabei anfallenden laufenden Aktivitäten gelenkt. Die Führungsfunktionen stehen in einem komplementären Zusammenhang und nicht zwingend gleichberechtigt nebeneinander. So kann die Organisation in einem stabilen Umfeld mit wiederkehrenden Teilfunktionen durch die Standardisierung von Abläufen und Regeln dominieren. In einem sehr dynamischen Umfeld kann es dagegen wichtiger sein, die Verhaltensperspektive in den Vordergrund zu stellen. In diesem Fall kommt dem Personalmanagement ein größeres Gewicht zu. Ebenso kann dabei das Planungs- und Kontrollsystem z. B. die Stärkung dezentraler Verantwortung zum Ziel haben. Neben der Aufgabenorientierung erklärt auch der kulturelle Hintergrund unterschiedliche Schwerpunkte. So bevorzugen anglo-amerikanische Unternehmen meist Planung und Kontrolle, während z. B. Prozessabläufe weniger standardisiert sind. Asiatisch geprägte Unternehmen oder auch Unternehmen in romanischen Ländern werden eher durch Verhaltenssteuerung geführt. Während bei asiatischen Unternehmen das Gruppendenken dominiert, bevorzugen europäische Unternehmen eine patriarchalische Führung. In Deutschland wird z. B. meist stark auf fehlerfreie Prozesse geachtet und daher der Organisation ein hoher Stellenwert eingeräumt. Sowohl in der Literatur als auch in der Praxis haben sich für die Unternehmensführung Unterstützungsfunktionen entwickelt. Neben dem bereits erwähnten Informationsmanagement sind als weitere wesentliche Unterstützungsfunktionen zu nennen: • Marketing hilft der Unternehmensführung, die Bedürfnisse und Wünsche der Zielmärkte zu ermitteln und diese dann wirksamer als die Wettbewerber zufrieden zu stellen. Es ist der Planungs- und Durchführungsprozess der Konzeption, Preisfindung, Förderung und Verbreitung von Ideen, Waren und Dienstleistungen, um Austauschprozesse zur Zufriedenstellung der Kunden herbeizuführen. Damit steht es für die Ausrichtung eines Unternehmens auf die Anforderungen der Märkte und Kunden und bedeutet weit mehr als den Verkauf von Produkten. • Qualitätsmanagement unterstützt die Unternehmensführung bei der Erfüllung der Produktanforderungen. Es beschreibt den Aufbau und Ablauf der Qualitätsaufgaben sowie die dabei einzusetzenden Instrumente. Das Qualitätsmanagement sorgt für die Vermeidung von Fehlern und für die Verbesserung der Kundenzufriedenheit. • Logistik unterstützt die Unternehmensführung bei der Prozessorientierung und gestaltet Durch- und Umlaufprozesse im Unternehmen und auch zu Kunden und Lieferanten. • Innovationsmanagement unterstützt bei der Entwicklung von Neuerungen in Prozessen und Produkten. • Controlling ist eine Unterstützungsfunktion zur ergebnisorientierten Unternehmensführung. Es sichert die Rationalität von Entscheidungen durch Transparenz in Ergebnissen und auch in Finanzen, Prozessen und Strategien. Es gestaltet und integriert das Planungsund das Kontrollsystem, ohne deren Inhalte zu bestimmen. Es koordiniert die Führungsfunktionen und -ebenen und sichert die dazu erforderliche Informationsversorgung (vgl. Dillerup, 2009).
2.4 Integrationsfunktion der Unternehmensführung
43
Bei den Unterstützungsfunktionen handelt es sich um spezialisierte Institutionen, die der Unternehmensführung in einzelnen Aufgaben oder auch bei der Koordination von Funktionen und Ebenen Hilfestellung leisten. Als spezialisierte Dienstleister mit Expertenwissen unterstützen sie die Unternehmensführung bei der Bewältigung ihrer komplexen Aufgabe und stellen deshalb keine eigenständigen Führungsfunktionen dar. Daher sind sie auch nicht im integrierten System der Unternehmensführung aufgeführt. Unterstützungsfunktionen richten ein Unternehmen auf bestimmte Ziele wie z. B. die Qualität, den Markt oder die Wirtschaftlichkeit aus.
2.4
Integrationsfunktion der Unternehmensführung
Abb. 2.5 Integriertes System der Unternehmensführung
Innerhalb der Unternehmensführung ist die Bedeutung der Funktionen und Ebenen immer wieder aufs Neue aufeinander abzustimmen, damit sie sich in ihrer Wirkung unterstützen. Diese Koordination ist eine generelle Aufgabe der Unternehmensführung, die alle Funktionen und Ebenen betrifft. Die Funktionen stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern hängen miteinander zusammen. So ist eine Strategie die Vorgabe für betriebliche Aktivitäten, wofür es geeigneter Strukturen und eines abgestimmten Personalmanagements bedarf. Für die konsequente Ausrichtung eines Geschäftsbereiches kann z. B. eine organisatorische Veranke-
44
2 Erfolgsfaktor integrierte Unternehmensführung
rung als Sparte sinnvoll sein. Zudem kann die Umsetzung der Strategie mit abgestimmten Anreiz- und Entlohnungsmodellen gefördert werden. Eine solche Koordination der Funktionen untereinander ermöglicht eine horizontal abgestimmte Unternehmensführung. Da die Führungsebenen hierarchisch ineinander greifen, sind die Funktionen ebenso vertikal zu koordinieren. Beispielsweise sollten sich die Strategien der Geschäftsfelder und die daraus resultierenden operativen Aktivitäten aus der Mission des Gesamtunternehmens ableiten. Die Integration der Führungsebenen ist aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit der Entscheidungen von zentraler Bedeutung. Die Unternehmensführung ist für die Gesamtheit des Unternehmens und damit auch für die Fülle an Führungsaufgaben verantwortlich. Daraus resultiert ihre hohe Komplexität. Die Notwendigkeit eines integrierten Führungsansatzes ist in Theorie und Praxis unbestritten. Die Abstimmungsprozesse basieren zumeist auf Plausibilitätsüberlegungen und lassen sich erst im konkreten Fall spezifizieren. Eine Ausnahme bildet dabei das Planungs- und Kontrollsystem, welches sich über die Ergebniszielorientierung in einem stringenten Planungssystem vom Unternehmenswert bis zur operativen Budgetierung auch quantitativ fassen lässt. Abstimmungen horizontaler Art basieren dabei überwiegend auf qualitativen Überlegungen, Hypothesen über Ursache-Wirkungsbeziehungen und Plausibilitäten. So hat z. B. Bleicher (2004) die Integration durch Profile in der Ausprägung jedes Führungsbausteins beschrieben und diese miteinander verglichen.
2.5
Literaturverzeichnis
Bleicher, K.: Das Konzept integriertes Management, 7. Aufl., Frankfurt/New York 2004. Dillerup, R./Stoi, R.: Unternehmensführung, 2. Aufl., München 2008. Dillerup, R.: Controlling, in: Pepels, W. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 4. Aufl., Stuttgart 2009. Hungenberg, H.: Strategisches Management im Unternehmen, 4. Aufl., Wiesbaden 2006. Kieser, A./Walgenbach, P.: Organisation, 4. Aufl., Stuttgart 2003. Macharzina, K./Wolf, J.: Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2005. Müller-Stewens, G./Lechner, C.: Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen, 3. Aufl., Stuttgart 2005. Steinmann, H./Schreyögg, G.: Management, 6. Aufl., Wiesbaden 2005. Wöhe G./ Döring U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23. Aufl., München 2008.
3
Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
Prof. Dr. Daniela Eisele „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Heraklit von Ephesus, ca. 540–480 v. Chr. Dieses Zitat zeigt, dass Veränderung auch immer Konstanz beinhaltet. D.h. langfristiger Erfolg ist untrennbar mit Veränderungen verbunden, aber an sich gleichzeitig Konstante. Dies gilt auch für 40 Jahre Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung (BU) in Heilbronn und voraussichtlich für viele weitere Jahre. Einen Blick in die Zukunft, das haben Studierende des Masterstudienganges Unternehmensführung (MU) mit externer Unterstützung gewagt: • wie dieser „Ausflug“ in die Vorlesung Change Management eingebunden war, • wie dabei didaktisch und praktisch vorgegangen wurde und • was dabei herauskam, wird im Folgenden beschrieben.
46
3.1
3 Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
Das Fach Change Management
In der englischsprachigen Veranstaltung Change Management steht die optimale Begleitung geplanter Veränderungen im Fokus. In geplanten Veränderungen werden bestimmte Schritte zur Erreichung definierter Ergebnisse durchlaufen. Dabei ist der historische Kontext bekannt und wird beachtet. Zwischen den Beteiligten und den Betroffenen wird (offen) über die Veränderung kommuniziert und der Prozess wird konstant überwacht und begleitet (vgl. Caluwé/Vermaak, 2003, S. 73). Vor diesem Hintergrund gehört es zu den Lernzielen der Veranstaltung, theoretisches Grundlagenwissen zum Change Management aufzubauen und insbesondere die typischen Phasen und wesentliche Instrumente eines Veränderungsprozesses kennen zu lernen. Darüber hinaus soll ein Gespür für die besonderen Herausforderungen und Hindernisse von Veränderungsprozessen entwickelt werden. Folgende Ziele werden mit Blick auf das (spätere) Berufsleben angestrebt: • Es soll ein Verständnis für die Notwendigkeit von Veränderungen und deren vielfältige Gestalt entstehen. • Den Studierenden sollen darüber hinaus grundlegende Fähigkeiten zur Begleitung von Change Prozessen an die Hand gegeben werden. • Dazu gehören die Konzeption und Durchführung verschiedener Analysen und Interventionen, Systemeingriffe zur Änderung von Sichtweisen und Verhalten. Zu den methodischen Zielen gehört das Training analytischer und insbesondere kommunikativer Fähigkeiten. Um auch in einem internationalen Umfeld diese Fähigkeiten erfolgreich umsetzen zu können, ist eine freie Verständigung in englischer Sprache erforderlich. Auslöser und damit auch gewünschte Ergebnisse von Veränderungen können sehr vielfältig sein. Auslöser sind Internationalisierung, IT oder andere technische Innovationen, Fusionen, Kostensenkung u. v. m., wie Umfragen von Cap Gemini Consulting (2007) oder IBM Global Services (2008) zeigen. Prinzipiell liegen sie • auf der Makroebene (im politischen, rechtlichen, sozialen, technischen, ökonomischen oder ökologischen Umfeld), • auf der Mikroebene (durch Lieferanten, Kunden, Wettbewerber oder Infrastruktur bedingt) und/oder • im Unternehmen selbst (in der Lebenszyklusphase, Unternehmenskultur, Organisation und Strukturen, Prozessen, personellen oder finanziellen Ressourcen). So kann bspw. eine neue technische Entwicklung Prozesse erheblich verbilligen, aber nur, wenn sich die technische wie die sozio-kulturelle Organisation auch verändern. Wenn dagegen ein neuer Wettbewerber aggressiv in den Markt tritt, kann ein Unternehmen mit seiner bislang eher defensiven Wettbewerbsstrategie nicht mehr überleben. Oder ein Start-up Unternehmen erreicht eine Größenordnung, in der nicht mehr alles von der Geschäftsführung direkt gesteuert werden kann und eine Neuorganisation notwendig wird.
3.1 Das Fach Change Management
47
Ebenfalls sehr unterschiedlich können Zeitpunkt und Intensität geplanter Veränderungen sein. Mit Hilfe dieser zwei Dimensionen können Veränderungen beschrieben werden als (vgl. Burmann, 2002, S. 428) • • • •
Feinabstimmung (antizipativ und inkrementell), Neuorientierung (antizipativ aber fundamental), Anpassung (reaktiv und inkrementell) oder Erneuerung (reaktiv aber fundamental).
Dagegen folgen Veränderungsprozesse einer typischen Schrittfolge. Diese wird zwar in unterschiedlich viele Sequenzen zerlegt, z. B. von Kotter (1996) in acht Phasen oder von Doppler/Lauterburg (2005) in zwölf. Letztendlich lassen sich aber (in Anlehnung an Caluwé/Vermaak, 2003, S. 97) alle Veränderungsprozesse auf einen schematischen Change-Cycle in nur vier Phasen zurückführen: • • • •
Analyse- bzw. Diagnosephase Wahl der Change-Strategie Planung der Maßnahmen Durchführung der Interventionen
Bevor jedoch die Phasen und einzelne Instrumente betrachtet wurden, ermöglichten vier Theorien zur Irrationalität einen „Blick unter die Grasnarbe“ (vgl. Caluwé/Vermaak, 2003, S. 36ff; Doppler/Lauterburg, 2005, S. 200ff): • Das Konzept der lose gekoppelten Systeme (vgl. z. B. Rohn, 2006, S. 142ff.) wurde am Beispiel des „Mülleimer-Modells von Cohen, March und Olsen (vgl. Macharzina/Wolf, 2008, S. 629ff.) und Anderen verdeutlicht. • Führen und führen lassen (vgl. Neuberger, 2002, S. 593ff.), konnte bspw. anhand von „Westentaschenvetos“ veranschaulicht werden. Damit ist die verdeckte Verweigerung an der Basis gemeint, nach dem Motto: „...ok, das steht da, aber es funktioniert hier anders...“ • Die Chaostheorie wurde mit dem “Schmetterlingseffekt von Lorenz (vgl. Deser, 1997, S. 28) und anderen Modellen greifbar gemacht. • Um soziale Mechanismen zu verdeutlichen wurde u. a. das Eisberg-Modell aufgegriffen (vgl. Doppler, 2005, S. 203f). Aus diesen Betrachtungen wurden folgende generelle Empfehlungen für die Begleitung von Veränderungsprozessen abgeleitet: • • • • •
Keine Beschränkung auf Top-down und rationale Ansätze. Um einen Fortschritt zu erreichen, müssen Prioritäten gesetzt werden. Konkretes Verhalten und nicht nur Intentionen einfordern. Spannungen in einer Organisation sind zu akzeptieren, da unvermeidbar. Verantwortung ist abzugeben: Mitarbeiter bearbeiten die eigentlichen Prozesse, Manager die sekundären, wie planen, steuern und kontrollieren.
48
3 Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
• Die Analyse der “unsichtbaren Welt” ist wichtig, um die Kräfte des Widerstandes, aber auch Treiber zu identifizieren. • Die treibenden Kräfte sind im Sinne der Veränderung zu nutzen.
3.1.1
Veränderung in Farbe
Die Autoren Caluwé/Vermaak des Begleitbuches unterscheiden fünf Herangehensweisen an Veränderungsprozesse und machen dies farbig einprägsam: Farbe Gelb
Grundannahme: Menschen und Dinge verändern sich, wenn… ihre Interessen einbezogen werden oder sie die Dinge zumindest akzeptieren können.
Hauptaktivitäten: Um Veränderung zu erreichen muss bzw. müssen… die Vorteile für den Einzelnen bzw. die Gruppe hervorgehoben werden. die Interessen der mächtigen Akteure vereinbart werden. Win-win-Situationen kreiert werden.
Die Aufmerksamkeit gilt insbesondere… Interessen, Parteien und wichtigen Spielern im Feld.
Blau
von Anfang an ein klares Ergebnis aufgezeigt wird.
klare Ziele formuliert werden. schrittweise geplant werden. Komplexität reduziert werden. die Kontrolle behalten werden.
der Planung und Organisation sowie Ergebnisorientierung.
Rot
Menschen mit den richtigen Anreizsystemen (Strafen) stimuliert (abgeschreckt) werden.
Anreizsysteme implementiert werden. eine angenehme Atmosphäre geschaffen werden. Dinge attraktiv dargestellt werden.
dem menschlichen Faktor.
Grün
Menschen gemeinsam lernen und damit die Organisation lernt.
ein Bewusstsein für neue Erkenntnisse geschaffen werden. Motivation und gute Bedingungen zum Lernen erreicht werden. Lernprozesse zugelassen werden.
der Motivation zum gemeinsamen Lernen.
Weiß
den Energien freien Lauf gelassen wird und Hindernisse beseitigt werden.
die Stärken und Interessen der Menschen als Startpunkt dienen. den Dingen Bedeutung gegeben werden. Symbole und Rituale genutzt werden.
der Vertrauensbildung in die Selbstwirksamkeit der Kräfte.
Tab. 3.1
Herangehensweisen an Veränderungen (in Anlehnung an Caluwé/Vermaak, 2003, S. 39)
Neben einem Test zu welchem Stil die Studierenden jeweils tendieren, wurde exemplarisch eine Fallstudie auf Basis der jeweiligen Ausrichtung bearbeitet und vorgestellt. Dann erfolgte der Einstieg in die Diagnosephase. Die Analyseinstrumente sind zahlreich (vgl. Caluwé/Vermaak, 2003, S. 160f.), so wurden einzelne herausgegriffen und anhand von konkreten Aufgabenstellungen angewendet und geübt. Die Analyseinstrumente mit Fokus auf den Wandel wurden an einem Fallbeispiel aus der Unternehmenspraxis praktisch erprobt: • • • •
Die KlimaKurve auf der individuellen Ebene, die Stakeholder Map auf der Gruppenebene, das Change Management Assessment auf der Organisationsebene und die Kraftfeldanalyse auf der Umfeldebene.
3.1 Das Fach Change Management
49
Zunächst wurde dazu das Veränderungsvorhaben von der Change Managerin des Fallunternehmens vorgestellt und Ziele und Bedingungen erläutert. Zielsetzung des betrachteten Projektes „Einführung Geschäftsmodell Personal“ war es, die Personalprozesse so anzupassen, dass das neue Geschäftsmodell des Personalbereichs im Konzern auch im Fallunternehmen übernommen werden kann. In dem neuen Geschäftsmodell Personal sind die administrativen Standardprozesse, wie die Personalvorauswahl oder Vertrags- und Zeugniserstellung, konzernweit zentral gebündelt und automatisiert. Dafür stehen den Linienverantwortlichen der Unternehmen Business Partner als strategische Berater in Personalfragen zur Verfügung. Wiederum in der Konzernzentrale angesiedelt ist das Expertenwissen, z. B. zur betrieblichen Altersversorgung, in einem so genannten Competence Center. Die Leitung des Personalbereichs ist für die konzernweite strategische Ausrichtung und Governance zuständig (vgl. allg. auch Kolb, 2008, S. 620 u. Eisele/Doye, 2009, S. 29.) Für die dezentralen Einheiten, in denen teilweise noch das Entgelt vor Ort abgerechnet wurde, beinhaltet diese Neuausrichtung erhebliche Veränderungen. Nach der Projektvorstellung wurden in der Veranstaltung zunächst das Umfeld beleuchtet und im Folgenden die Organisations- und die Teamebene. So wurden nach der Analyse von Treibern und Widerständen die verschiedenen Interessenträger definiert und in verschiedenen Teams Stakeholder-Maps (vgl. Gardner/Rachlin/Sweeney, 1986 u. Beiersdorf Human Resources, 2007, F. 23) erarbeitet. In einer gemeinsamen Diskussion erfolgte die Zusammenfassung zu einer Matrix, wie nachstehend ausschnittsweise abgebildet.
Abb. 3.1 Stakeholder-Map für das Praxisbeispiel
Aufbauend auf den Erkenntnissen der Diagnosephase ist prinzipiell die Herangehensweise zu wählen. Zentrale Einflussfaktoren auf die Strategiewahl können generell wieder mit den verschiedenen Farben veranschaulicht werden:
50
3 Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
• Ein gelb gefärbter Ansatz liegt in einem politischen Umfeld nahe, wenn die zu erwartenden Widerstände eher hoch sind und das Ergebnis z. B. eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ist. • Ein blauer Ansatz kann in einem technischen Umfeld, wenn die Ergebnisse eher prozessorientiert sind und der Widerstand nicht zu ausgeprägt ist, zum Erfolg führen. • Ein rot gefärbtes Herangehen empfiehlt sich in einem sozialen Umfeld, wenn vorrangig Verhaltensänderungen angestrebt werden und wenn mit mittleren Widerständen gerechnet werden muss. • Grün bietet für ein Beratungsumfeld, bei mittleren Widerstandskräften und wenn der Employability der Beschäftigten besonderes Augenmerk zukommen soll eine effektive Strategie. Unter Employability wird dabei die Aufgabe, die Arbeitsmarktfähigkeit oder Arbeitsmarktfitness zu erhalten oder herzustellen, verstanden (vgl. Speck, 2008). • Weiß empfiehlt sich in (virtuellen) Netzwerken, wenn die Selbst-Steuerung als wesentlich erachtet wird und der zu erwartende Widerstand allenfalls mittelmäßig ist. Es kommt auch auf den Stil des Verantwortlichen an, welche grundsätzliche Richtung er letztendlich einschlägt: Für eine stark analytisch geprägte und dominante Persönlichkeit sind überwiegend grüne oder weiß gefärbte Ansätze weniger geeignet Steht das grundsätzliche Vorgehen fest, sind konkrete Interventionen zu planen. Dabei kommt es nicht nur auf die einzelne Maßnahme an, sondern auf deren Zusammenspiel. Ist das Maßnahmenbündel rund, folgt die Umsetzung. Die theoretische wie praktische Vermittlung verschiedener Interventionsmöglichkeiten, wie beispielhaft in nachstehender Abbildung genannt, erfolgte in so genannten Toolshops. Zielebene
Gesamtorganisation
Beispiele für gelbe Interventionen
Verhandlung der Arbeitsbedin- Konfrontationsmeetings gungen
Outplacement
Beispiele für blaue Interventionen
Redesign von Geschäftsprozes- Entscheidungsprozesse sen
Management by Objectives
Beispiele für rote Interventionen
Anreizsysteme
Soziale Events
Personalgewinnung und -auswahl
Beispiele für grüne Interventionen
Qualitätszirkel
Teamentwicklung
Coaching
Beispiele für weiße Interventionen
Future Search Conference
Open Space
Trainingsgruppe (T-Group)
Gruppe
Individuum
Tab. 3.2 Mögliche Interventionen (in Anlehnung an Caluwé/Vermaak, 2003, S.136ff.)
3.2 Toolshop: Future Search Conference
3.1.2
51
Toolshops als didaktisches Instrument
Alle in vorstehender Tabelle fett markierten Interventionen wurden im Rahmen von Toolshops vertieft. Der Begriff Toolshop ist eine Wortschöpfung und beinhaltet folgende Aspekte: • Tools, übersetzt mit Handwerkszeug, hier als Synonym für Interventionen, die im Rahmen von Veränderungen zum Einsatz kommen (können), z. B. also die Einführung neuer Anreizsysteme oder die Durchführung von Outplacements. • Shops im Sinne von moderierten Workshops, also Arbeitstreffen, zum gemeinsamen Erarbeiten und Erleben der Instrumente. Die Aufteilung der verschiedenen Themen auf Dreierteams erfolgte bereits zu Beginn des Semesters, so dass die Studierenden genügend Zeit hatten ihren Toolshop vorzubereiten. Dabei wurde mit jedem Team vereinbart, dass • • • •
vor dem Toolshop ein Regieplan vorliegt. das jeweilige Instrument detailliert vorgestellt wird. eine interaktive Übung unter Einbezug der Teilnehmer durchgeführt wird. Feedback zum Toolshop angenommen wird und einem anderen Team konstruktiv Feedback gegeben wird.
Als Input erhielten alle Gruppen • Basisinformationen zum jeweiligen Instrument, wie Definitionen, Funktionen, Einsatzbereiche etc. • methodische Unterstützung und Beispiele, wie ein Toolshop geplant und umgesetzt wird. • Informationen zum Feedback-Geben und Nehmen auf Grundlage eines Beurteilungsbogens. So gerüstet übernahmen sechs Dreierteams die Verantwortung für die Vermittlung von Kenntnissen aber auch Erfahrungswerten in jeweils zwei bis drei Stunden. Ein eintägiger Toolshop wurde von der Dozentin moderiert: Die Future Search Conference (FSC), in deren Rahmen die Entwicklung des Studiengangs „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung an der Hochschule Heilbronn“ das Thema war.
3.2
Toolshop: Future Search Conference
Der Einsatzbereich der Future Search Conference (FSC) ist breit (vgl. Weisbord, 1991). In Wirtschaftsunternehmen bietet sich das Format insbesondere bei Veränderungen in Folge von Fusionen an. Eine Besonderheit ist der Kreis der Teilnehmer, der möglichst verschiedene Stakeholder umfasst. D. h. im Falle einer Fusion nehmen nicht nur die Managementteams teil, auch Vertreter der Mitarbeiterschaft, Kunden, Lieferanten und ggf. Vertreter der Öffentlichkeit werden beteiligt. Die FSC ist ein meist mehrtägiges Großgruppenformat, um aufbau-
52
3 Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
end auf der Reflektion der Vergangenheit und Einschätzung der gegenwärtigen Position ein gemeinsames Zukunftsbild sowie Aktivitäten zu dessen Verwirklichung zu entwickeln. Das Format wurde für den vorliegenden Zweck, der Betrachtung der Studiengangsentwicklung, leicht angepasst: u. a. wurden alle Agendapunkte gekürzt und die Aktivitätenplanung wurde außen vor gelassen. Daher konnte die Konferenz auf einen Tag angesetzt werden. Als Stakeholder konnten neben den Studierenden und der Dozentin ein ehemaliger Vertreter des Studienganges, Herr Prof. Dr. Vogler, und eine Personalberaterin, Frau Windmüller von Dr. Heimeier & Partner Management- und Personalberatung GmbH, gewonnen werden. Während Erster die Perspektive der Hochschule auch aus vergangenen Zeiten vertreten konnte, wurde Zweitgenannte als Repräsentantin des Arbeitsmarktes eingebunden. Die Ziele des Toolshops lagen darin • Verständnis für die (historische) Entwicklung des Studienganges zu entwickeln und einen Überblick über den gegenwärtigen Stand zu erhalten. • Szenarien für das Studium der Zukunft zu entwickeln. • das Wir-Gefühl zu stärken.
Abb. 3.2 Ausschnitte aus dem Zeitstrahl BU
Zunächst wurde Vergangenheit und Gegenwart beleuchtet. Dazu erstellten die Studierenden in drei Teams Zeitstrahls, wie nachstehend ausschnittsweise abgebildet. Input wurde dabei durch Herrn Prof. Dr. Vogler gegeben. Außerdem wurde Informationsmaterial bereitgestellt, z. B. verschiedene Studien- und Prüfungsordnungen, Artikel zum Studiengang und zur Hochschule.
3.3 Entwicklung von Zukunftsbildern für den Studiengang
3.3
53
Entwicklung von Zukunftsbildern für den Studiengang
Am Nachmittag gab Frau Windmüller einen Überblick über das Aufgabenspektrum für und (zukünftige) Anforderungen des Arbeitsmarktes an Akademiker der Wirtschaftswissenschaften. Anschließend erhielten die Studierenden eine Einführung in die Szenariotechnik. Unter einem „Szenario“ ist generell die Beschreibung eines Bildes eines Prognosegegenstands, vorliegend also des Studienganges, bei alternativer Entwicklung relevanter Einflussfaktoren (unterschiedliche bildungspolitische, demografische und andere Entwicklungen) zu verstehen. Einen vierstufigen Ansatz der Szenariotechnik bietet Peter Schwartz, ehemaliger Leiter der Abteilung Szenario-Planung bei Shell und nach wie vor als Chef von Global Business Networks (GBN) führend in der Zukunftsforschung. Das Vorgehen wurde wie nachstehend abgebildet angewendet (vgl. Schwartz, 1991, S. 16ff u. DGFP, 2005).
Abb. 3.3 Szenarienentwicklung in vier Phasen (in Anlehnung an Schwartz, 1991)
Generell werden möglichst viele Einflussfaktoren und dann die zentralen Treiber identifiziert sowie alternative Entwicklungen dieser betrachtet. Im Folgenden sind verschiedene Ausprägungen so zu verbinden, dass konsistente Bilder der Zukunft entstehen.
3.3.1
Treibermatrix für die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge
Um die aufwändige Präparationsphase abzukürzen, wurde im Toolshop auf eine aktuelle Studie zu „Schlüsselfaktoren der Entwicklung der deutschen Studienlandschaft“ zurückgegriffen (vgl. Adomßent et al., 2008, S. 34). Die dort ermittelten Treiber wurden in einer ge-
54
3 Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
meinsamen Diskussion angepasst und übernommen. Dann wurden in den Teams zukünftig mögliche Ausprägungen für die einzelnen Treiber entwickelt und im Plenum in einer so genannten Treibermatrix zusammengefasst. Die folgende Tabelle stellt das Ergebnis aus Platzgründen verkürzt dar: Wissenschaft Generalisten
Werte Heterogenität
Gesellschaft europäisch
Wirtschaft
Spezialisten
(Organisations) individuell
Quotenvorgaben
globaler Arbeitsmarkt neue Berufe
Methodik vor Inhalt
Leistungsdruck hoch
Studium mit Kind
perfektes Matching
Selbststudium überwiegt Fallstudien statt Prüfungen Praxisdozenten total international
Leistungsdruck gering
niedrige Fertilität
Planwirtschaft
große Einkommensschere Elitengesellschaft Urbanisiserung
Anforderungen an HS hoch Betriebe bilden aus
Bildungspolitik 10.000 € pro Semester Elitehochschulen (schulen + kitas) Bildungsprivatisierung Hochbegabtenförderung strenge Aufnahmeprüfungen kostenlose Bildung Gesamtschulen
Organisation HS Fakultätsübergreifend Studierende als Kunden
Technologie nur noch elektronische Bib. weltweite Kurswahl
Internationalisierung Studierende aus aller Welt Studieren in aller Welt
professionelle Admin keine Geldprobleme optimale Ausstattung kein Geld
virtuelle Hochschule BlendedLearning
internationale Dozenten Austauschpart ner kein Deutsch mehr versch. Sprachen Sprachverfall
Menschen beamen Tafelaufschrieb
miese Bedingungen
Tab. 3.3 Treibermatrix der Studiengangsentwicklung
3.3.2
Szenarios: Weitere 25 Jahre BU und MU
Der Alternativenraum wird häufig anhand von drei Szenarien aufgespannt: „HeavenSzenario“, „Middle-Szenario“ und „Hell-Szenario. Diesem Ansatz wurde in der Imaginationsphase gefolgt. Unter der Bedingung der Konsistenz des Gesamtbildes, wurden dazu gemeinsam folgende Leitfragen beantwortet: • Welche Ausprägungen würden wir uns wünschen? • Welche Ausprägungen halten wir für wahrscheinlich? • Welche Ausprägungen treten hoffentlich nicht ein? Als nicht wünschenswert wurde eine extreme Spezialisierung mit alleiniger Ausrichtung auf konkrete Anforderungen aus der Wirtschaft gesehen. In diesem Bild wird an Eliteschulen in einer von Eliten geprägten Gesellschaft mit einer sehr hohen Einkommensschere gelehrt und ausschließlich auftragsbezogen geforscht. Auf Grund dieser von der Wirtschaft und Eliten bestimmten Lehre und Forschung herrschen an der Hochschule keine Geldsorgen, was dazu führt, dass die Administration perfekt funktioniert und die Ausstattung vom Feinsten ist, natürlich auch technologisch. Allerdings wurde in diesem Bild auch eine Abkoppelung von
3.3 Entwicklung von Zukunftsbildern für den Studiengang
55
der Globalisierung gesehen, d. h. Auslandsbeziehungen finden nicht mehr statt. „Man(n) bleibt unter sich.“ Das zuständige Team hat das Zukunftsbild anhand einer Erzählung über den Werdegang des privilegierten Janik II. (Fantasiename) veranschaulicht. Als wünschenswert wurde dagegen (zumindest von den weiblichen Kursteilnehmer, die die Mehrheit darstellten) das folgende Szenario beschrieben: In einem sehr internationalen Umfeld wird in verschiedenen Sprachen, überwiegend in Englisch, aber auch Spanisch und Chinesisch sowie nach wie vor Deutsch, anhand von Fallstudien gelehrt und gelernt. Das Studium, auch im Ausland, mit Kind ist unproblematisch. An jeder Hochschule gibt es unbürokratisch Möglichkeiten der Kinderbetreuung, auch die Mitnahme in die bunten Veranstaltungen ist möglich; Sozialkompetenz und flexible Methoden stehen schließlich im Vordergrund der Ausbildung. Das Gleiche gilt für den Berufseinstieg. Der Arbeitsmarkt ist global, die Bedingungen sind sich ähnlich. Ergänzt wird dieses Bild durch Ausnutzen der technischen Möglichkeiten. Geld ist zwar nie genügend da, aber die internationale Gemeinschaft weiß, dass im Nachwuchs (der durch eine Verbesserung der Lebensumstände weltweit weiter abnimmt) die Zukunft liegt und ist bereit, zu investieren. Wenn daher eine Präsenz nicht verwirklicht werden kann, können sich die Studierenden in alle Veranstaltungen per Videokonferenz einklinken. Dass alle Angebote im Blended Learning um virtuelle Bestandteile ergänzt sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Das Wunschbild wurde in einem Gespräch zwischen zwei Studierenden (mit Nachwuchs) vertont. Das wahrscheinlichste Szenario wurde vom zuständigen Team als kurzer Video-Clip aufgenommen, in dem zwei Studierende aus dem Jahr 2034 einem Rentner, der in den 80er Jahren des 20. Jh. die – noch etwas andere – Hochschule besucht hatte, Rede und Antwort standen. Denn die Internationalisierung wird nach Meinung der Gruppe weiter stark zunehmen, d. h. es werden sowohl mehr ausländische Gastdozenten und Studierende hier erwartet, wie auch (noch) mehr Möglichkeiten in ein anderes Land zu gehen und dort einen (zweiten) Abschluss zu erwerben. Die Mehrzahl der Kurse wird (auch) in englischer Sprache angeboten. Da die meisten Kurse online unterstützt werden und damit parallele Belegungen und ergänzende geblockte Aufenthalte möglich sind, ist die Wahl des Landes sehr flexibel. Dies zumal die Ausrichtung eher generalistisch ist. Spezialisierungen werden regelmäßig erst nach dem grundständigen Studium erworben. Auch wenn der Schritt der Entwicklung konkreter Maßnahmenpläne in diesem Rahmen ausgespart wurde, wird durch das Vorgehen bereits ein kleines Stückchen Zukunft gestaltet. Denn den Studierenden bleibt so sicherlich nicht nur die FSC, als Beispiel nur einer Intervention im Rahmen von Veränderungen, gut im Gedächtnis. Wenn auch nicht gesteuert, so mag das Erlebte doch auch zukünftiges Tun an der einen oder anderen Stelle beeinflussen. Mit fast 80% der Studierenden im Auslandssemester und Unterrichtssprache Englisch in allen Kursen des zweiten Semesters ist der Studiengang ohnehin bereits auf dem Weg in eine solche Zukunft, wie sie dann auch immer genau aussehen mag.
56
3.4
3 Future Search Conference: Ein Toolshop im Fach Change Management
Literatur
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4
Controlling – quo vadis?
Prof. Dr. Karlheinz Haberlandt
4.1
Controlling – ein Pseudo-Anglizismus!
Bereits die Bezeichnung unseres Studiengangs an der Hochschule Heilbronn: „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ stellt klar, dass es sich hier um zwei verwandte, aber von einander zu unterscheidende wissenschaftliche Disziplinen handelt. Was „Controlling“ in Bezug auf diese beiden Fachgebiete bedeutet, ist weit weniger eindeutig. Für einen, vor allem auch um die Klarheit wissenschaftlicher Begriffe bemühten Betriebswirt bleibt es geradezu peinlich, dass es sich bei dem Begriff „Controlling“ um einen Pseudoanglizismus handelt, der einem ursprünglich klar definierten Aufgaben- und Arbeitsbereich des Controllers eine gewisse Modernität verleihen sollte. In der englischen und amerikanischen Sprache gibt es zwar die Worte „controller, controllership, to control“, nicht aber das Substantiv „controlling“. War Controlling vor etwa 50 Jahren noch eine Art Neologismus, also eine Spracherfindung, die eine scheinbare Benennungslücke schließen sollte, so ist dieser Begriff heute in der deutschen betriebswirtschaftlichen Fachsprache und in der deutschen Praxis, fast nicht mehr umstritten, und meistens unreflektiert in Gebrauch. Norm-Unsicherheit gibt es allenfalls noch in der Aussprache, ob das Wort Controlling in deutscher oder englischer Phonetik ausgesprochen werden soll. Hier soll nicht darüber geklagt werden, ob oder dass die kulturelle Eigenständigkeit der deutschen Sprache vielleicht unter dem Scheinanglizismus Controlling zu leiden habe, vielmehr
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4 Controlling – quo vadis?
ist zu prüfen, wieweit unter Controlling, als der Bezeichnung einer recht unbestimmten betriebswirtschaftlichen Teildisziplin, Erkenntnisse der allgemeinen Betriebswirtschaft und der Unternehmensführung nur neu verpackt, also alter Wein in neue Schläuche abgefüllt wird, oder ob mit wissenschaftlichen Methoden neue Erkenntnisse gewonnen und die Betriebswirtschaft als Wissenschaft weiterentwickelt und bereichert wurde und wird. Zur Beantwortung der Frage: „Wohin des Wegs – Controlling?“ ist es jedoch erforderlich, zuvor die Herkunft und den heutigen Standort, also Wurzeln und Begriff des Controlling zu klären.
4.2
Betriebswirtschaft und Unternehmensführung als „Controlling-Wurzeln“
Zunächst wird von der These ausgegangen, dass das betriebliche Rechnungswesen eine, wenn nicht sogar die Hauptwurzel, der auf den deutschen Sprachraum begrenzten, als Controlling bezeichneten betriebswirtschaftlichen Teildisziplin ist. Begriff und Bedeutung des betrieblichen Rechnungswesens im Kontext zu Controlling, Betriebswirtschaft und Unternehmensführung werden im Abschnitt 4.4 zu klären versucht. Buchhaltung und Wirtschaftsrechnen nahmen in der handelswissenschaftlichen Literatur, spätestens aber ab dem 16. Jahrhundert, einen breiten Raum ein. Buchhaltungsaufzeichnungen lassen sich schon im alten Ägypten nachweisen. Von Jacques Savary (1622–1690) wurde über das Rechnungswesen hinaus bereits die Frage erörtert: „Wie kann auf eine redliche Weise dauernd der größte Gewinn erzielt werden?“ (vgl. Weber, 1914, S. 22). In ihren Anfängen, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, wurde die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre wegen ihrer Beschäftigung mit den damaligen Techniken des Rechnungswesens als unwissenschaftliche Kunstlehre abgetan. Sie gehe nur empirisch vor, sie beschreibe nur Vorgefundenes und befasse sich mit Rezepten und Ratschlägen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, also am Anfang der Betriebswirtschaft als Wissenschaft, wurde über die Bezeichnung des Faches und seines Erkenntnisobjektes als Betrieb oder Unternehmen oder Privatwirtschaft mindestens genau so heftig diskutiert, wie in den letzten Jahrzehnten über Controlling. Das Gleiche gilt für das Auswahl- beziehungsweise Identitätsprinzip Rentabilität oder gemeinwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit, und für den Vorrang positiver oder normativer Zielsetzung der betriebswirtschaftlichen Disziplin. Eugen Schmalenbach befasste sich mit Grundprinzipien des betrieblichen Wirtschaftens vorwiegend normativ. Er leitete aus seinen Erkenntnissen über das betriebliche Rechnungswesen Verfahrensregeln ab. Mit seinem gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeitsprinzip hat er die Controlling-Diskussion über ergebnisorientierte Planung und Kontrolle anstelle gewinnzielorientierter Zielsetzung zum Beispiel für öffentliche „Non-Profit“-Betriebe (Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser) längstens vorweggenommen (vgl. Schmalenbach, 1956). Wilhelm Rieger dagegen konzentrierte sich rein rational, positiv und wertfrei auf die „ kapitalistischen“ Unternehmen der Marktwirtschaft mit nachhaltigem Rentabilitätsstreben (vgl. Rieger, 1959, S. 56 ff.).
4.2 Betriebswirtschaft und Unternehmensführung als „Controlling-Wurzeln“
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Die Inflation in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts löste eine intensive Beschäftigung mit der externen Rechnungslegung aus, mit wegweisenden Bilanztheorien, mit Finanz- und Liquiditätspolitik. Die gelenkte deutsche Wirtschaft der 30er und 40er Jahre führte zur intensiven Beschäftigung mit der internen Rechnungslegung. Der Erlass des Reichswirtschaftsministeriums vom 11.11.1937 „betreffend Buchhaltungsrichtlinien und Organisationsrichtlinien für die Buchführung“, erarbeitet von dem Reichsausschuss für Betriebswirtschaft, gliederte das betriebliche Rechnungswesen in Buchführung, Kostenrechnung, Planungsrechnung und Statistik, eine Einteilung, die ganze Generationen von Betriebswirten als historisches Entwicklungsergebnis der Praxis vermittelt bekommen haben. Bemerkenswert ist hier, dass Planungsrechnung nicht etwa nur als Preiskalkulation und Plankostenrechnung, sondern als Periodenplanung zu verstehen war. Nach 1945 und mit der Wiedereinführung der Marktwirtschaft in Deutschland konzentrierte sich ein Zweig der betriebswirtschaftlichen Forschung, angeführt von Erich Gutenberg, mit einem positiv mathematisch-deduktiven Ansatz auf die funktionale Betrachtung von Produktion, Absatz und Finanzierung (vgl. Gutenberg, 1960/1972/1973). Hier wurde das Rechnungswesen als zu behandelte wissenschaftliche Teildisziplin weitgehend ausgeblendet, erhielt jedoch in der Entwicklung funktionaler Beschreibungs-, Erklärungs- und Entscheidungsmodelle einen instrumentellen Charakter. Zu beachten ist, dass diese Modelle eo ipso zweckrational und grundsätzlich entpersonalisiert sind. Die rational gewonnenen Ergebnisse, z. B. Investitions- und Finanzrechnungen, Optimierungsrechnung in Beschaffung, Produktion und Absatz, können zwanglos der Planungsrechnung und Statistik als Zweige des Rechnungswesens zugeordnet werden. Parallel hierzu setzte sich in der deutschen Betriebswirtschaftslehre ab den 60er Jahren, angeführt von Edmund Heinen, der als entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftlehre bezeichnete Forschungsansatz durch (vgl. Heinen, 1966). Dieser Ansatz, obwohl schon in den Anfängen der Betriebswirtschaft zum Beispiel von Nicklisch vertreten (vgl. Nicklisch, 1932), kommt einem fundamentalen Paradigmawechsel gleich. Nicht der Betrieb oder Unternehmen sind Erkenntnisobjekt, sondern der von Personen in diesen Institutionen bewirkte Entscheidungsprozess. Nicht Ausgangspunkt und Ergebnis dieser Entscheidungen, sondern der Prozess, seine Ursachen, Bedingungen und Verlauf sollen Gegenstand der Disziplin sein. Mit dem Menschen und seinen Handlungen im Betrieb als Erkenntnisobjekt, verlässt die Disziplin jedoch den rein rational wirtschaftlichen Aspekt und weitgehend ihr Identitätsprinzip. Sie muss zumindest die Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Organisations- und teilweise der Ingenieurwissenschaften in ihre Erkenntnisgewinnung einbeziehen, da der Mensch nicht nur begrenzt rational handelt und in seinen Entscheidungen und Handlungen von vielen verschiedenen Faktoren des Lebens bestimmt wird. In diesem Zusammenhang führt Curt Sandig (vgl. Sandig, 1953) in einer Monographie den Begriff Betriebswirtschaftspolitik ein, in der 1. Auflage (1953) als Untertitel und Programm, in der 2., wesentlich erweiterten Auflage (1966) als Haupttitel. Politisches Element ist dabei die Hypothese, dass im Betrieb die Ziele und Entscheidungen mit Hilfe von Menschen gegenüber Menschen durchgesetzt werden müssen. Dieser verhaltensorientierte Aspekt, der in der Controlling-Diskussion zunehmend Bedeutung gewinnt, wurde schon vor einem halben Jahrhundert detailliert behandelt, bevor der Controlling-Begriff überhaupt geprägt wurde. In der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, wie auch in der Betriebswirtschafts-
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4 Controlling – quo vadis?
politik wird dagegen das betriebliche Rechnungswesen nicht explizit zum Gegenstand der Forschung, sondern geht nahezu nebensächlich als instrumentale vorhandene Basis in die Untersuchungen ein (vgl. Vogler, 1976, S. 73ff.). An Universitäten und teilweise auch an den Fachhochschulen wurde und wird Buchhaltung und Kostenrechnung vielfach nur noch am Rande als Propädeutik (gr. = Vorschulung) gelehrt. Dagegen hat die Automatisierte Datenverarbeitung in den letzten 60 Jahren eine geradezu atemberaubende Entwicklung durchlaufen (von der Lochkarte über viele Stufen, Band, Platte, Disketten, PC zum multifunktionalen Mobil-Telefon). Kern der betriebswirtschaftlichen Anwendung, des heute großspurig als Informations-Technik bezeichneten technischen Instrumentariums ist allerdings nach wie vor das betriebliche Rechnungswesen mit allen vier im Reichserlass 1937 angeführten Teildisziplinen. Die Informations-Technik wurde von der betriebswirtschaftlichen Forschung bezüglich des Rechnungswesens ziemlich alleine gelassen. Ab Mitte der 60er Jahre und intensiv in den 70er Jahren wurde unter dem Schlagwort Management Information System (MIS) die Informationsgewinnung als Berichts- und Steuerungssystem für die Unternehmensführung in erster Linie aus dem betrieblichen Rechnungswesen entwickelt und diskutiert. Wesentliche Entwicklungen des Rechnungswesens wurden dabei von den Systemanbietern (Hard- und Software) und in den Unternehmen selbst vorangetrieben. Best Practice der Technik sowie betriebswirtschaftlicher State of the Art klaffen jedoch noch heute in der praktischen Anwendung in vielen Unternehmen weit auseinander. Die Nachkriegsdiskussion über die normative Betrachtung in der deutschen Betriebswirtschaftslehre hat sich jedoch in Verbindung mit der angelsächsischen Managementlehre (Business Administration) letztlich zu einer umfangreichen Lehre der Unternehmensführung entwickelt. Dabei bleibt noch offen, ob sie letztlich zu einer betriebswirtschaftlichen Theorie der Unternehmensführung oder vorrangig zu einer Interdisziplin, unter Einschluss der Nachbardisziplinen unter Federführung der Betriebswirtschaftslehre gestaltet wird. Erkenntnisobjekt ist vorrangig der Entscheidungsprozess sämtlicher betrieblicher Ziele und Maßnahmen mit den Hauptphasen Planung, Durchführung beziehungsweise Steuerung und Kontrolle. Zum Thema Unternehmensplanung und hier insbesondere zur langfristigen beziehungsweise strategischen Unternehmensplanung ist seit 1960 eine ganze Flut theoretisch wissenschaftliche und praxisorientierte Veröffentlichungen erschienen. Das RKW veröffentlichte 1962 eine erste Bibliographie über die Literatur zur Unternehmensplanung (vgl. RKW, 1961). Zum Beispiel – und nur zum Beispiel – wurden bereits 1968 in einem Ergänzungsheft der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, damals herausgegeben von Erich Gutenberg, die Vorträge eines vom Battelle Institute veranstalteten Industrie-Kolloquiums unter dem Titel „Langfristige Unternehmensplanung“ veröffentlicht.(vgl. ZfB, 1968) Dieses Ergänzungsheft enthält Hinweise auf 64 Monographien und 30 teilweise umfangreiche Zeitschriftenaufsätze zum Thema Unternehmensplanung. Im Jahre 1983 wurde von Helmut Koch im Auftrag der Schmalenbach-Gesellschaft – Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. – ein Sonderheft der Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (vgl. zfbf, 1983) mit dem Titel „Unternehmensstrategien und Strategische Planung“ herausgegeben. Danach ist eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Beiträgen als Lehrbücher, Monographien und Zeitschriftenartikel zu den Themen Unternehmensplanung und Unternehmensführung erschienen.
4.3 Kritik an den aktuellen Controlling-Definitionen
61
Wer die betriebswirtschaftliche Literatur bis 1990 zum Thema Unternehmensführung nur in etwa kennt, ist nicht selten überrascht, was danach unter der Überschrift Controlling in wissenschaftlichen Veröffentlichungen als neue Erkenntnis angeboten wird. Eine sorgfältigere Literaturrecherche wäre durchaus für wissenschaftliche Veröffentlichungen aus dem Hochschulbereich geboten gewesen.
4.3
Kritik an den aktuellen Controlling-Definitionen
4.3.1
Das Problem der Begriffsbildung
Zum Thema Controlling wurden in den letzten vierzig Jahren nahezu im wörtlichen Sinne unzählige Monographien und Zeitschriftenartikel von Praktikern, Beratern und Hochschullehrern veröffentlicht. Nach wie vor ist der Begriff Controlling unbestimmt und unklar. Wenn heute von einem Autor überhaupt noch eine Begriffsbestimmung vorgenommen wird, weil der Leser sowieso wissen sollte oder wissen muss was Controlling ist, so ist ihm anscheinend die Freiheit der eigenen Begriffsbildung wichtiger, als zu einer eindeutigen und unverwechselbaren Beziehung zwischen dem beschriebenen Sachverhalt und einer Normierung des Prädikators „Controlling“ beizutragen, also zu einem allgemein anerkannten Fachausdruck, einem Terminus. Das sollte man den Praktikern nachsehen, nicht aber den Wissenschaftlern. Bei den wissenschaftlichen Autoren des Controlling bleibt in der Regel unklar, ob sie mit ihren unterschiedlichen Definitionen tatsächlich identische Sachverhalte klarstellen wollen, oder ob sie mit ihren unterschiedlichen, nicht normierten Prädikatoren verschiedene, vielleicht aber identisch gemeinte Sachverhalte beschreiben. Die dargelegten Realdefinitionen sind dabei dann weder richtig noch falsch, allenfalls aber unzweckmäßig. (zum Zweck und Entstehung wissenschaftlicher Terminologien siehe Vogler, 1976, S. 9ff.). Die Kritik könnte sich daher eigentlich nur auf die Zweckmäßigkeit der verschiedenen Realdefinitionen beschränken. Es spricht aber Vieles dafür, dass auch die Zweckmäßigkeit des gemeinsam gewählten Erkenntnisobjektes in Zweifel gezogen werden muss. Der Begriff Controlling ist nach einer vierzigjährigen Debatte einfach noch kein allgemein anerkannter Terminus der Betriebswirtschaftslehre. Das zeigen die aktuellen Definitionsbeispiele aus den führenden Controlling-Lehrbüchern.
4.3.2
Drei prominente Controlling-Definitionen
Trotz der Vielzahl verschiedener Controlling-Definitionen kann die Kritik auf die aktuellen Aussagen in den jüngsten Auflagen der drei wissenschaftlichen Meinungsführer begrenzt werden. Es handelt sich dabei um Péter Horváth (vgl. Horváth, 2009a; Horváth & Partners, 2009b), Jürgen Weber (vgl. Weber/Schäffer, 2008) und Albrecht Deyhle, dem Gründer der Controller Akademie und des ersten Controller-Vereins. Stellvertretend für Deyhle wird das Controller Leitbild der International Group of Controlling, St. Gallen (www.igccontrolling.org) zugrunde gelegt, das der Internationale Controller Verein e.V., Gauting (ICV) (www.controllerverein.com) ebenfalls als Leitbild unverändert übernommen hat (vgl.
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4 Controlling – quo vadis?
ICV, 2007, S. 8) und dem im Wesentlichen die Definitionen und Überlegungen von Deyhle zugrunde liegen. • Horváth definiert wie folgt: „Die Controllingfunktion (oder Controlling) besteht in der ergebniszielorientierten Koordination von Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung. Sie ist die (gedankliche) Zusammenfassung der einzelnen Controllingaufgaben in einer Organisation.“ (vgl. Horváth, 2009, S. 123). „Controller (seltener Comptroller) ist die Bezeichnung für den Aufgabenträger, der die Controllingaufgaben im Sinne von Controllership wahrnimmt. Wir können zusammenfassend definieren: Controlling ist – funktional gesehen – dasjenige Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt. Controlling stellt damit eine Unterstützung der Führung dar, es ermöglicht ihr, das Gesamtsystem ergebniszielorientiert an Umweltänderungen anzupassen und die Koordinationsaufgaben hinsichtlich des operativen Systems wahrzunehmen.“ • Jürgen Weber versteht zusammenfassend unter Controlling die „Rationalisierungssicherung der Führung“ (Weber/Schäffer, 2008, S. 33ff.). „Innerhalb der Controllingaufgaben lässt sich mit Rationalisierungssicherung ein Aufgabentyp herausarbeiten, der zwar nicht ausschließlich, aber doch schwerpunktmäßig von Controllern wahrgenommen wird. Rationalitätssicherung ist in der betriebswirtschaftlichen Theorie bislang nur verstreut und zudem nur wenig ausgiebig diskutiert. Controlling sei deshalb funktional als Rationalitätssicherung im Kontext dominierender Koordination durch Pläne definiert und als eine weitere Spezialdisziplin in das Gebäude der Betriebswirtschaftslehre eingeordnet. Durch die induktive Ableitung des Controllings ist eine enge Verbindung zwischen Controlling und Controllership gewährleistet. Controlling muss so nicht normativ gesetzt werden, sondern lässt sich empirisch ableiten.“ • Das Controller Leitbild des IGC und ICV, das wesentlich auch von Weber geprägt wurde, geht noch weiter: „Controller gestalten und begleiten den Management-Prozess der Zielfindung, Planung und Steuerung und tragen damit Mitverantwortung für die Zielerreichung. Sie sorgen für Strategie-, Ergebnis-, Finanz-, Prozesstransparenz und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei. – Sie koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren unternehmensübergreifend das zukunftsorientierte Berichtswesen. – Sie moderieren und gestalten den Management-Prozess der Zielfindung, der Planung und der Steuerung so, dass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handeln kann. – Sie leisten den dazu erforderlichen Service der betriebswirtschaftlichen Daten- und Informationsversorgung. – Sie gestalten und pflegen die Controllingsysteme.“ Diese drei Autoren haben im Übrigen gemeinsam, dass jeder seit Jahren eine selbständige Fachzeitschrift herausgibt: Deyhle seit 34 Jahren das Controller Magazin, Horváth seit 21 Jahren die Zeitschrift Controlling. Die Zeitschrift Controlling & Management, Mitherausgeber Weber, kann mit ihrem neuen Titel (ZfCM) den 53. Jahrgang verzeichnen. Diese drei Autoren lenken natürlich direkt und über die Autoren, die in ihre akademische Schule gegangen sind, was zum Thema Controlling publiziert wird. Umso mehr sind die Aussagen
4.3 Kritik an den aktuellen Controlling-Definitionen
63
dieser drei Herausgeber repräsentativ für das, was zum Controlling als Begriff und betriebswirtschaftliche Disziplin aktuell geschrieben und gesagt wird.
4.3.3
Irrtum im Erkenntnisobjekt?
Offensichtlich muss von allen drei Autoren etwas ganz Kompliziertes „ganz arg viel“ erklärt werden. Lässt sich in ihren Definitionen klar und überzeugend erkennen, was das wissenschaftliche Erkenntnisobjekt und das Auswahlprinzip ist? An der großen Bandbreite der betrieblichen Personen, die als Controller bezeichnet werden oder sich Controller nennen, wie sie Anthony bereits 1965 beschrieb, hat sich bis heute nichts geändert: „In practice, people with the title of controller have functions that are, at the one extreme, little more than bookkeeping and, at the other extreme, de facto general management.“ (Anthony, S. 28; zitiert nach Weber/Schäffer, S. 2). Haben die zitierten Autoren und die gesamte ControllerCommunity nicht tatsächlich versucht, den Controller zum wissenschaftlichen Erkenntnisobjekt einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin zu stilisieren? Verräterisch, aber zur Stützung dieser These ist der Hinweis Webers, dass aus der engen Verbindung aus Controllership und Controlling nichts normativ gesetzt werde, sondern sich empirisch ableiten lasse. Controllership definiert dabei die Aufgaben des Controllers. Eindeutig leitet Horváth seine Definition aus einer Fülle empirischer Studien über die Aufgaben des Controllers ab, von seiner ersten Auflage 1979 bis zur 11. in 2009. Personen mit wechselndem Aufgabenspektrum, unterschiedlicher fachlicher Vorbildung in einer nahezu unbegrenzten Vielgestaltigkeit von sich ständig verändernden Betrieben sind gewiss kein taugliches Erkenntnisobjekt einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin; von oft recht fragwürdigen empirischen Studien, z. B. der Auswertung von Stellenanzeigen, wenig repräsentativer Befragungen einiger Controller, ganz abgesehen. Man stelle sich nur vor, die Vertreter des Marketing hätten den Verkäufer zu ihrem Erkenntnisobjekt gemacht oder die wissenschaftliche Unternehmensführung den Unternehmer oder bestimmte Manager. Aus der Tätigkeit von Personen, die als Controller bezeichnet werden, aber in der Praxis völlig unterschiedliche Aufgabengebiete zu verantworten haben, auf Controlling als einer umfassenden Funktion mit dem Charakter einer Teildisziplin schließen zu wollen, bleibt ein Versuch am untauglichen Objekt, was auch die anhaltende Begriffsverwirrung erklärt. Wenn man aber schon der Meinung ist, Controlling aus den von Controllern wahrgenommenen vielgestaltigen und teilweise heterogenen Tätigkeiten mittels Empirie ableiten zu können, dann wäre es doch naheliegend, bei der Vielgestaltigkeit der Tätigkeiten in Art, Umfang, Umfeld, Vorbildung der Personen, eine Typologie des Controllers zu entwickeln. Das wäre eine logische Zwischenstufe zwischen Empirie und theoretischen Aussagen. Hier ist aber leider Fehlanzeige (zur Zwecksetzung und Bildung von Typen vgl. Kosiol, S. 23ff.).
4.3.4
Planung als Controlling-Funktion?
Anscheinend haben die Controlling-Autoren bei der Person des Controllers schon früh eine gewisse Affinität zur Unternehmensplanung entdeckt. Controlling bestand noch in den 60er Jahren im ursprünglichen Sinne von „control“ als Steuern, in der Erstellung der kurzfristigen monatlichen Erfolgsrechnung mit Soll-Ist-Vergleich auf der Basis der Gewinn- und Verlustrechnung und der operativen Jahresplanung mit „monthly control figures“. Bei amerikani-
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4 Controlling – quo vadis?
scher Rechnungslegung benötigte der amerikanische Controller dazu eine relativ detaillierte Kosten- und Leistungsrechnung, da hier im Gegensatz zur deutschen Praxis nach dem Umsatzkosten- und nicht nach dem Gesamtkostenverfahren abgerechnet wurde. Ohne leistungsfähige automatisierte Datenverarbeitung war das Erstellen der termingerechten, zeitnahen monatlichen Erfolgsrechnung mit Gegenüberstellung der monatlichen Sollzahlen, die Feststellung der Abweichungen und eine erste Analyse der Abweichungen eine den Controller vollkommen ausfüllende Arbeit. Für die Bilanz, das Finanzwesen, die Liquiditätssicherung gab es den Treasurer. Gegebenenfalls berichteten beide auf gleicher hierarchischer Ebene an den Leiter der Finanzwirtschaft. Für die operativen und die strategische Planung gab es eine Planungsabteilung, meistens als einen der Geschäftsleitung zugeordneten Stab. Aus dem operativen Jahresplan, leitete der Controller die für die Steuerung erforderlichen kurzfristigen Soll-Vorgaben ab, in der Regel auf Monatsebene. Hier ist auch die Plankostenrechnung als Aufgabengebiet zuzuordnen, die bereits in der gelenkten Wirtschaft in den 30er und 40er Jahren entwickelt wurde. Das Steuern des Controllers also „to control“ wurde wörtlich verstanden. Steuern zur gewinnorientierten Beherrschung der Gegenwart musste zeitnahe erfolgen, jetzt, aktuell (bei IBM weltweit in den 60er und 70er Jahren am dritten Arbeitstag des Folgemonats). Kurzfristig festgestellte Abweichungen vom Plan sollten rechtzeitig zu operativen und dispositiven Maßnahmen führen. Dabei desavouierte die vielfach nicht um Tage, sondern um Wochen verspätete Ergebnisvorlage häufig die Plankostenrechnung als brauchbares Steuerungsinstrument. Die vorgegebenen monatlichen Planzahlen waren das Ergebnis der Umsetzung der aus der strategischen Planung überführten Vorgaben für die operative Jahresplanung. Steuern, also „to control“, ist und bleibt ein kurzfristiges Geschäft. Auch strategische Entscheidungen, die umgesetzt werden sollen und die damit zielbestimmend für die operative und dispositive Planung sind, müssen in der Gegenwart getroffen werden. Sie sind damit Ausdruck eines „Steuerungsvorgangs“, dem ein Soll-Ist-Vergleich vorausgeht. Das was Steuern ist, ist beim Autofahren unstrittig. Die Planung der Reise, das Festlegen des Reiseziels, der Termine, der Ausrüstung, ist in Analogie die strategische und kürzerfristig die operative Führungs- und Leitungsaufgabe. Den Kurs bei der Fahrt zu halten, Hindernisse zu umfahren, passiert in der Gegenwart und ist Steuerungsaufgabe. Die Vorgabe, das Reiseziel während der Fahrt zu ändern oder die Anordnung umzukehren, entspricht einer strategischen Entscheidung, ist ein Umsteuern und geschieht ebenfalls in der Gegenwart. Was hat sich an der Steuerungsfunktion in den Unternehmen in den letzten 40 Jahren eigentlich geändert? Eigentlich nichts, doch auf jeden Fall die Informationstechnik. Die automatisierte Datenverarbeitung ermöglicht heute mit wenig Personal, weitgehend automatisch die Erstellung einer detaillierten Kosten- und Leistungsrechnung, die zeitnahe, sogar tägliche Erstellung der kurzfristigen Erfolgsrechnung, detaillierte Soll-Ist-Vergleiche und Abweichungsanalysen, sowie Erstellung und Präsentation der hierzu erforderlichen Berichte. Was soll oder muss der Controller in diesem Umfeld „noch“ machen? Sind deshalb die Planungsabteilungen aufzulösen und mit der Controllingabteilung zu fusionieren? Lag und liegt hierin das Problem des Controllers, strebt er darum nach mehr, will er deshalb die Planung vereinnahmen, zunächst die operative Planung und dann auch noch die strategische? Wie die Aufgaben und Zuständigkeit in einem Unternehmen verteilt werden, ist zunächst eine organisatorische Frage mit personalpolitischem Charakter. Auf der wissenschaftlichen Ebene der
4.3 Kritik an den aktuellen Controlling-Definitionen
65
Betriebswirtschaftslehre und hier insbesondere in der normativen Ausrichtung der Unternehmensführung, bestand und besteht kein Bedarf an einer ergänzenden controllingorientierten Unternehmensplanung. Dieses Feld war und ist eindeutig besetzt mit einem eindeutigen Erkenntnisobjekt: dem betrieblichen Zielbildungs- und Entscheidungsprozess.
4.3.5
Koordination als Kernaufgabe des Controllers?
Horváth hebt bereits seit 1979 in der ersten Auflage seines Lehrbuchs Controlling (vgl. Horváth, 1979, S. 23ff.) nachdrücklich auf die Koordination ab, als das entscheidende konstitutive Merkmal des Controlling. Sowohl in der Lehre der Betriebswirtschaftspolitik als auch in der Unternehmensführung als wissenschaftliche Disziplinen wird als selbstverständlich angesehen und unterstellt, dass die Unternehmensführung und auf allen organisatorischen Ebenen die Führungskräfte (Manager) für die Koordination aller Prozesse zuständig sind. Es geht auch nicht an, den Planungs- und Kontrollprozess auszugliedern und an Stäbe zu delegieren, da nur diejenigen, die auch für die Durchführung verantwortlich sind, auch für die Planung zuständig sein müssen. Dagegen kann, die Metaplanung, also die Planung der Planung, und die Organisation ihrer Durchführung beratend und unterstützend an Stäbe delegiert werden. Aber die Verantwortung dafür, die Planung kann nicht delegiert werden. Die oberste Leitung des Unternehmens ist nicht etwa nur Bauherr, sondern muss Architekt und Projektleiter der Gestaltung des betrieblichen Planungs- und Kontrollsystems sein. Damit liegt auch die Koordination zunächst eindeutig bei der Unternehmensleitung und beim Management. Wenn man den Prozess und das Ergebnis der Organisation des Planungsprozesses als Koordination bezeichnet und wenn für diese Organisation als neuer Aufgabe der Controller zuständig sein soll, dann wächst dem Controller als einem Stabsmann eine „gewisse“ Koordinationsfunktion zu, die er nie autonom, sondern stets in Vollmacht der Unternehmensleitung und in Abstimmung mit allen Planungsbeteiligten wahrnehmen kann. Diese „geliehene“ Funktion jedoch als Hauptaufgabe des Controllers und je nach Blickrichtung auch als Erkenntnisobjekt oder wahlweise als Identitätsprinzip für eine Controllingfunktion zu wählen, – das trägt nicht, – das ist als wissenschaftlicher Forschungsgegenstand nur sehr beschränkt geeignet. Dem Planungsprozess selbst ist jedoch eine andere, eine spezifische Koordination inhärent. Alle rentabilitätsorientierten Teilprozesse der strategischen und operativen Planung eines Unternehmens münden letztlich in geplante Gewinn- und Verlustrechnungen sowie in Planbilanzen. Die Zusammenführung der Teilpläne, das Austarieren des Einsatzes begrenzter Finanzmittel, die Dialog- und Rückkoppelungsprozesse zum zielführenden und zielkonformen Mitteleinsatz können auch als Koordinationsprozess bezeichnet werden. Soweit der Controller für diese Planungsrechnung verantwortlich gemacht werden soll, obliegt ihm eine formale Koordinationsaufgabe. Sein Instrument ist dabei das betriebliche Rechnungswesen, das die Methoden und Verfahren der Planungsrechnung mit einschließt. In der Terminologie der Controller-Autoren müssten dann die in der Regel in Stäben organisierten Unternehmensplaner in Unternehmens-Koordinatoren umbenannt werden.
66
4.3.6
4 Controlling – quo vadis?
Controlling als betriebswirtschaftliche Daten- und Informationsversorgung?
Pauschal und generell kann es nicht angehen, den Controller für die Daten- und Informationsversorgung des gesamten betrieblichen Entscheidungsprozess zuständig und verantwortlich machen zu wollen. Das trifft nicht einmal für den Planungsprozess zu, in dem zahlreiche externe Markt- und Technik-Daten benötigt werden und zu verarbeiten sind. Der Controller verfügt lediglich über das betriebliche Rechnungswesen als einer weitgehend unternehmensinternen Informationsquelle, die wiederum nur einen Teil des betrieblichen Informationssystems darstellt. Zur Bewältigung der technischen Aufgaben bedarf es der InformationsSpezialisten. Das fängt bei der Auswahl geeigneter Verarbeitungs-Systeme (SoftwareAuswahl) an und mündet außer in Erfolgsrechnung und Bilanz (Ist und Plan) in instruktiv aufbereitete Berichte. Controlling pauschal als „Service der betriebswirtschaftlichen Datenund Informationsversorgung“ zu definieren ist einfach zu umfassend und damit zu ungenau, trägt daher nichts zur Begriffsklärung bei und gibt zu erheblichen Missverständnissen Anlass.
4.3.7
Der Controller gestaltet und moderiert den Management-Prozess?
Wenn die obersten Führungskräfte nichts von Unternehmensführung verstehen, der oder die Chefs zum Beispiel produktive, kreative, vielleicht auch technikverliebte Ingenieure, Chemiker, Physiker sind, dann ist es erforderlich, einen rational, gewinn- und liquiditätssichernden Kaufmann beziehungsweise Betriebswirt zur Seite zu haben. Häufig findet man in kleinen und mittleren Unternehmen die Trennung zwischen Techniker und Kaufmann in der Unternehmensleitung. In der Regel ist der Kaufmann für die Finanzwirtschaft und die Verwaltung einschließlich Rechnungswesen verantwortlich. Soll das künftig der Controller sein? Wenn er zudem den Managementprozess der Zielbildung und Unternehmensplanung gestaltet und moderieren soll, dann ist er zugleich oberster Leiter des Unternehmens, Chief Executive Officer (CEO). Dieses Bild hat ja Anthony bereits 1965 als eine extreme Aufgabenstellung des Controllers beschrieben. Die Vision des Controller-Leitbildes des ICV ignoriert vollkommen, dass heute in größeren Unternehmen in allen Funktionsbereichen betriebswirtschaftlich ausgebildete Führungskräfte tätig sind, denen man nicht sagen muss, was Unternehmensplanung ist und wie diese gemacht wird. Für den unbefangenen Leser des Controller-Leitbildes, aber erst recht für einen ausgebildeten Betriebswirt, stellt sich die Frage, welche Aufgabe dann für den Unternehmer und das Top-Management übrig bleibt, wenn sie einen vom ICV ausgebildeten Controller in ihren Reihen hat. Der Controller-Verband will am liebsten auch die Begriffe Betriebswirtschaft und Unternehmensführung durch Controlling ersetzen. Hierfür kommt dem Verband der publizistische Modetrend entgegen, dementsprechend es zurzeit fast kein betriebswirtschaftlich behandeltes Problem gibt, das im Titel nicht das Wort Controlling als schmückendes Attribut enthält.
4.4 Betriebliches Rechnungswesen als Controlling-Erkenntnisobjekt
67
Weber schließlich übersieht oder unterschlägt mit seiner neuen Definition des Controllingbegriffs, indem er den weitgehend normierten Prädikator Rationalität als prägendes Element seiner neuen Begriffserklärung zuordnet, dass die Zweck-Rationalität im normativen Teil der Betriebswirtschaft, und damit auch in der Unternehmensführung, nicht nur unterstellt, sondern Voraussetzung aller getroffenen wissenschaftlichen Aussagen ist. Hauptgrund für alle Verwirrungen um und Unschärfen des Controllingbegriffs ist die Tatsache, dass die Wahl des Controllers als Erkenntnisobjekt für Controlling als Teildisziplin der Betriebswirtschaft ungeeignet und einfach irreführend ist.
4.4
Betriebliches Rechnungswesen als Controlling-Erkenntnisobjekt
Wird das betriebliche Rechnungswesen als wissenschaftliches Erkenntnisobjekt des Controlling zu Grunde gelegt, dann lautet die klare und eindeutige Definition: „Controlling ist der rationale Einsatz des betrieblichen Rechnungswesens zur Führung eines Unternehmens.“ Zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit dieser Definition sind die verwendeten beschreibenden Prädikatoren Unternehmen, Führung des Unternehmens und betriebliches Rechnungswesen zu klären. Dabei ist es von Vorteil, dass diese drei Prädikatoren in der Betriebswirtschaftslehre weitgehend als allgemein anerkannte Fachausdrücke, also als Termini, betrachtet werden können.
4.4.1
Rationale Führung und Zielsetzung des Unternehmens
Das Unternehmen ist der autonome Wirtschaftsbetrieb in der Marktwirtschaft. Es kann als wirtschaftliches, soziales, technisches offenes lernendes System, also unter verschiedensten Aspekten als kybernetisches System betrachtet werden. Als einem kybernetischen lernenden System ist dem Unternehmen der Soll-Ist-Vergleich inhärent, als Basis und Voraussetzung der Regelung, also des zielgerichteten Korrektur- und Lernprozesses. Die Regelungsstrecke, in welcher die Korrekturen als Vorgaben umgesetzt werden, sind die realen Leistungsressourcen, die als Ausführungssystem gestaltet sind. Festzuhalten ist zunächst der Tatbestand des Soll-Ist-Vergleichs als zentraler Funktion im Führungsprozess (vgl. Dillerup/Stoi, 2008, S. 35ff.), aber auch als Hauptbestandteil des Controlling. Ein Betrachtungsaspekt im systemtheoretischen Ansatz und gleichzeitig das Erkenntnisobjekt der Unternehmensführung ist der Entscheidungsprozess im Unternehmen mit den Phasen Planung, Steuerung und Kontrolle. Der Entscheidungsprozess schließt auch die Zielbildung mit ein, bezüglich der grundlegenden systembildenden und das Führungssystem ausrichtenden Entscheidungen. Als Steuerungsfunktion kann hierbei der unmittelbare Soll-IstVergleich und seine Maßnahmenauslösung bezeichnet werden, die Gestaltung der übergeordneten Sollvorgabe und die sie auslösenden Zielkorrekturen dagegen als Leitungsfunktion. Ansatzweise können diesem Leitungsprozess die strategische Planung und Kontrolle und die damit verbundenen Strukturentscheidungen zugeordnet werden. Dementsprechend besteht die operative und dispositive Planung und Kontrolle aus der vorbereitenden Umsetzung der
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4 Controlling – quo vadis?
vorgegebenen spezifizierten Zielsetzung mit unmittelbarer Maßnahmenbeeinflussung des Ausführungssystems als Prozessentscheidungen im Rahmen bestehender Strukturen. Sowohl die Leitungs- als auch die Steuerungsfunktionen haben als Kern den Soll-Ist-Vergleich und sind damit Gegenstand des Controlling. Die grundlegende Zielsetzung von Unternehmen als nachhaltiges Rentabilitätsstreben, das sowohl die Gewinnerzielung, das Wirtschaftlichkeitspostulat und im Sinne der Existenzsicherung die Kapitalmehrung umschließt, dürfte heute weitgehend unumstritten sein. Sandig formuliert diese Zielsetzung meines Erachtens am zutreffendsten mit „Erhaltung und Mehrung der Wirtschaftskraft der Unternehmen“ (vgl. Sandig, S. 82ff.). Die Wirtschaftlichkeit, das heißt der sparsamste Einsatz von Mitteln zur vorgegebenen Zielerreichung (Minimalprinzip) und/oder die bestmögliche Zielerreichung mit gegebenen Mitteln (Maximalprinzip) ist das Identitätsprinzip der Betriebswirtschaftslehre, durch dessen Anwendung auf das Erfahrungsobjekt „Unternehmen“ oder allgemeiner „Betrieb“ das Erkenntnisobjekt isoliert wird. Die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips setzt das Rationalitätsprinzip voraus. Sämtliche Soll-Ist-Vergleiche im Führungsprozess setzen Messbarkeit, also Quantifizierung voraus. Diese Messbarkeit liefert das betriebliche Rechnungswesen. Seine zielorientierte Anwendung setzt eo ipso die Rationalität voraus, die von Weber daher gar nicht erst als besondere und neue Controllingaufgabe postuliert werden muss. Etwas Anderes ist es, wenn man von den Managern und damit auch von dem Controller in ihrem praktischen Handeln mehr Rationalität einfordert als die Prozesse und die Ergebnisse ihrer Entscheidungen häufig erkennen lassen.
4.4.2
Betriebliches Rechnungswesen als Kapital- und Wirtschaftlichkeitsrechnung
In der betriebswirtschaftlichen Lehre wird das Erkenntnisobjekt Unternehmen aus verschiedenen Gesichtswinkeln (Betrachtungsaspekte) analysiert. Basis ist die reale Güter- und Leistungswirtschaft mit den Funktionen Beschaffung, Produktion, Absatz. Ein weiterer Aspekt ist der informatorische. Hier werden die Erkenntnisse über den leistungswirtschaftlichen Aspekt in der Verwaltungsfunktion als Daten, Nachrichten und Informationen erfasst, gespeichert und übermittelt. Die Gesamtheit dieses informatorischen Aspekts, ist das Informationssystem des Unternehmens. Die Finanzwirtschaft der Unternehmen ist ein weiterer Aspekt. Hier wird der reale leistungswirtschaftliche Bereich abstrakt unter finanziellen, das heißt unter monetären, also letztlich unter kapitalwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet. Zentrales InformationsInstrument der betrieblichen Finanzwirtschaft sind unbestritten Buchhaltung und Kostenrechnung. Daher wird im Weiteren unter dem betrieblichen Rechnungswesen der Teil des betrieblichen Informationssystems verstanden, der sich mit der Kapitalwirtschaft befasst. Auch der Kapitalbegriff war in den Anfängen der Betriebswirtschaftslehre Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Das Kapital hat in Analogie zum Wasser drei Aggregationszustände, flüssig, fest als Eis, flüchtig als heißer oder kalter Dampf. Bar- und Buchgeld stellen das flüssige Kapital dar. In diesem Sinne hat Preiser 1963 den Kapitalbegriff eindeutig und klar definiert (vgl. Preiser, 1963, S 14ff.).
4.4 Betriebliches Rechnungswesen als Controlling-Erkenntnisobjekt
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• Als flüssige Mittel mit Ausgaben und Einnahmen wird der Kapitalbegriff allgemein und eindeutig in der Liquiditäts- und in der Investitionsrechnung verwendet. • Das Einkleiden (Investitur) flüssiger Mittel in Wirtschaftsgüter aller Art führt zum bilanziellen Vermögen, das auch als „verfestigte“ (illiquide) Form des ursprünglich flüssigen Kapitals aufgefasst werden kann. Das bilanzielle Vermögen der Unternehmen auf der Aktivseite der Bilanz, wird in der Volkswirtschaftslehre (heute wohl besser Makroökonomie) als Kapital, oder genauer als Realkapital bezeichnet. • In der Bilanzlehre wird die Aktivseite auch als Kapitalverwendung und die Passivseite als Kapitalherkunft interpretiert. Erich Schäfer bezeichnet die Rechtsansprüche an die Unternehmen, wie sie auf der Passivseite dargestellt werden, auch als Anteil „am Wertnetz der Volkswirtschaft, am volkswirtschaftlichen Nominalkapital“ (vgl. Schäfer, 1961, S. 31). Dieser abstrakte Anspruch auf und das Recht an den materiellen und immateriellen Vermögenswerten der Unternehmen ist der dritte Aggregationszustand des Kapitals. „Dieses Kapital“ ist abstrakt und in Analogie zum Wasser flüchtig, dem heißen und kalten Dampf in seiner Wirkung gleich. Ausgaben und Einnahmen, Aufwand und Ertrag, Kosten und Leistung, als Begriffe der ökonomischen Kinetik charakterisieren nichts anderes als Bewegungen des Kapitals in unterschiedlichen Aggregats- und Abstraktionszuständen. Kosten können dabei als „Einsatz von Kapital“ (flüssig, fest, abstrakt) zum Zwecke der Erstellung betrieblicher Leistungen definiert werden. Dabei richtet sich die Kapitalzurechnung (Umfang) und seine Bewertung nach dem Zweck der Rechnung, z. B. die Anwendung der Grenzkostenrechnung (begrenzt definierter Umfang) mit Planwerten (Ist- oder Zukunftswerte) in konjunkturellen EngpassSituationen. Wirtschaftlichkeit lässt sich mit dieser umfassenden Kapitaldefinition als das bestmögliche Verhältnis von Kapitaloutput zu -input definieren. Gewinn ist dabei die Kapitalmehrung. Alle Verfahren und Methoden zur Gewinnermittlung, also auch die Erfolgsrechnung und alle Arten der Bilanzerstellung sind in diesem Sinne letztlich Wirtschaftlichkeitsrechnungen. Auch die Kostenrechnung mit ihrem Mengen- und Wertegerüst ist eine Wirtschaftlichkeitsrechnung. Mit einer Preiskalkulation wird beispielsweise versucht festzustellen, ob und in welchem Umfang der Kapitalrückfluss durch den zu erzielenden Preis größer ist als der Kapitaleinsatz in Form von Kosten für materielle und immaterielle Vermögensgegenstände. Unter Verwendung des weiten, aber plausibel interpretierten Kapitalbegriffs, und der damit verbundenen Wirtschaftlichkeitsrechnungen kann das betriebliche Rechnungswesen als derjenige Teil des betrieblichen Informationssystems, der sich mit der Kapitalrechnung befasst, definiert werden. Seine Zwecksetzung ist die Ermittlung und Dokumentation der Wirtschaftlichkeit in allen mit dem Kapitaleinsatz und dem Kapitalrückfluss befassten Bereichen des Unternehmens.
4.4.3
Präzisierung des Controller-Leitbildes des ICV/IGC
Wählt man das betriebliche Rechnungswesen zum Erkenntnisobjekt des Controlling als betriebswirtschaftliche Teildisziplin mit der Zwecksetzung der rationalen Führung der Unternehmen, wird es möglich, das von der International Group of Controlling entwickelte Cont-
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4 Controlling – quo vadis?
roller-Leitbild inhaltlich zu präzisieren und von der allgemeinen Lehre der Unternehmensführung klar abzugrenzen. Allerdings werden auf dieser Basis die Richtung und die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet des Controlling anders zu setzen sein, als es sich in der bisher vorliegenden Controlling-Literatur abzeichnet. Das Rechnungswesen ist in Verbindung mit der Finanzwirtschaft, also der Kapitalwirtschaft, mit allen Phasen des Führungsprozesses auf das engste verbunden. Sowohl die operative als auch die strategische Planung münden als finanzwirtschaftliche Kapitalrechnung in die Erfolgsrechnung und in alle Arten von Planbilanzen. Nur über diese Kapitalrechnungen ist die Zielerreichung der Unternehmen zu identifizieren und der Kapitaleinsatz den wirtschaftlichen Zwecken in allen Teilbereichen zuzuordnen. In der finanz-, beziehungsweise kapitalwirtschaftlichen Abstimmung sämtlicher Teilbereiche und in der Zusammenfassung für das gesamte Unternehmen besteht auch die zweifache Koordinationsfunktion des Controllers. Sie besteht zum einen in der monetären Quantifizierung, Aggregation und Abstimmung aller Teilpläne und zum anderen in der zweckgerichteten Zuordnung des Kapitaleinsatzes auf sämtliche, planerisch erfassten Entscheidungsbereiche. Die schwergewichtige Mitverantwortung des Controllers im Führungsprozess besteht dabei in der Bereitstellung und im Einsatz eines für die Führungsprozesse bestens geeigneten Rechnungswesens, mit zutreffenden IstDaten und plausibel entwickelten Planzahlen. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung zwingt dabei zur Rationalität. Damit erhält der Controller letztlich die Rolle des „homo oeconomicus“ und des „betriebswirtschaftlichen Gewissens“ der Unternehmen. Als der Verantwortliche für das Rechnungswesen ist der Controller selbstverständlich auch für die gesamte kapitalwirtschaftliche Berichterstattung und Informationsversorgung sämtlicher Bereiche auf allen Ebenen zuständig und verantwortlich. Das gilt allerdings nur für den kapitalwirtschaftlichen Bereich, einschließlich des für die Wirtschaftlichkeits-Berechnung erforderlichen Mengengerüstes. In die Verantwortung des Controllers fällt alles das nicht, was nicht zur Kapitalwirtschaft in dem darlegten Umfang zählt, also zum Beispiel Analysen und Auswertungen zur Marktentwicklung, Trendentwicklungen für Forschung und Entwicklung, Informationen über Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, wohl aber Kapitalin- und -output, also Kosten und Leistung der damit verbundenen Aktivitäten. Bei der Funktion „Sie (die Controller) gestalten und pflegen die Controllingsysteme“, ist der Begriff Controllingsysteme einfach durch „betriebliches Rechnungswesen“ zu ersetzen. Damit ist, wie im Weiteren zu zeigen sein wird, eine sehr umfangreiche und äußerst wichtige, zentrale Aufgabe der Unternehmen zu erfüllen. Werden dem Controller über den Einsatz des betrieblichen Rechnungswesens hinaus, zum Beispiel weitere Planungsaufgaben oder die Verantwortung für das betriebliche Informationssystem zugewiesen, geht das über die Controllingfunktion hinaus. Das ist personalpolitisch nur zu vertreten, wenn dabei die Aufgaben des Rechungswesens nicht vernachlässigt werden. Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesen Zusatz-Aufgaben als Controllingfunktionen handelt es sich dagegen um wenig sinnvolle und überflüssige Grenzüberschreitungen in Richtung Unternehmensführung mit dem falschen Label Controlling.
4.5 Entwicklungstendenzen des Controlling
4.5
Entwicklungstendenzen des Controlling
4.5.1
„Großmannsüchtige“ Tendenzen des ICV
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Die Aufzählungen bezüglich Tendenzen und Perspektiven der künftigen ControllerTätigkeiten lassen sich in etwa wie folgt zusammenfassen: Zunächst Erweiterung des Aufgabengebiets des Controllers um die gesamte betriebliche Finanzwirtschaft mit dem Controller als Chief Financial Officer (CFO); dann und parallel die Übernahme sämtlicher Aufgabenfelder und –Schwerpunkte, die zurzeit auch die Betriebswirtschaftslehre beschäftigen. Kurzfristig und wahrscheinlich auch in mittlerer Sicht kann kaum davon ausgegangen werden, dass sich die deutsche Controller-Community der dargelegten Begriffsdefinition anschließen wird. Zwar betont der ICV (ICV, 2007, S. 40), dass das interne Rechnungswesen die Keimzelle der Controller-Funktion sei, die Weiterentwicklung der Controller-Aufgabe liege jedoch in der Erhöhung der „Transparenz“. „Der Ergebnistransparenz folgte die Finanztransparenz und später die Strategietransparenz. In neuerer Zeit wird auch zunehmend die Prozesstransparenz thematisiert“. Es wird aber nicht erklärt, geschweige denn definiert, was mit der häufig verwendeten Metapher „Transparenz“ gemeint ist. Meiner Meinung nach handelt es sich bei dem Bezug des Begriffs Transparenz auf wirtschaftliche Fragen eindeutig um die Vorstellung, Kapitalinput und -output präzise und detailliert, möglichst quantifiziert, darzulegen und zu erklären. Womit wir wiederum beim betrieblichen Rechnungswesen angelangt wären. Zur Beantwortung der Frage, wohin die Lehre des Controlling theoretisch und praktisch gehen wird und gehen soll (quo vadis), ist es jedoch ein wichtiger, erster Schritt, das Erkenntnisobjekt des Controlling zu überdenken und neu auszurichten. Die Zukunftsaufgaben werden daher im Weiteren unter dem Blickwinkel des betrieblichen Rechnungswesens als dem Erkenntnisobjekt des Controlling gesehen. Dabei kann nur ein grober Überblick auf die als wichtig einzustufenden Bereiche gegeben werden.
4.5.2
Konzentration auf das betriebliche Rechnungswesen
Wissenschaft und Lehre und als Frucht daraus, die erfolgreiche praktische Umsetzung, müssen sich wieder mehr auf das betriebliche Rechnungswesen konzentrieren. Wie bereits dargelegt, hat sich dem Rechnungswesen mit der Entwicklung der Informationstechnologie ein außerordentlich breites Spektrum der Gestaltung und Weiterentwicklung eröffnet. Ergänzend hierzu ist die Dynamik und Besonderheit der Unternehmen als dem Rechnungswesen quasi übergeordnetes Erkenntnisobjekt zur berücksichtigen. Einerseits verändert sich auf Grund der technischen und ökonomischen Entwicklung, mit ständigen Änderungen der Sachaufgabe, dem Unternehmenswachstum in Verbindung mit Globalisierung auch das Erkenntnisobjekt permanent. Anderseits wird diese Entwicklung vom Erkenntnisobjekt selbst, das heißt von seinen „personellen Ressourcen“, zum Beispiel von wissenschaftlich arbeitenden Betriebswirten selbst gestaltet. Nicht selten eilen die Bewältigung von Aufgaben und die Entwicklung von Methoden zu ihrer Lösung in der Praxis der akademischen Forschung voraus. In der deutschen Betriebswirtschaftslehre führt eine ausgeprägte Neigung anglo-
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4 Controlling – quo vadis?
amerikanische Denkweisen und Lösungen oft wenig reflektiert zu adoptieren, dazu, dass die im deutschen Sprachraum bereits vorhandenen und vorzufindenden Ergebnisse häufig einfach unberücksichtigt bleiben. Das Rechnungswesen, als wichtige betriebswirtschaftliche Teildisziplin, wird in der akademischen Lehre, sowohl an den Fachhochschulen (jetzt Hochschulen) als auch an den Universitäten häufig in die Propädeutik abgedrängt. In zunehmenden Maße werden an den Hochschulen Lehrstühle mit dem Zusatz Controlling oder ausschließlich für Controlling eingerichtet (vgl. Weber/Schäffer, 2008, S. 16). Es ist allerdings im Controlling als Lehrfach wesentlich interessanter, Planungs- und Führungsprobleme der Unternehmen zu behandeln, als die Grundlagen von Buchhaltung, Bilanzierung, Kosten- und Leistungsrechnung ausreichend gründlich zu vermitteln. Diese werden zunehmend im Rahmen der Vermittlung von Software-Anwendungen demonstriert, anstatt die grundlegenden betriebswirtschaftlichen Begriffe und Zusammenhänge darzulegen und zu vermitteln. Das Rechnungswesen wurde und wird sowohl in der Betriebswirtschaftspolitik, als auch in der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre als selbstverständlich vorhanden vorausgesetzt und teilweise in den getrennten Teildisziplinen (z. B. Marketing, Logistik) getrennt weiterentwickelt. Unter Berücksichtigung der informationstechnischen Entwicklung und den damit verbundenen neuartigen Möglichkeiten mittels des betrieblichen Rechnungswesens zu Fortschritten in der Unternehmensführung beizutragen, ist es Aufgabe der Controlling-Lehrenden, dem betrieblichen Rechnungswesen wieder die erforderliche Aufmerksamkeit und den besonderen Stellenwert dieser Teildisziplin in Forschung und Lehre zu verschaffen. Der ICV postuliert zum Beispiel die „weitgehende Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen“ als neueres Tätigkeitsfeld des Controllers (ICV, S. 40). Unter dem Aspekt, mit dem Rechnungswesen die unterschiedlichen Zwecksetzungen der Information interner und externer Art bestmöglich erfüllen zu können, muss das als abwegige Aufgabenstellung angesehen werden.
4.5.3
Überwindung der Diskrepanz von Lehre und Praxis
Ein Blick auf die Kosten- und Leistungsrechnung nahezu in den meisten Unternehmen zeigt eine erhebliche Kluft zwischen heutigem wissenschaftlichen Stand und praktischer Anwendung. Häufig wird z. B. die Deckungsbeitragsrechnung, wie sie von Riebel konzipiert wurde, mit relativen Einzelkosten und mehrstufigen Bezugshierachien und ihr Bezug zur Prozesskostenrechnung in der Praxis gar nicht verstanden oder rundweg abgelehnt. Häufig verhindert die Schwerfälligkeit überholter DV-Lösungen eine sachgerechte Anpassung der Kostenrechnung an geänderte Verhältnisse in Unternehmen oder an aus der Lehre angebotenen Lösungen. Und was ist in den letzten Jahrzehnten in vielen Unternehmen mit der betrieblichen Planung passiert? Das Wachstum der Unternehmen, der damit verbundene Konzentrationsprozess und die Entwicklung der Unternehmen wäre ohne eine Planung auf hohem Niveau, sowohl in der operativen als auch der strategischen Planung niemals möglich gewesen. Es gibt und gab sicherlich vielfach Planungsmissstände, vor allem in der strategischen Planung (siehe AEG,
4.5 Entwicklungstendenzen des Controlling
73
BMW-Rover, Daimler-Chrysler). Die operative Planung wirkt in organisatorisch verkrusteten größeren Unternehmen als Budget so restriktiv, dass Lösungen wie „Beyond Budgeting“ propagiert werden, die bei genauerem Hinsehen nichts anderes darstellen als die Umsetzung altbekannter Planungsgrundsätze. Sehr oft besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen „State of the Art“ im operativen Planungsbereich und der Umsetzung in der Praxis, insbesondere in mittelständischen Unternehmen. In der Verbindung von Lehre und Praxis ist es Aufgabe der akademischen ControllerCommunity, Wege zu ebnen sowie Methoden und Verfahren der Kommunikation zu entwickeln, um die bisher vorhandenen Methoden und Instrumente des betrieblichen Rechnungswesen vor allem in den Bereichen Kosten- und Leistungsrechnung sowie der operativen Planung ergebnisverbessernd in Unternehmen einzuführen. Controllerpanel und empirische Studien (vgl. ICV, 2007, S. 40) sind hier nur eine Vorstufe.
4.5.4
Mitgestaltung der IT-Systeme
Was ist den letzten drei Jahrzehnten mit der automatisierten Datenverarbeitung, heute fälschlich als Informationstechnik (IT) bezeichnet, passiert? Informatiker haben sich, oft relativ unwissend, des betrieblichen Rechnungswesens angenommen. Die meisten heute in der Praxis eingesetzten PPS-Systeme basieren auf Planungstechniken und DV-Konzepten der 70er Jahre, die wegen erheblicher Begrenzung der damaligen Hardware-Kapazitäten zu Hilfsbeziehungsweise Notlösungen führten (zum Beispiel stufenweise operative Produktionsplanung entsprechend der MRP II-Methode, verbunden mit ausufernden Methoden der Materialdisposition). Die vorwiegend nur verbal vollzogene Erweiterung der PPS-Systeme zum Enterprise Ressource Planning (ERP), erfolgte mittels schwerfälliger Integration der Buchhaltung und einiger Restbestände der Kostenrechnung. Die Ist-Daten der Produktion und der Verwaltung, das Mengengerüst der Kosten- und Leistungsrechnung, müssen in der Regel in separaten DV-Systemen erfasst und verarbeitet werden und sind mit individuellen Schnittstellenprogrammen rudimentär in das Hauptsystem zu überführen. Steht einmal auf dieser Datenbasis ein einigermaßen zufriedenstellendes Berichtswesen, darf dann auf unbestimmte Zeit hinaus möglichst nicht mehr daran gerührt werden. Der Controller muss inzwischen wichtige Planungs- und Berichtsarbeiten in der Regel vorbei am bestehenden Basissystem mittels MS-Office, vorwiegend mittels Excel erledigen. Mit den standardisierten Systemen des Rechnungswesens kann ferner und in der Regel kein konsolidierter Jahresabschluss erstellt werden. Hierfür gibt es dann sogenannte Add-On-Systeme mit allen dazugehörenden Integrationsproblemen. Wer ist letztlich für diesen unerfreulichen Zustand verantwortlich? Welchen Einfluss haben die Betriebswirte in den Unternehmen als Spezialisten für das Rechnungswesen und die Unternehmensplanung auf die Gestaltung der betrieblichen automatisierten Informationssysteme ausgeübt? Wieweit sind die „IT-Entwickler“ hier von der Betriebswirtschaftlehre als Wissenschaft unterstützt worden? Die Informations-Technologen haben längstens erkannt, dass sie die erforderlichen Informationen aus den bestehenden Basissystemen nur schwerfällig auf Umwegen mit hohem Aufwand einigermaßen zufriedenstellend erfüllen können. Die Patentlösung – sicherlich nicht
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4 Controlling – quo vadis?
datentechnisch –, wird im Data-Warehouse und in „Business Intelligence“ gesehen. Und wiederum fehlt es am Input bezüglich den Anforderungen und Konzeptionen des betrieblichen Rechnungswesens. Wer verhindert, dass die Architektur des BI nicht wiederum anstelle eines „geordneten Lagerhauses“ zu einer „DataMarts-Rumpelkammer“ verkommt? In gewisser Hinsicht ist das derzeitige Rennen in Richtung Data-Warehouse nur eine Notlösung, um den datentechnischen „Verhau“ der Basissysteme durch eine Art aufgepfropften Neuanfang zu lichten, weil aus diesen nur sehr umständlich und schwerfällig geeigenete Informationen für den Führungsprozess zu gewinnen sind. Wenn man auch Data Warehouse und Business Intelligence als Neuanfang der Informationsgewinnung feiert, allerdings nur als eine Art „aufgepfropften IT-Neuanfang mit viel Redundanzen“, so bleibt es eine vordringliche Aufgabe des Controlling zu verhindern, dass die Ausrichtung und Strukturierung der Basissysteme, pauschal als ERP bezeichnet, nicht weiterhin so geradezu sträflich vernachlässigt werden. Viele ERP-Systeme basieren heute noch auf dem MRP II-System mit völlig überflüssiger zweistufiger Grob- und Feinplanung und einer Entkoppelung der Produktion vom Markt und Kunden. Es kann aus dem Aspekt rationaler Planung nicht angehen, dass für einen im Prinzip klaren Sachverhalt der Materialdisposition, wonach der Materialbedarf eindeutig und rollierend aus dem Kundenbedarf in Form von vorhandenen und prognostizierten bzw. geplanten Aufträgen abzuleiten ist, in dem führenden deutschen ERP-System über 32 verschiedene Methoden der Materialdisposition zur fast beliebigen Bedienung angeboten und in der Praxis vielfältig genutzt werden. Ähnliche Anforderungen gelten für die Kostenrechnung, die in ihrer datentechnischen Umsetzung in den DV-Basis-Systemen im Allgemeinen bei der Plaut’schen Plankostenrechnung aus den 50er Jahren stehen geblieben ist und für die beispielweise eine Weiterentwicklung in Richtung Prozesskostenrechnung nur über komplizierte Ergänzungsrechnungen oder eben über das Data Warehouse möglich ist. Die Controller, die nach der durchaus zu unterstützenden Vorstellung von Jürgen Weber, das Panier der Rationalität hochzuhalten haben, sollten sich um die bereits von Schmalenbach und später, allerdings auch schon vor 50 Jahren, von Riebel vertretenen zweckfreien Grundrechnung für das Rechnungswesen bemühen. Das gilt nicht nur für die zweckfreie Grundrechnung der Kosten- und Leistungsrechnung, sondern auch für eine zweckfreie Grundrechnung der externen Rechnungslegung, für den Jahresabschluss mit Bilanz und Erfolgsrechnung. Hier fehlt es ganz offensichtlich auch an der naheliegenden Integration der Erfolgs- und der Finanzrechnung, also an der Differenzierung und Berücksichtigung der Kapitalströme in Form flüssiger Mittel (Ausgaben und Einnahmen) zum Zecke der Finanzplanung und deren Periodenzurechnung als Aufwand und Ertrag zum Zwecke der Erfolgsermittlung. Wegweisende Überlegungen von Thoms, (vgl. Thoms, 1955, S. 11ff.) mit seiner funktionalen Kontorechnung (aus dem Jahre 1950) haben nicht nur das Schicksal totaler Vergessenheit der Fachvertreter erlitten, sondern wurden schon von seinen Zeitgenossen als weitgehend abwegig und uninteressant abgetan.
4.5 Entwicklungstendenzen des Controlling
4.5.5
75
Business Intelligence und Planungsrechnung mit Augenmaß
Unter dem Modebegriff „Business Intelligence (BI)“ wird, wie vor bald einem halben Jahrhundert mit dem Begriff „Management Information System (MIS)“, wiederum insbesondere von Software-Herstellern angeführt, euphorisch die Lösung sämtlicher Informations- und damit der Entscheidungsprobleme propagiert. Ein, vielleicht der entscheidende Unterschied zu damals besteht in der um ein Vielfaches höheren Speicher- und Rechenkapazität der Computer. Gegenüber damals sind allerdings auch die Verhältnisse in den Unternehmen nicht unbeträchtlich komplexer geworden. Für die Analyse der Vergangenheit, bis hin zum Data-Mining und der Analyse aktueller Marktverhältnisse weltweit, ist eine neue Dimension der Informationsgewinnung entwickelt worden. Auch auf dem Gebiet der Gewinnung von Planungsinformationen, verbunden mit der Simulationstechnik, insbesondere im operativen Bereich, sind erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Die neuen Möglichkeiten und die hierzu einzusetzenden vielfältigen Methoden können, wie von jeher, als Planungsrechnung und damit als wichtiger Teil des betrieblichen Rechnungswesens betrachtet werden. Die intensive Beschäftigung mit den eigentlich nicht mehr neuartigen Möglichkeiten, ist Aufgabe der Controller-Community in Theorie und Praxis. Vor allzu großen Fortschritten bezüglich der strategischen Planung und den Möglichkeiten des sogenannten Wissensmanagement ist jedoch mit Wilhelm Busch zu warnen: „Ach, dass der Mensch so häufig irrt, und nie recht weiß, was kommen wird.“ Wäre es nach den Simulationsergebnissen des Club of Rome, die zu Beginn der 70er Jahre veröffentlicht wurden, gegangen, so müssten wir schon seit 30 Jahren an extremer Rohstoffknappheit leiden und die Ölvorräte wären total erschöpft. Die Prognosen wurden damals mit großem Aufwand mittels dv-gestützter Simulationstechnik erarbeitet (vgl. Forrester, 1961, später als System Dynamics umbenannt). Die Prognosen von Kahn und Wiener im Jahre 1963 für die Entwicklung bis zum Jahre 2000 sind nur zu einem Bruchteil eingetroffen, obwohl sie diese mit der von ihnen kreierten Delphi-Methode, ein seinerzeit spektakuläres Verfahren zur Expertenbefragung entwickelten, das einer speziellen empirischen Forschungsmethode entspricht. Von 100 vorausgesagten technischen Entwicklungen sind zwei Drittel einfach nicht eingetroffen (vgl. Kahn/Wiener, 1967, S. 66ff.). Diese zwei Beispiele begründen nicht nur eine aus der Erfahrung zwangsläufig auszudrückende Warnung in Richtung der wieder aufkommenden Euphorie hinsichtlich der Erstellung neuer dv-gestützter Entscheidungsmodelle, sondern charakterisiert unter Umständen auch die Unsicherheit über Aussagen, wohin sich unsere Disziplin bewegen wird.
4.5.6
Beendigung des Shareholder-Value-Fetischismus
„Shareholder Value Management zielt auf die Mehrung des Aktionärsvermögens“ (vgl. Dillerup/Stoi, 2008, S. 138). Die Aktie ist dabei zum Fetisch geworden. An der Aktienbörse werden Anteile an den Unternehmen häufig spekulativ gehandelt. Unternehmensteile und gegebenenfalls die Herrschaftsmacht über ganze Unternehmen werden zu Handelsobjekten. Von den täglich schwankenden Aktienkursen dabei auf den Wert ganzer Unternehmen schließen zu wollen, ist schlichtweg betriebswirtschaftlich unsinnig.
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4 Controlling – quo vadis?
Unabhängig von den Kapitalspekulationen und ihren verheerenden Auswirkungen soll jedoch angeblich ein breites allgemeines Interesse bestehen zu erfahren, was Unternehmen als Ganzheit tatsächlich wert sind und welche Wertveränderungen sie innerhalb einer Periode erzielt haben. Für diese Art der Zielsetzung und den öffentlichen Ausweis in Bilanz und Erfolgsrechnung wurde im Deutschen der Begriff Wertorientierung eingeführt. Die Wertorientierung kann als eine von mehreren strategischen Ausrichtungen der Unternehmen aufgefasst werden. Sie „bezeichnet die Notwendigkeit, eine aus Sicht der Eigentümer angemessene Rendite für das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften. Diese Steigerung des Unternehmenswertes dient als Basis zur langfristigen Existenzsicherung der Unternehmen.“ (vgl. Dillerup/Stoi, 2008, S. 138). Diese Zielsetzung entspricht nur teilweise der Zielsetzung der Erhaltung und Steigerung der Wirtschaftskraft eines Unternehmens mittels nachhaltiger Gewinnerzielung und Gewinnthesaurierung, also dem langfristigen Unternehmenswachstum. Eine Erhöhung der Rendite als Maßstab für die Bereitstellung von Kapital kann auch mittels Kapitalreduktion, also einem Schrumpfen der Unternehmen mit allen personellen Konsequenzen erreicht werden. Nicht der volatile Marktzins einschließlich Risikoprämie als Maßstab für die angemessene Rendite bestimmt die nachhaltige Steigerung der Wirtschaftskraft, sondern eine von der individuellen Umweltentwicklung abhängige und einzuhaltende minimale Wachstumsrate, auf die bereits 1926 Sommerfeld mit seiner eudynamischen Bilanz hingewiesen hat. (vgl. Sommerfeld, 1926, S. 1340ff.). Im Zuge der Globalisierung, der Wachstumseuphorie verbunden mit der Intensivierung des externen Unternehmenswachstums mittels Akquisitionen und Fusionen der Unternehmen, dem An- und Verkauf ganzer Unternehmen wurde in Anlehnung und unter Dominanz der anglo-amerikanischen Vorstellungen und Praxis als Ziel der externen Rechnungslegung die Dokumentation und Information über den Wert der Unternehmen im Sinne von true and fair postuliert. Im Vordergrund steht dabei für die börsennotierten Unternehmen die Deckung des Informationsbedarfs potentieller Investoren. Stichworte hierzu sind die International Financial Reporting Standards (IFRS) und die US General Accepted Accounting Standards (USGAAP). Der Jahresabschluss soll den richtigen (true) und ausgewogenen (fair) Wert und damit die Wertveränderung der Unternehmen als Ganzes aufzeigen. Letztlich soll nicht nur das Realvermögen zu Tageswerten, sondern alle immateriellen Wirtschaftsgüter und die im Goodwill enthaltenen adjunktiven Wirtschaftsgüter in die Bewertung eingehen. Die Unsicherheit der Wertprognosen und die damit verbundenen Risiken des Wert- und Gewinnausweises müssen mittels komplizierter Risikoberechnungen und Regularien, an welchen eine ganze Reihe von Berufsständen bestens verdient, korrigiert werden. Ziel ist dabei also nicht der durch Einnahmen und deren Periodisierung realisierte Periodengewinn, sondern letztlich der Wertzuwachs als quantifizierter Nachweis der in einer Periode gesteigerten Wirtschaftskraft der Unternehmen. Das entspricht der Steigerung des Ertragswertes als dem Barwert aller künftigen Gewinne. Das ist eine rein theoretische Größe, eine heuristische Fiktion, um die einzelnen Entscheidungen und Aktionen in etwa als Beitrag zur Steigerung der Wirtschaftskraft also als Wachstum der Unternehmen zuordnen zu können (vgl. Haberlandt, 1971, S. 74ff.). Alle Berechnungen und Extrapolationen der bilanziellen Einzelposten scheitern letztlich an der Unsicherheit der zugrunde gelegten Prognosen. Das subjektiv sicherste Verfahren wäre, Bilanzen und Erfolgsrechnungen über mehrere Jahre als Ergebnis einer umfassenden strategischen Planung aufzustellen.
4.6 Integration des Controlling als betriebswirtschaftliche Teildisziplin
77
In diesem Zusammenhang und mit der Anwendung der IFRS und US-GAAP wird die Konvergenz beziehungsweise Harmonisierung des internen und externen Rechnungswesens diskutiert und teilweise gefordert. (vgl. Lingnau/Jonen, 2004). Es wird damit sogar ein Paradigmawechsel im Rechnungswesen angekündigt (vgl. Biel, 2004, S. 20f.). Es wird letztlich die Vorstellung suggeriert, als ob die wertorientierte Rechnungslegung die einzig richtige sei, wobei ihre Unzulänglichkeit bezüglich Prognosen, die damit verbundenen falschen Gewinneinschätzungen, ihre einseitige Zwecksetzung meistens übergangen werden. Wer hat denn wann ein berechtigtes Interesse zu erfahren, was ein Unternehmen wert ist? Banken, als Kreditgeber sind nach wie vor eher an einem Jahresabschluss interessiert, der vor allem auch den Gläubigerschutz zum Ziel hat. Bei der geforderten Konzentration der wissenschaftlichen Analyse auf das betriebliche Rechnungswesen wird zunächst von den unterschiedlichen Zwecksetzungen auszugehen sein. Deutsche Tochterunternehmen internationaler vorwiegend börsennotierter Konzerne haben bereits seit Jahrzehnten verschiedene Zwecksetzungen ihrer Jahresabschlüsse zu berücksichtigen gehabt; neben dem handelsrechtlichen Jahresabschluss, mit Realisationsprinzip und Gläubigerschutz, die Steuerbilanzen nach steuerrechtlichen Vorschriften, Bilanzen z. B. nach US-GAAP für den Mutterkonzern und Planbilanzen für den internen Gebrauch. Im internen Rechnungswesen sind die unterschiedlichen Zwecksetzungen ebenfalls von vornherein gegeben und unbestritten. Was folgt aus diesen Darlegungen für die wissenschaftliche Behandlung des Rechnungswesens als betriebswirtschaftliche Teildisziplin, für die der Controller zuständig ist? Er hat in Abstimmung mit den IT-Spezialisten und IT-Managern für die Daten- und Informationsbasis zu sorgen, die allen Zwecken zu dienen in der Lage ist. Es ist also eine zweckneutrale Grundrechnung zu entwickeln, die sowohl die externe also auch die interne Rechnungslegung umfasst. Sicherlich und parallel hierzu ist nach Methoden zu forschen, den wertorientierten Jahresabschluss auf einer verlässlichen Datenbasis zu erstellen, die katastrophale Fehlentwicklungen, wie wir sie in der gegenwärtigen weltweiten Wirtschaftskrise erleben, verhindern helfen.
4.6
Integration des Controlling als betriebswirtschaftliche Teildisziplin
Wohin geht also die Entwicklung des deutschen Controlling? Geht es nach der ControllingCommunity müsste die Betriebswirtschaftslehre in den nächsten Jahren in Controlling umbenannt werden. Der Controller soll nicht nur alle Methoden der BWL und Unternehmensführung beherrschen und hat diese seinen Manager-Kollegen beizubringen, er unterstützt, ergänzt, und ersetzt letztlich die Unternehmensleitung. Es ist denkbar und wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren weiterhin viel Controlling-Literatur mit neuen mehrdeutigen Begriffen veröffentlicht wird. In der wissenschaftlichen Entwicklung wird diese Teildisziplin sich aber letztlich wie bisher im Fahrwasser (je nach Controllerdefinition sogar als Navigator) der Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre und der Management-Lehre, das heißt
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4 Controlling – quo vadis?
letztlich der Lehre von der Unternehmensführung fortbewegen. Mit der Auswahl alter Literatur, älter, meistens älter als eine Generation von 33 Jahren, sollte u. a. gezeigt werden, dass Vieles, was als neu präsentiert wird, längstens dargelegt wurde. „Oft ist es besser, an die Quelle zu gehen, als im stehenden Gewässer zu fischen.“ Ein anderes Szenario basiert auf der Annahme und Hoffnung, dass die betriebswirtschaftliche Ausbildung breit angelegt bleibt und wissenschaftlich betrieben wird, sowohl in der positiven als auch in der normativen Richtung., dass also die theoretische Betriebswirtschaftslehre und die praktische Unternehmensführung, der nächsten studentischen Generation als wissenschaftliche Disziplin fundiert gelehrt wird. Der Controller wird dann in allen Funktionsbereichen auf Manager und Mitarbeiter treffen, die etwas von Unternehmensplanung und Kontrolle, vom Entscheidungsprozess und von Informationsverarbeitung verstehen. Er kann sich dann auf sein ureigenes Aufgabengebiet konzentrieren, das heißt auf das betriebliche Rechnungswesen mit seinen vielfältigen Facetten. Er muss dabei helfen, die Kluft zwischen State of the Art und der praktischen Nutzung des Rechnungswesens in den Unternehmen zu schließen. Während das Rechnungswesen im positiven Teil unserer Wissenschaft als der allgemeinen Betriebswirtschaft als Erkenntnisobjekt und Teildisziplin beheimatet ist, hat es im normativen Teil der Unternehmensführung, instrumentalen, rationalitätssicherenden Charakter in vielfältigen Anwendungsgebieten. Die Bezeichnung unseres Studiengangs „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ ist dabei nicht nur Programm für die zu vertretende Lehre und Wissenschaft, sondern zukunftweisend auch für die Fortführung einer seit über hundert Jahren begründeten, von lebhaften Debatten und umwälzenden Veränderungen in Wirtschaft und Technik begleiteten Tradition. Deshalb ist den nachwachsenden Generationen wissenschaftlich arbeitender BetriebswirtInnen die Aufforderung Goethes anzuraten: „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“
4.7
Literaturverzeichnis
Biel, A.: IAS/IFRS-Leitfaden für den Controller, Offenburg 2004. Dillerup, R./Stoi, R.: Unternehmensführung, 2. Aufl., München 2008. Forrester, J.W.: Industrial Dynamics, Cambridge, Mass. 1961. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Bd. I: Die Produktion, 5. Aufl., Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Bd. II: Der Absatz, 14. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 1973. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Bd. III: Die Finanzierung, 5. Aufl., Berlin/Heildelberg/New York 1972. Haberlandt, K.: Das Wachstum der industriellen Unternehmung, Neuwied/Berlin 1970. Heinen, E.: Betriebswirtschaft heute – Die Bedeutung der Entscheidungstheorie für Forschung und Praxis, Wiesbaden 1966.
4.7 Literaturverzeichnis
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5
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
Prof. Dr. Dr. Joachim Häcker
5.1
Einleitung
Die Subprime-Krise hat sich zur Finanzkrise ausgeweitet und schlug voll auf die Realwirtschaft durch. Damit kann die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten zwei Jahre in folgende zwei Phasen aufgeteilt werden: • Phase 1: Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise • Phase 2: Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise Was kommt als nächstes? Welche Überschrift trägt die Phase 3? Vielleicht: „Von der Weltwirtschaftskrise zur Nachhaltigkeit“! Wird dies Realität sein oder Wunschdenken eines Akademikers? Man wird sehen. Auf jeden Fall sollten die Hochschulen Lehren aus der Finanzkrise ziehen. Die bisher gelehrten Modelle sind noch einmal zu überprüfen und zu eruieren, ob sie wirklich optimal die Realität abbilden oder nicht angepasst werden sollten. Als Professor für Internationale Finanzen will ich dies im Folgenden für „mein“ Fach versuchen. Folgende Fragen sollten beantwortet werden:
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
• Reichen die klassischen finanzwirtschaftlichen Modelle zur Erklärung der Finanzkrise? • Wenn nicht – wie können diese adäquat erweitert werden? • Welche „Lessons Learned“ lassen sich aus der Finanzkrise ziehen? Die klassischen Modelle der Wirtschaftswissenschaften, wie zum Beispiel der Homo oeconomicus, die Theorie der effizienten Märkte oder die Erwartungsnutzentheorie stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die Erklärung von Marktanomalien geht. Behavioral Finance dagegen erweitert die Rationalität der klassischen Modelle um die Psychologie. Mit diesem neuen Ansatz wird im Folgenden die aktuelle Finanzkrise erklärt. Das erste Modell, das psychologische Aspekte berücksichtigte, war die Neue Erwartungstheorie. Sie erklärt, welche Effekte bei der Entscheidungsfindung unter Risiko eine Rolle spielen. Generell werden zur Beurteilung von Situationen Heuristiken herangezogen. Dies sind Vereinfachungsmechanismen, die unbewusst und automatisch von statten gehen. Vor der Finanzkrise führten sie unter anderem dazu, dass Investoren ihr Portfolio ungenügend diversifizierten und strukturierte Finanzprodukte kauften, ohne sich deren Risiko bewusst gewesen zu sein. Heuristiken trugen auch dazu bei, dass nach dem Platzen der Immobilien-blase ein Bankenkollaps als unwahrscheinlich erschien. Daraufhin wurde der Investmentbank Lehman Brothers die Staatshilfe verweigert und es kam zur Lehman-Pleite. Heuristiken sind oft hilfreich, doch kommt es durch die Vereinfachung häufig zu Fehlern in der Beurteilung von Situationen. Diese verantworten zum Beispiel den Vertrauensverlust in der Finanzbranche mit und brachten damit den Interbankenmarkt zum Erliegen. Über- und Unterreaktionen durch Aktionäre auf Ad-hoc-Nachrichten zogen ungerechtfertigt extreme Kursschwankungen nach sich. Es gibt jedoch nicht nur psychologische Effekte auf Individuen, sondern auch solche, die sich auf Gruppen auswirken. So genanntes Herdenverhalten verursachte zuerst die Immobilienblase und führte anschließend zu flächendeckenden Milliarden-Abschreibungen in der Bankenwelt. In England verursachte Herdenverhalten ‚bank runs‘, das heißt viele Sparer wollten gleichzeitig ihre Einlagen abziehen. Weitere Ansätze zur Erklärung der Finanzkrise sind zum Beispiel Ansteckungseffekte, durch die sich die Subprime-Krise zur globalen Finanzkrise ausbreitete. Nachfolgend wird aufgezeigt, dass die Finanzkrise anhand von Behavioral Finance erklärbar ist. Der Mensch ist in seinem Verhalten irrational und seine Entscheidungsfindungen sind oft mit Fehlern behaftet. Dadurch werden die Wirtschaftswissenschaften in Zukunft nicht umhinkommen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und ihre Modelle und Theorien um psychologische Aspekte zu erweitern.
5.2
Klassische Modelle und Theorien
Im Folgenden werden die drei wichtigsten Grundmodelle der klassischen Wirtschaftswissenschaften skizziert, da ein Grundverständnis des Homo oeconomicus, der Hypothese der effizienten Märkte und der Erwartungsnutzentheorie wichtig für die folgenden Ausführungen ist.
5.3 Theorie und Anwendung der Behavioral Finance
83
Eine wichtige Grundlage vieler Wirtschaftstheorien ist der Homo oeconomicus. Er handelt und denkt ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, er agiert nur im Selbstinteresse und mit dem Ziel, seinen Nutzen und Profit zu maximieren. Eine weitere wichtige Eigenschaft ist, dass er vollständig rational handelt und dass er damit sämtliche Konsequenzen seiner Entscheidungen vorhersagen kann. Die Preise eines Marktes reflektieren vollständig alle zur Verfügung stehenden Informationen; dies ist die Aussage der Hypothese der effizienten Märkte. Sie geht also davon aus, dass Informationen aus der Vergangenheit keinen Einfluss auf den aktuellen Preis haben, sondern allein aktuelle Informationen inklusive Insiderwissen den Preis bestimmen. Daraus entstand die allgemein gebräuchliche Aussage ‚Der Markt hat immer Recht‘, wonach eine Über- oder Unterbewertung von Aktien durch Arbitrageure korrigiert wird. Als Grundlage für die Erwartungsnutzentheorie dient der Homo oeconomicus, der sich unter Risiko entscheiden muss. Dieser kann anhand seiner Erwartungsnutzenfunktion als risikoneutral, risikofreudig oder risikoavers eingestuft werden. Für die Funktion werden die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Alternativen mit ihrem jeweiligen Nutzen gewichtet und dann summiert. In dieser Theorie wird die finanzielle Ausgangslage des Handelnden nicht berücksichtigt. Das heißt, ein Gewinn von 100 Einheiten hat immer den gleichen Nutzen, unabhängig davon, ob sich die Ausgangslage bei 50 oder 1.000.000 Einheiten befindet. Durch die generell höhere Verzinsung risikoreicher Anlagen lässt sich ableiten, dass Investoren grundsätzlich risikoavers sind. Die Risikoprämie des Capital Asset Pricing Models (CAPM) unterstützt diese Aussage.
5.3
Theorie und Anwendung der Behavioral Finance
Die eben vorgestellten klassischen Modelle stießen an ihre Grenzen, als sie gewisse Marktphänomene, wie zum Beispiel die auffällige Überreaktion von Aktienkursen auf unerwartete Ereignisse, nicht erklären konnten. Als Erklärungsansatz für die Finanzkrise wird nun in diesem Abschnitt Behavioral Finance untersucht.
5.3.1
Definition Behavioral Finance
Die Wirtschaftswissenschaften begannen in den 80er Jahren, den Homo oeconomicus psychologisch zu betrachten. In zahlreichen Studien und Untersuchungen wurde belegt, dass der Mensch nicht nur von der Rationalität geleitet wird, sondern durch vielerlei weitere Faktoren beeinflusst wird, wie beispielsweise Emotionen, Wissen oder Erfahrung. Dieses Feld wird seither als Behavioral Finance bezeichnet. Bis dato gibt es keine allgemein gültige Definition von Behavioral Finance. Jeder Wissenschaftler, der sich mit dem Thema auseinandersetzte, definierte Behavioral Finance für sich selbst neu. Thaler (1993) zum Beispiel beschrieb Behavioral Finance folgendermaßen: „I think of behavioral finance as simply ‚open-minded finance‘“. Eine Definiton von Shefrin (2000) lautete: „Behavioral finance is a rapidly growing area that deals with the influence of psychology on the behavior of financial practitioners”. Die Definition, die in den Kontext dieser Ausarbeitung am besten passt, ist Sewells
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
(2005): „Behavioural finance is the study of the influence of psychology on the behaviour of financial practitioners and the subsequent effect on markets“.
5.3.2
Neue Erwartungstheorie: Entscheidung unter Risiko
Die Neue Erwartungstheorie (englisch: Prospect Theory) wurde 1979 von den zwei Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky entwickelt, den bis heute wohl meist zitierten Autoren im Bereich Behavioral Finance. Sie entwickelten die Neue Erwartungstheorie als Kritik und Alternative zur Erwartungsnutzentheorie, die bis dato als normatives Modell rationaler Entscheidungen galt. Die Erwartungsnutzentheorie konnte jedoch bei Entscheidungen mit Risiko auftretende Effekte nicht erklären. Im Folgenden werden die Erkenntnisse Kahnemans und Tverskys erklärt.
5.3.3
Sicherheitseffekt
In der Erwartungsnutzentheorie wird der Nutzen eines Ergebnisses durch dessen Wahrscheinlichkeit ermittelt. Kahneman und Tversky zeigen jedoch, dass diese Annahme systematisch verletzt wird: Sichere Ergebnisse werden überbewertet im Vergleich zu Ergebnissen, die lediglich wahrscheinlich sind. Dieser Sicherheitseffekt (englisch: Certainty Effect) führt dazu, dass der sichere Gewinn sogar dem höheren, aber nur wahrscheinlichen Gewinn vorgezogen wird. Das gleiche psychologische Prinzip führt dazu, dass der wahrscheinliche Verlust dem sogar geringeren, aber sicheren Verlust vorgezogen wird. Der Sicherheitseffekt lässt sich gut am Spar- und Anlageverhalten der deutschen Anleger beobachten. Zu Zeiten des New-Economy-Booms wurden Aktien als Anlageform in Deutschland immer beliebter. Die Zahl der Aktionäre, die direkt in Aktien investierten, stieg von 3,5 Millionen im Jahr 1996 auf 6,3 Millionen im Jahr 2000. Ein rationaler Anleger wäre zu Beginn der Internet-Krise ausgestiegen, da gravierende Verluste zu erwarten waren. Lediglich 1,2 Millionen Anleger stiegen jedoch in den folgenden zwei Jahren wirklich aus, der Rest hielt seine Aktien. Dieses Phänomen lässt sich mit dem Sicherheitseffekt erklären. Die haltenden Anleger zogen es vor, den sicheren Verlust nicht zu realisieren. Sie riskierten lieber einen höheren Verlust durch weiter sinkende Kurse, erhielten sich dadurch aber auch die Chance, bei sich erholenden Kursen die Verluste zu reduzieren oder sogar Gewinne zu erzielen. Als der Kurs sich zwischen 2003 und 2007 wieder erholte, rechnete man mit einer sich vergrößernden Aktionärsgemeinde, was aber nicht der Fall war. Ganz im Gegenteil, sie reduzierte sich weiter auf nur noch 4 Millionen Aktionäre. Nach Rehabilitierung ihrer Portfolios besannen sich viele Aktionäre auf sichere Anlageformen. Lebensversicherungen und festverzinsliche Anlagen zum Beispiel verzeichneten im gleichen Zeitraum einen starken Zuwachs. Nach negativen Erfahrungen mit Aktien ziehen Anleger also den sicheren Gewinn dem wahrscheinlich höheren vor. Mit steigenden Aktionärszahlen ist auch in naher Zukunft nicht zu rechnen. Die Deutschen gelten im internationalen Vergleich als besonders risikoscheu, was sich zusätzlich zur aktuellen Krise und der eingeführten Abgeltungssteuer negativ auf die Aktionärszahlen auswirken wird.
5.3 Theorie und Anwendung der Behavioral Finance
5.3.4
85
Isolationseffekt
Um die Wahl zwischen Alternativen zu erleichtern, werden oft Komponenten, die allen Optionen zu Eigen sind, ausgeblendet. Stattdessen werden nur die Komponenten, welche die Optionen unterscheiden, betrachtet. Dies kann jedoch zu unterschiedlichen Präferenzen führen, da manche Optionen in verschiedene Komponenten ‚aufteilbar‘ sind. Unterschiedliche Betrachtungsweisen führen manchmal zu unterschiedlichen Präferenzen, was auch als Isolationseffekt (englisch: Isolation Effect) bezeichnet wird. Ein klassisches Beispiel ist der Handykauf. Es wird zunehmend schwerer, sich in der Modellflut zurechtzufinden. Die meisten Geräte weisen gleiche Eigenschaften auf. Grundfunktionen wie Telefonieren sind selbstverständlich, selbst Zusätze wie Digitalkameras sind kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Trotzdem sind alle Geräte unterschiedlich, und die Entscheidung wird meist aufgrund von einzelnen, subjektiven Komponenten wie etwa Design oder Gewicht getroffen. Wichtigere technische Bestandteile wie beispielsweise Software werden dabei kaum in Betracht bezogen. In der Finanzwelt stehen Anlageexperten einem ähnlichen Dilemma gegenüber. Ihnen fällt es durch die steigende Komplexität der Finanzinstrumente zunehmend schwer, diese umfassend zu verstehen. Meistens fehlt die Zeit, sich bei der Entscheidung für eine Anlage- oder Finanzierungsmethode ausführlich mit den Instrumenten zu beschäftigen. Deshalb kommt es zu einer Vereinfachung: Die allen Instrumenten gemeinsame Komplexität wird ‚wegrationalisiert‘, und man konzentriert sich stattdessen auf die Alleinstellungsmerkmale. Diese Vereinfachung kann unter anderem dazu führen, dass in den Gemeinsamkeiten latente und eventuell risikoreiche Charakteristiken übersehen werden. Investoren schätzen vor allem strukturierte Produkte, besonders die synthetischen ‚Collateralized Debt Obligations‘ (SCDOs), falsch ein. SCDOs sind für den Investor maßgeschneiderte Finanzinstrumente. Werden deren Feinheiten nicht genauer analysiert und sie mit ‚normalen‘ CDOs verglichen, überwiegen die Vorteile. Die Unterschiede der Risikostrukturen werden somit nicht beachtet; in vielen Fällen führte diese Missinterpretation zu schwerwiegenden Verlusten und Gerichtsverhandlungen zwischen Forderungsinhabern und Investoren.
5.3.5
Verlustaversion kombiniert mit Ankerheuristik
Ein wichtiger Aspekt der Neuen Erwartungstheorie ist, dass Änderungen von Wohlstand mehr Nutzen bringen als der Wohlstand an sich. Es werden Unterschiede und Veränderungen bewertet anstelle absoluter Größen. Nutzen wird deshalb in eine Funktion übertragen. Die (finanzielle) Ausgangsposition wird zum Referenzpunkt, also zum Ursprung der Funktion, von dort werden Wertveränderungen und ihr jeweiliger Nutzen in positiver und negativer Richtung abgetragen. Daraus ergibt sich die Wert-Funktion (vgl. Abb. 5.1). Die WertFunktion ist normalerweise konkav bei Gewinnen und konvex bei Verlusten und steiler bei Verlusten als bei Gewinnen. Verluste wiegen schwerer als Gewinne. Die Verlustaversion (englisch: Loss Aversion) lässt sich daher als eine wichtige Eigenschaft und Konsequenz der Wert-Funktion ablesen.
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
Abb. 5.1 Wertfunktion
Die Ankerheuristik beeinflusst den Referenzpunkt der Wertefunktion, er wird dadurch variabel. Bei einer Wende der Werteentwicklung wird der Wendepunkt als neuer Referenzpunkt verankert.
2. Referenzpunkt
1. Referenzpunkt
4. Referenzpunkt
3. Referenzpunkt
Abb. 5.2 Ankerheuristik am Beispiel der Commerzbank
Beim Aktienkauf zum Beispiel ist der erste Referenzpunkt der Kaufpreis der Aktie. Zur Veranschaulichung wird der Kursverlauf der Commerzbank-Aktie zur Hilfe genommen (siehe Abb. 5.2). Beim Kauf der Aktie im Februar 2006 war der erste Referenzpunkt also 30 Euro. Nach einem Aufwärtstrend fällt die Aktie wieder, der höchste Wert von 33 Euro im
5.4 Heuristiken
87
April 2006 wird also zum neuen und damit zweiten Referenzpunkt. Jeder Kurs wird nun an diesem Punkt gemessen. Im Mai 2006 bei einem Kurs von 31,50 Euro nimmt der Aktionär den Kurs als einen Verlust von 1,50 Euro wahr, obgleich er seit dem Zeitpunkt des Kaufes einen Gewinn von 1,50 Euro verbuchen könnte. Die Aktie fällt bis August 2006 auf einen Tiefpunkt von 25,60 Euro, welcher nun den dritten Referenzpunkt darstellt. Der Kurs der Aktie betrug im Dezember 2006 28 Euro. Dies wird vom Aktionär als ein Gewinn von 2,40 Euro empfunden, obwohl der Kaufpreis darüber lag. Überträgt man dies angesichts der Finanzkrise nun auf die komplette Bankenbranche, setzten deren Aktionäre einen Referenzpunkt im Juni 2007. Als die Kurse zu sinken begannen, verbreitete sich durch den gefühlten Verlust eine schlechte Grundstimmung, obwohl für viele Aktionäre der Kurs noch über dem Kaufpreis lag und somit eigentlich einen Gewinn bedeutete. Die Stimmung wird sich wieder verbessern, wenn der nächste Referenzpunkt gesetzt wird und die Kurse wieder steigen. Für viele Aktionäre wird sich die Aktie zwar dann noch in der Verlustregion befinden (verglichen zum Kaufpreis), dennoch werden sie dank des neuen Referenzpunktes den Kursanstieg als Gewinn empfinden.
5.4
Heuristiken
Mit der Betrachtung der Neuen Erwartungstheorie wurde gezeigt, wie der Mensch sich in Entscheidungssituationen verhält, bei denen unwägbare Risiken bestehen oder die Eintrittswahrscheinlichkeiten der künftigen Zustände unbekannt sind. In komplexen Situationen ohne Risiko bedient der Mensch sich generell Vereinfachungsmechanismen, so genannten Heuristiken. Heuristiken werden vom Menschen unbewusst benutzt, um den komplexen Sachverhalt einer Entscheidungs- oder Beurteilungssituation zu vereinfachen. Dazu wird diese auf wenige Informationen reduziert, um daraus dann mit Hilfe von Erfahrung Schlüsse auf den gesamten Sachverhalt zu ziehen. Die drei wichtigsten Heuristiken, die Affektheuristik, die Verfügbarkeitsheuristik und die Repräsentativitätsheuristik werden im Folgenden kurz beschrieben.
5.4.1
Affektheuristik
Der Mensch reagiert auf Stimuli einer Entscheidungs- oder Beurteilungssituation, indem er diese automatisch mit ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ belegt. Dieser Mechanismus geschieht aus dem ‚Affekt‘ und wird deshalb die Affektheuristik (englisch: Affect Heuristic) genannt. Der Begriff ‚Friede‘ wird als gut empfunden, wobei ‚Krieg‘ sofort als schlecht eingeordnet wird. Geht die Beurteilung über eine gut- oder schlecht-Einordnung hinaus und greifen anstelle rationaler Fakten subjektive Emotionen, so spricht man von choosing-by-liking. Viele Portfoliomanager unterliegen dieser Heuristik. Sie treffen ihre Investitionsentscheidungen ‚aus dem Affekt heraus‘. Beispielsweise investieren sie vermehrt in Unternehmen, denen sie sich emotional verbunden fühlen, weil die Unternehmen in ihrer Region ansässig sind, sie die Branche als Privatperson schätzen oder weil sie mit (leitenden) Angestellten
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
bekannt sind. Die Folgen liegen auf der Hand: Solche Portfolios sind nicht genügend diversifiziert und anfälliger für Krisen.
5.4.2
Verfügbarkeitsheuristik
Die Verfügbarkeitsheuristik (englisch: Availability Heuristic) beeinflusst die Vorhersagen von Wahrscheinlichkeiten. Je einfacher man sich die verschiedenen Ergebnisse vorstellen kann, desto wahrscheinlicher erscheinen diese. Wird zum Beispiel gefragt, ob es mehr Wörter gibt, die mit t oder mit k beginnen, fängt man automatisch an, Wörter zu suchen, die entweder mit t oder mit k beginnen. Jemand, der sich leichter t-Wörter ins Gedächtnis ruft, wird die Anzahl von t-Wörtern als höher beziffern, auch wenn es mehr k-Wörter gibt. Je nachdem, ob man sich also leichter an k- oder t-Wörter erinnert, schätzt man die jeweilige Wahrscheinlichkeit ein. Die Auswirkungen einer insolventen Investmentbank waren Politikern und Finanzexperten nicht vorstellbar. Darum wurde vor der Entscheidung, die Bank Lehman Brothers der Insolvenz zu überlassen, die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe unterschätzt. Man wollte eigentlich nur ein Exempel statuieren; die freie Marktwirtschaft, in diesem Fall die Wall Street, sollte sich ohne staatliche Hilfe selbst regulieren. Die Auswirkungen der Lehman-Pleite vom 15. September 2008 auf den Finanzsektor waren jedoch katastrophal. Deshalb griff die USamerikanische Regierung bereits drei Tage später ein und rettete Amerikas größten Versicherer AIG mit einem 85 Milliarden Dollar Paket.
5.4.3
Repräsentativitätsheuristik/Attributsersatzheuristik
Die von Kahneman erklärte Repräsentativitätsheuristik (englisch: Representativeness Heuristic) wurde im Laufe weiterer Detaillierungen in der Forschung umbenannt in Attributersatzheuristik (englisch: Attribute Substitution Heuristic). Diese tritt auf, wenn bei der Beurteilung von Attributen eines Objekts stattdessen andere, zugänglichere Eigenschaften des Objekts beurteilt werden. Es kommt zu Fehlern, denn die zu beurteilende Eigenschaft entspricht nicht der zur Hilfe genommenen. In Zeiten komplexer und vielfältiger Finanzprodukte wird es zunehmend schwerer für Anleger, eine Anlageentscheidung zu treffen. Beispielsweise sollen die Renditen von ähnlichen Fonds unterschiedlicher Herausgeber eingeschätzt werden. Zur Beurteilung zieht man der Einfachheit halber statt deren Zusammensetzung ihre Emittenten heran. Dadurch kommt es zu Beurteilungsfehlern, da die Beurteilung so zwar einfacher ist, aber wesentlich weniger aussagekräftig als die Zusammensetzung der Fonds. Selbst Finanzexperten unterliegen dieser Heuristik: Sie investierten in CDOs, dabei orientierten sie sich an den Ratings und vernachlässigten die eigentliche Struktur dieses Finanzinstruments.
5.4.4
Beurteilungsfehler
Man kann sehen, dass Heuristiken Automatismen sind, denen man sich nur sehr schwer entziehen kann. Besonders im Alltag sind sie meistens sehr hilfreich und willkommen, jedoch kann es durch die systematische Vereinfachung des Öfteren zu Beurteilungsfehlern
5.4 Heuristiken
89
kommen. Die häufigsten Fehler, Selbstüberschätzung und der Rückschaufehler sowie die Über- und Unterreaktion, werden nun beschrieben und auf die Finanzkrise bezogen. Selbstüberschätzung und Rückschaufehler Der Fehler der Selbstüberschätzung und der Rückschaufehler sind eng miteinander verbunden. Bei gemeinsamem Auftreten verstärken sich ihre Auswirkungen, weshalb beide Fehler gemeinsam betrachtet werden. Der Fehler der Selbstüberschätzung führt dazu, dass die meisten Investoren ihre eigenen Vorhersagefähigkeiten überschätzen. Sie ordnen ihren Vorhersagen eine Eintrittswahrscheinlichkeit zu, die generell zu hoch ist. Außerdem überschätzen sie die Genauigkeit gegebener Informationen; das heißt sie messen ihrem eigenen Informationsstand einen Wissensvorsprung gegenüber dem der anderen Marktteilnehmer bei. Als Rückschaufehler (englisch: Hindsight Bias) wird bezeichnet, wenn Menschen sich, nachdem sie den Ausgang von Ereignissen erfahren, falsch an ihre früheren Prognosen erinnern. Ursprüngliche Schätzungen werden den tatsächlichen Ergebnissen angenähert. Nach Fehlentscheidungen wird oft geglaubt, dass vor der Entscheidung verfügbare Informationen bereits für die richtige Entscheidung gesprochen hätten. Gepaart mit dem Fehler der Selbstüberschätzung entsteht bei dem Rückschaufehler eine Fehlerschleife. Wissenschaftler fanden heraus, dass Selbstüberschätzung viele Investoren dazu veranlasst, exzessiv zu handeln und ihr Portfolio ungenügend zu diversifizieren. Dadurch, dass sie das Verlustpotential unterschätzen, setzen sie sich einem größeren Risiko aus, als sie es normalerweise tun würden. Solche Portfolios wiesen über einen größeren Zeitraum eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung auf. Analysieren Investoren ihre Fehlentscheidungen, ohne sich aber ihre eigenen Fehler einzugestehen, verhindern sie damit den für weitere Anlagen wichtigen Lerneffekt. Bei der nächsten Entscheidungssituation überschätzen sich die Investoren deshalb erneut, die Schleife ist im Gange. Sie kann nur durch Einsicht und kritische Betrachtung der eigenen Fehler durchbrochen werden. Leiden zum Beispiel Vermögensverwalter unter diesen Fehlern, so kann es bei deren Anlegern, die sich auf die Prognosen und Empfehlungen verlassen haben, zum Vertrauensverlust kommen. Verlieren die Vermögensverwalter an Glaubwürdigkeit, ziehen die Anleger daraufhin ihr Kapital ab, und der Reputationsverlust kann sich durchaus auf das Finanzinstitut oder sogar die ganze Branche übertragen. Während der Finanzkrise hat die gesamte Bankenbranche das Vertrauen der Verbraucher verspielt. Innerhalb von 18 Monaten verloren viele Banken ein Vielfaches an Wert. Über- und Unterreaktion Gewichten Menschen aktuelle Nachrichten stärker als die historischen Durchschnittsdaten, kommt es automatisch zu einer Überreaktion. Andererseits kommt es zu einer Unterreaktion, wenn aktuellen Nachrichten weniger Beachtung geschenkt wird als den historischen. Verstärkt wird dies durch die Neigung des Menschen, hinter zufälligen Ereignissen ein Muster zu erkennen. Beim Fußball zum Beispiel traut das Publikum einem Spieler, der die letzten fünf Spiele getroffen hat, eher einen weiteren Treffer zu als einem, der die letzten Spiele
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
nicht getroffen hat, aber in der Vergangenheit wesentlich erfolgreicher war. Eine Unterreaktion dagegen findet statt bei einem Tor von einem Spieler, welcher schon lange nicht mehr getroffen hat, denn ihm wird trotzdem eher kein weiterer Treffer zugetraut. Unter- und Überreaktionen lassen sich an den Aktienmärkten jederzeit beobachten. Auf Adhoc-Nachrichten reagieren Anleger naturgemäß stärker als auf historische Daten oder Analysen. In der derzeitigen Finanzkrise liegt ein besonderes Augenmerk auf der Bundesregierung. Als Angela Merkel am 05. Oktober 2008 das Rettungspaket für die angeschlagene Hypo Real Estate ankündigte und in der folgenden Woche weitere ‚gute‘ Nachrichten veröffentlicht wurden, zeigte der deutsche Aktienmarkt einen extremen Verlauf und stieg in kürzester Zeit von 4.600 auf 5.200 Punkte. Diese Überreaktion korrigierte sich jedoch im Laufe der nächsten Tage wieder auf 4.620 Punkte. Dass eine Überreaktion auch nach unten möglich ist, zeigte die Forderung der drei größten US-Autobauer nach einem neuen Staatskredit in Milliardenhöhe. Der Dax brach daraufhin am 19. November 2008 von 4.600 auf 4.100 Punkte ein. Bereits nach zwei Tagen war die Überreaktion ausgeglichen, der Kurs erreichte nahezu sein ursprüngliches Niveau. Wenn aber eine Reihe von Ad-hoc-Nachrichten überbewertet werden, dauert die Normalisierung der Kurse länger oder führt von einem Boom in eine Krise und umgekehrt. So trugen die Nachrichten von steigenden Immobilienpreisen sowie prächtigen Renditen zur Blasenbildung bei. Als die Nachrichten von überbewerteten Immobilien und ersten Kreditausfällen durch die Presse gingen, platzte die Blase. Beschleunigt durch mehr und mehr negative Nachrichten brach der Immobilienmarkt schließlich ein.
5.5
Herdenverhalten
Bis hierher wurden mit der Neuen Erwartungstheorie, den Heuristiken und den Beurteilungsfehlern intrinsische Einflüsse auf den Menschen aufgezeigt. Extrinsische Einflüsse, die von der Gesellschaft ausgehen, wirken ebenfalls auf das Verhalten des Individuums ein und können Herdenverhalten verursachen. Am Finanzmarkt führt Herdenverhalten dazu, dass Investoren einer Herde gleich in eine Anlagemöglichkeit ein- oder aussteigen und damit starke Preisschwankungen hervorrufen. Damit wird Herdenverhalten zu einem wichtigen Krisenmechanismus. Ursachen dafür können Netzwerkeffekte, Investmentfonds und Reputation oder asymmetrische Informationen sein.
5.5.1
Netzwerkeffekte
Generell bedeuten Netzwerkeffekte, dass der Kauf eines Produktes dem Käufer einen umso höheren Nutzen bringt, je mehr Menschen das gleiche Produkt anschaffen. Speziell im Finanzsektor stellen sich Netzwerkeffekte vor allem als ‚bank runs’ dar. Es gibt davon nur zwei Extreme, entweder belassen (fast) alle Anleger ihre Einlagen bei der Bank oder sie wollen sie abziehen.
5.5 Herdenverhalten
91
Diesen Effekt konnte man bereits anfangs der Finanzkrise (September 2007) in Großbritannien beobachten. Anleger der in Schieflage geratenen Hypothekenbank Northern Rock standen Schlange, um ihre Einlagen abzuziehen, da sie nicht mehr an deren Sicherheit glaubten. Dieses Verhalten bereitete Banken und Politikern weltweit Sorgen. Schon nach den ersten Meldungen über anstehende Milliardenabschreibungen deutscher Banken griff die Regierung ein. Um ‚bank runs‘ zu vermeiden, garantierten viele europäische Regierungen im Oktober 2008 für die Sicherheit privater Spareinlagen.
5.5.2
Reputation
Das Gehalt von Managern bemisst sich oft an ihrer Reputation. Um diese zu erhalten, orientieren sich Manager häufig an Entscheidungen anderer. Keynes erklärte das wie folgt: „Worldly wisdom teaches that it is better for reputation to fail conventionally than to succeed unconventionally.“ Somit kann es bei Investitionsentscheidungen von Managern ebenfalls zu Herdenverhalten kommen. Bewiesenermaßen tendieren Analysten und Berater zu „bullishen“, also optimistischen Prognosen. Diese fallen in eine enge Bandbreite und weichen nicht weit von der vorherrschenden Meinung im Finanzmarkt ab. Es liegt im Menschen, Isolation und Risiko zu vermeiden und mit der Herde zu laufen. Kein Analyst wurde entlassen, weil er keine Baisse vorhersagte. Dieses Wissen beeinflusst natürlich die Prognosen. Für die Reputation ist es also förderlicher, falsche optimistische Prognosen zu erstellen als zu versuchen, eine Rezession oder eine Baisse vorher zu sagen. Obwohl das Risiko von CDOs Banken und Managern durchaus bekannt war, befanden sich diese Produkte in den meisten Portfolios. Die Renditen dieser Produkte waren vielversprechend und wurden gebraucht, um die eigenen Renditeziele zu erreichen. Kaum eine Bank blieb von Abschreibungen aufgrund von Kreditausfällen verschont, was zeigt, dass kein Manager in Sorge um Reputation und Gehalt hier gegen den Strom schwimmen (oder aus der Herde austreten) wollte. Wie wichtig die Reputation eines Managers ist, kann man gut am starken Widerwillen Josef Ackermanns sehen, das Banken-Rettungspaket anzunehmen. Er fürchtete, seinem Ruf als profilierter Manager zu schaden.
5.5.3
Asymmetrische und unvollkommene Informationen
Ein wesentlicher Grund für asymmetrische und unvollkommene Informationen stellt der mit der Informationsbeschaffung verbundene Kostenaufwand dar. Selbst institutionelle Investoren können nicht für alle Anlagen aktuelle und fundamentale Informationen beschaffen und verarbeiten. Relativ leicht zu beobachten sind jedoch Preisentwicklungen und damit das Verhalten anderer Anleger. Ein unvollkommen informierter Anleger weiß, dass auf dem Markt wesentlich mehr Informationen vorhanden sind. Für diesen Anleger ist es durchaus rational, vermeintlich besser informierten Anlegern in ihrer Entscheidung zu folgen. Verlässt sich also niemand mehr, selbst Top-Manager nicht, auf seine eigenen Informationen, sondern nur auf die Preisentwicklungen, so kommt es dazu, dass dem Preis mehr Gewicht beigemessen wird als den eigenen Informationen. Damit sind Preise nicht mehr informativ, entfernen sich von ihrem wirklichen Wert und es kann eine Blase entstehen. Mit der Zeit realisieren die
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
Investoren, dass sie dem uninformativen Preis gefolgt sind und steigen aus, und dadurch platzt die Preisblase. Genau dieses Szenario führte den amerikanischen Immobilienmarkt in die Krise. Wie in Abb. 5.3 nach Shiller aus dem Jahre 2008 ersichtlich, entfernten sich die Immobilienpreise (Home Prices) stark von ihren Baukosten (Building Costs). Die Häuserpreise entwickelten sich außerdem überproportional zum Bevölkerungswachstum. Seit Ende der 90er Jahre stiegen immer mehr nicht informierte Investoren in den Markt ein, um ihre Immobilien nach kurzer Zeit wieder mit Gewinn zu veräußern. Die ‚Herde‘ uninformierter Investoren machte den Preis uninformativ und trieb ihn in die Höhe, sodass es infolge dessen zu der Immobilienblase kam. Als Anfang des Jahres 2007 die Überbewertung von Immobilien immer offensichtlicher wurde, platzte die Blase. Das Herdenverhalten kehrte sich um, immer mehr Investoren wollten aus dem Markt aussteigen und ihre Immobilien verkaufen, woraufhin die Preise einstürzten.
Abb. 5.3 Entwicklung der Immobilienpreise in den USA
5.6
Weitere Erklärungsansätze
Zusätzlich zur Behavioral Finance gibt es weitere Erklärungsansätze, die Marktanomalien zu erklären. Obwohl die Wissenschaft sie nicht direkt der Behavioral Finance zuordnet, gibt es
5.6 Weitere Erklärungsansätze
93
insbesondere zwei Ansätze, die psychologische Aspekte berücksichtigen, nämlich Moral Hazard und die Selbsterfüllende Prophezeiung. Zur Ergänzung werden zum Abschluss Ansteckungseffekte betrachtet, da sie den Übergang einer Krise auf weitere Länder erklären.
5.6.1
Moral Hazard
Man spricht von Moral Hazard, wenn der Wegfall eines Risikos zu einer Verhaltensänderung führt. Dies kann durch einen Versicherungsvertrag zur Risikoübernahme zwischen zwei Parteien entstehen, bei dem der Versicherungsgeber das Verhalten des Versicherungsnehmers nicht kontrollieren kann. Dadurch hat der Versicherungsnehmer einen geringeren Anreiz, dem versicherten Risiko vorzubeugen. Finanzinstitute handelten frei nach dem Motto ‚too big to fail‘. Sie gingen davon aus, dass der Staat sie vor einer Insolvenz bewahren würde, um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Damit waren die Fundamente für Moral Hazard gelegt. Große Banken fühlten sich auch ohne tatsächlichen Versicherungsvertrag, also inoffiziell, gegen eine Insolvenz versichert. Dieses Wissen führte dazu, dass Akteure sich bewusst übermäßig risikoreich verhielten, was meist durch eine größere Rendite belohnt wurde. Die amerikanische Regierung wollte dieses Phänomen verhindern und ein Zeichen setzen, und ließ im September letzten Jahres daraufhin die Investmentbank Lehman Brothers in die Insolvenz gehen. Im Nachhinein stellte sich dies als Fehler heraus, da die Folgen schwerwiegender waren als erwartet. Der Staat musste eingreifen, um einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern. Er wurde somit doch zum Versicherer, ohne dafür je eine Prämie erhalten zu haben.
5.6.2
Selbsterfüllende Prophezeiung
Eine Vorhersage, die nach ihrem Bekanntwerden die prognostizierte Entwicklung beschleunigt und bestärkt, wird als Selbsterfüllende Prophezeiung bezeichnet. Die optimistische Stimmung zu Beginn des Jahres, beispielsweise waren die Auftragsbücher des Mittelstandes damals für das ganze Jahr bereits gefüllt, verschlechterte sich zum vierten Quartal drastisch. Die sich häufenden Rezessionswarnungen in der Presse führten zu einer sich Selbsterfüllenden Prophezeiung. Die pessimistische Stimmung veranlasste Unternehmen, Aufträge zu stornieren. Innerhalb kürzester Zeit setzte sich die ‚Rezessionsspirale‘ in Gang. Durch ausfallende Aufträge reduzierte sich der zuvor noch immense Personalbedarf, vor allem Zeitarbeiter und freie Mitarbeiter wurden kurzfristig freigestellt. Die befürchtete Rezession trat also schon deshalb ein, weil genügend Konsumenten und Unternehmen sich entsprechend verhielten. Wird der Pessimismus zur vorherrschenden Grundstimmung, trauen sich die Menschen nicht, aus der Masse auszutreten. Der Effekt der Selbsterfüllenden Prophezeiung beschleunigt weiterhin die Rezession.
94
5.6.3
5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
Ansteckungseffekte
Betrachtet wurde bis jetzt das individuelle irrationale Verhalten sowie die Auswirkungen von Irrationalität auf die Gruppe (in Form einer Herde). Als letzter Schritt folgen nun die Auswirkungen, die irrationales Verhalten auf die globalisierte Welt haben können. Löst das irrationale Verhalten im schlimmsten Falle eine Wirtschaftskrise aus, kann diese andere Volkswirtschaften anstecken. Je größer dabei die Volkswirtschaft des ansteckenden Landes, desto gravierender sind die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Es sind drei wichtige Übertragungsweisen zu beobachten, nämlich Monsoonal Effects, Spillover Effects und Contagion.
5.6.4
Monsoonal Effects
Wenn ökonomische Veränderungen in Industriestaaten Krisen in Emerging Markets auslösen, spricht man von Monsoonal effects. Sowohl der schwache US-Dollar als auch der Konsumrückgang machten Exporte in die USA unrentabel. Dies bekamen Exportnationen wie Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) besonders zu spüren. Die jeweiligen Aktienmärkte zeigten starke Einbrüche. So brach die Shanghai Stock Exchange (SEE) im Zeitraum Oktober 2007 bis Oktober 2008 von 12.900 auf 4.300 Punkte ein. Dies ist ein Verlust von 66 Prozent. Der Russian Trading System Index (RTSI) verlor innerhalb von fünf Monaten 75 Prozent. Er stand im Juni 2008 bei 2.400 Punkten und fiel bis Ende Oktober 2008 auf 600 Punkte. Innerhalb eines halben Jahres büßte Brasiliens Bovespa Index (BVSP) 50 Prozent ein. Am 01. Mai 2008 stand er bei 72.600 Punkten und am 01. November nur noch bei 36.500 Punkten. Ebenfalls 50 Prozent verlor Indiens Sensex im Verlauf des Jahres 2008. Von Januar bis Dezember halbierte er sich von 20.000 auf 10.000 Punkte.
5.6.5
Spillover Effects
Spillover Effects treten auf, wenn die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Ländern bewirkt, dass eine Krise in einem Land direkte Einflüsse auf die Fundamentaldaten der Handelspartner nimmt. In der heutigen Zeit, der Zeit der Globalisierung, sind Länder unter anderem durch ihre Wirtschaft, Freihandelszonen, Abkommen, Verbünde und Organisationen unweigerlich miteinander verknüpft. Dadurch sind sie automatisch von Spillover Effects bedroht. So waren die Auswirkungen der ursprünglich amerikanischen Finanzkrise schnell bei den wichtigsten Wirtschaftspartnern der USA spürbar. Die Fundamentaldaten Deutschlands zum Beispiel bestätigen eine Rezession: das Wirtschaftswachstum sank im zweiten Quartal 2008 bereits um 0,4 Prozent. Ebenso traf es die Europäische Union: 17 Staaten versuchten deshalb, mit Konjunkturpaketen eine drohende Rezession abzuwenden.
5.7 Fazit
5.6.6
95
Contagion
Contagion bezeichnet die grundlose, also fundamental unbegründete Übertragung einer Krise von einem Land auf das andere. Investoren, die durch die Subprime- und Finanzkrise Geld verloren, strukturierten ihr Portfolio um, um wieder liquide zu sein. Sie reduzierten also ihre Beteiligungen an Unternehmen oder Projekten im Ausland. Dadurch kam es auch in Ländern, die nicht oder nur unbedeutend bis dato von den Krisen betroffen waren, zu einem Kapitalabfluss. Dieser betrug beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten geschätzte 100 Milliarden Euro allein im Zeitraum Juli bis Oktober 2008.
5.7
Fazit
Um auf die ursprüngliche Fragestellung zurückzukommen: Ja, die aktuelle Finanzkrise lässt sich mit Behavioral Finance erklären. Es wurde gezeigt, dass sogar der gesamte Verlauf der Krise mit Behavioral Finance begründet werden kann. Moral Hazard und Herdenverhalten waren maßgeblich an der Entstehung der Immobilienblase beteiligt. Herdenverhalten und Reputation sowie die Attributsersatzheuristik veranlassten Manager, in vielversprechende CDOs zu investieren. Überreaktionen auf Nachrichten über erste Kreditausfälle lösten das Platzen der Blase aus. Heuristiken und Beurteilungsfehler ließen das Vertrauen am Kapitalmarkt schwinden und brachten den Interbankenmarkt zum Erliegen. Politiker unterlagen der Verfügbarkeitsheuristik und überließen Lehman dem Bankrott. Regierungen garantierten für die Spareinlagen ihrer Bürger, da sie Netzwerkeffekte wie in Großbritannien fürchteten. Ansteckungseffekte führten zur weltweiten Übertragung der Krise. Wie soll der Investor nun mit Behavioral Finance umgehen? Natürlich gibt es keine Wunderstrategien. Generell gilt es, den gesunden Menschenverstand einzusetzen, nicht irrational dem Renditewahn nachzueifern, sondern aus der Herde auszubrechen. Die zweite Investitionsentscheidungskomponente, das Risiko, darf nie außer Acht gelassen werden. Ferner sollten Anlageentscheidungen in regelmäßigen Abständen kritisch reflektiert und die Motive dafür hinterfragt werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass das Portfolio ausreichend diversifiziert ist. Ein grundlegendes Verständnis für Statistik und deren konsequente Anwendung hilft, Entscheidungsfehler zu reduzieren. Außerdem lohnt es sich, sich nicht nur mit klassischen Modellen und Theorien zu beschäftigen, sondern sich auch auf Neues einzulassen. In diesem Kapitel wurde deutlich, dass der Mensch in seinem Verhalten irrational ist und seine Entscheidungsfindung oft mit Fehlern behaftet ist. Viele davon geschehen subtil, unterbewusst und automatisch, man kann sie also weder abschalten noch verleugnen. Der Homo oeconomicus als rationaler Gegensatz wird entlarvt als das, was er ist: Ein realitätsfremdes Modell. Ein Verbesserungsansatz der letzten Jahre war die Evolution des „Homo oeconomicus“ zum „Homo sociologicus“. Dieser handelt nicht nur nach individuellen Präferenzen, sondern er wird durch die Wechselbeziehungen seines sozialen Umfeldes und seine Rolle in
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5 Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Fach „Internationale Finanzen“?
der Gesellschaft beeinflusst. Wichtige Einflussgrößen sind außerdem Lerneffekte, Normen und eine auf die Gesellschaft bezogene Rationalität. So wie die Erwartungsnutzentheorie durch die Neue Erwartungstheorie ersetzt wurde, so gibt es bereits Ansätze, die Hypothese der effizienten Märkte in ein evolutionäres Modell zu überführen. Die 2004 von Andrew Lo entworfene Adaptive Market Hypothesis zielt darauf ab, die gegensätzlichen Ansätze von Rationalität und Irrationalität miteinander zu vereinen. Weitere Erkenntnisse zu den Ursachen unseres Verhaltens sind aus der Neurobiologie zu erwarten. Die Gehirnforschung beschäftigt sich seit Kurzem mit dem Zusammenhang zwischen Emotionen und Entscheidungsfindung. Vorläufige Ergebnisse weisen darauf hin, dass psychologische Variablen in Verbindung mit dem Nervensystem stark mit Marktereignissen korrelieren. Dies bedeutet, dass Emotionen bei der Echtzeit-Verarbeitung von finanziellen Risiken eine wichtige Rolle spielen. Der Erfolg eines Investors würde also dann davon abhängen, wie gut er seine Emotionen kanalisieren kann. Die Wirtschaftswissenschaften werden nicht umhinkommen, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen und ihre Modelle und Theorien um die Behavioral Finance zu erweitern. Für den Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung (BU) wird es eine Herausforderung darstellen, die Finanzkrise als einen Paradigmenwechsel zu begreifen und den Unterrichtsstoff wie oben dargestellt anzupassen.
5.8
Literaturverzeichnis
Bloss, M./Ernst, D./Häcker, J./Eil, N.: Von der Wall Street zur Main Street – Die Weltwirtschaft nach der Finanzkrise, München 2009. Bloss, M./Ernst, D./Häcker, J./Eil, N.; Von der Subprime Krise zur Finanzkrise, München 2009.
6
Leadership im Studium der Unternehmensführung
Prof. Dr. Joachim Löffler
6.1
Einleitung
Die Vermittlung von „Leadership“ hat enorme Konjunktur im Studium der Betriebswirtschaftslehre. Leadership, das ist nach verbreitetem Verständnis (vgl. nur Dillerup/Stoi, 2008, S. 7; Northouse, 2007, S. 9f.) jene besondere Gabe, die bahnbrechende Visionäre und Gestalter – die „Leader“ eben – von den „schlichten“ Managern unterscheidet. International ist diese Entwicklung schon lange zu beobachten, aber auch an deutschen Hochschulen kommt Leadership als Studieninhalt zunehmend in Mode. So verwendet eine (private) deutsche Universität den Begriff „Leadership“ im Werbe-Flyer für ihr betriebswirtschaftliches Masterprogramm allein 24-mal! (vgl. WHU Otto Beisheim School of Management, 2008, S. 2ff.). Studiengebühren von 15.000,-- € und mehr sind offensichtlich nur durch die exzessive Verwendung des Begriffs Leadership und (hoffentlich) auch tatsächliche Vermittlung von Leadership-Skills zu rechtfertigen. Andere Hochschulen (z. B. FH Frankfurt, UdK Berlin) gehen noch einen Schritt weiter und bieten unter dem verheißungsvoll klingenden Etikett „Leadership“ gleich ganze Studiengänge an. In der Regel handelt es sich dabei um betriebswirtschaftlich orientierte MasterProgramme, die den Anspruch erheben, ihre Absolventinnen und Absolventen auf (noch) höhere Management-Weihen vorzubereiten und bessere Karrierechancen zu eröffnen als
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6 Leadership im Studium der Unternehmensführung
herkömmliche BWL- und MBA-Studiengänge. Professuren für „Leadership“ sind an deutschen Hochschulen, an denen es früher nur Lehrstühle für schlichte Personalwirtschaft gab, inzwischen ebenfalls keine Seltenheit mehr. Auch in den Angeboten der Veranstalter von Management-Seminaren und ähnlichen Angeboten wird die „Ware Leadership“ ebenso exzessiv beworben wie teuer verkauft. Und die Regale in den Fach-Buchhandlungen quellen von Managementliteratur zu den Themen „Führung“ allgemein und „Leadership“ im Besonderen sowieso über. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Bedeutung von „Leadership“ im Studium der Betriebswirtschaftslehre allgemein zu klären und ihre strategische Verankerung in den Studiengängen „Betriebswirtschaft und Unternehmensführung“ und „Business Management“ der Hochschule Heilbronn darzustellen. Der Beitrag geht daher zunächst der Frage nach, was der Begriff „Leadership“ eigentlich bedeutet und welche Ursachen der dargestellte LeadershipBoom hat. Anschließend werden die wichtigsten Ansätze zum Verständnis von Führung und Leadership kurz vorgestellt und gewürdigt, um einen Einblick in die behandelten Themen zu geben. Es wird auch versucht, das problematische Verhältnis der Begriffe „Leadership“ und „Führung“ zu klären. Am Ende wird die Frage beantwortet, ob Leadership an Hochschulen überhaupt sinnvoll gelehrt werden kann und welche Strategie der Master-Studiengang „Business Management“ der Hochschule Heilbronn in Bezug auf die Leadership-Qualifikationen der Studierenden verfolgt.
6.2
Was ist eigentlich Leadership?
Der im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Boom der Leadership-Angebote steht in offensichtlichem Gegensatz zur Unbestimmtheit der unter diesem verheißungsvollen Etikett tatsächlich vermittelten Inhalte. „Leadership“ lässt sich zwar ohne weiteres mit „Führerschaft, Führung, Führungsverhalten, Herrschaft, Leitung“ ins deutsche übersetzen. Die schlichte Gleichsetzung von Leadership mit Führung wird aber der erheblich weiteren und sehr vielschichtigen Bedeutung des Begriffes in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur nicht annähernd gerecht. Hier besteht Einigkeit darüber, dass Leadership auf jeden Fall eben mehr ist als „nur“ Führungstechnik oder gar „schlichtes“ Management (vgl. nur Fairholm/Fairholm, 2009, S. 5ff.; Northouse, 2007, S. 9f.; Malik, 2006, S. 49; Neuberger, 2002, S. 48ff.). Leider besteht kein Konsens darüber, was diesen „Mehrwert“ von Leadership“ gegenüber schlichter Führung bzw. simplem Management tatsächlich ausmacht. Es gibt angeblich mindestens 65 verschiedene Ansätze zur Erklärung von Leadership und die Theorien und Untersuchungen zum Verständnis von Führung sind schon gar nicht mehr zu zählen (vgl. nur Northouse, 2005, S. 2; Fairholm/Fairholm, 2009, S. 5ff.). Leider stößt keiner dieser Ansätze auf allgemeine oder auch nur überwiegende wissenschaftliche Anerkennung. Auch der naheliegende Versuch, über die Bestimmung der historischen Wurzeln des LeadershipGedankens Klarheit über die Bedeutung des Begriffs zu gewinnen, erweist sich als wenig fruchtbar. „Leadership“ als betriebswirtschaftliches Phänomen gilt gemeinhin als Erfindung des Harvard-Professors Kotter (vgl. o. V. 2004). Die Ansichten von Kotter, der nebenbei
6.2 Was ist eigentlich Leadership?
99
bemerkt auch als einer der Päpste des „Change Management“ gilt, lassen sich vielleicht pointiert auf die Formel bringen: Leadership ist das, was wirklich erfolgreiche Manager von den schlichten und weniger erfolgreichen normalen „Erbsenzählern“ unterscheidet (Kotter, 1990, passim). Das ist zwar sehr eingängig, aber leider nicht wirklich erhellend. Der Mehrwert von Leadership bleibt auch in dieser populären Formel eher ominös. Zur umfangreichen psychologischen und betriebswirtschaftlichen Fachliteratur kommen noch ganze Berge populärer, bestenfalls halbwissenschaftlicher Managementliteratur zu den Themenkreisen „Führung“ und „Leadership“. Diese Managementliteratur wird überwiegend von tatsächlich oder vermeintlich erfolgreichen Managern, Professoren, Psychotherapeuten, Unternehmensberatern, Trainern, Coaches etc. verfasst. Im Unterschied zur psychologischen wissenschaftlichen Fachliteratur haben Managementbücher den Vorzug, auch für durchschnittlich begabte Studierende oder Führungskräfte lesbar und verständlich zu sein. Häufig besteht Managementliteratur aus biographischen Erzählungen, Anekdoten, Märchen, Gleichnissen oder den derzeit in der Betriebswirtschaftslehre so überaus beliebten Best Practise Beispielen. Was von dieser Literaturgattung für die seriöse Führungs- und LeadershipForschung zu erwarten ist, hat Fredmund Malik, der Begründer des von vielen gerühmten St. Galler Managementmodells, wie folgt auf den Punkt gebracht: „Die Managementliteratur selbst ist in so hohem Maße wertlos, dass es sich, von wenigen Aussagen abgesehen, noch nicht einmal lohnt, sie überhaupt zu verarbeiten.“ (Malik, 2006, S. 41). In diesem Punkt hat Malik allerdings nicht ganz recht: Der Einfluss der Managementliteratur auf die Managementpraxis ist erheblich, was man umgekehrt von der wissenschaftlichen Fachliteratur nicht immer behaupten kann. Welche Führungskraft liest in ihrer knapp bemessenen Freizeit schon wissenschaftliche Werke? Selbstverständlich sind große Teile der Managementliteratur trivial. Für Teile der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur zum Thema Führung trifft dies zumindest aus Sicht von Psychologen allerdings auch zu (vgl. Neuberger, 2002, S. 48ff.). Und immerhin muss die Managementliteratur im Unterschied zu vielen wissenschaftlichen Werken den Test des Marktes bestehen. Der nachhaltige Erfolg einiger Bücher, Lehren, Ideen, Seminarkonzepte etc. am Markt spricht dafür, dass trotz eines nicht vorhandenen oder wenig seriösen wissenschaftlichen Hintergrundes zumindest „ein Körnchen Wahrheit“ an den Ideen der Autoren sein muss. In einigen Fällen ist es schlicht so, dass Managementliteratur wissenschaftlich fundierte Ansätze verständlich und in praktisch verwertbarer Form wiedergibt, was den ursprünglichen Erfindern dieser Theorien leider nicht immer gelingt. Der große Vorzug der Managementliteratur ist, dass sie versucht, Führungskräften praktische Handlungsanleitungen für den Managementalltag zu geben. Das wahre Wesen von Leadership erhellt sich aus diesen Ratgebern für überforderte Führungskräfte aber nicht. Mit Leadership ist es also ein bisschen wie mit dem berühmten, schreckenerregenden Schneemenschen Yeti im Himalaya, dessen angebliche Fußabdrücke zwar immer wieder von zahlreichen Zeugen gesehen werden, der aber noch nie fotografiert oder gar im Fernsehen interviewt wurde (vgl. Bennis/Nanus, 1990, S. 13ff. u. S. 27). Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass Leadership nicht identisch ist mit Führung. Leadership ist nach verbreitetem Verständnis mehr als Führung. Insoweit kann man auch sagen, dass Führung eine Voraussetzung für Leadership ist. Trennscharf auseinanderhalten lassen sich Führung und Leadership also nicht. Malik (2006, S. 20 u. S. 49) hat seine eigene
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6 Leadership im Studium der Unternehmensführung
Vorstellung von Leadership in Anlehnung an den von Drucker geprägten Begriff der effektiven Führung übrigens wie folgt präzisiert: „Der einzige Weg, Menschen erfolgreich, Organisationen funktionstüchtig und die Gesellschaft lebensdienlich zu machen, ist richtiges und gutes Management.“ Hierauf wird am Schluss des vorliegenden Beitrags noch zurückzukommen sein.
6.3
Woher kommt der Leadership-Boom?
Angesichts der dargestellten Begriffsunschärfe stellt sich die Frage nach den Ursachen für den enormen Leadership-Boom umso eindringlicher. Die durchaus naheliegende Vermutung, dass angesichts um sich greifender Orientierungslosigkeit in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise der Wunsch nach „Leadership“ immer stärker wird (vgl. Malik, 2007, S. 20ff.; Pinnow, 2008, S. 34f.), weckt aber (und das nicht nur in Deutschland) unangenehme historische Assoziationen. Die naheliegende deutsche Übersetzung der Begriffe „Leadership“ mit „Führerschaft“ und „Leader“ mit „Führer“ ist durch die Ereignisse der Jahre 1933 bis 1945 wohl ein für allemal verbrannte Erde in Deutschland und wird in der Literatur deshalb auch tunlich vermieden, um keine falschen Assoziationen zu wecken. Und das ist auch gut so (vgl. Malik, 2006, S. 47). Der Grundgedanke von Leadership hat nämlich mit jener Zeit nichts zu tun, seine historischen Wurzeln liegen ganz woanders, wie gleich gezeigt werden soll. Immerhin mag die große Popularität der Begriffe „Leadership“ und „Leader“ gerade in Deutschland auch damit zusammenhängen, dass die synonymen deutschen Begriffe historisch vorbelastet sind (Malik, 2006, S. 48). Die Popularität des Leadership-Gedankens findet eine weitere Erklärung darin, dass dieser Ansatz sog. Archetypen („Urbilder“) bedient, die in unserem gemeinsamen (kollektiven) Unbewussten verankert sind (Neuberger, 2002, S. 106ff.). Die Urbilder „Held“, „Anführer“, „Sieger“, „König“, „Seher“ etc. sind unser kollektives Erbgut, das sich durch Erzählungen, Erlebnisse, Lieder, Märchen, Sagen, Bücher, Filme, Comics etc., aber auch durch familiäre und religiöse Erziehung fortpflanzt. Die Existenz dieser Archetypen ist wohl eine der wichtigsten Entdeckungen von Jung (1875 bis 1961), der neben Freud und Adler als einer der Gründerväter der Psychologie gilt. Der Leadership-Gedanke fällt also von vornherein auf äußerst fruchtbaren psychologischen Boden, weil er in uns bereits vorhandene „Urbilder“ bedient. Als letztes kommt noch hinzu, dass Führung, wie Malik (2006, S. 65) treffend bemerkt hat, heute ein „ausgesprochener Massenberuf“ geworden ist. Früher, beispielsweise in den wenig organisierten Gesellschaftsordnungen der Antike oder des Mittelalters, war die Zahl der Leitenden, Führenden und Regierenden in einer Gesellschaft sehr gering und ihre Position primär durch Herkunft, Geburt, Erbe etc. bestimmt. Zum „Leader“, nämlich König, Herzog, Ritter, Bischof etc., wurde man als Adliger geboren, ohne dass sich die Frage nach der Führungsfähigkeit überhaupt stellte. Wer „die Ungnade der falschen Geburt“ hatte, konnte die entsprechenden Positionen hingegen nur in höchst seltenen Ausnahmefällen, wenn überhaupt erlangen.
6.4 Wie funktioniert Leadership?
101
In der hoch organsierten Gesellschaft moderner Prägung müssen (allein auf Deutschland bezogen) viele, hundertausende wahrscheinlich aber sogar Millionen Menschen Führungsaufgaben in ihren jeweiligen Organisation wahrnehmen. Führung beschränkt sich eben nicht auf die Manager an der Spitze eines Unternehmens, sie reicht hinunter bis zum Meister in der Fabrik oder der Oberschwester in der Intensivstation einer Klinik. Auch der Trainer eines Fußballclubs benötigt in erheblichem Maße Leadership, und zwar selbst dann, wenn es sich nicht um Bayern München, sondern um den TSV Mundelsheim handelt. Jeder, der auch nur einen einzigen Menschen führt, ist damit im Grunde genommen eine Führungskraft (so treffend Malik, 2006, S. 62 u. S. 66ff.). Und jede Führungskraft, ganz gleichgültig auf welcher Hierarchiestufe sie in ihrer Organisation steht, kann naturgemäß eine gehörige Prise „Leadership“ gebrauchen, um ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen zu können. Dies erklärt die ganz enorme Nachfrage nach Leadership, denn fast jeder braucht sie in unserer heutigen Gesellschaft. Leadership ist ein äußerst gefragtes und knappes Gut (vgl. Kouzes/Posner, 2009, S. 329ff.).
6.4
Wie funktioniert Leadership?
Aber wie – also nach welchen Regeln und Mechanismen – funktioniert Führung und damit Leadership nun tatsächlich? Zur Beantwortung dieser Frage sollen nachfolgend die wichtigsten und grundlegenden wissenschaftlichen Ansätze zur Erklärung der Phänomene Führung bzw. Leadership ganz kurz dargestellt werden. Wie bereits an anderer Stelle gesagt wurde, kann dabei nicht immer trennscharf zwischen Führung und Leadership unterschieden werden. Auch wenn Leadership nach verbreitetem wissenschaftlichem Credo (Glaubensbekenntnis) „mehr“ ist als Führung, so setzt Leadership doch zunächst einmal das vertiefte Verständnis von Führung voraus. Zum Zweck besserer Verständlichkeit sollen die zahllosen Ansätze zum Verständnis von Führung und Leadership wie folgt kategorisiert werden (vgl. Northouse, 2008, S. 15ff.; Fairholm/Fairholm, 2009, S. 7ff.; Stock-Homburg, 2007, S. 381ff.): 1. Charakterbezogene Leadership-Ansätze: Ein naheliegender und weit verbreiteter Ansatz zur Erklärung von Leadership ist die These: Leadership wird nicht erlernt, zum Leader wird man schlicht geboren! Diese Ansicht ist auch unter wissenschaftlich gebildeten Menschen durchaus populär, eben weil sie den Archetypus vom „geborenen Helden“ bedient. Und die Frage nach beispielhaften historischen „Leadern“ kann nahezu jeder Befragte, zumindest für sich selbst überzeugend beantworten. Allerdings reicht die Bandbreite der mit großer persönlicher Überzeugung vorgetragenen Vorschläge von Julius Caesar über Jesus Christus, Napoleon, Mahatma Gandhi, John F. Kennedy, Winston Churchill, Robert Bosch, Bob Dylan bis hin zu Helmut Schmidt, Mutter Teresa und dem Dalai Lama. Über die Charaktereigenschaften („traits“), die Leadership tatsächlich ausmachen, lässt sich allerdings auch unter den Anhängern dieses Ansatzes noch nicht einmal annähernd Einigkeit erzielen. Zu unterschiedlich sind auch die Persönlichkeiten, denen Leadership attestiert wird. Und für die betroffenen Studierenden, denen aufgrund Ihrer betriebswirtschaftlichen Ausbildung eines Tages mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aufgabe zufallen wird, einige Mitarbei-
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6 Leadership im Studium der Unternehmensführung
ter, eine Abteilung, einen Geschäftsbereich oder ein ganzes Unternehmen zu führen, ist der Gedanke wenig tröstlich, dass ihr Führungserfolg von einem ominösen „Leadership-Gen“ abhängen soll, dessen Vorhandensein sie nicht beeinflussen können. In reiner Form weist der Ansatz des „geborenen Leaders“ so viele Schwächen auf, dass er heute eigentlich nicht mehr ernsthaft wissenschaftlich vertreten wird. 2. Kompetenzbezogene Leadership-Ansätze: Ein weiterer Erklärungsansatz führt Leadership daher nicht auf die weitgehend unveränderlichen Charaktereigenschaften eines Menschen, sondern auf bestimmte Schlüsselqualifikationen zurück, die teilweise zwar schon in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sein mögen, jedenfalls aber durch entsprechendes Training geweckt oder zumindest verstärkt werden können. Interessant ist, dass die für die Unternehmensführung notwendigen Schlüsselqualifikationen, die man auch unter dem Begriff „Führungsfähigkeit“ zusammenfassen kann (vgl. dazu im vorliegenden Werk der Beitrag von Wilpers), nach belastbaren empirischen Untersuchungen weniger im Bereich der fachbezogenen Kenntnisse, sondern vorwiegend unter den persönlichen und sozialen Kompetenzen zu suchen sind (vgl. DIHK, 2004, S. 5ff.). Das Hauptproblem dieses Ansatzes ist neben der schwierigen Identifikation der relevanten Schlüsselqualifikationen vor allem die Frage, wie sich die entsprechenden Kompetenzen tatsächlich wecken oder entwickeln lassen. Die Kommunikationskompetenz gehört ohne jede Frage zu den wichtigsten Schlüsselqualifikationen einer Führungskraft. Aber mit dieser Erkenntnis allein ist wenig gewonnen, denn es bleibt aus Sicht eines Unternehmens oder auch einer Hochschule die Frage: Wie macht man aus einem schüchternen weiblichen Mauerblümchen oder einem introvertierten männlichen Duckmäuser eine kommunikativ kompetente und extrovertierte Führungskraft? 3. Führungsstilbezogene Leadership-Ansätze: Ein weiterer Leadership-Ansatz führt den Erfolg oder Misserfolg auf den jeweils angewandten Führungsstil zurück. Auch dieser Gedanke überzeugt durch seine Plausibilität zumindest auf den ersten Blick. Leider lässt sich aber die Überlegenheit bestimmter, von der Wissenschaft favorisierter Führungsstile, beispielsweise des sog. kooperativen Führungsstils gegenüber einem autoritären Führungsstil, nicht belastbar empirisch bestätigen (vgl. Neuberger, 2002, S. 432). Und es bleibt auch die Frage offen, ob eine Führungskraft den vermeintlich optimalen kooperativen Führungsstil überhaupt erfolgversprechend und authentisch anwenden kann, wenn er ihrer grundlegenden Persönlichkeitsstruktur widerspricht. Es spricht manches dafür, dass beispielsweise autoritäres Verhalten eine auch durch ausgefeilte Trainings nicht ganz so leicht zu ändernde Charaktereigenschaft ist. „The leopard cannot change its spots“ besagt ein altes Sprichwort, das bereits auf die Bibel zurückgeht (AT Jeremia 13,23). 4. Situative Leadership-Ansätze: Vom Standpunkt der Führungsstile aus betrachtet, ist es nur ein kleiner, naheliegender gedanklicher Schritt, den jeweils anzuwendenden Führungsstil oder die Führungsmethode mit der Situation, dem Entwicklungszustand der Mitarbeiter oder anderen Rahmenbedingungen zu verknüpfen. Bei konsequenter Verfolgung dieses Ansatzes lässt sich situationsbedingte Führung trainieren. Dabei steht im Mittelpunkt die Fähigkeit, die konkrete Führungssituation richtig einzuschätzen bzw. einzuordnen und darauf mit dem adäquaten Führungsverhalten, evtl. auch dem „richtigen“ Führungsstil zu reagieren. Die situationsbedingte Führung hat aufgrund ihrer Eingängigkeit viele Befürworter. Und sie erfreut sich besonderer Beliebtheit bei den Anbietern von Management-Seminaren und den
6.4 Wie funktioniert Leadership?
103
Verfassern von Leadership-Ratgebern für überforderte Führungskräfte. Situationsbedingte Führung erweckt nämlich die Illusion, erlernbar und trainierbar zu sein, ohne den Führungskräften so viel abzuverlangen wie eine grundlegende Veränderung ihrer Persönlichkeitseigenschaften oder gar ihres Charakters. Ein gewisses Unbehagen löst allerdings die Tatsache aus, dass situative Führungstheorien bei konsequenter Anwendung aus den Führungskräften im Grunde Roboter machen, die stets in vorhersehbarer Weise reagieren, wenn eine bestimmte vordefinierte Führungssituation eintritt. Es ist naheliegend, dass sich die Geführten auf diese vorhersehbaren Reaktionen einstellen und damit den angestrebten Führungserfolg möglicherweise zunichte machen. 5. Rollenbezogene Leadership-Ansätze: Alle bisher dargestellten Ansätze konzentrieren sich, wenn auch mit erheblichen Unterschieden im Detail, auf die Person und das Verhalten der Führungskraft selbst. Sie vernachlässigen dabei die geführten Mitarbeiter, deren Persönlichkeit und insbesondere deren Erwartungen an die Führungskraft. Nicht nur, aber auch bei Politikern kann man beobachten, dass der Führungserfolg eben nicht allein von der Persönlichkeit und dem tatsächlichen Verhalten der Führungskraft, sondern ganz wesentlich auch von den Erwartungen der Geführten und der Übereinstimmung zwischen Erwartungen der Geführten und Verhalten der Führungskraft abhängt. Diese Erwartungen an das Rollenverhalten der Führungskräfte unterliegen dabei in erheblichem Ausmaß dem Wandel der Zeiten. Es ist offensichtlich, dass viele berühmte historischer „Leader“, beispielsweise Winston Churchill, Konrad Adenauer, Franklin D. Roosevelt, Hermann Josef Abs, Hanns L. Merckle, um nur einige zu nennen, unter den heutigen Rahmenbedingungen der modernen Mediengesellschaft und der globalisierten Wirtschaft wahrscheinlich kaum Chancen hätten, an die Spitze eines Staates oder eines Unternehmens vorzudringen. Zu wenig würden die Genannten den völlig veränderten Erwartungen der Geführten und den Vorstellungen der modernen Mediengesellschaft entsprechen (so treffend auch Drucker, 2007, S. 9). Ein Problem der rollenorientierten Ansätze liegt freilich darin, dass sich der Erfolg einer Führungskraft eben nicht ausschließlich danach bemisst, inwieweit sie den Erwartungen der Geführten entspricht. „Boni für alle“ oder „mehr Urlaub“ zu versprechen, mag allemal populär sein, zum Unternehmenserfolg führt das aber noch lange nicht. Und ob man mit leeren Versprechungen als Politiker wirklich dauerhaft Wahlen gewinnen kann, darf auch bezweifelt werden. 6. Mikropolitische Leadership-Ansätze: Mikropolitische Ansätze betonen in Erweiterung der rollenbezogenen Leadership-Theorien durchaus zu Recht, dass eine Führungskraft nicht nur mit den Erwartungen der Geführten konfrontiert sind, sondern auch mit denen anderer interner und externer Stakeholder, nämlich insbesondere den oft divergierenden Erwartungen, Vorgaben, Zielen der eigenen Vorgesetzten der Führungskraft, der Führungskräfte auf gleicher Ebene, der Anteilseigner, des Aufsichts- oder Betriebsrates, der Familie, der Gesellschaft, der Medien etc. Führung ist eben am Ende nicht nur ein bilateraler Prozess zwischen Führendem und Geführtem, sondern ein multilateraler Vorgang, auf den neben den genannten Stakeholdern zusätzlich auch noch zahlreiche, teilweise schwer fassbare Faktoren wie rechtliche Rahmenbedingungen, Unternehmenskultur, gesellschaftliche Moralvorstellungen etc. einen Einfluss haben. Die moderne Führungskraft wird damit zum mikropolitischen Akteur in einem hochkomplexen Umfeld, der alle bewährten politischen Methoden anwen-
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6 Leadership im Studium der Unternehmensführung
den kann und auch muss, um erfolgreich zu sein: „Tarnen, Tricksen, Täuschen und Intrigieren“ gehören dann zum Führungsalltag nicht nur in der Politik, sondern auch in Unternehmen (vgl. Neuberger, 2003, S. 44f.). 7. Systemische Leadership-Ansätze: Systemische Führungs-Ansätze betonen ähnlich wie die mikropolitischen, dass Führung kein einfacher bilateraler Prozess ist, sondern innerhalb eines höchst komplexen sozialen Systems erfolgt, das durch Rückkoppelungen, selbstverstärkende Mechanismen und Nebenwirkungen gekennzeichnet ist. Führung muss dabei beachten, dass nicht alles planbar und steuerbar ist. Der wissenschaftliche Erklärungswert systemischer Ansätze ist zwar hoch, leider lassen sich daraus nur schwer praktisch verwertbare Handlungsanweisungen ableiten. 8. Sonstige Leadership-Ansätze: Neben den dargestellten grundlegenden wissenschaftlichen Ansätzen zur Erklärung der Phänomene „Führung“ und „Leadership“ gibt es zahlreiche Mischtheorien, Abwandlungen und unzählige philosophisch, psychologisch oder auch esoterisch geprägte Ansätze. Ähnlich wie bei den Ratgebern zu allgemeinen Lebensfragen ernährt der Leadership-Boom eine ganze Industrie von Professoren, Sachbuchautoren, Beratern, Seminarveranstaltern etc. Großer Beliebtheit bei amerikanischen Managern erfreut sich beispielsweise das „Hirtenprinzip“ (Leman/Pentak/Bilgri et al., 2005). Hier werden Grundregeln für das Hüten einer Schafherde unmittelbar auf die Führung von Mitarbeitern übertragen. In der Praxis funktioniert das angeblich ganz erfolgreich. Ob die nach dem Hirten-Prinzip geführten Mitarbeiter die Anwendung von Regeln für das Hüten einer Schafherde als besonders schmeichelhaft empfinden, ist leider bisher nicht erforscht worden. Ein weiteres Leadership-Konzept empfiehlt als grundlegende Vorbereitung auf höhere Management-Weihen allen Ernstes das Tauchen mit (lebenden) Haien (Buholzer, 2006, passim). Das Lachen vergeht einem spätestens dann, wenn berichtet wird, dass es gelungen sei, gerade dieses Konzept erfolgreich und gegen hohes Honorar in den Führungsetagen deutscher und schweizerischer Großbanken zu vermarkten! In einem der erfolgreichsten Managementbücher der letzten Jahre überhaupt werden die speziellen Führungs- und Motivationsmethoden der Verkäufer eines berühmten Fischmarktes in Seattle, USA erfolgreich auf die Führung einer problematischen Abteilung in einem Versicherungskonzern übertragen (Lundin/Paul/Christensen, 2003, passim). Der Erfolg dieses leicht lesbaren Buches war so ungemein, dass die Autoren inzwischen noch weitere Millionenseller geschrieben haben, die auf der Basis der Erkenntnisse vom Fischmarkt Empfehlungen nicht nur für das Management von Sushi-Restaurants, Kliniken und Call-Centern, sondern für nahezu alle Bereiche der Wirtschaft geben (Lundin/Paul/Christensen, 2005, passim; dies., 2006, passim; ähnlich die erfolgreiche „Zweitvermarktung“ der gleichen Idee durch Blanchard, 2004, passim). Diese Beispiele sollen genügen, um zu illustrieren, was sich unter dem Etikett „Leadership“ alles erfolgreich vermarkten lässt. Neuberger (2002) hat den zweifelhaften Erkenntnisstand der Führungs- und Leadership-Forschung aus sozialpsychologischer Sicht wie folgt beschrieben: „Will man sich auf dem Feld der Führung orientieren, so trifft man auf unüber-
6.5 Vermittlung von Leadership im Studium der Unternehmensführung
105
sichtliches Gelände: Es gibt beeindruckende Pracht-Straßen, die aber ins Nichts führen, kleine Schleichwege zu faszinierenden Aussichtspunkten, Nebellöcher und sumpfige Stellen. Auf der Landkarte der Führung finden sich auch eine ganze Reihe Potemkinscher Dörfer, uneinnehmbarer Festungen oder wild wuchernder Slums.“
6.5
Vermittlung von Leadership im Studium der Unternehmensführung
Die Frage, ob es Sinn macht, das Thema „Leadership“ zum Inhalt eines betriebswirtschaftlichen Studiums mit dem Fokus Unternehmensführung zu machen, darf angesichts des wissenschaftlichen Scherbenhaufens der Führungs- und Leadership-Forschung, den Neuberger im obigen Zitat so anschaulich beschrieben hat, durchaus aufgeworfen werden. Dass etwas aktuell in Mode ist, heißt ja noch lange nicht, dass es auch wirklich gut ist. Trotz der dargestellten Fragwürdigkeit vieler Ansätze und Auswüchse der Führungsdebatte und ihrer Unübersichtlichkeit ist die Beschäftigung mit Leadership für das Studium der Unternehmensführung dennoch fruchtbar, wenn nicht sogar essentiell: Betriebswirtschaftliche Studiengänge sind traditionell auf die Vermittlung von Fachkenntnissen fixiert, also von Wissen über Organisationen, Institutionen, Funktionen, Normen, Instrumente, Techniken etc. Dass es in der Praxis leider nicht genügt, Führungsmethoden, Führungsinstrumente, Führungsstile etc. im Studium theoretisch kennen gelernt zu haben, sondern dass der Führungserfolg zentral mit der Person des Führenden (v. Rosenstiel, 2003, S. 7ff.) und der Art des Einsatzes der Instrumente zusammenhängt, ist eine unbestreitbare Tatsache, aber für viele Studierende Neuland. Der zentrale Begriff Schlüsselqualifikationen ist den Studierenden zwar regelmäßig bekannt. Worin die aus Unternehmenssicht wichtigen Schlüsselqualifikationen tatsächlich liegen, nämlich insbesondere im Bereich der sozialen und persönlichen Kompetenzen, ist vielen Studierenden hingegen nicht bewusst. Über Schlüsselqualifikationen, namentlich über die berühmten „Soft Skills“ wird zwar heute an Hochschulen viel geredet. Zumeist beschränkt sich die Ausbildung der Studierenden am Ende aber doch auf ein bisschen Rhetorik, Präsentationstechnik und vielleicht noch Teambildung, Verhandlungsführung und interkulturelle Kompetenz. Der Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung an der Hochschule Heilbronn geht darüber weit hinaus, denn die in einem anderen Beitrag der vorliegenden Festschrift von Wilpers beschriebene Veranstaltung „Leadership Communication“ vermittelt den Studierenden bereits im Bachelor-Studium frühzeitig praktische Einblicke in die Voraussetzungen der Schlüsselkompetenz „Führungsfähigkeit“. In konsequenter Fortführung dieses strategischen Ansatzes löst sich die Veranstaltung „Leadership“ von der bloßen Vermittlung von Fachwissen und bezieht die Persönlichkeit der Studierenden mit ein. Ein wichtiges Ziel der Veranstaltung Leadership ist es daher, Kenntnisse über die tatsächlich relevanten Schlüsselqualifikationen zu vermitteln und den Studierenden Anreize und Hilfen für deren Entwicklung zu geben. Wichtig sind dabei insbesondere die Schlüsselqualifikationen Analyse- und Entscheidungsfähigkeit, Selbstmanagement,
106
6 Leadership im Studium der Unternehmensführung
Kommunikationsfähigkeit, Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein (vgl. Drucker, 2007, S. 9ff.; DIHK, 2004, S. 5ff.). Dass es nicht ausreichend ist, Führungsmethoden, Führungsinstrumente, Führungstechniken, Führungsstile etc. in der Theorie kennen gelernt zu haben, wurde bereits oben gesagt. Viele Führungskräfte stehen in der Praxis ratlos vor dem verwirrenden Baukasten der zur Verfügung stehenden Führungsinstrumente und greifen am Ende oft aus Hilflosigkeit zu eher archaischen und häufig unnötig autoritären Methoden der Führung. Um Führungsinstrumente richtig einsetzen zu können, ist das Wissen unabdingbar, wie Führung von Menschen funktioniert. So verwirrend die Vielzahl der Führungs- und Leadership-Ansätze auch sein mag, vermitteln sie doch Verständnis dafür, dass Führung in der Praxis ein hoch komplexer Prozess und eben keine eindimensionale bilaterale Beziehung ist, die nach Regeln aus dem Lehrbuch abgearbeitet werden kann. Man mag von den zahlreichen Leadership-Ansätzen, die in der Lehrveranstaltung vorgestellt und intensiv diskutiert werden, letzten Endes halten, was man will und dem einen oder anderen mehr oder weniger stark zuneigen. Wirklich wichtig ist die Erkenntnis, dass es im Führungsalltag kein Patentrezept gibt, weil Führung nicht zuletzt von der Person des Führenden abhängt. Führung ist en komplexer sozialer Prozess, rein rationale Führung scheitert deshalb fast immer (vgl. Neuberger, 2003, S. 42f.). Schließlich soll in der Lehrveranstaltung „Leadership“ vermittelt werden, dass das Thema Führung keineswegs nur die Führung von Mitarbeitern betrifft. Die richtige und gute Führung der eigenen Person ist mindestens genau so wichtig für den Führungserfolg wie die Führung der anvertrauten Mitarbeiter. Selbstführung oder auch Selbstmanagement, wie man das auch nennen kann (vgl. Pinnow, 2008, S. 48ff.; Linneweh/Hofmann, 2003, S. 99ff.), beinhaltet zahlreiche Aspekte, die im Studium traditionell eher zu kurz kommen: persönliche Zielbildung, eigenes Wertesystem, Entscheidungsfindung, Zeitmanagement, Stressbewältigung, Work-Life-Balance, um nur die wichtigsten zu nennen (vgl. Streich, 2003, S. 111ff.; Regnet, 2003, S. 119ff.; Rühle, S. 131ff.). Das Management dieser Aufgabenfelder ist aber unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung und damit für eine nachhaltige Karriere als Führungskraft. Die Ermutigung der Studierenden zur Selbstführung ist vielleicht sogar das wichtigste Anliegen der Lehrveranstaltung Leadership überhaupt.
6.6
Fazit
Die Führung von Mitarbeitern ist unabdingbarer Bestandteil der Unternehmensführung. Hinterhuber/Raich (2006, S. 54) proklamieren sogar: „Leadership trägt am meisten zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens bei. Wir wagen deshalb zu behaupten, dass das Unternehmen der Zukunft die Leadership-Company ist, ein Unternehmen, dessen Kernkompetenz die Entwicklung der Leadership-Fähigkeiten der Führungskräfte und Mitarbeiter auf allen Verantwortungsebenen ist.“ Das mag vielleicht doch etwas zu hoch gegriffen sein. Leadership ist aber sicher eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Unternehmensführung.
6.7 Literaturverzeichnis
107
Dabei kommt der Persönlichkeit der Führungskraft und ihren Schlüsselqualifikationen entscheidende Bedeutung zu. Diese Schlüsselqualifikationen müssen bereits im Studium erkannt und durch Vermittlung von Wissen über das Funktionieren von Führung sowie durch praktisches Training gezielt entwickelt werden. Von besonderer Bedeutung ist es, die Fähigkeit der zukünftigen Führungskräfte zur Selbstführung nachhaltig zu stärken. In Anlehnung an Fredmund Malik (2006, S. 41) lässt sich das inhaltliche Programm der Lehrveranstaltung „Leadership“ wie folgt in einem einzigen Satz zusammenfassen: Leadership ist mehr als Führung, nämlich richtige und gute Führung unter Einbeziehung der eigenen Persönlichkeit des Führenden.
6.7
Literaturverzeichnis
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108
6 Leadership im Studium der Unternehmensführung
Lundin, S./Paul, H./Christensen, J.: Noch mehr FISH!: Die unbegrenzten Einsatzmöglichkeiten eines ungewöhnlich erfolgreichen Motivationsbuches, München 2005. Lundin, S./Paul, H./Christensen, J.: Für immer FISH!: Wie Sie die Fish!-Philosophie verankern und Ihre Motivation frisch halten, München 2006. Malik, F.: Führen Leisten Leben: wirksames Management für eine neue Zeit, Neuausgabe, Frankfurt 2006. Malik, F.: Konservativismus und effektives Management: Wege aus der Orientierungskrise, in: Drucker, P.F./Paschek, P.: Kardinaltugenden effektiver Führung, Sonderausgabe, Heidelberg 2007, S. 25ff. Neuberger, O.: Führen und Führen lassen, 6. Aufl., Stuttgart 2002. Neuberger, O.: Mikropolitik, in: Rosenstiel, L.v./Regnet, E./Domsch, M.: Führung von Mitarbeitern, 5. Aufl., 2003, S. 41ff. Neuberger, O.: Mikropolitik und Moral in Organisationen: Herausforderung der Ordnung, 2. Aufl., Stuttgart 2006. Northouse, P.: Leadership: Theory and Practice, 4. Aufl., Thousand Oaks 2007. o. V.: Harvard Business Manager, Heft 4, 2004; S.31ff. Pinnow, D.F.: Führen: Worauf es wirklich ankommt, 3. Aufl., Wiesbaden 2008. Regnet, E.: Stress und Möglichkeiten der Stressbewältigung, in: Rosenstiel, L.v./Regnet, E./Domsch, M.: Führung von Mitarbeitern, 5. Aufl., 2003, S. 119ff. Rühle, H.: Zeitmanagement, in: Rosenstiel, L.v./Regnet, E./Domsch, M.: Führung von Mitarbeitern, 5. Aufl., 2003, S. 131ff. Rosenstiel, L.v.: Grundlagen der Führung, in: Rosenstiel, L.v./Regnet, E./Domsch, M.: Führung von Mitarbeitern, 5. Aufl., 2003, S. 3ff. Stock-Homburg, R.: Personalmanagement, Wiesbaden 2008. Streich, R.K.: Work-Life-Balance, in: Rosenstiel, L.v./Regnet, E./Domsch, M.: Führung von Mitarbeitern, 5. Aufl., 2003, S. 111ff. WHU – Otto Beisheim School of Management, Master of Science in Management, Vallendar 2008.
7
Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften
Prof. Dr. Axel Otte
7.1
Funktion und Wirkungsweise von Rangrücktritten
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Rangrücktritten, die Darlehen an Kapitalgesellschaften betreffen. Solche Rangrücktritte führen im Insolvenzfall zu einer nachrangigen Befriedigung der Gläubiger rangrücktrittsbehafteter Darlehen. Auswirkungen ergeben sich jedoch nicht nur bei Eintritt der Insolvenz, sondern bereits vorher oder sogar in Fällen, in denen keine Insolvenz eintritt. Für Kapitalgesellschaften ist neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung gem. § 19 Abs. 1 InsO Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren. Die Überschuldung ist aufgrund eines Überschuldungsstatus1 zu ermitteln (vgl. Uhlenbruck, 2006, S. 133ff.). Im Überschuldungsstatus ist nicht auf die bilanzielle Überschuldung abzustellen, die vorliegt, wenn die bilanziellen Schulden das bilanzielle Vermögen übersteigen; vielmehr muss das tatsächlich vorhandene Vermögen den Schulden gegenübergestellt werden (vgl. Bußhardt, 2007,
1
Im Fachschrifttum und in der Wirtschaftspraxis wird auch immer wieder statt von Überschuldungsstatus von Überschuldungsbilanz gesprochen.
110
7 Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften
§ 19 Rn 8ff.). Für die Bewertung des Vermögens und der Schulden kommt es darauf an, ob eine Fortführungsprognose negativ oder positiv ausfällt. Bei einer negativen Fortführungsprognose sind Liquidationswerte, bei einer positiven Fortführungsprognose sind hingegen Fortführungswerte anzusetzen (vgl. hierzu Möhlmann-Mahlau, 2005, S. 4ff.). Bei Verwendung von Fortführungswerten bedeutet dies insbesondere für Abschreibungen im Anlagevermögen, die auf einem Abschreibungsplan beruhen, Wertansätze, die in den Anfangsjahren der Nutzung des Anlagevermögens i. d. R. höher sind als die Liquidationswerte. Freilich ist die Feststellung einer Überschuldung auch bei positiver Fortführungsprognose nicht ausgeschlossen (vgl. Uhlenbruck, 2006, S. 137), so dass Insolvenzantragspflicht besteht. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass für den Zeitraum 1.11.2008 – 31.12.2010 eine schuldnerfreundlichere Insolvenzantragspflicht aufgrund des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vom 17.10.2008 (BGBL I, S. 1982) besteht. Danach wird die Insolvenzantragspflicht – soweit sie auf Überschuldung beruhen könnte – bereits aufgrund einer positiven Fortführungsprognose vermieden. Häufig tritt bei Unternehmenskrisen zunächst die bilanzielle Überschuldung ein, ohne dass zugleich eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt. So können z. B. stille nicht aktivierungsfähige Reserven, die aufgrund des grundsätzlich nach wie vor geltenden Anschaffungskosten/Herstellungskostenprinzips bestehen, die insolvenzrechtliche, nicht aber die bilanzielle Überschuldung beseitigen. Außerdem ist vorstellbar, dass nicht aktivierungsfähige immaterielle Vermögensgegenstände, die aufgrund von Forschungsaktivitäten entstanden sind, denselben Effekt erzielen. In der Wirtschaftspraxis wird bereits die bilanzielle Überschuldung oder sogar die drohende bilanzielle Überschuldung als krisenhaft angesehen. Dies lässt sich wie folgt begründen: • Banken verlangen i. d. R. spätestens bei drohender bilanzieller Überschuldung Finanzund Rentabilitätsplanungen sowie Erläuterungen zur Geschäftspolitik, mit der die Krise wieder beseitigt werden soll. • Die Geschäftsführung muss Maßnahmen ergreifen, um im Interesse der Erfüllung der Unternehmensziele die Krise abzuwenden und sich i. d. R. der Diskussion über die Geschäftspolitik innerhalb und außerhalb des Unternehmens stellen. • Bei Jahresabschlussprüfungen, die für sämtliche Kapitalgesellschaften, die nicht kleine Kapitalgesellschaften i. Si. d. § 267 Abs. 1 HGB sind, durchgeführt werden müssen (vgl. § 316 Abs. 1 HGB), hat der Abschlussprüfer in seinem Prüfungsbericht gem. § 321 Abs. 1 S. 3 HGB über Tatsachen zu berichten, welche die Entwicklung des geprüften Unternehmens wesentlich beeinträchtigen oder seinen Bestand gefährden können (vgl. hierzu auch Institut der Wirtschaftsprüfer IDW Prüfungsstandard 2006, S. 49). • Aktiengesellschaften haben bereits bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals, die Hauptversammlung einzuberufen (vgl. § 92 Abs. 1 AktG). Bei der Verlustermittlung sind die Ansatz- und Bewertungsregeln für den handelsrechtlichen Jahresabschluss zu verwenden (vgl. Hüffer, 2008, § 92 Rn 3) In der Wirtschaftspraxis stellen Rangrücktritte bei Gesellschafterdarlehen ein beliebtes Instrument dar, aufgrund dessen erhofft wird, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu ver-
7.2 Erscheinungsformen/Auswirkungen auf Überschuldungsstatus und Jahresabschluss
111
meiden. Der Vorteil wird darin gesehen, dass Rangrücktritte kurzfristig durchführbar sind und sofort wirksam werden. Hingegen entfalten geschäftspolitische Maßnahmen, die Änderungen des Leistungsprogramms und/oder Kosteneinsparungsmaßnahmen zum Gegenstand haben, häufig keine sofortige Wirkung. Eine Rangrücktrittserklärung stellt eine Vereinbarung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer mit dem Inhalt dar, dass der Darlehensgeber im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt. Dies bedeutet also für den Insolvenzfall eine nachrangige Befriedigung der Ansprüche des Darlehensgebers. Eine bloße Erklärung des Darlehensgebers wird als nicht ausreichend angesehen. „Der Rangrücktritt muss regelmäßig ausdrücklich vereinbart sein, wobei die Annahmeerklärung durch konkludentes Handeln erfolgen kann. Die Vereinbarung muss vom Inhalt her verdeutlichen, dass die Forderung innerhalb des Insolvenzverfahrens nur mit einem Rang hinter den einfachen Insolvenzgläubigern befriedigt werden darf“ (Ehricke, 2007, § 39 Rn 47). Der Rangrücktritt bei Gesellschafterdarlehen führt dann aufgrund expliziter Regelung im § 19 Abs. 2 InsO dazu, dass diese Darlehen im Überschuldungsstatus nicht anzusetzen sind. Dies gilt jedoch nicht für alle Erscheinungsformen des Rangrücktritts, die im nächsten Abschnitt zu behandeln sind.
7.2
Zivilrechtliche Erscheinungsformen und Auswirkungen auf Überschuldungsstatus und handelsrechtlichen Jahresabschluss
Im Fachschrifttum wird darauf hingewiesen, dass Rangrücktritte ganz unterschiedlich ausgeprägt sein können (vgl. hierzu Teller/Steffan, 2003, Rn 7ff.). Im Folgenden wird hier der vorwiegend in einschlägigen steuerrechtlichen Quellen verwendeten Unterscheidung in einfachen und qualifizierten Rangrücktritt gefolgt (vgl. Kahlert/Rühland, 2007, S. 7ff.). Beiden Rangrücktrittsformen ist gemein, dass sie Wirkung haben, solange sich die Kapitalgesellschaft in der Krise befindet. Von einer Krise wird ausgegangen, wenn bereits eine bilanzielle Überschuldung droht. In der Wirtschaftspraxis haben Rangrücktritte Bedeutung bei Gesellschafterdarlehen. Rangrücktritte bei Darlehen von Nicht-Gesellschaftern kommen hingegen selten vor. Da § 19 Abs. 2 InsO lediglich Darlehen von Gesellschaftern mit Rangrücktritten von der Ansatzpflicht im Überschuldungsstatus ausnimmt, muss es zumindest als fraglich angesehen werden, ob Darlehen von Nicht-Gesellschaftern auch im Überschuldungsstatus weggelassen werden können. Der Wortlaut im § 19 Abs. 2 InsO steht dem zumindest entgegen. Im Übrigen wird es auch nur selten dem Interesse von Nicht-Gesellschaftern entsprechen, Rangrücktritte zu vereinbaren. Im Folgenden wird deshalb nur noch auf Darlehen von Gesellschaftern eingegangen.
112
7.2.1
7 Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften
Einfacher Rangrücktritt
Der einfache Rangrücktritt beinhaltet eine Vereinbarung, der zufolge die Rückzahlung einer Verbindlichkeit nur dann vorzunehmen ist, wenn der Schuldner dazu aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem freien Vermögen in der Lage ist und der Gläubiger mit seiner Forderung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt (vgl. BMF vom 8.9.2006, S. 497). Als einfacher Rangrücktritt ist auch eine Vereinbarung zu bezeichnen, bei der die Merkmale Rückzahlung aus einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen fehlen, die im Übrigen aber inhaltlich mit der vorstehend gekennzeichneten Vereinbarung übereinstimmt. Beispielhaft sei hier eine in der Wirtschaftspraxis verwendete Rangrücktrittsvereinbarung für eine GmbH wiedergegeben: „Zur Beseitigung der Überschuldung und zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens vereinbaren die Vertragsparteien, dass die Darlehensgeberin mit ihrem Rückzahlungsanspruch auf das Darlehen Nr. XX mit der Maßgabe hinter sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubigern der Gesellschaft zurücktritt, dass ihre Darlehensforderung – einschließlich der Zinsen – nur aus künftigen Überschüssen, aus einem Liquiditätsüberschuss oder aus weiterem, die sonstigen Schulden der Darlehensnehmerin übersteigenden Vermögen bezahlt werden sollen. Die Erfüllung der Verbindlichkeiten kann nur erfolgen, wenn auch alle Gläubiger im Rang des § 39 InsO befriedigt werden. Die Darlehensgeberin verpflichtet sich danach insbesondere ihre vorstehend bezeichnete Forderung gegenüber der Gesellschaft solange nicht geltend zu machen, wie die teilweise oder vollständige Befriedigung dieser Forderung zu einer rechnerischen Überschuldung der Gesellschaft im Sinne von § 64 GmbHG führt bzw. sofern und soweit durch deren Bestand für die Gesellschaft ein Insolvenzgrund bestehen würde.“2 Die dargestellten Formen des einfachen Rangrücktritts beinhalten eine Besserungsabrede, da die Darlehenstilgung bei zukünftigen Gewinnen, einem zukünftigen Liquidationsüberschuss oder anderem freien Vermögen vorzunehmen ist. Vorstellbar ist auch ein Rangrücktritt ohne Besserungsabrede (vgl. hierzu Heerma, 2005, S. 543). Hierbei wird die Tilgung nicht von zukünftigen Ereignissen abhängig gemacht. Es wird lediglich eine Bestimmung für den Fall der Insolvenz getroffen. Da ein solcher Rangrücktritt im handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss keine Besonderheiten gegenüber anderen Darlehen, die nicht rangrücktrittsbehaftet sind, darstellt, bedarf es im Folgenden nicht einer weiteren Erläuterung dieser Form des Rangrücktritts. Der einfache Rangrücktritt führt nicht zum Erlöschen des Darlehens. Es stellt für den Darlehensnehmer weiterhin eine wirtschaftliche Belastung dar. Die insolvenzrechtliche Befriedigung erfolgt vor den Gesellschaftern und hat deshalb nicht die Qualität haftenden Eigenkapitals. Folglich ist das Darlehen weiterhin als Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus auszuweisen (vgl. Kahlert/Rühland, 2007, S. 3f. und die dort angegebene Literatur.) Von einer 2
Zu weiterführenden Erläuterungen des § 64 GmbHG wird auf Lutter/Hommelhoff, 2009, § 64 einschließlich Anhang zu § 64 hingewiesen.
7.2 Erscheinungsformen/Auswirkungen auf Überschuldungsstatus und Jahresabschluss
113
Ansatzpflicht im handelsrechtlichen Jahresabschluss ist auszugehen. Im Fachschrifttum wird darauf hingewiesen, dass der Rangrücktritt „lediglich zu einer veränderten Rangordnung innerhalb der Verbindlichkeiten führt, ohne auf den Bestand und die Höhe der Verbindlichkeit einzuwirken“ (Beck’scher Bilanzkommentar, 2006, § 247 Rn 232).
7.2.2
Qualifizierter Rangrücktritt
Diese Form des Rangrücktritts sieht vor, dass das Darlehen erst nach allen anderen Gläubigern und nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt wird (vgl. BGH-Urteil vom 8.1.2001, S. 264). In diesem Fall wird dann das Darlehen wie statutarisches Kapital angesehen (vgl. ebenda, S. 264). Im Fachschrifttum wird allerdings darauf hingewiesen, dass für den Gläubigerschutz nur das Merkmal Rücktritt hinter alle anderen Gläubiger ausreichen würde (vgl. hierzu mit weiterer Begründung und weiterem Literaturnachweis Beck’scher Bilanzkommentar, 2006, § 247 Rn 232). Für die Formulierung eines qualifizierten Rangrücktritts kann die vorstehend wiedergegebene Formulierung zum einfachen Rangrücktritt verwendet werden, jedoch mit der Modifikation, dass die Befriedigung der Gläubiger im Rang mit den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter (und nicht vor diesen!) zu erfolgen hat. Auch für den qualifizierten Rangrücktritt gilt, dass hierdurch nicht das Darlehen erloschen und weiterhin von einer wirtschaftlichen Belastung auszugehen ist. Ein solches Darlehen wird nicht mehr im Überschuldungsstatus ausgewiesen (vgl. Andres/Leithaus, 2006, § 19 Rn 9). Im handelsrechtlichen Jahresabschluss erfolgt jedoch weiterhin der Ausweis als Verbindlichkeit. Die Auffassungen im Fachschrifttum zur Behandlung im Jahresabschluss sind allerdings nicht einheitlich. Einige Autoren unterstellen das Vorliegen einer aufschiebend bedingten Verbindlichkeit (vgl. z. B. Weber-Grellet, 2006, S. 37) und folgern daraus, dass das Darlehen erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung anzusetzen ist. Die aufschiebende Bedingung kann sich hier nur auf die Beendigung der Krise, die zur Erfüllung von Tilgungsverpflichtungen führt, beziehen. Andere Autoren stützen hingegen die hier vertretene Auffassung (vgl. z. B. Schwedhelm et al., 2006, S. 1225ff.). Ansatz im Überschuldungsstatus
Einfacher Rangrücktritt
Qualifizierter Rangrücktritt
Ansatz hat zu erfolgen
Kein Ansatz
Abb. 7.1 Ansatz von rangrücktrittsbehaftete Darlehen im Überschuldungsstatus
Das Vorliegen einer aufschiebenden Bedingung ist beim qualifizierten Rangrücktritt nicht gegeben. Die Verbindlichkeit bleibt während der gesamten Geltungsdauer des Rangrücktritts
114
7 Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften
bestehen und ist insofern nicht aufschiebend bedingt. Damit unterscheidet sich der Rangrücktritt insofern von einem Forderungsverzicht, der bei Besserung wieder zum Aufleben der Verbindlichkeit führt. Zusammenfassend lässt sich der Ansatz von Darlehen wie in Abb. 7.1 darstellen. Im handelsrechtlichen Jahresabschluss hat der Ansatz von rangrücktrittsbehafteten Darlehen unabhängig davon, ob es sich um einen einfachen oder einen qualifizierten Ansatz handelt, stets zu erfolgen.
7.3
Passivierungsverbot im steuerrechtlichen Jahresabschluss aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 2a EStG
Die steuerrechtliche Behandlung ist wesentlich davon abhängig, ob sich die Kapitalgesellschaft in der Krise befindet, diese erfolgreich überwunden hat oder insolvent geworden ist.
7.3.1
Kapitalgesellschaften in der Krise
Für die Darstellung der Rechtsfolgen ist zwischen einfachem Rangrücktritt, der die Darlehenstilgung auch aus Liquidationsüberschüssen und/oder freiem Vermögen (hier als Typ I bezeichnet), einfachem Rangrücktritt, der die Darlehenstilgung nur aus Einnahmen oder Gewinnen vorsieht (hier als Typ II bezeichnet) und einem qualifiziertem Rangrücktritt zu unterscheiden.
Bilanzierung bei Rangrücktritten
Einfacher Rangrücktritt Typ I
Einfacher Rangrücktritt Typ II
Qualifizierter Rangrücktritt
Fortsetzung Bilanzierung des Darlehens
Beendigung Bilanzierung als Darlehen
Fortsetzung Bilanzierung des Darlehens
Abb. 7.2 Ansatz von rangrücktrittsbehafteten Darlehen in der Steuerbilanz
Im Zusammenhang mit dem Ansatz rangrücktrittsbehafteter Darlehen im steuerrechtlichen Jahresabschluss kommt der Regelung in § 5 Abs. 2a EStG Bedeutung zu. Diese Vorschrift besagt: “Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Ge-
7.3 Passivierungsverbot im steuerlichen Jahresabschluss aufgrund § 5 Abs. 2a EStG
115
winne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.“ Diese Vorschrift ist gem. § 52 Abs. 12a Satz 1 i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1998 beginnen, wobei auch Darlehen erfasst werden, die in Wirtschaftsjahren vor dem 1.1.1999 passiviert worden sind. Die Regelung in § 5 Abs. 2a EStG wurde eingeführt, um das von der Finanzverwaltung vertretene Passivierungsverbot von bedingt rückzahlbaren Vermögenszuwendungen für den Fall, dass der Gläubiger nur auf künftige Einnahmen oder Gewinne des Schuldners Anspruch hat, zu normieren (BT-Drucksache 14/2070, S.171f.). Zu klären ist nun, ob Darlehen mit Rangrücktritten nach dieser Vorschrift noch als Darlehen im steuerrechtlichen Jahresabschluss anzusetzen sind. Die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG setzt voraus, dass ein Zusammenhang zwischen der Darlehenstilgung und Einnahmen oder Gewinnen besteht. Es wird nach einhelliger Auffassung als ausreichend für eine Nichtanwendung des § 5 Abs. 2a EStG angesehen, wenn die Darlehenstilgung auch aus Liquidationsüberschüssen und/oder freiem Vermögen erfolgen kann (vgl. hierzu BFH IV R 13/04, BStBl II 06, S. 618; BMF vom 8.9.2006, IV B 2 – S. 2133 – 10/06, BStBl II 06, S. 497 f.; Weber-Grellet, 2009, § 5 Rn 315). Folglich ist beim einfachen Rangrücktritt Typ I weiterhin das Darlehen in der Steuerbilanz anzusetzen. Auch für den Typ II des einfachen Rangrücktritts ist eine einhellige Auffassung bezüglich der Frage, ob § 5 Abs. 2a EStG anzuwenden ist, in Rechtsprechung, Finanzverwaltungsauffassung und Fachschrifttum erkennbar (vgl. die im vorherigen Absatz angegebenen Quellen). Es wird davon ausgegangen, dass das Darlehen nicht im steuerrechtlichen Jahresabschluss angesetzt werden darf, da die Tilgungsverpflichtung nur bei zukünftigen Einnahmen oder Gewinnen besteht. Nehmen wir an, ein solches Darlehen sei im steuerrechtlichen Jahresabschluss nicht anzusetzen. In der Regel werden hiervon Darlehen betroffen sein, die bereits passiviert worden sind. Es schließt sich deshalb die Frage an, ob ein solches Darlehen erfolgswirksam oder erfolgsneutral aufzulösen ist. In der Praxis der Steuerberatung ist zu beobachten, dass die Finanzverwaltung sich eine erfolgsneutrale Beendigung des Darlehensansatzes nur selten vorstellen kann. Eine erfolgswirksame Ausbuchung wäre vorzunehmen, wenn dem Schuldner ein Vermögensvorteil erwachsen würde, weil die mit diesem Darlehen korrespondierende Forderung wertlos ist und nicht mehr erfüllt würde. Entsprechend äußert sich der BFH: „Für den Fall, dass Darlehen, für die der Gläubiger einen Rangrücktritt erklärt hat, beim Schuldner Verbindlichkeiten i. S. des § 5 Abs. 2a EStG darstellen, wären die Darlehen beim Schuldner […] erfolgswirksam aufzulösen, soweit sie wertlos waren.“ (BFH IV R 13/04, BStBl II 2006, S. 621). Im Umkehrschluss gilt, dass bei Werthaltigkeit das Darlehen erfolgsneutral umzubuchen ist. Da der Ansatz einer Verbindlichkeit oder einer Rückstellung expressis verbis ausgeschlossen ist, eine Eigenkapitalfunktion mit diesem Darlehen schon aufgrund der Tilgungsnotwendigkeit jedoch nicht verbunden ist, würde es Sinn machen, dieses Darlehen als einen Sonderposten zwischen Eigenkapital und Fremdkapital auszuweisen. Liegt ein qualifizierter Rangrücktritt vor, so wird ebenfalls nach einhelliger Auffassung § 5 Abs. 2a EStG nicht angewendet (vgl. BFH IV R 13/04, BStBl II 2006, S. 618; BMF IV B 2 –
116
7 Rangrücktritte bei Kapitalgesellschaften
S 2133 – 10/06, BStBl II 2006, S.497 f.; Weber-Grellet, 2009, § 5 Rn 315). Dies überzeugt, da die Darlehenstilgung nicht im Zusammenhang mit zukünftigen Einnahmen oder Gewinnen steht.
7.3.2
Kapitalgesellschaften nach Überwindung der Krise
Nach Überwindung der Krise3, d. h. mit dem Auftreten von Einnahmen oder Gewinnen, die zur Tilgung der rangrücktrittsbehafteten Darlehen verwendbar sind, ist für den Rangrücktritt Typ II zu klären, wie die Bilanzierung zu erfolgen hat. § 5 Abs. 2a EStG spricht davon, dass Verbindlichkeiten erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Fraglich mag in diesem Zusammenhang insbesondere der Umfang der Bilanzierung sein. Die Auffassungen zum Umfang der Bilanzierung sind im Fachschrifttum kontrovers. Während z. B. Korn/Strahl (§ 5 Rn 548) die Auffassung vertreten, dass die Passivierung in voller Höhe vorzunehmen sei, sobald Einnahmen oder Gewinne angefallen sind, die für Tilgungen rangrücktrittsbehafteter Darlehen verwendet werden können, vertreten andere unter Hinweis auf den Wortlaut des § 5 Abs. 2a EStG die Auffassung, die Passivierung sei nur in der Höhe vorzunehmen, wie Einnahmen oder Gewinne angefallen seien, die zur Tilgung der rangrücktrittsbehafteter Darlehen eingesetzt werden können. (vgl. Richter, § 5 Rn 1775).
7.3.3
Kapitalgesellschaften in der Insolvenz
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 26 InsO mangels Masse abgelehnt worden, so wird die Passivierung der Darlehen mit einem Rangrücktritt vom Typ II weiterhin unterbleiben, da keine Einnahmen oder Gewinne vorhanden sein werden, um die nachrangige Tilgung dieser Darlehen vornehmen zu können.
7.4
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
In der Wirtschaftspraxis ist zu beobachten, dass nicht selten unklare Formulierungen verwendet werden, welche eine zivil- und/oder steuerrechtliche Zuordnung erschweren. Unnötiger Streit mit der Finanzverwaltung kann dann vorprogrammiert sein. In seinem Urteil vom 10.11.2005 (BFH IV R 13/04, BStBl II 06, S. 621) vertritt der BFH steuerbürgerfreundlich die Auffassung, dass bei einem nicht präzisierten Rangrücktritt nicht zwingend eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Auslegung vorgenommen werden könne. Es ist jedoch zu raten, nicht auch diese Haltung bei der Finanzverwaltung zu erwarten. Auf Folgendes sollte geachtet werden: 1. Ein einfacher Rangrücktritt vom Typ II sollte schon deshalb nicht vereinbart werden, um die Bilanzierung des Darlehens auch im steuerrechtlichen Jahresabschluss sicher zu stel3
In betriebswirtschaftlicher Sicht kann trotzdem noch eine krisenhafte Situation bestehen (vgl. Kussmaul, 2002, S. 2259).
7.5 Literaturverzeichnis
117
len und Diskussionen mit der Finanzverwaltung über eine möglicherweise erfolgswirksame Auflösung des Darlehens zu vermeiden. Ist ein einfacher Rangrücktritt vom Typ II bereits vereinbart worden, sollte die Rangrücktrittsvereinbarung modifiziert werden. 2. Ein einfacher Rangrücktritt vom Typ I führt dazu, dass das Darlehen sowohl im handelsrechtlichen als auch im steuerrechtlichen Jahresabschluss anzusetzen ist. Problematisch ist hier die Frage, ob das Darlehen im Überschuldungsstatus nicht angesetzt werden muss. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass ein Darlehen mit Rangrücktritt vom Typ I weiterhin im Überschuldungsstatus anzusetzen ist. Allerdings genügt für den Zeitraum 1.11.2008 – 31.12.2010 zur Vermeidung der Insolvenzantragspflicht bereits eine positive Fortführungsprognose; dem Überschuldungsstatus kommt dann keine entscheidende Rolle zu. 3. Beim qualifizierten Rangrücktritt hat eine Bilanzierung im handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss zu erfolgen. Für den Zeitraum ab 1.1.2011 darf der Überschuldungsstatus auch bei positiver Fortführungsprognose keine Überschuldung ausweisen. Soll rechtssicher gestaltet werden, so empfiehlt es sich, den qualifizierten Rangrücktritt zu vereinbaren, weil nur bei dieser Form der Ansatz im Überschuldungsstatus zweifelsfrei vermieden werden kann. Bestehende Rangrücktritte sind gegebenenfalls zu modifizieren.
7.5
Literaturverzeichnis
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8
Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
Prof. Dr. Gabriele Roth Es gibt derzeit kaum eine Veröffentlichung, die das Thema Finanzkrise nicht zumindest am Rande streift und versucht, eine Verbindung zur Artikelüberschrift herzustellen. Dieser Beitrag möchte auf den Nutzen von Business Intelligence-Systemen (BI) für die Unternehmensführung eingehen. Es stellt sich daher auch hier die Frage, ob Managementinformationssysteme in einer besonderen Beziehung zur aktuellen wirtschaftlichen Situation stehen und welche Anforderungen an BI-Systeme daraus abgeleitet werden können. Schließlich ist seit der Großen Tulpenmanie, der ersten Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte, bei der im Holland des 17. Jahrhunderts Tulpen zum Spekulationsobjekt wurden, bekannt, dass fundierte Informationen als Entscheidungsgrundlage für alle Handelspartner überlebenswichtig sein können (vgl. für eine ausführliche Darstellung Goldgar, 2007).
8.1
Business Intelligence-Systeme
Wirtschaftsinformatiker, die sich mit Entwurf, Realisierung und Betrieb von Informationsund Kommunikationssystemen (IuK) in Unternehmen beschäftigen, wollen mit ihren Metho-
120
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
den und Anwendungen einerseits die operativen Geschäftsprozesse der Unternehmen unterstützen (vgl. Abts/Mülder, 2009, S. 2). Andererseits sollen strategische Entscheidungen und damit die Unternehmensführung erleichtert werden. Business Intelligence fasst üblicherweise die verschiedenen Werkzeuge und Systeme zur betrieblichen Entscheidungsunterstützung als unternehmensspezifischen integrierten IT-basierten Ansatz zusammen (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 8). Der Begriff Business Intelligence stammt aus dem Beratungsumfeld und wurde Mitte der 1990er Jahre vor allem von der Gartner Group geprägt (vgl. Kemper/Baars, 2008, S. 58). Bis weit in das vergangene Jahrzehnt hinein griffen Managementunterstützungssysteme meist ausschließlich auf herstellerspezifische und damit isolierte Datenbestände zu. Diese wurden mehrfach aus verschiedenen Quellen extrahiert, in unterschiedliche neue Datenpools kopiert und konnten von den jeweiligen Anwendergruppen als Auswertungsbasis genutzt werden. Während sich hoch verdichtete Berichtssysteme unter der Bezeichnung Executive Information Systems (EIS) an das Top-Management richteten, stellten modellorientierte Decision Support Systems (DSS) und schwach verdichtete berichtsorientierte Management Information Systems (MIS) Auswertungen für das mittlere und untere Management bereit. Alle Systeme litten unter teilweise erheblichen Performance-Problemen und kämpften mit Inkonsistenzen im Datenmaterial, da in den getrennten Datenaggregaten keine unternehmensweite betriebswirtschaftliche Harmonisierung erfolgen konnte (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 14ff.). Eine effektive Unterstützung der Unternehmensführung wurde erst möglich, als Bill Inmons Idee eines vereinheitlichten unternehmensweiten Datenpools, eines Data Warehouse, Gestalt annahm (vgl. Inmon, 2003).
8.2
Der Closed-Loop Business Analytics Process
1998 stellte Bill Inmon seine Vision eines Closed-Loop Business Analytics Process unter dem Titel der Corporate Information Factory (CIF) vor (vgl. Inmon et al., 2000). Er wurde damals eher belächelt. Jedoch verhalfen diverse technologische Neuerungen in den vergangenen Jahren dem Ansatz einer unternehmensweiten, konsistenten Informationslandschaft aus dem akademischen Eiffelturm in die Unternehmensrealität. Heute müssen Unternehmen mit erheblichen Nachteilen rechnen, wenn sie die Möglichkeiten einer integrierten BILandschaft nicht nutzen. Hinter der CIF verbirgt sich eine Informationsumgebung, die Daten aus unterschiedlichen operativen Unternehmensanwendungen sammelt, weiterverarbeitet und bereitstellt, so dass sie Handlungen im Unternehmen auslösen und schlussendlich damit wieder Einfluss auf die operativen Systeme nehmen (vgl. Egger et al., 2006, S. 25ff.). Der Closed-Loop Business Analytics Process besteht, wie in Abb. 8.1 ersichtlich, aus fünf Schritten, die mit dem Verfolgen der Unternehmensaktivitäten in den operativen Systemen beginnen (vgl. für eine ausführliche Darstellung beispielsweise Egger, 2006, S. 27ff.). 1. Zuerst werden Daten der transaktionsorientierten Systeme entweder periodisch oder in Quasi-Echtzeit extrahiert, aggregiert und angereichert. 2. Schritt zwei umfasst die Analyse der Daten sowie die Verteilung und Präsentation der Information. Entscheidungsträger können damit Fragen wie: „Was ist passiert?“, „Wie
8.2 Der Closed-Loop Business Analytics Process
121
und wann ist es passiert?“ und möglicherweise auch die Frage nach dem Warum beantworten. Was jedoch gänzlich fehlt, ist eine Übersicht über die möglichen Entscheidungsalternativen, eine Hilfe bei der Auswahl der optimalen Entscheidung sowie ein Ausblick auf die Konsequenzen der Wahl. Das ist, als würde ein Auto lediglich mit Hilfe des Rückspiegels gesteuert. Der Fahrer sieht genau, was passiert, aber erst, wenn es schon geschehen und es für eine Reaktion möglicherweise bereits zu spät ist.
1
2 analysieren
analytisch
transaktionsorientiert
verfolgen
5
3 modellieren
handeln
4 entscheiden
Abb. 8.1 Der Closed-Loop Business Analytics Process (vgl. Vesset, 2003, S. 1f.)
3. Der folgende Modellierungsschritt setzt genau an diesem Kritikpunkt an und stellt sogenannte Advanced Analytics-Werkzeuge bereit, die aus Regeln und Klassifizierungen Modelle aufbauen, welche den Entscheidungsprozess unterstützen sollen. Die Werkzeugpalette umfasst u. a. Entscheidungsmodellierung, Prognostik, Simulation, Optimierung und Risikoanalyse. Modellierungs- und Analysephase beeinflussen sich gegenseitig, da einerseits die Analyse die Grundlage für die Modellbildung legt, andererseits Simulationen zu vertieften Analysen anregen können. 4. Im vierten Schritt nutzt ein Unternehmen Informationen zur Entscheidungsfindung. 5. Es leitet schließlich Handlungen ab, um Entscheidungen umzusetzen. Dieser letzte Schritt vollzieht eine Rückkopplung zu den operativen Systemen, teils vollautomatisch, teils manuell. Bei einer automatisierten Rückkopplung kann etwa ein verändertes Planungsszenario neue Budgetwerte vorgeben, die in die transaktionsorientierten Systeme zurückgespielt und sofort für die betroffenen Abteilungen als Ausgabegrenze wirksam werden. Die Rückkopplung kann jedoch auch manuell erfolgen, etwa, indem ein Entscheidungsträger handlungsauslösendes Wissen erhält. Auf diese Weise können BI-Systeme zu einer Verbesserung der Unternehmensführung mit allen ihren Aufgaben und Handlungen der Planung, Steuerung und Kontrolle eines Unter-
122
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
nehmens beitragen, die die zielorientierte Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Unternehmens fördern (zu den Aufgaben der Unternehmensführung vgl. Dillerup/Stoi, 2008, S. 7). Eine BI-Umgebung stellt Daten bereit, um die handelnden Personen eines Unternehmens besser zu informieren und sie in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen treffen zu können. Der Einsatzbereich von BI-Anwendungen erstreckt sich, wie in Abb. 8.2 dargestellt, über das gesamte Führungssystem einer Organisation, das Mitarbeiter aller Managementebenen umfasst. Während transaktionsorientierte IuK-Systeme Daten aus den wertschöpfenden Prozessen für die BI-Umgebung liefern, die eventuell um externe Daten zu ergänzen sind, gibt das Management Plandaten für Ausführungssysteme vor, die zur Unternehmenssteuerung verwendet und deren Einhaltung überwacht werden (Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 8ff.). Führungssystem
Business Intelligence
Management Koordination und Unterstützung
Top externe Daten
Middle
Lower
planen steuern überwachen
interne Daten
Ausführungssystem operative transaktionsorientierte IuK-Systeme
Wertschöpfende Prozesse
Abb. 8.2 Einsatzfeld von BI-Systemen (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 9)
8.3
Architektur eines BI-Systems
Abb. 8.3 zeigt die prinzipielle Architektur eines BI-Systems mit drei Schichten, deren unterste sich der Datenhaltung als Ausgangsbasis für weitere Auswertungen widmet. Das Core Data Warehouse bildet die Kernkomponente der Architektur. Es wird direkt aus den vorgelagerten Quellsystemen mit Transaktionsdaten befüllt und kann als zentrale Datenbank des BISystems durchaus Datenvolumina von mehreren Terabyte erreichen. Data Marts sind kleinere Datenpools, die mit Hilfe von Datentransformationsprozessen aus dem Core Data Warehouse extrahiert werden und einen eingeschränkten Benutzerkreis, etwa eine Abteilung, bedienen. Operational Data Stores sind die Vorstufe eines Data Warehouse und enthalten aktuelle transaktionsgenaue, also noch nicht aggregierte, Daten aus den operativen Quellsystemen (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 10f. u. S. 22).
8.3 Architektur eines BI-Systems
123
Die Ebene der Informationsverarbeitung umfasst die Generierung, Speicherung sowie Distribution von Daten. Der Informationsgenerierung dienen Analysesanwendungen, welche die Daten in einen Anwendungskontext überführen und spezifisch aufbereiten. Sie nutzen ein Metadatenverzeichnis, das Eigenschaften und Bedeutung der Daten beschreibt. Dies ist vergleichbar zu einer Bibliothek, die zu jedem Buch Informationen über Titel, Autor und die wichtigsten Schlüsselbegriffe bereit hält (vgl. Bauer/Günzel, 2004, S. 327ff.). Führungssystem
Business Intelligence BI-Portal
Informationszugriff
Informationsverarbeitung
Data Mart Core Data Warehouse Operational Data Store
Datenbereitstellung
Ausführungssystem operative und externe Daten
Wissensmanagementsysteme
Analysesysteme
SRM
ERP
SCM
CRM
Wertschöpfende Prozesse
externe Daten
Abb. 8.3 Ebenen eines BI-Systems (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 10)
In der Praxis sind vor allem benutzerfreundliche und flexible Ad-hoc-Analysesysteme des OLAP (Online Analytical Processing) verbreitet. Sie erlauben Navigationsoperationen in multidimensionalen Datenräumen (Hypercubes), die aus Merkmalen und Kennzahlen bestehen. Aufgrund der leichteren grafischen Darstellbarkeit spricht man in der Regel von Datenwürfeln, wobei das BI-System jeweils zwei Dimensionen in Tabellenform (Zeilen und Spalten) anzeigt, aber flexible Dimensionswechsel zulässt. Die Navigationsmöglichkeiten umfassen: 1. die Pivotierung beim Drehen oder Kippen der Dimensionsachsen eines Hypercubes 2. den Roll-Up bzw. Drill-Down des Verdichtens oder der Detaillierung entlang der Hierarchieebenen 3. die Slice&Dice-Operation beim Schneiden von Scheiben, Stäben oder Elementwürfeln aus dem Gesamtwürfel (vgl. Alpar et al., 2005, S. 249ff.). Optional eingebundene Wissensmanagementsysteme bedienen sich der Analysedaten für ihre Funktionen zum strukturierten Umgang mit Wissen und haben zum Ziel, neben dem codifizierbaren Wissen auch das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter sowie unstrukturierte Daten erfassbar und allen anderen Mitarbeitern zugänglich zu machen (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 127ff.).
124
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
Schließlich beschreibt die Ebene des Informationszugriffs, auf welche Art und Weise Anwender die BI-Daten einsehen können. Weit verbreitet sind Portale, welche die Daten in einem Internet-Browsers präsentieren und mit Hilfe von Personalisierungstechniken benutzerspezifische und rollenorientierte Benutzungsoberflächen erzeugen (vgl. Kemper/Mehanna/Unger, 2004, S. 132 ff.).
8.4
Nutzen von BI-Systemen für die Unternehmensführung
Der primäre Nutzen von BI-Systemen für die Unternehmensführung liegt darin, dass sie entscheidungsrelevante Informationen über Status, Potenziale und Perspektiven der Unternehmung bereithalten. Pointiert ausgedrückt stellt BI den Nachrichtendienst des Unternehmens dar. Softwarehersteller bieten unterschiedliche Systeme zur strategischen Unternehmensführung an, die auf Data Warehouse-Daten aufsetzen und Anwendungen für verschiedene Planungsbereiche umfassen. So sind beispielsweise Funktionen für das Risikomanagement oder die Konzernkonsolidierung, für die Unternehmensplanung oder für die elektronische Version einer Balanced Scorecard (BSC) verfügbar. BI-Systeme mit strategischen Planungsanwendungen sind in der Lage, sämtliche Erfolgsfaktoren eines Unternehmens zu beeinflussen, seien es Faktoren zur Gewinnung von Marktanteilen oder solche zur Kostensenkung. Um positive Effekte zu erzielen, muss sich ihr Einsatz jedoch an der individuellen Unternehmenssituation ausrichten. Das Potenzial eines BISystems sollte sich an zwei Ordnungsgrößen messen lassen, der Wirksamkeit oder Effektivität (do the right things) sowie der Wirtschaftlichkeit oder Effizienz (do the things right) des Einsatzes. Nur bei sowohl hoher Wirtschaftlichkeit als auch Wirksamkeit besteht ein strategisches Gleichgewicht, in dem der Nutzen der BI-Umgebung für die Unternehmensführung mit einer günstigen Kostensituation für die IuK-Landschaft zusammenfällt (vgl. Pietsch/Martiny/Klotz, 2004, S. 97ff.). Mangelt es an einem der beiden Faktoren, entsteht ein Wirtschaftlichkeits- bzw. Wirksamkeitsdefizit. Bei ersterem finden beispielsweise unangemessene Werkzeuge bei der BIGestaltung Anwendung, die überhöhte Entwicklungs- oder Betriebskosten mit sich bringen. Liegt in einem Unternehmen kein BI-Gesamtkonzept vor, weil jede Abteilung isolierte Teilsysteme favorisiert, beobachtet man ein Wirksamkeitsdefizit, wobei BI-Potenzial zumindest teilweise ungenutzt bleibt (vgl. Heinrich, 2009, S. 99). In der Unternehmenspraxis finden sich vor allem Fehlentwicklungen mit Wirksamkeitsdefiziten. Unternehmen praktizieren lediglich einen Medienwechsel von papiergebundenen zu elektronischen Berichten oder lassen bei Anpassungen der Ablauforganisation das BIKonzept unverändert (vgl. Kemper, 1999, S. 291). Die Ursache liegt in einer unzureichenden Abstimmung mit dem strategischen Management des Unternehmens. Denn nur bei langfristiger Integration des BI-Konzepts in die strategische Unternehmensführung können die BISysteme so geplant, konzipiert und realisiert werden, dass sie dem Erreichen der Unternehmensziele bestmöglich dienen.
8.4 Nutzen von BI-Systemen für die Unternehmensführung
125
Zur besseren Integration von BI und Unternehmensführung bietet sich beispielsweise ein Konzept an, das die Erfolgsfaktorenanalyse, ein Instrument zum Performance Measurement, wie z. B. eine Balanced Scorecard, und die SWOT-Analyse kombiniert. Hierbei gibt die Unternehmensvision die langfristige Entwicklungsrichtung des Unternehmens vor. Sie ist in fassbare Unternehmensziele zu konkretisieren, deren Zielerreichung das Performance Measurement etwa über eine Balanced Scorecard operativ misst. Die Erfüllungsgrade der Ziele lassen sich positiv über kritische Erfolgsfaktoren beeinflussen, die aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Da jedes Unternehmensziel einerseits von unterschiedlichen kritischen Erfolgsfaktoren abhängen, ein Erfolgsfaktor sich aber auf mehrere Unternehmensziele auswirken kann, erfolgt eine Konsolidierung und Priorisierung der kritischen Erfolgsfaktoren aus Unternehmenssicht. Danach dient die SWOT-Analyse dazu herauszuarbeiten, inwieweit die vorhandenen BI-Anwendungen das Management bei der Zielerreichung unterstützen und welche Vorteile sich in Zukunft aus integrierten BI-Systemen ergeben können (vgl. Ward/Peppard, 2003, S. 211ff.). Diesen Zusammenhang stellt Abb. 8.4 allgemein sowie anhand eines Beispiels aus dem CRM-Bereich eines Unternehmens dar. Ausgehend vom Ziel der guten Kundenbindung werden als Messgrößen die Dauer der Geschäftsbeziehung, der Umsatz pro Kunde und Jahr sowie die Anzahl der Reklamationen abgeleitet. Als wichtigster kritischer Erfolgsfaktor nennt das Unternehmen die Kundenzufriedenheit und kommt zu einer Liste von Anforderungen an die zu implementierenden BI-Systeme, die Data Mining zur Kundensegmentierung, eine Churn-Analyse zur Früherkennung kündigungsbereiter Kunden und eine Anwendung zum Management von Marketingkampagnen bereitstellen müssen (vgl. Ward/Peppard, 2003, S. 215). Unternehmensmission
Unternehmensziele Unternehmensziele Unternehmensziele Gute Kundenbindung
Instrument zum Performance Measurement (z.B. Balanced Scorecard)
Kennzahlen zur Performance-Messung 1. Dauer der Geschäftsbeziehung 2. Umsatz pro Kunde und Jahr 3. Anzahl Reklamationen
Unternehmensziele Unternehmensziele Kritische Erfolgsfaktoren Unternehmensziele Unternehmensziele Kritische Erfolgsfaktoren
Konsolidierung und Priorisierung der Kundenzufriedenheit Erfolgsfaktoren SWOT-Analyse der BI-Systeme Anforderungen an BI-Systeme
1. Data Mining zur Kundensegmentierung 2. Früherkennung kündigungsbereiter Kunden 3. Kampagnensteuerung
Abb. 8.4 Integrierte Werkzeuge zur BI-Potenzialplanung mit Ableitung von BI-Anforderungen an einem Beispiel aus dem CRM-Bereich (vgl. Ward/Peppard, 2003, S. 211 u. S. 215)
126
8.5
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
Schwächen von BI-Systemen im Bezug zur Finanzkrise
Die Nutzungsmöglichkeiten und Vorteile von Data Warehouses und OLAP-Auswertungen über benutzerangepasste Frontends hören sich zunächst sehr vielversprechend an, aber es gibt natürlich auch Schwächen und Herausforderungen, die in jedem Projekt mit BI-Bezug bewältigt werden müssen, um die Projektziele erfolgreich umzusetzen. Die folgenden Abschnitte erläutern unterschiedliche Mängel von BI-Systemen und untersuchen mögliche Wechselwirkungen mit der Finanzkrise.
8.5.1
Allgemeine Hemmnisse für eine erfolgreiche BI-Nutzung
Die typischen Kinderkrankheiten der BI-Systeme verteilen sich auf unterschiedliche Systembestandteile. Ein altbekanntes Problem im Bereich der Analysefunktionen stellt die schlechte Performance, d. h. eine zu hohe Laufzeit bei Auswertungen aus den riesigen Datenmengen, dar. Die Hersteller haben auf diese Kritik aus den Anwenderkreisen bereits reagiert und bieten unterschiedliche Lösungen mit Beschleunigungsmechanismen oder alternativen Datenhaltungsmethoden im Hauptspeicher statt relationaler Datenbanken an. Den Anwenderunternehmen obliegen die frühzeitige Abschätzung des zu erwartenden Datenvolumens und die Auswahl geeigneter Werkzeuge, um eine gute Laufzeit zu gewährleisten. Auch das Fehlen komfortabel zu erstellender Ad-hoc-Auswertungen, der hohe Aufwand zur Metadatenerstellung und ungenügende Transparenz der Datenpräsentation am Frontend bemängeln Manager immer wieder. Die Lösungspalette der Anbieter reicht hierbei von flexiblen Auswertungswerkzeugen und vordefiniertem Data Warehouse Content mit voreingestellten Data Cubes über Dashboard- bzw. Cockpitdarstellungen mit stark verdichtetem Informationsgehalt bis zu separaten Datenpräsentationsanwendungen, die eine intuitive grafische Navigation per Drag&Drop durch die Data Warehouse-Daten erlauben oder Tabellendaten durch Einbindung grafischer Elemente in die Tabellenzellen, d. h. Zellgrafiken, anreichern bzw. in Texten Wortgrafiken (Sparklines) nutzen. Auch hier gilt es, vorab bei allen Projektbeteiligten die Erwartungen an die BI-Lösung abzufragen und diese bei der Lösungsauswahl sowie während der Implementierung zu berücksichtigen. Viele Unternehmen nutzen jedoch die am Markt verfügbaren Lösungen erst nach und nach, weil ihnen der Überblick über die Neuentwicklungen fehlt oder sie sich der immensen Vorteile der neuen Technologien und Werkzeuge nicht bewusst sind. Auch in der Bankenbranche ist fraglich, ob alle BI-Systeme die neuen Techniken einsetzen, wenngleich der Sektor hier vermutlich nicht schlechter als andere dasteht und daher wohl kein besonderer sachlogischer Zusammenhang zur Finanzkrise postuliert werden kann.
8.5 Schwächen von BI-Systemen im Bezug zur Finanzkrise
8.5.2
127
Data Governance und Datenqualitätsmanagement gegen schlechte Datenqualität
Während die vorgenannten Schwierigkeiten seit langem bekannt und Lösungsansätze verfügbar sind, erweist sich die Datenqualität weiterhin als zentrales Problem. In einer Capgemini-Studie zu IT-Trends aus dem Jahr 2008 nennen 84% der Befragten, die Business Intelligence für eines der drei wichtigsten IT-Themen halten, die Datenqualität als bedeutendsten Aspekt (vgl. Capgemini, 2008, S. 30f.). Vor allem gesetzliche und behördliche Auflagen, die die Nachweispflicht der Unternehmen festschreiben, setzen eine hohe Datenqualität voraus. Unternehmen leiten Compliance-Maßnahmen ein, um die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien wie IFRS, Sarbanes-Oxley Act oder Basel II zu belegen (vgl. Apel et al., 2009, S. 48ff.). Schlechte Datenqualität verursacht darüber hinaus Kosten in immenser Höhe. Eine Studie von Agens Consulting beziffert diese für Unternehmen im Bankensektor auf bis zu 25% des jährlichen Unternehmensumsatzes (vgl. Agens Consulting, 2008, S. 1). Auch die Computerwoche hebt die zentrale Bedeutung der Datenqualität für den Erfolg von BIProjekten hervor und titelt im August 2009: „Datenqualität bei Business Intelligence: Hinter jedem erfolgreichen BI-Projekt steht eine starke Datenquelle“ (Manta, 2009), S. 1). Entwicklung Exploration
Data Profiling
Definition von Datenregeln
Referenzdaten
Data Repository Datenprofile Datenprüfregeln
Regeln für DuplikatMatching & Merging
Standardisierungsregeln Custom Cleanse Rules
Namen Adressen Firmen
Laufzeit Validierung
Standardisierung
Bereinigung
Duplikatzusammenführung
Anreicherung
Abb. 8.5 Architektur für das Datenqualitätsmanagement (vgl. Apel et al., 2009, S. 71f)
Die Ursachen für schlechte Datenqualität sind meist mehrschichtig, häufig zählen Fehler bei der Datenerfassung, suboptimale Geschäftsprozesse, inkonsistente Metadaten und Datenverfall dazu (vgl. Apel et al., 2009, S. 36ff.). Im Lauf der Zeit hat sich das Problem indes sukzessiv verschärft. Unternehmen nutzen eine immer höhere Anzahl – teilweise mehrere Hundert – IuK-Systeme, die alle Quelldaten für die BI-Umgebung liefern, aber unterschiedliche Datenfelder und Datentypen oder Semantiken für betriebswirtschaftliche Fachbegriffe und Kennzahlen verwenden. Auch die steigende Dynamik der Unternehmensstrukturen mit Fusionen, Kooperationen, Übernahmen, virtuellen Projektstrukturen, Unternehmensnetzwerken
128
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
usw. in kurzen Zeitabständen führt zu immer mehr Datenquellen, die im BI-System wieder neu harmonisiert werden müssen. Hier setzt Data Governance an, das aktuelle Forschungsfeld der Datensteuerung, bei dem es u. a. um die Spezifikation von Rollen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsregeln sowie die Festlegung von Standards und Richtlinien für datenbezogene Prozesse geht (vgl. Thomas, 2009), S. 3f. u. S. 7; Baudisch/Wolter, 2008, S. 1). Einen wichtigen Aspekt des Data Governance-Konzepts bildet das Datenqualitätsmanagements, das sich, wie in Abb. 8.5 gezeigt, mit Steuerungs- und Regelungssystemen der Aufbau- und Ablaufstrukturen der Datenhaltung im BI-System beschäftigt und dabei sowohl die Entwicklungs- als auch die Nutzungsphase der BI-Umgebung berücksichtigt (vgl. Apel et al., 2009, S. 53 u. S. 71ff.). Die Entwicklungsphase beginnt mit einer Exploration der vorhandenen Daten und dem Data Profiling, das selbst noch keine Verbesserung der Datenqualität, dafür aber einen Überblick über den Datenzustand, d. h. ein Datenprofil, und Ansätze für neue Regel- und Metadatendefinitionen mit sich bringt. Das Data Profiling besteht aus einer Sammlung verschiedener Analysemethoden, darunter Standardmethoden auf Spalten- oder Tabellenebene, die die Daten auf formale Korrektheit prüfen. Zu den Standardanalysen für Tabellenspalten gehören Verfahren, die alle Werte einer Spalte untersuchen, etwa ob die Feldinhalte einem vorgegebenen Muster (Pattern) genügen, zum Beispiel bei Kalenderdaten oder Telefonnummern, oder ob alle Feldinhalte zum Datentyp und zu den vorgegebenen Wertebereichen der Domäne passen. Tabellenprüfungen betrachten alle Datensätze einer Tabelle, wie beispielsweise die Kontrolle, ob alle Schlüsselfelder gefüllt und eindeutig sind, oder die Validierung von Namen und Adressen gegen externe Listen, oder berücksichtigen zusätzlich die Beziehungen zwischen mehreren Tabellen, z. B. ob die Fremdschlüssel einer Tabelle tatsächlich als Datensatz in der Stammdatentabelle vorliegen (vgl. Apel et al., 2009, S. 112ff.). Noch wichtiger als Standardprüfungen sind allerdings unternehmensspezifische Prüfungen, die aus fachlichen Geschäftsregeln abgeleitet werden, die Besonderheiten des Unternehmens abbilden und inhaltliche Verifikationen vornehmen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Aufspüren und Zusammenführen von Duplikaten (Matching & Merging) (vgl. Apel et al., 2009, S. 112ff.). Leider liegt es in der Natur der Sache, dass die BI-Hersteller bei der Aufstellung dieser Custom Cleanse Rules nur wenig Hilfe leisten können. So kann ein BI-System nicht entscheiden, ob ein Attribut „Kundenstatus“ korrekt gefüllt ist, wenn sich darin parallel die Einträge „Erstkunde“, „Neukunde“, „Ex-Kunde“, „Kunde“ und „Interessent“ finden, oder ob die Auswahlmöglichkeiten auf „Kunde“ und „Interessent“ beschränkt sein sollten. Die Konkretisierung von Standardregeln oder die Aufstellung individueller Prüfregeln, erfordert intensive Arbeit unter Einbeziehung der Fachabteilungen und lässt sich in der Regel nur als iterativer Prozess bewerkstelligen. Der Data Profiling-Analyst wählt dabei Prüfregeln aus und konfiguriert sie, startet sie als automatisches Suchverfahren, begutachtet mit seinem Projektteam die Ergebnisse, findet Auffälligkeiten und neue Fragen, denen er mit detektivischem Spürsinn nachgeht. Danach wählt er neue Prüfregeln aus und startet das Suchverfahren wieder. Das Ergebnis ist ein Set von Datenprüfregeln, das zur Laufzeit beim Füllen des Data Warehouse angewendet wird, um die Quellsystemdaten durch Validierung, Standardi-
8.5 Schwächen von BI-Systemen im Bezug zur Finanzkrise
129
sierung und Bereinigung zu korrigieren und schließlich anzureichern (vgl. Apel et al., 2009, S. 71f. u. S. 110). Einen interessanten Ansatz stellt das Master Data Management-System dar, ein separates IuK-System, das Stammdaten aller Quellsysteme aufnimmt, Daten konsolidiert und harmonisiert und sie danach dem Data Warehouse in bereits hoher Qualität zur Verfügung stellen kann. Damit wird die Problematik des Datenqualitätsmanagements zwar zunächst einmal nur in ein anderes System verlagert, allerdings hat dieses die Möglichkeit, die ergänzten, abgestimmten, von Dubletten bereinigten und konsistenten Datensätze an die Quellsysteme zurückzuspielen. Im besten Fall kann das Master Data Management-System die Stammdatenpflege zentral übernehmen und an jedes Quellsystem nur die benötigten Stammdatenfelder zurückgeben. Diese Stammdatenzentralisierung bereinigt die Daten nicht nur für die BIUmgebung, sondern in der gesamten IuK-Landschaft des Unternehmens. Könnte nun unzureichende Datenqualität im Banken- oder Immobiliensektor die Finanzkrise mit verursacht haben? Gerade der Bankensektor verfügt über sehr komplexe Risikomessund -steuerungssysteme, die hohe Datenverfügbarkeit und exzellente Datenqualität voraussetzen, mit anspruchsvollen, aber wenig durchschaubaren Rechenmodellen arbeiten und unter Umständen irrigerweise einen gesunden Systemzustand anzeigen. Die Korrektheit der Modellergebnisse steht und fällt mit der Datenqualität, die quer über alle Branchen hinweg aus den oben genannten Gründen noch verbesserungsfähig ist. Heute sind allseits Rufe nach mehr Transparenz zu vernehmen. Vielleicht wird die Risikomanagemententwicklung zu einfacheren, aber robusteren Systemchecks zurückfinden müssen (vgl. Rudolph, 2009, S. 15; Dockner, 2009, S. 15).
8.5.3
Erhöhung der BI-Durchdringung mit Embedded Analytics
Aber hat denn jeder Verantwortungsträger im Unternehmen Zugriff auf BI-Daten? Die Praxis zeigt eher ein Bild, in dem Simulations- und Analyseverfahren in einer getrennten BIWelt existieren, zu der nur eine Handvoll Top-Manager Zugang hat. In viele tägliche Entscheidungsprozesse fließen Informationen des Data Warehouse nicht ein, weil Mitarbeiter nicht zum Aufruf einer Auswertung berechtigt sind oder weil es zu mühevoll und zeitraubend ist, die Arbeitsumgebung zu verlassen, um sich in ein anderes System einzuloggen. Auch Banken überlassen Analysen und Simulationen meist Backoffice-artig der strategischen Controlling-Abteilung oder dem Risk-Management und entkoppeln sie von der eigentlichen operativen Entscheidungsfindung (vgl. Vaske, 2009, S. 1). In einem Zukunftsszenario für die Branche könnten sich BI-Auswertungen jedoch zu einem integralen Teil der operativen Prozesse entwickeln. Dann hätten Anwender für die Entscheidungsfindung im Tagesgeschäft, etwa für die Risikoabschätzung bei Kreditvergabe und Wertpapierhandel oder bei der Anlageberatung, aus ihren transaktionalen Systemen heraus Zugriff auf BI-Daten und merkten dies möglicherweise nicht einmal. Diese Idee einer allgegenwärtigen BI-Durchdringung, Embedded Analytics genannt, ist nicht neu, aber viele denkbare Integrationsszenarien sind noch weit von der Umsetzung entfernt (vgl. Eckerson, 2006a, S. 4f.; Eckerson, 2006b, S. 1). Es ist möglich, dass in einer zunehmend regulierten Zukunft Embedded Analytics für alle
130
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
Managementebenen und bis hinein in die Fachabteilungen gefordert wird, um belegen zu können, welche Entscheidungen wann und warum getroffen und ob alle Implikationen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden.
8.5.4
Moral Intelligence: Entscheidungsunterstützung vs. -übernahme
Die durch BI-Systeme produzierte Informationsflut hat jedoch auch bei guter Datenqualität und Unternehmensdurchdringung nicht nur Vorteile. Sie impliziert die Gefahr einer zu großen Datengläubigkeit und kann die vernünftige Abwägung von Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung individualethischer und moralischer Werte ersetzen (vgl. Capurro/Thorhauer, 2008, S. 1f.). Im Allgemeinen ist bei den moralisch-ethischen Dimensionen des Informationszeitalters zwischen Informationsrechten und -pflichten, Eigentumsrechten und -pflichten, Fragen der System- und Lebensqualität sowie solchen der Zurechenbarkeit und Kontrolle zu unterscheiden (vgl. Laudon/Schoder/Schoder, 2006, S. 227). Der letzte Aspekt fragt, wer für Schäden verantwortlich und haftbar gemacht werden kann und steht in enger Beziehung zur Unternehmensführung. Der Beitrag der BI-Technologien zur Frage der Übernahme von Entscheidungsverantwortung lautet Expertensysteme. Diese bezeichnen eine Klasse von IuK-Systemen mit Wissen, das die Spezialkenntnisse und die Schlussfolgerungsfähigkeit qualifizierter Fachleute auf eng begrenztem Aufgabengebiet nachbilden soll. Eine zentrale Anforderung an Expertensysteme ist die transparente Erklärung der Problemlösung durch Angabe des genutzten Wissens. Die Unternehmensführung setzt Expertensysteme vor allem als Beratungssysteme zur Abgabe von Handlungsempfehlungen und zur Lösung und Bewertung bestimmter Problemstellungen ein (vgl. Stahlknecht/Hasenkamp, 2005, S. 433f.). Auch Banken nutzen Expertensysteme, um beispielsweise Entscheidungen über die Kreditvergabe nicht subjektiv, sondern objektiv anhand von Entscheidungsvariablen zu fällen, wobei die Entscheidungsgrundlage transparent und nachvollziehbar zu machen ist. Nun, trotz dieser Bemühungen konnte die Krisensituation vieler Banken offensichtlich nicht verhindert werden. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass Banken zur Unternehmenssteuerung und Zielerreichung auf monetäre Anreizsysteme setzen, die dazu führen, dass übermäßige Kredite unter Akzeptanz hoher Risiken vergeben werden (vgl. Dockner, 2009, S. 7). Vielleicht führen die vielen Reglementierungen in Kombination mit fehlleitenden Anreizsystemen dazu, BI-Systeme nicht nur zur Entscheidungsunterstützung, sondern zur Entscheidungsfindung heranzuziehen und individuelle ethische Überlegungen gänzlich an die Seite zu stellen. Andere Branchen haben ihre Sturm-und-Drang-Phase der Expertensysteme bereits hinter sich, allen voran die medizinische Informatik, wo bereits seit den 1990er Jahre ScoringSysteme diskutiert, erprobt und im Routinebetrieb von Diagnostik und Therapie eingesetzt werden. Sie dienen der Klassifizierung von Krankheitsbildern oder Verletzungsmustern und errechnen aus einer Vielzahl an bepunkteten Merkmalen Punktsummen (Scores), um Diagnosen zu stellen oder den Patientenzustand in einheitlicher Nomenklatur zu beschreiben (vgl. o. V., 2009, S. 1). Sie werden auch verwendet, um die Sterbewahrscheinlichkeit eines Patien-
8.5 Schwächen von BI-Systemen im Bezug zur Finanzkrise
131
ten zu errechnen und die Kosten dem Nutzen einer Behandlung gegenüberstellen, so dass sie die Entscheidung pro oder contra Therapiedurchführung erleichtern oder sogar abnehmen. Nach engagierten Diskussionen über „Todescomputer“ (Rotondo, 1997, S. 11f.) und die für Patienten lebensbedrohlichen Konsequenzen einer Falschentscheidung sind die Verantwortlichen im Gesundheitswesen an vielen Stellen zu der Ansicht gelangt, dass die individuelle ärztliche Therapieentscheidung wohl durch ein Scoring-System ergänzt, der medizinische Experte als Entscheidungsträger aber nicht zu ersetzen ist (vgl. Graessle/Burg, 2004, S. 69f.). Es ist denkbar, dass auch andere Branchen über kurz oder lang zu dem Schluss kommen, dass Expertensysteme die Entscheidungsvariablen zwar offen legen und bei der Entscheidungsfindung unterstützen können, dass es aber ein Agreement über die Aufteilung der Entscheidungsfindung zwischen Software und Mensch sowie Klarheit bezüglich der Verantwortungsübernahme geben muss. Hier ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen Business Intelligence und Moral Intelligence, letzteres verstanden als moralisch-ethische Beobachtung unternehmerischen Handelns im Umgang mit eigenem und fremden Wissen, das weiterer wissenschaftlichen Erforschung bedarf. Die Einbettung von Moral Intelligence in ein Unternehmen entsteht nur durch eine gelebte Unternehmenskultur, in der das entscheidungsrelevante Wissen nicht allein auf ökonomischen Kennzahlen beruht (vgl. Capurro/Thorhauer, 2008, S. 1f.).
8.5.5
Zusammenfassung
Zurück zur Finanzkrise: Wie konnte die Weltwirtschaft in eine Krise historischen Ausmaßes stürzen, wenn es gleichzeitig ein Überangebot an Informationen zur Unternehmenssteuerung, bereitgestellt durch mannigfaltige Analyse- und Simulationstools, gibt? Eine Antwort, die es sich wohl zu leicht macht, lautet, die IuK-Technologie bietet lediglich die Werkzeuge an, für den Unternehmenserfolg ist entscheidend, ob sie auch richtig genutzt werden. Wahrscheinlich ist die Wahrheit komplexer. Ein Sprichwort sagt, man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Eine Vielzahl von Analysesystemen im Bankensektor garantiert noch nicht, dass man sich Gedanken über Nutzungsmöglichkeiten und Aussagekraft der Daten macht. Je mehr Information vorhanden ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Blick für das Wesentliche verloren geht. Den Anwender eines BI-Reports mag entschuldigen, dass er nicht um die komplexen Zusammenhänge und Interdependenzen einer Datenwelt weiß, die aus mehreren Hundert Quellsystemen gefüttert wird, und dass ihm die mangelnde Datenqualität und die daher möglicherweise falschen Prognoseergebnisse nicht bewusst sind. Auch dass er in zahlengeleiteten Anreizsystemen auf moralische Überlegungen verzichtet, ist verständlich. Und natürlich kann ein Mitarbeiter nichts dafür, dass ihm nicht in allen Situationen ein direkter Zugriff auf BI-Daten möglich ist. Die IuK-Experten bleiben jedoch in der Verantwortung, die Transparenz ihrer Systeme weiter zu erhöhen, an einer Verbesserung der Datenqualität zu arbeiten und durch keine noch so schicke Benutzungsoberfläche eine Verantwortungsabgabe an das BI-System vorzugaukeln. Beide Seiten müssen sich gemeinsam der Herausforderung stellen, den Aufruf von BI-Daten zur Entscheidungsunterstützung sowohl technisch als auch organisatorisch durch Anpassung der Geschäftsprozesse in die Arbeitsumgebung aller Entscheidungsträger einzubinden, um das Potenzial der BI-Welt unternehmensweit bestmöglich zu nutzen.
132
8.6
8 Business Intelligence für die Unternehmensführung im Kontext der Finanzkrise
Finanzkrise = BI-Krise?
Den Business Intelligence-Markt selbst wird die Finanzkrise wohl nur schwach treffen. Die BARC-Analysten sehen weiterhin eine hohe Nachfrage nach BI-Lösungen, da gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten die Steuerungsfähigkeit von Unternehmen, die Verbesserung der Informationsversorgung der Entscheidungsträger sowie die Analyse von Schwachstellen und Einsparpotenzialen ganz oben auf der Investitionsliste der Unternehmen stehen und Verbesserungen sogar überlebenswichtig sein können. Da außerdem viele BI-Projekte mit der Implementierung punktueller Lösungen beginnen, etwa mit der Etablierung neuer Planungsszenarien oder der Entwicklung einer Risk-Management-Lösung, sind sie weniger anfällig für Investitionsstopps als Großvorhaben wie eine ERP-Einführung (vgl. BARC, 2009, S. 15; Knoll, 2008, S. 1). Auch das Gartner CIO Survey nennt Business Intelligence im Jahr 2009 wie auch in den Vorjahren als Top-1-Thema für Unternehmen, dieses Mal mit dem besonderen Fokus der Transparenz (vgl. Gartner EXP, 2009, S. 1). Viele Unternehmen wissen, wie wichtig BI-Software ist, so dass die Branche wohl im schlimmsten Fall mit stagnierenden Umsätzen rechnen muss. So mag von dieser Branche ein Hoffnungsschimmer für die Weltwirtschaft ausgehen. Bei der Großen Tulpenmanie fehlte eine interessante Information, nämlich dass die teuersten und seltensten Tulpen, wie die Semper Augustus mit gemusterten Blättern, nur durch Läusebefall entstanden, den ein Virus übertrug, das für die eigentümliche Blätterfärbung verantwortlich war. Vielleicht hätten Expertensysteme diesen Zusammenhang zu Tage fördern können, wenn die Ausgangsdaten von guter Qualität gewesen, BI-Systeme im 17. Jahrhundert verfügbar und qua Embedded Analytics in die Entscheidungsfindung der Tulpenhändler integriert gewesen wären. Vielleicht hätte auch schlicht das moralische Überdenken gewagter Tulpenkäufe, bevor die Zwiebeln überhaupt in die Erde eingebracht worden waren und zu stark überteuerten Preisen, das Platzen der Tulpenblase verhindern können.
8.7
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9
Kundenmanagement und Customer Relationship Management (CRM) – die richtige Anpassung an ein Unternehmen bestimmt den Erfolg des Systems
Prof. Dr. Rainer Schnauffer Die aktuelle Krise sollten Unternehmen nutzen, um Prozesse zu überdenken und nachhaltig zu optimieren, damit sie besser für die Zukunft gerüstet sind. Einer der wichtigsten Prozesse für alle Unternehmen ist die Optimierung der Abläufe mit den Kunden – dies wird unter dem Begriff CRM zusammengefasst. Customer Relationship Management (CRM) bedeutet zu Deutsch das Management der Kundenbeziehungen. In der Vergangenheit war es insbesondere für Unternehmen mit einer Vielzahl von Kunden nicht effizient, die Kunden individuell und differenziert zu betreuen. IT-Systeme bieten die Möglichkeit, dies in wirtschaftlich sinnvoller Weise zu bewerkstelligen. CRM verfolgt hierbei aus den Erfolgsfaktoren des Kundenmanagements abgeleitet fünf Ziele, die zunächst vorgestellt werden sollen. Schließlich wird das vom Autor entwickelte Instrumentarium näher erläutert, welches helfen kann, CRM-Einführungen in Unternehmen zu optimieren und transparent zu gestalten.
136
9 Kundenmanagement und CRM – die richtige Anpassung bestimmt den Erfolg
9.1
Ziele des Customer Relationship Managements (CRM)
9.1.1
Integration der Daten und Prozesse mit dem Kunden
Alle Stellen im Unternehmen sollen über ein einheitliches Bild von den Kunden verfügen, damit der Auftritt gegenüber dem Kunden in konsistenter Weise geschehen kann.
Abb. 9.1 One Face of the Customer und One Face to the Customer
Abb. 9.1 zeigt das Ziel der Datenintegration: Dasselbe Bild von dem Kunden bzw. dieselben Informationen über einen Kunden für alle am Kundenprozess Beteiligten im Unternehmen („One Face of the Customer“). Erst mit diesem einheitlichen Bild von den einzelnen Kunden kann das Unternehmen nach außen mit einem konsistenten Verhalten und somit einem professionellen Auftritt agieren („One Face to the Customer“). Beispielsweise sollte es nicht der Fall sein, dass die Buchhaltung einem Kunden mit rechtlichen Schritten droht, weil er seine Rechnungen nicht bezahlt, während der Service den Kunden noch als A-Kunden bevorzugt behandelt. Die Abteilungen müssen die Informationen über den Kunden funktionsübergreifend zur Verfügung haben, um zum Kunden ein konsistentes Bild abzugeben. So sollte z. B. bei einem Maschinenbauunternehmen die Maschinenakte eines verkauften Produktes von allen Mitarbeitern über das System einzusehen sein. Dies kann soweit gehen, dass die Maschinenhistorie schon beim Anruf eines Kunden automatisch auf dem Bildschirm des Mitarbeiters erscheint. Das System hat hierbei über die Telefonnummer den Kunden identifiziert und sorgt dafür, dass die entsprechenden Informationen sofort zur Verfügung stehen. Auch der Service wird im Beispiel auf diese Maschinenakte zugreifen, um technische Spezifikationen und die Historie etwaig angefallener Störfälle in der Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. War der Service vor Ort bei einer defekten Maschine, wird er eintragen, ob evtl. der Vertrieb für den Verkauf einer Neumaschine tätig werden soll. Die Datenintegration über Produkt und Kunde ermöglicht das automatische Auslösen von weiterführenden Aktivitäten im Vertrieb und ermöglicht somit neue Umsatzchancen. Die Beispiele zeigen wie effizient
9.1 Ziele des Customer Relationship Managements (CRM)
137
die konsequente Nutzung der im Unternehmen vorliegenden Kundeninformationen durch die Integration der Daten sein kann.
9.1.2
Langfristigkeit der Kundenbeziehung.
Empirische Studien zeigen, dass sich der Gewinn eines Unternehmens in einzelnen Branchen um bis zu 85% erhöht, wenn es gelingt, die Kundenabwanderungsquote um 5% zu senken. Durch eine langfristige und gute Kundenbeziehung lassen sich neben dem Deckungsbeitrag des Erstverkaufs auch durch den Verkauf von Zubehör (Cross-Selling) und den Anschlussverkauf eines höherwertigen Gutes (Up-Selling) weitere Gewinne erzielen. Zudem erhöht sich der Deckungsbeitrag, weil auf bekannten Abläufen mit dem Kunden aufgesetzt und somit Kosten gespart werden können. Des Weiteren sorgt ein zufriedener Kunde durch Mund-zu-Mund Propaganda für neue Interessenten. Ein langfristiger Kunde ist im Zeitverlauf immer weniger preisempfindlich, so dass höhere Gewinne erzielt werden können. Es zeigt sich daher aus verschiedenen Gründen, dass die Konzentration auf eine langfristige Kundenbeziehung lohnend ist.
Abb. 9.2 Monetärer Nutzen langfristiger Kundenbeziehungen
9.1.3
Profitabilität
Ein CRM-System ermöglicht die Konzentration der Vertriebs- und Marketingbemühungen auf profitable Kunden. Häufig sind sich Unternehmen nicht bewusst, dass manche C-Kunden mehr Betreuungsaufwand in Anspruch nehmen als ein langjähriger A-Kunde. CRM ermöglicht nicht nur die erzielten Deckungsbeiträge pro Kunde, sondern auch den dazu erforderlichen Vertriebs-, Marketing- und sonstigen Betreuungsaufwand zu ermitteln. Ein vermeintlich nach Umsatz und Deckungsbeitrag lukrativer Kunde kann bei erweiterten Analysemöglichkeiten im Extremfall sogar defizitär sein. CRM macht dies transparent und
138
9 Kundenmanagement und CRM – die richtige Anpassung bestimmt den Erfolg
ermöglicht so eine differenzierte Kundenbetreuung. CRM leistet einen maßgeblichen Anteil zur Erreichung des Ziels der Profitabilität.
Abb. 9.3 Profitabilität einzelner Kundengruppen
9.1.4
Differenzierung
Die differenzierte Behandlung von Kunden ist eine der zentralen Forderungen und Chancen eines CRM-Systems. Voraussetzung ist hierfür die Kenntnis über die Kunden, welche in engem Zusammenhang mit der o. g. Datenintegration steht. Um die Bedürfnisse und Wünsche einzelner Kunden und Kundensegmente zu befriedigen, sollten sämtliche Unternehmensaktivitäten spezifisch darauf ausgerichtet werden. Dies bedeutet, dass sich sowohl die Produkte als auch die Kommunikationskanäle für einzelne Kundensegmente unterscheiden. Beispielsweise hat ein Maschinenbauunternehmen X zwei Kundensegmente: zum einen die produzierende Großindustrie und zum anderen die Zulieferer der Großindustrie. Während im Beispiel die Großindustrie häufig Maschinen für große Stückzahlen mit einer geringen Anzahl Umrüstungen sucht, benötigt ein Zuliefererunternehmen eine Maschine mit der sich trotz häufiger Umrüstungen noch effizient produzieren lässt. Beide Kundengruppen sind auch kommunikativ in völlig unterschiedlicher Weise anzusprechen.
9.2 Ein Werkzeug zur Optimierung der CRM-Entscheidung
9.1.5
139
IT-Unterstützung.
Insbesondere die individualisierte Betreuung einer Vielzahl von Kunden lässt sich heute nicht mehr ohne ein IT-gestütztes CRM-System abbilden. Dieses erleichtert dem Vertrieb, seine knappste Ressource „Zeit“ effizient einzusetzen und ermöglicht dem Vertrieb seine primär wertschöpfende Aktivität – vor Ort beim Kunden sein – in Relation zu anderen Aktivitäten auszubauen. Die skizzierten Vorteile dürften für die meisten Unternehmen zutreffen und dennoch ist die Verbreitung von CRM-Systemen noch nicht flächendeckend.
9.2
Ein Werkzeug zur Optimierung der CRMEntscheidung
Größere Unternehmen sind mit der Thematik des Kundenmanagements bereits meist fortgeschritten, mittelständische Unternehmen stehen häufig erst am Beginn. Sie sind teilweise verunsichert, ob sie den aufwändigen Schritt überhaupt gehen sollen. Hierzu trägt bei, dass in der unternehmerischen Praxis das Thema CRM nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Für die Misserfolge sind unterschiedliche Faktoren verantwortlich: 1. Die unpräzise Definition der CRM-Strategie bzw. CRM-Ziele durch die Unternehmen. Ohne diese lässt sich eine zielorientierte Einführung nicht bewerkstelligen bzw. fokussiert und priorisiert einführen. 2. Die ungenügende ökonomische Absicherung des Investments einer CRM-Einführung durch fehlende Potenzialabschätzungen. Hätten die Unternehmen die Kostensenkungsbzw. Umsatzsteigerungspotentiale erkannt, wäre einem solchen Projekt eine andere Priorität eingeräumt worden. 3. Die Implementierung von CRM-Standardlösungen, die nicht an die eigenen Kundenprozesse angepasst sind. Bei nicht vorhandener Anpassung übernimmt ein Unternehmen die Kundenprozesse, die ein Softwareproduzent im Standardfall für sinnvoll hält. In vielen Fällen ist die „Bequemlichkeit sich über den eigenen Kundenprozess keine Gedanken zu machen“ nicht zielführend. Zudem ist die unreflektierte Einführung ein Garant für überfrachtete Systeme. Vertrieb und Marketing werden somit häufig mit einem hohen Pflegeaufwand belastet ohne in angemessenem Zeithorizont einen Nutzen für sich zu sehen. Dies demotiviert die Mitarbeiter und es besteht die Gefahr einer mangelhaften Datenpflege bis hin zum kompletten Boykott des CRM-Systems. Trotz allem: CRM rentiert sich – auch und gerade für den Mittelstand. Häufig wird erst hierdurch die prozessuale Sichtweise von Marketing und Vertrieb in den Unternehmen konsequent eingeführt. Allerdings gilt es aus den Fehlern der anderen zu lernen. Insbesondere vor dem Einschalten von Softwarehäusern bzw. Kauf eines CRM-Systems sollte analysiert werden, welche Teile von CRM für das eigene Unternehmen sinnvoll sind. So können konkrete Maßnahmen in ein detailliertes Briefing für die Dienstleister, insbesondere Softwarehäuser, überführt werden. Ohne dieses Briefing kann eine CRM-Einführung nicht zielorientiert sein
140
9 Kundenmanagement und CRM – die richtige Anpassung bestimmt den Erfolg
– Softwarehäuser sind keine Marketingstrategen. Daher ist es für die Unternehmen notwendig, sich kundig zu machen und klare Vorgaben zu geben. Unter Berücksichtigung der genannten Hintergründe und vielfältigen praktischen Erfahrungen wurde von Prof. Schnauffer und Hans Jung ein Instrumentarium entwickelt, um CRMEinführungen in Unternehmen zu optimieren und transparent zu gestalten oder um die Eignung eines bestehenden System im Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen. Die Unternehmen und deren Top-Entscheider sollen damit in die Lage versetzt werden, ein CRMKonzept zielführend und präzise zu erstellen sowie dessen Realisierungsmöglichkeiten umfassend zu bewerten. Ziel des Vorgehens ist es, zu einem fundierten Briefing für die weiterführende Implementierung zu gelangen. Das vorgestellte Werkzeug zur Optimierung der CRM-Entscheidung im Unternehmen besteht aus den folgenden 5 Elementen: • I Schritt: Strategische CRM-Lücken-Analyse: Die strategische CRM-Lücken-Analyse analysiert durch Checklisten die sieben potenziellen CRM-Handlungsfelder im Unternehmen – Vertrieb, Service, Marketing, Marktransparenz, Integration von Service und Vertrieb, durchgängiger Auftragsprozess, Produkt- und Serviceverbesserung. Hierdurch können in dieser ersten Grobanalyse die CRM-Handlungsfelder in eine Reihenfolge bzgl. ihres Nutzens für das Unternehmen gebracht werden. • II Schritt: Auswahl von CRM-Maßnahmen und CRM-Systemkomponenten: In Schritt I hat das Unternehmen die Prioritäten einzelner Handlungsfelder festgelegt und sich Klarheit verschafft, wie die Prozesse in den Handlungsfeldern optimalerweise aussehen sollen. Jetzt gilt es, den Handlungsbedarf durch konkrete Maßnahmen d. h. Bestandteile von CRM-Systemlösungen zu schließen. Auch dies geschieht über Checklisten, welche die Auswahl von relevanten CRM-Maßnahmen und CRM-Systemkomponenten unterstützen. Für eine zielführende Analyse der einzelnen Systemkomponenten wird für jede deren Teilfunktionalität erläutert. Das analysierte Unternehmen kann sich dann entsprechend des bestehenden Einführungsgrades und des Priorisierungsgrades positionieren. • III Schritt: Konsistenzanalyse: Hier soll sichergestellt werden, dass die ausgewählten CRM-Maßnahmen und CRM-Systemkomponenten dazu beitragen, die identifizierten strategischen Lücken inhaltlich zu schließen. • IV Schritt: Interdependenzanalyse: Zur Konkretisierung der Maßnahmen ist es zudem erforderlich, mögliche Interdependenzen prozessualer und technischer Art zu identifizieren. Beispielsweise ist widersprüchlich, die Systemkomponente für Marketingkampagnen als sehr wichtig einzustufen, aber das Adressdatenmanagement für allgemeine Kundendaten als unwichtig – das Adressdatenmanagement ist die prozessuale und logische Basis für die Marketingkampagnen, auf die nicht verzichtet werden kann. • V Schritt: Bewertung von CRM-Lösungen: Nach dem Schritt IV ist es dem Unternehmen aufgrund einer klar priorisierten Anforderungsliste möglich, verschiedene Softwarelösungen anhand der spezifizierten Anforderungen zu bewerten. Ein Punktbewertungsverfahren führt zur Objektivierung und Transparenz der Entscheidung.
9.2 Ein Werkzeug zur Optimierung der CRM-Entscheidung
Abb. 9.4 Vorgehensweise zur Erlangung einer optimalen CRM-Lösung
141
142
9 Kundenmanagement und CRM – die richtige Anpassung bestimmt den Erfolg
9.3
Fazit
Der beschriebene Ablauf hilft die Fehler bei der Einführung von CRM vermeiden, denn: • die Unternehmen gestalten und konfigurieren ihr CRM-Systems selbst auf Basis wirklicher Notwendigkeiten, d. h. zielorientiert, • das System wird nicht überfrachtet mit allen Möglichkeiten, die die verschiedenen CRM Softwarelösungen bieten. Viele davon benötigen einen hohen Installations- und Pflegeaufwand, generieren aber am Anfang wenig Nutzen. Die laufenden Kosten des Systems werden somit niedrig gehalten, • die Marketingsicht und der Prozess mit dem Kunden dominiert die Ausgestaltung des CRM-Systems, • das erstellte Briefing ermöglicht die genaue Instruktion der IT-Berater. Zum einen werden somit teure Mann-Tage eingespart und zum anderen bewahrt es das Unternehmen, nicht zielführende Komponenten eines CRM-Systems zu erwerben, • die Einführung wird deutlich zielorientierter ablaufen und entlastet somit die eigenen Mitarbeiter, • das Vorgehen priorisiert einzelne Maßnahmen nach dem Nutzen. Somit wird sich auch der Erfolg schnellstmöglich einstellen. Die Kunden werden es danken und Mitarbeiter bleiben nachhaltig motiviert im Glauben an CRM – einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren.
9.4
Literatur
Schnauffer, R./Jung, H.-H.: CRM-Entscheidungen richtig treffen. Die unternehmensindividuelle Ausgestaltung der Anbieter-Kunden-Beziehung, Berlin 2004.
10
Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke – unterschätzte Erfolgspotenziale des Standorts Deutschland
Prof. Dr. Thomas Will Abstract Der Beitrag zeigt zunächst die internationale Wettbewerbsarena auf und ihre Herausforderungen für das Management von Produktions- und Logistiksystemen, das darauf abzielt, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aufgrund optimierter Wertschöpfungssysteme zu stärken. Ausgangspunkt ist dabei eine Bestandsaufnahme von Umfang, Zielen und Fallbeispielen zum Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke, der vielfach mit einer Verlagerung („offshoring“) von Produktionsprozessen einhergeht. Dabei wird – auch anhand von empirischen Untersuchungen – deutlich, dass Vorteile ausländischer Produktionsstandorte oftmals überschätzt, Nachteile dagegen unterschätzt werden. Umgekehrt verhält es sich mit der Analyse und Gestaltung der Potenziale zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. Hier werden die Nachteile insbes. hohe Personalkosten, aufgrund deren Anteils an den gesamten Wertschöpfungskosten tendenziell
144
10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
falsch gewichtet und insgesamt deutlich überschätzt. Dagegen werden offensichtliche Standort-Vorteile, wie z. B. Netzwerkstrukturen und -potenziale bei Beschaffung, Produktion, F&E sowie hohe Produkt- und Prozessqualität aufgrund neuerer Organisations- und Produktionsmanagement-Konzepte zu gering oder überhaupt nicht bewertet. Die Analyse der Ursachen für die Verlagerung und Rückverlagerung von Produktionsprozessen ist dabei der Ausgangspunkt für die Herausarbeitung von Erfolgsfaktoren, die beim Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke beachtet werden sollten, um einen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu leisten.
10.1
Ursachen und Ziele des Aufbaus internationaler Produktionsnetzwerke
Produktionsnetzwerke zielen auf die unternehmensübergreifende Erstellung gemeinsamer Produktions- und Logistikleistungen ab mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile zu realisieren (vgl. Sydow, 2004, S. 18f.). Bei einem Produktionsnetzwerk handelt es sich um eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten, die sich funktional auf die Produktion von Sach- und Dienstleistungen konzentriert. So unterschiedlich Produkte wie Automobil-Zulieferteile, Steiff-Teddy‘s, Stahl-, Maschinenund Anlagenbauprodukte oder IT- und Call-Center-Dienstleistungen auch sein mögen – sie haben eines gemeinsam: Produkte „made in Germany“ sind aufgrund zunehmenden Kostendrucks und verschärften internationalen Wettbewerbs seit einigen Jahren Objekte von Produktionsverlagerungen an Auslandsstandorte im Zuge des Auf- und Ausbaus internationaler Produktionsnetzwerke, und Unternehmen haben damit ihre insgesamt „durchwachsenen“ Erfahrungen gesammelt. Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, eine „Zwischenbilanz“ zu ziehen und dabei insbesondere zu hinterfragen, • welche Ziele mit Produktionsverlagerungen primär verfolgt werden, • welche Ziele tatsächlich erreicht wurden, welche dagegen nicht, • welche „ungeplanten“ bzw. nicht beabsichtigten Auswirkungen tatsächlich eingetreten sind, und vor allem • welche Schlussfolgerungen und Lehren hieraus für den Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke und die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Deutschland in Zeiten forcierter Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft insbes. für künftig anstehende Standort- und andere strategische Produktions- und Logistikentscheidungen von Unternehmen gezogen werden können. Hoher Wettbewerbsdruck und neue Wachstumsmärkte sind Haupttreiber für den Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke. Die Wettbewerbssituation der Mehrzahl von Unternehmen ist dabei zunehmend gekennzeichnet durch
10.1 Ursachen und Ziele des Aufbaus internationaler Produktionsnetzwerke
145
• intensivierten Wettbewerbs- und Kostendruck • gesättigte Märkte mit zunehmender Standardisierung und Homogenisierung des Produktangebots und für die Mehrzahl der Anbieter nur begrenzten Differenzierungsmöglichkeiten (insbes. bei Standardprodukten) • zunehmende Angebots-Überkapazitäten in den Märkten, die durch das aggressive Eindringen neuer Wettbewerber, insbes. aus Ländern Mittel- und Osteuropas (MOE) sowie Fernost mit signifikanten (Personal-) Kostenvorteilen weiter verschärft werden. Vor diesem wettbewerbsstrategischen Hintergrund sehen sich Unternehmen seit Jahren mit der Herausforderung konfrontiert, ihr Kerngeschäft zu sichern und zugleich neue Ertrags-, Kostensenkungs- und Wachstumspotenziale zu erschließen, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens zu sichern und auszubauen. Hierbei können zwei Schwerpunkte zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unterschieden werden: • Erweiterung des Kerngeschäfts – durch Innovation und Wachstum • Effizienzsteigerung des Kerngeschäfts – durch Optimierung bestehender Wertschöpfungssysteme in Produktion und Logistik. Kernelement hierbei ist der Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke. Die Verlagerung von Produktionsaktivitäten im Zuge des Auf- und Ausbaus internationaler Produktionsnetzwerke ist dabei ein komplexes Maßnahmenbündel mit hoher strategischer Tragweite, das die beiden vorgenannten Schwerpunkte zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen fokussiert. So zeigen denn auch empirische Untersuchungen und Befragungen von Unternehmen die folgenden Hauptziele von Produktionsverlagerungen (vgl. Kinkel, 2009, S. 31): • • • • •
Kostensenkung / Personalkosten (80 %) Markterschließung (27 %) Kundennähe /“following customer“ (21 %) Steuern / Subventionen (11 %) Know-How / Technologie erschließen (04 %)
Kostensenkung wird somit als das mit Abstand dominante Ziel und Hauptmotiv von Produktionsverlagerungen am häufigsten von Unternehmen genannt. Dieser Beitrag thematisiert daher Produktionsnetzwerke und -verlagerungen, die primär oder ausschließlich Kostensenkungsziele verfolgen. Weitere Gründe für Produktionsverlagerungen oder -„offshorings“, insbes. Markterschließung zum Aufbau einer Produktionsbasis und -präsenz in wachstumsstarken Absatzmärkten Fernost /MOE sowie „following customer“ insbes. bei Automobilzulieferern und die Erschließung erfolgskritischer Ressourcen und Technologien stehen dagegen nicht im Fokus der weiteren Analyse (vgl. hierzu Schulz, 2007, S. 55ff.; Kinkel, 2009, S. 30ff.).
146
10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
Hinsichtlich der Art der Produktionsverlagerung können additive, komplementäre oder substitutive Leistungen bzw. Prozesse der Produktion und Logistik unterschieden werden (vgl. Schulz, 2007, S. 84f.) • Additive Produktionsverlagerungen sind durch eine Parallelproduktion von Leistungen gekennzeichnet, die an zwei Standorten gleichzeitig mit ähnlichen oder gleichen Anlagen und Produktionsprozessen realisiert werden. Hierbei kommt es i. d. R. zu einem Kapazitätsaufbau im Ausland und zu Parallel- und Redundanz-Ressourcen. • Komplementäre (= indirekte) Produktionsverlagerungen treten bei Leistungen auf, die bislang nicht zum Kernprogramm gehörten, sich im Zuge der offshore-Produktion – aufgrund ihrer spezifischen Produktionspotenziale und -ressourcen – zur Erweiterung des Produktionsprogramms jedoch besonders anbieten. • Substitutive Produktionsverlagerung: Hierbei geht der Aufbau externer Produktionskapazität beim offshore-Partner direkt mit einem i. d. R. gleichhohen Kapazitätsabbau im Stammwerk einher.
10.2
Produktionsverlagerung und Rückverlagerung: 2 Seiten internationaler Produktionsnetzwerke
In den letzten 15 Jahren haben insbes. europäische und japanische Automobilhersteller Produktionskapazitäten in Höhe von 3,3 Mio. Kfz in MOE aufgebaut und dabei rund 20 Mrd. USD investiert (vgl. hierzu PriceWaterhouseCoopers, 2007, part 1, S. 2). Aufgrund der hohen Zulieferquote bei der Automobilproduktion von über 70 % kommt dabei noch einmal ein erheblicher Kapazitätsaufbau durch Zulieferer hinzu, die aus dem Verlagerungsmotiv „following customer“ mehr oder weniger freiwillig ebenfalls Produktionskapazität aufbauen, um bestehende Geschäftsbeziehungen und Aufträge fortführen oder aber ausbauen zu können. Dies gilt insbes. für „Just-in-Time“ Zulieferungen und andere A-Teile oder koordinationsintensive bzw. logistisch problematische oder zeitkritische Zulieferungen. So haben sich die Importe von Automobilzulieferern aus diesen neuen mittel- und osteuropäischen Standorten nach Deutschland bspw. in den Jahren 1995 – 2003 mit einer hohen jährlichen Wachstumsrate von 35,5 % von 1,3 Mrd. € in 1995 auf 14,8 Mrd. € in 2003 nahezu verzehnfacht (vgl. Abele, 2006, S. 15). Jedes vierte Unternehmen der produzierenden Industrie hat im Jahr 2002 Teile der Produktion ins Ausland verlagert. Im Zeitraum 2004-2006 ist diese „Verlagerungsquote“ von 25 % auf 18 % gesunken. Zeichnet sich hierin bereits ein Trend zum Rückgang der Produktionsverlagerung ab? Sicherlich haben Unternehmen zwischenzeitlich bereits zunehmend Erfahrungen – und zwar durchaus auch eine Reihe negativer Erfahrungen – mit Produktionsverlagerungen gemacht. Dies zeigt sich auch sehr deutlich im Phänomen „RÜCKverlagerung“, das bis auf wenige, „spektakuläre“ Fälle in der öffentlichen Diskussion kaum wahrgenommen wird, in der empirischen Forschung jedoch seit Jahren signifikant nachweisbar ist:
10.2 Produktionsverlagerung und Rücklagerung
147
Immerhin jedes vierte bis sechste derjenigen Unternehmen, die Teile ihrer Produktion zuvor verlagert hatten, revidieren bereits 2 Jahre später diese Entscheidung wieder mit einer RÜCKverlagerung ihrer Produktion ins Stammwerk: das sind rund 500 pro Jahr! Diese an sich bereits relativ hohe Rückverlagerungsquote ist insbes. bei „kostenorientierten Verlagerern“ vermutlich deutlich höher.
Abb. 10.1 Produktionsverlagerer und Rückverlagerer im Zeitverlauf (Kinkel/Maloca, 2009, S. 26)
Was sind die Gründe für RÜCKverlagerungen der Produktion, und worin liegen mögliche „learnings“ für das Management internationaler Produktionsnetzwerke? Zur Beantwortung dieser Frage werden im folgenden zunächst empirische Untersuchungsergebnisse herangezogen: Welche Gründe nennen die Unternehmen, die ihre Produktion zurückverlagert haben? Auf dieser Basis werden anhand von Literaturauswertungen, Plausibilitätsüberlegungen und eigenen Praxiserfahrungen Erfolgsfaktoren herausgearbeitet, die im Zuge des Aufbaus internationaler Produktionsnetzwerke essentiell sind, um das beabsichtigte Ziel – eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens – tatsächlich erreichen zu können. Umfang und Ursachen von Produktionsverlagerungen und Rückverlagerungen werden bereits seit mehreren Jahren im Zuge von Zeitreihenanalysen empirisch untersucht (vgl. hierzu insbes. Kinkel/Maloca, 2009, S. 31f.)
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10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
Als Hauptmotiv für die Rückverlagerung ihrer Produktion nennen Unternehmen Flexibilitätsprobleme (72 %) und eingeschränkte Lieferfähigkeit am Auslandsstandort. Da Lieferungen und Leistungen von Zulieferern und offshore-Produzenten i. d. R. als Komponenten ins Gesamtprodukt eingehen und i. d. R. zeitkritisch für den Fortschritt der Produktion und die Einhaltung von Lieferterminen sind, müssen häufig Puffer- und Sicherheitsbestände sowie – kapazitäten vorgehalten werden, was entsprechende Zusatzkosten verursacht. Qualitätsprobleme sind mit 60 % der Nennungen ebenfalls gravierende Gründe für Rückverlagerungen. In laufenden offshoring-Projekten zeigt sich oftmals die Erfahrung, dass die mittlere Zeitdauer bis zum Erreichen der geplanten Qualität und auch Produktivität stark unterschätzt wird und regelmäßig um 2-3fach höher als Plan liegt. Hohe Koordinationskosten für den Aufbau und laufenden Betrieb von offshore-Produktion im Ausland werden ebenfalls systematisch unterschätzt, was im Rahmen des Erfolgsfaktors „alle direkten und indirekten Kosten bewerten“ ausführlich diskutiert wird. Als Basis der nachfolgenden Analyse von Produktionsverlagerungen und Rückverlagerungen werden im wesentlichen empirische Untersuchungen einerseits und qualitative Untersuchungen anhand konkreter Fallbeispiele und Experteninterviews mit dem Management produktionsverlagernder und -rückverlagernder Unternehmen andererseits sowie Erfahrungen des Autors mit dem Aufbau und Betrieb internationaler Produktionsnetzwerke zugrundegelegt.
10.3
Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke
Aufgrund der hohen Aktualität und Relevanz des Produktions-Offshorings liegen differenzierte Ausarbeitungen zu Standort- und Erfolgsfaktoren internationaler Netzwerkproduktion vor (vgl. Schulz, 2007, S. 111ff.; Abele, 2008, S. 140ff.; Kinkel, 2009, S. 57ff.). Für den Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit werden im Folgenden 4 Erfolgsfaktoren diskutiert, die eine Neuakzentuierung der Potenziale des Produktionsstandorts Deutschland im Vergleich zu Auslandsstandorten erforderlich machen: • geeignete Produkte und Produktionsprozesse segmentieren und auswählen • alle entscheidungsrelevanten Kosten vergleichen • Optimierungs- und Netzwerkpotenziale am Standort wertschätzen, nutzen und neue aktivieren • geeignete Kooperations- und Organisationsform für Netzwerkproduktion wählen
10.3.1
Geeignete Produkte und Produktionsprozesse segmentieren und auswählen
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Aufbau internationaler SCM-Netzwerke zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen liegt in der Segmentierung und Auswahl der für die Netzwerkproduktion geeigneten Produkte und Produktionsprozesse. Speziell die zuvor diskutierten Unzu-
10.3 Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke
149
länglichkeiten projektierter und in der Vergangenheit realisierter Produktionsverlagerungen machen es erforderlich, diejenigen Produkte und Produktionsprozesse auszuwählen, die am besten geeignet sind, arbeitsteilig im Netzwerk an einem Auslandsstandort produziert zu werden. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen von Praxisprojekten zur Auslagerung von Produktionsleistungen an ausländische Standorte ein 3-dimensionales Entscheidungswerkzeug zur Segmentierung und Auswahl geeigneter Produkte und Prozesse entwickelt. Es umfasst die Kriterien • Arbeitskosten-Intensität, • Komplexität der Produkte und Prozesse (=Koordinationsintensität mit vor- und nachgelagerten Leistungen und Wertschöpfungsstufen) und • Logistikkosten-Intensität.
Abb. 10.2 Segmentierung offshoring-geeigneter Produkte und Prozesse
In der ersten Segmentierungsdimension kommt der Arbeitskosten-Vorteil von AuslandsStandorten als Hauptmotiv von Produktionsverlagerungen am stärksten dann zum Tragen, wenn die ausgelagerten Produkte und Prozesse durch eine hohe Arbeitskosten-Intensität gekennzeichnet sind. Dann ist der „Kostenvorteils-Hebel“ und damit die Chance am größten, dass auch nach Abzug diverser direkter und indirekter Zusatzkosten der Auslandsproduktion ein nennenswerter Netto-Kostenentlastungseffekt verbleibt. In der zweiten Segmentierungsdimension sollten derartige Produkte und Prozesse aufgrund des enormen, ebenfalls zumeist unterschätzten Koordinations- und Kommunikationsaufwands durch eine möglichst geringe Komplexität der Produkte und Prozesse und damit durch geringe Koordinationsintensität charakterisiert sein.
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10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
Die hohe Koordinationsintensität und Komplexität stark arbeitsteiliger Produktions- und Logistikprozesse, wie sie gerade für komplexe Produkte der Automobil-, Maschinen- und Anlagenbauindustrie mit intensiven Leistungsverflechtungen zwischen den einzelnen Wertschöpfungsstufen und -partnern typisch ist, verursacht bereits bei Inlandsproduktion zwischen Unternehmensteilen oder in Zuliefer-Hersteller-Netzwerken hohe Koordinationskosten. Diese steigen bei Netzwerkproduktion mit Auslandsstandorten infolge zusätzlicher Entfernungs-, Sprach- und Kulturbarrieren weiter stark an. Es ist Fiktion anzunehmen, dass etwa durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken derartige Barrieren überwunden oder erheblich reduziert werden könnten. Vielmehr gilt in der Praxis des Managements internationaler Produktionsnetzwerke hinsichtlich Prozesskomplexität und Koordinationsintensität ebenso wie hinsichtlich der Möglichkeiten zur laufenden Qualitätssicherung, Steuerung und Kontrolle der Prozesse des offshoring-Partners: „Distance still matters“ (Ghemawat, 2001). Prozessoptimierung, Qualitätssicherung, Kontrolle von Terminen und Mengen für laufende Aufträge, Ausschuss- und Schwundquoten von Material: all dies lässt sich ungleich einfacher, zeitnäher und direkter kontrollieren, wenn sich die Produktionsbereiche vor Ort am Standort, also im Stammwerk oder bei Zulieferern in der Region befinden und nicht hunderte oder tausende Kilometer entfernt, zumal wenn Zeit- und Sprach- und z. T. Kulturbarrieren noch hinzu kommen. Die ungleich direkteren Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten am hiesigen Standort sind somit ein ebenso klarer wie unterschätzter Vorteil des Produktionsstandorts Deutschland, der sich als solcher oftmals erst nach kostenintensiven Lernprozessen von Produktions-Rückverlagerern herausstellt (vgl. hierzu Schulz, 2007). Daher „rechnen sich“ für eine offshore-Produktion im Ausland am ehesten Produkt- und Prozess-Segmente, die möglichst geringe Leistungsverflechtungen und Koordinationserfordernisse aufwerfen. In der dritten Segmentierungsdimension ist die Logistikkosten-Intensität (bzw. der Logistikkosten-Anteil an den Produktionskosten) von Bedeutung für die Auswahl der zur offshoreProduktion geeigneten Produkte und Prozesse. Je geringer die standortbedingten ZusatzLogistikkosten sind, desto größer ist auch hier die Chance auf einen positiven NettoKostensenkungseffekt trotz der offshoring-typischen Zusatzkosten. Ergebnis dieses Segmentierungsprozesses ist ein Verlagerungs-„no go“ von Produktionssegmenten mit den zur idealtypischen, verlagerungsgünstigen Merkmalen entgegengesetzten Ausprägungen „geringe Arbeitskosten-Intensität“, „hohe Komplexität der Produkte und Prozesse“ und „hohe Logistikkosten-Intensität“, für die eine Produktionsverlagerung zumindest aufgrund von Kostensenkungsmotiven definitiv nicht sinnvoll ist. Eine Verlagerung dieser Produktionssegmente käme einer „programmierten Rückverlagerung“ gleich.
10.3.2
Alle entscheidungsrelevanten Kosten vergleichen
Eine der Schlüsselentscheidungen beim Aufbau internationaler Produktionsnetzwerke liegt darin, alle wesentlichen Kostenkategorien, die für die Bewertung und Auswahl von Produktionsstandorten relevant sind, hinsichtlich Höhe, Umfang und Entwicklungsdynamik so adäquat wie möglich zu erfassen, zu bewerten und in der anstehenden Entscheidung angemessen
10.3 Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke
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zu berücksichtigen. Dabei sind insbesondere folgende Kostenkategorien und -determinanten von zentraler Bedeutung (vgl. Schulz, 2007, S. 133f.; Kinkel, 2009, S. 69ff.): • Arbeitskosten: Höhe, Anteil an den Gesamtkosten und Entwicklungsdynamik bewerten, • Transportkosten: Höhe und Entwicklungsdynamik adäquat einschätzen, • Produktivitäts- und Qualitätsunterschiede zwischen Stammsitz und Auslandsstandort bewerten • Gemeinkosten aufgrund von Anlauf-, Koordinations- und Kontrollkosten sowie Qualifizierungs- und Qualitätssicherungskosten quantifizieren • Opportunitätskosten der Investition von Ressourcen, Know-How und Kapazitäten berücksichtigen Arbeitskosten: Höhe, Anteil an den Gesamtkosten und Entwicklungsdynamik bewerten Eine erste Herausforderung liegt darin, die absolute Höhe der Arbeitskosten, den Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten und vor allem die Steigerungsdynamik der Arbeitskosten, die insbes. in Wachstumsmärkten Mittel- und Osteuropas und in Fernost stark ausgeprägt ist, richtig einzuschätzen und bei anstehenden offshoring-Entscheidungen adäquat zu bewerten. Hauptursache und -treiber für den seit Jahren anhaltenden Aufbau neuer Produktionskapazitäten in MOE-Ländern und in Fernost sind die nach wie vor enormen Arbeitskosten-Vorteile ausländischer Standorte. Dies gilt insbesondere für arbeitsintensive Produktionsprozesse, bei denen sich hohe Arbeitskosten-Vorteile z. B. osteuropäischer Standorte über eine mit der Arbeitsintensität steigende, hohe Hebelwirkung besonders stark auf die Reduzierung der Gesamtkosten auswirken. Verblüffend oft wurden in der Vergangenheit realisierte Produktionsverlagerungen – speziell in der ersten Phase – dabei dominant oder gar ausschließlich über die hohe Arbeitskosten-Differenz begründet, was jedoch regelmäßig erheblich zu kurz greift. Dies zeigen nicht nur die hohen Rückverlagerungsquoten aufgrund letztlich unterschätzter Gesamtkosten. So konnten nach Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey bei der Mehrzahl der Produktionsverlagerungen nur geringe Produktionskostensenkungen zwischen 0-10 % realisiert werden (vgl. Abele, 2009, S. 33). Zum einen ist neben der Höhe der Arbeitskosten die Produktivität des Faktors Arbeit von erheblicher Bedeutung für die Stückkosten der offshore produzierten Produkte, was in einer zweiten Stufe zusammen mit der Qualität im folgenden noch näher zu erörtern ist. Zum zweiten ist für mittel- bis langfristige Zeiträume von 3-10 Jahren, wie sie gerade für komplexe Standortentscheidungen relevant sind, eine Prognose der mittelfristigen Entwicklungsdynamik der Arbeitskosten unerlässlich und ebenso bedeutend wie deren absolute Höhe zum Entscheidungszeitpunkt. Dabei zeigen Praxisberichte von Unternehmen ebenso wie empirische Untersuchungen zur Standortverlagerung, dass die Kostensteigerungsdynamik an Wachstumsstandorten in MOE und Fernost erheblich ist und oftmals zu einem „Umkippen“ bisheriger Vorteilhaftigkeit von Auslandsstandorten führt. Dies gilt insbesondere, wenn
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10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
direkte und indirekte Kosten der Auslandsproduktion nicht oder nur unzureichend einkalkuliert waren und im laufenden Betrieb dann „voll durchschlagen“. Vor allem Standorte mit hoher Wachstumsdynamik der Absatz- wie auch der Faktormärkte insbes. in MOE wie auch in China und Indien zeigen seit vielen Jahren einen starken Anstieg der Arbeitskosten. Als Sekundäreffekt resultiert hieraus oftmals eine nur eingeschränkte Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte in ausreichender Anzahl und zugleich eine hohe Personalfluktuation, was den ursprünglichen Standortvorteil „niedrige Arbeitskosten“ oftmals stark relativiert und die ebenfalls empirisch nachgewiesenen Produktivitäts- und Qualitätsrückstände an Auslandsstandorten zum Teil erklärt. Transportkosten: Höhe und Entwicklungsdynamik adäquat einschätzen Auch bei den Transportkosten gilt es, deren Höhe und Entwicklungsdynamik richtig einzuschätzen. Die tatsächlich anfallenden Transportkosten liegen zum Teil erheblich über den geplanten. Hauptgründe hierfür sind • Preissteigerungen der Einheitspreise für Transportleistungen aufgrund steigender Container-Frachtraten insbes. nach Fernost oder Kraftstoff- und Mautkosten für LKWTransporte im Osteuropa-Verkehr. • Mengensteigerungen der Transportleistung mit zusätzlichen Transportvolumina und -kosten aufgrund – kundenseitig erforderlicher Zusatz- und Teiltransporte der Fertigprodukte vom Ausland ins Stammwerk bzw. zum Kunden: ungeplante Transportkosten für halbvolle LKW-Ladungen und Extra-Lieferungen – sog. „Feuerwehr-Transporte“ mit mengenbezogen überproportionalen Zusatz-Transportkosten fallen an, weil Teillieferungen früher oder später als geplant vom Kunden benötigt werden – ungeplanter Hin-Transporte des Vormaterials zum ausländischen ProduktionsStandort, um höhere Materialkosten bzw. –einkaufspreise infolge regionaler Preisdifferenzierung der Lieferanten für Material und andere Vorleistungen am offshoreProduktionsstandort zu vermeiden. Produktivitäts- und Qualitätsunterschiede zwischen Stammsitz und Auslandsstandort bewerten Ein Kardinalfehler von auf Arbeitskosten fokussierten Produktionsverlagerern liegt in der Prämisse, das Produktivitäts- und Qualitätsniveau im Stammwerk nach einer überschaubar kurzen Anlaufphase am Auslandsstandort zu erreichen und zu halten. In dieser Fehlannahme geraten sie oftmals in eine „Kostenfalle“: „Der Hauptfehler liegt darin, Lohn- und Lohnnebenkostenvorteile je Stunde als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen sowie hinsichtlich Produktivität und Produktivitätsentwicklung nicht realistisch zu planen“ (Emmrich, 1997, S. 233). In engem Zusammenhang hiermit stellen viele produktionsverlagernde Unternehmen eine „Produktivitätsfalle“ fest: trotz weitgehend oder vollständig identischer Produktionsprozesse am Heimat- und Auslandsstandort ist die Produktivität und Qualität am offshore-Standort oftmals niedriger und Ausschuss- und Materialverschwendungsraten höher als im Stammwerk (vgl. Schulz, 2007, S. 139ff.). Ursache hierfür sind nicht zuletzt die jahrelangen, konti-
10.3 Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke
153
nuierlichen Investitionen in Anlagen, vor allem aber in den Faktor „Humankapital“ in Form von Total Quality Management-Projekten und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen im Stammwerk. Gemeinkosten aufgrund von Anlauf-, Koordinations- und Kontrollkosten sowie Qualifizierungs- und Qualitätssicherungskosten quantifizieren Hinzu kommen z.T. erhebliche Anlaufzeiten und -kosten, die in der offshoring-Praxis oftmals 2-3 mal höher als geplant sind, um das Produktivitäts- und Qualitätsniveau im Stammwerk überhaupt zu erreichen. Ist ein akzeptables Produktivitäts- und Qualitätsniveau nach einer oft 12-24 Monate dauernden Anlaufphase mit z. T. erheblichem Ausmaß an Betreuungsintensität und -kosten durch Fach- und Führungskräfte des Stammwerks dann schließlich erreicht, zeigt sich oftmals eine Tendenz zum „Abbröckeln“ zwischenzeitlich einmal erreichter Leistungsniveaus. Dies liegt zum einen an der häufig signifikant höheren Personalfluktuation und der höheren Zeitarbeitsquote bspw. in MOE-Staaten (vgl. hierzu PriceWaterhouseCoopers, 2007, part 2, S. 5), mit der Folge, dass bisherige Investitionen in Qualitätsmanagement und Qualifizierung von Mitarbeitern mit deren Weggang verloren gehen und permanent wieder neu aufgebaut werden müssen. Die laufenden Kosten und Investitionen hierfür sind z. T. erheblich. Zum anderen muss ein oftmals höher als ursprünglich geplantes Niveau an laufendem Training und Qualifizierung zur Produktivitäts- und Qualitätssteigerung durch Fach- und Führungskräfte des Stammwerks gefahren werden, um ein Abbröckeln einmal erreichter Produktivitäts- und Qualitätsstandards zu vermeiden und erreichte Niveaus zumindest zu halten. Opportunitätskosten der Investition von Ressourcen, Know-How und Kapazitäten berücksichtigen Die „Opportunitätskosten“ dieser permanenten Investitionen von FührungspersonalRessourcen des Stammwerks können erhebliche Ausmaße annehmen, weil deren Kapazität und Know-How in der Zeit oft wochen- und monatelanger Einsätze im Ausland im Stammwerk fehlen. Direkte Kosten
Indirekte Kosten
•
• • • • • •
• • • • • • •
Folgeinvestitionen in Anlagen für redundante Kapazitäten / Prozesse Transportkosten Koordinations- u. Reisekosten Lieferfristüberschreitungen Übersetzungen Bestechungsgelder Lohnzulagen Beratungskosten
Abb. 10.3
•
Indirekte Personalkosten Produktivitäts-Rückstände Qualitäts-Rückstände Kapitalbindung Flexibilitätseinbußen Opportunitätskosten fehlender Ressourcen im Stammwerk Fehlendes Lieferanten-Netzwerk und Know-how offshore
Versteckte Kosten der Auslandsproduktion (in Anlehnung an Schulz, 2007, S. 134)
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10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
Eine Investition dieser Engpass-Ressourcen in Produkt- und Prozess-Innovations- und Qualitätsmanagement-Projekte im Stammwerk könnte dort, nicht zuletzt aufgrund des größeren „Kosten- und Nutzenhebels“ eine höhere Wertschöpfung generieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Stammwerks oftmals wirksamer stärken. Auch diese, in der Tat nur schwer zu quantifizierenden „indirekten Kosten“ des Auslandsstandorts werden, wenn überhaupt, nur unzureichend erfasst und zur Entscheidungsfundierung einbezogen. Abb. 10.3 fasst überblicksartig die „versteckten Kosten der Auslandsproduktion“ zusammen, die sich bei produktionsverlagernden Unternehmen in der Praxis herausgestellt haben.
10.3.3
Optimierungs- und Netzwerkpotenziale am Standort wertschätzen, nutzen und neue aktivieren
Der vielleicht bedeutendste Gestaltungsbereich des Produktions- und Logistikmanagements zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen liegt in der umfassenden Gestaltung und Optimierung der – unternehmensinternen wie -übergreifenden – Wertschöpfungsstruktur der gesamten „value chain“. Hierin liegt sicherlich der größte Hebel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Produktionsunternehmen – und zugleich eine Daueraufgabe und Herausforderung des Managements. Diese umfassenden Optimierungsund Restrukturierungskonzepte werden seit Jahren unter den Labels „Lean Management“ und „Reengineering“ intensiv in der Unternehmenspraxis eingesetzt. Lean Management kann verstanden werden als „permanente, konsequente und integrierte Anwendung eines Bündels von Prinzipien, Methoden und Maßnahmen zur effektiven und effizienten […] Planung, Implementierung, Gestaltung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Gestaltungsfaktoren der Unternehmung und […] des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks mit dem Ziel, prinzipiell Verschwendung zu vermeiden, um somit die Systemwirtschaftlichkeit […] zu optimieren“ (Pfeiffer/Weiss, 1993, S. 18). Zur permanenten Optimierung von Qualitäts-, Zeit-, Flexibilitäts- und Produktivitätszielen werden dabei insbes. folgende Management- oder „Attitüden“-Prinzipien eingesetzt: • Permanenz und Konsequenz (insbes. Total Quality Management (TQM)/“Six Sigma“) • „Perfektion im Kleinen“ und „Vermeidung von Verschwendung“ (KAIZEN und Kontinuierliche Verbesserungsprozesse) • Konzentration auf Kernaktivitäten, • Kunden- und Prozessorientierung. Diese Grundprinzipien werden auf einer zweiten Ebene ergänzt durch charakteristische inhaltliche Prinzipien des Lean Management. Hierzu zählen insbes.:
10.3 Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke
155
• Perspektivwechsel vom „Sachvermögen“ zum „Humanvermögen“ (Gruppenarbeit, Job Enlargement und Enrichment, Qualitätszirkel in der Produktion etc.) • Gestaltung und Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette vom Lieferanten über den Produzenten bis zum Abnehmer als integriertes Netzwerk • Gestaltung und Optimierung dieses integrierten Netzwerks als „lernendes System“. Der enorme Zeit- und Kostenaufwand, effiziente Lean Management-Strukturen und -Prozesse am neuen Auslandsstandort neu aufzubauen, wird regelmäßig deutlich unterschätzt. Wesentlich effizienter ist es dagegen oftmals, an hiesigen Standorten, die auf einer „Meta-Lern- und Erfahrungskurve“ der Anwendung und laufenden Optimierung von Lean Management-Prinzipien deutlich weiter fortgeschritten sind, die umfassende Effizienzsteigerung des Wertschöpfungsnetzwerks konsequent fortzusetzen. Dies gilt umso mehr, weil Produktions-offshorings an ausländischen Standorten – sei es in Form von Neugründungen „auf der grünen Wiese (‚greenfield‘)“, oder als losere Netzwerkoder Allianz-Kooperationsform – oftmals „meilenweit“ von der Produktivitäts- und Qualitätsperformance als Ergebnis langjähriger intensiver Anwendung von Lean Managementund Reengineering- Programmen hiesiger Produktionsstandorte entfernt sind. Auch empirische Untersuchungen zur Standortplanung bestätigen die hohe Relevanz der Analyse, Bewertung und Aktivierung bisher ungenutzter Potenziale an deutschen Standorten (vgl. insbes. Erceg, 2009, S. 153ff.; Schulz, 2007, S. 111ff.; Zahn/Unsöld/Krauer, 2007, S. 11f.). Hierbei können beispielsweise die 4 Optimierungsfelder • „Technik“ (Automatisierung, Flexibilität, Leistungserhöhung) • „Personal“ (Arbeitsstrukturen, Qualifizierungs- und Personalführungsinstrumente) • „Organisation“: Aufbauorganisation (Center-Konzepte, Produktionsinseln etc.), Ablauforganisation mit Fokus “Produktentwicklung”, Qualitätssicherung, MaterialflussReorganisation (u. a. TQM, KVP, Simultaneous Engineering, Kanban), Fertigungstiefe / Outsourcing • Produktgestaltung: Standardisierung und Modularisierung. Marktanpassung, Neue Produkte / Innovationsmanagement / Wertanalyse und -gestaltung unterschieden und anhand von Fallbeispielen aus der Praxis verdeutlicht werden (vgl. Erceg, 2009, S. 153ff.). Nicht so sehr in dieser Systematisierung selbst, sondern vielmehr in der Durchgängigkeit der Systematisierung ausgewählter Optimierungsfelder und –maßnahmen und deren konkreter Umsetzung und Exemplifizierung anhand ausgewählter Fallbeispiele aus der Unternehmenspraxis liegt die besondere Qualität dieses Ansatzes. So kann beispielsweise anhand konkreter Projekte zur Optimierung und Effizienzsteigerung laufender Prozesse in Unternehmen der Mechatronik-Zulieferindustrie für die Pharma-, Chemie- und Lebensmittelbranche sowie der Automobil-Zulieferindustrie im Segment hochpräziser Aluminium-Press-, Stanz- und Profilteile aufgezeigt werden, wie Optimierungsmöglichkeiten laufender Prozesse – am bestehenden Standort – im Kerngeschäft identifiziert und hieraus abgeleitete Maßnahmen zur Aktivierung der bislang ungenutzten Potenziale konsequent umgesetzt werden.
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10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
Die Aktivierung dieser Potenziale wird in aller Regel den Vorteilhaftigkeitsvergleich bestehender Standorte zu deren Gunsten verdeutlichen und sollte in jedem Fall mit „deutlich größer Null“ bewertet werden. Abb. 10.4 fasst die Vorgehensweise und Anwendung zur systematischen Analyse und Aktivierung bislang ungenutzter Potenziale am deutschen Standort überblicksartig zusammen. Hierbei wird zugleich deutlich, dass die erzielbare Optimierungsbandbreite wettbewerbsstrategisch relevanter „Performancefaktoren“ bzw. Optimierungsziele wie auch das Verbesserungspotenzial am Standort Deutschland absolut größer und hinsichtlich der Breite an Optimierungsmöglichkeiten umfassender als auf Arbeitskostenreduzierung ausländischer Standorte begrenzte offshorings sein kann.
Abb. 10.4 Unternehmensinterne Analyse der Optimierungspotenziale am deutschen Standort (vgl. Erceg, 2009, S 173)
10.3.4
geeignete Kooperations- und Organisationsform für Netzwerkproduktion wählen
In einem nächsten Schritt geht es um die Auswahl einer zur internationalen Netzwerkproduktion geeigneten organisatorischen und vertraglichen Realisierungsform. Als Realisierungsformen internationaler offshore-Produktion können klassische und neuere Organisations- und Kooperationsformen unterschieden werden (vgl. hierzu Dillerup/Stoi, 2008, S. 272ff. und zu Kooperationen, Allianzen und Netzwerken insbes. dieselben, S. 460ff.; Welge/Al-Laham, 2008, S. 666ff.). Dabei kommt Kooperationen, Allianzen und Netzwerken als Zwischen- oder Hybridformen im Spannungsfeld zwischen den beiden Extrempolen „Markt“ und „Hierarchie“ organisatorischer Realisierung von Arbeitsteilung besondere Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für die Vielzahl von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), die die Internationalisierung ihrer Produktion vergleichsweise
10.3 Erfolgsfaktoren internationaler Produktionsnetzwerke
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„heimatnah“ an neuen Produktionsstandorten in Mittel- und Osteuropa (MOE) realisieren und dabei in erster Linie strategische Allianzen als Organisationsform der Produktionskooperation wählen (vgl. hierzu Schulz, 2007, S. 117). Netzwerke können als „unternehmensübergreifende Kooperationen von mehr als zwei rechtlich selbständigen Unternehmen, die zur Erreichung gemeinsamer Ziele freiwillig und koordiniert zusammenarbeiten“ definiert werden. Sie werden treffenderweise auch als „Best-ofeverything“-Kooperationen charakterisiert (vgl. Dillerup, 1998, S. 233; zit. nach Dillerup/Stoi, 2008, S. 468). Besondere Bedeutung haben dabei Produktionsnetzwerke in ihrer Ausprägung als „fokale Netzwerke“, die von mind. einem Unternehmen als Fokal strategisch geführt und i. d. R. auch hinsichtlich der Verhandlungs- und Nachfragemacht wenn nicht dominiert, so zumindest deutlich bestimmend organisiert werden. Aus diesem Grund starten offenbar insbes. KMU ihre Produktionsverlagerung primär über Zulieferer und Partner-Netzwerke im Ausland. Sie realisieren nur selten Produktionsoffshorings über die Gründung oder Übernahme einer Eigenfertigung im Ausland (vgl. hierzu Roland Berger Strategy Consultants, 2004). Demgegenüber realisieren größere Produktionsunternehmen ihre Auslagerungen primär über Auf- oder Ausbau von Eigenfertigung an Auslandsstandorten. Dies liegt u. a. an der tendenziell höheren Produkt- und Prozesskomplexität bei größeren Firmen, die über klassische Eigenfertigungsmodelle besser handhabbar ist. Die spezifischen Vor- und Nachteile organisatorischer Realisierungsformen sollten dabei differenziert bewertet werden (zu Formen, Motiven und Erfolgsfaktoren von Netzwerkkooperationen vgl. u. a. Welge/Al-Laham, 2008, S. 666 sowie Dillerup/Stoi, 2008, S. 477f.). Zeit-, Kosten- und Flexibilitätsvorteile von Partner-Netzwerken als die eine Seite der Medaille sind insbesondere folgende: • ein schneller Start „aus dem Stand heraus“ mit Zeit- und Kostenvorteilen • Nutzung des Partner-Know-Hows im Management von Mitarbeitern, Kunden, Zulieferern und Behörden vor Ort • kurzfristige Realisierungsmöglichkeit laufender Kundenaufträge und stufenweiser Ausbau von Volumina bei Bedarf • geringeres Investment und höhere Kosten- und Investitions-Flexibilität bei Marktänderungen – insbes. bei hoher Kostensteigerungs-Dynamik an Auslandsstandorten Andererseits sollten jedoch auch die Nachteile von Netzwerkkooperationen bewertet werden und in einen differenzierten Vorteilhaftigkeitsvergleich organisatorischer Realisierungsformen von offshore-Produktionen einfließen. Dabei wird deutlich, dass den oben und in der Literatur diskutierten, offensichtlichen Vorteilen schneller, flexibler und kostengünstiger Netzwerkkooperationen und Allianzen einerseits eben auch eine Reihe von Nachteilen gegenüberstehen, die auf die geringere Bindungsintensität, Durchgriffs- und Kontrollmöglichkeiten von Netzwerkkooperationen zurückzuführen sind. Demnach sollte nicht übersehen werden, dass Unternehmen /Fokale für den Flexibilitätsvorteil internationaler Netzwerkproduktion i. d. R. einen Preis bezahlen. Denn der
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10 Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Produktionsnetzwerke
• Flexibilität des Auftraggebers, bei eigenen Auftrags- und Auslastungsschwankungen Aufträge gegenüber dem Zulieferer entsprechend flexibel zu erhöhen – oder auch, bei Auslastungsrückgängen, zu reduzieren, steht die • Flexibilität, Freiheit und auch Notwendigkeit des Zulieferers gegenüber, seinerseits für eine möglichst gute und ertragsstarke Auslastung seiner Kapazitäten, bei möglichst breiter Streuung seiner Kunden und Auftraggeber, zu sorgen. Dies kann sich insbesondere in Zeiten der Hochkonjunktur mit starker Nachfrage und hoher Kapazitätsauslastung oftmals so auswirken, dass der – beiderseitige – Flexibilitätsvorteil dann für den Auftraggeber bzw. Fokal in einen Nachteil umschlägt. Gerade in diesen Vollauslastungssituationen ist der Fokal als Auftraggeber eben oftmals nur einer von vielen Kunden, der um die dann knappe Kapazität des „verlängerten Werkbank-Produzenten“ mit anderen Auftraggebern konkurriert – und dies vom offshore-Produzenten dann in Sachen Preise, Liefermengen und -termine durchaus auch zu spüren bekommt. In dieser Situation zahlt der Auftraggeber den Preis für seine höhere Flexibilität durch ein ganzes Bündel von möglichen Nachteilen: • Preis- und Kostensteigerungen im engeren Sinn: der offshore-Produzent verkauft seine knappe Produktionskapazität an den meistbietenden Auftraggeber, der den höchsten Preis für die Engpass-Kapazität zahlt. • Seitens des Auftraggebers gewünschte Liefertermine und -mengen können durch den offshore-Produzenten nicht bestätigt werden, oder aber bereits zugesagte Liefertermine und -mengen können nicht eingehalten werden. Produktionsverlagerung ist nicht nur mit einem Ortswechsel verbunden, sondern oftmals auch mit einer Veränderung der Organisations- und Vertragsform der Liefer- und Wertschöpfungsbeziehung als Kooperationsmodell. Produktionsverlagerung – in Verbindung mit forciertem Outsourcing und einer organisatorischen Realisierung in Form flexibler, aber auch „bindungs- und durchgriffsschwächerer“ Netzwerkstrukturen – verschärfen die Nachteile des jahrelangen Trends • einer Erhöhung des Fremdbezugsanteils („buy“) zu Lasten der bisherigen Eigenfertigung und einem damit verbundenen Know-How- und Kompetenz-Abfluss • unverbindlichere, d. h. oftmals instabilere Geschäftsbeziehungen (gegenüber Eigenfertigung) • zunehmender Herausforderungen, einen wirksamen Innovations- und Know-How-Schutz sicherzustellen, insbes. an weit entfernten Standorten, wenn aufgrund von Entfernungs-, Sprach-, Kulturbarrieren sowie anderer Rechtssysteme Steuerungs- und Kontrollaufgaben noch schwieriger zu realisieren sind. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass über die bisher und in der wissenschaftlichen Literatur zu Standortplanung diskutierten Punkte hinaus eine Reihe von faktischen, potenziell durchaus schwerwiegenden Nachteilen der offshore-Produktion bestehen:
10.4 Fazit: Neue Wertschätzung und Potenzialnutzung des Standorts Deutschland
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Die Zuverlässigkeit bezüglich Lieferterminen und -mengen, Qualitäten und Know-HowSchutz des offshore-Produktionspartners, insbes. bei Geschäftsbeziehungen mit eher schwach ausgeprägter vertraglicher Bindungswirkung, aber auch Joint-VentureBeteiligungen, ist i. d. R. geringer als die einer eigenen Produktionsniederlassung des Auftraggebers als 100%-Tochtergesellschaft am externen Standort, und erst Recht gegenüber der Zuverlässigkeit bezügl. Lieferterminen und -mengen, Qualitäten und Know-How-Schutz im Stammwerk.
10.4
Fazit: Neue Wertschätzung und Potenzialnutzung des Standorts Deutschland
Als „lessons learned“ aus Verlagerungs- und insbes. Rückverlagerungsprojekten geben vor allem Rückverlagerer an, dass sie als Haupterfahrung aus ihren realisierten Internationalisierungsprojekten der Produktion und „neue Energie“ vor allem eines mitnehmen: Einen umfassenden Perspektivenwechsel der Beurteilung und Wertschätzung der Potenziale am Stammsitz, die bislang jedoch nur zum Teil genutzt wurden, sowie eine Aktivierung der hieraus resultierenden, weiterreichenden Potenziale der unternehmensinternen und -übergreifenden Netzwerke am Stammsitz. So ziehen insbes. die „Internationalisierungs-Lerner“ aus der Gruppe der in der Fachliteratur analysierten Rückverlagerer folgende Schlussfolgerungen (vgl. Schulz, 2007, S. 210f.) Neue Internationalisierungs- und Produktionsnetzwerk-Projekte sollten demnach • nicht dominant kostengetrieben bzw. kostensenkungsfokussiert, sondern mit der Erschließung neuer internationaler Märkte kombiniert sein, • umfassend und systematisch geplant und durchgeführt werden, dabei • alle direkten und indirekten Kosten der Auslandsproduktion quantifizieren und im Vergleich zum Stammwerk bewerten, • auf der umfassenden Analyse, Bewertung und Nutzung unternehmensinterner und -übergreifender Netzwerkpotentiale am Stammsitz basieren und • hieraus resultierende Innovations- und Optimierungspotenziale der Produkt- und Prozesstechnologie am „home“-Standort aktiv nutzen und gestalten.
10.5
Literaturverzeichnis
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160
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11
„Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre
Prof. Dr. Susanne Wilpers
11.1
Integrative Lehrgestaltung an der Hochschule Heilbronn
Im Zuge der Vereinheitlichung des europäischen Bildungswesens hat es im Rahmen des Bologna-Abkommens viele Veränderungen an deutschen Hochschulen gegeben. Neben der Implementierung von Bachelor- und Masterabschlüssen wurde neben vielen anderen Veränderungen auch ein Fokus auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen gesetzt. Die Hochschule Heilbronn hat sich das Ziel gesetzt, Studierende durch das Studium mittels einer integrativen Lehrgestaltung für einen Beruf umfassend zu qualifizieren. Voraussetzung für diese Berufsqualifizierung ist, dass Studierende Handlungskompetenz erwerben. Daraus ergibt sich der Ansatz, eine überfachliche Qualifizierung als integralen Bestandteil des Studiums anzusehen. Nach unserem Verständnis lassen sich Schlüsselqualifikationen in drei überfachliche Qualifikationen aufteilen: Sozialkompetenz, Personale Kompetenz und Methodenkompetenz. Gemeinsam mit der Fachkompetenz sind sie Voraussetzung für den Aufbau von Handlungskompetenz in einem Fachgebiet. Um den Aufbau von Handlungskompetenz zu unterstützen, ist die integrative Vermittlung von Schlüsselqualifikationen entsprechend unserem Konzept der integrativen Lehrgestaltung umfassend in verschiedene Studiengänge verankert und mit
164
11 „Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre
einem didaktischen Konzept konzipiert und professionalisiert worden. Das Konzept wurde vielfach publiziert und auf zahlreichen Kongressen und Veranstaltungen präsentiert und diskutiert (vgl. Marsden/Wilpers, 2007; Herzberg/Marsden, 2005). Das folgende Kapitel gibt anhand eines Veranstaltungsbeispiels einen Einblick, wie diese Schlüsselqualifikationen in die Lehre integriert werden können. Die Veranstaltung „Leadership Communication“, welche näher dargestellt werden soll, ist eine vierstündige Pflichtveranstaltung des Studienganges Betriebswirtschaft und Unternehmensführung und im 6. Semester angesiedelt. Zudem wurde die speziell vorgestellte Veranstaltung von der Studienkommission für Hochschuldidaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (Förderprogramm LARS) ausgezeichnet und im Projekt:„ROPEF“: Entwicklung und Evaluierung eines Peer-Feedback Systems mit Rollenspielen“ finanziell gefördert. Obwohl die Veranstaltung in englischer Sprache gehalten wird, ist die nachfolgende Erläuterung zur Vereinfachung deutsch verfasst.
11.2
Schlüsselkompetenz Führungsfähigkeit
Als wichtige Facette der Sozialkompetenz für den Einstieg und späteren Erfolg im Berufsleben ist die Führungskompetenz unumstritten. Unternehmen schätzen die Führungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter als eine der wichtigsten Quellen des Wettbewerbsvorteils ein und investieren kontinuierlich in deren Entwicklung (Scott DeRue/Wellman, 2009; McCall, 1998; Vicere/Fulmer, 1998). Schätzungsweise 45% der 56 Milliarden Dollar, die beispielsweise amerikanische Unternehmen für die Förderung ihrer Mitarbeiter im Bereich der Organisationsentwicklung im Jahre 2007 ausgaben, waren speziell auf die Entwicklung von Führungsfähigkeiten ausgerichtet (O’Leonard, 2007). Es gibt jedoch eine wachsende Annahme unter Wissenschaftlern und Praktikern, dass die effektivste Art, individuelle Führungsfähigkeiten zu erwerben, vornehmlich nur am direkten Arbeitsplatz stattfinden kann (Scott DeRue/Wellman, 2009). Wie McCall (2004) ausführte: “Die Hauptquelle führen zu lernen … ist durch Erfahrung. Die Rolle, die Training und andere formale Programme spielen ist relativ gering im Vergleich zu anderen (on-the job) Erfahrungen“ (S. 127). Tatsächlich schätzen Wissenschaftler, dass der Anteil an der Entwicklung von Führungsfähigkeiten, der durch informelle, am Arbeitsplatz erlebte Erfahrungen gewonnen werden kann, bis zu 70% liegt, während nur 10% durch Lernerfahrung in speziellen Schulungsmaßnahmen gewonnen werden (Robinson/Wick, 1992; Wick, 1989). Der entwicklungstheoretische Wert von praktischer Erfahrung ist durch eine Reihe von theoretischen und empirischen Studien gut dokumentiert. Experimentelle Lerntheorien, wie solche, die von Dewey (1938), Knowles (1975), Kolb (1984), Marsick/Watkins (1990) und Rogers (1969) entwickelt wurden, gehen davon aus, das Lernen in einem Individuum dann geschieht, wenn es herausfordernde Erfahrungen machen und die Ergebnisse dann evaluieren kann. Diese theoretischen Befunde machen deutlich, dass die Vermittlung dieser Kompetenzen im Studium zwar wichtig, aber durch die reine Vermittlung von theoretischen Inhalten allein nicht effektiv sein kann. Daher wird ein stark praktisch orientierter Ansatz in der Vermittlung von Führungskompetenzen favorisiert.
11.3 Assessment Center und Führungskompetenz
11.3
165
Assessment Center und Führungskompetenz
Studierende aus der hier dargestellten Veranstaltung befinden sich meist kurz vor Ende ihres Bachelor-Studiums. Viele der baldigen Hochschulabsolventen werden oder haben bereits Erfahrungen in ihren Bewerbungen um Einstiegspositionen mit Auswahlverfahren gemacht, die Unternehmen einsetzen, um die Bewerber auszuwählen. Dazu gehören auch Assessment Center (AC), die nach wie vor viele Unternehmen als Auswahl- aber auch als Potentialdiagnoseinstrument verwenden. In diesem klassischerweise oft ganz- oder mehrtägigen Verfahren werden mehrere Bewerber parallel von mehreren Beobachtern in einer Reihe von berufsbezogenen Aufgaben beobachtet und bewertet. Danach wird eingeschätzt, ob die Bewerber zu den Unternehmen passen. Dieses oft eingesetzte und oft gefürchtete eignungsdiagnostische Verfahren beinhaltet neben vielen Einzelübungen, die auf die kognitiven Fähigkeiten der Bewerber abzielen auch Gruppenübungen, in denen unter anderen die Kommunikationsoder Führungskompetenzen der Bewerber eingeschätzt werden. Durch die weite Verbreitung des ACs als praxistaugliche Kombination verschiedenster eignungsdiagnostischer Einzelverfahren ist in Deutschland ein großer Markt für AC-TrainingsLiteratur entstanden (vgl. Ullrich/Dietrich, 2001). Dennoch stellt sich wissenschaftlich vermehrt die Frage nach der tatsächlichen Übungsanfälligkeit bzw. Trainierbarkeit von Assessment Centern (Sackett et al., 1989; Kelbetz/Schuler, 2002). In einer Übersichtsdarstellung der Ergebnisse von Assessment Center Training von Kelbetz/Schuler (2002) wird deutlich, dass einige Kompetenzbereiche, die in Assessment Centern abgedeckt werden, für Übungseffekte langfristig nicht sensibel sind, andere hingegen schon. So werden zwar bei unmittelbarer Wiederholung kognitive Leistungstestergebnisse verbessert, über längere Zeit hin werden diese Ergebnisse aber wieder gering und eine allgemeine Anhebung des kognitiven Leistungsniveaus scheint kaum erzielbar (Amelang/Bartussek, 1997). In Bezug auf die wenigen Untersuchungen zu Gruppendiskussionen zeigen sich laut Kelbetz/Schuler (2002) jedoch Hinweise, dass das Abschneiden durch spezifische Trainings, die auf individuellem Feedback aufbauen, gesteigert werden kann (Kurecka et al., 1982). Vage Trainings oder einfache Wiederholungen des Verfahrens erbringen jedoch wenig bis gar keine Verbesserungseffekte (Denning/Grant, 1979; Klubeck/Bass, 1954; Petty, 1974). Auch für Rollenspiele belegen Moses und Ritchie (1976) verbesserte Leistungen einer Experimentalgruppe, die ein Behavior-Modeling-Training durchlief, im Vergleich zu einer untrainierten Kontrollgruppe. In einer experimentellen Studie zur Übungsanfälligkeit von ACs von Kelbetz/Schuler, (2002) lässt sich erkennen, das Bewertungsdimensionen, die eher persönlichkeitsnah eingestuft werden, am resistentesten gegen Leistungssteigerungen waren (z. B. Leistungsmotivation bzw. Zielorientierung/ Initiative oder Organisation bzw. analytische Fähigkeiten). Verhaltensnähere Dimensionen hingegen, die im Bereich Überzeugung/ Führung und im Bereich Kooperation/ Teamorientierung angesiedelt waren, schienen dagegen durch Übungen verändert werden zu können. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass bestimmte Kompetenzen, die im Bezug zur Führungsfähigkeit stehen, durch gezielte Übungen entwickelt werden können. Eine Aufgabe der Hochschullehre muss, unter anderen, die praktische Vorbereitung auf die Bewerbungsphase
166
11 „Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre
sein und daher wurde die Methodik des Assessment Centers als integrativer Bestandteil in die Veranstaltung „Leadership Communication“ eingesetzt.
11.4
Aufbau der Lehrveranstaltung „Leadership Communication“
Die vierstündige (2 x 90 Minuten) Veranstaltung ist so aufgebaut, dass den Studierenden wöchentlich in den ersten 90 Minuten theoretische Kenntnisse aus dem Bereich der Führung vermittelt werden und in dem direkt anschließenden weiteren Zeitraum diese praktisch ausprobiert werden können (siehe Abb. 11.1). Dieser praktische Teil dient als Zentrum der integrativen Vermittlung der Schlüsselqualifikation „Führungsfähigkeit“.
Schwerpunkt 1
Theorie
Praxis
(90 Minuten)
(90 Minuten)
Führung I
Rollenspiele, Gruppendiskussion, Konstruktionsübungen, Projektorganisation
• Schwerpunkt 2
Schwerpunkt 3
Führungstheo-
Kommunikation •
Gesprächsführung
•
Moderation
Führung II •
Schwerpunkt 4
Klassische rien
Moderne Führungstheorien
Praktische Anwendung
Zweiergespräche, Präsentationen, Gruppendiskussionen Rollenspiele, Gruppendiskussion, Konstruktionsübungen, Projektorganisation Videoanalysen
Abb. 11.1 Aufbau Lehrveranstaltung „Leadership Communication“
Inhaltlich deckt die Veranstaltung einen großen Rahmen der theoretischen Führungsliteratur in vier Schwerpunkten ab. Innerhalb des ersten Schwerpunkts (Führung I) werden die Geschichte der Industrialisierung und begleitend dazu klassische Führungstheorien dargestellt. Die Gesprächsführung und Moderation ist Ansatzpunkt des zweiten inhaltlichen Schwerpunkts "Kommunikation". Moderne Führungstheorien werden im dritten Schwerpunkt (Führung II) behandelt. Im letzten und vierten inhaltlichen "Schwerpunkt: Praktische Anwendung" stellen die Studierenden vertiefend selbst Führungsmethoden vor und führen diese mittels Videoanalysen in Anwendungsbeispielen praktisch durch. Der Praxisteil simuliert
11.5 Lernförderliche Szenarien im Praxisteil
167
wöchentlich eine Sequenz eines Auswahl-Assessment-Centers. Wie, darauf wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen.
11.5
Lernförderliche Szenarien im Praxisteil
Ziel der Vermittlung von Führungskompetenz ist die Analyse des individuellen Verhaltens der teilnehmenden Studierenden in Situationen, in denen sie gefordert sind, diese Kompetenz anzuwenden. Damit besteht die Möglichkeit selbstregulatives Lernen anzustoßen und durch die Integration in einen anschließenden Maßnahmenkatalog die Grundlage für eine kontinuierlich lernende Person zu schaffen. Die Szenarien, welche die Studierenden im Praxisteil erfahren, sind „echte“ Übungen, die in modernen Assessment Centern angewandt werden. In Rollenspielen, Gruppendiskussionen, Konstruktionsübungen, Präsentationen, Projektorganisationen oder Zweiergesprächen (siehe auch im nächsten Abschnitt eine Beispielübung) erfahren die Teilnehmer verschiedene Facetten von Führungssituationen. Wie in einem echten Assessment Center agiert dabei eine Gruppe als Bewerber (Spieler) und eine weitere Gruppe als Beobachter (Bewerter). Die Zuteilung zu den Gruppen erfolgt wöchentlich per Losverfahren, wobei jeder Studierende mindestens 2x im Semester als Spieler agieren muss.
Vorbereitung
Entwicklung eines Bewertungsbogens, Feedback-Schulungen
Übung
Einschätzung
Selbstbewertung jedes Studierenden
Fremdbewertung durch andere Studierende
Selbstreflektierender Vergleich der Selbst- und Fremdbewertung
Ziele
Festsetzen von Lernzielen für die nächste Übung
Abb. 11.2 Ablauf des lernförderlichen Feedback-Prozess im Praxisteil „Leadership Communication“
168
11 „Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre
Zentraler Bestandteil der Analyse des individuellen Führungsverhaltens ist dabei ein Feedbackprozess, der Studierende auffordert sich selbst und andere kontinuierlich zu analysieren. Diese Feedback-Prozess-Methode, die in der Abb. 11.2 dargestellt ist, lehnt sich an den Ansatz von modifizierten lernförderlichen Assessment Centern an (vgl. Stangel-Meseke, 2005, S. 188), der in jüngerer Zeit vermehrt in der Fachliteratur zu diesem Forschungsgebiet diskutiert wird. Die theoretische Grundlage für den lernförderlichen Feedback-Prozess bilden die Feedback-Interventions-Theorie von Kluger und DeNisi (1996) und angewandte FeedbackKonzepte aus der betrieblichen Praxis (vgl. Stangel-Meseke, 2005). Die Studierenden entwickeln zunächst zu Beginn jedes Semesters einen eigenen Bewertungsbogen, der dazu dient, die Studierenden hinsichtlich ihrer Führungskompetenz in den einzelnen Übungen zu bewerten. Dieses Feedback-Instrument wird auf der Grundlage eines Modells der zu messenden Schlüsselqualifikationen erstellt und dementsprechend in Subskalen gegliedert. Die Subskalen werden in einzelnen Verhaltensbeschreibungen als Bewertungsitems operationalisiert (siehe ein Beispielbogen in Abb. 11.3). Diese Eigenentwicklung soll die Akzeptanz der späteren Bewertungen durch die Mitstudierenden (Peers) erhöhen. Dimensionen
Items
Itembeispiele
Arbeitsergebnis Das Ergebnis der Übung liegt im Vordergrund der Handlungsstrategie. Der Teilnehmer ist lösungsorientiert und strukturiert die Lösungsphase
-Qualität -Lösung -Struktur
Struktur „Der/die T. erkennt die Struktur des vorliegenden Problems“
Team Work Der Teilnehmer arbeitet mit den anderen Gruppenmitgliedern zusammen und bindet sie mit in die Diskussion ein. Er bietet Hilfestellungen und kann Kompromisse schließen.
-Einbindung -Hilfestellung -Kompromissbereit
Einbindung „Der/die T. bindet die anderen Teilnehmer ein“
Kommunikation Der Teilnehmer kann sich sprachlich ausdrücken und beachtet die Regeln der Kommunikationstheorie. Er hat die Fähigkeit andere zu überzeugen.
-Sprache -Metakommunikation -Überzeugungsfähigkeit
Überzeugungsfähigkeit „Der/die T. kann andere überzeugen“
Abb. 11.3 Auszüge eines Bewertungsbogen zur Einschätzung der Führungskompetenz
11.5 Lernförderliche Szenarien im Praxisteil
169
Wöchentlich agieren die Studierenden dann in den verschiedenen Übungen. Jeder Spieler wird dabei von einem oder zwei Beobachtern bewertet, wobei diese Zuordnung auch per Losverfahren stattfindet. Nach jeder Übung erfolgt zunächst die Selbstbewertung durch den Spieler sowie die Fremdbewertung durch die Peers, die als Beobachter in der betreffenden AC-Übung fungieren. Diese Fremdbewertung findet noch innerhalb der Veranstaltung statt. In der reflektierten Selbstbewertung vergleicht der Teilnehmer die erhaltenen Rückmeldungen mit seiner eigenen Bewertung und reflektiert diese, indem er eine erneute Bewertung seines Verhaltens vornimmt. Im Anschluss daran setzen sich die Teilnehmer dann Lernziele für den nächsten AC-Durchlauf. Diese Lernziele werden in dem E-learning Portal ILIAS der Hochschule Heilbronn von den Studierenden schriftlich formuliert und nur dem Dozenten zugänglich gemacht. Dieser Feedback-Prozess erfordert neben dem Agieren des Spielers in der jeweiligen Übung auch von den Beobachtern, dass sie sich in Szenarien üben, die im späteren Berufsleben stattfinden können. Feedback geben und nehmen erfordert viel Kommunikationskompetenz. Zum Ende des Semesters erarbeiten die Studierenden dann Videobeispiele von Führungssituationen, in denen Positiv- und Negativbeispiele im Rahmen von Lehrvideos erarbeitet werden. Diese werden im Plenum vorgestellt und auf dem E-learning Portal ILIAS veröffentlich.
11.5.1
Beispielübung Hausbau
Im Folgenden soll zur besseren Vorstellung ein exemplarisches Rollenspiel dargestellt werden, welches die Studierenden im Praxisteil vorfinden. In dieser Übung aus der Kategorie „Konstruktionsübung“ wird ein „Hausbau-Projekt“ simuliert, in dem die Teilnehmer (N=5) nach verschiedenen festgelegten Spielregeln miteinander agieren müssen (siehe Abb. 11.4). Als Aufgabe müssen die Teilnehmer ein simuliertes Haus nachbauen, welches als Original in einem einfachen Legomodell vorliegt. Wichtig sind hier die Anwendung der Schlüsselkompetenzen Organisationsplanung, Kommunikation und Projektmanagement. Das Lego-Originalhaus wird ausschließlich von einer Person (Seher) gesehen und einer anderen Person (Erklärer) beschrieben. Dieser kann mit der Erklärung zum Architekt gehen und die Anweisungen weitergeben. Der Architekt benötigt zum Bau die Legosteine und kann diese ausschließlich vom Verwalter erhalten. Dieser Spieler verwaltet identische Legosteine des Ursprungshauses, aber auch falsche Steine. Weder der Architekt, der Verwalter noch der Erklärer sehen das Ursprungshaus. Allerdings gibt es eine Person die alles sehen kann, der Kommunikator. Diese Person kann von allen Teilnehmern befragt werden, darf jedoch nur mit Ja oder Nein antworten. Die Bearbeitung der Aufgabe besteht aus drei Teilen. Zunächst haben die Teilnehmer 15 Minuten Zeit die Instruktion zu verstehen, die Rollen zu verteilen und Kommunikationswege festzulegen. Danach startet das Spiel und in 45 Minuten soll das nachgebaute Haus stehen. Dann erfolgt die Selbstbewertung des gezeigten Verhaltens gemäß des Feedback-Ablaufs und die Fremdbewertung durch die Peers.
170
11 „Leadership Communication“, ein Beispiel integrativer Lehre
Seher Original Erklärer
Kommunikator Ja/Nein Architekt
Kopie
Verwalter
Abb. 11.4 Kommunikationsnetze in der Hausbauübung
11.6
„Leadership Communication“ in Zukunft
Die vorliegende Ausführung stellt ein Beispiel dar, wie praxisorientierte Lehransätze in Veranstaltungen integriert werden können. Die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen wie der Führungskommunikation kann nur erfolgen, wenn diese auch praktisch erfahrbar sind. Die Methode der integrativen Lehrgestaltung dient als Ansatz dazu, diese Lernerfahrung für die Studierenden anzustoßen. Zusätzlich zu diesem Veranstaltungsbeispiel gibt es viele andere Ansätze wie der Lernbühne oder dem Praxis-Kompetenz-Unternehmen "Perspektive Wein e.G." in anderen Studiengängen der Hochschule Heilbronn, die versuchen die Schlüsselqualifikationen integrativ in den Lehrveranstaltungen zu vermitteln. Eine weitere Entwicklung der integrativen Lehre kann die gemeinsame Vermittlung von Schlüsselkompetenzen mit Studierenden anderer, fachfremder Studiengänge sein. So fanden im WS 08/09 kombinierte Praxisübungen von Studierenden des Studienganges Betriebswirtschaft & Unternehmensführung (BU) und Studierenden des technischen Studienganges Automotive System Engineering (ASE) statt. Dabei wurden die beiden Studiengänge in den Praxisübungen zusammengelegt und die Gruppen der Spieler und Beobachter mit Studierenden beider Studiengänge gemischt. Damit wurde eine
11.7 Literaturverzeichnis
171
realere Praxissituation simuliert. Die durchweg positiven Lehrevaluationen dieser kombinierten Veranstaltung bestätigen, dass dieses Modell in der Zukunft weiter verfolgt wird.
11.7
Literaturverzeichnis
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Erfolgsgeschichten der Unternehmensführung
1
40 Jahre Studium der Betriebswirtschaftslehre in Heilbronn Karlheinz Haberlandt und Gerhard Vogler
Am 1. Oktober 1969 wurde die Staatliche Ingenieurschule Heilbronn um die Abteilung Betriebswirtschaft mit einem Studiengang Fertigungsbetriebswirtschaft erweitert und in Staatliche Ingenieurschule und Höhere Wirtschaftsfachschule umbenannt. Dies hatte Modellcharakter für die Hochschullandschaft in Baden-Württemberg. Bisher gab es in BadenWürttemberg keine staatliche Ingenieurschule mit betriebswirtschaftlichen Studiengängen. Der Modellcharakter zeigt sich darin, dass in der Folgezeit weitere betriebswirtschaftliche Studiengänge in Heilbronn eingerichtet und an anderen Ingenieurschulen betriebswirtschaftliche Studiengänge angegliedert worden sind (u. a. in Reutlingen, Nürtingen, Biberach, Offenburg). Deshalb ist das Jubiläum „40 Jahre betriebswirtschaftliches Studium in Heilbronn“ ein überregionales Ereignis und zugleich eine Erfolgsgeschichte, auch aus Sicht der Absolventen, die mit ihrer persönlichen Geschichte entscheidend zum Erfolg beigetragen haben. Absolventen unterschiedlicher Abschlussjahre haben sich bereit erklärt, ihr Studium Revue passieren zu lassen, über ihre Karrieren zu berichten und das Studium in Heilbronn im Spiegel ihrer eigenen Berufs- und Lebenserfahrungen rückblickend zu bewerten. Durchgängig wird anerkannt, dass – auch über den Zweiten Bildungsweg – die Chance für ein solides, praxisorientiertes Studium in Heilbronn ermöglicht wurde. Das Studium wird als wichtiger Schlüssel für den beruflichen Erfolg als selbständige Unternehmer und als Führungsverantwortliche in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftszweige und Branchen bewertet. Besonders positiv hervorgehoben werden der Praxisbezug des Studiums, die engen Kontakte zu Kommilitonen und zu den Lehrenden, teilweise auch die Möglichkeit eines Praxissemesters im Ausland. Mit Blick auf die Frage nach den künftigen Anforderungen an das Studium lesen wir im Beitrag einer Absolventin: „Die Studenten von heute sind die Manager und Unternehmer von morgen“. Diese Erkenntnis ist auch für die künftige Ausrichtung des Studiums bei veränderten Rahmenbedingungen Verpflichtung. Von ca. 2500 Absolventen stellen die anschließenden Beiträge nur einen kleinen Ergebnis-Ausschnitt der Lehre und des Studiums von vierzig Jahren dar. So gesehen soll und kann dieser Ausschnitt nicht unbedingt den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Einzeln betrachtet sind die Beiträge jedoch Beispiele, Muster, Modelle und Nachweis, was ein betriebswirtschaftliches Studium an der Hochschule Heilbronn bewirkt hat und künftig bewirken wird. Wir legen die Beiträge in zeitlicher Folge der Studienabschlüsse vor, mit den uns vorliegenden jüngsten beginnend.
2
Thorsten Bässler
Vita Studium:
BU 1997 – 2001
Fachgebiete:
Controlling, Wirtschaftsinformatik, Logistik
1. Praxissemester: wegen kaufmännischer Ausbildung erlassen 2. Praxissemester: - Kartonagenfabrik (3 Monate) - StartUp-Unternehmen aus dem Bereich „Bademöbel“ (3 Monate) Heutige Tätigkeit: Geschäftsführender Gesellschafter bei der Bässler VerpackungsSysteme GmbH in 74912 Kirchardt
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, gerne bin ich der Bitte meiner ehemaligen Professoren nachgekommen, ein paar Worte zu meinen Erfahrungen während meiner Studienzeit zu verfassen, woran Sie erkennen können, dass diese Erlebnisse für mich durchweg positiv waren und ich mich noch heute gerne an diese Zeit erinnere. Nach einer kaufmännischen Ausbildung, dem Grundwehrdienst und diversen Tätigkeiten im elterlichen Betrieb und auch in „Fremdfirmen“, bin ich 1997 an der HS HN „gestrandet“. Warum ich generell studieren wollte, lag daran, dass ich mich auf meine spätere Aufgabe, den elterlichen Betrieb zu führen, vorbereiten wollte. Da ich schon immer zuhause im Büro mitarbeiten musste (oder durfte), war der Standort Heilbronn, ca. 20 km von meiner Heimat entfernt, nahezu optimal. So konnte ich morgens in die Firma und später in die Vorlesung bzw. umgekehrt. Dies war aber nicht der einzige Vorteil, den die HS HN für mich zu bieten hatte. Zum einen hatte und hat sie einen sehr guten Ruf. Und sie gilt als praxisorientierte FH, was ich nur bestätigen kann. Darüber hinaus findet man in Heilbronn ein sehr breites Studienangebot, und wem die Fachgebiete des BU-Studienganges nicht ausreichen, der kann z. B. bei VB ein Logistikthema zu einem Fachgebiet wählen. So war es bei mir der Fall. Als Hersteller von Transportverpackungen empfand ich es als sinnvoll, wenn man ein bisschen logistisches Know-how gegenüber dem Kunden vorweisen kann.
2 Thorsten Bässler
177
Seit Abschluss meines Studiums (2001) arbeite ich nun mit viel Spaß und, abgesehen von der aktuellen Wirtschaftslage, welche leider auch wir spüren, relativ erfolgreich im Familienbetrieb meiner Eltern, meines Bruders und mir. Inzwischen haben sich unsere Eltern aus dem „Tagesgeschäft“ zurückgezogen und lassen uns beide „an der Front kämpfen“. Dies ist nicht immer einfach, aber das ist sicher überall so. Außerdem ergänzen wir, d. h. mein Bruder und ich, uns hervorragend. Mein Bruder verantwortet den technischen Bereich, während ich für den kaufmännischen Part und den Vertrieb zuständig bin. Die während meiner Studienzeit erworbenen Kenntnisse haben mir ungemein geholfen, meine heutigen Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Aber: Man sollte sich von der Illusion verabschieden, dass man nach erfolgreichem Studienabschluss plötzlich alles kann und weiß. Die theoretischen Kenntnisse helfen, Dinge zu verstehen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ein Unternehmen oder ein Markt funktioniert. Doch Unternehmen und Märkte verändern sich auch ständig. Dies werden Sie im Laufe der Jahre sicher noch feststellen (müssen). Die Professorinnen und Professoren an der Heilbronner Hochschule können Ihnen kein Patentrezept für jede auf Sie zukommende Problemstellung mit auf den Weg geben. Aber sie sorgen dafür, dass Sie Ihren Horizont erweitern und eine eigene Vorgehensweise zur Lösung Ihrer künftigen Herausforderungen entwickeln. Aus meiner Sicht erhalten Sie an der Heilbronner Hochschule eine sehr gute „Grundausbildung“ für Ihr späteres Berufsleben und die damit verbundenen Aufgaben. Was Sie daraus machen, liegt in Ihrer Hand. Ich persönlich kann mich bei meinen ehemaligen Professorinnen und Professoren nur bedanken. Mein Studium war teilweise recht stressig und vor allem in der Klausurzeit habe ich das eine oder andere Fach bzw. manchen Professor verflucht. Aber heute bin ich froh und möchte diese Zeit nicht missen. Die Vorlesungsunterlagen habe ich heute noch in meinem Büro stehen und nicht selten finde ich darin einen Denkanstoß für eine Problemlösung. Häufig entdecke ich die richtigen Ansätze in meinen Notizen, d. h. in den Dingen, welche ich während der Vorlesung mitgeschrieben hatte. Vielleicht hilft Ihnen das reine „Professoren-Skript“, die Prüfung zu bestehen. Wenn Sie aber nicht nur die Vorlesung als „Zuhörer“ besuchen, sondern sich ernsthaft mit den behandelten Themen auseinandersetzen, werden Sie nicht nur die Klausur besser bestehen, sondern zusätzliches Wissen mitnehmen. Die Heilbronner Professoren verfügen über jahrzehntelange Erfahrungen und waren häufig in der Wirtschaft in sehr verantwortungsvollen Positionen tätig. Nutzen Sie die Möglichkeit, hiervon etwas abzubekommen! Zu guter letzt noch ein weiterer Ratschlag: Wenn Sie zeitlich und finanziell die Möglichkeit haben, ein Auslandssemester (Praxis- oder Studiensemester) zu absolvieren, dann zögern Sie nicht. Ich war 1999 für ein Semester an der Partnerhochschule in Valencia (Spanien). Es war eine wunderbare Zeit und mit meinen ehemaligen WG-Mitbewohnern habe ich auch heute noch regelmäßig Kontakt. Außerdem konnte ich die spanische Sprache recht gut erlernen und inzwischen haben wir auch schon einige Holzkisten nach Spanien verkauft und auf verschiedenen Messen ausgestellt. Inzwischen habe ich zwei Söhne. Wenn die beiden irgendwann mal auf die Idee kommen, in Heilbronn zu studieren, werde ich sie nicht davon abhalten.
3
Christian Freiherr von Stetten MdB
Studienzeit von 1996 bis 2001
Beruflicher Werdegang nach dem Studium • Existenzgründer bereits während des Studiums und Unternehmensaufbau in Künzelsau • Gründung von Tochtergesellschaften in den Jahren 1999 und 2002 • Vorstands- und Beiratsmitglied mehrerer Unternehmen und Aufsichtsratsvorsitzender der Schloß Stetten Holding AG • Seit Oktober 2002 direkt gewählter Abgeordneter im Bundestagwahlkreis Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages – Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – Vorsitzender der Finanzkontrollkommission der CDU/CSU- Bundestagsfraktion – Stellvertretender Vorsitzender des Parlamentskreis‘ Mittelstand der CDU/CSUBundestagsfraktion
Betriebswirtschaftliches Studium an der Hochschule Heilbronn Warum studierte ich an der Fachhochschule Heilbronn? Die Existenzgründung und der Aufbau einer eigenen Firma standen zwar im Vordergrund, trotzdem wollte ich auch ein Betriebswirtschaftsstudium abschließen. Da ich wusste, dass die Hochschule Heilbronn einen guten Ruf hatte und sie zudem nicht weit von meinem Wohnort war, verband sich damit optimal Theorie und Praxis: Ich konnte also studieren und gleichzeitig eine Firma gründen.
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Meine Ziele und Schwerpunkte im Studium Aufgrund meiner schon vollzogenen Unternehmensgründung konnte ich studieren, ohne ständig den Druck zu haben, später mit Bestnoten mich auf dem Arbeitsmarkt beweisen zu müssen. Der Rückhalt meines eigenen Unternehmens gab mir die Freiheit, auch Fächer zu wählen, von denen ich überzeugt war, dass diese mir in der Praxis weiter helfen würden. So habe ich auch Vorlesungen und Seminare besucht, die aufgrund des Lehrplans nicht zwingend waren, für mich persönlich jedoch wichtig waren.
Bedeutung des betriebswirtschaftlichen Studiums für den weiteren Lebensweg Was war rückschauend wichtig und prägend? Der persönliche Einsatz von Dozenten und Professoren waren sehr vorbildlich, auch war der Zusammenhalt unter den Studenten stärker als an großen, anonymen Universitäten. Professoren, die von meiner Doppelbelastung – Studium und Unternehmensführung – wussten, waren sehr verständnisvoll, wenn ich nicht immer pünktlich zur Vorlesung erscheinen konnte. Waren bestimmte Veranstaltungen besonders wichtig? Vor allem die juristischen Vorlesungen und EDV-Seminare waren mit ausschlaggebend für meinen betriebswirtschaftlichen Erfolg in der eigenen Firma.
Hinweise und Vorschläge für Studenten und Studiengang Erfolgsfaktoren für die Unternehmensführung heute Die Mitarbeiter sollten erkennen, dass ihr Chef über die technischen Kenntnisse und das Wissen über die Arbeitsschritte verfügt und auch bereit wäre, bei Engpässen selbst einzuspringen und auszuhelfen. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter spüren: Der Chef ist Teil des Teams. Was gebe ich den heutigen Studenten „mit auf den Weg“? Ich rate: Lieber erst einmal das Studium abschließen und dann den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Erstens ist das stressfreier. Zweitens können die Studierenden in den Semesterferien in möglichst vielen unterschiedlichen Unternehmen Berufserfahrungen sammeln, um so später besser entscheiden zu können, wo’s für sie langgehen soll. Ich war am Wochenende und in den Semesterferien immer nur mit dem Aufbau des eigenen Unternehmens beschäftigt. Daher fehlte mir oftmals einfach die Zeit, Einblicke in branchenfremde Unternehmen gewinnen zu können – was bestimmt sehr interessant gewesen wäre.
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Rafaela Fleischer (geb. Schmidt)
Vita • 09/1995 – 02/2000, Studium Fertigungsbetriebswirtschaft und Unternehmensführung • 03/2000 – 05/2007, Porsche Deutschland GmbH, Dialogmarketing, CRM, Handelsmarketing • 10/2007 – 01/2009, Porsche Design Asia Pacific, Hong Kong, Regional Manager Marketing und Key Account Manager South East Asia, • 02/2009 – heute, Meisterhand Trading Pte Ltd, Singapore, selbständig
Erfolgsfaktoren meines Studiums Für ein Studium in Heilbronn habe ich mich entschieden, da Heilbronn zum einen nah genug an meinem Heimatort liegt und zum anderen weit genug davon entfernt ist. So konnte ich die Wochenenden mit meinen alten Freunden verbringen und unter der Woche das Studentenleben „genießen“. Als Schwerpunkte habe ich Marketing, Personalwirtschaft und Internationales Management gewählt und damit meine Interessen vertieft. Erste Auslands- und Praxiserfahrung konnte ich bereits vor meinem Studium in London sammeln und auch während meines gesamten Studiums haben mich zahlreiche „Nebenjobs“ begleitet, wie z. B. Promotorin bei Radio Ton, studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. iur. Joachim Löffler sowie diverse Aushilfsarbeiten während der Semesterferien. Deshalb war mir für mein erstes Praxissemester wichtig, einen umfassenderen Einblick in ein Unternehmen zu erhalten – also mit Durchlauf durch mehrere Abteilungen. Das wurde mir im Rahmen meines Praktikums bei INTERSPORT Deutschland ermöglicht. Das zweite Praxissemester habe ich bei Lufthansa Cargo in Frankfurt im wahrsten Sinne des Wortes „verbracht“ (fast Tag und Nacht). Auch nach dem Praktikum bin ich meinen Kollegen als studentische Hilfskraft und Diplomandin bis zum Abschluss meines Studiums treu geblieben. In den vier Jahren meines Studiums hatte ich die Möglichkeit vieles auszuprobieren und langsam aber sicher herauszufinden, wo meine beruflichen Stärken lagen. Mit der Gründung des Vereins IBU e. V. haben wir begonnen, das Studentenleben der FB’ler zu „organisieren“ (nicht nur an den legendären Hot Dog Stand erinnere ich mich heute noch sehr gerne zurück).
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Erfolgsfaktoren für ein Studium heute So abgedroschen wie es vielleicht klingen mag, aber Grundvoraussetzung für einen guten Start ins Berufsleben ist nach wie vor der zügige Abschluss des Studiums mit guten bis sehr guten Noten. Zusätzliche Auslandserfahrung ist auch ein absolutes „Muss“. Mit Abschluss des Studiums sollte man in der Lage sein, erste berufliche Ziele zu definieren. Die Verwirklichung dieser ist allemal erstrebenswert und auf dem Weg dorthin kommt es ohnehin meist anders als man denkt – aber hoffentlich meist besser. Ich hätte mir am Ende meines Studiums weder ein Leben in Asien noch eine Selbständigkeit vorstellen können – beides hat sich ergeben. Also, stets offen sein für die Chancen, die sich einem bieten. Darüber hinaus sollte man sich selbst treu bleiben und sich nicht immer fragen „Was bringt mir das?“. Es hat alles seinen Sinn, nur manchmal dauert es einfach länger, bis man die Antwort auf diese Frage bekommt.
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Anja Schurr
Mit Ausdauer und Humor Ziele erreichen! Studium der Fertigungsbetriebswirtschaftslehre bis 2000 Deutsche Bank AG (2000–2007) Firma emagine (Softwareunternehmen) • 100%-ige Konzerntochter • Projektleiter • IT-technische Abwicklung von Hauptversammlungen Firma registrar services (Aktienregisterführer) • 100%-ige Konzerntochter • Projektleiter und Bereichsleiter • Aktienrechtlicher Einladungs- und Anmeldeprozess zur Hauptversammlung für Gesellschaften mit Namensaktien Deutsche Lufthansa AG (seit 2007) • Investor Relations Manager • Schwerpunkt Planung, Koordination und Durchführung der Hauptversammlung
Wie ich mein Studium erlebt habe Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung gemacht und einige Jahre gearbeitet, bevor ich das Studium begonnen habe. Da ich dadurch bereits praktische Berufserfahrung gesammelt, viel in meinem Job gearbeitet habe und auch eigenes Geld verdiente, habe ich das Studium sehr bewusst erlebt und genossen. Vor allem die Möglichkeit, die Zeit freier zu planen als im Arbeitsleben hat mir sehr gut gefallen. Durch die 7 Jahre Pause nach der Schule hatte ich in den ersten Semestern meine Schwierigkeiten mit dem Lernen – dass musste ich erst wieder üben. Durch meine praktische Berufserfahrung konnte ich die vermittelten Sachinformationen aus dem Studium einordnen und die Zusammenhänge und Abhängigkeiten der einzelnen Bereiche in einem Unternehmen gut nachvollziehen. Ich habe im Studium die Fächer VWL, Statistik und Mathematik nicht sehr
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gemocht – heute schmunzele ich immer, wenn ich Teile aus diesen Gebieten beruflich oder privat brauche und einsetze. Mir war es wichtig, im Studium ein breites Wissen zu erwerben. Ich habe mich deshalb für die Vertiefungsfächer Marketing-Praxis, Personalmanagement und Datenbanktheorie entschieden. In meinen Praktika war ich bei einem Steuerberater in Heilbronn und bei einem deutschen Automobilzulieferer in Südafrika. Dort habe ich im Personal- und im Finanzbereich gearbeitet. In meiner Studienzeit war ich mehrere Jahre im AStA aktiv tätig, habe als ein Gründungsmitglied dem Verein IBU Leben eingehaucht und war dann auch der erste Vorstand. Diese Zusammenarbeit mit anderen Gleichgesinnten hat mir viel Spaß gemacht. Sehr genossen habe ich auch meine Zeit als „Gaffenberg-Tante“. Als Kind war ich selber in der Gaffenberg-Freizeit und ich wollte gerne einmal die Rollen tauschen. Wir hatten zu zweit eine Gruppe von 22 Jungen und Mädchen und super viel Spaß mit ihnen. Nur durch das Studium hatte ich die Zeit, mich die Wochen vorher auf diesen Einsatz vorzubereiten.
Was ich heute als wichtig ansehe Die sozialen Aspekte der Arbeit werden meiner Ansicht nach nicht genügend transparent gemacht. Nach Stationen in mehreren Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen habe ich viele verschiedene Auswirkungen des Arbeitsumfeldes auf den Menschen kennen gelernt. Man lernt im Studium neben den sachlichen Informationen auch Führungsstile kennen, wie etwas idealtypisch im Unternehmen ablaufen muss etc. Dabei sollten die sozialen Aspekte mehr gewürdigt werden, da sie einen mindestens genauso großen Einfluss wie die sachlichen Aspekte auf den Erfolg eines Unternehmens haben. Zum Beispiel hängt das direkte Arbeitsklima, neben dem allgemeinen Betriebsklima von der individuellen Ausgestaltung ab und kann sich auch leicht verändern. Man erkennt es in der Regel erst nach dem Eintritt in die Firma und es kann auch später immer passieren, dass sich signifikante Veränderungen ergeben. Für meinen Berufsweg ist mir sehr wichtig, dass ich in einem Umfeld arbeite, das mein Streben nach meiner beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung unterstützt und dass Werte gelebt werden, die sich im wesentlichen mit meinen Werten decken. Den Glauben daran gebe ich nicht auf, auch wenn es Menschen gibt, die einen mit den Worten „woanders ist es auch nicht besser“ eines Besseren belehren wollen. Ich sehe die fachliche Qualifikation als wichtige Grundvoraussetzung an, einerseits für den Eintritt in die Firma und andererseits, um sich dort zu etablieren. Darüber hinaus finde ich es wichtig, sich nicht von Menschen beeinflussen zu lassen, die aus wie auch immer gearteten Gründen nicht zum Gelingen beitragen und dadurch demotivierend wirken. Letztendlich sollte man meiner Ansicht nach im Berufsleben beweglich bleiben – so wie sich auch die persönlichen Lebensverhältnisse und Sichtweisen verändern und weiterentwickeln.
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Kirke Meier
Vita • Studium der Fertigungsbetriebswirtschaft vom WS 1992 bis SS 1996 • Beruflicher Werdegang seit 01.08.1996 bei IBM Deutschland: – SAP-Consultant, SAP-Vertriebsleiterin, Marketing Managerin – Business Development Executive, Client Solution Executive: Strategic Outsourcing • Aktueller Verantwortungsbereich bei IBM Deutschland: – Leitung einer technischen Vertriebs- und Angebotsabteilung zur Entwicklung von komplexen ITServices- und -Outsourcing-Angeboten – personelle und fachliche Führung von 20+ Senior-Mitarbeitern. • Nach Aufenthalten in Deutschland und im Ausland bin ich seit 2007 wieder wohnhaft im Schwäbischen, in Bietigheim-Bissingen. • In meiner Freizeit tauche ich seit 1996, versuche seit zwei Jahren das Anfangsstadium im Sportklettern zu überwinden und höre bevorzugt mit meinem Partner und Freunden Musik nahezu aller Stilrichtungen.
Erfolgsfaktoren meines Studiums So habe ich mein Studium gestaltet: Auslandserfahrung, Praktikum, Vertiefung. Eigentlich wollte ich Tourismusbetriebswirtschaft (TB) in Heilbronn studieren, aber ich fing bei Fertigungsbetriebswirtschaft (FB) an. Im Grundstudium habe ich die FremdsprachenVorlesungen in TB besucht, Spanisch gelernt und bin darüber hinaus bei FB geblieben. Mein Praxissemester habe ich 1994/5 in der Republik Irland verbracht, unterstützt von meiner Familie und der Carl-Duisberg-Gesellschaft. Das waren die sechs Monate, die mich während des Studiums am stärksten beeinflusst und mir einen Einblick in die ausländische Unternehmenskultur gewährt haben. Als Vertiefung wählte ich im Hauptstudium die beiden schwierig erklärbaren, amerikanisch geprägten Disziplinen – Marketing und Controlling – und fühlte mich damals sehr breit aufgestellt. Mein Diplom erhielt ich mit Abschluss des Sommersemesters 1996 und meiner Diplomarbeit mit dem Titel „ Qualitätsmanagement als Marketingaufgabe – Theoretischer Hintergrund und praktische Durchsetzung bei der Robert Krups GmbH & Co.KG“.
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Schwierig fand ich es als Studentin schon, jeden Morgen um 07:00 Uhr aufzustehen ☺, aber ernsthaft: die Art und Weise der Vermittlung der Studieninhalte glich in meiner Wahrnehmung mehr einer Schule als einer Hochschule. Ich fühlte mich eingeengt, denn sehr flexibel war das Grundstudium nicht. Im Hauptstudium legte sich das. Mir gefielen die Herausforderungen zum eigenen Beitrag, einer gewissen Kreativität und der Entwicklung eines persönlichen Stils besser. Das sind u. a. die Fähigkeiten, die in meiner beruflichen Laufbahn unerlässlich waren und die ich auch heute praktisch jeden Tag brauche. Besonders wichtig für mich war das Trainieren der direkten Verteidigung von Thesen und Ideen, meiner rhetorischen Fertigkeiten sowie Präsentationstechniken in Seminaren, insbesondere da dies in kleinen Seminargruppen stattfand. Die Fähigkeit, Kritik zu üben, die eigene Kritikfähigkeit und die Bereitschaft, die Konsequenzen aus beiden zu (er)tragen, waren und sind in meinem Berufsweg unabdingbar, wenn auch nicht immer leicht. Mindestens genauso bedeutsam, war und ist ein gutes Netzwerk, vor allem der soziale Bezug zu KommilitonInnen. Wir hatten viel Spaß und haben das Studium genossen. Einige von ihnen sind noch heute gute Freunde und immer ansprechbar, auch bei schwierigen beruflichen und privaten Lebensumständen.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Was ich ins Stammbuch schreibe: „Gewinn ist so notwendig wie die Luft zum Atmen, aber es wäre schlimm, wenn wir nur wirtschafteten, um Gewinne zu machen, wie es schlimm wäre, wenn wir nur lebten, um zu atmen.“ (Hermann Josef Abs) Relevanter denn je ist heute m. E. Flexibilität. Hier meine ich weniger Mobilität, sondern Beweglichkeit im Denken und Handeln sowie Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen, das Annehmen von neuen Situationen und das Erkennen der eigenen Handlungsspielräume daraus. Viel Bedeutung hat auch die Eigenverantwortung für die aktuelle „Marktfähigkeit“ im Beruf, z. B. durch Führungskräfte-Seminare, Auslands-Einsätze und die Leitung von herausfordernden Sonderprojekten. Hier sind Mut und auch mal Andersdenken gefragt, denn so entsteht die Chance zur persönlichen Differenzierung, auch wenn der direkte Nutzen nicht sofort erkennbar ist.
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Tanja Barth
Vita • 10/1991 – 08/1995 Studium der Fertigungsbetriebswirtschaftslehre • 09/1995 – 06/2000 Pricewaterhouse GmbH (bzw. PricewaterhouseCoopers AG nach dem Merger im Oktober 1998) Prüfungsassistentin/-leiterin im Bereich Wirtschaftsprüfung • 07/2000 – 06/2001 Platinum Acquistions GmbH – Managerin des Beteiligungsportfolios eines privaten Investors (Private Equity) • 07/2001 – 06/2004 PricewaterhouseCoopers AG Managerin im Bereich Transaction Services (Unternehmenstransaktionen) • 07/2004 – 03/2007 freiberuflich tätig als Freelancerin/ Beraterin • 04/2007 – heute selbstständig tätig, Veranstaltung von Events und Projekten sowie Herausgabe von multimedialen Inhalten im eigenen Verlag
Erfolgsfaktoren meines Studiums Nach dem Studium ist vor dem Studium Möchte man nach dem Studium erfolgreich sein und Karriere machen, beginnt, sobald man das Diplom in der Hand hält und die Wirtschaftswelt betritt, das Spiel von Neuem. Die guten Noten von gestern zählen schnell nicht mehr, sondern wieder nur die Leistung, das persönliche Auftreten, die kommunikativen Fähigkeiten im Jetzt. Da man sich auf den tollen Noten aus dem Studium nicht lange ausruhen kann, stellt sich die Frage: Was macht ein Studium erfolgreich? Geht es beim Studium ums Ankommen am Ziel (Diplom) oder um die Reise dahin? Für mich persönlich hat das Studium die von mir bereits vor dem Studium anvisierte Tür in der Wirtschaftsprüfung geöffnet. Für dieses Ankommen an meinem persönlichen Ziel waren nicht nur die guten Noten ausschlaggebend. Entscheidend für das erfolgreiche Studium aus meiner Sicht waren auch die Stationen meiner Reise wie meine Nebentätigkeit während des Studiums im Bereich Öffentlichkeitsarbeit des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckarwestheim oder auch der Auslands-
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aufenthalt während meines zweiten Praxissemesters in London und vor allem der Spaß, den ich auf der Reise durchs Studium hatte – die vielen Studentenpartys nicht zu vergessen… Was war nach 14 Jahren rückblickend das Wertvollste am Studium? Ich habe in meinem Studium an der Fachhochschule Heilbronn Freunde fürs Leben gefunden – Birgit Jaiser, Kirke Meier und Matthias Walz – alle drei aus demselben Fachbereich, jedoch aus drei unterschiedlichen Semestern. Außerdem erfreue ich mich noch heute am Austausch mit meinen ehemaligen Professoren. Auf der Reise durch mein Studium habe ich mir, mit der Unterstützung der damaligen Professoren und Referenten, eine wertvolle Schatzkiste, oder besser ausgedrückt, einen Werkzeugkasten erschaffen (inkl. Gebrauchsanweisungen), um das Leben in der Wirtschaftswelt zu „meistern“. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den Professoren und Referenten der Hochschule Heilbronn sowie bei meinen Mitstudenten bedanken, die mich auf meiner Reise durchs Studium begleitet haben.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Was würde ich aus heutiger Sicht im Studium der Betriebswirtschaftslehre vermitteln, was es zu meiner Studienzeit nicht gab? Neben fachlichem Wissen spielen die sogenannten Soft Skills (Leadership, Personality & Self-Awareness, Effective Communications, Team Building Skills etc.) bei der beruflichen Weiterentwicklung eine große Rolle. Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese Fähigkeiten schon während des Studiums vermittelt würden und entsprechende Scheine im Soft-SkillBereich im Rahmen des Studiums der Betriebswirtschaftslehre angeboten würden. Da der Leistungsdruck aus der Wirtschaft auch auf die Hochschulen bzw. das Studium abfärbt, sind Erschöpfung und andere Burnout-Symptome bei Studenten heute keine Seltenheit. Auch hier wäre es für die Studenten von heute bereichernd, wenn der Umgang mit Leistungsdruck, Misserfolg, Versagen, Erschöpfung u.ä. bereits im Studium vermittelt werden würde. Frei nach dem Motto „Die Studenten von heute sind die Manager und Unternehmer von morgen“ wäre auch im Studium der Betriebswirtschaftslehre der Trend weg vom reinen Leistungsdruck in den angebotenen Fächern – und somit raus aus dem Hamsterrad – hin zu mehr Kreativität und Unternehmergeist sehr zu begrüßen. Wie drückt sich für mich der Erfolg heute in meinem Leben aus? Meine „persönliche Erfolgsgeschichte“ war nicht nur von großem beruflichen Erfolg in recht jungen Jahren geprägt, sondern auch von beruflichem Versagen (Burnout) – oder anders ausgedrückt – dem erfolgreichen Umgang damit. Mit meinen 37 Jahren bin ich heute die, die ich bin – im Jetzt glücklich und zufrieden mit mir und meinem Leben.
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Christof Haberlandt (geb. Klump)
Kreativität trifft Wissenschaft. Fruchtbar oder furchtbar? • Geschäftsführender Gesellschafter Konzept Team Werbeagentur Klump & Partner GmbH www.konzeptteam.de • Studium: Fertigungsbetriebswirtschaft WS90/91 bis WS 94/95 Nach der Ausbildung zum Medien-Designer schlug mein Herz verständlicherweise eher für den kreativ gestalterischen Bereich als für die wissenschaftliche Analyse betriebswirtschaftlicher Entscheidungskriterien. Da es für mich aber schon seit der Jugend logisch erschien, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, stellte sich die Frage, ob als gelernter Grafiker das notwendige Rüstzeug tatsächlich vorhanden ist, um den Betrieb erfolgreich in die Zukunft zu führen. Das war es nicht, deshalb der Entschluss zu einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung. Aber warum Fertigungsbetriebswirtschaft? Zum einen deckten die Studieninhalte weitestgehend das Spektrum ab, das mir fehlte, es war praxisorientiert und zeitlich überschaubar. Zum anderen konnte ich als Heilbronner weiterhin bei Konzept Team aktiv sein. Zugegeben, Fertigungsbetriebswirtschaft hört sich für Kreative nicht besonders sexy an, aber schließlich hieß Medien-Designer früher Druckvorlagenhersteller und Fertigungsbetriebswirtschaft heute Betriebswirtschaftlehre und Unternehmensführung. Meiner Meinung nach eine gute Entscheidung, denn so wird auf den ersten Blick deutlich, was das Wichtige an „meinem“ Studium war. Zunächst wurde zwar nach Schemata reproduziert, was mir naturgemäß schwerfiel, dies löste sich aber im Laufe des Studiums mehr und mehr in der Erarbeitung eigenständiger Projekte auf, zumindest in meinen Studienschwerpunkten Absatz und Personal. Heute sehe ich gerade in diesem Entwicklungsprozess den entscheidenden Multiplikator für jeden Studenten (unabhängig vom Studiengang). Denn die strukturelle Herangehensweise, die sich bei freien, komplexen Aufgabenstellungen zwingend ergibt, optimiert das Ergebnis gerade auch im kreativen Prozess. Sie eröffnet nicht nur wesentlich mehr Ansatzpunkte und somit Interpretationsmöglichkeiten, sondern deckt auch mögliche Synergien auf. Insofern steht die wissenschaftliche Arbeitsweise nicht im Gegensatz zur Kreativität, sondern sie wird durch sie gefördert. Heute ist diese Herangehensweise meine Grundlage für die Führung des Unternehmens im Allgemeinen und im Speziellen für die Entwicklung von Kommunikationskonzepten inklusive der Einbindung von Kunden und Mitarbeitern – und das in einer Selbstverständlichkeit, die ich mir vor dem Studium nur schwer vorstellen konnte.
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Für mich schließe ich daraus, dass die Qualität eines Studiums weitgehend von der Fähigkeit der Hochschule bzw. der Professoren abhängt, diese Entwicklung mit Hilfe frei gestaltbarer Projekte zu fördern und zu fordern. Und für die Studenten darin, sich diesen zu stellen und sie konstruktiv zu diskutieren. Denn oft ist es das unterschiedliche Verständnis für ein Thema und die daraus folgende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Sichtweisen, die einen weiter bringen. So ging es zum Beispiel in einem kleinen Disput während des gemeinsamen Hauptseminars mit einer Kommilitonin bei Herrn Prof. Dr. Vogler um das Thema „Differenzierung homogener Produkte“. Den Wortlaut kann ich nicht mehr wörtlich widergeben, aber sinngemäß war es ungefähr so: „Ein Auto (oder war es ein Fahrrad?) ist kein homogenes Produkt, nehmen Sie Nägel oder Schrauben oder so etwas.“„Aber Herr Dr. Vogler, wenn jemand erzählt, der Nachbar habe ein neues Auto und auf die Frage – Was denn für eines? – antwortet: – Ein Rotes! – dann handelt es sich für denjenigen, mal abgesehen von der Farbe, offensichtlich um ein homogenes Produkt.“ Nach längerer Diskussion beugten wir uns und nahmen das Beispiel „Schrauben“. Allerdings versuchten wir dann im Umkehrschluss die Heterogenität dieses Produktes anhand eines Schraubeneinkäufers zu erklären. So wie hier, lässt jede Arbeit Spielraum zu. Diesen Spielraum lernte ich während des Studiums auszuloten und individuell zu interpretieren. Genau das würde ich jedem Studenten empfehlen, auch wenn es nicht der einfachste Weg ist und man nicht immer die Meinung des Professors teilt. Nach dem Studium war es für mich dank der Kombination von Grafik und BWL relativ einfach in einer Agentur unterzukommen. Die Entscheidung, direkt in den elterlichen Betrieb einzusteigen, ist mir zunächst nicht leicht gefallen, insbesondere wegen der Job-Angebote, die sich aus meinen Praktika bei Unilever (damals CPC) und Frankfurter Werbeagenturen ergaben. Damals gab bei gleicher Gewichtung des Für und Wider vielleicht auch Herr Prof. Dr. Vogler, bei dem ich meine Diplomarbeit schrieb, mit einem scheinbar lapidaren Satz den entscheidenden Ausschlag: „Wenn Sie es jetzt nicht schaffen, schaffen Sie es auch in drei Jahren nicht“. Letztlich hat sich herausgestellt, dass es die richtige Entscheidung war, da sich aufgrund der wirtschaftlichen und vor allem technischen Entwicklung der Generationenwechsel schneller vollzog, als ursprünglich angenommen. Die ersten Jahre nutzte ich, um die Agentur intern umzubauen und um neue Techniken und Planungswerkzeuge einzuführen. In den folgenden Jahren wurde eine neue Kundenstruktur aufgebaut und etabliert. Heute bin ich in der Agentur alleinverantwortlich und Konzept Team ist auch in der Krise gut aufgestellt. Die Agentur betreut mit 14 fest angestellten Mitarbeitern einen Kundenstamm, zu dem große und kleine, national und international tätige Firmen wie Unilever, New Holland, Küppersbusch, Hilcona, Agria und andere zählen. Die drei Jahre hätten mir auf diesem Weg sicherlich gefehlt. Summa summarum würde ich mich, vor allem wegen des praxisorientierten Studiums (ein klarer Punkt für die FH) als Generalisten, bezeichnen, der sein eigenes Ding durchzieht und – bezogen auf seinen Beruf – alle relevanten Problemstellungen verstehen, sie in einem tragfähigen Konzept auflösen kann und dazu, wenn es sein muss, auch eine Bilanz zu lesen vermag. Prägend für mich waren hier insbesondere die Herren Dr. Vogler, Dr. Löffler, aber auch Herr Dr. Kropp, an dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön. Letztlich also, war die Verbindung von Kreativität und wissenschaftlicher Arbeitsweise für mich sehr fruchtbar. Eine Synergie, die man sich in jeder Führungsposition wünschen und zunutze machen sollte.
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Betina Sauter (geb. Kurz)
Vita • Studienzeit von 1991 bis1995 • Was ist mir wichtig? – Mein Unternehmen erfolgreich zu führen. – alle Beteiligten (die Mitarbeiter und Geschäftspartner) fair behandeln und fair behandelt zu werden. • Beruflicher Werdegang nach dem Studium: – 1995–1996: Logistikberatung (Schwerpunkte Produktionsplanung und Produktkostenrechnung SAP) bei einer Schweizer Unternehmensberatung in Frauenfeld. – 1996–1997: Logistikberatung (Schwerpunkte Produktionsplanung, Materialwirtschaft, Sales & Distribution, CO mit SAP) bei Amerikanischer Unternehmensberatung mit Sitz in Atlanta, Georgia. – 1997 Gründung der eigenen POWERhaus Consulting Inc. mit Sitz in Atlanta. SAP Beratung. Verkauf in 2001. – 2001: Übernahme der familiengeführten Kurz Silosysteme (Siloanlagenbau und Beratung) in Brackenheim.
Studium an der Hochschule Heilbronn • Warum studierte ich an der Fachhochschule Heilbronn? – Weil ich an einer Fachhochschule studieren wollte, nicht an der Universität. – Weil Heilbronn ziemlich genau die Schwerpunkte anbot, die mich interessierten. – Weil ich in der Nähe wohnte. • Meine Ziele und Schwerpunkte im Studium: – Ziel war es, in kurzer Zeit mit guten Noten fertig zu werden, sodass ich schnell einen interessanten Arbeitsplatz finde mit guter Bezahlung. – Meine Schwerpunkte waren Materialwirtschaft und Rechnungswesen/Steuern. • Beschäftigung neben dem Studium – im Unternehmen meines Vaters. Diverses, angefangen von Telefondienst, Mitarbeit in der Buchhaltung bis hin zum Aufsetzen eines Stücklisten-/Kalkulationsprogrammes.
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• Praxissemester – 1. Praxissemester wurde erlassen wegen Banklehre. 2. Praxissemester 1993 absolvierte ich bei Schumacher Filters Ltd. in Sheffield (England) im Rechnungswesen. War klasse, vor allem der englische Humor! Nur leben wollte ich dort nie; das Essen ist nämlich miserabel.
Bedeutung des Studiums für den weiteren Lebensweg • Was war rückschauend wichtig und prägend? Was nahm ich mit? – Man bekam in einem / diesem Studium das Handwerkszeug, um erfolgreich im beruflichen Leben zu agieren. Ich war jung und unerfahren und machte viele Fehler. Dennoch konnte ich mit den Fehlern umgehen, da ich eine selbständige Arbeitsweise erlernt hatte, die es mir ermöglichte, selbstbewusst an neue Lösungswege heranzutreten. – Da ich ein gutes Maß an Selbstbewusstsein aus dem Studium mitnahm, konnte ich besser damit umgehen, wenn man selbst ungerecht behandelt wurde (ich hatte es als junger weiblicher Logistikberater im konservativen Deutschland und in der noch konservativeren Schweiz nicht einfach). • Arbeitsmethoden, Grundsätze, Prinzipien. – Durch das Studium und den beruflichen Werdegang arbeite ich sehr ‚projektorientiert‘ und ich denke in Prozessen. So setzt man stets Ziele, macht eine Ressourcenplanung, budgetiert und kann sich daran messen. • Waren bestimmte Veranstaltungen besonders wichtig? – Wahrscheinlich waren meine sechs bis sieben Monate Aufenthalt in England die wichtigsten. Ich lernte Englisch und war weg von zuhause.
Hinweise und Vorschläge für Studenten und Studiengang • Erfolgsfaktoren für die Unternehmensführung heute – Überdenke regelmäßig die Arbeitsweisen und Prozesse im Unternehmen. Verbessere, wenn möglich, aber ‚überfahre‘ nicht Deine Mitarbeiter. Sie müssen mitziehen können. – Mitarbeiterführung: Sei fair. Setze Deine eigenen Prinzipien und Leistungsforderungen stets auch bei Dir selbst an. – Setze die Grenze nach Oben nicht bei Dir selbst an. Wenn jemand es besser kann als Du und er die Verantwortung übernehmen möchte, gib sie ab. So bleibt man selbst nie stehen und lernt stetig dazu. • Was gebe ich den heutigen Studenten „mit auf den Weg“. – Sammle so viel Erfahrung wie möglich, weg von zuhause (am besten im Ausland).
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Hubert Kittelmann
Der Traum des Fräsers • Studium Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft • Praxissemester & Diplomarbeit bei der Robert Bosch GmbH; dort stecken geblieben als Verkaufssachbearbeiter (Technische Ausrüstung) und schließlich Länderreferent • Key-Account Manager bei SOMFY (Antriebstechnik/Haustechnik) • Verkaufsleiter Marbach Werkzeugbau / Heilbronn; Prokurist – Verkaufsleiter Marbach moulds & automation / Bad Urach, Prokurist – Geschäftsführer Marbach tool & Equipment; Indiana / USA
Erfolgsfaktoren meines Studiums Ich habe mich über den zweiten Bildungsweg und einige Wartesemester zu einem Studium an der Fachhochschule durchgeschlagen. Die damit verbundenen Nach-/Vorteile haben mein Studentenleben geprägt. Zum einen war ich kein „Jungspund“ mehr und das FH-Leben versetzte mich weniger in Angst und Schrecken als manchen Mitstudenten. Zum anderen hatte ich bereits 8 Jahre Berufsleben hinter mir und entsprechende „Fixe“ Ausgaben für einen mittleren Fuhrpark, Wohnung und andere Annehmlichkeiten, die man sich mit einem Regeleinkommen gönnt und an die man sich gewöhnt. Aus diesem Grund hatte ich neben dem Studium immer diverse Nebenjobs welche mein Leben mit geprägt haben. Ob als Bedienung im FH-Cafe & Copy-Shop „Cafe Spielplatz“, als studentische Hilfskraft für Prof. Dr. Vogler oder Übersetzer von Doktoranden-Arbeiten englischer Austauschstudenten oder als Servicemonteur für meine alte Firma Marbach. Alle Tätigkeiten brachten neue Einblicke und mehr oder weniger lukrative Entlohnung. Mit etwas kreativem Potential ließen sich so auch die Praxissemester und Semesterferien zu bezahlten Auslandseinsätzen wandeln. Die Highlights im Studium waren die vielen neuen Kontakte zu Mitstudenten & Dozenten. Nie mehr in meinem Leben hatte ich so viel Zeit und Muße, Freundschaften (und kleine Feindschaften) mit so vielen Menschen zu pflegen und zu genießen. Natürlich brachte uns auch schon damals der eine oder andere Professor, eine Studienreform, das Praktikantenamt und /oder andere bürokratische (Un-)Sinnigkeiten in Rage. Aber Herr Dr. Vogler belehrte mich schon damals: „Der Umgang mit solchen Dingen ist ein Teil Deiner Ausbildung“. Kapiert hab ich es damals nicht (wie so manch anderes) – aber es hat mir für die Zukunft gehol-
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fen und noch heute sehe ich in manchen schwierigen Vorgesetzten oder Mitarbeitern keinen Grund zur Aufregung, sondern eine kleine Nachhilfestunde. Für meine Tätigkeiten nach dem Studium war vor allem die breite Fächerung des Studiengangs von Vorteil. Auch wenn man manchmal Gefahr läuft „von allem nix“ zu wissen und vor allem die Kollegen mit Universitätsabschluss die größeren theoretischen Lücken in Detailbereichen erkennen und bemängeln, so ist ein breites Wissen – zumindest im Mittelstand – immer von Vorteil. Von größtem Wert für mich waren die Praxiseinsätze im Ausland (und die damit verbundenen Sprachkenntnisse); das Grundstudium Mathematik (noch heute Basis meiner meisten betriebswirtschaftlichen Entscheidungen) und mein Engagement innerhalb der FH; ob als studentische Hilfskraft Fachbereichssprecher der Studenten oder Party-Organizer für das große FB25-Fest.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute … sind auch nicht anders als vor 15 Jahren: • mit offenen Augen und einer positiven Grundeinstellung an die Aufgaben ran gehen • In den Standard-Technologien up-to-date sein. Man muss zwar kein PC-Guru sein, aber wer als Student heute keine Serienbriefe erstellen oder Excel-Kalkulationen aufbauen kann, der hat ein paar Basics verschlafen! • Mit den Menschen kommunizieren – auch (und gerade) mit denen, welche man „so gar nicht“ verstehen kann. – In fast allen Fällen kann man von denen am meisten lernen! – Einer meiner heutigen Lieblingssprüche in der Mitarbeiterführung lautet: „Greifen Sie zum Äußersten – reden Sie mit dem Mitarbeiter“ (..oder: je nach Schwerpunkt: „…manchmal hilft es auch mit dem Kunden zu reden!“) • nicht zu viel auf die Ratschläge der „alten Hasen“ geben – es kommt erstens anders, und zweitens als man denkt! – Bleiben Sie sich selber treu!
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Arndt Wiesheu
Vita Mein Name ist Arndt Wiesheu, ich bin 42 Jahre alt, seit 17 Jahren verheiratet und wir haben drei Kinder im Alter von 16, 13 und 11 Jahren. Nach meiner praktischen Ausbildung zum Elektriker habe ich beginnend im Sommersemester 1990 mein Studium an der Hochschule in Heilbronn absolviert und im Sommersemester 1994 als Dipl. Betriebswirt abgeschlossen. Noch während meiner Studienzeit habe ich zusammen mit meiner Frau ein eigenes kleines Unternehmen im Bereich der Kabelkonfektionierung gegründet und mit dem Bereich der kundenspezifischen Entwicklung und Herstellung von Industrieelektronik weiter ausgebaut. Heute entwickeln und fertigen wir in der Wiesheu Elektronik GmbH mit über 20 Mitarbeitern kundenspezifische Elektronik, Kabelbäume und Kompletteinheiten für Kunden aus z. B. dem Maschinenbau, der Antriebstechnik, dem Silo- und Anlagenbau, dem Kfz-Bau oder der Nahrungsmitteltechnik In meiner Funktion bin ich geschäftsführender Gesellschafter und zudem verantwortlich für den Bereich Vertrieb. Warum ich in Heilbronn an der Fachhochschule studiert habe war ganz einfach: BWL habe ich als Grundlage gesehen, um erfolgreich Unternehmer sein zu können. Und Heilbronn war von der räumlichen Nähe her ideal, um in unserer eigenen Firma tätig sein zu können. Ich hatte den Schwerpunkt Fertigung gewählt.
Erfolgsfaktoren meines Studiums Einer der Erfolgsfaktoren, um das Studium zu bestehen, war für mich die sehr gute Lerngemeinschaft mit meinen beiden Kommilitonen Rainer Stiegler und Michael Schell. Wir haben uns so toll abgestimmt und gegenseitig unterstützt, dass wir sehr effektiv und ergebnisorientiert gearbeitet haben. Und dass ich das Studium – vor allem den Mathematikschein im Grundstudium – überhaupt überstanden habe, verdanke ich dieser gelungenen Teamarbeit! Die einzelnen Vorlesungen wie Kostenrechnung, Bilanzierung, Finanzierung und Investition, Produktionstechnik und die Marketingvorlesungen haben mir den Gesamtüberblick und die Zusammenhänge der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung gebracht.
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Ein ganz prägendes Ereignis war für mich jedoch die Diplomarbeit bei Prof. Dr. Vogler, der mich angeleitet hat, ein komplexes Thema zu strukturieren, zu sortieren und unter wissenschaftlichem Arbeiten zu einem praktisch nutzbaren Ergebnis zu bringen. Ich hatte für die Wiesheu GmbH (das Unternehmen meiner Eltern) eine neue Servicekonzeption mit vorheriger empirischer Erhebung ausgearbeitet. Dass mir dies gelungen ist, darüber habe ich mich sehr gefreut! So habe ich das strukturierte Arbeiten gelernt und die Angst vor komplexen Themen verloren. So ein „richtiger“ Student war ich glaube ich nie, da ich das „Campusleben“ eigentlich gar nicht mitbekommen habe. Es war eben morgens und oft auch mittags Studium, ja und dann stand unser kleines Unternehmen auf dem Plan. Aus heutiger Sicht war es aber eine sehr gute Kombination aus „Theorie und Praxis“ und ich würde es wieder so machen! Nun bin ich schon seit 18 Jahren Unternehmer und Geschäftsführer. Obwohl ich mich persönlich und beruflich sehr viel weitergebildet habe, bleibt die Grundlagenausbildung an der FH Heilbronn ein wesentlicher Baustein. Sie hat mir die elementaren betriebswirtschaftlichen Instrumente gegeben und noch heute wenden wir z.B. die Grenzkostenkalkulation für alle unsere Aufträge an und die Sprache der Bilanz zu verstehen ist ein großer Vorteil. Was ich aber eben auch lernen durfte ist: Alle klassischen betriebswirtschaftlichen Instrumente nützen nichts, wenn die Grundstruktur und die Mitarbeiter im Unternehmen nicht passen. Ich hatte lange Jahre gedacht: „Die Mitarbeiterauswahl ist nicht so zentral –ich kann ja führen!“ Heute weiß ich: Die Mitarbeiterauswahl bestimmt zu 80% ob es funktioniert oder nicht. Und dass ich das Unternehmen um Funktionen herum aufbaue und nicht um Personen, war ein zentraler Schlüssel. Ich glaube, die Erfolgsfaktoren für die Unternehmensführung sind ein stabiles Organigramm, eine zentrale Unternehmensstrategie sowie eine Vision, mit der wir unserer Kernzielgruppe nachhaltig mehr Nutzen bieten als unsere Mitanbieter. Ein Studium der Betriebswirtschaft gibt bestimmt jedem, der eine Karriere in der Unternehmensführung anstrebt, eine wunderbare Grundlage. Aber! Nach dem Studium beginnt das eigentliche Reifen und Wachsen in der täglichen Anwendung im Berufsalltag. Und zu glauben: „Ich bin von der Hochschule, ich kann das jetzt alles!“ ist sicherlich ein ungeeigneter Ansatz. Stattdessen sollte jeder erst einmal dankbar sein überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen und die Möglichkeit einer Karriere zu haben und sich daher eher mit Demut in ein bestehendes und funktionierendes Unternehmen einzugliedern und zu lernen. Das Thema „Personalkonzeption und Personaleinstellung“ würde ich demzufolge auch als eine erfolgversprechende Vertiefung oder Ergänzung auch im Schwerpunkt BU sehen. Ich wünsche allen Studenten, Professoren und Mitarbeitern der Hochschule Heilbronn und des Studiengangs BU weiterhin alles Gute und viel Erfolg.
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Norbert Heckmann
Vita • 1987 – 1992 Studium Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft; Schwerpunkt EDV und Marketing • 1. Praxissemester bei der Konrad Hornschuch AG, Weißbach. 2. Praxissemester mit Auslandsaufenthalt 3 Monate USA und 3 Monate England für die Adolf Würth GmbH & Co. KG. Diplomarbeit: “Computer added Software Engineering (CASE)” (betreuender Dozent: Prof. Siller). • 1992 Produktmanager für divisionsübergreifende Produkte bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG und Unterstützung beim Aufbau von Würth (Tianjin) vor Ort in China. • 1996 Wechsel als Betriebsleiter zur Würth Elektronik eiSos GmbH & Co. KG. Ein Geschäftsbereich mit damals 17 Mitarbeitern, der sich mit passiven elektronischen Bauelementen beschäftigt. Entwicklung des Kleinbetriebs in 11 Jahren unter anderem als Geschäftsführer zu einem Mittelständler mit 140 Mio. EUR Jahresumsatz in 20 Ländern, begleitet von Firmengründungen und Unternehmenszukäufen. • 2008 Wechsel zur Adolf Würth GmbH & Co. KG und dort seit Januar 2009 Sprecher der Geschäftsleitung und Mitglied der Führungskonferenz der Würth-Gruppe.
Erfolgsfaktoren meines Studiums Heilbronn war der ideale Standort, um neben der Unterstützung im elterlichen Betrieb das Studium absolvieren zu können. Als Abiturient war für mich das erste Praxissemester sehr wichtig. Wie findet man ein passendes Unternehmen? Wie funktionieren die einzelnen Unternehmensbereiche? Welches Wissen muss man sich im Studium unbedingt aneignen? Nach dem Grundstudium habe ich versucht, Vorlesungen mit hohem Praxisbezug zu besuchen und die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen wahrzunehmen. Mir war wichtig, im zweiten Praxissemester das englischsprachige Ausland kennen zu lernen, was mit 3 Monaten in den USA und 3 Monaten in England in Zusammenarbeit mit der Firma Würth bestens funktionierte. Dieses Praxissemester sollte auch die Grundlage für meinen Einstieg bei Würth darstellen.
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Fasziniert hat mich an der Fachhochschule Heilbronn der hohe Praxisbezug im Hauptstudium. Ich lernte herausfordernde Problemstellungen methodisch anzugehen, in überschaubare lösbare Fragmente zu zerlegen und mit effektivem Zeitmanagement, wenn auch mit hohem zeitlichen Einsatz, zu erledigen. Diese Arbeitsweise kam mir später immer wieder zugute. Wichtige Professoren während meiner Zeit in Heilbronn waren die Herren Vogler, Grandi, von Stetten, Belle und Siller, aber auch Frau Platz-Waury. Ich bin sehr dankbar, dass sie uns Suchenden die Richtung gezeigt haben, Gas geben mussten wir selbst. Diese Menschen waren für mich stets Vorbild, mit hohem persönlichen Einsatz, ausgeprägtem Fachwissen und emotionaler Intelligenz eine Aufgabe mit einer Gruppe zum Erfolg zu bringen. Das Studium war für mich nie Erfolgsgarantie, eher die Eintrittskarte in die Geschäftswelt. Von den tollen persönlichen Kontakten sind einige noch heute sehr gute Freunde.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Nach wie vor eröffnet für mich die Fachhochschule den idealen Mittelweg zwischen wissenschaftlichen Arbeiten und sehr praxisbezogene, an Firmen gebundene Projektarbeit. Ein hoher Praxisbezug durch Seminararbeiten, das Arbeiten mit Firmen, das Erlernen von Sprachen (bestenfalls durch Auslandsaufenthalte) und eine studienbegleitende Tätigkeit in Studienorganisationen oder sonstigen Vereinen und Organisationen gehören zum Rüstzeug eines angehenden Betriebswirtes. In allen mittelständischen Unternehmen werden verstärkt wichtige Bereiche durch erfolgreiche Absolventen der Fachhochschule besetzt. Einer der wichtigen Erfolgsfaktoren in der Vita vieler Führungskräfte ist der Mut zu Veränderungen. Das hat zum einen damit zu tun, selbst eingeschlagene Richtungen kritisch zu hinterfragen, sich und anderen Fehler einzugestehen und dann gemeinsam im Team Kurskorrekturen vorzunehmen. Das heißt andererseits, an Weggabelungen auf dem beruflichen und schulischen Werdegang mutig neue Wege zu gehen ohne den Blick ständig nach hinten zu richten. Offen sein für Neues aber auch hohe Flexibilität und das Erkennen von Chancen helfen dabei. Die Fachhochschule war für mich die ideale Kombination aus wissenschaftlichem Arbeiten, Praxisbezug, Netzwerk, Freiheit und Spaß am Schaffen und Erfolg haben. Meine Ehefrau studierte übrigens auch an der FH Heilbronn – Fertigungsbetriebswirtschaft, was sonst! Leichter und erfolgreicher geht das Studieren von der Hand, wenn man eines der 4 Grundprinzipien der Freien Schule Anne-Sophie in Künzelsau, in der ich Schulbeirat bin, beherzigt: Ins Gelingen verliebt sein.
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Martin Seidenfuß
Vita • Studium Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft; Schwerpunkt Controlling und Marketing • EDV Anwendung Rechnungswesen – Seminararbeit bei Prof. Dr. Haberlandt in Zusammenarbeit mit der Steinbeis-Stiftung • Diplomarbeit bei der Firma Reisser-Schraubentechnik: „Konzeption einer Kosten- und Leistungsrechnung“ (betreuender Dozent Prof. Dr. Haberlandt) • Leiter Controlling bei Reisser-Schraubentechnik, einem mittelständischen Unternehmen mit ca. 250 Mitarbeitern, ab 1993 Mitglied der Würth-Gruppe. Konzerninternes Management Seminar • Wechsel zur Würth–Elektronik als Betriebsleiter des Geschäftsbereichs Elektromechanische Baugruppen; erstmalige Berührungspunkte mit Elektronik. • Kaufmännischer Leiter mit Gesamtprokura bei der Firma ERNI GmbH mit Sitz in Adelberg: Entwicklung, Herstellung und Vertrieb passiver Bauelemente. • Seit 2004 alleiniger Geschäftsführer der ERNI GmbH; Jahresumsatz ca. 125 Mio. Euro
Erfolgsfaktoren meines Studiums Der Studienort Heilbronn wurde meinerseits gewählt aufgrund der räumlichen Nähe zum damaligen Wohnort. Das Ziel war, auch geprägt durch das enge Budget als BAföGEmpfänger, das Studium innerhalb von 3 Jahren zu absolvieren. Im Studienfach „EDVAnwendung im Rechungswesen“ durfte ich H. Prof. Dr. Haberlandt kennenlernen und erhielt über ihn die Möglichkeit, erste praktische Erfahrungen auch außerhalb der Theorie sammeln zu können. Während verschiedener Projektphasen besuchten wir externe Firmen und je nach Aufgabenstellung boten wir Lösungen an, die von den Unternehmen auch positiv aufgenommen wurden. Diese konstruktive Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Mittelstand und die Unterstützung durch „meinen Professor“ hat mich damals sehr fasziniert und während des Studiums so sehr motiviert, dass ich gerne noch ein Semester für Praxisarbeit anhing. Aus heutiger Sicht war dies für mich persönlich die perfekte „Spielwiese“, die mir auch den Weg für die Zukunft ebnete: Ich fand eine Anstellung im Mittelstand, wo ich eigenverantwortlich Konzepte erstellen und umsetzen durfte. So erhielt ich meine Fahrkarte!
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Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Das betriebswirtschaftliche Studium vermittelt einen Überblick über die Abläufe und Zusammenhänge eines Unternehmens. Diese sind häufig so komplex und im Detail so verschieden, dass diesem Anspruch kein Studium gerecht werden kann. Es können nur allgemeine Fertigkeiten und Grundlagen vermittelt werden. Jedoch gelten für alle Unternehmen einige Marktgesetze. Eines dieser Marktgesetze ist: Wie hebe ich mich von der Masse ab? Dies gilt aber nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Arbeitnehmer, Organisationen, Hochschulen und nicht zuletzt für Studenten. Differenzierung ist der strategische Punkt, nach dem Motto: „Be different or die.“ Diese Regel gilt grundsätzlich. Dieser Individualismus bei Studenten drückt sich nicht nur in Noten aus, sondern kann sich vielschichtig darstellen: In Sprachkompetenzen, in der Schnelligkeit des Studiums, in Auslandsaufenthalten, im Umgang mit Projekten, in Zusammenarbeit mit Stiftungen und Hochschulen, ehrenamtlichem Engagement, … Gerade diese Alleinstellungsmerkmale sind die Voraussetzung dafür, auch in schwierigen Zeiten wettbewerbsfähig zu sein; in Krisenzeiten, wenn um Aufträge gebuhlt wird, wenn wenig oder kaum Arbeitsstellen frei sind. Dann sind solche zusätzlich erworbenen Kompetenzen das entscheidende Kriterium bei der Personaleinstellung. So muss jeder von uns, Sie liebe Studentinnen und Studenten, sowie jedes Unternehmen und jeder Arbeitnehmer täglich daran arbeiten.
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Rudolf Jung
Vita • 1987 begann ich mein Studium an der FH Heilbronn (Studiengang Fertigungsbetriebswirtschaft) mit dem 1. Praxissemester in der Übungsfirma in Heilbronn. • Das 2. Praxissemester absolvierte ich in Wolfsburg bei der Volkswagen AG. • 1992 bekam ich mein Diplom überreicht und arbeitete als Verkäufer im elterlichen VW- Audi-Betrieb in Siegelsbach. Für meine Verkaufsleistungen in 1992 wurde ich von der VW AG in den Club der 100 besten Verkäufer berufen. • 1993 durfte ich mit meinem Bruder Hermann einen neuen VW-Audi-Betrieb auf der grünen Wiese in Bad Rappenau einweihen und eröffnen. Dieser Betrieb wurde als einziger Betrieb in Deutschland 10 mal hintereinander „Partner des Jahres“ der VW AG. • 2004 habe ich meine Anteile im Bad Rappenauer Betrieb an meinen Nachfolger verkauft und den elterlichen Betrieb, mittlerweile Skoda-Händlerbetrieb, von meinem 2. Bruder Bernhard gepachtet und 2006 gekauft. Dieser Betrieb wurde aufgrund der hohen Kundenzufriedenheit und Zuverlässigkeit im Service und Vertrieb 2008 von Skoda zum besten Skoda-Betrieb in Deutschland ernannt.
Erfolgsfaktoren meines Studiums Mein 2. Praxissemester konnte ich bei der Volkswagen AG absolvieren, welches eine optimale Ergänzung sowohl meines Studiums, als auch meiner späteren Tätigkeit, dem Führen eines VW-Audi-Autohauses darstellte. Schwerpunkte legte ich auf die Bereiche Marketing und Rechnungswesen, da ich diese Schwerpunkte sehr gut im Autohaus umsetzen konnte. Sehr gerne erinnere ich mich an einen Cafeteria-Aufenthalt mit Prof. Belle, bei welchem er mir erklärte, dass es manchmal bei Selbständigen vorkommt, dass ein Porsche vor der Haustür parkt, aber im Schlafzimmer kein Bett mehr steht. Auch erinnere ich mich gerne an die zahlreichen von mir besuchten Feten.
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Während meines Studiums fiel mir alles schwer was mit EDV zu tun hatte. Das ist bis heute so geblieben. EDV nur so weit es nicht anders geht. Ich habe dafür zum Glück Mitarbeiter. Das Studium in Heilbronn hat mir ein Grundgerüst vermittelt, welches mir ermöglichte sofort nach dem Studium durchzustarten. Sehr gerne erinnere ich mich noch an die Implementierung einer Kosten- und Leistungsrechnung auf der Alb mit Prof. Haberlandt und an die Erstellung meiner Diplomarbeit (Eine Konzeption für einen geplanten VAG-Betrieb in Bad Rappenau) bei Prof. Vogler.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Ich kann der FH-Heilbronn nur empfehlen, möglichst viele Praxisanteile ins Studium mit aufzunehmen. Ich selbst habe vor fast 20 Jahren sehr davon profitiert. Besonders wichtig ist für mich heute, dies war es aber auch schon in der Vergangenheit, dass das Menschliche im Studium nicht zu kurz kommt. Deshalb kann ich den Studenten nur empfehlen, viele Partys zu feiern bzw. Feten zu besuchen. Ich war jedenfalls ein Partyhengst. Es hat mir nicht geschadet.
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Ralf Stegmann
Vita • Studienzeit von 1983 bis1988 • 1988 – 1989: Trainee, Einkäufer und Werbeleiter Lidl Discount, Neckarsulm • 1989 – 1999: Leiter Marketing-Kommunikation AmphenolTuchel Electronics, Heilbronn • Seit 1998: Mitbegründer der Werbeagentur xmedia gmbh in Heilbronn • Seit 2002: Veranstalter des Open-Air-Kino-Heilbronn • 2003: Übernahme eines Heilbronner Werbeartikelunternehmens, seither auch Händler im Bereich Werbeartikel • 2004: Übernahme aller Gesellschaftsanteile der xmedia Was ist mir heute in meinem Job wichtig? • Meine Werbeagentur xmedia weiterzuentwickeln. • Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allen Beteiligten eines Unternehmens – Führung, Mitarbeiter sowie Geschäftspartner wie Kunden und Lieferanten.
Betriebswirtschaftliches Studium an der HS Heilbronn Warum studierte ich an der Fachhochschule Heilbronn? • Es gab für mich lediglich drei mögliche Studienorte in Deutschland. Heilbronn konnte mir ein ausgewogenes Preis-/Leistungsverhältnis bei adäquaten Studieninhalten bieten. • Weil ich Neues, sowie neue Freunde und Bekannte kennen lernen wollte. Was waren meine Studienziele und Studienschwerpunkte? • Ziel war es, eine gute, praxisbezogene Ausbildung zu erhalten, die mir den Einstieg in das Berufsleben erleichtern sollte. • Meine Schwerpunkte waren Marketing und Personenbeförderung. Gab es besondere Begebenheiten oder Ereignisse, die hervorzuheben sind? • Die Ausflüge zu den Partnerhochschulen in Ancona und Chambéry und die Gegenbesuche in Heilbronn gehörten zu den absoluten Highlights. Unvergessen unser Fußballsieg in Ancona mit gerade mal 11 Mann. Ohne Auswechselspieler kämpften wir wie die Löwen um die Ehre der Heilbronner – und siegten!
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• Meine Mitarbeit im Asta, AK Film, hat mich dann letztendlich doch mehr geprägt als zunächst gedacht. Aus einem kleinen Hobby wurde Jahre später eine Großveranstaltung: das Open-Air-Kino-Heilbronn, welches seit 2002 jährlich über 2 Wochen lang in der Genossenschaftskellerei Heilbronn stattfindet. • Da ich finanziell nur geringe Unterstützung aus meinem Elternhaus bekommen konnte, war ich auf diverse Jobs angewiesen. Dazu zählten u. a. die Gastronomie (die legendäre Studentenkneipe „Schwarzer Kater“), eine Reinigung, das Kohlekraftwerk und viele Kurzzeitjobs in allen möglichen Bereichen. „Leben und Überleben“ war das Motto.
Bedeutung des Studiums für den weiteren Lebensweg Wichtig war sicherlich die im Vordergrund stehende allgemeine betriebswirtschaftliche Ausbildung. Eine Spezialisierung in die damaligen Fachbereiche TB, VB oder FB war für diejenigen, die absolut in einen dieser Bereiche wollten, wichtig und gut. Mir erscheint ein breit angelegtes Studium, das vor allem zur selbständigen Arbeit erzieht, besonders wichtig. Fürs Leben lernt man dann sowieso später im Beruf. Was habe ich „mitgenommen“ – beruflich und privat? Was würde ich anders machen? • Viele interessante Begegnungen mit Studenten, Professoren und Mitarbeitern. • Ich habe meine Frau während des Studiums kennen gelernt. Wir sind inzwischen über 20 Jahre verheiratet und haben zwei fast erwachsene Kinder. • Ich habe weder vor noch nach dem Studium ein solch ausgewogenes Verhältnis von privater und fachlicher Zeit erlebt. Es war immer genügend Zeit zu studieren, zu arbeiten (Geld verdienen) und zu leben. Von den vielen Veranstaltungen rund um die HHN (damals FH HN) würde ich als schulische die Seminare hervorheben und bei den außerschulischen die Mensa- und Stuwofeten. • Obwohl ich mein Studium an der HHN sehr genossen habe, würde ich heute an der Universität studieren. Wie ich schon weiter oben erwähnte, haben mir die Seminare und Seminararbeiten sowie die Diplomarbeit besonders viel Freude bereitet. Ich habe mich nach dem Diplom an der Universität Mannheim nach einer Promotion erkundigt und ließ den Gedanken wieder schnell fallen, da ich praktisch das gesamte Studium nochmals hätte machen müssen. • Außerdem würde ich unbedingt einen Auslandsaufenthalt im Praktikum oder als Studienzeit einschieben. Hinweise und Vorschläge • Suche das Alleinstellungsmerkmal deines Unternehmens und arbeite es heraus. Es gibt so viele Unternehmen, die nach der „me-too“-Methode arbeiten und sich wundern, dass sie nicht wahr genommen werden. • Softfaktoren wie z. B. der Service haben enorme Bedeutung. • Beziehe deine Mitarbeiter in die Prozesse und Veränderungen mit ein. • Behandle deine Mitarbeiter als Mensch und nicht als Untergebene. • Nutze das Wissen deiner Mitarbeiter. Enzo Ferrari sagte einmal: „Ich habe keine Ahnung von Autos – aber immer die besten Mitarbeiter!“
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Markus P. Kocholl
Vita • Studium FB vom 1.10.1981 bis 28.2.1985 • 1.4.1985 bis 31.3.1989: Commerzbank AG, Frankfurt am Main, zunächst Trainee, dann Zentralrevision • 1.4.1989 bis 31.12.1997: Einstieg als Prüfungsleiter in der Bankenprüfung bei der KPMG Peat Marwick GmbH Steuerberatung Wirtschaftsprüfung, später KPMG Deutsche Treuhand Gesellschaft AG in Frankfurt am Main, Ausstieg als Senior Manager • 1991 Steuerberaterexamen, 1995 Wirtschaftsprüferexamen • 1.1.1998 bis 30.6.1999: Susat und Partner oHG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hamburg, Senior Manager im Industrie- und Finanzdienstleistungsbereich • Seit 1.7.1999: Rückkehr zur KPMG und nach Stuttgart als verantwortlicher Partner für den Bankenbereich in Baden-Württemberg • Aufbau des Bereiches auf heute rund 20 Mitarbeiter, Leiter des Segments Transaction Banking deutschlandweit und Marketleader für den Bereich Audit in Stuttgart
Erfolgsfaktoren meines Studiums Als nach meiner Bankausbildung die Entscheidung für einen Studienort anstand, war die FH Heilbronn nicht ganz oben auf meiner Rankingliste. Doch gute Ratschläge, ein breitgefächerter Studienaufbau und auch eine gewisse Bequemlichkeit als Heilbronner bewogen mich schließlich dazu, das Studium der Fertigungsbetriebswirtschaft in Heilbronn aufzunehmen. Ich beschloss, meine Bankkenntnisse um die im Studienführer aufgezeigten Themen aus der produzierenden Industrie zu erweitern, um möglichst breit aufgestellt ins Berufsleben zu starten. Als Schwerpunkte (im wahrsten Sinn des Wortes) habe ich mir Rechnungswesen und Steuern (Dr. Haberlandt/Belle) sowie betriebswirtschaftliche Informatik (Dr. Mayer/Evert) ausgesucht. Das hatte zumindest den Vorteil, kleine und überschaubare Vorlesungen, die sehr hands-on waren, besuchen zu können. Mein Praxissemester habe ich auf Vermittlung von Prof. Dr. Haberlandt bei der Schumacher’schen Fabrik in Bietigheim abgeleistet, wo ich bei der Einführung eines neuen EDV-Systems mitwirken und zudem noch ein Konzept für ein Management-Informations-System erstellen konnte. Die detaillierte Ausarbeitung kristallisierte sich schnell als mein Diplomarbeits-Thema heraus. So konnte ich das in der Theorie Erlernte sofort in die Praxis umsetzen.
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Zurückblickend erinnere ich mich gerne an das „Unternehmensplanspiel“ von Prof. Dr. Vogler, dessen Inhalt sich später bei Entscheidungen als sehr praxisrelevant bewährt hat. Erwähnenswert sind auch die Vorlesungen im Controlling, die regelmäßig mit einer langen Gliederung starteten, wo wir aber wegen vieler tiefgehender Diskussionen die Inhalte meistens nicht wie geplant umsetzen konnten. Es bleibt bis heute die Erinnerung, dass man sich zumindest anspruchsvolle Ziele setzen sollte…Für meinen Berufsweg besonders wichtig waren in jeder Station die in den Informatik Vorlesungen gelegten Grundkenntnisse der EDV. In vielen Prüfungssituationen war es nützlich, den EDV-Abteilungen Paroli bieten zu können. Meist waren Anforderungen, die zuvor aus irgendwelchen technischen Gründen nicht realisierbar erschienen, nach einer fachlichen (Basis-)Diskussion relativ einfach umsetzbar. Auch die vertieften Kenntnisse in der Kosten- und Leistungsrechnung waren mir in großen Industrieprüfungen sehr hilfreich. Man denke z. B. nur an die Ermittlung der Zeitwerte im Rahmen der Bewertung von Vermögensgegenständen. Nach nunmehr fast 25 Jahren im Beruf kann ich feststellen, dass mein Studium in Heilbronn mir sehr gutes Rüstzeug für meine Karriere vermittelte. Ich hätte mir aber während des Studiums mehr Zeit nehmen sollen, um das studentische Leben zu genießen. Allerdings lässt sich dagegen halten, dass es bis auf einige Stuwo- und Semesterfeten in Heilbronn eigentlich kaum studentisches Leben gab (oder ich habe es eben verpasst). Rückblickend charakterisiere ich das Studium an der FH Heilbronn als lehrreich und die vermittelten Inhalte als hoch praxisrelevant. Es schaffte die Basis für einen erfolgreichen Berufsweg.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Ich empfehle allen Studierenden, sich für das Studium harte Ziele zu geben. Auch wenn heute möglicherweise vollere Hörsäle ein Fakt sind, ist es aus meiner Sicht enorm wichtig, den Kontakt zum Lehrstuhl und zu den Professoren eng zu halten. Nur so ist es möglich, schnell, effizient und zielgerichtet zu studieren. Leider stelle ich oft fest, dass in Einstellungsgesprächen eine innere Haltung durchscheint, die man mit „sich treiben lassen“ bei möglichst hohem Gehalt und einem maximal Acht-Stunden-Tag beschreiben könnte. Ich appelliere an alle Studierenden, sich anzustrengen und das Quäntchen mehr zu geben, mit dem man sich von der Masse abheben kann. Das gilt nicht nur im Studium, sondern ebenfalls im Berufsleben. Hier kommt es auf den gewählten Studienschwerpunkt letztlich nicht an. Die Betriebswirtschaftslehre betrachte ich nach wie vor als Disziplin, die, wie ich sie im Studium erlernen durfte, für ein Berufsleben branchenübergreifend einsetzbar ist. Das praxisnahe Konzept der „alten“ Fachhochschulen erscheint mir nach wie vor beispielhaft. Aber wie immer hängt alles vom Individuum ab. Die Hochschule kann nur den Rahmen abstecken.
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Jürgen Stransky
Vita • Studium Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft mit Schwerpunkten Rechnungswesen / Steuern und Informatik von 1980 – 1984 • Diplomarbeit „Entwicklung und Programmierung eines PCbasierten Kennzahlensystems“ bei Prof. Dr. Karlheinz Haberlandt • 1985 – 1997 Fa. Steeb, Abstatt – Beginn in der Beratung, danach Entwicklungsleiter für Instandhaltungssoftware, schließlich Vertriebsleiter für SAP R/3 Produkte • 1997 – 2001 Fa. Plaut, Ismaning – Geschäftsstellenleiter Leinfelden-Echterdingen mit Vertriebs- und Ergebnisverantwortung für Plaut-Dienstleistungen und SAP Produkte • 2001 – 2005 TDS AG, Neckarsulm – Geschäftsführer Mittelstand (SAP Produkte, Consulting, Hosting) • Ab 2006 Umzug in die Schweiz. Nach einem Intermezzo bei der renommierten IMG St. Gallen – leider fiel sie einer „freundlichen“ Übernahme zum Opfer – jetzt endlich bei der Porsche Tochter Mieschke Hofmann und Partner und mit dem Aufbau der Schweizer Gesellschaft betraut.
Erfolgsfaktoren meines Studiums und meiner beruflichen Tätigkeiten Als junger Mensch zog ich es vor, dem Ernst des Lebens (Gymnasium, Bundeswehr u. ä.) noch auszuweichen. Somit waren meine Stationen nach der Mittleren Reife Ausbildung (damals noch Lehre genannt) in einem Hotel und Auslandsaufenthalte in London und Lausanne. Nach der Hotelfachschule in Heidelberg waren die Alternativen für Touristikbetriebswirtschaft in München oder in Heilbronn zu finden. Bei einer Schnuppervorlesung riet mir Prof. Dr. Bohl, FH HN, zu einem – wie er sagte – richtigen Studium, womit natürlich die Fertigungsbetriebswirtschaft gemeint war. Die folgenden Semester waren abwechslungsreich und informativ, was besonders den Vorlesungen der Professoren Haberlandt, Bohl und Vogler zu verdanken war. Nicht ein stures Auswendiglernen, sondern praxisbezogenes und selbständiges Arbeiten wurde gefordert und gefördert.
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Die Aufgabenstellungen orientierten sich am aktuellen Wirtschaftsgeschehen und nachdem ich zehn Jahresabschlüsse der AEG AG analysiert hatte, war uns allen klar, weshalb es für dieses Traditionsunternehmen keine Zukunft mehr gab. Generell war das Studium schon zu dieser Zeit sehr breit angelegt, was mir später auf meinem weiteren Berufsweg in den verschiedenen Unternehmensberatungen sehr zugute kam. Nicht vergessen möchte ich in diesem Zusammenhang auch die Anleitungen zu einem strukturierten und analytischen Denken. Heute beneide ich die Studenten um die internationalen Kontakte, die mittlerweile durch die Professorenschaft geknüpft wurden. Diese Chancen auf Studiensemester im Ausland wurden uns damals nicht geboten. Für meine berufliche Entwicklung war also das Studium der Fertigungsbetriebswirtschaft mit seinem Facettenreichtum ideal für den Einstieg bei einer mittelständischen Unternehmensberatung. Dort wurde ich bei Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen mit allen möglichen Aufgabenstellungen der Betriebswirtschaft konfrontiert und konnte immer wieder auf das Gelernte zurückgreifen. Egal, ob dies nun national oder international tätige, Klein-, Mitteloder Großbetriebe waren; die Anforderungen waren oft ähnlich und doch vielfältig. Auf ein solches solides Fundament aufbauend, eröffnen sich auch und gerade im Vertrieb vielfältige Möglichkeiten. Man wird als kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen und akzeptiert. Das daraus resultierende Vertrauensverhältnis ermöglicht eine langfristige und erfolgreiche Partnerschaft mit dem jeweiligen Kunden.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Neben der Auswahl der Studienschwerpunkte – bitte nicht unter dem Aspekt des geringsten Aufwands bzw. dem Mini-Max-Prinzip (minimaler Einsatz, maximale Anzahl von Scheinen) – sind die Auslandssemester für mich von entscheidender Bedeutung. Nichts prägt einen Menschen mehr, als der Aufenthalt in fremden Ländern. Kultur, Sprache, Sitten, Gewohnheiten sind Herausforderungen, die als Aufgabe und Chance begriffen werden müssen. Selbständiges Handeln, strategisches Denken, strukturiertes Vorgehen kann im Studium gelernt werden, aber die Umsetzung des Gelernten fällt im Ausland um so leichter, da man ständig zu einem solchen Handeln veranlasst wird. Abschließend möchte ich es nicht versäumen darauf hinzuweisen, dass die Studienzeit – bei allem Stress und möglichen Druck – zu den schönsten Zeiten gehören sollte. Deshalb bitte: Das Leben und Genießen nicht vergessen!
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Manfred H. Heisen
„The impossible dream“ • Studium Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft – 1980 bis 1984 • Praxissemester & Diplomarbeit Ford Motor Company, Dearborn, Michigan (USA) • Executive Vice President Corporate Alliance Management, SAP AG, Walldorf und Philadelphia (USA) • Mitbegründer und Geschäftsführer der pmc GmbH, Heilbronn; pmc America Inc., Southfield, Michigan (USA) • Executive Vice President, Global Solution Sales (Automotive, Manufacturing); T-Systems N.A., Stuttgart und Auburn Hills, Michigan (USA) • Vice President Global Business Development, Covisint, Detroit, Michigan (USA)
Erfolgsfaktoren meines Studiums Die Hochschulreife habe ich nach Lehre und Wehrdienst auf dem zweiten Bildungsweg erlangt. Während dieser Zeit habe ich in den Ferien in verschiedenen Unternehmen der Softwarebranche gejobbt. Aufgrund der dort gemachten Erfahrungen war mir klar, dass ich BWL / Informatik an einer Fachhochschule studieren möchte. Da ich aus einem kleinen Ort vor den Toren Heilbronns stamme und die Fachhochschule Heilbronn ein entsprechendes Studienangebot hatte war die Entscheidung schnell gefallen. Mein Ziel war es, das Studium zügig und so gut wie möglich zu absolvieren, sowie neben dem Studium in Unternehmen der IT Branche zu arbeiten. Dies zum einen um das nötige Kleingeld zu verdienen und zum anderen das neu gewonnene theoretische Wissen gleich in der Praxis anzuwenden. Das 1. Praxissemester wurde mir aufgrund meiner Lehre erlassen. Das 2. wollte ich unbedingt in den USA absolvieren. Über die Eastern Michigan University habe ich bei der Ford Motor Company in Dearborn, Michigan eine Praktikantenstelle erhalten. Im Praktikum war ich damit beschäftigt, Anwendungssoftware zu entwickeln und in den Fachbereichen zu implementieren. Die Arbeit hat mir soviel Spaß gemacht, dass ich zum Ende des Praktikums bei Ford angefragt habe, ob es nicht ein Thema für meine anstehende Diplomarbeit gibt. Es gab nicht nur ein Thema, sondern auch ein Budget. Mit der Unterstützung zweier Dozenten habe ich meine englischsprachige Diplomarbeit erfolgreich abgeliefert. Die Ergebnisse aus der Arbeit habe ich im Vorstand der Ford AG in Köln sowie Ford of Europe in England präsentiert. Nach dem Studium ging ich für weitere 12 Monate in die USA. Die ersten 6
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Monate war ich wieder bei Ford und habe mein Projekt aus meinem Praktikum abgeschlossen. Das letzte halbe Jahr habe ich bei Northern Telecom in Dallas verbracht. Dort habe ich Software zur Kostensimulation bei Manteltarifvereinbarungen entwickelt. Mit dem Studium hatte ich keine Schwierigkeiten, im Gegenteil. Rückblickend war es eine tolle Zeit, denn man lernt nicht nur, sondern hat auch Zeit für seine eigene persönliche Weiterentwicklung. Ich erinnere mich noch gut zum einen an die Büffelei auf die Klausuren und zum anderen an die tollen Feste die wir im StuWo, der Mensa oder in einer Studentenbude gefeiert haben, so ganz nach dem Motto „work hard, play hard“. Für mein späteres Berufsleben waren neben den Lehrinhalten der einzelnen Fächer die ich belegt habe, natürlich meine Auslandsaufenthalte sowie meine Diplomarbeit von großem Nutzen. Auch die Ferienjobs und die damit verbundenen praktischen Erfahrungen haben mir sehr geholfen.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Die Erfolgsfaktoren sind grundsätzlich heute die Selben wie damals. Nur wird hier in USA, und ich denke mittlerweile auch in Deutschland, ein erfolgreiches Studium lediglich als eine Art „Grundausbildung“ gesehen. Ausschlaggebend sind viel mehr die „extra curriculum activities“ – was hast Du außerhalb bzw. studienbegleitend gemacht, welche Interessen hast Du, wer bist Du. Aufgrund meiner Erfahrungen ist mein Rat: Lerne so viel wie möglich, gehe hinaus in die Welt und mache so viele Erfahrungen wie Du kannst, höre auf Deine innere Stimme, definiere Deinen Traum und lebe ihn aber bedenke – wer aufgibt, der hat bereits verloren !!!!
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Vita Von 1978 bis 1983 war ich Student der Betriebswirtschaftslehre (FB) an der Hochschule in Heilbronn. Die Betriebswirtschaft in der Praxis erlernte ich in den Jahren 1983 bis 1989 als Berater bei der Firma Steeb in Abstatt, heute eine SAP Tochter. EDV Kenntnisse wurden bei der IBM in Mainz vermittelt. 1990 gründete ich als Inhaber und Geschäftsführer die Portolan Commerce Solutions GmbH. Portolan (www.Portolancs.com) entwickelt und implementiert Software für den internationalen Mittelstand. Mit 50 Mitarbeitern betreuen wir ca. 400 Kunden in 52 Ländern weltweit. Die Finanzmodule sind mittlerweile in 19 Sprachen und 28 Landesversionen verfügbar. Folgende Auszeichnungen wurden bislang an uns vergeben: • TOP 100 in Baden Württemberg • TOP 500 in Europe • Finalist Entrepreneur des Jahres deutschlandweit.
Erfolgsfaktoren meines Studiums Nach Abschluss meiner Fachhochschulreife mit Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre war ein Studium an der FH in Heilbronn mit der Fachrichtung Fertigungsbetriebswirtschaft nahe liegend. Auch aus finanzieller Sicht war der Standort Heilbronn von Vorteil, da wir bereits in der näheren Umgebung wohnhaft waren. Grundsätzlich muss man sagen, dass es zu meiner Studienzeit nie ein großes Problem war, einen Nebenjob zu finden. Finanzierungsprobleme gab es so eigentlich nicht. Das erste Praxissemester absolvierte ich in der hauseigenen Übungsfirma (Abele und Söhne war der Name, wenn ich mich richtig erinnere). Der vermittelte Praxisgehalt war aber eher durchwachsen. Richtig viel gebracht hat mir das zweite, also „echte“ Praxissemester. Dieses Semester prägte auch klar meine berufliche Zukunft. Wenn ich gefragt werde, was ich aus dem Studium mitgenommen habe: ganz klar, wichtig ist der vermittelte Stoff und die Fachinhalte. Ich werde aber nie meinen Praxisschock an
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meinem ersten Arbeitstag vergessen: begrüßt mich mein Chef mit den folgenden Worten: „So, Betriebswirtschaft haben Sie also studiert – mit Schwerpunkt Rechnungswesen und Controlling. Da sollten Sie jetzt zumindest in der Lage sein, den Finanzteil der FAZ zu verstehen.“ Wie sich dann herausstellte, so ganz Unrecht hatte er gar nicht. Auch wichtig, und das bleibt für immer: man lernt methodisch und systematisch Probleme anzugehen und zu lösen. Was ich im Rückblick etwas vermisse, ist, zu wenig Zeit gehabt zu haben. Das eigentliche Studieren kam zu kurz. Man ist doch zu sehr auf den Prüfungsstoff und die damit verbundenen Klausuren fokussiert. Aber ich denke, das ist in der heutigen, noch schneller gewordenen Zeit nicht besser geworden.
Damit komme ich an den Punkt, was gebe ich den heutigen Studenten mit auf den Weg? Neben dem betriebswirtschaftlichen Fachwissen sind heutzutage Sprachkenntnisse nicht wegzudenken. Englisch in Wort und Schrift ist absolut Pflicht, Spanisch ist, neben französisch und italienisch, sehr zu empfehlen. Natürlich ist auch China in aller Munde, aber aufgrund von persönlich gemachten Erfahrungen halte ich irgendwelche Ansätze, die Sprache für geschäftliche Zwecke zu erlernen, für sehr ambitioniert. Auch sehr zu empfehlen sind Auslandsemester, ich denke auch hier hat sich bei der internationalen Zusammenarbeit der Hochschulen in den letzten Jahren sehr viel getan. Was bedeutet das betriebswirtschaftliche Studium für Beruf, Karriere und Privatleben? Das kann ich natürlich nur aus meiner eigenen Sicht beantworten. Um es kurz auf einen Punkt zu bringen: ohne die Hochschule in Heilbronn gäbe es wohl keine Firma Portolan. Die Betriebswirtschaftslehre ist sozusagen das Fundament unserer Software-Lösung. Klar wirkt sich das Gründen und Führen einer eigenen Firma auf das Privatleben aus, aber es steht auch ein großer Spaßfaktor auf der Habenseite – ist das nicht vielleicht das Wichtigste am Beruf?
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Peter Plack
Vita • 1976 – 1982 Studiengang Fertigungsbetriebswirtschaft (Schwerpunkt Rechnungswesen und Steuern) • Seit 03/1984 REISSER-Schraubentechnik GmbH, Ingelfingen-Criesbach – 1984–85 Sachbearbeiter Export – 1986–92 Verkaufsleiter Export (mit Handelsvollmacht) – Seit 1993 Geschäftsführer Marketing/Vertrieb • Seit 1993 GF REISSER-Ungarn • Seit 1998 GF REISSER-Rumänien • Seit 1999 GF REISSER-Polen • Seit 2008 GF REISSER-Spanien • 2001–2004 Mitglied in Würth-Führungskonferenz Seit 25 Jahren ist Peter Plack‘s „Spielwiese“ die REISSER-Schraubentechnik GmbH. Das 1921 gegründete Unternehmen ist heute mit ca. 270 Mitarbeitern in der REISSER-Gruppe der Spezialist für Herstellung und Handel hochwertiger Verbindungselemente und bietet innovative Problemlösungen aus vielen Materialen wie Edelstahl, Messing oder Stahl. Mit eigener Galvanik und Tochterfirmen in Ungarn, Polen und Rumänien vermarktet REISSER seine Markenprodukte europaweit über Fachhändler sowie Fachmärkte. Die Division Industrie bietet Lösungen für Serienhersteller. Seit 1993 das Unternehmen strategisch neu ausgerichtet wurde, kletterte der Umsatz von ca. 14 Mio. auf aktuell über 45 Mio. EUR in der Gruppe.
Betriebswirtschaftliches Studium an der Hochschule Heilbronn Vor meinem Studium hatte ich die Wahl. Mehrere Studienorte kamen in Frage. Für Heilbronn sprachen das Umfeld, das mir gefiel, sowie die damalige Ingenieurschule HN. Mein Traumberuf Bergführer blieb damals im Hinterkopf, doch war mein Ziel schon früh, eine fundierte betriebswirtschaftliche Ausbildung zu bekommen. Schwerpunkte damals: Rechnungswesen und Steuern. Finanzieren musste und wollte ich das Studium selbst. Dazu hatte ich während der gesamten Zeit die verschiedensten Jobs, durch die ich auch schon in die Praxis reinriechen konnte. Im Nachhinein gaben mir diese Tätigkeiten wertvolle Grund-
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lagen mit auf den Weg, die neben dem Studium für die Arbeitswelt wichtig sind und Perspektiven erweitern. Das erste Praxissemester fand in einer Übungsfirma der FH selbst statt. Hier wurden Basiseindrücke vermittelt sowie sämtliche Funktionen innerhalb eines Unternehmens geübt, bis hin zur Geschäftsführung. Als wertvoll empfinde ich noch heute den damaligen immer lösungsorientierten Ansatz. Der theoretische Background stand nicht isoliert, sondern war stets methodisch verknüpft mit dem, was letztendlich in der Praxis als Aufgabe steht. Meinen persönlichen Zusatznutzen gab mir dann das 2. Praxissemester bei der Fa. Knorr. Neben dem nun hautnahen Praxisbezug bei der Anwendung der Theorie lernte ich dort meine jetzige Frau kennen. Ich kann also sagen, dass diese Zeit mein weiteres Leben in allen Bereichen erheblich beeinflusst hat.
Bedeutung des betriebswirtschaftlichen Studiums für den weiteren Lebensweg Noch gut in Erinnerung ist mir, dass ich die Studienzeit sehr genossen habe. Wenn auch einige Fächer wie Statistik oder Mikro- und Makroökonomie sehr trocken waren, so empfand ich die Themen Rechnungswesen und Steuern anders als ihren Ruf sehr lebendig und interessant. Grundsätzlich halte ich das betriebswirtschaftliche Studium für eine sehr gute Basis, wenn man sich nicht zu früh spezialisieren und festlegen will. Geboten wird eine umfassende Wissensgrundlage, die später sehr vielschichtig in der Praxis genutzt werden kann. Es bietet die Chance, sich gut zu „vermarkten“ und es stehen einem viele interessante Türen offen. Schon zur Studienzeit, besonders dann auch mit meiner Aufgabe in der Unternehmensführung, kristallisierten sich schnell die Faktoren für persönlichen und unternehmerischen Erfolg heraus: Grundsätzlich haben wir es selbst in der Hand und steuern auf Erfolgskurs, wenn wir Visionen und Ziele entwickeln, die mit einem hochmotivierten Team, das sämtliche Maßnahmen konsequent umsetzt, realisiert werden können. Ein abgeschlossenes Studium bietet daher sehr gute Einstiegsmöglichkeiten in eine vielfältige Berufswelt.
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Hubert Schönbein
Vita Ich bin Absolvent des SS 1977 an der FH Heilbronn und hatte von Anfang an in meinem jetzt 32-jährigen Berufsleben „freie Hand“ und war damit mit positiven Lebensumständen vertraut. Ich war in diesen 32 Jahren bis dato in 4 Unternehmen in verantwortlichen Positionen wie Marktforschung, Product Management, Marketing, Verkauf und Business Development tätig. • 1977–1985 Papierwerke Waldhof Aschaffenburg, Mannheim = heute SCA (Product Management, Marketing, Key Account Management) • 1985–1987 Kaiser-Bonbons/Aeroxon GmbH, Waiblingen (Verkaufsleiter Süd) • 1987–1996 Hakle-Werke GmbH, Mainz = heute Kimberly-Clark (Verkaufsleiter International) • 1996–dato Papierwerke Halstrick GmbH, Raubach = heute Metsä Tissue GmbH (Prokurist, Mitglied der Geschäftsleitung, Gesamtvertriebsleiter (Verkauf & Marketing)) • 2000 Metsä Tissue GmbH Deutschland (Geschäftsführer Vertrieb&Marketing) • 2001 Berufung zum Mitglied der Konzernleitung der Metsä Tissue AG, Finnland, als Senior Vice President Consumer West Europe • 2008 SVP Consumer Continental Europe&UK (WE, CEE) 2009 SVP Total Consumer Business (WE, SCD, NEE, CEE) Ich bin heute als Senior Vice President in der Konzernleitung im Unternehmen Metsä Tissue tätig und verantwortlich für das Consumer Geschäft in Europa. Die Bereiche Sales, Marketing, Product Management, Market Research und Business Development sind Abteilungen, die dem Consumer Bereich angegliedert sind. Außerberuflich bin ich im Verband der Mittelständischen Wirtschaft des Landes NRW als Wirtschaftssenator und im Verband der deutschen Papierfabriken als Vice President des Hygienekreises tätig.
Erfolgsfaktoren meines Studiums Den Nutzen, den Menschen aus einem Studium für die berufliche Praxis ziehen, wird wohl nach einer Befragung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zum einen stellt sich die
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Frage, was habe ich wirklich gelernt und zum anderen, was habe ich letztendlich in der Praxis daraus gemacht oder aufgrund der Lebensumstände machen können. Der Wille und der Ehrgeiz etwas zu leisten, in Verbindung mit Flexibilität, Mobilität, ständiger Bereitschaft „Dazuzulernen“, sowie der sozialen Kompetenz im Führungsverhalten spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. Das Studium schafft die Voraussetzungen für diese Einsicht. In meiner täglichen Arbeit in den 32 Jahren denke ich sehr häufig mit Dankbarkeit darüber nach, welche Möglichkeiten ich hatte, ein Studium an der FH zu beginnen (Staatl. Geförderter zweiter Bildungsweg mit Bafög Unterstützung als Darlehen). Wie ich Gelerntes an der Fachhochschule in Heilbronn in die Praxis erfolgreich umsetzen konnte? Ich möchte mich in meinen weiteren Ausführungen auf diesen Punkt konzentrieren. Die Fachhochschule hatte aus meiner Sicht im Vergleich zur Universität den Vorteil, dass praktisches Wissen aus dem Unternehmen mit wissenschaftlichem Arbeiten gelehrt wurde. Man hatte im Rahmen seiner „beruflichen Ausbildung vor dem Studium“ bereits einen Background, wie „ein Unternehmen in den Prozessen funktioniert“. Diesen Background konnte man nun sehr gut mit dem theoretischen und wissenschaftlichen Wissen verbinden. Auch das Praxissemester während des Studiums war eine sehr wichtige Einrichtung, um die persönlichen Neigungen in einem späteren Unternehmen besser kennenzulernen. Dies ist aus meiner Sicht deshalb sehr wichtig, weil die verschiedenen Funktionen und Positionen in einem Unternehmen neben der Fachkompetenz auch sehr unterschiedliche Charakter-Profile erfordern. Die FH hat mir besonders im Bereich BWL sehr viel für mein späteres Wirken an Wissensfundamenten mitgegeben. Das Fachwissen zu Lehren war das eine, die Art zu Denken und dieses Wissen in den Prozessen erfolgreich umzusetzen, war für mich aber das Entscheidende. Viele Vorlesungen dazu sind mir noch heute nach 32 Jahren in guter Erinnerung. So die Vorlesungen von Herrn Prof. Dr. Vogler, der stets mit Vorbild wissenschaftliches Arbeiten an der FH HN verkörperte und dieses mit viel Kompetenz an die Studenten vermittelte.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Um heute im Leistungsprozess im Wettbewerbsumfeld zu überleben, wird der erfolgreiche Leader neben der Erreichung seiner quantitativen Ziele auch an seinen „Führungsfähigkeiten“ gemessen. Die Entwicklung von Führungsfähigkeiten kann man theoretisch vermitteln, sie als Persönlichkeit im Unternehmen umzusetzen, ist das größte Problem im Management heute. Hier könnte die FH intensiviert ansetzen. Wie erfolgreich man dieses dann in der Praxis umsetzt, obliegt der Fähigkeit jedes Einzelnen. Firmenkultur im Einklang mit den eigenen Werten, sowie die gemachten Erfahrungen im Berufsleben, entscheiden dabei mit über den Erfolg. Die Vielfältigkeit von notwendiger Kompetenz zeigt sich in einer erfolgreichen Umsetzung von Wissen. Nur wenn die Aktion erfolgt, ist etwas in puncto Zielerreichung getan.
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Volker König
Vita • Mein Name ist Volker König, ich bin Vorstandsvorsitzender der Volksbank Esslingen. Gerne bin ich zu einem Beitrag für die Festschrift bereit, weil ich davon überzeugt bin, dass dieses Studium eine wertvolle Grundlage für meinen Berufsweg war. • Im August 1976 habe ich mein Studium Fertigungsbetriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing in Heilbronn abgeschlossen. Dank Bafög konnte man bei sparsamer Haushaltsführung auch aus einfachen Verhältnissen kommend noch studieren. Ich hatte bereits eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank hinter mich gebracht und dabei sehr rasch erkannt, dass ich meine beruflichen Ziele nur dann erreichen kann, wenn ich meine fachliche und persönliche Ausbildung möglichst auf ein akademisches Fundament stelle. Deshalb entschloss ich mich 1971, zunächst die Fachhochschulreife bei der FHS zu machen und dann das Studium zügig zu absolvieren. • Als ich nach dem Studium wieder zur Deutschen Bank zurückkehrte, konnte ich feststellen, dass meine Investition in meine Ausbildung auf fruchtbaren Boden fiel und ich mein damaliges Ziel, nämlich Direktor einer Bezirksfiliale zu werden, in einem sehr überschaubaren Zeitraum erreichen konnte. Nach anfänglicher Tätigkeit im Firmenkundenbereich der Deutschen Bank in Stuttgart, wurde mir die Leitung der nachgeordneten Filiale in Geislingen/Steige übertragen. Nach wenigen Jahren hatte ich dann mein berufliches Ziel erreicht und wurde in die Geschäftsleitung der Bezirksfiliale Ravensburg berufen. • Nach fast 20jähriger Tätigkeit bei der Deutschen Bank habe ich eine neue berufliche Herausforderung gesucht. Deshalb nahm ich ein Angebot der Kreissparkasse Ludwigsburg an, wo ich einige Jahre als Direktor und stellvertretendes Vorstandsmitglied für einen Teil des dortigen Kreditbereiches verantwortlich war. Anschließend wurde ich dann Mitglied des Vorstandes bei der Kreissparkasse Calw. • Schließlich führte mich mein Weg auch noch zur dritten Säule im deutschen Bankwesen, nämlich zu den Genossenschaftsbanken. Dort hatte ich zunächst als Vorstandsvorsitzender der Volksbank Bad Mergentheim die Aufgabe, dieses Institut, das in eine Schieflage geraten war, zu sanieren. Dies ist gut gelungen, so dass ich diese Region planmäßig wieder verlassen konnte und seit 2002 Vorstandsvorsitzender bei der regional recht bedeutenden Volksbank Esslingen bin.
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Erfolgsfaktoren meines Studiums Für den Studiengang Fertigungsbetriebswirtschaft hatte ich mich deshalb entschieden, weil ich die Absicht hatte, in jedem Fall wieder zur Bank zurück zu kehren und im gewerblichen Kreditbereich tätig zu sein. In der Zeit vor dem Investmentbanking war es im Kreditgewerbe üblich, dass eine Karriere meist über den Weg des gewerblichen Kreditbereiches führt. Während meiner Studienzeit habe ich einen tiefen Einblick in die Denkweise und die Problemstellungen von Fertigungsbetrieben gewinnen können. Dies hat mir dann auch bei vielen Gesprächen mit Unternehmern und Managern sehr geholfen, denn ich konnte dadurch Unternehmen nicht nur aus der Sicht eines Bankers beurteilen, sondern mich sehr gut in die Situation eines Firmenkunden versetzen und dabei neben persönlicher auch hohe Fachkompetenz vorweisen. Als ich mein Studium begann, war die damalige FHS Heilbronn noch eine sehr übersichtliche Institution. Das hatte zur Folge, dass unsere Vorlesungen meist in einem sehr „familiären“ Rahmen stattfanden und wir nicht nur unsere Kommilitonen, sondern auch die Professoren sehr gut persönlich kannten. Dadurch hatten wir das große Privileg, den Lernstoff sehr intensiv im Rahmen der Vorlesungen bearbeiten zu können. Die Kameradschaft während meiner Studienzeit war sehr ausgeprägt. Mit einigen meiner Kommilitonen habe ich noch heute engen Kontakt. Ich kann mich an viele gemeinsame Unternehmungen und viele Stunden intensiver Klausurvorbereitung erinnern. Ich denke, dass dieses gemeinsame Erarbeiten von Lösungen, die gegenseitige Unterstützung, aber auch das Feiern von gelungenen Klausuren sehr wichtig und prägend für mein späteres Berufsleben waren.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute Die Welt und damit natürlich auch die Hochschule in Heilbronn haben sich während der letzten Jahrzehnte unglaublich verändert. Dennoch denke ich, dass die Faktoren, die für den nachhaltigen und persönlichen Erfolg einer studentischen Ausbildung entscheidend sind, nach wie vor die gleichen sind. Dazu gehört für mich in erster Linie, diese Zeit so zu nutzen, dass man seine eigene Persönlichkeit, die auf einem gesunden Selbstbewusstsein basiert, entwickelt und festigt und sich die Fähigkeit aneignet, Komplexität reduzieren zu können, indem man lernt und übt, Aufgaben und Probleme auf die wesentlichen Aspekte zu begrenzen.
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Toni Gmyrek
Vita • Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik Heilbronn, Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft von 1972 bis 1975 • Beruflicher Werdegang nach dem Studium – Kaufmännischer Leiter bei Exact Maschinen- und Apparatebau, Bad Wimpfen und Exact Distribution, Paris und Straßburg – Geschäftsführer bei der Handwerkskammer HeilbronnFranken, Unternehmensführung • Zusatzberufungen: – Zentralverband des Deutschen Handwerks Berlin, Unternehmensführung – Kreditbewilligungsausschuss Landeskreditbank Baden Württemberg, Stuttgart – Bürgschafts- und Beteiligungsausschuss der Bürgschaftsbank und mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden Württemberg, Stuttgart – Gutachterausschuss Junger Innovatoren, Existenzgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen beim Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden Württemberg, Stuttgart – Lehrauftrag an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach, Vertriebs- und Kooperationsmanagement und Gastdozent im Rahmen der Ringvorlesungen an der Hochschule Heilbronn
Erfolgsfaktoren meines Studiums Nach meiner Ausbildung zum Industriekaufmann hatte ich eine gute Basis, um mich beruflich weiter zu qualifizieren. Ich war fest entschlossen, nach Ableistung des Wehrdienstes an einer Fachhochschule ein praxisorientiertes Studium zu beginnen. Mein Ziel war, so schnell als möglich den Hochschulabschluss zu erlangen. Dadurch blieb natürlich das typische Studentendasein auf der Strecke.
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Kriterien für die Wahl des Studienorts • FH Heilbronn entsprach meinen Vorstellungen und bot den Schwerpunkt Fertigungsbetriebswirtschaft als praxisorientierten Studiengang • Ich war bereits verheiratet und konnte meine Wohnung beibehalten • Kontakte und Verbindungen ermöglichten mir meinen Lebensunterhalt und das Studium zu finanzieren – Jobs/Projekte und Engagements als Hobbymusiker. Mit meinem Studium begann ein neuer, wichtiger und aus heutiger Sicht für mich zufrieden stellender Lebensabschnitt. Ich merkte schnell, dass es sehr viel Mühe kosten wird, das Ziel zu erreichen. Vielen ging es ähnlich. Ich erinnere mich deshalb gerne an meine Mitkommilitonen/Innen. Wir arbeiteten gemeinsam in Gruppen, pflegten regelmäßigen Erfahrungsaustausch und motivierten uns gegenseitig. Als besonderen Glücksfall empfand ich, dass alle Professoren und Dozenten – mit wenig Ausnahmen – hervorragend qualifiziert und praxisorientiert ausgerichtet waren. Genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Größe der Fachhochschule selbst, aber auch die Semesterstärke war ideal und ermöglichte intensive, individuelle Betreuung durch die Lehrbeauftragten. Besonders die Powervorlesungen von Herrn Prof. Dr. Vogler und Herrn Prof. Belle – der auch meine Diplomarbeit betreute – waren interessant und kurzweilig. Sie gaben mir persönlich den wertvollsten Input. Hier bekam ich das Handwerkszeug für logisches, analytisches und strukturiertes Vorgehen bei der Suche nach Antworten auf Fragen und Problemlösungen. In dieser Zeit erkannte ich auch meine Stärken. Mir gefielen ständig neue Herausforderungen, ich hatte Freude daran mit Menschen zu kommunizieren, ich wollte Entscheidungen treffen und hatte Spaß daran, sofort vorzeigbare Ergebnisse zu präsentieren. Das Studium weckte in mir auch das Interesse lebenslang weiterzulernen. Es prägte mich in meinem Verhalten und meiner Grundeinstellung. Den Blick immer nach vorne zu richten, Neues anzupacken und nie zu resignieren.
Erfolgsfaktoren für ein Studium heute An den Grundsatzfaktoren für ein erfolgreiches Studium hat sich in den vierzig Jahren nichts geändert. Erfolg zu haben und die Notwendigkeit dafür die Voraussetzungen zu schaffen, jedoch viel. Durch die EU-Osterweiterung, die Internationalisierung und Verflechtung der Märkte haben sich die Gegebenheiten grundlegend verändert. Die Konkurrenz hat zugenommen, die Anforderungen sind gestiegen und verlangen globales Know-how. Es ist deshalb zwingend notwendig den Horizont in dieser Richtung zu erweitern. Was ist heute besonders wichtig? Auslandspraktika absolvieren, Fremdsprachen beherrschen – mindestens zwei, Netzwerke nutzen; Kontakte und Verbindungen pflegen.
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Dr. Klaus Peter Auerbach
Vita • Geboren 21.12.1947 • 1969 Start-Semester Betriebswirtschaft (Fertigungsbetriebswirtschaft) • Heilbronn 1969–1973 (ich habe einen Klausurterminverschlafen und etwas länger dann auf mein Abschlusszertifikat warten dürfen...) Wir hießen noch “Betriebswirt grad.” In Heilbronn damals studieren zu können, war für mich als Neckarsulmer, der noch bei seinen Eltern leben konnte, sehr kostengünstig – leider ungünstig mit Freundin! Damals noch Spätzünder und dann dankbar für den Schulbetrieb und die weise Hand des Prof Dr V... „ich bringe Euch auf ein ansehliches Niveau...!” „... Ihr müsst zu mir kommen und nicht umgekehrt...!” Das war liebevoll gemeint. Das habe ich erst später begriffen. • dann praktische Erfahrung sammeln als Trainee in internationalem Haarkosmetikkonzern/Productmanagement, bei EDV Dienstleister u. a. Das war die Zeit, wo man auf zehn Bewerbungen zehn Einladungen zu jeder Bewerbung erhielt. • Fortbildung Jura, Philosophie, Promotion 1988. • ab 1979 selbständig im Restrukturierungsbereich von Betrieben und Unternehmen • 1993 bis 1996 im Vertragsmanagement der Treuhandanstalt Berlin Potsdam, Task Force • heute als Rechtsbeistand für Insolvenzrecht (Insolvenzplanverfahren, Sachverständiger u. a.), aber auch Coach in Stressreduktion (nach Kabat-Zinn), Seminare
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Was ich während des Studiums an Ausbildung vermisste? Führungstechniken, Führungspsychologie, und ausländische Partnerhochschulenkontakte. Trotzdem war die FH Heilbronn für mich ein schulisches und berufliches Sprungbrett und ich würde alles wieder so machen wie gehabt...!
Damals war eine abgeschlossene Kaufmannslehre und Berufserfahrung notwendig, um in Heilbronn studieren zu können. Ich finde dies besser als diese Neuerung der Einführung von Praxissemestern. Ich nehme noch regen Anteil am Hochschulbetrieb, da meine Söhne Medizin bzw. Internationale Betriebswirtschaft studieren (Innsbruck, Alicante, Frankfurt-Oder).
Meinen Söhnen gebe ich heute auf den Weg: Studiert und dann seht zu, dass Ihr das Beste draus macht, denn es zeigt sich erst später die Bewährung und der Erfolg. Schafft Euch eine gute wissenschaftliche Basis im Denken und Handeln! Legt Euch fachlich breit an und denkt global und menschlich...!
Für mich war die FH Heilbronn angenehm lebensprägend!
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Anton Dörner
Unternehmer aus Leidenschaft • Jahrgang 1947, verheiratet seit 1970, 3 erwachsene Kinder (eine Tochter, zwei Söhne und seit 4 Monaten einen Enkel – Benedikt). • Aufgewachsen in Möckmühl im schönen Jagsttal, Volksschule Möckmühl. Werkzeugmacherlehre 1962–65 bei der Firma Kolbenschmidt, Neckarsulm. Danach Lehre zum Industriekaufmann 1965–67 bei der Firma Kolbenschmidt. Technischer Kaufmann im Einkauf und Verkauf der Fa. Kolbenschmidt. • Zweiter Bildungsweg Abendrealschule Heilbronn, Abschluss Mittlere Reife. Ab 1970 Studium an der Ingenieurschule Heilbronn, Abschluss 1973, erster Assistent im Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft der Fachhochschule Heilbronn, nebenberuflich tätig als Dozent für BWL in der Berufsfachschule Hohenstein, dem Berufsfortbildungswerk des DGB Heilbronn und Schwäbisch Hall in den Fächern: Investition und Finanzierung, Allgemeine BWL und Bilanzanalyse. • Ab 1975 bei der Fa. Mertz Schaltgerätefabrik, Gaildorf als Assistent der Unternehmensleitung. • Ab 9.1.1976 geschäftsführender Gesellschafter der Fa. Doerner & Partner GmbH, Gaildorf. Inzwischen ist es 33 Jahre her, dass ich Unternehmer bin. 1976 gründete ich die Firma Doerner & Partner Aussenhandels-GmbH in Gaildorf.
Meine Geschäftsidee Der Export von Produkten für die Bauwirtschaft (Elektro- und Beleuchtungsartikel) überwiegend für die Ölförderstaaten wie z. B. Saudi-Arabien, Kuweit, Iran, Abu Dhabi, Dubai, Jordanien, die durch Erhöhung der Ölpreise gewaltige Dollarsummen einnahmen und im Begriff waren, ihre Länder zu modernisieren. Der Aufbau meines Unternehmens war mit viel Arbeit, Leidenschaft, Mühe und Entbehrungen für mich und meine Familie verbunden. Und wenn ich heute meine Eröffnungsbilanz von damals anschaue, kann ich Ihnen versichern, dass ich das nicht mehr wiederholen würde.
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Ich glaube, dass die Karriere eines Unternehmensgründers in drei Phasen verläuft: In der ersten Phase geht das Eigenkapital unter, in der zweiten Phase verschuldet er sich und in der dritten Phase scheitert er oder er setzt sich durch und wird erfolgreich. Es gilt, den sogenannten „Leverage-Effekt“ auszunutzen und mit fremdem Kapital das Eigenkapital zu erhöhen. Die Innovationsfähigkeit und die Wandelbarkeit des Unternehmens halte ich für die wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln. 1982 hatte ich die entscheidende Erkenntnis für meine weitere Unternehmensentwicklung. Als Patentinhaber eines Zweiadern Systems von Türsprechanlagen konnte ich das Unternehmen umfirmieren in: „ELCOM-Türsprechanlagen“ und als Alleinanbieter gegen mächtige Marken wie Siedle, RITTO,… aus einer einfachen Klingelanlage eine moderne, antivandale Türsprechanlage installieren .Ich nannte diese Technik „1+N Technik“, da nur der Rufdraht (Müller, Mayer, Schulze…) und ein gemeinsamer Draht notwendig waren. Heute ist diese „1+N Technik“ in der Türsprechanlagenbranche weltweit zum Standard geworden. Wir produzieren an zwei Standorten in Deutschland (Flein und Bitterfeld), sowie in Indien und Lettland. Wir beschäftigen weltweit etwa 125 Mitarbeiter und erzielen einen konsolidierten Jahresumsatz von 15,0 Millionen Euro. Wir wachsen und sind profitabel.
Erfolgsfaktoren Zu welchen Erkenntnissen kann ich jungen Studenten der Fachhochschule Heilbronn und natürlich anderen jungen Menschen verhelfen? Lassen Sie es mich versuchen. Eine betriebswirtschaftliche Ausbildung ist das notwendige Basiswissen – die Tools – für ein gut organisiertes, fundiertes Handeln im unternehmerischen Sinn. Entscheidungen sind jeden Tag in vielfältiger Art zu treffen. Den entscheidungsorientierten Ansatz der modernen BWLLehre kann ich aus meiner Erfahrung nur bestätigen. „Die fixen Kosten schreien nach Sättigung“ (Schmalenbach um 1920). Dieser Satz wird für jede Entscheidung elementar wichtig, da der Druck der Fixkosten die Unternehmer „auf Trab“ hält. Diese Kosten zu decken ist fundamental für die Existenz des Unternehmens. Der Abbau von Fixkosten ist sehr schwer zu realisieren. „Aber Herr Dörner,“ werden Sie jetzt sagen, „wo bleibt das Positive?“ Mein erster Satz, gerichtet an einen jungen Mann aus der ehemaligen DDR nach dem Mauerfall lautete:„Für das Leben gibt es keine Alternative – wovor sollen wir uns also fürchten?“ Heute ist er mein Geschäftsführer in Bitterfeld. Das Gleiche würde ich auch Ihnen gerne sagen wollen und Sie ermutigen, so zu handeln, getreu dem Wahlspruch von Jacques Coeur (einem französischen Kaufmann aus dem 14.Jhdt.) „Einem tapferen Herzen ist nichts unmöglich!“
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Wolfgang Beger
Vita • 1969–1972 Studium „Fertigungsbetriebswirtschaft“ • 1972–1976 Projektleiter Hausbau Wüstenrot – Finanzierung und Verkauf • 1976–1979 Projektleiter Wüstenrot Städtebau und Entwicklungsgesellschaft. Projektleiter für Sanierungsmaßnahmen nach dem StBauFG • 1979–1981 Volksbank Bad Friedrichshall • 1981–1996 Vorstandsmitglied der Volksbank Bad Friedrichshall • 1996–2001 Vorstandsvorsitzender der Volksbank Bad Friedrichshall • 2001–2006 Direktor für Privatkundengeschäft der Volksbank Heilbronn
Erfolgsfaktoren meines Studiums Das Studium an der Fachhochschule Heilbronn hat mich sehr gut auf meinen Beruf und meine spätere Karriere vorbereitet, wie ich es an anderen Hochschulen so nicht gefunden hatte. Ich hatte damals bei meinen Arbeitgebern die Vermutung, was mir auch bestätigt wurde, dass Sie sehr gerne junge Menschen der Fachhochschule Heilbronn angestellt haben. Ich behaupte nach wie vor, wer später interdisziplinär denken und arbeiten möchte, wird mit dem Studium an der Hochschule Heilbronn die richtige Wahl treffen. Heute bin ich im Ruhestand und kann rückblickend sagen, dass mir das Studium an der Hochschule Heilbronn den Weg für eine sehr erfolgreiche Zukunft geebnet hat. Nicht nur im rein beruflichen Bereich, sondern auch bei meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten als Prüfer der IHK Heilbronn und BA Mosbach und dem Vorsitz des Handels- und Gewerbevereins Bad Friedrichshall, wo ich auch heute noch an der Stadtentwicklung beteiligt bin. Auch konnte ich seit 1976 den Reitverein Bad Friedrichshall erfolgreich aufbauen und seit 2005 den Förderverein der Astrid-Lindgren-Schule in Neckarsulm für körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche. Diese Tätigkeit empfinde ich persönlich als sehr bereichernd, denn besonders das soziale Engagement darf man in unserer heutigen Zeit nicht vergessen.
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Meine Studienzeit habe ich als sehr spannend erfahren. Trotz der Ablenkung eines Studentenlebens hatte ich mein Studium innerhalb drei Jahren absolviert, was sicherlich auch an dem strukturierten Studium gelegen hat, welches sehr anspruchsvoll und arbeitsintensiv war. Doch es hat sich gelohnt. Was ich auch als sehr angenehm empfunden habe, dass ich als Student in allen Belangen von der Hochschule aktiv unterstützt wurde, so dass ich bei aufkommenden Fragen immer einen Ansprechpartner hatte.
Ich erinnere mich sehr gerne an das Studium zurück, da es eine sehr besondere Zeit war, die mich hervorragend auf meine berufliche Laufbahn vorbereitet hat. Ich würde es wieder genauso machen und wünsche allen Studierenden eine erfolgreiche Karriere.
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Hartmut Fröhlich
Studium war Basis für beruflichen Erfolg • • • •
Studium Fachbereich Fertigungsbetriebswirtschaft Studienzeit 1.10.1969 bis 30. Juni 1972 1. Studiengang Betriebswirtschaft in Heilbronn 1.10. 1972 Start als Direktionsassistent bei der INTERSPORT DEUTSCHLAND eG • 1.09. 1980 Berufung zum Vorstand – tätig bis 31.12.2007
Erfolgsfaktoren meines Studiums Die Wahl des Studienortes Heilbronn fiel leicht. Meine finanziellen Voraussetzungen waren sehr eingeschränkt und es wäre mir damals auch schwer gefallen, meine Bindungen in Heilbronn zugunsten eines anderen Studienortes aufzugeben. Nach meiner Banklehre wollte ich meinen Studienschwerpunkt bewusst aus diesem Bereich verlagern und die Ausrichtung in Heilbronn erschien mir hierfür als gute Möglichkeit. Die Möglichkeiten zur Studiengestaltung waren in dieser Zeit sehr eingeschränkt, die “Vorgaben“ waren recht umfangreich, sodass wenig eigener Spielraum bestand. Der Vorlesungsbetrieb hatte stark schulischen Charakter. Die ersten Studienwochen gestalteten sich schwierig, allein die Sprache der Dozenten war für uns „Praktiker“ zunächst nicht immer verständlich. Mit vier „hauptamtlichen“ Dozenten entstand ein sehr enger, intensiver und konstruktiver Kontakt und es entwickelte sich eine hervorragende Wissensvermittlung und Förderung der einzelnen Studenten. Insgesamt brachte mir das Studium eine erhebliche Verbreiterung meines faktischen Wissens aber noch wichtiger war die damit verbundene Persönlichkeitsentwicklung.
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Nach Studienabschluss begann ich meine berufliche Laufbahn bei der INTERSPORT wo ich in kurzer Zeit vom Direktionsassistenten über die Übernahme der Bereiche Personal, Organisation, Rechnungswesen und Finanzen und die damals eingeführte EDV nach 8-jähriger Tätigkeit zum Vorstand berufen wurde. Nach 28 erfolgreichen Jahren habe ich diese Tätigkeit Ende 2007 beendet. Ich glaube, dass eine solche „Laufbahn“ schon damals recht ungewöhnlich war, umso mehr war für mich die Verbindung von Sport, die Zusammenarbeit mit einer großen Zahl von mittelständischen Einzelhändlern und die genossenschaftliche Rechtsform des Unternehmens immer Herausforderung und Ansporn. Obwohl viele Studieninhalte im Einzelnen vielleicht weniger von Bedeutung waren, war das Studium von elementarer Bedeutung. Was mich oftmals überraschte war die Tatsache, dass die vermeintlichen Nebenfächer wie Sprachen, Psychologie, Soziologie und vor allem Personalführung im beruflichen wie privaten Bereich von besonderer Bedeutung sind. Ich bin überzeugt, dass auch heute die Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Studium grundsätzlich nicht anders sind. Die Erweiterung des Horizonts, das Vermitteln von umfangreichen und komplexen Inhalten, das Lernen lernen, aber nicht zuletzt natürlich auch der Ansporn durch Kommilitonen sind die wichtigsten Grundlagen für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn.
Unsere Hochschule 1969
Fotos und Presse aus 40 Jahren
Unser Campus Heilbronn November 2009 von oben (Foto Roland Schweizer)
Die Rektoren
Prof.Dr.Hellerich 1969 – 1973
Prof.Dr.Sadowy Prof.Dr.Dörr 1973 – 1977 1977 – 1989
Prof Dr.Grandi Prof.Dr.Peter 1989 – 2001 2001 – 2008
Prof.Dr.Schröder ab 2008
Dozenten der ersten Jahre
Prof. Brinzinger
Prof. Dr. Vogler
Prof. Dr. Sturm
Prof. Dr.Dautel Prof.Dr Bleile
Prof. Dr. Röll
25 Jahre FB Dozenten und Mitarbeiter
Sie finden hier eine nicht ganz chronologische Auswahl der Dozenten und Mitarbeiter aus den letzen 40 Jahren, die im Studiengang gelehrt und gearbeitet haben. Leider liegt uns nicht von allen ein Foto vor.
Prof. Dr.Köhle
Prof. Belle
Prof. Dr. Bohl
Prof. Dr. Rogé
Prof. Walther
Prof. Evert
Prof. Siller
Prof. Dr. Shroff
Prof. Pilzecker
Prof. Dr. Sterzenbach
Prof. Dr. Roller
Prof. Dr. Haberlandt
A. Huber, Fachschulrat
Frau Öhler, Sekretariat
M. Müller Hochschulrat
Prof. Dr. Bernkopf
Prof.Dr.von Stetten
Prof. Dr. Barg
Prof. Dr. Platz-Waury
Prof. Dr. Löffler
Prof. Dr. Gröschel
Prof. Dr. Kropp
Nitsch, Druckerei
Prof. Dr. Pompl
Prof. Dr. Heizmann
Prof. Dr. Schnauffer
Frau Wioska Sekretariat
Prof. Dr. Hautzinger
Prof. Dr. Otte
Prof. Dr. Brecht
Prof. Dr. Dorner
Prof. Grandjot
Prof. Dr. Hill
Drechsel, IT-Labors
Prof. Dr. Dillerup
Prof. Dr. Pfennig
Was die Presse sagt – ein paar Schlagzeilen. Es handelt sich hier lediglich um eine kleine, sporadische Auswahl, welche die allgemeine Präsenz des Fachbereichs in der lokalen Presse nicht repräsentativ widerspiegelt. Die vollständigen Artikel sind im Sekretariat des Fachbereiches einzusehen.
HSt.: 1973 bis 1976
HSt.: 3. Juli 1973
HSt.: 27. Januar 1973
HSt.:15. April 1975
HSt.:20. Dezember 1976
HSt.: 6. Oktober 1977
HSt.: 9. September 1977
HSt.: 22. September 1978
HSt.: 27. Februar 1978
HSt.: 28. Juni 1978
HSt.: 7. Juli 1978
HSt.: 26. Oktober 1978
HSt.: 13. März 1979
HSt.: 4. Mai 1979
HSt.: 13. März 1979
HSt.: 22. Oktober 1994
Gründung des Beirats am 3. April 2008
sitzend:.Dr. Löffler, Dr. Schnauffer, Dr. Schröder (Rektor), Dr. Dillerup (Studiendekan) stehend:Schellenbauer (stellv. Vorsitzender), Dr. Vogler (verdeckt), Fröhlich, Dr. Haberlandt, Schweiker (Vorsitzender),Leers, Rölle, Dr. Nitzer, Dr. Brecht (Dekan), Dr. Weber, Dr.Otte
NN, Dr.Vogler, Fröhlich
Rektor Dr. Schröder, Schellenbauer
Rektor Dr. Schröder, Leers
Vorsitzender Schweiker, Bürgermeisterin Krug Dr. Haberlandt
Rölle, Rektor Dr. Schröder
Dr. Vogler, Rektor Dr. Schröder
Einige Impressionen von Studenten, Absolventen und der Technik im Laufe der Zeit
FH-Rechenzentrum 1980
Bibliothek 1982
Übungsfirma 1976
Prof. Dr. Vogler , der Planspielchef
Topic-Planspiel – bestes Team SS 1975
Toni Dörner 1976 3. Jahre nach Abschluss als Unternehmer in Jeddah
Exkursion zu Audi 2. Sem. WS 1994/95
Diplomierungsfeier WS 2004/05
Graduierungsfeier SS 2008
Auch Miss. Germany 2009 (Mitte) ist eine unserer BU-Studentinnen!
Beispiele unserer internationalen Partnerschaften
Gäste einiger unserer Partnerhochschulen in Heilbronn 2008 aus Breda NL, Crakau PL, Nizza F, Newcastle UK zur gemeinsamen Studienplanung
Gemeinsames BU-Master-Studium (Strategy Module) mit Partnerhochschule Dundalk (Irland)
Dozenten und Mitarbeiter BU WS 2009/10
v.l.n.r. vorne: Dr.Alter, Dr. Schnauffer, Dr.Roth, Dr. Seidenspinner, Dr. Eisele, S. Hannss MBA, M.Leist hinten: M. Müller, Dr. Will, Dr. Dillerup, Dr. Löffler, Dr. Otte, Dr. Schürmann, Dr. Häcker
und
Dr. Förster
J. Bethke
A. Müller