200 Jahre preußischer Zivilprozeß: Das Corpus Juris Fridericianum vom Jahre 1781. Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 14. Oktober 1981 9783110873238, 9783110089059


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200 Jahre preußischer Zivilprozeß: Das Corpus Juris Fridericianum vom Jahre 1781. Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 14. Oktober 1981
 9783110873238, 9783110089059

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Friedrich Ebel 200 Jahre preußischer Zivilprozeß

Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin Heft 71

W DE

G 1982

Walter de Gruyter · Berlin · New York

200 Jahre preußischer Zivilprozeß Das Corpus Juris Fridericianum vom Jahre 1781 Von Friedrich Ebel

Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 14. Oktober 1981

W DE

G 1982

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Prof. Dr. jur. Friedrich Ehel Professor für Deutsche Rechtsgeschichte und Privatrecht an der Freien Universität Berlin

CIP-Kurztitelaufnähme der Deutschen Bibliothek Ebel, Friedrich: 200 [Zweihundert] Jahre preussischer Zivilprozess : d. Corpus juris Fridericianum vom Jahre 1781 ; Vortrag gehalten vor d. Berliner Jur. Ges. am 14. Oktober 1981 / von Friedrich Ebel. - Berlin ; New York : de Gruvter, 1982. (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e.V. Berlin ; H. 71) ISBN3-11-008905-X NE: Juristische Gesellschaft : Schriftenreihe der Juristischen ...

© Copyright 1982 bv Walter de Gruyter & Co., vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Vei: & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Saladruck, Berlin 36 Bindearbeiten: Verlagsbuchbinderei Dieter Mikolai, Berlin 10

Im „Preußenjahr" hat der Historiker des Zivilprozesses anderen etwas voraus: ein rundes Datum, das Anlaß zum Rückblick bietet. 1781, exakt vor 200 Jahren, erging ein Patent: „Wir Friderich, von Gottes Gnaden, König von Preußen usw., thun kund und fügen hiedurch jedermann zu wissen ... das Erste Buch Unsers Corporis Juris Fridericiani vermöge der Uns zustehenden Landesherrlichen Macht und Gesetzgebenden Gewalt, als ein allgemeines für jedermann verbindliches Gesetz hiedurch und in Kraft dieses vorschreiben und bestätigen"1. Gemeint war damit eine Zivilprozeßordnung, die in radikaler Weise mit überkommenen Prinzipien brach. Und bewerkstelligt wurde das in einem Tempo, das man manch (erheblich unausgewogener) Gesetzesreform heute nur wünschen könnte: Am 14. April 1780 erließ Friedrich der Große - diese Prädikatisierung wird hier bewußt beibehalten - an seinen Großkanzler v. Carmer eine Kabinetts-Ordre, in der dieser beauftragt wurde, eine neue Prozeßordnung auszuarbeiten; nach Darlegung näherer Grundsätze der Reform schloß der König: „Ich überlasse Euch also, der Sache ferner nachzudenken und das Erforderliche zur Ausführung derselben zu veranstalten; und verspreche dagegen, Euch wider alle Cabalen und Widersetzlichkeiten auf das nachdrücklichste zu schützen; als Euer wohlaffektionirter König"2. Sechs Wochen später war die Arbeit in der Hauptsache fertig. - Preußen! Mein Thema lautet „200 Jahre preußischer Zivilprozeß". Zuvorderst habe ich hier deshalb über dieses Attribut Rechenschaft zu legen. Es kann heute nicht mehr angängig sein, die Bezeichnung „preußisch" als Wertbegriff in der Geschichte zu führen - nicht als Wert und nicht als Unwert. Wir verzichten hier auf eine Definition dessen, was als Tatbestand „preussisch" sein kann - „Kaserne und Stechschritt, der flötespielende König, Kants Pflichtbegriff oder der Moorkolonist in der Warthcniedcrung" 3 . Das und sehr viel mehr ist preußisch, und doch hilft ein solcher Impressionismus - mehr ist es nicht - uns nicht weiter. Es ist bekannt, daß eine 1

Publikationspatent vom 26 Apr 1781, abgedr. Anhang 2. Cabinets-Ordre vom 14 Apr 1780, abgedr. unten Anhang 1. 3 Dies nach Wilhelm Ebel, Das Preußische im preußischen Allgemeinen Landrecht, in: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 12 (Würzburg 1962) S. 149 ff. 2

jede Generation ihre Geschichte neu zu schreiben hat. Wer heute unter dem Vorwand der Wissenschaft seine Vergangenheit bewertet, liegt falsch. Geschichtswissenschaft hat keine Argumente für die Gestaltung der Gegenwart zu liefern. Das lehrt sie schon selbst; Versuche dieser Art waren stets in hohem Maße angreifbar. Und aus Gewesenem (wie jedem Seienden) ist kein Schluß auf heutiges Sollen zulässig. Wohl aber liefert die Erkenntnis der Vergangenheit Aufschlüsse über Akzente, die damals anders gesetzt wurden als heute, und eine bestimmte Summierung von Akzenten kennzeichnet namentlich das Preußen des 18. Jahrhunderts. Es ist umgekehrt zu verfahren: Stellen wir mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft (der sich auch die Rechtsgeschichte zugehörig zu fühlen hat) fest, was damals war, so sind wir dem Phänomen „Preußen" näher gekommen. Gerade bei der Beschäftigung mit dem Prozeßrecht ist freilich ein Vorbehalt zu machen. Die Mängel der Prozesse, jedenfalls die Klagen darüber, sind so alt, wie es Prozesse gibt, und werden wohl auch spätere Generationen beschäftigen. Das Instrumentarium, diesen Mängeln beizukommen, ist offenbar beschränkt. So vielgestaltig die menschliche Phantasie im Erfinden von Streitigkeiten ist, so zurückhaltend ist sie bei der Beseitigung solchen Streits. Um das Ausmaß dessen darzulegen, wofür die Prozeßordnung des Jahres 1781 Exempel ist, um bestimmen zu können, was hieran betont preußisch war, was auch anderwärts entstand und entstehen konnte und wieweit die borussica des Prozeßrechts andernorts die Rechtsgeschichte verändern konnten, ist zunächst der Scheinwerfer nach rückwärts zu richten, dann sind die Veränderungen der siebziger und achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts darzulegen und zu analysieren, um endlich Wirkungen bestimmen zu können. Brandenburg - Preußen ist, wie jeder andere mitteleuropäische Territorialstaat, bekanntlich aus einer Vielzahl von Ländern zusammengewachsen, die die Landkarte des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation nach dem treffenden Wort Willy Andreas' „der Gemengelage einer unbereinigten Ackerflur"4 ähnlich scheinen ließ. Ein jedes dieser Territorien besaß - wie allgemein hinsichtlich seiner Rechtsverfassung - zu Beginn des 18. Jahrhunderts, als sich der erste Hohenzoller „König" nannte, ein Prozeßrecht eigener Tradition. Im ehemaligen Herzogtum Preußen, dem nachmaligen Ostpreußen, wurde das aus mittelalterlichem magdeburgischen Recht entstandene Kulmer Recht im 16. Jahrhundert reformiert und 4

Willy Andreas, Deutschland vor der Reformation. 3. Aufl. (Berlin 1942) S. 259.

enthielt in Mischung sächsischer und romanistischer Traditionen ausführliche Anweisungen zum Prozeßrecht für die aus Richter und Schöffen bestehenden Gerichte5. Nachdem das Herzogtum 1618 an die Brandenburger Linie der Hohenzollern gefallen war, wurde 1620 ein umfangreiches Landrecht erlassen - auf weiten Teilen ein Lehrbuch des gemeinen Rechts mit Darstellung nicht nur des Zivil-, sondern auch von Straf- und Lehnrecht -; in der Bemühung um Vollständigkeit in gewissem Sinn ein Vorläufer des ALR6. Eingeleitet wird das dicke Buch mit einer Prozeßordnung. Kodifiziert ist hier im wesentlichen der sächsische Prozeß, der sich in entscheidenden Punkten vom gemeinen Prozeß italienischer Herkunft unterscheidet7, wie ihn namentlich die das Reichskammergericht regulierenden Reichsgesetze geformt haben8. Unter dem Großen Kurfürsten wurde 1685 das Landrecht revidiert, die Rechtsprechung dritter Instanz, die während der polnischen Lehnszeit dem Hofe des Königs von Polen zugestanden hatte, ging an das Oberappellationsgericht in Königsberg über', das 1657 gemäß dem Wehlauer Frieden errichtet worden war. - Anders war die Situation in der Mark. Seit dem Entwurf der Kammergerichtsordnung von 1516 - der Name eines Berliner Kammergerichts taucht seit 1468 auf10 - dringt der im wesentlichen schriftliche gemeine Prozeß ein11 wie materiell-rechtlich subsidiär das ius commune eingeführt und in der berühmten Constitutio Joachimica für das Erbrecht 1527, unter Beibehaltung mancher einheimischen Eigentümlichkeiten, festgeschrieben wurde12. In der Reformation der Ordnungen im 16. und 5

Vgl. Johann Christoph Schwartz, Vierhundert Jahre deutscher CivilproceßGesetzgebung (Berlin 1898) S. 270 ff. 6 Vgl. hierzu Friedrich Ebel, Über Legaldefinitionen. Schriften zur Rechtsgeschichtc 6 (Berlin 1974) S. 115 ff.; zust. Gerhard Wesenberg - Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte. 3. Aufl. (Lahr 1976) S. 87. 7 Vgl. Schwartz a. a. O. S. 282 ff. " Zum gemeinen Proceß grundsätzlich Knut Wolfgang Nörr, Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozeß der Frühzeit. Münchener Universitätsschrittcn, Reihe der Jur. Fak. 2 (München 1967); ders., Die Literatur zum gemeinen Zivilprozeß, in: Helmut Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der Neueren europäischen Privatrechtsgeschichte I (München 1972) S.383ff.; Georg Wilhelm Wetzell, System des ordentlichen Zivilprozesses. 3. Aufl. Leipzig 1878 (Neudr. Aalen 1969); Falk Bomsdorf, Prozeßmaximen und Rechtswirklichkeit. Schriften zum Prozeßrecht 19 (Berlin 1971). 9 Vgl. Adolf Stolze!, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung I (Berlin 1888) S. 371 ff.; Schwartz a.a.O. S.291. '= Stölzel a. a. O. I S. 84 ff. 11 Vgl. Schwartz a. a. O. S. 435 ff. 12 Ludwig Eduard Heydemann, Die Elemente der Joachimischen Constitution (Berlin 1841); Friedrich Gtese, Preußische Rechtsgeschichte (Berlin, Leipzig 1920).

17. Jahrhundert, die einzeln anzuführen hier nicht der Platz ist, wird diese Linie ausgezogen. Vergleichbar war die Situation in den Gebieten, die namentlich als Ergebnis des dreißigjährigen Krieges Brandenburg zugewachsen waren. Ob in Jülich, Ravensberg oder den neuerworbenen Teilen Pommerns - überall treffen wir auf Gerichts- und Prozeßordnungen, denen der gemeine Prozeß zugrunde lag13. Die Vielgestaltigkeit und Unvollkommenheit dieser Ordnungen zwang jedenfalls in den höheren Instanzen Richter und Advokaten, die literarischen Erzeugnisse der Wissenschaft, die sich in Lehrbüchern und Gutachtensammlungen überreich ansammelten, zur eigentlich nicht nur subsidiären Rechtsquelle anzunehmen. Weil namentlich Schweden als Reichsstand nicht nur ein privilegium de non appellando erhalten, sondern damit verbunden einen höchsten Gerichtshof errichtet hatte14, konnte das dem Kolophon seiner Staatswerdung hinstrebende Brandenburg nicht zurückbleiben. Für die Ravensberger Gebiete im Westfälischen wurde in Berlin eine Revisionsinstanz errichtet, der dann, wie schon vermerkt, Königsberg für Preußen folgte15. Innehaltend kann hier verallgemeinert werden: Mundus in gutta - die Welt spiegelt sich in einem Wassertropfen. Was hier für die nachmaligen preußischen Staaten gesagt wurde, gilt mit der einen oder anderen Modifikation auch für alle Territorien Mitteleuropas, namentlich des Reichs. Im Ausbau der Justiz zeigt sich - und ist gegeben - die entscheidende Phase der Staatswerdung. Stehendes Heer und territoriales, behördengesteuertes Finanzwesen folgen erst später. Erst zieht der Landesherr die Justizorganisation an sich, um sie dann in die modernen Formen umzugießen, die wir letztlich noch heute vor uns haben. Nach den Worten einer anonymen Relation von 1711 wegen einer neuen Tribunalskonstitution ist die Errichtung eines Oberappellationsgerichts „pupilla verae majestatis supremae", in der „hauptsächlich die Souverainität mitbesteht"16. Das 18. Jahrhundert vollzieht dann diesen Vorgang stürmisch. Die erste Phase einer preußischen Justizreform setzt dann unter Kurfürst Friedrich III., dem nachmaligen König Friedrich I. ein. Nach 13

Zeitgenössische Sammlungen solcher Prozeßordnungen sind nicht selten, vgl. etwa Abraham Säur, Fasciculus iudiciarii singularis (Frankfurt/M. 1589). Die modernen Editionen von Wolfgang Kunkel, Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands I l, Ältere Stadtrechtsreformationen (Weimar 1936); und I 2 Landrechte (Weimar 1938), lassen leider die prozeßrechtlichen Teile der Landrechte und Stadtrechtsreformationen weg. u Vgl. Roderich Stintzing - Ernst Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft II (München, Leipzig/1898; Nachdr. Meisenheim 1957) S. 119. 15 Stölzel a. a. O. IS. 371. 16 Akten des Geheimen Staatsarchivs nach Stölzel a.a.O. II S.5.

Vorläufern einer Kammergerichtsordnung von 1700 für die Neumark wird 1709 die „neu-verfaßte Cammergerichts-Ordnung in der Chur- und Mark Brandenburg" erlassen, eine weitgehend Vollständigkeit anstrebende Kodifikation, die namentlich die Teile behandelt, die wir heute im Gerichtsverfassungsrecht ansiedeln, Prozeßrechtsreform hat ja stets zwei Seiten: Als instrumentale, verfahrenssteuernde Normen (die nicht bloß in gewissermaßen pathologischen Fällen zur Anwendung kommen wollen) stellen die Prozeßregelungen zwar eine Rechtsordnung im gewöhnlichen Sinne dar, müssen indes besonders Rücksicht nehmen auf das Personal der Justiz. Deshalb ist in preußischen Prozeßreformen stets, meist schwergewichtig, parallel zur Einführung neuen Rechts eine Visitation der Justizbehörden durchgeführt worden. Ich werde diesen Punkt sogleich noch näher behandeln. Die Einzelheiten dieser ersten Reformen will ich hier nicht schildern; der Erfolg war nicht überwältigend und die Klagen über säumige Justiz, bestechliche Richter und Advokaten, immer und überall auf der Welt zu hören, nahmen eher zu als ab. Entscheidenderes wurde dann vom „Soldatenkönig" unternommen, der bereits 1713 eine „allgemeine Ordnung, die Verbesserung des Justiz-Wesens betreffend" 17 erließ. Wenig später wurde versucht, den noch heute in §§ 296, 495 ZPO zu findenden Versuch der Güte zum Mittel der Prozeßabkürzung zu machen. Das Institut ist älter, hat Wurzeln im alten deutschen und kanonischen Recht18, ist wohl jeder Rechtsordnung eigen. In der preußischen Rechtsgeschichte ist dieser Akzent des Verfahrens immer besonders betont worden. Während der Güteversuch zu anderen Zeiten und Orten im Gegenteil als Instrument der Prozeßverschleppung bekämpft wurde, galt er in Preußen immer als anstrebenswerter Zug. In ihm zeigt sich eine gewisse Abneigung gegen die Inanspruchnahme der Justiz überhaupt, die bei Friedrich dem Großen nahezu zur Manie wurde, jedenfalls ein Moment, das bei der Analyse dessen, was „preußisch" ist, nicht außer acht gelassen werden darf. Spätestens hier ist es Zeit, aus der Zahl der Reformer einen hervortreten zu lassen, der in diesem Kreise einem jeden bekannt ist: Samuel von Cocccji1'1. Noch unter der Regierung Friedrich Wilhelms I., der in bezug auf die Justiz zwar die besten Absichten, aber keine fortune hatte, 17

(Christian Otto Mylius), Corpus constitutionum Marchicarum II, l Nr. 131 (v. 21 Juni 1713) Berlin, Halle 1757. '" Vgl. Friedrich Ehel, Berichtung, transactio und Vergleich. Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 48 (Tübingen 1978) S.24ff.; 77ff. 19 Biographie vornehmlich bei Stölzel a.a.O. II S.50ff.; 141 ff.

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veranlaßte dieser 1739 ein Edikt über das Verfahren in Bagatellsachen20. In solchen - der Begriff der Bagatelle wurde weit gefaßt, die Grenze bei 50 Talern, etwa zwei Monatsgehältern eines Kammergerichtsrats, angesetzt wurde vor allem das Auftreten von Advokaten verboten; der Richter sollte die Sache ex officio instruieren. Hier liegt der Kern dessen, was 1781 ad kolophonem gebracht wurde. Elemente und Ansätze solcher Art des Prozesses gab es auch anderwärts, die besondere Betonung dieser Seite ist so nur für den preußischen Prozeß historisch gegeben. Die Verordnung ist Bestandteil einer umfassenden Rechts- und Justizreform, in der Cocceji den Boden für die Gesetzgebung der achtziger Jahre gelegt hat, die dann zum ALR führte. Vollendung jedoch blieb ihm versagt. Eine Reihe von Projekten trat hier und dort in Kraft, Ordnungen des materiellen Rechts wie des Prozesses. Der Gegenstand ist gut erforscht21. Trotz einer äußerlichen Zäsur in der Gesetzgebung, deren Anlaß die Kriege des jungen und des alten Fritz hinreichend erklären, geht die Reformarbeit in den Kanzleien unablässig weiter, jenen Kanzleien, aus denen aus der Renteiverwaltung der spätmittelalterlichen Lehnsgesellschaft die Verwaltungs- und Justizbehörden des modernen Preußen entstehen, die in vielen Ausgestaltungen heute noch lebendig sind. In Ostpreußen ist durch Cocceji eine ständig arbeitende Kommission zur Verbesserung des Landrechts von 1721 eingesetzt22 - diese Kontinuität auch in bezug auf das ALR wird heute wenig gesehen. Aus ganz praktischen Erwägungen gewinnt das Justizwesen mehr und mehr rechtsstaatliche Züge; so verfügt der Großkanzler 1747 für das Kösliner Hofgericht, daß zur Kontrolle der Richter einer jeden Entscheidung rationes decidendi beigefügt werden sollen23 - natürlich nützte dies auch den Parteien. Oder Friedrich erklärt schon 1747, er wolle „niemalen, so wenig in Judiz- als in Matrimonialsachen, Machtsprüche geben"24 - meist hat er sich ja auch daran gehalten. Die juristische Qualifikation der Richter durch Examina wird entscheidender Bewertungsgesichtspunkt25, das gilt ja glücklicherweise noch heute. Der individuelle Rechtsschutz wächst. Die Reform hat bewußten Modellcharakter auch für andere Staaten. Eine Hamburger

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Vgl. Schwanz a.a.O. S.476ff.; Bomsdorf a.a.O. S.69ff. Die älteste Darstellung bei Simon, in: (Mathis') Allgemeiner juristischer Monatsschrift für die preußischen Staaten 11 (Berlin 1811) S. 192 ff. -: Vgl. Acta Borussica VII Nr. 131 (5 Jan 1747). J1 Acta Borussica VII Nr. 184 (28 Apr 1747). 24 Acta Borussica VII Nr. 250 (3 Sep 1747). 25 Vgl. August Skalweit, Acta Borussica XVI, Vorwort S. VII. 21

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Zeitschrift lobt im gleichen Jahr die Arbeit Cocceji's in Pommern, der 2400 Prozesse erledigt hatte; der Herzog von Gotha bekundet sein Interesse an der Reform so, daß er einen Abgesandten zu den Beratungen schickt26. Ich überspringe die Folgezeit. Entscheidender Anlaß - wenn auch nicht innere causa - für die endgültige Reform des Prozeßrechts war der berühmte Prozeß des Müllers Arnold 1779, der mit der Amtsenthebung des damaligen Großkanzlers v. Fürst unter Ernennung v. Carmers endete, der den genialen Suarez aus Breslau heranzog. Diesen Prozeß vor Berliner Juristen reproduzieren zu wollen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Das bekannte Ergebnis hatte das wohl folgenreichste convivium gleichgesinnter und begabter Juristen der deutschen Rechtsgeschichte zur Folge. Da damals das Justizministerium noch kein Dienstgebäude besaß, kaufte der Großkanzler v. Carmer ein Haus, welches „an der Contrescarpe nach der Königsbrücke lag". Später bildete es mit der Front nach dem Alexanderplatz die Ecken der beiden Parallelstraßen Königsgraben und Alexanderstraße27, heute im Osten der Stadt gelegen. Führender Kopf nicht nur der Landrechtsredaktion, sondern auch der Prozeßreform war Suarez, dem die Berliner Juristische Gesellschaft vor 105 Jahren ein Ehrenmal am Grabe an der Luisenstädtischen Kirche errichtet hat28. Es ist heute nicht mehr zu finden. Die Entlassung des an der ganzen Müller-Arnold-Sache unbeteiligten Großkanzlers v. Fürst am l I.Dezember 1779, in einem zugedonnerten: „Marsch! Seine Stelle ist bereits vergeben!" bestehend29, war Veranlassung für die großen Reformen des nächsten Jahrzehnts. Auf ein Promemoria vom 4. April 178030 antwortete der König zwei Tage später in einer Kabinettsordre, daß er mit den Carmer'schen Vorschlägen, die der Sache nach an die Coccejischen Reformen anknüpften, einverstanden sei: „Es kommt nur darauf an, welches besser ist, dazu Leute aus den Collegiis, oder Professores dazuzunehmen, nur sind die letztern immer zu weitläuftig, und also glaube Ich, wenn wir dazu habile, ehrliche und recht zuverlässige Leute aus den Collegiis nehmen, daß Wir besser und weiter damit kommen" 31 - von unserereins hat Friedrich nie viel gehalten. Die 2(1

Vgl. Acta Borussica VII Nr. 248 (Sep. 2 - Nov. 12 1747). Vgl. Slölzel Carl Gottlieb Svarez (Berlin 1885) S. 154. 28 Vgl. Stützet a. a. O. S. l ff. 29 Vgl. Stölzel, Rechtsverwaltung (Anm. 9) II S. 277. 3: Vgl. Stölzel a. a. O. II S. 293. 31 Cabinets-Ordre vom 6. Apr. 1780, bei v. Kamptz, Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Verwaltung 46 (1835) S. 225 ff. 27

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Ideen Carmers seien „admirable", „denn das ist pur der Advocaten ihre Schuld, daß die Sachen so verwirret werden". Diese waren es dann auch, die in der neuen Prozeßordnung am schlechtesten wegkamen. Eine acht Tage später erlassene, eingangs erwähnte, Kabinettsordre enthielt dann die maßgeblichen Grundsätze. Einmal wurde nochmals Wert gelegt auf die Visitationen der Justiz: „Ein Mensch von schlechten Sitten und ohne Moralität vergißt sehr leicht seine Pflichten und es müssen dergleichen Leute durchaus nicht bey der Justiz geduldet werden"32. Wie rüde man dabei vorging, sei anhand eines repräsentativen Zitats aus einer Visitation des Königsberger Gerichts belegt: „Der älteste Rath von Jagow scheint niemals einen Geist gehabt zu haben. Die declamatorische Art seiner Vorträge fället fast ins Lächerliche und Sachen von einiger Wichtigkeit können ihm ohne Besorgnis für die Partheien zu erwachsenden Nachtheils nicht anvertrauet werden. Der Rath Kelch zeichnet sich besonders aus und würde einer der allerbesten Räthe sein, wenn er sich nicht auch sonst allzu klug und weiße dünkt"33. Das wenig später erlassene Corpus Juris Fridericianum konnte zurückgreifen auf Vorarbeiten Carmers, die seinerzeit vom Vorgänger Fürst abgelehnt und auch vom König nicht akzeptiert worden waren, nunmehr aber Billigung fanden34. Namentlich K. W. Nörr hat herausgearbeitet, in wie hohem Maße die Prozeßordnung von naturrechtlicher Denkweise beeinflußt ist35, jener Staatsideologie, die dem friderizianischen Preußen den Stempel aufgedrückt und - selbst überwunden - den Weg in das bürgerliche 19. Jahrhundert geebnet hat. Anders als ältere Gesetze, die zwar in den Vorreden Bekenntnisse zu den „General-Principia, welche in der Vernunft gegründet seyn"36 enthalten, der Sache sich aber nicht von den gemeinrechtlichen Prozessen unterscheide, setzt das Corpus luris Fridericianum „konkrete Leitgedanken (um) ..., denen sich der Prozeß als Ganzer zu fügen hat"37. Diese Leitgedanken werden in einem von Suarez aufgesetzten „Unterricht über die Hauptgrundsätze und das Wesen des danach zu beobachtenden Verfahrens" den Landesjustizkolle-

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Cabinets-Ordre vom 14 Apr. 1780, Anhang 1. Acta Borussica XVI Nr. 83 (15 Oct. 1773). 34 Vgl. Simon, a.a.O. S.271. 3> Knut Wolfgang Nörr, Naturrecht und Zivilprozeß. Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 41 (Tübingen 1976) S. 24 ff. 36 So der Titel des „Project des Corporis Juris Fridericiani" von 1749 (ed. Halle 1749). 37 Nörr a. a. O. S. 25. 33

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gien übersandt38. Das hohe Tempo, in dem die Reform zustande kam, hatte es nicht erlaubt, den Entwurf vorher dem wissenschaftlichen Publikum vorzulegen39. Bei der Ausarbeitung des materiellen Rechts geschah das ja bekanntlich. Dieses für das 18.Jahrhundert doch bedeutsame Faktum verdient es, hervorgehoben zu werden. Anderwärts wurde zur gleichen Zeit ein amtlicher Kommentar zu einem Landrecht allein deshalb lateinisch abgefaßt, damit das Volk keine Argumente zum Streiten fände 40 . In Preußen plante man, um dennoch fremde Stimmen berücksichtigen zu können, baldige Reform des zu erlassenden Gesetzes. Der „Unterricht" wurde als Vorbericht der amtlichen Ausgabe vorabgedruckt*1. „Vornehmster Endzweck" der neuen Prozeßordnung ist nach diesem Vorbericht „1. Den Richter instandzusetzen, die Wahrheit selbst aufzusuchen, dagegen aber auch 2. die Partheyen gegen alle willkürliche Behandlungen zu sichern"42.

Zur Erreichung dieses Zwecks soll die Untersuchung der Fakten vom Richter „unmittelbar und hauptsächlich besorgt werden"; spätere Zeiten haben das mit dem unscharfen Schlagwort Untersuchungsmaxime bezeichnet43. Er hat weitgehende Freiheit hierin, kann die Parteien persönlich laden, nicht vorgebrachte Dinge berücksichtigen und vor allem, Vorbericht sub VII: „die bisherigen Advocaten sind aus den oben angeführten Gründen gänzlich abgeschafft". Das ist das Kernstück der Reform. Ersetzt werden die Advokaten durch staatlich besoldete sogenannte Assistenzräte44. Sie waren ein Mittelding zwischen Vertretern der Parteien und Gehilfen des Richters. Skizzieren wir - in aller gebotenen Kürze - den Gang des Prozesses nach der neuen Ordnung. Wer klagen will, hat zunächst die Klage anzumelden. Diese „erste vorläufige Anzeige" muß in der „nächsten Versammlung des Gerichtes von dem dazu geordneten Decernenten 38

Simon a. a. O. S. 271; Stölzel (Anm. 27) S. 192. Simon a.a.O. S.273. 40 Vgl. Friedrich Ebel, Die Ehe als juristische Person, in: FamRZ 25 (1978) S. 639. 41 Vgl. Brief-Wechsel über die gegenwärtige Justiz-Reform in den Preußischen Staaten (Berlin 1780-1784) II (1781) S. 3. Moderne Teil-Edition des Vorberichts bei Nörra.a.O. S. 64 ff. 42 Vorbericht S. XXII; bei Nörr a. a. O. S. 64. 43 Vgl. Schwanz a.a.O. S.498; Bomsdorf z.z.O. S. 146ff.; Nörr a.a.O. S.28. 44 Vorbericht S. XXV; bei Nörr a. a. O. S. 65. Vgl. zum Folgenden Schwartz a.a.O. S.495ff.; Bomsdorf a.a.O. S. 76ff.; Adolf Weißler, Die Umbildung der Anwaltschaft unter Friedrich dem Großen (Königshütte 1891). 39

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vorgetragen werden" (I 2 § 4). Sind keine Zulässigkeitsbedenken gegeben (das Gericht kann etwa von sich aus an ein anderes verweisen), „so wird zur würklichen Aufnehmung der Klage ein Aßistenzrath ernennt und der Kläger von diesem vernommen" (I 2 § 11). Im nächsten Stadium wird die Klage instruiert. Der Assistenzrat hat vom Kläger die Fakten zu ermitteln und ein „umständliches Informations-Protokoll darüber aufzunehmen". Hier werden genaue Anweisungen gegeben, was der Assistenzrat alles zu beachten hat; Zuständigkeit des angegangenen Gerichts wie etwaige anderweitige Rechtsanhängigkeit ist ebenso zu überprüfen wie namentlich die tatsächlichen Umstände, um den Assistenzrat in die Lage zu versetzen, mit dem Kläger genauestens die Rechtslage durchsprechen zu können, insbesondere ihm „nochmals ernstlich zu Gemüthe (zu)führen, ob die Sache vorgetragener- und niedergeschriebenermassen sich würklich verhalte; ihn anmahnen, der Wahrheit die Ehre zu geben" (I 3 § 7). Der Assistenzrat hat eine filternde Funktion: „Findet der Aßistenzrath aus der eingezogenen Information, daß die Forderung des Klägers sich zur rechtlichen Erörterung gar nicht qualificire... so muß er, wenn Kläger sich von ihm privatim per modum consilii nicht bedeuten lassen will, dieses sein Bedenken mit Einreichung seiner Informations-Akten, dem Collegio pflichtmäßig anzeigen, und abwarten, ob dasselbe den Kläger durch ein Dekret abweisen, oder die Fortsetzung der Sache verordnen werde" (13 § 12). Andernfalls aber muß der Hauptbericht erstellt und in der nächsten Sitzung des Gerichts von dem Dezernenten vorgetragen werden. Wichtig und typisch naturrechtlich ist die hier wie sonst im friderizianischen Prozeß festzustellende Befreiung des Gerichts von Formalien45; der modus procedendi wird „dem vernünftigen und pflichtmäßigen Befund der Gerichte anheimgestellt" ( 3 §20). Wenn schon das Ziel des Prozesses die Wahrheitsfindung ist, dann sind Beweisregeln, -verböte und dergleichen natürlich nur Hindernisse auf dem Weg, dies Ziel zu erreichen. Dem Beklagten wird, will er es auf einen Prozeß ankommen lassen, ebenfalls ein Assistenzrat beigeordnet; das hier ablaufende Verfahren entspricht dem bei der Klageerhebung. Der Richter hat dann im Termin „mit Zuziehung der Aßistenzräthe durch vollständige Auseinandersetzung des Facti, Regulirung des Status controversiae und Aufnehmung der Beweise zu erreichen bemüht zu sein, wobey zugleich die Sühne unter den Partheyen alles Ernstes versucht werden muß" (I 10 § 1). Und ich zitiere gleich noch den § 2 dieses Titels: „Alles was zu dieser Instruktion 45

Vgl. Nörr a. a. O. S. 30 Anm. 95.

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erforderlich, ist der Deputatus collegii ex officio zu verfügen berechtigt; und die Partheyen müssen seinen Anweisungen Folge leisten." Diese „Instruktion der Sache" ist der Kern des Verfahrens und führt zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts; ihr ist ein umfangreicher Teil der Prozeßordnung gewidmet. Nach Abschluß derselben wird eine Verzögerung des Verfahrens, der ständig schon durch Einzelanordnungen vorgebeugt werden soll, endgültig nicht mehr geduldet: „Wenn durch Aufnehmung der Beweismittel die Instruktion des Facti völlig geschlossen und die Sühne unter den Partheyen fruchtloß versucht ist; so müssen die Aßistenzräthe, was sie nach Maaßgabe des entwickelten Facti, zum Beruf ihrer Partheyen etwa noch in jure anzubringen haben, sofort zum Protokoll geben; auch müssen die Partheyen ihre Kosten-Rechnung einbringen" (I 12 § 1). Acht oder 14 Tage hat der Assistenzrat Zeit, sich - nicht zum Sachverhalt - schriftsätzlich zu erklären „was seiner Meinung nach aus diesem Facto rechtlich folge; das Gesetz, aus welchem, wie er glaubt, die Entscheidung genommen werden müsse, anzuzeigen; wenn es nicht bloß auf die Worte, sondern vornehmlich auf rationem legis ankommt, solches näher auszuführen" (I 12 § 5). Diese letzte Beschränkung läßt deutlich die vernunftrechtliche Herkunft der Normen erkennen. Deduktion aus Begriffen war die Methode des Vernunftrechts; aus den Worten des Gesetzes muß sich die Anwendbarkeit pur ergeben. Ein Forschen nach der ratio legis ist an sich schon gefährlich. Ist das Verfahren so weit, wie geschildert, gediehen, so wurde nochmals eine Kontrolle eingebaut. Ein Personenwechsel findet statt: „Zur Abfassung des Erkenntnisses wird von dem Präsidenten oder Chef des Collegii ein Referent bestellt" (I 13 § 1). Es entscheidet dann das Kollegium nach Stimmenmehrheit, bei Zweifeln kann eine Entscheidung der Gesetzeskommission eingeholt werden. Auch diese Einrichtung ist keine preußische Erfindung. Den refere legislatif finden wir schon bei Justinian; das Interpretationsmonopol immerhin, das die Gesetz-Kommission dann später im ALR auszeichnet, ist allerdings in dieser Überspitzung Ergebnis des Rationalismus der Aufklärung44. So kraß durchgeführt, erscheint (und scheitert) es historisch allerdings nur in Preußen. Das Urteil wird mit Gründen versehen, die so abzufassen sind, daß „auch die Partheyen selbst verstehen und einsehen können, was eigentlich und warum es einem von ihnen ab- und dem ändern zuerkannt worden" (I 13 § 14). Ich breche hier die Schilderung des Prozesses nach dem Corpus Juris Fridericianum ab. Es wurde schon von Zeitgenossen angefeindet, 46

Vgl. Friedrich Ebel (Anm. 6) S. 156 ff.

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namentlich von dem durch v. Garnier in seiner Karriere gebremsten Kammergerichtspräsidenten v. Rebeur47; im übrigen Deutschland wandelte sich anfängliche Begeisterung alsbald in deutliche Kritik48. Kernstücke der Reform wichen auch in Preußen den Zwängen der Notwendigkeit. Eine Reformdiskussion entspann sich „geplant" bereits durch die Gesetzesverfasser selbst. Höchst instruktiv ist ein fingierter anonymer „Brief-Wechsel über die gegenwärtige Justizreform in den Preußischen Staaten", deren Urheber Suarez und der vortragende Rat Baumgarten waren49. Anfragender ist ein fiktiver Rechtsgelehrter aus der führend aufgeklärten Universität Göttingen. Er hebt sogleich darauf ab, daß ja nun in Preußen „die Priester der Gerechtigkeit zugleich dem Dienste der Wahrheit gewidmet sind"50, und vermerkt interessanterweise, daß „die mehresten deutschen Fürsten schon seit vielen Jahren zur Nachahmung des Preußischen Monarchen gewöhnt sind"51. Seitenlang werden die Besonderheiten des friderizianischen Prozesses verteidigt; ich hebe nur hervor die Auswahl der Assistenzräte nicht mehr durch die Parteien, die Entscheidung von Rechtsfragen durch die Gesetz-Kommission. Der Rechtsverdreher, „Leguleius", ist besonders schlimm dran; es droht ihm, wörtlich, „die gänzliche Ausrottung dieser landverderblichen Rac.e von Menschen"52. Unentgeltlichkeit der Rechtspflege sei freilich auch nicht anstrebenswert, Scheu vor Kosten könne die Prozeßsucht dämpfen. Dergleichen Argumente hört man heute etwa bei der Rechtsschutzversicherung. Interessant ist eine Passage, die Licht in ein merkwürdig dunkelgraues Problemfeld wirft. Häufig wird das friderizianische Preußen als Höhepunkt des aufgeklärten Absolutismus geschildert, das ALR als Abschlußbild einer Epoche - unvermittelt daneben das Gedankengut der französischen Revolution als Aufbruch in eine neue Zeit. Wie sich das Preußen dieser Zeit hiermit auseinandersetzt, klingt selten an. Es hat sich damit auseinandergesetzt. Das gilt selbst für unser Thema, das Prozeßrecht. Die solideste Art, Ihnen dies nahezubringen, dürfte auch hier das Zitat sein. Suarez reagiert auf den Vorwurf, die neue Prozeßordnung lege der 47

Vgl. Stölzel a. a. O. II S. 295 f.; Nörr a. a. O. S. 30 Anm. 95. Zuletzt Karl Kroeschell, Geschichte der Advokatur in den weifischen Landen, in: Hundert Jahre Rechtsanwaltskammern. Schriftenreihe der Bundesrechtsanwaltskammer 2 (München 1981) S. 21. 49 S. Anm. 42. 50 Brief-Wechsel I S . l. 51 Brief-Wechsel IS. 3. 52 Brief-Wechsel IS. 19. 48

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bürgerlichen Freiheit Zwang an: „Ich schätze so sehr als jemand das kostbare Kleinod der bürgerlichen Freiheit; ich verabscheue alles, was das Ansehen einer Venetianischen Inquisition hat", aber es sei „Grundzweck jeder bürgerlichen Gesellschaft, mithin die höchste Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß einem jeden sein Recht widerfahre"; mithin müsse der Staat auch in die Intimsphäre des Bürgers eindringen „nur muß er seine Nachforschungen nicht weitertreiben, als es die Erreichung jener Zwecke nothwendig macht"53. „Der Staat respektirt die Geheimnisse des Privatmanns und der Familien, so lange er nicht findet, daß diese Verbindlichkeiten höheren Pflichten weichen müssen. Alles kommt darauf an, daß man die Grenzen richtig bestimme"54. Von diesen Grundlagen werden konkrete Einzelheiten des Verfahrensrechts abgeleitet. So ist die Strafe, daß der Klägervortrag bei Kontumaz des Beklagten als zugestanden geachtet werden soll, als Bestrafung für eine offenbare Geringschätzung des richterlichen Amts konzipiert55. Übrigens kennt das angelsächsische Recht noch heute diesen Aspekt. - Die Folgezeit hielt den strammen Anti-Anwalts-Kurs nicht durch. Neben den Assistenzräten hatte v. Carmer den Stand der Justizkommissare geschaffen, wesentlich um das Notarwesen neu zu ordnen56. Unter gewissen Voraussetzungen wurden diese, meist wie die Assistenzräte ehemalige Advokaten, als Parteibevollmächtigte zugelassen; seit 1783 konnten sie den Assistenzrat ersetzen. Als man 1791 eine Revision des Corpus Juris Fridericianum begann, vor allem, weil die vorhandene Druckauflage vergriffen war, waren die Assistenzräte verschwunden. Die 1793 fertiggestellte AGO kannte sie ja nicht mehr. Im übrigen aber war das Verfahren nach dem Corpus Juris Fridericianum unverändert beibehalten. Trotz mancher Änderungsversuche im 19. Jahrhundert57 blieb das Verfahren als preußischer Zivilprozeß (trotz mancher Entleerung) bis zu den Reichsjustizgesetzen in Kraft. Abschließend muß ich nun rechtfertigen, weshalb ich im heutigen Thema von „200 Jahren" preußischen Prozesses sprach. Die Anfänge, die ich zu schildern versuchte, reichen ja in eine ältere Vergangenheit. Und heute gibt es den Staat Preußen nicht mehr, mithin auch keinen preußischen Zivilprozeß. Als 1871 - gewissermaßen durch Kaiserschnitt - ein 53

Brief-Wechsel I S . 34 f. Brief-Wechsel I S. 37. 55 Brief-Wechsel I S. 38. 5(1 Weißler a. a. O. S. 120ff.; Bomsdorf a. a. O. S. 84. 57 Knut Wolfgang Nörr, Reinhardt und die Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. lus commune - Sonderhefte 4 (Frankfurt/M. 1975). 54

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neues Deutsches Reich ins Leben trat, war die Schaffung einer zentrapetalen Justiz und die Konzeption eines einheitlichen Prozeßrechts nicht mehr, wie in der frühen Neuzeit, neccessarium constituendum der Staatsbildung, sondern nur noch — bald erfülltes - Desiderat des politischen Wollens. Die CPO des Deutschen Reichs beendete über vier Lustren früher und noch viel gründlicher das preußische Recht auf dem Gebiet des Prozesses als auf dem des materiellen Rechts. Sie beruht bekanntlich auf dem hannoverschen Prozeß, der seinerseits nicht unbedeutende Fundamente im französischen Prozeßrecht hat. Finden wir heute noch „Preußisches" in unserem Zivilprozeß? Daß es sich dabei nur um Akzente handeln kann, habe ich mehrfach betont. Zum einen etwas Rechtstatsächliches: Unbestritten ist seit dem Ende des 18.Jahrhunderts die Klage über Bestechlichkeit der Richter verschwunden. Natürlich im Gesamtzusammenhang des Staatsbeamtentums zu sehen, ernten wir auch hier von der Saat des friderizianischen Preußen. Aus dem eigentlichen Prozeßrecht ist die unter den fragwürdigen Schlagworten Untersuchungs- oder Verhandlungsmaxime diskutierte Stellung des Richters von Bedeutung. Sie befindet sich nunmehr, nach einem Rückschlag des Pendels in der Reichs-CPO, im Bereich des heutigen § 139 ZPO in ausgewogener Mitte zwischen den Extremen der Maximen. Im übrigen greife ich zwei Punkte heraus: Die Stellung des Anwalts und die Wahrheitspflicht der Parteien. Daß es sich bei der Errichtung der Anwaltskammern unmittelbar um Einflüsse aus Hannover, nicht um eine direkte Übernahme des preußischen Justizkommissars und seiner Aufsicht handelt, ist eindeutigäfl. Die Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege und nicht bloß, wie der erwähnte „Brief-Wechsel"59 vermeldet „Chicaneur von Profeßion" oder „allzeit fertigen Diener seiner Partei Leidenschaften" und „Mitgenossen (ihrer) schändlichen Gewinnsucht" ist historisch in seiner Auswirkung auf das hannoversche Modell wie sachlich im Durchbruch auf das Bild des Anwalts unserer heutigen Gesetze vom damaligem preußischen System geprägt. Auch die Wahrheitspflicht der Parteien ist mit Sicherheit älter als das Corpus Juris Fridericianum, fand dort aber den historisch stärksten Ausdruck. Der römische Zivilprozeß entwickelte das Institut des Kalummieneides, auch dem deutschen Recht ist die Wahrheitspflicht der Parteien nicht fremd. Das Naturrecht überhöht dann diesen Gedanken: Von Augustin bis Pufendorf inspiriert stellt der Gieße58

Zuletzt vgl. Kroeschell a. a. O. S. 21 ff.

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Brief-Wechsel I S. 15 f.

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ner Jurist Höpfner in seinem „Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaft und der Völker" fest: „Das Recht, von anderen zu verlangen, daß sie mir nicht durch Betrug oder Lügen Schaden thun, ist außer Zweifel"60. Dies wird vom Corpus Juris Fridericianum übernommen 61 ; selbst die Assistenzräte müssen sich bemühen, herauszufinden, ob ihre Partei die Wahrheit vorträgt62, und in den programmatischen Teilen ist hiervon immer die Rede. 1784 schreibt Suarez an den französischen Justizreformer Villeneuve, „daß es der Endzweck der gantzen Procedur sey, den Richter in den Stand zu setzen, daß er den wahren Zusammenhang des bey jedem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Facti deutlich und vollständig übersehen und sodann auf dieß mit möglichster Klarheit entwickelte Factum die Gesetze richtig anwenden könne"63. Nach der Einführung der CPO war man sich dieser Sache nicht mehr sicher; unter den Gegnern der Ansicht, der Zivilprozeß sei auf Ermittlung der Wahrheit gerichtet, sei etwa Adolf Wach hervorgehoben64. Die Novelle 1933 pfropfte dann die Wahrheitspflicht einem Gesetz auf, das sie nicht gekannt hatte65. Das Reichsgericht schließlich erklärte die Wahrheitspflicht 1937 wieder zum obersten Grundsatz der ZPO66. Dies und manches andere ist sicher nicht monokausal, aber doch in der Tendenz preußisch. In Abkehr von meinem mehrfach betonten methodischen Ansatz möchte ich als Schlußzitat eine Bemerkung Friedrichs d. Großen über den Zivilprozeß anfügen, die - impressionistisch gesehen - gleichsam als Motto über all diesen Bemühungen stehen könnte. Als ihm v. Carmer 1780 den Immediatbericht über das Corpus Juris Fridericianum vorlegte, vermerkte er marginaliter: „Der Titel ist indifferent, wenn nur die Sache von Nutzen ist"67.

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Ludwig Julius Friedrich Höpfner, Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaft und der Völker.-4. Aufl. (Gießen 1784) §41 (S. 36). 61 Vgl. zur Frage Nörr (Anm.35) S. 28. 62 Corpus Juris Fridericianum I 3 § 7. 63 Nach Stölzel (Anm. 27) S. 158 ff. 64 Adolf Wach, Vorträge über die Reichs-Civilprocessordnung. 2. Aufl. (Bonn 1896) S. 199. 65 Vgl. Friedrich LentyW 1933, 2674; Wilhelm Kisch DJZ 1936, 913; Bernhardt JZ 1963, 245 f. 66 RG AkZ 1937, 536 m. Anm. Bernhardt. 67 Simon a.a.O. S.203.

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2CIlerj>öcI)fte Äöniöiic^e inet$'£>rbte, bic befferung be6 $ufti^S8efen$ betreffenb, bc bato $)ot$bam, ben 14. 2ijml 1780 : SRooutn Sorpuä ©onftttutionum ^)rufTtco=§Branbenburgenftum praeripue SRcu^lncarum VI (^Berlin 1781), SJerroaltung ber ^uftij, in Unferm Äömgreic^ unb Staaten, ben bemerften Unorbmin* gen unb Mängeln abju^eifen befummert gemefen, unb befonberS oerorb« net ^aben: 1) £af? bte ^uftitj^oliegia auf einen beffern $ufj eingerichtet, mit gefc^icften unb ef>rlicl>en Scannern befetjt, 2) ba§ bte ^)ro3e^£)rbnung t>on unnützen Formalitäten gereiniget, bie ^ro^effe in einem $al>re gu ßnbe ju bringen möglich gemacht, unb 3) bte bi$J>er ju fe^r jerftreute, unbeftimmte unb jmet)beutige oiefetje mit möglicher ^recifton unb iDeutltc^feit befttmmt unb gefammelt merben follen. SSa$ nun ben erften iirtifel (moon betrtft, fo jmeifeln Sßir gar nicljt, ba§ burc^ bie eingeführte beffere @uborbination in benen ©ollegien, burc^ beftimmtere ßrbnung in allen ©efcf>äften, unb befonberö burc^ bie 2Cnroeifung, welcher bie | ber ^fuftttj mibmenben ©anbibaten burcl) fc^arfe (Syamina geprüft, burc^ mehrere ^a^re al6 JReferenbarien in benen ©ollegite ju aller Arbeit angeführt, unb berfelben J)en!ungöart unb ©onbuite genau erforfc^t merben follen, ein ^inlänglic^eö ©enüge gefc^e« Mein biefe ber @ fo angemeffene SBerorbnung n>ürbe fruc^tloö fe^n, roenn bie ^)raftbenten unb £>bern eineo jeben ©ollegii ju genauerer ^Befolgung biefer SSorf rift mit en, ba§ Unfere Sßtllenöme^nung Hierin aller £)rten auf6 genauefte befolgt n>erbe; unb mu^t S^r ju folc^em

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(Snbe Don bcnen ^)raftbentcn imb. Director en ber $ufiii^(£ollegien eine juDerl jnge, unparfl^ifclje unb genaue Sounbuiten' ifte Don f mmflic&en SRiigliebern unb (Subalternen einforbern, aucl) bety benen SSifttationen befonberS auf biefen $)unff auf genauefte inquitiren laffen. £)enn eo ift ηίφί genug, roenn ein $ufiit3=S8ebienter Γιφ Dor groben £Beftec(nmgen fwtei, fonbern er mufj au$ in allen $anblungen feinea 2imte6 olwe bie geringfte $)afnon ju Soerfe gel>n, unb alien «Scfjein einer sparifjeplicfcf etf Dermeiben. din SJienfcf) Don fcf)lecf)ien bitten unb olme SKoralitat Dergi^t fe^r leicht feine $)flici>ten, unb e muffen bergleic^en Seute burc^au ηίφί bet) ber SMtitj gebulbet merben. 3ίιιφ mufj @ηφ bergleic^en unm rbige «Subject aitajuftoffen, feine έΚϋςί^φί auf beffen fonftige ©efc$icf(tc$feit, Familie, unb anbere bergleiφen ©onftberation , abgalten. S enn S55ir unS fok^ergeftalt Don ber έReφtfφaffen^eit Unferer $uftitj=(£ollegiorum Derftφern f nnen, fo roerben S ir αηφ Unferer @eit Urnen alle ©erec^ttgfeit roieberfa^ren laffen, unb einen jeben ηαφ S rben eljren unb belohnen; bagegen aber fennen S tr feine Strafe, bie ju ^art \fyn follte, fieute bamit ju belegen, bie i^re $pffof)ten fo n?eit i>int« anjufet^en im @tanbe m ren, ba§ fte tyr 2(mt, mek^e su 5efφ ί3ung ber Unfc^ulb unb ί(ufreφt^altung ber @ewf)tigfeit beftimmt ift, sur llnter= br cfung unb $Bernici>tung berfelben ηιί^Γαυφεη follten. S a jtt)e^ten6 bie ^ro^effe anlanget, fo null ίφ mo^l glauben, bafc bie e^emat obgewalteten groben SKif brauche gehoben morben; im (Drunbe aber ift bennoc^, mie 9?£r mir eingehen mii^t, biefe rbnung ba6 unfc^icfHc^e ®en?ebe be3 geiftltc^ien 9ί6φίο, ber ganj iDeutfc^lanb [φοη feit Derfφiebenen $al)rj)unberten gef lagt ^at. ift miber bie SJiatur ber @αφε, baf bie ^)art^et)en mit i^ren gen unb 5efφn>erben Don bem SRic&ter ηίφί felber geh rt merben, fonbern i^re 9lotbburft burc^ gebungene 2ib»ocaten Dorftellen follen. liefen KbDocaten ift fe^r baran gelegen, ba§ bie ^ro^effe DerDielf ltigei unb in bie S nge gejogen merben; benn baDon bepenbirt i|>r SSerbienft unb tyr ©elbft ber reblt$e SKann unter i^nen, meiner mit ^tntanfetjung fei» Sntereffe bie φίϊίφίεη eine guien S rgerS ju erf llen nofinfc^te, barf al Kl ger ober SBeflagter ηίφί offenherzig ju SBerfe ge^en, roeil fein ( egner eine umft nblic^e ©rj ^lung beS Facti ba^in mi brauchen f nnte, i&m eine Stenge S emeife auf ben φαίο p fc^ieben unb tyn baburc^ in ein Sabt>rint^ ju f hren, au6 melc^em er fiel) o^ne ®efa^r ober SSerluft feine 9iec^t6 faum mieber beraub roicf ein n> rbe, 3)enn menn ber Siebter bie Tiefen nic^i efcer in bie «^>anb befommi,

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bis bie tfboocaten butc|> i&re @ci)rtft'(S tac ba$ ^actum ηαφ 3 oi>lgefal· ten Derbre t unb »erbunfelt ober mangelhaft vorgetragen aben, fo ift ee feljr nat rlich, baf ber Urtycl faffer bcn rechten ®efal)t punft verliert, folglich auf unab auate £Bewetfe erfennet, unb weil er auf bem emgefcf)la= genen irrigen SBege fortgeben muf, oft wiber feine Ueber^eugung am (Snbe ein offenbar ungerechtes Urtljel $u fprec^en gen t iget tft. 8φ fann faum glauben, baf jemaien einer ber aiten unb vern nftigen (Skfetjgeber auf bie ©ebanfen geraten fet>n f nne, eine bergleic&en unna= t rlic^e ^)roje^£)rbnung ftatuiren ju wollen, unb oermut^e Dielme^r, bajj bie ^Barbaren fp terer 3 «ten unb bie S3equemlic^feit ber f ufytt biefe SRifjgeburt oeranla§t ^aben. Sn ber r mifc^en ®efc^ic^te finbe ιφ ηίφίο, fo ηιίφ ein anbereS Der* mutfjen liefe. Sie 9ίιφίβΓ bet) ben R mern mu ten erft bie (^£e in Facto felbft unterlie en, e e bie »on ben $)arti>et)en beftellten 9lebner angeh rt unb ba llrt el gefί)roφen w rbe; unb wenn e$ ma^r tft, ba^ αυφ bie p bftltφen ®efetje au^br cflic^ Derorbnen, baf ber 5Rtφter ba$ $artum unterfuc en, unb bie 2Cbt)ocaten nur bie SRec te ber befenbiren follen, fo wirb meine obige SSermut ung jur Dem fep aber wie i^m wolle, fo tft e$ Unfer ernf^ er SBille: baf ber 9fliφter f nfttg bie ^)art^e^en mit i^rer lage unb SBerant* wortung felber ^ ren tfjre erj ^lungen unb mit§ubringenbe S3ewei = Burner gegen einanber galten, unb fo ben wahren Bufammen ang ber @acf>e, we^e ju bem £Rec^t ftreit tfnlaf gegeben, erutren; ^ternaφ aber benenfelben ben Siechten unb ber SBilligfett gem fe S5orfφl ge jum 8Sergleiφ machen folle. tr galten Uno Derftc&ert, baf ίφοη baburφ, baf bie tyattfyfym Don ber etgentltφen Sage ber @acl>e unterriφtet werben, bie allermel>reften ^)rojeffe |ιφ burφ SSergtol) werben eben laffen. iDiejentge 9to&t$i>a~nbel, we^^e auf biefe 2(rt ntcf)t beigelegt werben f nnen, ftnb wemgften gegen alle 3ewei =©rfenntntffe, wek e bt fcer bie allerme reften S eitl uftigfetten erurfaφt Ijaben, geΓtφert; unb f n« nen fobann, fo Diel bie £Reci)t fragen betriff, fei>r Ιείφί ferner jum @ρ™φ inftruirt werben. So tft Unfere Meinung tebe^) ηίφί, baf ben $parti>ei)en be^ berglei= φen gertc!>tii$en «^anblungen bie Tifftftenj eine 2Κ.ϊ$&$ηνηϊχί$ fagt werbe; melme r finben SBtr e n t ig, fowo l bem l ger §Beflagten, αυφ fc on bet) Unterfuφung be Facti, feinen 2£b»ocafen au bem @nbe ju accorbtren, bamtt berfelbe ben 3tici)ter, wek^er Dtelletφt au 3|laφl figfeit, SWangel ber penetration ober wo l gar au$ ^artbet)ltcb= feit, ber tfjm obliegenben Unterfuφung feine «Sati factton (elften m chte,

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feiner $)flicljt erinnern, Um in allem controlltren, bie SfcecJjtSÄünbe ber ^Partfjety bebuciren, unb alfo für bie (Sici>erl)eit feineö Orienten auf alle tfrt (Sorte tragen folle. Damit aber biefe neue 2Crt oon 5Cboocaten roieber auf bie alten Srrroege geraden möge, fo muß bie e fo eingerichtet werben, baß fol$e bet) bem 85er$uge ber Gmtfcjwbung unb SSerDielfältigung ber $)ro= jeffe nicl>t intereßiret fmb, fonbern einen ganj anbern ®eftcf)t$punft jur äöeförberung tljreö ©lücfö unb tyreö Sntereffe er&alfen· Die £Referenbarien muffen bet) Unferer neuen Einrichtung, i>auptfäc^lic^ be^ ben llnterfuc^ungen ber @ac^en in Facto gebraucht, unb ben JRätfjen babe^y jur ^ülfe gegeben »erben. Diejenigen Sleferenbarii, roelci)e be^ biefen Gelegenheiten bie mei>refte ®efc^icfltc^feit unb penetration jeigen, merben ju fernerer SBeförberung beibehalten; unb auö biefen follen bie 2(boocaten, ober mie man fte füg* lieber nennen möchte, bie 2iffiften^9tät^e-, au6 biefen aber in ber Wolge bie roürfltcljen ?Rät^e ber ßanbe6'6ollegiorum gewählt werben. Diefe 2Cfftften^9läi^e muffen eben f*m>oi>l, bie Siät^e ber fianbe& Sollegiorum, auf fiyirte SBefolbung gefetjt, unb ju bem (Snbe i^re Defen« fionö'©ebü^ren in einer gemeinfcl>aftlici>en @portul«©affe gefammlet roerben. @ö fann n>oi>l fe^n, ba§ nur fef>r menige ber biö^erigen 2£bt>ocaten fic^ ju fünfttgen Stätten qualifictren, unb alfo brobloö merben bürfen. Sßir werben aber bie Verfügung treffen, ba^ in fo fern brauchbare unb e^rlic^e ßeute barunter ftnb, folclje oorsüglic^ su 3Ragi$trat$=§Bebienungen, ^uötiaiariaten unb anbern bergleic^en Remtern toieber emploiret merben follen. ®an? fc^lec^te ßeute Derbienen feine TCttention. SBaö enblic^ bie ©efetje felbft betrift, fo ftnbe ic^ eö fe^r unfc^icflic^, ba§ folc^e größtenteils in einer ^prac^e getrieben ftnb, melc^e biejeni= gen nic^t uerfteljen, benen fie boc^ ju iljrer Slic^tfc^nur bienen follen. ßben fo ungereimt tft eö, njenn man in einem @taat, ber boc$ feinen unftretti« gen 65efetjgeber l>at, ©efetje bulbet, bie burc^ tyre Dunfetyeit unb ftmyrbeuttgfett $u meitläuftigen Diöputen ber iRec^tögele^rten 2Cnlaf? geben, ober mo^l gar bariiber: ob bergleic^en öiefeta ober ©emo^eit jemals efiftirt ober eine Slec^tSfraft erlangt ^abe?, meitläuftige ^rojeffe Deran* la^t werben muffen. S^r müflt alfo borjüglic^ ba^in fe^en, baß alle (Skfetge für Unfere (Staaten unb Untertanen in tyrer eigenen (Sprache abgefaßt, genau beftimmt, unb »ollftänbig gefammlet werben. Da nun aber faft jebe Unferer ^roDtnaen i^re befonbere Ißerfaffung, (Statuten unb ©eroo^n^eiten ^at, welche fe^r »on einanber unterfclwben finb, fo muß für jebe berfelben ein eigenes ©efetjbuc^ gefammlet unb bar=

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inn alleö eingetragen werben, woburcb | bie .sKccbfe ber einen ÄJ)roDtnj Don ben anbern unterfcfwben. SÖßeilen aber bennoc^ bergleicfjen 3)roDinjial'@tatuta unb ©ewolmljei-ten nur auf gewtffe ©egenftänbe einfcj>ränfen unb feine allgemeine weniger aber Dollftänbige £Recf)tö'SRegeln entölten, baö Corpus juris Dom Äatjfer $uftinian al$ baö fubftbiarifc&e ©efetjbucf) faft aller europäifcf)en «Staaten Don Dielen $a£ri>unberten Ijer bet; Uno ange» nommen werben ift, fo fann biefeö fünftig ganj auffer gelaffen werben. 3njn>ifcl>en ift befannt, ba^ biefeö £Römifcf)e ©efetj» S5uc^ grö^tent^eilö nur eine (Sammlung ber SReinungen unb Sntfcfjei' bungen ber ^ e tö^ele^rten in einzelnen fällen enthält; vielfältig auf bie alten unb jetjt gar mc&t rne^r paffenben Slömi^en IBerfaffungen unb Formalitäten be^ie^t; mit melen S iberfprü en angefüllt ift. 6$ mu# alfo nur baö Söefentfaf>e mit bem Siatur^efetg unb ber gütigen IBerfaffung übereinftimmenbe auö bemfelben abftra^irt; baö Unnütje meggelaffen; Unfere eigne 8anbeö*©efetje am gehörigen £>rte etn0efcM( tet, unb folc^ergeftalt ein fubftbiarifcfjeS ©efets*^uc^} a« welchem ber 9ttcf)ter bei>m SWangel ber ^)roDinjial^efetje recurriren fann, angeferti^ get werben. Ueberf>aupt aber muffen Sßir Riebet) bemerfen, ba^, wie eö Una f eint, bie Ö5efetj'®eber, welche eben ni t fparfam in ben SBeftimmungen ftreitiger 9lec^töfragen gemefen, gleic^mo^l tf>r 7iugen= merf allemal genau genung barauf gerichtet fcaben, maö ben ümi* fein in £RecIjt$fällen öorjubeugen unb ^)rojeffe ju t>er^üten bienlic^ fetjn fönnte. @o ift 3.6. befannt, wie unenblici) »tele ^rojeffe auö ben ^anblun* gen unb ©ontracten über unbewegli e ©üter entfte^en, weil bie Seute babe^) | übereilen, unb beutli unb beftimmt genug auäbrücfen. 2(lle bergleicljen ^Jroje^e aber würben »ermieben werben, wenn alle Son» tracte über unbewegliche Öiüter in ©egenwart ber (Deric&te gef loffen, unb oon biefen barauf gefe|>en würbe, ba^ fetner ben anbern überlifte unb unbillig t>ert>orti)eile; ber Contract felber aber gu mehrerer ä3ef äf igung beffelben Sn^altö Don bem ^li ter mit untertrieben würbe. iDenn ba bie sprojeffe allemal ju ben liebeln in ber @ocietät gere net werben muffen, welche baö Söo^l ber ^Bürger Derminbern, fo ift baöjenige oimftreittg baö befte ©efetj, wel e ben sprojeffen felber oorbeugt. Sßenn Sßir, wie ju jweifeln ift, Unfern (Snbjwecf in 85erbeffe= rung ber ©efetje unb ber $projeij*£)rbnung erlangen, fo werben Diele 9lecl)tögele&rten bet) ber Simplification biefer en Derlieren, um i^ren ganzen (Subtilitäten'Äram gebracht,

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unb baö gan^e (SorpS ber bisherigen 2Cboocaten unnütze roerben. Mein SBMr mcrbcn bagegen Unferc getreue Untertanen Don einer nici>t geringen Saft befreien, unb befto mefjr gefcbicfte Äoufieute, ^abricanten unb Äünftler gewärtigen fönnen, oon rodeten ficfc ber @taat mefjr 9lut$en ju ueröprec^en |>at. Sßie nun bie 2Cu3füi>rung einer fo mickrigen @aci>e baö Sßerf eine6 einzelnen SKanneö ift, fo mü^t Sl>r bie gefc^icfteften unb rebtic^ften ßeute, rcelcjje S^r auöforfc^en fönnt, auffuc^en; bie oerfc^iebene 2Crten ber Aufarbeitungen unter fte t>erti)eiien; fte fobann in ein ©oliegium sufam» men Dieben; unb aüeö mit gemeinf$aftlicijem 9 ^ regutiren. Dergleichen öiefetj^ommiffton mu{j fünftig betjbe^aiten werben, bamit be^ etma ftc^ ereignenben Mängeln, Unbeutiic^feit, ober 7?e^lern ber ©efetje, foic^e auf eine grünbitc^e 2frt Derbeffert, fupptirt ober inter« pretirt merben fönnen. iDagegen aber roerben Söir geftatten, ba^ irgenb ein ©oliegium ober ^tat^SJiiniftre Unfere ©efetje ju interpretiren, be^nen ober einjufc^ränfen, »ietmeniger neue ®efetje ju geben, jlc^ einfal» ten laffe; fonbern eö mufj, menn ftc^ in ber $oige 3^fif^i i>ber Mängel an ben (Skfetjen ober in ber ^)roje^ßrbnung fmben, ber 6Jefet3=6ommiffton bacon §Rac$Hcf>t gegeben; oon btefer bie @ac^e, mit JRücfftc^t auf ben @inn unb JCbfic^t ber übrigen ©efetge, unter (Surem SSorfttj, genau in (Sriregung gezogen, unb n?enn eine roürfliclje SSeränberung ober 3ufatj noting wäre, Uno gutachtlicher ^Beric^t barüber erftattet werben. 8$ übertaffe @ alfo ber @ac^e ferner nac^ubenfen, unb baö ©rforberlic^e ju 2Cu6füf>rung berfeiben ju Deranftaiten; unb t>erfprecl>e bagegen @uc^ roiber atie ©abalen, unb Sßiberfetjlic^feiten auf ba$ = brücfiicKte su fc^üt^en; 2Clö Gsuer roo^Iaffertionirter Äönig. , ben i4ten ^Cprii 1780. ben ®rof?=@anäier \>, ©armer

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patent, fooburcl) bie neue ^)roceg=£)tbnung aU ein allgemeine^ 8anbe6=(S5efet3 Dorgefc^rteben unb beftätiget mtrb unb bie äitern bent ^umibet laufen* ben ®efei$e aufgehoben merben, de dato ^Berlin, ben 26. 2Cpril 1781 nacf): Siotwm Sorpue Gonfritutiomim yrufnco^ranbcnburgcnjuim praectpue SKacc^icarum, VII (Berlin 1782) 1781 Sir. 17, Sp. 249 ff. (aucl) abgebt.: Sorpuö $itrtä ftrtbenctanum aa£X 4. Sett @. 172 ff.)

SSir ^ribric^ Don (üotteö Knaben, Äönig »on $>reuffen ufm. funb unb fügen f)ieburcf> jebermann ju n>iffen, ba{j Sßir, ber fur baö llnferer getreuen Untertanen unabläjng tragenben ßanbeöDäterii* ^ulb unb ^ürforge, allergnäbigft refolDtret i>aben, ba$ gefommte ßefen in Unfern Sanben auf einen neuen burc^auö foitben unb bauer^aften §u^ einjuric^ten; bte ®efetje Don aller Ungemt^ett, 3n>ei= fein, iDunfel^eit unb Söiberfprüc^en, fo mie bie ^roje§--ßrbnung t>on allen unnützen Formalitäten gänglici> ?u reinigen; folc&ergeftalt aber Unfern Untertanen burc^ge^enbö eine ber gefunben Vernunft, ber natür* liefen ^Btlligfeit, ben gegenwärtigen ©itten unb SSerfaffungen gemäße, prompte unb grünblic^e 9lec^=^)flege ju »erfcf>affen, unb auf emige ten fidjer ju ftellen. 5Hac^bem nun, ben lner$u in Unferer enbung einer ober ber anberen (Steile be$ neuen ©efetjbucl)e$, in »orfommenben fällen &mtfd ober äSebenfen entfielen möchten, barüber jebeömafrt be^ ber @5efetS'6ommif= fton, unter tfbreffe Unferö ©rofcanalerö, gehörig angefragt; unb bie »on befagter ßontmiffton tyrer Snftruction gemä^ abgefaßten £>ecifa follen unroeigerlic^ jur JRtc^tfc^nur angenommen, unb pünftlic|> befolgt werben. Sßornacl) alfo jebermann, infonber^eit aber Unfere fämtlic^e San« gan§ eigentlich ju achten, unb bie unter iljnen fte^enben unb ^uftitj'^Bebiente jur gleic^mä§igen un»erbrüc^lic^en S5efol= gung beffen gehörig angu^alten ^aben; Unfer Officium Fisci aucr;, bafj barunter Unfrer 2fller^öcKten Sßillen6me^nung ein burc^gängtgeö G5enü' gen gefc^e^e, pflicf)tmäfng ju in»igiliren ^at. U^rfunblic^ unter Unferer •£öcfjfteigeni>änbigen Unterfc^rift unb be^gebruften Snftegel. gegeben unb gefc^e^en ^Berlin, ben 26. Jfpril 1781. ^rtebertcl). (L. S.) ». Gärtner.