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German Pages 1048 [1052] Year 2010
1308 Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit
Miscellanea Mediaevalia Veröffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität zu Köln Herausgegeben von Andreas Speer
Band 35
1308 Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit
De Gruyter
1308 Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit Herausgegeben von Andreas Speer und David Wirmer
De Gruyter
ISBN 978-3-11-021874-9 e-ISBN: 978-3-11-021875-6 ISSN 0544-4128 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data 1308 : Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit / herausgegeben von Andreas Speer und David Wirmer. p. cm. Articles chiefly in German; others in English, French, and Italian. Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-021874-9 (hardcover : alk. paper) ISBN 978-3-11-021875-6 (e-book) 1. Civilization, Medieval-14th century. 2. Europe - Intellectual live To 1500. I. Speer, Andreas. II. Wirmer, David. CB365.A14 2010 9091.3-dc22 2010024499
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Einbandentwurf: Christopher Schneider, Berlin Satz: META Systems GmbH, Wustermark Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co GmbH, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort
Am Anfang der Planungen für die 36. Kölner Mediaevistentagung stand die Überlegung, diese Tagung einem der großen Philosophen und Theologen am Ende des 13. und am Beginn des 14. Jahrhunderts zu dessen 700sten Todestag zu widmen: Johannes Duns Scotus, der am 8. November 1308 in Köln verstarb und in der hiesigen Minoritenkirche bestattet ist. Diese Idee hätte sich nahtlos in die Reihe prosopographischer Miscellanea-Bände zu Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Meister Eckhart eingefügt, die alle einen besonderen Bezug zu Köln haben. Doch gab es bereits die Idee zu einer internationalen Quadrupelkonferenz, die dann zum Todestag auch in Köln Station machte und die ihre eigene Dokumentation erfahren wird. So blieb das Jahr 1308 und die Frage, was denn ein historischer Moment ist, wie wir dergleichen Momente wahrnehmen und zum Gegenstand unserer historiographischen Erzählungen machen. Damit war zugleich das Interesse geweckt, die historiographische Problemstellung vom Sein der Dauer, die auf der 35. Kölner Mediaevistentagung viel Zuspruch gefunden hatte, fortzuführen jedoch nicht in Form metatheoretischer Überlegungen oder in Form einer strikten Mikrogeschichte eines Jahres, sondern als ein Versuch über historische Gleichzeitigkeit, der sich auf die ganze Mannigfaltigkeit der Wissensbestände, Kommunikationskulturen, Sprach- und Kulturräume erstreckt, die das Jahr 1308 auf unterschiedliche Weise durchkreuzen. Überraschend waren für uns die neuen Perspektiven, die sich auftaten, die neuen, unerwarteten Durchblicke, die sich als Folge einer synchronen Lektüre ergeben. Manche überraschende Perspektiven mögen auch der besonderen Organisation des vorliegenden Bandes geschuldet sein. Er ist nicht nach Themenschwerpunkten organisiert, sondern topographisch. Dieses Organisationsprinzip hatten wir bei der Zusammenstellung der Kurzfassungen bereits während der Mediaevistentagung erprobt. Es erwies sich als ein heuristisch fruchtbarer Kontrast zu dem nach thematischen und lokalen Schwerpunkten aufgebauten Tagungsprogramm. So haben wir uns entschlossen, dieses topographische Organisationsprinzip auch diesem Band der Miscellanea Mediaevalia zugrunde zu legen, der wie üblich - über die Vorträge der 36. Kölner Mediaevistentagung hinaus noch weitere Beiträge enthält, die das Feld der Evidenzen weiter aufspannen. Damit führt dieser Band den bei der 36. Kölner Mediaevistentagung begonnenen Versuch einer Topographie historischer Gleichzeitigkeit fort. Ein solcher Versuch kann natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit besitzen. Er hängt
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Vorwort
ab von den Orten, an denen ein Reisender in den Welten von 1308 vorbeikommt, wo er Station macht, wen er zu einem bestimmten Zeitpunkt dort trifft. Diese Kontingenz ist Teil der hermeneutischen Programmatik. Der Standpunkt, den wir als Forscher einnehmen, ist nicht der quasi-göttliche Blick auf die Weltgeschichte, sondern eben die Perspektive eines Reisenden, der mitunter neue und überraschende Entdeckungen macht, der aber auch gebunden ist an seine Möglichkeiten, seine Erlebnisse und Erfahrungshorizonte - so wie wir, wenn wir uns einen geschichtlichen Überblick verschaffen wollen: über eine Epoche, über eine bestimmte Periode, über ein Jahr. Ein Jahr erscheint gering und überschaubar, erst recht, wenn es als ein eher ruhiges Jahr gilt. Doch haben wir eine andere Erfahrung gemacht, je weiter wir in dieses Jahr eingedrungen sind. Und obwohl dieser Band der Miscellanea Mediaevalia gegenüber dem Vorgängerband, der mit dem Sein der Dauer gleichsam am anderen Ende unserer Fragestellung ansetzt, fast den doppelten Umfang besitzt, haben wir am Ende immer weniger das Gefühl gehabt, einen wirklichen Überblick über das Jahr 1308 zu besitzen - in der Vielfältigkeit seiner Chronologien, Kulturkreise und Wissensdiskurse. Der Impuls aber für diesen Band ging - wie bereits gesagt - von der 36. Kölner Mediaevistentagung aus, die vom 9. bis 12. September 2008 stattfand. Ihr voraus ging - aus gegebenem Anlaß - eine Internationales Kolloqium am 8. September zur Templer-Frage, die durch neue Quellenfunde in den Brennpunkt der Forschung gerückt war. An beiden Veranstaltugen nahmen weit mehr als zweihundert Mediävisten der verschiedensten Disziplinen aus mehr als zwei Dutzend Ländern teil und bestätigten damit die Tradition der Kölner Mediaevistentagung als wichtiger mediävistischer Biennale, die - ebenso wie das ausrichtende Thomas-Institut - im Jahr des Erscheinens dieses Bandes auf sechzig Jahre des Bestehens zurückblicken kann. Dies alles wäre nicht möglich ohne die erneute großzügige Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Otto Wolff-Stiftung und der Selbsthilfe Pensionskasse der Caritas VvaG. Herzlich gedankt sei ferner dem Rektor der Universität zu Köln, Prof. Dr. Axel Freimuth, der auch bei der 36. Kölner Mediaevistentagung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem abendlichen Empfang bat. Ein besonderer Dank gilt ferner dem Direktor des ,Kolumba‘, Dr. Stefan Kraus, und seinem Team für die Möglichkeit einer stimmungsvollen Vorpremiere. Die Vorbereitung und die Durchführung der 36. Kölner Mediaevistentagung lagen erneut in den bewährten Händen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thomas-Instituts. An dieser Stelle sei Frau Petra Abendt, die bereits seit vielen Jahren das Tagungssekretariat leitet, und Herrn Dipl.-Bibliothekar Wolfram Klatt, der nicht nur die Bücherausstellung organisiert, einmal besonders herzlich gedankt. Auch bei den dieses Mal besonders umfangreichen redaktionellen Arbeiten konnten wir auf die Erfahrungen und den großen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thomas-Instituts zählen. Ein besonderer Dank gilt Christoph Burdich, Tobias Davids und Daniel Erlemeyer für ihre
Vorwort
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Unterstützung bei der Vorbereitung der Manuskripte und Lars Reuke und Stefan Regh für die herkulische Arbeit am umfangreichen Register. Wie immer gilt der abschließende Dank der Herausgeber dem Verlag De Gruyter, namentlich und immer wieder gerne Frau Dr. Gertrud Grünkorn, ferner Herrn Christoph Schirmer sowie Herrn Manfred Link für die gewohnt gute Zusammenarbeit und für die großzügige Ausstattung des Bandes. Köln, im Juni 2010
Andreas Speer David Wirmer
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Andreas Speer (Köln) 1308: Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . .
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Orientierungen Anna-Dorothee von den Brincken (Köln) Anno Domini 1308. Anmerkungen zur Zeitrechnung . . . . . . . . . . Anna-Dorothee von den Brincken (Köln) Weltbild und Weltkenntnis in der Kartographie um 1308. Die Ebstorfer Weltkarte und die Rundkarte im Portulan-Atlas des Pietro Vesconte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kanarische Inseln Martial Staub (Sheffield) Die ,Wiederentdeckung‘ der Kanarischen Inseln. Kolonialität und neue Weltsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Iberische Halbinsel Raphaela Averkorn (Siegen) Macht und Expansion auf der Iberischen Halbinsel. Arago´n, Kastilien und Portugal im Spiegel ihrer auswärtigen Beziehungen um 1308 . .
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Oxford Marek Gensler (Ło´dz´) 1308: Walter Burley’s ,De Generatione‘ Commentary . . . . . . . . . . Monika Micha£owska/Elz˙ bieta Jung (Ło´dz´) Scotistic and Ockhamist Contributions to Kilvington’s Ethical and Theological Views . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Chinon Barbara Frale (Vatikan) 1308. Il piano di Clemente V per salvaguardare l’ordine dei Templari Matthias Heiduk (Göttingen) Die Chinon-Charta von 1308 - die Wende im Templerprozeß? Ein archivalischer Fund und sein publizistisches Echo . . . . . . . . . . . .
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Paris - Ketzerprozesse Karl Ubl (Tübingen) Haeretici relapsi. Jean de Pouilly und die juristischen Grundlagen für die Hinrichtung der Tempelritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . William J. Courtenay (Wisconsin) The Role of University Masters and Bachelors at Paris in the Templar Affair, 1307-1308 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J¸rgen Miethke (Heidelberg) Philippe le Bel von Frankreich und die Universität von Paris. Zur Rolle der Intellektuellen am Beginn des 14. Jahrhunderts . . . . . . . . Lydia Wegener (Köln) Freiheitsdiskurs und Beginenverfolgung um 1308 - der Fall der Marguerite Porete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Stark (Bonn) ,La Vie de saint Louis‘ von Jean de Joinville . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paris - Universität Yossef Schwartz (Tel Aviv) Final Phases of Medieval Hebraism: Jews and Christians between Bible Exegesis, Talmud and Maimonidean Philosophy . . . . . . . . . Wouter Goris (Amsterdam) Wahrheitsspiele. Die Herausbildung der mittelalterlichen Korrespondenztheorie der Wahrheit vom Standpunkt einer antirealistischen Wahrheitstheorie aus betrachtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Guy Guldentops (Köln) Durandus modernus? Der Glaube eines (anti)thomistischen Theologen im Jahr 1308 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jeschke (Köln) Seligkeitsdebatten um 1308 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henrik Wels (Würzburg) Durandus de St. Porciano - ein Wendepunkt in der Debatte um die Gleichheit der Seelen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Tiziana Suarez-Nani (Fribourg) Une anthropologie dans l’horizon scotiste: FrancX ois de la Marche . . Christian Rode (Bonn) Drei Theorien des Allgemeinen um 1308. Ein historischer Querschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Montpellier Melitta Weiss Adamson (London, Ontario) Bernard de Gordon and Arnald de Villanova: A Tale of Two Regimes
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Fre´jus Melanie Brunner (Leeds) Zwischen Kurie und Königshof: Jacques Due`se, Bischof von Fre´jus, sizilianischer Kanzler und künftiger Papst . . . . . . . . . . . . . . . . .
439
Köln Manfred Groten (Bonn) Köln 1308. Erinnerung, Quellen, Konstruktionen . . . . . . . . . . . . Carsten Schliwski (Köln) 1308 - Kein interessantes Jahr? Das Jahr 1308 in jüdischen Chroniken und seine Bedeutung für die jüdische Geschichte und Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Giorgio Pini (New York) Scotus’s Legacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alessandra Beccarisi (Lecce) Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart: Eine Debatte in Deutschland um 1308 . . . . . . . . . . . . .
461
475 486
516
Königsfelden Brigitte Kurmann-Schwarz (Romont) „Quam diu istud cadaver equitare permittemus?“ Die Ermordung König Albrechts I. im Jahre 1308 und das Kloster Königsfelden . . . . . . .
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Heike Johanna Mierau (Stuttgart) Zur Diversität bei der Wahrnehmung von Ereignissen: Die Berichte zum Jahr 1308 in den Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
Norditalien Bernd Roling (Münster/Köln) Ein gutes Jahr: Die körperliche Liebe als Wiederherstellung des Paradieses in der französischen Minneallegorie in medizinischer Theorie und poetischer Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
Pisa Anthony Bonner (Palma de Mallorca) Ramon Llull in 1308: Prison, Shipwreck, Art, and Logic . . . . . . . .
609
Lucca Pasquale Porro (Bari) Tra il ,Convivio‘ e la ,Commedia‘: Dante e il „forte dubitare“ intorno al desiderio naturale di conoscere le sostanze separate . . . . . . . . .
631
Siena Antonina Sahaydachny (New York) The Madonna Protectress of Siena in the ,Maesta`‘ Altarpiece by Duccio (1308-1311) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Zahlten (Braunschweig) 1308 - Geburtsjahr der ,Maesta`‘, des monumentalen, politisch akzentuierten Madonnenbildes in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
663
692
Melk Vale´ rie Cordonier (Leuven) Re´ussir sans raison(s). Autour du texte et des gloses du Liber De bona fortuna Aristotilis dans le manuscrit de Melk 796 (1308) . . . . . . . . .
705
Böhmen Marie Bla´ hova´ (Prag) „Nepos vindicabit avum.“ Die Ermordung Albrechts I. am 1. Mai 1308 im Bewußtsein der böhmischen Gesellschaft des 14. Jahrhunderts . . Ivan Hlava´ cˇ ek (Prag) Eine entscheidende Wende, die nicht entscheidend schien. Die Zeit des Niedergangs Böhmens um das Jahr 1308 als Voraussetzung für einen neuen Aufstieg des Landes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
XIII
Bulgarien Daniel Ziemann (Köln) unum imperium magnum per se - Bulgarien 1308 . . . . . . . . . . . . . .
809
Byzanz John A. Demetracopoulos (Patras) Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List of Thomas Aquinas’ Writings and the Historical Roots of Byzantine Thomism . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
829
Rhodos Bodo Hechelhammer (Berlin) Die richtungweisende Eroberung der Insel Rhodos durch den Johanniterorden um das Jahr 1308 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
885
Moskau Jukka Korpela ( Joensuu) Die Einsetzung des Metropoliten Petr Moskovskij im Jahre 1308 als ein Momentum in der russischen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Historiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
901
Islamischer Osten Anna Akasoy (Oxford) 6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
923
China Roberto Hofmeister Pich (Porto Alegre) Die Missionen des Franziskanischen Ordens um 1308 und Duns Scotus’ Franziskanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
939
Tafelteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
975
Verzeichnis der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
991
Verzeichnis der Frühdrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
993
Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1308: Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit Andreas Speer (Köln) Newsreel - Schlagzeilen +++ 25. Februar 1308: Edward II. zum König von England gekrönt +++ 1. Mai 1308: König Albrecht I. von Habsburg ermordet +++ 6. Mai 1308: Erlaß des Haftbefehls gegen die Templer auf Zypern +++ 12. August 1308: Clemens V. erläßt die Bulle ,Faciens misericordiam‘ gegen die Templer +++ 12. August 1308: Einberufung des Konzils von Vienne durch Papst Clemens V. +++ 27. November 1308: Wahl Heinrichs VII. von Luxemburg zum römischdeutschen König +++ 1. Dezember 1308: Jakob II. und Ferdinand IV. treffen sich im Kloster Santa Marı´a de Huerta +++ So könnten einige Wochenschau-Schlagzeilen des Jahres 1308 lauten. Weitere Schlagzeilen aus 1308 hätten sich auf den Amtsantritt des Metropoliten Petr Moskovskij in Moskau 1, auf das Scheitern des Italienfeldzuges Heinrichs VII. oder auf die Eroberung von Rhodos durch den Johanniterorden beziehen können 2, ferner auf die Gefangennahme Marguerite Poretes 3 oder auf den Einsatz des Raimundus Lullus für einen neuen Kreuzzug gegen Granada 4, vielleicht aber auch auf einen gewaltigen Heubrand in Ska´lholt 5 oder auf die Rekord-Weinernte in Bordeaux, wo 104 815 Faß (ca. 850 000-900 000 hl) Wein eingeschifft werden 6. Unter den Schlagzeilen aus Kultur und Wissenschaft aus dem gleichen Jahr dürfte man finden, daß Pariser Theologen über den Status der Theologie und über die Frage der Gottesschau disputieren 7; daß am 8. Oktober 1308 die Auftragserteilung der Dombauhütte von Siena an Duccio di Buonisegna für die 1 2 3 4
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Cf. hierzu den Beitrag von J. Korpela in diesem Band, 901-920. Cf. den Beitrag von B. Hechelhammer in diesem Band, 885-898. Cf. den Beitrag von L. Wegener in diesem Band, 214 sq. Cf. F. Domı´nguez/J. Gaya`, Life, in: A. Fidora/J. E. Rubio (eds.), Raimundus Lullus. An Introduction to his Life, Works and Thought (CCCM 214 - Supplementum Lullianum 2), Turnhout 2008, 105-107. Cf. auch den Beitrag von R. Averkorn in diesem Band, 70. Cf. M. Ste´fansson, Art. ,Island‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 5, München-Zürich 1991, 689-695, hier 690 sq. Cf. C. Higounet, Art. ,Bordeaux‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 2, München-Zürich 1983, 447-541, hier 451. Cf. den Beitrag von Th. Jeschke in diesem Band, 340-369.
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Andreas Speer
,Maesta`‘ erfolgt 8; oder aber daß am 8. November 1308 im Minoritenkloster in Köln der weithin bekannte Philosoph und Theologe Johannes Duns Scotus stirbt. Im Bereich der Lokalnachrichten - greifen wir aus naheliegenden Gründen einmal Köln heraus - wäre sicherlich berichtenswert gewesen, daß sich nach der Ermordung König Albrechts I. die Ambitionen des Kölner Erzbischofs Heinrich II. nicht erfüllen. Stattdessen finden am 4. März und am 2. Oktober zwei Diözesansynoden statt. Und auch die internationalen Ereignisse drängen nach Köln hinein: Auf Geheiß des Papstes muß der Kölner Erzbischof Ermittlungen gegen die Templer beginnen. Er selbst nimmt hingegen im September die bedrängten Begarden in seinen Schutz 9. Und wie war das Wetter? Wir befinden uns am Ende der sogenannten mittelalterlichen Warmzeit. Der Weinbau hat seine größte Ausdehnung erreicht. Das Jahr 1308 scheint meteorologisch in der Region vom Rheinland bis nach Nordfrankreich unauffällig. Das zeigen Wetteraufzeichnungen etwa im ,Chronicon Tongerlossense‘, im ,Chronicon Leodiense‘ oder im ,Chronicon des Gilles Li Muosis‘ mit besonders detaillierten Wetterbeobachtungen aus der Gegend von Tournai 10.
War um 1308? Die Daten und Fakten unseres Nachrichtentickers erscheinen beliebig - wie die Wahl des Jahres. Warum 1308? Und warum überhaupt ein Jahr? Das Jahr 1308 nimmt in den großen historiographischen Erzählungen einen eher randständigen Platz ein. Kein großes Ereignis von allgemeiner Bedeutung läßt sich auf den ersten Blick identifizieren. Für uns bildete den Ausgangspunkt zunächst ein Todesdatum: dasjenige des Johannes Duns Scotus, der - wir lasen es bereits - vor siebenhundert Jahren am 8. November 1308 verstarb und in Köln begraben ist 11. Doch auch dieses Ereignis ist marginal. Eigentlich ist über dieses Todesdatum wie über die Umstände kaum etwas bekannt, ebensowenig 8 9 10
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Cf. die Beiträge von A. Sahaydachny und J. Zahlten in diesem Band, 663-701. Cf. den Beitrag von M. Groten in diesem Band, 461-474. ˆ ge en Belgique et dans les re´gions voisines Cf. hierzu P. Alexandre, Le climat au Moyen A (Rhe´nanie, Nord de la France). Recherches critiques d’apre`s les sources narratives et essai d’interpre´tation, Louvain 1976 (Centre Belge d’histoire rurale); zu den genannten Chroniken besonders ˆ ge. Contribution a` l’histoire des 37, 41, 43-44. Cf. auch id., Le climat en Europe au Moyen A variations climatiques de 1000 a` 1425, d’apre`s les sources narratives de l’Europe occidentale, Paris 1987. Der Band der aus diesem Anlaß in Bonn und Köln veranstalteten Tagung wird unter dem Titel ,Johannes Duns Scotus 1308-2008. Die philosophischen Perspektiven seines Werkes Investigations into his Philosophy‘ (edd. L. Honnefelder/H. Möhle/T. Kobusch/A. Speer) als dritter Band der Quadrupelkonferenz-Bände veröffentlicht: John Duns Scotus. Proceedings of the Quadruple Congress, 4 vols., Münster (im Druck).
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wie über die Kölner Zeit des Scotus 12. Überhaupt wird von Scotus’ Tod erst in späteren Chroniken ausführlich Notiz genommen, um sodann in Waddings monumentalen ,Annales Minorum‘ zum Gegenstand einer hagiographischen Kompilation von beeindruckenden Ausmaßen zu werden 13. Wenn das Jahr 1308 Aufmerksamkeit findet, dann gilt diese anderen Ereignissen: etwa dem Prozeß gegen die Templer, in den viele Magister und Gelehrte als Gutachter involviert sind. Auch in Köln werden auf Geheiß Clemens’ V. entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Der gleiche Papst fertigt, so lasen wir bereits, am 12. August 1308 in Poitiers die Konvokationsbulle für das Konzil in Vienne aus; im selben Jahr wird Marguerite Porete gefangengenommen und an den dominikanischen Inquisitor Guillaume de Paris, den Beichtvater Philipps des Schönen, überantwortet 14. Doch hängen diese Ereignisse miteinander zusammen, wie meine Darstellung suggeriert? Von den Debatten der Pariser Theologen zeugen nicht nur die Quodlibeta, sondern auch die oftmals verwickelten Diskussionen zwischen Magistern in den wieder an Bedeutung gewinnenden Sentenzenkommentaren 15. So sind die Auseinandersetzungen, die um die Sentenzenvorlesung des Durandus von St. PourcX ain in Paris entbrennen, Indikatoren eines Richtungsstreits innerhalb des Dominikanerordens, in dessen Mittelpunkt Thomas von Aquin steht, genauer die Verbindlichkeit seiner philosophischen und theologischen Lehrmeinungen 16. Vermutlich hätte sich Thomas über diese Debatte gewundert, hatte er sich nach seiner Kölner Assistentenzeit doch selbst in vielen Fragen recht deutlich von seinem Lehrmeister Albert abgesetzt und sich auch sonst keineswegs gescheut, pointierte, ja mitunter provozierende Positionen zu beziehen. Zur selben Zeit wie Durandus von St. PourcX ain und Hervaeus Natalis in Paris wirken in Oxford Walter Burley 17, Peter Sutton, Robert Cowton und William Ockham. In Erfurt arbeitet Meister Eckhart an seinem ,Opus tripartitum‘ 18, das 12 13 14 15
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Cf. den Beitrag von G. Pini in diesem Band, 486-515, besonders 486-495. L.Wadding, Annales Minorum, 8 vols., Rom 1625-1654. Cf. hierzu den Beitrag von L. Wegener in diesem Band, 211-215. Zur Bedeutung der Quodlibeta und der Sentenzen siehe C. Schabel (ed.), Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Thirteenth Century (Brill’s Companions to the Christian Tradition 1), Leiden-Boston 2006; id. (ed.), Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Fourteenth Century (Brill’s Companions to the Christian Tradition 7), Leiden-Boston 2007; G. R. Evans (ed.), Mediaeval Commentaries on the Sentences of Peter Lombard. Current Research, vol. 1, Leiden-Boston-Köln 2002. Zu Durandus cf. die Beiträge von W. Goris, G. Gultentops, Th. Jeschke und H. Wels in diesem Band, 286-387. Noch immer grundlegend ist die Studie von J. Koch, Durandus de S. Porciano O. P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Erster Teil: Literargeschichtliche Grundlegung (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen 26), Münster 1927. Cf. den Beitrag von M. Gensler in diesem Band, 95-103. Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des „Opus tripartitum“, in: Die Bedeutung der Bibliotheca Amploniana im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446. Diese Datierung ist inzwischen allgemein von der Eckhart-Forschung akzeptiert;
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Andreas Speer
er nie beenden wird, und Dantes Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Florenz zerschlagen sich mit dem Scheitern des Italienfeldzuges Heinrichs VII. endgültig. Dieser war nach der Ermordung König Albrechts I. bei Königsfelden zu dessen Nachfolger gewählt worden. Doch ob Dante deswegen seine bereits weit fortgeschrittenen Arbeiten im vierten Traktat seines ,Convivio‘ unterbricht, das muß Spekulation bleiben 19. Wahr nehmung en und Sichtweisen Wir lieben es, nach solchen Verbindungen zu suchen. Wir wollen die kontingenten Ereignisse der Geschichte zu Geschichten verknüpfen - und dies allzuoft geleitet durch die Warum-Frage, die doch in historicis nur selten angemessen (und wenn überhaupt, dann weit eher deskriptiv als in Form strenger Kausalität) beantwortet werden kann. So richtet sich denn das besondere Interesse zumeist auf ein bedeutendes Ereignis, das sich unserer Aufmerksamkeit aufdrängt, etwa weil es als Kulminations- oder Wendepunkt wahrgenommen wird. Doch dergleichen Zuschreibungen geschehen zumeist aus der Retrospektive, seltener hingegen von Zeitgenossen und Zeitzeugen, denen es oftmals an der gebotenen Distanz zum Geschehenen mangelt. Unter den eingangs genannten Schlagzeilen des Jahres 1308 finden sich hierfür einschlägige Beispiele. Dieser verlaufsorientierte Blick größerer historiographischer Erzählungen, gleich ob wir mehr das Ereignis oder die Dauer betonen 20, bestimmt auf vielfältige Weise auch die verschiedenen Kultur- und Wissensformationen. Beinahe alle Wissenschaften, auch die Philosophie, orientieren sich gewöhnlich an einem Verlaufs- und zumeist an einem Fortschrittsmodell, das die Aufmerksamkeit auf vermeintliche Höhe- und Wendepunkte lenkt. So kommt es, daß nicht selten im Schlagschatten solcher Ereignisse die anderen Momente unbeachtet bleiben, die mitunter erst die Voraussetzungen für jene ,lauten‘ Ereignisse bilden oder in denen sich Alternativen ankündigen, die von weither kommend erst später ihre Wirkung entfalten - oder aber auch nicht. Denn ein historischer Moment kann banal und zufällig sein. Das aus einem bestimmten Blickwinkel Bedeutsame verliert unter einem anderen Paradigma seine Bedeutung - oder umgekehrt. Das gilt - um ein Beispiel zu geben - für den Begriff des Mittelalters selbst. Entstanden gleichsam aus einer Laune des gekränkten Francesco Petrarca - so zumindest stilisiert er sich und seine polemische Rede von einem „medium aevum“, das es auf eine bessere und daher wiederzubelebende Vergangenheit hin
19 20
cf. A. Speer/L. Wegener (eds.), Meister Eckhart in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 32), BerlinNew York 2005. Zu Dante im Jahr 1308 cf. den Beitrag von P. Porro in diesem Band, 631-635. Hierzu A. Speer, Das Sein der Dauer, in: A. Speer/D. Wirmer (eds.), Das Sein der Dauer (Miscellanea Mediaevalia 34), Berlin-New York 2008, XI-XIX.
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zu überwinden gelte -, wird das Mittelalterparadigma erst in der Folge zu einer wirkmächtigen historiographischen Kategorie 21 - so wirkmächtig, daß es uns erst allmählich und nur mit großer Anstrengung gelingt, die auf diese Weise erzeugten Inklusions- und vor allem Exklusionsmechanismen zu durchbrechen, die uns nicht nur von weiten Teilen unserer Geschichte abschneiden, sondern auch den Blick für die Zusammenhänge verstellen, die in jener Zeit prägend waren, die wir gemeinhin als Mittelalter bezeichnen. Das gilt erst recht dann, wenn man das Mittelalter als eine weitgehend monolithische Epoche darstellt, in der mit wenigen Ausnahmen nichts Bedeutsames geschieht, gewissermaßen eine Periode des Stillstandes 22, in der sich - metaphorisch gesprochen - der Weltgeist für die bevorstehenden großen Taten der emphatisch begrüßten neuen Zeit ausruht, die eine Zeit abendländischer Hegemonie sein wird. Auch das Mittelalternarrativ ist in gewisser Hinsicht Teil dieser hegemonialen Perspektive, beschränkt sich seine Geltung im Grunde doch auf den lateinischen Kulturkreis. Im übrigen aber ist die Rede vom Mittelalter als historische Kategorie ohne Bedeutung - es sei denn als der Versuch, den byzantinischen, hebräischen und arabischen Kulturkreis in dasselbe historiographische Narrativ einzuordnen. Denn aus der Perspektive von Byzanz gibt es ebensowenig ein Mittelalter in den Epochengrenzen, die im Gefolge Petrarcas unter Berücksichtigung der üblichen historiographischen Grenzstreitigkeiten für das lateinische Abendland gezogen werden, wie man von einem jüdischen oder arabischen beziehungsweise islamischen Mittelalter sprechen kann - es sein denn aus der Sicht der abendländischen Geschichte und in strikter Hinordnung auf deren Teleologie 23. Die Konsequenzen einer solchen synchronisierenden Lektüre liegen auf der Hand. Sie spiegeln sich in der Dependenz unserer Wahrnehmung anderer Kulturen und Geschichtsverläufe von der skizzierten abendländischen Meistererzählung wider. 21
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Hierzu F. Petrarca, De sui ipsius et multorum ignorantia, ed. A. Buck nach der krit. Ausgabe von P. G. Ricci, Hamburg 1993, 86. Zur Rahmenerzählung und zu deren historischem Hintergrund cf. die Einleitung von A. Buck, ibid., VII-XXI. Zur Entstehung der Rede vom „finsteren Mittelalter“ cf. T. E. Mommsen, Petrarch’s Conception of the ,Dark Ages‘, in: Speculum 17 (1942), 226-242; deutsch: Der Begriff des „finsteren Mittelalters“ bei Petrarca, in: A. Buck (ed.), Zu Begriff und Problem der Renaissance, Darmstadt 1969, 151-179. Cf. hierzu exemplarisch Hegels Charakteristik der Scholastik als Inbegriff der Philosophie des Mittelalters, die er als „ganz barbarische Philosophie des Verstandes, ohne realen Stoff, Inhalt“ kennzeichnet, als „stroherne Verstandesmetaphysik“, die sich in „grundlosen Verbindungen von Kategorien, Verstandesbestimmungen herumtreibt“, in: G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie (Zweiter Teil), Theorie-Werkausgabe, vol. 19, edd. F. Moldenhauer/ K. M. Michel, Frankfurt a. M. 1989, 589. Im Unterschied hierzu steht die Darstellung der „Philosophie der neueren Welt“ als einer „Philosophie des denkenden Verstandes“, die Hegel traditionell mit Descartes beginnen läßt. „Mit ihm“, so Hegel, „treten wir eigentlich in eine selbständige Philosophie ein, welche weiß, daß sie selbständig aus der Vernunft kommt und daß das Selbstbewußtsein ein wesentliches Moment des Wahren ist“; cf. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie (Dritter Teil), Theorie-Werkausgabe, vol. 20, edd. F. Moldenhauer/K. M. Michel, Frankfurt a. M. 1989, 120. Cf. hierzu die Beiträge von C. Schliwski und A. Akasoy in diesem Band, 475-485 und 923935.
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Chronologien Die Schwierigkeiten, dieser Dependenz zu entkommen, zeigen sich in den Versuchen einer synchronen Darstellung diachroner Verläufe. In der Regel müssen wir mehrfach ansetzen, um zeitgleiche Ereignisse simultan und in ihren möglichen Verschränkungen zu erzählen. Je größer die Zeiträume sind, desto schwerer fällt eine simultane Darstellung. Hier liegt der Reiz, sich mit einem Jahr zu befassen oder vielmehr sich auf ein Jahr zu beschränken. Doch auch dabei treten sogleich erhebliche Schwierigkeiten auf. Welchen Kalender legen wir zugrunde, wenn wir das Jahr 1308 in den Blick nehmen wollen? So gilt beispielsweise für Köln keineswegs das heutige Kalenderverständnis, sondern der sogenannte Osterstil, dem gemäß das Jahr von einem Osterfest bis zum nächsten gerechnet wurde 24. Simultan bestehen zu Beginn des 14. Jahrhunderts nicht nur die unterschiedlichen Zeitrechnungen der drei großen Buchreligionen mit ihrem geschichtstheologischen Überbau, es finden sich Jahreskennzeichnungen nach Herrscherjahren, Indiktionen und Ären. Aber selbst wenn wir uns auf den Boden der christlichen Zeitrechnung begeben, so finden sich, wie Anna-Dorothee von den Brincken in ihrem einleitenden Beitrag zeigt, allein sechs Modelle der Jahreseingrenzung: neben dem Weihnachtsstil der Annunziationsstil, der Osterstil, ferner der Circumcisionsstil, der Märzstil und der byzantinische Stil. Da wird insbesondere die Bestimmung eines Tagesdatums zu einem Problem, wenn auch noch Abweichungen hinsichtlich der consuetudo hinzutreten, wie die Tage im Verein mit den Monatsnamen angegeben werden 25. Doch handelt es sich nicht nur um ein statistisches Problem, das mit einer exakten Umrechnung auf den heutigen Normkalender behoben werden kann. Mit den verschiedenen Stilen und Ären verbinden sich Konzepte der Zeit- und Geschichtswahrnehmung. Dies ist besonders deutlich in den geschichtstheologisch inspirierten Weltärenkonzeptionen 26. Zeitzählungen und Kalender sind zudem Versuche, die Ereignisstruktur der Geschichte in ihren unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Rhythmen, Konjukturen und Dauern abzubilden. Sie sind ein wesentlicher Teil reflexiver Vergewisserung im Hinblick darauf, was ein historischer Moment mit Bezug auf die mittel- und längerfristigen Ereignisfolgen ist 27. Topog raphien Was für Chronologien und Kalender gesagt wurde, gilt auch für Topographien und Karten. Es gibt viele Weisen, Karten zu machen, auch zu Beginn des 24
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26 27
Cf. die Beiträge von A.-D. von den Brincken und M. Groten in diesem Band, 9-12 und 461462. Cf. die Beiträge von A.-D. von den Brincken und H. J. Mierau in diesem Band, 4-11 und 557584. Hierzu nochmals mit weiterführenden Verweisen der Beitrag von A.-D. von den Brincken, 6-9. Cf. Speer, Das Sein der Dauer (nt. 20), XI-XVI.
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14. Jahrhunderts: Summenkarten, Ökumene-Karten, Weltkarten, Portulankarten. Karten bilden nicht einfach ab, sie entwerfen eine Welt 28. Hierbei spiegeln sie etwa in Gestalt des zugrundeliegenden TO-Schemas - zugleich ein Weltbild wider. Zwei dieser Karten finden sich in diesem Band abgebildet und erklärt: die Ebstorfer Weltkarte und die Rundkarte im Portulan-Atlas des Pietro Vesconte 29. Während die Ebstorfer Weltkarte mit ihren etwa 2000 Einzelszenen eine Universalenzyklopädie entwirft, welche die Weltgeschichte von den paradiesischen Anfängen bis in die Gegenwart in zeitlicher Simultaneität umfaßt, setzen die Portulankarten die Benutzung des Kompasses voraus. Wollen die Summenkarten den Betrachter durch enzyklopädische Wissensbestände lotsen, so liegen den Portulanen genaue Beobachtungen konkreter Küstenverläufe zugrunde. Feine Kompaßlinen und Windrosen durchziehen auch unsere Karte des Pietro Vesconte, die den zwischen 1306 und 1321 entstandenen ,Secreta Fidelium Crucis‘ eines venezianischen Levantereisenden, Marino Sanudo d. Ä., beigegeben sind. Das Mittelmeer nimmt Konturen an, die unseren modernen Karten weit eher entsprechen als diejenigen auf der Ebstorfer Weltkarte. Sie artikulieren deutlich erkennbar einen anderen Orientierungssinn, der sich an konkret zu erreichenden Zielen ausrichtet: an dem irdischen Jerusalem im Schnittpunkt der zentralen Windrose mehr als an dem geistlichen Jerusalem als Ziel eines geistlichen Lebens 30. Wir haben uns daher entschlossen, in die Rolle dieser Seefahrer zu schlüpfen, die sich auf den Weg entlang vermeintlich bekannter und unbekannter Küsten machen - ohne die modernen Hilfsmittel unserer Zeit, ohne die Referenz auf ein Global Positioning System. Mithin ist dieser Band - anders als es die Schlagzeilen zu Beginn der Einführung suggerierten - auch nicht chronologisch geordnet, sondern vielmehr topographisch. Wir wollen also versuchen, das Jahr 1308 neu zu kartographieren, ohne große Erzählungen als Navigationssysteme zur Positionsbestimmung und Zeitmessung zu benutzen, jedoch eingedenk ihrer Präsenz. Die zugrundeliegende Karte ist mittelalterlich, das heißt, wir bewegen uns im Jahr 1308 und damit in der Welt, die auf dieser Karte erfaßt wird, und wir nehmen die Perspektive des Reisenden der damaligen Zeit ein. Daher gibt es auch keinen Blick nach Japan, das noch außerhalb eines Kulturkontaktes liegt, wohl aber nach China, das über die Missionstätigkeit in das Blickfeld der Zeitgenossen des Jahres 1308 tritt. 28
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Hierzu der Beitrag von A.-D. von den Brincken, 13-23, und die Ausführung zur ,Descriptio Europae Orientalis‘ im Beitrag von D. Ziemann in diesem Band, 822-824. Ferner die Beiträge von M. Smyth, B. Stark, M. Bla´hova´ und A.-D. von den Brincken in der Sektion „Geographische Raumvorstellungen“ in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Raum und Raumvorstellung im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 25), Berlin-New York 1998, 505-572; sowie A.-D. von den Brincken, Studien zur Universalkartographie des Mittelalters, ed. T. Szabo´ (Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte 229), Göttingen 2008. Cf. die Abbildungen auf den Seiten 978-981 sowie mit weiterführenden Literaturangaben den Beitrag von A.-D. von den Brincken in diesem Band, 14-22. Ibid., 19-23.
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Den Anfang machen wir im Südwesten fast am Rande der Karte bei den Kanaren, um von dort über die Iberische Halbinsel zunächst nach England zu fahren. Von Südfrankreich geht es dann nach Paris und schließlich nach Köln, von dort nach Königsfelden und nach Norditalien, über Österreich nach Böhmen und dann über den Balkan in Richtung Byzanz und in das östliche Mittelmeer, schließlich weit in den Osten bis nach Moskau, in den islamischen Osten und nach China. Diese Reiseroute zeigt die Umrisse der Welt zu Beginn des 14. Jahrhunderts, die seit der Reise Marco Polos und der Mongoleninvasion erstmals auch einen Blick über die Chinesische Mauer hinweg ermöglicht, aus der Sicht eines abendländischen Reisenden des Jahres 1308, der sicherlich dem lateinischen Kalender gefolgt ist. Wie eine Weltreise zwar um die ganze Welt führt, jedoch nicht an jeden Ort, und wie der Reisende nicht an jedem Ort gleich lang verweilt, so hat auch die Reiseroute dieses Bandes ihre Schwerpunkte und ihre Lücken. Damit erhält die Topographie weit über die unmittelbare Ordnungsfunktion hinaus Modellcharakter für die Erschließung der Wirklichkeit im Modus der verstehenden Rekonstruktion und Aneignung. Es gibt räumliche, narrative und sachliche Verzweigungen, Verbindungen ebenso wie Unterbrechungen, Wendepunkte, Teleologien und Brüche, Ausschnitte und Verkürzungen, Fokussierungen und Knotenpunkte. „Eine Karte“, so schreiben Gilles Deleuze und Fe´lix Guattari, „hat viele Eingänge, im Gegensatz zu einer Kopie, die immer ,auf das Gleiche‘ hinausläuft. Eine Karte hat mit der Performanz zu tun, während die Kopie immer auf eine vermeintliche ,Kompetenz‘ verweist“ 31. Karte machen heißt daher, nach neuen Zugängen, Zusammenhängen und Verknüpfungen zu suchen und nicht etablierte Verstehensmuster zu kopieren. Die Karte ist mithin der Kopie entgegengesetzt, „weil sie ganz und gar dem Experiment als Eingriff in die Wirklichkeit zugewandt ist. Die Karte reproduziert nicht ein in sich geschlossenes Unbewußtes, sondern konstruiert es“ 32. Deleuze und Guattari haben sicher nicht nur den Pionier im Auge, der einen Küstenstreifen oder ein unwegsames Gelände kartographiert, von dem es noch kein Kartenmaterial gibt. „Karte machen“ wird vielmehr zum Synonym für einen ergebnisoffenen Erkenntnisprozeß, der Entdeckungen zuläßt und nicht nur Kopien von bereits Bekanntem erzeugt. Denn eine Karte „ist offen, sie kann in allen ihren Dimensionen verbunden, demontiert und umgekehrt werden, sie ist ständig modifizierbar. Man kann sie zerreißen und umkehren; sie kann sich Montagen aller Art anpassen; sie kann von einem Individuum, einer Gruppe oder gesellschaftlichen Formation angelegt werden“ 33.
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32 33
G. Deleuze/F. Guattari, Rhizom, Berlin 1977, 22 (französisch: Rhizome, Paris 1976, nachgedruckt als Vorwort zu Mille-Plateaux, Paris 1980). Ibid., 21 Ibid., 21.
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Leserichtung en und Knotenpunkte In diesem Sinne bietet der vorliegende Band eine Topographie von Leserichtungen und Leseweisen, ohne diese von vornherein festzulegen. Die Leserichtungen können von den Lesern selbst bestimmt werden, so wie man eine Reiseroute wählt: zwischen Kulturräumen, ,Epochen‘ und Disziplinen. Das Verknüpfungsprinzip der Karte ist offen für Pluralitäten und für Beschreibungen anstelle von Normativitäten, kausalen Erklärungen und Definitionen. Diese werden vielmehr kontextualisiert. Auf diese Weise werden neue Lesbarkeiten erzeugt. Es geht nicht nur um die Erschließung neuer, sondern um die neue Verknüpfung bereits bekannter Materialien, um das Wieder-lesbar-Machen alter Materialien, um neue Räume und Verbindungen, um die Erweiterungen von Perspektiven etwa durch Freistellung von Weltanschauungen. Wir wollen keine neuen Normativitäten und Ausschlußformen erzeugen, sondern den Versuch unternehmen, den Diskurs ,Mittelalter‘ zu erweitern, anders zu formieren. Was determiniert unsere Lektüre? Welche Dispositive sind am Werk? Hierbei zeigen sich Knotenpunkte, synchrone Verdichtungen, Quervernetzungen und - mitunter überraschende - Durchblicke. Nach einigen haben wir gesucht, andere haben sich aus Überschneidungen oder Häufungspunkten ergeben: lokale Knotenpunkte, deutlich wahrnehmbare - ,laute‘ - Ereignisse, thematische Cluster 34. Insbesondere Paris und mit deutlichem Abstand Köln stechen hervor: lokal und thematisch. Die Templerprozesse bilden einen unübersehbaren Schwerpunkt, ebenso die Debatten mit und um Durandus von St. PourcX ain, die Ermordung König Albrechts I. in Königsfelden oder Duccios ,Maesta`‘. Die epistemologischen Debatten spiegeln die zunehmende Spannung in einer Welt wider, die vor der Herausforderung steht, neue Karten zu machen anstatt bestehende zu kopieren und dabei die Orientierung an konkreten Küstenlinien auszurichten, weil die enzyklopädische Einfaltung der ganzen Welt nicht mehr zu gelingen scheint. Dieser Band ist somit die Einladung zu einem gemeinsamen Experiment. Es geht um einen neuen ,ersten Blick‘, um eine Epoche´ bestehender Sehgewohnheiten. Diese gilt es in Frage zu stellen, zu schärfen, zu verlängern - anhand eines Jahres und auch über dieses Jahr und seine historische Peripherie hinaus. Denn es soll im folgenden nicht nur um Mikrogeschichte gehen, um die Rekonstruktion eines Jahres, das sich, folgt man der allgemeinen Einschätzung, selbst eher unauffällig gibt, und dessen historischer Umgebung. Andere Fragen stehen gleichwertig im Raum: Was bedeutet es beispielsweise für unser Verständnis eines Wissensdiskurses, diesen aus der Sicht einer zeitgenössischen Quelle, das heißt eines unmittelbaren Zeitzeugen, zu betrachten, die bislang im Schlagschatten eines vermeintlich bedeutenderen Zeugnisses stand? Was ist mit den 34
Cf. hierzu den Tagungsbericht von T. Davids und S. Lange zur 36. Kölner Mediaevistentagung „1308“, in: Bulletin de philosophie me´die´vale 50 (2008), 371-385.
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schweigenden Meistern 35, den weniger erfolgreichen Agenten, den unbeachteten Ereignissen oder schwachen Konjunkturen, den Alltagsquellen und Chroniken, die ein solches Jahr dokumentieren? Wie und in welchen Bereichen verzweigen sich Ereignisse oder Diskurse? Wie nehmen Zeitgenossen im Vergleich zu ihren Nachfahren dieses Jahr wahr? Und bemerken wir überhaupt den einer solchen Synchronie zugrundeliegenden Anachronismus eines, nämlich des lateinischen Kalenders? Manche dieser aus den verschiedensten Bereichen genommenen Ereignisse scheinen arbiträr. Manche hängen miteinander zusammen, andere nicht. Manche verweisen auf Künftiges, andere sind Ergebnis zurückliegender Entwicklungen. Natürlich ist - trotz des Umfangs des Bandes - die Auswahl beschränkt durch Zeit und Ort: Man kann zu und innerhalb einer bestimmten Zeit stets nur Bestimmtes erzählen. Denn die geschichtliche Vernunft ist diskursiv. Wie anfang en? Wie also soll man anfangen, dieses Buch zu lesen? Sicherlich kann man unserer Reiseroute folgen. Im Grunde aber kann man überall anfangen - dort eben, wo man sich gerade befindet: am Anfang oder am Ende, an thematischen Knotenpunkten oder bei lokalen Präferenzen, von Interessen oder bloßer Neugierde geleitet. Doch eigentlich verweist die Frage nach dem Anfangen mit Blick auf dieses Buch auf die tieferliegende Frage, wie man überhaupt in einen historischen Diskurs gelangt. In bestimmter Hinsicht, so muß die Antwort lauten, befinden wir uns schon immer darin, abhängig von seinen Lektüren, Interpretationen und Kontexten, denen man nicht entkommen kann. Dieses Buch ist selbst ein solcher Diskurs. Ein wichtiger Referenzpunkt dieses Buches ist die 36. Kölner Mediaevistentagung. Doch ist der vorliegende Band weit mehr als eine Tagungsdokumentation. Das macht schon ein Vergleich mit dem Tagungsprogramm deutlich, das nach thematischen und lokalen Schwerpunkten organisiert war. Dieser Band schreibt somit das Experiment der Tagung fort. Hierbei soll nicht verschwiegen werden, daß mich von Anfang an zwei Bücher inspiriert haben: zunächst und vor allem der 1932 erschienene Roman ,1919‘ (Nineteen Nineteen) aus der großen Romantrilogie ,U.S.A.‘ von John Dos Passos und sodann das Buch ,1926‘ von Hans Ulrich Gumbrecht 36. Beide Autoren wählen Jahre nach oder vor ,großen‘ Ereignissen: das Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und das Jahr vor dem Erscheinen von Heideggers ,Sein und 35
36
Man denke etwa an den anonymen Glossator, der im Jahre 1308 das Pseudo-Aristotelische Werk ,De bona fortuna‘ abschreibt und kommentiert; cf. den Beitrag von V. Cordonier in diesem Band, 705-770, besonders 722 sqq. H. U. Gumbrecht, 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit, Frankfurt a. M. 2003 (englisch: 1926. Living at the Edge of Time, Harvard 1997).
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Zeit‘, um ein komplexes Bild eines Jahres im Schatten eines großen Ereignisses zu zeichnen, das in einer Überkreuzung von Darstellungsformen und Materialsammlungen, von Erzählsträngen und Spots den Leser zu einer neuen Form der Aufmerksamkeit zwingt. Auch dieses Buch möchte zu einer neuen Aufmerksamkeit auf vermeintlich allzu Bekanntes ebenso wie für bislang wenig Beachtetes oder gar Unbekanntes einladen. Es will in die Welten von 1308 führen, zugleich aber auch die Frage stellen, was es bedeutet, in den Welten von 1308 zu sein und diese Welten zu lesen 37. Es geht um Vergegenwärtigung und um historische Deutung - und um ein Nachdenken über Referenzpunkte unserer Orientierung.
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Cf. hierzu die Überlegungen von H. U. Gumbrecht in 1926, 12.
Orientierungen
Anno Domini 1308. Anmerkungen zur Zeitrechnung Anna-Dorothee von den Brincken (Köln) Das Problem Die Überschrift dieses kleinen kommentierenden Beitrags löst den Tagungstitel „1308“ so auf, wie man ihn gemeinhin heute versteht, wenn man ihn erstmalig hört. Eine Anregung für die Wahl ausgerechnet des Jahres 1308 war der Tod von Duns Scotus am 8. November 1308 in Köln; der abendländische Historiker denkt vielleicht auch an die Ermordung des römischen Königs Albrechts I. und an den nachfolgenden Aufstieg des luxemburgischen Hauses im Reich. Das Jahr des Herrn 1308, nach dem heutigen Kalenderverständnis vom 1. Januar bis zum 31. Dezember zu rechnen, fällt auf den ersten Blick nicht sonderlich aus dem gewöhnlichen Rahmen heraus, sondern weist eine durchschnittliche Ereignisqualität wie -quantität auf. Doch schon die Historiker unter den Referenten, die sich mit der Ereigniswahrnehmung zu befassen hatten, stießen auf Probleme bei der damals üblichen Zeitrechnung. Köln wandte 1308 den sogenannten Kölner Stil in der Jahresrechnung an, nämlich einen Osterstil, wonach das Jahr von einem Osterfest bis zum folgenden Osterfest gerechnet wurde. Die Untersuchung der Papst-KaiserChroniken des Spätmittelalters vergleicht diverse annalistische Aufzeichnungen zum Jahr 1308 und stößt gleichfalls auf unterschiedliche Vorstellungen bei Jahreskennzeichnung und Jahreseingrenzung. Die folgenden Anmerkungen werden sich daher zum einen der um 1308 üblichen Jahreskennzeichnung widmen, zum anderen der zu jener Zeit gebräuchlichen Jahreseingrenzung 1.
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Grundlage für die folgenden Ausführungen ist: A.-D. v. den Brincken, Historische Chronologie des Abendlandes. Kalenderreformen und Jahrtausendrechnungen, Stuttgart 2000 (für alle Angaben und mit allen Nachweisen herangezogen). Kleine chronologische Einführungsbücher, die danach im deutschen Sprachraum erschienen, sind: T. Vogtherr, Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch, München 2001; J. Rüpke, Zeit und Fest. Eine Kulturgeschichte des Kalenders, München 2006; L. Holford-Strevens, Kleine Geschichte der Zeitrechnung und des Kalenders, Stuttgart 2008 [engl. Oxford 2005]. Unentbehrliches Hilfsmittel für den Umgang mit historischen Datierungen bleibt H. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 1898, 13. Aufl. 1991.
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I. Die Jahreskennzeichnung am Beginn des 14. Jahrhunder ts 1. Das Herrscherjahr Die einfachste Jahreszählung orientiert sich an herausragenden Persönlichkeiten eines Zeitalters, zum Beispiel Königen oder Priestern, die über einen längeren Zeitraum ihrem Umfeld den Stempel aufgedrückt hatten und denen man andere Personen zuordnen konnte, so daß sie zu Eponymen, das heißt Namengebern, wurden, wie man es aus der Antike und auch aus dem Alten Testament kennt. Jahresbeamte, die noch am Beginn des Mittelalters wirken, sind die römischen Konsuln, erfaßt in Fasti consulares, Konsullisten. Als die Konsuln in der späteren Kaiserzeit unwichtig werden, gibt es neben den inzwischen ausschlaggebenden Kaiserjahren die Jahrescharakterisierung post consulatum sowohl im Westen (seit 534) wie im Osten (seit 541) Roms. Die aufsteigenden Germanenreiche orientieren sich an ihren eigenen Königslisten, ebenso die entstehenden Nationalstaaten. Der Brauch wurde von allen Herrscherkanzleien des Mittelalters im gesamten Abendland übernommen; gerechnet wurde von der Krönung an. Die Bischöfe zählten nach Pontifikatsjahren, die Päpste nach Papstjahren; sie nennen dazu die byzantinischen Kaiser, nach 800 die karolingischen und nachfolgenden Kaiser, bis sie auf diese im Zeitalter des Reformpapsttums verzichten. 2. Die Indiktion Feierliche mittelalterliche Urkunden verwenden den Indiktionszyklus, einen aus Ägypten stammenden Steuerzyklus von jeweils 15 Jahren, üblich seit 284, Vorschrift in Byzanz durch die Novelle 47 Kaiser Justinians, im Abendland nur Rechenkontrolle und durchaus noch im Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei unter dem Luxemburger Heinrich VII. (1308-13). Sie setzt rechnerisch im Jahr 3 v. Chr. ein; man addiert also drei Jahre zu den Jahren nach Christus und dividiert die Summe durch 15, der Rest ergibt die jeweilige Indiktionszahl. Die Indiktion wurde in Byzanz ab dem 1. September, dem dortigen Jahresanfang, gezählt, im Westen als indictio Bedana ab dem 24. September, dem Tag der Empfängnis Johannes des Täufers; außerdem war eine indictio Romana ab dem 25. Dezember oder 1. Januar in Gebrauch, Siena rechnete ab dem 8. September, Mariae Geburt, und Genua begann den Zyklus ein Jahr später als die übrigen Lateiner. Die Indiktion findet sich im Regelfall in den Ostertafeln verzeichnet und damit auch in mittelalterlichen Annalenwerken angegeben. 3. Ären Im Unterschied zu Zyklen bezeichnet man als Ären eine lineare Abfolge von Jahren, die von einem bestimmten fixen Zeitpunkt, den man Epoche nennt,
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gerechnet wird und größere Jahresabläufe erfaßt. Für die Historiographie sind Ären von großer Nützlichkeit, sie halten sich daher oft über lange Zeiträume, ohne daß man das Gewicht der Epoche noch ausmachen kann. Die früheste derartige Ära ist die des Nabonassar, eines babylonischen Königs, der nur berühmt wurde, weil bei seinem Regierungsantritt am 26. Februar 747 v. Chr. eine astronomische Finsternis, wohl eine Mondfinsternis, die älteste bekannte, eintrat. Von den übrigen Ären hat die Varronische lange Nachwirkungen gehabt, vereinzelt auch im Mittelalter, der zufolge Rom 753 v. Chr. gegründet wurde; seit Varro (116-27 v. Chr.) wurden die Jahre ab urbe condita gekennzeichnet. Die älteste bürgerliche Ära ist die Seleukidenära, die ihren Ausgang vom Sieg des Seleukos Nikator über Demetrios Poliorketes bei Gaza am 1. Oktober 312 v. Chr. nimmt. Sie repräsentierte die Zeitrechnung des gesamten hellenistischen Raumes wie keine andere und wurde auch im arabischen Kulturraum aufgegriffen, wo sie als Ära Alexanders des Großen oder des Zweigehörnten (D ß u¯ l-qarnain, Sure 28, 82-98) bezeichnet wird (nicht zu verwechseln mit der philippischen Ära vom Tod Alexanders des Großen am 12. November 324 v. Chr.). Bei den Juden erscheint sie als Ära der Kontrakte. Ganz Vorderasien bediente sich ihrer nicht nur in der Antike, denn al-Biru¯ni (gest. 1048) zufolge war sie auch im Mittelalter im gesamten Nahen Osten die populärste bei den christlichen Syrern, nämlich Melkiten, Jakobiten wie Barhebraeus (gest. 1286) und Nestorianern, desgleichen bei den Juden, deren Weltära sich erst im 11. Jahrhundert im synagogalen Gebrauch durchsetzte. Noch in der Neuzeit wird sie in den östlichen Kirchen häufig herangezogen, wenn der bürgerliche Kalender dem der Moslems folgt, dessen Benutzung man umgehen will. Die Diokletianische Ära oder Märtyrerära rechnete vom 29. August 284 n. Chr. an, das ist der 1. Thoth des ägyptischen Jahres 1 Kaiser Diokletians. Die Diokletianische Ära wurde von den Astronomen Ägyptens geschätzt, die die julianischen Jahre ihren alten Wandeljahren vorzogen und über Jahrhunderte beibehielten. Die Ära fand großen Anklang in bürgerlichen Kreisen lange nach Diokletian und wurde besonders von den Christen im Zusammenhang mit der alexandrinischen Osterfestberechnung übernommen. Seit dem 7. Jahrhundert wurde sie von den Christen als Märtyrerära bezeichnet. Im Jahrhundert zuvor hatte Dionysius Exiguus die Christliche Ära propagiert, um nicht dauernd an einen Christenverfolger erinnert zu werden. Bei Kopten und Äthiopiern lebte die Märtyrerära fort bis in unsere Tage. Die spanische Ära schließlich, eine Besonderheit der Iberischen Halbinsel und gleichfalls noch 1308 und bis ins Spätmittelalter gebräuchlich, ist seit dem 5. Jahrhundert nachweisbar. Sie erscheint zusätzlich zu allen Datierungen mit dem Wort era: sie ist weder aus dem Lateinischen noch aus dem Arabischen abzuleiten, eher aus dem Iberischen oder vom gotischen jera. Sie beginnt im Jahr 38 vor unserer Zeitrechnung und wird vom 1. Januar an gerechnet. In Deutschland begegnet sie in Urkunden Alfons X. des Weisen von Kastilien während des Interregnums.
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4. Die Christliche Ära und ihre Problematik Unsere christliche Zeitrechnung, die sich an Jesu Menschwerdung orientiert, ist Ausdruck der herausragenden Geschichtlichkeit des Christentums im Verständnis seiner Anhänger. Als ihr Schöpfer gilt der skythische Abt Dionysius Exiguus, der zu Rom als Kanonist wirkte und mit seinen Ostertafeln Ruhm erwarb. Er folgte dem alexandrinischen Osterkalender wie schon Victorius von Aquitanien um 457, wirkte hieran zwischen 525 und 532 und legte dem Abendland durch Kombination des neuzehnjährigen Mondzyklus mit dem achtundzwanzigjährigen Sonnenzyklus den noch heute gültigen 532jährigen Osterzyklus vor. Als er auf dieser Grundlage Ostertafeln erstellen wollte, die auch für künftige Jahrzehnte und Jahrhunderte das Osterfest im voraus zu vermelden hatten, stieß er auf das Problem, Jahre der Zukunft bezeichnen zu müssen, für die geeignete Eponymen nicht im voraus bekannt waren. Die Datierung nach der Diokletianischen Ära mißfiel ihm, er suchte nach einer Epoche aus der Heilsgeschichte und nicht der Christenverfolgungen und verfiel auf die Datierweise, in der ihm seit inzwischen fast eineinhalbtausend Jahren die christliche und inzwischen auch die globalisierte Welt folgen. Versuche zu ihrer Umbenennung wie auch neutrale Bezeichnungen wie „u. Z.“ (unserer Zeitrechnung), „v. u. Z.“ und „n. u. Z.“, haben sich letztlich nicht durchgesetzt. Im Jahre 532, dem letzten Jahr des ersten großen Osterzyklus, setzte Dionysius dieses Jahr als 532 n. Chr. dem Jahr 248 der Diokletianischen Ära gleich. Nun war es keineswegs so, daß die ganze Welt auf diese neue Ära gewartet hätte. Der große angelsächsische Chronologe Beda Venerabilis (gest. 735) tat sehr viel für ihre Verbreitung durch Erstellung von Ostertafeln und durch die Gestaltung einer Kirchengeschichte Englands, auch durch sein Handbuch der Chronologie ,De temporum ratione‘, in dem er die Ära aber bereits kritisierte, weil das Osterfest seiner Ostertafeln für 33 n. Chr. - Christi Kreuzigung und Auferstehung nach dem Evangelisten Johannes, nach den Synoptikern fallen sie ins Jahr 34 - beziehungsweise für das Jahr 565 oder 566 nicht auf anderwärts bezeugte Kalenderdaten der allgemeinen historischen Überlieferung fiel. Wichtig zu wissen ist nämlich, daß es in den Evangelien nur ein einziges Datum gibt, das sich an der römischen Geschichtsschreibung festmachen läßt: Lukas setzt zu Anfang des 3. Kapitels den Beginn von Christi Wirken - dieser sei damals ungefähr 30 Jahre alt gewesen - in das 15. Regierungsjahr des Kaisers Tiberius. Beda selbst hat wegen der Unstimmigkeiten mit seinem Osterfestkalender noch nicht die christliche Ära korrigiert. Dies geschah auch in der unmittelbar folgenden Zeit nicht, weil sich diese Zählweise generell erst im 11. Jahrhundert in der Praxis durchsetzte. Auch wurde um 1064 eine dritte 532jährige Ostertafel erforderlich, und generell erlebten in Europa die Schriftlichkeit und damit das Urkundenwesen und die Geschichtsschreibung einen Aufschwung; die Ära wurde nun für breitere Gelehrtenkreise aktuell. Um die erste Jahrtausendwende
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übte Abbo von Fleury Kritik an der Ära des Dionysius Exiguus 2, um 1073/82 verlängerte der irische Weltchronist Marianus Scotus als Inkluse in Mainz die nachchristliche Zeit um 22 Jahre und suchte dies chronikalisch zu belegen; ihm folgte Sigebert von Gembloux 1092 im ,Liber Decennalis‘. 1135 errechnete Heimo von St. Jakob in Bamberg in seinem ,Liber de decursu temporum‘ 33 Jahre mehr in nachchristlicher Zeit, wie man auch die vorchristliche Zeit auf der Grundlage von Ostertafeln neu berechnete: Die Schöpfung mußte am Kalenderdatum des 18. März begonnen worden sein, denn am vierten Tag schuf Gott Sonne und Mond; das war zur Tag- und Nachtgleiche, und das konnte nur ein 21. März gewesen sein. 1308 sind diese Diskussionen nicht mehr sonderlich aktuell; sie veranlaßten aber Vincenz von Beauvais in der Mitte des 13. Jahrhunderts im Vorwort seines ,Speculum Historiale‘, die Verwendung der doppelsträngigen Papst-Kaiser-Chronistik - wie man sie seit Hugo von St. Viktor kannte - zu empfehlen, weil sie, angesichts der Unsicherheiten in der Zeitrechnung, eine doppelte Sicherung der Zeitangaben gewährleiste. Daß die christliche Ära auch nach neuzeitlichen Erkenntnissen nicht korrekt mit Christi Lebensdaten übereinstimmt und dieser einige Jahre vor unserer Zeitrechnung geboren ist, entspricht den verifizierbaren historischen Angaben, muß aber in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden. 5. Weltären Die Buchreligionen, insbesondere Judentum und Christentum, bedienten sich im universalhistorischen Rahmen Rechnungen ab orbe condito, seit Erschaffung der Welt, beziehungsweise auf der Basis der Genesis ab Adam. Für die Moslems spielten diese Rechnungen nicht die gleiche Rolle, da man sich mit dem strengen Mondkalender von der einfachen Linearität in der Zeitrechnung gelöst hatte und nach Jahren nach der Higˇra rechnete, die sich wegen des Mondkalenders nicht einfach mit unseren Jahren verrechnen lassen. Das Jahr 1308 entspricht hier dem 6. Ragˇab 707 bis 17. Ragˇab 708 3. Schon im Zeitalter des Hellenismus gab es einen Wettstreit über das höhere Alter der einzelnen Kulturen. In diesen Zusammenhang ist die Chronologie der Septuaginta einzuordnen, einer in Alexandrien vorgenommenen Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische von angeblich 70 oder 72 Weisen des 3. vorchristlichen Jahrhunderts, de facto wohl 100 Jahre jünger. Hier sind die Daten der Genesis extrem hoch angegeben und errechnen rund 5500 Jahre für die vorchristliche Zeit. Auf dieser Wissensbasis haben die Kirchenväter der Chri2
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Cf. N. Germann, Zwischen veritas naturae und fides historiae. Zeit und Dauer bei Abbo von Fleury, in: A. Speer/D. Wirmer (eds.), Das Sein der Dauer (Miscellanea Mediaevalia 34), BerlinNew York 2008, 171-195. Cf. den Beitrag von Anna Akasoy in diesem Band.
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sten ihre Universalhistorien, die sogenannten Weltchroniken, erstellt. Ihr Schöpfer Sextus Julius Africanus nahm 221 n. Chr. eine Gleichsetzung der Inkarnation mit dem Weltjahr 5500 vor, wobei der Chiliasmus eine maßgebliche Rolle spielte; man verstand die Schöpfung als eine Präfiguration der Geschichte: Wie der Mensch am sechsten Schöpfungstage erschaffen wurde, so kam Christus in der Mitte des sechsten Jahrtausends auf die Welt, um sie zu erlösen. Biblische Grundlage für derartige Rechnungen war Psalm 90,4 (89): „Denn tausend Jahre sind“ vor Gott „wie der Tag, der gestern vergangen ist.“ Die Vorstellung einer fünfeinhalb Jahrtausende währenden Geschichte wurde für die Griechen und die orientalischen Kirchen maßgeblich, Christus wurde demnach 5501 geboren. Für das Weltjahr 6000 erwartete man vielfach das Weltende. Die Identifikation mit westlichen Daten ist unterschiedlich, Byzanz zum Beispiel weicht mit 5509 Jahren von unserer abendländischen Rechnung ab, Alexandrien mit 5492/3 Jahren und Antiochien mit 5969 Jahren. Für die lateinische Welt wurde die Chronik des Eusebius in der Übersetzung des Hieronymus maßgeblich. Dieser vermied die Weltära, doch ergab sich bei ihm eine Summe von 5198 Jahren vor Christi Geburt. Damit rückte bei Annahme einer sechstausendjährigen Weltdauer der Endzeitpunkt von 500 auf 800 n. Chr., was wegen Parusie-Erwartungen als beruhigend empfunden wurde. Derselbe Hieronymus, der die für Spätantike und Frühmittelalter verbindliche Weltära in Umlauf brachte, lieferte auch bereits ihre Korrekturgrundlage: In seiner späteren Lebenszeit übersetzte er das hebräische Alte Testament ins Lateinische, und dieser als „Vulgata“ bekannte Text wurde für das abendländische Mittelalter verbindlich, allerdings erst in der Karolingerzeit. Zu Anfang des 8. Jahrhunderts schuf der schon mehrfach erwähnte Beda Venerabilis gleich zwei Weltchroniken auf der Basis der Vulgata, und da sahen die Lebenszeiten und Zeugungsalter der biblischen Patriarchen ganz anders aus: 3951 Jahre bestand die Welt vor Christi Geburt, diese erfolgte im Weltjahr 3952. Je nach Vorlagenwertung herrschten jetzt die bedanische und die hieronymianische Weltära in den Weltchroniken nebeneinander. Das 9. bis 11. Jahrhundert bevorzugte Beda, seit dem 12. war Hieronymus wieder gleichermaßen geschätzt, da unter dem Einfluß der Kreuzzüge auch das Interesse am mediterranen Raum und dem Nahen Osten zunahm, das sich reichhaltiger in den älteren Chroniken berücksichtigt fand. Die hieronymianische Zählung begegnet das ganze Spätmittelalter hindurch, mithin auch am Anfang des 14. Jahrhunderts. Während Beda weiterhin die Weltchroniken mit großer Nachwirkung, wie im 12. Jahrhundert Frutolf von Michelsberg und Sigebert von Gembloux, im 13. Jahrhundert Gervasius von Tilbury und Vincenz von Beauvais, prägt - ohne daß die Chronologie hier letztlich gewichtig ist und ein Otto von Freising sogar an den 5500 Jahren vor Christus festhalten kann -, finden sich bei Hugo von Fleury, Ordericus Vitalis und Richard von Cluny im 12. Jahrhundert, bei Siccard von Cremona, Gilbertus Romanus, Matthaeus Parisiensis, Martin von Troppau und in den ,Flores Temporum‘ im 13. Jahrhundert Rückbezüge auf Hieronymus. Insofern die beiden letztgenannten Chronisten die Geschichtsschreibung um 1308
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vorrangig formten, darf man durchaus die Ära des Hieronymus zu jener Zeit als recht lebendig einstufen. Die Juden bedienten sich verwandter Weltären. Rabbi Hillel II., genannt haNasi , aus Tiberias im 4. Jahrhundert gilt als ihr Schöpfer. Er rechnete ähnlich wie Beda auf der Grundlage der althebräischen Überlieferung der Genesis und kam auf 3761 Jahre vor Christi Geburt mit Jahresbeginn im Herbst. Gebräuchlich wurde diese Ära erst im 11. Jahrhundert und war mithin nicht Vorbild für die Christen. Noch heute wird die jüdische Weltära im kultischen Bereich verwendet. II. Die Jahreseing renzung im späteren Mittelalter Schon beim Studium der Kölner Geschichtsquellen zu 1308 fällt auf, daß man sich bei Identifikation der Tagesdaten schwer tut. Der Grund ist, daß Köln damals den Ostertstil hinsichtlich des Jahresanfangs verwandte. Insgesamt lassen sich sechs Modelle der Jahreseingrenzung unterscheiden: 1. Der Weihnachtsstil Während heute das Jahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember dauert, war das im Mittelalter keineswegs entsprechend. Vielmehr ist es nur konsequent, daß ein Jahr, dem die Inkarnationsära zugrunde lag, dem sogenannten Weihnachtsstil folgte: Christus ist am 25. Dezember geboren, und folglich reichte das entsprechende Inkarnationsjahr bis zum 24. Dezember des folgenden Jahres. Das hat zur Folge, daß etwa, wer den Termin der Kaiserkrönung Karls des Großen in der Annalistik nachschlägt, nicht unter dem Jahr 800, sondern unter 801 suchen muß. Der Weihnachtsstil, auch Nativitätsstil genannt, war im Mittelalter der weitaus gebräuchlichste. Er fand bis in den Humanismus in der kaiserlichen Kanzlei Verwendung, von geringen Unterbrechungen abgesehen, was sich auf alle deutschsprachigen Teile des Reiches auswirkte; auch in Skandinavien, wo Weihnachten mit dem Juldag zusammenfiel, akzeptierte man ihn. Westeuropa folgte dem Weihnachtsstil nur bis etwa zur Jahrtausendwende, Frankreich nämlich bis zum Ende der westlichen Karolinger 987, England bis zur Normannenzeit 1066. Auf der Iberischen Halbinsel wurde der Weihnachtsstil erst im Laufe des 14. Jahrhunderts gebräuchlich. In Italien folgte der Norden der Reichstradition, der Süden nur in staufischer Zeit. Die päpstliche Kanzlei gab den Weihnachtsstil 1086 auf. 2. Der Annunziationsstil Unter astronomischen Aspekten empfahlen sich für den Jahreswechsel die Termine der Tag- und Nachtgleiche, die relativ leicht wahrnehmbar waren. Die
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antike römische Tradition hatte deshalb wohl auch ursprünglich den 1. März favorisiert und war erst spät zum 1. Januar übergegangen. Jedenfalls sind Spuren dieser Frühjahrs- beziehungsweise Herbstanfänge im christlichen Annunziationsstil wie im Osterstil faßbar, wie auch Beda den Beginn der Schöpfung drei Tage vor der Tag- und Nachtgleiche annahm, weil Gott Sonne, Mond und Sterne am vierten Tag erschuf; insofern die Erde anschließend Pflanzen in Fülle hervorbrachte, konnte es sich nur um die Frühlingsäquinoktien handeln. Dem Weihnachtsstil ideologisch verwandt war der Annunziationsstil. Damit wurde Christi Inkarnation auf den Tag der Verkündigung an Maria, den 25. März, um neun Monate vorverlegt. Der Marienkult nahm im Laufe des Mittelalters eine immer beherrschendere Rolle ein, insbesondere auch im Ordensleben. Dieser Jahresanfang taucht zuerst in der Kanzlei des Florentiner Papstes Nikolaus II. (1058-61) auf und war in zwei unterschiedlichen Versionen in Gebrauch: Der calculus Florentinus begann das Jahr drei Monate nach Weihnachten, der calculus Pisanus korrekterweise neun Monate vor Weihnachten. Letztere Version war sicherlich die logischere, verursachte aber viel Verwirrung bei der Umrechnung. Ihr folgten Pisa, Lucca, Siena, Arezzo und Lodi sowie die Kurie von 1088 bis 1143. Hingegen war der calculus Florentinus wegen seiner bequemen Handhabung sehr populär in ganz Italien, sogar bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, immer mal wieder zeitweise vom Weihnachtsstil unterbrochen. In Deutschland hat er sich nur als mos Treverensis im Erzbistum Trier 1137 bis 1648 gehalten, in England sporadisch ab 1066 und durchgängig ab 1155 bis 1752, in Irland und Katalonien in der älteren Zeit. Hier sind jeweils manche lokale Details zu beachten.
3. Der Osterstil Der Paschal- oder Osterstil stellt das Erlösungswerk Christi in den Mittelpunkt und läßt das Jahr mit der Auferstehung beginnen. Theologisch mochte diese Rechenweise sinnvoll sein, komputistisch gab sie zu heillosen Irritationen Anlaß, denn Ostern ist ein bewegliches Fest und kann an 35 verschiedenen Tagen gefeiert werden. Der Jahreswechsel konnte nun auf ein breites Terminband fallen, und die Jahre erhielten eine recht unterschiedliche Länge; das wurde auch in wirtschaftlicher Hinsicht zum Unruhefaktor, weshalb der Paschalstil vielfach dem Annunziationsstil angepaßt wurde. Dennoch war der Osterstil in Frankreich verbreitet und wurde daher auch mos Gallicus oder Francicus genannt. Er ist im Artois bereits 856 belegt; allgemein folgte man ihm seit Philipp I. 1060 bis 1564, ferner in Burgund und Holland ab 1300. Das Erzbistum Köln adoptierte den Paschalstil von 1222 bis 1310 als „Kölner Stil“, von den Suffraganbistümern behielten ihn Münster bis 1311 und Lüttich sogar bis 1333 bei. Vereinzelt zählte man danach dann auch anni a resurrectione. Kaiser Karl V. hat sich als einziger Kaiser für seine Urkunden in den Niederlanden des Osterstils bedient.
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4. Der Circumcisionsstil Als Circumcisionsstil hat man den Jahresbeginn zum 1. Januar kirchlich eingeordnet. Im Mittelalter war er wenig populär, zumal er aus heidnisch-römischer Zeit mit allerlei Mummenschanz verbunden war, weshalb er ausdrücklich 567 vom Konzil von Toledo untersagt wurde. Da er nie ganz aus dem bürgerlichen Leben von Rom verschwand, wurde er dann christianisiert dem Herrenfest der Beschneidung Christi zugeordnet. In der deutschen Reichskanzlei ist der Circumcisionsstil seit der Mitte des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert durchaus belegt, allgemein setzt er sich erst seit 1540 durch. In Münster ist er 1313 bezeugt, in Frankfurt 1338-1484, in Mainz im 15. Jahrhundert, in England bisweilen zwischen 1066 und 1155, dann erst ab 1752, auf der Iberischen Halbinsel bis ins 14. oder 15. Jahrhundert. Humanismus und Renaissance sorgten dann durch den Buchdruck für seine Verbreitung.
5. Der Märzstil Der republikanische Jahresanfang am 1. März im Alten Rom war nie ganz auszumerzen, erinnerten doch auch die Monatsnamen September bis Dezember daran. Er spielte noch in der Merowingerzeit im Zusammenhang mit dem Märzfeld eine Rolle, hin und wieder taucht er bei Alamannen und Langobarden auf. Die Republik Venedig benutzte ihn bis 1797. Vereinzelt kommt er bei den Russen nach ihrer Christianisierung vor.
6. Der byzantinische Stil Endlich ist der byzantinische Jahresanfang am 1. September zu erwähnen, der sich aus der römischen Finanz- und Steuerpraxis herleitet und im Umfeld der Ernte seinen Platz hatte. Er lebte in einzelnen byzantinisch geprägten Gebieten auch des Abendlandes fort, so in Sizilien unter dem Haus der Anjou; er hielt sich dort bis 1700.
III. Die Bezeichnung der Tag e Tage wurden im Mittelalter innerhalb der Monate nach dem römischen Kalender angegeben. Abweichungen gab es in Oberitalien, wo nach der consuetudo Bononiensis vereinzelt der Schnitt in die Monatsmitte verlegt war und man den Tag vor dem 15. oder 16. Tag ineunte beziehungsweise danach als exeunte unter Zufügung des Monatsnamens kennzeichnete. Die heute übliche Tageszählung setzte sich erst im 15. Jahrhundert durch.
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Sehr populär aber war stets der Heiligenkalender, weil er den Alltag bestimmte. Man entsann sich eines Tagesdatums viel leichter im Zusammenhang mit einem Fest, zum Beispiel des Dienstags nach Ostern oder des Mittwochs nach St. Gereon. In diesem Fall ist das exakte Tagesdatum über die örtlichen Heiligenkalender und die Ostertafeln in unseren chronologischen Nachschlagewerken zu verifizieren.
Weltbild und Weltkenntnis in der Kartographie um 1308. Die Ebstorfer Weltkarte und die Rundkarte im Portulan-Atlas des Pietro Vesconte Anna-Dorothee von den Brincken (Köln) Eine Weltkarte zu erstellen war stets ein aufwendiges Unterfangen, mit dem der Schöpfer in der Regel über eine längere Zeit beschäftigt war. Man kann daher die Fragestellung nicht auf ein einzelnes Jahr zuspitzen, aber etwa auf die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts. Die Wahl fiel auf zwei repräsentative Beispiele der Universalkartographie, zum einen auf die Ebstorfer Weltkarte, die größte Weltkarte des Mittelalters, Gipfel der Imago Mundi, die die jüngste Forschung in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts datiert 1, zum anderen auf den in venetianischen Werkstätten entstandenen Portulan-Atlas des Genuesen Pietro Vesconte, der mit einer geosteten runden Weltkarte der traditionellen Form ausgestattet ist, in der jedoch neuere Erkenntnisse über das Aussehen Asiens und Afrikas berücksichtigt sind. Zeitlich eingegrenzt wird das kartographische Werk des Pietro auf die Jahre 1311-1321, da er als Berufskartograph seine Karten zumeist zu datieren und zu signieren pflegte. In diesen beiden Karten begegnen sich Tradition in vollendetem Sinn und Fortschritt in dem zu jener Zeit möglichen Ausmaß. I. Die Tradition der Summenkar ten um 1300 Entsprechend anderen Zweigen der Wissenschaft in scholastischer Zeit lassen sich auch in der Kartographie so etwas wie Summen ausmachen, in denen das Wissen der Zeit zu einem möglichst lückenlosen Gesamtwerk geformt war. Aus der zweiten Hälfte des 13. und dem beginnenden 14. Jahrhundert sind besonders eindrucksvolle Gesamtbilder der Welt erhalten, sowohl als Exzerpt zum Beispiel in Gestalt eines Miniaturbildes in einem Psalter der British Library zu London von circa 1262, das nur neun cm Durchmesser aufweist, wie auch in den Großkarten von Vercelli (nach 1270, nur noch sehr fragmentarisch entzif1
Cf. Tafel 1. Jüngst ist eine sorgfältig erstellte neue Rekonstruktion der verlorenen Karte erschienen: Die Ebstorfer Weltkarte. Kommentierte Neuausgabe in zwei Bänden, ed. H. Kugler unter Mitarbeit von S. Glauch und A. Willing. Digitale Bildbearbeitung: Th. Zapf, vol. 1: Atlas. vol. 2: Untersuchungen und Kommentar, Berlin 2007.
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ferbar), von Hereford (zwischen 1276 und 1305) und von Ebstorf. Das besondere Problem aller Großkarten ist die Gefährdung ihres Erhaltungszustandes, da sie des Schutzes eines Bucheinbands entbehren müssen. Nur die heute im Original guterhaltene Hereford-Karte gibt noch eine realistische Vorstellung von einer solchen Großkarte 2. Die Summenkarten der scholastischen Zeit folgen dem TO-Typ, das heißt, sie sind geostete Rundkarten. Das O des Weltozean-Rahmens wird durch ein diesem Kreis einbeschriebenes T der Gewässer unterteilt und gibt die Ökumene wieder: Im oberen Teil zeigen TO-Karten Asien, begrenzt von Don und Nil, die untere Kreishälfte teilen sich Europa und Afrika, durch das Mittelmeer voneinander geschieden. Zu diesem Kartentyp gehört vereinzelt seit dem 12. und generell spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, daß Jerusalem den Mittelpunkt der bewohnten Welt bildet 3, und gewöhnlich findet sich im wenig bekannten Süden, das heißt rechts, eine Galerie von Monstren und sagenumwobenen Bewohnern einer terra incognita. Die überformatigen Karten dieses Typs bieten zudem reichlich Raum, um Kenntnisse aller Art, aber auch imaginäre Vorstellungen einzubringen und dies oft in ausgeprägter künstlerischer Vollendung, so daß diese Karten von besonderem Reiz sind. Die Ebstorfer Weltkarte, durch ihr Format von 358 ¥ 356 cm die materialreichste, durch ihre Gestaltung als Leib des Herrn wohl auch die tiefsinnigste unter den Summenkarten, hat daher schon in den beiden letzten Jahrhunderten große Aufmerksamkeit gefunden. II. Die Ebstorfer Weltkar te Die Ebstorfer Weltkarte rückte aber ganz besonders in das Interesse der Forschung, weil sie dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel. Man hat daher trotz sehr sorgfältiger Untersuchungen und einer jüngst behutsam erstellten Rekonstruktion in Buchform nur eingeschränkte Kenntnisse von ihrem ursprünglichen Aussehen 4. Aus dem Mittelalter sind keinerlei Spuren von ihr auszumachen, weder in erzählenden Quellen über ihr aus dem Rahmen fallendes Erscheinungsbild noch in Dokumenten über ihren Erwerb und die Kosten, die die Forschung in diesem Zusammenhang vermutete und in den Klosterrechnungen suchte. Um 1830 fand eine Konventualin des heute evangelischen Stifts Ebstorf, Nachfolger eines mittelalterlichen Benediktinerinnenklosters, in einer Rumpelkammer die in Teile zerlegte, ursprünglich relativ gut erhaltene Karte, die im 19. Jahrhundert restauriert und abgelichtet, in ihre ursprünglich 30 Schafsperga2 3
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P. D. A. Harvey, Mappa Mundi. The Hereford World Map, Hereford-The British Library 1996. Cf. A.-D. von den Brincken, Jerusalem on Medieval mappae mundi: A Site both Historical and Eschatological, in: The Hereford World Map. Medieval World Maps and their Context, ed. P. D. A. Harvey, The British Library 2006, 355-379, nachgedruckt in: A.-D. von den Brincken, Studien zur Universalkartographie des Mittelalters, Göttingen 2008, 683-703. Kugler, Ebstorfer Weltkarte (nt. 1).
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mentblätter zerlegt und in einer Hängevorrichtung des Staatsarchivs Hannover aufbewahrt wurde, wo sie 1943 von Bomben zerstört wurde; dies wird vielfach als einer der größten Kriegsverluste im Bereich der Kulturdenkmäler gewertet. Die Forschung, insbesondere der letzten dreißig Jahre, hat sich um so intensiver mit der Karte befaßt. Über ihre Herkunft muß die Karte selbst berichten: Ebstorf ist im Bild hervorgehoben, an der Einzeichnung wurde herumkorrigiert, und die Märtyrergräber von Ebstorf - bescheidene Gräber für im 9. Jahrhundert bei Hamburg gegen die Normannen gefallene christliche Soldaten - belegen enge Beziehungen der Karte zu ihrem Fundort. Man wies weiter Kontakte zum Welfenhaus nach, insbesondere die Benutzung der ,Otia Imperialia‘ des Gervasius von Tilbury galt als Beleg für eine Zuweisung an das Umfeld Kaiser Ottos IV., eine bestechende These. Doch hat die jüngere Forschung, insbesondere die der Kunsthistoriker 5, die Karte wegen ihrer äußeren Merkmale übereinstimmend auf die Zeit um oder kurz nach 1300 datiert. Als Vergleichsbasis dienten dabei Buchminiaturen und gestickte Bildteppiche, die bekannte Kunstwerke der Heideklöster im Lüneburger Raum aus dem Mittelalter sind. Aufwendige minutiöse Handschriftenuntersuchungen konnten zwar nicht die Kartenhand identifizieren, sie aber dem beginnenden 14. Jahrhundert zuweisen 6. Da der methodische Grundsatz gilt, daß äußeren Merkmalen das größere Gewicht vor inneren zukommt, geht man für die verlorene Karte nunmehr von einer Entstehung nach 1300 aus, was nicht ausschließt, daß sie im 13. Jahrhundert heute verlorene Vorstufen gehabt haben mag. Denkbar sind Beziehungen zu den Welfen auch um 1300, etwa zu Herzog Otto dem Strengen (1287-1330) und seiner Frau Mechthild, die 1330 Eingang in die Ebstorfer Gebetsgemeinschaft fanden. Der Ebstorfer Propst Albert (1293-1307) kommt gleichfalls als Förderer der Karte in Betracht. Das außergewöhnliche Erscheinungsbild der Karte gab Anlaß zu gründlichen Studien über ihre Erstellung, zum Beispiel über ihren materiellen Wert, ihre Herstellungskosten, vor allem aber natürlich über ihren Zweck als Beweggrund für den betriebenen Aufwand. Da man das Original nicht mehr zur Hand hat und die Beschreibungen des 19. Jahrhunderts oft unzureichend sind, ist zum Beispiel nicht geklärt, ob der Maler Blattgold verwendet hat, etwa für die Mauern Jerusalems. War die Herstellung im Kloster denkbar, möglich und gar bezahlbar? Moderne Spezialuntersuchungen haben wahrscheinlich gemacht, daß die Karte durchaus im Kloster selbst auf einem Spezialtisch entstanden sein könnte und auch nicht unvorstellbar kostspielig gewesen sein muß, auch nicht überlange Zeiten und Mengen an Mitarbeitern beansprucht haben kann, ja, daß man nur von wenigen Händen ausgehen darf. 5
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Ein Weltbild vor Columbus. Die Ebstorfer Weltkarte. Interdisziplinäres Colloquium 1988, ed. H. Kugler in Zusammenarbeit mit E. Michael, Weinheim 1991, besonders die Beiträge von H. Appuhn und R. Kroos. J. Wilke, Die Ebstorfer Weltkarte, 1. Textband, 2. Tafelband (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 39), Bielefeld 2001.
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Wo hatte diese riesige Karte ihren Platz? Sicher lag sie nicht auf dem Fußboden als Vorarbeit für einen Teppich, sondern sie dürfte an Stangen gehangen haben. Sie könnte zum Beispiel im Chor der Klosterkirche ausgestellt gewesen sein. Diente sie vorrangig dem Unterricht, konnte man sie von unten überhaupt gut lesen? Oder war sie Schmuck der Kirche zur Verherrlichung des Schöpfers? Bei der Hereford-Karte weiß man, daß sie ein Retabel zierte. Der zuletzt genannte Aspekt hat in der jüngsten Forschung zunehmend Zustimmung gefunden. Damit gewinnt die Karte an ideellem Wert, allenfalls verliert sie an materiellem, da ihre Herstellung leichter realisierbar erscheint. Die moderne Forschung geht für Ebstorf von einem kostbaren, aber bezahlbaren Objekt aus, das die Schönheit und Ordnung dieser Welt und ihres Schöpfers pries und damit die Andacht der Betrachtenden im Gottesdienst vertiefen sollte; damit korrespondiert ihr Erscheinungsbild vorzüglich. Die sehr überformatige Karte stellt die Welt als Leib Christi dar. Auf der Hereford-Karte schwebt Christus als Weltenrichter über der Welt, auf der Psalterkarte trägt er die Welt gewissermaßen, auf der Ebstorfer Weltkarte ist er eines Leibes mit der Welt. Sein Haupt, seine Hände mit den Nägelmalen und seine Füße erscheinen noch im Bildrand, sind Bestandteil der Welt. Diese, im TOSchema der Ökumene-Karten des Mittelalters gestaltet, zeigt einen nicht voll zu den Rändern durchgezogenen T-Balken, der ein wenig nach Westen, nach unten, verschoben ist, damit Jerusalem noch auf dem asiatischen Festland exakt den Welt- und Kartenmittelpunkt bilden kann. Seine Mauern waren vielleicht im Original einst aus Blattgold und sind auf dieser Großkarte herrlich gestaltet wie auf keiner anderen Karte: Im Bild entsteigt Christus dem Grab als Sieger. Viele der Einzelbilder - an 2000 Bildszenen zählen die Fachleute - ziehen das Augenmerk der Betrachter an, so das Paradies ganz oben im äußersten Osten, das sowohl die vier Paradiesflüsse zeigt wie Adam und Eva mit der Schlange, Noahs Arche, den stattlichen Turmbau von Babel, in Europa die herzförmige Insel Sizilien und ein mit Mauer und sechzehn Türmen bewehrtes Rom. Im Süden, das heißt nach rechts, wird das Kartenbild mit einer Monstrengalerie abgeschlossen. Jüngst hat der Germanist Hartmut Kugler eine Rekonstruktion der Karte in Buchform auf insgesamt 61 beziehungsweise 63 Segmenten vorgenommen, die es dem Interessenten heute erlaubt, die Einzelteile in lesbarer Größe im Verhältnis 1: 2 vor sich zu haben und die Karte im Detail zu studieren 7. Besonders problematisch war für den Herausgeber die Rekonstruktion der Farben, da die alten Abbildungen des 19. Jahrhunderts hier als wenig verläßlich gelten. Ein Kommentarband zum Bildband faßt den derzeitigen Forschungsstand zur Karte zusammen. Nachdem eine noch von großem Dissens bezüglich Anreger, Schöpfer und Zeit der Entstehung getragene Tagung 1988 zu lebhaftem Diskurs geführt hatte 8, hat Jürgen Wilke sich über ein Jahrzehnt mit Fragen der Herstel7 8
Kugler, Ebstorfer Weltkarte (nt. 1). Kugler (ed.), Weltbild (nt. 5).
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lungstechnik und der Paläographie befaßt und nachdrücklich die Datierung ins erstes Drittel des 14. Jahrhunderts favorisiert 9. Auch lokalisierte er die Karte in Ebstorf oder im unmittelbaren Umfeld. Die Bilder, die mit schwarzer Tusche ausgezeichnet sind, verwenden das gleiche Material wie der Schreiber; Schrift und Bild sind demnach in enger Kooperation entstanden. Die Malweise ist grob konzipiert und nicht von Verfeinerung und auch nicht von Pracht geprägt. Jürgen Wilke nimmt nur wenige, vielleicht nur eine Schreiberhand an und auch nur wenige Malerhände. Die Bearbeitung der 30 Pergamentteile ist wohl in fünf Längsstreifen von je sechs mit Heftstreifen zusammengenähten Pergamenten erfolgt, ein großer Arbeitstisch könnte diese Arbeit ermöglicht haben. Von großem Gewicht für die Analyse der Karte ist schließlich der Nachweis der Quellen, deren man sich bediente. Ein besonderes Interesse fanden die ,Otia Imperialia‘ des Gervasius, die zudem von der älteren Forschung als jüngste benutzte Quelle vermutet wurden. Das betrifft vor allem Kenntnisse über Osteuropa. Da das Kloster Ebstorf einmal einen Propst namens Gervasius hatte, vermutete man hier vielfach eine Identität, die aber allenfalls zu einer Frühdatierung der Weltkarte gepaßt hätte. Die modernen Untersuchungen leugnen keineswegs die Benutzung des Gervasius, gewichten aber ebenso viele ältere Handbücher wie Isidors ,Etymologiae‘ und die ,Imago Mundi‘ des Honorius Augustodunensis nachdrücklicher. Die Ebstorfer Weltkarte ist nicht von einzelnen, sondern von vielen großen Vorbildern geprägt. So ist zweifellos die Sawley Map, die man lange mit Honorius Augustodunensis verband und früher einem Heinrich von Mainz zuschrieb, auch hier wiederzuerkennen. Vor allem aber interessierte die Forschung die Frage, wie man den Übergang von vielen bekannten kleineren Karten des Hochmittelalters zu den materialreichen Großkarten bewerkstelligte. Da Patrick Gautier Dalche´ in den letzten Jahrzehnten Textcorpora nachweisen und edieren konnte, die als Anleitungen zum Erstellen von Karten zu verstehen sind 10, vermutet Hartmut Kugler derartige „Libretti“ von Großkarten als Handapparate des oder der Ebstorfkartographen. Hinzu kommen als Vorlagen Sammelwerke wie die ,Collectanea‘ des Solin, Aethicus Ister, das ,Onomasticon‘ des Eusebius in der Übersetzung des Hieronymus, Johannes von Würzburg, Adam von Bremen, der Geographus Ravennas, Matthaeus Parisiensis und andere sowie Alexander-Literatur. Die Ebstorfer Weltkarte darf sehr wohl als Weltgeschichte oder Universalenzyklopädie im Bild eingeordnet werden 11. Gerade die intensive und oft heftige Diskussion um ihre Entstehung nach dem Verlust des Originals hat befruchtend auf die Forschung gewirkt und viele Seiten dieser Gattung ins helle Licht ge9 10
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Wilke, Ebstorfer Weltkarte (nt. 6). P. Gautier Dalche´, La „Descriptio Mappe Mundi“ de Hugues de Saint-Victor. Texte ine´dit avec introduction et commentaire, Paris 1988; id., Du Yorkshire a` l’Inde. Une „ge´ographie“ urbaine et maritime de la fin du XII e sie`cle (Roger de Howden?), Genf 2005, 143 sqq.: Expositio Mappe Mundi. Cf. A. Wolf, Die Ebstorfer Weltkarte als Denkmal eines mittelalterlichen Welt- und Geschichtsbildes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 8 (1957), 204 sqq.
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rückt. Die Weltkarte nimmt den Faktor Zeit aus der Geschichtsdarstellung heraus, sie stellt die Ereignisse vieler Zeiten nebeneinander im Bild dar. Zum Ende des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts erlebte sie in den Summenkarten eine besondere Blütezeit. III. Das Auf kommen der Por tulankar tog raphie Im frühen und hohen Mittelalter diente die Kartographie wenig, um nicht zu sagen gar nicht der Praxis. Das lag unter anderem daran, daß man die Kunst der Vermessung nicht beherrschte; auch die römische Kartographie, insbesondere die Straßenkarten, konnten deshalb hier nicht als Vorbild gedient haben. So bekam die Universalkartographie früh den Charakter einer Imago Mundi, der Erfassung eines vorgegebenen Ganzen, das man meist in festem Rahmen darstellte, das aber nicht - wie bei den Arabern - auf An- und Ausbau ausgerichtet war. Die erste wesentliche Neuerung brachte hier die Portulankartographie. Portulane sind Hafenführer, geschrieben und/oder gemalt, die man als Literaturgattung durchaus schon in der Antike kannte. Im Mittelmeerraum tauchen sie als Karten im 13. Jahrhundert auf, textliche Spuren werden in älteren Handschriften vermutet 12. Als älteste erhaltene Portulankarte gilt die Pisana vom Ende des 13. Jahrunderts. Man weiß aber aus der Geschichtsschreibung, daß Ludwig IX. von Frankreich der Heilige sich auf seinem Tunis-Kreuzzug 1270 eines solchen Hilfsmittels bediente 13. Die Portulane setzen die Benutzung des Kompasses voraus 14. Ursprünglich ging es dabei um reine Küstenkarten, die durch Netze von Rumbenlinien einem Schiff anzeigen sollten, welchen Kurs es nehmen mußte, um von einem Hafen aus einen anvisierten anderen zu erreichen. Portolankarten sind daher mit feinen Kompaßlinien überzogen; dabei handelt es sich keineswegs um ein Gradnetz oder um loxodromische Linien, sondern kreisrunde Netzwerke auf der Grundlage einer sechzehn- oder zweiunddreißigstrahligen Windrose, marteloio genannt. Von den Schnittpunkten eines imaginären Kreises mit den Strahlen der Windrose im Zentrum werden jeweils neue Windrosen konstruiert. Mit Sphärik und Projektion haben diese Karten noch gar nichts zu tun. Doch werden jetzt Entfernungen gemessen, die Karten haben vielfach einen Meilenmesser am Rand. Diese Kartographie kam im Mittelmeerraum auf und hatte gewöhnlich einzelne 12
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P. Gautier Dalche´, Carte marine et portulan au XII e sie`cle. Le liber de existencia riveriarum et forma Maris Nostri Mediterranei (Pise circa 1200) (Collection de l’E´cole FrancX aise de Rome 203), Rom 1995. Cf. Wilhelm von Nangis, Vita S. Ludovici IX. regis Francorum, ed. Bouquet [e. a.], in: Recueil des Historiens des Gaules et de La France 20 (1840), 444. Eine gute allgemeinverständliche Einführung bieten: M. de La Roncie`re und M. Mollat du Jourdin, Portulane. Seekarten vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, München 1984, 7-35 (Einleitung).
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Küstenabschnitte oder Meeresteile zum Gegenstand. Die oft zahlreichen Einzelpergamente wurden dann bisweilen zu Atlanten zusammengebunden. Es entstand nun in italienischen Seestädten ein Berufsstand von Portulankartographen. Nach Pisa war offenbar Genua führend, denn die herausragende venezianische Werkstatt wurde von dem Genuesen Pietro Vesconte betrieben, wie sich diese Fertigkeit auch von Genua aus nach Mallorca ausbreitete - hier sei Angelino Dalorto oder Dulcert genannt -, wo sie seit dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts zu einer besonders verfeinerten Kunstform fortentwickelt wurde 15. IV. Die italienische Schule des Pietro Vesconte zu Venedig Nach bescheidenen Versuchen im 13. Jahrhundert steht Pietro Vesconte am Anfang bedeutender italienischer Kartenwerkstätten und zwar zu Venedig. Dort ist seine Tätigkeit von 1311 bis 1327 durch Signierung der Karten nachzuweisen. Er gilt als der Begründer der sogenannten italienischen Portulanschule, zumal man aus seinen Karten auch sehr gut die Technik ersehen kann, ohne daß schriftliche Anleitungen erstellt wurden. Derartige Karten sind schlicht und schmucklos und legen den Akzent ganz auf die Küsten. Das Inland wird erst behutsam und nur vereinzelt einbezogen. Anders gehen vor allem dann die Schöpfer der ornamentaler gestalteten sogenannten katalanischen (nach der Sprache der Karte), korrekter mallorquinischen Portulani vor, die seit dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts im Vordergrund stehen. Für die mediterranen Küsten entstanden, einschließlich Schwarzmeerraum und Atlantik bis Schottland, ein Dutzend oder mehr Einzelkarten, die bei Pietro Vesconte noch eine Weltkarte im überkommenen TO-Stil erhielten mit Jerusalem im Weltzentrum, einer viel sorgsameren Küstengestaltung insbesondere des europäischen Kontinents, einem recht gelungenen Schwarzen Meer, einem afrikanischen Kontinent mit auffallendem Horn von Afrika und mit einem informativ gestalteten Asien. Hier wurde auch nicht mit Ausmalung des Inlands geknausert. Bei Pietro hatten diese Interessen noch ein anderes Motiv. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts war das Abendland nach dem Verlust von Akkon sehr von Rekuperationsplänen für das Heilige Land erfüllt. Durch die Kreuzzüge und ebenso durch die Mongolenmission in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte die Kenntnis des eurasischen Raums zugenommen. Ganze Reiseberichte, wie diejenigen des Franziskaners Johann von Plano Carpini und des Dominikaners Simon von Saint-Quentin, fanden um 1250 nahezu vollständig Aufnahme ins ,Speculum Historiale‘ des Vincenz von Beauvais und wurden damit zum 15
Cf. die Datierung der verschiedenen Portulanschulen bei T. Campbell, Portolan Charts from the Late Thirteenth Century to 1500, in: J. B. Harley/D. Woodward (eds.), The History of Cartography, vol. 1: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval Europe and the Mediterranean, Chicago-London 1987, 371-463.
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allgemeinen Bildungsgut. Um 1307, also nur ein Jahr vor dem Stichjahr dieses Tagungsbandes, gelangte die Orientgeschichte des Armeniers Hethum in den Westen, eines Angehörigen des kleinarmenischen Königsgeschlechts und vormaligen Generals, der in Bellapais auf Zypern als Prämonstratenser wie auch zeitweise in Frankreich wirkte. Hethum diktierte in Poitiers die französische Form seiner ,La Flor des Estoires de la Terre d’Orient‘, die sogleich auch lateinisch als ,Flos Historiarum Terrae Orientis‘ in der lateinischen Welt Verbreitung fand und zum unschätzbaren Informanten für die Vorstellungen unter anderem über die mongolischen Staatsbildungen im Orient wurde 16. Hethum wollte mit seinem Geschichtswerk im Abendland das Verständnis für das Reich Kleinarmenien vertiefen und die Orientinteressen des Abendlandes nach dem Ende der Kreuzzugszeit im engeren Sinne lebendig erhalten. Es geht hier um Turquesten, das ist Turkestan, als Herkunftsland der Mongolen, Catay, das ist das China der Yüan-Dynastie, Kumania oder Kiptschak, nämlich das Reich der Goldenen Horde, und Asia oder Persia, das Ilkhan-Reich in Persien, die in der Folgezeit in abendländischen Quellen auftauchen, unter anderem in den Universalhistorien des Paulinus Minorita. In Venedig war es Marino Sanudo d. Ä., adliger venezianischer Handelsmann und Levantereisender, der seit 1306 nachweislich Kreuzzugsaktivitäten entwikkelte zur Wiedergewinnung des Heiligen Landes von Ägypten aus, wovon seine 1306 bis 1321 erarbeiteten ,Secreta Fidelium Crucis‘ zeugen 17. Das diesem Werk beigegebene Kartenmaterial stammte mehrheitlich von Pietro Vesconte 18; es erlangte auf diese Weise große Verbreitung im Abendland, denn die Pläne Marinos wurden dem Papst vorgelegt. Als Gutachter wirkte der gebürtige Venezianer Paulinus Minorita, Vertrauter König Roberts von Neapel, 1324-1344 Bischof von Pozzuoli und wohl der mittelalterliche Weltchronist mit dem weitesten räumlichen Horizont in seiner ,Chronologia Magna‘ 1321 und der folgenden ,Satyrica Historia‘ (bis 1334). Paulinus bediente sich gleichfalls des kartographischen Könnens von Pietro und verwandte dies in seinen Werken. Pietros Atlaswerk mit jeweils fünf bis zehn Karten hat sich mehrfach erhalten, unter anderem in Beständen des Vatikans, ganz offensichtlich im Zusammenhang mit Marinos Kreuzzugsschriften 19. Vielfach ist hier auch die Weltkarte beigegeben, die manchmal, aber nicht immer Rumbenlinien aufweist. Auch gibt es Weltkartenversionen von Paulinus Minorita, die ohne Netzwerk auskommen 20. 16
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Vollständig ediert von Ch. Kohler, in: Recueil des Historiens des Croisades, Documents Arme´niens, vol. 2, Paris 1906, 111-363. Ediert in: J. Bongars, Gesta Dei per Francos, vol. 2, Hanau 1611, 1-288. Ibid., nach 288. Cf. K. Miller, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten, vol. 3, Stuttgart 1895, 132-136; mit einer anderen, aber sehr viel dürftigeren vatikanischen Karte Pietros zu Sanudo, dem Pal. Vat. 1362A, befaßt sich K. Kretschmer, Marino Sanudo d. Ä. und die Karten des Pietro Vesconte, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 26 (1891), 352-370. Variante von Pietros Weltkarte, besonders gelungen in Paulins ,Chronologia Magna‘, Ms. Paris, Bibliothe`que nationale de France, Lat. 4939, fol. 9.
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Im folgenden soll ein Exemplar aus der Zeit um 1320/21 betrachtet werden, das mit Marinos ,Secreta‘ überliefert und besonders markant geraten ist 21; vielfach wird darin das Exemplar vermutet, das Papst Johannes XXII. mit Marinos Schrift überreicht wurde 22. Es ist eines der wenigen Exemplare, das nicht signiert, aber Pietro mit Sicherheit zuzuweisen ist. Gerahmt ist die Karte von knappen Erdteilbeschreibungen 23, die im Anhang der ,Secreta‘ gedruckt sind und mit Texten des Paulinus Minorita aus seinem Traktat ,De mappa mundi‘ übereinstimmen 24. Auch diente diese Weltkarte der bei Bongars mit Marinos ,Secreta‘ gedruckten - allerdings wenig gelungenen - Wiedergabe zum Vorbild 25. Die Karte ist geostet und im traditionellen TO-Schema angelegt wie die Ebstorfer Weltkarte, mit der man sie nach neuesten Forschungen jetzt als zeitgleich einordnen darf. Das vorliegende Stück - dies gilt keineswegs für alle Weltkarten Pietros - zeigt sehr eindrucksvoll die Arbeitstechnik mit den Rumbenlinien. Jerusalem bildet den traditionellen Weltmittelpunkt; neu ist, daß es damit zugleich Ausgangspunkt der zentralen sechzehnstrahligen Windrose der Karte ist. Wo diese Zentralstrahlen auf den Außenrand des Erdkreises stoßen, sind neue Windrosen entwickelt. So ist das Bild der Rumbenlinien prägend, aber übersichtlich und keineswegs zu engmaschig geraten und konzentriert sich auf das binnenländische Jerusalem. Die Kontinente sind in hergebrachter Weise bezeichnet, allerdings fehlt die Legende Asia auf dem ausgewählten Exemplar. Der Wiedergabe von Europa und dem gesamten Mittelmeerraum ist die Arbeit mit dem Kompaß gut bekommen, die Küsten entsprechen entschieden mehr den modernen Vorstellungen als noch auf der Ebstorfer Weltkarte. Auch vom Inland sind gute Kenntnisse vorhanden. Generell werden Länder, Provinzen beziehungsweise Territorien genannt, weniger Siedlungen wie sonst auf Portulankarten. In Europa zum Beispiel erscheinen kaum Städtenamen, etwa in Italien weder Rom noch Venedig, nur Veneti, die Städte Verona und Friaul, in Frankreich nur Paris und Vienne, in Deutschland nur Basel und Meißen, also keineswegs Küstenstädte. Köln sucht man auf dieser Karte vergebens, wohl findet es sich auf anderen Exemplaren der Vesconte-Karte. Erwähnenswert ist das Interesse an Osteuropa, dem Baltikum, den slawischen Gebieten, aber auch an Skandinavien einschließlich „Kareli infideles“. Überhaupt spielt das Bekenntnis der einzelnen Völker eine Rolle und 21
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Cf. Tafel 2; Ms. Vatikan, Bibliotheca Apostolica, Vat. Lat. 2972, foll. 112v-113r; cf. Campbell, Portolan Charts (nt. 15), 406. Abbildung bei Y. Kamal, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti, Kairo 1926-51, Nachdruck von F. Sezgin (Veröffentlichungen des Instituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Reihe D, 3, 5), Frankfurt a. M. 1987, fol. 1169. Bongars, Gesta Dei per Francos (nt. 17), 285-288. Unediert; der Text findet sich in der ,Satyrica Historia‘, Ms. Vatikan, Bibliotheca Apostolica, Vat. Lat. 1960, foll. 13-21v. Cf. nt. 18.
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zeigt die Ausrichtung auf einen Missions- oder Kreuzzug: „Letoini pagani“ oder „Ruteni scismatici et protenduntur usque ad Polonos“ kann man da lesen, und auch Cumania ist Europa zuzurechnen 26. Afrika kommt relativ bescheiden weg. Es ist im Innern leer, erscheint mit einer Reihe von Provinznamen und mit dem bislang in der Universalkartographie nicht so ausgebildeten ostafrikanischen Horn, ein Kennzeichen der arabischen Kartographie 27. Nubien und Äthiopien sind auf allen diesen Karten hervorgehoben; wie weit sie als christlich im Bewußtsein waren, bleibt offen. Auf der Ebstorfer Karte finden sie sich natürlich auch. Bemerkenswert neu ist Asien. Ganz oben im äußersten Osten findet sich „India inferior Johannis presbyteri“. Während Mittel- und Schwarzes Meer sehr viel korrekter konturiert sind, taucht gewissermaßen als Neuling in der westlichen Kartographie jetzt das Kaspische Meer als Binnenmeer auf. Natürlich findet es sich auch auf der Ebstorfer Weltkarte, aber in antiker Tradition als Einbuchtung des die Welt umgebenden Ozeans, in Ebstorf gar als Rechteck. Erst Pietro Vesconte gab dem vielfach auch als Meer von Saray benannten Meer die Binnenform; allerdings tat er des Guten zuviel und zeichnete gleich zwei Kaspische Meere ein; diese finden sich auf allen Karten. Während das östliche Kaspische Meer nur diesen Namen trägt und drei Inseln aufweist, trägt das westliche die Namen Mare Caspis, Mare Yrcanum und Mare de Sara 28. Die korrekte Einordnung des Kaspischen Meeres gilt in der Geschichte der Kartographie als ganz einschneidende Zäsur, denn eineinhalb Jahrtausende war es im Abendland nur eine der klassischen Buchten des Weltozeans. Alle Weltkarten Vescontes verzeichnen „Incipit regnum Catay“ sowie das Reich des Großkhans „hic stat magnus Canis“, alle ordnen auch die Tartaren als die eingeschlossenen Nationen ein, „hic fuerunt inclusi Tartari“, setzen sie also mit diesen und Gog und Magog gleich, dem „castrum Gog et Magog“. Weiter ist Taurisium, Tabriz, die Stadt der Ilkhane von Persien hervorgehoben, auch die Mu¯g˙a¯n-Steppe südlich vom westlichen Kaspischen Meer, Überwinterungsplatz der Mongolen, „planities Mongan in qua Tartari yemant“, häufig Aufenthaltsort der Mongolen und Zielort lateinischer Gesandtschaften. Schließlich wird hier erstmals auf einer abendländischen Weltkarte Mekka auf der Arabischen Halbinsel vermeldet. Der linke und rechte Rand ist jeweils als „regio inhabitabilis propter algorem“ beziehungsweise „calorem“ ausgezeichnet nach Art der Zonenkarten. Der gebürtige Genuese Pietro stellt sich hier in den Dienst der Rekuperationspropaganda des Marino; er verdankt das reichhaltige Überleben seiner Kartographie zu einem Teil den Aktivitäten der Kreuzzugsaufrufe nach dem endgültigen Verlust des Heiligen Landes zu Anfang des 14. Jahrhunderts. Paulinus Minorita entwickelt seine Synchronistik und seine Version der Vesconte-Karte auf derselben Grundlage. 26 27
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Cf. für die Legenden auch Miller, Mappae, vol. 3 (nt. 19), 133 sq. T. Lewicki, Marino Sanudos Mappa Mundi (1321) und die runde Weltkarte von Idrıˆsıˆ (1150), in: Rocznik Orientalistyczny 38 (1976), 169-196. Cf. Miller, Mappae, vol. 3 (nt. 19), 135.
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Zusammenfassung Der Anfang des 14. Jahrhunderts ist von weltweiten Interessen geprägt, wie man sie sonst im Mittelalter selten kennt, denn insbesondere die Mongoleninvasionen hatten den Weg sogar durch die Chinesische Mauer hindurch geöffnet. In Ebstorf hat man es bei der Karte mit einem Gipfelwerk klösterlicher Bildung zu tun, wohl weniger für Lehrzwecke entstanden als zur Intensivierung der gottesdienstlichen Andacht und des monastischen Lebens. Wenn Jerusalem hier so sehr akzentuiert ist, geschah das kaum, um die Nonnen zur Pilgerfahrt oder gar zum Kreuzzug zu animieren, sondern um ihnen ein Ziel ihres geistlichen Lebens vor Augen zu stellen. Bei den an Portulanen ausgerichteten Weltkarten aber ist die neue Technik der Küstenkartographie voll übernommen und wirbt für den Kampf um das irdische Jerusalem: Es ist hier Schnittpunkt der zentralen Windrose. Die Weltkarten verzichten noch nicht auf die herkömmlichen Standards, bringen aber außer guten Küstendarstellungen auch viel Material zur Asienkunde, wie es jetzt im Rahmen der Rekuperationspläne benötigt wurde. Nachdem die Träume eines weltweiten Christentums durch den Übertritt der Mongolen im Iran zum Islam ˙ a¯za¯n Khan (1295-1304) ihres Fundaments beraubt waren, schuf man unter G ihnen wenigstens ein universales Denkmal in der Kartographie.
Kanarische Inseln
Die ,Wiederentdeckung‘ der Kanarischen Inseln. Kolonialität und neue Weltsicht Martial Staub (Sheffield) Als Prinz Heinrich der Seefahrer von Portugal in den 1430er Jahren die päpstliche Unterstützung für seine Eroberungszüge im nahen Atlantik suchte, verwies er auf die Bekämpfung des Islam. Ausdrücklich schrieb er Papst Eugen IV. im Hinblick auf Madeira, daß er die Insel von den Sarazenen befreit und ihre Einwohner zum Christentum bekehrt habe 1. Daß Madeira bei der Ankunft der Portugiesen menschenleer war, wollte in Rom offensichtlich keiner so genau wissen. Doch auch seine Begehrlichkeiten auf die Kanarischen Inseln, die anders als Madeira und die Azoren bevölkert waren, begründete Heinrich der Seefahrer mit dem Kampf gegen die islamische Herrschaft 2. Heinrichs Rolle als Administrator des Christusordens, der 1319 die Nachfolge des 1308 aufgelösten Templerordens im Königreich Portugal übernommen hatte, mag seine Perspektive erheblich beeinflußt haben, wie zuletzt Peter Russell in seiner meisterhaften Biographie des Bruders König Duartes I. und Onkels König Alfons’ V. überzeugend gezeigt hat 3. Doch begegnet die Gleichsetzung der Bewohner der Kanarischen Inseln mit den Sarazenen auch in anderen Quellen des 15. Jahrhunderts, so zum Beispiel in ,Le Canarien‘, der französischsprachigen Chronik der Eroberung der östlichen Kanarischen Inseln durch den normannischen Ritter Jean de Be´thencourt 4, oder im berühmten katalanischen Epos ,Tirant lo Blanc‘ 5. Ganz anders liest sich hingegen der etwa zeitgleiche Hinweis auf die Kanarischen Inseln bei Felix Hemmerlin. Der Zürcher Stiftsherr ist als Gelehrter bekannt, der sich zu einer Reihe von Themen von der Reform der Kirche zur Balneologie über die Politik seiner Zeit meistens polemisch geäußert hat 6. Sein 1
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Cf. A. J. Dias Dinis (ed.), Monumenta Henricina, vol. 4, Coimbra 1963, no. 138, 354 sq. Cf. P. Russell, Prince Henry ,the Navigator‘: A Life, New Haven-London 2001, 94. Cf. Russell, Henry ,the Navigator‘ (nt. 1), 84. Cf. ibid., 98. Le Canarien, edd. B. Pico/E. Aznar/D. Corbella (Fontes Rerum Canariarum 12), La Laguna 2003. Cf. D. Abulafia, The Discovery of Mankind. Atlantic Encounters in the Age of Columbus, New Haven-London 2008, 77. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 34. Cf. K. Colberg, Art. ,Hemmerlin‘, Verfasserlexikon, Berlin-New York 21981, vol. 3, 989-1001. Zuletzt: H. Walter, Der Exorzismus-Traktat des Felix Hemmerlin, in: Mediaevistik 20 (2007), 215-273.
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Dialog ,De nobilitate et rusticitate‘ etwa, der Zürichs Verbündetem Herzog Albrecht VI. von Österreich gewidmet ist, stellt eine wortgewaltige Abrechnung mit den mit Zürich befeindeten Eidgenossen im Kontext des sogenannten ,Zürichkrieges‘ von 1436-1450 dar. Dort werden die Bewohner der Kanarischen Inseln vom Vertreter des Adels als ,Wilde‘ dargestellt 7. Auch wenn für Hemmerlin kein Zweifel daran bestand, daß diese Wilden für die Christenheit gewonnen werden konnten, und er damit, wie wir noch sehen werden, die herrschende Meinung der Rechtsgelehrten seiner Zeit wiedergab, so steht seine Darstellung letztendlich doch eher in der Tradition Petrarcas und Boccaccios, die er - ganz Humanist - als seine Vorbilder betrachtete. Sowohl Petrarca als auch Boccaccio hatten beide in den 1340er Jahren die Bewohner der Kanarischen Inseln als Wilde dargestellt. Petrarcas Beschreibung der Inselgruppe ist in seinem Traktat über ,Das einsame Leben‘ (,De vita solitaria‘), einem der verbreitetsten Werke des Spätmittelalters, beinhaltet und kann dort im elften Kapitel des zweiten Buches nachgelesen werden 8. Boccaccios Text ist Teil eines Notizbuches, das unter dem Namen ,Zibaldone Magliabechiano‘ bekannt geworden ist 9. Wenngleich letzteres keine Verbreitung fand, so flossen doch Auszüge daraus in Boccaccios einflußreiche biographische Skizzen ,De casibus virorum illustrium‘ und ,De claris mulieribus‘ ein. Es ist indes bemerkenswert, welchen Stellenwert die Kanarischen Inseln im Werk zweier der bedeutendsten Autoren ihrer Zeit einnehmen. Daß beide über Expeditionen zu den Kanarischen Inseln informiert waren, sollte in Anbetracht ihrer Herkunft und Aufenthaltsorte nicht weiter überraschen. Boccaccio, der vor der Pleite der Bardis, wie schon sein Vater, für die Florentiner Bankiers gearbeitet hatte, pflegte auch nach seiner Hinwendung zur Literatur gute Kontakte zu seinem Herkunftsmilieu. Da nicht nur die Seeleute, sondern auch das Kapital für die ,Entdeckungszüge‘ im Auftrag der iberischen Monarchien aus Italien kamen, dürfen wir annehmen, daß er aus erster Hand über die Verhältnisse im nahen Atlantik unterrichtet war 10. Das Gleiche gilt für Petrarca, der seinerseits vertraut genug mit Norditalien war, um zu wissen, daß die Sklaven, die auf den Umschlagplätzen Genua und Venedig verkauft wurden, neuerdings nicht mehr nur von den Küsten des Schwarzen Meeres kamen, sondern auch aus dem fernen Westen 11. 7
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Cf. Felix Malleolus vulgo Hemmerlein, De nobilitate et rusticitate dialogus, ed. Johann Prüss, Straßburg s.d. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 68 sqq. Francesco Petrarca, De vita solitaria, ed. M. Noce, Mailand 1992. Cf. Francesco Petrarca, Das einsame Leben, trans. F. Hausmann, Stuttgart 2004, 197 sq. Giovanni Boccaccio, Tutte le opere, vol. 5, 1: De Canaria, ed. M. Pastore Stocchi, Mailand 1992. Cf. M. Pastore Stocchi, Il De Canaria Boccaccesco e un locus deperditus nel De Insulis di Domenico Silvestri, in: Rinascimento 10 (1959), 143-156. Cf. D. Wallace, Premodern Places. Calais to Surinam, Chaucer to Aphra Behn, Malden-Oxford 2004, 208. Cf. ibid., 184 sqq.
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Die wahre Dimension der europäischen Beutezüge im nahen Atlantik kommt, wenn überhaupt, nur vermittelt zum Ausdruck in Boccaccios und Petrarcas Berichten, auf die noch im Detail zurückzukommen sein wird. Um so auffälliger ist das Interesse beider Autoren an der Entdeckung beziehungsweise ,Wiederentdeckung‘ der Kanarischen Inseln, die Boccaccio bezeichnenderweise „isole ritrovate“ nennt, durch die Europäer. Anhänger der Postcolonial Studies haben vor diesem Hintergrund auf den Zusammenhang zwischen der Behandlung der Inselbewohner in diesen Texten und der zeitgleichen Erfindung und Verwerfung des ,Mittelalters‘ durch die Humanisten hingewiesen 12. Überzeugend legen etwa John Dagenais und Margaret Greer dar, daß beiden Erzählmustern die gleiche koloniale Haltung zugrundeliegt, ja, daß sich Kolonisierung des Raumes und Kolonisierung der Vergangenheit bei Petrarca gegenseitig bedingen: So wie die Bewohner der fernen Inseln im Atlantik nun einer anderen Zeit angehören, so ist das Mittelalter, obwohl noch präsent, eigentlich doch entfernt 13. Ich möchte hier noch einen Schritt weiter gehen - und zwar nicht, weil die vorangehenden Bemerkungen aus der Feder von Literaturwissenschaftlern und nicht von Historikern stammen. Es scheint mir aber wichtig, auf den Hintergrund konkurrierender politischer Perspektiven, besonders zwischen Universalismus und Partikularismus, und konkurrierender Identitäten (Menschheit beziehungsweise Natur versus Nation) hinzuweisen, vor dem die Humanisten ihre und damit unsere Periodisierung entwickelt haben. Meine Überlegungen müssen aufgrund des vorgegebenen Rahmens notgedrungen kursorisch bleiben und verstehen sich daher als ein bescheidener Beitrag zur Diskussion. Welche Rolle das Jahr 1308 über den eingangs erwähnten Zusammenhang zwischen der Auflösung des Templerordens und Heinrich dem Seefahrer hinaus spielt, wird dabei noch deutlich werden. Kehren wir einen Augenblick zu Boccaccios und Petrarcas Berichten zurück und fragen wir uns vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Postcolonial Studies, wie neu (endeckt) alt (urtümlich) wird beziehungsweise alt (europäisch) neu (modern). Es werden sofort Unstimmigkeiten deutlich. Dabei geht es zunächst nicht um die gegensätzliche Bewertung wilden Lebens bei Boccaccio und Petrarca, auf die noch zurückzukommen sein wird. Zwar werden die Bewohner der Kanarischen Inseln bei Boccaccio alles in allem gemäß pastoralen Vorstellungen als unschuldig dargestellt, während Petrarca die Vorteile der selbstgewählten Einsamkeit der Abgeschiedenheit der Inseln im Atlantik entgegensetzt sowie deren negativen Folgen auf die Insulaner. Es ist allerdings bemerkenswert, daß die Wilden beiden Quellen zufolge unter Einsatz schwerster Bewaffnung (Kriegsflotte, Belagerungswaffen) bezwungen wurden. Daß es sich hier nicht um ein literarisches Motiv handelt, zeigt indes die Tatsache, daß Heinrich der 12
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Cf. J. Dagenais/M. R. Greer, Decolonizing the Middle Ages, in: The Journal of Medieval and Early Modern Studies 30 (2000), 431-448; J. Dagenais, The Modern Laura, in: Modern Language Quarterly 65 (2004), 365-389; Wallace, Premodern Places (nt. 10), 208 sqq. Cf. Dagenais/Greer, Decolonizing (nt. 12), 435.
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Seefahrer 1424 eine vollbewaffnete Expedition auf die Kanarischen Inseln schickte, die jedoch kläglich scheiterte 14. Im Unterschied zu Heinrichs Biographen Gomes de Zurara, der diese Episode peinlich übergeht 15, stellen aber sowohl Petrarca als auch Boccaccio Naturzustand und Kreuzzug unartikuliert nebeneinander. Über die genauen Umstände der ,Entdeckung‘ der Kanarischen Inseln bleiben Boccaccios und Petrarcas Berichte allerdings im Dunkeln. Während Boccaccio auf eine Expedition im Auftrag des portugiesischen Königs Alfons’ IV. Bezug nimmt, die im Jahre 1341 stattgefunden haben soll, verweist Petrarca auf eine Genueser Kriegsflotte und auf die Krönung des Erben der ältesten Linie der Nachfahren König Alphons’ X. von Kastilien und Leo´n, Luis de la Cerda, zum König der Kanarischen Inseln durch Papst Clemens VI. im Jahre 1344. Nicht daß beide Versionen divergieren, ist hier das Problem. Denn liest man die Quellen jener Jahre, so müssen einem die Kanarischen Inseln beinahe wie ein Tummelplatz für die Ambitionen der zerstrittenen iberischen Herrscher vorkommen - eine Tatsache, auf die Ibn H ˚ aldu¯n im übrigen im ersten Kapitel seiner zeitgenössischen ,Muqaddima‘ anspielt 16. Auch das Königreich Mallorca sollte sich noch kurz vor seinem Untergang an dem Wettstreit um die Hoheit über die Kanarischen Inseln beteiligen 17. Gut informierten Autoren wie Boccaccio und Petrarca muß jedoch bekannt gewesen sein, daß spätestens in den 1330er Jahren, wie Charles Verlinden annimmt, oder vielleicht schon um 1310, ja sogar am Ende des 13. Jahrhunderts, der Genueser LancX alotto beziehungsweise Lancelot Malocello die nach ihm benannte und somit von Anfang an gewisse ritterliche Assoziationen hervorrufende östlichste Kanarische Insel Lanzarote erreicht haben soll 18. Warum - so muß die Frage lauten - setzen Boccaccio und Petrarca den Gründungsmoment der europäischen Eroberung der Kanarischen Inseln in die Zeit des Wettstreits konkurrierender Ambitionen auf der iberischen Halbinsel hinein? Ich stelle diese Frage einen Augenblick zurück, um mich dem Bild zu widmen, das Boccaccio und Petrarca, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen, vom Naturzustand zeichnen. Den Vertretern der Postcolonial Studies zufolge war der Übergang zwischen Naturzustand und Rechtfertigung der Sklaverei bei Boccaccio und Petrarca nahtlos. Diese Meinung beruht allerdings auf der Annahme, daß die Humanisten in dieser Frage aristotelischer als die von ihnen verpönten 14 15
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Cf. Russell, Henry ,the Navigator‘ (nt. 1), 84; Abulafia, Discovery (nt. 4), 84. Gomes Eanes de Zurara, Chronique de Guine´e (Cro´nica do Feitos da Guine´), trans. L. Bourdon, Paris 21994. Zu Zurara cf. zuletzt J. Branche, Inscribing Contact: Zurara, the African and the Discourse of Colonialism, in: PALARA: Publication of the Afro-Latin/American Research Association 5 (2001), 6-19. Cf. Abd ar-Rahman bin Muhammed ibn Khaldun, Muqaddimah, trans. F. Rosenthal, Princeton 2 1967, cap. 1. Cf. Wallace, Premodern Places (nt. 10), 203. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 65 sqq. Cf. C. Verlinden, Lanzarotto Malocello et la de´couverte portugaise des Canaries, in: Revue belge de philologie et d’histoire 36 (1958), 1173-1209.
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Scholastiker argumentierten, die ihrerseits in diesem Zusammenhang stark unter dem Einfluß der Kanonistik standen. Auf den ersten Blick gab das kanonische Recht keine eindeutige Antwort auf die Frage der Herrschaft von Christen über nicht-christliche Gesellschaften. Verwiesen sei hier auf die Diskussion, die Innozenz IV. durch seinen Kommentar über die Dekretale ,Quod super his‘ (X 3.34.8) initiierte. Dort sprach sich der Papst, wenn auch unter Auflagen, für das Naturrecht der Völker aus, über sich selbst zu bestimmen, während Hostiensis bekanntlich die Gegenposition vertrat und insbesondere auf den Befugnissen des Papsttums in diesem Zusammenhang beharrte 19. Brian Tierney, zweifellos einer der besten Kenner dieser Materie, hat allerdings erst kürzlich betont, wie sehr sich die Parameter der Diskussion am Anfang des 14. Jahrhunderts durch den sogenannten theoretischen Armutsstreit verschoben haben. Bonagratia da Bergamo auf der franziskanischen und Papst Johannes XXII. auf der gegnerischen Seite haben den Naturzustand so weit hypostasiert, daß man Tierney zufolge in beiden Fällen von einem regelrechten Primitivismus sprechen kann. Von nun an sollte der Naturzustand in Auseinandersetzungen um das Naturrecht eine eindeutig normative Rolle spielen 20. Diese Entwicklung ist hier insofern wichtig, als anzunehmen ist, daß Petrarca, dessen Beeinflussung durch franziskanisches Gedankengut bereits Hans Baron hervorgehoben hat 21, mit den Argumenten der Kontroverse vertraut war. Um so deutlicher muß aber betont werden, daß der Primitivismus, von dem die Geltung des Naturrechts ab dem beginnenden 14. Jahrhundert zunehmend abhängig gemacht wurde, keineswegs den Umkehrschluß präjudizierte: Daß sich die Legitimität des Naturrechts von seiner Anwendung in einem hypothetischen Naturzustand ableiten ließ, hieß noch lange nicht, daß Gesellschaften, die rein äußerlich in die Nähe des Naturzustands gerückt werden konnten, unter dem Naturrecht lebten. Insbesondere die Theologen sperrten sich vehement gegen jegliche Annahme, wonach sich ein Teil der Menschheit nach wie vor im Zustand vor dem Fall befand 22. Petrarca vermittelt ein insgesamt negatives Bild von den Bewohnern der Kanarischen Inseln, das mit dem Primitivismus der Naturrechtsdiskussion kaum vereinbar ist. David Abulafia hat vor kurzem mit viel Feinsinn auf den Unterschied zwischen Boccaccios pastoralem Blick auf die Inselbewohner und Petrarcas pessimistischer Beschreibung derselben aufmerksam gemacht. Letztere sollte 19
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Cf. J. Muldoon, Extra ecclesiam non est imperium: The Canonists and the Legitimacy of Secular Power, in: Studia Gratiana 9 (1966), 553-580; id., Popes, Lawyers, and Infidels: The Church and the Non-Christian World, 1250-1550, Philadelphia 1979. Cf. B. Tierney, The Idea of Natural Rights. Studies on Natural Rights, Natural Law, and Church Law, 1150-1625, Grand Rapids-Cambridge 1997, 148 sqq. Cf. H. Baron, Franciscan Poverty and Civic Wealth in the Shaping of Trecento Humanistic Thought: The Role of Petrarch, in: id., In Search of Florentine Civic Humanism, vol. 1, Princeton 1988, 158-190. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 18.
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sich, von Amerigo Vespucci übernommen, als besonders einflußreich erweisen 23. Obwohl Petrarca den Primitivismus verwirft, ist er zugleich sehr darum bemüht, die Natur nicht der Geschichte entgegenzusetzen, sondern den Naturzustand, in dem sich die Bewohner der Kanarischen Inseln nach seinem Urteil befinden, in einer grauen Vorzeit anzusiedeln. Damit bewegt er sich allem Anschein zum Trotz doch noch innerhalb des von der Scholastik abgesteckten Rahmens. Ebenso bezeichnend ist im übrigen, daß Petrarca die Kanarischen Inseln als Inseln „im äußersten Westen“ bezeichnet, obwohl er sie ein paar Zeilen später „außerhalb des Erdkreises“ verortet. Letzteres muß als eine Weiterführung des Gedankens verstanden werden, der in der klassischen Tradition der Bezeichnung „Glückliche Inseln“ (Insulae Fortunatae) zugrundelag und der am besten in der arabischen Tradition eingefangen war, wo die Kanarischen Inseln, wie etwa bei Ibn H ˚ aldu¯n, „Ewige Inseln“ genannt wurden. Darin spiegelte sich die Annahme wider, wonach die Inseln, die in der ptolemäischen Geographie am ersten Breitengrad lagen, wegen ihrer exzentrischen Lage am westlichen Rand der Ökumene dem Einfluß der Jahreszeiten nicht ausgesetzt waren. Wurden sie nicht etwa von Horaz in der sechzehnten ,Epode‘ als „Länder ohne Pflug, da Ceres im Grund jahrjährlich bekleibet“ besungen 24? Das Naturrecht, zu dem Petrarca stand, lieferte, so müssen wir feststellen, keine Rechtfertigung für die Versklavung der Bewohner der Kanarischen Inseln, da es letztendlich auch dort, wo es einen gewissen Primitivismus vertrat, die Natur nicht als Gegensatz zur Geschichte ansah. Doch wie steht es mit der Geschichte bei Boccaccio und Petrarca? Stellte sich diese in ihren Augen so einheitlich dar, wie sie in der Naturrechtstradition der Scholastik wahrgenommen wurde? Es wird im folgenden die Ansicht vertreten, daß gerade der Partikularismus, der unter anderem die Auffassung der Humanisten von der Geschichte prägte, sehr wohl geeignet war, Beutezüge, wie diejenigen der Europäer auf die Kanarischen Inseln, zu rechtfertigen. Zunächst jedoch müssen wir uns den Vorstellungen von der Geschichte zuwenden, die den humanistischen Quellen der ,Entdeckung‘ der Inseln im nahen Atlantik zugrundeliegen. Dabei ist ein Detail über die Kultur der Bewohner der Kanarischen Inseln interessant, das von vielen humanistischen Autoren nach Hemmerlin aufgegriffen wurde. Die Insulaner sollen, so Hemmerlin, der Kunst der Seefahrt nicht mächtig gewesen sein 25. Auch wenn sich diese überraschende Aussage mit den archäologischen Befunden deckt, so wird sie in den Quellen gerne hervorgehoben, um die Bewohner der Kanarischen Inseln zu ,erden‘, was nicht zuletzt die Naturrechtsargumentation erleichterte. Ebenso wichtig ist aber das, was dieses 23 24
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Cf. ibid., 36 sqq. Quintus Horatius Flaccus, Epod. 16, 41-43: „arva beata / […], arva divites et insulas, / reddit ubi cererem tellus inarata quotannis.“ Zitierte Übersetzung: R. A. Schröder. Cf. Wallace, Premodern Places (nt. 10), 194. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 68 sq.
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Detail über die Selbstwahrnehmung der Europäer verrät. Es ist auffallend, welchen Rang dort der Seefahrt als Zivilisationsindikator beigemessen wird. Manche der Texte lesen sich denn auch wie eine Vorwegnahme der von Montesquieu in einer oft zitierten Passage aus ,L’Esprit des lois‘ vertretenen Ansicht, wonach „überall dort, wo die Sitten der Menschen angenehm sind, Handel getrieben wird; und wo immer Handel getrieben wird, […] die Sitten der Menschen angenehm [sind]“ 26. Hier wird allerdings nicht nur der rohe Kapitalismus früher europäischer Entdeckungen beschönigt, sondern auch die Tatsache verschwiegen, daß diese Unternehmungen von Anfang an im Auftrag und mit Unterstützung der im Wettstreit miteinander liegenden europäischen Staaten stattfanden. Wie wichtig letzterer Zusammenhang war, zeigt ein weiteres Detail, auf das ich nach einem kurzen Umweg über die Berichte der Missionare des späten 16. beziehungsweise frühen 17. Jahrhunderts zu sprechen kommen werde. Zwei Missionare haben um 1600 über die Christianisierung der Kanarischen Inseln berichtet: der Dominikaner Alonso de Espinosa, der in der Tradition seines Ordensbruders Bartolome´ de las Casas stand, und der von ihm beeinflußte Franziskaner Juan de Abreu Galindo 27. Espinosas Bericht ist deshalb berühmt, weil er die Episode der wundersamen Entdeckung der Statue der Jungfrau von Candelaria durch die Bewohner von Teneriffa erzählt 28. Espinosa, wie später auch Galindo, merkt man dabei ihre Bemühungen an, die Bewohner der Kanarischen Inseln als Protochristen darzustellen, die vor ihren Kontakten mit den Europäern bereit waren, die frohe Botschaft des Evangeliums zu empfangen, oder zumindest keine Götzendiener waren. Dieses Bild unterstreicht, wie schon bei Petrarca, eine gewisse Kontinuität zwischen der Zeit vor und nach der Eroberung durch die Europäer. Bemerkenswert ist jedoch, daß sich die Berichte der Missionare an diesem Punkt deutlich von den Quellen absetzen, die zu Beginn der Christianisierung der Kanarischen Inseln im 15. Jahrhundert entstanden sind. Dort wird im Gegenteil auf die Opferpraktiken der Insulaner abgehoben, so etwa in ,Le Canarien‘ oder bei Zurara 29. Letztere Hinweise spiegeln allerdings den zeitgenössischen Stand der Diskussion über das Naturrecht heidnischer Völker wider. Denn anders als noch im 14. Jahrhundert wurde in kirchlichen Kreisen nun ein direkter Zusammenhang zwischen der Frage der Herrschaft von Christen über Nichtchristen und der Naturrechtsdiskussion hergestellt. Nichts dergleichen kann in Clemens’ VI. Rechtfertigung für die Übertragung der Herrschaft über die Kanarischen Inseln an Luis de la Cerda gefunden werden. In seiner Predigt anläßlich der Krönung Luis’ in Avignon verweist Clemens VI. darauf, daß das Zeitalter der christlichen 26 27
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C. de Montesquieu, Œuvres comple`tes, vol. 2, ed. R. Caillois, Paris 1951, 585 (l. 20, cap. 1). Alonso de Espinosa, Historia de Nuestra Sen˜ora de Candelaria, ed. A. Cioranescu, Santa Cruz de Tenerife 1980; Juan de Abreu Galindo, Historia de la conquista de las siete islas de Canaria, ed. A. Cioranescu, Santa Cruz de Tenerife 1977. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 50. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 44 sqq. Le Canarien (nt. 4); Zurara, Chronique (nt. 15). Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 60 sq., 78.
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Herrschaft über die Heiden ausgebrochen sei, nachdem die Christen so lange unter der Herrschaft der Heiden hätten leiden müssen. Dieses tempus modernum, wie er sich ausdrückt, sei indes anders als das vergangene Zeitalter der Verfolgung der Christen nicht durch direkte Anwendung von Gewalt gegen Andersgläubige gekennzeichnet. Viel eher würden Heiden sich gezwungen sehen, zum Christentum überzutreten, um den Folgen der Herrschaft der Christen über ihr Land zu entgehen. Clemens VI. spricht in diesem Zusammenhang von einer coactio conditionata 30. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hatten sich aber die Parameter der Diskussion völlig verschoben. Einerseits hatte sich der Wettstreit um die Kontrolle über die Kanarischen Inseln zugespitzt. Insbesondere Kastilien und Portugal stritten nun offen um die Inselgruppe im Atlantik. Andererseits hatte die Konkurrenz der entstehenden Nationalstaaten darüber hinaus dazu geführt, daß die Frage der päpstlichen Kompetenz besonders eindringlich gestellt wurde. Hierzu kam die Diskussion über die jeweiligen Befugnisse von Papst und Konzil. Als sich folglich Heinrich der Seefahrer in den 1430er Jahren, wie bereits angedeutet, an das Papsttum wandte, um Unterstützung für seine Eroberungspolitik zu erfahren, hatte sich die Lage gegenüber den 1340er Jahren erheblich verändert. Wir brauchen hier nicht weiter auf die Details dieser Diskussion einzugehen, auf deren Ablauf und Bedeutung für die Auseinandersetzung über die Rechte der amerikanischen Ureinwohner im 16. Jahrhundert Peter Russell ausführlich hingewiesen hat 31. Wichtig ist, daß beide von Eugen IV. herangezogenen Kirchenrechtler einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Frage der Herrschaft über die Bewohner der Kanarischen Inseln und der Naturrechtsdebatte herstellten und sich der damals herrschenden Meinung Innozenz’ IV. anschlossen, wonach auch Nichtchristen ein Selbstbestimmungsrecht haben. Ja, Antonio de Roselli ging noch einen Schritt weiter als Antonio Menucci, indem er ausdrücklich feststellte, daß allein die Verhinderung der Arbeit der Missionare für die Portugiesen Grund sein könnte, die Bewohner der Kanarischen Inseln ihrer Herrschaft zu unterwerfen 32. Das Interesse der Quellen des 15. Jahrhunderts an den Opferpraktiken der Insulaner ist vor dem Hintergrund dieser Diskussion zu sehen. In vielen Fällen nimmt sich die Argumentation in dieser Frage wie eine vorweggenommene Antwort auf mögliche päpstliche Einwände gegen die europäische Kolonisierung im nahen Atlantik aus. 30
31
32
Cf. M. G. Martı´nez, Sermo´n de Clemente VI Papa acerca de la otorgacio´n del Reino de Canarias a Luis de Espan˜a: 1344, in: Revista de historia canaria 141-148 (1963-1964), 88-111; id., Segundo sermo´n de Clemente VI Papa, en ocasio´n de la coronacio´n de Luis de Espan˜a como principe de las Islas Canarias, in: Revista de historia canaria 149-152 (1965-1966), 164-171. Cf. Dagenais, Modern Laura (nt. 12), 385 sqq. P. Russell, Some Portuguese Paradigms for the Discovery and Conquest of Spanish America, in: Renaissance Studies 6 (1992), 377-390. Cf. A. J. Dias Dinis (ed.), Monumenta Henricina, vol. 5, Coimbra 1964, no. 140 sq., 285-343. Cf. Russell, Portuguese Paradigms (nt. 31), 387 sqq.
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Die Kanarischen Inseln waren allerdings nicht der einzige Kontext, in dem eine Auseinandersetzung zwischen den iberischen Herrschern und der Kurie über die Rechte der Christen gegenüber Nichtchristen stattfand. Das Pontifikat Nikolaus’ V. gewinnt eine besondere Relevanz in diesem Zusammenhang, die nur bedingt mit dem zeitgleichen Fall Konstantinopels zu tun hat. Als Nikolaus V. 1455 in der Bulle ,Romanus Pontifex‘ das Monopol der Portugiesen über ihre Kolonien im Atlantik und in Afrika bestätigte, rechtfertigte er seine Entscheidung, indem er im wesentlichen der Argumentation der Juristen Eugens IV. folgte 33. Die Befugnisse des Papstes leiteten sich vom Naturrecht ab, das die Versklavung der „Sarazenen und Heiden“ aus einer Defensivhaltung heraus begründete. Nun kann man die Glaubwürdigkeit dieser Begründung hinterfragen; man sollte dabei allerdings nicht vergessen, daß derselbe Nikolaus V. 1449 in ,Humani generis inimicus‘ die Kommunalstatuten von Toledo verurteilt hatte, weil sie die Nachfahren konvertierter Juden, die sogenannten ,conversos‘, aus allen öffentlichen Ämtern verbannten und damit gegen die Einheit der Kirche, in der alle Getauften eins in Christo seien, verstießen 34. Die wahren Feinde des Menschengeschlechts, so Nikolaus V., seien nicht die Juden, sondern jene Christen, die die Juden durch ihre Bekehrung nicht verändert sehen wollten. Doch fand die Stellungnahme Nikolaus’ V. in dieser Frage, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, genausowenig Gehör, wie der naturrechtliche Vorbehalt, der ,Romanus Pontifex‘ zugrundelag, respektiert wurde. Der Geist und der Buchstabe der päpstlichen Position wurden von staatlicher Seite einfach ignoriert. Lag dieser ablehnenden Haltung allerdings die gleiche Kohärenz wie der Position der Kurie zugrunde? Ich möchte behaupten, daß es in beiden Fällen um die Definition dessen ging, was als rechte Kontinuität galt, und daß diese Frage gerade für entstehende Nationalstaaten von entscheidender Bedeutung war; ferner, daß die Humanisten diesen Prozeß begleitet, ja, zuweilen sogar mitgefördert haben. Die Frage der ,conversos‘ ist auch für den Umgang der iberischen Herrscher mit den Bewohnern der Kanarischen Inseln erhellend. Zwar müssen Unterschiede berücksichtigt werden - so die Tatsache, daß wir es nach den Kategorien der Zeit bei ersteren mit ,Ungläubigen‘ und bei letzteren mit ,Heiden‘ zu tun haben. Ferner waren die ,conversos‘ bereits bekehrt, wenngleich ihre Bekehrung ihren Gegnern zufolge, den sogenannten ,Altchristen‘, nicht aufrichtig war, während dieser Schritt bei den Bewohnern der Kanarischen Inseln (noch) ausstand. Wichtiger ist indes, daß im Fall der ,conversos‘ nicht so sehr die Konverti33
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Cf. J. M. da Silva Marques, Descobrimentos Portugueses, vol. 1, Lissabon 1994, 503-513. Cf. A. Pagden, The Fall of Natural Man. The American Indian and the Origins of Comparative Ethnology, Cambridge 1986, 29 sq.; V. Y. Mudimbe, Romanus Pontifex (1454) and the Expansion of Europe, in: V. Lawrence Hyatt/R. Nettleford (eds.), Race, Discourse, and the Origin of the Americas. A New World View, Washington 1995, 58-65. Cf. E. B. Ruando, Toledo en el siglo XV, Madrid 1961, 198-205. Cf. A. A. Sicroff, Les controverses des statuts de ,purete´ de sang‘ en Espagne du XV e au XVII e sie`cles, Paris 1960.
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ten selbst angegriffen wurden, sondern die Nachfahren jener Juden, die sich, um den Pogromen von 1391 auf der iberischen Halbinsel zu entgehen, massenweise hatten taufen lassen 35. Der Vorwurf lautete dementsprechend, daß sie der Religion ihrer Vorfahren nicht gänzlich abgeschworen hatten, sondern ihr insgeheim die Treue hielten. Hier wird deutlich, daß es in dieser Auseinandersetzung um die rechte Kontinuität ging, die, als ,Reinheit des Blutes‘ beziehungsweise ,limpieza de sangre‘ definiert, zumal im Wechselspiel mit der 1478 eingesetzten staatlichen Inquisition, zu einem wesentlichen Faktor der Bildung Spaniens als einheitlicher Nation avancierte. Dabei wurde die sogenannte altchristliche Abstammung als einzig legitime Kontinuität über jede andere Filiation gestellt. Die Frage nach der rechten Kontinuität steht bei genauem Hinsehen auch im Mittelpunkt von Boccaccios und Petrarcas Berichten über die ,Entdeckung‘ der Kanarischen Inseln. Zwar werden dort vor allem im Hinblick auf die Insulaner Diskontinuitäten sichtbar. Auffälliger ist allerdings, wie bereits angedeutet, daß sich europäische Geschichte und Geschichte der Insulaner in beiden Quellen unartikuliert gegenüberstehen. Diese Unstimmigkeit löst sich jedoch auf, wenn erkennbar wird, daß diese Geschichten eher von unterschiedlichen Kontinuitäten geprägt waren, als daß sie vor allem für die Insulaner unter dem Zeichen der Diskontinuität standen. Im Fall der letzteren lautet die Frage sodann, um David Nirenbergs Begrifflichkeit im Zusammenhang mit der Diskriminierung der ,conversos‘ auf dem spanischen Festland abzuwandeln 36, ob die Bewohner der Kanarischen Inseln assimilierbar waren. Hieronymus Münzer stand am Ende des 15. Jahrhunderts der Zusammenhang zwischen Bewohnern der Kanarischen Inseln und ,conversos‘ übrigens deutlich vor Augen: In dem Bericht, den er über seine Reise von 1494/95 nach Spanien verfaßte, wendet sich der Nürnberger Arzt und Humanist nach dem Sklavenmarkt zu Valencia, wo, wie er festhält, Bewohner der Kanarischen Inseln zum Kauf angeboten wurden, den ,conversos‘ zu, wohlwissend, daß nicht wenige unter ihnen es aus Angst vor Verfolgungen vorzogen, ihre Kinder als Sklaven zu verkaufen 37. Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich noch kurz auf die Bedeutung der Opferpraktiken in der Assimilationsfrage eingehen. Denn blickt man auf den Vorwurf, der den ,conversos‘ gemacht wurde, so spielen die Riten, wie das Wort 35
36 37
Cf. D. Nirenberg, Enmity and Assimilation: Jews, Christians, and Converts in Medieval Spain, in: Common Knowledge 9 (2003), 137-155. Cf. ibid., 138. Cf. L. Pfandl, Itinerarium hispanicum Hieronymi monetarii (1494-1495), in: Revue hispanique 48 (1920), 1-179. Cf. A. Classen, Die iberische Halbinsel aus der Sicht eines humanistischen Nürnberger Gelehrten. Hieronymus Münzer: Itinerarium Hispanicum (1494-1495), in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 111 (2003), 317-340; Wallace, Premodern Places (nt. 10), 213; K. Herbers, Die ,ganze‘ Hispania. Der Nürnberger Hieronymus Münzer unterwegs, seine Ziele und Wahrnehmung auf der Iberischen Halbinsel (1494-1495), in: R. Babel/W. Paravicini (eds.), Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jh., Ostfildern 2005, 293-308.
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,judaizare‘ deutlich macht, mit dem die Haltung der ,conversos‘ charakterisiert wurde, darin eine zentrale Rolle. Wenn wir darüber hinaus bedenken, wie eminent wichtig das eucharistische Opfer in der Identität der spätmittelalterlichen Christenheit und wie prominent die Figur des Juden als Negativfolie in diesem Zusammenhang war, so stellt sich die Frage, ob der Hinweis auf die Opferpraktiken der Bewohner der Kanarischen Inseln in ,Le Canarien‘ und bei Zurara lediglich dem Rechtfertigungsdruck gegenüber der römischen Kurie entsprang. Es ist nicht auszuschliessen, daß auch hier die Unterscheidung zwischen legitimer und illegitimer Kontinuität am Werk war. Den Nationalstaaten des Spätmittelalters diente letztere Unterscheidung jedenfalls dazu, ihre Existenzbegründung als partikularistisch fundierte politische Kommunitäten aggressiv zu vertreten. Damit ging auch die Relativierung christlicher Endzeiterwartungen einher, auf die Reinhart Koselleck im Zusammenhang mit der Entstehung der Neuzeit immer wieder hingewiesen hat 38. Mit dem für die Moderne so charakteristischen Gefühl, daß von nun an gedacht und erkannt werden könne, „worauf es seit jeher hätte ankommen müssen“, so Hans Blumenbergs pointierte Formulierung 39, ward denn auch die Zukunft für das Beste und das Schlimmste zur freien Gestaltung durch die Staaten, die Abenteurer aller Arten und viele andere freigegeben, für die sich vornehmlich die sich bietende ,occasione‘, wie Machiavelli gesagt hätte, als Richtschnur des Handelns eignet. Ich bin damit am Schluß meiner Erörterungen. Als im Juli 2008 die Nachricht der Befreiung Ingrid Be´tancourts aus der Geiselhaft der sogenannten FARC in Südamerika um die Welt ging, gelangte, von einer breiten Öffentlichkeit unbemerkt, ein Stück Geschichte der Kolonisierung der Kanarischen Inseln durch die Europäer im Spätmittelalter in unsere Gegenwart. Wie ihre zahlreichen Namensvettern in der hispanischen Welt ist die ehemalige Kandidatin zum kolumbianischen Präsidentenamt nach jenem normannischen Ritter genannt, der ab 1402 die östlichen Kanarischen Inseln im Auftrag der kastilischen Krone in Besitz nahm, was mit ziemlicher Sicherheit auf eine kanarische Herkunft hindeutet 40. Die Geschichte, um die es in diesem Beitrag ging, hat jedoch nicht nur anekdotische Spuren in unserer Gegenwart hinterlassen. Denn das Jahr 2008 ist auch durch das aggressive nationalistische Vorgehen der beiden größten Flächenstaaten der alten Ökumene, Rußland und China, an ihrer Peripherie gekennzeichnet. Darin ist, wenn auch mehrfach vermittelt, der lange Schatten einer Geschichte erkennbar, die vor sieben Jahrhunderten ihren Lauf nahm. Die Nichterwähnung von Malocellos Expedition auf die Kanarischen Inseln durch Boccaccio und 38
39 40
R. Koselleck, ,Neuzeit‘. Zur Semantik moderner Bewegungsbegriffe, in: id., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt am Main 31995, 300-348, 315. Cf. H. Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt am Main 31985, 548. Cf. Abulafia, Discovery (nt. 4), 81 sq.
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Petrarca, die, wenn nicht genau 1308, so doch kurz davor oder danach stattfand, war unter diesen Umständen vielleicht weniger verwunderlich als angenommen. Denn es ist nicht auszuschließen, daß beide Humanisten gegenüber der Entwicklung, die unter ihren Augen einsetzte, gerade ob ihrer eigenen Mitwirkung ein gewisses Unbehagen empfanden 41. Wir hätten dann allen Grund, uns gerade in diesen Tagen an das zu erinnern, was uns womöglich über das Jahr 1308 verschwiegen wurde.
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Cf. M. Staub, Im Exil der Geschichte, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 2 (2008), 5-23, hier 13 sqq.
Iberische Halbinsel
Macht und Expansion auf der Iberischen Halbinsel. Arago´n, Kastilien und Portugal im Spiegel ihrer auswärtigen Beziehungen um 1308 Raphaela Averkorn (Siegen) Die Iberische Halbinsel spielte im Mittelalter in der christlichen und der muslimischen Welt eine zentrale Rolle, die kursorisch als Momentaufnahme mit einem Fokus auf den Zeitraum um 1308 am Beispiel der auswärtigen Beziehungen der christlichen Reiche mit einem besonderen Schwerpunkt auf Arago´n beleuchtet werden soll 1. Das Jahr 1308 wird in den neueren kompakten Gesamtdarstel1
Cf. generell aus der umfangreichen Literatur zur allgemeinen Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter die Darstellungen von K. Herbers, Geschichte Spaniens im Mittelalter, Stuttgart 2006; L. Vones, Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter (711-1480), Sigmaringen 1993 sowie A. I. Carrasco Manchado/J. Martos Quesada/J. A. Souto Lasala, Al-Andalus ´ lvarez Palenzuela (ed.), Historia de Espan˜a de la (Historia de Espan˜a 6), Madrid 2009; V. A. A Edad Media, Madrid 2002; J. M. Monsalvo Anto´n, La Baja Edad Media en los siglos XIV y XV (Historia de Espan˜a 3er milenio), Madrid 2000; D. Abulafia, The Western Mediterranean Kingdoms 1200-1500: The Struggle for Dominion, Harlow 1997; id., A Mediterranean Emporium. The Catalan Kingdom of Majorca, Cambridge-New York 1994; B. F. Reilly, The Medieval Spains, Cambridge 1994; A. Rucquoi, Histoire me´die´vale de la Pe´ninsule Ibe´rique, Paris 1993; ´ . Manzano Rodrı´guez, La intervencio´n de los Benimerines en la Penı´nsula Ibe´rica, Madrid M. A 1992; T. N. Bisson, The Medieval Crown of Arago´n, Oxford 1991; L. P. Harvey, Islamic Spain, 1250 to 1500, Chicago 1990; A. H. de Oliveira Marques, Portugal na crise dos se´culos XIV e XV (Nova Histo´ria de Portugal 4), Lissabon 1987; J. Mattoso, IdentificX ao de um paı´s: Ensaio sobre as origens de Portugal, 1096-1325, 2 vols., Lissabon 1985-1986; R. Arie´, Espan˜a musulmana (siglos VII-XV), Barcelona 1983; J. Lalinde Abadı´a, La Corona de Arago´n en el Mediterraneo medieval (1229-1479), Saragossa 1979; E. Mitre Ferna´ndez, La Espan˜a medieval. Sociedades, estados, culturas, Madrid 1979; D. W. Lomax, The Reconquest of Spain, London 1978; A. MacKay, Spain in the Middle Ages, New York 1977; J. L. Martı´n, La penı´nsula en la Edad Media, Barcelona 1976; J. N. Hillgarth, The Spanish Kingdoms, 2 vols., Oxford 1976-1978; J. F. O’Callaghan, A History of Medieval Spain, Ithaca (NY) 1975; R. Arie´, L’Espagne musulmane au temps des Nasrides (1232-1492), Paris 1973; A. H. de Oliveira Marques, History of Portugal, vol. 1: From Lusitania to Empire, New York-London 1972; J. L. Shneidman, The Rise of the Aragonese-Catalan Empire, 1200-1350, 2 vols., New York 1970; M. A. Ladero Quesada, Granada, historia de un paı´s isla´mico, 1232-1571, Madrid 1969; C. E. Dufourcq, L’Espagne catalane et le Maghreb aux XIIIie`me et XIVie`me sie`cles, Paris 1966. Aus der Reihe Historia de Espan˜a sind folgende Bände von Interesse: M. J. Viguera Molins (ed.), La Espan˜a musulmana de los siglos XI al XV (Historia de Espan˜a/Mene´ndez Pidal 8), 2 vols., Madrid 1994-1997; J. Valdeo´n Baruque (ed.), La Baja Edad Media penı´nsular, siglos XIII al XV: la poblacio´n, la economı´a, la sociedad (Historia de Espan˜a/Mene´ndez Pidal 12), Madrid 1996; J. Torres Fontes/A. J. Martı´n Duque (eds.), La expansio´n penı´nsular y mediterranea (c. 1212-c. 1350) (Historia de Espan˜a/ Mene´ndez Pidal 13), 2 vols., Madrid 31995-1996.
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Raphaela Averkorn
lungen zur Geschichte der Iberischen Halbinsel beziehungsweise Spaniens generell nicht als ein besonders ereignisreiches und bedeutungsschweres Jahr hervor´ lvarez Palenzuela, Bisson, Herbers, gehoben, wie am Beispiel der Werke von A ´ lvarez Monsalvo Anto´n, Rucquoi und Vones deutlich wird. Jedoch wird von A Palenzuela, Herbers und Vones sowie indirekt auch von Bisson und Monsalvo Anto´n der wichtige im Dezember 1308 zwischen Kastilien und Arago´n geschlossene Vertrag von Alcala´ de Henares erwähnt, auf dessen Basis die Wiederaufnahme der Reconquista vorbereitet wurde. Dieser Vertrag kann, wie im folgenden zu zeigen sein wird, als der politische Höhepunkt des Jahres nicht nur in bezug auf die außenpolitischen Beziehungen zwischen Arago´n und Kastilien, sondern auch im Gesamtkontext der Hegemonialbestrebungen Arago´ns auf der Iberischen Halbinsel und im Mittelmeeraum angesehen werden 2. Wie aus der folgenden Studie deutlich werden wird, sind zahlreiche weitere Vorkommnisse jenes Jahres, das durchaus als ein Schlüsseljahr angesehen werden könnte, von strategischer Bedeutung für die Entwicklung der außenpolitischen Beziehungen auf der Iberischen Halbinsel gewesen 3. Die besondere Be2
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Zur Vorgeschichte und den Folgen des Vertrags von Alcala´ de Henares cf. unten Kapitel II. Zur ´ lvarez Palenzuela, Darstellung des Zeitraums um 1308 in den genannten Werken cf. ausführlich A Historia (nt. 1), 609, 619; Monsalvo Anto´n, Baja Edad Media (nt. 1), 22, beschreibt den Zeitraum um 1308 und ein nicht näher bezeichnetes Abkommen, mit dem der Vertrag von Alcala´ de Henares gemeint ist, zur Wiederaufnahme der Reconquista. Rucquoi, Histoire (nt. 1), 218 sq., benennt den untersuchten Zeitraum als eine Zeit der Krisen, ohne jedoch den Vertrag von Alcala´ de Henares direkt zu erwähnen; außerdem Bisson, Medieval (nt. 1), 95: „In 1308 the kings of Aragon and Castile agreed to take advantage of the failings of Muhammad III by attacking Granada.“; Vones, Geschichte (nt. 1), 141, 157, und Herbers, Geschichte (nt. 1), 252 betonen ausdrücklich die Anstrengungen zur Wiederaufnahme der Reconquista auf der Basis des Vertrags von Alcala´ de Henares. Cf. zu den außenpolitischen Beziehungen vornehmlich der christlichen Reiche auf der Iberischen Halbinsel im ausgehenden 13. und im 14. Jahrhundert u. a. generell M. A. Ochoa Brun, Historia de la diplomacia espan˜ola, 6 vols., Madrid 1990-2000; besonders voll. 1-3; P. Soares Martı´nez, Histo´ria diploma´tica de Portugal, Lissabon 21992 sowie R. Averkorn, Herrscherinnen und Außenpolitik. Hochadlige Frauen als Handlungsträgerinnen der auswärtigen Beziehungen auf der Iberischen Halbinsel (13.-15. Jahrhundert), in: K.-H. Schneider (ed.), Geschlechterrollen in der Geschichte aus polnischer und deutscher Sicht (Politik und Geschichte 5), Münster-Hamburg-London 2004, 91-140; ead., Kastilien als europäische Großmacht im Spätmittelalter: Grundprobleme der auswärtigen Beziehungen der kastilischen Könige vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, in: D. Berg/M. Kintzinger/P. Monnet (eds.), Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13.-16. Jahrhundert) (Europa in der Geschichte 6), Bochum 2002, ˆ ge: l’exemple des reines 315-346; ead., La participation des femmes au pouvoir au Bas Moyen A ˆ ge. et princesses de Castille et d’Aragon, in: M. Faure (ed.), Reines et princesses au Moyen A Actes du cinquie`me colloque international de Montpellier. Universite´ Paul-Vale´ry (24-27 novembre 1999), 2 vols., Montpellier 2001, vol. 1, 215-232; C. Segura Grain˜o (ed.), Relaciones exteriores del reino de Granada (Coloquio Historia Medieval Andaluza 4. Coleccio´n temas monogra´ficos 1), Almerı´a 1988; L. V. Dia´z Martı´n, Castilla, 1280-1360: ¿Polı´tica exterior o relaciones accidentales?, in: A. Rucquoi (ed.), Ge´nesis medieval del Estado Moderno: Castilla y Navarra (1250-1370), Valladolid 1987, 125-148; C. Ayala Martı´nez, Directrices fundamentales de la polı´tica penı´nsular de Alfonso X, Madrid 1986; id., Paces castellano-aragonesas de CampilloAgreda (1281), in: En la Espan˜a medieval 5 (1986), 151-168; G. Daumet, Me´moire sur les relations de la France et la Castille de 1255 a` 1320, Paris 1916 sowie generell zur Bedeutung
Macht und Expansion auf der Iberischen Halbinsel
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deutung dieses Jahres soll anhand von ausgewählten Fallbeispielen in den Gesamtkontext eingeordnet werden, um aufzuzeigen, in welcher Weise um 1308 nicht nur die Folgen politischer Entscheidungen aus den vergangenen Jahren in bezug auf die außenpolitischen Beziehungen zum Tragen kamen, sondern auch um zu verdeutlichen, welche Geschehnisse dieses Jahres von außenpolitischer Relevanz waren und langfristige über 1308 hinaus andauernde Auswirkungen haben sollten. Ein Hauptaugenmerk soll auf der Rolle Arago´ns unter Jakob II. (1291-1327) liegen, der im Vergleich der drei christlichen iberischen Reiche zu jener Zeit die aktivste Außenpolitik betrieb 4. Kastilien unter der Herrschaft
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von Grenzen e. g. D. Abulafia/N. Berend, Medieval Frontiers. Concepts and Practices, Aldershot 2002. Cf. zu Jakob II. von Arago´n besonders die Quellenbände von H. Finke, Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291-1327), 3 vols., Berlin 19081922 [Nachdruck Aalen 1966-1968]; R. Muntaner, Cro`nica, a cura di M. Gusta`, 2 vols., Barcelona 31991; A. Rubio´ i Lluch, Diplomatari de l’Orient catala` (1301-1409), Barcelona 1947 [Nachdruck Barcelona 2001] und das mehrbändige Werk von J. Zurita, Anales de la Corona de Arago´n, edicio´n preparada por A. Canellas Lo´pez, voll. 2-3, Saragossa 1977-1978 (edicio´n Libros en red: http://ifc.dpz.es/publicaciones/ebooks/id/2448; download 15. 8. 2008) sowie zur Person und Familie des Königs J. Hinojosa Montalvo, Jaime II y el esplendor de la Corona de Arago´n (Serie media 20), San Sebastia´n 2006; R. Averkorn, König Jaime II. (gest. 1327) von Arago´n und seine Töchter im Briefwechsel. Anmerkungen zu Vater-Tochter-Beziehungen im Kontext weiblicher Lebenswelten im Spätmittelalter, in: G. Seybert (ed.), Das literarische Paar. Le couple litte´raire, Bielefeld 2003, 29-77; ead., Adlige Frauen und Mendikanten im Spannungsverhältnis zwischen Macht und Religion. Studien zur Iberischen Halbinsel im Spätmittelalter, in: C. Rabassa/R. Stepper (eds.), Imperios sacros, monarquı´as divinas (Col.leccio´ Humanitats 10), Castello´n de la Plana 2002, 219-268; M. E. Cadeddu (ed.), Corona d’Aragona e Mediterraneo. Strategie d’espansione, migrazioni e commerci nell’eta` di Giacomo II (Saggi e rassegne 20), Pisa 1996; R. Sablonier, Die aragonesische Königsfamilie um 1300, in: H. Medick/D. Sabean (eds.), Emotionen und materielle Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 75), Göttingen 1984, 282-317; J. E. Martı´nez Ferrando, Jaume II, in: J. E. Martı´nez Ferrando/S. Sobreque´s/E. Bague´ (eds.), Els descendents de Pere el Gran, Barcelona 21980, 59-168; F. A. Miquel, La reina Blanca d’Anjou, Barcelona 1975; J. E. Ferrando, Jaume II, o el seny catala`, Barcelona 21963; id., Jaime II de Arago´n. Su vida familiar. 2 vols., Barcelona 1948; E. L. Miron, The Queens of Aragon: their Lives and Times, London 1913, 138-147. Cf. zu den außenpolitischen Aktivitäten Jakobs II. auch zuletzt N. Jaspert, Interreligiöse Diplomatie im Mittelmeerraum. Die Krone Arago´n und die islamische Welt im 13. und 14. Jahrhundert, in: C. Zey/C. Märtl (eds.), Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008, 151-189 mit umfangreicher weiterführender Literatur. Besonders zu Jakob II. u. a. A. Ması´a de Ros, Relacio´n castellano-aragonesa desde Jaime II a Pedro el Ceremonioso, 2 vols., Barcelona 1994; ead., Jaume II. Arago´, Granada i Marroc. Aportacio´ documental, Barcelona 1989; F. Giunta, Aragoneses y catalanes en el Mediterra´neo, Barcelona 1989; J. M. del Estal, Conquista y anexio´n de las tierras de Alicante, Elche, Orihuela y Guardamar al Reino de Valencia por Jaime II de Arago´n (1296-1308), Alicante 1982; V. Salavert y Roca, Cerden˜a y la expansio´n mediterra´nea de la corona de Arago´n, 1297-1314, 2 vols., Madrid ´ frica. Polı´tica de Jaime 1956; A. Ması´a de Ros, La corona de Arago´n y los estados del norte de A II y Alfonso IV en Egipto, Ifriquı´a y Tremece´n, Barcelona 1951; A. Gime´nez Soler, La Corona de Aragon y Granada. Historia de las relaciones entre ambos reinos, Barcelona 1908; id., El sitio de Almerı´a en 1309, Barcelona 1904.
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Ferdinands IV. (1295-1312) als unmittelbarer Nachbar Arago´ns und der muslimischen Reiche ist ebenfalls als wichtiger Protagonist einzuordnen 5. Portugal unter Dinis I. (1279-1325) hingegen ist im wesentlichen als mitwirkende Macht, als Mediator beziehungsweise Beobachter der Geschehnisse anzusehen. Wesentliche außenpolitische Initiativen, die im Kontext dieser Untersuchung von Bedeutung sind, gingen um 1308 nicht von Portugal aus 6. Die Bedeutung des Jahres 1308 für die auswärtigen Beziehungen der Iberischen Halbinsel kann nicht in seiner komplexen Gesamtheit untersucht, sondern soll exemplarisch anhand von drei ausgewählten signifikanten Fallbeispielen analysiert werden. Von hoher Signifikanz waren 1308 vor allem die Templerfrage, die Vorbereitung eines Kreuzzugs gegen Granada sowie die militärischen Unternehmungen der Katalanischen Kompanie im östlichen Mittelmeerraum. Anhand dieser Beispiele lassen sich detaillierte Einblicke in wesentliche Teile des außenpolitischen Netzwerks besonders der Corona de Arago´n, aber auch Kastiliens und Portugals gewinnen und eine deutliche Einbindung der Iberischen Halbinsel in das internationale Mächtegefüge unter Führung des aragonesischen Monarchen konstatieren. König Jakob II. von Arago´n verfügte über ein ausgezeichnetes und umfangreiches diplomatisches Netz, das durch die unermüdliche Arbeit unzähliger bestens geschulter Gesandter effizient aufgebaut wurde und daher bereits von Zeitgenossen wie auch von späteren Historikern entsprechend als herausragend gewürdigt wurde 7. Aus der Korrespondenz des Monarchen geht deutlich hervor, 5
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Cf. zu Ferdinand IV. von Kastilien besonders C. Gonza´lez Mı´nguez, Fernando IV, 1295-1312 (Corona de Espan˜a, Reyes de Castilla y Leo´n 4), Palencia 1995; id., Fernando IV de Castilla (1295-1312). La guerra civil y el predominio de la nobleza, Valladolid 1976; Cro´nica del rey Don Fernando IV, in: C. Rosell (ed.), Cro´nicas de los reyes de Castilla desde Don Alfonso el Sabio hasta los cato´licos Don Fernando y Don˜a Isabel (Biblioteca de autores espan˜oles 66), Madrid 1953, 91-170; A. Benavides, Memorias de Don Fernando IV de Castilla, 2 vols., Madrid 1860; sowie zu seinen Eltern Sancho IV. und Marı´a de Molina u. a. M. J. Fuente, Reinas medievales en los reinos hispa´nicos, Madrid 22003; 243-267; R. del Valle Curieses, Marı´a de Molina: el soberano ejercicio de la concordia, Madrid 2001; V. Ma´rquez de la Plata/L. Valero de Bernabe´, Reinas medievales espan˜olas, Madrid 2000, 221-242; J. M. Nieto Soria, Sancho IV, 1284-1295 (Corona de Espan˜a, Reyes de Castilla y Leo´n 3), Palencia 1994; M. Gaibrois de Ballesteros, Don˜a Marı´a de Molina, tres veces reina, Madrid 21968; ead., Historia del reinado de Sancho IV de Castilla. 3 vols., Madrid 1922-1928. Cf. zu König Dinis I. von Portugal besonders J. A. de Sotto Mayor Pizarro, D. Dinis, Lissabon 2008; F. Barros Leite, O rei D. Dinis e a rainha santa Isabel, Coimbra 1993; S. R. Ackerlind, King Dinis of Portugal and the Alfonsine Heritage, New York 1990; F. Branda˜o, Monarquia Lusitana. Parte Sexta (introducX a˜o de A. da Silva Rego, notas de A. A. Banha de Andrade, A. Dias Farinha, E. dos Santos e M. Santos Alves), Lissabon 1980 und zu seiner Außenpolitik speziell Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 1, 27-34, 171-173, 177; Daumet, Me´moire (nt. 3), 124-134; Soares Martı´nez, Histo´ria (nt. 3), 41-45; Averkorn, Herrscherinnen (nt. 3), 126-129, zur Rolle von Königin Isabel in der Außenpolitik. Cf. hierzu Finke, Acta (nt. 4), vol. 1, cxxiii-clxxvi zur diplomatischen Korrespondenz; Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 2, 70-127 zum diplomatischen Netzwerk; Jaspert, Interreligiöse Diplomatie (nt. 4), 164-189, mit einem besonderen Fokus auf den christlich-muslimischen Beziehungen, sowie auch Bisson, Medieval (nt. 1), 97: „James II loved administration. A contemporary
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daß ihn seine Gesandten, aber auch die Herrscher anderer Reiche regelmäßig über wichtige politische Geschehnisse informierten, so daß der König in der Lage war, diese Mitteilungen für seine Interessen zu verwenden und darauf zu reagieren. Diese enge Einbindung in das Kommunikationsnetz der königlichen Höfe zeigt sich unter anderem daran, daß er im Januar 1308 beispielsweise von seinem Schwiegervater Karl II. von Neapel, der sich in Marseille aufhielt, Neuigkeiten über die Vorgänge in Ungarn erhielt, wo dessen Enkel die Herrschaft hatte übernehmen können 8. In einem Schreiben des französischen Königs Philipp IV. vom 29. Januar 1308 aus Boulogne-sur-Mer wurde er nicht nur detailliert über dessen Vorgehen in der Templer-Frage informiert, sondern auch über die in jenem Ort am 15. Januar zelebrierte Hochzeit der Königstochter Isabelle mit Eduard II. von England 9.
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said of him that he sent ,more solemn envoys to the papal court in one year than the kings of England and France in ten!‘“ Finke, Acta (nt. 4), vol. 3, no. 75 (7. 01. 1308). Cf. zu den Angevinen in Neapel und besonders zu Jakobs Schwiegervater Karl II. sowie zu seinem Schwager Robert I. u. a. S. Kelly, The New Solomon. Robert of Naples (1309-1343) and Fourteenth-Century Kingship, Leiden-Boston 2003; N. Jaspert, Wort, Schrift und Bild im Dienste der Außenbeziehungen. Die Anjou in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: D. Berg/M. Kintzinger/P. Monnet (eds.), Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13.-16. Jahrhundert) (Europa in der Geschichte 6), Bochum 2002, 271-314; A. Kiesewetter, Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295) (Historische Studien 451), Husum 1999; sowie E. G. Le´onard, Les Angevins de Naples, Paris 1954; R. Caggese, Roberto d’Angio` e i suoi tempi, 2 vols., Florenz 1922-1931. Zu den Angevinen in Ungarn cf. u. a. P. Engel, The Realm of St Stephen. A History of Medieval Hungary 825-1526, London-New York 2001, besonders 124-130 zur Thronübernahme; Gli Angioini di Napoli e di Ungheria, colloquio italo-ungherese, 23-24 maggio 1972, Rom 1974; Le´onard, Angevins (nt. 8), besonders 196-199; B. Ho´man, Gli Angioini di Napoli in Ungheria 1290-1403, Rom 1938. Zu Eduard II. und Isabella cf. u. a. M. Saaler, Edward II, 1307-1327, London 1997, besonders 39 sq.; R. M. Haines, King Edward II: Edward of Caernarsen, his Life, his Reign, and its Aftermath, 1284-1330, Montreal 2006; A. Weir, Isabella. She-wolf of France, Queen of England, London 2006; C. Bingham, The Life and Times of Edward II, London 1973; J. S. Hamilton, Piers Gaveston, Earl of Cornwall, 1307-1312, Detroit 1988; M. Prestwich, The Three Edwards: War and State in England, 1272-1377, London 1980; Finke, Acta (nt. 4), vol. 3, no. 76 (29. 1. 1308), 175: „[…] quod princeps illustris, filius noster carissimus, E. rex Anglie hiis diebus venit ad nos Boloniam et homagium nostrum intravit pro ducatu Acquitanie aliisque terris suis in regno nostro Francie constitutis necnon in facie ecclesie cum Ysabelli filia nostra carissima prolocutum tractatum cum progenitore suo nobiscum firmavit“; hierzu auch J. Favier, Philippe le Bel, Paris 1998, 229, 418, 484. Die engen Beziehungen zwischen England, durch die Besitzungen in der Guyenne und Aquitanien direkter Nachbar der iberischen Reiche, und der Corona de Arago´n können an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden, es sei lediglich auf die Interventionen und die Mittlerrolle des englischen Königs Eduard I., der mit Leonor von Kastilien, einer Halbschwester König Alfons’ X., vermählt war, im Sizilien-Konflikt verwiesen, cf. Kiesewetter, Anfänge (nt. 8), 67-72; M. Prestwich, Edward I, London 1988, 128, 323 zu den Beziehungen zu Arago´n sowie zum geplanten Ehebündnis zwischen Jakobs älterem Bruder König Alfons III. von Arago´n mit Eleanor von England (1269-1298), einer Tochter Eduards I. und Schwester Eduards II. Aufgrund des plötzlichen Tods von Alfons III. im Jahre 1291 wurde diese seit 1282 projektierte Verbindung nicht realisiert, cf. Saaler, Edward (nt. 9), 7; Prestwich, Edward (nt. 9), 128. Zu Philipp IV. dem Schönen und seinem Umfeld cf. u. a. J. Favier, Les papes d’Avignon, Paris 2006; J. R. Strayer, The
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Die Ermordung König Albrechts I. am 1. Mai 1308 wird ebenfalls in einem Schreiben an Jakob II. kommentiert. Diese Tat wurde dem Monarchen von seinem sehr erfahrenen Gesandten Joan Burgunyo´, der sich beim Papst in Poitiers aufhielt und dort das Vorgehen gegen die Templer aus nächster Nähe verfolgte, in einem Schreiben vom 5. Juni 1308 lapidar mitgeteilt. Im gleichen Brief erwähnte er neben Unruhen in England, die sich gegen Eduards Günstling Piers Gaveston richteten, auch diejenigen in Flandern sowie den Brand der Lateransbasilika 10. Poitiers war im Sommer 1308 eines der wichtigen Kommunikationszentren, in dem Informationen aus ganz Europa zusammenliefen. Seit dem Herbst 1307 war eines der wichtigsten Themen, das auf die politischen Entwicklungen der folgenden Jahre deutliche Auswirkungen hatte, die Untersuchung gegen den Orden der Templer. Diese Geschehnisse waren zunächst in Frankreich zu verorten, weiteten sich jedoch auf ganz Europa aus. Das Verfahren, das zum Prozeß gegen die Templer, zum Untergang des Ordens und seiner Auflösung im Jahre 1312 durch Papst Clemens V. führte, wies trotz der unterschiedlichen Vorgehensweise in den einzelnen Reichen eine internationale Dimension auf, die besonders auf der Iberischen Halbinsel in enger Verknüpfung mit den übrigen im Jahr 1308 an den dortigen königlichen Höfen thematisierten Problemfeldern wie der Vorbereitung eines Kreuzzugs gegen Granada und den militärischen Aktivitäten der Katalanischen Kompanie zu sehen ist. I. K ampf g eg en die Templer König Jakob II. von Arago´n war aufgrund seiner außenpolitischen Aktivitäten, seiner im Vergleich zu Kastilien und Portugal zentraleren Stellung im europäischen Mächtegefüge sowie seiner bestehenden engen Kontakte zu Philipp IV. von Frankreich unmittelbarer und intensiver mit der Templerfrage befaßt als
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Reign of Philip the Fair, Princeton 1980. Jaspert, Wort (nt. 8), 286 sq. zu Eduard I. und seiner Mittlerrolle. Finke, Acta (nt. 4), vol. 3, no. 83 (5. 6. 1308), 184 sq. mit einem Schreiben des Joan Burgunyo´: „[…] rex Francie est hic et intravit civitatem Pictauensem dominica post festum ascensionis domini sequenti. Tunc postea die mercurii erat rex presens in consistorio publico et fecit proponi per dominum Guilelmum de Plasiano contra Templarios. […] Iam alias significavi vestre regie celsitudini, qualiter prima die mensis Madii proxime preteriti rex Alamannie fuit interfectus per quondam nepotem suum, filium fratris. Dicitur, quod in Anglia fuit turbatio inter regem Anglie et barones et causa fuisse dicitur, quia quendam militem de Vasconia vocatum Petrum de Gavesto, quem rex Anglie defunctus expulerat de regno Anglie, iste rex Anglie vocaverat et eum secum habebat et comitatum Cornuallie sibi dederat. Audio tamen, quod facta est concordia et dati sunt illi aliqui reditus in locum commitatus predicti. De Flandria speratur turbacio, quia Flandrenses nolunt servare conventa. Ecclesia Lateranensis Rome combusta est in tecto pro maiori parte de nocte et fuit hoc in festo sancti Johannis ante portam Latinam.“ Cf. Favier, Philippe (nt. 9), 411-415 zur Ermordung Albrechts von Habsburg und der Reaktion Philipps des Schönen; Saaler, Edward (nt. 9), 37 sq. zu Gaveston im Jahr 1308. Zu dem Mallorquiner Burgunyo´, einem der wichtigsten Diplomaten in Diensten Jakobs II. u. a. J. M. Madurell Marimo´n, Juan Burgunyo´, embajador de Jaime II, in: Analecta sacra Tarraconensia 15 (1942), 265-289; Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 2, 121; Finke, Acta (nt. 4), vol. 1, cxxxiii-cxxxvii.
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seine iberischen Nachbarn Ferdinand IV. von Kastilien und Dinis I. von Portugal. Die eindrucksvolle Quellenlage, beispielsweise auf der Basis der zahlreichen Berichte der aragonesischen Gesandten, die regelmäßig als Augenzeugen während der entscheidenden Phasen des Templerprozesses auf französischem Boden oder an der päpstlichen Kurie zugegen waren und entsprechende Schreiben an Jakob II. übermittelten, unterstreicht diesen Befund 11. Der aragonesische Monarch unterhielt in dieser Angelegenheit seit 1307 enge diplomatische Kontakte zu Papst Clemens V. und dem französischen König Philipp IV., die in ihrer Intensität und Häufigkeit weit über diejenigen hinausgingen, die auf kastilischer und portugiesischer Seite zu verzeichnen sind. Nicht nur in bezug auf das Vorgehen gegen die Templer wird deutlich, daß König Jakob II. es immer wieder verstand, im europäischen Mächtegefüge eine herausragende Rolle einzunehmen und konsequent an der Umsetzung seiner politischen Absichten zu arbeiten. Die Auskünfte zu Kastilien sind deutlich spärlicher, erlauben aber dennoch deutliche Einblicke in die Vorgehensweise Ferdinands IV. in bezug auf die Templer. Die engen Beziehungen Jakobs II. und seiner Gattin Blanca von Anjou zu König Philipp IV. dem Schönen von Frankreich und dessen Bruder Charles de Valois waren besonders nach der Beendigung des Krieges um Sizilien und dem Vertrag von Caltabellota (1302) intensiviert worden. Nachdem am 13. Oktober 1307, einen Tag nach der Beerdigung von Catherine de Courtenay, der Gattin 11
Cf. allgemein zu den Templern aus der sehr umfangreichen Literatur zuletzt u. a. J. L. Corral, Breve historia de la orden del Temple, Barcelona 2009; B. Frale, Los templarios, Madrid 2008; A. ˆ ge, Paris 2005 (eine vollständige Demurger, Les Templiers: une chevalerie chre´tienne au Moyen A Neubearbeitung von id., Vie et mort de l’ordre du Temple, Paris 1985); weitere Standardwerke sind M. Barber, Le proce`s des Templiers, Paris 2007; B. Frale, Il Papato e il processo ai Templari. L’inedita assoluzione di Chinon alla luce della diplomatica pontificia, Rom 2003; ead., L’ultima battaglia dei Templari. Dal „codice ombra“ d’obbedienza militare alla costruzione del processo per eresia, Rom 2001; H. Nicholson, The Knights Templar: a New History, Stroud 2001; M. Barber, The Knew Knighthood. A History of the Order of the Temple, Cambridge 1994; A. Beck, Der Untergang der Templer, Freiburg 1993; M. Barber, The Trial of the Templars, Cambridge 1978. Zu den Templern in Frankreich und ihrem Verhältnis zu Philipp IV. und Clemens V. cf. besonders J. Favier, Papes (nt. 9); A. Demurger, Jacques de Molay. Le cre´puscule des templiers, Paris 2002; S. Menache, Clement V, Cambridge 1998; G. Mollat, Les papes d’Avignon, 1305-1378, Paris 101965; B. Guillemain, La cour pontificale d’Avignon (1309-1376). E´tude d’une socie´te´, Paris 1962. Zu den Templern auf der Iberischen Halbinsel generell mit Quellenmaterial H. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, 2 vols., Münster 1907; G. Martı´nez Dı´ez, Los templarios en los reinos de Espan˜a, Barcelona 2001; A. J. Forey, The Fall of the Templars in the Crown of Aragon, Aldershot 2001; R. Izquierdo/F. Ruiz (eds.), Las o´rdenes militares en la Penı´nsula Ibe´rica, vol. 1, Edad Media, Cuenca 2000; J. M. Sans i Trave´, El setge al castell dels templers de Miravet, Lleida 1998; J. Fuguet Sans, Templers i Hospitalers, 2 vols., Barcelona 1997-1998; J. M. Sans i Trave´, Els templers catalans. De la rosa a la creu, Lleida 1996; M. L. Ledesma Rubio, Las o´rdenes militares en Arago´n, Saragossa 1994; G. Martı´nez Dı´ez, Los templarios en la Corona de Castilla, Burgos 1993; A. J. Forey, The Military Orders from the Twelfth to the Early Fourteenth Centuries, London 1992; J. M. Sans i Trave´, El proce´s dels templers catalans. Entre il turment i la glo`ria, Lleida 1990; A. J. Forey, The Templars in the Corona de Arago´n, London 1973.
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von Charles de Valois, an der neben Jacques de Molay auch der französische König teilgenommen hatte, die Templer in Frankreich verhaftet worden waren, sandte Philipp IV. am 16. Oktober ein erstes Schreiben an Jakob II., dem am 25. und 26. Oktober weitere mit Hinweisen zu den Ergebnissen der Verhöre folgten. Der Dominikaner Romeus de Brugaria, der in Paris lehrte, unterrichtete Jakob II. am 27. Oktober in einem ausführlichen Schreiben gleichfalls über die Befragungen 12. Überdies informierte der französische König weitere europäische Herrscher zeitnah und forderte sie zu einem analogen Vorgehen auf 13. Wie eng der Kontakt zwischen den europäischen Herrschern in dieser Angelegenheit war, zeigt sich beispielsweise an der Reaktion König Eduards II. von England, der nach dem Tod seines gleichnamigen Vaters wenige Monate zuvor am 7. Juli 1307 dessen Nachfolge angetreten hatte. In England waren die Templer zwar reich an Besitz, aber zahlenmäßig viel geringer vertreten als in der englischen Guyenne. Der englische König war auf der Basis von ihm initiierter Befragungen durch Guillaume de De`ne, seinen Senechall in der Guyenne, zunächst nicht von der Schuld der Templer zu überzeugen und ließ sie daher nicht verhaften. Er sandte am 4. Dezember 1307 Briefe an seine iberischen Nachbarn in Portugal, Kastilien und Arago´n sowie an den Angevinen Karl II. von Neapel, um sie davon zu überzeugen, die Templer so lange zu schützen und zu verteidigen, bis eventuell ihre Schuld rechtskräftig bewiesen sei. Einen ähnlichen Brief erhielt der Papst. Allerdings konnte Eduard die künftige Entwicklung mit dieser Aktion nicht aufhalten und mußte sich nach Erhalt einer päpstlichen Bulle schon am 14. Dezember 1307 den päpstlichen Aufforderungen beugen, die er jedoch in anderer Weise umsetzte als sein französischer Nachbar und künftiger Schwiegervater 14. Ein knapper Blick auf die Iberische Halbinsel in der zweiten Hälfte des Jahres 1307 und im Verlauf des Jahres 1308 läßt erkennen, daß die Vorgehensweise der Könige von Portugal, Kastilien und Arago´n sich deutlich von der König Philipps IV. unterschied. 12
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Cf. zum Krieg um Sizilien unten Abschnitt III. Zu den Schreiben des Königs cf. Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 30 (16. 10. 1307); no. 31 (26. 10. 1307); no. 32 (27. 10. 1307); auch Barber, Proce`s (nt. 11), 331-345 zu den Templern auf der Iberischen Halbinsel. Jakob II. hatte 1306 eine Ehe seiner Tochter Marı´a mit einem französischen Prinzen angestrebt, die jedoch nicht realisiert wurde, cf. Averkorn, König (nt. 4), 54-66 ausführlich zu Marı´a; Miquel, Blanca (nt. 4), 36 sq.; Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), vol. 1, 107-127; vol. 2, no. 35. Cf. zu Charles de Valois besonders Favier, Philippe (nt. 9), 307-315; 411-418; Favier, Papes (nt. 9), besonders 74 sqq. Der aragonesische König war ein ehemaliger Schwager von Charles de Valois, der in erster Ehe seit 1290 mit Margarita, der ältesten Tochter König Karls II. von Neapel und Schwester von Blanca von Anjou, verheiratet gewesen war, cf. auch Kiesewetter, Anfänge (nt. 8), 224 sq., 231233. Hierzu Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, 48 (Notiz von Finke); Favier, Papes (nt. 9), 55-60; Favier, Philippe (nt. 9), 426-480. Zu Catherine de Courtenays Erbansprüchen auf Byzanz cf. unten Abschnitt III. Cf. hierzu besonders Saaler, Edward (nt. 9), 57 sqq.; Martı´nez Dı´ez, Templarios (nt. 11), 191 sq. zu dem Schreiben des englischen Königs an seine Nachbarn; Barber, Proce`s (nt. 11), 313-330 ausführlich zu den Templern in England bis zur Auflösung des Ordens.
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Wahrscheinlich zeitgleich zu den französischen Templern wurden die Templer im Königreich Navarra, das von Philipps IV. Sohn regiert wurde, verhaftet sowie drei aragonesische Templer, die nach Navarra gereist waren 15. Da die dortigen Templerkonvente Aberı´n und Ribaforada zur aragonesisch-katalanischen Ordensprovinz gehörten, war Jakob II. unmittelbar betroffen, als er am 23. Oktober die entsprechende Nachricht erhielt. Er reagierte direkt und sandte einen Beauftragten nach Navarra, der die Freilassung aller gefangenen Templer erwirken sollte, was auch gelang. Es ist davon auszugehen, daß die Briefe, die Philipp IV. im Oktober an Jakob II. geschickt hatte und die zahlreiche inhaltliche Zusatzinformationen enthielten, dem König noch nicht vorlagen. Die aragonesischen Templer hingegen bereiteten sich bereits seit Ende Oktober darauf vor, sich in ihren Burgen zu verschanzen und legten entsprechende Vorräte an. Zahlreiche Gerüchte kursierten, Jakob II. jedoch zeigte sich immer noch wohlwollend gegenüber den Templern. Am 17. November 1307 ließ er in einem Schreiben an den französischen König seine deutliche Wertschätzung für die Templer erkennen. Ein ähnlicher Eindruck geht aus dem Brief an Clemens V. vom 19. November hervor, in dem er um Aufklärung und weitere Anweisungen bat 16. Ebenfalls rief Jakob II. seine Nachbarn König Dinis I. von Portugal und König Ferdinand IV. von Kastilien noch am 20. November 1307 in einem Schreiben zu einem gemeinsamen Vorgehen in dieser Sache auf. In der Literatur wird darüber diskutiert, welche Gründe zu dem Meinungswechsel König Jakobs II. führten, da er die ursprünglich auf den 28. November 1307 terminierte Abreise seines Gesandten Ramo´n de Montros, Archidiakon von Guarda, an die benachbarten iberischen Königshöfe, wo jener ein koordiniertes Vorgehen absprechen und die Monarchen zum Abwarten auffordern sollte, auf unbestimmte Zeit verschob. Anfang Dezember ordnete der König schließlich auf Bitten der Bischöfe von Valencia und Saragossa sowie des Inquisitors Joan de Llotger, die feststellten, daß sich immer mehr Ordensbrüder in ihren schwierig einzunehmenden Festungen verschanzten, die Festnahme der aragonesischen Templer an, ohne daß bereits eine päpstliche Aufforderung vorlag. Die Verhafteten sollten - wie aus einem Schreiben des Inquisitors vom 5. Dezember 1307 hervorgeht - in Kürze vor ihm erscheinen. Die Templer wandten sich daraufhin in der Person von Ramo´n de Guardia, dem Stellvertreter des Provinzialmeisters, 15
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Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 33 (Ende Oktober 1307); Forey, Fall (nt. 11), 1; generell zu den Templern in der Corona de Arago´n und dem Niedergang des Ordens auch Martı´nez Dı´ez, Reinos (nt. 11), 45-72, 284 sqq., 334 sqq., 380-385. Forey, Fall (nt. 11), 1-4 zum Schreiben an den französischen König; ausführlich Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 37 (17. 11. 1307) zum Schreiben an Philipp IV. sowie beispielsweise no. 34 (2. 11. 1307); no. 35 (5. 11. 1307); no. 36 (11. 11. 1307); no. 38 (November 1307) zu Schreiben Jakobs II., seiner Gesandten, des Provinzialmeisters, etc. in den folgenden Wochen. Aus Unterredungen des Königs mit den Templern und weiteren Schreiben zwischen den Templern geht hervor, daß er sie noch unterstützte, sie jedoch schon die Verschanzung in ihren Burgen vorbereiteten.
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unter eindrucksvollen Unschuldsbeteuerungen an Königin Blanca und baten sie um Hilfe und Intervention zu ihren Gunsten bei Jakob II. sowie um Freilassung ihres Provinzialmeisters. Zeitgleich schrieben sie erneut an den Monarchen 17. Jakobs eigenmächtiges und nicht mit den anderen Parteien abgestimmtes Verhalten gegenüber den Templern sollte seine Auswirkungen besonders im Jahr 1308 zeigen. Es wird vermutet, daß der aragonesische Monarch einerseits verhindern wollte, daß die Templer sich weiterhin in ihren Besitzungen verschanzten und diese immer mehr befestigten, so daß eine eventuelle Eroberung einen hohen militärischen Aufwand erfordern würde. Andererseits stehen ebenso die materiellen Interessen des Monarchen zur Diskussion, der sich angeblich an den Besitzungen der Templer bereichern wollte. Forey gibt eine schlüssige Erklärung für das nur vordergründig überraschende Verhalten König Jakobs. Er analysiert den Zeitpunkt des Eintreffens weiterer Briefe des französischen Monarchen am aragonesischen Hof und kommt zu dem Schluß, daß der König auf der Basis der ihm zugänglichen neuen Informationen seinen politischen Kurs änderte. Diese Schreiben beinhalteten Äußerungen über die Geständnisse der Templer. In einem Brief an Papst Clemens V. vom 4. Dezember 1307 bezog sich Jakob II. auf diese Neuigkeiten, die er nun offenbar als klare Beweise für die Schuld der Templer ansah 18. Schon am 22. November 1307 hatte Clemens V. die Bulle ,Pastoralis praeeminentiae‘ erlassen, in der die Verhaftung der Templer gefordert wurde. Dieses Schreiben erreichte den aragonesischen Hof jedoch erst in der zweiten Januarhälfte des folgenden Jahres, so daß der Papst zunächst über das eigenmächtige Vorgehen Jakobs verärgert war, wie sich aus den Briefwechseln und besonders einem päpstlichen Schreiben vom 22. Januar 1308 rekonstruieren läßt 19. Am 29. Januar 1308 sandte Philipp der Schöne den bereits erwähnten Brief aus Boulogne-sur-Mer mit weiteren Nachrichten über die Templer 20. Nachdem Jakob II. zumindest offiziell zur Überzeugung gelangt war, daß die Schuld der Templer erwiesen war, erschien es ihm folgerichtig, die weiteren 17
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Forey, Fall (nt. 11), 4; cf. auch Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 1, 286 sq.; vol. 2, no. 42 (Dezember 1307-Februar 1308); no. 43 (1. 12. 1307); no. 45 (5. 12. 1307); no. 47 (8. 12. 1307); no. 48 (8. 12. 1307). Das Schreiben Ramo´n de Guardias an Königin Blanca, die mit der Jungfrau Maria verglichen wird, ist eine eindrucksvolle Beteuerung der Unschuld der Templer, ibid., II, no. 47: „Axi, madona, com los pecadores recorren ha madona sancta Maria, que ela per sa gran d[u]lcor sia migancX era entre nostre senyor et els en acaptar perdo et misericordia de lurs pecats: aixi madona prec yo avos eus clam mercX e, que per vostra bonea et devocio et santetat, que en vos es, vos placX ia, queus trabalets, quel senyor rey deliure nostre mestre els frares, et que dega sesar aquesta tan gran confusio et escandel, quel mestre el[s] frares del Temple ara pres a sens colpa et sens tort, que no tenen ha neguna re. Et que placia al senyor rey, que veritat nos sia rebuda, abans que hom anat pus contra nos. Car nos bastantment podem provar per hobres et per feyts, que som leyals et vers bons crestians et qui crem las articles de la fe et servam et mantenim los manamens de nostre senyor, et cX o que per la esglea de Roma es ordenat ha tot fel crestian de creure et de fer.“ Cf. hierzu Forey, Fall (nt. 11), 4 sq., 19, nt. 36; Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 40. Forey, Fall (nt. 11), 6 sq.; ausführlich Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 1, no. 53 (19. 1. 1308). Finke, Acta (nt. 4), vol. 3, no. 76 (29. 1. 1308); cf. nt. 9.
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Schritte, die die Verhaftung der Templer und die Aneignung ihres Besitzes umfaßten, einzuleiten. So hatte der Monarch bereits am 29. Dezember 1307 Clemens V. darüber informiert, daß bei einer möglichen Aufhebung des Ordens ein Teil des Besitzes an den 1188 von Königin Sancha von Arago´n gegründeten Hospitaliterkonvent von Sijena übergehen sollte, in dem seine Tochter, die Infanta Blanca, erzogen wurde 21. Im Vergleich zu anderen Ländern waren die Templer in der Corona de Arago´n aufgrund der stetigen Grenzkonflikte mit den Muslimen militärisch noch aktiv und dadurch auf eventuelle Konfrontationen mit den königlichen Truppen vorbereitet. Die von Jakob II. befohlenen Verhaftungen wurden nicht wie in Frankreich und England nach einem geheim gehaltenen strategischen Plan zeitgleich ausgeführt, sondern fanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Ein koordiniertes Vorgehen, um die Flucht einzelner Templer zu verhindern, ist nicht nachzuweisen. In Arago´n gelang es daher etlichen Templern, rechtzeitig zu entkommen; zu den Verhafteten zählte jedoch auch der aragonesische Provinzialmeister Exemen de Lenda 22. Jakob II. forderte zwar die noch verschanzten Templer auf, sich unverzüglich zu ergeben, jedoch gelang es erst allmählich, Templerfestungen einzunehmen 23. Besonders in Arago´n, Valencia und Katalonien konnten etliche Templerbesitzungen bis Ende 1307 unter königliche Kontrolle gestellt werden, andere waren jedoch noch zu Beginn des Jahres 1308 in den Händen der Templer 24. Ramo´n de Guardia zog sich nach Miravet zurück und versuchte gemeinsam mit seinen Mitbrüdern weiterhin mit entsprechenden Schreiben und Geschenken den König zugunsten des Ordens zu beeinflussen, um für die Brüder günstige Übergabebedingungen auszuhandeln und eine Intervention zu ihren Gunsten durch den einflußreichen Arnau de Vilanova, der sich als Leibarzt, Philosoph und Familiar am königlichen Hof aufhielt, zu erreichen. Am Jahresende 1308 wurde Miravet nach einer langen Belagerung eingenommen. Ramo´n und seine Mitbrüder wurden zwar verhaftet, er erhielt jedoch schon im März 1309 die königliche Erlaubnis, sich zunächst an einem Ort seiner Wahl niederzulassen. Die Einnahme weiterer Templerburgen zog sich noch mehrere Monate hin. Die Templerburg von Monzo´n fiel erst im Sommer 1309. Zu diesem Zeitpunkt konzen21
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Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 49 (29. 12. 1307). Zur Infantin Blanca cf. Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), vol. 1, 169-178; Averkorn, König (nt. 4), 67-75 ausführlich zu dieser Königstochter. Cf. Forey, Fall (nt. 11), 7, 20, nt. 49 zum Zeitpunkt der Verhaftungen in Frankreich und England. Der englische König Eduard II. agierte ähnlich wie sein französischer Schwiegervater und plante die Verhaftung der in seinem Reich ansässigen Templer für den 10. Januar 1308, was sich jedoch nicht umsetzen ließ. Zu den Verhaftungswellen in der Corona de Arago´n cf. auch Forey, Fall (nt. 11), 7-18. Zu Exemen de Lenda und seiner Ernennung durch Jacques de Molay noch im September 1307 cf. Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 28 (10. 9. 1307). Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 54 (23. 1. 1308); ausführlich zu den Belagerungen und dem militärischen Vorgehen gegen die Templer cf. auch Forey, Fall (nt. 11), 24-74. Forey, Fall (nt. 11), 8. Über die Lage in Miravet im Januar 1308 und in Villel cf. auch Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 42 (Dezember 1307-Februar 1308) mit weiteren Details.
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trierte sich Jakob II. bereits auf die Durchführung des Kreuzzugs gegen Granada 25. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, daß es sich bei den verhafteten Templern um relativ kleine Gruppen handelte. Beispielsweise befanden sich im September 1308 lediglich 25 Templer in Valencia in Haft. Forey geht davon aus, daß sich zum Zeitpunkt der Prozesse etwa 200 Templer in der Corona de Arago´n aufhielten. Im Gegensatz zu anderen Reichen versuchten die Templer dort stärkeren Widerstand zu leisten, was sicherlich dadurch erleichtert wurde, daß der König ein zunächst nicht sehr energisches und keineswegs gut strukturiertes Vorgehen gegen die Templer zeigte 26. Jakob II. wurde 1308 in vielerlei Hinsicht von den auf französischem Boden stattfindenden Ereignissen tangiert, die jedoch an dieser Stelle nicht detailliert analysiert werden können. Unmittelbare und zeitnah übermittelte Informationen bezog der König zum Beispiel durch seine am französischen und am päpstlichen Hof anwesenden Gesandten, unter denen besonders der schon erwähnte Joan Burgunyo´ herausragte. Er war unter anderem beim Treffen des französischen Königs mit Papst Clemens V., das am 26. Mai 1308 in Poitiers begann, anwesend, um dem aragonesischen Monarchen detailliert über das weitere Vorgehen
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Forey, Fall (nt. 11), 92, 110 zur Einahme von Miravet, zur Übersiedlung Ramo´ns nach Barcelona und seinem Leben bis 1312. Allerdings wurde ihm im Juni 1309 die gewünschte Übersiedlung an den mallorquinischen Hof, dessen Herrscher Jakob II. um diesen Gefallen gebeten hatte, mit der Begründung, daß Ramo´n ohne päpstliche Erlaubnis das Territorium der Corona de Arago´n nicht verlassen dürfe, verweigert. Im Winter 1309 wurde er in das Roussillon überstellt und dort befragt. Cf. Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 96 (18. 10. 1308) zu den Verhandlungen der Templer mit König Jakob II.; ibid., no. 97 (November-Dezember 1308) zu den Übergabeverhandlungen durch Ramo´n de Guardia; ibid., no. 98 (12. 12. 1308) zur Übergabe der Burg von Miravat mit Aufzählung der dort gefundenen kostbaren Bücher und anderer Wertsachen sowie zur Beschwerde der Gefangengen über ihre schlechte Behandlung: „De instancia de frare Iachme Doluga e de frare R. Oliuer facX a vos saber, senyor, que eyls e els altres frares se tenen molt per agreugats dalgunes cocX es, que hom lur a preses de lur roba e de lur arnes contra lordonament feyt per lo senyor rey […].“ Zu Arnau de Vilanova und seinem Einfluß am aragonesischen Hof cf. ausführlicher unten Abschnitt II und III; aus der Literatur u. a. J. Ziegler, Medicine and Religion, c. 1300: the Case of Arnau de Vilanova, Oxford 1998; C. R. Backman, Arnau de Vilanova and the Franciscan Spirituals in Sicily, in: Franciscan Studies 50 (1990), 329; M. Batllori, La Sicile et la Couronne d’Aragon dans les prophe´ties d’Arnaud de Villeneuve ˆ ge 102 (1990), et de Jean de Roquetaillade, in: Me´langes de l’E´cole francX aise de Rome: Moyen A 363-379; K. L. Hitzfeld, Studien zu den religiösen und politischen Anschauungen Friedrichs III. von Sizilien, Berlin 1930 [Nachdruck 1965]; M. van Heuckelum, Spiritualistische Strömungen an den Höfen von Aragon und Anjou während der Höhe des Armutsstreits (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 38), Berlin 1912; P. Diepgen, Arnald von Villanova als Politiker und Laientheologe von 1299 bis Herbst 1308 (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 9), Berlin-Leipzig 1909. Cf. zu den schlechten Lebensbedingungen der in Monzo´n verschanzten Templer auch Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 100 (1. 3. 1309); cf. zum Kreuzzug gegen Granada unten Abschnitt II. Forey, Fall (nt. 11), 15-17; Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 93 mit einer Zusammenstellung über die Gefangenschaft der Templer zwischen September 1308 und Februar 1312.
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gegen die Templer berichten zu können 27. Zur Templerfrage ist 1308 ein Briefwechsel zwischen Jakob II. und Philipp IV. nachweisbar, der überdies andere Probleme auf dem Feld der auswärtigen Beziehungen wie den Konflikt um das Valle de Ara´n einbezog. Im September 1308 informierte der französische Monarch seinen Nachbarn über die Verhöre der Templer in Chinon und Poitiers 28. Untersuchungen und Verhöre sind ebenfalls für das Jahr 1308 zu verzeichnen, sie fanden meist auf lokaler Ebene statt. In vielen Fällen hatten die lokalen Autoritäten hinsichtlich ihrer Vorgehensweise relativ große Freiheiten. Jakob II. ordnete jedoch an, die finanziellen Ausgaben gering zu halten. Wie sehr er an einer für ihn und sein Reich günstigen finanziellen Regelung interessiert war, zeigt sich an etlichen Beispielen. Offenbar war ihm klar geworden, daß er schnell handeln mußte, wenn er einen persönlichen Profit erzielen wollte. Anfang Februar 1308 versprach er in einem Schreiben an seinen an der Kurie tätigen Prokurator, zwei päpstliche Neffen in Arago´n mit Ländereien zu versorgen, falls der Pontifex ihm die Regelung des Besitzes der Templer in der Corona de Arago´n überlassen würde. Weitere Anfragen folgten, die verdeutlichen, wie sehr der Monarch trotz seiner ursprünglichen Bedenken wohl aufgrund möglicher finanzieller Gewinne seine Haltung gegenüber den Templern modifizierte 29. In den Jahren bis zur Auflösung des Ordens im Jahr 1312 sollte der Kampf gegen die Templer in der Corona de Arago´n eine neue Intensität erhalten 30. Die Tem27
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Cf. hierzu Finke, Acta (nt. 4), vol. 3, no. 83 (5. 6. 1308), 184: „[…] rex Francie est hic et intravit civitatem Pictauensem dominica post festum ascensionis domini sequenti. Tunc postea die mercurii erat rex presens in consistorio publico et fecit proponi per dominum Guilelmum de Plasiano contra Templarios“; sowie speziell zu Burgunyo´ Madurell Marimo´n, Juan (nt. 10). Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 95 (27. 9. 1308); cf. Frale, Templarios (nt. 11), 236-257 ausführlich zu den Ereignissen des Jahres 1308, den Bemühungen des Papstes, den Orden zu refomieren, der Ankündigung eines Konzils für 1310 sowie den Befragungen im Juni und Juli in Poitiers. Von großem Interesse sind die Bemerkungen zu dem von ihr 2001 im Vatikanischen Geheimarchiv aufgefundenen Dokument mit Datum vom 12. August 1308. Das so genannte Chinon-Pergament belegt, daß Clemens V. die Templer vom Verdacht der Häresie freisprach und die Exkommunikation aufhob, was jedoch nicht öffentlich gemacht wurde. Die offiziellen Verhöre in Chinon wurden erst am 20. August 1308 beendet; hierzu auch B. Frale, The Chinon Chart. Papal Absolution to the Last Templar Master Jacques de Molay, in: Journal of Medieval History 30 (2004), 109-134. Zum langjährigen Konflikt um das Valle de Ara´n, das 1313 an Arago´n zurückgegeben wurde, cf. Hinojosa, Jaime (nt. 4), 216-219. Forey, Fall (nt. 11), 17; Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 93 mit einer Zusammenstellung über die Gefangenschaft der Templer zwischen September 1308 und Februar 1312. Zu den Kosten cf. Forey, Fall (nt. 11), 8; zum Schreiben des Königs an die Kurie cf. Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 60 (5. 2. 1308). Gerade in den Jahren nach 1310 entstanden ihm nach dem fehlgeschlagenen Kreuzzug und durch die Verheiratung seiner Töchter große finanzielle Aufwendungen. Jakob kann hinsichtlich der Aussteuer seiner Töchter nicht gerade als großzügig bezeichnet werden. 1313 heiratete seine Tochter Isabel Friedrich den Schönen und zog nach Österreich. Zu ihrer Aussteuer gehörten u. a. eine aufgearbeitete Krone, ausgebessertes Reitzeug sowie umgearbeitete Gewänder ihrer 1310 verstorbenen Mutter Blanca, hierzu ausführlich Averkorn, König (nt. 4), 33-44; Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), vol. 1, 151-158. Cf. hierzu ausführlich die Ausführungen bei Forey, Fall (nt. 11), 24-73. Schließlich wurde die Burg von Monzo´n am 1. Juni 1309 als letzte Besitzung übergeben, cf. Forey, Fall (nt. 11), 26. Cf. Martı´nez Dı´ez, Templarios Castilla (nt. 11), 244 sqq. zum im Oktober 1310 gefaßten Be-
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pler wurden jedoch schlußendlich nicht schuldig gesprochen. Viele von ihnen bauten sich in der Folgezeit eine neue Existenz auf, indem sie einem anderen Orden beitraten oder mit Pensionen abgefunden wurden 31. Jakob II. wollte aus politischen Gründen die Johanniter nicht weiter stärken. Er ließ sich daher 1317 eine päpstliche Urkunde zur Gründung einer neuen religiösen Gemeinschaft ausstellen, auf deren Basis 1319 der Orden von Montesa seine Tätigkeit aufnahm. Umfangreicher Besitz ging allerdings direkt an die Krone über, was Jakob II., der sich im Verlauf seiner Regierung ständig über mangelnde Geldmittel beklagte, auch beabsichtigt hatte 32. Um die politische Situation und die diplomatischen Netzwerke um 1308 auf der Iberischen Halbinsel in den Gesamtzusammenhang einordnen zu können, ist es erforderlich, einen Blick auf Kastilien, den Verbündeten Jakobs II. im geplanten Kampf gegen Granada, zu werfen und die Lage der dortigen Templer zu skizzieren. Es ist vordergründig eine ähnliche Situation wie in Arago´n zu erkennen, da König Ferdinand IV., der ebenfalls zahlreiche Schreiben seiner Nachbarn sowie des Papstes erhalten hatte, kein energisches Vorgehen gegen die Templer wünschte, beziehungsweise es sich zu Beginn des Jahres 1308 aufgrund der politischen Probleme im Inneren seines Reichs und aufgrund des Widerstands von Teilen des Hochadels gegen die Krone nicht leisten konnte, militärische Kräfte für eine Aktion gegen diesen Orden bereitzustellen 33. Der Monarch setzte die päpstlichen Aufforderungen sehr langsam um, eine frühzeitige Verhaftungswelle ist nicht feststellbar. Eine wichtige Rolle in der Templerfrage spielte seine Mutter, die Königinwitwe Marı´a de Molina, die als politische Autorität hohes Ansehen genoß. Noch im April 1308 verhandelte der seit 1299 amtierende Provinzialmeister der kastilischen Templer, Don Rodrigo Ya´n˜ez, in Valladolid mit der Mutter des Monarchen über die mögliche Übergabe des Besit-
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schluß, die Templer in Arago´n nur in eine lockere Sicherheitsverwahrung zu nehmen, da die Vorwürfe nicht bewiesen werden konnten. Im März 1311 erhielt Jakob II. päpstliche Briefe, in denen gegen die milde Behandlung der Templer protestiert und er aufgefordert wurde, die Templer unter Anwendung der Folter zu befragen. Im Sommer und Herbst jenes Jahres wurden etliche Templer gefoltert, cf. Finke, Papsttum (nt. 11), vol. 2, no. 111 (August-Dezember 1311) zu den Folterungen. In Kastilien wurde jedoch offensichtlich nicht auf diese päpstlichen Schreiben reagiert. Cf. Forey, Fall (nt. 11), 210-240 ausführlich zum Leben und den Abfindungen der Templer nach der Beendigung des Prozesses und der Auflösung des Ordens. Ramo´n de Guardia lebte von einer beträchtlichen Pension im Roussillon. Forey, Fall (nt. 11), 208 sq., 194 sq. Generell zum Orden von Montesa, dessen Gründung 1319 durch eine bereits 1317 ausgestellte päpstliche Bulle ermöglicht wurde, cf. Hinojosa, Jaime (nt. 4), 138-141. Forey, Fall (nt. 11), 10; Martı´nez Dı´ez, Templarios (nt. 11), 192 sq.; zur Verhaftung der Templer in Frankreich und zur Bulle Papst Clemens’ V. cf. Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 183; Gaibrois de Ballesteros, Marı´a (nt. 5), 167 sq.; generell zu den Templern in Kastilien Martı´nez Dı´ez, Reinos (nt. 11), 73-176, 272-278, 287-300, 313-330, 386-400. Cf. ebenso Cro´nica Fernando (nt. 5), 91-170, besonders 154: „[…] llegaron al Rey cartas del Papa Clemente, en que le enviaba decir que tomase todos los castillos e´ villas e´ lugares de la o´rden del Temple, e´ que los guardase para facer dellos lo que e´l ordenase; e´ fizolo ası´.“
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zes. Zunächst wurde mit Einverständnis Ferdinands IV. vereinbart, lediglich ungefähr zwanzig Templerburgen und keinen weiteren Besitz an die Krone beziehungsweise - bis zum Eintreffen einer weiteren Anweisung des Papstes direkt an die Königinwitwe zu übergeben 34. Schon wenig später änderte der Provinzialmeister seine Meinung, reiste nach Galicien und schloß eine Übereinkunft mit dem jüngeren Bruder des Monarchen, dem Infante Don Felipe, um diesem im Juni 1308 vier Burgen zu überantworten und sich unter dessen persönlichen Schutz zu stellen. Marı´a de Molina gelang es jedoch, im August 1308 in Leo´n einen Kompromiß zwischen den beiden Brüdern zu vermitteln. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits weitere Briefe des Papstes erhalten und ihre Haltung gegenüber den Templern geändert. Marı´a betonte gegenüber ihrem Sohn, daß die Templer exkommuniziert sowie der Häresie verdächtig seien und sie daher zu verhaften und zu befragen seien. Jedoch wurden diese Forderungen wohl aufgrund dringenderer politischer Probleme nicht zeitnah umgesetzt. Aufgrund des Interesses der Krone am Besitz der Templer wurde jedoch der Provinzialmeister Ya´n˜ez, der sich in Alcan˜ices aufhielt, an den Hof gerufen und gezwungen, weitere Besitzungen an den König zu übereignen. Ebenso mußte der Infante Felipe die noch unter seiner Obhut stehenden Burgen an seinen Bruder abtreten. Diese Übertragung der Templerburgen verlief nicht reibungslos, da einige Ende 1308 und Anfang 1309 auf königlichen Befehl erobert werden mußten, andere wie Alcan˜ices befanden sich noch 1310 in den Händen der Templer, die erbittert Widerstand leisteten 35. Die Anweisungen des Papstes vom 12. August 1308 an die Krone sowie beispielsweise an die Erzbischöfe von Toledo und Compostela beinhalteten unter anderem Vorschriften zum weiteren Vorgehen gegen die Templer. Sie lagen jedoch bei dem oben genannten Treffen in Leo´n noch nicht vor. Die ersten Befragungen der Templer fanden wie in der Corona de Arago´n zumeist mit zeitlicher Verzögerung statt, beispielsweise in der zweiten Jahreshälfte 1309 beziehungsweise im folgenden Jahr 36. Dieses seit 1307 kaum koordinierte Vorgehen gegen die Templer ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß die kastilische Krone ihre gesamten Anstrengungen auf die Vorbereitungen für den 34
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Martı´nez Dı´ez, Templarios (nt. 11), 192, Gonza´lez Mı´nguez, Castilla (nt. 5), 260 sq.; Cro´nica Fernando (nt. 5), 159: „[…] e´ la Reina finco´ en Valladolid, e´ vino´ y a´ ella el maestre del Temple que decian Rodrigo Yan˜ez, porque el Rey avia enviado mandar que le entregasen los castillos de la Orden, segund el Papa mandaba. E el Maestre fablo´ con la Reina, e´ pidio´le merced que quisiese ella tomar este pleito, e´ que e´l queria entregar a´ ella todos los castillos de la Orden del Temple, e´ que los toviese fasta que el Papa ordenase del estado de la tierra de la Orden commo toviese por bien.“ Zum Treffen mit Marı´a de Molina cf. Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 195. Cro´nica Fernando (nt. 5), 159 sq.; Gaibrois de Ballesteros, Marı´a (nt. 5), 173 sq.; Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 195 sqq. zur Vereinbarung mit Felipe von Kastilien und zum Treffen mit Marı´a de Molina; Martı´nez Dı´ez, Templarios (nt. 11), 193-197. Diese Befragungen fanden meist erst im Verlauf des Jahres 1309 statt. Zu den Befragungen in der Corona de Arago´n und in England cf. Forey, Fall (nt. 11), 76. Zu den Befragungen in Kastilien cf. Martı´nez Dı´ez, Templarios (nt. 11), 202 sqq.
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Kreuzzug gegen Granada, der im Sommer 1309 begann und sich bis Anfang 1310 hinzog, konzentrierte, so daß keine weiteren Kräfte freigestellt werden konnten, um den Wünschen des Papstes Folge zu leisten 37. Daß die Templerfrage keine übergeordnete Priorität in Kastilien einnahm, zeigt sich am Beispiel der zeitgenössischen Historiographie. Der Verfasser der Chronik über die Regierung Ferdinands IV. widmete dieser Problematik in den Kapiteln zu 1307 und 1308 nur wenige Bemerkungen. Er konzentrierte sich für den Rest des Jahres 1308 und für die Jahre 1309 und 1310 vorrangig auf die Planungen und die Durchführung des Kreuzzugs gegen Granada und beschrieb - wie schon in den Kapiteln zu den ersten Regierungsjahren Ferdinands - besonders detailliert die Auseinandersetzungen zwischen Krone und Adel 38. In Kastilien reagierte Ferdinand IV. in den folgenden Jahren kaum auf päpstliche Anweisungen und vergab umfangreichen Besitz an die Mitglieder der Königsfamilie. Erst nach dem gescheiterten Kreuzzug gegen Granada wurden 1310 Verhöre durchgeführt, die Templer aber schließlich für unschuldig erklärt. In Portugal agierte König Dinis I. ähnlich wie in Kastilien, so daß die portugiesischen Templer ebenfalls nicht verurteilt wurden. Der Monarch schloß 1310 ein Abkommen mit seinem Schwiegersohn Ferdinand hinsichtlich einer gemeinsamen Vorgehensweise, dem sich 1311 Jakob II. anschloß, und gründete, unter 37
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Cf. die ausführliche Darlegung in Martı´nez Dı´ez, Templarios (nt. 11), 202-271 zum weiteren Vorgehen gegen die Templer bis 1312 und zum Schreiben des Papstes vom Oktober 1309, in dem er die Übertragung des Besitzes der Templer an kirchliche Beauftragte verlangte. Ferdinand IV. leistete ihm jedoch nicht Folge, zumal er Teile des Vermögens schon anderweitig vergeben hatte, unter anderem an den Orden von Alca´ntara. Welch geringe Bedeutung auch die kastilische Kirche der Templerfrage aufgrund weit dringenderer Probleme zumaß, läßt sich auch daran sehen, daß erst im November 1309 der Erzbischof von Toledo bei einer Versammlung die Suffraganbistümer über den Inhalt mehrerer päpstlicher Schreiben aus dem Jahr 1308 informierte, in denen ein konkretes Vorgehen gegen die Templer gefordert wurde. Die ersten Verhöre sind aus dem Frühjahr 1310 belegt, also nach dem Scheitern des Kreuzzugs gegen Granada. Als im März 1310 der Großmeister Rodrigo Ya´n˜ez und seine Ordensbrüder, die sich weiterhin in Alcan˜ices aufhielten, zu einem Verhör nach Medina del Campo geladen wurden, teilte der Templer mit, daß einige der geladenen Brüder bereits verstorben waren, andere den Orden mit unbekanntem Ziel verlassen hatten, wiederum andere zu alt, zu krank oder zu arm waren, um die Reise antreten zu können. In Kastilien wurden die Templer am 21. Oktober 1310 für unschuldig erklärt und blieben in Freiheit. Päpstlichen Aufforderungen aus dem Jahr 1311, die Folter anzuwenden, wurde nicht Folge geleistet. Das Schicksal der kastilischen Templer nach der Auflösung des Ordens ist zumeist ungeklärt. Es handelte sich wahrscheinlich um ca. 100 bis maximal 150 Personen. Einige traten jedoch anderen Orden bei. Nach dem Tod Ferdinands IV. im September 1312 setzte seine Mutter als Regentin für ihren Enkel Alfons XI. die Politik ihres Sohnes fort und verteilte den Besitz der Templer, alle Vorhaltungen der Päpste verhallten ungehört. 1319 war die Geduld des neuen Papstes Johannes XXII. erschöpft und ohne weitere Verhandlungen mit Kastilien abzuwarten, übertrug er den Templerbesitz offiziell den Johannitern. In Kastilien wurde diese Weisung jedoch nicht umgesetzt, da die Besitzungen der Templer in königlicher Hand verblieben, beziehungsweise als Lehen weitergegeben wurden, und dies trotz der zahlreichen andauernden Proteste der Johanniter, die auch nach 1370 noch feststellbar sind und etliche Päpste beschäftigten, cf. ebenfalls Martı´nez Dı´ez, Reinos (nt. 11), 301-330, 386-400 speziell zum Prozeß gegen die Templer und zur Verteilung ihres Besitzes. Cf. Cro´nica Fernando (nt. 5), cap. XV-XVII.
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anderem um eine Stärkung der Hospitaliter zu vermeiden, nach dem Beispiel des aragonesischen Königs 1319 mit päpstlicher Erlaubnis den Christusorden, dessen Statuten 1321 bestätigt wurden. Dieser übernahm einen Teil des Besitzes des aufgelösten Ordens und einige seiner Mitglieder. Somit kann abschließend konstatiert werden, daß die Templer auf der Iberischen Halbinsel nicht das Schicksal ihrer französischen Ordensbrüder teilten 39. II. Das Kreuzzugsprojekt Die Politik der iberischen Königreiche wurde 1308 zwar von den Geschehnissen um die Templer berührt, einen höheren Stellenwert nahmen jedoch Überlegungen der Königshöfe hinsichtlich der Planungen eines gemeinsamen Kreuzzugs gegen Granada ein. Der iberische Raum war in jenem Jahr noch deutlich von den Auswirkungen langjähriger Konflikte zwischen den Reichen und den inneren Problemen besonders in Kastilien gekennzeichnet, die sich spürbar auf die auswärtigen Beziehungen ausgewirkt hatten. 1308 herrschte in Portugal eine relative Stabilität unter König Dinis I., die unter anderem durch Reformen im Inneren und die Tatsache, daß die Reconquista Portugals mit der Eroberung der Algarve unter dessen Vater Alfons III. einen Endpunkt erzielt hatte, erreicht worden war. Die ständigen Grenzstreitigkeiten mit Kastilien waren durch den Vertrag von Alcan˜ices, der am 12. September 1297 geschlossen wurde, beendet worden, so daß die kastilisch-portugiesische Grenze für die folgenden Jahrhunderte im wesentlichen festgelegt war. Dieser Vertrag beinhaltete überdies als Friedenssicherung eine doppelte Heiratsallianz, und zwar einerseits durch das 1302 realisierte Ehebündnis zwischen Ferdinand IV. von Kastilien und Constanza von Portugal, andererseits durch die 1309 vollzogene Heirat zwischen dem künftigen Alfons IV. von Portugal (1325-1357) und Beatriz, der Tochter von Königin Marı´a de Molina und Sancho IV. Schon 1298 wurde ein Bündnis Portugals und Kastiliens gegen die Muslime geplant. Diese Entwicklungen in Portugal hatten zur Folge, daß der portugiesische Monarch, der mit beiden benachbarten Königshäusern verwandtschaftlich verbunden war, sich in den folgenden Jahren als Friedensstifter und Vermittler in den noch andauernden Konflikten zwischen Kastilien und Arago´n betätigen konnte 40. 39
40
Cf. De Sotto Mayor Pizarro, Dinis (nt. 6), 213 sqq. zur Gründung des Christusordens; Forey, Fall (nt. 11), 195 zum Christusorden im allgemeinen; Soares Martı´nez, Histo´ria (nt. 3), 44 sq. zum Schicksal der Templer in Portugal und den internationalen Implikationen. Cf. Soares Martı´nez, Histo´ria (nt. 3), 41-45 zu den auswärtigen Beziehungen unter König Dinis I. mit ausführlichen Anmerkungen zum Vertrag von Alcan˜ices, der Heiratsallianz mit Kastilien und der Vermittlerrolle des portugiesischen Monarchen; De Sotto Mayor Pizarro, Dinis (nt. 6), 145 zum Vertrag von Alcan˜ices sowie generell ibid., 95-104, 132-159, 211-219 zur Außenpolitik von König Dinis I. Der Autor charakterisiert die Jahre von ca. 1288 bis 1304 als eine Epoche, in der König Dinis I. im Bereich der Außenpolitik als effizienter Schiedsrichter besonders in Konflikten zwischen Kastilien und Arago´n agierte, die Jahre zwischen 1305 und 1312 als einen ruhigen Zeitraum sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik Portugals;
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Im Gegensatz zu Portugal war Kastilien durch innere Wirren gespalten und konnte auf der internationalen Bühne nur eine marginale Rolle spielen. Der 1275 unter König Alfons X. (1252-1284) ausgebrochene Erbfolgestreit zwischen seinem zweitältesten Sohn Sancho und den Söhnen seines früh verstorbenen ältesten Sohnes Fernando de la Cerda war ein europäisches Problem von großer Tragweite, das die Beziehungen Kastiliens zu zahlreichen europäischen Mächten wie Portugal und Arago´n, aber auch zu England und Frankreich über lange Jahre bis in das 14. Jahrhundert hinein belastete. Nach dem Tod Alfons’ X. im Jahre 1284 konnte Sancho IV. den Thron besteigen, der sich jedoch in den folgenden Jahrzehnten gegen die Erbansprüche von Alfonso de la Cerda (1271-1333/34), der mit wechselnder Unterstützung durch die aragonesischen Könige Peter III., Alfons III. und Jakob II. sowie durch die Herrscher von Frankreich, England und Portugal rechnen konnte, zur Wehr setzen mußte 41. Erst Jakob II. von Arago´n sorgte dauerhaft für eine Wende in den aragonesisch-kastilischen Beziehungen, da er seit 1291 schrittweise andere außenpolitische Prioritäten setzte, beispielsweise indem er dem Infante de la Cerda seine Unterstützung entzog und 1291 mit Sancho IV. in Monteagudo einen Friedensvertrag schloß. Dieses Abkommen beinhaltete erste Vereinbarungen hinsichtlich eines gemeinsamen Kampfes gegen die Muslime sowie zur Festigung des Bündnisses eine Ehe mit der kastilischen Infanta Isabel, der Tochter des Königspaares, die in Soria besiegelt wurde. Dieser strategische Pakt war von hoher Bedeutung, da - die Schwäche Kastiliens ausnutzend - im September 1291 über Marokko weitere Muslime auf die Iberische Halbinsel gekommen waren, die
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cf. auch Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 29 sqq.; Averkorn, Kastilien (nt. 3), 326; Cro´nica Fernando (nt. 5), 108-111. Beatriz von Kastilien, die Mutter von König Dinis I., war eine uneheliche Tochter König Alfons’ X.; Dinis’ Gattin Isabel von Arago´n, die aktiv in die Innenund Außenpolitik des Königreichs involviert war, war eine Schwester König Jakobs II. Weiter´ lvarez Palenzuela, führende Angaben zur Außenpolitik Portugals finden sich u. a. bei V. A. A Relaciones peninsulares en el siglo de Alcan˜ices (1250-1350). Regencias y minorı´as regias, in: IV Jornadas Luso-Espanholas de Histo´ria Medieval. As relacX o˜es de fronteira no se´culo de Alcan˜ices. Actas, vol. 2, Porto 1998, 1045-1070; M. Garcı´a Ferna´ndez, La polı´tica internacional de Portugal y Castilla en el contexto peninsular del Tratado de Alcan˜ices: 1267-1297. Relaciones diploma´ticas y dina´sticas, in: ibid., 901-944. Zur Außenpolitik von König Alfons X. cf. grundlegend Ayala Martı´nez, Directrices (nt. 3), Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 1, 149-167; cf. Averkorn, Kastilien (nt. 3), 319-323 zur kastilischen Außenpolitik bis zum Tod Alfons X.; zu König Sancho IV. und seinem Verhältnis zu Arago´n cf. u. a. Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 1, 167-177; Gaibrois de Ballesteros, Sancho (nt. 5), passim; zum Erbfolgestreit im kastilischen Königshaus cf. auch Averkorn, Herrscherinnen (nt. 3), 111 sqq.; ead., Gewaltanwendung und Konfliktlösung. Studien zu politischen und familiären Auseinandersetzungen in den iberischen Königshäusern im Hohen und Späten Mittelalter, in: R. Averkorn/W. Eberhard/R. Haas/B. Schmies (eds.), Europa und die Welt in der Geschichte. Festschrift zum 60. Geburtstag von Dieter Berg, Bochum 2004, 1122-1186, besonders 1130-1133 zu den Infantes de la Cerda. Der Kampf um das Erbe der Kinder Fernandos de la Cerda wurde besonders intensiv von ihrer Großmutter Violante von Arago´n, einer Schwester König Peters III. und Gattin Alfons’ X., sowie von ihrer Mutter Blanca von Frankreich, einer Tochter Ludwigs IX., geführt, so daß der Konflikt schnell eine europäische Dimension erreichte.
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es gemeinsam zu bekämpfen galt. Weitergehende Planungen hinsichtlich einer möglichen Expansion der Bündnispartner nach Nordafrika, wie sie schon Alfons X. gewünscht und geplant hatte, wurden wieder aufgenommen, konnten allerdings nicht mehr zu Lebzeiten Sanchos IV. realisiert werden. Dieses realpolitisch weitsichtig angelegte Bündnis trug schon bald Früchte, da Sancho IV. mit Hilfe der Flotte Jakobs II. und der Unterstützung Granadas im Herbst 1292 das von den Meriniden besetzte Tarifa erobern konnte 42. Die politische Flexibilität und das politische Geschick Jakobs II. zeigten sich beispielsweise, als er noch vor Sanchos Tod nicht nur die noch nicht vollzogene Ehe mit dessen Tochter Isabel anläßlich des Vertrags von Anagni 1295 zugunsten einer Ehe mit Blanca von Anjou annullieren ließ, sondern nach 1295 im Kampf gegen Ferdinand IV. zunächst Alfonso de la Cerda erneut unterstützte, um in den Besitz von Murcia zu gelangen, was jedoch erst 1304 durch den Schiedsspruch von Torrellas teilweise gelang. Alfonso de la Cerda konnte sich nicht durchsetzen, verlor an Unterstützung und nahm erst Jahre später den Kampf um sein Erbe wieder auf. Somit war dieser Erbstreit 1308 zunächst nicht mehr auf der politischen Tagesordnung zu finden 43. 42
43
Zur Außenpolitik unter Sancho IV. cf. Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 1, 167-177; Averkorn, Kastilien (nt. 3), 323-325. Zum Treffen von Monteagudo und Soria sowie den anschließenden Verträgen cf. u. a. Gaibrois de Ballesteros, Sancho (nt. 5), vol. 2, 135-166; id., Marı´a (nt. 5), 62-65; Hinojosa, Jaime (nt. 4), 172-175; Averkorn, Kastilien (nt. 3), 324 sqq.; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 40 sqq., vol. 2, no. 1/10, no. 2/11; zur Eroberung von Tarifa cf. u. a. Gaibrois de Ballesteros, Sancho (nt. 5), vol. 2, 273-329; id., Marı´a (nt. 5), 62-70; Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 117 sq.; Manzano Rodrı´guez, Intervencio´n (nt. 1), 132-144; zu Granadas Außenpolitik cf. auch Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 225-291; generell Segura Grain˜o, Relaciones (nt. 3). Speziell zum geplanten Kreuzzug gegen die Muslime in Nordafrika und der Aufteilung der Einflußsphären, die durch den Muluya-Fluß getrennt werden sollten, cf. Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 1, 177; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 39-42, vol. 2, no. 1/ 10. Cf. zu früheren Vorstellungen hinsichtlich einer Eroberung Nordafrikas durch Alfons X. sowie seinen Beziehungen zu den muslimischen Nachbarn besonders Ayala Martı´nez, Directrices (nt. 3), 263-282. Cf. zur Politik Jakobs II. und den Auswirkungen des Vertrags von Anagni auf die inneriberischen Beziehungen u. a. Averkorn, Kastilien (nt. 3), 326; Gaibrois de Ballesteros, Marı´a (nt. 5), 63 sqq.; Daumet, Me´moire (nt. 3), 126 sqq. Speziell zur Außenpolitik Ferdinands IV. auch Averkorn, Kastilien (nt. 3), 325 sqq.; Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 1, 171-177; Daumet, Me´moire (nt. 3), 124-134 und no. 26, 227-230 besonders zu den kastilisch-französischen Beziehungen. Der mit Frankreich unter Philipp IV. in Lyon abgeschlossene Vertrag wurde von Ferdinand IV. in Valladolid am 31. März 1306 ratifiziert. Jakob II. hatte zuvor ebenfalls Versuche unternommen, den französischen König auf seine Seite zu ziehen und ihn dazu zu veranlassen, mit Hilfe seiner Truppen de la Cerda den kastilischen Thron zu verschaffen. König Philipp behielt jedoch, wie aus zahlreichen Gesandtschaftsberichten hervorgeht, die engen Beziehungen zu Kastilien bei und hatte Marı´a de Molina in ihren jahrelangen Bestrebungen unterstützt, die Legitimität ihrer Kinder und die Rechtmäßigkeit ihrer Ehe durch den Papst bestätigen zu lassen. Papst Bonifaz VIII. kam diesem Wunsch am 6. September 1301 in Anagni nach und erklärte ihre Kinder für rechtmäßig, wodurch die Erbfolge in Kastilien zuungunsten der Familie de la Cerda entschieden wurde. Der Papst mahnte jedoch 1302 eine finanzielle Versorgung der Familie de la Cerda an, deren männliche Vertreter sich ins Exil nach Granada zurückgezogen hatten, auf Unterstützung des dortigen Herrschers bei der Eroberung des kastilischen Thrones setzten und an militärischen Expeditionen gegen Kastilien teilnahmen. Verhandlungen und Treffen der
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Nachdem 1302 Ferdinand IV. für volljährig erklärt worden war, versuchte er sich zunächst - auf Dauer gesehen aber vergeblich - von der Beeinflussung durch seine Mutter Marı´a de Molina, die als Regentin amtiert hatte, zu befreien, geriet dafür aber in Abhängigkeit von seinem Schwiegervater Dinis I. und dem Onkel seiner Gattin, König Jakob II. Letzterem gelang es durch geschickte diplomatische Aktivitäten und zahlreiche Herrschertreffen, in die er neben den übrigen iberischen Herrschern auch seinen späteren Schwiegersohn, den äußerst einflußreichen kastilischen Fürsten Don Juan Manuel (1282-1348), einen Neffen König Alfons’ X., einbezog, die von ihm angestrebte Hegemonialstellung auf der Iberischen Halbinsel in den folgenden Jahren einzunehmen, zumal Kastilien weiterhin vom Kampf einer Gruppe des Hochadels gegen die Krone deutlich geschwächt war 44. Schon für 1307 war ein Treffen zwischen dem kastilischen und dem aragonesischen König zwecks Planung eines Kreuzzugs gegen Granada vorgesehen gewesen, das aber aus Terminproblemen, unter anderem bedingt durch innerkastilische Probleme und Erkrankungen der Beteiligten, mehrfach bis weit in das Jahr 1308 hinein verschoben wurde, so daß lediglich Diplomaten mit geheimen Botschaften zwischen den Höfen hin- und herreisten 45. Seit Oktober 1307 war
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christlichen Herrscher unter dem Vermittler König Dinis I. von Portugal sowie unter Beteiligung der Königinwitwe Marı´a de Molina und des Infante Don Juan Manuel in Agreda und Tarazona führten zum Schiedsspruch von Torrellas, der am 8. August 1304 proklamiert wurde und eine Teilung des Reichs von Murcia zwischen Kastilien und Arago´n sowie eine Abfindung der Infantes de la Cerda vorsah. Alfonso de la Cerda gab zunächst nach, nahm seinen Kampf aber 1312 nach dem Tod Ferdinands IV. wieder auf. Bereits im April 1304 war es zu einem Treffen der Könige von Portugal, Kastilien und Arago´n und weiterer Persönlichkeiten gekommen; cf. hierzu auch M.-M. Costa, Los reyes de Portugal en la frontera castellano-aragonesa (1304), in: Medievalia 2 (1981), 27-50; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 117-126, vol. 2, no. 62/186, no. 63/ 187, no. 65/190, no. 66/192. Cf. Averkorn, Herrscherinnen (nt. 3), 113-117 zu den außenpolitischen Aktivitäten von Marı´a de Molina. Zu der politisch höchst interessanten, aber auch brisanten Rolle von Don Juan Manuel generell cf. A. Gime´nez Soler, Don Juan Manuel, Biografı´a y estudio crı´tico, Saragossa 1932. Um die politischen Bestrebungen Ferdinands IV. zu neutralisieren, hatte Jakob II. schon 1303 einen Vertrag mit Don Juan Manuel geschlossen, der als einer der mächtigsten Fürsten Kastiliens sowie als einer der bedeutendsten mittelalterlichen Intellektuellen in die Geschichte einging. Dieser Vertrag hatte nicht nur Besitz im Grenzbereich zwischen Kastilien und Arago´n zum Inhalt, sondern sah auch eine Eheallianz zwischen dem verwitweten einundzwanzigjährigen Don Juan Manuel und der dreijährigen Constanza, Tochter Jakobs II., vor, die bereits 1306 ihrem künftigen Gatten zur Erziehung übergeben wurde. Cf. Averkorn, König (nt. 4), 45-54 und Martı´nez Ferrando, Jaime, I (nt. 4) 133-141 ausführlich zu Constanza sowie Miquel, Blanca (nt. 4), 28 sq., 36; Gı´menez Soler, Juan Manuel (nt. 44), 30 sqq. zum Ehevertrag; hierzu auch Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 102, vol. 2, no. 50/141, 71 sqq. Cf. Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 553 (18. 11. 1307). In einem Schreiben an seinen Vertrauten, den Mediziner und Philosophen Arnau de Vilanova, erwähnte König Jakob II. die Adelsopposition unter Führung von Juan Nu´n˜ez de Lara in Kastilien als Grund für die Terminverschiebung eines ursprünglich für den 1. November 1307 geplanten Treffens mit dem kastilischen König Ferdinand IV. Zu dem seit 1307 geplanten Kreuzzug, über den auch der Papst informiert und um Unterstützung gebeten wurde cf. auch Ması´a de Ros, Jaume (nt. 4), 321-336. Im März 1308 baten Gesandte Jakobs II. den Papst darum, die für die Eroberung Sardiniens vorgesehenen Gelder aus dem Zehnt für den Kreuzzug gegen Granada verwenden zu können, cf. ibid., 324.
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Ferdinand IV. mit der Belagerung von Tordehumos befaßt, um gegen Teile des Adels unter Führung von Don Juan Nu´n˜ez de Lara vorzugehen. In Tordehumos erhielt er die ersten Nachrichten über die Verhaftung der Templer. Die Belagerung zog sich wahrscheinlich bis Ende Januar beziehungsweise Anfang Februar 1308 hin und mußte aufgrund der starken Position des Adels ergebnislos abgebrochen werden. Ferdinands Mutter Marı´a, die im Herbst 1307 lebensgefährlich erkrankt gewesen war, erholte sich zu Beginn des Jahres 1308 allmählich und konnte wieder auf der politischen Bühne erscheinen 46. Im Frühjahr 1308 fanden zahlreiche Gespräche und Verhandlungen des kastilischen Monarchen mit einzelnen Vertretern des Hochadels statt, über die er regelmäßig Jakob II. unterrichtete. Zu den Gesprächspartnern zählten beispielsweise der Infante Don Juan, ein Onkel des Monarchen, sowie der Infante Don Pedro, ein Bruder des Königs, und Don Juan Manuel 47. Schließlich konnte am 11. Mai 1308 eine vorläufige Einigung zwischen Ferdinand IV. und seiner Mutter Marı´a de Molina einerseits und andererseits den führenden Adligen, die ihre Machtposition ausbauen konnten, erzielt werden. In dieses Abkommen wurde nicht nur Jakob II. als Garant involviert, sondern auch Ferdinands Schwiegervater Dinis I. von Portugal, wie aus Schreiben vom Mai und Juni 1308 hervorgeht 48. Die Einbeziehung Portugals und Arago´ns ist nicht nur als Sicherheitsgarantie für das von inneren Wirren zerrüttete Kastilien zu sehen, sondern trug zur Konsolidierung und Stabilisierung der Beziehungen der christlichen Reiche auf außenpolitischer Ebene bei, so daß einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Muslime nichts mehr im Wege stand. Diese Einigung des Königs mit Vertretern des Adels und die nachfolgende Einberufung der Corte´s in Burgos zum 23. Mai 1308 ermöglichten es Ferdinand IV., auf dieser Ständeversammlung die 46
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Cf. Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 180-183 und id., Castilla (nt. 5), 246-254 zu den Geschehnissen Ende 1307 sowie ausführlich zur Belagerung von Tordehumos und dem Widerstand des Adels unter Führung von Don Juan Nu´n˜ez gegen den kastilischen König. Ende des Jahres, kurz nach der Geburt seiner Tochter Leonor, sandte Ferdinand IV. seine Gattin Constanza mit dem Neugeborenen nach Portugal, um dort nicht nur - wie die Chronik offiziell mitteilt - das Kind den Großeltern, König Dinis I. und Königin Isabel, vorzustellen, sondern um Geld für die Belagerung zu erbitten, cf. hierzu Gonza´lez Mı´nguez, Castilla (nt. 5), 250 sq.; Branda˜o, Monarquia Lusitana (nt. 6), 123 zur Hilfeleistung von König Dinis gegenüber seinem Schwiegersohn; Gaibrois de Ballesteros, Marı´a (nt. 5), 167 sq., 174 sq. zur Erkrankung der Königinmutter, die bis 1308 andauerte, und ihrem politischen Wirken in jener Zeit. Gonza´lez Mı´nguez, Castilla (nt. 5), 259; zu den Briefen an Jakob II. und dessen Antwortschreiben cf. beispielsweise Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), no. 179 (22. 3. 1308 Schreiben Ferdinands IV. an Jakob II., 19. 4. 1308 Antwortschreiben des aragonesischen Königs); Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 2, no. 113bis/325, no. 114/326, no. 115/327. Zum bewegten Leben des Infante Don Juan (1264-1319), der mehrfach gegen seinen Bruder Sancho IV. rebellierte, zeitweise im Exil in Marokko und Granada lebte und der nach Ferdinands Tod gemeinsam mit Marı´a de Molina als Tutor für den minderjährigen Alfons XI. fungierte, cf. Averkorn, Gewaltanwendung (nt. 41), 1138. Cf. Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), 36 sq. sowie no. 183 (28. 5. 1308) zum Abkommen des Königs mit seinen Adligen; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 2, no. 113bis/325 (11. 5. 1308, 12. 7. 1308); no. 114/326 (28. 5. 1308); no. 115/327 (11. 5. 1308, 12. 7. 1308).
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desolate Finanzsituation des Königreichs zu thematisieren und über Kosten für den künftigen Kreuzzug zu sprechen. In den folgenden Monaten widmete sich Ferdinand IV. bis Mitte September nicht nur der Templerfrage, sondern auch innerfamiliären Problemen zwischen seinem Onkel, dem Infante Don Juan, und seinem jüngeren Bruder, dem Infante Don Felipe 49. Jedoch vernachlässigte Ferdinand IV. nicht die Beziehungen zu Arago´n, so daß die Planung eines Herrschertreffens nie aus dem Blick geriet. Die Beruhigung im Inneren ermöglichte es dem kastilischen Herrscher, sich erneut außenpolitischen Perspektiven zuzuwenden. Die für 1308 dokumentierten zahlreichen Berichte über Grenzverstöße Granadas gegen Kastilien und Arago´n können nur als ein vordergründig anzusehender Anlaß für einen Feldzug gewertet werden 50. Jakob II. verfolgte seit längerer Zeit das Ziel, die Reconquista wieder aufzunehmen, benötigte hierzu jedoch die Unterstützung Kastiliens und Portugals. Der zumindest zeitweise im Inneren befriedete Nachbar Kastilien war für seine Zwecke von höherer militärischer und strategischer Bedeutung als das von seinem Schwager regierte Portugal. Im April und Juli 1308 besprachen Ferdinand IV. und Jakob II. in ihrer Korrespondenz erneut das schon seit 1307 geplante Herrschertreffen, an dem auch Don Juan Manuel auf Aufforderung des Kastiliers teilnehmen sollte. Diese Begegnung mußte jedoch 1308 mehrfach aufgrund anderer dringender Angelegenheiten verschoben werden. Beispielsweise erwähnte Jakob II. ein wichtiges ursprünglich geplantes Treffen mit seinem Schwiegervater, König Karl II. von Neapel. Ferdinand bezog sich auf Krankheiten, andauernde Probleme mit dem kastilischen Adel und schließlich im Mai auf die bereits erwähnte Einigung mit dessen Vertretern 51. Im Juli 1308 schrieb Jakob II. an Ferdinand IV., um mit 49
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Gonza´lez Mı´nguez, Castilla (nt. 5), 261-272. Cf. zum Umgang mit den Templern ausführlich Abschnitt II. Cf. u. a. Ması´a de Ros, Jaume (nt. 4), 293 sq. (28. 3. 1308), 294 sq. (29. 3. 1308), 295 sq. (1. 4. 1308), 299 sq. (3. 6. 1308), 300 sq. (3. 6. 1308), etc. zu zahlreichen Grenzverstößen seitens der Muslime, auch Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), no. 184 (1. 6. 1308 Ferrer de Cortell an Jacob II.): „[…] qui tots me feeren saber que de tot en tot gran companya de moros de cauall e de peu eren justats a Vera per correr la vostra terra e senyaladament era fama que correrien a Oriola […].“ Cf. Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), no. 180 (1. 4. 1308, Jakob II. an Ferdinand IV.) zur Verschiebung des Termins: „[…] nos nos deuiamos yr veer con el Rey Karlos nuestro suegro por grandes fechos que auiamos de liurar en uno e enuiamos uos rogar que la vista nuestra e vuestra se alongase fasta la Pentacostes […]“; no. 181, 355 (15. 4. 1308, Ferdinand IV. an Jakob II. mit der Einladung an Don Juan Manuel): „Et yo enuiado por Don Johan mio cormano fijo del infante Don Manuel que se venga para Burgos para yr conmigo a las vistas […]“; no. 182, 355 (24. 5. 1308, Ferdinand IV. an Jakob II.) zur Einigung mit dem Adel und der Versammlung der Corte´s in Burgos: „[…] nos ayuntamos nos agora en Burgos con la Reyna Donna Maria nuestra madre e con el infante Don Johan nuestro tio e con otros ricos omes e infancX ones et caualleros e tomes buenos de nuestra tierra sobre muchas cosas que y avemos de ueer et de acordar et de enderecX ar en fecho de nuestra fasienda et de nuestros reynos que son a grant servicX io de Dios e nuestro e pro e sosiego de toda nuestra tierra. Et assi en rrason desto sobre que y nos ayuntamos como en rrason de la nuestra yda de las vistas que auemos a faser convusco […] fablamos con el sacrista´n de TaracX ona“; no. 183 (28. 5. 1308) zur Einigung zwischen Ferdinand IV. und Marı´a de Molina mit dem Infante Don Juan und dem Infante Don Juan Manuel,
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ihm abermals über ein mögliches Treffen im Oktober zu sprechen. Ebenfalls informierte er ihn über das Gerücht, daß der Herrscher von Granada einen Krieg gegen beide Nachbarn vorbereiten würde, was sich jedoch als Falschmeldung herausgestellt hatte. Granada beteuerte überdies seine andauernde Freundschaft mit den beiden christlichen Nachbarn. Andererseits wandte sich der 1308 auf den Thron gelangte Herrscher von Marokko, Abu¯ l-Rabı¯ Sulaima¯n (13081310), an Jakob II. mit der Bitte um militärischen Beistand mittels aragonesischer Galeeren für den Kampf gegen Granada. Auch der Herrscher von Granada bat bereits im Frühjahr 1308 um Aufklärung hinsichtlich der kursierenden Gerüchte über einen möglichen Kreuzzug gegen ihn und der bereits deutlich wahrnehmbaren militärischen Aufrüstung im Nachbarreich. Der aragonesische Monarch hielt sich bedeckt, enthüllte keinesfalls seine wahren Absichten, sondern verwies auf die noch gültigen Friedensverträge Arago´ns und Kastiliens mit Granada 52. Jedoch zeichnete sich bereits die spätere Allianz der drei Reiche gegen den muslimischen Nachbarn ab, so daß sich eine politische Entwicklung ankündigte, die 1309 umgesetzt werden konnte. Eine der wichtigen Schlüsselfiguren am aragonesischen Hof, die auf der innen- und außenpolitischen Bühne auftrat, war in jenen Jahren Arnau de Vilanova, der nicht nur als königlicher Arzt wirkte, sondern sich auch als Philosoph
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die als Garanten Jakob II. einsetzten. Cf. hierzu auch Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 2, no. 113bis/325. Zu weiteren, zahlreichen unterschiedlich begründeten Terminschwierigkeiten cf. auch Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), no. 185 (3. 7. 1308, Jakob II. an Ferdinand IV. mit Bezug auf die Corte´s in Burgos), 359: „Otrosi nos dixo que vos auiades a deliberar algunos feytos grandes en Burgos e que por aquella razo´n agora no pudian seer las vistas. Mas que vos librados exos feytos nos fariades saber quando nos podriamos veer“; cf. ibid., 360 zu einer Erkrankung Ferdinands IV im Spätsommer 1308; ibid., no. 187 (12. 9. 1308, Infante Don Juan an Jakob II.); no. 188, 361 (27. 10. 1308, Don Juan Manuel an Jakob II. mit dem Versprechen teilzunehmen und zu einer erneuten Verschiebung des Treffens): „A lo que diziades que uos e el rey de Castiella vos aviades a veer por todos santos e quel enbiavades rrogar que me enviasse mandar que fuesse a estas vistas. Et vos que me mandavades que no me escusase ende ca teniades por bien oue fuesse yo. Sen˜or en esto e en todas las cosas que [me] vos manderdes siempre vos sere yo mandado. Et sabet quel rey me enbio decir que las vistas serian por todos santos e que mandava que me fuesse para el para ir a las dichas vistas asi como fuera ordenando en Burgos.“ Dufourcq, Espagne (nt. 1), 382-387; Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), no. 185 (3. 7. 1308); Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 2, no. 118/330 (7. 7. 1308); Carrasco Machado, Al-Andalus (nt. 1), 404; cf. Ması´a de Ros, Jaume (nt. 4), 291 zu einem Schreiben Jakobs II. vom 19. März 1308 auf eine besorgte Anfrage Muhø ammads III. von Granada, welches Ziel die militärischen Aufrüstungen in der Corona de Arago´n hätten. Der König betonte, um diesen zu täuschen, daß die militärischen Vorbereitungen sich auf eine Kampagne gegen Sardinien richten würden: „[…] daquesta raho non devets maravellar que segons que vos sabets tals afers havem nos e especialment per lo fet del regne de Cerdenya que aquesta armada havem menester non devets dubtar que e vos ne a seu del vostre feesem mal que abans nons ho fessem saber.“ Zu den Gerüchten eines Kriegs gegen Granada cf. auch ein Schreiben des Ferrer de Cortell an Jakob II. vom gleichen Tag (ibid., 291 sq.) sowie ein Schreiben des Muhø ammad de Crevillent an Jakob II. vom 27. März 1308, ibid., 294: „E dix lo dit Bartolomeo que vos senyor els altres reys d Espanya […] per anar a conquerir la sua terra.“
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und Visionär sah, der messianische Ideen entwickelte. Jakob, der häufig gesundheitliche Probleme zu gewärtigen hatte, hatte bereits in zwei Schreiben vom 1. Juli und 15. August 1308 den Arzt um die Übersendung eines Exemplars seines Werks ,Speculum medicine‘ gebeten 53. Jakobs Gattin Blanca von Anjou, die abermals schwanger war, fürchtete im Kindbett zu sterben und diktierte daher am 18. August 1308 das letzte von ihr überlieferte Testament. Sie überlebte jedoch die Geburt ihres neunten Kindes, eines Sohnes namens Ramo´n Berenguer. Von Interesse ist im Hinblick auf den geplanten Kreuzzug und die mit einer erfolgreichen Eroberung einhergehende Missionierung der Muslime ein besonderer Aspekt: Die Königin, die vielfach gemeinsam mit ihrem Gatten auf der außenpolitischen Bühne agierte, hinterließ in ihrem Testament nicht nur eine größere Geldsumme für den Freikauf von christlichen Sklaven aus muslimischer Hand, sondern stiftete zusätzlich einen jährlich auszuzahlenden Betrag zum Unterhalt von Studierenden der von Dominikanern geführten Sprachschule in Ja´tiva, in der künftige Missionare arabisch und hebräisch erlernten. Sicherlich ist in diesen Legaten auch der Einfluß von Arnau de Vilanova spürbar, der das königliche Paar noch anläßlich des Kreuzzugs während der Belagerung von Almerı´a besuchen sollte. Somit werden im Zusammenhang mit der Problematik einer frontier society die Frage nach dem Schicksal von in muslimische Gefangenschaft geratenen Christen, die in zahlreichen Verträgen und der Korrespondenz mit muslimischen Herrschern regelmäßig behandelt wurde, sowie Missionierungsaspekte in ihrem Testament besonders deutlich. Blancas Verhalten war kein Einzelfall, ihr Schwager Friedrich III. von Sizilien ließ auf Drängen Vilanovas evangelische Schulen errichten, in denen auch arabisch und hebräisch gelehrt wurde, um die Konversion der Muslime und Juden durch entsprechend ausgebildete Lehrer zu beschleunigen 54. Die seit 1307 geplante Begegnung zwischen Jakob II. und Ferdinand IV. fand schließlich am 1. Dezember 1308 im Kloster von Santa Marı´a de Huerta statt. Königin Constanza von Kastilien und Königin Blanca von Arago´n waren zugegen, Marı´a de Molina, die Mutter Ferdinands IV., nahm hingegen nicht teil, sondern weilte, gesundheitlich immer noch stark geschwächt, in Almaza´n. Ihr Sohn hielt sich dort vor und nach dem Treffen mit dem aragonesischen König 53 54
Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 555 (15. 8. 1308). Zu Blancas politischer Rolle cf. Averkorn, Herrscherinnen (nt. 3), 125 sq.; zur 1308 erfolgten Geburt des Infante Ramo´n Berenguer cf. u. a. Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), vol. 1, 178-183; Miquel, Blanca (nt. 4), 43, 45, 56; Hinojosa, Jaime (nt. 4), 88. Bei der Geburt ihres zehnten Kindes sollten sich jedoch Blancas Befürchtungen bewahrheiten, sie starb 1310 im Alter von 27 Jahren. Zu ihren testamentarischen Bestimmungen cf. Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), vol. 1, 12-17 sowie vol. 2, no. 57, 36: „Item dimmitus ducentas libras eiusdem monete, de quibus emantur omnes redditus qui dentur et distribuantur ad arbitrium dictorum manumissorum nostrorum quolibet anno in festo sancti Michaelis, fratribus Predicatoribus Xative in ebrayco et arabigo studentibus pro vestuario eorumdem ibi fuerit studium antedictum […].“ Cf. zu ihrem Schwager Friedrich III. ausführlich unten Abschnitt III sowie R. Backman, The Decline and Fall of Medieval Sicily. Politics, Religion, and Economy in the Reign of Frederick III, 1296-1337, Cambridge (Mass.) 1995, 201 zu den evangelischen Schulen und dem Einfluß Vilanovas in Sizilien.
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auf und besprach mit ihr alle politischen Vorgänge. Die Königinmutter zeigte sich besonders über das geplante Kreuzzugsprojekt erfreut. Überdies befand sie sich stetig wegen diverser Angelegenheiten in engem brieflichen Kontakt mit Jakob II. 55 In Santa Marı´a de Huerta wurde im Laufe der Verhandlungen zunächst das schon länger geplante Heiratsbündnis zwischen dem Thronfolger, Infante Jaime von Arago´n, und der 1307 geborenen Infanta Don˜a Leonor von Kastilien, der Tochter Ferdinands, beschlossen 56. Ein weiterer und besonders wichtiger Punkt auf der Tagesordnung bestand auf Initiative Jakobs II. in der Erörterung von Plänen zur Wiederaufnahme der Reconquista und der in diesem Kontext für den Sommer des Jahres 1309 angesetzten militärische Land- und Seekampagne gegen Granada. Es wurde vereinbart, daß im Erfolgsfall Arago´n ein Sechstel des Reiches von Granada erhalten sollte 57. 55
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Cro´nica Fernando (nt. 5), 161; Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 205 sq. Zu Marı´a de Molinas schwerer Krankheit, die schon 1307 in den Quellen erwähnt wird, und ihrem Aufenthalt in Almaza´n cf. auch Gaibrois de Ballesteros, Marı´a (nt. 5), 174 sq.; zu Blanca auch Miquel, Blanca (nt. 4), 45. Cf. hierzu besonders Cro´nica Fernando (nt. 5), 161; Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 205; Averkorn, König (nt. 4), 62 sq.; Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), 83-106. Die 1308 projektierte Eheverbindung sollte katastrophal enden und Jakob II. in einen öffentlichen Skandal von europäischer Dimension verwickeln. Der aragonesische Thronfolger, der erst unter massivem Druck den Wünschen seines Vaters nachkam, mußte 1319 Infanta Leonor, die seit 1312 am aragonesischen Hof erzogen wurde, ehelichen. Er verließ sie noch während der Trauung, verzichtete auf die Thronfolge und trat wenig später in ein Kloster ein. Jakob II. sah sich veranlaßt, zahlreiche Entschuldigungsbriefe an den europäischen Hochadel zu senden und besonders Königinwitwe Marı´a de Molina, die Großmutter der Infanta, zu beschwichtigen, da dieses Verhalten die Kastilier erzürnte, zumal der Aragonese selbst Jahre zuvor seine Ehe mit der kastilischen Infanta Isabel, einer Tochter Marı´as, hatte annullieren lassen, um Blanca zu ehelichen. Cf. Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 205 sq.; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 156159; Cro´nica Fernando (nt. 5), 161: „[…] e´ llego´ y el rey de Aragon al monasterio de Huerta a´ ver el Rey e´ estudo y con e´l dos dias; e´ despue´s fue´ronse amos los reyes para Monreal, e´ estudieron y cuatro dias […]. […] ordenaron e´ fablaron el casamiento de la infanta don˜a Leonor, fija del rey don Fernando, con el infante don Jaime, fijo primero del rey de Aragon […]. […] fablo´ lue´go el rey don Fernando con el rey de Aragon en su poridad e´ dijote […] que le queria dar el Rey parte en la conquista del reino de Granada. […] que fuesse lue´go cercar el rey don Fernando a` Algecira, e´ el rey de Aragon que oviese la sesta parte del reino de Granada […].“ Cf. hierzu aus katalanischer Sicht Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 245, 129 zum geplanten Heiratsbündnis: „[…] aquells de Castella veeren que la guerra d’Aragon no els era bona […] e tractaren pau ab lo senyor rei d’Aragon. Aixı´ que la pau se feu en aquesta manera: que el fill major del senyor rei d’Arago´, per nom l’infant don Jacme, devia pendre per muller la filla del rei don Fernando tantost con fos d’edat, e tantost la lliuraren al senyor d’Arago´, qui la fe´u nodrir en Arago´ […].“ Zum für 1309 geplanten Zug gegen Granada cf. ibid., cap. 246, 130: „Com lo senyor rei En Jacme hac feta la pau e fermada, pensa` que pus pau havia ab totes gents, que ana`s sobre sarraı¨ns, cX o e´s a saber, sobre lo rei de Granada, qui li havia trencades les treves com lo rei de Castella se deseixı´ d’ell. Per que` de tot se’n volc venjar; e tracta` ab lo rei de Castella que de tot anassen sobre el rei de Granada en aquesta manera: que el rei de Castella ab son poder ana`s assetjar Altzehira d’Alhadre, e lo senyor rei En Jacme d’Aragon ana`s assetjar la ciutat d’Almeria. E aixı´ fo ordonat, e prome`s per cascuns dels reis, que acX o` se complis a dia cert, e que negu´ no degue´s abandonar la guerra ne son setge sens volontat de l’altre. E acX o` fo ordonat sa`viament, per cX o que el rei de Granada hague´s a fer dues parts de la sua gent.“
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Nach dem Ende des Herrschertreffens hielt sich Ferdinand IV. auf dem Rückweg zunächst bei seiner Mutter in Almaza´n auf, um mit ihr das weitere Vorgehen ausführlich zu besprechen. Marı´a de Molina unterstützte ausdrücklich die Idee der Wiederaufnahme der Reconquista, die sie für ein von Gott gewolltes Werk hielt und mit dessen Durchführung ihr Sohn direkt an die von ihrem Gatten Sancho IV. und dessen Vater Alfons X. verfolgte Politik anknüpfte. Später führte der Monarch noch ausführliche Gespräche mit den einflußreichen Adligen seines Reichs, zu denen unter anderem seine Gattin Constanza, sein Onkel, der Infante Don Juan, sein Bruder, der Infante Don Pedro, Don Juan Manuel sowie weitere Adlige und geistliche Würdenträger zählten. Die Adligen brachten diverse Einwände gegen das Abkommen von Santa Marı´a de Huerta zur Sprache, unter anderem waren sie mit den Plänen zur Verteilung der Kriegsbeute nicht einverstanden. Letztendlich stimmten sie ihm aber zu 58. Die mündlich getroffenen Vereinbarungen zwischen den beiden Monarchen wurden durch Ferdinand IV. und die Gesandten Jakobs II., Bernalt de Sarria` und Gonzalo Garcı´a, die am 9. Dezember von Calatayud aus nach Kastilien reisten, am 19. Dezember 1308 in Alcala´ de Henares ratifiziert. In diesem nicht nur für die Beziehungen zwischen Kastilien und Arago´n, sondern für die Geschichte der Reconquista wichtigen Vertrag wurde neben zahlreichen weiteren Bestimmungen der mögliche Kriegsgewinn Arago´ns präzisiert. Zunächst wurde der bereits besprochene Krieg zu Land und zu See gegen Granada vereinbart. Ein einseitiger Friedensschluß durch eines der beteiligten Reiche wurde ausgeschlossen, da hierfür eine gemeinsame Entscheidung der beiden Monarchen sowie der Infantes Don Juan und Don Pedro erforderlich war. Weitere Adlige und geistliche Würdenträger wie Don Juan Manuel und der Erzbischof von Toledo wurden als Garanten eingesetzt. Jakob II. wurde das Reich von Almerı´a versprochen, das in seiner Größe ungefähr mit dem ihm in Santa Marı´a de Huerta ursprünglich zugesagten Gewinn vergleichbar war. Um einen eventuell auftretenden Streit, falls dieses Territorium doch nicht einem Sechstel des Reiches von Granada entsprechen sollte, schlichten zu können, wurden Schiedsleute aus beiden Lagern benannt, die dem aragonesischen Monarchen weitere Territorien überantworten würden. Des Weiteren behielt sich der aragonesische Monarch die Möglichkeit eines Pakts mit Marokko gegen Granada vor und sah vor, König Dinis I. von Portugal in die Kriegspläne einzubeziehen. Diese Vereinba58
Zum Treffen Ferdinands IV. mit seiner Mutter in Almaza´n cf. auch Cro´nica Fernando (nt. 5), 161: „[…] partie´ronse los reyes, e´ vı´nose el rey don Fernando a´ ver con la Reina su madre, que era en Almazan, e´ fablo con ella todos estos pleitos, e´ a la Reina plo´gole mucho por cua´n grand bien lo avia librado, e´ sen˜aladamente porque vı´o que tomaba carrera de querer servir a´ Dios e´ puno´ de lo acometer a´ ello lo ma´s que pudo.“ Cf. zu Sanchos Afrikapolitik auch Gaibrois de Ballesteros, Sancho (nt. 5), vol. 2, 167-195, 273-329. Zu Alfons X., der schon an einen Kreuzzug gegen Marokko gemeinsam mit Frankreich und England gedacht hatte, cf. auch Averkorn, Kastilien (nt. 3), 323. Zu den Verhandlungen mit dem kastilischen Adel cf. u. a. Cro´nica Fernando (nt. 5), 162; Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 179-198; zu Königin Constanza und ihrer politischen Rolle cf. auch Averkorn, Herrscherinnen (nt. 3), 128 sq.
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rungen sind generell als Wiederaufnehmen der Reconquista anzusehen 59. Die im Dezember 1308 getroffenen Vereinbarungen stellten einen Wendepunkt und eine Neuorientierung in der Geschichte der Beziehungen zwischen beiden Königreichen dar, die sich bereits seit einigen Jahren abzeichneten. Sie bezogen sich für die nähere Zukunft zunächst auf den direkten Kampf gegen Granada, beide Monarchen hatten jedoch die von Sancho IV. und Jakob II. in Soria besprochenen Vorstellungen von einer weiteren gemeinsamen Expansion nach Nordafrika nicht aus dem Blick verloren, wobei für den Fall eines Erfolgs bereits eine geographische Aufteilung vorgenommen worden war, der zufolge Arago´n die Gebiete östlich der Mündung des Flusses Muluya, Kastilien dagegen die westlichen erhalten sollte. Nach dem Vertragsabschluß rief König Ferdinand IV. die Corte´s nach Madrid, rechtfertigte den Vertrag von Alcala´ de Henares und beriet die künftige Vorgehensweise sowie die Finanzierung des geplanten militärischen Unternehmens. Don Juan Manuel reagierte unmittelbar auf die Vereinbarungen von Madrid und begann damit, seine Besitzungen im Grenzbereich, wozu auch die Burg von Villena zählte, zu befestigen 60. Der Vertrag von Alcala´ de Henares fügte sich 59
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Cf. zum Vertrag von Alcala´ de Henares u. a. Dufourcq, Espagne (nt. 1), 389-395; Gonza´lez Mı´nguez, Fernando (nt. 5), 206-209; Cro´nica Fernando (nt. 5), 161 sq.; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 154-159; vol. 2, no. 119/338 (19. 12. 1308) mit dem Text des im Dezember 1308 geschlossenen Vertrags von Alcala´ de Henares und dem Zeitpunkt für den geplanten Angriff auf Granada: „[…] que nos faremos guerra por mar e por tierra contra el rey de Granada e su tierra, la qual guerra comencX aremos d’aqui a la fiesta de San Johan battista del mes de junio primero que viene e con el si con sus gentes nunca faremos pacX ni tregua ni por hemos amor nin voluntad e consentimiento del dicho rey de Aragon“; sowie Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), 38 sq.; Zurita, Anales (nt. 4), vol. 3, libro V, cap. 74 mit ausführlichen Angaben zum Vertrag. Zu Jakobs II. weiteren Plänen, Portugal einzubeziehen und eine drohende Allianz zwischen Marokko und Granada zu verhindern, cf. auch Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 161 sq.; vol. 2, no. 123/345 (24. 4. 1309) und zu den nordafrikanischen Reichen besonders Dufourcq, Espagne (nt. 1), 389-404. Zu Gonzalo Garcı´a und Bernalt de Sarria`, zwei bedeutenden Diplomaten und ihrem diplomatischen Wirken, cf. auch Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 2, 119 sq.; zur Unterstützung des Unternehmens durch König Dinis I. im Jahre 1309 cf. Branda˜o, Monarquia Lusitana (nt. 6), 129 sqq.; Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 196; Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 12 zur ursprünglich geplanten Aufteilung Nordafrikas zwischen Sancho IV. und Jakob II.; hierzu auch Zurita, Anales, (nt. 4), vol. 3, libro IV, cap. 124, 206 sqq. mit Details zu den entsprechenden Vereinbarungen von Soria. Zahlreiche Historiker, unter ihnen Gonza´lez Mı´nguez, Castilla (nt. 5), 273, sehen den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von Alcala´ de Henares als „reanudacio´n de la Reconquista“ an. Zum künftigen Pakt mit Marokko auch Ması´a de Ros, Jaume (nt. 4), 317 sq. (19. 12. 1308) mit einem Schreiben Ferdinands IV. an Jakob II. zu den künftigen Verhandlungen mit Marokko: „[…] nos don Fernando […] queremos e atorgamos e damos poder complido e libre a vos muy noble e mucho alto don Jayme […] que por nombre e en vicX e en lugar nuestro podades por vos e por vuestros mandaderos trectar ordenar, abenir fanzer e firmar amor posturas e conviencias con el rey de Marruecos CX ulema Aburrait contra el rey de Granada e su tierra […];“ sowie Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44), 37 sq.; id., Almerı´a (nt. 4), 26-55 zu den Vorbereitungen des Kreuzzugs von 1309. Zu den Corte´s in Madrid, Cro´nica Fernando (nt. 5), 162: „E desque esto fue´ firmado, acordo` el Rey de facer corte´s en Madrid […]“; zum Verhalten von Don Juan Manuel auch Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 44). Er fügt ein Schreiben Don Juan Manuels aus Madrid an Don˜a Saurina de Beziers an, die Aya der mit ihm verlobten Infantin Constanza, cf. ibid., no. 191
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nahtlos in das außenpolitische Konzept Jakobs II. ein, der somit einen weiteren beträchtlichen außenpolitischen Erfolg zumindest auf der Verhandlungsebene erzielt hatte. Schon am 26. Dezember 1308 wandte sich Jakob II., der sich in Alago´n aufhielt, an Papst Clemens V., um die Besetzung des Erzbistums von Tarragona voranzutreiben und einen dem König genehmen Kandidaten durchzusetzen, was auch 1309 gelang. Im Januar 1309 erhielt Jakob II. brieflich Neuigkeiten aus Avignon, darunter die Nachricht von der noch im November 1308 erfolgten Wahl und der am 6. Januar 1309 vollzogenen Krönung Heinrichs VII. aus dem Haus Luxemburg 61. Von Februar bis März 1309 berichteten aragonesische Gesandte, die sich am päpstlichen Hof in Avignon aufhielten, ausführlich von den Reaktionen auf ihre Berichte über den im Dezember paktierten Kreuzzug, die Proteste der Muslime sowie über die Ankündigung Clemens’ V., ein Konzil einberufen zu wollen, und über die schon seit 1307 laufenden Bemühungen zur finanziellen Ausstattung des militärischen Unternehmens mit päpstlicher Hilfe und dessen Einstufung als Kreuzzug 62. König Jakob II. sah 1308 genügend politischen Spielraum, um diesen Kreuzzug vorbereiten zu können. Seine Kräfte waren nicht wie in den Vorjahren direkt durch die Vorgänge im Mittelmeerraum gebunden, so daß sich im Rahmen seiner außenpolitischen Gesamtstrategie ein Zeitfenster für ein militärisches Vorgehen gegen Granada, das für die Jahresmitte 1309 geplant war, geöffnet hatte. Dieser Kreuzzug sollte seinen Hegemonialbestrebungen auf der Iberischen Halbinsel eine neue Grundlage verschaffen. Ferdinand IV. konnte aufgrund der inneren Probleme Kastiliens dieses Ziel nicht verfolgen, wollte aber ebenfalls Nutzen aus dem Bündnis mit dem politisch eindeutig stärkeren Königreich Arago´n ziehen. Er hatte die Absicht, gemeinsam mit seiner Mutter die
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(28. 2. 1309): „Sepades que el Rey me dixo agora aqui en Maydrit que querie faser guerra al Rey de Granada“; cf. ibid., 39 sq. zu den Vorsichtsmaßnahmen Don Juan Manuels, der Jakob II. vorschlug, seine künftige Gattin Constanza, die sich bereits in seiner Obhut befand, aus Sicherheitsgründen von Villena aus in das Landesinnere nach Alarco´n bringen zu lassen. Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 475 (26. 12. 1308), no. 476 (19. 1. 1309): „Comes Luceborgensis electus est et coronatus in regem Alamannie.“ Philipp IV. hatte im Juni 1308 vergeblich versucht, seinen Bruder Charles de Valois als Anwärter auf diesen Thron zu propagieren, cf. Favier, Philippe (nt. 9), 411-415. Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 477 (Februar 1309), no. 478 (26. 2. 1309), no. 479 (5. 3. 1309), no. 480 (22. 3. 1309). Besonders interessant ist die Bemerkung des Papstes gascognischer Herkunft, daß er zwar das Katalanische verstehen würde, aber nicht lesen könne. Aus diesem Grund mußten die Petitionen in Latein übersetzt werden. Des weiteren erteilte der Papst in Zusammenhang mit der geplanten Eroberung Granadas auch direkt den notwendigen Dispens für die geplante Eheverbindung zwischen Leonor von Kastilien mit Jaime von Arago´n, cf. ibid., no. 479. Zu den seit 1307 zu konstatierenden Bemühungen um päpstliche Unterstützung des Kreuzzugsprojekts auch Ması´a de Ros, Jaume (nt. 4), 321-336; speziell zu den päpstlichen Bullen vom April bis November des Jahres 1308 cf. ibid., 325-334. Ebenso wurde Papst Clemens V. im weiteren Verlauf des Jahres und bis zum Ende des Kreuzzugs zeitnah durch aragonesische Gesandte über die Probleme bei der Belagerung Almerı´as unterrichtet, cf. Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 482 (September 1309) sowie no. 484 (16. 3. 1310); no. 485 (25. 4. 1310) zu den Gründen für die Aufhebung der Belagerung und deren Folgen.
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Zeit einer relativen inneren Ruhe in Kastilien dazu zu nutzen, dieses Kreuzzugsprojekt, das in der zeitgenössischen Historiographie in den Traditionszusammenhang des Kampfs gegen die Ungläubigen gestellt wurde, zur Steigerung des Ansehens und der Macht des kastilischen Königtums einzusetzen. Zum Abschluß dieses Abschnitts soll knapp auf die politische Situation der muslimischen Reiche eingegangen werden, um zu unterstreichen, daß aus christlicher Sicht das Jahr 1308 einen idealen Zeitpunkt darstellte, um die Wiederaufnahme der Reconquista zu beschließen und den geplanten Angriff für den Sommer 1309 anzusetzen. Da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von Alcala´ de Henares bilaterale Verträge Kastiliens und Arago´ns mit Granada und diversen nordafrikanischen Reichen noch gültig waren, war von diesen Reichen zunächst kein Angriff zu erwarten, so daß die Könige von Arago´n und Kastilien völlige Planungsfreiheit hatten. Die politischen Konstellationen in Granada und den nordafrikanischen Territorien ließen ebenfalls auf günstige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kreuzzug gegen Granada schließen. König Sancho IV. und Jakob II. pflegten beide regelmäßige diplomatische Beziehungen zu muslimischen Reichen wie beispielsweise Granada, Marokko, Tremece´n, Bugı´a, Tunis und Ägypten. Im Zusammenhang mit dem Vertrag von Alcala´ de Henares war der Abschluß eines Pakts mit Marokko durch Jakob II. vereinbart worden. Der aragonesische Monarch als Initiator dieses Abkommens beauftragte einen seiner erfolgreichen Diplomaten namens Gonzalo Garcı´a, der bereits bei der Vertragsunterzeichnung mit Kastilien anwesend gewesen war, mit den Verhandlungen und der Durchführung. Im Juli 1309 wurde der entsprechende Vertrag, der sich gegen Granada richtete, von Sultan Abu¯ l-Rabı¯ Sulaima¯n (1308-1310) in Fez unterzeichnet. Kurz zuvor hatte der Kreuzzug gegen das andalusische Reich begonnen 63. Jakob II. unterhielt ebenfalls diplomatische Kontakte und Handelsbeziehungen zu Ägypten, die besonders nach 1300 verstärkt wurden. Von päpstlicher Seite waren diplomatische Beziehungen und Handelskontakte zu den muslimischen Reichen zunächst generell untersagt, Ausnahmen wurden jedoch in bestimmten Fällen beispielsweise gegen Zahlung von Geldsummen gestattet, bei widrigem Verhalten wurden mehrfach Geldstrafen verhängt, die unter anderem von Händlern zu zahlen waren. Noch 1308 wandte sich Clemens V. gegen den offiziell verbotenen Handel und Warenaustausch mit Ägypten, 1309 erteilte er allerdings eine Sondererlaubnis im Zusammenhang mit dem geplanten Kreuzzug gegen Granada 64. Nachgewiesen ist, daß vielfach ausdrücklich die Erlaubnis des 63
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Ochoa Brun, Historia (nt. 4), vol. 3, 184, 188, 196. 1293 wurde ein Vertrag zwischen Portugal, Kastilien und der Corona de Arago´n mit Ägypten geschlossen. Cf. Jaspert, Diplomatie (nt. 4), 186-189 mit einer Auflistung von Gesandtschaften in der Regierungszeit Jakobs II.; Ması´a de Ros, Corona (nt. 4), 100 sqq. zu Gesandtschaften bis 1309; Ladero Quesada, Granada (nt. 1), 86-89 und Dufourcq, Espagne (nt. 1), 395-399 zum Vertrag von Fez im Jahre 1309. Cf. zu dieser Diskussion der christlichen-muslimischen Beziehungen ausführlich e. g. Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 197 sq., 214-225; Jaspert, Diplomatie (nt. 4), 187 sq. zu Gesandtschaften; in der Praxis ließen sich diese Kontakte nicht unterbinden, eine strenge Auslegung hätte die Ungültigkeit von diplomatischen Verträgen beinhaltet, was je nach Lage durchaus zeitweise von den Beteiligten in dieser Weise gedeutet wurde, um den Bruch von Vereinbarungen
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Papstes eingeholt wurde, bevor eine diplomatische Gesandtschaft nach Nordafrika geschickt wurde. Generell kann festgehalten werden, daß Jakob II. stets erfahrene Personen unterschiedlichen Standes, die sich mit den Sitten und Gebräuchen der muslimischen Nachbarn auskannten, damit beauftragte, Verhandlungen mit diesen durchzuführen. Der hohe Grad an Spezialisierung ist bemerkenswert 65. Die Beziehungen der nordafrikanischen Reiche zur Iberischen Halbinsel waren durchweg wechselhaft. Während König Jakob II. sich vorrangig um diplomatische Kontakte zu den nordafrikanischen Reichen und den Ausbau der Handelsbeziehungen kümmerte, waren der Kreuzzugs- und Missionierungsgedanke dennoch immer präsent. Ein Vertreter dieses Gedankenguts war der Mallorquiner Ramon Llull (1232-ca. 1316), der 1306 nach Nordafrika zog und wie aus einem Schreiben hervorgeht, wohl 1308 in Marseille nicht nur Arnau de Vilanova traf, sondern sich auch persönlich an der Kurie für die Durchführung eines Kreuzzugs gegen Granada einsetzte. Es wird sehr deutlich, daß die Kreuzzugsidee nicht nur von den beiden Monarchen entwickelt, sondern von führenden religiösen Denkern wie Vilanova und Llull massiv gestützt und propagiert wurde 66. Nach dem Zusammenbruch der Almohadenherrschaft hatten die Dynastien der Nasriden in Granada, der Meriniden in Marokko, der Abdalwadiden in Tremece´n sowie der Hafsiden in Tunis und Bugı´a die Herrschaft übernommen. In Ägypten lag die Macht in den Händen der Mamelukken. In den folgenden Jahrzehnten bildeten sich je nach politischer Interessenlage unterschiedliche und wechselnde Allianzen zwischen christlichen und muslimischen Reichen. Arago´n und Kastilien konnten als Bündnispartner ebenfalls von der problematischen
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zu legitimieren; zu den Handelsbeziehungen speziell zu Ägypten cf. u. a. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 73-76 mit ausführlichen Angaben zu den legalen und illegalen Handelsbeziehungen. Der wichtigste Hafen war Alexandria. 1308 war im Vergleich zu 1307 und 1309 ein deutlicher Einbruch des Volumens der Handelsgüter auf der Basis der von Jakob II. erhobenen Abgaben zu verzeichnen. Cf. ebenfalls Ması´a de Ros, Estados (nt. 4), 88 und 82-88 generell zum Verhältnis zwischen Arago´n und Ägypten. Bereits 1302 und 1305 waren päpstliche Verbote ausgesprochen worden. 1305 durfte Jakob II. jedoch mit päpstlicher Erlaubnis einen Gesandten nach Ägypten schicken; cf. auch ead., Corona (nt. 4), 82-94 ausführlich zu dieser Thematik; ibid., no. 8 (12. 10. 1308), 275 sq. zum päpstlichen Verbot. Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 221 mit Beispielen zu einer päpstlichen Genehmigung, die Jakob II. 1313, 1317 und 1321 erhielt. Zu einer qualitativen Einschätzung der Arbeit der Gesandten Jakobs II. cf. auch ibid., 193; Jaspert, Diplomatie (nt. 4), 177. Cf. hierzu u. a. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 66. 1310 sandte Llull sein Werk ,Liber de acquisitione Terrae Sanctae‘, in dem er sich u. a. mit den Erfolgen der Katalanischen Kompanie beschäftigte, an den Papst. Cf. zu Llulls Einfluß generell C. Cantarellas Camps (ed.), Ramon Llull: historia, pensamiento y leyenda, Barcelona 2008; J. N. Hillgarth, Ramon Lull and Lullism in Fourteenth Century France, Oxford 1971; Abulafia, Emporium (nt. 1), 13 sq.; zu Llulls diplomatischem Wirken auch Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 124 sqq.; Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 556 (ca. 4. 9. 1308) mit einem Schreiben des Cristiano Spinola über diese Vorgänge. Zu Spinola, der in Diensten Jakobs II. stand, cf. auch G. Petri Balbi, Un „familiare“ genovese di Giacomo II: Cristiano Spinola, in: Saggi e rassegne 20 (1996), 113-134.
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politischen Lage in Nordafrika und Granada profitieren und sich die Einflußzonen aufteilen, wobei Fez und Tremece´n, das kleinste Reich, zur westlichen Einflußzone Kastiliens zählten 67. Die Meriniden hatten seit einigen Jahrzehnten von den inneren politischen Spannungen und Konflikten in Kastilien profitiert und mehrfach kleinere Invasionen auf die Iberische Halbinsel unternommen, um dort Besitzungen zu erobern. Sie hielten unter Abu¯ Yaqu¯b Yu¯suf (12861307) schließlich zeitweise Tarifa, Algeciras und weitere Territorien. Nach seiner ¯ mir (1307-1308), dann Ermordung folgte ihm zunächst Sultan Abu¯ Tß a¯bit A Abu l-Rabı¯ Sulaima n (1308-1310), der im Juli 1309 den bereits erwähnten ¯ ¯ Bündnisvertrag mit Arago´n in Fez schloß 68. Jakob II. pflegte schon während seiner Zeit als Regent Siziliens gute Kontakte zum Norden Afrikas und besonders zu den Hafsiden in Tunis, mit denen schon sein Vater Peter III. 1285 im Anschluß an die Sizilianische Vesper einen wichtigen Friedensvertrag geschlossen hatte. Nach seiner Thronübernahme in der Corona de Arago´n setzte er diese Orientierung fort. Oftmals mußten Streitigkeiten beispielsweise wegen zahlreicher Übergriffe auf aragonesische Schiffe geschlichtet und entsprechende Verträge ausgehandelt werden. Ein Hauptakteur auf aragonesischer Seite war beispielsweise der Admiral Bernalt de Sarria`, der im August 1308 einen zehnjährigen Friedensvertrag mit Tunis abschloß und dann im Dezember 1308 in Alcala´ de Henares anwesend war. Auch nach dem Scheitern des Kreuzzugs gegen Granada blieben die Beziehungen mit Ifriquı´a freundschaftlich. Unter Alfons III. und Jakob II. wurden die Kontakte zu Ägypten, die schon seit Kaiser Friedrich II. mit Sizilien bestanden, wieder aufgenommen, um im Mittelmeer ein Gegengewicht zum angevinischen Neapel zu schaffen, das vom Papst und von Frankreich unterstützt wurde. Anfang der 90er Jahre des 13. Jahrhunderts wurden entsprechende Freundschafts- und Beistandsverträge geschlossen sowie die Handelsbeziehungen ausgebaut. Auf die 1300 angeordnete Schließung der christlichen Kirchen in Ägypten und die Gefangennahme von Aragonesen und Kastiliern reagierte Jakob II. 1303 beziehungsweise 1305, indem er einen Gesandten an den Hof des Sultans schickte. In der Folge wurden jedoch die Beziehungen durch diplomatische Verwicklungen, verursacht durch den Gesandten Aymeric Dusay, bis 1309 gestört und überdies durch die bereits 67
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Ması´a de Ros, Estados (nt. 4), 201; Ladero Quesada, Granada (nt. 1), 80-86; Carrasco Manchado, Al-Andalus (nt. 1), 403; Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 25; zur Corona de Arago´n und ihren engen Beziehungen zu den zu Ifriquı´a gehörenden Reichen von Tunis und Bugı´a bis 1310 cf. generell auch Ması´a de Ros, Corona (nt. 4), 157-171; zu den nicht derart engen Beziehungen zu Tremece´n, das stärker dem kastilischen Einflußbereich zuzurechnen war, ibid., 201-206. Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 25, 87 sq. zu den Details der Ermordung des Herrschers von Marokko; Ladero Quesada, Granada (nt. 1), 86-89 zum Vertrag von 1309. Beispielsweise hatte Marokko unter Abu¯ Yu¯suf (1258-1286) 1282 eine Allianz mit Alfons X. gegen Granada und Arago´n geschlossen. Cf. hierzu u. a. M. A. Ladero Quesada, Granada. Historia de un paı´s isla´mico (1232-1571), Madrid 1969, 80-86; Dufourcq, Espagne (nt. 1), 395-399; Carrasco Manchado, Al-Andalus (nt. 1), besonders 391-406. Speziell zu den Meriniden in dieser Zeit u. a. Manzano Rodrı´guez, Intervencio´n (nt. 1), 166-192; generell Arie´, Reino (nt. 1).
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1308 erfolgte Abdankung des Sultans Malik al-Na¯søir zugunsten von Baibars II. verkompliziert. Erst 1314 wurden die Kontakte wieder intensiviert 69. Das Verhältnis der christlichen Reiche der iberischen Halbinsel zu Granada, dem eigentlichen Gegner im Kreuzzugsprojekt, war wechselhaft. 1292 konnte Sancho IV. Tarifa erobern. Nach seinem 1295 erfolgten Tod lassen sich in den folgenden Jahren zahlreiche Grenzscharmützel und kleinere Eroberungen kastilischer Gebiete sowie Übergriffe auf aragonesisches Territorium von seiten Granadas konstatieren. Die Herrscher von Granada waren seit den Zeiten König Ferdinands III. von Kastilien (gest. 1252) Vasallen des christlichen Monarchen und zur Zahlung eines Tributs verpflichtet. Die Nasriden führten trotz dieser Abhängigkeit eine eigenständige Außenpolitik und sahen sich selbst zeitweise durch die Invasionen der Meriniden bedroht, so daß sie 1292 die militärische Kampagne des kastilischen Monarchen unterstützten. Muhø ammad II. von Granada (1273-1302), ein gelehrter Jurist und Dichter, versuchte seine Herrschaft durch taktisches Verhalten und wechselnde Allianzen mit christlichen oder muslimischen Partnern zu sichern - zum Beispiel mit dem Reich von Tremece´n oder durch eine Unterstützung der Infantes de la Cerda im kastilischen Erbfolgekrieg. Die Konflikte zwischen Kastilien und Arago´n nutzte er ebenfalls geschickt für seine Zwecke. Er ging während seiner Regierung beispielsweise eine Allianz mit den Meriniden in Marokko ein, um die Position Granadas gegenüber den christlichen Reichen zu stärken, was jedoch nicht zum gewünschten Erfolg führte. Sein Nachfolger, Muhø ammad III. (1302-1309), besaß weniger politisches Geschick und war eher den Künsten zugeneigt. Zunächst setzte er die Politik seiner Vorgänger, die auf ein Gleichgewicht der Mächte bedacht war, fort. 1302 verbündete er sich mit Marokko gegen Tremece´n und konnte im folgenden Jahr einen Friedensvertrag mit Ferdinand IV. von Kastilien schließen. Ebenfalls unterhielt er in den folgenden Jahren rege Kontakte zu Arago´n, wie die zahlreichen Gesandtschaften belegen. 1306 und 1307 konnte Granada politische Schwächen Marokkos nach dem Tod des Sultans von Fez, Abu¯ Yaqu¯b Yu¯suf (1286-1307), nutzen, Ceuta erobern sowie in Marokko einfallen 70. 69
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Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 193. Wichtige Verträge wurden e. g. 1313 und 1323 geschlossen; cf. Jaspert, Diplomatie (nt. 4), 186-189 mit einer Auflistung der Tätigkeiten Sarria`s; zu ihm auch ausführlich Ması´a de Ros, Corona (nt. 4), 228-230 sowie ibid., no. 122 (21. 8. 1308) mit dem Vertragstext. Cf. zu Ägypten besonders Giunta, Aragoneses (nt. 4), 48 sq., 69 sqq. zu den diplomatischen Verwicklungen; zu Aimeric Dusay auch Ması´a de Ros, Corona (nt. 4), 101111; Jaspert, Diplomatie (nt. 4), 176; speziell zu den Beziehungen zu Tunis Dufourcq, Espagne (nt. 1), 437-449; ebenfalls wurde 1308 ein Vertrag zwischen Tunis und Sizilien abgeschlossen, ibid., 442. Hierzu generell Ladero Quesada, Granada (nt. 1), 94; zu Muhø ammad II. u. a. Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 229-236; Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 17; Carrasco Manchado, AlAndalus (nt. 1), 402 sqq. zu Muhø ammad II. sowie zu seinem Nachfolger auch Ochoa Brun, op. cit., 236; Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 94-100; zu den inneren Problemen Granadas Ması´a de Ros, Estados (nt. 4), 201; Ochoa Brun, l. c. Cf. zum 1304 erfolgten Abfall Ceutas, das unter nasridischen Einfluß gelangte, von Marokko Dufourcq, Espagne (nt. 1), 380 sqq.; zur im Sommer 1309 erfolgten Wiedereroberung cf. ibid., 400 sq.; Manzano Rodrı´guez, Intervencio´n (nt. 1), 160-163.
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Am Jahresende 1308 schienen die Gegebenheiten noch für einen Erfolg der christlichen Allianz und ihrer muslimischen Verbündeten gegen Granada zu sprechen. In den Monaten nach dem Vertragsabschluß von Alcala´ de Henares liefen die bereits begonnenen systematischen Kriegsvorbereitungen weiter. Ferdinand IV. und seine Gattin begaben sich in das Kampfgebiet vor Granada, während Marı´a de Molina als Statthalterin in Kastilien verweilte. Die Kastilier eroberten schon bald Gibraltar, das bis 1333 in kastilischem Besitz blieb, und griffen Algeciras an, das unter marokkanischer Herrschaft stand, während Jakob II. vergeblich über mehrere Monate das sich im Besitz von Granada befindende Almerı´a belagerte. Algeciras konnte nicht erobert werden, da Don Juan Manuel und der Infante Juan, ein Onkel Fernandos, der in früheren Jahren, als er sich im Exil befand, schon gemeinsam mit nordafrikanischen Truppen gegen Kastilien gekämpft hatte, mit ihren Truppen unverhofft das königliche Heer verließen und den Monarchen seinem Schicksal überließen, so daß Anfang 1310 Ferdinand IV. die Belagerung endgültig abbrechen mußte. Ebensowenig konnte Almerı´a durch Jakob II. eingenommen werden 71.
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Cf. zu den kastilisch-aragonesischen Vorbereitungen und der Ausführung des Kreuzzugs ausführlich u. a. Cro´nica Fernando (nt. 5), 162 sqq.; Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 156-160; Gaibrois de Ballesteros, Marı´a (nt. 5), 176-179; zu den Vorbereitungen der Belagerung und der Belagerung von Almerı´a durch Jakob II. cf. besonders Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 57-74; Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 246, 130: „E aixı´ es complı´, que el rei de Castella ana` assetjar Altzehira d’Alhadre, e el senyor rei d’Aragon la ciutat d’Almeria, qui e´s ciutat molt bona.“ Muntaner, der glühende katalanische Patriot, wies seinem Herrscher keine Schuld an dem gescheiterten Feldzug zu, sondern unterstrich die Probleme der Kastilier, erwähnte jedoch nicht das wenig rühmliche Verhalten Don Juan Manuels, des Schwiegersohns von Jakob II. Muntaner begründete die Aufhebung der Belagerung und die Rückkehr des Königs nach Valencia folgendermaßen (Cro`nica [nt. 4], vol. 2, cap. 247, 132): „[…] e finalment hac de consell que assenyaladament per tres raons s’entorna`s en sa terra: la primera, per l’hivern que li venia dessu´s; la segona, per la gran desconeixencX a que els castellans li havien feta; la tercX a, per los catius crestians que li retia, qui era major cosa que si dues ciutats d’Almeria hague´s preses. E aixı´ fo acordat, e la treva se ferma` […].“ Die Belagerung von Almerı´a wurde im Januar 1310 aufgehoben, cf. hierzu Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 165; zur Rückkehr des Monarchen im Januar 1310 cf. Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 103. Zum illoyalen Verhalten Don Juan Manuels und weiterer Adliger, das das Scheitern des Kreuzzugs zur Folge hatte, da sie 1309 vorzeitig den Kriegsschauplatz verließen, sowie den Auseinandersetzungen in jenem und den folgenden Jahren cf. Ması´a de Ros, Relacio´n (nt. 4), vol. 1, 164-178 sowie entsprechende Schreiben aus dem Jahr 1310, ibid., vol. 2, no. 126bis/363, no. 127/368; zu diesen Vorgängen ebenso Cro´nica Fernando (nt. 5), 163-167. Cf. Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 64-68 zur Einschätzung dieser Katastrophe. Gime´nez Soler sah in der Niederlage einen großen Prestigeverlust für Jakob II., der sich vor dem Papst rechtfertigen mußte. Cf. auch Gime´nez Soler, Juan Manuel (nt. 50), 3846 zum Kreuzzug und zur Rolle von Don Juan Manuel; generell Dufourcq, Espagne (nt. 1), 399-405 zum Kreuzzug gegen Granada. Cf. auch mit einem guten Überblick Ması´a de Ros, Jaume (nt. 4), 319-438 mit ausführlichem Quellenmaterial zu Vorbereitung, Durchführung und Abschluß des Kreuzzugs gegen Granada; cf. ibid., 335 sq. ausführlich zu Jakob II. und seinen durch Gesandte dem Papst übermittelten Rechtfertigungen für den Abbruch der Belagerungen: „Item li diga en qual manera lo Rey d Arago trames a la sua santetat en Vidal de Vilanova les rahons que constrenyeren lo Rey de Castella e el dit rey d Arago de partir se del ssetges.“
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Ein weiterer Faktor, der wesentlich zum Scheitern dieses Kreuzzugs beitrug, war der von Marokko verursachte Bruch der christlich-muslimischen Allianz, da sich das nordafrikanische Reich nach der mit Hilfe der christlichen Alliierten erfolgten Eroberung von Ceuta neuorientierte und sich mit Granada verbündete, das ihm Ronda und Algeciras überließ. Muhø ammad III. von Granada war schon im Frühjahr 1309, also bereits vor dem Beginn des Kreuzzugs, aufgrund der inneren Wirren im Reich von seinem Bruder Nasør (1309-1314) zum Rücktritt gezwungen worden. Noch 1309 gelang es Granada, die Beziehungen zu Tremece´n wiederaufzunehmen und eine Allianz mit Abu¯ H ø ammu¯ Mu¯sa¯ I. zu schließen. Jedoch konnten diese Allianzen die politische Stellung Granadas nicht wesentlich stärken, sondern sicherten nur den Status quo, so daß Nasør schließlich die Friedensverhandlungen mit Kastilien und Arago´n 1310 zu einem Abschluß brachte 72. Somit war der 1308 paktierte ehrgeizige Plan Kastiliens und Arago´ns, zunächst Granada zu erobern und später gemeinsam eventuell in Nordafrika einzudringen, endgültig gescheitert. Jakob II., dessen Gattin Blanca bereits am Jahresende 1309 krank in die Heimat zurückgekehrt war, wandte sich neuen Plänen zu und konzentrierte sich nach dieser international beachteten und viel diskutierten Niederlage bis zu seinem Tod im Jahre 1327 vornehmlich auf Expansionsbestrebungen im zentralen und östlichen Mittelmeerraum. Der junge kastilische Monarch Ferdinand IV., der sich letztlich nicht erfolgreich gegen den kastilischen Adel hatte durchsetzen können, verstarb schon 1312 im Alter von sechsundzwanzig Jahren. Seine Mutter Marı´a de Molina übernahm mit weiteren Hochadligen erneut die Regentschaft, in diesem Fall für ihren Enkel Alfons XI. (1312-1350), der in späteren Jahren für das Wiedererstarken Kastiliens innerhalb des Mächtegefüges verantwortlich sein sollte. Er nahm die Kreuzzugsidee erfolgreich wieder auf, konnte 1344 Algeciras erobern und das Königreich auf allen Ebenen zu einer neuen Blüte führen 73. 72
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Zur marokkanischen Bündnispolitik cf. ausführlich Dufourcq, Espagne (nt. 1), 401-405; Manzano Rodrı´guez, Intervencio´n (nt. 1), 176-192; zu Muhø ammad III. ausführlich Gime´nez Soler, Almerı´a (nt. 4), 94-100; cf. zu den inneren Problemen Granadas id., op. cit.; Ması´a de Ros, Estados (nt. 4), 201; Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 3, 236; zu Granadas politischer Entwicklung cf. u. a. Ladero Quesada, Granada (nt. 1), 89; ausführlich zum 1309 begonnenen Kreuzzug Dufourcq, Espagne (nt. 1), 395-404, besonders 395-399 zum Vertrag von Fez (6. 7. 1309) und zur Intervention von Königin Blanca, die einen Brief an die Mutter des Sultans sandte. Cf. hinsichtlich der Thronübernahme in Granada durch Nasør u. a. Carrasco Manchado, Al-Andalus (nt. 1), 404. Im Zusammenhang mit der Verschwörung, die 1314 Nasør den Thron kostete, wurde auch Muhø ammad III., der zurückgezogen in Almun˜e´car lebte, vergiftet. Nasør zog sich nach Guadix zurück, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1320 herrschte. Zur Rückkehr Königin Blancas, die im Mai 1308 gemeinsam mit ihrem Gatten in Richtung Almerı´a aufgebrochen war, um Weihnachten 1309 nach Valencia cf. u. a. Miquel, Blanca (nt. 4), 47-49. Die gesundheitlich angeschlagene Königin verstarb im Oktober 1310, cf. ibid., 51. Zur weiteren politischen Entwicklung Kastiliens, zum Tod Ferdinands IV. sowie zu seinem Sohn Alfons XI. im allgemeinen cf. auch J. Sa´nchez Arcilla, Alfonso XI, 1312-1350, Palencia 1995. Alfons XI. starb bei der Belagerung von Gibraltar 1350 an der Pest.
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III. Expansionsbestrebung en im Mittelmeer raum Die Expansionsbestrebungen der Corona de Arago´n im Mittelmeerraum zählen zu den wichtigsten Faktoren in der Außenpolitik König Jakobs II. Ihre Grundlinien sind bereits 1308 deutlich feststellbar. Als Schlüsselereignisse können die Sizilianische Vesper im Jahre 1282 sowie die 1283 erfolgte Übernahme des Königreichs Sizilien durch seinen Vater Peter III. von Arago´n (1276-1285) angesehen werden, deren Auswirkungen in den folgenden Generationen maßgeblich die Mittelmeerpolitik der Corona de Arago´n bestimmten. Eine Schlüsselrolle bei der Machtübernahme in Sizilien hatte Jakobs Mutter Constanza von Hohenstaufen (1249-1302) gespielt, die als Tochter König Manfreds von Sizilien und Enkelin Kaiser Friedrichs II. (gest. 1250) 1262 den Sohn und Erben König Jakobs I. von Arago´n, Peter III. geehelicht hatte. Durch sie gelangten beispielsweise nicht nur die staufischen Erbansprüche auf das Königreich Sizilien an Arago´n, sondern auch viele Anhänger der staufischen Partei auf die Iberische Halbinsel. Nach der Königskrönung kehrte Peter III. in seine Heimat zurück, während Constanza mit den jüngeren Kindern in Sizilien blieb und mit ihren Vertrauten die Regierung übernahm, was ihr in einer beeindrukkenden Weise gelang. Ihren Ehemann, der bereits 1285 starb und auf den in Arago´n ihr ältester Sohn Alfons III. folgte, traf sie nicht wieder, blieb jedoch mit ihm in regelmäßigem schriftlichen Kontakt. Trotz päpstlicher Exkommunikation im Jahre 1286 setzte sie ihre Aufbauarbeit im Kampf gegen die Angevinen erfolgreich für ihre Söhne fort. Der spätere König Jakob II. regierte als zweitältester Sohn zunächst in Sizilien, bis er nach dem Tod seines älteren Bruders im Jahre 1291 die aragonesische Krone erhielt und die Verwaltung Siziliens seinem jüngeren Bruder Friedrich übertrug 74. Aus dieser Zeit lassen sich bereits außenpolitische Konzepte erkennen, die er in sehr geschickter Weise als König 74
Cf. zur Sizilianischen Vesper generell S. Runciman, The Sicilian Vespers. A History of the Mediterranean World in the Later Thirteenth Century, Cambridge 1958; M. Amari, La guerra del Vespro siciliano, ed. F. Giunta, 2 vols., Palermo 1969; Kiesewetter, Anfänge (nt. 8), 76-159 zur Sizilianischen Vesper und ihren Folgen. Cf. zu Constanza besonders M. Van Landingham, The Hohenstaufen Heritage of Constance of Sicily and the Mediterranean Expansion of the Crown of Aragon in the Later Thirteenth Century, in: D. A. Agios/I. R. Netton (eds.), Across the Mediterranean Frontiers: Trade, Politics and Religion, 650-1450 (International Medieval Research 1), Turnhout 1997, 87-104; Ma´rquez de la Plata, Reinas (nt. 5), 203-220; zu Peter III. und Alfons III. cf. auch F. Soldevila, Pere el Gran, 2 vols., Barcelona 1995; id., Jaume I. Pere el Gran, Barcelona 41985; J. E. Martı´nez Ferrando/S. Sobreque´s/E. Bague´, Els descendents de Pere el Gran, Barcelona 21980; L. Klüpfel, Die äußere Politik Alfonsos III. von Aragonien (Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 35), Berlin 1912; zu Friedrich III. cf. ausführlich Backman, Decline (nt. 54); id., The Government of Sicily in the Reign of Frederick III, 1296-1327, 2 vols., Diss. Los Angeles 1989; H. Bresc, Un monde me´diterrane´en: e´conomie et socie´te´ en Sicile, 1300-1450, 2 vols., Palermo 1986; Hitzfeld, Studien (nt. 25); A. de Stefano, Federico III re di Sicilia, Bologna 21956; E. Haberkern, Der Kampf um Sizilien in den Jahren 1302-1337, Berlin-Leipzig 1921; H. E. Rohde, Der Kampf um Sizilien in den Jahren 1291-1302, Berlin-Leipzig 1913.
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von Arago´n bis zu seinem Tod im Jahre 1327 fortführte und umzusetzen verstand. Da die langen militärischen Auseinandersetzungen mit den Angevinen, deren Auswirkungen noch 1308 deutlich zu spüren waren, an dieser Stelle nicht detailliert aufgearbeitet werden können, seien nur zwei entscheidende Verträge erwähnt, die für die außenpolitische Situation der Corona de Arago´n im Jahre 1308 entscheidend waren. Hierbei handelt es sich um den Vertrag von Anagni, der 1295 geschlossen wurde. Zu jenem Zeitpunkt befanden sich zwei Söhne König Karls II. von Neapel, unter ihnen der künftige König Robert I., in aragonesischer Geiselhaft. Papst Bonifaz VIII. gelang es, eine Friedensregelung mit Frankreich, das, um seine jüngere Linie, die Angevinen in Neapel, zu unterstützen, mit einer Invasion Arago´ns drohte, den Angevinen in Neapel sowie Jakob II. und dessen Bruder Friedrich zu erreichen. Jakob verpflichtete sich, auf seine Rechte an Sizilien zu verzichten sowie seine Partner bei der Absetzung seines eigenen Bruders Friedrich zu unterstützen. Im Gegenzug wurden ihm später Rechte auf Sardinien und Korsika zugesprochen. Außerdem sicherte er zu, Blanca, die Tochter des Angevinen, zu ehelichen sowie seine zukünftigen Schwäger freizulassen. Zuvor hatte Jakob seine noch nicht vollzogene Ehe mit Isabel von Kastilien, einer Tochter Marı´as de Molina, annullieren lassen, was zu diplomatischen Verstimmungen führte. Überdies gelangte Sizilien nicht wieder in den Besitz der Angevinen, da sich schon 1296 Jakobs jüngerer Bruder als Friedrich III. (1296-1337) zum König von Sizilien krönen ließ, was erneute kriegerische Auseinandersetzungen zur Folge hatte. König Jakob unterstützte zwar offiziell und vertragsgemäß die Bestrebungen der Angevinen, brach jedoch nie wirklich mit seinem Bruder, sondern arbeitete mit ihm verdeckt weiter, so daß beispielsweise der offiziell verbotene aragonesisch-sizilische Handel nun über dritte Partner wie Genua und Tunis weiterlief und sogar einen Zuwachs zu verzeichnen hatte 75. Jakob II. spielte ein geschicktes Spiel, ging aber wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, daß sein Bruder, der sich Sizilien sehr verbunden fühlte und vom Volk akzeptiert wurde, die Herrschaft mit eigenen Kräften sichern könnte. Der aragonesische Monarch hatte hingegen erreicht, daß durch den Vertrag von Anagni seine eigene Herrschaft gestärkt wurde. Ein weiteres Schlüsselereignis, das die Situation im Jahre 1308 mitbestimmte, war der 1302 auf Drängen Philipps IV. von Frankreich und Papst Bonifaz’ VIII. mit Hilfe der Gesandten von Charles de Valois, dem Bruder des Königs, geschlossene Friedensvertrag von Caltabellota. Er bedeutete zunächst das Ende der kriegerischen Handlungen zwischen der Corona de Arago´n und den Angevinen. König Friedrich III. durfte 75
Cf. zu diesen Vorgängen ausführlich Hinojosa, Jaime (nt. 4), 177-181; Kiesewetter, Anfänge (nt. 8), 160-199 zur Gefangenschaft der angevinischen Prinzen sowie 277-297 zum Vertrag von Anagni und seinen Auswirkungen; zu den aragonesischen Beziehungen zu Genua cf. auch beispielsweise De Stefano, Federico (nt. 74), 152 sqq.; G. Caro, Genova e la supremazia sul Mediterraneo (1257-1311), 2 vols., Genua 1974.
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sich „König von Trinacria“ nennen und Sizilien auf Lebenszeit regieren, der Titel „König von Sizilien“ blieb jedoch dem Angevinen vorbehalten. Sein Erbe sollte nach dem Tod des Vaters ein anderes Reich erhalten, unter anderem waren später Zypern, Sardinien oder Albanien im Gespräch. Überdies sollte Friedrich Besitz in Kalabrien an König Karl II. abtreten und dessen Tochter Eleonora heiraten. Ebenfalls versprach er, Charles de Valois, der 1301 Catherine de Courtenay, die Erbin des lateinischen Kaiserreichs Byzanz, geehelicht hatte, bei dem militärischen Kampf um die Rückeroberung von Byzanz zu unterstützen 76. Friedrich III. betrieb jedoch Realpolitik und setzte sich abermals über Vereinbarungen hinweg, indem er sich beispielsweise weigerte, seine Regierung vom Vertrag von Caltabellota an zu datieren. Er sah den Zeitpunkt des „Staatsstreichs“ von 1282 als Beginn der aragonesischen Herrschaft an und versuchte, sich als einzigen rechtmäßigen Herrscher Siziliens zu präsentieren, unter anderem indem er seinen Sohn zum Nachfolger ernannte. In diesen Zusammenhang gehört ebenso die Tätigkeit der königlichen Kanzlei, die um 1308 verstärkt damit begann, die eigentlich vertraglich geforderte ausschließliche Verwendung des Titels „König von Trinacria“ zugunsten anderer Bezeichnungen einzuschränken. Jakob II. hingegen ging als im Vergleich zu Friedrich vorsichtigerer und weitsichtigerer Politiker auf den Protest Karls II. von Neapel ein und sah - wie aus einem Schreiben an seinen Bruder hervorgeht - in der Verwendung des Begriffs „Sizilien“ im Königstitel eine Gefährdung des gerade erlangten Friedens 77. 76
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Cf. zum Vertrag von Anagni auch generell V. Salavert y Roca, El tratado de Anagni y la expansio´n mediterra´nea de la Corona de Arago´n, Saragossa 1952; generell zur Biographie und zum politischen Wirken Roberts I. von Neapel cf. Kelly, Solomon (nt. 8); Caggese, Roberto (nt. 8). Zum Vertrag von Caltabellota cf. u. a. C. de Caldas, El tratado de Caltabellota, Barcelona 1943; Le´onard, Angevins (nt. 8), 194 sqq. Cf. auch die Auswirkungen des Friedens von Caltabellota auf die byzantinische Politik in A. E. Laiou, Constantinople and the Latins. The Foreign Policy of Andronicus II 1282-1328, Cambridge (Mass.) 1972, 128-134. Ursprünglich hatte Papst Bonifaz VIII. 1295 eine Eheschließung zwischen Friedrich III. und Catherine de Courtenay geplant, um diesen dazu zu bewegen, Sizilien aufzugeben und das byzantinische Erbe zurückzuerobern. Die junge Erbin weigerte sich jedoch, Friedrich III., einen König „ohne Reich“ zu heiraten. 1301 ehelichte sie Charles de Valois, verstarb aber schon im Oktober 1307, cf. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 94 sq.; Le´onard, Angevins (nt. 8), 185 sq., 192; Favier, Philippe (nt. 9), 308 sq., 416. Cf. zu den Ansprüchen von Catherine de Courtenay, der Titularkaiserin und Enkelin von Balduin II., auch P. Lock, The Franks in the Aegean, 1204-1500, London-New York 1995, 43-67. Nach dem Tod König Karls II. im Jahre 1309 versuchte sein Sohn und Nachfolger, König Robert I. (1309-1343), weiterhin, seine Ansprüche auf Sizilien durchzusetzen. Zu den neuerlichen Auseinandersetzungen cf. u. a. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 95-98 sowie 96 sq. zu dem von Jakob II. und seiner Gattin Blanca 1309 entwickelten Plan, Friedrich III. mit dem Titel „König von Jerusalem“ abzufinden, und zu der Intervention durch Arnau de Vilanova sowie auch zu König Roberts I. Vorschlag aus dem Jahr 1311, Jakobs jüngerem Bruder das Königreich Albanien zu überantworten. Hierzu auch Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 435 (Sommer 1309), no. 440 (9. 1. 1310) zu Jerusalem; no. 443 (28. 4. 1311), no. 445 (5. 3. 1311) zu Albanien; sowie Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 47 (28. 4. 1311) zu einem Abkommen zwischen König Robert I. von Neapel und dem Fürsten von Tarent hinsichtlich des Tauschs von Albanien gegen Sizilien; cf. auch no. 54 (5. 3. 1312) mit einem Schreiben Jakobs II. an Friedrich III. Backman, Decline (nt. 54), 66 sq. mit ausführlichen Beispielen zu dieser Problematik u. a. aus dem Jahr 1308; cf. auch De Stefano, Federico (nt. 74), 156 sq. Zu den Beziehungen zwischen
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Obwohl Jakob II. schließlich offiziell seine Ansprüche auf Sizilien auf Druck der Angevinen und des Papstes hatte aufgeben müssen und sein Bruder Friedrich III. nach langen Wirren im Vertrag von Caltabellota Sizilien lediglich auf Lebzeiten zugesprochen bekam, gelang es den beiden Brüdern zunächst hinter den Kulissen und später auch offen, gemeinsam am Ausbau der politischen Macht der Corona de Arago´n und Siziliens als zwei Zweigen einer gemeinsamen Familie zu arbeiten und eine erfolgreiche, koordinierte Expansionspolitik im Mittelmeer zu betreiben. 1308 war nicht nur ein Jahr geschäftiger Diplomatie in den Reichen der Iberischen Halbinsel. Von 1302 bis zum Tod seines Schwiegervaters Karls II. im Frühjahr 1309 konzentrierte sich Friedrich III. besonders darauf, die Zeit des Friedens zu nutzen, um durch den Ausbau der internationalen Beziehungen sein Reich zu sichern und die Stellung Siziliens im Mittelmeerraum zu festigen. König Jakob II. war durch seine engen politischen und familiären Bindungen an Sizilien ebenfalls direkt oder indirekt in zahlreiche weitere Vorgänge involviert, die ihren Ausgang in Sizilien oder im Mittelmeerraum hatten. Die Beziehungen zu den christlichen Königreichen Zypern und Armenien wurden ebenfalls unter Jakob II. auf eine neue Basis gestellt 78. In den Jahren nach der 1297 erfolgten päpstlichen Zusicherung des Besitzes von Sardinien strebte Jakob II. gemeinsam mit seinem Bruder danach, dieses Projekt in die Realität umzusetzen. Sardinien spielte durch seine Lage an den Handelsrouten der Balearischen Inseln sowie derjenigen Genuas und Pisas eine wichtige strategische Rolle im Mittelmeerraum. Die Vorbereitungen zur Eroberung der Insel unter Mitwirkung Siziliens wurden zunächst im geheimen vorangetrieben, sind aber seit August 1304 offiziell in den königlichen Akten nachzuweisen. So begab sich 1304 Corrado Doria, der sizilianische Admiral, zur Verwirklichung dieser Pläne in die Dienste Jakobs II. Der vorsichtige Monarch stellte jedoch die Eroberung Sardiniens wegen dringenderer Angelegenheiten, so zum Beispiel aufgrund der laufenden Vorbereitungen für den Kreuzzug gegen Granada oder der langjährigen Verhandlungen um das Valle de Ara´n, immer wieder zurück, obwohl diese Aktivitäten besonders in Sizilien weiter liefen und dort bereits umfangreiche finanzielle Mittel aufgebracht wurden, so nicht nur 1304, sondern auch 1308 und in weiteren Jahren 79.
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Neapel und Sizilien in diesen Jahren sowie generell zur Außenpolitik der Angevinen cf. u. a. Jaspert, Wort (nt. 8), besonders 274-286. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 53 zu Zypern und Armenien; 78-84 zu Zypern. Arago´n erhielt 1291 Handelsprivilegien in Zypern; 1308 war für Zypern ein Krisenjahr, da König Heinrich II. von seinem Bruder abgesetzt wurde. Erst 1310 konnte der in Armenien exilierte Monarch auf den Thron zurückkehren. 1315 heiratete Jakob II. nach dem Tod von Königin Blanca (1310) Maria von Zypern; cf. auch L. Nicolau d’Olwer, L’expansio´ de Catalunya en la Mediterranea Oriental, Barcelona 31974, 117 sqq. zu den Beziehungen Jakobs II. zu Armenien und der Reise von Ramon Llull nach Armenien; ibid., 125 sqq. zu Ramon Llulls Aufenthalt in Zypern. Cf. hierzu besonders Giunta, Aragoneses (nt. 4), 59; Backman, Decline (nt. 54), 48-66 passim u. a. zur Sardinienfrage; De Stefano, Federico (nt. 74), 153; A. Arribas Palau, La conquista de Cerden˜a por Jaume II de Arago´n, Barcelona 1952.
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Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Giovanna de Gallura, einer reichen sardischen Erbin, die mit dem Haus der Este verwandt war. Im Sommer 1308 plante Jakob II. eine Ehe Giovannas mit einem Neffen seiner genuesischen Verbündeten, der Familie Doria, allerdings zog sich die Angelegenheit bis zum Herbst hin 80. 1308 unterhielt der aragonesische Monarch enge Kontakte zu Lucca und Genua, seine Gesandten hielten sich von August bis 1309 in diesen und weiteren toskanischen Städten zu Verhandlungen auf. Diese Städte versuchten um den Jahreswechsel 1308/09 unter anderem gemeinsam mit Giovanna de Gallura Jakob II. dazu zu bringen, kein Bündnis mit Genua einzugehen und versprachen ihm im Gegenzug eine Unterstützung bei der Eroberung Sardiniens. Der ungeduldigere Friedrich III. dachte schließlich sogar daran, die Insel ohne seinen Bruder zu erobern und sie ihm anschließend als Geschenk zu übertragen. Erst 1325 sollte Jakob II. den Sardinienfeldzug unter Führung seines Sohns und Erben Alfons erfolgreich durchführen 81. 1308 setzte sich der Konflikt Siziliens mit den Angevinen um kalabresischen Besitz, den Friedrich III. seit 1302 nicht hatte abtreten wollen, fort. Allerdings gelang es seinem Schwager, Herzog Robert von Kalabrien, dem Thronerben Karls II., in jenem Jahr eine militärische Allianz mit Genua zu schließen und Sizilien zu bedrohen, um Besitzungen in Kalabrien dauerhaft zurückzugewinnen. Dieses etwas überraschende Vorgehen, das eigentlich schon kurz nach 1302 hätte erfolgen können, läßt sich durch veränderte außenpolitische Konstellationen erklären. 1308 war Heinrich VII. an die Macht gelangt, so daß eine neue Italienpolitik zu erwarten war. Friedrich III. hatte seine Macht seit 1302 deutlich ausbauen können, plante einen eigenen Kreuzzug und war eng mit der Katalanischen Kompanie verbunden, die seit einigen Jahren höchst erfolgreich im östlichen Mittelmeerraum tätig war und dort angevinischen Besitz bedrohte. Somit versuchte Robert von Kalabrien, der als neuer Führer der italienischen Guelfen angesehen wurde, durch dieses Vorgehen die angevinischen Positionen in Italien zu stärken. Es konnte durch Vermittlung Jakobs II., der als Schiedsrichter fungierte, ein Vertrag geschlossen werden, in dem Friedrich Besitz abtrat und auf seine Kreuzzugspläne vorerst verzichtete. Ebenfalls drang der Angevine darauf, daß der Aragonese auch künftig nur den Titel „König von Trinacria“ führen sollte 82. Im Gegenzug erhielt Friedrich ebenfalls einige Ländereien und durfte 80
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Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 343, 515 zu einem Schreiben des Guillabert de Sentellys an den aragonesischen König: „La filya del jutge de Galyor ere en el poder del marques Dest, con mori, et con lo marques mori, romas en poder dun seu fyl bort […].“ Giovanna ehelichte 1309 Riccardo de Camino, der Jakob II. unterstützte, jedoch schon 1312 ermordet wurde. Die Korrespondenz zwischen dem aragonesischen König und de Camino setzte sich 1309 während der Belagerung von Almerı´a fort, cf. hierzu ibid., no. 343. Hierzu besonders op. cit., no. 346 (18. 9. 1308), no. 347 (9. 10. 1308), no. 348 (6. 11. 1308), no. 349 (3. 12. 1308), no. 350 (16. 12. 1308); Backman, Decline (nt. 54), 48-51 zu den Beziehungen zu den italienischen Städten. Cf. ausführlich Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 433 (18. 3. 1308); Backman, Decline (nt. 54), 67 sqq.; De Stefano, Federico (nt. 74), 154-159.
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weiterhin die traditionellen Tributzahlungen von Tunis an Sizilien, die Neapel für sich reklamierte, erhalten. Neapel seinerseits verzichtete auf einen Angriff auf Sizilien. Die seit den Zeiten der Almohaden und noch unter den Hafsiden erfolgte jährliche Tributzahlung des Herrschers von Tunis an Sizilien war essentiell für die Finanzen des Königreichs; ein neuer Vertrag wurde im Sommer 1308 geschlossen 83. Nach Abschluß des Friedens von Caltabellota konnten sowohl Jakob II. als auch Friedrich III. ihre Mittelmeerpolitik neu koordinieren sowie die Stellung der Corona de Arago´n und des Königreichs Sizilien im Mittelmeerraum durch geeignete Maßnahmen festigen. Die Politik Friedrichs III. wurde in den folgenden Jahren stark durch den katalanischen Arzt und Visionär Arnau de Vilanova (gest. 1311) beeinflußt, der als Familiar und Berater Jakobs II. zu den Höfen beider Brüder Zugang hatte und engen persönlichen Kontakt zu Clemens V. pflegte. 1308 war das Verhältnis von Vilanova zu Jakob II. und zu Friedrich III., der sich seit 1304 deutlich stärker als sein Bruder messianischen Ideen zugänglich zeigte, noch sehr eng und vertrauensvoll, so daß sich Arnaus Meinungen und Ideen in der Politik Arago´ns und Siziliens wiederfinden lassen. Er war Anfang 1305 auf der Flucht vor den Inquisitoren in Perugia nach Messina gelangt, wo es ihm gelang, das Königspaar für seine Ideen zu begeistern. Diese Hinwendung hielt auch nach Vilanovas Abreise an und wurde bei einem weiteren Aufenthalt des Katalanen im Jahr 1309 noch deutlich verstärkt. Bereits 1305 hatte Vilanova die Friedrich zugedachte Schrift ,Allocutio‘ verfaßt, in der er sein Reformprogramm vorstellte und unter anderem seine Vorstellungen von einem gerechten Herrscher darlegte. Er sah Friedrich III. als den gerechten König an, als den von Gott erwählten Herrscher, der ein spirituell geprägtes Königreich errichten würde. Arnau nutzte die im Volk noch lebendig gebliebenen Vorstellungen von Friedrich II. auf der Basis der öffentlichen propagandistischen Vorarbeiten etwa von Roger de Lauria zur Entwicklung seiner eigenen Vorstellungen 84. Die Wirkungskraft der Ideen Vilanovas ist 1308 deutlich zu erkennen. Dieses Jahr fällt in den Zeitraum, in dem sich König Friedrich III. immer stärker eine neue politisch-spirituale Ausrichtung suchte, die Größe des Hauses Arago´n propagieren wollte und ebenso bestrebt war, Jakob II. gleichfalls in diese Richtung 83
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Backman, Decline (nt. 54), 67; De Stefano, Federico (nt. 74), 133 sq., 154 sq.; zu Tunis auch Dufourcq, Espagne (nt. 1), 442-445. Cf. zu Arnau de Vilanova u. a. De Stefano, Federico (nt. 74), 149; Backman, Decline (nt. 54), 200-209; besonders prägnant charakterisiert Backman die politische Haltung Friedrichs III. (ibid., xv sq.): „[…] the king began to believe the wild prophecies made about him by the apocalyptic prophet Arnau de Vilanova, who eventually assigned Frederick the role of the great reformer of Christendom who would lead the final successful crusade against Islam, would root out all corruption in the church and in European society, and would prepare the world for battle with Antichrist.“ Die Ankunft des Antichristen wurde laut Vilanova bis spätestens 1376 erwartet; cf. Martı´nez Ferrando, Jaime (nt. 4), vol. 1, 12 sq., 290 sq.; Hitzfeld, Studien (nt. 25), 5-37 ausführlich zu den Ideen Vilanovas und den Prophezeiungen.
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zu lenken. Zu den auf den Einfluß von Arnau zurückgehenden Maßnahmen zählt unter anderem die Planung eines Kreuzzugs, der in Verbindung mit dem Aufbau von evangelischen Schulen und dem Wirken der Katalanischen Kompanie zu sehen ist. Allerdings mußte von dem Kreuzzug aufgrund der drohenden Invasion durch die Angevinen Abstand genommen werden. 1309 führte dann König Jakob II. gemeinsam mit iberischen Verbündeten, allerdings ohne seinen Bruder, den bereits thematisierten Kreuzzug gegen Granada, der jedoch fehlschlug. Arnau besuchte den Monarchen bei der Belagerung von Almerı´a; wenig später kam es zum dauerhaften Bruch 85. Friedrich III. war aber nicht nur König von Sizilien, sondern herrschte ebenfalls über Malta, Pantelleria und andere Inseln in der Straße zwischen Sizilien und Tunesien sowie über die Liparischen Inseln nördlich von Messina. Von hoher Bedeutung war die Kontrolle über die als Handelsweg bedeutende Straße von Messina. 1308 war überdies ein Jahr, in dem sich Friedrich III. dem Ausbau der sizilianischen Handelsbeziehungen widmete, wozu beispielsweise der Handel mit Ägypten, aber auch mit Zypern und Armenien gehörte 86. In den Jahren nach dem Frieden von Caltabellota nutzte er die Gelegenheit, sich nicht nur inneritalienischen, sondern auch nordafrikanischen Problemen zuzuwenden. Als ein Brennpunkt des Jahres 1308 kann Djerba angesehen werden, das 1295 von Roger de Lauria (gest. 1305) erobert worden war. Nach seinem Tod gelangte Djerba in den Besitz seines Sohnes Roger II., der aber nicht so durchsetzungsfähig war wie sein Vater, so daß 1306 ein Aufstand ausbrach, den er mit Hilfe von Jakob II. und Friedrich III. im Frühjahr 1307 niederschlagen konnte. Bereits im November 1307 verstarb er jedoch und seine jüngeren Brüder kämpften gegeneinander um das Erbe, wobei sich einer von den Angevinen, der andere von den Aragonesen Unterstützung versprach. Das Jahr 1308 ist durch einen neuen Aufstand gekennzeichnet, der von Tunis unterstützt wurde, das angeblich eine militärische Invasion im Sommer plante und die Tributzahlungen an Sizilien 85
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Backman, Decline (nt. 54), 54, 201, 204 sq. Backmann betrachtet die Jahre von 1305 bis 1312 als den für die Neuausrichtung entscheidenden Zeitraum in der Regierungzeit Friedrichs III. Aus den Briefen zwischen Friedrich III. und seinem Bruder Jakob II. läßt sich deutlich der Einfluß erkennen, den Arnau de Vilanova ausüben konnte. Die entscheidende Ursache, die zur Zerrrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arnau und Jakob II. führte, waren zwei Schriften Vilanovas ,Rahonament fet a Avinyo´‘ und ,Interpretatio de visionibus in somniis Jacobi et Frederici‘, die er dem Papst übergab und als von Jakob II. und Friedrich III. autorisiert ausgab und sehr persönliche Details über die Monarchen enthielten. Der König von Arago´n sah sich jedoch getäuscht und in die Nähe von Häretikern gerückt, da er zuvor in Almerı´a eine andere Version erhalten hatte. Daher sandte der Aragonese einen entsprechenden klärenden Brief an den Papst; zur Problematik cf. Hinojosa, Jaime (nt. 4), 71 sq., 124-127; ebenso Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 561 (4. 9. 1309) zu Vilanovas Aufenthalt in Almerı´a; ibid., no. 562 (26. 10. 1309) zu Arnaus Vortrag in Avignon. Friedrich III. jedoch hielt an Arnau fest und arbeitete nach Vilanovas Tod im Jahre 1311 weiterhin an der Umsetzung dieser Ideen. Cf. hierzu Backman, Decline (nt. 54), 92-109 zu den Handelsbeziehungen; Giunta, Aragoneses (nt. 4), 99 mit einem Beispiel aus dem Jahr 1308 zum Getreidehandel mit Zypern und zu 1309 bezüglich der Handelskontakte zu Armenien.
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zur Gänze eingestellt hatte, was schon im Frühjahr 1308 zu einem Bruch mit Friedrich III. führte. Im April 1308 sandte Jakob II. seinen Admiral Bernalt de Sarria`, der als Diplomat in nordafrikanischen Angelegenheiten große Erfahrung besaß, in das muslimische Reich, um Verhandlungen zu führen, so daß im August 1308 der Friedensvertrag zwischen Arago´n und Tunis um zehn Jahre verlängert werden konnte. Die Hafsiden verzichteten auf einen Angriff Djerbas und schlossen ebenfalls Frieden mit Sizilien mit dem Versprechen, zwei Jahrestribute zu zahlen. Allerdings brachen schon im Winter 1308/09 neue Unruhen auf Djerba aus, die abermals von den Hafsiden unterstützt wurden. Schließlich verzichtete 1309 die Familie Lauria auf ihre Rechte und übertrug sie an Sizilien. Die Aragonesen setzten den bereits durch Führungstätigkeiten in der Katalanischen Kompanie erprobten Ramo´n Muntaner (1265-1336) als Statthalter auf Djerba ein, der dort bis 1315 erfolgreich agierte 87. Abschließend soll der Einfluß des Hauses Arago´n auf die politischen Entwicklungen im östlichen Mittelmeerraum analysiert und in das diplomatische Netzwerk Jakobs II. eingeordnet werden. Der Friede von Caltabellota (1302) bedeutete einen Wendepunkt in der Geschichte der aragonesischen Beziehungen zum Byzantinischen Reich und setzte bedeutende militärische Kräfte in Form der Katalanischen Kompanie auf Sizilien frei, die Friedrich III. in Abstimmung mit Jakob II. für neue, eigene Pläne nutzen konnte. 1308 war eines der bedeutenden Wirkungsjahre der Katalanischen Kompanie. Wie bereits erwähnt, suchte Charles de Valois Verbündete für seinen Kampf um die Verwirklichung der Erbansprüche seiner Gattin Catherine de Courtenay auf das Lateinische Kaiserreich und schloß im Zusammenhang mit dem Vertrag von Caltabellota militärische Beistandsvereinbarungen mit Karl II. von Neapel und Friedrich III. Allerdings wird angenommen, daß König Friedrich trotz des Vertragsabschlusses schon andere, für ihn vorteilhaftere Absichten verfolgte und bewußt den Franzosen zu täuschen versuchte. Es wurde schon bald deutlich, daß Friedrich gezielt die Katalanische Kompanie, eine gut ausgerüstete Truppe von Söldnern, für seine eigenen Zwecke einsetzte. Die „almoga`vers“, eine leichte Infanterie, waren unter der Führung des ehemaligen Templers und Nachkommens staufischer Gefolgsleute, Roger de Flor, in den Jahren nach der Sizilianischen Vesper auf aragonesischer Seite bereits gegen den Angevinen Karl II. höchst erfolgreich eingesetzt worden. Nach 1302 hatte Friedrich III. für diese Truppen keine konkrete Verwendung mehr, so daß für sie neue Aufgaben gesucht wurden, da der Monarch sie aufgrund des Kostenfaktors und der mögli87
Dufourcq, Espagne (nt. 1), 430-446 ausführlich zur Geschichte Djerbas. 1314 wurde ein Frieden geschlossen, bis 1335 blieb Djerba in christlichem Besitz, hierzu auch ausführlich der Bericht von Ramo´n Muntaner, dem Statthalter des Königs auf Djerba, cf. Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 248; De Stefano, Federico (nt. 74), 129-132 zu Djerba. Ausführlich zu Muntaner auch R. Sablonier, Krieg und Kriegertum in der Cro´nica des Ramo´n Muntaner. Eine Studie des spätmittelalterlichen Kriegswesens aufgrund katalanischer Quellen (Geist und Werk der Zeiten 31), Frankfurt a. M. 1971.
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cherweise von ihnen ausgehenden militärischen Bedrohung nicht in Sizilien halten wollte 88. Schon wenig später nahm die Katalanische Kompanie auf der außenpolitischen Ebene im Rahmen der Expansion der Aragonesen und Katalanen in den östlichen Mittelmeeraum eine wichtige Rolle ein. Gesandte Kaiser Andronicus’ II. (1282-1320), die nach Messina, wo noch zahlreiche Griechen lebten, gereist waren, suchten militärische Hilfe gegen die Bedrohung durch die Türken und zur Rückeroberung Kleinasiens. Bereits seit seiner Krönung 1296 pflegte Friedrich III. gute Kontakte zu Byzanz und hatte kurzzeitig sogar über eine Ehe zwischen seiner Schwester Violante und Michael, Andronicus’ Sohn und Erben, nachgedacht, um die Position Siziliens im Mittelmeer sowie die Handelsbeziehungen zu Byzanz zu stärken. Die Katalanische Kompanie unter dem Kommando von Roger de Flor schloß 1303 einen entsprechenden Vertrag mit Byzanz und zog mit über 6000 Soldaten sowie Frauen und Kindern auf 32 Schiffen gen Osten 89. Byzanz, das sich unter der Herrschaft von Kaiser Andronicus II. in einer permanenten politischen Krise befand, war sowohl von Genua als auch von Venedig bedrängt worden und hatte sich 1302 dem politischen Druck seitens Venedigs beugen und einen zehnjährigen Vertrag schließen müssen, durch den die Privilegien der Handelsmacht untermauert wurden. Die diplomatischen Beziehungen zu Arago´n waren zunächst wechselhaft, nachdem 1296 katalanischen Händlern Privilegien gewährt worden waren, und seit 1304 sehr eingeschränkt. Sie wurden erst im folgenden Jahrzehnt um 1311 und besonders seit 1314/15 wieder intensiviert 90. Das Verhalten Jakobs II. in bezug auf die sehr erfolgreichen militärischen Aktionen der Katalanischen Kompanie kann ambivalent gesehen werden 91. Da die Truppen um Roger de Flor, der schon bald durch Heirat dem Kaiserhaus verwandtschaftlich verbunden war, stetig mächtiger wurden und ihr rücksichts88
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Cf. hierzu besonders Laiou, Constantinople (nt. 76), 130 sq.; De Stefano, Federico (nt. 74), 134141 zu den Almogavaren sowie auch I. Burns, The Catalan Company and the European Powers, 1305-1311, in: Speculum 29 (1954), 751-771. Cf. aus der sehr umfangreichen Literatur besonders Giunta, Aragoneses (nt. 4), 100-115; Nicolau D’Olwer, L’expansio´ (nt. 78), 45-90; Lock, Franks (nt. 76), 68-160 generell zu Griechenland vom 13. Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittelalters; ibid., 104-107, 117-127 zur Katalanischen Kompanie; generell auch J. F. Cabestany, Expansio´ catalana per la Mediterra`nia, Barcelona 1967. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 86-89 zu Byzanz. Cf. zur Anfrage des byzantinischen Kaisers hinsichtlich einer möglichen Heirat einer Tochter Jakobs II. mit dem byzantinischen Erben ein Schreiben des aragonesischen Königs vom 7. Juni 1311: Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 465 (7. 6. 1311); Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 49 (7. 6. 1311). Giunta, Aragoneses (nt. 4), 60 sq. zu einem Schreiben Jakobs II. aus dem Jahr 1305. Er war nicht bereit, Truppen zur Eroberung der Romania zu stellen, da er dem Zug gegen Sardinien den Vorrang gab und nicht gegen die Ansprüche von Charles de Valois auf Byzanz vorgehen wollte. Jedoch würde er auf Wunsch von Charles de Valois oder des Papstes unterstützend eingreifen. Offenbar wollte sich Jakob II. alle Optionen offenhalten.
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loses Vorgehen auf immer mehr Widerwillen auch unter den Byzantinern stieß und deutliche anti-katalanische Ressentiments hervorrief, war die im April 1305 erfolgte Ermordung des Anführers auf Veranlassung von Michael, dem Sohn des Kaisers, fast unausweichlich 92. Bereits 1304 war der Katalane Berengar d’EntencX a mit Truppen, die Friedrich III. bereitgestellt hatte, nach Osten gezogen. 1305 folgte ihm mit weiteren Soldaten Sancho von Arago´n, ein Halbbruder des Königs. Friedrich III. verfolgte den Plan, eigene Stützpunkte aufzubauen und das Byzantinische Reich anzugreifen. Seine Ideen wurden jedoch von Roger de Flor und von Berengar d’EntencX a unterlaufen, so daß Sancho aufgab und Ende Mai 1305 nach Sizilien abreiste. Die Führung der Katalanischen Kompanie übernahm Bernat de Rocafort, der seit Juni 1305 wichtige Siege über die Byzantiner errang. Schließlich teilten sich Rocafort, d’EntencX a und Fernando Ximenes d’Arenos zunächst die Führungsgewalt 93. Die Reaktion der Katalanischen Kompanie auf den Mord an Roger de Flor führte nicht wie erwartet zu einer Schwächung und Spaltung der Truppen, sondern zu einem Bündnis mit den Türken und zu einer jahrelangen Verwüstung der griechischen Länder. Der Katalane und spätere Historiograph Ramo´n Muntaner (1265-1336) war als Quartiermeister und Kanzler von 1302 bis 1307 einer der Protagonisten der Katalanischen Kompanie und berichtete ausführlich über die Vorgänge jener Jahre 94. Das Jahr 1308 war für die Söldner der Katalanischen Kompanie von herausragender Bedeutung und ist aus der außenpolitischen Perspektive als ein ebensolches zu bewerten. In diesem Jahr manifestierten sich in eindrücklicher Weise die Auswirkungen politischer Entscheidungen, die Jahre zuvor getroffen worden waren. Viel stärker als Jakob II., dessen Intentionen nicht offen zutage traten, war sein Bruder Friedrich III. auch nach 1305 in die politischen Geschehnisse, die durch die Katalanische Kompanie vorangetrieben wurden, involviert. Schon 1306 hatte Friedrich seinen mallorquinischen Cousin, den Infante Ferran, einen jüngeren Sohn König Jakobs II. von Mallorca (1276-1311), ins Gespräch gebracht, um ihn in die Romania zu senden, dort erneut sizilianischkatalanische Herrschaftsansprüche geltend zu machen und ihn, der von Ramo´n Muntaner in seiner Chronik später als „idealer Ritter“ stilisiert wurde, zum Anführer der Katalanischen Kompanie zu erheben, was dem sizilianischen Herr92
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Cf. Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 431 zur Geschichte der Katalanischen Kompanie von 1305 bis zum Herbst 1307; hierzu auch Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 15 (1305); Giunta, Aragoneses (nt. 4), 103; Laiou, Constantinople (nt. 76), 143-147 zu den letzten Lebensmonaten von Roger de Flor. Zur am 30. April 1305 erfolgten Ermordung von Roger de Flor cf. das Schreiben von EntencX a an den Dogen von Venedig in Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 14 (10. 5. 1305); hierzu auch ausführlich Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 194-244. Giunta, Aragoneses (nt. 4), 103 sq. Cf. zu Muntaners Leben und Werk u. a. Muntaner, Cro`nica (nt. 4), 5-15 sowie generell Sablonier, Krieg (nt. 89); Dufourcq, Espagne (nt. 1), 579 mit Angaben zu dem Arabisch sprechenden Muntaner.
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scher eine Kontrollfunktion gesichert hätte. Friedrichs Bruder Jakob II. von Arago´n und dessen Gattin Blanca waren gleichfalls involviert und unterstützten dieses Vorhaben. Im März 1307 wurde zwischen Friedrich III. und Ferran ein entsprechender Vertrag geschlossen, der dem jungen Infante den Oberbefehl über die Katalanische Kompanie übertrug, ihn jedoch verpflichtete, seinem Onkel untertan zu sein 95. Friedrich III. sah die Katalanen immer noch als seine Untertanen an und wollte seine Expansionsbestrebungen im östlichen Mittelmeer mit Hilfe seines Verwandten verankern. Allerdings war die dortige Situation inzwischen deutlich komplizierter geworden. Als der Infante Ferran im Mai 1307 in Gallipoli eintraf, fand er keine geeinte Truppe mehr vor. Ein kleinerer Teil der Katalanischen Kompanie, zu dem der später berühmte Historiograph Ramo´n Muntaner, Berengar d’EntencX a sowie Ferran Ximenes de Arenos zählten, unterstützten Ferran. Bernat de Rocafort und seine Anhänger jedoch widersetzten sich, da sie eigene Pläne verfolgten. Sie wollten zwar Ferran als Oberbefehlshaber akzeptieren, nicht jedoch Friedrich III., an den sie sich nicht gebunden sahen. Außerdem sahen sich die Truppen gezwungen, das von ihnen zuvor verwüstete Thrakien zu verlassen, unter anderem weil kaum noch Nahrung beschafft werden konnte, und zogen daher im Sommer 1307 nach Makedonien, wobei ihre Hauptziele der Berg Athos und die Stadt Thessaloniki waren. Schon im Juli 1307 zeigte sich eine veränderte Lage, da inzwischen EntencX a durch Anhänger Rocaforts ermordet worden und Ximenes de Arenos in die Dienste des byzantinischen Kaisers eingetreten war, so daß Bernat de Rocafort die alleinige Führung übernehmen konnte. Somit war die Einflußnahme Friedrichs III. zunächst erfolgreich eingedämmt worden 96. Der mallorquinische Infante und sein Begleiter Ramo´n Muntaner erkannten die Aussichtslosigkeit ihres Vorhabens und begaben sich auf die Rückreise nach Sizilien. Allerdings wurden sie unterwegs von Venezianern gefangengenommen, der mallorquinische Infante wurde an Neapel ausgeliefert und konnte erst nach diplomatischen Interventionen seitens seines Vaters, König Jakobs II. von Mal-
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Cf. hierzu ausführlich Laiou, Constantinople (nt. 76), 180 sq.; Abulafia, Emporium (nt. 1), 245 sq. sowie zur mallorquinischen Königsfamilie generell J. E. Martı´nez Ferrando, La tra`gica histo`ria dels reis de Mallorca, Barcelona 1960; A. Rubio´ i Lluch, Contribucio´ a la biografia del’infant En Ferra`n de Mallorca (Estudis Universitaris Catalans 7), Barcelona 1913. Zur Beteiligung von Königin Blanca, die oftmals in die außenpolitischen Angelegenheiten involviert war, auch Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 25 (21. 3. 1306) mit einem Schreiben des Infante Ferran an Blanca, in dem er sie um Unterstützung und Intervention bei Jakob II. zur Durchführung der geplanten Reise bittet; no. 32 (10. 3. 1307) zum Vertrag zwischen Ferra´n und Friedrich III. Cf.. hierzu ausführlich Laiou, Constantinople (nt. 78), 177-183; Giunta, Aragoneses (nt. 4), 104 sq.; Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 36 (10. 3. 1308), no. 37 (März 1308) mit Schreiben an und von König Jakob II. zu den Erbansprüchen des Guillem d’EntencX a, des Bruders von Berengar.
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lorca, schließlich 1308 in seine Heimat zurückkehren 97. Jakob II. von Arago´n und Friedrich III. hatten ihren direkten Einfluß auf die Katalanische Kompanie eingebüßt und konnten deren Geschicke zunächst nicht mehr beeinflussen, da sich Rocafort schon 1307 mit Charles de Valois verbündet hatte. Das Jahr 1308 ist somit durch eine neue politische Konstellation gekennzeichnet. Der bisherige Augenzeuge Muntaner hatte jedoch den Schauplatz verlassen und konnte in seiner Chronik nur noch aus zweiter Hand berichten. Rocafort leitete durch die Hinwendung zu den Franzosen eine neue Ära hinsichtlich der politischen Bedeutung der Katalanischen Kompanie ein. Charles de Valois hatte sein ehrgeiziges Ziel, das Erbe seiner Frau Catherine de Courtenay, der Titularkaiserin von Byzanz, anzutreten und den byzantinischen Thron zu erobern, nicht aus den Augen verloren, jedoch trotz zahlreicher Bestrebungen keine Möglichkeit erhalten, ein entsprechendes Heer aufzustellen. Papst Clemens V. unterstützte seit 1305 seine Pläne zur Wiedereroberung. Er rief einen Kreuzzug aus, exkommunizierte 1307 Kaiser Andronicus II. und versuchte, Bündnispartner für Charles de Valois zu finden. Dieser schloß 1306 einen Vertrag mit Venedig, während Genua weiterhin den byzantinischen Kaiser unterstützte. Charles de Valois entschloß sich, gleichfalls unter Hinzuziehung Jakobs II. Kontakte zu Berengar de Rocafort aufzunehmen, um einen weiteren Verbündeten zu finden 98. Charles de Valois investierte große Summen in dieses Unternehmen und sandte seinen Vertrauten Thibaud de Chepoy auf einem venezianischen Schiff nach Negroponte, wo er mit Vertretern der Katalanischen Kompanie zusammentraf. Die erfolgreichen Verhandlungen waren im August 1307 abgeschlossen, wie aus Dokumenten zur Katalanischen Kompanie hervorgeht, in denen Charles de Valois als ihr „Kaiser“ bezeichnet wird. Weitere Franzosen trafen 1308 ein 99. Der Schwerpunkt der militärischen Auseinandersetzungen lag 1308 97
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Cf. Laiou, Constantinople (nt. 76), 208 sq. zur Gefangenschaft und Befreiung des Infante Ferran; ebenso Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 239; Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 35 (16. 9. 1307) zu einem Brief des Cristiano de Spinola an Jakob II. mit der Mitteilung über die Gefangenschaft des Infante; ibid., no. 41 (2. 7. 1308) zu einem Schreiben des Königs von Mallorca an Jakob II. mit der Nachricht, daß sein Sohn, der Infante Ferran, heimgekehrt sei; ibid., no. 42 (5. 8. 1308) zu einem Bericht des Dogen von Venedig über eine Beschwerde Muntaners an den König von Sizilien hinsichtlich des Verlusts eines Teils seines Vermögens in der Romania. Cf. zu Charles de Valois, seinem Charakter und seinen Fähigkeiten die kritischen Äußerungen von Favier, Papes (nt. 9), 75: „Malheureusement, Charles de Valois n’est que me´diocrement intelligent. Bon chef de guerre, il n’est gue`re diplomate.“ Philipp IV. betraute seinen Bruder Louis d’Evreux beispielsweise mit den Verhandlungen in Flandern. Charles agierte in Italien höchst unglücklich, cf. hierzu ibid., 75-78; ausführlich zu den Intentionen des Franzosen vor und nach 1308 cf. u. a. Laiou, Constantinople (nt. 76), 200-220; Giunta, Aragoneses (nt. 4), 105 sqq. Laiou, Constantinople (nt. 76), 208 sq. sowie Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 34 (31. 8. 1307), no. 35 (16. 9. 1307) mit weiteren Informationen; Laiou, Constantinople (nt. 76), 209, nt. 40 zum Aufenthalt des französischen Gesandten, der sich bis Ende April 1310 in der Region aufhielt und ibid., 224 zur Ankunft weiterer Franzosen; generell auch A. Rubio´ i Lluch, La companyı´a Catalana sota el Comandament de Teobald de CX epoy, 1307-1310, Barcelona 1923.
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in Makedonien, Städte und Klöster wurden angegriffen. Thessaloniki und der Berg Athos wurden seit dem Frühjahr 1308 mehrfach vergeblich vom Land und von der See aus belagert. Erst im Frühjahr 1309 wurde die Belagerung endgültig aufgegeben. Im Sommer 1308 wandten sich die Mönche des Klosters Lavra auf der Halbinsel Athos an denjenigen Fürsten, von dem sie Unterstützung und Hilfe erhofften, König Jakob II. Offenbar wurde zu jenem Zeitpunkt sein Einfluß auf die Katalanische Kompanie als deutlich höher eingeschätzt als der seines Bruders Friedrich III. Deshalb schickten sie zwei Gesandte, die zuvor Station am päpstlichen Hof in Avignon machten, zum aragonesischen Monarchen. Ebenfalls wurde der König unter anderem von Arnau de Vilanova über diese Vorgänge informiert, so daß er sich persönlich einschaltete und die katalanischen Söldner um Schutz der Klöster auf dem Berg Athos bat, wie beispielsweise aus einem Schreiben des Jahres 1308 hervorgeht 100. Ebenfalls in diesem Jahr sicherte sich Charles de Valois einen weiteren wichtigen Verbündeten, den serbischen Fürsten Stephan Urosˇ II., mit dessen Repräsentanten er im März 1308 in Frankreich einen Bündnisvertrag abschloß, der sich gegen Byzanz richtete 101. Allerdings war Stephan Urosˇ II. darauf bedacht, seine eigenen Interessen vorrangig abzusichern und ging die Allianz mit Frankreich nur vordergründig ein, da er eigentlich eine starke katalanische Macht in Makedonien verhindern, aber trotzdem Vorteile aus dem seiner Meinung nach nahenden Untergang des byzantinischen Kaiserreichs ziehen wollte. So war er auf beiden Seiten involviert, wie sich an mehreren Beispielen erkennen läßt. Serbische Soldaten halfen beispielsweise im Frühjahr 1308 bei der Verteidigung Thessalonikis, das von der Katalanischen Kompanie in Absprache mit dem französischen Fürsten Charles de Valois angegriffen wurde. Bulgarien hingegen war ein Verbündeter des byzantinischen Herrschers. Weitere potentielle Verbündete sah er in einigen einflußreichen Byzantinern, mit denen er vom Sommer 1307 bis zum Frühjahr 1310 verhandelte, da sie sich durch Charles de Valois Schutz vor der Türkengefahr versprachen. Gesandte wurden nach Frankreich geschickt und Charles de Valois’ Vertrauter Thibaud de Chepoy wurde 1308 in Kassandreia ebenfalls direkt in die Verhandlungen einbezogen. Chepoy, der vor Ort anwesend war, konnte die Situation besser einschätzen als Charles de Valois, der sich in Frankreich aufhielt, und sandte entsprechende alarmierende Berichte über die Situation an den Valois. Die Beziehungen zu Rocafort waren äußerst angespannt 102. 100
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Laiou, Constantinople (nt. 76), 209, 220-226; zum Schutz des Bergs Athos cf. ein Schreiben König Jakobs II. aus Valencia vom 1. Juli 1308 an Arnau de Vilanova, Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 40; Finke, Acta (nt. 4), vol. 2, no. 554 (1. 7. 1308); Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 235 zu den Belagerungen im Jahr 1308; zu Arnaus diplomatischem Wirken auch Ochoa Brun, Historia (nt. 3), vol. 2, 122-124. Laiou, Constantinople (nt. 76), 209 sqq. ausführlich zu den Vertragsbestimmungen und den politischen Ambitionen des serbischen Herrschers, der seine Position im Balkan festigen und ausbauen wollte; cf. auch Burns, Catalan Company (nt. 88), 759. Cf. Laiou, Constantinople (nt. 76), 211-220 ausführlich zu den Motiven der byzantinischen Kollaborateure und ihren politischen Vorstellungen sowie 225 zu Chepoy.
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Im Frühjahr 1308 versuchte daher Charles, stärkeren Einfluß auf Rocafort zu gewinnen. Aus diesem Grund wandte er sich nicht nur direkt an Jakob II., sondern gleichfalls an dessen Gattin Blanca von Neapel, seine ehemalige Schwägerin. Sie sollte als Angevinin und enge Verwandte der Valois die Interessen ihrer Familie vertreten und ihren Gatten dahingehend beeinflussen, seinerseits Rocafort dazu zu bringen, sich loyal gegenüber den Interessen des Valois zu verhalten. Um sein Anliegen zu unterstreichen und den Druck auf den aragonesischen Monarchen zu erhöhen, verknüpfte er seine Aufforderung mit der noch offenen Frage um den Besitz des Valle de Ara´n. Jakob II. reagierte prompt, schickte Gesandte nach Paris und schrieb Rocafort den gewünschten Brief. Allerdings überschätzte Jakob II. seinen Einfluß auf den Anführer der Katalanischen Kompanie, der fern von der Heimat fest entschlossen war, seine eigene Politik durchzusetzen. Rocafort löste sich völlig von Friedrich III. und Jakob II. und betrachtete Charles de Valois und Venedig lediglich als nützliche „Marionetten“ in seinem eigenen Spiel 103. Rocaforts Ziel war die Errichtung eines Königreichs Makedonien mit der Hauptstadt Thessaloniki unter seiner Führung. Er sah sich weiterhin als alleinigen und unabhängigen Führer der Katalanischen Kompanie und trug sich mit der Absicht, die Schwester des Herzogs von Athen zu heiraten, dessen Vasall er im Spätsommer 1308 wurde 104. Venedig fürchtete 1308 einen Angriff der Katalanen auf Negroponte und versuchte daher im September, sich militärische Unterstützung aus Kreta zu beschaffen. Byzanz hatte bereits im August 1308 eine weitere Schwächung durch die Hospitaliter erlitten, die unter ihrem Großmeister Fulko de Villaret eine Invasion auf der zum Kaiserreich gehörenden, aber durch Türken besetzten Insel Rhodos gestartet hatten 105. Chepoy verfocht weiterhin die Interessen des Valois und war bestrebt, auf anderem Wege gegen Rocafort vorzugehen. Er versuchte gegen Ende des Jahres 1308 innerhalb der Katalanischen Kompanie Unterstützung bei einzelnen Personen zu finden, da sich Unzufriedenheit gegen103
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Laiou, Constantinople (nt. 76), 225; Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 38 (1308) mit dem Schreiben von Charles de Valois an Königin Blanca; no. 39 (10. 5. 1308) mit dem Schreiben Jakobs II. an Bernat de Rocafort, in dem er ihn ermahnte, Charles de Valois anzuerkennen. König Philipp IV. gab 1313 das Valle de Ara´n an Jakob zurück. Die Rückgabe stand allerdings nicht im Zusammenhang mit der oben erwähnten Angelegenheit. Cf. auch Hinojosa, Jaime (nt. 4), 216-219 zu den diplomatischen Verwicklungen um das Valle de Ara´n. Laiou, Constantinople (nt. 76), 209, 224; Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 235; Giunta, Aragoneses (nt. 4), 106 zu den Plänen Rocaforts; Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 43 (23. 9. 1308) zu einem Schreiben des Dogen von Venedig hinsichtlich der Heiratspläne von Rocafort, die von Venedig abgelehnt wurden. Laiou, Constantinople (nt. 76), 225, 228; Favier, Papes (nt. 9), 92, 496-500 zu Rhodos. 1310 sollte die Stadt schließlich erobert werden und der Orden sich auf Rhodos niederlassen. Jakob II. unterhielt enge Kontakte zu den Hospitalitern und sandte beispielsweise im März 1308 einen Gesandten zu Villaret. Genauere Angaben zu den mündlichen Verhandlungen sind nicht überliefert, cf. A. Luttrell, The Aragonese Crown and the Knights Hospitallers of Rhodes: 1291-1350, in: The English Historical Review 76 (1961), 1-19; cf. ibid., 5 auch zu den Plänen des aragonesischen Königs, die Hospitaliter im Kreuzzug gegen Granada einzusetzen.
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über ihrem Anführer konstatieren ließ. Der Franzose bereitete im geheimen den Sturz des Katalanen vor, was ihm schließlich im folgenden Jahr gelingen sollte. Er brachte Rocafort als Gefangenen im Herbst 1309 nach Kalabrien und lieferte ihn an König Robert I. von Neapel aus, der ihn im Gefängnis verhungern ließ 106. Nach dem langwierigen und schließlich mißglückten Versuch, Thessaloniki zu erobern, verließ die Katalanische Kompanie unter ihrem neuen Anführer Roger Deslaur Makedonien. Schon seit 1308 lassen sich enge Kontakte zu Thessalien konstatieren, im Frühjahr 1309 fielen die Katalanen dort ein und verwüsteten es. 1309 trennten sich die türkischen Soldaten von den katalanischen Truppen, die schon 1310 einen neuen Auftraggeber erhielten. Bereits am 5. Oktober 1308 war der damalige Herzog von Athen, Guido II. de la Roche, verstorben. Sein Nachfolger wurde Walter von Brienne, der seinerseits an militärischer Unterstützung durch die Katalanische Kompanie im Kampf gegen Byzanz interessiert war. Sie unterstützte ihn erfolgreich bei seinen Kämpfen in Thessalien, wandte sich aber, als finanzielle Probleme auftraten, gegen den Herzog von Athen, der am 15. März 1311 in einer Schlacht gegen die Katalanen fiel, die somit die Macht übernahmen und die neuen Herren von Athen wurden 107. Sie bauten eine Herrschaft auf, die schließlich wieder in enger Kooperation mit der Corona de Arago´n und mit Sizilien ausgeübt wurde. 1312 baten sie König Friedrich III. um seinen Schutz, der ihnen auch gewährt wurde. In den folgenden Jahrzehnten regierte jeweils ein Mitglied des Königshauses das Herzogtum Athen. Die Katalanische Kompanie war ein wichtiger Faktor in der Mittelmeerpolitik, sie ist eine Vorreiterin für die später in Italien auftretende Entwicklung eines politischen Söldnertums 108. Charles de Valois war der große Verlierer in diesem Spiel. Wie schon in Westeuropa, konnte er auch im östlichen Mittelmeerraum seine ehrgeizigen politischen Ziele nicht verwirklichen 109. 106
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Laiou, Constantinople (nt. 76), 225 sq.; Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 239 zum Sturz und Tod von Rocafort; ibid., 122: „E En Tibaud de Cipoys ana`-se’n estro` a Na`pols, e aquı´ ell lliura` al rei Robert En Rocafort e son frare, a qui volien pits que a ho`mens del mo´n, per los Castells de Cala`bria que no havia volgut retre Aixa con los altres. E con lo rei Robert los tenc, abdosos germans, trame`s-los all castell d’Avers; e en una volta hom los me`s, e aquı´ ell los lleixa` morir de fam, que anc pus hi foren entrats, no els dona` hom a menjar ne a beure.“ Laiou, Constantinople (nt. 76), 226-229, 232 ausführlich zur Herrschaft der Katalanen in Athen; Muntaner, Cro`nica (nt. 4), vol. 2, cap. 240-244; Giunta, Aragoneses (nt. 4), 108. Laiou, Constantinople (nt. 76), 227; Lock, Franks (nt. 76), 92-104 zu den Angevinen und den Herzögen von Athen bis zur Ankunft der Katalanischen Kompanie. Nachkommen Friedrichs III. erhielten offiziell den Titel eines Herzogs von Athen und wurden durch Repräsentanten vertreten; Giunta, Aragoneses (nt. 4), 107-115; Rubio´ i Lluch, Diplomatari (nt. 4), no. 45 (3. 2. 1310), no. 53 (1312) zu Sancho de Arago´n und Manfredi von Sizilien; hierzu auch K. M. Setton, Catalan Domination of Athens 1311-1388, London 1975, 1-7 zur Vorgeschichte und zum Tod des Herzogs von Athen (5. 10. 1308); Burns, Catalan Company (nt. 88), 751 bezeichnet die territoriale Herrschaft der katalanischen Söldner als „nomadic pirate-republic“. Laiou, Constantinople (nt. 76), 233 sq. Sie stellt Charles de Valois im Gegensatz zu Favier (cf. nt. 100) als einen relativ fähigen Fürsten dar, der sich seinen Traum von einer erfolgreichen Eroberung des Byzantinischen Reichs nicht erfüllen konnte. Das Scheitern liegt ihrer Meinung nach u. a. darin begründet, daß er als Bruder des Königs in wichtige politische Handlungszusam-
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Ein Blick auf die byzantinische Seite zeigt, daß Kaiser Andronicus II. 1308 durchaus Erfolge im innen- wie auch im außenpolitischen Bereich zu verzeichnen hatte. Es war ihm gelungen, die drohende Eroberung von Byzanz zunächst abzuwenden. Somit konnte er 1308 seine Kräfte sammeln und ein Abkommen mit Genua schließen, das die Jahre der Wirren und der Schwäche des Kaiserreichs geschickt genutzt hatte, um seine eigenen Kräfte zu stärken. Genua mußte sich dem wieder erstarkten Kaiser beugen und dessen Forderungen, die sich zumeist auf das von der einheimischen Bevölkerung stark kritisierte Verhalten der Genueser im Byzantinischen Reich, auf Handelskontakte, auf finanzielle Vereinbarungen sowie Rechte der Händler bezogen, akzeptieren und versprechen, Byzanz nicht anzugreifen. Überdies war genuesischer Besitz seit 1307 selbst Attacken seitens der Goldenen Horde ausgesetzt gewesen. Die Handelsmacht hatte Händler durch Überfälle verloren und mußte beispielsweise 1308 die Handelsniederlassung Caffa aufgeben. Dieses Abkommen relativierte somit den genuesischen Einfluß im Byzantinischen Reich und festigte die kaiserliche Macht 110. Byzanz konnte schließlich trotz anfänglicher Schwierigkeiten und einiger Verluste und Niederlagen den massiven Bedrohungen durch die diversen westlichen und östlichen Mächte standhalten und sich für einen längeren Zeitraum relativ erfolgreich gegenüber deren Machtinteressen behaupten und als Kaiserreich bestehen bleiben. IV. Abschlußbemerkung en Die Jahre um 1308 sind nicht nur als ein von Krisen geschüttelter Zeitraum, sondern auch als eine wichtige Phase sowohl in der innen- als in der damit eng verbundenen außenpolitischen Entwicklungslinie der christlichen und muslimischen Reiche der Iberischen Halbinsel anzusehen, in deren Zusammenhang die eindeutig zu kennzeichnende Hegemonialpolitik der Corona de Arago´n im Zusammenhang mit ihren Expansionsbestrebungen im Mittelmeer und dem Wiederaufleben der Reconquista zu nennen ist. Die Frage des Vorgehens gegen die Templer, die ausgehend von Frankreich unterschiedliche Bedeutung und Wirkung in den verschiedenen christlichen Reichen erlangt hatte, war 1308 auf der Iberischen Halbinsel zwar durchaus im Blickpunkt, wurde jedoch im Vergleich zu den zuvor genannten Aspekten unter Einordnung in das politische Gesamtkonzept Jakobs II. und seiner Verbündeten mit einer geringeren Priorität behandelt. Ein erfolgreicher Kreuzzug gegen Granada mit der Perspektive eines möglichen Vordringens nach Nordafrika sowie
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menhänge in Frankreich eingebunden war, die Vorrang hatten. Favier hingegen schätzt Charles’ intellektuelle Fähigkeiten und damit sein politisches Potential deutlich geringer ein und betont, daß Philipp IV. wichtige Aufgaben seinem Bruder Louis d’Evreux überließ, cf. Favier, Papes (nt. 9), 75-78. Cf. Laiou, Constantinople (nt. 76), 184 sq.
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eine durchaus im Rahmen des Möglichen erscheinende Kontrolle des östlichen Mittelmeerraums auf Kosten der Angevinen und des Byzantinischen Kaiserreichs erschienen 1308 als deutlich vielversprechendere Möglichkeiten im Hinblick auf den Wunsch nach einer Steigerung der politischen Bedeutung der christlichen iberischen Reiche unter Führung der Corona de Arago´n im europäischen Mächtegefüge. Da im Königreich Portugal um 1308 innere Ruhe herrschte, konnte König Dinis I., der enge verwandtschaftliche Beziehungen zu den kastilischen und aragonesischen Königshäusern unterhielt, eine anerkannte und konsolidierte Rolle als Mediator auf dem Gebiet der außenpolitischen Beziehungen einnehmen. Sein Schwiegersohn Ferdinand IV. hatte einen Kompromiß mit dem aufständischen Adel in Kastilien schließen müssen und sah nun sein neues Betätigungsfeld in der Wiederaufnahme der Reconquista in Anknüpfung an die Taten seiner Vorfahren, seines Vaters Sancho IV., seines Großvaters Alfons X. sowie seines Urgroßvaters Ferdinand III. Der eigentliche und erfolgreichste Machtpolitiker war jedoch der Schwager von König Dinis I., Jakob II. von Arago´n, der auf vielen politischen Schauplätzen zuhause war und im Vergleich zu seinen Nachbarreichen über das am effizientesten ausgebaute diplomatische Netzwerk in den christlichen und muslimischen Reichen verfügte. In Anlehnung an das Vorbild seines gleichnamigen Großvaters, König Jakob I., sah er in der gemeinsamen Wiederaufnahme der Reconquista nicht nur eine religiöse, sondern eine eminent machtpolitische Komponente zwecks Stärkung der eigenen Herrschaft in bezug nicht nur auf die Iberische Halbinsel, wo seine Politik gezielt ein Wiedererstarken Kastiliens verhindern sollte, sondern auch im direkten Verhältnis zu den muslimischen Reichen Nordafrikas. 1308 war ein Schlüsseljahr im Verhältnis der christlichen Reiche zueinander, das unter anderem auf der Basis der bereits einige Jahre zuvor vorgenommenen Grenzziehungen neu definiert wurde und ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen auf verschiedenen Ebenen versprach. Die ehrgeizigen Pläne und Projekte der christlichen Reiche kulminierten im Abschluß des Vertrags von Alcala´ de Henares im Dezember des Jahres 1308, einem Jahr, das überdies durch zahlreiche weitere diplomatische Handlungen unterschiedlicher Zielrichtung gekennzeichnet war, zu denen in bezug speziell auf die Corona de Arago´n und das mit ihr verbündete Sizilien auch die militärischen Aktivitäten und Erfolge der Katalanischen Kompanie zu zählen sind. Die Politik Jakobs II. und seines Bruders Friedrichs III. im östlichen Mittelmeerraum zielte auf eine Stärkung der gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Interessen und ist gleichfalls als ein Stellvertreterkrieg gegen die angevinischen und französischen Interessen mit wechselnden Allianzen und strategisch geschickt entwickelten politischen Aktionen zu bezeichnen. Im nordafrikanischen Raum ist ebenfalls eine Dominanz der erfolgreichen Umsetzung der aragonesisch-sizilischen Interessen im Vergleich zu den iberischen Nachbarreichen zu konstatieren. Ende 1308 war noch keineswegs absehbar, daß der Templerorden schließlich aufgelöst sowie die Vorstellung nicht nur von einer erfolgreichen Fortführung,
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sondern auch der Beendigung der Reconquista auf dem Boden der Iberischen Halbinsel schon bald zerstört werden würde und es hingegen der Katalanischen Kompanie gelingen sollte, schon wenige Jahre später erfolgreich territoriale Herrschaft in Griechenland aufzubauen und somit den Einfluß des Hauses Arago´n im Mittelmeer deutlich mehren zu können. 1308 war ein Jahr der Projektionen, der Weichenstellungen, deren politische Auswirkungen längerfristige Konsequenzen zeitigen sollten. Eine detaillierte Analyse des außenpolitischen Netzwerks der christlichen iberischen Reiche unter Fokussierung auf den Hauptakteur, König Jakob II., zeigt deutlich, wie eng die Corona de Arago´n in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bereits in das europäische Mächtegefüge eingebunden war und wie es gelang, auf der Iberischen Halbinsel eine Hegemonialstellung aufzubauen und sich dieser im Mittelmeerraum anzunähern. Trotz der geographischen Randlage im Südwesten des mittelalterlichen christlichen Europas war die Corona de Arago´n um 1308 nicht nur eng in die europäische Politik eingebunden, sondern konnte aufgrund der zentralen Lage zwischen christlicher und muslimischer Welt eine Schlüsselrolle besonders in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht im Verhältnis zu den muslimischen Reichen in al-Andalus sowie in Nordafrika, aber auch im östlichen Mittelmeerraum einnehmen und ihre Expansionsbestrebungen mit Hilfe unterschiedlicher Strategien erfolgreich vorantreiben.
Oxford
1308: Walter Burley’s ,De Generatione‘ Commentary Marek Gensler (Ło´dz´) 1308 is an important date in the life of Walter Burley. It is in that year that he left Oxford for Paris, where he started studying theology. Although the voyage across the English Channel was very important for his later career, it did not change his interests too much: both as a student of theology and, later, as a theologian and diplomat he was keenly interested in philosophy, especially in logic and philosophy of nature. This interest is reflected in his works - most of his surviving texts, both commentaries and treatises, are devoted to problems belonging to either of the two disciplines. Sometimes Burley returned to his favourite texts and problems more than once. Among commentaries on Aristotle, constituting a large part of his philosophical output, there are some, however, which stand out as single works devoted to one particular text. Why did Burley treat different parts of Aristotle’s legacy with different degree of interest? In case of the ,Ethics‘, for instance, the reason for a single commentary is clear: we know that it is a text Walter started commenting upon only late in his life and had neither time nor reason to return to it. With the ,De generatione et corruptione‘ such explanation could not have been given. Although there were no doubts about its authenticity, the dating of the commentary was not established 1. The ,De generatione‘ commentary survived in four manuscript copies. None of them contains any direct information about the date of its composition. What is worse, none of Burley’s other works mentions the ,De generatione‘ commentary, even though some of them have references to Aristotle’s work of that title. The only direct source information providing arguments for its dating is, therefore, the commentary itself, with other works of Burley serving as material for comparison. It is through the analysis of those texts that we can infer that the ,De generatione‘ commentary was composed for teaching purposes in Oxford and that Burley must have completed it by summer 1308 at the latest. Arguments for this conjecture can be divided into two groups: the first one comprises observations about the style and character of the commentary, the other - its doctrinal content. Even though le stile c’est l’homme, there is a marked difference between works of the same author composed early and late in life. In philosophy, where erudition can be gained only with age, this is all the more 1
Cf. J. A. Weisheipl, Repertorium Mertonense, in: Medieval Studies 31 (1969), 174-224, 197 sqq.; J. Ottman/R. Wood, Walter Burley. His Life and Works, in: Vivarium 37, 1 (1999), 2-11.
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true. Comparison of Burley’s ,De generatione‘ commentary with his other works provides sufficient evidence of both types. Burley’s ,De generatione‘ commentary is a commentary ad litteram textus with just one question, devoted to the problem of mixtion of elements, apparently believed to be the most interesting or most important one. The commentary itself is rather brief; actually it is slightly shorter than the text it comments upon. One can quickly notice that its author did not have much to say about many issues discussed by Aristotle. The commentary lacks an introduction, traditionally explaining the subject matter of the book, so the reader has to find out Burley’s view on the problem on his own. It is worth noting, however, that though he does speak directly about the subject matter of ,De generatione‘, he does so in another commentary of his, i. e. in ,De sophisticis elenchis‘ 2. It is possible that the introduction existed but was lost, yet since none of the existing manuscripts contains it, it seems more likely that it had never been composed. Burley’s commentary copies freely the structure of Averroes’ middle commentary, sometimes - mostly in book I - joining two lectiones together (and rarely dividing them up). In book I he has 50 lectiones for 90 in Averroes, but in book II, 65 for 70 in Averroes. These minor structural changes seem to be Burley’s own ideas, for they do not imitate the changes introduced by other authors, e. g. Aquinas, who Burley copied in this respect in his ,Physics‘ commentary 3. Another striking feature is the uneven treatment of the commented material from books I and II. This can be seen already by comparing the length of the two books. Although in Aristotle book II is about one third shorter than book I, in Burley’s commentary it is almost three times shorter, which can clearly be taken as a sign of some deliberate decision that resulted from either lesser interest in the matters discussed in the book or a sudden loss of interest in commenting it - or both. Throughout the first book the commentary is quite carefully executed, with lectiones duly divided into expositio litterae, sententia, divisio textus, and notanda. According to F. Del Punta since the middle of the 13th century such arrangement of the material in commentaries was characteristic for notes prepared for the sake of lectures given on the commented work 4. What 2
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4
Gualterus Burlaeus, Quaestiones libri Elenchorum, Ms. Cambridge, St. John’s College Library, D 25: „Liber Physicorum est de corpore mobili in communi, liber De generatione de eo mobili ad formam“. I would like to thank Mischa von Perger for his kind permission to use his transcript of the text. Cf. E. D. Sylla, Walter Burley’s Practice as a Commentator on Aristotle’s Physics, in: Medioevo 27 (2002), 301-372, here 353 sq. Cf. F. Del Punta, The Genre of Commentaries in the Middle Ages and its Relation to the Nature and Originality of Medieval Thought, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds), Was ist Philosophie im Mittelalter? Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale. 25. bis 30. August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998, 138-151, here 141-144; cf. also A. Kenny/J. Pinborg, Medieval Philosophical Literature, in: N. Kretzmann [e. a. ] (eds.), The Cambridge History of Later Medieval Philosophy, Cambridge 1982, 11-42, here 18-20.
1308: Walter Burley’s ,De Generatione‘ Commentary
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is often lacking in Burley’s commentary is the concluding part of expositiones, i. e. questions; apparently Burley did not intend to go into details with his analyses and decided that it was sufficient to place about a dozen dubia after some fragments (all but one in the first book) and only one question - „Utrum elementa maneant actu in mixto“ - following book I. The dubia differ in length: the shortest ones are made up of two paragraphs, one of which (starting with sed dubium est) presents the problem, the other (beginning with dicendum) solves it 5. The longer ones are almost like questions: they include many arguments pro and contra and a detailed presentation of the author’s opinio propria 6. The length of commentaries following the lemmata is surprisingly varied. As a rule, those in book I are longer than the ones in book II, though the shortest comments in both books are almost of the same length: two and one sentences, respectively. Book II has yet another characteristic: wherever the commentary is longer, we can recognize a paraphrase or simply a quotation from Averroes’ middle commentary on ,De generatione et corruptione‘; in places where the Commentator’s interpretation diverges too far from Aristotle, Burley prefers to summarise the Stagirite. This practice is employed also in book I but never as visibly. Dependence on Averroes’ middle commentary shows in book I in a less manifest way as well. One can notice that even in the dubia (let alone other parts of the lectio) Burley is rather economical with his choice of authorities he cites. It is only in the longer ones and, naturally, in the question, that he allows himself some more liberty in choosing sources, still the list of authors he is referring to is suspiciously short. Of the authorities besides the Philosopher and the Commentator, he cites only Alexander of Aphrodisias and Avicenna, but it is 5
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For instance a dubium from book I, 4 § 10, cf. Gualteri Burlaei Commentarius in libros de generatione et corruptione, in: M. Gensler, Kłopotliwa zmiana czyli Waltera Burleya zmagania ze zmiennos´cia˛ rzeczy, Ło´dz´ 2007, 236-237: „Hic occurrunt duo dubia. Unum est de hoc, quod Philosophus dicit quod alteratio differt a generatione per hoc quod subiectum alterationis est subiectum sensatum, ita quod substantia composita manet sub utroque terminorum alterationis, et non est sic in generatione. Istud videtur esse falsum, quia aliqua alteratio terminatur ad generationem, ut, si ex aere generetur ignis, ibi est una alteratio praecedens inductionem formae ignis, et in illa alteratione non manet aliquod subiectum sub utroque terminorum. / Dicendum quod duplex est alteratio quantum ad praesens: Quaedam est alteratio cuius finis est de genere transmutationis illius, et quaedam est alteratio cuius finis est de alio genere. Alteratio cuius finis est de genere illius transmutationis, terminatur ad qualitatem; sed alteratio cuius finis est de alio genere, terminatur ad substantiam. Unde alteratio cuius finis est de genere illius transmutationis, habet terminum intrinsecum; sed alteratio cuius finis est de alio genere, non habet terminum nisi extrinsecum. De alteratione primo modo dicta est verum quod in tali alteratione manet idem subiectum sensatum sub utroque terminorum. Unde alteratio cuius finis est de genere illius transmutationis, est transmutatio a qualitate in qualitatem, manente eodem subiecto sensibili; sed in alteratione secundo modo non oportet quod idem subiectum maneat sub utroque terminorum. Per hoc patet ad argumentum.“ For instance, the dubium „An quaelibet pars aucti sit aucta“ has the following structure: 1. Argumenta ad unam partem 1-3, 2. Responsio contains four replies, first three of which have several counter-arguments and the fourth one contains a lengthy discussion of two problems: „Qualiter fiat augmentatio per extensionem in pluri materia“ and „Quomodo materia alimenti vel materia membri se habeant: utrum una ponatur iuxta aliam vel una ingrediatur aliam“ (two opinions with discussions of several arguments), 3. Ad argumenta principalia 1-3. Cf. Gensler, Kłopotliwa zmiana (nt. 5), 251267.
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certain that the former and probable that the latter are quoted indirectly and that the immediate source is either Averroes or, possibly, some florilege. Avicenna is cited only three times but in a similar context with reference to his ,Libri naturalium‘; Alexander is cited four times, but again all four references are to the same problem. Medieval Latin authors do not fare much better: by their names, Burley mentions only two: Albert the Great (but the quotation in question is from Aristotle!) and Robert Grosseteste; besides, he mentions also the anonymous author of the ,Liber sex principiorum‘, each of them only once. The comments introduced by dicunt quidam or dicunt aliqui, which often signal arguments of contemporary thinkers, are rather infrequent (only five in book I and four in book II) and more often than not they precede references to contemporaries of Aristotle or Averroes, whose polemics Burley only relates 7. Even when citing and quoting Aristotle and Averroes Burley does not exhibit much erudition, since his source references are dominated by only two works: ,De generatione et corruptione‘ itself and the middle commentary on it. Besides, one can find the titles of nine more works by Aristotle, of which only four ,Physics‘, ,Metaphysics‘, ,De coelo et mundo‘, and ,Meteorology‘ - are referred to more than once, while ,De anima‘, ,De sensu et sensato‘, ,De morte et vita‘, ,Categories‘, and ,Hermeneutics‘ grace the pages of his work just once. Averroes fares even worse - apart from the ,De generatione‘ commentary, Burley cites, rarely, his ,Physics‘, ,Metaphysics‘, ,De coelo‘, and ,De anima‘. These references can be found mostly in the dubia and question in book I; only seven instances of them come from book II (but both references to the ,Meteorology‘ are there). As was the case with quotations from other authorities, the majority of Aristotle quotations were found by Burley in Averroes. On the first reading of Burley’s book, however, his treatment of Averroes’ middle commentary on ,De generatione‘ as a kind of intellectual quarry is not so manifest, for he reports only some of his quotations (marking them by haec Commentator) and references (secundum Commentatorem, sicut dicit Commentator), and most of the summaries are devoid of any signs of borrowing from another author 8. 7
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For instance, these are the authorities quoted in the dubium „Utrum actio sit ratione contrarietatis et passio ratione similitudinis:“ Averroes, In de anima (Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Venetiis apud Iunctas 1562 [Reprint: Frankfurt 1962], II, 111D; Aristoteles, Metaphysica V. 10, 1018b1-8; id., De generatione et corruptione, I. 7, 324a5-12; id., De coelo et mundo, II. 13 sq., 296a; Averroes, In Physicam, II, com. 1, 48F; id., In Physicam, VIII, com. 20, 355D; id., In de coelo, IV, 254D; Aristoteles, De morte et vita XXII-XXVI, 478b-479b; Avicenna Latinus, Liber quartus naturalium. De actionibus et passionibus qualitatum primarum, ed. S. Van Riet, Louvain-la-Neuve-Leiden 1989, 6. Alexander and Robert are quoted in the dubium „An quaelibet pars aucti sit aucta;“ Albert is quoted in the dubium „Utrum ista consequentia sit bona: Non est possibilis transmutatio secundum substantiam, igitur non est possibilis transmutatio in qualitatibus.“ Cf. Gensler, Kłopotliwa zmiana (nt. 5), 182. For instance, Averroes, In Aristotelis de generatione et cor- Gualterus Burlaeus, Commentarius in libros ruptione libros commentrium medium, ed. De generatione et corruptione, in: Gensler, F. H. Forbes/S. Kurland, Cambridge 1956, 137, Kłopotliwa zmiana (nt. 5), 364: 22-26:
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It must be noted that the ,De generatione‘ commentary is not unique in this respect. A lack of proportion in the treatment of various parts of the same commented text is not something unseen in other works of Burley - a similar phenomenon has been noticed by E. D. Sylla in his Oxford ,Expositio in libros Physicorum‘. Nor is the dependence on a text by another author a rarity in Burley’s works - the list of such works has not been made yet, but it is certain that it includes several positions composed in various periods of his life. As for the first observation, it is clear that an imbalanced structure of a commentary should have its reason. With respect to Burley’s early ,Physics‘ commentary, E. D. Sylla proposed a plausible explanation: the reason why Burley treated later parts of the text lightly was the lack of time to finish the lectures, of which the commentary is the (edited) record 9; the shorter part of the commentary would then be just a skeleton never covered with the flesh of arguments and explanations. Her argument could well hold for the ,De generatione‘ commentary: when reading its second book with comments going down in size until they reach only a few sentences at best after chapter four, one can really sense the pressure of time. As for the other observation, the dependence on Averroes can also be noticed in the ,Physics‘ commentary. According to Sylla, also the latter work has a limited scope of philosophical sources. She observes, rather dryly, that: „With Burley’s commentary in hand, one would hardly have needed to look at Averroes’ commentary, because Burley nearly always reported extensively what Averroes had to say. Partly through Averroes, Burley reported the commentaries of ancient and Islamic commentators such as Alexander, Themistius, Simplicius, Avempace, and Avicenna“ 10. This similarity, however, has only limited value as an argument for the early dating of the ,De generatione‘ commentary, since - as has already been said - it is known that Burley looked for a trustworthy commentary that he might use as a guide also later in life, when he commented on ,Ethics‘ and ,Politics‘, choosing Thomas Aquinas and Peter of Auvergne, respectively, as his main sources 11. A stronger argument may be built on Burley’s limited erudition in the ,De generatione‘ commentary, since it is especially visible in his works on logic and natural philosophy that he had accumulated impressive knowledge. This shows not only in the array of classical texts that he cites but
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„Mixtio contrariorum sit quando alterum non domi- „Dicit etiam quod mixtio elementorum fit quando alnatur supra alterum, neque habent equalem potentiam; terum non dominatur supra alterum, neque habent si enim potentia alterius fuerit simpliciter dominans, aequalem potentiam. Si enim potentia alterius sit simerit corruptio dominati et generatio dominantis, et si pliciter dominans, est corruptio dominati et generatio equales fuerint potentie, tunc non fiet aliqua forma, ut dominantis. Et si aequales fuerunt, tunc non fit aliqua declaratum est in quarto Metheorum.“ forma, sicut declaratum est in quarto Metheorum.“ Cf. Sylla, Walter Burley’s Practice (nt. 3), 352 sq. Op. cit., 316. Cf. J. Dunbabin, The Reception and Interpretation of Aristotle’s Politics, in: N. Kretzmann [e. a.] (eds.), The Cambridge History of Later Medieval Philosophy, Cambridge 1982, 723-737, here 729 sq.
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also in references to works by contemporary authors, including himself. In the final version of his ,Physics‘ commentary, Burley cites such philosophers and theologians as Robert Grosseteste, Thomas Aquinas and Giles of Rome, argues against William of Ockham 12 and includes large fragments of his earlier texts 13. Absence of such references was for E. D. Sylla an important argument supporting the early dating of the ,Expositio in libros Physicorum‘. As for the ,De generatione‘ commentary, it has few references to authors who are not mentioned by Averroes; moreover, the names of those authors who are mentioned - Albert the Great and Robert Grosseteste - can both be found in ,De generatione‘ and in ,Expositio‘. These observations about the style and character allow us, therefore, to state that the ,De generatione‘ commentary is by no means unique in this respect but possesses a number of features similar to the ,Expositio in libros Physicorum‘ and absent in his later works; thus, if we accept the conclusions drawn by Sylla, they seem to support the claim that it is an early work. Having browsed through arguments concerning the form of the commentary it is time to look at those which are drawn from the analysis of its content to see if the latter are in concord with the former. As far as content is concerned, one has to be careful and patient in tracing Burley’s signature ideas, since they are immersed in the generally accepted opinions that are taken mostly from Aristotle and Averroes and never marked by any distinctive form or even the first person singular applied in a sentence; moreover, none of Burley’s other works is mentioned in the ,De generatione‘ commentary, as if he wanted to reciprocate the silence about it in them. One could ask, therefore, whether such a work may be a reliable source of information about the opinions of its author. According to J. Jenkins, there are two model approaches of medieval commentators to the interpretation of texts they comment on. The first one, called historicist reading, tries only to explain the meaning of the text without any assumption about its truth; the other one, called appropriationist reading, gives an interpretation, which is in agreement with the commentator’s own views. Those two ways of treatment of the text can be seen as extremes, between which a spectrum of interpretative attitudes exists 14. E. D. Sylla notices that in Burley’s ,Physics‘ commentaries the proportion of appropriationist to historicist reading is growing with each consecutive commentary 15. Although the ,De generatione‘ commentary does not have its sequel, there is sufficient number of overlapping issues that would make comparison and identification of original ideas possible. Some of these ideas seem to have been constant or at least did not undergo much change over time. For instance, in ,Expositio vetus‘ on the ,De sex princi12 13
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Cf. Sylla, Walter Burley’s Practice (nt. 3), 316. Cf. E. D. Sylla, Walter Burley’s Physics’ Commentaries and the Mathematics of Alteration, in: Early Science and Medicine 6 (2001), 149-184, here 174; R. Wood, Walter Burley’s Physics Commentaries, in: Franciscan Studies 22 (1984), 275-303, here 284 sq. Cf. J. Jenkins, Expositions of the Text: Aquinas’s Aristotelian Commentaries, in: Medieval Philosophy and Theology 5 (1996), 36-62, here 39 sq. Cf. Sylla, Walter Burley’s Practice (nt. 3), 318.
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piis‘, which is a work dated for 1302, Burley presents the characteristic of various types of generation, giving his own interpretation to the distinction made by Aristotle 16. Almost the same characteristic can be found in the ,De generatione‘ commentary 17. Another example of philosophical consistence, though not of originality, is Burley’s opinion on the status of elements in mixtione, with respect to which he unswervingly supports the teaching of Thomas Aquinas, who claimed that elementary forms exist virtually in composite bodies 18. Some other ideas are original but seem to have little relation to other works. This is especially true about issues that are characteristic for the ,De generatione‘ only, such as the distinction between growth and putting up weight 19. In his 16 17
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Aristoteles, De generatione et corruptione, I. 3, 317b1-10. Cf. the following fragments. I would like to thank Mischa von Perger for his kind permission to use his transcript of the text of the commentary on ,Liber sex principiorum.‘ Gualterus Burlaeus, Commentarius in libros Gualterus Burlaeus, Commentarius in Librum De generatione et corruptione, in: Gensler, sex principiorum, Ms Cambridge, Gonville Kłopotliwa zmiana (nt. 5), 231: and Caius College, 448/409, fol. 87rv: „Generatio potest dici ,simplex‘ respective vel abso- „Et intelligendum est, quod duplex est generatio, scililute.Generatio simplex respective dicta est generatio en- cet *generatio+ simplex et generatio quaedam, et uttis nobilioris respectu generationis entis vilioris, et hoc raque dicitur dupliciter: absolute et in respectu. Gensive sit in diversis praedicamentis sive in eodem praedi- eratio simplex absoluta est generatio cuiuscumque subcamento, et hoc sive sit in substantia sive in accidenti- stantiae indifferenter. Generatio quaedam absoluta est bus. Unde breviter ista generatio dicitur ,simplex‘ re- generatio cuiuscumque accidentis indifferenter. Genspective in qua generatur ens nobilius, et illa dicitur eratio simplex respectiva *est+, quandocumque ex mi,generatio quaedam‘ in qua generatur ens vilius. Verbi nus nobili fit magis nobile, sive in substantia sive in gratia, quia substantia est ens nobilius quam accidens, accidentibus: in substantiis, ut si ex terra fiat ignis, in ideo generatio substantiae dicitur ,generatio simplex‘ re- accidentibus, ut si ex immusica fiat musica. Generatio spectu generationis accidentis, et generatio accidentis di- quaedam respectiva est, quandocumque ex magis nocitur ,generatio quaedam‘. Et sic generatio rei unius bili generatur minus nobile sive in substantiis sive in praedicamenti dicitur esse simplex respectu generationis accidentibus. Et opposito modo est de corruptione.“ rei alterius praedicamenti. Similiter comparando res eiusdem praedicamenti ad invicem dicitur aliqua generatio ,simplex‘ et aliqua generatio ,quaedam‘ secundum quid. Verbi gratia, in substantia generatio ignis ex terra dicitur ,generatio simplex‘ in comparatione ad generationem terrae ex igne, quia generatio ignis est generatio entis nobilioris, et generatio terrae est generatio entis vilioris.“ Gualterus Burlaeus, Commentarius in libros De generatione et corruptione, in: Gensler, Kłopotliwa zmiana (nt. 5), 323: „Intelligendum quod, cum dicitur quod elementa manent in mixto in virtute, vel quod virtutes elementorum manent in mixto, hoc non debet sic intelligi quod eaedem virtutes secundum numerum quae fuerunt in elementis, postea erunt in mixto. Sed dicitur quod elementa manent in mixto in virtute, propter hoc quod mixtum habet consimilem virtutem virtutibus elementorum. Nam a qualitatibus mixtis possunt procedere consimiles operationes, quales procedunt a qualitatibus elementorum. Nam mixtum per suas qualitates potest calefacere, frigefacere, humidicare et desiccare; et consimiles operationes procedunt a virtutibus consimilibus. Ideo dicitur quod elementa manent in mixto in virtute, quia mixtum habet virtutes consimiles virtutibus omnium quattuor elementorum, non quia substantiae elementorum manent in mixto nec etiam qualitates elementorum, sed quia virtutes consimiles.“ Cf. Thomas de Aquino, Summa Theologiae, I, 76, 4. Cf. M. Gensler, Averroes’ Influence in Walter Burley’s Commentary on De generatione et corruptione, in: A. Speer/L. Wegener (eds.), Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 33), Berlin-New York 2006, 641-652, here 645 sq.
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analysis of growth, one can see some influence of Aquinas, when Burley states that a qualitative change can be analysed as taking place in the subject. Still, he stresses the connection between the quality and its subject only with respect to changes in extension, which to his mind are quantitative rather than qualitative changes, whereas in the case of qualitative changes, he is interested in the latitude of forms between the extremes as a condition for gradual change 20. The position he presents in ,De generatione‘ is not yet mature, for he limits the use of the concept of the latitude of forms to the problem concerning the mixtion of elements; still it shows well that this is an early stage of his idea, where he was not yet self-assured enough to reject the authority of Aquinas, whose opinions on other issues he shared even later in life, but was already testing his own solutions. With respect to Burley’s signature ideas, of which the latitude of forms is one, we do not see much of them. The problem of the first and last instant (incipit/desinit) is addressed marginally and briefly in the discussion concerning growth (augmentatio), still, the view he is presenting there is his well-known opinion that there is no first and last instant of change 21. And although one cannot find the mature concept of remissio et intensio formarum, it seems that Burley had already had some of its components. Apart from the one already mentioned, we can see two more: one is the critical attitude to the Scotist solution of the problem of qualitative change, i. e. the so-called addition of forms theory, the other is his insistence that the qualitas mixta of a composite body is a new 20
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Gualterus Burlaeus, Commentarius in libros De generatione et corruptione, in: Gensler, Kłopotliwa zmiana (nt. 5), 270-271: „Intelligendum quod illa exempla quae Philosophus ponit, non sunt intelligenda secundum veritatem sermonis, sed secundum usum loquendi. Pro quo est intelligendum quod aliter est intelligendum in animatis et in inanimatis. In animatis est ita quod eadem forma numero quae est in una materia, potest fieri in alia materia. Unde eadem forma numero quae modo est in animato vel in aliqua parte animati, potest fieri et induci in materiam alimenti. Sed in inanimatis non est ita. Nam eadem forma inanimati, quae est in una materia, ita eadem numero numquam potest induci in aliam materiam. Et propter hoc animata proprie augentur, sed inanimata non proprie augentur. Unde in inanimatis non est proprie augmentatio nisi secundum additionem. Unde si vinum apponatur aquae et vinum convertat aquam in vinum, ibi in materiam aquae inducitur nova forma. Et si ligna apponantur igni praeexistenti, ibi nova forma ignis inducitur in materiam lignorum, quia si forma praeexistens induceretur, ita proprie esset augmentatio in inanimatis sicut in animatis. Dicimus tamen ignem augmentari, quando combustibilia apponuntur igni; et tamen certum est quod nullus ignis augetur, quia nec ignis praeexistens, nec ignis de novo genitus, nec ignis compositus ex utroque. Sicut tamen dicimus quod ignis augmentatur, quando combustibilia apponuntur igni praeexistenti, sic est secundum veritatem, quod res augetur, quando materia alimenti fit sub forma praeexistente ipsius aucti.“ Op. cit., 264 sq.: „Antequam forma aucti inducatur in materiam alimenti, oportet alimentum alterari; oportet enim quod alteratio praecedat corruptionem alimenti. Et illa alteratio mensuratur tempore. Volo tunc quod A significet ultimum instans temporis mensurantis alterationem praecedentem totam corruptionem alimenti. Quaero tunc: Aut in A aliqua pars alimenti corrumpitur aut nulla. Si aliqua pars alimenti corrumpatur, oportet quod nulla pars eius prius fuit corrupta, quia aliter A non esset ultimum instans temporis mensurantis alterationem praecedentem totam corruptionem alimenti. Illa igitur pars alimenti quae erit corrupta in A, erit corrupta simul tota, et per consequens aliqua pars formae ipsius aucti est inducta tota simul in materiam ipsius partis alimenti. Nec est dare quod in A nulla pars alimenti est corrupta, quia sic oporteret quamlibet partem ipsius alimenti adhuc alterari antequam corrumperetur, et sic A non foret ultimum instans alterationis praecedentis.“
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individual quality rather than the resultant of concomitant elementary qualities 22. Putting those pieces of information together we can say that even though the analysis of the ,De generatione‘ commentary discovers little that could come under the label of appropriationist reading, what can be found is sufficient to support the claim that the ,De generatione‘ commentary is an early work of Burley. If the ,De generatione‘ commentary is an early work, it is most likely that it was composed during Burley’s regency in Oxford. According to Weisheipl, commenting on ,De generatione‘ did not belong to the compulsory part of the curriculum in the Arts faculty there 23. It is probable, therefore, that Burley turned to that work only after he had fulfilled his duties as a Regent Master. Since commenting on the ,Physics‘ and other obligatory texts certainly filled the time a Master was obliged to teach, the earliest possible date for the ,De generatione‘ commentary could be 1304, which marks the middle of his extended regency. However, it is possible that he started it even later. Commenting on ,De generatione‘ was supposed to take one term only, so Burley could have done it in any of the years between 1304 and 1306/7, when he most probably concluded his regency, but the unfinished form of the commentary is an attractive argument for supporting the latter date, as it would explain why Burley, who was busy packing his suitcases for Paris, had no time to polish his work. Even if the actual teaching had taken place earlier, it is imaginable at least that editing of his notes took place after finishing the lectures and that would make spring 1308 an attractive terminus for that work. The argument seems strengthened by the fact that the early ,Physics‘ commentary has a similar shape, too. That could mean that Burley was leaving his lecture notes to give them finishing touches in free time later. It is tempting to suppose that the unfinished state, in which Burley left both commentaries, is a testimony to the haste, in which he left Oxford once he obtained a leave, probably long desired, to go to Paris to study theology. There is hardly a way to verify this suspicion, but since he never returned to commenting on the ,De generatione‘ (much unlike the ,Physics‘), it is extremely unlikely that any part of that work was composed after spring of 1308.
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Op. cit., 322 sq.: „Unde intelligendum quod, sicut corporis simplicis est aliqua qualitas simplex, ita proportionaliter corporis mixti debet esse qualitas mixta. Unde caliditas, quae est in corpore mixto, non est caliditas simplex, sed est caliditas remissa. Remissa autem non est nisi per frigiditatem; et ita in mixto manet calidum ut frigidum et frigidum ut calidum, et ita remanet ibi quaedam qualitas media quae ita se habet ad corpus mixtum, sicut qualitas simplex ad corpus simplex. Et ita, sicut illa qualitas media continet qualitates extremas in virtute, sic forma mixti continet formas elementorum in virtute. Et illa qualitas media sic continet qualitates extremas, quod non continet istas sub actualitatibus propriis; et ideo forma mixti continet formas elementorum non sub actualitatibus propriis.“ Cf. J. Weisheipl, Curriculum of the Faculty of Arts at Oxford in the Early Fourteenth Century, in: Medieval Studies 26 (1964), 143-185, here 173-176.
Scotistic and Ockhamist Contributions to Kilvington’s Ethical and Theological Views * Monika Micha£owska/Elz˙ bieta Jung (Ło´dz´) The thought of Richard Kilvington has received more attention from medieval scholars in the recent years. The most discussed part of his work is logic, due to Norman Kretzmann, who edited and commented on Kilvington’s ,Sophismata‘ which is a treatise on syncategorematic terms 1. Recently Kilvington’s natural philosophy has also been analyzed in detail 2. However, neither his moral philosophy nor theology has been scrutinized, although these disciplines play an important role in his thought 3. Kilvington’s concept of logic is considered significant for the development of the art in the 14th century 4. Moreover, his *
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This paper was written thanks to financial support of the Polish Ministry of Higher Education (grant no. N101 025 32/2286). Richard Kilvington, The Sophismata of Richard Kilvington (Auctores Britannici Medii Aevi 12), edd. B. Kretzmann/N. Kretzmann, Oxford 1990; B. Kretzmann/N. Kretzmann, The Sophismata of Richard Kilvington. Introduction, Translation and Commentary, Cambridge-New York 1991. Cf. e. g., E. Jung olim E. Jung-Palczewska, Motion in a Vacuum and in a Plenum in Richard Kilvington’s Question: ,Utrum aliquod corpus simplex posset moveri aeque velociter in vacuo et in pleno from the Commentary on the Physics‘, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 25), Berlin-New York 1997, 179193; ead., The Concept of Time in Richard Kilvington, in: G. Alliney/L. Cove (eds.), Tempus Aevum Aeternitas. La concettualizzazione del tempo nel pensiero tardomedievale (Atti del Colloquio Internazionale Trieste, 4-6 marzo 1999), Florence 2000, 187-205; ead., Works by Riˆ ge 67 (2000), 182chard Kilvington, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen A 223; ead., Art. ,Richard Kilvington‘, in: E. N. Zalta (ed.) The Stanford Encyclopedia of Philosophy, URL: http://plato.stanford.edu/archives/fall2001/entries/kilvington/ (Edition Fall 2001); ead., Richard Kilvington on Local Motion, in: P. Bakker (ed.), Chemins de la pense´e me´die´vale. E´tudes offertes a` Z. Kaluza, Turnhout 2002, 113-133; ead., Mie˛dzy filozofia przyrody a nowoz˙ytnym przyrodoznawstwem. Ryszard Kilvington i fizyka matematyczna w s´redniowieczu, Ło´dz´ 2002; E. Jung/R. Podkon´ski, Richard Kilvington on Proportions, in: J. Biard/S. Rommevaux (eds.), Mathe´matiques et the´orie du mouvement XIVe-XVIe sie`cles, Tour 2007, 81-101; E. Jung/R. Podkon´ski, Richard Kilvington on Continuity, in: Ch. Grellard/A. Robert (eds), Atomism in Late Medieval Philosophy and Theology, Leiden-Boston 2009, 65-84. Cf. E. Jung/M. Michałowska, Jak byc´ sprawiedliwym? Ryszarda Kilvingtona komentarz do Etyki Arystotelesa, in: A. Kijewska (ed.), Ksie˛ga pamia˛tkowa ku czci profesora Edwarda Iwo Zielin´skiego OFMConv (Roczniki filozoficzne 56, 2), Lublin 2008, 117-127; M. Michałowska, Kilvington’s Concept of Prudence from Questions on Ethics, in: Mediaevalia philosophica Polonorum 37, 3 (2008), 85-94. Cf. e. g. the Introduction in Kretzmann/Kretzmann, The Sophismata of Richard Kilvington (nt. 1); id., Richard Kilvington and the Logic of Instantaneous Speed, in: A. Maieru/A. Paravicini
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solutions to the problem of motion and the invention of the new rule of motion cannot be overestimated. Although historians commonly attribute this new rule to Bradwardine Kilvington’s new rule was the first spark of light to develop mathematical physics in the High Middle Ages 5. For these reasons, we wish to examine whether Kilvington’s practical sciences were fruitful and noteworthy against the background of some major philosophical trends of the High Middle Ages. Since Scotistic and Ockhamist ideas can be found in Kilvington’s thought - in Richard’s metaphysics for example, we can easily trace Ockham’s influence 6, whereas in his mathematics and physics Scotus’s arguments against atomism are visible 7 - we decided to focus our investigations on the contributions of Ockhamist and Scotistic thought to Kilvington’s ethics and theology. Since Kilvington’s two works dedicated to the concepts of practical sciences viz. ,Questions on Ethics‘ and ,Questions on Sentences‘ 8 are lengthy (the ,Questions on Sentences‘ in the modern critical edition which we are working on, are one thousand pages) we will focus on the most representative and significant issues such as the status of willing, not-willing and nilling, the role of prudence in producing a moral act, the relation between God’s ordained and absolute power and finally the problem of future contingent events. Since it is commonly known that Ockham was a critical reader of Scotus, it seems reasonable to investigate whether Kilvington consequently follows Ockham’s nominalism or Duns Scotus’s realism, or perhaps by blending them together he finds his own solutions to the posed problems.
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Bagliani (eds.), Studi sul XIV secolo in memoria di Anneliese Maier, Rome 1981, 143-178; F. Bottin, Analisi linguistica e fisica Aristotelica nei ,Sophysmata‘ di Ricard Kilmyngton, in: C. Giacon (ed.), Filosofia e politica, et altri sagii, Padua 1973, 125-145; id., Un testo fondamentale nell’ambito della ,nuova fisica‘ di Oxford: I Sophismata di Ricard Kilmington, in: A. Zimmermann (ed.), Antiqui und Moderni. Traditionsbewußtsein und Fortschrittsbewußtsein im späten Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 9), Berlin 1974, 201-205; B. D. Katz, On a Sophisma of Richard Kilvington and a Problem of Analysis, in: Medieval Philosophy and Theology 5 (1996), 31-38; D. A. di Liscia, Kalkulierte Ethik: Vives und die ,Zerstörer‘ der Moralphilosophie (Le Maistre Craston und Almain), in: S. Ebbersmeyer/E. Kessler (eds.), Ethik - Wissenschaft oder Lebenskunst?, Berlin 2007, 75-106, especially 95 sqq. Cf. Jung, Works (nt. 2), 203-218; ead., Richard Kilvington on Local Motion (nt. 2), 129-133. For the discussion of the influence of Kilvington’s arguments on Thomas Bradwardine’s ,Tractatus de proportionibus‘, cf. E. D. Sylla, The Origin and Fate of Thomas Bradwardine’s ,De proportionibus velocitatum in motibus‘ in Relation to the History of Mathematics, in: W. R. Liard/S. Roux (eds.), Mechanics and Natural Philosophy before the Scientific Revolution, Dordrecht 2008, 67-119, especially 95 sqq. Cf. e. g. Jung, Art. ,Richard Kilvington‘ (nt. 2); ead., Richard Kilvington on Local Motion (nt. 2), 128-133. Cf. R. Podkon´ski, ,Jak Arystoteles z Euklidesem …‘. Dowody matematyczne w filozofii oksfordzkiej XIV wieku, in: Studia Warmin´skie 61-62 (2004-2005), 113-123; id., Al-Ghazali’s Metaphysics as a Source of Anti-Atomistic Proofs in John Duns Scotus Sentences’ Commentary, in: A. Speer/L. Wegener (eds.), Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 33), Berlin-New York 2006, 612-625. For details about manuscripts, cf. E. Jung, Works (nt. 2).
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Richard Kilvington (ca. 1302-1361, we know almost seventy different spellings of his name) studied in Oxford, where he became a master of arts (1324/ 25) and then a doctor of theology (ca. 1335). Kilvington, along with Thomas Bradwardine, constituted the first academic generation of the school of the socalled Oxford Calculators. His academic career was followed by a diplomatic and an ecclesiastical one. He was in the service of Edward III and took part in diplomatic missions. His career culminated in his service as a dean of St. Paul’s Cathedral in London. Along with Richard Fitzralph, Kilvington was involved in the battle against mendicant friars. Kilvington’s academic career was a relatively short stint early in his life. It finished when he was about thirty-three, and it served as a launching pad to a successful diplomatic and ecclesiastical career. Kilvington’s philosophical works: ,Sophismata‘ and ,Quaestiones super De generatione et corruptione‘ (written before 1325), ,Quaestiones super Physicam‘ (ca. 1326) and ,Quaestiones super libros Ethicorum‘ (before 1332) as well as his theological questions on Lombard’s ,Sentences‘ (ca. 1334) stem from his lectures at Oxford. In accordance with the 14th century Oxford practice, the number of topics discussed by Kilvington was reduced to some central subjects. This reduction was counterbalanced by an increased intensity of analyses in the questions chosen for treatment. Some of his questions are spread on fifteen folios, which gives about 150 pages in modern editions. The form of Kilvington’s works, the extensive use of the sophisma scheme, the mathematization of ethics and theology, and frequent consideration of hypothetical cases (secundum imaginationem), place his works in the mainstream of 14th century English tradition. Kilvington, like many other English thinkers, was a leader in three main disciplines: terminist logic, mathematical physics and theology. The methods and insights achieved in the first two disciplines were used in the third area. Many of the issues were common to the fields of mathematics, logic, natural philosophy and theology 9. The application of terminist logic, and the refutation of the Aristotelian prohibition against metabasis resulted in Kilvington’s broad use of logic and mathematics in all branches of scientific inquiry to emphasize a certitude of all types of knowledge. This also brought into play four types of measurements in debates concerning theological and ethical issues. Thus, one finds the measurement by limits: that is (1) the beginning and ending of successive or permanent things (incipit/desinit), such as pleasure, volition, merit, sin, or love for God; (2) the first and last instants of the beginning and ending of continuous processes (de primo et ultimo instanti), such as confirmation, decreasing or increasing of love, and (3) the intrinsic and extrinsic limits of capacities of passive and 9
On the influence of the new 14th century method of doing science see for example a prophetic paper by J. Murdoch, Mathesis in Philosophiam Scholasticam Introducta: The Rise and Development of the Application of Mathematics in Fourteenth-Century Philosophy and Theology, in: ˆ ge. Actes du Quatrie`me H. I. Marrou [e. a.] (eds.), Arts liberaux et philosophie au Moyen A Congres International de Philosophie Me´die´vale, Montre´al 1969, 215-254.
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active potencies (de maximo et minimo) such as free will, grace, charity or volition 10. The second type of measurement uses the theory of latitude of forms, and is focused on the intension and remission of accidental forms. It is based on the vocabulary of such terms as: latitudo, intensissimus/remissimus gradus, uniformis remissio/intensio difformis, etc. In the measurement of intension and remission of forms, Kilvington is primarily interested in determining manners in which the highest degree of a quality can be introduced into a subject which already possesses a certain degree of a quality, but undergoes an alteration, and consequently in establishing a possibility of the most intense or remise degree of e. g., virtues and vices, grace, sin, reward or punishment 11. The third type of 10
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Cf. e. g. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Ethicorum, ms. Vat. lat. Ottob. 179, „Utrum quilibet vitiosus in operibus sibi propriis delectetur“, f. 34va: „Item ponatur quod A et B operationes continuentur ita quod B fiat immediate post A, tunc si non foret alica delectatio intensior de A et B quam de A tantum, tunc sicut prius nulla foret intensior delectatio de A quam de medietate A et mediate medietatis et sic in infinitum ut prius. Et ex isto sequitur quod nulla erit delectatio de A et B omnino, quia delectatio vel generaretur subito vel successive. Sed non successive, quia ex ista responsione delectatio non intenderetur ex continuatione operationis virtuose. Nec subito quia tunc fieret talis delectatio in instanti, quod est falsum, quia nec in instanti quo incipit alica operatio nec in instanti post illud instans. Non quidem in instanti, in quo incipit alica operatio, quia in tali instanti non est alica operatio cum successive fiat, igitur in instanti tali non est delectandum et cetera. Nec post illud instans primum fiet delectatio in alico instanti, quia tunc fieret operatio per tempus ante quem inciperet seu fiet delectatio, quod est falsum.“ Ibid., f. 36ra: „Et secundum istam responsionem concedendum est, quod Sortes nullum certum determinanter meretur in primo instanti nisi ipsam virtutem, meretur tamen totum primum debitum per horam si bene operetur et in quolibet instanti post primum merebitur aliquod certum primum sibi debitum, quia in quolibet instanti post primum et aliquo tempore elapso post primum instans in quo tempore Sortes bene operabatur et pro tali meretur Sortes tunc aliquod primum certum. Nec tamen intelligendum ex dictis est quod Sortes per operationem instantaneam vel propter hoc quod in instanti bene operatur aliquod mereatur precise in tali mensura instantanea et indivisibili, quod illud est falsum ut deductum est in arguendo. Aliter posset dici quod virtuosus in primo istanti nihil omnino meretur tamquam primum debitum virtuti sed incipit mereri primum *debitum+ virtuti.“ Id., Quaestiones super libros Sententiarum, ms. Vat. lat 4353, ff. 4v-5r: „Item arguitur: boni angeli et mali ante confirmationem bonorum et reprobationem malorum ante scilicet primum instans confirmationis per idem tempus steterunt et meruerunt, si habuerunt caritatem. Ergo si boni per idem tempus meruerunt suam confirmationem, igitur et mali. Sed forte dicitur quod angeli boni meruerunt [f. 5r ] suam confirmationem in primo instanti sue confirmationis quando alii mali cecaverunt vel peccaverunt. Contra, tunc fuerunt confirmati et minus liberi ad merendum quam numquam ante, igitur si tunc meruerunt aliqui, sequitur quod in instanti quolibet priori plus meruerent, et ita infinite meruerent. Et illud non solvit quod ponitur pro positione, quia aliquis angelus de ordine superiori fuit melius dispositus ad merendum quam angelus de ordine inferiori. Et per consequens si dilexisset Deum iuxta vires suas plus meruisset per idem tempus quam angelus de ordine inferiori, et per consequens aliquis ante instans datum fuisset confirmatus. Ad primum istorum dicendum est sicut ad auctoritatem superius allegatam, videlicet quod habuerunt dilectionem naturalem, et per illam non merebantur. Sed ex hoc non sequitur quod non habuerunt aliam dilectionem libere elicitam ex gratia ex qua merebantur. Ad secundum dici potest quod Augustinus, ut ipsemet dicit, procedit ibi disputative et nihil asserendo, vel dicendum quod loquitur de priori naturaliter et non secundum tempus. Ad tertium, quod tangit materiam de merito instantaneo et temporali diffusius tractabitur in sequentibus.“ Ibid., f. 12v: „Item ultra, omne meritum quod quis potest habere in vita, licet sibi velle habere maius meritum, igitur voluntas merendi ad nullum maximum meritum terminatur. Et per consequens voluntas merendi licite se extendit ad merendum equaliter merito Christi vel proximi.“ On the theory of intension and remission of forms see the detailed studies by E. D. Sylla, e. g. Medieval Quantification of Qualities: ,The Merton School‘, in: Archives for History of Exact Sciences 8 (1971), 7-39; ead., Medieval Concepts of the Latitude of Forms. The Oxford Calcuˆ ge 40 (1974), 223-283; ead., lators, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen A
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measurement, which employs a new calculus of compounding ratios and the new rule of motion, is frequently used in his theological and ethical questions 12. In the theological context, the role of active and passive potencies are played by, e.g., volition and sin, whereas in the ethical one by virtue and vice. The fourth type of measurement of infinities focuses on the determination of the number and relation of parts in continua. The problem of continuity-infinity is solved by means of a vocabulary like: divisibilitas, partes proportionales, excessus, pars, totum, and absolute (simpliciter) or relative (secundum quid) notions for the distinction of different types of infinities 13. Kilvington’s employment of the first three types of measurement in solutions of the continuity-infinity problems as proportiones (new dynamical law of motion) into the language of intension and remission of forms was one of the most important accomplishments of the 14th century philosophy of nature. A strong connection between theological, ethical, and physical issues can easily be noticed. Kilvington sees a clear analogy between e. g., the capacity of a fire in heating and the action of the will in sinning. Similarly, charity and fire both have an infinite capability to act, because they both continuously decrease, respectively are subject to a resistance of will or of water. A continuum increase of sin during a process of sinning in time, up to the infinite degree caused by infinite proportional division of time, can likewise be conceptualized in this manner 14. One also finds the problem of the continuous love of God connected
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The Oxford Calulators and the Mathematics of Motion 1320-1350. Physics and Measurement by Latitude, New York 1991. Ricardus Kilvingon, Quaestiones super libros Ethicorum, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 29rb: „Septimum ad principale arguitur sic: vitiosus vitio superhabundantie est virtuosus virtute respectu cuius est illa superhabundantia igitur simul sunt virtus et superhabundantia igitur unum non est corruptivum alterius. Antecedens patet quia habens vitium superhabundantie habet excedens respectu virtutis sed omne excedens est divisibile in illud quod excedit et in illud secundum quod excedit igitur tale vitium superhabundantie est divisibile in virtutem et in illud propter quod excedit virtutem et habens vitium superhabundantie habet virtutem igitur est virtuosus et illud argumentum maxime facit contra eos qui ponunt intensionem et remissionem per *a+ssimilationem formarum.“ Ricardus Kilvington, „Utrum iustitia sit virtus moralis perfecta“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, ff. 53vb54ra: „Si quaestio sit vera, tunc iustitia distributiva foret virtus moralis perfecta, et cum talis iustitia fieri debeat secundum proportionem geometricam, ut patet V Ethicorum, capitulo 6, sequitur quod distributio huiusmodi foret virtuosa. Sed probo quod non, quia ponatur primo, quod Aiax et Achilles sint equales, quibus fieri debeat distributio numismata danda Sorti et numismata danda Platoni *et+ sint equalia, tunc sint per danda numismata a et b. Tunc eadem est proportio Aiacis ad Achillem qualis est a ad b, ergo per mutatio talis est proportio Achillis ad b qualis est proportio Aiacis ad a et econverso, et per consequens distributio secundum huius proportionem foret recta. Sed probo quod non, quia tunc variata proportione in infinitum inter Achillem et Aiacem, sequeretur quod varianda foret distributio simul secundum illam proportionem in infinitum. Sed hoc est possibile de personis et non est possibile de rebus, igitur etc. Sit possibile de personis, quia proportio inter illa sit in infinitum maior, quam meliora est. Probatur, quia sit Aiax in duplo melior quam modo est et maneat Achille non meliorante.“ On Kilvington’s theory of proportion and its application to ethics and theology, cf. Jung/Podkon´ski, Richard Kilvington on proportions (nt. 2). Cf. ibid., 65-84. Cf. e. g. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, ms. Vat. lat. 4353, f. 22r: „Tamen ad primum argumentum in oppositum potest teneri primo modo, quod non probat plus de gratia que sit activitatis infinite quam de igne, nam cuiuscumque ignis in summo per minorationem resistentie in infinitum potest agere aliqua velocitate et dupla activitas ad illam, et sic in infinitum. Unde pro argumento dici potest
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to the physics of continual and instantaneous changes. He makes an analogy between a successive corruption of qualities of fire such as hotness and dryness and the love of a neighbor or God 15. Behind this mathematical structure of doing philosophy and theology, that is characteristic for all Kilvington’s works, one can always easily trace the Scotistic and Ockhamist background. The astonishing fact is that whereas Kilvington frequently quotes Scotus’s opinions, Ockham is never mentioned by name. It can be noticed at the outset, however, that Ockham’s views become the starting point for Richard’s analyses and inspire his solutions. In two of ten questions from his commentary on the ,Ethics‘ Kilvington takes into consideration one of the vividly discussed problems concerning acts of free will. Like John Duns Scotus and William Ockham he scrutinizes the relation between vera or recta ratio and volitio, as well as the status of velle, nonvelle, and nolle. The first problem is connected with the theory of the relation between prudence and knowledge, their coexistence, and denotation of the terms. Whereas the other issue is related to different choices of free will that refers to internal and external acts 16. I. T he Relation between Pr udence and Moral Knowledg e (scientia moralis) In question ten, Kilvington asks whether prudence is a habit cooperating with recta ratio when good and bad choices are made. This topic allows him to debate
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quod activitas gratie non crescit in infinitum, sed cresceret voluntatio in infinitum, quia activitas gratie non est nisi potentia agendi quam habet gratia, et potentia talis non augeatur in illo licet actio eius augeretur infinite casu illo. Et sic consimiliter eadem in actione ignis in summo quod licet actus eius sive actio cresceret in infinitum non tamen foret maior cum potentia agendi semper sit equalis.“ Ibid., f. 11r: „Ad primum istorum negatur consequentia ista: ,non prius remittetur dilectio proximi quam Dei usque ad corruptionem, igitur dilectio Dei in alico gradu et dilectio proximi in eodem sunt equales‘. Et quod consequentia non valeat patet expresse in corruptione continui. Nam in omni huiusmodi corruptione ita diu erit aliqua eius medietas incorrupta sicut totum continuum, et tamen continuum et eius medietas non sunt equales. Et consimiliter erit in qualitatibus activis et passivis, iuxta opinionem illorum qui ponunt, quod non est eadem siccitas in specie in igne et in terra, et ponatur quod ex igne generetur terra. Tunc non sequitur: ,ita cito corrumpetur tota siccitas ignis sicut tota caliditas ignis et econtra, igitur siccitas ignis et caliditas ignis sunt equales‘. Non sequitur, quia consequens est manifeste falsum, quia in igne dominatur caliditas supra siccitatem. Unde licet de forma, ut communiter sit verum, quod due forme ab equali agente in equali tempore corrumpente sint equales, non tamen generaliter est verum.“ The ten questions of ,Quaestiones super libros Ethicorum‘ are: 1. Whether every virtue is generated from action?; 2. Whether excess and deficiency cause the destruction of moral virtues?; 3. Whether the honest one takes delight in his action?; 4. Whether volition produces its acts freely?; 5. Whether courage is a medium between daring and cowardice?; 6. Whether those who act evilly should be punished by judges?; 7. Whether generosity means giving money away?; 8. Whether the magnanimous one perfects himself by means of honours that he deserves?; 9. Whether justice is a perfect moral virtue?; 10. Whether prudence is an active habit with right ratio to choose between good and evil for a man? On the list of manuscripts, cf. Michałowska, Kilvington’s Concept of Prudence (nt. 3), 89-99.
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the problem of the mutual interdependence between prudence and moral knowledge. He distinguishes two types of moral knowledge, namely: the one that consists of universal statements, and the other that is built from singular ones. The former could be called scientia necessaria and can be a result of learning (per doctrinam) gained thanks to deductive skill. The latter could be called scientia ad utrumlibet, and it is gained only through experience 17. For this reason scientia necessaria is insufficient for making a proper moral decision. A man can err with regard to moral choices although he possesses certain and complete knowledge about universal moral truths. A skilled logician is not necessarily a moral person. Making good moral decisions requires a more vital element, viz. skilled and fully-developed prudence, which in this case is the same as scientia ad utrumlibet 18. This claim allows Kilvington to conclude that a man who possesses moral knowledge is not automatically prudent, however a prudent man always possesses moral knowledge 19. Although this concept of prudence seems to be original, both Scotistic and Ockhamist influences can be traced in Kilvington’s argumentation. In the passages on the relation between prudence and moral virtue we can find Scotus’s ideas concerning the question whether there can be any moral virtue without prudence. It seems that according to Scotus’s final thesis, which is accepted by Kilvington, prudence is a habit generated by a correct opinion about the particular situation. Scotus goes further in his argumentation and states that the habit is correctly called prudence even though it may not be followed by the correct choice of will 20. Kilvington agrees with Scotus and claims that prudence is an inevitable element in making a good decision. Moreover, he discusses this latter thesis in his fourth question. Ockham’s theory of the relation between prudence and moral knowledge is hidden in Kilvington’s argumentation. Ockham distinguishes two types of moral 17 18
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Cf. ibid., 93. Ricardus Kilvington, „Utrum prudentia“, ms. Vat. lat Ottob. 179, f. 56rb: „Hic forte dicitur, quod illud argumentum bene probat, quod prudentia concomitatur scientiam et etiam quod prudens sit sciens. Sed non sequitur, quod prudentia sit scientia, quia non quilibet habens huiusmodi scientiam considerandi circa futura contingentia habet prudentiam, quia multi habent scientiam dictantem, quod talis actus bonus sit agendus et talis actus malus sit vitandus et tum per suum habitum, qui est scientia, non inclinantur ad prosequendum bonum et vitandum malum.“ Ibid., f. 58va: „Et ad Philosophum, quando dicit, quod prudentia non est scientia, dicitur quod Philosophus intendit per abstractum concretum sic videlicet, quod ex hoc, quod aliquis est sciens non est prudens, licet econverso sit, quod ex hoc, quod aliquis est prudens est sciens.“ John Duns Scotus, Ordinatio III, d. 36, in: Ioannis Duns Scoti Opera omnia, ed. Vaticana, vol. 10, Vatican City 2007, 257 sq.: „Potest igitur aliter dici, quod ille habitus generatus ex dictaminibus, sive circa fines (saltem quosdam particulares, qui sunt proprie fines virtutum moralium) sive circa media ordinata ad illos fines (circa quae forte non sunt alii habitus ab illis qui sunt circa illos fines), est proprie prudentia, licet electio recta non sequatur in eodem dictamine; et ita omnino non erit necessaria connexio alicuius virtutis moralis ad prudentiam dictativam de sua materia. Tamen, e converso, nulla electio potest esse recta moraliter nisi sit concors suae regulae et suae mensurae, quod est dictamen rectum; dictamen autem rectum natum est gignere prudentiam etiam unitam; ideo e converso potest concedi connexio, quod virtus moralis non potest esse sine prudentia circa materiam suam.“
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knowledge. The first is gained through learning, whereas the other is gained through experience and never through any kind of learning. Moreover, whereas the first kind of moral knowledge always refers to universal truths, the other can refer only to particular statements and particular situations 21. According to Ockham, prudence can be understood twofold: as knowledge about singular propositions and as universal practical knowledge. To explain the difference Ockham refers to the distinction between two kinds of acquiring knowledge: through learning and not through experience. He claims that both kinds of prudence are gained only through experience. The first one refers to singular statements, whereas the other one refers to universal practical statements. The first one is properly called prudence, while the other is commonly known as prudence 22. In Ockham’s view the second kind of knowledge that is of universal truths must be distinguished from the prudence that is of singular statements 23. This second type of knowledge, however, is the same as prudence since it is also gained through experience. In the concept of prudence, Kilvington follows Scotus and Ockham. He uses Scotus’s ideas of the relation between prudence and moral virtues, as well as Ockham’s distinction and understanding of the ways in which prudence can be gained. Although such influence is clearly seen, it does not mean that Kilvington blindly follows his predecessors. Not only does he recognize the problems concerning the concept of prudence and its relation to other virtues, but he also attempts to present further and more profound investigation. Analyzing this dilemma, he creates his own definition and concept of prudence, which seems to be a combination of his thoughts and the thoughts of his predecessors.
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Guillemi de Ockham Quaestiones, edd. G. I. Etzkorn/F. E. Kelley/J. C. Wey, New York 1984, q. 6, a. 10, 281, 220 sqq.: „Inteligendum est quod scientia moralis accipitur dupliciter. Uno modo accipitur pro omni notitia scientifica quae evidenter haberi potest per doctrinam. Et haec procedit ex principiis per se notis ut hic: ,omni benefacotri est benefaciendum; sed quilibet liebrans aliquem a morte est benefactor; igitur omni tali est benefaciendum‘. Alio modo accipitur pro notitia scientifica evidenti quae solum habetur et haberi potest per experientiam et nullo modo evidenter per doctrinam. Verbi gratia, haec ,quilibet irracundus ex tali occasione est per pulchra verba leniendus et mitigandus‘ non est evidenter sciri nisi per experientiam, ex hoc scilicet quod homo habet per experientiam notitiam evidentem de multis propositionibus singularibus, puta quod iste sit mitigandus et ille et sic de singulis.“ Ibid., 233-241: „Similiter prudentia accipitur dupliciter. Uno modo proprie pro notitia evidenti alicuis propositionis singularis quae solum habetur mediante experientia. Verbi gratia, notitia haec evidens ,iste est mitigandus per pulchra verba‘ quae est evidens virtute huius contingentis ,ille est mitigandus per talem viam‘ et hoc cognoscitur per experientiam. Alio modo accipitur communiter pro notitia evidenti alicuius universalis practice qaue solum evidenter cognoscitur per experientiam, ut quod omnis iracundus est sic leniendus.“ Ibid., 248-251: „Sed sic adhuc distinguitur [scientia moralis] a prudentia proprie dicta, quia haec prudentia est circa singularia, alia circa universalia. Et patet quomodo scientia moralis et prudentia distinguuntur.“
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II. Willing, Not-Willing and Nilling The problem of will is fully elaborated in Kilvington’s fourth question: „Whether will acts freely.“ Like John Duns Scotus 24 and William Ockham 25, Kilvington states that a human is capable of two kinds of positive acts that are willing and nilling, and a passive one that is not-willing 26. Although he neither explicitly presents a complete theory of volition nor gives the exact definitions of the terms, he does make a detailed analysis of the issue. It proves that Kilvington distinguishes three steps of willing that create a certain type of hierarchy and can be analyzed in either ontological or epistemological order. Kilvington primarily seems to investigate the issue from the ontological perspective. Thus the first and highest step of willing, is an act of will that always wills, that can never be passive or in potentia. Here Kilvington seems to be directly influenced by Scotus who, in ,Ordinatio‘ I, d. 1 also claims that will cannot be suspended 27. Thus Kilvington concludes that even if the will wants nothing (velle nihil) it always wills 28. Therefore the conclusion here seems obvious: the will cannot get rest and is always determined to an act of willing. The claim of absolute and primary freedom of will seems to be confirmed by Kilvington’s statement according to which the free will of volition is the primary principle in genus of contingent propositions. It is the most famous of Scotus’s rules according to which a secondary principle has its source in the primary principle with regard to the choices of God’s free will 29. The second step of volition has two types of willing: active and passive. The active one, as we have already mentioned, 24
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John Duns Scotus, Ordinatio I, d. 1, pars 2, q. 2., no. 149, in: Ioannis Duns Scoti Opera omnia, ed. Vaticana, vol. 2, Vatican City 1950, 100: „Ad tetrium dicitur uno modo quod licet non sit ibi defectus alicuius boni nec aliqua malitia et ideo forte non posset voluntas illud nolle, quia obiectum actus nolendi est malum vel defectivum, potest tamen illud bonum perfectum non velle, quia in potestate voluntatis est non tantum sic et sic velle sed etiam velle et non velle, quia libertas eius est agendum vel non agendum.“ Guillemi de Ockham Ordinatio, edd. G. Gal/S. Brown, New York 1967, liber 1, d. 1, q. 6, 506: „Si autem accipiatur frui large pro actu appetendi, sic dico quod finem ultimum, sive ostendatur in generali sive in particulari, sive in via sive in patria, potest absolute voluntas eum velle vel non velle vel nolle.“ Ricardus Kilvington, „Utrum iustitia“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 55rb: „Hic dici potest uno modo concedendo, quod ex hoc, quod Socrates vellet non facere iustitiam primis 10, ex hoc fiet simpliciter non iustus, quia velle non facere iustitiam aliquibus in tempore debito et cum circumstantiis aliis requisitis est velle esse iniustum vel nolle esse iustum seu non velle esse iustus.“ Cf. also Ioannes Duns Scotus, Ordinatio I, d. 1, pars 2, q. 2, nos. 149-152 (nt. 24), 100, 102 sq.; Ockham, Ordinatio, liber 1, d. 1, q. 6 (nt. 25), 506. John Duns Scotus, Ordinatio I, d. 1, pars 2, q. 2, no. 150 (nt. 24), 102: „Potest tamen dici quod ipsa voluntas per aliquod velle elicitum imperat actionem potentiae inferioris vel prohibet. Non autem potest sic suspendere omne velle, quia tunc simul nihil vellet et aliquid vellet. Sed quidquid sit de suspensione omnis velle, saltem potest suspendere omnem actum circa istud obiectum per aliquod velle elicitum, et hoc modo nolo nunc aliquid elicere circa istud obiectum quousque distinctius ostendatur mihi. Et istud nolle est quidam actus elicitus.“ Ricardus Kilvington, „Utrum voluntas suos actus producat libere“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 38rb: „Et per idem probatur quod voluntas non potest *velle+ se velle vel nolle, quia si vellet se nihil velle, igitur vult, et sequitur voluntas nihil vult, et ita ex antecedente sequitur contradictio, igitur est impossibilis. Et per istud patet quod voluntas si vult aliquid quod vellet se nolle sic est libere.“ Cf. infra the part on Scotus’s and Kilvington’s theory of contingency.
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refers to volition and nolition, that can be understood as the intentions of will. Thus here we have two possible choices that will can make, viz. velle volitionem and velle nolitionem 30. As active, the will must finally make a decision between these two. It may happen, however, that being unsure about its ultimate choice, the will can find itself in a passive state. It is the other type of willing, viz. nonvelle that lies directly in the middle between velle and nolle. It must be pointed out here that the second step of will is an example of the absolute freedom of will, even towards its own internal acts. The third and the lowest step refers to acts of will that must always have an external object. Thus two options that exist here are: velle aliquid and nolle aliquid. Although Kilvington also uses the term non-velle aliquid, in this context it always means nolle aliquid. In our opinion, the problem of making free moral decisions is closely related to the concept of prudence. At the second step, when will refers to its internal acts, it seems able to make a good or proper decision only when supported by prudence. Since prudence as a quality undergoes intension and remission, it can be trained and developed throughout one’s life 31. The training in good moral decisions decreases the need for non-velle options, and helps a man to make a decision in any context, whether it is a velle decision or nolle decision. Moreover, it helps a man to make a good moral decision. The cooperation between will and prudence operates at different levels of perfection. Some of us possess the quality in summo and therefore always make good moral decisions and never doubt and thus can be called prudent 32. Other agents are not led by prudence and act against it 33. Consequently, they cannot be called prudent. It seems that most of us rarely make good moral decisions and often remain in doubt, fixed at the state of non-velle. Thus it appears that prudence is a necessary condition of a good act, but not a sufficient one 34, whereas willing is a necessary condition 30
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Ricardus Kilvington, „Utrum voluntas suos actus producat libere“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 38rb: „Et tunc arguitur sic: voluntas volet volitionem A et voluntas est libera ad nolendum sicut ad volendum, ergo voluntas A *vellet et nollet+, et per consequens illud erit volitum et nolitum sub eadem voluntate.“ Ricardus Kilvington, „Utrum prudentia“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 58ra: „Ad primum argumentum, quando probatur, quod prudentia partibiliter acquiretur, conceditur.“ Ibid., f. 58vb: „Ad quartum principale conceditur conclusio prima, quod prudentia summe inclinante per aliquod tempus et per veram rationem ad agendum prudens exsequatur actum necessario sic, quod ly ,necessario‘ denotaret consequentiam, quia haec consequentia est necessaria: ,prudentia summe inclinat per veram rationem prudentem ad aliquid agendum, igitur prudens exsequitur‘“. Ibid., f. 58vb: „Sive non est possibile, quod prudentia summe inclinat, quia si prudens nolit exsequi actum ad quem per veram rationem inclinat prudentia, tunc talis non est summe prudens. Et ita sequitur, quod eius prudentia non summe inclinat, et cetera.“ Ibid., f. 57rb: „Si conceditur conclusio prima, quae arguitur videlicet quod prudentia summe inclinante per aliquod tempus per rationem veram ad aliquid agendum, prudens necessario exsequatur actum ad quod inclinat prudentia - contra. Tunc prudentia ipsa sic inclinans cogeret voluntatem, quod est impossibie vel sequitur quod prudens necessario facit actum ,velit‘, ,nolit‘, quod est etiam impossibile.“ Ibid., f. 58vb: „Ad quartum principale conceditur conclusio prima, quod prudentia summe inclinante per aliquod tempus et per veram rationem ad agendum prudens exsequatur actum necessario sic, quod ly ,necessario‘ denotaret consequentiam, quia haec consequentia est necessaria: ,prudentia summe inclinat per veram rationem prudentem ad aliquid agendum, igitur prudens exsequitur‘.“
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of any act, including a good one, whereas it is not a sufficient condition of a good act. There is, however, the possibility of acting with prudence when will acts against ratio erronea and as a result produces a good act. Moreover, by doing so it can get used to it. The repetition of this kind of good acts generates a habit of moral virtue 35. This is possible, however, only if we act against ratio erronea which causes a decrease of ratio erronea and at the same time an increase of ratio recta. Eventually by doing so, the will starts to follow consciously right ratio 36. It seems that Kilvington raises that argument to avoid the conclusion that a good act could be produced accidentally. And once more it becomes obvious that for Kilvington right ratio is a necessary condition of a good act. If we accept, after Kilvington, that prudence plays an essential role in producing good moral acts, an important question arises viz.: whether it has the same status and character as the other virtues. Kilvington presents two opinions. According to John Duns Scotus, prudence is a genus of many species of different prudences 37. This genus of prudence rules all the other virtues and allows a man to be prudent in all kinds of different situations. If it is so, a man can have prudence without any other virtues, but not vice versa 38. According to the other opinion, that most likely follows William Ockham - though he does not state it clearly -there are many prudences and each moral virtue is supported by its own prudence 39. Thus a man is prudent by means of many prudences 35 36
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Ibid., f. 58ra: „Tunc ex frequentabilibus actibus bonis causatur habitus in voluntate.“ Ibid., f. 58ra: „Octavo ad principale probatur, quod quaestio sit falsa. Et arguitur sic: virtus moralis generari potest sine ratione [recta] et vera; sed virtus moralis et prudentia sunt connexae, sicut patet VI Ethicorum in fine; igitur et prudentia potest generari sine vera et recta ratione. Maior patet, quia ratione erronea summe movente voluntatem potest ipsa voluntas libere producere actum contrarium ipsi rationi erroneae, quia aliter cogeretur voluntas, ut patet et *ut+ arguitur in quarto principali. Sed cum ratione summe erronea non coniungitur nec iungi potest ratio vera et recta. Tunc arguitur sic et ponatur, quod voluntas contra huiusmodi rationem erroneam producat actum bonum et assuefiat ad producendum huiusmodi actus bonos. Tunc ex frequentabilibus actibus bonis causatur habitus in voluntate, qui est virtus moralis et sine ratione recta, et per consequens causatur prudentia sine ratione vera et recta et sic sequitur, quod prudentia non sit habitus cum ratione vera activus.“ John Duns Scotus, Ordinatio III, d. 36 (nt. 20), 259 sq.: „Qualiter autem omnes prudentiae sunt unus habitus, et omnes habitus geometriae pertinent ad unam scientiam universalem, dictum est quaestione illa VI Metaphysicae, quia ibi debet intelligi non unitas formalis sed virtualis: quia sicut habitus ille qui est de primo subiecto, est formaliter unus ab eo, et est virtualiter omnium illorum qui continentur in illo primo subiecto, sed non formaliter est illorum, ita habitus ille qui est formaliter alicuius finis in aliquibus agibilibus, est virtualiter omnium illorum quorum cognitio practica includitur virtualiter in illo fine; sed non est formaliter omnium illorum, - et ita una ,prudentia formaliter‘ est virtualiter omnium virtutum, extendendo nomen ,prudentiae‘ ad illum habitum qui est intellectus primi principii practici.“ Ibid., 258: „Ideo e converso potest concedi connexio, quod virtus moralis non potest esse sine prudentia circa materiam suam.“ Guillemi de Ockham Quaestiones, q. 7, a. 2, nos. 50 sq. (nt. 21), 332: „Et isto modo potest probari distinctio, non tantum numeralis inter istas prudentias, sed etiam specificam.“ Ibid., nos. 491-496, 362: „Quantum ad quartum articulum huius tertii articuli sit haec prima conclusio, quod nulla virtus moralis nec actus virtuosus potest esse sine omni prudentia, quia nullus actus est virtuosus nisi sit conformis rectae rationi, quia recta ratio ponitur in definitione virtutis, II Ethicorum; igitur quilibet actus et habitus virtuosus necessario requirit aliquam prudentiam.“
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that are not governed by one ,ideal‘ prudence. Kilvington seems to follow an Ockhamist perspective claiming that there are many prudences, not one 40. Analyzing the problem he presents an argument against the Scotistic view that seems to him less probable 41. He draws an analogy between prudence and the idea of a human being. Since in his opinion the idea of a human being is as perfect as substantial forms existing in human beings, there is no need to introduce another kind of prudence that would govern all individual prudences. It may happen, however, that a man can become prudent in the highest degree, which means that he must have all other virtues perfectly developed. Thus, against Scotus, Kilvington states that there is no such possibility that a man can have prudence and at the same time not have the other virtues 42. III. Absolute and Ordained Power of God Kilvington accepts Scotus’s distinction of absolute and ordained powers of God. He clarifies this distinction in order to solve the problem of predestination and God’s foreknowledge, which are issues subordinated to the main question of whether a bad act (actus malus) of free will is a thing. After Scotus, Kilvington defines God’s ordained and absolute powers as follows: „God’s power is called ordained insofar as it is a principle for doing something in conformity with a right law with regard to established order. God’s power is called absolute insofar as it exceeds God’s ordained power, because thanks to it He can act against established order. The jurists commonly use these terms de facto and de iure. For example they say that a king can do de facto everything which is not in accord with ordained law.“ 43 40
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Ricardus Kilvington, „Utrum prudentia“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 58ra: „Unde ille, qui prudens est simpliciter non solum prudens est per unam prudentiam sed per multas prudentias.“ Ibid., f. 58rab: „Aliter tamen posset dici, sed minus probabiliter ut mihi videtur, quod tunc est una prudentia cum subiecto uno. Et quando probatur quod non, quia virtutes sunt diversae speciei igitur respectu illarum virtutum erunt prudentiae diversae speciei dicitur quod consequentia non valet. Et ratio est, quia prudentia est principium omnium virtutum et ex eisdem principiis vel eodem principio possunt esse multa principalia distincta secundum speciem, sicut manifeste patet in elementis simplicibus, quae sunt principia respectu mixtorum et animatorum, quia licet ibidem eadem sint principia secundum speciem vel genus, ut ita loquitur, respectu diversarum specierum non oportet, quod principaliter sint eiusdem speciei.“ Ricardus Kilvington, „Utrum liberalitas sit circa pecunias medietas“, ms. Vat. lat. Ottob. 179, f. 49vb: „Dico quod in summe prudente omnes virtutes morales sunt conexe.“ On such an interpretation of Scotus’s concept of prudence, cf. A. B Wolter, Duns Scotus on the Will and Morality, Washington 1997, 87 sq. Cf. also nt. 20. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, q. 4: „Utrum quilibet actus voluntatis per se malus sit aliquid“, ms. Vat. lat. 4353, f. 54v: „Ut videatur quod vellim dicere in ista materia suppono primo significationem illorum vocabulorum de potentia ordinata et potentia absoluta Dei. Et ne videar abuti significatione istorum dico cum Scoto super I Sententiarum distinctio 44, quod potentia Dei dicitur ordinata in quantum est principium exsequendi aliqua que conveniunt legi recte secundum ordinem fixum. Potentia vero dicitur Dei absoluta que excedit Dei potentiam ordinatam, quia potest per eam agere contra legem ordinatam. Ulterius dico quod Deus de sua potentia absoluta potest facere omne quod non includit contradictionem. Unde iuriste consimiliter utuntur istis terminis de facto et de iure. Verbi gratia rex potest facere de facto quod non
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Although Scotus never explicitly claims that ordained and absolute powers of God may have been considered as ,separate‘, such an interpretation is possible and correct, as Courtnay states 44. Moreover, it is undoubtedly the interpretation elucidated by Kilvington. He expressis verbis says that both of God’s powers are intensively infinite simpliciter, but God’s absolute power is infinitely greater, i. e., more capable than the ordained one, since only by His absolute power, God might have annihilated the world 45. Since God’s justice comes from His essence and like His power is absolute and ordained, his annihilation of the world would be no less just than his conservation of it 46. Like Scotus, Kilvington is convinced that potentia absoluta is a capacity which really is or can be actualized by God. Thus miracles are only one example of God’s acting by His absolute power against the ordained order. Also particular events show God’s deviation from laws established as the natural order, and they reflect God’s individual judgment 47. Although, Kilvington does not make
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erunt secundum legem ordinatam nec conveniunt isti.“ John Duns Scotus, Ordinatio I, d. 44, q. u., in: Ioannis Duns Scoti Opera omnia, ed. Vaticana, vol. 6, Vatican City 1963, 363 sq.: „In omni agente per intellectum et voluntatem, potente conformiter agere legi rectae et tamen non necessario conformiter agere legi rectae, est distinguere potentiam ordinatam a potentia absoluta; et ratio huius est, quia potest agere conformiter illi legi rectae, et tunc secundum potentiam ordinatam (ordinata enim est in quantum est principium exsequendi aliqua conformiter legi rectae) et potest agere praeter illam legem vel contra eam, et in hoc est potentia absoluta, excedens potentiam ordinatam. Et ideo non tantum in Deo, sed in omni agente libere - qui potest agere secundum dictamen legis retcae et praeter talem legem vel contra eam - est distinguere inter potentiam ordinatam et absolutam; ideo dicunt iuristae quod aliquis hoc potest facere de facto, hoc est de potentia sua absoluta, vel de iure, hoc est de potentia ordinata secundum iura.“ Cf. W. J. Courtenay, Capacity and Volition. A History of the Distinction of Absolute and Ordained Power, Bergamo 1990, 102. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, q. 4: „Utrum quilibet actus voluntatis per se malus sit aliquid“, ms. Vat. lat. 4353, f. 57r: „Dico quod non sequitur: ,potentia Dei ut ordinata est infinita, igitur ut sic non est minor eadem potentia ut absoluta est‘. Unde unum infinitum in potentia potest esse alio potentius, sicut alias dicam in materia de infinito. Posito etiam quod omnes potentie infinite forent equales ad huc non sequitur consequens, quia nullus quiret negare, quod Deus posset de potentia absoluta adnihilare celum et terram et tamen de potentia ordinata non posset.“ Ibid.: „Item tante potentie est nunc Deus sicut numquam fuit respectu cuiuscumque, igitur si potuit fecisse de potentia sua quod Abracham non fuit sic modo potest facere quod Abracham non fuit […] Ad quartum dici potest quod iustitia dici potest ut potentia scilicet ordinata et absoluta. Unde si Deus adnihilaret mundum de potentia absoluta, tunc dico conformiter quod adnihilaret mundum de iustitia absoluta et de potentia sua absoluta, nec ex hoc faceret minus iustus si numquam fuisset mudus. […] Unde pro materia argumenti dico et concedo quod Deus potest facere, quod mundus fuerit ab eterno et non solum ab eterno potuit Deus creasse mundum, sed quod mundum potuit creasse ab eterno, quia ista propositio: ,mundus fuit ab eterno‘ non claudit contradictionem.“ For Duns Scotus, cf. Ordinatio I, d. 44, no. 10 (nt 43), 374 sq. Cf. e. g. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, q. 1, ms. Vat. lat. 4353, f. 5r: „Ad quartum quando dicitur ,facilius est diligere summum et infinitum bonum propter se, etc.‘, negatur antecedens si universaliter intelligatur. Et causa est quia, ut communiter cetera non sunt paria, quia cognitio maior est respectu boni finiti quam respectu boni infiniti. Argumentum tamen probat verum de potentia absoluta Dei, quod sine creata caritate posset Deus diligi super omnia“; f. 6r: „Ad secundum quando arguitur, quod non equaliter diligentes Deum super omnia equaliter merentur, quia addat Sortes supra Platonem actum bonum de genere extrinsecum et diligant Deum super omnia equaliter ceteris paribus. Dico etiam quod hoc non est possibile, quia si Sortes habeat actum bonum de genere factorum propter Deum, tunc talis actus est augens habitum dilectionis Dei. Et ita si Plato equaliter diligat, tunc Plato habet vel vult actum consimilem sibi equaliter meritorium et hoc
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use of Scotus’s distinction between two ways of talking about ordained order, i. e. the first which concerns general situations, such as the punishing of every impertinent sinner and the other referring to particular events, such as the punishment of this particular murder, it seems that the cases he does consider can serve as good tests for Scotus’s theory. In accordance with the above distinction Scotus claims that while deviating from general laws, thanks to His absolute power, God establishes another order of nature, and at that very moment He acts ordinately. As Henri Veldhuis demonstrates, in the ,Ordinatio‘ Scotus illustrates the distinction by two examples. „The starting point for the examples is the factual situation of a persistent sinner who will be condemned by God. This condemnation by God is a contingent act, which as such supposes that the opposite state of affairs (salvation of the sinner) is a real possibility. According to Duns this is indeed the case; this real possibility can exist by ordained or absolute power.“ 48
Veldhuis links Scotus’s concept of ordained and absolute powers of God with his theory of contingency, claiming that it allows Scotus to save God’s absolutely free will. „The possibilities of potentia absoluta constitute more than a realm which was only initially open for God when He created and which would no longer comprise real possibilities. For if they were not real logical and ontological possibilities, any factual state of affairs would be necessary, which Scotus never would defend.“ 49
It seems that Kilvington’s concept of potentia absoluta and ordinata also serves the same purpose, as we will show in the next section. Even though it could seem that in the case of the concept of absolute and ordained powers Kilvington blindly follows Scotus, a more thorough investigation reveals that this would be simplistic. In Kilvington’s ,Sentences‘ we can find many examples in which Richard explicitly follows the Ockhamist concept of absolute power that is understood here as a range of all of God’s possibilities that have never become actual. He repeats Ockham’s phrase: „argumentum probat verum de potentia Dei absoluta et in casu per se possibile non tamen probat de potentia Dei ordinata et de facto.“ 50 While applying a notion de facto to potentia ordinata Kilvington
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secundum legem currentem. Sed de potentia Dei absoluta posset augeri gratia sine actu extrinseco et actus extrinsecus esse cum gratia, gratia non aucta“; f. 11r: „Ad secundum dico, quod dilectionem Dei non dependere ex dilectione proximi potest intelligi dipliciter, vel de potentia Dei absoluta vel de potentia ordinata et lege currente ut nunc. Si primo modo, sic est verum et sic conceditur universaliter, quod quis potest diligere Deum meritorie super omnia non diligendo proximum aliquem. Si secundo modo et de lege currente intelligatur, sic non est verum, quia preceptum Dei est quod simul diligat proximum Deo; et sic non amato proximo, Deus contempnitur interpretative, et sic per consequens non diligitur super omnia.“ H. Veldhuis, Ordained and Absolute Power in Scotus’ Ordinatio I 44, in: Vivarium 38 (2000), 222-230, here 227. Ibid., 226. Wilhelm Ockham, Tractatus contra Benedictum III, 3, in: Guillelmi de Ockham Opera politica, vol. 3, ed. H. S. Offler, Manchester 1956, 234: „Et ideo licet potentia Dei sit una, tamen propter diversam locutionem dicitur quod Deus aliqua potest de potentia absoluta, quae tamen numaquam faciet de
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is ready to admit that „de potentia absoluta God can do things that de potentia ordinata, i. e. de facto, He never did, nor does, nor will do“ as Eugenio Randi notices 51. Kilvington follows William Ockham only when he analyzes the hypothetical, imaginable cases (de potentia Dei absoluta) ruled by logic alone, in which the only principle that has to be obeyed by God is the rule of non-contradiction. This technique, used in theological debates, is similar in kind to the one employed in natural philosophy. Its characteristic feature is proceeding in the investigations according to the various degrees of abstraction. The problems that arise as a result of direct observation are a starting point for more complicated mental constructions that reflect a possible order limited to the language of logic and mathematics. As a result it can be concluded that in a given problem, the entities or events involved can exist or can occur in all imaginable ways. It can be noticed at the outset that, with regard to the concept of absolute and ordained powers, Kilvington blends the thoughts of both Scotus and Ockham. As a theologian, in order to save God’s absolutely free will and a contingency of all events, Richard defends Scotus’s point of view; as a ,scientist‘, who is mostly interested in solving sophistical puzzles, he reaches for Ockham’s logic and for ,a language of mathematics‘. IV. T he Problem of Conting ency It can easily be recognized that Kilvington’s theory of potentia absoluta et ordinata serves to underline the contingency of created reality and the freedom of divine will. A fact that both problems of absolute/ordained powers and the problem of contingency are discussed in the same question, namely q. 4, „Utrum quilibet actus voluntatis per se malus sit aliquid“ is significant. Kilvington abridges Scotus’s opinions presented in his ,Ordinatio‘ I, d. 39 52, but he rearranges Scotus’s arguments and takes into account the most useful fragments for his own theory. A ,reconstruction‘ of Kilvington’s opinions shows a strong affinity to Scotus’s thought. First of all, Kilvington formulates nine conclusions in order to ,save the phenomena‘ and to emphasize God’s absolutely free will ad utrumli-
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potentia ordinata (hoc est, de facto numquam faciet): quemadmodum essentia et potentia, et similiter esse et posse non sunt diversa in Deo, et tamen Deus potest multa, non obstante quod non sint illa multa, quae potest.“ E. Randi, A Scotist Way of Distinguishing Between God’s Absolute and Ordained Powers, in: A. Hudson/M. Wilks (eds.), From Ockham to Wyclif, Oxford 1987, 43-50, here 45. John Duns Scotus takes the problem of potentia ordinata et absoluta connected with a problem of future contingent events into consideration in both Lectura, d. 39, qq. 1-5 and Ordinatio I, qq. 39, 44. In his earlier work, i.e. ,Lectura‘ he introduces the term ,instant of nature‘ in which God makes successive decisions. However in his ,Ordinatio‘, a later work, he gives up this solution and replaces it by a simple statement that God is able to will A and not to will A in the same moment. Obviously Kilvington in his ,Sentences‘ refers to Duns’ ,Ordinatio‘. On the doubts about John Duns Scotus’s final solution of the problem, cf. e. g. A. B. Wolter, The Philosophical Theology of John Duns Scotus, New York 1990, 285 sqq.: „Scotus’ Paris Lectures on God’s Knowledge of Future Events.“
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bet. He says that God’s knowledge, existence and will are the same as His essence 53. However, with regard to God’s absolute knowledge, assertive statements about past and present, and contingent statements about the future, have the same value of certitude, since they have absolute necessity, whereas with regard to the ordained power, God’s knowledge statements do not have the same value, because they have only ordained necessity 54. Not everything revealed by God happens with absolute necessity, because otherwise He could make Himself incapable to pick up a blade, and this is a contradiction 55. Everything revealed by God’s absolute power, like articles of faith depends on God’s will and they could be changed. But when changed and revealed they would have ordained necessity, so they would form a new law 56. Everything that does not depend on free will comes with ordained necessity. Nothing that depends in being on free will ad utrumlibet is absolutely revealed by God’s ordained power. If something is revealed absolutely it is absolutely credible, because such a revelation derives from ordained necessity. If something is revealed under conditions, it is certain only with those conditions 57. 53
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Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, q. 4: „Utrum quilibet actus voluntatis per se malus sit aliquid“, ms. Vat. lat. 4353, ff. 54v-55r: „Ad secundum quando arguitur substantia Dei est indifferens et similiter scientia Dei, igitur si debeat determinari oportet quod hoc erit per voluntatem Dei. [f. 55r ] Hic respondeo et dico quod sicut essentia inquantum essentia est indifferens et scientia inquantum scientia est indifferens sic volitio inquantum volitio Dei est indifferens, quia, sicut dixi, volitio Dei respectu Antichristi futuri nec potest esse non volitio per mutationem in alio a Deo, sicut scientia que est in Deo respectu Antichristi futuri potest pro nunc esse non scientia respectu istius. Unde dico quod licet scientia, ut est scientia, sit indifferens ad esse Antichristi et ad non esse Antichristi ipsa tamen, ut est scientia Dei, nulla permixta ignorantia terminat se ad illud, quod est verum de numero istarum: ,Antichristus erit‘ et ,Antichristus non erit‘. Unde dico quod Deus prius necessario scit Antichristum fore quam ulterius Antichristum fore. Et ideo scientia Dei non determinatur per voluntatem precedentem ut sit naturaliter, quia tunc prius Deus vellet naturaliter quam sciret, et ita posset Deus velle quod nesciret […].“ Ibid., f. 55v: „Unde Doctor Communis imaginatur et recitat eum Doctor Subtilis I Sententiarum distinctio 39 quod Deus sit quasi centrum et totum tempus fluens de preterito in futurum quasi circumferentia. Et tunc qualitercumque moveatur circumferentia semper eque distans est a centro, et sic qualitercumque fluat tempus in preteritum et futurum semper tamen est eque presens Deo. Et sic ymaginor de notitia preteriti, presentis et futuri, quia ita certam cognitionem habet Deus de futuro sicut de preterito quantum est ex parte sui, et tamen sit unum esse contingentis futurum ad necessarium necessitate ordinata preterita.“ Ibid., f. 54v: „[…] non omne revelatum a Deo absolute necessario eveniet necessitate absoluta. (…) patet, sicut alias arguebat Bradwardyn, quia aliter sequitur, quod Deus de omnipotentia sua posset se facere impotentem ad elevationem festucam.“ Ibid.: „[…] omnia revelata a Deo absolute, cuiusmodi sunt articuli fidei, dependent immediate a voluntate Dei et non a voluntate creata et libera libertate contradictionis.“ Ibid., f. 54rv: „Prima conclusio est quod si Deus vult aliquid *pro+ hoc instanti, non potest non velle naturaliter prius quam Deus velit. Secunda est quod illud quod vult pro hoc instanti de potentia Dei absoluta posset non velle illud pro eodem instanti sine mutatione alicuius. Tertia conclusio quod omnia que non dependent in esse vere vel interpretative [f. 54v ] a libero arbitrio creato necessario evenirent loquendo de necessitate ordinata. Quarta conclusio, quod omnia que dependent a libero arbitrio, ut liberum est libertate contradictionis, potuerunt de potentia ordinata Dei non evenire. Quinta, quod omne absolute revelatum a Deo necessario eveniet, si est revelatum sine contradictione necessitate Dei ordinata. Sexta, quod nihil dependens in esse a voluntate libera libertate contradictionis potest de potentia Dei ordinata revelari a Deo absolute. Septima, quod de potentia Dei absoluta Deus potest facere sive absolute revelare omne futurum contingens sive ad utrumlibet sive *ad+ aliud“.
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Undoubtedly, the conclusions support the thesis that Kilvington follows Scotus on this particular issue 58. First of all, he is in agreement with Scotus in saying that God is a center around which present time flies from past to future like a circumference of the circle. Therefore God is in an eternal ,now‘, which is the same for all time, and has - with regard to his absolute power - certain knowledge about future, past and present 59. God does not know future contingents via ideas, since they naturally represent what they represent, like in the sentence ,Socrates is Artus‘ it is stated that Socrates is Artus 60. Therefore the ideas cannot be effective in representing contingents, such as ,Antichrist will be‘ or ,Antichrist will not be‘ 61. If God had an act of knowledge before His act of will, He would have only necessary ordained knowledge about natural order, which is already established. Thus, it seems that Kilvington wants to point out that God would have only partial knowledge about one part of a contradiction, and His will would not be absolutely free. Therefore, in accordance with Scotus’s claim, if contingency is in particulars, the contingence must be placed in God’s will and not in His intellect 62. Kilvington, however, goes further and claims that not only God’s will but also His knowledge act contingently, because they both depend of a free choice, similarly, a man, who by his created free will can make himself not-knowing 63. 58 59
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For Scotus, cf. Ordinatio I, d. 39, nos. 9-11; Lectura I, d. 39, qq. 1-5. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, q. 4: „Utrum quilibet actus voluntatis per se malus sit aliquid“, ms. Vat. lat. 4353, f. 55v: „[…] potest dici quod Deus non aliter novit facta quam facienda quantum ad certitudinem scientie sue, quia scientia sua est ita certa respectu contingenti futuri sicut respectu necessarii. […] Tamen una certitudo est respectu contingentis, alia respectu necessari. […] De potentia tamen ordinata non sequitur: ,omnia sunt eque presentia notitie sue tam preterita quam futura quam etiam presentia‘.“ For Scotus, cf. Lectura I, d. 39, qq. 1-5. Ibid., f. 55r: „[…] arguo sic […] subducta voluntate divina omnia que evenirent de necessitate evenirent […] subducta igitur voluntate ab eterno que prestior est nullum alium quam istius scientia, ut sic Deus sciret Antichristum esse futurum, et per consequens Antichristum esse futurum dependet a causa necessaria non contingente; et per consequens Antichristus necessario erit. Istud argumentum facit Scotus super I Sententiarum distinctio 39 Utrum ydea in Deo naturaliter reputet illud quod reputat quia in intellectu divini non est prius ydea quam voluntas et tunc tales ydee aut reputant compositionem istorum extremorum ,Sortes est Artus‘, et tunc ille ydee reputant naturaliter quod Sortes est Artus […] Unde doctor ille videtur dicere ibi, quod loquendo de intellectu divino ut habet actum primum ante actum voluntatis sic Deus scit omnia necessitate naturali; et ideo si debeat esse aliqua contingentia oportet illam querere in voluntate divina.“ Ibid., f. 53v: „Item scientia Dei est indifferens ad Antichristum fore vel non fore, quia substantia Dei in quantum est substantia vel scientia est scientia indifferens ad Antichristum fore vel non fore, igitur si debeat determinari ad unum oppositorum oportet quod retinetur per voluntatem Dei, sed voluntatem Dei nullus potest impedire, igitur nullus impediret quando illud eveniet.“ Ibid., f. 55r: „Unde si habitudo causarum dependeat in causando a causa prima, si prima causa necessario producit effectum, igitur et omnes sequentes necessario producerent. Et ista est ratio quare Scotus super I Sententiarum distinctio 39 dicit, quod voluntas Dei contingenter agit. […] Hic distinguo de causa scilicet iubente et permittente. Si de iubente intelligeret, sic foret Deus auctor mali. Si vero de permittente, sic est auctoritas vera.“ Ibid., f. 55rv: „Unde si illa responsio doctoris foret vera omnia que evenirent de necessitate evenirent, quia voluntas divina non mutat, sed determinat scientiam. Sic igitur scientia necessitate naturali arguat effectum, sequitur tunc quod omnia evenirent de necessitate. Dico igitur quod tam scientia quam voluntas contingenter arguunt effectum sequi, qui immediate dependet a libero arbitrio creato. Unde sicut scientia mea potest fieri non scientia [f. 55v ] per voluntatem creatam sic scientia Dei.“
Scotistic and Ockhamist Contributions to Kilvington’s Ethical and Theological Views
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Kilvington repeats after Scotus, that in the same instant in which divine will wills A, it is able not to will A. This does not cause any change in willing. Kilvington, like Ockham, accepts Scotus’s synchronic contingency 64. To save God’s absolute free will and at the same time to avoid the problem of change in God’s decisions, Kilvington claims that by God’s absolute power God can make Himself not to will A, while A is that what God wills in that particular instant, and this happens in eternity 65. This argumentation proves that there are no new acts of will, and there is no change in God; it seems to be Kilvington’s original input in this particular problem. God’s will of good pleasure (beneplacitum) with respect to future contingents is naturally prior to God’s knowledge, because such a consequence is true: ,God wants A to happen, thus God knows it will happen‘, while this one is false: ,God knows it will happen, namely that Socrates will sin, thus He wants him to sin‘ 66. V. Conclusion Detailed analyses both show that logic and mathematics are the characteristic features for Kilvington’s argumentation in ethics as well as in theology. However, a closer look makes the whole story more complicated. The secundum imaginationem or de potentia Dei absoluta or secundum possible analyses go along with a ceteris paribus method 67. Kilvington assumes that all circumstances in a conside64
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The term was introduced by A. Vos, On the Philosophy of the Young Duns Scotus. Some Semantical and Logical Aspects, in: E. P. Bos (ed.), Medieval Semantics and Metaphysics. Studies Dedicated to L. M. de Rijk Ph.D. on the Ocassion of his 60th Birthday, Nijmegen 1985, 195220, especially 213. On the synchronic contingency in Duns Scotus, cf. the excellent paper by H. Veldhuis, Ordained and Absolute Power (nt. 48). Cf. also D. Dumont, The Origin of Scotus’s Theory of Synchronic Contingency, in: The Modern Schoolman 72 (1995), 149-167, here 150; C. Schabel, Theology at Paris 1316-1345. Peter Auriol and the Problem of Divine Foreknowledge and Future Contingents, Aldershot 2000, 41-45. Ricardus Kilvington, Quaestiones super libros Sententiarum, q. 4: „Utrum quilibet actus voluntatis per se malus sit aliquid“, ms. Vat. lat. 4353, f. 55v: „[…] voluntas Dei est ita libera respectu unius obiecti sicut respectu alterius et respectu unius obiecti uno tempore sicut alio, igitur si Deus vult Antichristum fore pro nunc potest pro nunc velle Antichristum non fore vel velle pro tunc Antichristum non fore“; f. 168rb: „[…] dico quod Deus per solum velle suum posset non velle A pro hoc instanti; et talem velle in se habere potest sine omni factione in alio vel in seipso. Et sic sumendo facere large pro velle, sic posset Deus de potentia absoluta facere quod pro hoc instanti non vellit A posito quod *A+ sit unum tale quod Deus velit pro hoc instanti. Nec tamen noviter non vellet A, sed ab eterno tunc non voluit A pro hoc nunc cum in Deo non sit nova voluntas […].“ Ibid., f. 56v: „Item, si voluntas determinaret scientiam Dei, tunc Deus prior fieret sciens per voluntatem suam et cum idem sit in Deo scire et esse, sequitur quod Deus prior haberet esse per voluntatem suam et ita Deus prius naturaliter haberet velle quam esse. […] Et ad auctoritatem Magistri quando dicit quod scientia Dei non est causa eorum que fiunt nisi includatur beneplacitum, concedo. Et sic dico quod scientia Dei respectu alicuius futuri contingentis est prior naturaliter quam voluntas beneplaciti respectu eiusdem, quia sequitur ,Deus vult hoc fore, igitur Deus scit hoc fore‘ et non econtra, quia non sequitur ,Deus scit hoc fore, scilicet Sortem peccare, igitur vult eum peccare‘.“ On Kilvington’s methodology cf. Jung/Podkon´ski, Richard Kilvington on Proportions (nt. 2), 84 sqq.
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red case are the same, and that only one factor, which changes during the process, causes the changes in the results. Hence the measurement is a handy tool with regard to this procedure. But, in his discussion of such fabricated, hypothetical cases, Kilvington frequently declares that cetera non sunt paria, because the reality is much more complicated than a simple hypothetical case. It seems that Heiko Oberman is right when claiming that nominalistic methodology does not make independent contribution to moral theology, and when it comes to ethics a purified version of Scotus’s thought is used 68. This is true for Kilvington, who often follows Duns Scotus in many ways. In Kilvington’s ethical and theological considerations, both Scotus’s and Ockham’s opinions are present, just as in Kilvington’s others works. However, Scotus is often quoted and sometimes even cited by name, whereas Ockham remains hidden in the background. Still knowledge of both Scotus and Ockham’s solutions of the particular problems contributes to an appreciation of complex and wide considerations of Kilvington. It allows us to understand when and in what sense Kilvington rejects Scotus’s views and follows Ockham’s, and when by blending these two philosophical traditions together he creates his own original positions. Kilvington’s solutions in the concept of will and the relationship between the will and prudence prove that for Kilvington the will is the primary and the most vital element in human and divine action. Such a conclusion shows that Kilvington continues and develops voluntarism represented by both Duns Scotus and William of Ockham. Kilvington also uses both their concepts of absolute and ordained powers, which serves him to prove that unequal infinities are possible and are present not only in God but also in the created world. Kilvington uses Scotus’ theological position in his own appropriation of Ockham’s views concerning created beings.
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Cf. J. E. Murdoch/E. D. Sylla (eds.), The Cultural Context of Medieval Learning, Dordrecht 1975, 344.
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1308 Il piano di Clemente V per salvaguardare l’ordine dei Templari Barbara Frale (Vatikan) Nell’ambito del processo contro l’ordine dei Templari, durato tecnicamente per ben sette anni (13 ottobre 1307-18 marzo 1314), l’anno 1308 rappresento` un momento di particolare importanza. In primo luogo, fu solo allora che il papa, legalmente l’unica autorita` vivente in grado di giudicare i membri di un ordine religioso esente, pote´ prendere in mani le sorti del procedimento che era stato aperto al di fuori delle norme del diritto dal re di Francia ed era stato portato avanti per molti mesi in maniera del tutto illegale. In secondo luogo, fu proprio nell’estate del 1308 che Clemente V giunse al punto di credere - anche se solo per poche settimane - che sarebbe riuscito a salvaguardare la sopravvivenza dell’ordine del Tempio. Il 2 novembre 1307 il genovese Cristiano Spinola scriveva una lettera al suo protettore, il re d’Aragona Jayme II, e lo informava su una questione molto delicata di politica internazionale che al sovrano stava molto a cuore. Jayme II aveva bisogno di sapere la verita` su un fatto accaduto appena poche settimane prima, ma gia` noto ovunque in tutta la societa` cristiana 1. All’alba del 13 ottobre i soldati del re di Francia Filippo IV il Bello si erano presentati presso tutte le magioni dell’ordine dei Templari in Francia ed avevano arrestato i frati-guerrieri in nome del re. Quello del Tempio era un ordine religioso della Chiesa di Roma che i papi, attraverso numerosi privilegi che facevano capo all’,Omne datum optimum‘ emesso da Innocenzo II nel 1139, avevano reso esente dal controllo di qualunque autorita` laica o ecclesiastica, e soggetto esclusivamente alla persona del pontefice romano. L’arresto operato da Filippo il Bello, un sovrano laico, era un atto che si svolgeva senza l’avallo papale e dunque in completa violazione delle liberta` della Chiesa 2. Il sovrano esibiva un ordine d’arresto nel quale si dava ad intendere, grazie ad un sapiente gioco di parole, che il pontefice era stato avvisato e che la cattura aveva luogo dietro richiesta dell’Inquisitore del regno, il domenicano Guillaume de Paris. I Templari erano fortemente sospettati di praticare riti illeciti ed eretici 1 2
H. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, 2 vols., Münster 1907, vol. 2, 51. Il testo del privilegio, riutilizzato ampiamente dai papi per concessioni successive, e` edito in: R. Hiestand, Papsturkunden für Templer und Johanniter, 3 vols. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-historische Klasse 77 und 135), Göttingen 19721983, vol. 3, 204-210.
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durante la cerimonia d’ingresso nell’ordine: il postulante, che desiderava diventare templare, veniva costretto a rinnegare Gesu` Cristo, a sputare sulla croce e a baciare il precettore in zone indecenti (bocca, ombelico e natiche); doveva poi ascoltare pazientemente un precetto secondo il quale egli non poteva negare il suo corpo ai confratelli che volessero abusare di lui; infine, i frati dovevano cingere una cordicella che si diceva fosse stata a contatto con un idolo avente la forma di una testa maschile con barba che veniva adorato nei capitoli generali; tuttavia, ammetteva lo stesso sovrano, la grande maggioranza dei Templari non sapeva nulla di tale simulacro 3. Il 19 ottobre, appena sei giorni dopo l’arresto improvviso, i Templari, rinchiusi nella casa capitana di Parigi, erano stati sottoposti all’interrogatorio e le loro confessioni erano state divulgate al popolo per mezzo di assemblee pubbliche. La strategia di diffamazione, pero`, era gia` stata organizzata ancor prima che scattasse l’arresto: il 24 settembre 1307, infatti, il capo dell’Inquisizione di Francia aveva scritto ai suoi subordinati di Toulouse e Carcassonne dando loro ordine di fare in modo che i frati francescani e domenicani inserissero nelle loro prediche la questione dell’eresia templare, e come tale la divulgassero al popolo 4. Il 25 e 26 ottobre il Gran Maestro del Tempio, frate Jacques de Molay, ed altri dignitari maggiori avevano dovuto confessare nuovamente dinanzi ad una selezione di teologi della Sorbona; poi si era provveduto a diffondere la notizia con una velocita` ed un impatto tali che, secondo una fonte coeva, essa aveva attraversato l’intero paese come un brivido 5. Nel giro di appena due settimane l’infamia aveva completamente travolto il buon nome di quello che fino a poco tempo prima era l’ordine religioso-militare piu` potente e stimato di tutta la cristianita`. Jayme II d’Aragona era stato travolto dalla notizia come tutti gli altri, ed ora aveva bisogno di sapere come stavano realmente le cose; in modo particolare gli interessava capire quali fossero, in tutto cio`, le vere intenzioni del papa. Si sentı` riferire dal suo agente Spinola che tutta l’operazione era stata compiuta perche´ Filippo il Bello voleva incamerare il patrimonio dei Templari: la Francia era, infatti, sull’orlo della bancarotta per via della guerra contro il sovrano inglese, e nel 1306 a Parigi era scoppiata una sommossa contro il re. Pero` c’era anche un altro motivo: tanto il re di Francia quanto il papa volevano che l’ordine dei Templari venisse fuso con l’altro grande ordine militare degli Ospitalieri per creare, cosı`, un ente unico per la crociata, piu` forte e piu` efficace: ma Jacques de Molay si era opposto con tutte le sue forze e alla fine aveva impedito la fusione. Stando alle parole dello Spinola, le 3
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Il documento e` conservato in originale (Parigi, Archives Nationales, Ms. J 413 n. 22) ed e` edito in: G. Lize´rand, Le Dossier de l’affaire des Templiers, Parigi 1923 [Ristampa 1964], 16-24. Sullo svolgimento del processo resta fondamentale M. C. Barber, The Trial of the Templars, Cambridge 1978. Cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 44 sqq. Cf. ibid., 110.
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trattative fra Filippo il Bello e il Gran Maestro continuarono anche durante la prigionia, ma de Molay non voleva cedere e rifiutava la fusione con gli Ospitalieri 6.
I. Le radici storiche del processo Quel progetto di fondere il Tempio e l’Ospedale in un ordine unico era un’idea ormai vecchia che risaliva alla seconda meta` del Duecento. Il regno cristiano di Gerusalemme era stato fondato con la prima crociata e la conquista della Citta` Santa nel 1099; aveva conosciuto alcuni decenni di fioritura, ma gia` nel 1187 il sultano Saladino aveva reso compatto il fronte islamico e con una serie di vittorie aveva strappato Gerusalemme e il Santo Sepolcro di mano ai cristiani. Il regno da allora era entrato in una crisi inesorabile e gli ordini militari avevano cominciato ad essere messi in discussione. La societa` cristiana li sovvenzionava con le sue elemosine ed accettava i loro molti privilegi in nome del servizio che rendevano in Terrasanta: visto che ora sembravano incapaci di assolvere alla loro funzione, si cominciava a parlare di ridimensionarli. Fra il 1260 e il 1270 il sultano Baibars ridusse il regno crociato in Siria-Palestina ad una sottile fascia litoranea con capitale San Giovanni d’Acri 7. Il fallimento della politica crociata rischiava di minare seriamente l’esistenza degli ordini militari: gia` nell’ambito del Concilio di Lione, nel 1274, si era discussa la possibilita` di realizzare la fusione del Tempio e dell’Ospedale in un istituto unico 8. Ma i due capi si erano opposti. I Templari avevano espresso chiaramente che cosa sarebbe successo se si fosse verificato un evento del genere: gli ordini avrebbero perduto la loro funzione finendo per diventare solo degli organi di politica e diplomazia al servizio degli interessi della corona; e comunque, aveva ribadito il Gran Maestro, in quanto figli fedeli della Chiesa di Roma, i Templari si sarebbero rimessi alla volonta` ultima del papa 9. Quando, nel 1291, i musulmani presero anche Acri, l’ultimo baluardo della presenza cristiana in Terrasanta, il Tempio e gli altri ordini militari dovettero subire un pesantissimo contraccolpo morale oltre alle perdite umane e materiali. Il Gran Maestro Guillaume de Beaujeu morı` eroicamente nel tentativo di difen6
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Cf. ibid., 51: „Intendo tamen, quod summus pontifex et dominus rex hoc faciant causa habendi de eorum moneta et quia *facere+ volunt de Hospitali et Templo et omnibus aliis freriis unam simplicem mansionem, cuius mansionis rex predictus unum ex eius filiis regem facere dexiderat et intendit. Templum autem de hiis multum durum existit nec adhuc in hiis se voluit convenire.“ Cf. S. Runciman, A History of the Crusades, Cambridge 1951; edizione italiana di E. Bianchi, A. Comba e F. Comba, 2 vols., Torino 1966, vol. 2, 953-981. Cf. ibid., 224 sq. Cf. P. Amargier, La de´fense du Temple devant le concile de Lyon en 1274, in: 1274, anne´e charnie`re: mutations et continuite´ (Colloque international du CNRS, Lyon-Paris 1974), Parigi 1977, 495-501.
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dere Acri ed i Templari furono gli ultimi ad abbandonare la citta` in fiamme 10, ma quest’ennesima sconfitta mise gli ordini in una posizione molto difficile dinanzi all’intero Occidente. Templari ed Ospitalieri stabilirono il nuovo quartier generale d’Oriente a Cipro, isola dove la presenza templare esisteva gia` da lungo tempo e che per un breve periodo era stata governata direttamente dall’ordine 11. Nel 1305 salı` al soglio pontificio un papa nativo della Francia, il guascone Bertrand de Got, arcivescovo di Bordeaux, che prese il nome di Clemente V. Era un uomo abile e di carattere moderato, scelto dal Sacro Collegio dopo un conclave difficilissimo durato quasi un anno perche´ i cardinali erano divisi in due fazioni dagli interessi inconciliabili: una meta` voleva che Filippo il Bello fosse scomunicato per il suo attacco consumato contro papa Bonifacio VIII ad Anagni, l’altra meta` invece era molto favorevole al re di Francia. Alla fine il nome di de Got era piaciuto ad entrambi i gruppi: era un fedele di papa Bonifacio VIII, ma era conosciuto per essere persona di grande equilibrio. Inoltre Filippo il Bello aveva di lui una buona opinione e si sperava che la sua elezione avrebbe aiutato a ripristinare il dialogo diplomatico fra la Francia e la Chiesa. Clemente V aveva molto a cuore la crociata e subito invio` ai due capi del Tempio e dell’Ospedale una richiesta perche´ si pronunciassero sull’allestimento di una nuova crociata e sull’ipotesi dell’ordine unico 12. Il Gran Maestro del Tempio si dichiaro` contrario alla fusione; non si e` conservato il corrispondente dossier di risposta scritto da Folques de Villaret, Gran Maestro dell’Ospedale, che probabilmente si espresse solo in merito alla crociata 13. Il progetto trovava favorevole Clemente V, come del resto lo era stato anche Niccolo` IV, perche´ l’unificazione delle risorse militari e logistiche avrebbe migliorato sensibilmente la resa operativa e dunque aumentato le speranze di riconquistare Gerusalemme; tuttavia si trattava di un calcolo teorico, destinato a scontrarsi con non poche difficolta` materiali. Nel lungo memoriale scritto da Molay per giustificare i motivi di un rifiuto, che sicuramente deluse il pontefice, sono contenute informazioni interessanti che gettano luce anche sulle future vicende del processo: il Gran Maestro sconsigliava vivamente la fusione perche´ il Tempio e l’Ospedale seguivano codici di norme diversi e gli Ospitalieri, abituati a una disciplina molto piu` blanda, non si sarebbero adattati facilmente a quella rigidissima del Tempio; vi erano poi due 10
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Cf. A. Demurger, Vie et mort de l’ordre du Temple, Parigi 1985; edizione italiana di M. Sozzi, Milano 1992, 235 sq.; M. C. Barber, The New Knighthood. A History of the Order of the Temple, Cambridge 1994, 119 sq. Cf. ibid., e.g. 213, 217, 236 sq.; M. L. Favreau-Lilie, The Military Orders and the Escape of the Christian Population from the Holy Land in 1291, in: The Journal of Medieval History 19 (1993), 201-227. Cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 33-37; su questi progetti tardivi di recupero della Terrasanta cf. S. Schein, Fideles Crucis. The Papacy, The West and the Recovery of the Holy Land, 1274-1314, Oxford 1998. Cf. Lize´rand, Le dossier (nt. 3), 2-15; cf. anche G. Guillemain, Il papato sotto la pressione del re di Francia, in: Storia della Chiesa, ed. D. Quaglioni, vol. 11, La crisi del Trecento e il Papato avignonese (1274-1378), Torino 1994, 198.
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differenti gerarchie che si sarebbero dovute fondere in una sola, con la conseguente abdicazione dal comando di molti dignitari, che certo avrebbero fatto di tutto per conservare il proprio ruolo originando feroci lotte interne. Il motivo piu` importante, comunque, Jacques de Molay lo spiegava al papa solo in termini molto allusivi per rispetto alla dignita` dell’uomo cui si riferiva: Filippo il Bello, da tempo strenuo promotore del progetto di fusione, non aveva alcuna intenzione di impiegare energie nella riconquista della Terrasanta. Il suo impegno doveva soprattutto servire due scopi: in primo luogo, la futura spedizione in Oriente sarebbe stata una magnifica copertura per un piano di occupazione francese dell’Armenia, cui le truppe di cavalleria si sarebbero dedicate al loro sbarco. Tale progetto aveva talmente preoccupato gli Armeni da indurli a denunciare il pericolo proprio al Gran Maestro del Tempio 14. In secondo luogo, Filippo il Bello intendeva pilotare la fusione dei due maggiori ordini militari per poi assicurarsene il controllo affidando il ruolo di capo ad un membro della sua famiglia. Il dossier scritto da Jacques de Molay metteva in pericolo i piani di politica internazionale di Filippo il Bello; questo fatto, oltre al bisogno di denaro, aveva indotto Filippo il Bello a vedere il Tempio come un nemico da eliminare ad ogni costo. Il pretesto era stato fornito da alcuni fatti reali: pettegolezzi che giravano sul conto dei Templari, chiacchiere popolari che i giuristi del re di Francia avevano raccolto facendo entrare segretamente nell’ordine dodici spie con lo scopo di individuare materiali utili per diffamare l’ordine.
II. Voci, sospetti, ing anni Nella primavera del 1307, visto che il capo del Tempio aveva boicottato il piano di Filippo il Bello per la crociata, la strategia di diffamazione fu messa in atto e Filippo il Bello comunico` queste oscure dicerie sui Templari ai vari sovrani cattolici. La manovra ebbe il suo effetto: nei primi mesi di quell’anno Molay sbarco` in Francia, chiamato dal papa per concordare con lui la strategia della futura crociata, e durante un colloquio riservato Clemente V chiese spiegazioni circa la voce secondo la quale i Templari adoravano uno strano idolo con la barba 15. Si tratto` di un incontro di particolare delicatezza nei rapporti fra il capo dell’ordine e il papa: stando alla cronaca del Templare di Tiro, Clemente V pretese anche che Jacques de Molay facesse mettere per iscritto la regola del suo ordine per poi depositarla presso la Curia, e il Gran Maestro volle leggerla e 14
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Cf. le affermazioni di Molay nel memoriale di risposta al papa discusso in: B. Frale, L’ultima battaglia dei Templari. Dal codice ombra d’obbedienza militare alla costruzione del processo per eresia, Roma 2001, 43-48. Sulle istallazioni dei Templari in quel territorio J. Riley-Smith, The Templars and Teutonic Knight in Cilician Armenia, in: T. S. R. Boase (ed.), The Cilician Kingdom of Armenia, Edinburgh 1978, 92-117. J. Michelet, Le proce`s des Templiers, 2 vols., Parigi 1841-1851 [ristampa 1987], vol. 1, 139.
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consegnarla personalmente al pontefice 16. Questo forte interesse del papa verso quel documento merita di ricevere attenzione. La regola templare era stata approvata durante un concilio ecumenico e non abbisognava certo dell’avallo pontificio, che possedeva gia` da quasi due secoli. La richiesta appare pertanto inspiegabile, a meno che Clemente V non nutrisse delle perplessita` e intendesse fare un controllo. I fatti sembrano proprio dar ragione al Templare di Tiro: Simonetta Cerrini ha rilevato che Clemente V si procuro` almeno due codici diversi della normativa templare, risultato non facile da conseguire considerando che questi libri erano rarissimi, accessibili solo ai gradi piu` alti della gerarchia e in possesso esclusivo di quelle magioni che erano capoluogo di circoscrizione 17. Molti indizi fanno pensare che il pontefice intendesse consegnare il testo della regola ad esperti di sua fiducia perche´ lo studiassero al fine di promuovere una possibile fusione del Tempio con l’ordine degli Ospitalieri. Ma c’e` anche un’altra possibilita`: molte voci poco lusinghiere sul conto dei Templari erano giunte all’orecchio del pontefice, e ora Clemente V, insospettitosi, voleva vedere la verita` con i suoi occhi. Che nell’ordine vi fossero disfunzioni ed episodi di malcostume appariva evidente anche ai suoi capi: durante un capitolo generale del Tempio avvenuto a Nicosia subito dopo la caduta di Acri, Jacques de Molay, pur non essendo ancora diventato Gran Maestro, lancio` l’allarme riguardo certi non meglio precisati „fenomeni“ di grave entita`, invitando la dirigenza a prendere provvedimenti prima che l’ordine ne fosse danneggiato 18. Ogni anno i Templari tenevano a Parigi un capitolo generale dell’ordine che durava diversi giorni, in corrispondenza della festa dei Santi Apostoli. In quell’occasione probabilmente lo Stato maggiore del Tempio decise che la manovra di Filippo il Bello aveva fatto troppi danni e bisognava chiedere formalmente al papa di aprire un’inchiesta sullo stato dell’ordine: in virtu` di speciali privilegi, infatti, il pontefice romano era l’unica persona al mondo abilitata a mettere i Templari sotto interrogatorio. Clemente V avrebbe condotto personalmente un’accurata indagine sullo stato del Tempio per sincerarsi delle sue effettive condizioni. Il 24 agosto 1307 il papa comunicava a Filippo il Bello l’imminenza 16
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Gestes des Chiprois, ed. Ch. Raynaud, in: Socie´te´ de l’Orient latin. Se´rie historique 5 (1877), 139-334, cf. in particolare la pagina 329: „[…] et quant vint dedens aucuns jours apre`s, le pape requist le maistre, et vint de Paris o luy, dont le pape requist que il ly donast la regle de sa religion dou temple par escrit, et le maistre la ly donna et la lut.“ Si veda il dettame specifico della normativa, in: H. de Curzon, La Re`gle du Temple, Parigi 1886, § 326: „Nul frere ne doit tenir retrais ne regle, se ne les tiens par le congie´ dou couvent; quar par le couvent ont este´ desfendus et furent desfendus a tenir as freres, por ce que les escuiers les troverent aucune fois et les lisoient, et nos establissemens si descovroient as gens dou siecle, laquel chose peust estre damages de nostre relegion. Et por ce que tel chose ne peust avenir, le couvent establit que nus frere ne les tenist, nul frere se il ne fust bailli, tel qui le peust tenir por l’office de la baillie.“ Michelet, Le proce`s (nt. 15), vol. 2, 139: „Item dixit se audivisse in civitate Nicociensi, ab ore magni Magistri qui nunc est, quod ipse estirparet aliqua que erant in ordine sibi displicencia, ex quibus dubitabat quod finaliter male accideret ordini, et hoc fuit illo anno quo civitas Aconensis fuit perdita […].“
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di quest’indagine pontificia, che egli stava organizzando con l’aiuto di alcuni fra i suoi collaboratori piu` fidati scelti fra i membri del Collegio cardinalizio. Il pontefice soffriva da tempo di una malattia gastrointestinale che mesi prima aveva conosciuto una fase acutissima riducendolo in gravi condizioni, e gli era stata prescritta una cura disintossicante a base di purgativi alla quale avrebbe dovuto sottoporsi non appena passati i mesi piu` caldi; dunque avvisava Filippo il Bello di non mandare ambasciatori prima della meta` di ottobre, momento in cui avrebbe ripreso il lavoro dopo la terapia 19. Quando Filippo il Bello fece scattare l’arresto improvviso, organizzato in forma segreta il 14 settembre 1307 e mandato ad esecuzione il 13 ottobre successivo, Clemente V era ancora intento alla sua cura disintossicante: di lı` a poco sarebbe rientrato a Poitiers ed avrebbe aperto l’inchiesta della Curia Romana sull’ordine del Tempio che i suoi fiduciari probabilmente stavano gia` istruendo. L’indagine sarebbe stata una specie di verifica interna alla Chiesa operata dall’autorita` pontificia su uno dei suoi ordini religiosi esenti, nonche´ ampiamente favorito; senza dubbio tutte le ricerche si sarebbero svolte in maniera riservata, ma non per questo indulgente: il papa aveva gia` manifestato al Gran Maestro del Tempio i suoi dubbi e le sue perplessita`. L’inchiesta apostolica super statu Templi dell’ottobre 1307 doveva essenzialmente servire a migliorare le condizioni dell’ordine per poi procedere alla sua riforma. E fu proprio per impedire quell’operazione di riforma e risanamento del Tempio, cui avrebbe certamente condotto l’indagine pontificia, che l’intervento regio tronco` di netto l’intera operazione: espropriando alla Curia la sua silenziosa revisione, la trasformo` in un processo pubblico dall’eco grandiosa per mettere il papa dinanzi al fatto compiuto di uno scandalo senza precedenti che si riversava su tutto l’organismo ecclesiastico. Clemente V venne a sapere dell’arresto mentre si trovava in aperta campagna, completamente ignaro di tutto e intento a finire la sua terapia disintossicante. Cosı`, appena pochi giorni prima di aprire l’indagine pontificia che era gia` stata progettata, venne a sapere che Filippo il Bello in un solo colpo gli aveva strappato di mano sia gli inquisiti che l’inchiesta. Subito rientro` nella Curia e richiamo` i cardinali per tenere un concistoro in condizioni d’emergenza. Il danno pero` ormai era fatto: i Templari erano fisicamente nelle mani del re di Francia. L’intero autunno ed inverno 1307-1308 furono spesi invano dal pontefice cercando di obbligare Filippo il Bello a rimettere i prigionieri nelle mani della Chiesa. Verso la fine di febbraio 1308 Clemente V sospese i poteri dell’Inquisizione di Francia con l’accusa di abuso: aveva raccolto sufficienti prove del fatto che il re di Francia non agiva legalmente e in buona fede, percio` blocco` l’Inquisizione che serviva al sovrano per giustificare il suo operato. D’ora in avanti non ci sarebbero piu` stati interrogatori sui Templari se non dietro ordine del papa. 19
Cf. E´. Baluze, Vitae paparum avenionensium, ed. M. G. Mollat, 4 vols., Parigi 1914-1927, vol. 3, 58 sqq. Cf. anche la discussione in: A. Demurger, Jacques de Molay. Le cre´puscule des templiers, Parigi 2002, 233 sq.
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L’intera primavera 1308 si consumo` in una guerra diplomatica. Il papa fu minacciato di essere deposto e gli fu fatto capire che anche i suoi parenti avrebbero subito la vendetta del re, ma il pontefice espresse le sue intenzioni in modo chiaro: non avrebbe mai condannato i Templari senza averli prima potuti esaminare di persona. Visto che non poteva ottenere una condanna nei tempi brevi che sperava, e visto che ormai Clemente V aveva bloccato il processo, Filippo il Bello acconsentı` a che una selezione di 72 Templari si recassero a Poitiers presso la Curia Romana per essere interrogati dal papa. III. L’inchiesta in Romana Curia Il 28 giugno 1308 si apriva dunque quell’inchiesta pontificia sui Templari che Clemente V avrebbe voluto svolgere l’autunno precedente in condizioni del tutto diverse, un’inchiesta del tutto interna alla Chiesa e senza l’ondata d’infamia sotto la quale il Tempio era stato travolto. Il papa aveva voluto contrassegnarla con tutti i crismi dell’ufficialita`; il titolo in Romana Curia che ancora caratterizza il procedimento probabilmente non aveva solo un valore topografico ma stava ad indicare che le decisioni, qualunque fossero, promanavano dalla persona del papa in accordo col supremo organo della Chiesa, cioe` il Sacro Collegio. Gli uomini scelti come inquirenti riflettevano le intenzioni del papa, che aveva formato una Commissione di cardinali con l’idea di lavorare severamente per epurare il Tempio, ma non certo condannarlo. Accanto ai due cardinali Be´renger Fre´dol 20 ed E´tienne de Suisy 21, ai quali aveva affidato le trattative per il rilascio dei Templari sin dai primi mesi dopo l’arresto, Clemente V scelse per aiutarlo altre due sue „creature“, cioe` l’inglese Thomas Jorz cardinale di S. Sabina e Pierre de La Chapelle cardinale di S. Vitale 22. Al gruppo aggiunse due uomini di orientamento completamente diverso: Landolfo di S. Angelo e Pietro Colonna. Thomas Jorz era inglese nonche´ confessore del re d’Inghilterra, dunque persona non necessariamente avversa ma in ogni caso indifferente agli interessi di Filippo il Bello; una parte importante della carriera di Bertrand de Got prima del pontificato si era svolta nella diplomazia al servizio di Edoardo I 23 re d’Inghilterra ed e` possibile che Clemente V confidasse nelle doti politiche ed umane di questa sua vecchia conoscenza. Pierre de La Chapelle proveniva da Limoges ed era stato vescovo di Tolosa prima che Clemente V lo elevasse al ben piu` prestigioso incarico in una delle antiche sedi 20
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Cardinale prete del titolo dei Ss. Nereo ed Achilleo, cf. Hierarchia catholica medii aevi, vol. 1, Ab anno 1198 usque ad annum 1431 perducta, ed. C. Eubel, Münster 1913, vol. 1, 45. Cardinale prete del titolo di S. Ciriaco in Thermis, cf. ibid., 41. Cf. ibid., 14. Sull’argomento cf. J. H. Denton, Pope Clement V’s Early Career as a Royal Clerk, in: The English Historical Review 83 (1968), 303-314; Y. Renouard, E´douard II et Cle´ment V d’apre`s les Roles Gascons, in: Annales du Midi 67 (1955), 119-141.
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vescovili suburbicarie, quella di Palestrina: il pontefice nutriva sicuramente fiducia nei suoi confronti, tanto da affiancarlo al nipote Be´renger Fre´dol nel condurre le trattative cruciali del processo contro Bonifacio VIII 24. Gli ultimi due personaggi appartenevano invece allo schieramento filofrancese ed erano estranei all’entourage del papa. Il napoletano Landolfo Brancacci era devoto agli Angio`, grazie al favore dei quali aveva ottenuto dapprima la sede episcopale di Aversa e poi la nomina cardinalizia da Celestino V 25; sul piano puramente personale era un antibonifaciano convinto, si era schierato con Napoleone Orsini durante il lungo conclave del 1304-1305 e sembra che trattando con il re d’Aragona si fosse anche lasciato andare a pesanti commenti contro il papa defunto: tuttavia si trattava di un personaggio equanime e corretto, oltre che astuto, doti delle quali dette prova riuscendo a non farsi mai strumentalizzare politicamente da Filippo il Bello nella spinosa questione del processo alla memoria di Benedetto Caetani 26. Sull’altro non sono necessarie troppe spiegazioni: era il piu` giovane dei due cardinali nemici di Bonifacio VIII ed attivamente impegnati per promuoverne la condanna come eretico; scomunicato con la bolla ,Lapis abscissus‘ (23 maggio 1297) per la ribellione compiuta, venne reintegrato da Benedetto XI nel quadro delle strategie per ripristinare la pace con la monarchia francese 27. Fu la parte regia che spinse per ottenere la scelta di questi due personaggi ad essa propizi? La tentazione di crederlo vero e` forte, specialmente considerando l’identita` del secondo, ed in effetti i due filofrancesi erano gli unici a non aver ricevuto la porpora da Clemente V; sembrerebbero proprio aggiunti ad hoc agli altri quattro come per assicurare al sovrano che la Commissione inquirente avrebbe comunque guardato ai suoi interessi con la dovuta considerazione. Nonostante gli sforzi di conciliazione non fu possibile ottenere tutto quanto era stato concordato. Compiuti i due terzi del viaggio da Parigi a Poitiers, il convoglio dei Templari prigionieri si fermo` presso il castello regio di Chinon, sulle rive della Loira, per ripartire privo del Gran Maestro e dei quattro maggiori dignitari templari: il Visitatore, il Comandante d’Outremer, i precettori di Aquitania e Poitou e di Normandia. Il sovrano giustifico` quella novita` sostenendo che i dignitari erano in condizioni di salute tali da non poter sopportare la fatica del cavalcare: l’affermazione venne registrata da Clemente V nella narratio di una sua bolla 28 ed appare chiaramente un pretesto, poiche´ Jacques de Molay e gli 24
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Hierarchia catholica (nt. 20), vol. 1, 14; cf. anche L. Viollet, Berenger Fredol, canoniste, in: Histoire litteraire de la France 34 (1915), 62-178, 108. Hierarchia catholica (nt. 20), vol. 1, 49. Cf. J. Coste, Boniface VIII en proce`s. Articles d’accusation et de´positions des te´moins (13031311) (Publication de l’E´cole FrancX aise a` Rome), Roma 1995, 773 sq.; H. Finke, Acta Aragonensia, 3 vols., Berlin-Leipzig 1908-1922, vol. 3, 181. Cf. Coste, Boniface VIII e`n proce`s (nt. 26), 3-7; Guillemain, Il Papato sotto la pressione del re di Francia (nt. 13), 178-182. Cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 155; cf. Regestum Clementis papae V ex Vaticanis archetypis, editio, cura et studio monachorum ordinis sancti Benedicti, 9 vols., Roma 1885-1892, no. 3402.
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altri precettori infermi avrebbero potuto essere condotti a Poitiers usando delle lettighe 29. Il sospetto piu` forte e` che il sovrano intendesse con quel gesto creare dei precedenti utili per invalidare il procedimento pontificio: non abbastanza convinto che l’inchiesta della Curia Romana si risolvesse in una condanna, volle forse sottrarre al pontefice i membri piu` importanti dell’ordine per poi sostenere in seguito che il giudizio papale non poteva essere attendibile perche´ l’inchiesta non aveva esaminato proprio i gerarchi piu` rappresentativi. Clemente V non avanzo` rimostranze e singolarmente procedette con i lavori giudiziari proprio come se tutto fosse in regola: la scelta, che ricorda la mossa strategica dell’autunno precedente quando il papa aveva completamente ignorato l’esito fallimentare della prima legazione in Parigi, e` sicuramente collegata agli eventi che avranno luogo alcune settimane piu` tardi, quando verra` escogitato il modo di sottoporre comunque i capi del Tempio all’inchiesta della Curia Romana. Esaminando di persona i frati, il papa si era reso conto che l’ordine non era affatto eretico, ma aveva il torto di aver tollerato un rito militare d’ingresso molto offensivo per la religione: i frati spiegavano chiaramente che tutti i gesti facevano parte di una tradizione tipica del tempio (modus est ordinis nostri ). La cerimonia era una prova d’obbedienza e di coraggio ed imitava le violenze che i Templari dovevano subire se venivano catturati dai saraceni, i quali sotto pena di morte li obbligavano a rinnegare Cristo e sputare sulla croce. Poi, a questo nucleo di atti, si erano aggiunti altri gesti secondari di carattere goliardico, fatti per umiliare il novellino e insegnargli il rispetto per i superiori: la nuova recluta doveva baciare le natiche del precettore anziano e sentirsi dire senza ribellarsi che i superiori potevano abusare sessualmente di lui. Questo fatto nasceva da una specie di rovesciamento comico di un precetto degli statuti templari: la normativa dell’ordine chiedeva al frate di dare tutto se stesso per i confratelli, e da cio` era derivato l’ordine burlesco - fatto per schernire il novellino - di non negare loro nemmeno le parti intime. Si trattava pero` in genere di uno scherzo, anche se in linea teorica non possiamo scartare la possibilita` che ci siano stati fenomeni di abuso legati alla malafede di qualche singolo, disonesto precettore. Nella quasi totalita` dei casi alle parole non seguiva alcun fatto concreto. Anche se compiuti per obbedire ad una tradizione militare e senza adesione dell’animo, quei gesti erano pero` indegni per uomini che appartenevano ad un ordine religioso, in special modo il rinnegamento di Cristo era un fatto grave: secondo la dottrina della Chiesa chi rinnegava Cristo si poneva fuori dalla comunione cattolica, percio` i Templari, accettando il rito d’ingresso, in un certo senso si erano scomunicati da soli. 29
Quando Clemente V venne a sapere all’improvviso che tutti i Templari di Francia erano stati arrestati per ordine di Filippo il Bello, convoco` immediatamente i cardinali per tenere un concistoro in condizioni di grande urgenza. Il cardinale la Chapelle avanzo` le sue scuse perche` si trovava lontano da Poitiers ed era malato, ma il papa gli mando` a dire che se non poteva proprio cavalcare si doveva far mettere su una lettiga; cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 58 sqq.
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Alla fine Clemente V prese una decisione di grande saggezza: se i frati dell’ordine non avevano commesso il rinnegamento di Cristo e lo sputo sulla croce in piena liberta`, ma solo perche´ costretti a rispettare un’usanza del loro ordine, allora non esisteva vera colpa e non potevano essere considerati rei di aver aderito a convinzioni eterodosse. Certo le gerarchie del Tempio avevano una grande responsabilita`, quella di aver tollerato e non aver subito estirpato un rituale d’ingresso che aveva una forma cosı` apertamente offensiva per la religione cristiana. Poiche´ la Chiesa non chiude le sue braccia ai penitenti, e poiche´ la colpa dei Templari non era certo l’eresia, essi potevano essere assolti se avessero chiesto umilmente il perdono della Chiesa: questa fu la via seguita dal pontefice nella sua inchiesta 30. Il procedimento della Curia termino` il primo luglio 1308 e il giorno seguente Clemente V fece tenere un grande concistoro pubblico nell’ambito del quale i Templari poterono riascoltare il testo delle loro dichiarazioni, le ratificarono dinanzi al pontefice, chiesero solennemente il perdono della Chiesa e lo ottennero in quanto penitenti e confessi 31. La celebrazione fu ripetuta in forma ugualmente collettiva ai vespri del 10 luglio, nella casa del cardinale Pierre de La Chapelle, dove ricevettero la piena assoluzione e furono dette loro parole che suonavano incoraggianti: poiche´ l’ordine non era stato condannato potevano tranquillamente esibire i segni distintivi del Tempio, oltre a partecipare alle liturgie e ricevere i sacramenti cui avevano diritto in virtu` del perdono apostolico, che pero` non poteva render loro la liberta` personale 32. IV. Dalla perg amena di Chinon al Concilio di Vienne Il 20 luglio 1308 Filippo il Bello lascio` la Curia Romana in Poitiers per ritornare a Parigi: la questione dei Templari sembrava ferma ad un punto morto, ma comunque sotto controllo; presso la Curia lasciava il suo agente Guillaume de Plaisians, un allievo di Guillaume de Nogaret, che aveva l’incarico di pressare il papa per ottenere quanto prima un verdetto di condanna contro i Templari. Il 12 agosto si tenne un grande concistoro pubblico durante il quale furono pubblicate diverse bolle; una di queste, intitolata ,Faciens misericordiam‘, stabiliva quale sarebbe stato lo svolgimento futuro del processo: il giudizio definitivo sull’ordine veniva rimandato e sarebbe stato deciso in seno ad un grande Concilio ecumenico da tenersi nella citta` di Vienne nell’ottobre 1310. Dopo il grande concistoro del 12 agosto vennero indette le ferie estive e tutta la Curia Romana sospese la sua attivita`. 30
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Per la questione del rito militare d’ingresso e l’inchiesta nella Curia Romana cf. Frale, L’ultima battaglia dei Templari (nt. 14), 169-205; ead., Il papato e il processo ai Templari. L’inedita assoluzione di Chinon alla luce della diplomatica pontificia, Roma 2003, 95-138. Cf. K. Schottmüller, Der Untergang des Templerordens, 2 vols., Berlin 1887, vol. 2, 13 sq. e 33; 34 sq. e 53; 55 e 71. Cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 152 sq.
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Gli agenti di Filippo il Bello partirono per rientrare a Parigi; vista l’atmosfera generale di vacanza, pensarono di non aver piu` nulla da fare laggiu`. O almeno questo e` cio` che si volle far credere loro. Nella notte fra il 14 e il 15 agosto, con una mossa a sorpresa, un gruppo di 3 cardinali lasciarono Poitiers e si diressero nel castello reale di Chinon: avevano ricevuto l’ordine di Clemente V di interrogare i capi del Tempio trattenuti dal re di Francia, per eseguire, dunque, quell’inchiesta sulla dirigenza templare che Filippo il Bello aveva cercato d’impedire. Sono Be´renger Fre´dol ed E´tienne de Suisy, i due veterani della questione templare che ormai conoscevano molto bene l’intera faccenda. Erano favorevoli a che l’ordine fosse mantenuto in piedi dopo essere passato attraverso una profonda riforma morale: in passato avevano avuto alterchi con i membri del Consiglio regio e si erano lasciati sfuggire affermazioni sull’innocenza dei Templari. Il terzo era Landolfo Brancacci, un uomo fedele solo a Clemente V. Fra il 17 e il 20 agosto 1307 Jacques de Molay e gli altri dignitari vennero interrogati, chiesero il perdono della Chiesa e ottennero l’assoluzione 33. La notizia dell’inchiesta di Chinon si venne a sapere solo a cose fatte: Clemente V fece preparare una seconda versione di una bolla chiamata ,Faciens misericordiam‘, che aveva gia` promulgato in una forma diciamo ,primitiva‘, cioe` mancante di certi dettagli importanti, durante un concistoro pubblico svoltosi il 12 agosto precedente, dunque prima che si tenesse l’inchiesta di Chinon. Siamo certi che fu questa versione primitiva della lettera ad essere promulgata nel concistoro del 12 agosto, non solo perche´ la lettera era l’unica fisicamente pronta in quella data, ma soprattutto perche´ e` lo stesso testo della bolla a specificare che venne letta pubblicamente in concistoro e poi affissa alla porta della chiesa maggiore di Poitiers, cosa che non risulta affatto nella versione successiva scritta dopo che i capi del tempio erano stati assolti 34. Insomma, il papa fece preparare due diverse varianti del medesimo documento. La prima versione era stata pubblicizzata nel grande concistoro del 12 agosto che precedeva la partenza del pontefice per le ferie. In essa si diceva che il giudizio sui dignitari del Tempio e sull’ordine intero era rinviato al futuro concilio: probabilmente fu un espediente studiato da Clemente V per indurre la parte regia ad allentare la morsa lasciando cosı` spazio d’azione alla missione dei tre delegati; la seconda versione, retrodatata affinche´ i regnanti la ricevessero a cose ormai fatte, annunciava che i dignitari erano stati assolti e metteva tanto i vescovi quanto i re cattolici dinanzi al fatto compiuto. Nella prassi della Cancelleria papale del primo XIV secolo la confezione delle lettere segue l’uso di mantenere lo stesso testo, almeno per certe parti, quando vi siano piu` documenti in sequenza che riguardano la medesima vicenda: a 33 34
Per tutta la vicenda di Chinon cf. Frale, Il papato e il processo ai Templari (nt. 30), 139-179. Cf. Regestum Clementis papae V (nt. 28), no. 3584: „Ut autem huiusmodi nostra citatio ad communem omnium personarum dicti ordinis notitiam deducatur, eam in palatio apostolico publice presente fidelium moltitudine copiosa in audientia publica legi et publicari necnon cartas et membranas citationem continentes tandem in maioris ecclesie Pictaven. appendi et affigi hostiis seu superliminaribus faciemus […].“
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causa della complessita` formulare e retorica delle comunicazioni pontificie, i compilatori non riscrivevano un nuovo testo ma copiavano la parte iniziale di quello precedente e si limitavano a cambiare quanto andava cambiato. Le lettere somigliano dunque a una specie di utensile che si puo` adattare ad usi diversi sostituendo una o anche piu` di una delle sue parti accessorie: infatti nella trascrizione su registro i testi riportano continuamente delle indicazioni segnalanti simili interventi di copiatura (ad esempio: „e cosı` via fino al punto in cui si dice“, oppure „cambiando cio` che c’e` da cambiare“). Emettendo due varianti della ,Faciens misericordiam’ Clemente V non fece altro che servirsi di una prassi quotidianamente seguita, anche se gli „aggiustamenti“ operati avevano nel caso specifico un valore decisivo, dato che le affermazioni pubbliche espresse nella prima versione della bolla servivano a stornare i sospetti regi sulle sue vere intenzioni. Nel concistoro del 12 agosto il papa annunciava che i capi templari, riservati alla sua esclusiva persona con una precedente bolla del 5 luglio, sarebbero stati giudicati nel Concilio di Vienne, ma appena due giorni dopo inviava segretamente tre delegati a Chinon proprio per sottoporre i dignitari ad un’inchiesta. Gli informatori dei vari sovrani presenti presso la Curia vennero a sapere dell’inchiesta di Chinon soltanto alcuni giorni dopo, quando ormai tutto era gia` compiuto 35. Alla fine di agosto 1308, papa Clemente V crede di aver vinto la sua battaglia: l’ordine del Tempio e` passato sotto un’ondata incredibile d’infamia che ne ha travolto il buon nome, ma alla fine l’inchiesta apostolica ha proceduto ad assolvere i frati che si sono rimessi all’autorita` della Chiesa. Ora l’ordine e` pronto per essere riformato e dunque sopravvivere in una nuova forma. Il papa intende procedere ad unirlo con l’Ospedale secondo quel progetto gia` esaminato da vari suoi predecessori. Fu una grande vittoria morale che ribadı` l’autorita` assoluta del papato nel decidere di certe questioni; ma la sproporzione di forze era troppo grande e tale vittoria non duro` a lungo. Nell’ottobre 1308 Filippo il Bello aveva fatto scoppiare un altro grave scandalo contro la Chiesa: Guichard, vescovo di Troyes, fu accusato d’aver fatto morire la regina con l’evocazione del diavolo e la stregoneria, e sara` condannato al rogo indipendentemente dal giudizio del papa 36. La singolare vicinanza cronologica di questa manovra sconcertante rispetto agli esiti di Chinon forse suggerisce perche´ quella sentenza di assoluzione, 35
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Cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 155: „Eritque in locis circa civitatem Pictavensem ad quatuor vel quinque leucas usque ad reditum dominorum Berengarii Bitterrensis, Stephani Br*u+gensis et Landulfi Neapolitani cardinalium, qui die mercurii proxime preterita hinc recesserunt missi per papam ad quoddam castrum, quod est hic prope ad XVI leucas vel circa, ubi magister Templi et alii magni preceptores, quorum inquisitionem papam sibi specialiter reservavit, detinentur et iverunt, ut dicitur, ad inquirendum cum illis.“ La manovra contro il vescovo di Troyes era cominciata precedentemente richiedendo l’intervento di alcuni cardinali che sollecitarono Clemente V a prendere provvedimenti: il 3 giugno 1307 il papa aveva proclamato l’inconsistenza delle accuse mosse contro Guichard dichiarandolo prosciolto; cf. A. Rigault, Le proce`s de Guichard, e´veˆque de Troyes (1308-1313) (Me´moires et documents publie´es par la Socie´te´ de l‘E´cole des Chartes 1), Parigi 1886, 2.
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per quanto frutto di negoziati e trattative, non ricevette la debita pubblicita`: tra la fine di agosto e i primi di settembre viene promulgata la versione „aggiornata“ della ,Faciens misericordiam’ recante l’annuncio che i capi templari erano stati assolti e la specifica che d’ora innanzi nessuno, se non il pontefice romano, avrebbe piu` potuto giudicarli; appena un mese piu` tardi viene fatto cadere sulla Chiesa lo scandalo di un vescovo colluso con la magia nera che s’aggiunge a quelli di un papa, Bonifacio VIII, e un intero ordine religioso, i Templari, tutti accusati di eresia e stregoneria. L’attacco a Guichard di Troyes venne portato avanti in concomitanza con il processo dei Templari il quale era servito a sua volta per riacutizzare quello contro la memoria di Bonifacio VIII; l’avvocato regio Pierre Dubois pubblico` un supplemento al suo trattato ,De recuperatione terre sancte‘ nel quale l’eresia del pontefice era messa in rapporto con quella dell’ordine da lui protetto: in tal modo Clemente V si trovo` costretto a difendersi su tre fronti, e con buona parte del Sacro Collegio favorevole al re di Francia 37. Dietro la manovra si celava ancora una volta Guillaume de Nogaret: il fine era dimostrare che la Chiesa di Roma andava alla deriva, poiche´ l’eresia e la corruzione avevano potuto infettare un vescovo, un papa, persino un intero ordine religioso 38. Nella primavera precedente Filippo il Bello si era recato presso la Curia a Poitiers consegnando al pontefice un plico di 80 capitoli 39, contenente, fra le altre richieste, anche la condanna formale di Bonifacio VIII per eresia ed evocazione dei demoni a conclusione estrema del processo aperto dal sovrano al Louvre nel 1302. Come contromossa all’assoluzione dei capi Templari ora Filippo il Bello minacciava che avrebbe fatto riesumare le ossa di Bonifacio VIII per processare la salma e poi bruciarla come se si trattasse di un eretico. Era di fatto un attacco frontale al papato: dichiarare eretico e illegittimo Bonifacio VIII significava mettere l’intera Chiesa in stato d’illegalita` perche´ si sarebbe interrotta la successione apostolica. Tutto cio` che era stato sancito dopo l’abdicazione di Celestino V diventava invalido, compresa la stessa elezione di Clemente V. Filippo il Bello raduno` i cardinali a lui fedeli e avanzo` la prospettiva di aprire uno scisma in seno alla Chiesa: se Clemente V si ostinava a salvare l’ordine dei Templari, la Francia si sarebbe proclamata indipendente con una sua chiesa autonoma separata da Roma. A questo punto Clemente V si rese conto che la sua battaglia della primavera-estate 1308 era stata eroica e brillante, pero` aveva perduto. Agli inizi del 1309 scrisse a tutti i vescovi cattolici facendo capire loro che non aveva piu` intenzione di riformare l’ordine del Tempio e di scrivere una nuova regola 40. I vescovi, infatti, avevano capito che quelle erano le vere inten37
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Le connessioni fra i tre processi sono ricostruite in: Frale, L’ultima battaglia dei Templari (nt. 14), 265-282. Cf. Rigault, Le proce`s de Guichard (nt. 36), IV. Cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 1), vol. 2, 119. Cf. Baluze, Vitae paparum avenionensium (nt. 19), vol. 3, 100 sq.
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zioni del papa e stavano aspettando; e` da ricordare l’atteggiamento garantista di Rinaldo da Concorezzo, arcivescovo di Ravenna, e quello particolarmente onesto di Peter di Mainz, il quale fece stilare inventari molto dettagliati dei beni dei Templari nella sua diocesi affinche` non ci fossero furti quando l’ordine sarebbe tornato in possesso dei suoi averi 41. Naturalmente questi presuli fecero una scelta coraggiosa, diversa da quanti invece si erano schierati con Filippo il Bello adattarono oppure semplicemente si al modo in cui lo svolgimento del processo sembrava andare; tuttavia il loro agire era mosso dalla convinzione che Clemente V avesse realmente intenzione di salvaguardare l’esistenza del Tempio. In realta` la sproporzione di forze rispetto al re di Francia era troppo grande, e la completa impotenza politica del papato in quel momento storico segno` la fine delle speranze per i Templari. Nell’arco di appena due mesi, dalla fine di giugno alla fine di agosto 1308, il papa era riuscito ad afferrare le redini del processo, aveva creduto di poter epurare il Tempio dalle sue macchie e predisporlo per compiere finalmente la fusione con gli Ospitalieri. Ma, poco dopo, tutte le sue conquiste faticosamente raggiunte erano crollate come un castello di carte. Cio` che nel processo dei Templari viene dopo l’autunno 1308 e` soprattutto la storia di una lotta senza quartiere fatta per salvare il salvabile. Durante il grande Concilio che si tenne nella citta` di Vienne nel 1312 Clemente V dichiaro` l’ordine del Tempio sciolto per salvaguardare il superiore interesse del bene della Chiesa, chiuso in virtu` di un provvedimento amministrativo preso d’autorita`. Un processo durato ben cinque anni si era aperto con un arresto illegale e finiva ora senza una sentenza. Il papa riporto` un’altra vittoria morale, l’unica che in fondo poteva permettersi date le sue condizioni politiche: fece mettere agli atti che l’accusa di eresia era del tutto infondata, e che il processo non aveva portato alla luce alcuna prova concreta 42.
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Cf. R. Caravita, Rinaldo da Concorezzo, arcivescovo di Ravenna (1303-1321) al tempo di Dante, Firenze 1964; Ch. Lea, A History of the Inquisition of the Middle Ages, 3 vols., New York 1888-1889, vol. 3, 303 sq. Cf. Frale, Il papato e il processo ai Templari (nt. 14), 179-196.
Die Chinon-Charta von 1308 - die Wende im Templerprozeß? Ein archivalischer Fund und sein publizistisches Echo Matthias Heiduk (Göttingen) Die Geschichte des Endes der Templer zählt nicht nur zu den in der Forschung stets kontrovers diskutierten Themen. Sie bildet auch einen unerschöpflichen Fundus für Legendenbildungen, die die Wahrnehmung außerhalb der Fachkreise maßgeblich bestimmen. Angesichts der weit verbreiteten Haltung, die Geheimnisse und ungelöste Rätsel um den Orden geradezu erwartet, konnte sich die Nachricht von einer vermeintlich neuen Quelle zum Prozeß gegen die Mönchsritter einer hohen öffentlichen Aufmerksamkeit sicher sein. Ihren Ausgangspunkt nahmen die Meldungen in jüngster Zeit durch das zufällige Wiederauffinden eines falsch abgelegten Schriftstücks von 1308 im Archiv des Vatikans, so geschehen 2001. Die Finderin, Barbara Frale, sorgte vorbildlich bald für Publikationen zu ihrem Fund 1. Vermutlich wäre es innerhalb der Wissenschaft bei einigen wenigen rezeptiven Zeilen und Anmerkungen zu der Archivalie geblieben 2. Aber das genügte offenbar einigen Medienstrategen der Kurie nicht, die in dem Fundstück Publicitypotential erkannten. Als im Oktober 2007 eine teure Faksimileausgabe des besagten Schriftguts und weiterer Dokumente zum Templerprozeß in Rom vorgestellt wurde 3, erlebte dies ein wochenlanges Medienecho. Selbst Kulturmagazine und Hauptnachrichtensendungen berichteten in völliger Verkennung der historischen Umstände von einem angeblich verspäteten Freispruch für die verurteilten Ketzer 4. In der Folge versicherte 1
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Besonders hervorzuheben sind B. Frale, Il Papato e il processo ai Templari (La corte dei papi 12), Rom 2003 mit einer im Anhang befindlichen Textwiedergabe des Dokuments und ead., The Chinon Chart. Papal Absolution to the Last Templar, Master Jacques de Molay, in: Journal of Medieval History 30 (2004), 109-134. Bezeichnenderweise erwähnen maßgebliche Bücher zum Templerprozeß, die nach Veröffentlichung des Vatikanfundes erschienen sind, das Material nur beiläufig. Cf. A. Demurger, Der letzte Templer. Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de Molay, München 2004, 251 [französisches Original: Jacques de Molay. Le cre´puscule des templiers, Paris 2002] und M. Barber, Der Templerprozess. Das Ende eines Ritterordens, Düsseldorf 2008, 160 sq., nt. 391 [englisches Original: The Trial of the Templars, Cambridge 22006]. Die Faksimileausgabe erschien unter dem Titel Processus contra Templarios: la prima edizione critica del processo ai Templari dai documenti originali dell’Archivio Segreto Vaticano (Exemplaria Praetiosa 3), Rom 2007. Lediglich einen Eindruck von den Reaktionen allein in den deutschsprachigen Medien soll folgende kleine Sammlung von Schlagzeilen geben. Spiegel-Online am 6. 10. 2007: „Ketzer-Vorwurf: Vatikan-Buch spricht Tempelritter frei“, URL: http://www.spiegel.de/panorama/ zeitgeschichte/0,1518,509859,00.html (Stand: 11. 12. 2008); Tagesspiegel-Online am 8. 10. 2007:
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Barbara Frale über unzählige Interviews, durch den Archivfund aus dem Vatikan würden sich neue Perspektiven eröffnen, die die Ereignisse des Prozesses gegen die Brüder vom Tempel in einem neuen Licht erscheinen ließen 5. Ein Pergament von 1308 soll demzufolge den Moment dokumentieren, an dem sich die Sehgewohnheiten auf die Vergangenheit neu ausrichten und der dem Heute ein Fenster auf den Konstruktionscharakter von historischen Einordnungen aufstößt. Damit stünden nicht die sonst meist als markant herausgestellten Daten der Geschichte des Templerverfahrens - die spektakulären Verhaftungen 1307 in Frankreich, die Aufhebung des Ordens auf dem Konzil von Vienne 1312 und der Tod des letzten Großmeisters Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen 1314 - im Mittelpunkt, sondern das Geschehen des Jahres 1308. Ein näherer Blick auf den vermeintlichen Sensationsfund und seine Interpretation drängt sich daher im Rahmen des Themas ,1308‘ der Kölner Mediävistentagung geradezu auf. In diesem Beitrag sollen drei Aspekte näher beleuchtet werden: zum einen die Frage nach dem ,Neuen‘ an der Archivalie aus dem Vatikan, zum zweiten die Rolle des Papstes und schließlich die Aufnahmezeremonie der Templer. Laut Barbara Frale seien zu den letzten beiden Punkten aus ihrem Fund wesentliche neue Erkenntnisse zu gewinnen. I. Eine unbekannte Quelle mit neuen Infor mationen? Bei dem Schriftstück aus dem Vatikanarchiv handelt es sich um das Protokoll der Befragung prominenter Würdenträger der Templer vom 17. bis 20. August 1308 in der königlichen Burg zu Chinon, weshalb es vereinfacht als ChinonCharta oder Chinon-Dokument bezeichnet wird 6. Zu den fünf Befragten zählten der Großmeister Jacques de Molay, der Visitator Frankreichs Hugues de Pairaud, der Komtur der Ordensbesitzungen in der Levante, Raimbaud de Caron, der Provinzmeister der Normandie, Geoffroy de Charney, und Geoffroy
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„Vatikan-Dokument: Die Templer waren keine Ketzer“, URL: http://www.tagesspiegel.de/kultur/ Templer-Kreuzritter-Geschichte;art772,2395482 (Stand: 11. 12. 2008); Focus-Online am 16. 10. 2007: „Die Templer: Nach der Absolution kam der Tod. Die mythenumwobenen Mönchsritter waren keine Ketzer“, URL: http://www.focus.de/wissen/bildung/Geschichte/tid-7683/dietempler_aid_136025.html (Stand: 11. 12. 2008); ,Tagesthemen‘ der ARD am 25. 10. 2007: „Papst Clemens V. sprach die Tempelritter von Ketzerei frei“, URL: http://www.tagesschau.de/ multimedia/video/video225262.html (Stand: 11. 12. 2008); Süddeutsche-Online am 26. 10. 2008: „Mythos und Wahrheit: Die Templer waren keine Ketzer“, URL: http://www.sueddeutsche.de/ wissen/823/317697/text (Stand: 11. 12. 2008); ,Aspekte‘ des ZDF am 2. 11. 2007: „Ehrenrettung für die Templer. Der Vatikan öffnet seine Geheimarchive“, URL: http://aspekte.zdf.de/ZDFde/ inhalt/14/0,1872,7120782,00.html?dr=1 (Stand: 11. 12. 2008). Als Beispiele von Interviews in den deutschen Medien cf. E. Kallinger/R. Thiede, Verbotene Templerküsse, in: Focus 52 (2007), 107 und S. Ullrich: „Templer: Der späte Freispruch der Ketzer“, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,517509,00.html (Stand: 11. 12. 2008). Zu Text und Inhalt des Chinon-Dokuments cf. Frale, Il Papato (nt. 1), 198-214.
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de Gonneville, der Provinzmeister von Aquitanien. Durchgeführt wurde die Befragung durch die Kardinallegaten Berengar Fre´dol, E´tienne de Suisy und Landolfo Brancacci in Anwesenheit weiterer Geistlicher und vermutlich auch im Beisein einiger königlicher Beamter. Letztere werden in der Chinon-Charta nicht genannt, finden aber in einem Bericht über die Untersuchung für den französischen Hof Erwähnung 7. Die Kardinäle befragten laut Protokoll die unter Eid stehenden Würdenträger der Templer über die katholische Rechtgläubigkeit im Orden und über die Ordensregel, insbesondere aber über Ort, Zeit und Umstände ihrer eigenen Aufnahme in den Orden und ob es dabei zur Verleugnung Christi, zum Bespeien des Kreuzes und zu unsittlichen Küssen gekommen wäre, ferner, ob die Sünde der Sodomie (Homosexualität) unter den Templern begangen würde, ob ein Idol angebetet worden sei und was sie von den Aufnahmezeremonien anderer Ordensmitglieder wüßten. Abschließend wurden die Ritter gefragt, ob sie ihre Aussagen aufgrund einer Beeinflussung Außenstehender, etwa durch Androhung von Gewalt und Folter geleistet hätten. Nachdem den Nichtlateinern in ihrer Muttersprache das Protokoll zur Bestätigung verlesen worden war, wurde die Aufzeichnung durch die Notare beglaubigt und mit den Siegeln der Kardinäle versehen. Die Antworten der Templer sind im Dokument ausführlich aufgezeichnet. Zu den Kernfragen fielen ihre Aussagen unterschiedlich aus. Während alle eine Verleugnung Christi im Anschluß an die Profeß nach den offiziellen Statuten des Ordens einräumten, wurden die anderen Praktiken nur teilweise eingestanden. Geoffroy de Gonneville berichtete auch vom Spukken auf das Kreuz 8, Hugues de Pairaud gar auch von Küssen auf Nabel und Steiß, die er als aufnehmender Meister verlangt habe 9. Zudem weiß er von einem Idol, das ihm in Montpellier vom dortigen Ordenskomtur gezeigt worden sei 10. Alle Befragten verneinten hingegen eine Beeinflussung ihrer Aussagen, baten allerdings in Reue ob ihrer Häresie um die Gnade der Kirche. Nachdem sie beeideten, dem christlichen Glauben und der katholischen Lehre zu folgen, wurde ihnen kraft päpstlicher Autorität die Absolution erteilt und sie wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen. 7
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Cf. H. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, 2 vols., vol. 1, Münster 1907, 220; Barber, Templerprozess (nt. 2), 160. Barbara Frale möchte aus der Nichterwähnung der Beamten im Chinon-Dokument auf eine Versammlung der päpstlichen Legaten, Geistlichen und verhörten Templer schließen, die vor den Männern des Königs geheimgehalten worden sein soll. Eine solche Befragung im Verborgenen erscheint auf einer königlichen Burg unter ständiger Bewachung mehr als unwahrscheinlich und ergibt auch wenig Sinn, wenn die Kardinäle im Anschluß Philipp IV. über das Geschehen informieren; cf. Frale, Chinon Chart (nt. 1), 131. Cf. Frale, Il Papato (nt. 1), 206: „Dixit eciam dictus recipiens eidem recepto quod oportebat eum spuere super crucem predictam […].“ Cf. ibid., 208: „Interrogatus per quem modum recepit ipsos, dixit quod ipsis recepetis et mantellis dicti ordinis traditis, cuilibet eorum precipiebat quod abnegarent crucifixum et quod oscularentur eium in fine spine dorsi, et in umbilico, et postmodum in ore.“ Cf. ibid., „Requisitus de capite idolatico [sic!] quod dicitur adorari per Templarios, dixit quod vidit illud ostensum sibi in Montepessulano per fratrem Petrum Alemandini preceptorem dicti loci; et remansit ipsi fratri Petro ipsum caput.“
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Zu der Zusammenkunft auf der Burg von Chinon kam es nach einem längeren politischen Kräftemessen zwischen König Philipp IV. und Papst Clemens V. 11. Nach der für die Kurie überraschenden Initiative des französischen Hofes mit der Festnahme und ersten inquisitorischen Befragung der Templer in Frankreich, versuchte der Papst das Verfahren an sich zu ziehen. Im Februar 1308 suspendierte Clemens die bislang aktiven Inquisitoren und verlangte die Überstellung der inhaftierten Ordensbrüder sowie die Aushändigung ihrer Besitztümer. Es bedurfte wiederholter diplomatischer Aktivitäten, bis König Philipp eine Abordnung von ausgesuchten Templern vor die päpstliche Untersuchungskommission veranlaßte. In Poitiers saß der Papst dann im Juni 1308 selbst der Befragung von 72 Ordensbrüdern vor, die nach dem gleichen Muster wie die geschilderten Verhöre von Chinon verlief. Auch die meisten der 72 gestanden in unterschiedlichem Umfang die Häresievorwürfe ein und erhielten nach aufgezeigter Reue die Absolution. Wie die hohen Würdenträger des Ordens bestätigten sie damit im wesentlichen frühere Geständnisse vor den königlichen Beamten und kirchlichen Inquisitoren, wenn auch zwischenzeitlich einige diese frühen Geständnisse widerrufen hatten, darunter bekanntermaßen der Großmeister Jacques de Molay selbst. Daß zumindest die ersten Schuldbekenntnisse nach massiven Folterungen der meisten, wenn nicht gar aller Ordensbrüder erfolgten, steht nach der Logik des Verfahrens in keinem Widerspruch zu der beschworenen Freiwilligkeit der angeblich unbeeinflußten Aussagen vor der Inquisition und der päpstlichen Kommission. Denn nach mittelalterlichem Rechtsverständnis unterschied sich das Vorverfahren, in dem die Folter zum Einsatz kam, von der Wiederholung eines Geständnisses in der Hauptbefragung. Diese Wiederholung erfolgte schließlich ohne Folterung und sollte den Inquisit mit der zuvor zu Tage beförderten Wahrheit ins reine bringen. Auf diese Besonderheiten der zeitgenössischen Auffassung ist in der Forschung immer wieder eingegangen worden, weswegen es an dieser Stelle mit einem Verweis sein Bewenden haben soll 12. Auf dem Weg nach Poitiers sind die fünf Würdenträger von den anderen 72 Templern getrennt und unter dem Vorwand der Reiseunfähigkeit von Beamten des Königs nach Chinon verbracht worden. Die dortige Befragung durch die Kardinallegaten im August stellte also gewissermaßen einen Kompromiß dar, durch den der Papst die ranghohen Ordensritter zwar nicht selbst verhörte, sie aber dennoch über seine Bevollmächtigten in seine Untersuchung einbeziehen konnte. Mit aller Deutlichkeit muß festgestellt werden, daß für die Templerforschung am Gehalt des Fundes aus dem Vatikanarchiv absolut nichts neu ist. Durch eine bereits von Heinrich Finke publizierte Kurzfassung des Befragungsprotokolls 11
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Zur historischen Einordnung der Befragung zu Chinon cf. Finke, Papsttum 1 (nt. 7), 172-230; Barber, Templerprozess (nt. 2), 112-171. Besonders eindringlich behandelt dies J. Fried, Wille, Freiwilligkeit und Geständnis um 1300. Zur Beurteilung des letzten Templergroßmeisters Jacques de Molay, in: Historisches Jahrbuch 105 (1985), 388-425.
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aus den päpstlichen Urkundenbeständen und den Bericht der Kardinallegaten an den französischen König zählen alle genannten Punkte zum bekannten Informationsstand 13. Das gilt auch für die Absolutionen, die in der Kurzfassung unerwähnt bleiben, aber durch den Brief der Kardinäle, die Bulle ,Faciens misericordiam‘ 14 und die Umstände der Befragung längst erschlossen worden sind. Sie erfahren also durch die vollständigere Überlieferung des Chinon-Dokuments lediglich ihre Bestätigung. All das entspricht dem Erkenntnisstand, wie er seit über 100 Jahren bei Heinrich Finke nachgeschlagen werden kann 15. Das einzig Überraschende an der Chinon-Charta bleibt somit der Umstand, daß sie im Original aufgefunden worden ist. Aufgeschreckt durch das Medienecho um die Präsentation der Faksimileausgabe bemühten sich der Präfekt des vatikanischen Geheimarchivs und der Präsident des päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft immerhin um einige relativierende Worte zu der Bedeutung des Archivfundes, die der öffentlichen Aufmerksamkeit aber weitgehend entgingen 16. II. Ein päpstlicher Plan zur Rettung des Templerordens? Barbara Frale verdient nun keineswegs den Vorwurf, sie würde den bisherigen Stand der Forschung ausblenden. Abseits der Presseauftritte betont sie in ihren Fachpublikationen selbst, nicht die Inhalte ihres Fundes stellten das Neue dar, sondern deren nun auf stabiler Quellenbasis gesicherte Überlieferung 17. Dennoch plädiert sie aufgrund der Chinon-Charta für eine radikale Neubewertung des Templerprozesses. Ihr geht es dabei vor allem um die Rolle von Papst Clemens V., auf die sie ein positiveres Licht werfen zu müssen glaubt. Seit vielen Jahrzehnten bestimmt ein realistisches Bild von den Handlungsspielräumen des Pontifex den Konsens der historischen Forschung, nach dem dem Papst durchaus zugestanden wird, im Rahmen seiner Möglichkeiten im Verfahren Schlimme13
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Die Kurzfassung des Verhörprotokolls ist in Finke, Papsttum 2 (nt. 7), 324-329 (nr. 154) abgedruckt, der Brief der Kardinäle an Philipp IV. in E. Baluze, Vitae paparum Avenionensium, vol. 3, Paris 21921, 98 sqq. Ein Abdruck der Bulle findet sich in: Le Livre de Guillaume le Maire, ed. C. Port, in: Me´langes historiques: Choix de documents, vol. 2, Paris 1877, 435-441. Eine neuere Textwiedergabe beinhaltet R. Se`ve/A.-M. Chagny-Se`ve, Le Proce`s des Templiers d’Auvergne (1309-1311), Paris 1986, 93-98. Cf. nt. 11. Präfekt Sergio Pagano und Präsident Walter Brandmüller betonten Ende Oktober 2007 einhellig über Radio Vatikan, am Chinon-Dokument sei nichts neu. Im bemerkenswerten Kontrast zu der zuvor geschalteten Medienkampagne erscheint die Aussage von Sergio Pagano: „Die Historikerin und Entdeckerin der Akten, Barbara Frale, sprach zwar von einer ,sensationellen Entdekkung‘, meinte jedoch, daß sie die erste Historikerin sei, die sich mit diesem Pergament wissenschaftlich befassen würde.“ Cf. URL: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=163044 (Stand: 11. 12. 2008); URL: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=163282 (Stand: 11. 12. 2008). Cf. Frale, Chinon Chart (nt. 1), 129 sq.
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res verhindert zu haben 18. Über die Zielrichtung der französischen Krone, mit dem Prozeß gegen die Templer das Papsttum unter Druck zu setzen, dürften sich Clemens und die Kurie vollauf bewußt gewesen sein, was eine persönliche Überzeugung von Schuld oder Unschuld der Ritterbrüder für sie in den Hintergrund gedrängt haben mag. In beständiger Reichweite des Königshofes, damit den Agitationen der Ratgeber Philipps und der Gefahr eines militärischen Zugriffs ausgesetzt, zudem durch den angestrebten Häresieprozeß gegen Bonifatius VIII. und die Parteienbildung innerhalb des Kardinalskollegs auch in der persönlichen Stellung bedroht, erweisen sich die Machtmittel Clemens’ V., die ihm einen radikalen Konfrontationskurs gegen den König von Frankreich zugunsten der Templer erlaubt hätten, als durchaus begrenzt. Und so stellen sich die Bemühungen der päpstlichen Diplomatie nicht als völlig erfolglos dar, erreichte der Papst doch die Einsetzung einer eigenen Untersuchungskommission. Die Aufhebung des Ritterordens auf dem Konzil von Vienne, mit der eine Verurteilung des Gesamtordens als häretische Institution ausblieb, erfolgte allerdings auf erneuten Druck Philipps IV. und gegen den Widerstand vieler Konzilsteilnehmer. Entgegen Frale kann sie deshalb kaum als Moment einer Unschuldsüberzeugung des Papstes und damit als eine Art Aufbäumen gegen die Bevormundung durch den König gelten 19. Barbara Frale glaubt nun, bei Clemens V. bereits im Vorfeld der Verhaftungsaktion des Königs von 1307 die Überzeugung von der Reformbedürftigkeit der Templer auszumachen. Tatsächlich konfrontierte König Philipp IV. den Papst erstmals bei dessen Krönung 1305 in Lyon mit Gerüchten über üble Vorkommnisse im Ritterorden 20. Nach Ankunft Jacques de Molays in Frankreich im Frühjahr 1307 - er hatte sich zur Beratung über neue Kreuzzugsunternehmen aus Zypern auf den Weg gemacht 21 - deuten einige Hinweise auf eine Unterredung Clemens’ V. mit dem Großmeister über den Zustand der Gemeinschaft von Ritterbrüdern. Doch bleiben die Quellen problematisch und in ihren Berichten über den Inhalt des Gespräches äußerst vage 22. So beweist die angebliche Auf18
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Maßgeblich wirkte in diese Richtung die Arbeit von Heinrich Finke, in der in aller Deutlichkeit der politische Kontext des Templerprozesses in der Auseinandersetzung zwischen Papsttum und französischem König herausgestellt wurde; cf. Finke, Papsttum (nt. 7). Diese Sicht bleibt seitdem im Urteil der Historiker vorherrschend. Cf. Frale, Chinon Chart (nt. 1), 127. Zu den Ereignissen auf dem Konzil und zur Einflußnahme Philipps IV. cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 287-300. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 81. Über die Kreuzzugsplanungen und die Reise des Großmeisters nach Frankreich cf. Demurger, Der letzte Templer (nt. 2), 196-215. Barbara Frale verweist zum einen auf eine Passage in den Verhörprotokollen, doch findet sich eine entsprechende Aussage an der von ihr angegebenen Stelle nicht und entzieht sich somit einer Überprüfung; cf. Frale, Chinon Chart (nt. 1), 116, nt. 39. Als zweite Quelle führt sie die Chronik des sogenannten Templers von Tyrus an; cf. Frale, Chinon Chart (nt. 1), 116 sq. Der Autor dieser Chronik blieb den Prozeßereignissen jedoch fern, als entsprechend schlecht erweist sich häufig seine Informationslage über die Ereignisse im Westen; cf. Demurger, Der letzte Templer (nt. 2), 225.
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forderung des Papstes, ihm eine Abschrift der Ordensregel zukommen zu lassen, noch keine Voruntersuchung mit Hinblick auf die Häresievorwürfe. Wenn Clemens V. in einem Schreiben an Philipp IV. vom 24. August 1307 eine Untersuchung „super statu Templi“ ankündigte, so geschah dies auf das Drängen des französischen Hofes und - laut Inhalt des Briefes - auch auf Wunsch des Großmeisters und anderer Ordenskomture, die sich von den Vorwürfen der kursierenden Gerüchte entlasten wollten 23. Eine eigenständige päpstliche Initiative wird somit aus dieser Ankündigung nicht deutlich. Vielmehr spricht Clemens’ Verweis auf einen durch Krankheit notwendigen Aufschub der Untersuchung für eine Taktik, die dem König Entgegenkommen signalisieren und zugleich keine besondere Dringlichkeit erkennen lassen sollte. In den Aktivitäten der Kurie des Jahres 1308 würden sich nach Barbara Frale aber die 1307 begonnenen Bemühungen fortsetzen, den Ritterorden nicht als Organisation zu zerschlagen, sondern moralisch zu erneuern und als Instrument unter Kontrolle des Nachfolgers Petri wieder fest zu etablieren 24. Die Absolution für die 72 Templer vor der Kommission in Poitiers und besonders für die fünf hohen Würdenträger, wie sie durch das Chinon-Dokument bestätigt werden, nimmt in dieser Argumentation eine Schlüsselstellung ein: Die Erteilung der Absolution beweise, Clemens habe in den Templern keine wirklichen Häretiker gesehen 25. Natürlich kann dies nicht einen Freispruch bedeuten, wie ihn die Nachrichtenmeldungen aus dem vergangenen Jahr unterstellen. Denn Absolution erhält nur der reuige Sünder, der seine Vergehen eingestanden hat und bereit ist, die von der Kirche auferlegte Buße abzuleisten. Aus den Protokollen geht schließlich hervor, daß die befragten Ordensbrüder Verfehlungen gegen den rechten Glauben eingestanden haben. Wie können sie dann keine Häretiker sein? Nach der Auswertung einer Datenbank mit den bislang gesammelten Geständnissen aus den Reihen der Rittermönche glaubt Barbara Frale, daß im Anschluß an die Aufnahme gemäß den Statuten sich tatsächlich ein zusätzliches Ritual abgespielt habe 26. Dabei sei der Novize zur Verleugnung Christi, zum Bespeien des Kreuzes und zum Küssen von unterem Rückgrat, Nabel und Mund des aufnehmenden Präzeptors aufgefordert worden. Das bedeutete jedoch keine häretische Absicht, vielmehr bildete dies ein Initiationsritual in einer 23
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Zum Brief cf. Baluze, Vitae paparum 3 (nt. 13), 58 sqq. Zum Hintergrund der angekündigten Untersuchung cf. A. Demurger, Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120-1314, München 2 1997, 241 sq. [französisches Original: Vie et mort de l’ordre du Temple, Paris 1985]; Barber, Templerprozess (nt. 2), 80-83. Cf. Frale, Chinon Chart (nt. 1), 117. Cf. Frale, Il Papato (nt. 1), 187-192. Besagte Datenbank, auf die sich Barbara Frale immer wieder bezieht, ist meines Wissens bis heute nicht veröffentlicht worden und entzieht sich daher einer Einsichtnahme. Auf das Templerritual geht Frale ausführlich ein in: B. Frale, L’ultima battaglia dei Templari. Dal ,codice ombra‘ d’obbedienza militare alla costruzione del processo per eresia, Roma 2001, 169-205. Cf. Frale, Il Papato (nt. 1), 123 sqq.; ead., Chinon Chart (nt. 1), 127 sqq. sowie den Beitrag von Barbara Frale in diesem Band, 125-139.
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männerbündisch-militärischen Gruppe, das als Mutprobe, Vorbereitung auf eine mögliche Gefangenschaft bei den Sarazenen und Gehorsamsbezeugung gegenüber den Vorgesetzten verstanden worden sei. Nach diesem Initiationsritual seien die Novizen auch zur sofortigen Beichte aufgefordert worden, was in der Tat von vielen geständigen Templern bei den Verhören betont worden ist 27. Diese fügten vielfach hinzu, die Verleugnung und Besudelung hätten sie nur auf den Befehl hin ausgeführt, ohne sie im Herzen zu wollen 28. Papst Clemens V. habe, so Barbara Frale, die unhäretische Natur dieses Aufnahmerituals erkannt und in seinen Reformplänen deren Ausmerzung vorgesehen, zumal es dabei in der jüngeren Vergangenheit des Ordens immer häufiger zu Entgleisungen und Gewaltakten gegenüber den Postulanten gekommen sei 29. Daß der Pontifex dies nach Aufkommen der ersten Gerüchte um das Jahr 1305 nicht mehr durch eine Kurskorrektur im Stillen habe vollziehen können, habe an dem plötzlichen Zugriff Philipps IV. vom Oktober 1307 mit der Verhaftung der Templer in Frankreich gelegen. Das gleichwohl sündhafte Treiben im Orden habe Clemens in Abstufung zur Häresie als weniger schwerwiegende Form der Apostasie eingeordnet, die daher auch durch eine einfache Absolution hätte vergeben werden können. Die Grundlage für eine solche Behandlung der geständigen Ordensritter beruhte demnach auf den Ausführungen von Kirchenvätern wie Cyprianus und Tertullianus, die angesichts der Christenverfolgungen ihrer Tage abgefallenen Gemeindemitgliedern mit ihren Ausführungen über Apostasie die Möglichkeit der Vergebung und Wiederaufnahme in die Kirche ermöglichen wollten 30. Der weitere Verlauf des Prozesses gegen die Templer, bis zu dessen Ende nicht wenige Ordensbrüder in den Kerkern oder auf dem Scheiterhaufen sterben mußten, könne einzig auf die bewußte Gegensteuerung von seiten des französischen Hofes zurückgeführt werden 31. Gegen diese Darstellung der päpstlichen Haltung in bezug auf den Ritterorden gilt es drei Einwände zu berücksichtigen, die zum einen die Bedeutung der Absolutionen betreffen, zum zweiten die vermeintliche Apostasie und zum dritten die konkreten Entscheidungen Clemens V. im weiteren Prozeßgeschehen. Die Argumentation von Barbara Frale, wonach der Umstand der Absolution für die Würdenträger der Templer von einer Beurteilung der Geständnisse durch den Papst als minderschwere Vergehen zeuge, ist abwegig. Auch in einem Häresieverfahren bedingt die Reue und Bußbereitschaft des geständigen Sünders die Absolution, nicht die Schwere der Schuld. Von der Lossprechung zu trennen ist die auferlegte Buße. In Häresieprozessen erfolgte der Richtspruch des Inquisitors in der Regel nach Erteilung der Absolution, sofern die Reue des Geständi27
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Cf. e. g. Proce`s des Templiers, ed. J. Michelet, 2 vols., Paris 1841-1851, vol. 1, 405, 523, 555, 563, 570, 573, 585, 589 sq., vol. 2, 45 sq., 138, 268. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 97. Die Aussage „ore, non corde“ zieht sich auch durch die Geständnisse des Chinon-Dokuments; cf. Frale, Il Papato (nt. 1), 198-214. Cf. Frale, L’ultima battaglia (nt. 26), 185-195. Cf. ead., Il Papato (nt. 1), 125-129. Cf. ibid., 179-191.
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gen eine Lossprechung ermöglichte 32. Weder die 72 in Poitiers noch die fünf in Chinon losgesprochenen Ordensbrüder wurden durch die Absolution von den Bußstrafen und schon gar nicht von der Häresie freigesprochen, sie mußten sehr wohl mit einer Verurteilung etwa zu schwerer Kerkerhaft rechnen 33. Im Verhörprotokoll der Kardinallegaten findet die Buße der Tempelwürdenträger keine Erwähnung. Aber Clemens V. verdeutlichte seine Zuständigkeit bei der Urteilssprechung. Erst nach dem Konzilsbeschluß von Vienne zur Aufhebung des Ritterordens übertrug der Papst im Dezember 1313 sein persönliches Urteil über die Würdenträger an eine Kommission 34. Mit Hinblick auf die Templer als Gesamtinstitution waren die Lossprechungen ohnehin irrelevant, da sie individuelle Akte und kein Urteil über den Orden darstellten. Ein solcher Richtspruch über den Gesamtorden stand allein Clemens V. zu, was selbst König Philipp IV. nicht mit Erfolgsaussichten anzweifeln konnte 35. Der zweite Einwand richtet sich gegen die Differenzierung von Häresie und Apostasie im Templerprozeß. Zwar fällt im kurialen Schriftgut zum Verfahren auch der Begriff der Apostasie, doch eine qualifizierende Unterscheidung zur Häresie wird an keiner Stelle vorgenommen 36. Anfang des 14. Jahrhunderts fehlte es schlicht an theologischen oder kirchenrechtlichen Grundlagen für eine solche Abstufung. Die Christenverfolgungen der Antike entsprachen längst nicht mehr dem zeitgenössischen Erfahrungshorizont und die scholastischen Lehrmeinungen lagen sehr viel näher als die situationsspezifischen Ausführungen nordafrikanischer Kirchenväter des 3. Jahrhunderts. Thomas von Aquin beispielsweise behandelt in seiner theologischen Summe die Apostasie in unmittelbarem Anschluß an die Häresie. Und beim Aquinaten ist keineswegs von der Apostasie als geringer Sünde zu lesen, im Gegenteil: Der Abfall vom Glauben trage nicht nur geistigen Hochmut in sich, sondern er bewege sich auf den Unglauben als Endpunkt zu, was einen erschwerenden Umstand bilde. Der Form nach zähle Apostasie zum Willen, der sich gegen die Gebote Gottes auflehne und sei daher Todsünde 37. Abgesehen von besonderen Regelungen für 32
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Daß die Absolution dem Richtspruch des Inquisitors voranging, zeigen sowohl Verhörprotokolle wie Richtlinien zur Durchführung von Inquisitionsverfahren; cf. e. g. W. Wakefield, Heresy, Crusade and Inquisition in Southern France 1100-1250, London 1974, 239, 254 sq. Die Verhängung von Bußen wie beispielsweise das Tragen stigmatisierender Stoffkreuze, Wallfahrten, aber auch bis zu lebenslänglicher Haft oblagen unmittelbar dem Inquisitor. Zivilrechtliche Folgen wie Güterkonfiskation, Ämterverlust und Verlust der Testierfähigkeit traten im Falle des Schuldspruchs von selbst in Kraft. Lediglich der Vollzug der Todesstrafe wurde an die weltliche Justiz delegiert, fand aber nur bei als verstockt und rückfällig geltenden Ketzern Anwendung. Quantitativ nehmen Hinrichtungen einen sehr niedrigen Prozentsatz bei den Verurteilungen in Häresieprozessen ein. Cf. J. Oberste, Ketzerei und Inquisition im Mittelalter, Darmstadt 2007, 99-102. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 311. Cf. Finke, Papsttum 1 (nt. 7), 146. Zur Beschreibung der Verfehlungen der Templer fällt in der Bulle ,Faciens misericordiam‘ der Ausdruck vom gottlosen Verbrechen der Apostasie („scelus apostasie nephandum“); cf. Se`ve/ Chagny-Se`ve, Le Proce`s (nt. 14), 94. Cf. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-II, 12, 1.
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Flüchtige aus Ordens- und Priesterstand, die als Apostaten eingestuft wurden 38, beinhalteten die kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Zeit des Templerverfahrens keine Trennung des Abfalls von der Häresie, wie sie Barbara Frale annimmt. Vielmehr galt die apostasia perfidiae als qualifizierte Ketzerei 39. Gegen die These, wonach die Verhöre und Absolutionen der päpstlichen Kommission von 1308 Bestandteil einer Erneuerungsidee oder eines Reformvorhabens von seiten Clemens’ V. darstellten, sprechen Äußerungen und Vorgehen des Papstes in unmittelbarem Anschluß an die Befragungen in Poitiers und Chinon. Mit der Bulle ,Subit assidue‘ vom 5. Juli 1308 verkündete Clemens, nach anfänglichen Zweifeln durch die Geständnisse der 72 Templer in Poitiers von den häretischen Praktiken im Ritterorden überzeugt zu sein. Folgerichtig hob er die Suspendierung der Inquisition in Frankreich wieder auf und richtete eine päpstliche Generalkommission für die Untersuchung des Gesamtordens ein 40. Begleitet wurden diese Maßnahmen durch die Aufforderung in der Bulle ,Faciens misericordiam‘ - datiert auf den 12. August 1308 41 - an die Bischöfe in allen christlichen Reichen, umfangreiche Investigationen gegen die Templer durchzuführen 42. Wegen des vielfach zögerlichen und zurückhaltenden Vorgehens in den Verfahren außerhalb Frankreichs sah sich Clemens V. in der Folge immer wieder genötigt, rigorosere Maßnahmen einzufordern und - wie in einem Brief an König Edward II. von England - die von den Inquisitoren vielfach beklagte inkonsequente Anwendung der Folter tadelnd zu erwähnen 43. Der Papst mag während des gesamten Templerverfahrens ein Getriebener des französischen Hofes gewesen sein. In das Bild, er sei noch nach den Befragungen von Poitiers und Chinon von der Unschuld der Templer im Sinne der Häresieanklagen überzeugt gewesen und habe den Orden entschlossen zu retten versucht, fügen sich angeführte Bestimmungen und Äußerungen aber schwerlich. III. Ein inoffizielles Initiationsritual der Templer? Was sich nun während der Aufnahmezeremonie, die bei den Templern entgegen den Gepflogenheiten anderer geistlicher Gemeinschaften meist unter Aus38
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Cf. Corpus iuris canonici, Liber extra, lib. 5, tit. 9. Lediglich hier findet sich in den Dekretalensammlungen die ausdrückliche Bezeichnung Apostasie, ansonsten werden die verschiedenen Formen von Unglauben unter der Häresie abgehandelt; cf. nt. 39. Cf. Corpus iuris canonici, Decretum Gratiani, pars II, causa II, q. 7, cap. 24; Corpus iuris canonici, Liber sextus, lib. 5, tit. 2, cap. 7; cf. A. Scheuermann, Art. ,Apostasie II‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 1, München-Zürich 1980, col. 780 (mit Verweisen auf weitere kirchenrechtliche Bestimmungen). Zum Text der Bulle ,Subit assidue‘ cf. Le Livre de Guillaume Le Maire (nt. 14), 418-423. Zum Problem der vorgezogenen Datierung der Bulle im Verhältnis zum Verhör in Chinon cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 154, nt. 375. Cf. Le Livre de Guillaume Le Maire (nt. 14), 437-440. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 255-258. Ein entschlossenes Vorgehen gegen die Templer forderte Clemens V. noch im Dezember 1310 auch von den deutschen Erzbischöfen ein, was auf die in den Augen des Papstes zu zögerlichen Maßnahmen in diesen Diözesen schließen läßt; cf. e. g. W. Kisky (ed.), Die Regesten der Erzbischöfe von Köln, Bonn 1915, 122 (no. 583). Die
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schluß der Öffentlichkeit stattfand, abgespielt hat, zählt bis heute zu den mit größter Intensität diskutierten Fragen. Besonders in der Forschung des 19. Jahrhunderts, in der bis zu den Arbeiten von Henry Charles Lea noch die Überzeugung von der Schuld der Ordensbrüder im Sinne der Anklagen vorherrschte, lösten sich bezüglich dieses Aspekts die wildesten Spekulationen ab 44. Über lange Zeit wurden beispielsweise verschiedenste religiöse Einflüsse des Orients - von diversen Mysterienkulten über manichäische, gnostische bis hin zu schiitischen Elementen - für eine Korrumpierung der Mönchsritter und ihre allmähliche Dekadenz verantwortlich gemacht. Das Fehlen erhärtender historischer Indizien glichen dabei zuweilen auch haarsträubende Zuordnungen und plumpe Fälschungen aus 45. Aber auch heute werden immer wieder Überlegungen in diese Richtung unternommen. Eine gemeinsame Basis besitzen diese Erklärungsversuche in der Vorstellung, die fünf Kernvorwürfe gegen die Mitglieder des Ritterordens - die Verleugnung Christi, das Bespeien des Kreuzes, die unsittlichen Küsse, die Erlaubnis homosexuellen Geschlechtsverkehrs und die Verehrung von Idolen - seien Ausdruck einer regelrechten Kultpraxis. Nach mittelalterlichem Verständnis müßten die Häresieanklagen demnach ihre volle Berechtigung besessen haben. Die moderne seriöse Forschung hat sich von solchen Vorstellungen weitgehend gelöst. Für sie steht außer Frage, daß die Templer sich nicht zu unorthodoxen Vorstellungen oder gar anderen religiösen Systemen bekannten. Trotz ihrer Geständnisse von sündhaften Handlungen betonten die Ordensbrüder stets ihre Rechtgläubigkeit, Jacques de Molay starb auf dem Scheiterhaufen mit einem Bekenntnis zur katholischen Kirche auf den Lippen. Wie sehr sich die Templer damit von häretischen Gruppen des Mittelalters, etwa von den Katharern, unterschieden, ist dann auch immer wieder in der Sachliteratur betont worden 46. Eine Schuld im Sinne der Anklagepunkte vermag daher der überwiegende Teil der Historikerzunft nicht mehr ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Der Umstand der serienhaften Eingeständnisse nach den Akten der Verfahren in Frankreich aus anderen Regionen liegen weit weniger Dokumente und anteilig noch weit weniger Schuldbekenntnisse vor - löst in der Forschung aber immer wieder Irritationen aus. In der Tat lassen sich die massenhaften Aussagen über Verfehlungen im Orden nicht einfach auf die Seite schieben. Ein Erklärungsmodell der jüngeren Zeit bietet scheinbar einen plausiblen Ausweg an. Es deutet die
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Folterung der in Barcelona inhaftierten Templer im März 1311 ging auf eine direkte Anweisung des Papstes zurück; cf. A. Forey, The Templars in the Corona de Aragon, Oxford 1973, 358. Cf. H. C. Lea, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, 3 vols., n. p. Nördlingen 1987 [amerikanisches Original: A History of the Inquisition of the Middle Ages, 3 vols., New York 18881889]. Zu den unterschiedlichsten Vereinnahmungen im 19. Jahrhundert cf. P. Partner, The Murdered Magicians. The Templars and their Myth, Oxford 1982, 89-180. Ein prominentes Beispiel bildet J. von Hammer-Purgstall, Mysterium Baphometis revelatum, in: Fundgruben des Orients 6 (1818), 1-120, 445-499. Cf. Finke, Papsttum (nt. 7), 327; Demurger, Die Templer (nt. 23), 271; Barber, Templerprozess (nt. 2), 316.
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von den Templern eingestandenen Praktiken nicht als Häresie und auch nicht als religiös motivierte Zeremonien, sondern als Initiationsrituale, wie sie durch anthropologische Analogien immer wieder im militärischen und männerbündischen Bereich zu beobachten seien, so auch in anderer Form bei anderen mittelalterlichen Ritterorden 47. Der Vorteil dieses Erklärungsversuchs liegt auf der Hand: Dadurch kann Anklagen wie Geständnissen ein durchaus realistischer Hintergrund in Vorkommnissen im Orden gegeben und das Winden der Befragten zwischen Eingeständnis und rechtgläubigem Bekenntnis motiviert werden, ohne die Schuld im Sinne von Häresie postulieren zu müssen. Neben Barbara Frale sprechen sich daher seit einiger Zeit immer mehr Forscherpersönlichkeiten für dieses Erklärungsmodell aus, darunter beispielsweise auch Alain Demurger und Jonathan Riley-Smith 48. Wie oben bereits erwähnt, spielt diese Sicht in der Argumentation der Finderin des Chinon-Dokuments eine wichtige Rolle, soll doch der Papst den Charakter dieses Initiationsrituals erkannt und daher den Ritterorden für reformbedürftig aber unschuldig gehalten haben - was sich dann eben in den Absolutionen für einzelne Templer niedergeschlagen habe. Ein näherer Blick auf dieses Erklärungsmodell erscheint somit im Zusammenhang mit dem Vatikanfund angebracht. Die Rekonstruktion eines Aufnahmerituals, das im Anschluß an die eigentliche Profeß gemäß den Statuten stattgefunden haben soll, steht vor einem schwerwiegenden methodischen Problem, das auffälligerweise von den Befürwortern weitgehend ausgeblendet wird. Als Quellen für die vermeintlichen Praktiken der Templer liegen nur die Geständnisse aus den Verhörprotokollen und einige externe Zeugenaussagen vor. Und der Aussagegehalt dieser Zeugnisse muß angezweifelt werden. Ganz vordergründig gilt dies für die externen Belastungszeugen, die vom französischen Hof angeführt wurden, um einen Anfangsverdacht gegen die Templer ins Feld zu führen. Dieser bildete die rechtliche Grundlage für die Verhaftungsaktion vom Oktober 1307. Viele dieser Zeugen waren entweder Ordensapostaten oder inhaftierte Kriminelle, die sich von diffamierenden Aussagen Straferleichterungen oder Vergünstigungen erhoffen konnten 49. Einige gaben sogar ungeniert zu, für ihre Rolle im Prozeß Geld erhalten zu haben. Einer von ihnen, Esquiu de Floyran, der offenbar eine Schlüsselfunktion bei der Rufschädigung der Templer spielte, wandte sich wegen zusätzlicher Zahlungen sogar an den König von Arago´n 50. Die Zeugen, die gegen den Ritterorden aussagten, stehen somit im generellen Verdacht, gekauft worden zu sein. Ihre Angaben kommen somit als Belege für entsprechende Vorkommnisse bei den Templern nicht in Betracht. Im weiteren Prozeßverlauf erwies sich die 47
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Alain Demurger verweist beispielsweise auf eine ,Neulingsprobe‘ der Hospitaliter mit Verkleidungen und Umzügen, die 1270 untersagt worden ist; cf. Demurger, Die Templer (nt. 23), 269. Cf. Demurger, Der letzte Templer (nt. 2), 245 sqq.; J. Riley-Smith, Were the Templars Guilty?, in: S. Ridyard (ed.), The Medieval Crusade, Woodbridge 2004, 107-124. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 83-86. Der Brief des Esquiu ist abgedruckt bei Finke, Papsttum 2 (nt. 7), 83 sqq.
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Herkunft der Denunziationen als eine Schwachstelle der königlichen Strategie, wurden doch immer wieder Stimmen laut, die den Anfangsverdacht als nicht hinreichend ansahen. Die Räte König Philipps versuchten dem mit dem Verweis auf den Umfang der nach der Verhaftung erlangten Geständnisse zu begegnen 51. Verhörprotokolle aus Häresieprozessen werfen als Zeugnisse für Anschauungen, Verhalten und Handlungen der Befragten generelle Probleme auf, sie scheiden aber bei behutsamer Interpretation als Quellen nicht grundsätzlich aus 52. Die Nutzung der Templeraussagen zu Rückschlüssen auf Praktiken im Orden, auf die die Anklagepunkte ansprechen, scheint nach verbreiteter Meinung durch zwei Umstände möglich: zum einen durch die Gleichförmigkeit der Aussagen, zum anderen durch ihre häufig ausschmückende Farbigkeit, die den Eindruck erwecken mögen, vom Eingestandenen könne nicht alles erfunden sein 53. Doch der Aspekt der scheinbar sich ständig wiederholenden Geständnisse erweist sich als unhaltbar. Das verdeutlicht ein Vergleich von Aussagen aus den Einzelverfahren des Templerprozesses. In Frankreich, das als Hauptschauplatz des Geschehens im Zentrum der Argumentationen steht, lösten insgesamt fünf verschiedene Einzelverfahren einander ab oder griffen ineinander über 54. Dem ersten Verhör nach der Verhaftung vom 13. Oktober 1307 durch die königlichen Beamten folgte die Befragung durch die kirchlichen Inquisitoren unter Leitung des Generalinquisitors von Frankreich und König Philipps Beichtvater, Guillaume de Paris. 1308 kam es zu den Aussagen der 72 Templer vor dem Papst und der fünf Würdenträgern vor den Kardinallegaten, die unabhängig von den früheren Verhören dokumentiert wurden - so eben auch in der sogenannten ChinonCharta. Nach den Bullen Clemens V. vom Juli und August desselben Jahres wurden unter der Leitung der Bischöfe Provinzialkommissionen eingerichtet und zur Untersuchung des Gesamtordens schließlich noch die päpstliche Generalkommission. Die Generalkommission nahm ihre Arbeit im November 1309 auf und sollte die Templerfrage mit Hinblick auf das Konzil von Vienne vorbereiten. Die Angaben eines Ordensritters aus den Einzelverfahren zeigen nun im Vergleich sehr häufig erhebliche Diskrepanzen auf, obwohl der Inquisit stets unter Eid aussagte. Diese Unstimmigkeiten ließen bereits Henry Charles Lea an der 51
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Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 83 sq., 134 sqq. Zur Bedeutung des Anfangsverdachts im Inquisitionsverfahren cf. W. Trusen, Der Inquisitionsprozeß. Seine historischen Grundlagen und frühen Formen, in: Zeitschrift der Savigny-Stifung für Rechtsgeschichte, Kanon. Abt. 74 (1988), 168-230. Grundsätzliche methodische Überlegungen zum Umgang mit Verhörprotokollen aus Häresieprozessen verfaßte Herbert Grundmann; cf. H. Grundmann, Ketzerverhöre des Spätmittelalters als quellenkritisches Problem, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 21 (1965), 519-575. Cf. e.g. Riley-Smith, Were the Templars Guilty? (nt. 48), 118. Zu den Einzelverfahren cf. A. Krüger, Schuld oder Präjudizierung? Die Protokolle des Templerprozesses im Textvergleich (1307-1312), in: Historisches Jahrbuch 117 (1997), 340-377, hier 341-347.
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Glaubwürdigkeit der Aussagen zweifeln 55. Besonders vehement sprach ihretwegen Heinrich Finke den Protokollen einen Wahrheitsgehalt hinsichtlich irgendwelcher Ritualpraktiken bei den Templern ab. An seiner Aufstellung von Beispielen orientieren sich die folgenden Ausführungen 56: Ge´rard de Cauche etwa gab am 21. Oktober 1307 vor dem Inquisitor an, bei seiner Aufnahme Christus verleugnet zu haben, der Aufforderung das Kreuz zu bespucken aber nicht nachgekommen zu sein. Ansonsten sei er Zeuge lediglich einer weiteren solchen Aufnahme geworden. Am 26. Oktober desselben Jahres, also nur fünf Tage später, gestand Ge´rard vor einer Versammlung der Pariser Universität gemeinsam mit Jacques de Molay auch die Verunehrung des Kreuzes. Vor der Generalkommission verneinte Ge´rard de Cauche wieder das Spucken auf das Kreuz, gab dort aber an, bei mehreren weiteren Aufnahmen anwesend gewesen zu sein. Guillaume de Giaco bezichtigte 1307 den Großmeister, mit ihm sodomitischen Umgang gehabt zu haben, erklärte aber 1310, von solchen Dingen im Orden nichts zu wissen. Jacques de Molay wiederum stritt Sodomie unter den Templern ab. Bertrand Sartiges hielt bei allen Verhören stand und leugnete sämtliche Vorwürfe gegen den Orden. Mitbrüder bezichtigten ihn aber in ihren Aussagen, unlautere Initiationen durchgeführt zu haben. Guillaume Aimerici bestritt, bei der Aufnahme anderer Novizen zugegen gewesen zu sein, wurde dessen aber durch andere Templergeständnisse beschuldigt. Zu Recht bemerkte etwa Jonathan Riley-Smith, die menschliche Erinnerung sei trügerisch und in Streßsituationen wie den Verhören könnten sich leicht Widersprüchlichkeiten ergeben 57. Doch ein systematischer Vergleich der Angaben einzelner Templer zeigt, die Diskrepanzen stellen die Regel dar, was nicht einfach auf Erinnerungslücken oder Trugschlüsse der befragten Ordensbrüder zurückgeführt werden kann. Anke Napp vermochte in einer Studie aufzuzeigen, daß eine Konformität an Aussagen der Templer, die viele Historiker seit jeher irritiert, nur in den Protokollserien eines Teilverfahrens erscheinen. In einem systematischen verfahrensübergreifenden Vergleich zeigt sich jedoch, wie wenig sich die Aussagen über bestimmte Ereignisse und die Angaben der Inquisiten miteinander zur Deckung bringen lassen 58. Als Beispiel sollen die Protokolle über den Präzeptor der Provence, Pontius de Brochet, dienen 59. In den fünf dokumentierten Aussagen gegenüber den Beamten des französischen Königs herrscht weitgehende Konformität in der Schilderung der illicita während der Aufnahmen, die Pontius im Zeitraum von 1286-1296 in der Provence durchgeführt haben soll. Demnach habe der vermeintliche Ritus mit einem Kuss auf Bauchnabel und Steiß des Provinzmeisters begonnen, darauf sei Christus als 55 56 57 58
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Cf. Lea, Geschichte der Inquisition 3 (nt. 44), 302-307. Cf. Finke, Papsttum 1 (nt. 7), 334-337. Cf. Riley-Smith, Were the Templars (nt. 48), 116. Anke Napp veröffentlichte die Studie unter ihrem Geburtsnamen Krüger; cf. Krüger, Schuld (nt. 54). Cf. Krüger, Schuld (nt. 54), 347-353, mit Angabe der einzelnen Quellen.
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falscher Prophet verleugnet und schließlich das Kreuz dreimal bespuckt worden. Völlig anders stellt sich diese angebliche Zeremonie nach elf weiteren Aussagen über Pontius de Brochet dar, die in den Verfahren vor dem Papst und der Generalkommission gemacht wurden. In diesen Protokollen differieren nicht nur die Angaben über die Reihenfolge der Praktiken und die Anzahl und Platzierung der Küsse oder der Spuckattacken auf das Kreuz, sondern hier treten auch zuvor nicht genannte Elemente auf wie etwa die Sodomie, die mal erlaubt mal untersagt worden sein soll, und die vermeintliche Verehrung eines Idols, die teilweise in das Aufnahmeritual einbezogen und teilweise losgelöst von ihm genannt wird. Bei dem Idol soll es sich einmal um eine dreiköpfige Figur, mal um ein weißes Haupt mit bärtigem Gesicht gehandelt haben, mal sei es dem Zeugen in einer geheimen Kammer zur Verehrung gezeigt worden, mal habe der Befragte nur davon gehört, daß es ultra mare eines im Ordensbesitz geben solle. Der Vergleich aller sechszehn Aussagen zu den vermeintlichen Zeremonien unter Leitung des gleichen Ordensoberen Pontius de Brochet weist auf, wie gänzlich unterschiedlich demnach die Aufnahmen in der gleichen Region durch die gleiche Person in der gleichen Zeitspanne gehandhabt worden sein müßten. Der Eindruck von unvereinbaren Diskrepanzen in den Protokollen zu Pontius de Brochet läßt sich durch weitere Stichproben nicht als Ausnahme, sondern als vorherrschendes Phänomen in den Templerverhören ausmachen 60. Vermutungen auch über nur in Teilen des Ritterordens oder nur in bestimmten Regionen durchgeführte feste Rituale lassen sich somit nicht beweisen. Eine verfahrensübergreifende Perspektive offenbart zugleich die Mechanismen, durch die die Geständnisse erreicht wurden. Den einzelnen Teilprozessen lagen zuvor festgelegte Interrogatorien, also Fragekataloge der Inquisitoren, zugrunde. So bestimmte beispielsweise der Verhaftungsbefehl König Philipps IV. bereits die Fragen, die in den ersten Verhören den Templern gestellt werden sollten 61. Für die weiteren Verfahren wurden die Interrogatorien um ,Erkenntnisse‘ aus früheren Geständnissen oder um Standardfragen der Inquisition bei Häresieverdacht erweitert. Einige der Fragekataloge sind erhalten, der umfangreichste entstand im Zusammenhang mit den päpstlichen Kommissionsberufungen im Sommer 1308 und enthält 127 Artikel 62. Wenn nun die Aussagen in den Einzelverfahren einen weitgehend gleichförmigen Eindruck erwecken, bedingt sich dies aus dem festgelegten Frageschema der Inquisitoren, die damit quasi vorformulierte Antworten abhakten 63. Wird zudem der massive Einsatz der Folter, von dem in den Voruntersuchungen der meisten Teilverfahren in Frankreich auszugehen ist, und auch die gelegentlich zu beobachtende Steuerung der Befra60 61 62 63
Cf. ibid., 353-363. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 88; Krüger, Schuld (nt. 54), 363 sqq. Cf. Demurger, Die Templer (nt. 23), 246. Cf. Krüger, Schuld (nt. 54), 363 sq. Daß die Befolgung vorgefertigter Interrogatorien der üblichen Vorgehensweise in Häresieprozessen entspricht, verdeutlicht Grundmann, Ketzerverhöre (nt. 53), 519-523.
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gung durch die königlichen Räte berücksichtigt 64, lassen sich die Geständnisse der Templer methodisch nicht überzeugend nach scheinbar wahrheitsgemäßen oder vorgegebenen und erpreßten Aussagen trennen. Einige Provinzialkommissionen außerhalb Frankreichs plädierten bemerkenswerterweise aufgrund der Verfahrensmechanismen grundsätzlich zugunsten der Templer. So befand beispielsweise die Synode unter Vorsitz des Erzbischofs von Ravenna sämtliche Ordensbrüder ihres Zuständigkeitsbereiches für unschuldig, da die vorliegenden Geständnisse durch Folter oder Furcht vor Folter zustande gekommen seien 65. An diesem Befund ändert auch die von manchen Forschern als realistisch empfundene Breite und Farbigkeit mancher Schilderungen aus den Protokollen grundsätzlich nichts. An den in diesem Zusammenhang angeführten Beispielen fällt auf, daß die ausholenden Erzählungen mancher Templer entweder ganz phantastische Züge annehmen und beispielsweise auch vom magischen Erscheinen von Frauengestalten oder vom Teufel in Gestalt einer Katze zu berichten wissen 66, oder sie irgendwie erklären sollen, warum der Befragte trotz eingestandener Schuld die vorgeworfenen Praktiken nicht wirklich durchgeführt hat. So soll vom Idol nur durch Hörensagen etwas in Erfahrung gebracht worden sein, man habe lediglich neben das Kreuz oder auf die Hand des Meisters gespuckt, im entscheidenden Moment sei kein Kreuz greifbar gewesen, die Verleugnung Christi sei durch einen plötzlichen Angriff der Sarazenen unterbrochen und anschließend nicht wiederholt worden oder der Aufzunehmende sei aus irgendwelchen Gründen für zu jung oder zu alt für das ,inoffizielle‘ Ritual befunden worden 67. Solche Ausschmückungen oder Unterbrechungsszenen müssen keineswegs für die Authentizität des Geschilderten sprechen. Sie lassen sich genauso mit dem gewaltigen psychischen Druck erklären, der auf den Templern während der Verhöre lastete. Schließlich wurde den Geständigen und Informationsbereiten Milde in Aussicht gestellt, während Ungeständige mit weiterer Folter und ihre Aussagen Widerrufende mit dem sofortigen Todesurteil rechnen mußten 68. Die meisten Templer steckten also in dem Dilemma, ein einmal wahrscheinlich unter Folter - abgelegtes Schuldbekenntnis nicht zurücknehmen zu können, wenn sie nicht wie ihre Ordensbrüder im Mai 1310 in Paris und Senlis als relapsi verbrannt werden wollten 69. So ließen sich die Ausschmückungen in den Aussagen häufig als Versuche erklären, die eingestandenen Vergehen doch irgendwie zu relativieren. 64 65
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Cf. e.g. Demurger, Der letzte Templer (nt. 2), 249, 255. Cf. A. Gilmour-Bryson, Italian Templar Trials: Truth or Falsehood?, in: N. Housley (ed.), Knighthoods of Christ. Essays on the History of the Crusades and the Knights Templar presented to Malcolm Barber, Aldershot 2007, 209-228, hier 210. Cf. Finke, Papsttum 2 (nt. 7), 342-364. Entsprechende Aussagen führt gebündelt an Riley-Smith, Were the Templars Guilty? (nt. 48), 118-123. Cf. Demurger, Die Templer (nt. 23), 279-285; Barber, Templerprozess (nt. 2), 210-221. Zu der juristischen Einstufung von widerrufenden Templern als relapsi siehe auch den Beitrag von Karl Ubl in diesem Band.
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Für die Annahme eines tatsächlich ausgeführten inoffiziellen Aufnahmerituals der Templer, das sich in den Anklagepunkten widerspiegelt, überzeugen externe Zeugenaussagen und Geständnisse aus den Verhörprotokollen nicht als glaubwürdige Quellen. Andere Hinweise liegen aber nicht vor, weder schriftliche Aufzeichnungen 70, noch unvoreingenommene Zeugenaussagen, noch irgendwelche materiellen Hinterlassenschaften. So haben bereits die Nachforschungen der päpstlichen Kommission über vermeintliche Idole keine verdächtigen Gegenstände entdecken können. Die gezielte Suche nach den präzisen Angaben des Guillaume d’Arrablay beispielsweise förderte lediglich ein silbernes Kopfreliquiar zu Tage 71. Die Genese der Anklagepunkte stellt ohne Annahme tatsächlicher Vorkommnisse gleichwohl kein unlösbares Rätsel dar. In der Forschung ist von verschiedenen Seiten immer wieder darauf hingewiesen worden, wie sehr die Kernvorwürfe gegen den Ritterorden dem beinahe üblichen Arsenal von Delikten entsprechen, die von Häretikern offensichtlich erwartet wurden 72. Götzenverehrung und Verleugnung Christi, Mißbrauch christlicher Symbole und sexuelle Hemmungslosigkeit durchziehen als Anklagepunkte die Geschichte von Häresieprozessen das gesamte Mittelalter hindurch. Sie finden sich bereits in der Polemik der Kirchenväter gegen heidnische oder unorthodoxe Kulte, sie zählen zur antiislamischen Propaganda seit dem Frühmittelalter, sie tauchen in den Prozeßakten von Katharer- oder Satanistenverfahren seit dem 11. Jahrhundert auf. Bemerkenswerte Parallelen zeigen auch die Vorwürfe gegen Papst Bonifatius VIII., die der französische Hof seit 1302 erhob und noch zeitgleich zum Templerprozeß gegen den Vorgänger Clemens’ V. zu einer postumen Häresieanklage anzustrengen versuchte. Denen zufolge sei Papst Bonifatius nicht nur Mord und Ämterkauf vorzuhalten, sondern auch Idolatrie, Häresie und Homosexualität 73. Es bedurfte also keiner großen Phantasie, aus einer solch ausgeprägten Tradition eine Liste von Diffamierungen gegen die Templer zusammenzustellen. Für den politischen Willen am französischen Königshof, der des öfteren den Häresieprozeß als Machtinstrument nutzte, wird darin jedenfalls keine Schwierigkeit bestanden haben 74. 70
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Nicht überprüfbar und letztlich wenig glaubwürdig stellt sich die Erzählung dar, nach der Formeln für ein Ritual zur Verleugnung Christi in einem Buch notiert gewesen sein sollen, das ein englischer Templer-Komtur der Gattin eines Sheriffs geliehen haben soll; cf. Riley-Smith, Were the Templars Guilty? (nt. 48), 120, nt. 101. Cf. Michelet, Proce`s 1 (nt. 27), 502, Proce`s 2 (nt. 27), 218. Cf. e.g. M. Barber, Propaganda in the Middle Ages: The Charges against the Templars, in: Nottingham Mediaeval Studies 17 (1973), 42-57; B.-U. Hergemöller, Krötenkuss und schwarzer Kater. Ketzerei, Götzendienst und Unzucht in der inquisitorischen Phantasie des 13. Jahrhunderts, Warendorf 1996, 330-405; A. Krüger, Das „Baphomet-Idol“. Ein Beitrag zur Provenienz der Hauptvorwürfe gegen den Templerorden, in: Historisches Jahrbuch 119 (1999), 120-133; Barber, Templerprozess (nt. 2), 232-249. Cf. Barber, Templerprozess (nt. 2), 44. Neben dem Templerprozeß und dem angestrebten Verfahren gegen Bonifatius VIII. ließen sich noch die Fälle der Marguerite Porete, des Bischofs Bernard Saisset von Pamiers und des Bischofs Guichard von Troyes als Beispiele aus der Regierungszeit Philipps IV. anführen.
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Zusammenfassend betrachtet fällt eine Bewertung der Chinon-Charta und ihrer Bedeutung für die Templergeschichte sehr nüchtern aus. Von neuen Inhalten oder Erkenntnissen, die eine andere, plausiblere Deutung des Verfahrens gegen den Ritterorden erlaubten, kann keine Rede sein. Über den politischen Charakter des Prozesses mit dem französischen König und seinem Umfeld als treibenden Kräften und dem Papst in der Defensive bestehen in der Forschung seit über hundert Jahren keine Zweifel. Die Argumente von Barbara Frale für eine entschiedene Haltung Clemens’ V. zugunsten der Templer, die sich wesentlich auch auf die durch das Protokoll von Chinon überlieferten Absolutionen stützen, überzeugen nicht. Und die im Kontext der Verhöre von 1308 erneut präsentierte Annahme eines inoffiziellen Aufnahmerituals, das den Anklagen gegen die Ordensbrüder zugrunde liege, erweist sich als irreführend. Sie dürfte in der Wahrnehmung außerhalb von Fachkreisen dazu beitragen, den Ritterorden weiterhin als geheimnisumwitterten Bund zu betrachten, dem alle möglichen Merkwürdigkeiten und Verschwörungsabsichten zuzutrauen sind. Aber das geschlossen wirkende Bild von solchen Gewohnheiten der Templer, das verschiedentlich entworfen wird 75, beruht auf zweifelhaften Quellen. Es ist nicht das Ziel dieses Beitrags, definitive Beweise anzuführen, durch die seltsame männerbündische Rituale bei den Mönchskriegern zumindest in vereinzelten Fällen absolut ausgeschlossen werden können. Aber es sollte verdeutlicht werden, daß bislang kein methodisch überzeugender Weg aufgezeigt worden ist, aus der Widersprüchlichkeit der protokollierten Aussagen tatsächliche Praktiken zu rekonstruieren. Solange dies der Fall bleibt, ist das vermeintliche Ritual der Templer im Anschluß an die ordnungsgemäße Aufnahme unwahrscheinlich. Die Chinon-Charta öffnete ein Fenster in das Jahr 1308. Aber sie brachte keine Wende, weder den Templern in ihrem Prozeß, noch den Forschern in ihren Konstruktionen der Vergangenheit, noch der breiten Öffentlichkeit in ihren Sehgewohnheiten, den ersten christlichen Ritterorden mit dunklen Geheimnissen in Verbindung zu bringen. Das breite Echo auf die vermeintliche Sensation aus dem Vatikanarchiv sollte der Wissenschaft allerdings zu Denken geben.
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Siehe auch den Beitrag von Barbara Frale in diesem Band.
Paris - Ketzerprozesse
Haeretici relapsi. Jean de Pouilly und die juristischen Grundlagen für die Hinrichtung der Tempelritter Karl Ubl (Tübingen) I. Am 13. Mai 1310 trat der Templer Aimery de Villiers-le-Duc vor die päpstliche Kommission zur Untersuchung des Ordens. Der Notar der Kommission hielt das dramatische Geschehen fest: „Bleich und überaus verschreckt sagte er unter Eid, daß alle Irrtümer, die dem Orden angehängt worden waren, gänzlich falsch sind, obwohl er selbst unter schwerer Folter einige Irrtümer zugegeben hatte. Sollte er darin lügen, wünschte er sich den sofortigen Tod und daß seine Seele und sein Körper in Anwesenheit der Kommissare von der Hölle verschluckt würden. Und zur Bestätigung bedeckte er sich die Brust mit den Fäusten, streckte die Hände zum Altar und fiel auf die Knie. Weiter sagte er, daß er sah, wie gestern 54 Templer, die die Irrtümer nicht gestehen wollten, zum Tod durch Verbrennen geführt wurden. Er würde deshalb aus Todesangst alle Irrtümer gestehen, sogar daß er Gott selbst umgebracht habe, wenn er vor die Wahl gestellt werde, entweder zu gestehen oder am nächsten Tag verbrannt zu werden.“ 1
Dieser Bericht zeigt: Am 13. Mai 1310 regierte der Schrecken unter den inhaftierten Templern 2. Während sich vor diesem Datum über 500 Templer zur Verteidigung des Ordens gegen die Häresieanklage bereit erklärt hatten, wagte sich danach niemand mehr vor die Kommission, um eine entlastende Aussage zu machen. Was war geschehen? Am 10. Mai trat eine Synode der Kirchenprovinz Sens in Paris zusammen. Vorsitzender war ein Günstling des Königs, der Erzbischof von Sens Philippe de Marigny. Die Prälaten entschieden, daß alle Templer, die ihre Geständnisse widerrufen hatten und sich jetzt zur Verteidigung des Ordens bereit fanden, als rückfällige Häretiker unverzüglich verbrannt werden sollten. Zwei Tage später kamen 54 Templer vor den Toren von Paris auf dem Scheiterhaufen ums Leben. König Philipp der Schöne, die treibende Kraft hinter dieser konziliaren Entscheidung, konnte dadurch erfolgreich die Arbeit der päpstlichen Kommission hintertreiben. Zu einem Zeitpunkt, als der vom König initiierte Prozeß gegen die Templer zu scheitern drohte, wurde der Verteidigung 1 2
J. Michelet (ed.), Le proce`s des Templiers, 2 vols., Paris 1841-1851, vol. 1, 275 sq. Zur Situation cf. M. Barber, The Trial of the Templars, Cambridge 22006, 175-201.
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des Ordens das Genick gebrochen. Der 12. Mai 1310 war der entscheidende Wendepunkt des Templerprozesses. Nachdem Mitglieder des Ordens als Häretiker verbrannt worden waren, kam auch für den Papst der Fortbestand dieser mönchischen Gemeinschaft nicht mehr in Frage. Der Weg zur Aufhebung des Ordens am 22. März 1312 war geebnet. Dieser Schachzug erscheint den Historikern als ultimativer Beweis der Niedertracht Philipps IV. und der finsteren Machenschaften seiner juristischen Berater 3. Die Templer zogen ihre durch Folter erzwungenen Geständnisse zurück, wollten ihre Unschuld beweisen, und wurden ohne weitere Anhörung unverzüglich als rückfällige Häretiker verbrannt. Wie konnte man diese maliziöse Strategie nur rechtfertigen? Der Pariser Theologieprofessor Jean de Pouilly machte sich genau dies in einem über hundert Druckseiten langen Quodlibet zur Aufgabe, und zwar in der q. 15 des fünften Quodlibets 4. Er ließ sich vor den Karren der königlichen Politik spannen und rechtfertigte die Hinrichtung der 54 Templer. Diese Quelle, entdeckt von Noe¨l Valois im Jahr 1910 5, aber seitdem nicht mehr beachtet, steht im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. Ich werde mich zuerst mit der Frage der Datierung des Quodlibets befassen, dann mit dem kanonistischen Hintergrund der Diskussion und zuletzt mit dem Standpunkt der Gegner Pouillys. Mit den folgenden Ausführungen möchte ich einen Beitrag leisten zur Frage des Verhältnisses von Wissen und Macht in der Zeit Philipps des Schönen. Es ist bekannt, daß Philipp wie kein anderer König vor ihm die Gelehrten als unabhängige Instanz im Kampf gegen das Papsttum einsetzte 6. Der Gewinn an staatlicher Souveränität gelang ihm durch die Konstruktion einer dritten unabhängigen Instanz, auf die Kompetenzen verlagert werden konnten, die bislang die Kirche allein wahrgenommen hatte. Diese dritte Instanz war die Universität Paris. Wiederholt forderten der König und seine Berater von den Professoren der Pariser Hochschule gelehrte Gutachten, um die gegen das 3
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Cf. K. Schottmüller, Der Untergang des Templer-Ordens, Berlin 1887, vol. 1, 343-352; A. Beck, Der Untergang der Templer. Größter Justizmord des Mittelalters?, Freiburg 1992, 178; I. Gobry, Le proce`s des Templiers, Paris 1995, 230; B. Frale, I Templari, Bologna 2004, 162. Zur Biographie cf. N. Valois, Jean de Pouilly, in: Histoire litte´raire de la France 34 (1914), 220281; J. Koch, Der Prozess gegen den Magister Johannes de Polliaco und seine Vorgeschichte (1312-1321), in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 5 (1933), 391-422; R. Zeyen, Die theologische Disputation des Johannes de Polliaco zur kirchlichen Verfassung (Europäische Hochschulschriften, Reihe 23, Bd. 64), Frankfurt-Bern 1976, 19-34. Cf. N. Valois, Deux nouveaux te´moignages sur le proce`s des Templiers, in: Comptes rendus des se´ances de l’Acade´mie des Inscriptions et Belles-Lettres (1910), 229-241. Cf. S. Menache, La naissance d’une nouvelle source d’autorite´: L’universite´ de Paris, in: Revue historique 268 (1982), 305-327; I. P. Wei, The Masters of Theology at the University of Paris in the Late Thirteenth and Early Fourteenth Centuries: an Authority beyond the Schools, in: Bulletin of the John Rylands University Library of Manchester 75 (1993), 37-63; W. J. Courtenay, The Parisian Faculty of Theology in the Late Thirteenth and Early Fourteenth Centuries, in: J. A. Aertsen (ed.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 235-247.
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Papsttum gerichtete Politik der französischen Krone zu legitimieren. Die Autonomie der Gelehrten war Teil der Strategie des Königs, denn nur als Repräsentanten der Wissenskultur konnten sie eine eigene Autorität beanspruchen. Zugleich waren dieser Autonomie durch die Erwartungen des Königs enge Grenzen gesetzt. Verweigerte man sich den Wünschen des Königs, wie ein großer Teil des Pariser Franziskanerkonvents im Konflikt des Königs mit Papst Bonifaz VIII., konnte dies die Ausweisung aus Frankreich zur Folge haben 7. Zu fragen ist daher, welchen Spielraum die Gelehrten vor dem Hintergrund der neuartigen Politik der Staatsräson Philipps IV. hatten. II. Die Chronologie der Diskussion bereitet einige Schwierigkeiten. Wie seit langem feststeht, disputierte Jean de Pouilly das fünfte Quodlibet zu Weihnachten 1312 8. Die Quaestio 15 lautete: Sind Tempelritter, die ihr Geständnis widerriefen, als rückfällig (relapsi ) oder als unbußfertig (impenitentes) zu beurteilen? Vor dem Jahr 1314 schloß Jean die schriftliche Fassung ab und publizierte seine gesammelten quodlibetalen Disputationen 9. In dieser schriftlichen Fassung nimmt er Bezug auf den Beginn der Kontroverse: Die Frage, ob die widerrufenden Templer als rückfällige oder unbußfertige Häretiker zu qualifizieren sind, sei erstmals im Jahr der Ergreifung der Tempelritter den Doktoren der Theologie und der Rechte vorgelegt worden 10. Neunzehn Doktoren hätten sich gegen die Beurteilung der widerrufenden Templer als rückfällige Häretiker ausgesprochen. Nur er selbst habe gemeinsam mit zwei anderen Doktoren für die sofortige Hinrichtung als rückfällige Häretiker plädiert. Die anwesenden Prälaten hätten seinen Standpunkt approbiert und ein entsprechendes Urteil gefällt. Die Aussage des Autors scheint also eine Datierung der ursprünglichen Kontroverse in den Anfang des Jahres 1308 nahezulegen, das nach französischem Jahreswechsel noch zum Jahr 1307 gezählt wurde, als die Templer ergriffen wurden. Diese Datierung ist durchaus möglich. Denn der Großmeister des Ordens, Jacques de Molay, widerrief sein erstes Geständnis bereits am 24. Dezember 1307 in der berühmten Szene, in der er sich vor den Kardinälen die Kleider vom 7
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Cf. W. J. Courtenay, The Parisian Franciscan Community in 1303, in: Franciscan Studies 53 (1993), 155-173. Cf. P. Glorieux, La litte´rature quodlibe´tique de 1260 a` 1320 (Bibliothe`que thomiste 5), Paris 1925, vol. 1, 223. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß Pierre de la Palu in diesem Jahr die Quodlibeta seines Gegners wörtlich zitiert, cf. Koch, Prozess (nt. 4), 422. Jean de Pouilly, Quodlibet V 15 (Paris, Bibliothe`que nationale, Ms. lat. 15372, fol. 181va ): „Et dicendum, quod anno captionis Templariorum a prelatis diversarum provinciarum congregatis Parisius multe questiones seu multi articuli de Templariis secundum diversa facta et diversas condiciones ipsorum fuerunt tradite doctoribus sacre scripture et utriusque iuris […].“ Eine Edition dieses Textes erscheint demnächst in der Reihe ,Studien und Texte‘ der Monumenta Germaniae Historica.
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Leib riß und die Wunden der Folterungen offen zur Schau stellte 11. Die Frage, welche juristischen Konsequenzen aus einem solchen Widerruf zu ziehen sind, hätte demnach vor dem Jahreswechsel am 14. April 1308 aufgeworfen werden können. Trotz der scheinbaren Evidenz möchte ich diese Datierung in Zweifel ziehen. Die folgende Argumentation dient nicht nur der Lösung einer Detailfrage, sie soll auch zeigen, wie die Frage der Widerrufe allmählich in das Zentrum der Auseinandersetzung gerückt wurde. Das erste Argument gegen eine Datierung in die ersten Monate des Jahres 1308 beruht auf den Originaldokumenten aus diesem Jahr. Überliefert ist sowohl das Original einer Anfrage des Königs an die Universität vom Februar 1308 sowie die Antwort der Professoren vom 25. März 1308 12. In diesen Dokumenten wird die Frage des Widerrufs nicht berührt. Der Grund dafür ist, daß zu dieser Zeit ganz andere Probleme im Vordergrund standen. Der Papst hatte nach dem Widerruf Molays das gesamte Verfahren suspendiert 13. Es war zweifelhaft, ob der Prozeß fortgeführt würde oder ob das ganze Unternehmen des französischen Königs zum Scheitern verurteilt war. Philipp reagierte auf diese Notsituation mit der Anfrage an die Universität und mit der Einberufung der Generalstände. Beides sollte den Papst unter Druck setzen und ihn dazu zwingen, den Prozeß wiederaufzunehmen. Das zweite Argument stützt sich auf einen Brief des Königs vom April 1309 14. Darin drängt Philipp den Papst mit verschiedenen mehr oder weniger offenen Drohungen, die vor einem Jahr zugesagte päpstliche Inquisition endlich einzusetzen und beginnen zu lassen. Philipp legte dem Papst zudem einige Zweifelsfälle vor, die so bald wie möglich entschieden werden sollten. An erster Stelle erwähnt er die Widerrufe: „Viele von ihnen, die zunächst ihre Irrtümer gestanden hatten, schöpften Hoffnung, weil sie die Verzögerung des Verfahrens be11
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Cf. Barber, Trial (nt. 2), 92 sq.; J. Fried, Wille, Freiwilligkeit und Geständnis um 1300. Zur Beurteilung des letzten Templergroßmeisters Jacques de Molay, in: Historisches Jahrbuch 105 (1985), 388-425. Die Anfrage des Königs ist herausgegeben von Heinrich Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, vol. 2: Quellen (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 5), Münster 1907, 107 sqq.; das Gutachten findet sich im Chartularium Universitatis Parisiensis, edd. H. Denifle/ E´. Chatelain, Paris 1891, vol. 2, 125-128. Zur Interpretation cf. S. Menache, Naissance (nt. 6); Barber, Trial (nt. 2), 98-101; W. J. Courtenay, Learned Opinion and Royal Justice: The Role of Paris Masters of Theology during the Reign of Philip the Fair, in: R. M. Karras/J. Kaye/E. A. Matter (eds.), Law and the Illicit in Medieval Europe, Philadelphia 2008, 149-163, 280-285; K. Ubl, Die Disziplinierung der Gelehrten. Philipp IV. von Frankreich und die Universität Paris, in: J. Krynen/M. Stolleis (eds.), Science politique et droit public dans les faculte´s de droit europe´ennes (XIII e-XVIII e sie`cle) (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 229), Frankfurt 2008, 91-111; P. Crawford, Jacques de The´rines, the University of Paris, and the Trial of the Templars, in: V. Mallia-Milanes (ed.), Military Orders, vol. 3: History and Heritage, Aldershot 2008, 115-122. Cf. Barber, Trial (nt. 2), 94. Erhalten ist nur die Antwort des Papstes mit ausführlichen wörtlichen Zitaten aus dem königlichen Schreiben, cf. Finke, Papsttum (nt. 12), vol. 2, 188-201.
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merkten, und zogen ihre Geständnisse zurück. Viele zweifeln, wie mit solchen Widerrufen umgegangen werden sollte.“ 15 In seiner Replik vom 6. Mai 1309 ließ der Papst diese Frage unbeantwortet. Er verfolgte wie im gesamten Templerprozeß eine Taktik der Verschleppung und Verzögerung des Verfahrens. Dessen ungeachtet ließ Philipp durch seine Beamten das Gerücht streuen, daß der Papst selbst die sofortige Hinrichtung aller Tempelritter verfügt habe, weil sie sich durch ihren Widerruf als rückfällige Häretiker erwiesen hätten. Eine vermeintliche Entscheidung des Papstes wird in einem Brief königlicher Beamter an den Templer Laurent de Beaune zitiert, als dieser im Sommer 1309 vor der bischöflichen Inquisition in Orle´ans verhört wurde 16. Laurent de Beaune legte am 14. Februar 1310 diesen Brief der päpstlichen Inquisition in Paris vor. Die anwesenden Kardinäle stritten vehement ab, daß der Papst eine solche Entscheidung getroffen habe. Die königlichen Beamten, die den Brief unterfertigten, wurden herbeizitiert und wegen dieser Falschaussage zur Rechenschaft gezogen. Sie leugneten jedoch die Echtheit des Briefes, da sich die Umschrift der Siegel nicht mehr entziffern lasse. Trotzdem berichteten in den Verhören vom März und April 1310 weiterhin viele Templer, daß sie mit der Vollstreckung der Todesstrafe eingeschüchtert wurden, wenn sie weiterhin an den Widerrufen festhielten und sich an der Verteidigung des Ordens beteiligten 17. Aus diesen Berichten folgt: Hätte Philipp zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung einer Bischofsversammlung, wie sie Jean de Pouilly beschreibt, in Händen gehabt, wäre er nicht dazu genötigt gewesen, mit der Streuung falscher Gerüchte zu operieren. Vor dem Mai 1310 ist daher keine Entscheidung getroffen worden. Das dritte Argument ergibt sich aus dem Text des Jean de Pouilly. Er erwähnt ausdrücklich eine Versammlung von Prälaten im bischöflichen Palast auf der Iˆle de la Cite´ 18. Die Prälaten hätten dort den Doktoren die Frage vorgelegt und dann darüber entschieden. Das Gutachten der Professoren vom 25. März 1308 wurde jedoch vom König angefordert und ist nicht von einer Bischofsversammlung diskutiert oder bestätigt worden. Für das Konzil der Kirchenprovinz Sens ist jedoch belegt, daß es am 10. Mai 1312 im bischöflichen Palast in Paris zusammentrat und daß die Prälaten ihre Entscheidung durch die Expertise von Doktoren der Theologie und der Rechte absicherten. Die zeitgenössischen Chronisten berichten davon ausdrücklich 19. Erst auf dieser Versammlung wurde die Frage der Widerrufe im Sinne des Königs entschieden, erst auf dieser Versammlung ergriff Jean de Pouilly Partei für diesen Standpunkt. 15
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Finke, Papsttum (nt. 12), vol. 2, 195: „Plures enim ex eis, qui prius confessi fuerunt suos errores, videntes prorogationem negotii et ex eis falsis suggestionibus et variis promissionibus, […] spem sumentes a confessionibus resiliunt […]. Nisi ergo denuo inquiratur vel sciatur, qualiter perseverant super eis, que confessi sunt, vel qualiter contra taliter diffitentes procedatur et provideatur, plures dubitabunt; licet iura satis forte declarent, propter diversas tamen opiniones plures dubitationes occurrunt.“ Cf. Michelet, Le proce`s (nt. 1), vol. 1, 71 sq.; Barber, Trial (nt. 2), 136. Cf. Michelet, Le proce`s (nt. 1), vol. 1, 168. Cf. Jean de Pouilly, Quodlibet V 15 (nt. 10), fol. 181va: „coram dictis prelatis in capella Parisiensis episcopi […].“ Cf. dazu übereinstimmend H. Ge´raud (ed.), Continuatio Chronici Guillelmi de Nangiaco, Paris 1843, vol. 1, 377; Jean de Saint-Victor, Memoriale historiarum, edd. N. de Wailly/J.-D. Guigniaut
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III. Der Weg zur Entscheidung auf dem Konzil von Paris hat bereits deutlich gemacht, wie umstritten der Kern des juristischen Problems war. Für Philipp IV. war diese Frage entscheidend, denn nur eine Verurteilung als rückfällige Häretiker erlaubte es, die widerrufenden Templer ohne nochmalige Anhörung sofort zu verbrennen. Das Ende der päpstlichen Inquisition, deren schleppende Arbeit vom König mehrfach heftig beanstandet wurde, mußte folglich nicht abgewartet werden. Es ist deshalb angebracht, den kanonistischen Hintergrund der Debatte kurz vorzustellen. Papst Lucius III. hatte im Jahr 1184 in der berühmten Dekretale ,Ad abolendam‘ festgestellt, daß rückfällige Häretiker „sine ulla audientia“ der weltlichen Gerichtsbarkeit zur Hinrichtung übergeben werden sollten. Obwohl diese Regelung in der Praxis nicht immer angewandt wurde, galt sie seit der Aufnahme in den ,Liber Extra‘ (1234) als geltendes Recht 20. Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts verschärfte Alexander IV. die Gesetzgebung zu den haeretici relapsi drastisch. In der Dekretale ,Accusatus‘ fügte er zwei Tatbestände hinzu 21: Als rückfällig gilt erstens auch derjenige Häretiker, der bei seinem Rückfall noch nicht endgültig verurteilt worden war, aber dessen Häresie durch einen starken Verdacht beglaubigt ist. Zweitens genügt bei einem verurteilten Häretiker die Tatsache, daß er anderen Häretikern eine Gunst erweist, um ihn als rückfällig zu beurteilen. Nach Henry Charles Lea rief diese Verschärfung Verwunderung in der inquisitorischen Praxis hervor, so daß die Päpste die Entscheidung mehrmals wiederholen mußten 22. Jean de Pouilly und die Partei des Königs stützten sich im Mai 1310 genau auf diese umstrittenen Regelungen 23. Erstens würden die Templer, die ihre Geständnisse widerrufen, ihren häretischen Ordensgenossen eine Gunst erweisen, indem sie versuchten, den Orden von der Häresie reinzuwaschen. Zweitens gilt der Rückfall als rechtskräftig, obwohl noch keine abschließende Verurteilung der Templer vorgenommen wurde, weil ein starker Verdacht für eine Qualifizierung als Häretiker ausreicht. Der starke Verdacht sei durch die zahlreichen Geständnisse erwiesen. Jean de Pouilly brachte also die gesamte Brutalität des mittelalterlichen Ketzerstrafrechts zur Anwendung. Die Argumentation des Theologieprofessors war jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben. Zum einen kombinierte er die beiden Verschärfungen Alexanders IV., ohne zu beachten, daß sie nicht kumulativ wirksam sein sollten, son-
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23
(Recueil des Historiens des Gaules et de la France 21), Paris 1855, 649; Girard de Frachet, Continuatio, ibid., 33 sq. Liber extra 5.7.9, ed. E. Friedberg (Corpus iuris canonici 2), Leipzig 1879, 781. Cf. H. C. Lea, A History of the Inquisition of the Middle Ages, New York 1900, vol. 1, 544 sqq. Cf. Liber sextus 5.2.9, ed. E. Friedberg (Corpus iuris canonici 2), Leipzig 1879, 1072. Cf. Lea, History (nt. 20), vol. 1, 547. Zur Anwendung dieser Gesetze durch Jacques Fournier cf. A. Cazenave, Le crime du relaps, in: M. Faure (ed.), Fe´lonie, trahison, reniements au Moyen ˆ ge (Les cahiers du CRISIMA 3), Montpellier 1997, 535-557. A Ausführlich begründet in: Jean de Pouilly, Quodlibet V 15 (nt. 10), foll. 182ra-185va.
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dern getrennt voneinander. Der Gunsterweis galt nur dann als Beweis für den Rückfall, wenn der Häretiker rechtskräftig verurteilt war. Dies war bei den Templern aber nicht der Fall. Zum anderen wurde durchaus angezweifelt, ob ein Widerruf allein schon als Gunsterweis bewertet werden kann. Der berühmte Inquisitor Bernard Gui, als Chronist genauer Beobachter des Templerprozesses, gesteht in seiner ,Practica inquisitionis heretice pravitatis‘ offen seine Unsicherheit ein. Er bezeichnet widerrufende Häretiker als relapsi improprie und schreibt über ihre Bestrafung: „non invenitur expressum in iure“ 24. Bernand Gui betrachtete das Vorgehen gegen die Templer offensichtlich als Unrecht. Diese Zurückhaltung, wohlgemerkt geäußert nach dem Ende des Templerprozesses, spricht Bände über die Rechtsverdrehung, die sich die juristischen Berater Philipps des Schönen zuschulden kommen ließen. IV. Die Gegner Pouillys, denen ich mich abschließend zuwenden will, bedienten sich dieser und weiterer Argumente gegen die Gleichsetzung der Templer als rückfällige Häretiker. Da Jean sie ausführlich zu Wort kommen läßt und seitenlang wörtliche Zitate einfügt, kann die Stellungnahme der Gegner fast lückenlos rekonstruiert werden. Ich werde mich allerdings hier nicht auf die komplexe juristische Diskussion einlassen, sondern nur den generellen Tenor charakterisieren und den Subtext der Stellungnahme herausarbeiten. Zuerst verdient hervorgehoben zu werden, daß die Gegner die Handlungsmöglichkeiten des Königs nicht grundsätzlich einschränken wollten. Sie erhoben keinen prinzipiellen Einwand gegen die Verhängung der Todesstrafe. Im Gegenteil, sollten die Templer am Widerruf festhalten und der Orden insgesamt als häretisch verurteilt werden, müßten sie der weltlichen Gewalt zur Hinrichtung übergeben werden 25. Sie wären dann hartnäckige und unbußfertige Häretiker („heretici impenitentes et obstinati “). Eine handstreichartige Hinrichtung der Templer lehnten sie dagegen ab. Die Gegner Pouillys verlangten, eine endgültige Verurteilung des Ordens durch den Papst abzuwarten. Sie wollten dem Papst die Initiative beim Templerprozeß übertragen und wandten sich indirekt gegen die Ausschaltung der päpstlichen durch die vom König kontrollierte bischöfliche Inquisition. Der Widerspruch zum König wird also auf den ersten Blick in eine höfliche Form gekleidet. Eine Verurteilung und Hinrichtung der Templer erscheint den Gegnern durchaus angemessen. An der Schuld durften auch sie offiziell nicht zweifeln, denn die Anfrage der Prälaten setzt genau diese Schuld ausdrücklich 24
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Bernardus Guidonis, Practica inquisitionis heretice pravitatis IV 3, § 2, ed. C. Douais, Paris 1886, 222. Jean de Pouilly, Quodlibet V 15 (nt. 10), fol. 182rb: „Secundo dicunt, quod […] sunt tanquam heretici puniendi.“
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voraus. Dennoch tauchen in der Stellungnahme der Gegenseite als Subtext immer wieder Zweifel an der Schuld der Tempelritter auf. Mehrfach weisen die Gegner Pouillys darauf hin, daß viele Templer auch nach wiederholter Folter kein Geständnis über sittliche und dogmatische Verfehlungen abgelegt hätten 26. Sie vermuten sogar, daß die Templer sich deshalb zum Widerruf entschlossen hätten, weil ihre Geständnisse falsch gewesen seien und weil man ihnen in der Beichte dazu geraten hätte, an der Wahrheit festzuhalten 27. Auch wenn sie tatsächlich schuldig gewesen wären, so hätte ihr Widerruf nicht besagt, daß sie in den korrupten Orden zurückkehren wollten, sondern in den Orden, wie er zur Zeit seiner Gründung bestanden habe. Einige Templer hätten sich sogar bereit erklärt, den Orden einer grundlegenden Reform zu unterziehen. Man sollte diesen Vorschlag aufgreifen, so die Gegner Pouillys, statt sie als rückfällige Häretiker der weltlichen Gewalt zu übergeben. Diese unterschwellige Kritik am Vorgehen des Königs steigert sich im letzten Argument der Gegenseite zu einem moralischen Tadel am Charakter Philipps des Schönen. Das christliche Ideal der Barmherzigkeit werde mit Füßen getreten, wenn man den Tempelrittern durch die Verurteilung als rückfällige Häretiker jede Möglichkeit auf Rückkehr in den Schoß der Kirche verwehre. Den Verantwortlichen für die Hinrichtung der Templer, die selbstverständlich nicht direkt genannt werden, halten die Gegner das Psalmenzitat entgegen: „Gottes Herrlichkeit wohne in unserm Land, Barmherzigkeit und Treue vereinen sich, Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ 28 Die Verurteilung als rückfällige Häretiker erwecke dagegen den Anschein der Grausamkeit und fehlenden Barmherzigkeit. Dieser Tadel mußte den König besonders hart treffen, nahm er für sich ja erstmals den Titel des allerchristlichen Königs in Anspruch 29. V. Die Anfrage an die Professoren der Universität im Jahr 1310 erscheint somit aus der Perspektive des Historikers als ein veritables Eigentor. Philipp IV. stellte Verfahrensfragen in den Mittelpunkt, um von der eigentlich zentralen Schuld26
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Cf. ibid., fol. 186ra: „presertim cum multi negent se talia in statu huiusmodi perpetrasse et in dicta negatione perseverent, licet expositi questionibus gravibus et tormentis […].“ Cf. ibid., fol. 185va: „vel quia sciunt suam primam confessionem esse falsam et plus volunt mori quam in dicta confessione persistere vel quia in foro penitentie confessati sunt se esse quasi mentitos in prima confessione et est eis consultum, quod semper dicant veritatem et falsitatem retractent, etiamsi mori debeant vel qualitercumque affligi.“ Ps 84,10-11; cf. Jean de Pouilly, Quodlibet V 15 (nt. 10), fol. 187va: „Nam in via domini misericordia et veritas obviaverunt sibi in Ps. [84,11], sic est in proprosito. Nam licet isti legittime supponantur confessi, cum tamen aliqui alii eiusdem societatis nunquam talia sint confessi, quamquam tormentis expositi, alii autem recognoverunt per tormenta, sed isti negantes postea relinquerentur ut relapsi, talis pugnitio suspicione et scrupulo non careret.“ Cf. J. Krynen, L’empire du roi. Ide´es et croyances politiques en France (XIII e-XV e sie`cle), Paris 1993, 347.
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frage abzulenken, mußte aber gewärtigen, daß gerade diese Verfahrensfrage immer wieder einen Zweifel an der Schuldfrage schürte. Die wissenschaftliche Diskussion gewann eine Eigendynamik, die sogar in der Kritik am König gipfelte. Dennoch halte ich es für verfehlt, von der abweichenden Meinung der Gelehrten auf ein Scheitern der königlichen Politik zu schließen. Der König und die königsnahe Geschichtsschreibung würdigten diese wissenschaftliche Diskussion nämlich keiner Erwähnung. Die Chronisten berichten zum Jahr 1310 nicht von einem Gutachten und von divergierenden Meinungen, sondern von der einmütigen Entscheidung von Bischöfen, Theologen und Juristen auf der Provinzialsynode von Paris. Während alle Chroniken die Einmütigkeit der Entscheidung hervorheben, erlaubt das Quodlibet des Jean de Pouilly einen ungetrübten Einblick in die Diskussionen: Nach Jean de Pouilly sprachen sich von 22 Professoren der Universität Paris neunzehn gegen die Beurteilung der widerrufenden Templer als rückfällige Häretiker aus. Von einer kontroversen Diskussion erfahren wir nur deshalb, weil Jean de Pouilly im nachhinein die Debatte endgültig für sich entscheiden wollte. Die politische Brisanz des Themas war bereits vergessen, als Jean nach dem Konzil von Vienne die Debatte in eine schriftliche Form brachte. Ursprünglich war Jean de Pouilly mit seiner Meinung eindeutig in der Minderheit, konnte aber nach seinem Bericht die anwesenden Bischöfe von seinem Standpunkt überzeugen. Dieser Dissens wird in den königsnahen Chroniken totgeschwiegen. Dem König genügte es offensichtlich, daß sein handstreichartiges Vorgehen gegen die Templer durch die Meinung einer Minderheit von Theologen und Kirchenrechtlern abgesichert war. Er veranlaßte die Bischöfe dazu, sich dieser Meinung anzuschließen. Welchen Nutzen versprach sich der König von den Gutachten, wenn er auch mit abweichenden Meinungen rechnen mußte? Die Gelehrten wurden deswegen vom König in seine politischen Aktionen hineingezogen, weil sie für sich eine unabhängige Stellung als Experten beanspruchen konnten. Die Entfesselung wissenschaftlicher Diskussionen war Teil einer Strategie der Ablenkung von den abgründigen Skandalen der Regierungszeit Philipps des Schönen: eine Strategie der Verdeckung kontroverser Inhalte durch Kontroversen um Verfahrensfragen. Interessanterweise ging diese Strategie nicht immer auf. Die wissenschaftliche Diskussion entfaltete eine Eigendynamik, in der die künstliche Trennung von Sach- und Verfahrensfragen nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Dennoch blieb der König Herr des Verfahrens: Er wählte die Fragen aus, er bestimmte die Bedingungen der Stellungnahme und setzte die Gutachten in der Öffentlichkeit ein, wie es ihm beliebte 30. Der Zugang der Gelehrten zur Öffentlichkeit war dagegen beschränkt. Die abweichende Meinung zu den Widerrufen der Templer gelangte nicht zur Kenntnis einer breiteren Öffentlichkeit. Zuletzt bleibt noch die Frage zu klären, wie dieser Befund konzeptionell in die Geschichte des Verhältnisses von Wissen und Macht einzuordnen ist. Die 30
Das universitäre Gutachten vom 25. März 1308 ließ Philipp nach der Versammlung der Generalstände in Tours veröffentlichen; cf. Ubl, Disziplinierung (nt. 12), 104.
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gängige Lesart als Fortschrittsgeschichte, das heißt als Geburt einer neuen Autorität der Experten, beruht auf der Mißachtung des performativen Sinnzusammenhangs der Gutachten. Die juristischen Berater des Königs forderten dann Gutachten an, wenn sie von der Ablenkung auf die wissenschaftliche Diskussion einen Vorteil erwarten konnten 31. Ebenso fern liegt mir aber die Konstruktion einer Sündenfallgeschichte mit der Pointe, daß die gelehrte Expertenkultur schon immer in den Fallstricken politischer Machenschaften verfangen war. Für einen Epigonen Luhmanns würde der Schluß nahe liegen, daß die Wissenschaft in der Sphäre der Politik eben nur als Irritation wahrnehmbar ist, als Geräusch, das erst durch die Mechanismen des politischen Systems einen neuen Sinn erhält. Die Professoren der Universität Paris, so könnte man daraus folgern, mußten zur Kenntnis nehmen, daß ihre Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen nicht von den Gesetzen der wissenschaftlichen Diskussion, sondern von den vom König diktierten Spielregeln der Politik beherrscht wurde. Es fragt sich jedoch, ob eine solche Beurteilung nicht den Standpunkt Philipps IV. reproduziert, der die Souveränität des Politischen zu seinem Programm erhoben hatte. Ich will daher den Befund vielmehr als einen Beitrag zur Historisierung von Genese und Funktion wissenschaftlicher Autonomie verstanden wissen. Diese Autonomie war ein erfolgreiches Konstrukt der Politik, erfolgreich im doppelten Sinn: Sie diente der Politik als dritte Instanz zur Abgrenzung von der Papstkirche, und sie führte zugleich zu einer eigenen Expertenkultur, deren Funktion eben in ihrer Autonomie liegt, um die es je nach historischen Umständen sehr unterschiedlich bestellt sein kann - die jedoch am Anfang, in der Zeit um 1300, eine durch und durch strategische war.
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Ausführlicher hierzu cf. Ubl, Disziplinierung (nt. 12), 103.
The Role of University Masters and Bachelors at Paris in the Templar Affair, 1307-1308 William J. Courtenay (Wisconsin) The inception of Jean de Pouilly as regent master of theology early in 1307 coincided with an important turnover in the magisterium of the faculty of theology at Paris. Two leading masters in that faculty had recently died: Peter of Auvergne in 1304 and Godfrey of Fontaines in 1306. Scotus may already have left Paris for Cologne in 1306 and had certainly done so by the late summer of 1307. Only three masters active at the end of the thirteenth century remained active in 1307-1308 along with several new faces who had incepted after 1300. Those three were Peter of St. Omer, dean of the faculty 1, Simon of Guiberville, chancellor, and Gerard of Bologna, prior general of the Carmelite Order but in residence at Paris and active in teaching and disputations 2. Moreover, at the time the question of the Templars came to a head in 13071308, regent masters from the religious orders outnumbered secular masters, which as we shall see had implications for the way masters in that faculty responded to the Templar crisis. We can only identify eight secular masters of theology actively teaching in that year. In addition to the dean and chancellor, just mentioned, there were, in order of inception, Thomas de Bailly, John of Ghent, and William Alexandri, all canons of Notre Dame, Henry Amandi, Ralph of Hotot (from Normandy, not to be confused with Radulphus Brito) 3, and Jean de Pouilly. Pouilly was particularly vocal in his opposition to the exemption from episcopal control enjoyed by the religious orders, the Templars included. His opposition to the privileges of the religious, particularly those of the mendi1
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3
In contrast to the faculty of medicine at Paris, where its dean was elected from among the regent masters, the office of dean of the faculty of theology was accorded to the longest-serving (and usually the oldest) regent master in the faculty. One must be cautious in using Pale´mon Glorieux’s Re´pertoire de maıˆtres en the´ologie de Paris au XIIIe sie`cle, 2 vols., Paris 1933. In order not to leave out any masters, he included some now known to have been doctors of canon law or simply masters of arts, and Glorieux’s belief that there was a set number of chairs in which one master succeeded another appears doubtful at the beginning of the fourteenth century. In particular, the years of regency listed there have been subject to considerable revision. Cf. Glorieux, Re´pertoire (nt. 2), vol. 1, 453-456, identified these theologians as the same individual. For their individual biographies, cf. W. J. Courtenay, Radulphus Brito, Master of Arts ˆ ge Grec et Latin 76 (2005), 131-158. and Theology, in: Cahiers de l’Institut du Moyen-A
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cants, would bring an end to his regency in 1318, when he was called to Avignon to stand trial and forced to recant in 1321. Alongside those eight secular masters there were twelve masters in 13071308 who belonged to religious orders. Although supporters of the privileges of the exempt orders, they differed in their reaction to the Templars. In varying degrees regency among these masters was usually briefer than for seculars, one or two years for mendicants, two to ten years for canonical or monastic orders, depending on when a successor was ready for promotion, or when an office within the order or church required an incumbent master’s presence elsewhere. We must also be careful not to assume that participation in judicial deliberations, such as the Templar case or that of Marguerite Porete, is evidence of regency. Once a master, always a master, and in judicial matters non-regents joined with regents in voting and placing their seals on the resulting documents. The senior regent within this group was the Carmelite general Gerard of Bologna, already mentioned, whose presence in Paris seems to have allowed him to combine his duties as head of his order with those of regent master 4. Also serving as regents for several years were the Austin Canon Gerard of St. Victor (1303-1316), the Cistercian Jacques of The´rines (1306-1310), and the Augustinian Hermit Henry of Friemar (1306-1311) 5. With the exception of Alexander of San Elpidio, also an Augustinian Hermit and resident in Paris as a non-regent master in 1307-1308, the other masters who belonged to religious orders had incepted only a year or two earlier: the Dominicans Romeus of Brugaria and Herveus Natalis, regent masters occupying the non-French and French chairs respectively, the Franciscan Alexander of Alessandria in Lombardy, Laurence of Dreux, who was also prior of the convent of St. Catherine’s for the order of Val-des-E´coliers, John of Mont-St-Eloi, regent for that canonical order, and finally two Benedictines, Walter of Gamaches from the Colle`ge de Cluny, and Peter of St. Denis, for the Parisian house of studies of the monastery of St. Denis 6. 4
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On Gerard, cf. B.-M. Xiberta, De scriptoribus scholasticis saeculi XV ex ordine Carmelitarum (Bibliothe`que de la Revue d’histoire eccle´siastique 6), Louvain 1931, 74-110; M.-B. (Hubert) Borde, Ge´rard de Bologne O. Carm. († 1317): sa conception de la the´ologie et de la puissance de Dieu, PhD dissertation, Paris 2005, 5-14. On Gerard of St. Victor, cf. T. Sullivan, The Quodlibeta of the Canons Regular and the Monks, in: C. Schabel (ed.), Theological Quodlibeta in the Middle Ages: The Fourteenth Century, Leiden-Boston 2007, 359-400, at 372 sq.; M. Crossnoe, Animarum lucra querentes: the School of St. Victor and the University of Paris in the Thirteenth and Fourteenth Centuries, PhD dissertation, University of Wisconsin, Madison 1966. On Jacques de The´rines, cf. W. C. Jordan, Unceasing Strife, Unending Fear. Jacques de The´rines and the Freedom of the Church in the Age of the Last Capetians, Princeton 2005. On Henry of Friemar, also known as Henry de Alemania senior, cf. C. Stroick, Heinrich von Friemar: Leben, Werke, philosophisch-theologische Stellung in der Schoastik, Freiburg i. Br. 1954. Cf. Glorieux, Re´pertoire (nt. 2), vol. 1, 448 sq., included Peter of St. Denis among the secular masters of theology, but one document from the trial of Marguerite Porete (Paris, Arch. Nat., J 428, nr. 16) identifies him as a Benedictine monk: „Petro de Sancto Dyonisio ordinis sancti Benedicti.“ Of the others, some, such as Herveus Natalis de Nedellec and Alexander Bonini of Alessandria, are well known and extensively examined in the secondary literature; for a brief
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How did these masters, individually and collectively, react to the charges against the Templars and participate in events concerning them in 1307-1308? Unfortunately, most of what has been written about the relation of the University of Paris and the Templar affair has made a soup with the various documents, assuming attendance at the confessions of Templars in October 1307 and the declaration of masters of theology on the matter in March 1308 reflected University support for the condemnation of the Templars. Certainly Philippe le Bel and his advisers would have favored that reading of the documents. As a letter of Romeus of Brugaria as well as the notarial records of the two Templar confessions at Paris make clear, the impression circulated at the time was that the confessions were attended by a large proportion of members of the university community, masters, bachelors, and scholars of all faculties, and that the response of masters of theology to the questions posed by the king represented all or almost all masters in that faculty 7. In what follows I want to do three things. First, to explore the documents from the Templar confessions of October 25 and 26, 1307, to put them in their proper context and to uncover important but unnoticed information on persons in the faculty of theology at Paris in 1307-1308. Second, to make some remarks on two regent masters who reflected on the Templar question in their ,Quodlibeta‘ of December 1307. And third, to look more carefully at those who re-
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biography of Herveus, cf. T. Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi, vol. 2, Rome 1975, 231-244; on Alexander, cf. L. Veuthey, Alexandre d’Alexandrie, maıˆtre de l’Universite´ de Paris et minister ge´ne´ral des Fre`res Mineures, Paris 1932; W. Dettloff, Die Entwicklung der Akzeptations- und Verdienstlehre von Duns Scotus bis Luther (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 40, 2), Münster 1963, 4-10; R. L. Friedman, The Sentences Commentary, 1250-1320. General Trends, the Impact of the Religious Orders, and the Test Case of Predestination, in: G. R. Evans (ed.), Medieval Commentaries on the Sentences of Peter Lombard, Leiden-Boston-Köln 2002, 41-128, at 74 sq.; W. O. Duba, Continental Franciscan Quodlibeta after Scotus, in: Schabel (ed.), Theological Quodlibeta (nt. 5), 569-649, at 579-582. On Alexander of San Elpidio, also known as de Marchia, cf. A. Zumkeller, Die Augustinerschule des Mittelalters, in: Analecta Augustiniana 27 (1964), 199; on Romeus of Brugaria, cf. Kaeppeli, Scriptores (nt. 6), vol. 3, Rome 1980, 333 sq.; on John of Mont-Saint-E´loi, also known as John of Maroeuil, cf. Sullivan, The Quodlibeta of the Canons Regular (nt. 5), 370 sq.; on Walter of Gamaches, cf. T. Sullivan, Benedictine Monks at the University of Paris, AD 1229-1500. A Biographical Register, Leiden-New York-Köln 1995, 149. For Romeus de Brugaria’s letter to Jayme II, king of Aragon, see H. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, vol. 2, Münster 1907, 48 sq. He described those present at the Templar confessions on October 26, 1307, as: „publice presentibus prelatis, magistris et bachallariis Parisiensibus […] vii kal. nov. presente quasi tota universitate magistrorum regentium et non regentium in diversis facultatibus.“ The notarial report of the gathering at the Temple on October 25 (Barcelona, Archiv., Perg. 2481; Finke, Papsttum, op. cit., 2, 307 sqq.) emphasizes (Finke, 309) the presence of masters of theology and „pluribus aliis religiosis et secularibus magistris, bachalariis et scolaribus studii Parisiensis testibus ad hoc vocatis specialiter et rogatis.“ Similarly, the notarial report of the gathering on October 26 (Barcelona, Archiv., Perg. 2482; Finke, Papsttum, op. cit., 2, 309-313) stresses the presence of scholars (Finke, 311): „plurium aliorum magistrorum et bachalariorum studii Parisiensis ibidem presencium et ad requisicionem inquisitoris predicti [William of Paris, OP].“ According to Finke, 312, this last document is no longer extant.
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sponded to the king in March 1308 and those who did not add their names and seals to that document, to explore what explains the difference, and what that reveals about the faculty of theology at that time. I. Masters and advanced students teaching and studying at Paris in the 13071308 academic year, whether willingly or not, were pulled into the process against the Templars, which began in October 1307. Not since the 1303 campaign against Boniface VIII or until the trial of Marguerite Porete in 1310 and the papal appeal of 1313 was there an event that documented so many persons connected with the University of Paris in this period 8. Thus one fortunate result of the Templar affair is that the records produced provide important information on the personnel in the faculty of theology at that time. As is well known, the arrest of the Templars occurred in the early morning hours of Friday, 13 October 1307. Almost two weeks later, on Wednesday October 25, royal officials staged a public event at the Templar convent at which the grand master, Jacques de Molay, confessed sinful practices committed by him and other members of the order, particularly actions connected with initiation rites. A second, similar event was staged again at the Temple the following day in which other Templars confessed to the evils that Molay had admitted, presumably in both cases under coercion and probably torture. Although the notarial report of those attending the first meeting claimed that „religious and secular masters, bachelors and scholars of the University of Paris“ were present, that statement, while true, is misleading, probably intentionally so 9. At the top of the list was the abbot of the Benedictine monastery of St-Germain-des-Pre´s, along with five dignitaries from the cathedral chapter of Notre Dame, only one of whom, in addition to being a canon and chancellor, was regent master in the faculty of theology. The other dignitaries in attendance were either canon lawyers or royal appointees with no known connection with the University. Those in attendance from the religious orders had closer connections with the faculty of theology. These included the prior of St. Jacques and two other Dominicans, Romeus of Brugaria and Herveus Natalis, both doctors of theology and regent masters. The Franciscans present were the guardian of 8
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On the documents generated by the crisis of 1303, cf. W. J. Courtenay, Between Pope and King: The Parisian Letters of Adhesion of 1303, in: Speculum 71 (1996), 577-605. On the documents connected with the trial of Marguerite and Guiard of Cressonessart, cf. R. Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ in the Reign of Philip the Fair: the Case of Guiard of Cressonessart, in: W. C. Jordan/B. McNab/T. F. Ruiz (eds.), Order and Innovation in the Middle Ages. Essays in Honor of Joseph R. Strayer, Princeton 1976, 343-364, 529-540. On the document generated by the crisis of 1313, cf. W. J. Courtenay, Foreign Scholars at Paris in the Early Fourteenth Century: The Crisis of 1313, in: History of Universities 15 (1997-1999), 47-74. For information on the report, cf. above, nt. 7.
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the Cordelier convent and Alexander of Alessandria, regent master in theology. The prior general of the Carmelites, Gerard of Bologna, was present, as was the regent master of the Augustinian Hermits, Henry of Friemar, Gerard, regent master at St. Victor, and Laurence of Dreux, regent master for the Parisian convent of Vallis Scolarium, or Val-des-E´coliers. A number of other ,masters‘ were mentioned as being in attendance, but all of these turn out to be royal officials with no known connection to the University. To the extent that the description of those attending the first confession was intended to show the support of the University for the action taken by the king less than two weeks earlier, it fell short. While the description was made to look as if important representatives of the University were present, only a few theologians and no masters in the faculty of Arts were mentioned as present, and even the eight theologians were there by reason of their ecclesiastical or convent positions, not as members of the faculty of theology. Perhaps because of that, those collected to hear the Templar confessions on the following day were described in a way that stressed their University connection. The attendance report is arranged by category. Masters of theology who belonged to the cathedral chapter came first, followed by seven theologians from religious orders, then four other members of the cathedral chapter, and finally bachelors and scholars in theology and masters in arts. The document claims that the rector and the proctors of the four nations in the faculty of arts were in attendance, probably as a result of an invitation from William of Paris, Dominican Inquisitor in France and confessor to the king, that could not be ignored. The nine names in the first category are: Simon of Guiberville, chancellor; Alexander of Alessandria, the Franciscan regent master; Henry of Friemar, the Augustinian regent master; Romeus of Brugaria and Herveus Natalis, Dominican regents; Gerard of Bologna, prior general of the Carmelites but listed here as master of theology; the Val-des-E´coliers master, Laurence of Dreux; and finally two secular masters, John of Ghent and William Alexandri, both theologians as well as canons of Notre Dame. Masters of theology are followed in this document by other attendees who held office in the cathedral chapter, then prominent members of religious orders, and a fourth group composed of bachelors of theology and the Bible. At the end of the list come the rector of the University, the proctors of the four nations in the faculty of arts, and a few others, primarily royal clerks. Apart from the identification and importance of individuals named, it is worth remarking that the list - a piece of royal propaganda - gave the principal place to members of the University community, and within that, the theologians. Canon lawyers and medical doctors are not singled out as a group, and the faculty of arts, including the rector of the University, follows behind all those listed in connection with the faculty of theology. Clearly royal officials believed that the faculty of theology and its masters were the most important part of the University of Paris and in terms of prestige and propaganda value outweighed the cathedral chapter or the heads of Parisian religious houses.
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Some of the most interesting individuals in the list are those at the bachelor level, since they provide the most unexplored evidence we have for theological careers in this period. At the level of bachelors of theology, meaning that they were reading the ,Sentences‘ in that year or had recently done so and were awaiting promotion to the doctorate, were the French Dominican Laurence of Nantes, the English secular theologian Henry of Harclay (referred to as magister Henricus Anglicus because he was a master of arts), Nicholas of Lyra and Bertrand de la Tour, both Franciscans, the Carmelite Guy Terrena of Perpignan, and a Cistercian bachelor by the name of Jacques, probably Jacques of Dijon 10. By the time of the condemnation of Marguerite Porete at the end of the 13091310 academic year, both Nicholas of Lyra and Jacques of Dijon had incepted and were regent masters in theology 11. Henry of Harclay, who was reading or had read the ,Sentences‘ at Paris by 1307-1308 and had earlier followed the lectures of Scotus, presumably returned to England and Oxford without incepting in theology at Paris. As doctor of theology, presumably from Oxford, he was elected chancellor of that university in 1312 12. Three other theologians, all Dominicans, were at the pre-sentential stage, one or more of them probably lecturing on the Bible. These were Nicholas of Anessiaco, Reginald of Creil (on the Oise near Senlis), and Durand of St. PourcX ain. This proves, contrary to what has sometimes been written, that Durand was at Paris in the academic year 1307-1308, not at some other studium of the Dominican order, but he was not yet formally lecturing on the ,Sentences‘ at Paris, since unlike some of the others, the title of bachelor was not applied to him. Yet he was considered important enough to be mentioned as attending the Templar confessions, and that in itself is significant. He may have been lecturing on the Bible and/or preparing himself to read the ,Sentences‘ in the following year. Josef Koch dated the first version, version A, of Durandus’ commentary to 1307-1308, and its description in the censure of 1314 as a quaternus originalis that the author did not intend for circulation suggests that it was a pre-lectura version. If written in 1307-1308, then written at Paris, which would explain Herveus Natalis’ access to that early version 13. 10
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The identification of Jacques of Dijon was made by Robert Lerner, A Note on the University Career of Jacques Fournier, O. Cist., Later Pope Benedict XII, in: Analecta Cisterciensia 30 (1974), 66-69. The second censure of Marguerite by 21 masters of theology at Paris occurred on 11 April 1310. It is cited in the addenda et corrigenda section of H. Denifle/E´. Chaˆtelain (eds.), Chartularium Universitatis Parisiensis, vol. 3, Paris 1894, 660 sq., from Paris, Arch. Nat. J 428, nr. 15, and edited previously by Charles V. Langlois in: Revue historique 54 (1894), 296 sq. On Harclay, cf. A. B. Emden, A Biographical Register of the University of Oxford to 1500, vol. 2, Oxford 1957, 874 sq.; Henry of Harclay, Ordinary Questions I-XIV, ed. M. Henninger (Auctores Britannici Medii Aevi 17), Oxford 2008, xvii-xxiv. Cf. J. Koch, Durandus de S. Porciano O.P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 26), Münster 1927, 44-49, 57, 60-63, 72 sqq.; I. Iribarren, Durandus of St. PourcX ain, Oxford 2005, 1 sq., 108, accepts Koch’s dating of Durand’s prima lectura, but incorrectly places it at a Dominican studium other than Paris.
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Another interesting individual possibly named in the document is William of Lumbres. The person who transcribed this document, unfortunately now lost, read the entry as „G. de Linnbrua,“ an otherwise unknown person and place. But if one renders the minims at the beginning as ,um‘ rather than ,inn‘ and the ending as ,iis‘ rather than ,ua‘ (the double-bow forms of ,a‘ and ,s‘ being similar), it is possible to see in this name Guillelmus de Lumbriis, referring to Lumbres, a town near St-Omer and the place of origin of William of Lumbres, one of the longest serving secular masters of theology at Paris in the fourteenth century, still teaching in his 80s. At this time in his career he would have been a bachelor of arts or newly-licensed master of arts, which is probably the rank held by many of the other names that occur at that point in the document. Certainly all those in attendance at the Templar confessions on October 26 were not mentioned by name. For propaganda purposes all regent masters in theology, along with members of the cathedral chapter and those holding office within a religious order or the faculty of arts were so mentioned. Perhaps the most interesting feature of the document is that those at or below the rank of bachelor of theology who are mentioned by name must have been thought significant enough within the university community to be singled out. That level of recognition was accorded to fifteen individuals, among them Henry of Harclay, Nicholas of Lyra, Guy Terrena, Bertrand de la Tour, Durand of St. PourcX ain, and, if my identification is correct, William of Lumbres. Although the intent of the first notarized report was to convey the impression that by hearing Molay’s confession university masters confirmed his guilt and that of his fellow Templars, attendance is only attendance. It does not tell us whether those present approved of the legality of the royal action, or believed that the confession was true and uncoerced, or that the Templars could be tried outside ecclesiastical jurisdiction. The notarized report of the second meeting at which a series of Templars confessed attempted to give that event the force of theological and thus ecclesiastical judgment. At the end of the document a select group of cathedral officers and theologians present were listed as witnesses with their seals attached, as if some sort of judicial action had been taken. Those so listed were the archdeacon, chancellor, succentor, and canon John of Ghent from the chapter at Notre Dame, William of Chanac, the bishop’s official, along with the prior of St. Jacques, the guardian of Cordeliers, and the Franciscan, the two Dominican, and the Augustinian regent masters 14. The intended audience 14
Cf. Finke, Papsttum (nt. 7), II, 312: „Et nos Gerardus archdiaconus, Symon cancellarius, Petrus succentor, Johannes de Gandavo magister in theologia, canonicus Parisiensis ecclesie, et Guillelmus de Chenaco canonicus et officialis Parisiensis, fratres Guillelmus de sancto Enurcio prior Predicatorum, Petrus gardianus Minorum et Alexander ordinis Minorum, Romeus et Herveus Natalis ordinis Praedicatorum, et Henricus ordinis Heremitarum sancti Augustini, magister [magistri?] in theologia, predictis confessionibus et omnibus aliis, prout superius sunt expressa, una cum suprascriptis testibus presentes fuimus et presentibus cartis seu instrumentis publicis simul sutis et signis predictorum notariorum publicorum signatis sigilla nostra apposuimus in testimonium premissorum.“
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of both of these documents was the papal curia and various monarchs across Europe who were expected to carry out the judgment against the Templars. The papal curia, however, while they might have been impressed, remained unmoved. II. The two masters who are known to have discussed the Templars in their quodlibetal questions in December 1307 are the Cistercian Jacques of The´rines and the secular Jean de Pouilly. Unfortunately only the opening section of Jacques’s question (,Quodlibet‘ II, q. 7) survives 15. The question concerned papal power to dissolve an oath of marriage. Only the sic et non portion of the question survives, and the affirmative side was supported by the argument that since the pope had the power to suspend the solemn oath of a religious profession to allow a monk or friar to marry, he had the power to dissolve marriage vows that had not been consummated, especially, Jacques added, because the pope is able to investigate the secrets of those in religious orders, „just as is obvious in the case of the Templars.“ 16 That was the central question in November and December 1307, namely whether, as Clement V insisted, he had the right as well as the responsibility to question the Templars himself, or whether, as Philip insisted, their guilt was sufficiently manifest by their confessions under royal auspices so that no further ecclesiastical investigation and judgment was needed. Unless more of Jacques’ question is recovered, if ever, we will not know his position on this question. In the case of Jean de Pouilly, however, we do know the latter’s position. In his ,Quodlibet‘ II Jean devoted an entire question to whether the pope had the right to know the secret vows of those in religious orders, and Jean made specific reference to the king’s arrest of notorious sodomites, namely the Templars 17. In his solution Jean grants that the pope has such an obligation, otherwise he would not be in a position to rule the church as he should. But in this contest of papal and royal authority that raged throughout the final months of 1307 until Philip allowed two cardinals to interview a few selected Templars in royal custody, Jean de Pouilly presented a third alternative. He praised the king for 15
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Cf. Jacques de The´rines, Quodlibets I et II, Jean Lesage, Quodlibet I, ed. P. Glorieux (Textes philosophiques du moyen aˆge 7), Paris 1958, 250 sq. Ibid., 251: „et specialiter quia per hoc possunt sciri secreta religiosorum, quod expedit sicut patet de Templariis.“ Jordan, Unceasing Strife (nt. 5), 29, attempted to get more out of this fragment than it allows. Cf. Jean de Pouilly, Quodlibet II, q. 19 (Paris, Bibl. Nat., lat. 15372, foll. 67vb-69ra; and as q. 13 in Paris, Bibl. Nat. lat. 14565, foll. 124rb-125vb: „Utrum expediat simpliciter quod secreta cuiuslibet religionis revelentur pape.“ Bibl. Nat. 15372, fol. 68va; Bibl. Nat. 14565, fol. 125rb: „Sed sicut mala et iniqua extirpanda, loquendo nedum de hiis que tangunt personas singulares sed etiam communitatem, que papa cum omni diligentia deberet inquirere et corrigere, sicut rex diligenter inquisivit facta istorum pessimorum, apostatarum et sodomitarum inquisitione et reduxit ad lucem.“ In the margin of Bibl. Nat., lat. 14565, fol. 125vb: „Templarus“.
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his actions on behalf of the church and the realm, and while granting the pope’s right to investigate heresy and sin, also argued that the pope could not possibly be everywhere all the time investigating such matters. Otherwise the more important business of the church, appropriate for the pope, would not get done. Thus the investigation of secret vows, heresy, and sinful behavior should be left to bishops 18. For Jean de Pouilly the core evil lay in the exemption from episcopal authority enjoyed by most of the religious orders, including the Templars, which could lead in turn to the sins and apostasies of which he was convinced they were guilty. Episcopal authority was not precisely the solution Philip had in mind, but depending on which bishops he might enlist, it could produce the same outcome. At the end of December, however, with access to cardinals, leading Templars recanted their forced confessions. And, as Karl Ubl’s contribution in this volume makes clear, that led Jean de Pouilly in a subsequent quodlibetal question to view the Templars as relapsed heretics 19. III. Between 1312 and 1314 Jean de Pouilly claimed that sometime early in 1308, between the recantations at Christmas 1307 and April 14, 1308 (the end of 1307 according to the Gallican calendar), 22 masters of theology and law deliberated on whether the Templars who recanted should be deemed relapsed heretics 20. Nineteen of the doctors thought not, and Pouilly was in the minority on the affirmative side with two other masters. It is unclear whether this was related 18
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Bibl. Nat., lat. 15372, fol. 68vb; Bibl. Nat., lat. 14565, fol. 125va: „Et ideo si talia debeant sciri, debet de ipsis diligenter et frequenter inquirere, quidem quia occulta sunt frequenter, vero quia pluries etiam in anno possunt talia statuere et ordinare. Hec autem non potest bene papa facere propter religionum multitudinem ad quarum loca oportet accedere si debeat bene inquiri de statutis secretis aut actibus, quia vita unius pape non sufficeret dato quod nihil aliud faceret. Tamen etiam quia papa circa negotia generalia totius ecclesie est occupatus, et ideo non potest vacare circa talia.“ Ibid.: „Cum igitur expediat quod talia sciantur ab aliis, ab eis qui talia constituunt et in ea consentiunt, sicut sunt illi de illa professione, quia si sint irrationabilia aut erronea vel aliis preiudicialia, dummodo credant improprium commodum vel honorem, nunquam talia revocabunt nec bene possunt a papa sciri, ut dictum est, nec post papam sunt alii ad quos ita pertineat talia scire et ea corrigere, sicut sunt episcopi.“ For further discussion, cf. W. J. Courtenay, Learned Opinion and Royal Justice: The role of Paris Masters of Theology During the Reign of Philip the Fair, in: R. M. Karras/J. Kaye/ E. A. Matter (eds.), Law and the Illicit in Medieval Europe, Philadelphia 2008, 149-163, 280285; cf. also K. Ubl, Die Disziplinierung der Gelehrten. Philipp IV. von Frankreich und die Universität Paris, in: J. Krynen/M. Stolleis (eds.), Science politique et droit public dans les faculte´s de droit europe´enes (XIIIe-XVIIIe sie`cle), Frankfurt 2008, 91-111; P. F. Crawford, The University of Paris and the Trial of the Templars, in: V. Mallia-Milanes (ed.), The Military Orders, vol. 3: History and Heritage, Aldershot-Burlington 2008, 115-122. Cf. K. Ubl, Haeretici relapsi. Jean de Pouilly und die juristischen Grundlagen für die Hinrichtung der Tempelritter, in this volume. The testimony comes from Jean de Pouilly, Quodlibet V, q. 16 (Paris, Bibl. Nat., lat. 15372, fol. 181va): „Et dicendum, quod anno captionis Templariorum […] articuli de Templariis secundum diversa facta et diversas conditiones ipsorum fuerunt tradite doctoribus sacre scripture et utriusque iuris […],“ cited from Ubl, Haeretici relapsi (nt. 19), 163, nt. 10.
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to deliberations in response to the specific list of questions Philip put to the Paris faculty of theology at that time, a separate meeting in response to questions posed by bishops meeting at Paris, or a misremembering confused with later events. The precise details of Pouilly’s account, however, such as the specific number of doctors deliberating on this issue, and that it took place in the year in which the Templars were seized, along with the fact that in the early months of 1308 the meaning and legal status of the recantations would have been a topic of great concern and that Pouilly admits to being in a small minority at that time, all speak to the credibility of his account. His figure of 22 doctors of theology and law is compatible with the twenty regent and non-regent masters of theology in 1307-1308 presented near the beginning of this paper: twelve religious and eight seculars, including Pouilly. We have no way of knowing if all regents in theology took part in these deliberations, nor how many doctors of civil and canon law participated. If the percentage of theologians and canon lawyers taking part in the condemnation of Marguerite Porete two years later is typical for such deliberations, then the number of lawyers may have been quite small 21. In any event, the majority of theologians at that time, both religious and seculars, did not view the Templars as lapsed heretics. Early in 1308 Philip attempted to enlist the faculty of theology directly in support of his actions against the Templars by submitting to the masters a list of seven questions on which they were to respond. After a period of delay, which they blamed on the absence of certain unnamed masters, fourteen regents in theology responded on March 25, 1308. Since there were some twenty doctors of theology active at Paris in 1307-1308, why is it that only fourteen of them responded and added their seals to that document? The answer lies in the response given to Philip’s questions. They agreed that Philip acted wisely in arresting the Templars and seizing their property, but they rejected the position that the Templars, as knights, were not really a religious order and therefore did not have benefit of clergy. The theologians insisted that the Templars came under ecclesiastical jurisdiction and should be turned over to church authority. The confessions of a few were not sufficient to suppress an entire order, nor were those confessions, by themselves, sufficient for unilateral royal action. Both the Templars and their possessions should be turned over to ecclesiastical authorities for adjudication. The response of the theologians is hardly an endorsement of royal policy, as it has sometimes been described. Quite the contrary, although it was worded deferentially and carefully in order not to incur royal anger. All masters who belonged to religious orders, save one, the Benedictine Peter of St. Denis, added 21
In the spring of 1310, 21 regent and non-regent masters of theology were involved in the condemnation of Marguerite, while only five regents in canon law took part. The latter were William Frater, Hugh of BesancX on (canon of Notre Dame and later bishop of Paris), John of The´lus, Henry of Bethune, and Peter de Vallibus. Perhaps one or more of these was among the 22 doctors of theology and law in 1308, assuming Pouilly’s memory was correct.
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their seals to the document. The Dominican Romeus of Brugaria probably would have been happy with a stronger declaration of support for royal policy, but even he might wonder where granting the king the right to suppress an order might lead in the future. Only three secular masters added their seals to the document: Peter of St. Omer, William Alexandri, and Ralph of Hotot. The other five masters of theology active that year at Paris, including the chancellor, the future chancellor Thomas de Bailly, and Jean de Pouilly, did not join their colleagues in this action. Given the attitude Jean de Pouilly adopted in his quodlibetal question in 1312, which treats the Templars as relapsed heretics, it is easy to see why he would not have agreed with that response. In conclusion, masters of theology at the University of Paris in 1307-1308 reacted to the Templar crisis in different ways, depending in part on whether they were seculars or religious. There was not one uniform response, and although many may have felt the Templars guilty of the crimes of which they were accused, masters who belonged to religious orders were unwilling to grant the king the power to try and condemn those they considered had clerical status. Philip’s attempt to enlist the authority of Parisian masters of theology in his jurisdictional conflict with Clement V was, in the end, unsuccessful. For those few masters who looked more positively on the royal position, including Jean de Pouilly, their careers in subsequent years, at least until Philip’s death in 1314, benefited from royal favor.
Philippe le Bel von Frankreich und die Universität von Paris. Zur Rolle der Intellektuellen am Beginn des 14. Jahrhunderts J¸rgen Miethke (Heidelberg) „Kunst geht nach Brot“, so heißt es, und Wissenschaft ist gewiß nicht ausschließlich l’art pour l’art, heute nicht und auch nicht im Mittelalter. Zwei gewichtige Untersuchungen in diesem Band beschäftigen sich detailliert mit der Theoriebildung im universitären Bereich zu politischen Streitfragen, die um 1308 aktuell waren. Anders als am Beispiel eines theologischen Quodlibets beziehungsweise von einzeln und gemeinsam abgegebenen Stellungnahmen aus der Universität zum Vorgehen des königlichen Hofes gegen die Templer möchte ich gewissermaßen in umgekehrter Richtung fragen nach dem Verhältnis des Königshofs Philipps IV. ,des Schönen‘ von Frankreich zur Universität und zu den Universitätsgelehrten in Paris 1. Was bedeutete die Universität in dieser großen Stadt für den königlichen Hof ? Durch einen Blick auf das Verhältnis von König und Universität wird vielleicht verständlicher, warum die Universitätsleute immer wieder zur Feder griffen und dem Hof und dem König ihre Texte andienten. Der berühmte Konflikt König Philipps IV. mit Papst Bonifaz VIII. ist bereits häufig dargestellt worden 2. Auch die publizistische Begleitung dieser Auseinandersetzungen erfreut sich einer intensiven Behandlung in der internationalen Forschung. Es hatte auch zuvor bereits Auseinandersetzungen zwischen Papst und weltlichen Herrschern gegeben. Der Kampf zwischen Papst und Kaiser, der fast das gesamte Mittelalter begleitet 3, ist dabei nur das am weitesten bekannte Phänomen. In diesen Konflikten konnte im früheren Mittelalter vor allem (oder richtiger ausschließlich) die päpstliche Seite darauf zählen, daß die Öffentlichkeit der Zeit über die Sachlage - natürlich vom eigenen Standpunkt aus - mit gelehrten ,wissenschaftlichen‘ Argumenten und Traktaten informiert wurde, wäh1
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Siehe die Beiträge von Karl Ubl und William J. Courtenay. Zusammenfassend zu Philipps hochdramatischer Regierungszeit essayistisch zuletzt etwa J. Miethke, Philipp IV. der Schöne (12851314), in: J. Ehlers/H. Müller/B. Schneidmüller (eds.), Die französischen Könige des Mittelalters (Beck’sche Reihe 1723), München 22006, 184-210, 368-372. Klassisch die an der Wende zum 20. Jahrhundert entstandene Studie von G. Digard, Philippe le Bel et le Saint-Sie`ge, ouvrage posthume, 2 vols., ed. F. Lehoux, Paris 1936 [Nachdruck: Aalen 1972]. Weitere Literatur bei Miethke, Philipp (nt. 1), 368-372. Für das Spätmittelalter eine knappe Übersicht bei: J. Miethke/A. Bühler, Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und Kirche im späten Mittelalter (Historisches Seminar 8), Düsseldorf 1988.
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rend die weltlichen Fürsten naturgemäß eher einen stummen Part zu spielen hatten. Sie durften keinen oder kaum einen publizistischen Sukkurs erwarten 4. Angesichts der weitgehend schriftlosen Laienwelt des Früh- und Hochmittelalters kann das nicht allzusehr verwundern. Die kirchlichen Federn setzten sich nur in Ausnahmefällen für einen weltlichen Fürsten in Bewegung. Erst der Salier Heinrich IV. hat im 11. Jahrhundert in seinem Kampf mit den Gregorianern eine gewisse öffentlichkeitswirksame Unterstützung vom Episkopat seines Reiches und dementsprechend auch aus den Domschulen Deutschlands erhalten, eine Hilfe, die sich freilich allein schon der Menge und Bedeutung nach mit der Produktion der Gregorianer nicht recht messen kann 5. Im 13. Jahrhundert hat dann der Stauferkaiser Friedrich II. in seinem Kampf mit der römischen Kurie auch eine wahre Schlacht der Memoranden und Pamphlete entfesseln können, weil der Herrscher zunehmend Hilfe und Unterstützung bei gelehrten Kirchenleuten fand. Jetzt, an der Wende zum 14. Jahrhundert, erfahren wir, daß ,scholastische‘ Traktate nicht nur zugunsten der herrischen Forderungen des Papstes Bonifaz’ VIII. die Sicht der Kurie beleuchten, sondern daß Texte in der vollen Rüstung scholastischer Wissenschaft ebenso im Umkreis des französischen Königshofs, konkret an der Universität Paris entstehen, die die päpstlichen Positionen mit Verve angreifen und die Berechtigung der Positionen und Interessen des französischen Königs darlegen. Diese Eskalation der argumentativen Auseinandersetzung sollte weitreichende Folgen haben. Einmal angestoßen, wird die Debatte nicht so rasch einschlafen und letzten Endes zu einer Emanzipation der politischen Theorie aus kirchlich-theologischen Bindungen und zu einer Säkularisierung der Politik beitragen. Wenn wir die Regierungszeit Philipps IV. aus diesem Gesichtswinkel betrachten, so kann ich mich keinesfalls auf das Jahr 1308 beschränken. Das Verhältnis von Königshof und Universität läßt sich nicht so punktgenau chronologisch fixieren. Wir müssen, wenn wir verstehen wollen, warum Universitätsmagister verschiedener Fakultäten in diesen Jahren immer wieder - und auch im Jahre 1308 - zu Streitfragen des Tages Stellung genommen haben, etwas weiter ausgreifen. Vorweg muß ich auch unterstreichen, daß ich in meinem Bericht unmöglich auf alle einzelnen Aktionen, Texte und Traktate eingehen kann. Das würde eine umfangreiche Monographie erfordern, geradezu eine histoire totale der 4
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Man wird allenfalls die berühmten Texte des sogenannten „Normannischen Anonymus“ zugunsten des englischen Königs als Gegenbeispiele gelten lassen, doch blieben diese im Codex unicus ihres Verfassers gewissermaßen stecken. Zusammenfassend dazu etwa J. Miethke, Mittelalterliche Politiktheorie. Vier Entwürfe des Hoch- und Spätmittelalters (Würzburger Vorträge zur Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie 35), Baden-Baden 2006, besonders 20-25. Klassisch die Darstellung von C. Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., Leipzig 1894; cf. jetzt die ,europäisierte‘ Darlegung von W. Hartmann, Wahrheit und Gewohnheit. Autoritätenwechsel und Überzeugungsstrategien in der späteren Salierzeit, in: B. Schneidmüller/St. Weinfurter (eds.), Salisches Kaisertum und neues Europa. Die Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V., Darmstadt 2007, 65-84.
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Regierungszeit Philipps des Schönen. Hier soll es nur um Grundlinien eines komplexen Verhältnisses gehen. Der Konflikt zwischen Papst und König, der bereits ein gutes Jahr nach der Thronbesteigung Bonifaz’ VIII. ausbrach, erregte gewiß erhebliches Aufsehen. Der Papst wollte mit seiner Bulle ,Clericis laicos‘ (vom 24. Februar 1296) die Besteuerung des französischen Klerus zur Aufbesserung der französischen Kriegskasse unter Aufbietung aller geistlichen Zwangsmittel verbieten. Daraufhin brachte der französische Hof die Kurie oder doch eine erhebliche Zahl von Kurialen in erhebliche Schwierigkeiten, indem er den Transfer von Waffen, Geld und Geldeswert von den in Frankreich gelegenen Pfründen brüsk unterbrach. Wenige Monate nach der päpstlichen Verfügung nämlich (am 17. August 1296) erließ der König ein Waffen- und Edelmetallembargo. Der französische Hof antwortete also mit einer Maßnahme, für die er ohne Frage zuständig war und die offiziell gar nicht gegen Papst und Kurie gerichtet schien, sondern allgemein die Ausfuhr kriegswichtiger Güter aus Frankreich verbot. Darüber hinaus zeigte sich der Hof gewillt, die Auseinandersetzung mit dem Papst als einen grundsätzlichen Streit um Prinzipien zu führen. Es ist dies etwa an einem zunächst unscheinbaren kleinen Text abzulesen, der für sich genommen keine allzugroße Aufmerksamkeit verdient, der aber durch seine Überlieferung die Entschlossenheit der Pariser Zentrale bezeugt. Ein anonymer Text mit den Anfangsworten „Antequam essent clerici […]“ 6 beginnt mit den Sätzen: „Bevor es Kleriker gab, hatte bereits der König Frankreichs die Obhut über sein Reich und konnte Gesetze erlassen, mittels derer er Vorsorge traf gegen die Anschläge und Schadenswirkungen von Feinden, um ihnen damit alle denkbaren Hilfsmittel zu entziehen, mit denen sie ihn und sein Reich noch schlimmer bekämpfen könnten. Aus diesem Grund hat der derzeitige Herr und König Pferde, Waffen, Gelder und Ähnliches durch allgemeines Edikt aus dem Königreich auszuführen verboten, damit nicht etwa derartiges durch bösartigen Trug in die Hände von Feinden zum Nachteil des Herrn Königs und des Reiches fallen könne […].“ 7
Ausdrücklich verteidigt der Text also das Waffenembargo, das der königliche Rat verhängt hatte. Auch der erste Satz, der die Anciennität und Unabhängigkeit 6
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Gedruckt zuerst durch P. Dupuy, Histoire du diffe´rend d’entre le pape Boniface VIII et Philippes le Bel, Roy de France: Ou l’on voit ce qui se passa […] depuis l’an 1296, iusques en l’an 1311 […]. Le tout iustifie´ par les Actes & Memoires pris sur les Originaux qui sont au Tresor des Chartes du Roy, Paris 1655 [hier: E´preuves], 21 sqq.; zuletzt (nach demselben Codex unicus [cf. nt. 12]) ed. R. W. Dyson, Three Royalist Tracts, 1296-1302 (Primary Sources in Political Thought), Durham-Sterling 1999, 2-10 (mit seitenparalleller englischer Übersetzung), 525 sq. Zum Traktat allgemein cf. F. Chaˆtillon, Pour une meilleure interpre´tation du libelle „Antequam ˆ ge latin 21 (1965), 103-121; id., Augustin Confessiones essent clerici“, in: Revue du Moyen-A III.8.15 dans le libelle „Antequam essent clerici“, ibid., 252 sq. Dyson (ed.), Three Royal Tracts (nt. 6), 2: „Antequam essent clerici, rex Francie habebat custodiam regni sui et poterat statuta facere quibus ab inimicorum insidiis et nocumentis sibi et regno precaveret, et per que inimicis subtraheret omnimoda subsidia quibus ipsum et regnum possent gravius impugnare. Hac de causa dominus rex, qui nunc est, equos, arma, pecunias et similia generali edicto prohibuit extrahi de regno suo, ne forsitan talia per malignorum fraudulentiam ad manus inimicorum in domini regis et regni preiudicium devenirent […].“
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des französischen Königs gegenüber dem Papst unterstreicht, geht auf die päpstlichen Argumente ein. Der kurze Text versucht dann im folgenden, weitere Argumente zusammenzutragen. Als gewichtigstes Argument bringt er vor: „Die Heilige Mutter Kirche, die Braut Christi, besteht nicht nur aus Klerikern, sondern auch aus Laien, ja nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift gilt: Wie ,ein Herr, ein Glaube und eine Taufe‘ existieren, so setzt sich die Kirche vom ersten Gerechten angefangen bis zum letzten aus allen Gläubigen Christi zusammen, ist Christus selbst, ihrem himmlischen Bräutigam durch den Ring des Glaubens angetraut. Er hat sie selbst von der Knechtschaft unter die Sünde und vom Joch des Alten Gesetzes befreit und wollte, daß dieser Freiheit sich alle erfreuen sollten, Laien wie Kleriker, denen er die Vollmacht gab, Gottes Kinder zu werden […].“ 8
Aus dieser Überlegung leitet der Verfasser nicht nur die Einheit der Kirche aus Klerus und Laien ab - und wendet sich damit gegen den vom Papst in seiner Bulle ,Clericis laicos‘ verkündeten angeblichen Grundkonflikt zwischen Klerus und Laien. Darüber hinaus wird aus dieser Einheit auch für den Klerus die Verpflichtung abgeleitet, die Laien - und damit den König - im Notfall zu unterstützen, und das heißt im Klartext des Jahre 1296, die vom französischen König geforderte Steuer im englischen Krieg anstandslos zu zahlen. Der Text ist nicht besonders raffiniert, er zeigt auch keine Anzeichen ausgesuchter Gelehrsamkeit, wenngleich er ohne gelehrte Kenntnisse nicht denkbar ist. In einem Anhang bringt er noch zwei weitere Themen zur Sprache, die mit dem konkreten Konflikt unmittelbar nichts zu tun haben: Er behandelt noch das besondere Lehnsverhältnis, durch das der König von England dem französischen König verbunden war, und geht damit indirekt auf den Grund des englisch-französischen Krieges ein. Schließlich verteidigt der Traktat auch noch den Vorschlag, Grenzstreitigkeiten mit dem römisch-deutschen Reich durch eine Kommission aus je zwei Schiedsmännern beider Seiten, die im Streitfalle einen fünften als Obmann bestellen könnten, schlichten und entscheiden zu lassen 9. Solch ein Abkommen war mit dem römischen König Adolf von Nassau erst kurz zuvor getroffen worden. Über Burgund freilich konnte und wollte der Text darüber hinaus, wie es heißt, keinen Streit mehr mit dem römischen Reich als 8
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Ibid.: „Sancta mater ecclesia, sponsa Christi, non solum est ex clericis, sed etiam ex laicis, immo, sacra testante scriptura, sicut est unus dominus, una fides, unum baptisma [Eph. 4,5], sic a primo iusto usque ad ultimum ex omnibus Christi fidelibus una est ecclesia ipsi Christo caelesti sponso annulo fidei desponsata, quam ipse a servitute peccati ac iugo veteris legis ac dominio hostis antiqui per mortem suam misericorditer liberavit, qua libertate gaudere voluit omnes illos, tam laicos quam clericos, quibus dedit potestatem filios dei fieri […].“ Vierzig Jahre später urteilt Wilhelm von Ockham sehr viel differenzierter und aggressiver: I Dialogus VI c. 100, im Inkunabel-Druck von Jean Trechsel, Lyon 1494 [Nachdruck: London 1962], fol. 111va): „[…] dicere causam fidei vel dei nullo modo spectare ad iudicem secularem vel laicos omnino esset insanum. Et est verbum clericorum avarorum et superborum, qui ideo ab ecclesia dei laicos conantur excludere, ut ipsis exclusis possent ab ecclesia laicorum domini reputari.“ Auch etwa III Dialogus II.iii c. 8 (fol. 265va), und öfter. Zum Schied weiterführend (freilich für das 13. Jahrhundert!) M. Kaufhold, Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230-1280 (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 49), Hannover 2000, 136-167.
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sinnvoll anerkennen, plädiert also für Erledigung dieses Streitpunktes durch Zeitablauf. Die unsystematische, rein additive Aufhäufung von Problemen, die in dem kleinen Taktat eher oberflächlich und ohne eine eingehendere Analyse angesprochen werden, hat Richard Scholz (im Gefolge von Robert Holtzmann) dazu veranlaßt, Pierre Flote selbst, den Siegelbewahrer Frankreichs und damaligen Leiter der französischen Politik, als Verfasser zu vermuten 10. Jedoch gibt es für derlei Spekulationen ebensowenig wirkliche Anhaltspunkte wie für eine Zuschreibung des Textes etwa an Philippe Nogaret oder Pierre Dubois 11. Daß diese Schrift in unserem Zusammenhang überhaupt erwähnenswert ist, hat seinen Grund einmal in dem erkennbaren Bemühen des Textes, mit ,wissenschaftlichen‘ Mitteln zu arbeiten, das heißt theologische und juristische Gründe für seine Positionen vorzutragen. Er wollte nicht nur bloße Behauptungen in die Welt setzen. Man wird dem Schriftsatz zugestehen, daß das gelingt. Zum anderen aber gibt die Überlieferung des Textes selbst uns Anlaß, hier auf ihn einzugehen. In einer einzigen Handschrift auf uns gekommen, läßt sich die Schrift gerade durch ihren Codex unicus als besonders hofnah erweisen 12. Denn diese Handschrift stammt aus dem königlichen Archiv. Sie ist ein Registerband, angelegt von Pierre d’E´tamps, dem Leiter des Kronarchivs von 1307 bis 1324, der in bunter Folge eine Vielzahl von päpstlichen Bullen und Aktenstücken zum Konflikt mit Bonifaz VIII. und schließlich auch einige argumentative Texte zwischen zwei Buchdeckeln versammelt hat. Wir besitzen seit 1909 eine eingehende Schilderung 13 der Tätigkeit des Pierre d’E´tamps im königlichen Archiv 14. Unter den zahlreichen Sammelhandschriften, die der fleißige Archivar angelegt hat, 10
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Cf. R. Scholz, Die Publizistik zur Zeit Philipps des Schönen und Bonifaz’ VIII. (Kirchenrechtliche Abhandlungen 6-8), Stuttgart 1903 [Nachdruck: Amsterdam 1962], 359 sq. Allenfalls könnte die Überschrift für einen solchen genommen werden, die Pierre Dupuy in seinen E´preuves dem Text gegeben hat: „Responsiones nomine Philippi Regis ad Bullam Bonifacii pp. VIII. datam Anagniae .ii. kalendas ottobris pontificatus anno secundo.“ Aber der Schluß daraus auf Flote scheint doch allzu kühn. Im Ms. ist (fol. 15v ) nur vermerkt: „Pulcherrimae responsiones facte pro rege ad bullam precedentem et ad puncta aliqua in ea contenta, et est totum notabilissimum, licet non sit opus perfectum.“ Ms. Paris, Bibliothe`que nationale, lat. 10919, foll. 4va-6va; bei Dupuy, E´preuves (nt. 6), ,Registre C‘. H.-F. Delaborde, Introduction, in: id. (ed.), Archives Nationales: Inventaires et documents, III: Layettes du Tre´sor des Chartes, vol. 5 (Ancienne se´rie des Sacs dite aujourd’hui Supple´ment), Paris 1909, xxxviij-liij (zu den registres XXVIII und XXIX, cf. xlvij sq.). Ausschließlich die reinen Daten eines Findbuchs in: E´tat ge´ne´ral des fonds des Archives nationales, publie´ sous la direction de J. Favier, vol. 1: L’ancien re´gime, sous la direction d’E´tienne Taillemite, Paris 1978, 217; ebenso knapp auch J. Coste (ed.), Boniface VIII en proce`s. Articles d’accusation et de´positions de te´moins (1303-1311). E´dition critique, introduction et notes (Pubblicazioni della Fondazione Camillo Caetani. Studi e documenti d’archivio 5), Rom 1995, xxvii (Ms. C). Besonders interessant erscheint die Aufforderung, die König Karl IV. an den Archivar vor seiner Krönung in Reims (21. Februar 1322) gerichtet hat, er solle die Einladungsschreiben an die Pairs von Frankreich und den Adel des Landes zu den Krönungsfeierlichkeiten sowie die Mandate an Bürger und Klerus von Reims zur Verfügung stellen, cf. Delaborde, Layettes (nt. 13), xlvij (nach Archives Nationales J 476 nr. 110 ). Andere Beispiele ibid.
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findet sich auch das Manuskript, das unsere Schrift ,Antequam essent clerici‘ überliefert (heute lat. 10919, foll. 15r-17r ). Aus diesem Manuskript, das ursprünglich dem Archiv und nicht der Bibliothek gehörte, ist der Text auch nachweislich von Pierre Dupuy gedruckt (1655) und noch einmal (1999) von dem englischen Politologen Robert W. Dyson herausgegeben worden 15. Das Pariser Nationalarchiv besitzt heute noch eine Schwesterhandschrift dieses alten Registers. Dieses letztlich im Archiv verbliebene und ursprünglich offenbar ,Registre XXVIII‘ genannte Manuskript trägt heute weiterhin die numerische Kennziffer seines Ursprungs in seiner Signatur ( JJ 28), während das schließlich in die Pariser Nationalbibliothek verbrachte Stück mit dem kleinen Traktat, von Pierre d’E´tamps ,Registre XXIX‘ getauft, eine ganz andere Signatur erhielt (lat. 10919). Richard Scholz hat gemeint, diese Archivhandschrift sei „offenbar zum Privatgebrauch ihres Besitzters angelegt“, denn sie enthalte „neben Kopien offizieller Briefe und päpstlicher Bullen auch Privatarbeiten, […] was gerade den Sammler interessierte“ 16. Dieses Urteil setzt freilich eine Unterscheidung von öffentlich und privat voraus, die für das beginnende 14. Jahrhundert nicht paßt. Der Archivar hat hier Texte gesammelt, auf die er bei Bedarf zurückgreifen konnte, beziehungsweise die er den Mitgliedern des königlichen Conseil zur Verfügung halten wollte. Er wird diese Texte wohl im Umkreis der königlichen Kanzlei gefunden haben, so daß auch der Beginn seiner Archivtätigkeit, der mit 1307 um ein volles Jahrzehnt später liegt als die Abfassungszeit der Schrift, keinen ernsten Einwand gegen die Hofnähe dieses Traktates liefert. Wem es scheinen will, daß wir dem kleinen Text damit eine allzu schwere Beweislast auf die schmalen Schultern legen, dem ist mit dem Hinweis auf die gewichtigere Parallelle zu antworten, die sich in der bereits erwähnten Schwesterhandschrift, dem ursprünglichen ,Registre XXVIII‘ findet, und das heißt ebenfalls in einer Registerhandschrift des Pierre d’E´tamps 17. Auch dieser Band enthält neben amtlichen Schriftstücken eine Fülle von heute eher ,privat‘ zu nennenden Texten. Gleich zu Beginn findet sich über 131 Folien hin (das heißt über 262 Seiten im Folioformat) die damals fast ein Jahrhundert alte quasioffizielle ,Historia Albigensium‘ des Zisterziensermönchs Pierre des Vaux-de15
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Cf. H.-F. Delaborde, Les travaux de Dupuy sur le Tresor de Chartes et les origines du supple´ment, in: Bibliothe`que de l’E´cole des Chartes 58 (1897), 126-154; cf. zusammenfassend H. Jaumann, Art. ,Pierre Dupuy‘, in: Handbuch der Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit, Berlin 2004, 236b-238a. Scholz, Publizistik (nt. 10), 226. Von Dupuy zitiert als ,Registre B‘, heute: Ms. Archives nationales, JJ 28. Cf. dazu E. Boutaric, in: Notices et extraits 20/2 (1865), 168 sq. Eine Inhaltsübersicht gab bereits Scholz, Publizistik (nt. 10), 226 sq., die dann wiederholt wurde von G. Vinay, Egidio Romano e la cosidetta „Questio in utramque partem“, in: Bullettino dell’Istituto Italiano per il Medio Evo 53 (1939), 43136, hier 54 sq., nt. 3 und 55, nt. 1. Cf. auch J. A. Watt, The „Quaestio in utramque partem“ Reconsidered, in: Studia Gratiana 13 [= Collectanea Stephan Kuttner, 3] (1967), 411-453; gegen die falsche Zuschreibung an Aegidius Romanus überzeugend R. Kuiters, Aegidius Romanus and the Authorship of „In utramque partem“ and „De ecclesiastica potestate“, in: Augustiniana 8 (1958), 267-280.
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Cernay (gest. 1219) aus dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts 18. Wenig später folgt über weitere knapp 150 Folioseiten ein berühmter Briefsteller, nämlich ein Teil der Briefsammlung des Petrus de Vinea (foll. 132-204) ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert 19, der jedoch für die königliche Kanzlei wie für zahlreiche andere Schreibstuben Europas von deutlich mehr als ,privatem‘ Interesse war. Zusätzlich enthält der Band neben Formularen von Papstbriefen des 13. Jahrhunderts weitere Bullen Bonifaz’ VIII. und Aktenstücke zum Streit zwischen Papst und französischem König. Pierre Dupuy hat einen Großteil seiner reichen Textsammlung in der 1655 erschienenen ,Histoire du Diffe´rend d’entre le pape Boniface VIII et Philippes le Bel, Roy de France‘ aus diesem Manuskript bezogen. Nicht freilich hat er - erstaunlicherweise - die sogenannte ,Quaestio in utramque partem‘ aufgenommen, die in dem uns hier interessierenden Codex des königlichen Archivs ebenfalls ihren Platz gefunden hatte 20, vielleicht weil dieser Text damals bereits im Druck vorlag. Diese ,Quaestio in utramque partem‘ jedoch ist in noch höherem Grad ein Ergebnis universitärer Gelehrsamkeit, stellt sie doch in der schulmäßigen Form einer Universitätsquästion Autoritäten und Argumentationen zum Verhältnis der geistlichen und der weltlichen Gewalt zusammen und benutzt nacheinander theologische, philosophische und juristische Argumente aus dem römischen und kanonischen Recht. Der Traktat ist ebenfalls anonym und ist relativ weit gestreut in heute noch mindestens dreizehn mittelalterlichen Handschriften überliefert. Die Fassung des königlichen Archivregisters bietet einen philologisch sehr guten Text 21, so daß davon auszugehen ist, daß er relativ autornah dort angelangt ist. Lassen wir das dahingestellt und halten wir fest, daß der Text seine Anonymität gut mittelalterlichem Brauch entsprechend auch der Tatsache verdanken könnte, daß er nicht das Produkt eines einzelnen Autors, sondern als Gruppenmemorandum das Ergebnis der Bemühungen einer ganzen Versammlung von verschiedenen Gelehrten war 22. Er gehört wie zahlreiche andere Texte dieser Zeit unzweifelhaft in den Umkreis 18
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Cf. zusammenfassend e. g. P. Bourgain in: Lexikon des Mittelalters, vol. 6, München-Zürich 1993, col. 2140 (mit Lit.); Repertorium fontium historiae Medii Aevi, vol. 9, Rom 2003, coll. 183a-184a. Cf. Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, bearb. von H. M. Schaller unter Mitarbeit von B. Vogel (Monumenta Germaniae Historica, Hilfsmittel 18), Hannover 2002. Foll. 239v-257v. Cf. dazu insbesondere die Kritik an der ersten kritischen Ausgabe von Vinay, La cosidetta (nt. 17), durch Watt, The „Quaestio in utramque partem“ Reconsidered (nt. 17). Das berichtet anderthalb Jahrhunderte später auch Pierre de Gros, Jardin des Nobles (aus dem Jahr 1464) nach Ms. Paris, Bibliothe`que nationale, francX. 193, fol. 179rb-179vb, ed. P. Saenger, John of Paris, Principal Author of the „Quaestio de potestate papae“ (Rex pacificus), in: Speculum 56 (1981), 41-55, hier als Appendix I (52): „Pour mieulx terminer la maniere fut question proposee entre les clercs du royaume tant theologiens comme juristes ascavoir mont se le pape ha pleniere jurisdicion et ordiniere puissance tant en la spiritualite´ comme en la temporalite´ […]. Et fut determine´ par raisons naturelles theologiques et du droit canon et droit civil que nennin […].“ Daß es tatsächlich die ,Quaestio‘ ist, die damit gemeint war, geht eindeutig daraus hervor, daß der Verfasser im Anschluß die ,Quaestio‘ in Auszügen wörtlich übersetzt hat.
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der Universität, und er bezeugt schon durch seine Eingliederung in Pierre d’E´tamps Sammlung auch ein aktives Interesse am Hof für solche gelehrte Zuarbeit. Überraschen kann diese Beobachtung nicht, denn der französische König und sein Hof hatten sehr früh schon damit begonnen, sich der Unterstützung der Universität und ihrer Gelehrten zu versichern. Allein schon die Geschichte des königlichen Conseil bezeugt das Interesse an universitärer Bildung. Dieses Instrument königlicher Entscheidungsfindung hat gerade in der Regierungszeit Philipps IV. wichtige Schritte hin zu einer eigenen, fest etablierten Institution getan und eine gewisse institutionelle Selbständigkeit gegenüber der Person des Königs erreicht 23. Der königliche Rat konnte seither auch ohne persönliche Anwesenheit des Königs arbeiten und sogar urkunden, tagte dann unter dem Vorsitz des Siegelbewahrers und war weitgehend unabhängig von den persönlichen Aufträgen des Königs an die einzelnen Räte, organisierte seine Arbeiten demnach vorwiegend selbst. Die personelle Zusammensetzung diversifizierte und regionalisierte sich: Die einzelnen Räte kamen nicht mehr ausschließlich aus dem höchsten Adel des Landes beziehungsweise aus der engeren französischen Königslandschaft, sondern verstärkt auch aus anderen Provinzen des Reichs. Nach einer Auszählung Joseph Strayers stammten 84 Mitglieder der köngiglichen Zentrale aus der Krondomäne (davon 63 aus der Iˆle de France und aus Paris), fünfzehn aus der Normandie, neun aus dem Languedoc, neun aus Burgund und der Champagne, je fünf aus der Auvergne und aus Anjou-Poitou, vier aus der Bretagne, und außerdem begegnen wir acht Ausländern (darunter fünf Italienern) 24. Insbesondere tauchen neben den hochadligen Verwandten des Königs und den adligen Lehnsleuten verstärkt gelehrte Juristen auf, die nicht unbedingt die früher erforderliche ständische Qualität eines Hochadligen mitbringen mußten (wenngleich uns selbstverständlich auch adlige Gelehrte in ihrem Kreis begegnen). Wer zum Conseil gehörte, verdankte seine Position in der Nähe des Herrschers außer der königlichen Gunst jetzt zunehmend erwiesenen Fähigkeiten und dem persönlichen Netzwerk von Beziehungen, nicht primär seiner Herkunft. Diese neuartigen Ratgeber des Königs haben dann nicht allein die Verwaltungstätigkeit „verwissenschaftlicht“, sondern auch die Regierungstätigkeit und Politik zunehmend konzeptionell geprägt 25. Die Rolle dieser neuartigen gelehrten Berater, der Legisten, die vor allem aus Südfrankreich, dem Bereich des droit e´crit mit einer genaueren Kenntnis des 23
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Cf. dazu knapp zusammenfassend R.-H. Bautier, Art. ,Conseil‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 3, München-Zürich 1986, coll. 145-150; zu Philipp IV. besonders 146 sq. (mit der wichtigsten älteren Lit.). Cf. J. R. Strayer, The Reign of Philipp the Fair (E´tudes d’histoire me´ridionale 5), Princeton 1980. Von der „Verwissenschaftlichung des Rechts“ sprach mit nachhaltigem Erfolg etwa F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung, 2. neubearb. Aufl., Göttingen 1967, 45 sqq.
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Römischen Rechts kamen, ist schon mehrfach untersucht worden 26. Die führenden und weithin sichtbaren Männer am königlichen Hof wie Pierre Flote 27, Guillaume de Nogaret 28 oder Guillaume de Plaisian 29 gehörten allesamt zu dieser neuen Gruppe, die auch ihrer Zahl nach im königlichen Conseil einen wachsenden Raum erobern konnten, wenngleich daneben auch weiterhin andere Räte, das heißt Räte ohne eine gelehrte Qualifikation, wichtige Positionen ausfüllten, ja eine steile Karriere machen konnten wie etwa der führende Politiker der letzten Jahre der Regierungszeit Philipps des Schönen, Enguerran de Marigny: Er hatte ebensowenig eine Universität besucht wie auch die italienischen Finanzfachleute, die Philipps problematische Münzpolitik zu verantworten hatten 30. Die gelehrten Juristen, die damals in Frankreich zunehmend am königlichen Hof zu beobachten waren 31, verdankten ihre Universitätsausbildung in aller Regel südfranzösischen Universitäten wie Montpellier, nicht der Universität Paris, wo ja seit dem zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts Römisches Recht nicht mehr eigens gelehrt wurde 32. Aber natürlich blieben auch die Pariser Gelehrten ihrer räumlichen Nähe zum königlichen Hof wegen von den neuen Entwicklungen nicht unberührt. Die königlichen Räte waren ihrerseits den Pariser Kollegen gegenüber offen. Hinzu kam noch eine besondere Konjunktur, die ein Zusammenwirken beider Gruppen begünstigte: Die Konflikte, in die der königliche Hof geriet, verdankten sich sehr komplexen Ursachen und Bedingungen, eigneten sich für juristische Kompetenz. Selbst der militärische Dauerkonflikt mit England und seinen Verbündeten stieß die politische Leitung wegen der lehnsrechtlichen Bindungen des englischen Herrschers an den Oberlehnsherrn der französischen Gebiete des Angevin Empire immer wieder auf komplizierte Legitimationsfragen, deren Beantwortung nicht allein politische Entscheidungen, sondern auch rechtliche Begründungen verlangte. Insbesondere aber machte dann der Streit, den Papst Bonifaz VIII. 1296 vom Zaun brach, das gesamte Verhältnis von kirchlicher und weltlicher Herrschaftsordnung fragwürdig. Überlegungen, wie das eigene Vorgehen zu begründen und zu legitimieren war, wur26
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Cf. besonders F. Pegues, The Lawyers of the Last Capetians, Princeton 1962; J. Favier, Les le´gistes et le gouvernement de Philippe le Bel, in: Journal des Savants (1969), 92-108; Strayer, The Reign (nt. 24), besonders 48-100, 344 sqq. Cf. zusammenfassend Ph. Contamine, Art. ,2. F[lotte] Pierre‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 4, München-Zürich 1989, col. 595. Cf. zu ihm e. g. J. Miethke, Art. ,Nogaret, Guillaume de‘, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., vol. 7, Freiburg 1998, col. 891. Zu ihm fehlt meines Wissens eine zusammenfassende Studie. Cf. J. Favier, Un conseiller de Philippe le Bel, Enguerran de Marigny (Me´moires et documents 16), Paris 1963. Cf. e. g. N. Bulst, Studium und Karriere im königlichen Dienst in Frankreich im 15. Jh., in: J. Fried (ed.), Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters (Vorträge und Forschungen 30), Sigmaringen 1986, 375-405. Klassisch ist die Untersuchung von St. Kuttner, Papst Honorius III. und das Studium des Zivilrechts, in: E. von Caemmerer/W. Hallstein/F. A. Mann (eds.), Beiträge zum Zivilrecht und internationalen Privatrecht. Festschrift für Martin Wolff, Tübingen 1952, 79-101.
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den unumgänglich. Das forderte nicht allein die Juristen, sondern auch die Theologen heraus. Für Papst und Kurie auf der Gegenseite stellte sich zwar die gleiche Forderung nach reflexiver Begründung der eigenen Position. Doch für die Kirche bedeutete eine wissenschaftliche Diskussion der eigenen Ansprüche damals keine Neuerung. Die Verhältnisse an der Kurie lassen sich wegen ihres Vorsprungs an Schriftlichkeit und der besseren archivalischen Überlieferung etwas genauer als in Frankreich überblicken. Die Päpste hatten mit ihren Dekretalbriefen seit Jahrhunderten ihre rechtlich zunehmend wichtigen Entscheidungen immer wieder auf mehr oder minder eingehende Begründungen gestützt, Begründungen, die durch das Aufblühen der kanonistischen Rechtswissenschaft seit dem 12. Jahrhundert an Kohärenz und rationaler Nachprüfbarkeit gewannen. Die deutliche Vermehrung päpstlicher Rechtsentscheidungen seit dem 12. Jahrhundert hatte das nicht aufgehoben, hatte vielmehr nur die wichtige Rolle der Rechtswissenschaft bei der Entwicklung kirchlicher Rechtsvorstellungen verstärkt 33. Die Interpretationsarbeit der Rechtsfakultäten führte zu kanonistischen Prinzipien (oder doch zu herrschenden Auffassungen der Fachleute), die für die künftigen päpstlichen Entscheidungen nicht unerheblich bleiben konnten. Das wiederum verknüpfte die Dekretalen eng mit dem wissenschaftlichen Diskurs. Mit der Zeit ging es auch nicht mehr allein um kanonistische Diskussionen und Debatten, vielmehr können wir an der Kurie ein wachsendes Klima angeregter Diskussionen erkennen, an der die Gelehrten verschiedener Fakultäten fast unterschiedslos teilnahmen. Der Pontifikat Bonifaz’ VIII. zeigt das besonders deutlich. Bonifaz selbst, als der erfahrenste Jurist und Politiker im Kardinalskollegium in der durch den Rücktritt Papst Coelestins V. ausgelösten Krise zum Papst erhoben, bemühte sich unermüdlich, alle seine Entscheidungen mit den anerkannten Grundsätzen des kanonischen Rechts zu begründen 34. Er tat das in weithin hallenden Sätzen polternder Rhetorik in seinen zahlreichen Bullenbriefen. Das steigerte das herkömmliche Vorgehen der Kurie nur wenig, zunächst nur fast unmerklich, es führte aber bereits in der Regierungszeit des Papstes selbst zu einer gesteigerten Diskussion an der Kurie selbst. Es lag nahe, die päpstlichen Entscheidungen auch dort in die Linie bisheriger Prinzipien päpstlich kurialer Politik und Rechtsvorstellungen einzuordnen, wo sie ungewöhnlich oder sogar überraschend waren. Dabei fällt auf, daß es auch heute noch Historikern nicht recht gelingen will, in den von Bonifaz VIII. verkündeten Grundsätzen einen erkennbaren Bruch mit den von den kirchlichen Wissenschaften im 13. Jahrhundert entwickelten Vorstellungen zu entdecken. Selbst 33
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Cf. etwa J. Miethke, Historischer Prozeß und zeitgenössisches Bewußtsein. Die Theorie des monarchischen Papats im hohen und späteren Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 226 (1978), 564-599. Cf. J. Muldoon, Boniface’s Forty Years of Experience in Law, in: The Jurist 31 (1971), 449477.
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noch der Schlußsatz der berühmt-berüchtigten Bulle ,Unam sanctam‘ 35 stammt bekanntlich letztlich aus einer Schrift des Thomas von Aquin, wenngleich er den Redaktoren der Bulle wohl von Jakob von Viterbo vermittelt worden ist 36. Man könnte es so sagen: Bonifaz VIII. hat für sich den vollen Umfang der im Lauf des 13. Jahrhunderts dem Papst theoretisch zugeschriebenen Kompetenzen auch in der Praxis eingefordert. Es war naheliegend, daß an der Kurie die herrischen Maßnahmen des Papstes alsbald diskutiert und mit den hergebrachten Vorstellungen von der päpstlichen Kompetenz in Beziehung gesetzt wurden. In der Tat beobachten wir unter Bonifaz VIII. verstärkt schriftliche Traktate, die den päpstlichen Entscheidungen Schützenhilfe in Vorbereitung oder legitimierender Interpretation leisten wollten 37. Schon die Zeitgenossen wollten wissen, daß der Papst solche Bemühungen durch materielle Belohnungen in Gestalt von Pfründen und Prälaturen zu belohnen pflegte. Wir erfahren nicht nur von schriftlichen Memoranden, sondern auch von mündlich vorgebrachten, dann später freilich verschriftlichten (sonst wüßten wir nichts davon) Überlegungen, die in Predigten die Erörterung des theoretischen Hintergrunds für anstehende Konflikte anboten und teilweise in Anwesenheit des Papstes von der Kanzel aus seine Absichten öffentlich erwogen. Noch vor der Jahrhundertwende sind derartige Predigten in brennenden Streitfragen nachweislich gehalten worden: Der bereits von Coelestin V. zum Kardinal kreierte Theologe Nicolaus von Nonancourt hielt am 8. September 1297 und am 23. Januar 1299 an der Kurie Predigten, die in den Debatten um die Vorwürfe der Colonna-Kardinäle eine entschieden papalistische Stellung bezogen 38. Zum Streit mit dem französischen König nahm der vom Papst selbst zum Erzbischof von Bourges erhobene, in Paris promovierte Theologe Aegidius Romanus, der schon durch eine einflußreiche universitäre Pariser Quästion den päpstlichen Amtsverzicht Coelestins V. energisch verteidigt hatte 39, jetzt eindeu35
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Obwohl in den Registern ausgeschabt, wurde der Text gedruckt in: Les registres de Boniface VIII, Recueil des bulles de ce pape, publie´es ou analyse´es d’apre`s les manuscrits orginaux des archives du Vatican, edd. A. Thomas/M. Faucon/G. Digard, vol. 3 (Bibliothe`que des E´coles francX aises d’Athe`nes et de Rome, 2e se´rie, 2, 3), Paris 1903, no. 5382. Edition auch bei I. B. Lo Grasso (ed.), Ecclesia et status, Rom 1939, no. 432-438. Dazu zuletzt K. Ubl, Die Genese der Bulle „Unam sanctam“: Anlass, Vorlagen, Intention, in: M. Kaufhold (ed.), Theoretische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters - Political Thought in the Age of Scholasticism (Studies in Medieval and Reformation Traditions 103), Leiden-Boston 2004, 129-149. Daß dieses Zitat über Jakob von Viterbo in die Bulle kam, wird nahegelegt durch Ubl, Genese (nt. 35), 138 sq. mit nt. 37 sq. Cf. dazu nur J. Miethke, Politiktheorie im Mittelalter. Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (UTB 3059), Tübingen 2008. Cf. A. Maier, Due documenti nuovi relativi alla lotta di cardinali Colonna contro Bonifazio VIII, in: Rivista di storia della chiesa in Italia 3 (1949), 344-364, jetzt in: A. Maier, Ausgehendes Mittelalter. Gesammelte Aufsätze, vol. 2 (Storia e Letteratura 105), Rom 1967, 13-34. Cf. Aegidius Romanus, Tractatus de renunciatione pape, ed. J. R. Eastman (Texts and Studies in Religion 52), Lewiston-Queenston-Lampeter 1992; cf. dazu auch J. R. Eastman, Papal Abdication in Later Medieval Thought (Texts and Studies in Religion 42), Lewiston-QueenstonLampeter 1989 (beides ursprünglich in: J. R. Eastman, Aegidius Romanus: De renunciatione
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tige Stellung, indem er die grundsätzliche Oberhoheit des Papstes über weltliche Fürsten umfassend begründete 40. Aegidius und offenbar auch der Papst fanden an dem Thema so viel Gefallen, daß aus diesem ersten Entwurf ein umfänglicher Traktat entwickelt wurde, ,De ecclesiastica potestate‘ 41, der um das Jahr 1302 eine der wichtigsten und zugleich radikalsten papalistischen Herrschaftstheorien des Mittelalters ausformulierte 42. Bonifaz VIII. selbst hat Formulierungen aus diesem Text wortwörtlich in seine Bulle ,Unam sanctam‘ aufgenommen 43. Schließlich hat der Franziskanerkardinal Matteo d’Acquasparta in einer berühmten Predigt vor französischen Gesandten an der Kurie die Papaltheorie Bonifaz’ VIII. knapp und extremistisch zusammengefaßt 44. Selten kann man im Mittelalter die Rolle intellektueller Vorbereitung und Begleitung politischer Entscheidungen handgreiflicher beobachten als in diesen Texten. Überlassen wir jedoch die Kurie ihren eigenen Geschäften. Der französische Königshof hat ihr jedenfalls in dieser Beziehung erkennbar nachgeeifert. Auch dort ist für eine längere Zeit eine hohe Aufmerksamkeit auf theoretische Begründungen und Überlegungen deutlich zu beobachten. Zunächst ist das freilich bei einem Konflikt mit dem Papst keineswegs verwunderlich, verlangte solche Auseinandersetzung doch nach Begründungen. Der Streit brauchte eine Sicherheit über den eigenen Standpunkt und Kritik am Gegner. An den aus
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pape. Kritische Edition und Analyse der Frage der Papstabdankung in der Zeit von Cölestin V. und Bonifaz VIII., Diss. Würzburg 1985). Cf. C. Luna, Un nuovo documento del conflitto fra Bonifacio VIII e Filippo il Bello: il discorso „De potentia domini papae“ di Egidio Romano (con un’ appendice su Borromeo da Bologna e la „Eger cui lenia“), in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 3 (1992), 167243 (Text: 221-230). Einen vorzüglichen Forschungsbericht dazu liefert R. Lambertini, Il sermo „De potestate domini pape“ di Egidio Romano e la difesa di Bonifacio VIII: acquisicioni e prospettive della storiografia piu` recente, in: Le culture di bonifacio VIII. Atti del convegno organizzato nell’ambito delle celebrazioni per il VII centenario della morte, Bologna, 13-15 dicembre 2004, Rom 2006, 93-108. Tractatus de ecclesiastica potestate, ed. R. Scholz, Leipzig 1928 [Nachdruck: Aalen 1961]; jetzt auch in: Giles of Rome’s „On Ecclesiastical Power“. A Medieval Theory of Government, ed. and trans. R. W. Dyson (The Records of Western Civilzation), New York 2004; Rezension dazu von J. Miethke in: Mittellateinisches Jahrbuch 42 (2007), 305-307. Cf. dazu knapp Miethke, Politiktheorie (nt. 37), 94-102; umfänglicher zuletzt: E. Homann, Totum posse, quod est in ecclesia, reservatur in summo pontifice. Studien zur politischen Theorie bei Aegidius Romanus (Contradictio 2), Würzburg 2004; E. Krüger, Der Traktat „De ecclesiastica potestate“ des Aegidius Romanus. Eine spätmittelalterliche Herrschaftskonzeption des päpstlichen Universalismus (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 30), Köln-Weimar-Wien 2007; dazu aber die Rezension von J. Miethke, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 95 (2009), 652-658; cf. auch G. Briguglia, La questione del potere, Teologi e teoria politica nella disputa tra Bonifacio VIII e Filippo il Bello, im Druck. Das hat bereits Scholz, Publizistik (nt. 10), 124-127, nachgewiesen; J. Rivie`re, Le proble`me de l’e´glise et de l’e´tat au temps de Philippe le Bel. E´tude de the´ologie positive (Spicilegium sacrum Lovaniense 8), Louvain-Paris 1926, 394-404, hat die Belege vermehrt und die Abhängigkeit gesichert. Cf. Matteo d’Acquasparta, Francescano, filosofo, politico. Atti del XXIX Convegno Storico Internazionale, Todi, 11-14 ottobre 1992, Spoleto 1993.
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allen fraglichen Fakultäten zusammengeholten Argumenten der ,Quaestio in utramque partem‘ läßt sich ablesen, daß das auch am Hof in Paris so gesehen wurde. Es ist hier nicht möglich und auch nicht notwendig, einen Überblick über alle damals in Paris entstandenen Texte zu geben 45. Auch können wir uns nicht darauf einlassen, die erst in jüngerer Zeit deutlicher in den Blick der Forschung getretene Redaktionsgeschichte der einzelnen Traktate und Memoranden darzustellen. Es genügt, wenn wir konstatieren, daß selbstverständlich nicht jede einzelne Schrift ein Originalentwurf einer ganz neuen Theorie war, sondern daß die Verfasser in aller Regel auf ihre eigenen früheren Ausarbeitungen, Vorlesungen, Quästionen und dergleichen zurückgegriffen haben, besonders wenn das ohnedies ihrem erkennbaren Arbeitsstil entsprach. An Johannes Quidort ließe sich das im einzelnen verfolgen, der in den drei feststellbaren Redaktionen seiner Schrift auf eigene frühere, zum Teil um mehr als ein Jahrzehnt zurückliegende Quodlibets und auf Quästionen seiner papalistischen Gegner zurückgegriffen hat 46. Die allmähliche Ausbildung von spezifischen politischen Theorien läßt sich hier gewissermaßen in statu nascendi eindrücklich verfolgen. Doch geht es hier nicht um das Verhältnis der Intellektuellen zur Theoriegeschichte, sondern um ihr Verhältnis zum königlichen Hof, zum Theoriebedarf der Politiker bei ihren praktischen Maßnahmen. Der französische Hof hatte von vorneherein den Streit angenommen und sich nicht gefügt. Er hatte dem Papst nicht allein durch den taktisch geschickten Gegenzug des Embargos geantwortet, sondern ließ auch sogleich in Rom durch Gesandtschaften immer wieder Gegenvorstellungen erheben. Der königliche Siegelbewahrer Pierre Flote selber verhandelte an der Kurie 47. Wir brauchen dem diplomatischen Hin und Her hier nicht zu folgen. Als jedoch nach einer gewissen Beruhigung die Verhaftung des Bischofs Bernard de Saisset im Jahre 1301 den Streit neu aufflammen ließ, da griffen die Berater des Königs endgültig zu schwereren Waffen. Es waren nicht zufällig vor allem juristisch ausgeklügelte Mittel. Zunächst arbeiteten sie an einer propagandistischen Verbreitung ihres Standpunktes, indem sie die lange päpstliche Bulle mit eindringlichen Vorhaltungen, ,Asculta fili‘ 48, die der Papst an seinen „geliebten Sohn“, den König von Frankreich gesandt hatte, zu einem kurzen und brutal eindeutigen Statement zusammenstrichen, das sie sofort verbreiten ließen: „Wir wollen, daß du wissest, daß du uns in geistlichen und zeitlichen Angelegenheiten unterworfen bist […].“ Und nach einer Aufzählung päpstlicher Vorbehalte gegen traditionelle königliche Eingriffsrechte in Kirchen45 46
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Miethke, Politiktheorie (nt. 37) untersucht einige von ihnen. K. Ubl/L. Vinx, Kirche, Arbeit und Eigentum bei Johannes Quidort von Paris O.P. († 1306), in: Quellenkundliche Arbeiten aus dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 35), WienMünchen 2000, 304-344; K. Ubl, Johannes Quidorts Weg zur Sozialphilosophie, in: Francia 30 (2003), 43-72. Digard, Philippe le Bel et le Saint Sie`ge (nt. 2), vol. 2, 44-48. Les registres de Boniface VIII (nt. 35), no. 4424.
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vermögen heißt es dann zum Abschluß barsch: „Wer etwas anderes glaubt, den halten wir für einen Ketzer.“ Der Hof hatte auch sogleich eine Antwort dieser Depeschenfassung beigefügt, die freilich allem Anschein nach niemals offiziell nach Rom geschickt worden ist. Dort hieß es in ebenso knapper Drastik: „Deine allergrößte Dummheit soll wissen, daß wir niemandem in zeitlichen Angelegenheiten unterworfen sind […].“ Und nach der Bekräftigung, seine angestammten Rechte auch weiterhin wahrzunehmen, schließt diese Antwort: „Wer anderes glaubt, den halten wir für dumm und schwachsinnig.“ 49 Hier ist nicht der Ort, darüber zu debattieren, ob diese Depeschenfassung die päpstliche Bulle verfälscht hat, oder ob sie sie nur vereinseitigte, jeder nuancierenden Rhetorik entkleidete und radikal auf die Thesen einer eindeutigen Botschaft hin zuspitzte 50. Schon dieses Vorgehen einer thesenhaften Verkürzung längerer Ausführungen ist, so läßt sich sagen, den Usancen universitärer Debatten zumindest verwandt, wenn nicht abgelauscht, wo gegnerische Vorstellungen ebenfalls auf möglichst knappe Argumente hin zugespitzt werden, denen dann nach allen Regeln einer ausgeklügelten Dialektik widersprochen werden kann 51. In diesem Falle war zudem eine propagandistische Absicht unverkennbar. Der Hof wollte die französische Öffentlichkeit auf seine Seite ziehen. Diese Absicht wurde aber nicht allein durch die Radikalfassung des Papstbriefes verfolgt. Der Hof suchte auch ausdrückliche Unterstützung des ,Volkes‘ von Frankreich, um den König nicht isoliert den päpstlichen Vorwürfen auszusetzen. Zu diesem Zwecke berief man eine Versammlung ein, an der möglichst viele Menschen, als Vertreter des Volkes aufgeteilt in den Adel des Landes, die kirchlichen Prälaten und weltlichen und geistlichen Kollegien Frankreichs, die Bürgerschaft der Städte und insbesondere von Paris, sowie die Doktoren der Universität zusammen mit dem König und seinem Rat teilnehmen sollten, um über die Sachlage zu beraten. Am 10. April trat die Versammlung in der Kathedrale von Notre Dame zusammen. Wo anders hätten damals in Paris etwa 1000 Menschen (wie man geschätzt hat) Raum gefunden? Noch war es keine Versammlung der französischen „Generalstände“, wie wir sie aus späterer Zeit kennen, aber die 49
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Die beiden Texte bei Dupuy, E´preuves (nt. 6), 44. Schon gekürzt um die Anfangsworte abgedruckt bei Vinay, Egidio (nt. 17), 93, nt. 1. Daß der Kardinal Matteo d’Acquasparta in einer Konsistorialansprache vor den französischen Gesandten diese Depeschenfassung rundweg als nichtauthentische Botschaft charakterisierte, spricht nicht gegen dieses Verständnis (Dupuy, E´preuves [nt. 6], 74): „Referunt aliqui quod continebatur in illa littera quod dominus rex deberet recognoscere regnum suum ab ecclesia. Propter deum, cesset murmur! […] Dicitur quod una alia littera fuit missa domino regi. Nescio unde venit illa littera, sed scio quod per fratres sacri collegii non fuit missa […].“ Zum literarischen Umgang des Mittelalters mit der Forderung nach brevitas jetzt fundiert und amüsant P. G. Schmidt, Die Kunst der Kürze, in: Dichten als Stoff-Vermittlung. Formen, Ziele, Wirkungen. Beiträge zur Praxis der Versifikation lateinischer Texte im Mittelalter, ed. P. Stotz unter Mitarbeit von Ph. Roelli (Medienwandel - Medienwechsel - Medienwissen 5), Zürich 2008, 23-40, dort (37) auch der Hinweis auf H. L. Kretzenbacher, Rekapitulation. Textstrategien der Zusammenfassung von wissenschaftlichen Fachtexten (Forum für Fachsprachenforschung 11), Tübingen 1990.
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Gruppierung in drei Stände zeigt den Hof doch auf dem Wege zu der Vorstellung einer repräsentativen Versammlung des ganzen Volkes von Frankreich, das mit dem Könige Rat hält. Nachdem Pierre Flote eine lange Klageliste über die jüngsten Feindseligkeiten der Kurie gegen die Franzosen und ihren König vorgetragen hatte, erbat er „Rat und Hilfe“ von dessen Leuten, wie es das Lehnsrecht bei Lehnsleuten vorsah. Der König selbst war anwesend, überließ aber seinen Ratsleuten alles Reden und Argumentieren, wie das auch später in Frankreich üblich bleiben sollte. Die Versammlung antwortete dem Begehren nicht gemeinsam, sondern nach einer itio in partes: Man tagte in den ständischen Gruppen. Adel und Bürgerschaft verfaßten, wohl mit tatkräftiger Hilfe des Königshofes, jeweils eigene ausführliche Schreiben an den Papst, in denen sie Rechtsverwahrung einlegten und sich den Argumenten des Königs anschlossen 52. Der Klerus war zunächst vorsichtiger und wollte abwarten, bat auch den König um die Erlaubnis, zur päpstlichen Synode nach Rom reisen zu dürfen, was aber abschlägig beschieden wurde. Erst daraufhin berichteten sie in einem eigenen Brief dem Papst, was geschehen war und forderten ihn auf, die Synodalberufung noch einmal zu überdenken. Was die Vertreter der Universität dabei zu tun hatten, wird nicht mitgeteilt. Es ist aber deutlich, daß sie für die Angemessenheit und die Legitimität der Aktion geradestehen sollten. Auch später werden die französischen Chroniken in ihren Berichten über die Versammlung selbst und auch, wenn sie über die künftigen Generalstände erzählen, immer wieder gerne von der Teilnahme der ,Doktoren‘ und der Gelehrten, das heißt der Universitätsleute berichten 53, die zwar auf der Versammlung, wie wir sahen, keine eigene Stimme zu führen hatten, die aber offenbar die sachliche Richtigkeit der Willensbildung bezeugen konnten und für die Legitimation der beschlossenen Maßnahmen einstanden. Weil der Papst sich aber keineswegs auf Vorwürfe und die ausführliche Darlegung seines eigenen Standpunktes beschränkt hatte, sondern den König und die französische Kirche zu einem Nationalkonzil nach Rom zitiert hatte, entschlossen sich die Berater Philipps des Schönen im weiteren Verlauf, nicht nur den französischen Prälaten die Reise nach Rom zu verbieten, sie wagten es auch, vom Papst an ein Konzil zu appellieren. Das nun brachte erneut Argumentationsbedarf, denn solch eine Appellation war zuvor nur sehr sporadisch vorgekommen 54, man konnte sich also jetzt nicht auf sichere Präzedenzien berufen. Gleichwohl sollte, ja durfte jetzt nichts mehr schiefgehen. Der Hof wollte sich durch eine ausgesprochene Regie der Unterstützung und Zustimmung wirklich 52 53
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Die Briefe von Adel und Bürgern an Bonifaz sind abgedruckt bei Dupuy, E´preuves (nt. 6). Cf. dazu demnächst S. Weferling, Vorstellungen der politischen Ordnung im Wandel: Das Bild französischer Städteversammlungen in der zeitgenössischen Historiographie (1300-1450), Diss. Heidelberg 2008. Cf. H.-J. Becker, Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 17), Köln-Wien 1988, 54-71, vor allem 59 sqq.
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aller versichern. Jetzt schien jedoch offenbar die Form der früheren Versammlung in Notre Dame (vom 10. April 1302) nicht mehr auszureichen. Man versammelte zwar auch jetzt im Louvre Honoratioren, darunter nicht weniger als fünf Erzbischöfe und einundzwanzig Bischöfe, weitere Adlige und Pariser Bürger, die sich mit König und Rat zusammenfanden und sich erneut mit der Appellation einverstanden erklärten. Allein ihre weit geringere Zahl aber und der damit mögliche veränderte Ort ihres Treffens beweist, daß sich auch die Funktion der Versammlung gewandelt hatte. Der Hof wollte jetzt nicht mehr nur die repräsentative Zustimmung des Volkes, sondern veranstaltete eine regelrechte Kampagne. Er forderte unter massivem physischem Druck Unterstützungsschreiben von zahllosen Gruppen des Königreiches. Hier kam es naturgemäß nicht mehr auf universitäre Bildung an. Jedes Kloster sollte sein Einverständnis bis zum letzten Klosterinsassen schriftlich einreichen. Wer nicht einwilligte, wurde gezwungen, entweder doch noch seine Unterschrift zu leisten, oder er mußte binnen einer knapp berechneten Frist das Königreich verlassen 55. Auch die Pariser Klöster, darunter die mit starken Bindungen zur Universität, wurden zu solchen Ergebenheitsadressen gezwungen. Bekanntlich hat der Franziskaner Johannes Duns Scotus sich damals nicht dazu überwinden können, das Dokument seines Konvents zu unterzeichnen, während der Dominikaner Johannes Quidort die Forderung zusammen mit seinen Brüdern in Saint Jacques anstandslos unterzeichnete, als fünfter in der Liste der Unterschriften 56. Die kommenden Jahre boten noch verschiedentlich Gelegenheit, um Zustimmung zu werben und sie notfalls auch zu erzwingen. Das Großunternehmen der Prozesse gegen den Templerorden mit seinen komplizierten rechtlichen Voraussetzungen - die Exemption des Ordens ist dabei nur einer der strittigen Punkte 57 - ist dabei das am meisten ins Auge fallende Projekt, von dem wir wissen. Nicht immer ließ sich eine derart geschlossene Antwort erzielen wie bei dem von uns betrachteten ersten Mal. Aber das scheint später auch nicht mehr das oberste Ziel des königlichen Hofes gewesen zu sein. Die Bemühungen um den Prozeß gegen das Andenken an Bonifaz VIII., der für so umständliche Überlegungen beider Seiten, des französischen Hofes wie auch der Kurie, den Anstoß gab 58, ließ sich im allgemeinen mit diplomatischen Mitteln viel besser verhandeln als mit propagandistischen Manövern, wenngleich auch solche an 55 56
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Cf. ibid., 64 sq. Dazu vor allem mit allen wesentlichen Einzelheiten W. J. Courtenay, Between Pope and King. The Parisian Letters of Adhesion of 1303, in: Speculum 71 (1996), 577-605. Zur Diskussion der Exemption cf. etwa J. Ballweg, Konziliare oder päpstliche Ordensreform. Benedikt XII. und die Reformdiskussion im frühen 14. Jahrhundert (Spätmitttelalter und Reformation NR 17), Tübingen 2001, besonders 39-43 (zum Templerprozeß) und 43-57 (zur Exemptionsdebatte auf dem Konzil von Vienne). Cf. dazu vor allem T. Schmidt, Der Bonifaz-Prozeß. Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz’ VIII. und Clemens’ V. (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 19), Köln-Wien 1989.
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bestimmten Punkten durchaus ins Feld geführt wurden. Allgemeine Überlegungen freilich wurden durch dieses Ziel nicht mehr unmittelbar angeregt. Gewiß, der königliche Hof wurde auch künftig nicht zu einem Institut scholastischer Wissenschaft. Er behielt seine bunte Vielfalt und seine aristokratischen Repräsentationsfunktionen, blieb auch Ort zeremonieller Kommunikation und politischer Selbstdarstellung. Daneben aber übernahm er jedoch Methoden und vor allem auch Personal aus den Universitäten und entwickelte sich allmählich zu einer eigenen bürokratischen Institution. Andererseits haben die Universitätsleute in Paris ihr deutliches Interesse an der Beratung königlicher Berater und an argumentativer Hilfe für praktische Politik nicht mehr aufgegeben, konnten sie doch weiterhin, ja verstärkt vom Königshof Förderung und Unterstützung erwarten. Im Spätmittelalter wird die königliche Patronage für die Universitätsleute immer wichtiger, wichtiger jedenfalls als die Förderung durch Papst und Kurie. Hier öffneten sich neue Lebenschancen. Die offenen Fragen, die den politischen Konflikten zugrunde lagen, fanden an der Universität auch weiterhin eingehende Erörterung. Die Quästionen und Quodlibets der Theologen, die im 13. Jahrhundert zumeist der Ort theoretischer Explorationen gewesen waren, wurden jetzt freilich nicht mehr in gleicher Intensität zu diesem Zweck genutzt 59. Dafür wurden politische Themen verstärkt in eigenen Traktaten und umfangreichen Büchern debattiert. Solche Großtexte wurden künftig zum Hauptort politischer Theorie an der Universität. Von Marsilius von Padua ist uns keine Vorbereitungsquästion bekannt, die auf den ,Defensor pacis‘ hätte vorausdeuten können. Auch Nicole Oresme schrieb seinen Traktat ,De moneta‘ ohne universitäre Fingerübungen. Die Beispiele ließen sich vervielfachen. Texte politischer Theorie emanzipierten sich. Aus universitären Schriften vermischten Inhalts entwickelte sich eine eigene Klasse von Traktaten, eine eigene Textsorte, wie sich allmählich auch das Fach politischer Reflexion verselbständigte. Am Ende des Mittelalters wird politische Theorie in vielfältiger Weise als eigenes Fach die Universitäten und die Höfe erobern. Doch das zu verfolgen, wäre das Thema eines eigenen Untersuchungsgangs.
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Dazu jetzt im einzelnen die üppigen Sammelbände: Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Thirteenth Century, ed. Ch. Schabel (Brill’s Companion to the Christian Tradition 1), Leiden-Boston 2006; Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Fourteenth Century, ed. Ch. Schabel (Brill’s Companion to the Christian Tradition 7), Leiden-Boston 2007.
Freiheitsdiskurs und Beginenverfolgung um 1308 - der Fall der Marguerite Porete Lydia Wegener (Köln) I. Marguerite als Verfasserin des ,Mirouer des simples ames adnienties‘: ein Forschungsparadigma auf dem Pr üfstand 1. Dissens und Konsens der Marguerite-Forschung Ohne Zweifel stellt die öffentliche Verbrennung der Begine Marguerite Porete am 1. Juni 1310 auf der Pariser Place de Gre`ve ein spektakuläres Ereignis dar, handelt es sich nach Bernard McGinn doch um „the first documented case of an execution for mystical heresy in Western Christianity“ 1. Dieses Urteil ist in doppelter Hinsicht aufschlußreich. Denn zum einen verweist es auf ein literarisches und soziokulturelles Koordinatensystem, in welches der Fall der haeretica relapsa bis heute gerne eingeordnet wird - den zeitgenössischen Diskurs um die Möglichkeit einer unio von Gott und Mensch und die von der Amtskirche als akut wahrgenommene Gefahr häretischer Irrtümer, die sich mit dem Anspruch auf eine solche Gottunmittelbarkeit verbindet 2; zum anderen offenbart es, daß die vorschnelle Anwendung eines derartigen historiographischen Konzepts auf den konkreten Einzelfall unter Umständen weniger zu dessen Erhellung als vielmehr zu einer verführerischen Fehlinterpretation einlädt: Denn Marguerite wird zwar eindeutig als Ketzerin hingerichtet, jedoch keineswegs aufgrund ihrer mystischen Erfahrungen oder Lehren 3. Daß der Fall Marguerites ungeachtet dieses Befundes, der sich aus einer unvoreingenommenen Lektüre der Prozeßakten in aller Klarheit ergibt, dazu einlädt, innerhalb der theologischen Auseinandersetzungen um die adäquate Bestimmung des Verhältnisses von Gott und Mensch verankert zu werden, ist dem ihr zugeschriebenen Werk zu verdanken: dem ,Mirouer des simples ames adnienties‘ 4. Erst unter dem Eindruck dieser zu Recht als intellektuell wie litera1
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B. McGinn, The Presence of God. A History of Western Christian Mysticism, vol. 3: The Flowering of Mysticism: Men and Women in the New Mysticism (1200-1350), New York 1998, 244. Cf. dazu die weiteren Ausführungen in diesem Paragraphen sowie weiter unten unter IV. Vielmehr beruht das Todesurteil nicht auf doktrinären, sondern auf disziplinarischen Verstößen Marguerites. Cf. dazu die Ausführungen in den Paragraphen II bis IV. Die heute noch erhaltene mittelfranzösische Fassung des ,Mirouer‘ in Chantilly, Muse´e Conde´, F XIV 26 (olim 986), bietet einen ausführlicheren Titel: ,Le Mirouer des simples ames anienties et qui seulement demourent en vouloir et desir d’amour‘. Cf. M. Porete, Le Mirouer des simples ames/Speculum simplicium animarum, eds. R. Guarnieri/P. Verdeyen (Corpus Christianorum
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risch außerordentlich anspruchsvoll gerühmten Schrift drängt sich eine Interpretation des Prozesses und seiner Vorgeschichte auf, die den oben zitierten Befund McGinns vermeintlich rechtfertigt. Denn in der Zusammenschau des ,Mirouer‘ mit den Prozeßakten ergibt sich eine Deutungsperspektive, die Marguerite als Opfer einer Amtskirche erscheinen läßt, welche ihrer theologisch-philosophischen Lehre von der willentlichen Selbstvernichtung der Seele zugunsten ihrer Deifikation in der Liebeseinheit mit Gott 5 allergrößte Ablehnung entgegenbringt 6. Als ausschlaggebender Grund für die heftige Reaktion der Inquisition läßt sich die intensive Partizipation des ,Mirouer‘ am zeitgenössischen Freiheitsdiskurs geltend machen, mutiert der traditionelle Begriff der libertas spiritus in den intellektuellen Debatten um die Möglichkeit einer unio von Gott und Mensch doch bereits seit dem späten 13. Jahrhundert zum Reizwort 7. In zahlreichen
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Continuatio Mediaevalis 69), Turnhout 1986, 1. Im Anschluß an Louisa Muraro weist Robert Lerner jedoch darauf hin, daß dieser Titel vermutlich eine spätere Erweiterung darstellt, die sich in der originalnäheren mittelenglischen ,Mirouer‘-Fassung dementsprechend auch nicht findet. Hier lautet der Titel knapp ,Ïe mirrour of simple soules‘. Cf. M. Porete, The Mirror of Simple Souls. A Middle English Translation, ed. M. Doiron, in: Archivio italiano per la storia della pieta` 5 (1968), 242-382 [2-142], hier: 247 [7]. Im folgenden wird daher stets der kürzere Titel verwendet. Lerners Ausführungen finden sich in id., New Light on ,The Mirror of Simple Souls‘, in: Speculum 85 (2010), 91-116. Herzlich bedanke ich mich bei Professor Lerner dafür, daß er mir seine Studie bereits vor ihrer Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat. Cf. e. g. Le Mirouer (nt. 4), c. 21, 82, 44-47: „Je suis Dieu, dit Amour, car Amour est Dieu, et Dieu est amour, et ceste Ame est Dieu par condicion d’amour, et je suis Dieu par nature divine, et ceste Ame l’est par droicture d’amour.“ Zur Lehre des ,Mirouer‘ von der Selbstvernichtung der Seele, die als siebenstufiger spiritueller Aufstiegsweg konzipiert ist - wobei der inhaltliche Schwerpunkt auf den Stufen 5 und 6 liegt - und die vollkommene Aufgabe des menschlichen Eigenwillens zugunsten einer Alleinwirksamkeit des göttlichen Willens zum Ziel hat, cf. M. Porete, The Mirror of Simple Souls, tr. E. Babinsky, New York-Mahwah 1993, 27-48 (Einleitung). Zum Begriff der ,vernichteten Seele‘ cf. ferner U. Heid, Studien zu Marguerite Pore`te und ihrem ,Miroir des simples aˆmes‘, in: P. Dinzelbacher/D. R. Bauer (eds.), Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit im Mittelalter (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 28), Köln-Wien 1988, 185-214, hier 197-204. Eine umfassende theologische Erschließung des ,Mirouer‘ bietet I. Leicht, Marguerite Porete - eine fromme Intellektuelle und die Inquisition (Freiburger theologische Studien 163), Freiburg i. Br.-Basel-Wien 1999, 163-295. In diesem Sinne äußert sich beispielsweise A. Patschovsky, Freiheit der Ketzer, in: J. Fried (ed.), Die abendländische Freiheit vom 10. zum 14. Jahrhundert: der Wirkungszusammenhang von Idee und Wirklichkeit im europäischen Vergleich (Vorträge und Forschungen/Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte 39), Sigmaringen 1991, 265-286, hier 282: „[…]; weil sie [Marguerite] aber dabei blieb, daß ihre Geistesfreiheit die Freiheit einer gottgeeinten Seele sei, bestieg sie den Scheiterhaufen“; cf. auch V. Barthel, Grenzüberschreitende Mystik. Meister Eckharts ,Liber benedictus‘ als Reflex der gefährlichen Lehre der Marguerite Pore`te?, in: M. Krings/R. Luckscheiter (eds.), Deutsch-französische Literaturbeziehungen. Stationen und Aspekte dichterischer Nachbarschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Würzburg 2007, 2338, hier 29: „Und gerade im Konzept dieser Freien Seele liegt nach der Meinung der Inquisition das Häretische von Marguerites Lehre.“ So bemerkt Kurt Ruh hinsichtlich des ,Mirouer‘: „Es fehlt auch nicht das gefährliche, man möchte fast sagen, das provozierende Stichwort der Freiheit.“ Cf. K. Ruh, Beginenmystik, in: id., Kleine Schriften, vol. 2: Scholastik und Mystik im Spätmittelalter, ed. V. Mertens, BerlinNew York 1984, 237-249, hier 247. Zur um 1300 auftretenden Assoziation von Freiheit und
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mystischen Texten nimmt er eine geradezu programmatische Bedeutung an, insofern er für die Vereinigung von Gott und Mensch steht und damit für einen Vollkommenheitszustand, in dem der Mensch von seiner kreatürlichen IchVerhaftetheit, aber auch von allen Vermittlungsinstanzen zwischen Gott und Mensch befreit ist. Aus der Perspektive einer um ihre Autorität fürchtenden Amtskirche bringt der Freiheitsbegriff deshalb nichts anderes als ein verwerfliches Selbstvergottungsstreben zum Ausdruck, das alle kirchlichen und weltlichen Ordnungen außer Kraft setzt 8. Die Konstruktion einer sogenannten ,Freigeist‘Häresie, die im 14. Jahrhundert in verschiedenen literarischen und historischen Zusammenhängen virulent wird, ist der wohl wirkmächtigste Ausdruck für derartige Befürchtungen. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, daß die italienische Gelehrte Romana Guarnieri in ihrer umfassenden Studie ,Il movimento del libero spirito‘ 9 den ,Mirouer‘ konsequent als Manifest einer häretischen ,Freigeist‘-Bewegung gelesen hat 10. Und noch nahezu drei Jahrzehnte später kann sich Kurt Ruh darüber beklagen, daß „fast alles interpretatorische Interesse auf die - kontroverse - Frage der Einbindung von Marguerites Buch in die ,Bewegung des Freien Geistes‘ ausgerichtet ist“ 11. Die Teilnahme des ,Mirouer‘ am zeitgenössischen Freiheitsdiskurs legt nicht nur eine Verbindung zu freigeistigen Irrlehren nahe 12, sie harmoniert auch mit
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Ketzerei cf. auch Patschovsky, Freiheit (nt. 6), 268. Zum traditionellen, in 2 Kor 3,17 verwurzelten Charakter des Themas der libertas spiritus cf. McGinn, The Presence of God (nt. 1), 441, nt. 289. Cf. Patschovsky, Freiheit (nt. 6), 273, 281. R. Guarnieri (ed.), Il movimento del libero spirito. Testi e documenti, in: Archivio italiano per la storia della pieta` 4 (1965), 351-708 [1-358]. Gleich auf der ersten Seite ihrer Studie bezeichnet Guarnieri den ,Mirouer‘ als ,testo capitale‘ der ,Freigeist‘-Bewegung. K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 2: Frauenmystik und Franziskanische Mystik, München 1993, 339. In seinen frühen Schriften zur Beginenmystik betont jedoch auch Ruh im Anschluß an Guarnieri die Zugehörigkeit des ,Mirouer‘ zur ,Freigeist‘-Bewegung. Cf. etwa id., ,Le miroir des simples aˆmes‘ der Marguerite Porete, in: Kleine Schriften (nt. 7), 212-236, hier 220. In seiner bis heute wichtigen Studie zur freigeistigen Häresie nennt Robert Lerner Marguerite „one of the most important figures in the history of the heresy of the Free Spirit“, cf. id., The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle Ages, Notre Dame-London 1972, 71. Was unter einem Anhänger oder einer Anhängerin des ,Freien Geistes‘ zu verstehen ist, erläutert Lerner prägnant in seinem Beitrag über Marguerites Verteidiger Guiard de Cressonessart (zu ihm cf. weiter unten II. 1 sqq.): „Marguerite was a ,Free Spirit‘. That is to say she taught a daring version of the doctrine that the individual soul can become united with God this side of paradise and can thereby reach a state of extreme ,annihilation‘ or passivity.“ Cf. id., An ,Angel of Philadelphia‘ in the Reign of Philip the Fair: The Case of Guiard of Cressonessart, in: W. C. Jordan/B. McNab/ T. F. Ruiz (eds.), Order and Innovation in the Middle Ages: Essays in Honor of J. R. Strayer, Princeton 1976, 343-364 (Anmerkungen: 529-540), hier 347. Im Gegensatz zu Lerner hält Edmund Colledge nicht nur Marguerite, sondern auch Guiard für einen ,Freigeist‘. Cf. id., The New Latin ,Mirror of Simple Souls‘, in: Ons Geestelijk Erf 63/64 (1989/90), 279-287, hier 281. Zur Einordnung des ,Mirouer‘ in die ,Freigeist‘-Bewegung cf. etwa auch Th. Heimerl, Frauenmystik - Männermystik?: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung von
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jenem von Herbert Grundmann inaugurierten historiographischen Konzept, wonach diese Häresie insbesondere im Beginenmilieu verankert sei 13. Deshalb erscheint Marguerite - „quedam beguina“, wie sie in den Prozeßakten genannt wird - auch in dieser Hinsicht als geradezu exemplarisch, steht sie doch stellvertretend für all jene semireligiosen Frauen, denen seit dem 13. Jahrhundert kirchlicherseits eine zunehmend aversive Haltung entgegengebracht wird. Als schriftstellernde Begine läßt sie sich zudem dem literarischen Genre einer sogenannten ,Beginenmystik‘ zuordnen, die - so eine einflußreiche These von Kurt Ruh von größter Wichtigkeit für die Lehre Meister Eckharts gewesen sei 14.
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Gottes- und Menschenbild bei Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Marguerite Porete und Mechthild von Magdeburg (Mystik und Mediävistik 1), Münster 2002, 96 sqq. Ein ganzes Kapitel, auf dessen Inhalt hier nicht näher einzugehen ist, widmet auch Franz-Josef Schweitzer der Zugehörigkeit des ,Mirouer‘ zur freigeistigen Häresie, cf. id., Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik. Seine Beziehung zur Ketzerei der ,Brüder und Schwestern vom Freien Geist‘, mit besonderer Rücksicht auf den pseudoeckartischen Traktat ,Schwester Katrei‘ (Edition) (Arbeiten zur mittleren deutschen Literatur und Sprache 10), Frankfurt a. M.-Bern 1981, 38-56. Rätselhaft bleibt, wieso Schweitzer abweichend von allen historischen Quellen die verurteilte Begine ,Marguerite von Pore`te‘ nennt. Von den Studien, die den ,Mirouer‘ als Dokument der freigeistigen Häresie betrachten, sind jene zu unterscheiden, die diese Zuordnung auf das subjektive Urteil der Inquisitoren zurückführen. Cf. G. Bryant, The French Heretic Beguine Marguerite Porete, in: K. M. Wilson (ed.), Medieval Women Writers, Manchester 1984, 204-226, hier 208; cf. auch Patschovsky, Freiheit (nt. 6), 276. Nichtsdestotrotz gilt der ,Mirouer‘ Patschovsky als ,Schlüsselwerk der Frei-Geist-Häresie‘, ibid., 279. Zu den Diskussionen über die Zuordnung des ,Mirouer‘ zur ,Freigeist‘-Häresie cf. auch M. Porete, The Mirror (nt. 5), 5 (Einleitung); Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 21-23. Cf. H. Grundmann, Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik. Anhang: Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegungen im Mittelalter, Darmstadt 1961. Cf. vor allem innerhalb dieses Anhanges das Kapitel „Deutsche Mystik, Beginentum und Ketzerei des Freien Geistes“, 524-538. Freilich ist auch Grundmann bewußt, daß die Quellen von Schwestern und Brüdern des ,Freien Geistes‘ sprechen, mit denen er dementsprechend häretische Beginen und Begarden identifiziert. Diese auf einer sehr einseitigen Quellensichtung beruhende Identifikation von ,Freigeistern‘ und Semireligiosen hält sich bis in die neuere und neueste Forschung. Cf. Bryant, The French Heretic Beguine (nt. 12), 207; cf. auch I. Kampmann, Eckharts Predigten und die Verurteilung freigeistiger Beginen und Begarden, in: A. QueroSa´nchez/G. Steer, Meister Eckharts Straßburger Jahrzehnt (Meister-Eckhart-Jahrbuch 2), Stuttgart 2008, 119-140. Kampmanns Beitrag scheint mir paradigmatisch für die Ersetzung des brüchig gewordenen historiographischen Konzepts ,Meister Eckhart und die cura monialium‘ (cf. dazu die Beiträge von L. Sturlese und D. Gottschall in demselben Jahrbuch) durch das neue historiographische Konzept ,Meister Eckhart und die Freien Geister‘ (cf. dazu auch den Beitrag von M.-A. Vannier in demselben Jahrbuch). Hier ist angesichts der historischen wie geistesgeschichtlichen Unsicherheiten über diese angebliche Häresie allerdings allergrößte Vorsicht geboten. Nach Ruh, Beginenmystik (nt. 7), stellen Hadewijch von Brabant, Mechthild von Magdeburg und Marguerite Porete die „Höhepunkte der Beginenmystik“ dar (ibid., 240); cf. auch id., ,Le miroir‘ (nt. 11). Zu Eckharts Beeinflussung durch den ,Mirouer‘ cf. vor allem id., Meister Eckhart: Theologe - Prediger - Mystiker, besonders c. 7: „Meister Eckhart und die Beginenspiritualität“ (95-114), sowie id., Meister Eckhart und die Spiritualität der Beginen, in: Kleine Schriften (nt. 7), 327-336. Ruhs These greifen mehrere Beiträge in folgendem Sammelband auf: B.
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Daß Marguerite die tragische Rolle der hochgebildeten, ihre Lehre mit missionarischem Eifer verbreitenden und dafür dem Häresieverdikt anheimfallenden mulier religiosa geradezu perfekt ausfüllt, ist für das wissenschaftliche Interesse an ihrer Person und ihrem Werk in den vergangenen Dekaden sicherlich entscheidend gewesen. Freilich hat auch der theologisch-philosophische und literarische Eigenwert des ,Mirouer‘ unabhängig von seiner Nähe zu freigeistigen Positionen inzwischen einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen 15, so daß die von Ruh bemängelte Verengung der Blickrichtung auf mögliche häretische Implikationen der Schrift 16 einem breiteren interpretatorischen Zugriff gewichen ist 17.
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McGinn (ed.), Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg, and Marguerite Porete, New York 1994. Cf. darin A. Hollywood, Suffering Transformed. Marguerite Porete, Meister Eckhart, and the Problem of Women’s Spirituality (87113); M. Lichtmann, Marguerite Porete and Meister Eckhart: ,The Mirror of Simple Souls‘ Mirrored (65-86); M. Sells, The Pseudo-Woman and the Meister. ,Unsaying‘ and Essentialism (114-164). Zu einer wahrscheinlichen, wenn auch nicht mit letzter Sicherheit beweisbaren Kenntnis des ,Mirouer‘ durch Eckhart cf. auch E. Colledge/J. C. Marler, ,Poverty of the Will‘: Ruusbroec, Eckhart and ,The Mirror of Simple Souls‘, in: P. Mommaers/N. De Paepe (eds.), Jan van Ruusbroec: the Sources, Content and Sequels of his Mysticism (Mediaevalia Lovaniensia. Series I. Studia 12), Leuven 1984, 14-47. Im Gegensatz zu Ruh, der Eckhart eine Rückführung prekärer Aussagen des ,Mirouer‘ in die Orthodoxie zuschreibt, konstatieren sie allerdings in Eckharts Werk eine gewagtere Doktrin als im ,Mirouer‘ (cf. ibid., 27). Peter Dronkes Feststellung, daß Marguerite „the most neglected of the great writers of the thirteenth century“ sei, gilt deshalb nicht mehr; cf. Dronke, Women Writers of the Middle Ages. A Critical Study of Texts from Perpetua († 203) to Marguerite Porete († 1310), Cambridge 1984, 202. Nur wenige Beispiele für verschiedene interpretatorische Zugänge zum ,Mirouer‘ seien hier genannt: P. Mommaers, La transformation d’amour selon Marguerite Porete, in: Ons Geestelijk Erf 65 (1991), 89-107; A. Hollywood, The Soul as Virgin Wife: Mechthild of Magdeburg, Marguerite Porete, and Meister Eckhart (Studies in Spirituality and Theology Series 1), Notre Dame 1995; E. Babinsky, The Use of Courtly Language in ,Le Mirouer des simples ames anienties‘, in: Essays in Medieval Studies 4 (1997), 91-106; id., Christological Transformation in The Mirror of Souls by Marguerite Porete, in: Theology Today 60 (2003), 34-48; S. Kocher, Allegories of Love in Marguerite Porete’s ,Mirror of Simple Souls‘ (Medieval Women: Texts and Contexts 17), Turnhout 2008. Die Frage, ob und inwieweit der ,Mirouer‘ die Grenzen der Orthodoxie verläßt, wurde in den vergangenen Dekaden kontrovers diskutiert. Während etwa Jean Orcibal die Unanstößigkeit der Schrift betont, votieren Patricia Ranft, Paul Verdeyen und Edmund Colledge für ihren häretischen Charakter. Die beiden zuletzt genannten Autoren nehmen besonderen Anstoß an einem vermeintlichen Quietismus des im ,Mirouer‘ propagierten Lebensideals; cf. J. Orcibal, Le ,Miroir des simples aˆmes‘ et la ,secte‘ du Libre Esprit, in: Revue de l’histoire des religions 176 (1969), 35-60; P. Ranft, Women in Western Intellectual Culture, 600-1500, New York 2002, 114; P. Verdeyen, Ruusbroec’s Opinion on Marguerite’s Orthodoxy, in: Studies in Spirituality 3 (1993), 121-129, hier 127; E. Colledge, La liberte´ de l’esprit selon le ,Miroir des aˆmes simples‘, in: L. K. Shook/G.-M. Bertrand (eds.), La the´ologie du renouveau, Montre´al-Paris 1968, 59-73, hier 60 sq. Die hinsichtlich der Orthodoxie-Frage entgegengesetzten Ansichten der ,Mirouer‘Herausgeber Colledge/Guarnieri auf der einen und Doiron auf der anderen Seite (cf. oben, nt. 4) rekapituliert M. G. Sargent, The Annihilation of Marguerite Porete, in: Viator 28 (1997), 253-279, hier 263. Allerdings kritisiert noch Irene Leicht in ihrer 1999 erschienenen Dissertation, daß die Marguerite-Forschung zu sehr auf die ,Freigeist‘-Thematik fixiert sei: cf. ead., Marguerite Porete (nt. 5), 419.
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Abgesehen davon hat vor allem in jüngerer Zeit eine ganze Reihe von Studien die oben dargelegte Verortung des Marguerite-Falls innerhalb der zeitgenössischen Debatten um häretische Fehlauslegungen des Freiheitsbegriffs sowie die soziokulturelle Verankerung einer ,Freigeist‘-Häresie im Beginenmilieu kritisch infrage gestellt, ohne die von Romana Guarnieri, Herbert Grundmann und Kurt Ruh grundgelegten Leitparadigmen endgültig verdrängen zu können 18. So wurde etwa zu Recht festgestellt, daß sich weder aus heutiger Perspektive eine Zugehörigkeit Marguerites zur ,Freigeist‘-Häresie nachweisen lasse 19, zumal deren historische Realität ohnehin in Frage stehe 20, noch spiele diese für Marguerites Ankläger, allen voran den Großinquisitor und Beichtvater des französischen Königs Guillaume de Paris 21, eine Rolle 22. Auch Marguerites Beginenstatus evoziere bei ihren kirchlichen Kontrahenten noch keine ablehnende Haltung im Sinne einer Gleichsetzung von Beginentum und freigeistiger Häresie, wie sie etwa wenige Jahre nach ihrer Hinrichtung die berühmt-berüchtigte Konzilskonstitution ,Ad nostrum qui‘ dokumentierte 23. Zudem könne Marguerite nicht als 18
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Cf. e. g. die Studie von Barthel, Grenzüberschreitende Mystik (nt. 6), die insbesondere von Ruhs Thesen zu einer theologisch unkonventionellen und deshalb potentiell häretischen ,Beginenspiritualität‘ und deren Bedeutung für Meister Eckhart beeinflußt ist. So bemerkt schon Orcibal, Le ,Mirouer‘ (nt. 16), 39, in bezug auf Guarnieri tadelnd: „Une analogie ne suffit donc pas a` e´tablir une identite´.“ Zur Kritik an Guarnieris breitem Begriff der ,Freigeist‘-Häresie, die sich zeitlich vom 12. bis zum 16. Jahrhundert erstreckt haben soll und auch Beatrix von Nazareth sowie Hadewijch einbezieht, cf. U. Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts (Hermaea N. F. 56), Tübingen 1988, 72 sq. Im Anschluß an Leicht, Marguerite Porete (nt. 5) klammert auch Kampmann, Eckharts Predigten (nt. 13), den ,Mirouer‘ aus ihren Quellen zur freigeistigen Häresie aus; cf. ibid., 124 sq. Cf. beispielsweise M. Wehrli-Johns, Mystik und Inquisition. Die Dominikaner und die sogenannte Häresie des Freien Geistes, in: W. Haug (ed.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang; neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte; Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 223-252, hier 224; M. Lambert, Häresie im Mittelalter. Von den Katharern bis zu den Hussiten, Darmstadt 2001, 193; N. Largier, Das Glück des Menschen. Diskussionen über beatitudo und Vernunft in volkssprachlichen Texten des 14. Jahrhunderts, in: J. A. Aertsen/K. Emery, Jr./A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 827-855, hier 827; Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 403. Zu ihm cf. e. g. Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 356; P. Verdeyen, Le proce`s d’inquisition contre Marguerite Porete et Guiard de Cressonessart (1309-1310), in: Revue d’histoire eccle´siastique 81 (1986), 47-94, hier 84-85; Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 345 sq. In diesem Sinne bemerkt Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 71: „Das Gutachten zu ihrer [Marguerites] Verurteilung läßt sowohl das Reizwort libertas als auch die mit dem Konzil von Vienne einsetzenden Vorwürfe gegen die dogmatischen wie lebensweltlichen Vergehen der Beginen vermissen.“ Allerdings setzen gerade die lebensweltlichen Vorwürfe gegen die Beginen nicht erst mit dem Konzil von Vienne, sondern bereits im 13. Jahrhundert ein und finden im Marguerite-Prozeß deutlich Verwendung. Cf. dazu die Ausführungen unten unter III. Cf. M. Porete, The Mirror (nt. 4), 11 (Einleitung): „The Vienne decree ,Ad nostrum‘ used ,beguine‘ as a technical term for adherents of the Free Spirit heresy as if beguines were by definition heretical.“ Ob diese häufig vertretene Ansicht aus historischer Perspektive aufrechterhalten werden kann, erscheint allerdings fraglich. Denn weder richtet sich die Konstitution ,Ad nostrum qui‘ exklusiv gegen die Beginen noch konstituiert sie eine ,Freigeist‘-Häresie. Cf. dazu
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Vertreterin einer charakteristischen Beginenmystik gelten, da die Existenz einer solchen Sonderform des mystischen Diskurses ausgesprochen fraglich sei 24. Und schlußendlich bringt die neueste Forschung zur ,Mirouer‘-Rezeption auch noch eine der wenigen scheinbar unerschütterlichen Bastionen des herkömmlichen Marguerite-Bildes zum Wanken: Robert Lerner hält eine Kenntnis des ,Spiegels‘ durch Meister Eckhart ungeachtet gewisser thematischer Gemeinsamkeiten für unwahrscheinlich 25 - eine Position, für die sich neben den von Lerner angeführten Gründen im übrigen noch weitere Argumente finden lassen 26. Ungeachtet dieser Kontroversen innerhalb der Marguerite-Forschung herrscht in einem Punkt doch eine communis opinio: Die verurteilte Begine gilt als ausgesprochen couragierte mulier religiosa 27, die ihre im ,Mirouer‘ vertretenen Auffassungen kompromißlos aufrechterhält, für ihre innere Überzeugung öffentliche Bloßstellung, Exkommunikation, Gefangenschaft und schließlich den Tod in Kauf nimmt und so gegenüber der mit unerbittlicher Härte agierenden französischen Inquisition ihre von gleichermaßen hoher literarischer wie philosophischtheologischer Bildung zeugende Lehre letztlich verteidigt 28. 2. Die Verfasserinnenfrage im Licht der Prozeßakten: zur Notwendigkeit eines Perspektivenwechsels Hier setzt die vorliegende Studie an: Sie möchte die seit Romana Guarnieris bahnbrechenden Forschungen 29 nicht mehr hinterfragte Verfasserschaft Mar-
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die Ausführungen unten unter IV. 2. Die vielfach diskutierte - und oft bejahte - Frage, ob die in diesem Konzilsdokument verurteilten Artikel vom ,Mirouer‘ beeinflußt seien, wird im folgenden nicht behandelt. Cf. Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 91-100; Ch. Ruhrberg, Der literarische Körper der Heiligen: Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312) (Bibliotheca Germanica 35), Tübingen-Basel 1995, 165-179; Heimerl, Frauenmystik (nt. 12), 29-32. Cf. Lerner, New Light (nt. 4), 112. Eine Publikation dazu befindet sich in Vorbereitung. Lerner weist darauf hin, daß der ,Mirouer‘ höchstwahrscheinlich zunächst nur in altfranzösischer Sprache, nicht in einer lateinischen Gesamtübersetzung zur Verfügung stand. Damit aber dürfte er sich Eckharts Sprachkenntnissen entzogen haben. Stellvertretend für viele andere sei hier nur Heid, Studien (nt. 5), erwähnt. Er spricht von „der Standhaftigkeit und Entschiedenheit, mit der sich Marguerite zu ihrem Buch bekannte“ (ibid., 188). Insofern die Inquisition die männlich dominierte Amtskirche repräsentiert, wird der Fall Marguerites in manchen Forschungsbeiträgen als Beispiel für die Unterdrückung einer eigenständigen weiblichen Stimme durch den kirchlichen Machtapparat interpretiert; cf. Dronke, Women Writers (nt. 15), 228; E. Gössmann, Die Geschichte und Lehre der Mystikerin Marguerite Porete (gest. 1310), in: H. Häring/K.-J. Kuschel (eds.), Gegenentwürfe. 24 Lebensläufe für eine andere Theologie, München 1988, 69-79, besonders 73; Hollywood, Suffering Transformed (nt. 14), 110; Lichtmann, Marguerite Porete (nt. 14), 73; Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 43, 48-52. Ob diese Deutung zutreffend ist, erscheint angesichts der eher geringen Rolle, die der ,Mirouer‘ innerhalb des Prozesses spielt und angesichts der Gleichbehandlung von Marguerite und Guiard durch die Inquisition jedoch fraglich. Cf. dazu auch die Ausführungen weiter unten unter III. Erstmals veröffentlichte Guarnieri ihre Erkenntnisse unter dem Titel „Lo specchio delle anime semplice e Margherita Porette“ im Osservatore Romano vom 16. Juni 1946; cf. ferner id., Il movimento (nt. 9).
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guerites - nur selten wird die verurteilte Begine als ,mutmaßliche‘ Autorin des ,Mirouer‘ bezeichnet 30 - nochmals einer Überprüfung unterziehen. Dafür scheint sich als Ansatzpunkt jenes Verfahren anzubieten, das bereits Guarnieri dazu veranlaßte, die anonym überlieferte Schrift Marguerite zuzuweisen, nämlich ein Vergleich der im Laufe des Prozesses von einer 21köpfigen, hochkarätigen Theologenkommission verurteilten Einzelsätze mit dem ,Mirouer‘ in seiner uns heute vorliegenden Gestalt 31. Die Basis eines solchen komparativen Verfahrens erweist sich allerdings als sehr beschränkt, sind von den fünfzehn inkriminierten Aussagen des libri pestiferi 32 doch nur drei bekannt - zwei aus dem Theologenvotum, das zusammen mit fünf beziehungsweise sechs weiteren Prozeßdokumenten im Tre´sor des Chartes aufbewahrt wird 33 sowie eine weitere aus der anonymen Fortsetzung der Chronik des Guillaume de Nangis 34. Die beanstandeten Sätze lauten: 1. „Quod anima adnichilata dat licentiam virtutibus nec est amplius in earum servitute, quia non habet eas quoad usum, sed virtutes obediunt ad nutum.“ 35 2. „Quod talis anima non curat de consolationibus Dei nec de donis eius, nec debet curare nec potest, quia tota intenta est circa Deum, et sic impediretur eius intentio circa Deum.“ 36 3. „Quod anima annihilata in amore conditoris sine reprehensione conscientiae vel remorsu potest et debet naturae quidquid appetit et desiderat (concedere).“ 37 30 31 32
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Cf. Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 58. Cf. dazu Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 53 sq.; Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 346-350. Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 82: „Ex quibus inquisitione et processu nobis constitit evidenter quondam composuisse te librum pestiferum contentivum heresum et errorum.“ Im einzelnen handelt es sich um folgende Dokumente: 1.a) [Layette J. 428, no. 15] das Notariatsinstrument mit dem Urteil der Theologenkommission über einzelne Sätze eines nicht näher bezeichneten Buches (11. April 1310); 1.b) [Layette J. 428, no. 15] die abschließende Verurteilung Marguerites und Guiards durch den Großinquisitor Guillaume de Paris (31. Mai 1310); 2. [Layette J. 428, no. 16] eine am 4. Oktober 1310 notariell beglaubigte Kopie eines Urteils über Guiard, das eine Kanonikerkommission am 3. April 1310 gefällt hat; 3. [Layette J. 428, no. 17] eine nicht beglaubigte Kopie des zentralen Texts von no. 16, die vermutlich vom (nicht mehr existierenden) Original abgeschrieben wurde; 4. [Layette J. 428, no. 18] eine zweite Verurteilung Guiards durch das Kanonikergremium (9. April 1310); 5. [Layette J. 428, no. 19] eine unautorisierte Kopie der Erstverurteilung Marguerites durch das Kanonikergremium (3. April 1310); 6. [Layette J. 428, no. 19bis] eine Kopie der zweiten Verurteilung Marguerites durch das Kanonikergremium (9. Mai 1310); cf. hierzu Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 345 sq. Zur Edition der Prozeßakten cf. ibid., 343-345; Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 47 sq. Verdeyen, ibid., hat die erhaltenen Dokumente erstmals vollständig publik gemacht. Die Kenntnis des verurteilten Artikels könnte von einem Mitglied der den ,Mirouer‘ begutachtenden Theologenkommission vermittelt worden sein. Zu ihr gehört nämlich ein „Petrus de Sancto Dyonisio“. Auch Guillaume de Nangis und der unbekannte Fortsetzer seiner Chronik waren Mönche in Saint-Denis, cf. H. Grundmann, Ketzerverhöre des Spätmittelalters als quellenkritisches Problem, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 21 (1965), 519575, hier 525. Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 51. Laut Auskunft des Dokuments handelt es sich um den ersten der insgesamt fünfzehn Sätze. Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 51. Laut Auskunft des Dokuments handelt es sich um den letzten der insgesamt fünfzehn Sätze. Fortsetzung der Chronik des Guillaume de Nangis, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 88.
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Für jeden dieser Sätze sind Parallelen im ,Mirouer‘ nachweisbar, ohne daß es jedoch eine wörtliche Übereinstimmung gibt. Dementsprechend hat sich über die exakte Zuordnung der einzelnen Artikel zu bestimmten Kapiteln der Schrift bisher kein Konsens erzielen lassen 38. Daß die inkriminierten Thesen tatsächlich aus dem ,Mirouer‘ stammen, ist daher zwar nicht mit hundertprozentiger Sicherheit belegbar, darf angesichts der inhaltlichen Nähe jedoch als sehr wahrscheinlich gelten. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, daß die uns heute vorliegende Version der Schrift - eine mittelfranzösische Bearbeitung des ursprünglich altfranzösischen Textes in einer erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Handschrift 39 - nicht jener ,Mirouer‘-Fassung entspricht, aus der die Sätze stammen, welche der Theologenkommission vorgelegt wurden 40. Das gleiche gilt für die im 14. Jahrhundert angefertigte lateinische Übersetzung des ,Mirouer‘, die dieser modifizierten Textversion nahesteht und von daher ebenfalls keine Übereinstimmung mit den für die Begutachtung ins Lateinische übertragenen Einzelsätzen zeigt 41. Auf eine weitere, bisher unbeachtet gebliebene Schwierigkeit bei der Zuweisung der verurteilten Artikel zum ,Mirouer‘ wird später noch einzugehen sein 42. An dieser Stelle sei zunächst einmal festgehalten, daß das Verfahren des Textvergleichs nicht über die bereits von Guarnieri erzielten Ergebnisse hinausführt. Im folgenden wird daher ein anderer Zugang zum Problem der Autorschaft Marguerites gewählt, nämlich die kritische Analyse der scheinbar selbstverständlichen Prämisse, daß zwischen der verurteilten Begine und dem durch die Theologenkommission inkriminierten Werk überhaupt ein Zusammenhang besteht. 38
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Cf. zu dieser Diskussion e. g. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 52, der den ersten der beiden publizierten Artikel im Anschluß an Colledge und Guarnieri in Kapitel sechs des ,Mirouer‘ aufzufinden meint. Der zweite Artikel dagegen stamme anders als Colledge und Guarnieri behaupten nicht aus dem 15., sondern aus dem 16. Kapitel. Ruh, Geschichte (nt. 11), 359, nt. 24, dagegen lehnt auch die Zuweisung des ersten Artikels zum sechsten ,Mirouer‘-Kapitel ab. Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 353 sq., behält die Zuordnung des ersten Artikels zum sechsten Kapitel bei, vermutet den ursprünglichen Ort des zweiten Artikels jedoch in Kapitel 26. Lerner, New Light (nt. 4), 113 macht auf die philologischen Probleme bei allen Zuordnungsversuchen aufmerksam: Da die ursprüngliche französische Fassung des ,Mirouer‘ nicht mehr existiert - auch nicht in einer auf dem Original basierenden lateinischen Übersetzung -, kann es keine wörtlichen Übereinstimmungen zwischen den inkriminierten Sätzen und den heute noch zugänglichen ,Mirouer‘-Versionen geben, was eine exakte Zuordnung quasi unmöglich macht. Cf. dazu auch die weiteren Ausführungen in diesem Paragraphen. Es handelt sich um Chantilly, Muse´e Conde´, F XIV 26 (olim 986). Zur Überlieferung des ,Mirouer‘ in diversen Fassungen und Sprachen cf. Le Mirouer (nt. 4), VIII-XII. Cf. auch Ruh, ,Le miroir‘ (nt. 11), 213-216; Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 118 sqq. Cf. dazu Lerner, New Light (nt. 4), 97-103, der den Nachweis führt, daß nicht die mittelfranzösische ,Mirouer‘-Version im Chantilly-Manuskript, sondern die mittelenglische Übersetzung des ,Spiegels‘ eine dem Original nahestehende Textfassung repräsentiert. Im Vergleich zu dieser originalnahen Version stellt der mittelfranzösische Text bereits eine Überarbeitung des ,Mirouer‘ mit inhaltlichen Abschwächungen zugunsten der Orthodoxie dar. Cf. Lerner, ibid., 113. Der Text dieser lateinischen Übertragung ist im Corpus Christianorum parallel zur mittelfranzösischen Fassung ediert, cf. Le Mirouer (nt. 4). Cf. unten unter II. 3.
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Die Leitfrage soll also nicht lauten: Stammen die verurteilten Thesen tatsächlich aus dem ,Mirouer‘ - dies wird aufgrund der inhaltlichen Parallelen vorausgesetzt -, sondern statt dessen: Ist Marguerite Porete wirklich die Verfasserin dieser Schrift? Unter der Bezeichnung ,Mirouer‘ sei dabei, soweit nicht ausdrücklich anders angemerkt, jenes uns nicht mehr unmittelbar zugängliche altfranzösische Werk verstanden, aus dem die begutachteten Artikel entnommen worden sind. Auf den ersten Blick mag dieser Perspektivenwechsel geradezu absurd wirken, scheint Marguerites Verfasserschaft doch durch die Prozeßakten eindeutig erwiesen. Eine Lektüre der Dokumente unter dem Gesichtspunkt ihrer programmatischen Ausrichtung bringt diese Grundannahme jedoch ins Wanken. Die Schriftstücke sind taktisch nämlich so angelegt, daß sie die über dem Verfahren schwebende Ungewißheit über Marguerites Autorinnenrolle zu verschleiern suchen und zugleich eine Legitimationsbasis für ihre Verurteilung schaffen, die sich gerade nicht auf den ,Mirouer‘ stützt. Als strategische Mittel zur Erreichung dieses Doppelzieles dienen die sorgfältige sprachliche Gestaltung der Dokumente, welche die Grenze zwischen nachweisbaren Fakten und bloßen Zeugenaussagen verschwimmen läßt, die geschickte Plazierung von Leerstellen, die vom Leser der Prozeßakten aufgefüllt werden müssen, sowie die gezielte Nutzung zeitgenössischer Stereotype, um die Person Marguerites auch unabhängig vom Urteil der Theologenkommission in einem möglichst negativen Licht darzustellen. Diese Taktik soll im folgenden anhand von drei Aspekten erörtert werden, die zugleich eine erneute Auseinandersetzung mit den weiter oben dargestellten Leitparadigmen der Marguerite-Forschung ermöglichen. Zunächst wird zu zeigen sein, wie die Prozeßakten den Zusammenhang zwischen dem ,Mirouer‘ und der häresieverdächtigen mulier religiosa konstruieren und dabei zwischen Bestätigung und Anzweiflung ihrer Autorschaft lavieren (Abschnitt II); sodann wird es um das von der Inquisition kreierte Profil Marguerites als „quedam beguina“ gehen, das heißt um die auf ihren spezifischen Fall zugeschnittene Aktivierung des populären Klischees einer „verwerflichen Begine“, wodurch der ,Mirouer‘ als Legitimationsgrund der Verurteilung letzten Endes entbehrlich wird (Abschnitt III); und abschließend soll die Frage nach der Auswahl der beiden publizierten Sätze aus dem Urteil der Theologenkommission gestellt werden (Abschnitt IV). Dabei wird es um ein doppeltes Anliegen gehen: Zum einen ist der Nachweis zu führen, daß die Veröffentlichung genau jener beiden Artikel anders als es zuerst den Anschein haben mag nicht von einer intellektuellen Fehlleistung, sondern von propagandistischem Kalkül zeugt 43; zum anderen wird die 43
Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 337, urteilt hinsichtlich der Textauszüge, welche der Theologenkommission vorgelegt wurden, daß deren Zusammenstellung „offensichtlich keine intellektuelle Meisterleistung“ gewesen sei. Dies scheint insbesondere für die beiden publizierten Artikel zu gelten, insofern diese keineswegs die spezifische Lehre des ,Mirouer‘ erfassen. Cf. dazu die Ausführungen unten unter IV. 1.
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Frage zu beantworten sein, weshalb die Inquisition angesichts der intensiven Partizipation des ,Mirouer‘ am intellektuellen Freiheitsdiskurs auf die Möglichkeit verzichtet, Marguerite als Anhängerin der freigeistigen Häresie zu diffamieren. II. Der ,Mirouer‘ und seine fragwürdig e Eignung als Cor pus delicti : zum Umg ang mit Marguerites schriftstellerischer Tätigkeit in den Prozeßakten 1. Zur herkömmlichen Rekonstruktion des Prozeßverlaufs und seiner Vorgeschichte Aufgrund der Tatsache, daß zwei hochrangige Minister des französischen Königs Philipp des Schönen, Guillaume de Nogaret und Guillaume de Plaisians, Originale und Abschriften des Verfahrens gegen Marguerite besessen haben 44, die bis heute erhalten geblieben sind, erscheinen sowohl der Prozeß insgesamt als auch die besondere Bedeutung des ,Mirouer‘ für seinen tragischen Verlauf bemerkenswert gut rekonstruierbar. Für die Rekapitulation des Inquisitionsverfahrens - gerade auch für jene Vorgänge, die vor Marguerites Inhaftierung liegen - erweisen sich insbesondere zwei Dokumente als hervorragende Informationsquellen: zum einen die zweite Verurteilung Marguerites durch die von Guillaume de Paris zur Bewertung des Falles hinzugezogenen Kanoniker 45 und zum anderen die abschließende Urteilsverkündigung des Großinquisitors, die sich nicht nur auf Marguerite, sondern ebenso auf ihren ,Begünstiger und Verteidiger‘ Guiard de Cressonessart bezieht 46. Aufgrund der in diesen Akten enthaltenen Schilderungen hat sich in der Marguerite-Forschung folgende Rekonstruktion der historischen Fakten etabliert 47: Gegen Ende des 13. oder in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts verfaßt 44 45
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Cf. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 49. Eine erste Verurteilung durch dieselben Kanoniker - unter ihnen der spätere Bischof von Paris Hugo von BesancX on (cf. Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 59; Lerner, ,An Angel of Philadelphia‘ [nt. 12], 356 sq.) - erfolgt bereits am 3. April 1310. Sie ist dokumentiert in Layette J. 428, no. 19 (ediert in Verdeyen, ibid., 60 sq.). Die auch auf die Vorgeschichte des Prozesses eingehende zweite Verurteilung Marguerites findet am 9. Mai 1310 statt. Sie ist dokumentiert in Layette J. 428, no. 19bis (ediert in Verdeyen, ibid., 78 sq.). Zu Guiard, dessen Prozeß mit jenem gegen Marguerite aufs engste verknüpft ist, cf. vor allem die Ausführungen weiter unten unter III. Diesem beguinus wird vorgeworfen, sich „in defensione et fautoria Margarete, dicte Porete“ der Inquisition entgegengestellt zu haben; cf. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 56. Das formale Urteil Wilhelms von Paris gegen Marguerite und Guiard fällt am 31. Mai 1310. Es ist dokumentiert in Layette J. 428, no. 15 (ediert in Verdeyen, ibid., 81 sqq.). Im Detail weichen die Schilderungen des Prozeßverlaufs freilich voneinander ab. Cf. e. g. Verdeyen, Ruusbroec’s Opinion (nt. 16), 121 sq.; Heid, Studien (nt. 5), 195 sqq.; M. Porete, The Mirror (nt. 5), 20-26 (Einleitung); Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 333-357; H. Feld, Frauen des Mittelalters: zwanzig geistige Profile (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 50), KölnWeimar-Wien 2000, 200 sqq.
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die aus der Grafschaft Hennegau stammende, möglicherweise in Valenciennes ansässige Begine „Marguareta dicta Porret“ 48 eine Schrift mit dem Titel ,Mirouer des simples ames adnienties‘ 49. Irgendwann vor dem Jahr 1306 verurteilt Guy de Colmieu, Bischof von Cambrai, dieses Werk als häretisch und läßt es in Valenciennes öffentlich verbrennen. Marguerite wird unter Androhung ihrer Auslieferung an den weltlichen Arm der Justiz eine weitere Verwendung und Verbreitung ihres Traktats strikt untersagt. Anstatt sich an dieses Verbot zu halten, läßt sie - getragen von missionarischem Sendungsbewußtsein, aber auch ermutigt durch die Positivgutachten mehrerer Kleriker, darunter der renommierte Universitätstheologe Gottfried von Fontaines 50 - den ,Mirouer‘ dem Bischof von Chaˆlons-sur-Marne, Jean de Chaˆteauvillain, sowie mehreren „einfachen Leuten, Begarden und anderen“ zukommen 51. Diese Mißachtung des bischöflichen Urteils führt schließlich dazu, daß Marguerite - vielleicht gemeinsam mit dem bereits erwähnten Guiard de Cressonessart - gegen Ende des Jahres 1308 festgesetzt und an den Generalinquisitor für das Königreich Frankreich, Guillaume de Paris, ausgeliefert wird. Nachdem sie eineinhalb Jahre lang den für den Verfahrensbeginn unabdingbaren Eid sowie jegliche weitere Aussage verweigert hat, nimmt der Prozeß einen ebenso raschen wie erbarmungslosen Verlauf: Am 3. April 1310 fällt eine Gruppe von Kanonikern das Verdikt der Häresie über Marguerite und Guiard; wenig später werden beide von demselben Gremium noch ein zweites Mal schuldiggesprochen: Guiard am 9. April 1310, Marguerite exakt einen Monat später am 9. Mai 1310. Kurz nach dem zweiten Urteilsspruch über Guiard, am 11. April 1310, wird die bereits erwähnte Liste verdächtiger Sätze aus dem ,Mirouer‘ der prominent besetzten Theologenkommission vorgelegt, womit Marguerites Schicksal endgültig besiegelt ist: Wie das entsprechende Dokument ausdrücklich festhält, votieren die einundzwanzig Mitglieder des Gremiums einstimmig für eine Verurteilung des Buches als ketzerisch. Damit liegt ein Corpus delicti vor, das der Inquisition ungeachtet der Verweigerungshaltung Marguerites eine eindeutige Handhabe gegen sie verleiht. Am 31. Mai 1310 verkündet der Großinquisitor schließlich im Beisein des Bischofs von Paris, einer Reihe offizieller Würdenträger sowie einer großen Menschenmenge das endgültige Urteil, welches Guiard aufgrund eines umfassenden Geständnisses zu lebenslangem Kerker ,begnadigt‘, Marguerite aufgrund ihrer häretischen Verstocktheit aber dem weltlichen Arm der Justiz überläßt. Einen Tag später, am 1. Juni 1310, wird die Strafe auf der Place de Gre`ve öffentlich vollstreckt: Die als rückfällige Ketzerin diffamierte Begine erleidet den Feuertod. 48 49
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Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 66. Lerner, New Light (nt. 4), 93 gibt als grobe chronologische Orientierung die Jahre zwischen 1285 und 1306 an. Die Gutachten dienen in der lateinischen Übersetzung des ,Mirouer‘ aus dem 14. Jahrhundert als Appendix (cf. Le Mirouer [nt. 4], 405-409), in der mittelenglischen Fassung (cf. M. Porete, The Mirror [nt. 4], 249 sq. [9 sq.]) als Einleitung. Cf. das Zitat unten, 217.
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2. Die Chronologie aus der Perspektive der Prozeßakten Entgegen der etablierten linearen Lesart des Geschehens, die mit der Abfassung des ,Mirouer‘ durch Marguerite ihren Anfang nimmt und dem Gang der Ereignisse dann bis zum tragischen Schluß- und Höhepunkt des Verfahrens folgt, stellt sich die chronologische Abfolge in den genannten Prozeßdokumenten anders dar. Die Schilderung der Ereignisse geschieht hier in einer Art zweifach gestaffeltem Rückblick: Vom jeweils gegenwärtigen Stand des Verfahrens also der Zweitverurteilung durch die Kanoniker beziehungsweise dem abschließenden Autodafe´ 52 - ausgehend, erfolgt zunächst eine Retrospektive auf dessen Initiationsmoment, den nicht näher begründeten Häresieverdacht gegen Marguerite sowie ihre Weigerung zur Kooperation. Hartnäckig habe sie in rebellischer und ungehorsamer Weise sowohl den geforderten Eid als auch jede weitere Aussage abgelehnt. Offenbar veranlaßt dieses massive Fehlverhalten den Inquisitor dazu, weitere Erkundigungen über Marguerite einzuholen. Erst die im Zuge dieser Ermittlungen gemachten Zeugenaussagen ermöglichen den weiteren Sprung in die dem Prozeß vorausliegende Vergangenheit: Wie die Akten rekapitulieren, kommt nämlich erst durch sie jenes einst von Marguerite verfaßte Buch ins Spiel, welches durch den Bischof von Cambrai für häretisch erklärt und öffentlich den Flammen überantwortet wurde. In der zweiten Verurteilung Marguerites durch die Kanonikerkommission heißt es dementsprechend: „Processus siquidem talis est. Tempore quo Margarita dicta Porete suspecta de heresi fuit, in rebellione et inobedientia nolens respondere nec iurare coram inquisitore de hiis que ad inquisitionis sibi commisse officium pertinent, ipse inquisitor contra eam nichilominus inquisivit et ex depositione plurium testium invenit, quod dicta Margarita librum quemdam compusuerat continentem hereses et errores, qui de mandato reverendi patris domini Guidonis, condam Cameracensis episcopi, publice et sollempniter tamquam talis fuit condempnatus et combustus.“ 53
Ähnlich äußert sich das Dokument, welches das formale Urteil Guillaumes de Paris über Marguerite und Guiard festhält 54. Damit aber ergibt sich gegenüber der herkömmlichen Rekonstruktion des Prozeßverlaufes eine entscheidende Verschiebung in bezug auf Marguerites Konfrontation mit der Inquisition: Sie erfolgt nicht etwa auf Grund des ,Mirouer‘ - von dessen Existenz weiß 52
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Beim Autodafe´ (lat. actus fidei) handelt es sich ursprünglich um den sogenannten sermo generalis, die große Abschlußpredigt des Inquisitors, in der Schuld oder Unschuld des oder der Angeklagten definitiv festgestellt werden; cf. H.-G. Beck, Actus fidei. Wege zum Autodafe´ (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Philosophisch-historische Klasse, Heft 3), München 1987, besonders 4 sq. Layette J. 428, no. 19bis, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 78. Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 81: „Porro dum tu, Margareta, in istis rebellionibus obstinata maneres, ducti conscientia, volentes officii nobis commissi debitum exercere, inquisivimus contra te et processum fecimus super predictis prout exigit ordo iuris. Ex quibus inquisitione et processu nobis constitit evidenter quondam composuisse te librum pestiferum contentivum heresum et errorum, ob quam causam fuit dictus liber per bone memorie Guidonem, olim Cameracensem episcopum, condempnatus et de mandato ipsius in Valencenis in tua combustus presentia publice et patenter.“
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Guillaume de Paris zunächst noch nichts -, sondern aus Ursachen, die für uns im dunkeln liegen 55. Aus mehreren Andeutungen läßt sich allerdings erschließen, daß die Festsetzung Marguerites und Guiards eine Vorgeschichte hat, die sowohl in Paris als auch an nicht näher bezeichneten anderen Orten spielt und zunächst nichts mit dem ,Mirouer‘ zu tun hat, dessen Existenz erst durch die später einsetzenden Zeugenbefragungen in Erfahrung gebracht wird. So erhält Guiard vor seiner Inhaftierung mehrere offizielle Verwarnungen. Weder dürfe er die Amtsausübung des Inquisitors beeinträchtigen noch Marguerite irgendeine Hilfestellung leisten: „Ipsum namque Giuardum post monitiones legitimas ex parte dicti inquisitoris canonice sibi factas de non impediendo ipsum in suo inquisitoris officio procedentem et non prestando Marguarete predicte defensionem, auxilium seu favorem, in quibus inventus est contumax et rebellis, tandem fecit coram se personaliter presentari.“ 56
Aus Guiards Geständnis geht hervor, daß seine - wie auch immer geartete Verteidigung Marguerites, zu der er sich aufgrund seines Amtes als apokalyptischer ,Engel von Philadelphia‘ (cf. Offb 3,7) berufen und verpflichtet fühlte 57, in Paris stattgefunden hat 58. Ähnlich wie Guiard wird offenbar auch Marguerite bereits vor ihrer endgültigen Inhaftierung mehrfach zur Rede gestellt. Das finale Urteil Guillaumes de Paris hält rückblickend fest, daß sie wiederholt und an verschiedenen Orten aufgefordert worden sei, den zur Verfahrenseröffnung notwendigen Eid zu schwören und über sich selbst sowie andere wahrheitsgemäß Auskunft zu geben, insoweit es in den Zuständigkeitsbereich des Inquisitors 55
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Nebulös formuliert Layette J. 428, no. 19bis (das zweite Kanonikerurteil über Marguerite): „Tempore quo Margarita dicta Porete suspecta de heresi fuit, […]“ (zum Kontext dieser Phrase cf. oben, 211). Damit setzt sich hier die Argumentationslinie des ersten Kanonikerurteils über Marguerite fort, das noch vor der Einberufung der Theologenkommission zur Begutachtung des ,Mirouer‘ erfolgt und ähnlich vage formuliert, daß Marguerite „ex causis variis probabilibus super labe pravitatis heretice suspecta notabiliter haberetur“ (Layette J. 428, no. 19, in: Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 60). Ebensoviel Deutungsspielraum läßt das Urteil Guillaumes de Paris (Layette J. 428, no. 15). Dort heißt es in bezug auf die Zitation Marguerites vor den Inquisitor - bevor dieser aufgrund ihrer Verweigerungshaltung mit seinen Erkundigungen über ihre Vorgeschichte beginnt: „[…], constat et constitit evidentibus argumentis te, Margaretam de Hannonia, dictam Porete, super labe pravitatis heretice vehementer esse suspectam, propter quod citari te fecimus, ut compareas in iudicio coram nobis […].“ Daß die „offensichtlichen Gründe“ für den Häresieverdacht nicht näher erläutert werden, lädt insbesondere den heutigen Leser der Prozeßakten dazu ein, diese Leerstelle ungeachtet der zeitlichen Ereignisabfolge auf den ,Mirouer‘ hin zu interpretieren. Layette J. 428, no. 17, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 62. Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 65: „Dicens videlicet se esse angelum Philadelphie et exponens verbum, dicit quod angelus est nomen officii non nature et Philadelphia interpretatur: salvans adhesionem Domini vel adherentem Domino et sic reputo me missum ad salvandum adhesionem Domini vel adherentem Domino in exclesia Dei.“ Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 66: „[…], et quod ipse Remis se exposuit pro talibus personis contra predicatores et minores, qui minores directe predicabant contra tales, et Parisiis etiam se exposuit pro Marguareta dicta Porret.“
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falle 59. Erst Marguerites Starrsinn habe schließlich zur Verhängung der excommunicatio maior geführt, die sie in ihrer Verstocktheit fast eineinhalb Jahre lang ertragen habe, anstatt die ihr angebotenen kirchlichen Heilmittel anzunehmen 60. Mit anderen Worten, Marguerite gerät bereits vor ihrer Exkommunikation durch Guillaume de Paris im Jahre 1308 ins Visier der Inquisition 61. Die Ermittlungen beinhalten mehrere Verhöre, während deren sie auch zur Denunziation von anderen aufgefordert wird. Damit aber dringt ein - wenn auch nur sehr schwacher - Lichtstrahl in jenes Dunkel, das Marguerites soziales Umfeld verhüllt. Keineswegs erscheint sie - wie in manchen modernen Forschungsbeiträgen - als mutige Einzelkämpferin, sondern als Mitglied einer Gruppe. Diese Auskunft tritt ergänzend zu jenen anderen sporadischen Mitteilungen über ihren gesellschaftlichen Status hinzu, die sich in den Prozeßakten finden: ihre abschätzige Bezeichnung als „quedam beguina“; die Auskunft über ihre Kontakte zu Begarden, denen sie verbotenerweise ihr verurteiltes Buch beziehungsweise ein diesem ähnliches hat zukommen lassen 62; und schließlich ihre Verteidigung durch den als „quidam beguinus“ titulierten Guiard de Cressonessart 63. In der modernen Forschung werden diese Informationen in der Regel im Lichte des ,Mirouer‘ interpretiert, dessen hohes literarisches wie spekulatives Niveau nur eine Deutungsmöglichkeit zuzulassen scheint: Marguerite stamme aus einer angesehenen patrizischen oder sogar aristokratischen Familie, der sie
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Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 81: „[…], constat et constitit evidentibus argumentis te, Margaretam de Hannonia, dictam Porete, super labe pravitatis heretice vehementer esse suspectam, propter quod citari te fecimus, ut compareas in iudicio coram nobis, in quo existens personaliter a nobis indita pluries canonice et legitime, ut coram nobis iuramentum prestares de plena, pura et integra veritate dicenda de te et de aliis super hiis que ad nobis commissum inquisitionis officium pertinere noscuntur; que facere contempsisti, licet a nobis fueris pluries super hoc et locis pluribus requisita, in hiis effecta contumax et rebellis“ (Hervorhebungen L. W.). Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 81: „Pro quibus, contumaciis et rebellionibus evidentibus et notoriis hoc exigentibus, de multorum peritorum consilio, in te, sic rebellem et contumacem, sententiam maioris excommunicationis tulimus et in scriptis, quam, licet tibi notificata fuisset, post notificationem predictam fere per annum et dimidium in tue salutis dispendium sustinuisti animo pertinaci, licet tibi pluries obtulerimus nos tibi absolucionis beneficium impensuros secundum formam ecclesie, si hoc humiliter postulares, quod usque nunc petere contempsisti nec iurare nec respondere nobis super premissis hactenus voluisti.“ Die Verhaftung Marguerites wird gewöhnlich mit dem Zeitpunkt ihrer Exkommunikation durch Guillaume de Paris gleichgesetzt, cf. etwa Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ [nt. 12], 346. Tatsächlich ist in den Akten nie eindeutig von einem Gefängnisaufenthalt Marguerites die Rede; sie lassen jedoch keinen Zweifel daran, daß ihr letztlich nur die Wahl zwischen lebenslanger Haft - im Falle eines Geständnisses - und dem Todesurteil bleiben wird. Cf. dazu unten, nt. 82. Unklar bleibt auch, wann exakt Marguerite erstmals vor dem Großinquisitor erscheinen muß. Während das Schlußurteil suggeriert, daß Guillaume de Paris von Anfang an in die Befragungen involviert ist (cf. oben, nt. 54), deutet die Auskunft des ersten Kanonikerurteils über Marguerite (Layette J. 428, no. 19, in: Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 61) eher darauf hin, daß erst ihr hartnäckiger Widerstand zu seinem persönlichen Eingreifen führt: „Ipsam namque post multas contumacias in non comparendo commissas tandem coram se fecit personaliter presentari.“ Cf. unten, 217. Layette J. 428, no. 16, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 56.
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ihre ungewöhnliche Bildung verdanke 64; diesem sozialen Background entsprechend, müsse sie einer renommierten Beguinage - vermutlich in Valenciennes, dem Ort der Erstverurteilung - angehört haben 65. Daß ausgerechnet Guiard, der gesellschaftlich niedrigstehende Sektierer, gegen die Inquisition für Marguerite eintritt, stellt bei einer solchen Interpretation freilich ein nur schwer integrierbares Irritationsmoment dar: „Et de fait, ce be´gard appartient a` un tout autre monde que la be´guine tre`s cultive´e dont il a pris la de´fense.“ 66 Dieses Irritationsmoment löst sich allerdings auf, sobald man die in den Prozeßakten dargelegte Ereignisabfolge zu ihrem Recht kommen läßt und diese mit den vereinzelten Informationen über Marguerites soziale Verortung zusammensieht, ohne von vornherein die uns heute als ,Mirouer des simples ames‘ bekannte Schrift als Deutungsleitfaden hinzuzuziehen. Dann nämlich zeichnet sich bei einer linearen Lesart der Ereignisse folgende Interpretationsmöglichkeit ab: Irgendwann vor dem Oktober 1308 67 gerät Marguerite Porete aus uns unbekannten Gründen - vielleicht durch ein auffälliges Verhalten, durch Denunziation oder aufgrund eines Gerüchts - in das Blickfeld der Inquisition 68. Ihre bei diversen Verhören zutage tretende Weigerung zur Kooperation bestärkt den Häresieverdacht, zumal sie - sei es zu Recht oder zu Unrecht - einer sektiererischen Gruppierung zugerechnet wird, auch wenn sie selbst darüber keinerlei Auskunft gibt. Die herablassende Bezeichnung als „quedam beguina“ läßt sich vor dem Hintergrund damals aktueller Stereotypen ohne weiteres in dieser Richtung verstehen 69. Aufgrund ihrer fortgesetzten pertinacia, nach zeitgenössischem Verständnis ein deutliches Signal für Ketzerei 70, wird sie schließlich dem Generalinquisitor für das Königreich Frankreich ausgeliefert - über dessen Amt sie im übrigen erst belehrt werden muß, was für eine hochgebildete Begine zumindest
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Cf. Ruh, Geschichte (nt. 11), 340, 357 sq.; Heimerl, Frauenmystik (nt. 12), 104. Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), stellt ihre gesamte Studie - wie der Titel bereits ankündigt - unter die Deutungsperspektive Marguerites als einer Intellektuellen; cf. auch ibid., 43. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 11), 340, nt. 2. Lerner, New Light (nt. 4), 93 hält es ebenfalls für sehr wahrscheinlich, daß Marguerite in der Beguinage zu Valenciennes ansässig war. Als mögliche, jedoch nicht zu beweisende Alternative schlägt er den Beginenhof in Masny vor (ibid., 107). Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 110, vermutet dagegen, daß Marguerite außerhalb eines Beginenhofes wohnhaft war. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 48. Dieser terminus ante quem ergibt sich daraus, daß Marguerite im April 1310 seit ungefähr eineinhalb Jahren exkommuniziert war. Daß sich der objektive Tatbestand der Häresie im 13. Jahrhundert ständig erweiterte und auch bestimmte Verhaltensweisen einbezog, wobei schon das Gerücht zur Begründung eines Häresieverdachts ausreichte, führt Winfried Trusen aus, cf. id., Der Prozeß gegen Meister Eckhart. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft N. F. 54), Paderborn 1988, darin c. 6: „Zum Häresiebegriff im Spätmittelalter“ (164-183). Cf. dazu die Ausführungen weiter unten unter III. Cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 68), besonders 166, 172.
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ungewöhnlich wäre 71. Unklar bleibt dabei der Ort ihrer Verhaftung. Allerdings scheinen sich die Ermittlungen gegen sie auch auf Paris erstreckt zu haben, sei es, weil sie sich dort aufhielt, sei es, weil sie anderweitige Verbindungen zu dort ansässigen oder zumindest anwesenden Personen unterhielt. Anders wäre kaum zu erklären, warum Guiard de Cressonessart nach eigener Auskunft in Paris für sie Stellung bezog und dabei mehrfach mit der Inquisition in Konflikt geriet, bevor er endgültig verhaftet wurde. Daß sich dieser beguinus für Marguerite einsetzte, legt zudem die Vermutung nahe, daß er sie als seinem eigenen Milieu zugehörig betrachtete - eine Einschätzung, die von der Inquisition offenbar geteilt oder zumindest für ihre Zwecke ausgenutzt wird 72. Nachdem Marguerite auch dem Großinquisitor standhält - also weder den geforderten Eid ablegt noch irgendeine andere Aussage macht -, sieht dieser sich dazu herausgefordert, die gegen sie vorliegenden Verdachtsmomente auf andere Weise zu erhärten und stößt bei seinen Ermittlungen auf Informationen über jenes verderbliche Buch, welches Marguerite trotz des Verbreitungsverbotes neben dem Bischof von Chaˆlons auch „begardis et aliis“ zukommen ließ, nach der hier vorgeschlagenen Deutung der Ereignisse also Mitgliedern ihres eigenen sozialen Standes 73. 3. Die Darstellung von Marguerites Autorinnenrolle in den Prozeßakten Damit gilt es nun, die Aufmerksamkeit auf jenes Werk zu lenken, welches Marguerites Ruhm in erster Linie begründet. Aber wie eindeutig und exakt äußern sich die Prozeßakten - insbesondere wiederum das zweite Urteil des Kanonikergremiums und das Schlußverdikt des Großinquisitors - über die schriftstellerische Tätigkeit der Begine? Außer Zweifel dürfte stehen, daß Marguerite sich in Form eines umfangreicheren Werkes öffentlich in einer Weise zu theologischen Themen geäußert hat, die aus der Perspektive der Amtskirche Anstoß erregte. Denn bei seinen Ermittlungen bringt Guillaume de Paris durch die Aussagen mehrerer, nicht namentlich genannter Zeugen in Erfahrung, daß die Verdächtige ein gewisses Buch voller Häresien und Irrtümer verfaßt habe, welches durch den damaligen Bischof von Cambrai verdammt und auf seine Veranlassung hin öffentlich verbrannt worden sei 74. Titel und Inhalt der verurteilten Schrift werden allerdings nicht genannt. Um Marguerites weiteres Fehlverhalten zu belegen, verweist der Großinquisitor nun auf die Aussagen zweier sozial hochrangiger und deshalb als besonders 71
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Das erste Urteil der Kanoniker über Marguerite merkt tadelnd an, daß sie in ihrer Halsstarrigkeit verharrte, „quamvis postea sufficienter informata ipsum fratrem Guillelmum inquisitorem plane recognosceret et etiam fateretur“ (Layette J. 428, no. 19, in: Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 61). Cf. dazu die Ausführungen weiter unten unter III. Die herkömmliche Interpretation, daß der Bischof von Chaˆlons Marguerite aufgrund ihrer vornehmen Herkunft sozial näher stand als jene simplices, verkehrt sich damit in ihr Gegenteil. Cf. das Zitat oben, 211.
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glaubwürdig geltender Zeugen: den (namentlich nicht genannten) Inquisitor von Lothringen und den neuen Bischof von Cambrai, Philippe de Marigny 75. Ihnen habe Marguerite gestanden, auch nach der Verurteilung besagtes Buch und andere mit sich geführt zu haben: „Invenit etiam idem inquisitor quod ipsa recognivit in iudicio semel coram inquisitore Lotharingie et semel coram reverendo patre domino Philippo, tunc Cameracensi episcopo, se post condemnationem predictam habuisse librum dictum et alios.“ 76
Weiterhin bleiben Titel und Inhalt „besagten Buches“ im dunkeln. Gleiches gilt für jene „anderen Bücher“, die sich in Marguerites Besitz befunden haben sollen. Ebenso wird verschwiegen, ob diese Schriften auch aus ihrer Feder stammen oder nicht. Zu beachten ist außerdem, daß uns die Information über Marguerites Fehlverhalten nur über eine ganze Reihe von Vermittlungsstufen zugänglich ist. So hält das zweite Urteil der Kanonikerkommission ja nicht etwa fest, daß die Begine mitsamt ihrem Buch aufgegriffen worden sei, sondern gibt in der Version der Inquisitionsnotare die Auskunft Guillaumes de Paris über seine Ermittlungen wieder, denen zufolge er durch Zeugenaussagen vom Geständnis Marguerites erfahren habe, weiterhin im Besitz ihres verbotenen Buches gewesen zu sein. Eine direkte Verbindung zwischen dem ,Mirouer‘ und der häresieverdächtigen mulier religiosa läßt sich daraus kaum ableiten. Zwar verschleiert das Urteil die prekäre Beweislage, indem es die Autorität des Inquisitors in den Vordergrund stellt und damit die Zuverlässigkeit der durch ihn vermittelten Informationen hervorhebt. Auf ein greifbares und inhaltlich definiertes Corpus delicti verweist es jedoch nicht. Dies aber ist umso erstaunlicher, als das zweite Verdikt der Kanoniker über Marguerite erst nach der Verurteilung des ,Mirouer‘ durch die Theologenkommission fällt 77. Abgesehen von den Auskünften der beiden bereits genannten Zeugen bringt der Inquisitor in Erfahrung, daß Marguerite nicht nur gegen das ihr auferlegte Besitz-, sondern auch gegen das damit verbundene Verbreitungsverbot verstoßen hat, indem sie ihr Werk - wie bereits mehrfach erwähnt - dem Bischof von Chaˆlons sowie Begarden und anderen einfachen Personen zukommen ließ. Von besonderem Interesse ist hier eine merkwürdig gewundene Formulierung, die den zuvor als Faktum dargestellten Besitz des verbotenen Buches durch Marguerite plötzlich in ein anderes Licht taucht. Das zweite Kanonikerurteil äußert sich über die Distribution des weiterhin titellosen Werkes nämlich wie folgt: 75
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Zu ihm cf. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 79 sq.; M. Porete, The Mirror (nt. 5), 24 (Einleitung). Philippe war seit 1306 Bischof von Cambrai, wurde jedoch bereits 1309 Erzbischof von Sens. Layette J. 428, no. 19bis, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 78. Cf. auch Layette J. 428, no. 15, in: ibid., 82: „Post vero ista omnia dictum librum contra dictam prohibitionem pluries usa es, sicut ex tuis patet recognitionibus, factis non solum coram inquisitore Lotharingie, sed et coram reverendo patre et domino domino Johanne (corrigendum: Philippo), tunc Cameracensi episcopo, nunc archiepiscopo Senonensi.“ Cf. dazu auch die Ausführungen weiter unten, 218.
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„Invenit etiam inquisitor quod dicta Margarita dictum librum in suo consimili eosdem continentem errores post ipsius libri condempnationem reverendo patri domino Johanni, Dei gratia Cathalaunensi episcopo, communicavit ac necdum dicto domino sed et pluribus aliis personis simplicibus, begardis et aliis, tamquam bonum.“ 78
Damit scheint es, daß Marguerite nicht etwa eines oder mehrere Exemplare ihres ursprünglichen Buches behalten, sondern eine neue, wenn auch der alten sehr ähnliche Fassung geschrieben hat 79. Die Darstellung von Marguerites Autorentätigkeit in den Prozeßakten erweist sich damit als ebenso komplex wie undurchsichtig. Zweifelsfrei steht nach ihrer Lektüre nur fest, daß die mulier religiosa einst ein Buch unbekannten Titels und Inhalts verfaßt hat, welches der damalige Bischof von Cambrai für häretisch erklärte. Von diesem Werk existiert möglicherweise eine zweite Version, die Marguerite nach ihrer ersten Verurteilung geschrieben und verbreitet hat. Eventuell trägt sie darüber hinaus noch für weitere Bücher die Verantwortung, von denen allerdings nur am Rande die Rede ist. Die mit diesen Informationen verbundene Unsicherheit über Marguerites schriftstellerisches Schaffen spiegelt sich darin wider, daß die Präsentation eines Corpus delicti ausgerechnet in jenen Prozeßdokumenten fehlt oder nur sehr verhalten erfolgt, die den Häresieverdacht und damit das harsche Urteil gegen die Begine begründen. Daß der ,Mirouer‘ als Initiationsmoment des Prozesses nicht infrage kommt, wurde bereits erläutert 80. Dementsprechend basiert das Verdikt, das die Kanoniker am 3. April 1310 - also vor der Einberufung der Theologenkommission zur Begutachtung des ,Mirouer‘ - über Marguerite fällen, nicht auf ihrer Autorinnenrolle, sondern auf ihrem Verhalten. Ihr rebellischer und starrsinniger Widerstand gegen die Inquisition begründet jene praesumptio violenta, die ihr unabhängig von jedem Beweis das Stigma der Häretikerin aufdrückt 81. Freilich heißt es in demselben Dokument, daß Marguerite unter der Voraussetzung einer Rückkehr zum orthodoxen Glauben die Auslieferung an den welt78 79
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Layette J. 428, no. 19bis, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 78 (Hervorhebung L. W.). Im endgültigen Urteil Guillaumes de Paris fehlt diese Ambiguität. Hier wird der Sachverhalt vielmehr dahingehend vereindeutigt, daß Marguerite ihr verurteiltes Buch verschickt habe, cf. Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 82: „Dictum etiam librum post condempnationem et combustionem predictas sicut bonum et licitum communicasti reverendo patri domino Johanni, Cathalaunensi episcopo, et quibusdam personis aliis, prout ex plurium fidedignorum iuratorum et super hiis coram nobis evidentibus testimoniis nobis liquet.“ Nichtsdestotrotz spielt auch dieses Dokument auf mehrere Schriften Marguerites an, cf. ibid., 81: „Pro quibus, contumaciis et rebellionibus evidentibus et notoriis hoc exigentibus, de multorum peritorum consilio, in te, sic rebellem et contumacem, sententiam maioris excommunicationis tulimus et in scriptis.“ Cf. oben unter II. 2. Layette J. 428, no. 19, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 61: „facto et processu prelibatis suppositis, ulterius contra dictam mulierem sic fore iuxta iuris exigentiam procedendum, videlicet quod, cum prefata notabilis suspicio heresis primo in vehementem et postmodum in violentam presumptionem transiverit, suis contumaciis, rebellionibus et pertinaciis pensatis et hoc exigentibus iuris interpretatione, prefata mulier infelix pro heretica est habenda et diffinitive tamquam heretica condempnanda relinquendaque curie seculari, […].“ Zur praesumptio violenta cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 68), 166.
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lichen Arm der Justiz vermeiden könne und statt dessen auf eine lebenslange Kerkerhaft hoffen dürfe. So solle sie daran gehindert werden, ihre „verpesteten Lehren“ zu verbreiten 82. Diese Aussage hat jedoch weder etwas mit der Urteilsbegründung zu tun noch bezieht sie sich auf eine Schrift Marguerites. Vielmehr handelt es sich um eine Standardfloskel, die in exakt derselben Weise auch auf Guiard Anwendung findet, von dem definitiv kein eigenes Werk vorliegt 83. Immerhin deutet die Formulierung darauf hin, daß sowohl Marguerite als auch Guiard einem sozialen Milieu zugerechnet werden, das für die Verbreitung häretischer Lehren berüchtigt ist. Damit bestätigt sich einmal mehr, daß die Inquisitoren die mulier religiosa nicht als Einzelfigur, sondern als Mitglied einer Gruppe betrachten oder zumindest den Eindruck einer solchen Zugehörigkeit erwecken wollen. Anders als bei ihrer ersten Urteilsverkündung besteht für die Kanoniker bei der Begründung ihres zweiten Verdikts die Möglichkeit, auf das durch die Theologenkommission inkriminierte Werk Bezug zu nehmen. Auffallenderweise machen sie davon jedoch keinerlei Gebrauch, sondern führen die Argumentationslinie der Erstverurteilung weiter: Basierend auf den Ausführungen des Großinquisitors, verweisen sie erneut auf Marguerites Fehlverhalten - und nicht etwa auf doktrinäre Gründe -, um sie als rückfällige Häretikerin zu diskreditieren. Zwar bezieht sich die Urteilsbegründung insofern auf Marguerites Autorinnenrolle, als sie auf den Zeugenaussagen über ihre angeblichen Aktivitäten nach der Buchverbrennung in Valenciennes beruht, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrer Lehre wird jedoch ebenso vermieden wie die Nennung eines Buchtitels oder der beanstandeten Thesen 84. Die Begutachtung des ,Mirouer‘ beziehungsweise der aus ihm isolierten Einzelsätze durch das Theologengremium wirkt daher in Hinblick auf die beiden Kanonikerurteile merkwürdig isoliert. Die Argumentation der Kirchenrechtler für Marguerites Schuld scheint strategisch so ausgerichtet zu sein, daß sie unabhängig von einem Corpus delicti Bestand hat. Der ,Mirouer‘ als faktisch vorhandenes Beweisstück wird damit letztlich überflüssig. 82
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Layette J. 428, no. 19, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 61: „[…], prefata mulier infelix pro heretica est habenda et diffinitive tamquam heretica condempnanda relinquendaque curie seculari, debitam ultionem pro qualitate criminis receptura, nisi confestim ante sententiam vel post penituerit recurrens sponte ad fidei catholice unitatem et errorem suum ad arbitrium ipsius inquisitoris publice consentiens abiurare. Quo casu pro tanti sui excessus satisfactione subeunda et, ne forsan alios infirmos pestiferis doctrinis inficiat, in carcerem perpetuum merito detrudetur.“ Cf. Layette J. 428, no. 16, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 57. Layette J. 428, no. 19bis rechtfertigt die Verurteilung Marguerites als haeretica relapsa mit der Zuverlässigkeit der Erkenntnisse des Großinquisitors, die ihrerseits auf Zeugenaussagen beruhen, cf. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 78: „Consultatio autem ex predictis resultans per prefatum inquisitorem, ut pretactum est, nobis facta talis est, videlicet utrum ex talibus dicta beguina debeat relapsa iudicari? Nos autem fidei catholice zelatores veritatisque canonice professores qualescumque consultationi predicte respondentes dicimus, quod ipsa beguina, supposita veritate facti precedentis, iudicanda est relapsa et merito reliquenda est curie seculari.“
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Erst Guillaume de Paris nimmt in seinem formalen Schlußurteil auf den ,Mirouer‘ Bezug und integriert damit das Gutachten der Theologenkommission nachträglich in den Prozeßverlauf. Zuvor allerdings werden die bereits von den Kanonikern ins Feld geführten Gründe für Marguerites Verurteilung als Häretikerin geltend gemacht, das heißt ihre pertinacia, die aus juristischer Sicht vor allem in der Verweigerung des iuramentum de veritate dicenda sowie jeglicher weiteren Aussage zum Vorschein getreten ist 85, und ihre Mißachtung des bischöflichen Verbots, ihr verurteiltes Werk weiterhin zu besitzen und zu verbreiten 86. Nachdem so eine argumentative Basis für Marguerites Verurteilung geschaffen ist, die auf den faktischen Beleg ihrer Autorentätigkeit eigentlich verzichten kann, wird doch noch das Urteil der Theologenkommission über den ,Mirouer‘ ins Spiel gebracht. Dabei beschränkt sich das Dokument allerdings darauf, ohne Nennung inhaltlicher Aspekte im Anschluß an die vohergehenden Ausführungen auf den häretischen Charakter „besagten Buches“ zu verweisen und unter Androhung der Exkommunikation auf der Aushändigung eventuell noch im Umlauf befindlicher Exemplare zu bestehen 87. Der abschließende Rekurs des Großinquisitors auf das Theologenvotum wirkt so zwar als zusätzliche Verstärkung der Urteilsbegründung, eine eigenständige Funktion kommt ihm jedoch 85
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Nachdem zunächst Marguerites rebellisches Verhalten geschildert worden ist (nt. 59, 60), folgt die kirchenrechtliche Konsequenz (Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 81): „Propter que secundum xanctiones canonicas pro convicta et confessa ac pro lapsa in heresim seu pro heretica te habemus et habere debemus.“ Der Schilderung von Marguerites Verstößen gegen das bischöfliche Urteil folgt ihre endgültige Stigmatisierung als rückfällige Häretikerin, was ihre Überantwortung an den weltlichen Arm der Justiz rechtfertigt (Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 82): „Nos igitur super premissis omnibus deliberatione prehabita diligenti communicatoque multorum peritorum in utroque iure consilio. Deum et sacrosancta evangelia habentes pre oculis, de reverendi patris et domini domini Guillelmi, Dei gratia Parisiensis episcopi, consilio et assensu, te, Margaretam, non solum sicut lapsam in heresim, sed sicut relapsam finaliter condempnamus et te relinquimus iusticie seculari, rogantes eam ut citra mortem et membrorum mutilationem tecum agat misericorditer, quantum permittunt canonice xanctiones.“ Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 82: „Dictum etiam librum tanquam hereticum et erroneum utpote errorum et heresum contentivum iudicio magistrorum in theologia Parisiis existentium et de eorundem consilio finaliter condempnamus ac nunc exterminari volumus et comburi, universis et singulis habentibus dictum librum precipientes disctricte et sub pena excommunicationis, quod infra instans festum apostolorum Petri et Pauli nobis vel priori fratrum predicatorum, nostro commissario, sine fraude reddere teneantur.“ Ob die Inquisition tatsächlich mit im Umlauf befindlichen ,Mirouer‘-Exemplaren rechnet, sei dahingestellt. Es könnte sich bei der Aufforderung zur Auslieferung genausogut um eine Floskel handeln, die den formalen Anforderungen des Verfahrens gegen Marguerite geschuldet ist. Zwar wird in der Forschung des öfteren darauf verwiesen, daß der ,Mirouer‘ „zur erfolgreichsten Schrift der älteren Frauenmystik geworden“ sei (Ruh, Geschichte [nt. 11], 345; cf. auch Peters, Religiöse Erfahrung [nt. 19], 67 sq.). Demgegenüber nimmt sich die jüngste Einschätzung Robert Lerners (New Light [nt. 4], 110) jedoch sehr nüchtern aus: „To say, then, that we can identify at least eight or ten French ,Mirrors‘ in existence in the vicinity of the Low Countries between circa 1300 and circa 1500 would seem to be on the mark.“ Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß Marguerite ihr verurteiltes Werk keineswegs wahllos herumgeschickt hat, sondern nur wenigen auserwählten Personen zukommen ließ. Außerdem steht keineswegs fest, daß jenes von ihr verbreitete Buch mit dem ,Mirouer‘ - also der dem Theologengremium vorgelegten Fassung - identisch ist. Cf. dazu die weiteren Ausführungen in diesem Kapitel.
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nicht zu. Es ist willkommen, aber nicht unbedingt notwendig, um über Marguerite den Stab zu brechen. Festhalten läßt sich, daß der Inquisition durchaus daran gelegen ist, einen handfesten Beweis für Marguerites Ketzerei aufzubieten, und zwar in Gestalt jenes Buches, das bereits den Bischof von Cambrai zum Einschreiten veranlaßt hat. Allerdings scheint es schwierig zu sein, jenes - nur aufgrund von Zeugenaussagen bekannte - Werk ausfindig zu machen und der jede Auskunft verweigernden Begine zweifelsfrei zuzuschreiben. Dementsprechend vermeiden es die Prozeßakten, dem ,Mirouer‘ ungeachtet des einstimmigen Verdikts der ausgesprochen hochkarätig besetzten Theologenkommission bei der Urteilsbegründung jenes Gewicht zu verleihen, das eigentlich zu erwarten gewesen wäre 88. Das aber bedeutet: Angesichts der unklaren Darstellung von Marguerites schriftstellerischer Tätigkeit in den Prozeßakten läßt sich bis heute nicht mit Sicherheit feststellen, in welchem Bezug der ,Mirouer‘ zu ihr steht. Handelt es sich tatsächlich um jenes Buch, welches der Bischof von Cambrai verbrennen ließ, dann jedoch in jener ursprünglichen Gestalt, die heutzutage nur noch in der mittelenglischen Version bewahrt wird? Oder gelangte der Inquisition jene Fassung in die Hände, die Marguerite nach der Zerstörung ihres Werkes von neuem verfaßte und dann an den Bischof von Chaˆlons und mehrere ,einfache‘ Personen weiterleitete? Oder sah sich die Kirche gezwungen, auf eines der anderen von Marguerite mitgeführten Bücher zurückzugreifen, da von der verurteilten Schrift keine Exemplare mehr existierten? Besteht angesichts der in den Prozeßakten greifbaren Bemühungen um die Schaffung einer vom ,Mirouer‘ unabhängigen Legitimationsbasis für das Urteil nicht sogar die Möglichkeit, daß die Schrift gar nichts mit Marguerite zu tun hat? Und muß sich bei dem bis heute vergeblichen Versuch, die inkriminierten Sätze aus dem ,Mirouer‘ eindeutig bestimmten Kapiteln zuzuweisen, nicht die Frage stellen, ob die den Theologen vorgelegte Version überhaupt mit der zuvor in Umlauf gebrachten und weitertradierten Fassung identisch ist? 89 88
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Verdeyen vermutet, daß die sorgfältig ausgesuchte Besetzung der Theologenkommission auf die „Approbatio“ Gottfrieds von Fontaines zurückzuführen ist, cf. id., Le proce`s (nt. 21), 52 sq. Dies würde erklären, warum so viel Aufwand getrieben wird, obwohl Marguerites Verurteilung als Häretikerin bereits feststeht und obwohl ihre Verfasserschaft unsicher erscheint. Daß der ,Mirouer‘ ungeachtet der Verdammung durch den einstigen Bischof von Cambrais nochmals einer Begutachtung unterzogen wird, mag zudem ein Hinweis darauf sein, daß von jenem verbrannten Werk unbekannten Titels und unbekannten Inhalts kein Exemplar mehr auffindbar war, was eine Neuevaluierung des ,Mirouer‘ angebracht erscheinen ließ. Es bestünde beispielsweise die Möglichkeit, daß die von den Theologen verurteilten Thesen tatsächlich aus jener ursprünglichen Version des ,Mirouer‘ stammen, die der Bischof von Cambrai verurteilt hat (vorausgesetzt, daß es sich wirklich um den ,Mirouer‘ handelte), während die heute vorwiegend zum Vergleich herangezogene mittelfranzösische beziehungsweise lateinische Version auf jener Fassung beruht, die Marguerite nach der Zerstörung ihres Originalwerkes in Valenciennes geschrieben und in Umlauf gebracht hat. Zwar hält es Lerner (New Light [nt. 4]) für unwahrscheinlich, daß Marguerite für den Archetyp der im Chantilly-Manuskript bewahrten mittelfranzösischen Version verantwortlich ist, da diese gegenüber dem Ursprungstext vielfach geglättet erscheint. Dennoch ist es denkbar, daß Marguerite bei der Neufassung ihres Werkes einige der theologischen Spitzen herausnahm, bevor sie es an den Bischof von Chaˆlons sandte.
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Hier ist nicht der Ort, diese Fragen weiter zu verfolgen. Es sollte jedoch deutlich geworden sein, daß die in den Prozeßdokumenten enthaltenen Informationen zu Marguerites Autorinnenrolle weitaus vielschichtiger, aber auch lückenhafter sind, als die in der modernen Forschung etablierte vereindeutigende Interpretation suggeriert. 4. Das Votum der Theologenkommission zwischen Isolation und Integration Hinsichtlich des Votums der Theologenkommission fällt zunächst auf, daß es erst verhältnismäßig spät erfolgt, nämlich nachdem die Kanoniker bereits ihr erstes Urteil über Marguerite und Guiard gefällt haben 90. Ein möglicher Grund für diese verzögerte Einholung des theologischen Gutachtens findet sich in jenem Prozeßdokument, das über die erste Verurteilung Guiards als Verteidiger und Begünstiger Marguerites berichtet 91. In einem einleitenden Teil wird hier auf eine vorbereitende Sitzung im März 1310 Bezug genommen, an der sich neben den Kanonikern auch einige jener Theologen beteiligen, die wenig später über die Rechtgläubigkeit des ,Mirouer‘ zu entscheiden haben. Zu jenem früheren Zeitpunkt aber beschließen die Theologen, das Verfahren in die Hände der Kirchenjuristen zu legen: „Quidam magistri in theologia et decretis, deliberatione inter ipsos ad invicem habita pleniori, consulendo eidem inquisitori decreverunt stare consultationi seu consilio magistrorum in decretis, […].“ 92
Rügend merkt Verdeyen dazu an: „Les meˆmes the´ologiens qui ont condamne´ le livre comme he´re´tique n’ont pas voulu collaborer directement au proce`s qui devait proclamer son auteur comme he´re´tique et relapse.“ 93 Tatsächlich dürfte dieser Rückzug jedoch darin begründet sein, daß die Theologen sich zunächst weder zu Guiards noch zu Marguerites Fall zu äußern vermögen, da ihnen keine doktrinären Irrtümer bekannt sind. Guiard wird sein Geständnis erst am 9. April
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Da ein altfranzösisches Textfragment und die mittelenglische Übersetzung die ursprüngliche Schärfe des ,Mirouer‘ bewahren (cf. Lerner, l. c.), könnten parallel mehrere Versionen in Umlauf gewesen sein. Die folgenden Überlegungen basieren auf der Datierung Robert Lerners, wonach die Verurteilung des ,Mirouer‘ durch die Theologenkommission am 11. April 1310 stattfindet, also acht Tage, nachdem die Kanoniker Marguerite zur Häretikerin erklärt haben. Verdeyen dagegen legt die Beratschlagung des Theologengremiums auf den 11. April 1309, was von zahlreichen Forschungsbeiträgen übernommen worden ist. Lerner allerdings kann sehr plausibel machen, daß es sich hier um einen Datierungsfehler handelt, cf. id., New Light (nt. 4), nt. 9. Cf. auch M. Porete, The Mirror (nt. 5), 56 sq., nt. 83. Wenn Verdeyen (Le proce`s [nt. 21], 55) schreibt: „L’action contre Marguerite e´tait fonde´e sur la condamnation de son livre“, so geht er von seiner Datierung aus. Tatsächlich aber hat das Vorgehen der Amtskirche gegen Marguerite zunächst wohl nichts mit dem ,Mirouer‘ zu tun. Cf. dazu auch die Ausführungen oben unter II. 2. Layette J. 428, no. 16, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 56 sqq. Layette J. 428, no. 16, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 56. Dabei geht er freilich davon aus, daß sich die Theologen zurückziehen, nachdem sie Marguerites Buch verurteilt haben. Tatsächlich folgt ihr Häresieverdikt jedoch erst später; cf. oben, nt. 90.
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1310 ablegen, schriftlich liegt von ihm nichts vor. Marguerite dagegen wird stumm bleiben. Wie aber sieht es mit dem ,Mirouer‘ als Zeugnis ihrer Lehre aus? Angesichts jener Schwierigkeiten, die bei der Auffindung und Zuschreibung des verworfenen Buches bestanden zu haben scheinen, liegt die Vermutung nahe, daß es im März 1310 noch nicht zur Hand war. Mit der Einberufung der Theologenkommission am 11. April 1310 wird das Fehlen der theologischen Komponente nachträglich ausgeglichen. Trotzdem bleibt das abgegebene Votum innerhalb des Gesamtverfahrens seltsam isoliert, und dies nicht nur, weil es von den Kanonikern ignoriert wird und auch bei der finalen Urteilsverkündigung keine eigenständige Rolle spielt. Während nämlich alle anderen Prozeßakten den Namen Marguerites erwähnen, ist dies ausgerechnet in jenem Dokument, welches das Urteil der Theologen über den ,Mirouer‘ festhält, nicht der Fall. Vielmehr bleiben sowohl der Titel des zu begutachtenden Buches als auch sein Verfasser beziehungsweise seine Verfasserin ungenannt 94. Das Schriftstück berichtet: „[…] in eodem loco congregatis, idem inquisitor ab eisdem magistris consilium postulavit quid esset faciendum de quodam libro quem ibi ostendit, de quo extracti fuerant plures articuli ibidem exhibiti, quos eis demonstraverat, ut dicebat.“ 95
Daß jenes Buch, aus dem eine Anzahl anstößiger Sätze zur Evaluierung ausgewählt wird, auf Marguerite zurückgeht, bleibt somit eine Schlußfolgerung, die dem Leser der Prozeßakten zwar nahegelegt, jedoch nicht explizit formuliert wird 96. Hinzu kommt, daß die inkriminierten Artikel, von denen ohnehin nur zwei publiziert werden, im weiteren Verlauf des Verfahrens keine Erwähnung mehr finden. Überhaupt verzichtet man auf jegliche theologische Auseinandersetzung mit Marguerites Lehre, obwohl zu vermuten ist, daß der Kommission auch dezidierte Theologumena präsentiert wurden. Denn schließlich bietet der ,Mirouer‘ selbst noch in der geglätteten mittelfranzösischen Fassung der Chantilly-Handschrift ein reiches Reservoir prekärer Aussagen über das Verhältnis von Gott und menschlicher Seele. Daß das Theologenvotum trotz seiner inhaltlichen Distanz zu den übrigen Akten integraler Bestandteil des Verfahrens bleibt, verdankt sich nicht nur der erneuten Einberufung jener Theologen, die zuvor eine Involvierung in den Prozeß abgelehnt hatten. Das gezielte Bemühen um die Konstruktion eines Zusammenhanges zwischen dem verurteilten Buch und der für häretisch befundenen Begine offenbart sich auch im Rückgriff des Großinquisitors auf das Theologen94
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Das triff im übrigen auf alle bis heute bekannten Handschriften des ,Mirouer‘ zu, cf. Verdeyen, Ruusbroec’s Opinion (nt. 16), 121. Layette J. 428, no. 15, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 50. Die moderne Edition dagegen überläßt die Auffüllung dieser Leerstelle nicht dem Leser, sondern stellt das Dokument unter die Überschrift (Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 50): „Les maıˆtres de the´ologie de Paris condamnent le livre de Marguerite Porete (11 avril 1309).“ Die in der Prozeßakte mitschwingende Unsicherheit über Marguerites Verfasserschaft wird damit eliminiert.
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votum in seiner abschließenden Urteilsverkündung sowie in der gemeinsamen Überlieferung genau dieser beiden Dokumente 97. Als besonders interessant erweist sich in diesem Zusammenhang auch die Publikation der beiden inkriminierten Sätze. Gerade weil sie weder spezifisch theologisch noch typisch für das literarische Eigenprofil des ,Mirouer‘ sind, vermögen sie eine Verbindung zu der auf Marguerites Fehlverhalten fixierten Urteilsbegründung herzustellen: Indem sie die Verweigerung aller kirchlichen und gesellschaftlichen Normen propagieren, verweisen sie auf ein als gefährlich eingestuftes Beginen-Begarden-Milieu und damit auf den sozialen Kontext, in den Marguerite eingeordnet wird. Mit anderen Worten: Selbst wenn der ,Mirouer‘ ihr nicht mit hundertprozentiger Sicherheit zugeschrieben werden kann, so beinhaltet er aus Sicht der amtskirchlichen Vertreter doch Thesen, die ihrem Starrsinn und Ungehorsam derartig entsprechen, daß sie ihn auf jeden Fall verfaßt haben könnte. III. Marguerite als „verwerf liche Begine“ - zur spezifischen Funktionalisier ung eines zeitg enössischen Klischees in den Prozeßakten Wie bereits erläutert, zielt die strategische Ausrichtung der Prozeßakten darauf, eine vom ,Mirouer‘ unabhängige Legitimationsbasis für Marguerites Todesurteil zu entwickeln. Daher ist kaum zu erwarten, daß die Dokumente auf eine neutrale Terminologie zurückgreifen, wenn sie die historischen Fakten ihrer Programmatik entsprechend arrangieren. Die Titulierung Marguerites als „quedam beguina“ sollte daher keinesfalls so verstanden werden, als ob sie allein der Benennung eines gesellschaftlichen Ranges diente. Vielmehr ist angesichts der zeitgenössischen Kontroversen über den Status der Semireligiosen zu fragen, wie die Bezeichnung im Kontext der Prozeßakten funktionalisiert wird, um deren Zielsetzung zu unterstützen. Aus dieser Perspektive offenbart sich eine auffallende Diskrepanz zwischen der heute dominierenden Ansicht, daß Marguerite vermutlich in einer Beguinage - also einer gesellschaftlich anerkannten Institution - ansässig war 98 und der sorgfältigen Unterdrückung einer derartig positiven Assoziation in den Verfahrensdokumenten. Diese bemühen sich vielmehr darum, Marguerite in einem sozialen Umfeld zu verorten, das sich jeder obrigkeitlichen Kontrolle entzieht. Dabei machen sie sich den Umstand zunutze, daß das semireligiose Dasein seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts neben seinen Befürwortern und Förderern auch heftige Kritiker gefunden hat 99. Insbesondere in Konzilsdokumen97 98 99
Beide Dokumente sind in Layette J. 428, no. 15 enthalten. Cf. auch nt. 33. Cf. nt. 65. Bei der unterschiedlichen Bewertung des semireligiosen Daseins spielen sowohl zeitliche als auch gattungsspezifische Aspekte eine Rolle. Cf. dazu etwa Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 63. Zu den stereotypen Vorwürfen gegenüber Beginen - Arbeitsscheu, leichte Verführbarkeit,
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ten 100, später dann auch in Inquisitionshandbüchern 101 und Verhörprotokollen 102 wird das gesellschaftszersetzende, die Einheit des Glaubens gefährdende Potential jener Beginen und Begarden heraufbeschworen, die sich der Einbindung in allgemein akzeptierte Gemeinschaftsstrukturen entzogen haben 103. Ex-
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Überheblichkeit, vor allem aber „hypocrisie“ - cf. ibid., 82. Cf. auch M. Porete, The Mirror (nt. 5), 8 sq. (Einleitung). Zur parallel existierenden affektiv-positiven Beginenvorstellung, wie sie die ,Dits de l’ame‘ und andere Texte des nordfranzösisch-pikardischen Raums vermitteln, cf. Peters, op. cit., 83. Cf. hierzu auch Ruh, Geschichte (nt. 11), 366-371; Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 102-107. Zu den extrem differierenden Bewertungen des Beginenstatus cf. auch T. Stabler Miller, What’s in a Name? Clerical Representations of Parisian Beguines (1200-1328), in: Journal of Medieval History 33 (2007), 60-86. Bestimmungen gegen die Beginen und Begarden erlassen etwa das Konzil von Mainz (1259) („De beguardis & beguinis reprobandis“), in: Sacrorum Conciliorum Nova, et Amplissima Collectio, ed. J. D. Mansi, tom. 23, Venetiis 1797 [Neudruck Leipzig 1903], col. 998 C; das Konzil von Be´ziers (1299) („Contra Beguinos, & Beguinas“), in: Sacrorum Conciliorum Nova, et Amplissima Collectio, ed. J. D. Mansi, tom. 24, Venetiis 1780 [Neudruck Paris-Leipzig 1903], coll. 12161217; und das Konzil von Trier (1310) („Contra Begardos, ut non recipiantur“), in: Sacrorum Conciliorum Nova, et Amplissima Collectio, ed. J. D. Mansi, tom. 25, Venetiis 1782 [Neudruck Berlin 1903], coll. 261 D; ibid., coll. 261 E-262 A: „Contra Begardos laicos“. Zu nennen sind hier vor allem die ,Practica inquisitionis heretice pravitatis‘ des Bernard Gui (1325) sowie das ,Directorium inquisitorum‘ des Nikolaus Eymericus (1376). Allerdings liegt diesen Inquisitionshandbüchern eine andere Definition von Beginen und Begarden zugrunde als den Konzilien des 13. Jahrhunderts, was zeigt, wie offen die Termini für verschiedene semantische Füllungen und politische Aktualisierungen waren. Beide Autoren identifizieren die Beginen und Begarden mit den erstmals 1317 von Papst Johannes XXII. verurteilten Fraticelli. Dementsprechend setzt Gui die Entstehung der ,Bequini et Bequine‘ erst um 1315 an. Cf. B. Gui, Practica inquisitione heretice pravitatis, ed. C. Douais, Paris 1886, pars V, c. IV, 1 („Sequitur de secto illorum qui Bequini et Bequine vulgariter appellantur“), 264. Cf. ferner Directorivm inquisitorvm F. Nicolai Eymerici, Romae apud Georgium Ferrarium, 1587 (Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln; Signatur GB IV 7858), 281, col. B: „Qvaestio XV: De haeresibus Begardorum, & Beguinorum“; ibid., 282, col. A: „Haereses autem & errores Begardorum, Beguinorum, Fraticellorum, vel Fratrum de paenitentia de tertio ordine beati Francisci, isti sunt.“ Cf. etwa die von Ignaz von Döllinger (Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, vol. 2: Dokumente vornehmlich zur Geschichte der Valdesier und Katharer, München 1890 [Neudruck Darmstadt 1968]) publizierten Verhörprotokolle. Bekannt ist e. g. die 1367 erfolgende Befragung des Erfurter Begarden Johannes Hartmann; cf. ibid., 384-389. Cf. dazu auch unten, nt. 146, 147. Cf. e. g. folgende Passage aus den Akten zum Konzil von Be´ziers 1299 (cf. nt. 100), col. 1216: „Quam plures utriusque sexus ad novae superstitionis cultum pertracti fuerunt, Beguini, seu Beguinae vulgariter appellati, qui conventualia prohibita facientes, & frequentes de nocte officium praedicationis verbi Dei temere usurparunt, in suam excusationem fictitie praetendentes, quod non praedicant sed loquuntur de Deo, se invicem consolantes, & quasdam novas observantias custodire conantur, a communi ritu ceterorumque fidelium discrepantes, e quibus nonnulla scandala sunt suberta, & non modica pericula huic provinciae […].“ Zu den Vorwürfen, die in Konzilien des 13. Jahrhunderts (cf. nt. 100) gegen die Beginen und Begarden erhoben werden, gehören ferner das öffentliche Betteln mit dem Ruf ,Broth durch Gott‘ (Konzil von Mainz 1259, cf. col. 998 C), das Abhalten heimlicher Versammlungen an verborgenen Orten, das Tragen besonderer Kleidung, die Annahme spezifischer Sitten sowie Arbeitsscheu. Auch im 14. Jahrhundert bleibt der Vorwurf der Absonderung von allen kirchlichen und gesellschaftlichen Normen gegenüber den Beginen und Begarden bestehen. Stellvertretend seien hier nur zwei Beispiele zitiert (Geständnisse der Begarden zu Metz 1334, in: Döllinger, Beiträge [nt. 102], 404): „Item notorium est, quod ipsi Begardi sunt a communi conversatione hominum, vita, moribus, sermone
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akt dieses Klischee einer „verwerflichen Begine“ bedienen die Prozeßakten 104, indem sie seine verschiedenen Komponenten sorgfältig auf die Person Marguerites adaptieren und so die individuelle historische Gestalt zum Exempel einer häretischen mulier religiosa stilisieren. Auf diese Weise gelingt es ihnen, zwischen dem Todesurteil aufgrund von Marguerites Fehlverhalten und ihrem Status als Begine eine Verbindung herzustellen, ohne daß dies explizit erläutert werden müßte. Die einzelnen Bestandteile des Klischees wirken vielmehr wie ein Code, der von einem zeitgenössischen Leser der Prozeßakten oder Hörer der Urteilsverkündung ohne Schwierigkeiten entschlüsselt worden sein dürfte. Von grundlegender Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die konsequente Kopplung des Marguerite-Falls an jenen des Guiard de Cressonessart. Zwar liegt die Verbindung nahe, da Guiard ja als Verteidiger Marguerites aufgetreten ist; dennoch fällt auf, wie eng die beiden Verfahren miteinander verzahnt werden: So erfolgt die Erstverurteilung Marguerites und Guiards nicht nur zum selben Zeitpunkt, am 3. April 1310, und durch dasselbe Kanonikergremium; die schriftliche Niederlegung der Entscheidung und ihrer Begründung durch die Inquisitionsnotare Jacobus de Virtuto und Evenus Phili bedient sich auch identischer Formulierungen 105. Außerdem wird die formale Verurteilung Marguerites und Guiards durch Guillaume de Paris im selben Notariatsinstrument festgehalten, und die gemeinsame Aufbewahrung der Dokumente zu beiden Verfahren signalisiert von vorneherein ihre Zusammengehörigkeit.
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ac laboribus disctricti seu differentes“; ,De Beguinabus‘, Cod. Biblioth. S. Galli. Promtuarium eccl. Galli Kemlin.; ibid., 703: „Item unitati ecclesiasticae se non conformant, nec ritus, nec regulas, nec caeremonias, nec statuta observant, nec mandatis obtemperant, et confessores, qui eas corrigunt et reprehendunt, abjiciunt.“ Cf. auch Grundmann, Ketzerverhöre (nt. 34), 531 sq. Zur zeitgenössischen Unterscheidung zwischen ,guten‘ und ,schlechten‘ Beginen cf. etwa Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 62 sq., sowie J. Tarrant, The Clementine Decrees on the Beguines: Conciliar and Papal Versions, in: Archivum Historiae Pontificiae 12 (1974), 300-308, besonders 308. Cf. etwa folgende Passage aus dem Urteil gegen Guiard (Layette J. 428, no. 16, in: Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 57): „Et propterea idem inquisitor ipsum, in sua contumacia persistentem, post multas exortationes salubres sibi factas ab eo, maioris excommunicationis vinculo innodavit. Quam quidem excommunicationem fere per annum et dimidium in sue salutis dispendium animo sustinuit indurato. Qui, prius et postea frequenter de iurando et respondendo per eundem inquisitorem legitime requisitus, ipsi beneficium absolutionis in forma iuris impendendum sepius offerentem, iurare et respondere renuens, contumaciter, sicut prius, absolutionem sibi oblatam petere vel recipere, suam salutem refugiens, non curavit. Quibus peractis idem inquisitor, quasi desperans de correctione Guiardi predicti, quid ulterius esset agendum de iure in ipso negotio a nobis, licet ad ipsius negotii consummationem non dubitaretur sufficere, consilium in hac parte postulare curavit.“ In exakter Parallele dazu heißt es im Urteil gegen Marguerite (Layette J. 428, no. 19, in: Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 61): „Et propterea idem inquisitor ipsam, in sua contumacia persistentem, post multas exhortationes salubres sibi factas ab eo, maioris excommunicationis vinculo innodavit. Quam quidem excommunicationem fere per annum et dimidium in sue salutis dispendium animo sustinuit indurato, Que prius et postea frequenter de iurando et respondendo per eundem inquisitorem legitime requisita, ipsi beneficium absolutionis in forma iuris impendendum sepius offerentem, iurare et respondere renuens contumaciter sicut prius, absolutionem sibi oblatam petere vel recipere, suam salutem refugiens, non curavit. Quibus peractis idem inquisitor, quasi desperans de correctione mulieris predicte, quid ulterius esset agendum de iure in ipso negotio a nobis, licet ipse ad ipsius negotii consummationem non dubitetur sufficere, consilium in hac parte postulare curavit.“
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Der Effekt dieser Verzahnung besteht in der Suggestion, daß Marguerite „quedam beguina“ - derselben Lebenssphäre wie Guiard angehört, also einem potentiell gefährlichen Beginen-Begarden-Milieu, das den geeigneten Nährboden für häretische Ideen bietet. Die Wirksamkeit dieser Konstruktion beruht vor allem darauf, daß Guiard geradezu idealtypisch die Figur eines semireligiosen Eiferers verkörpert, der sich außerhalb jedes kirchlich und gesellschaftlich sanktionierten Kontextes bewegt: Nicht nur, daß er die Einheit der Kirche 106 und die Allmacht des Papstes 107 negiert - was letztlich zu seiner Verurteilung als Häretiker führt 108; er bekennt auch, gegen die Franziskaner und Dominikaner agitiert zu haben 109, reklamiert für sich ein unmittelbares, durch Erleuchtung eingegebenes Schriftverständnis 110, beansprucht das Amt des apokalyptischen ,Engels von Philadelphia‘ 111, vertritt eine joachitisch beeinflußte Weltzeitalterlehre 112 und gehört einer Gruppierung an, die sich durch spezifische Kleidung insbesondere einen von Guiard nachdrücklich hervorgehobenen Ledergürtel von anderen Menschen abhebt 113. Der Entwurf eines ähnlich klar konturierten Bildes von Marguerite ist aufgrund ihrer Verweigerung jeglicher Aussage offenbar nicht möglich. Die enge 106
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Cf. Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 66; Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 348. Cf. auch Gui, Practica (nt. 101), pars V, c. IV, 5, 274: „Item, duas ecclesias quasi distingunt, videlicet ecclesiam carnalem quam dicunt esse Ecclesiam Romanam quantum ad multitudinem reproborum, et ecclesiam spiritualem quantum ad viros quos vocant spirituales et evangelicos qui vitam Christi et apostolorum servant, et hanc ecclesiam dicunt esse suam […].“ Cf. Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 65: „Et tunc, requisitus a quo missus erat, respondit quod ab illo qui habet clavem David, exponens quod per hec intelligit Christum qui habet clavem excellentie et quod vicarius eius dominus papa habet clavem ministerii.“ Cf. Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 351, 355. Die Urteilsbegründung lautet (Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 67): „Liquet namque manifeste ex dictis suis et confessionibus prelibatis quod ipse ponit divisionem in ecclesia militante, immo potius ponit duas ecclesias militantes, seipsum unius claves excellentes gerentem et alterius papam claves ministerii optinentem et ipsum papam non esse omnino unicum capud ipsius ecclesie militantis nec posse ipsam omnino ordinare per se et ministros suos sacrosque canones et statuta sua, quod totum est hereticum.“ Cf. nt. 58; Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 349, 350 sq. Cf. Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 66; Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 348, 351. Cf. nt. 57; Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 347 sq. Cf. Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 66; Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 351 sqq. Cf. Layette J. 428, no. 18, in: Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 67: „Item requisitus si illi qui deferunt tarbados sunt de societate sua, respondit quod non quantum ad omnia, nisi illi qui tenent et portant tunicam longam et zonam pelliceam; que zona est de essentia habitus, tamen reputat illos adherentes Domino, licet habeant formam secularem in suo habitu“; Lerner, An ,Angel of Philadelphia‘ (nt. 12), 349 sq., 353 sq. Zur Kleidung der Beginen und Begarden cf. etwa auch B. Gui, Practica (nt. 101), pars V, c. IV, 2, 264: „[…] portantes brunum seu de burello habitum cum mantello, et aliqui sine mantello […]“; Döllinger, Beiträge (nt. 102), 404: „Item quando primo assumunt habitum wegardicum, modus eorum talis est, quod iste, qui vult assumere habitum venit ad praesentiam aliorum et genu flexo petit admitti ad societatem ipsorum, dicens quod desideret esse pauper et ut de manu illius, qui major reputatur inter eos, recipiat mantellum seu caphardum vel alium habitum, qui ei datur.“
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Anbindung an die Figur Guiards und über ihn an eine sektiererische Gemeinschaft entfaltet jedoch eine Sogwirkung, die ihre Gestalt aus zeitgenössischer Perspektive zwangsläufig in ein denkbar ungünstiges Licht rückt. Außerdem potenziert sich durch die Integration Marguerites in diesen umfassenderen soziokulturellen Kontext die Bedeutung jener Merkmale, die sie ohnehin als „verwerfliche Begine“ ausweisen. So erhalten die knappe Mitteilung, daß sie ihr verdammtes Buch beziehungsweise dessen Neufassung „begardis et aliis“ zukommen ließ und ihre Weigerung, dem Großinquisitor über sich und andere Auskunft zu geben, durch die strategische Ausrichtung der Prozeßakten einen Referenzrahmen, der ihre Aussagekraft intensiviert. Das Bemühen der Verfahrensdokumente, Marguerite von allen anerkannten sozialen Strukturen zu lösen und sie statt dessen einer diffusen Parallelwelt sektiererischer Semireligioser zuzuweisen, offenbart sich zudem in der auffallenden ,Ortlosigkeit‘ der Figur. Stets erfolgt hinsichtlich ihrer Herkunft nur ein allgemeiner Hinweis auf die Grafschaft Hennegau; nie wird sie in einer bestimmten Stadt lokalisiert 114. Auch der Verzicht auf die Zuordnung zu einem familiären Hintergrund - ,Porete‘ ist ja nur Marguerites Beiname - deutet in dieselbe Richtung 115. Zum Grundinventar antibeginischer und antibegardischer Kritik 116 gehört ferner die Marguerite ebenso wie Guiard vorgeworfene Ablehnung des zu Beginn der Befragung vorgeschriebenen Eides 117, die bereits für sich genommen den Häresieverdacht begründet 118. Insbesondere aber fügt sich die Entdeckung Guillaumes de Paris, daß Marguerite einst ein ketzerisches Buch - wenn nicht
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Falls Marguerite tatsächlich aus Valenciennes stammen sollte, mag dieses Schweigen dadurch motiviert sein, ihre Titulierung als „Begine“ keinesfalls mit der dortigen angesehenen Beguinage zu assoziieren und so das sorgfältig konstruierte Negativbild einer unkontrollierbaren Häretikerin zu gefährden. Zu den vom Adel protegierten französischen Beginenhäusern cf. M. Porete, The Mirror (nt. 5), 13-20 (Einleitung); Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), 98-101. Lerner, New Light (nt. 4), weist darauf hin, daß Marguerite wohl kaum eine vagierende Begine gewesen sein kann, da diese Form eines semireligiosen Daseins in der franko-flämischen Region unbekannt war. Cf. auch Heid, Studien (nt. 5), 193. Die Prozeßakten versuchen jedoch, genau diesen Eindruck zu erwecken, um ihren gesellschaftlichen Außenseiterstatus zu betonen. Cf. etwa Gui, Practica (nt. 101), pars V, c. IV, 8 („Doctrina seu instructio contra astuciam et maliciam illorum qui requisiti nolunt veritatem in juditio confiteri“), 282: „Quoniam autem multi ex Bequinis, qui se dicunt fratres pauperes de penitentia et de tercio ordine Sancti Francisci, callida astucia errores et opiniones suas erroneas volentes contegere ac subterfugere, confiteri recusant jurare de veritate dicenda de se et de aliis complicibus suis vivis ac defunctis, in toto processu inquisitionis, sicut est moris ac juris in juditio requisiti […].“ Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 63, weist darauf hin, daß bereits das Konzil von Be´ziers (1246) den Eid zu Beginn der Befragung als verbindlich festgesetzt hat. Cf. Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 63. Cf. auch Gui, Practica (nt. 101), pars V, c. IV, 8, 283 sq. Er schreibt für einen verweigerten oder verkürzten Schwur die Exkommunikation vor. Verharre der Angeklagte auch nach mehreren Tagen in seiner Hartnäckigkeit, sei er nochmals zu exkommunizieren. Sollte die pertinacia länger als ein Jahr währen, müsse er von Rechts wegen als Häretiker gelten (ibid., 284): „[…], si dictam excommunicationis sententiam ultra annum sustinuerit animo pertinaci, ex tunc velut hereticus de jure debebit et poterit condempnari.“
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gar mehrere ketzerische Bücher - verfaßt haben soll, perfekt in das seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts propagierte Stereotyp einer „verwerflichen Begine“ ein 119. Dies dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, auf die Beschaffung und Evaluation des ,Mirouer‘ als Corpus delicti ungeachtet des ohnehin feststehenden Häresieverdikts gegen Marguerite nicht zu verzichten. Offen bleiben muß im hier gegebenen Rahmen, inwieweit eine Kongruenz zwischen der gefilterten Darstellung Marguerites in den Prozeßakten, ihrer unmittelbaren Wahrnehmung seitens der amtskirchlichen Vertreter und ihrer tatsächlichen Lebensweise besteht. Aufgrund der strategischen Ausrichtung der Verfahrensdokumente, die keinen unverstellten Blick auf den realhistorischen Hintergrund zulassen, ist es durchaus möglich, daß Marguerite - wie in der modernen Forschung allgemein angenommen - aus einer patrizischen Familie stammte und in einer angesehenen Beguinage wohnhaft war. Dann allerdings stellt sich die Frage, wie sie trotz dieser institutionellen Bindung ein häretisches Buch zu verfassen und in die Fänge der Inquisition zu geraten vermochte 120. Denkbar ist immerhin, daß das Werk zunächst als unbedenklich galt - sollte es sich wirklich um den ,Mirouer‘ handeln, vielleicht aufgrund der eingeholten 119
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Von entscheidender Bedeutung ist hier die ,Collectio de scandalis ecclesiae‘ des Franziskaners Gilbert de Tournai, die dieser für die Beratungen des zweiten Lyoner Konzils im Jahre 1274 zusammengestellt hat. In seinem Schlußkapitel beschuldigt er jene Frauen, „quae Beghinae vocantur“, unbefugterweise die Geheimnisse der Heiligen Schrift entschlüsseln zu wollen, ja sogar volkssprachliche Bibelübersetzungen anzufertigen, von denen er eine angeblich selbst in die Hände bekommen hat (Archivum Franciscanum Historicum 24 [1931], 62): „Vidi ego, legi et habui bibliam gallicatam, cuius exemplar Parisiis publice ponitur a stationariis ad scribendum haereses et errores, dubietates et inconcinnas interpretationes.“ Cf. auch Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 60 sq. Der Vorwurf, theologische Irrlehren zu verbreiten, gehört seither zum festen Bestand antibeginischer, aber auch antibegardischer Polemik, cf. e. g. Gui, Practica (nt. 101), pars V, c. IV, 3 („Sequitur de modo et ritu conversandi ipsorum“), 266 sq. Berühmt-berüchtigt in dieser Hinsicht ist die Dekretale ,Cum de quibusdam mulieribus‘, die sich gegen unregulierte Beginen wendet, besonders gegen jene, die „quasi perductae in mentis insaniam, de summa Trinitate ac divina essentia disputent et praedicent, ac circa fidei articulos et ecclesiastica sacramenta opiniones catholicae fidei contrarias introducant, et, multos super his decipientes simplices, eos in errores diversos inducant […].“ (Corpus iuris canonici, pars secunda: Decretalium collectiones, ed. A. Friedberg, Graz 1955, col. 1169). Daß die Kopplung von Marguerites verbotener Autorentätigkeit an ihren Status als Begine von den Zeitgenossen erkannt wurde, bestätigt ein Blick in jene Chroniken, die auf den Marguerite-Prozeß Bezug nehmen. So wird sie in den ,Grandes chroniques de France‘ als „une beguine clergesse“ bezeichnet, was hier nicht als Kompliment, sondern als Hinweis auf ihre theologische Anmaßung gemeint sein dürfte. Der Text ist ediert in Verdeyen, Le proce`s (nt. 21), 91. Noch deutlicher wird der ,Myreur des histors‘ des Jean des Preis (genannt Jean d’Outremeuse). Hier gilt Marguerite als Übersetzerin der Heiligen Schrift, was zwar keinen Rückhalt in den Prozeßakten findet, jedoch zeigt, daß das von Gilbert de Tournai grundgelegte Stereotyp einer häretischen Begine auf den Marguerite-Fall Anwendung gefunden hat (Verdeyen, Le proce`s [nt. 21], 92): „Et le lundi tantoist fut arse une beghine en clergrie mult suffissant, en cheli lieu propre, que ons nom Margarite Porte, qui translatat la divine Escripture, en queile translation mult elle errat es artycles de la foid […].“ Zur Gebundenheit mittelalterlicher Literaturproduktion an institutionelle Voraussetzungen cf. Peters, Religiöse Erfahrung (nt. 19), 58 sq., 94. Aufgrund dessen zweifelt Peters die Existenz einer konventikelhaften, jeder Kontrolle entzogenen ,Beginenliteratur‘ an.
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Theologengutachten, von denen dasjenige Gottfrieds von Fontaine die größte Relevanz besitzt. Zu beachten ist außerdem, daß sich von dem ersten Verfahren gegen Marguerite keine direkten Zeugnisse erhalten haben 121, so daß alle Informationen darüber aus den stark überformten Dokumenten des Pariser Prozesses bezogen werden müssen. Deshalb liegt im dunkeln, wie der damalige Bischof von Cambrai sein Urteil exakt begründete. Möglicherweise nahm er größeren Anstoß an einer Verbreitung des Buches als an dessen Positionen - zumal auch die theologischen „Approbationes“ vor möglichen Fehlinterpretationen durch simplices warnen 122. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, daß die Prozeßakten Marguerite so darstellen, wie sie von den Inquisitoren wahrgenommen wird 123: als Mitglied eines sektiererischen Beginen-Begarden-Milieus, dem auch Guiard de Cressonessart angehört, der sich gerade deshalb zu ihrer Verteidigung berufen und verpflichtet fühlt. Aufgrund der mehrfachen Verwarnungen Guiards steht zumindest zu vermuten, daß er und Marguerite bereits im Vorfeld des Prozesses als zusammengehörig betrachtet werden. Angesichts von Guiards niedrigem sozialen Status und seiner vermutlich eher geringen Bildung dürfte es in diesem Fall unwahrscheinlich sein, daß Marguerite den literarisch versierten und intellektuell anspruchsvollen ,Mirouer‘ verfaßt hat 124. Festhalten läßt sich, daß die in den Prozeßakten vorgenommene Stilisierung Marguerites zur „verwerflichen Begine“ ihrer Verurteilung aufgrund von disziplinarischen Vergehen zusätzliche Plausibilität verleiht, lassen sich diese nun doch keinesfalls als Verirrungen einer vereinzelten mulier religiosa abtun, sondern erscheinen als paradigmatischer Ausdruck einer viel umfassenderen Bedrohung. Der ,Mirouer‘ spielt in diesem Szenario zwar insofern eine Rolle, als er dem Klischee einer häretische Ideen verbreitenden Semireligiosen zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht; die fallgenaue Aktualisierung des Stereotyps hat jedoch auch ohne die Existenz eines solchen Corpus delicti Bestand.
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Cf. Heid, Studien (nt. 5), 189. Cf. dazu S. L. Field, The Master and Marguerite: Godfrey of Fontaines’ Praise of The Mirror of Simple Souls, in: Journal of Medieval History 35 (2009), 136-149, besonders 141 sq., 147. Diese Wahrnehmung muß freilich nicht zwangsläufig der tatsächlichen Lebenssituation Marguerites entsprechen. Angesichts dieser Unsicherheiten sollte man sich davor hüten, bestimmte Äußerungen des ,Mirouer‘ biographisch-lebensweltlich auszudeuten und auf Marguerite als historische Person zu übertragen. Dies allerdings ist bis in die neuere Marguerite-Forschung hinein weithin üblich; cf. beispielsweise Verdeyen, Ruusbroec’s Opinion (nt. 16), 127; Heid, Studien (nt. 5), 208; Ruh, Geschichte (nt. 11), 351 sq.; M. Porete, The Mirror (nt. 5), 25 (Einleitung); Heimerl, Frauenmystik (nt. 12), 116. Leicht, Marguerite Porete (nt. 5), stellt ein ganzes Kapitel unter die Überschrift ,Lebensweltliche Implikationen des Mirouer‘ (111-117). Auf diese Weise besteht die Gefahr, daß die Prozeßakten ausschließlich im Licht des ,Mirouer‘ interpretiert werden, was den Blick auf ihre eigenständige Ausrichtung verstellt und unter Umständen zu eklatanten Fehlurteilen hinsichtlich des Verfahrensverlaufes führen kann. Cf. auch die Ausführungen oben unter I. 1.
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IV. Die Publikation der ,Mirouer‘-T hesen im Kontext der Prozeßakten 1. Zum propagandistischen Kalkül der Thesenauswahl Die Auswahl der veröffentlichten Thesen erstaunt zunächst; ja, sie läßt sogar eine intellektuelle Fehlleistung der Inquisitionsnotare beziehungsweise der für die Konzeption der Prozeßakten verantwortlichen Instanzen vermuten. Denn anstatt durch die Publikation eindeutig häretischer Theologumena das von Marguerites Lehre ausgehende Gefahrenpotential deutlich vor Augen zu führen, gibt das entsprechende Dokument zwei Artikel wieder, die das philosophischtheologische Eigenprofil des ,Mirouer‘ in keiner Weise zu repräsentieren vermögen 125. Ein wesentlicher Grund für diesen Mangel an inhaltlicher Prägnanz besteht darin, daß die Sätze eher disziplinarisch als doktrinär ausgerichtet sind. Den spekulativen Gehalt des ,Mirouer‘ blendet das Notariatsinstrument also fast vollständig aus. Werden die beiden Thesen nicht in Hinblick auf den ,Mirouer‘ betrachtet, sondern in Bezug zur Gesamtstrategie der Prozeßakten gesetzt, erscheint dieses Verfahren allerdings durchaus plausibel. Denn dann tritt deutlich zutage, daß die ausgewählten Artikel genau jene Vorwürfe gegen ein unreguliertes semireligioses Dasein aufgreifen, die in der Lebens- und Verhaltensweise Marguerites und Guiards eine geradezu exemplarische Bestätigung zu finden scheinen. Der erste der beiden publizierten Sätze - „Daß eine solche vernichtete Seele den Tugenden den Abschied gibt und fürder nicht in ihrer Knechtschaft ist, weil sie sie nicht zum Gebrauch hat; vielmehr gehorchen die Tugenden auf ihren Wink“ 126 - läßt sich durchaus als Aufforderung zu einer antinomistischen, christlich-sozialen Verhaltensnormen widerstreitenden Haltung lesen 127. Der zweite Artikel - „Daß eine solche Seele sich um die Tröstungen Gottes nicht kümmert, auch nicht um seine Gaben; sie darf und kann sich auch nicht darum kümmern, weil sie ganz um Gott herum ausgerichtet ist; andernfalls würde ihre Ausrichtung um Gott herum behindert“ 128 - geht in dieselbe Richtung, bezieht sich allerdings nicht auf das Sozialverhalten, sondern auf die Lösung von allen kirchlichen Instanzen der Heilsvermittlung. Die Sätze sind also so ausgesucht, daß sie das gesellschaftszersetzende und glaubensgefährdende Potential jenes sektiererischen Beginen-Begarden-Milieus 125
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Zu den Eigenlehren des ,Mirouer‘, die sich nicht in eine christliche ,Normaltheologie‘ integrieren lassen, gehört etwa jene vom ,Plus‘ der Seele, einem innersten, ungeschöpflichen Seelenkern, der in unmittelbarer Einheit mit dem Göttlichen steht, cf. Le Mirouer (nt. 4), c. 11, 44, 102104: „Nous dirons, dit Amour pour les auditeurs, que Dieu ayme mieulx le plus de ceste Ame en luy, que moins d’elle mesmes.“ Übersetzung nach Feld, Frauen (nt. 47), 201. Zum lateinischen Text cf. oben, 206. Daß die Artikel eine völlig andere Bedeutung annehmen, wenn sie im literarischen Kontext des ,Mirouer‘ interpretiert werden, versteht sich von selbst. Übersetzung nach Feld, Frauen (nt. 47), 201. Zum lateinischen Text cf. oben, 206.
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widerspiegeln, dem auch Marguerite zugeordnet wird. Zwar deutet sich in ihnen eine theologische Begründung für die Aufgabe der Tugenden und die Negation der Gnadenmittel an, nämlich die Selbstvernichtung der Seele, die jegliche Grenze zwischen Gott und Kreatur aufhebt und deshalb alle anerkannten Weisen des Heilserwerbs ausschließt. Diese äußerst prekäre Doktrin bleibt jedoch im Hintergrund; keines der Prozeßdokumente macht sie sich zunutze, um Marguerite aufgrund einer mystischen Irrlehre zu diffamieren. Insofern durch die Publikation der Thesen das Spezifische des ,Mirouer‘ zugunsten der Suggestion unterdrückt wird, daß auch er jenem sektiererischen Beginen-Begarden-Milieu entstammt, für das Marguerite und Guiard paradigmatisch stehen, tritt die Frage nach seinem Verfasser oder seiner Verfasserin in den Hintergrund. Die Programmatik der Prozeßakten läßt vielmehr darauf schließen, daß es dem Großinquisitor und seinen Gehilfen gerade nicht darum geht, eine einzelne mulier religiosa aufgrund einer theologisch anfechtbaren, aber Sonderfall bleibenden Lehre zu verurteilen, die sich in einem ebenso originellen wie anspruchsvollen Werk findet. Statt auf das Spezielle zielen sie auf das Typische. So wie Marguerites Individualität hinter dem Klischee einer „verwerflichen Begine“ verschwindet, so verbirgt sich das Eigenprofil des ,Mirouer‘ hinter den beiden veröffentlichten Artikeln. Er steht somit beispielhaft für jene häretischen Bücher, deren Abfassung und Verbreitung unregulierten Semireligiosen seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von Vertretern der Amtskirche unterstellt wird und wofür sich auch Marguerite vor der Inquisition zu verantworten hat. Auch dies mag ein Grund dafür sein, daß jede Information über den individuellen Charakter der Schrift in den Prozeßakten konsequent vermieden wird. 2. Zur Unmöglichkeit, Marguerite als Anhängerin der freigeistigen Häresie zu diffamieren Zu Recht ist die von Romana Guarnieri inaugurierte und von zahlreichen Forschungsbeiträgen übernommene Einordnung des Marguerite-Falles in eine häretisch-freigeistige Bewegung in jüngerer Zeit massiv in Frage gestellt worden. Daß das Reizwort der libertas spiritus in den Prozeßakten keinerlei Rolle spielt, ist offensichtlich; wie bereits dargestellt, erfolgt Marguerites Verurteilung aus disziplinarischen, nicht aus doktrinären Gründen. Dies aber erscheint dann doch erstaunlich, denn schließlich ist die in der Überwindung aller kreatürlichen Grenzen bestehende Freiheit der ,ame adnientie‘, die sie in ein unmittelbares Verhältnis zu ihrem göttlichen Geliebten - dem „Loingpre´s“ 129 - setzt, das zentrale Thema des ,Mirouer‘. Damit aber gehört das Werk einem Freiheitsdiskurs an, der bereits seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts virulent ist und auf die Amtskirche durchaus eine alarmierende Wirkung auszuüben vermag. Die berühmte ,Compilatio de novo spiritu‘ ist hier129
Cf. Le Mirouer (nt. 4), c. 61, 178, 23-36.
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für das beste Beispiel 130. Hinzu kommt, daß die fallspezifische Aktivierung des Klischees einer „verwerflichen Begine“ zu einer Diffamierung Marguerites als freigeistiger Ketzerin geradezu einzuladen scheint, wird diese Häresie doch bis heute gerne mit dem beginisch-begardischen Milieu in Verbindung gebracht. Nun läßt sich zwar einwenden, daß die Unsicherheit über Marguerites Autorinnenrolle die Inquisition daran gehindert haben mag, dezidiert freigeistige Positionen aus dem ,Mirouer‘ zu isolieren, um sie in den Prozeßakten publik zu machen. Tatsächlich gilt dieses Argument jedoch nur bedingt. Denn die beiden veröffentlichten Artikel geben durchaus Einstellungen wieder, die zum Standardrepertoire antifreigeistiger Polemik des 14. Jahrhunderts gehören. Sowohl die Abkehr von den Tugenden - und damit von allen gesellschaftlichen Verpflichtungen - als auch die Ablehnung jeglicher kirchlicher Heilsvermittlung gelten als Kennzeichen freigeistiger Verwirrung 131. Motiviert sei diese antinomistische Haltung durch die Doktrin einer Freiheit des Geistes, die den homo interior nach Überzeugung der Häretiker zur Perfektion erhebe und so alle äußeren Zwänge und moralischen Beschränkungen nichtig werden lasse 132. Auch der dritte verurteilte Satz aus dem ,Mirouer‘, der nur aus der chronikalischen Überlieferung bekannt ist 133, fügt sich widerstandslos in dieses Konstrukt einer freigeistigen Irrlehre ein 134. Wie bereits erwähnt, deutet sich in den beiden publizierten Thesen zwar die Lehre von der absolute Freiheit verheißenden Selbstvernichtung der Seele an, die für das theologisch-philosophische Profil des ,Mirouer‘ so charakteristisch ist. Sie tritt jedoch hinter den lebensweltlichen Vorwürfen zurück. Was aber hält die Inquisition davon ab, den ,freigeistigen‘ Gehalt der Artikel hervorzuheben und so den häretischen Aktivitäten Marguerites noch zusätzliche Brisanz zu verleihen? Ein Grund dürfte wohl darin liegen, daß das Konzept einer Ketzerei des ,Freien Geistes‘ mit einem bestimmten Set von Irrtümern und Verfehlungen zum Zeitpunkt von Marguerites Verurteilung noch gar nicht existiert 135. Es 130
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Zu dieser cf. Wehrli-Johns, Mystik (nt. 20), 235 sqq. Eine Textedition findet sich unter anderem in W. Preger, Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter, vol. 1, Leipzig 1874, 461-471. Cf. McGinn, The Presence of God (nt. 1), 246. Cf. e. g. Das Buch von geistlicher Armuth, ed. H. S. Denifle, München 1877, 19, 19 sq.: „Und dar uz entspringet ein ungeordente friheit, daz er versmahet die gesetzde der heilgen cristenheit […].“ Cf. nt. 147. Cf. oben, 206. Cf. e. g. ,Der Franckforter‘ (,Theologia deutsch‘), ed. W. von Hinten (Münchener Texte und Untersuchungen 78), München 1982, c. 20, 97, 7-10: „Sich, nu ist keyn leben der natur also beqweme vnd als lustig also das frey, ruchloß leben. Dar vmmb held sie sich an das selbe vnd gebruchet sich yr selbes vnd yrer selbheit vnd yres eyniges frides vnd gemachs vnd alles des yren alda selbes vnnd diß geschiet aller meist, do hoch, naturlich vornunfft ist.“ In der ,Compilatio de novo spiritu‘ (nt. 130) aus dem späten 13. Jahrhundert finden sich beispielsweise bereits die antifreigeistigen Kernvorwürfe der Selbstvergottung sowie der Verachtung aller kirchlichen und sozialen Normen breit ausformuliert. Hier werden die verurteilten Artikel allerdings noch diversen altbekannten Häresien zugewiesen, vor allem dem Manichäismus und dem Pelagianismus, cf. e. g. Satz 21: „Dicere quod aliquis pervenit ad hoc, quod non possit peccare, similiter
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findet zwar bereits eine Diskussion um die richtige Auslegung der libertas spiritus statt, jedoch noch nicht als amtskirchliche Reaktion auf eine deutlich konturierte Häresie mit eigener Bezeichnung 136. Die Frage, wann genau es zur Geburt der ,Freigeist‘-Häresie kommt - ob mit der Konstitution ,Ad nostrum qui‘ vom 6. Mai 1312 137 oder erst mit dem Straßburger Publikationsschreiben vom 13.08.1317, mit dem Bischof Johann I. einen Inquisitionsprozeß gegen die secta liberi spiritus ankündigt 138 -, kann hier nicht beantwortet werden. Es läßt sich jedoch beobachten, daß in den folgenden Jahrzehnten in diversen literarischen Kontexten ein Kampf gegen die „vngerechten, falschen, freyen geiste“ geführt wird 139, dem ein klar fixiertes Set von Vorwürfen zugrundeliegt 140. Daß sich darunter auch jene befinden, die Marguerite zum Verhängnis wurden, fand bereits Erwähnung. Angesichts des Konstrukt-Charakters der freigeistigen Häresie - es handelt sich bei ihr also weniger um eine historische Realität als vielmehr um eine ,Kopfgeburt der Inquisition‘ - liegt die Vermutung nahe, daß bestimmte Elemente der bereits etablierten antibegardischen und antibeginischen Polemik in den antifreigeistigen Diskurs eingespeist werden. Die Tendenz dazu zeigt sich bereits in der Konstitution ,Ad nostrum qui‘, die zwar noch keine klar umrissene ,Freigeist‘-Häresie beschreibt, aber den Begriff der libertas spiritus zumindest proble-
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est de Pelagii presumptione“; Satz 41: „Quod dicitur quod homo unitus deo non debet confiteri etiam peccatum mortale de errore Manichei est, qui in hoc et in aliis auferunt sacramenta ecclesie.“ Problematisch ist es, wenn diverse Dokumente, die von einer bereits im späten 13. und in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts stattfindenden Auseinandersetzung um den Freiheitsbegriff zeugen, ohne Berücksichtigung ihrer verschiedenen diskursiven Kontexte ineinandergelesen werden (so verfährt Kampmann, Eckharts Predigten [nt. 13], cf. besonders 119, 124). Auf diese Weise entsteht der Eindruck, daß angefangen bei der vermutlich um 1270 entstandenen ,Compilatio de novo spiritu‘ über die Bulle ,Saepe sanctam ecclesiam‘ Bonifaz’ VIII. (1296) bis hin zur antifreigeistigen Polemik des 14. Jahrhunderts stets von derselben Sekte oder zumindest einer einheitlichen ,freigeistigen‘ Bewegung die Rede ist. Das aber entspricht nicht den historischen Tatsachen, auf deren Komplexität etwa Wehrli-Johns, Mystik (nt. 20), aufmerksam macht. Rechtlich wirksam wurde das Dekret allerdings erst mit der Publikation der Clementinen durch Papst Johannes XXII. am 25. 10. 1317. Cf. Wehrli-Johns, Mystik (nt. 20), 225. Lerner zufolge handelt es sich bei ,Ad nostrum qui‘ um „the birth certificate of the heresy of the Free Spirit“, cf. id., The Heresy (nt. 12), 83. Cf. Wehrli-Johns, Mystik (nt. 20), 231 sq. Das Dokument ist ediert in: A. Patschovsky, Straßburger Beginenverfolgungen im 14. Jahrhundert, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 30 (1974), 56-198, hier 127-142, besonders 134. So der dezidiert antifreigeistig ausgerichtete ,Franckforter‘ (nt. 134) in seinem Prolog (67, 6 sq.). Beispielhaft seien hier nur jene Anschuldigungen aufgelistet, die der ,Franckforter‘ (nt. 134) gegenüber den ,Freigeistern‘ macht: Selbstvergottung aufgrund eines Aufstiegs der natürlichen Vernunft, in dem letztlich jede Grenze zwischen Gott und Mensch überwunden wird; Erreichung eines Vollkommenheitsstatus, der auch die Freiheit von jeglichem physischen und psychischen Leiden beinhaltet; Bevorzugung einer bequemen, den Bedürfnissen der Natur entgegenkommenden Lebensweise; Verachtung der Christusnachfolge; Verweigerung gegenüber gesellschaftlichen Normen und kirchlichen Geboten; Gewissenlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber der Sünde.
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matisiert 141 und seine Fehlauslegung zunächst den Begarden, nach der Überarbeitung für die Aufnahme ins Kirchenrecht dann auch den Beginen zum Vorwurf macht 142. Die hier vorgeprägte Verbindung von freigeistiger Ketzerei und unreguliertem Beginen-Begarden-Milieu gewinnt im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunders jedoch keine Festigkeit. Den Texten der deutschen Mystik etwa bleibt sie fremd, obwohl sich diese den Kampf gegen die ,Freigeister‘ zur Aufgabe machen und ihnen stereotyp die Mißachtung kirchlicher und sozialer Normen vorhalten 143. Eine Identifikation von „falschen freien Menschen“ und Semireligiosen findet hier jedoch nicht statt. Umgekehrt werden dieselben Unterstellungen nach wie vor in der antibeginischen und antibegardischen Polemik verwendet, ohne daß dies zwangsläufig mit einer Aktivierung des Konstrukts der freigeistigen Häresie einhergehen muß 144. Hier setzt sich vielmehr die weiter oben behandelte Semireligiosen-Kritik des späten 13. Jahrhunderts fort, das zwar das Stereotyp einer „verwerflichen Begine“, aber noch nicht jenes einer ,freigeistigen Begine‘ kennt. Schließlich findet sich in einigen Verhörprotokollen die Übereinanderblendung von antifreigeistiger sowie antibeginischer und antibegardischer Polemik. Bei diesen Dokumenten fällt auf, daß sie als Frageschema gerne das ,Ad nostrum‘-Dekret verwenden 145, welches im Unterschied zum ursprünglichen Konzilstext konsequent auf die ,Freigeist‘-Häresie hin ausgelegt wird 146. Diese Mög141
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Explizit erwähnt wird der Freiheitsbegriff nur im dritten Artikel des ,Ad nostrum‘-Dekrets (Enchiridion symbolorum, ed. H. Denzinger, tr. P. Hünermann, 40. Auflage, Freiburg-BaselWien 2005, 388, no. 893): „Quod illi, qui sunt in praedicto gradu perfectionis et spiritu libertatis, non sunt humani subiecti oboedientiae, nec ad aliqua praecepta Ecclesiae obligantur; quia, ut asserunt, ,ubi spiritus Domini, ibi libertas‘.“ Hier wird die „Freiheit des Geistes“ bereits in einen Kausalzusammenhang mit der Ablehnung sozialer Normen und kirchlicher Gebote gesetzt, wie dies für die antifreigeistige Polemik des 14. Jahrhunderts charakteristisch ist. Noch aber kommt diesem Motiv kein zentraler Stellenwert zu. Auch ist noch nicht von einer freigeistigen Sekte die Rede. Cf. dazu Tarrant, The Clementine Decrees (nt. 104). Dieser programmatische Kampf gegen eine falsche Auslegung des Begriffs der libertas spiritus ist vor allem durch die Abgrenzungsprobleme verursacht, mit denen sich mystische Autoren konfrontiert sehen, verwenden sie dasselbe Reizwort doch im positiven Sinne. Cf. e. g. Johannes Tauler, ed. F. Vetter, Berlin 1910 [Neudruck Dublin-Zürich 1968], Pr. 52, 239, 18-21: „[…] do wirt dem menschen gegeben friheit des geistes und u´berweseliche gnade in einem erhebende des gemuetes u´ber alle die bilde und formen in einem erswingende u´ber alle geschaffene ding.“ Cf. nt. 103. Zur Verwendung von ,Ad nostrum qui‘ als interrogatorium cf. Grundmann, Ketzerverhöre (nt. 34), bes. 531. Ein berühmtes Beispiel bietet das Verhör des Erfurter Begarden Johannes Hartmann aus dem Jahr 1367. Hier wird das Reizwort der Freiheit, das ursprünglich nur im dritten Artikel der Konstitution ,Ad nostrum qui‘ Verwendung findet (cf. nt. 141), auch in die anderen Artikel importiert, um so einer freigeistigen Häresie schärfere Kontur zu verleihen. Als Beispiel sei hier nur eine Passage aus dem sechsten - möglicherweise vom ,Mirouer‘ beeinflußten - Artikel zitiert (Döllinger, Beiträge [nt. 102], 386): „[…] et subjunxit quod perfectus liber a se licentiat virtutes sub tali distinctione, quod homo liber non est sub lege quacunque, nec tenetur ad statuta ecclesiae nec praecepta qualiacunque, quod talis est liber spiritu id est ein fry Geist, quod idem est quam homo liber, et statuta et praecepta ecclesiae debent saltem tenere grossi homines, id est homines sub lege existentes quos ipse grossos
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lichkeit bietet sich den Anklägern der Marguerite Porete noch nicht. Ihnen geht es daher allein um die Funktionalisierung des zeitgenössischen Klischees einer „verwerflichen Begine“, wie es unabhängig von jeglicher theologischer Diskussion über die libertas spiritus in diversen Konzilsbeschlüssen des 13. Jahrhunderts auftaucht. Mit diesen schriftlich fixierten Forderungen nach disziplinarischen Maßnahmen gegenüber potentiell gefährlichen Semireligiosen stehen die Prozeßakten in einer Traditionslinie, die sich bis in das 14. Jahrhundert hinein erstreckt. Von jenen erstmals im 14. Jahrhundert auftretenden Schriftzeugnissen, die Beginen und Begarden mit ,Freigeistern‘ identifizieren, sind sie dagegen konsequent zu trennen. Ein zweiter Grund für den Verzicht der Inquisitoren darauf, die prekäre Auslegung des Freiheitsbegriffs im ,Mirouer‘ für die Urteilsbegründung zu verwenden, dürfte - neben der Unsicherheit über Marguerites Verfasserschaft, die möglicherweise eine Fokussierung auf ihre disziplinarischen Vergehen angebracht erscheinen ließ - wohl darin liegen, daß die bereits akute Diskussion um die libertas spiritus von ihnen noch nicht als allgemeine Bedrohung wahrgenommen wird. Dies ist erst der Fall, nachdem das Konzept einer freigeistigen Häresie entstanden ist, welches das unterstellte antinomistische Verhalten ihrer Anhänger mit deren Anspruch auf Gottunmittelbarkeit konsequent in einen Kausalzusammenhang setzt 147. Deshalb machen sich die Prozeßakten ausschließlich die etablierten lebensweltlichen Vorwürfe gegen Beginen und Begarden zunutze, um Marguerite und Guiard zu exemplarischen Vertretern eines gesellschaftszersetzenden und die Einheit des Glaubens gefährdenden semireligiosen Milieus zu stilisieren. Mit der Hinrichtung Marguerites und Guiards Verurteilung zu lebenslanger Kerkerhaft demonstriert der Generalinquisitor für das Königreich Frankreich sicherlich mit dem Einverständnis Philipps des Schönen und seiner Minister -, daß er nicht gewillt ist, irgendein Phänomen zu tolerieren, das sich auf die Stabilität des Reiches negativ auswirken könnte. Angesichts der zahlreichen Leerstellen in den Akten des Marguerite-Prozesses und in Hinblick auf ihre strategische Ausrichtung, die mehr der Verschleierung als der Erhellung von Marguerites realhistorischer Lebenssituation dient, muß
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homines appellat.“ Vergleichbares geschieht beim Verhör des Eichstätter ,Freigeistes‘ Konrad Kannler (1381), der im Unterschied zu Hartmann jedoch nie als Begarde bezeichnet wird. Das Verhör Kannlers ist ediert in Grundmann, Ketzerverhöre (nt. 34), 561-566. Der Erfurter Begarde Johannes Hartmann etwa wird unter Heranziehung von ,Ad nostrum qui‘ explizit auf diesen Kausalzusammenhang hin befragt (Döllinger, Beiträge [nt. 102], 384): „Et sic interrogatus a praedicto Inquisitore de primo articulo in Clementina de haereticis ,ad nostram qui‘ incipit, quod homo in vita praesenti, scilicet, quando steterit in tali contemplatione de qua prius dictum est, videlicet in summo gradu perfectionis quem ipse in principio habuit, quando in abysso divinitatis fuerit, an sit aliqua differentia inter Deum et se. Respondit quod in tali perfectione et summo gradu unus est cum Deo et Deus cum eo unus absque omni distinctione, et dixit quod in hoc consistat vera libertas spiritus, sic quod cessat omnis remorsus conscientiae et homo talis redditur impeccabilis.“ Auch Bischof Johann I. von Straßburg wirft den Anhängern der secta liberi spiritus vor, daß sie sich wesenseins mit Gott und deshalb sündlos wähnen, cf. Patschovsky, Straßburger Beginenverfolgungen (nt. 138), 135, 31-44.
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die Frage nach den Gründen für ihr Verhalten vor der Inquisition letztlich offen bleiben. Vielleicht ist sie tatsächlich bewußt in den Tod gegangen, weil sie die Lehren ihres Buches nicht verraten wollte; vielleicht aber war sie einfach nicht dazu in der Lage, auf die formalen Anforderungen des Prozesses angemessen zu reagieren und sich gegen den Häresievorwurf zur Wehr zu setzen. In jedem Falle wurden sie und Guiard zu Opfern einer Politik, die jeglichen Ansatz zu sektiererischen Umtrieben bereits im Keim zu ersticken suchte.
,La Vie de saint Louis‘ von Jean de Joinville Brigitte Stark (Bonn) I. Hinterg r ünde 1. Louis IX., König von Frankreich Louis IX. (Ludwig der Heilige), König von Frankreich (1214-1270) wurde im Jahr 1297 kanonisiert. Damit erkannte ihm die von Bonifaz VIII. eingesetzte Untersuchungskommission ein nach streng christlichen Grundsätzen geführtes Leben zu und bestätigte etwa 330 Wunder und Heilungen, die der heilige König zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tod bewirkt hat. Die Faszination, die von ihm ausgeht, beruht nicht allein auf Wundertaten, die eine naturwissenschaftliche Erklärung ausschließen 1. Als Wunder im Sinne einer übermenschlichen Leistung erscheint es den Zeitgenossen und der Nachwelt, daß Louis IX. trotz seiner tiefen Frömmigkeit und Opferbereitschaft ein überaus erfolgreicher Politiker ist und seine Dynastie, die Kapetinger, zu höchstem Ansehen führt: Er schließt Frieden mit den Fürsten der benachbarten Länder, vergrößert das königliche Territorium, beendet und verhindert die Fehden seiner Vasallen und erläßt zahlreiche Verordnungen, die die Rechtslage des einfachen Volkes verbessern. In seiner Regierungszeit erlebt Frankreich mit dem Bau der gotischen Kathedralen und dem Höhepunkt der scholastischen Philosophie an der Universität Paris sein erstes „großes Jahrhundert“: „Im 13. Jahrhundert ist Frankreich das auserwählte Reich Gottes, und Paris ist ein neues Jerusalem.“ 2 Eine enge Beziehung pflegt der heilige König zu den Orden der Franziskaner und Dominikaner (den Mendikanten) und es gelingt ihm, während seiner über dreißigjährigen Regierungszeit das Gleichgewicht zwischen päpstlichen Machtansprüchen und der Autorität der französischen Krone zu erhalten. Trotz seines überzeugten Eintretens für den Frieden fühlt sich Louis berufen, in den Jahren 1248 bis 1254 einen Glaubenskrieg zu führen, um strategisch bedeutende Gebiete in Ägypten zurückzuerobern. Dieser siebte Kreuzzug ist zum Scheitern verurteilt und der König gerät für kurze Zeit in Gefangenschaft; 1
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Von 66 Heilungswundern berichtet Guillaume de Saint-Pathus, der Beichtvater von Louis’ Gemahlin Marguerite de Provence, in seinen ,Miracles de Saint Louis‘, ed. P. B. Fay, Paris 1931. M.-D. Albert, La Sainte-Chapelle ou les fastes de la foi, in: Le Figaro, 1. 6. 2001, 11; der Artikel wurde anläßlich der Ausstellung der Schätze der Sainte-Chapelle veröffentlicht.
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beim Rückzug können die Kreuzfahrer jedoch die Stellung der christlichen Herrscher im Heiligen Land erfolgreich festigen. Unter dem Eindruck der erlittenen Niederlage legt sich Louis nach seiner Rückkehr in die Heimat die Verpflichtung auf, noch konsequenter für Frieden, Ordnung und Gerechtigkeit einzutreten. Zugleich treibt ihn die Vision, als vorbildlicher christlicher Herrscher einen weiteren Glaubenskrieg zu unternehmen, der seinem Reich und der gesamten Christenheit aber auch dem eigenen Seelenheil zugute kommen soll. 1270 bricht er mit einem neuen Heer von Kreuzfahrern nach Nordafrika auf. Dieser Kreuzzug endet im August desselben Jahres mit dem Tod des Königs vor Tunis. 2. Hagiographische Schriften über Louis IX. Bereits in den Jahren 1272 bis 1275 verfaßt der Dominikaner Geoffroi de Beaulieu eine kurze lateinische Biographie Louis’ IX. unter dem Titel ,Vita et sancta conversatio piae memoriae Ludovici quondam regis Francorum‘. Diese Schrift wird von Gregor IX. und dem Dominikanerorden in Auftrag gegeben und soll der Vorbereitung des Kanonisierungsprozesses dienen 3. Geoffroi, der Louis’ Beichtvater war, ihn auf dem Kreuzzug nach Tunis begleitete und in seinen letzten Stunden bei ihm war, preist den frommen Lebenswandel des Königs. In die Vita des Königs fügt Geoffroi eine ins Lateinische übersetzte Kurzfassung der ,Enseignements‘ (Lehren) ein, die der König in der Volkssprache für seinen Sohn, den späteren Philippe III., aufgezeichnet hat 4. Der politischen Tätigkeit des Herrschers widmet der Autor nur eins von 52 Kapiteln. Der typologische Vergleich mit dem alttestamentlichen König Josias führt Geoffroi zu der Schlußfolgerung: „Er ist würdig, in die Reihe der Heiligen aufgenommen zu werden.“ 5 Eine Fortsetzung der Vita von Geoffroi de Beaulieu schreibt der Dominikaner Guillaume de Chartres 6, der ebenfalls am zweiten Kreuzzug teilgenommen hat 7. 3
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Geoffroi de Beaulieu, Vita et sancta conversatio piae memoriae Ludovici quondam regis Francorum, in: Recueil des Historiens de la France 20 (1968), 3-26. Einen Überblick über die hagiographischen Schriften über Louis IX. und die Charakteristik der einzelnen Werke findet man bei ˆ ge. Le Saint et le Roi, Paris 2004, 452-466. J. Le Goff, He´ros du Moyen A In der Tradition der Miroirs du prince (Fürstenspiegel), die bis in die Karolingerzeit (und bis in die Antike) zurückgeht, schreibt Louis IX. zwischen Juni 1267 und Februar 1268 die ,Enseignements‘ für seinen Sohn, den zukünftigen König Philippe III. Das Original in der Volkssprache ist verloren gegangen. Das Genus war im 13. Jahrhundert sehr verbreitet, doch ist Louis IX. der einzige Herrscher, der einen Miroir für seinen Sohn selbst verfaßt und auch ein vergleichbares Buch für seine Tochter Isabelle schreibt. Cf. G. Hasenohr [e. a.] (eds.), Dictionnaire des ˆ ge, Paris1964, 961 sq. Lettres francX aises, vol. 1: Le Moyen A Le Goff, He´ros (nt. 3), 457. Ibid., 458 sq. Einen Überblick über die historischen Schriften über Louis IX. - dazu gehören zum Beispiel die Kapitel im ,Speculum historiale‘ des Vinzenz von Beauvais und die Chronik des Mönchs von Saint-Denis, Guillaume de Nangis - gibt J. Monfrin, Vie de saint Louis, Paris 1995, CXXV-CXXVI.
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Über dreißig Jahre nachdem Louis IX. verstorben war und fünf Jahre nach seiner Heiligsprechung erscheint auf Anregung einer seiner Töchter eine weitere Vita. Blanche de France (gest. 1314/1316) beauftragt den Franziskaner Guillaume de Saint-Pathus, der als Beichtvater seit 1277 in relativ enger Verbindung zur Königsfamilie steht, Louis IX. jedoch nicht persönlich gekannt zu haben scheint. In seinem Werk ,La Vie et les miracles de saint Louis‘ beruft er sich auf Dokumente aus der zweiten Befragung im Kanonisierungsprozess, auf 38 Aussagen zum Leben des Königs und auf 330 Zeugnisse zu seinen Wundern. Auch in diesem Buch ist eine Fassung von Louis’ ,Enseignements‘ überliefert; hier handelt es sich um eine längere Version. Der gesamte Bericht, der aus den Jahren 1302 bis 1303 stammt, liegt in französischer Sprache vor; man geht davon aus, daß die erste Fassung auf Latein erschien 8. 3. Von der Hagiographie zur (Auto-)Biographie: ,La vie nostre saint roy Looys‘ von Jean de Joinville Nachdem alle diese Werke abgeschlossen sind, die auf Ersuchen des Papstes, der Orden und der Königsfamilie zum Andenken an Louis IX. verfaßt wurden, und sein offizielles Bild durch die Bulle und die beiden Predigten Bonifaz’ VIII. festzustehen scheint, beginnt ein über achtzigjähriger Laie, seine Erinnerungen an den heiligen König zu diktieren. Jean de Joinville (1225-1317), der Seneschall der Champagne, verfaßt sein Buch im Auftrag der Königin Jeanne de Navarre 9, die als Gräfin der Champagne seine Lehnsherrin und zugleich die Gemahlin des regierenden Königs Philippe IV. von Frankreich ist 10. Jeanne kennt den Seneschall seit ihrer frühesten Jugend und sie weiß, daß er ein zuverlässiger Gewährsmann ist, der im Gefolge von Louis IX. gelebt und in den dramatischen Ereignissen des siebten Kreuzzuges sein Vertrauen und seine Freundschaft gewonnen hatte. Auch gehört er zu den wichtigsten Zeugen, die im Jahr 1282 beim Kanonisierungsprozeß angehört wurden. Möglicherweise hat Jeanne de Navarre schon vor der Heiligsprechung den Seneschall zum ersten Mal mit der Niederschrift seiner Erinnerungen beauftragt, um den Prozeß zu fördern. 1309 schließt Joinville sein Werk ab und widmet es - da Jeanne im Jahr 1305 verstorben ist - ihrem Sohn, Louis de Navarre, dem zukünftigen König Louis X. Das Buch trägt den Titel ,Le livre des saintes paroles et des bons faiz nostre saint roy Looys‘ (§ 2); in der Widmung (§ 19) nennt Joinville es kürzer ,La vie nostre saint roy Looys‘ 11. Es unterscheidet sich von den zuvor verfaßten hagio8 9 10
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Cf. nt. 3. Johanna von Navarra (1273-1305) ist eine Großnichte von Louis IX. Philippe IV. (1268-1314), ein Enkel des heiligen Königs, hat den Beinamen „Philippe le Bel“ (Philipp der Schöne). Im folgenden Text wird das Buch wie in der Edition von Jacques Monfrin (cf. nt. 7) kurz als ,Vie de saint Louis‘ bezeichnet.
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graphischen Schriften durch die persönliche Beziehung zwischen dem Autor und seinem König und durch eine differenzierte Art der Berichterstattung. Durch die Vermittlung von Jean de Joinville kennen wir eine Reihe von Aussprüchen und von Gesprächen, die Louis IX. mit vertrauten Personen geführt hat. Der Leser gewinnt annäherungsweise einen Eindruck von der „parole“, dem gesprochenen Wort, und von der erstaunlichen Einfachheit („simplicite´“), mit der sich der König in der Volkssprache auszudrücken pflegte. In der ,Vie de saint Louis‘ sind biographische, autobiographische und hagiographische Elemente eng miteinander verbunden. Eine Reihe von Szenen ist in Anlehnung an fiktionale Werke wie Heldenepen (Chansons de geste) und Kreuzzugslieder entstanden. Darstellungen des Königs in seiner Funktion als exemplum stehen in der Tradition der Fürstenspiegel (Miroirs du prince), und in Louis’ religiösen und moralischen „Lehren“ ist eine Affinität zur Predigt zu erkennen. Die Erzählung vom siebten Kreuzzug schließlich leistet einen bedeutenden Beitrag zur historiographischen Literatur. Auf Grund der Vielfalt der Quellen und Einflüsse ist es nicht möglich, das Buch einer Literaturgattung zuzuordnen. Der Bericht setzt sich aus kurzen Episoden zusammen, die Joinvilles persönlichen Erinnerungen, mündlichen Berichten anderer Zeugen oder der Lektüre von schriftlichen Dokumenten entstammen. Die Einheit des Buches entsteht aus dem Gedächtnis und der Vorstellungskraft des Autors, der die Eindrücke und Erlebnisse beim mündlichen Vortrag oder Diktat miteinander verknüpft. Die Unmittelbarkeit des lebendigen Erzählens erkennt der Adressat häufig an der Verwendung einfacher Formeln der mündlichen Kommunikation 12. Diese weisen die Erinnerungen des Seneschalls als ein Dokument des Übergangs von der mündlichen Erzählung zur Verschriftlichung aus.
4. Das wahrhaftige Zeugnis In 768 Paragraphen werden „die heiligen Worte und die ritterlichen Taten“ („saintes paroles et bons faiz“) aufgezeichnet, die Joinville persönlich miterlebt, mit eigenen Augen gesehen und selbst gehört hat 13. Durch seine Einleitung mit einer quasi-juristischen Formel verleiht er dem Bericht eine hohe Glaubwürdig12
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Beispielsweise in § 6: „comme vous orrez ci apre´s“ („wie ihr gleich hören werdet“) oder in § 60: „en la maniere que je vous ai dit devant“ („so wie ich euch zuvor berichtet habe“). Im Altfranzösischen bedeutet ,parole‘ ,Wort‘, aber auch ,Sprache‘, ,Sprechweise‘, ,Gespräch‘, ,Rede‘, ,Erzählung‘, ,Bericht‘, ,Versprechen‘, ,Gebot‘, cf. W. Foerster, Wörterbuch zu Kristian von Troyes’ sämtlichen Werken, Tübingen 1973. Im Neufranzösischen haben sich Bedeutung und Gebrauch kaum geändert: ,Wort‘, ,Ehrenwort‘, ,Versprechen‘, ,Sprache‘, ,Ausspruch‘, ,Sprechakt“, cf. Langenscheids Handwörterbuch Französisch, Teil 1, Berlin-München 2001. Mit den „saintes paroles“ von Louis IX. sind sowohl seine Aussprüche gemeint als auch seine Sprechweise.
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keit 14. M. Zink bemerkt zu dieser Textstelle, daß Joinville der erste volkssprachliche französische Autor ist, der das Pronomen „je“ verwendet und nicht in der dritten Person von sich spricht 15. „En nom de Dieu le tout puissant, je, Jehan, sire de Joyngville, seneschal de Champaigne, faiz escrire la vie nostre saint roy Looy¨s, ce que je vi et oy¨ par l’espace de VI ans que je fu en sa compaignie ou pelerinage d’outre mer, et puis que nous revenimes.“ (§ 19)
„Im Namen Gottes, des Allmächtigen, lasse ich, Jean, Herr von Joinville und Seneschall der Champagne, das Leben unseres heiligen Königs Louis aufschreiben: das was ich gesehen und gehört habe in einem Zeitraum von sechs Jahren, die ich auf der Pilgerfahrt ins heilige Land und nach unserer Rückkehr in seinem Gefolge verbrachte.“
Beobachtungen und Erfahrungen im Gefolge von Louis IX. hat Joinville auch vor und nach der „Pilgerfahrt jenseits des Meeres“ gemacht, doch sind es diese sechs Jahre, die für die gegenseitige Wertschätzung und die Entwicklung der engen Beziehung zwischen den beiden Männern entscheidend waren. Rückblikkend wird dem Autor bewußt, wie ihn die Gespräche mit dem zehn Jahre älteren Louis IX. geprägt und beeinflußt haben, wieweit er dem exemplum des Königs folgt und sich mit ihm identifiziert, aus welchen Anlässen und zu welchem Zeitpunkt er sich von ihm distanziert. Zwar ist er sich immer des großen Abstands bewußt, der ihn - den einfachen Christen - von der Größe und Erhabenheit ,seines‘ Königs trennt, doch verwendet er häufig das vertraute Possessivum, wenn er von ihm spricht; so nennt er ihn beispielsweise „nostre saint roy Looys“ - ein Zeichen für seine enge persönliche Beziehung und für die allgemeine Verehrung, die der König im Volk genießt 16. Saint Louis verkörpert in seiner Person zwei Ideale seiner Zeit: das Amt des Königs, der sich durch seine Weihe und übernatürliche Gaben vor allen Menschen auszeichnet 17, und die Würde des kanonisierten Heiligen. Als König ist er der erste unter seinen Vasallen und ein Vorbild an ritterlicher Tapferkeit und Großmut („chevalerie“), als Heiliger zeichnet er sich durch Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft in der Nachfolge Christi aus. Daß er nicht dem geistlichen 14
15 16
17
D. Boutet, Ordre, de´sordre et paradoxe dans le prologue et l’e´pilogue de la ,Vie de Saint Louis‘ de Joinville, in: J. Dufournet (ed.), Si a parle´ par moult ruiste vertu. Me´langes de litte´rature me´die´vale offerts a` Jean Subrenat, Paris 2000, 73-81, hier 79. Cf. M. Zink, La subjectivite´ litte´raire. Autour du sie`cle de saint Louis, Paris 1985, 219. Joinville beginnt einen Brief an Louis X. mit den Worten „A son bon signour Loys, par la grace de Deu, roy de France“ und redet ihn mit „Chiers sire“ an. Cf. Jean de Joinville, Histoire de Saint Louis, Credo et Lettre a` Louis X. Texte original, accompagne´ d’une traduction par N. de Wailly, Paris 1874, 448 sqq. Die französischen (und auch die englischen) Könige hatten die Gabe, Menschen, die an Skrofeln erkrankt waren, durch die Berührung mit ihren Händen zu heilen. Über die wunderbaren Heilungen wurde lange Zeit Schweigen bewahrt, doch nach dem Tod von Louis IX. wagten es hochgestellte Geistliche, das alte Schweigegebot zu brechen. Cf. M. Bloch, Die wundertätigen Könige, München 1998, 158 sq.
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Stand angehörte und dennoch ein einzigartiges und heiligmäßiges Leben geführt hat, hält Joinville für besonders erwähnenswert. „Et ces autres choses ai je fait escrire aussi a l’onneur du vrai cors saint, pour ce que par ces choses desus dites en pourra veoir tout cler que onques homme lay de nostre temps ne vesqui si saintement de tout son temps, des le commencement de son regne jusques a la fin de sa vie.“ (§ 4)
„Und diese anderen Dinge habe ich auch zu Ehren dieses wahren Heiligen aufschreiben lassen, denn durch die oben genannten Dinge wird man ganz klar erkennen können, daß niemals ein Laie unserer Zeit ein so heiliges Leben führte, zeit seines Lebens, vom Beginn seiner Herrschaft bis zum Ende seines Lebens.“
In seinem Bericht von der Todesstunde des Königs beruft er sich - da er nicht selbst zugegen war - auf das Zeugnis von Louis’ Sohn, des zukünftigen Königs Philippe III. Nach Auffassung Joinvilles hat Louis IX. nicht nur als Bekenner gelebt, sondern verdient die gloria passionis des Märtyrers. „Et de ce me semble il que en ne li fist mie assez quant en ne le mist ou nombre des martirs, pour les grans peinnes que il souffri ou pelerinage de la croiz par l’espace de VI anz que je fu en sa compaignie, et pour ce meismement que il ensuı¨ Nostre Seigneur ou fait de la croiz; car se Diex morut en la croiz, aussi fist il car croisiez estoit il quant il mourut a Thunes.“ (§ 5)
„Und was dies angeht, scheint mir, daß man keineswegs genug für ihn tat, als man ihn nicht in die Reihe der Märtyrer aufnahm, wenn man die großen Leiden bedenkt, die er während des Kreuzzugs ertrug im Lauf von sechs Jahren, als ich mich in seinem Gefolge befand. Und besonders weil er unserem Herrn bis zum Kreuz folgte. Gott starb am Kreuz und der König ebenfalls, denn er war auf dem Kreuzzug, als er in Tunis starb.“
Der Glaube, daß der Tod auf einem Kreuzzug unter bestimmten Voraussetzungen als Märtyrertod zu deuten sei, war allgemein verbreitet 18. Der König selbst und andere seiner Zeitgenossen teilten diese Auffassung, die sich im Kanonisierungsprozeß nicht durchsetzen konnte. Joinville vertritt sie auch auf Grund eigener Erfahrungen, da er die Leiden und Gefahren, denen Louis IX. ausgesetzt war, mit ihm gemeinsam und am eigenen Leib erlebt hat. In der Kreuzzugserzählung spricht er von „persecucions et tribulacions“ („grausame Verfolgungen und Trübsal“), denen er ausgesetzt war (§ 406). Diese Wortwahl paßt ebenso wie die krassen Bilder von tödlichen Krankheiten und grausamen Verletzungen eher zu einer Märtyrerlegende als in die Beschreibung einer „Pilgerfahrt“. 18
E. H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters. Stuttgart 1992, 251: „Ein Kreuzfahrer, der für den christlichen Glauben gegen die Ungläubigen kämpfte und im Dienste des Königs Christus für die Sache des Heiligen Landes starb, war nach allgemeinem Glauben berechtigt, seinen sofortigen Einzug in das himmlische Paradies und als Lohn für die Opferung seines Lebens die Märtyrerkrone zu erwarten. Illuc quicumque tenderit, / Mortuus ibi fuerit, / Caeli bona receperit / Et cum sanctis permanserit“; cf. G. M. Dreves (ed.), Analecta hymnica medii aevi, vol. 45b: Cantiones et muteti, Leipzig 1904, 78.
,La Vie de saint Louis‘ von Jean de Joinville
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5. Die Widmung an Louis de Navarre Joinville bringt seine Einstellung zu aktuellen Ereignissen meist nur indirekt zum Ausdruck. Er betont, daß ihn die Königin, die er von Jugend an als Mentor begleitet hat, „sehr liebte“. Dagegen ist seine Haltung zu ihrem Gemahl Philippe IV. sehr distanziert. Als Vermächtnis an alle Nachkommen von Saint Louis widmet er seine Erinnerungen dem Sohn der verstorbenen Königin, Louis de Navarre, und dessen Brüdern. Sie sind ausnahmslos potentielle Herrscher, und tatsächlich werden alle drei die Königsherrschaft innehaben: Louis de Navarre von 1314 bis 1316 unter dem Namen Louis X. („Louis le Hutin“, „der Zänkische“); sein Bruder Philippe V. („Philippe le Long“) von 1316 bis 1322; Charles IV. („Charles le Bel“) von 1322 bis 1328. Es scheint, als habe der erfahrene Seneschall die zukünftige Gefährdung und Unbeständigkeit der Dynastie vorausgesehen. Daß er den regierenden König Philippe le Bel in seiner Zueignung übergeht, wird vielfach als indirekte Kritik an dessen Regierungszeit gewertet. Dagegen schlägt Jacques Monfrin vor, der Auslassung keine große Bedeutung zuzumessen 19. „Or diz je a vous, mon seigneur le roy de Navarre, que je promis a ma dame la royne vostre mere, a cui Diex bone merci face, que je feroie cest livre, et pour moy aquitier de ma promesse l’ai je fait. Et pour ce que ne voi nullui qui si bien le doie avoir comme vous qui estes ses hoirs, le vous envoie je pour ce que vous et vostre frere et les autres qui l’orront y puissent prenre bon exemple, et les exemples mettre a oevre, par quoy Dieu leur en sache gre´.“ (§ 18)
„Nun sage ich Euch, Herr König von Navarra, daß ich meiner Herrin, der Königin, Eurer Mutter - Gott schenke ihr sein Erbarmen - versprach, dieses Buch zu schreiben. Und um mein Versprechen zu halten, habe ich es geschrieben. Und da ich niemanden sehe, der so viel Recht darauf hat wie Ihr, die Ihr ihr Erbe seid, widme ich es Euch, damit Ihr und Euer Bruder und die anderen, die es hören, daran ein Beispiel nehmen können und das Beispiel in die Tat umsetzen, so daß Gott an ihnen sein Wohlgefallen hat.“
Im Zusammenhang mit dieser Widmung liegt die Frage nahe, aus welchen Gründen die Königin Jeanne de Navarre dem Seneschall ihren Auftrag erteilt und welche Intentionen dieser mit der Niederschrift seines Buches verbindet. 6. Zweiteilung des Titels - Dreiteilung der Erzählung Die Überschrift des Berichts, die - wie Joinville in § 2 versichert - von Jeanne de Navarre selbst vorgeschlagen wurde, läßt eine Zweiteilung in „saintes paroles“ („heilige Worte“) und „bons faiz“ Louis’ IX. erwarten, und der Autor erklärt, daß im zweiten Teil nicht von „guten“, sondern von „großen ritterli19
Monfrin, Vie de saint Louis (nt. 7), XVI.
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chen Taten und großen Schlachten“ berichtet wird. Mit den ritterlichen Tugenden wird er einen anderen thematischen Schwerpunkt setzen als die Hagiographen. Von der vorgegebenen Gliederung weicht er jedoch gleich am Anfang des Buches ab, indem er denkwürdige Taten vorausnimmt, beispielsweise die Situationen, in denen Louis IX. sein Leben für andere Menschen aufs Spiel setzt. Möglicherweise will Joinville mit dieser Verflechtung zeigen, daß für ihn die Worte und Taten des Königs untrennbar verbunden sind. Dieses Prinzip bringt es mit sich, daß die chronologische Reihenfolge nicht immer beachtet wird, da eine Reihe von Episoden, Szenen, Gesprächen und Belehrungen sowohl im ersten als auch im zweiten Teil erscheinen. Auf diese Weise behandelt der Autor die Themen, die ihm besonders am Herzen liegen, mehrfach beziehungsweise bringt er sie mehrfach ,zur Sprache‘. Der Wechsel der Perspektive, die Technik von Vorausnahme und Verweis beziehungsweise Wiederholung erinnert daran, daß der Text diktiert wurde ein Faktum, das Joinville mehrmals erwähnt und durch die Verwendung narrativer Formeln bestätigt 20. Auch liegt die Vermutung nahe, daß der Niederschrift zahllose mündliche Berichte von den Abenteuern des Kreuzzugs vorausgegangen sind. Was die Länge anbetrifft, so unterscheiden sich die beiden Teile erheblich: In der Edition von Jacques Monfrin umfaßt der erste Teil 68 Paragraphen, der zweite 699, das heißt er ist mehr als zehnmal so lang 21. Untersucht man den Inhalt des zweiten Teils, so erkennt man ein weiteres Strukturprinzip: Die „ritterlichen Taten“ des siebten Kreuzzugs werden in einem langen und relativ homogenen Text dargestellt (§§ 106-654), darauf folgen eine Reihe von Episoden, die sich nach der Rückkehr nach Frankreich ereignet haben, Bemerkungen zur persönlichen Entwicklung des Königs - dazu gehören wieder einige seiner „paroles“ sowie wörtliche Zitate aus seinen ,Ordonnances‘ und den ,Enseignements‘ an Louis’ Sohn - und historiographische Informationen, nämlich die Planung des achten Kreuzzuges, der Tod und die Kanonisierung des Königs. Das Buch schließt mit einem Traum des Autors, einer Bitte an den zukünftigen König und einer Widmung mit der Jahreszahl 1309 (§§ 766-769). Aus dieser Übersicht ist eine Dreiteilung des Buches zu erkennen: Die Erinnerungen an den siebten Kreuzzug stehen als zusammenhängende und gewichtige Erzählung in der Mitte des Werkes. Sie werden von den wesentlich kürzeren Anfangsund Schlußkapiteln eingerahmt, in denen der König überwiegend durch knappe Episoden und durch seine politischen und juristischen Entscheidungen charakterisiert wird. 20 21
Cf. nt. 12 Die Einteilung in Paragraphen folgt der Ausgabe von Monfrin, Vie de saint Louis (nt. 7). Monfrin übernimmt sie aus der Edition von N. de Wailly, Histoire de Saint Louis. Suivie du credo et de la lettre a` Louis X. Texte ramene´ a` l’orthographe des chartes du sire de Joinville, Paris 1868.
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7. Theorien zur Datierung des Buches Ein entscheidender Anhaltspunkt für die Datierung der ,Vie de saint Louis‘ ist die Jahreszahl 1309, die im letzten Kapitel (§ 769) genannt wird: „Ce fu escript en l’en de grace mil .CCC. et .IX. ou moys d’octovre“ („Dies wurde geschrieben im Jahr des Heils 1309, im Oktober“). Mit diesem Satz schließt eins der wenigen erhaltenen Manuskripte, das Manuskript aus Brüssel. Darin wird die Fertigstellung des Buches datiert oder - was weniger wahrscheinlich ist die des Manuskripts, von dem das Brüsseler Manuskript kopiert wurde 22. Auf Grund dieser Zeitangabe, die als relativ verläßlich gilt, wird im folgenden Beitrag der Versuch gemacht, die ,Vie de saint Louis‘ nicht nur als Bericht über eine vergangene Epoche zu lesen, die etwa fünfzig Jahre zurückliegt, sondern auch als Reaktion auf den Wandel, der sich seit dem Tod des heiligen Königs vollzogen hat. Was Beginn und Dauer der Niederschrift betrifft, so gibt Joinville darüber keine Auskunft; auch ist bisher kein anderes Dokument bekannt, das dazu eindeutige Anhaltspunkte bietet. Auf die Frage nach der genauen Datierung sucht man seit über hundert Jahren eine überzeugende Antwort. Anhand scharfsinniger Text- und Quellenanalysen - beispielsweise durch den Vergleich von Lebensdaten - wurden zwei Hypothesen aufgestellt: Die erste besagt, daß das Werk etwa in den Jahren 1305 (dem Todesjahr der Jeanne de Navarre) bis 1309 ohne wesentliche Unterbrechungen aufgeschrieben wurde; diese Theorie wurde zuerst 1874 von Natalis de Wailly anläßlich einer bedeutenden Rekonstruktion und Edition des Originaltextes vertreten 23. Bereits 1894 stellte Gaston Paris dagegen die These auf, daß Joinville seine Erinnerungen in zwei Phasen verfaßt und die Episoden des Kreuzzugs schon in den Jahren 1272 bis 1273 spontan und zunächst nur für sich selbst und seine Freunde aufgeschrieben habe 24. Die persönlichen Erinnerungen seien im mittleren Teil des Buches (§§ 110-666) enthalten. Nach dem Auftrag der Königin seien die wenig kohärenten Anfangsund Schlußkapitel offenbar in Eile hinzugesetzt worden. Auf Passagen der ,Grandes Chroniques de France‘ habe Joinville mangels eigener Informationen zurückgegriffen (und einige Kapitel habe er erst im Zusammenhang mit der Widmung an Louis de Navarre geschrieben). G. Paris stützt seine Theorie unter anderem auf sprachliche Beobachtungen; so fehle beispielsweise das Adjektiv „saint“ in den vor der Kanonisierung entstandenen Kapiteln. Seine Thesen blieben auf Grund seiner großen Autorität als Mediävist lange unangefochten. Joseph Be´dier 25 und Alfred Foulet 26 schlossen sich allerdings nach eingehenden 22 23 24 25
26
Monfrin, Vie de saint Louis (nt. 7), LXVI. de Wailly, Histoire des Saint Louis (nt. 21), 480 sq. G. Paris, La Composition du livre de Joinville sur saint Louis, in: Romania 23 (1894), 508-524. J. Be´dier, Jean de Joinville, in: J. Be´dier/P. Hazard (eds.), Litte´rature francX aise, Paris 1948 [Erstveröffentlichung 1923], 108-112. A. Foulet, When Did Joinville Write his ,Vie de saint Louis‘?, in: Romanic Review 32 (1941), 233-243.
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philologischen Erwägungen wieder der Meinung von N. de Wailly an. Auch J. Monfrin gelangt im Vorwort seiner fundierten neuen Edition des Textes zu dem Ergebnis, das Buch sei in den letzten Monaten des Jahres 1305 begonnen worden 27. Auf seine These berufen sich die Autoren des Sammelbandes ,Le Prince et son historien‘ 28, in dem die Erinnerungen Joinvilles unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert werden. In neuester Zeit unterstützt die Historikerin Carolin Smith in ihren Untersuchungen zu den Kreuzzügen wieder die These von Gaston Paris 29. 8. Fragestellungen und Themen: der Stand der Forschung Die romanistische Forschung widmet sich - abgesehen vom Problem der Datierung und der Struktur des Buches - vorzugsweise dem Einfluß anderer Literaturgattungen und der Bestimmung des Übergangs von der mündlichen Überlieferung zur schriftlichen Literatur. Für die Historiker bietet die Analyse der Quellen, die Joinville benutzt hat, ein reiches Betätigungsfeld. Dominique Boutet deutet die Wiederholungen und Verweise im Prolog nicht als strukturellen Mangel, sondern als bewußt eingesetztes Verfahren, das durch die enge Verknüpfung von subjektiver Erfahrung und objektiv überprüfbaren Fakten eine hohe Authentizität garantiert 30. Karl D. Uitti nimmt an, daß die traditionsreiche Literaturproduktion am Hof der Champagne einen nachhaltigen Einfluß auf Joinville hatte. In der ,Vie de saint Louis‘ vermutet er daher Affinitäten zu Romanen von Chre´tien de Troyes, in denen sich aus der Not oder Niederlage des Helden eine erfreuliche Situation und eine Lösung seines Problems entwickelt. Er bezeichnet Joinvilles Buch allerdings nicht als Roman sondern als „wohlgeordnete Anthologie autobiographischer Novellen“ 31. Um 1980 verfaßt Michel Zink mehrere Untersuchungen zur Bedeutung von Subjektivität in der „Poetik“ Joinvilles. Sein Interesse an der Äußerung und dem Verschleiern von Emotionen, seine tiefenpsychologische Deutung der Träume Joinvilles versteht er als Herausforderung an die Einseitigkeit strukturalistischer Interpretationsverfahren 32. Jacques Le Goff würdigt in seinem monumentalen Werk über Saint Louis wiederholt die Bedeutung Joinvilles als Biograph, der sich um Wahrhaftig27 28
29 30 31
32
Monfrin, Vie de saint Louis (nt. 7), LXXVI. J. Dufournet/L. Harf (eds.), Le Prince et son historien. La Vie de saint Louis de Joinville, Paris 1997. C. Smith, Crusading in the Age of Joinville, Aldershot 2006. Cf. Boutet, Ordre (nt. 14). K. D. Uitti, Nouvelle et structure hagiographique: le re´cit historiographique nouveau de Jean de Joinville, in: Mittelalterbilder aus neuer Perspektive. Diskussionsanstöße zu amour courtois. Subjektivität in der Dichtung und Strategien des Erzählens. Kolloquium Würzburg 1984, München 1985, 380-398. Zink, La subjectivite´ litte´raire (nt. 15); id., Joinville ne pleure pas mais il reˆve, in: Poe´tique. Revue de the´orie et d’analyse litte´raires 33 (1978), 28-45.
,La Vie de saint Louis‘ von Jean de Joinville
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keit bemühe. Zugleich erkennt er die Problematik der Illusion, daß Joinville das ,wahre‘ Bild des Königs vermittle. Besonders verdienstvoll sei Joinvilles Dokumentation von Aussprüchen des Königs in der Volkssprache 33. FrancX oise Laurent wählt bewußt ein anderes Verfahren als Le Goff, indem sie lediglich Situationen analysiert, in denen der König seinen Gesprächspartner bekehren und von Glaubensfragen überzeugen will 34. Unter dem Titel ,Jean de Joinville: de la Champagne aux royaumes d’outremer‘ erschienen unter anderem zwei ausführliche Aufsätze über die Familie Joinville und ihre enge Verbindung zu ihrer Heimat, der Grafschaft Champagne 35. Im selben Band thematisiert Franck Collard die Haltung Joinvilles zu Philippe IV. Durch eine Lektüre „auf zwei Ebenen“ entdeckt er hinter zahlreichen Kommentaren und Bemerkungen zu Louis IX. eine versteckte Kritik an der Politik und Rechtsprechung des regierenden Königs. Collards systematische Untersuchung geht - ähnlich wie die vorliegende Studie - von dem Zeitfenster der Jahre 1305 bis 1309 aus, konzentriert sich jedoch ausschließlich auf den Bereich der Politik 36. Die Historikerin Mary Slatterly orientiert sich bei der Analyse der Quellen Joinvilles an dessen bewußter Unterscheidung zwischen mündlichen und schriftlichen Quellen 37. Zu den „mündlichen Quellen“ zählt sie einerseits volkstümliche Mythen und archaische Vorstellungen vom Königtum, andererseits Joinvilles persönliche Erlebnisse und Beobachtungen, da sie annimmt, daß er sie zuerst in narrativer Form - wahrscheinlich am Hof der Champagne - vorgetragen und möglicherweise in den Jahren um 1270 schriftlich aufgezeichnet hat. Sie stellt fest, daß die mündlichen Quellen das Bild des charismatischen Königs und Heerführers zeichnen, der über der menschlichen Hierarchie steht und dazu bestimmt ist, Gottes Willen zu erfüllen. In den schriftlichen Quellen dagegen erscheine Louis IX. als bürokratischer Monarch, der das Territorium seines Landes in einer Regierungszeit von 36 Jahren vergrößert und in Verwaltung und Justiz wesentliche Reformen eingeführt habe. Caroline Smith geht der Frage nach, wie Laien im 13. Jahrhundert für die Kreuzzugsidee geworben wurden und sich mit ihr identifizieren konnten 38. Sie vergleicht Predigten und fiktionale Texte - Chansons de geste und Kreuzzugslieder - mit authentischen Berichten, wobei sie der ,Vie de saint Louis‘ einen hohen Informationswert für die Geschichtsschreibung zuerkennt. 33 34
35
36
37
38
J. Le Goff, Saint Louis, Paris 1996; id., He´ros (nt. 3). F. Laurent, La parole de foi dans le livre de paroles de la Vie de saint Louis de Jean de Joinville, ˆ ge 110 (2004), 253-273. in: Moyen A J. Lusse, D’E´tienne a` Jean de Joinville: L’ascension d’une famille seigneuriale champenoise, in: D. Que´ruel (ed.), Jean de Joinville: de la Champagne aux royaumes d’outre-mer, Langres 1998, 7-47; D. Que´ruel, „Nous de Champaigne …“, in: ibid., 49-72. F. Collard, Quand l’apologie nourrit le re´quisitoire: une lecture en ne´gatif des Me´moires de Joinville, in: Que´ruel (ed.), Jean de Joinville (nt. 35), 131-142. M. Slatterly, Myth, Man and Sovereign Saint. King Louis IX in Jean de Joinville’s Sources, New York-Bern-Frankfurt 1985. Smith, Crusading (nt. 29).
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II. Die ,Vie de saint Louis‘ als Reaktion auf die Jahre 1305 bis 1309 Die folgende Studie ist ein Versuch, Joinvilles Bericht als Reaktion auf Ereignisse der Jahre 1305 bis 1309 zu verstehen. Anläßlich der Verfolgung der Templer werden Joinvilles nachträgliche Deutung des siebten Kreuzzuges und seine Erfahrungen mit diesem Orden untersucht. Einige Textstellen zu politischen und religiösen Prinzipien Louis’ IX werden hervorgehoben und ihr Einfluß auf den Biographen untersucht. Abschließend soll die Frage nach der Intention der Auftraggeberin und des Autors gestellt werden.
1. Warnzeichen in der Politik (1305-1309) In der Zeit, in der Joinville an der ,Vie de saint Louis‘ arbeitet, sieht er sich mit grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert. Dramatische Ereignisse häufen sich im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, das heißt in der Zeitspanne, in der er sich ohne Zweifel der Niederschrift gewidmet hat. Wir können mit Sicherheit annehmen, daß sich Joinville persönlich und als Feudalherr der Champagne von diesen Ereignissen betroffen fühlt. Im Gegensatz zu seinem Großvater Louis IX. versteht es der regierende König Philippe IV. nicht, kriegerische Auseinandersetzungen mit benachbarten Ländern zu vermeiden. Der Krieg in der Guyenne mit England und die Niederlage gegen Flandern 1302 stürzen Frankreich in eine schwere Finanzkrise, die eine Geldentwertung und erhebliche Steuerlasten zur Folge hat. Eine große Erschütterung erlebt Joinville zweifellos, als Jeanne de Navarre im Alter von 32 Jahren unter mysteriösen Umständen stirbt 39. Nicht zuletzt darf man voraussetzen, daß der offene Machtkampf zwischen Philippe IV. und den Päpsten den Seneschall tief beunruhigt. Angesichts des rücksichtslosen Vorgehens gegen den Templerorden in den Jahren 1307 und 1308 besteht für Joinville und seine Zeitgenossen kein Zweifel, daß sich Philippe IV. in seiner etwa zwanzigjährigen Regierungszeit von den moralischen und politischen Maßstäben seines Großvaters weit entfernt hat. Die Sorge um den Bestand der Kapetingerherrschaft bringt Joinville am Anfang der ,Vie de saint Louis‘ unverschlüsselt zum Ausdruck. Er fügt einer ernsten Ermahnung, die Louis IX. zu Beginn des Kreuzzugs ausgesprochen hat, einen Kommentar zur aktuellen Situation des Landes hinzu. Der heilige König hatte auf der Überfahrt nach Zypern eine knapp überstandene Seenot als einen Fin39
Jeanne fiel möglicherweise einem Akt persönlicher Rache zum Opfer. Der angeklagte ehemalige Bischof Guichard de Troyes sagte in einem Prozeß aus, sie sei verhext worden. Cf. E. Lavisse/ Ch.-V. Langlois (eds.), Saint Louis, Philippe le Bel, les derniers Cape´tiens directs (1226-1328) (Histoire de France depuis les origines jusqu’a` la re´volution, vol. 3, 2), Paris 1901, 207 sqq.
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gerzeig Gottes gedeutet, der die Menschen an die Notwendigkeit erinnere, ihr Leben zu ändern. „A oeuvre devons nous mettre ceste menace que Dieu nous a faite en tele maniere que se nous sentons que nous aions en nos cuers et en nos cors chose qui desplese a Dieu, oster le devons hastivement. Et quanque nous cuiderons qui li plese nous nous devons esforcier hastivement du prenre. […] apre´s la menace quant le mauvais serjant ne se veut amender, le seigneur le fiert ou de mort ou de autres greingneurs mescheances, qui piz valent que mort.“ (§ 41)
„Wir sollen aus dieser Drohung Gottes auf folgende Weise Nutzen ziehen: Wenn wir in unseren Herzen oder an unserem Leib etwas entdecken, das Gott mißfallen kann, so sollen wir es schnell entfernen. Und um alles, wovon wir glauben, daß es ihm gefällt, sollen wir uns bemühen, daß wir es schnell ergreifen. […] wenn sich der schlechte Diener nach der Bedrohung nicht bessern will, schlägt ihn der Herr entweder mit dem Tod oder mit anderem Unglück, das schlimmer ist als der Tod.“
Diese Warnung, die Louis allgemein formuliert und in der Art einer Predigt vorträgt, überträgt Joinville auf den regierenden König und dessen „mesfais“ (Missetaten). „Si y preingne garde li roys qui ore est, car il est eschape´ de aussi grant peril ou de plus que nous ne feimes; si s’amende de ses mesfais en tel maniere que Dieu ne fiere en li ne en ses choses cruelment.“ (§ 42)
„Also nehme sich der König, der jetzt regiert, in acht, denn er ist einer ebenso großen oder größeren Gefahr entronnen wie wir. Und er möge sich in seinem schlechten Verhalten [in seinen Missetaten] bessern, so daß Gott ihn weder in seiner Person noch in seinen Angelegenheiten auf grausame Weise schlage.“
Mit der „großen Gefahr, der der König kürzlich entronnen ist“, spielt er eventuell auf die Schlacht bei Mons-en-Pe´ve`le an, bei der Philippe vom Pferd geworfen wurde 40. Die Lokalisierung und die Datierung der Szene spielen bei der Suche nach der Intention des Buches eine untergeordnete Rolle. Bemerkenswert ist die Offenheit, mit der Joinville die „mesfais“ des Königs erwähnt. Er riskiert es, Philippe IV. als einen Monarchen darzustellen, der nicht dem Idealbild der Fürstenspiegel und den Vorstellungen seiner Untertanen entspricht: Der König soll sich von Jugend an vorbildlich verhalten und nach den Tugenden eines Herrschers - wie Weisheit und Friedfertigkeit - streben, um dem Ideal seines Amtes möglichst nahe zu kommen. Dies gilt sowohl für seine private Lebensführung als auch für sein politisches Handeln, zwei Bereiche, die untrennbar miteinander verbunden und von den Geboten der Religion bestimmt sind. 40
Cf. J. Favier, Philippe le Bel, Paris 1978, 245.
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Daß Louis IX. diese Erwartungen in vollem Maße erfüllt, hebt Joinville schon im Prolog des Buches - unmittelbar nach der ersten Anrede an Louis de Navarre - hervor. „La premiere partie si devise comment il se gouverna tout son tens selonc Dieu et selonc l’Eglise et au profit de son regne.“ (§ 2)
„Der erste Teil legt dar, wie er sein ganzes Leben lang sein Verhalten auf Gott, auf die Kirche und zum Wohl seines Reiches ausrichtete.“
In der Hierarchie Gott - Kirche - Königreich faßt Joinville das Prinzip zusammen, dem sich Louis IX. in seiner gesamten Lebens- und Regierungszeit verpflichtet sieht: Er ordnet die weltliche Macht und Herrschaft, die er besitzt, nicht nur den Geboten Gottes, sondern auch der Autorität der Kirche unter. Mit seiner Sorge um das Reich und das Bewahren der Herrschaft steht Louis IX. in der Tradition seiner Dynastie der Kapetinger, die ihren Aufstieg und ihre dauerhafte Autorität auf ihre vorbildliche Lebensführung und den Respekt vor den Geboten Gottes zurückführen. Ihr Sendungsbewußtsein stützt sich auf Theorien, die man aus den Schriften des Kirchenvaters Augustinus ableitete 41. Das Verhältnis von Kirche und Staat wurde etwa seit dem 7. Jahrhundert auf der Grundlage vereinfachter augustinischer Gedanken neu definiert. Die Verantwortung des Königs vor Gott ist eine grundlegende These des sogenannten „Augustinismus“. Gott verlange vom König Rechenschaft und könne ihm sein Amt entziehen. Die korrekte Ausübung des Amtes sei selbstverständlich, dagegen werde ein Fehlverhalten des Herrschers bestraft. Unter der Herrschaft von Philippe IV. hat sich die Auffassung vom Verhältnis zwischen der französischen Krone und der päpstlichen Autorität grundlegend gewandelt: Die Vormachtstellung und Entscheidungsgewalt des Heiligen Vaters wird in mehreren theoretischen Schriften angefochten, ja dem Papst wird sogar eine untergeordnete Funktion zugewiesen - beispielsweise für den Fall einer Rückeroberung des Heiligen Landes unter der Führung des französischen Königs 42. Man kann davon ausgehen, daß Joinville die grundsätzliche Anerkennung der Oberhohheit der Kirche durch Louis IX. bewußt an den Anfang seines Buches stellt, um seine Zuhörer oder Leser auf diese Veränderung in den politischen Auffassungen aufmerksam zu machen. Louis IX. ist für ihn das exemplum des verantwortlichen Monarchen, der für das Wohl des Volkes und zugleich für den Bestand seiner Dynastie sorgt. Nahezu jede Episode, die Joinville aufzeichnen läßt, vervollständigt das Bild des idealen Königs. Auf diese Weise entsteht für die nachfolgenden Generationen ein ,Miroir du prince‘, der sich an einer individuellen Person orientiert. Oft 41
42
Nach einer Definition von H.-X. Arquillie`re hat der sogenannte Augustinismus die „Tendenz, das Naturrecht der übernatürlichen Gerechtigkeit, das Staatsrecht dem Kirchenrecht unterzuordnen.“ H.-X. Arquillie`re, L’augustinisme politique, Paris 1955, 54. Cf. J. Krynen, L’empire du roi. Ide´ologies et croyances politiques en France. XIIIe-XV e sie`cle, Paris 1993, 107.
,La Vie de saint Louis‘ von Jean de Joinville
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werden die Lehren und Überzeugungen von Louis IX. in Gesprächen vermittelt. In einem Fall stellt er selbst seinen Kindern die Verantwortung des Herrschers vor Augen. „Avant que il se couchast en son lit, il fesoit venir ses enfans devant li et leur recordoit les fez des bons roys et des bons empereurs, et leur disoit que a tiex gens devoient il prenre bon exemple; et leur recordoit aussi les fez des mauvez riches homes qui par leur luxure et par leur rapines et par leur avarice avoient perdu leur royaumes. ,Et ces choses‘, fesoit il, ,vous ramentoif je pour ce que vous vous en gardez, par quoy Dieu ne se courousse a vous‘.“ (§ 689)
„Bevor er zu Bett ging, ließ er seine Kinder zu sich kommen und erzählte ihnen von den Taten der guten Könige und der guten Kaiser. Und er sagte ihnen, daß sie sich an solchen Menschen ein Beispiel nehmen sollten. Er erzählte ihnen auch von den Taten der schlechten Herrscher, die durch ihre Ausschweifungen, Raub und Habsucht ihre Herrschaft verloren haben. ,Und an diese Dinge erinnere ich euch‘, sagte er, ,damit ihr euch davor hütet, um nicht den Zorn Gottes auf euch zu ziehen‘.“
Die Formulierung „prenre bon exemple“ aus der Widmung an Louis de Navarre wird hier wiederholt (cf. § 18). Im Prolog ist es der Autor, der Louis’ Urenkel ermahnt, sich die Geschichte ihres Vorfahren zum Vorbild zu nehmen; hier am Ende der Vita spricht der heilige König selbst zu seinen Kindern von positiven und negativen Beispielen. Zwei von den drei Lastern, die er anprangert, zählen zu den sieben Todsünden: luxuria und avaritia. „Rapine“ („Raub“) ist als Teilaspekt beziehungsweise als Folge von avaritia anzusehen. Todsünden sind schwere Verfehlungen, die nach der kirchlichen Lehre zu ewiger Verdammnis führen, wenn der Sünder nicht rechtzeitig Buße tut. Ein König, der sich einer Todsünde schuldig macht, läuft zudem Gefahr, seine Herrschaft zu verlieren. Ein theologisches Kriterium wird hier zur politischen Waffe 43. Während Louis IX. sich an Beispielen aus der Geschichte orientiert, liegt es für seinen Berichterstatter Joinville nahe, den Vorwurf der avaritia mit Philippe IV. in Verbindung zu bringen. 2. Bedrohung durch Todsünde Mit der Warnung vor avaritia und luxuria kommt Joinville auf das Thema der Todsünde („pechie´ mortel“) zurück, das in den Rahmenkapiteln wie ein Leitmotiv immer wiederkehrt. Die Angst vor der Todsünde scheint Louis IX. tief zu beunruhigen. Es geht ihm nicht um die genaue Bestimmung des Begriffs, der 43
Diese Theorie vertritt beispielsweise Sedulius Scotus (ed. J.-P. Migne, Patrologiae cursus completus, Series latina, vol. 103, Paris 1851, col. 329): „dem König kann wegen moralischer Verfehlungen sein Amt entzogen werden“; eine extreme Position nimmt Aegidius von Rom im Jahr 1301 ein: „Dicemus enim cum Augustino, II, De civitate Dei, cap. XXI, quod vera autem justitia non est nisi in ea republica cujus est conditor rectorque Christus“, Aegidius von Rom, De ecclesiastica potestate II, 7, zitiert nach Arquillie`re, L’augustinisme (nt. 41), 66.
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in der Kirchenlehre eher eine Reihe von Lastern als konkrete Vergehen bezeichnet 44, sondern um die Bedrohung durch die Todsünde, die das ewige Heil seines Gesprächspartners gefährdet. Dieses für einen König ungewöhnliche Engagement beschreibt Joinville in einer ausführlichen disputatio, bei der Louis ihm und den übrigen Zuhörern die Gefahren der ewigen Verdammnis vor Augen führt. Kurz vor diesem Gespräch hatte sich der junge Joinville als guter famulus durch die treffende Antwort auf die Frage „Was ist Gott?“ ausgezeichnet: „Sire, c’est une chose si bonne, que meilleur ne peut estre.“ (§ 26) 45
„Majestät, er ist etwas so Gutes, daß es nichts Besseres geben kann.“
Doch in seiner Einstellung zur Todsünde verrät er eine gefährliche Unwissenheit. Dadurch daß Joinville dieses Thema unmittelbar auf die Frage nach Gottes Wesen folgen läßt, weist er ihm eine existentielle Bedeutung zu: „ ,Or vous demande je‘, fist il, ,lequel vous amerie´s miex, ou que vous feussie´s mesiaus ou que vous eussie´s fait un pechie´ mortel?‘ Et je, qui onques ne li menti, li respondi que je en ameraie miex avoir fait .XXX. que estre mesiaus. Et quant les freres s’en furent partis, il m’appela tout seul et me fist seoir a ses piez et me dit: ,Comment me deistes vous hier ce?‘ Et je li diz que encore li disoie je. Et il me dit: ,Vous deistes comme hastis musarz, car vous devez savoir que nulle si laide mezelerie n’est comme d’estre en pechie´ mortel, pour ce que l’ame qui est en pechie´ mortel est semblable au dyable, par quoy nulle si laide meselerie ne peut estre. Et bien est voir que quant l’omme meurt, il est gueri de la meselerie du cors, mes quant l’omme qui a fait le pechie´ mortel meurt, il ne sceit pas ne n’est certeins que il ait eu en sa vie tele repentance que Dieu li ait pardonne´, par quoy grant poour doit avoir que celle mezelerie li dure tant comme Diex yert en paradis. Ci vous pri‘, fist il, ,tant comme je puis que vous mete´s vostre cuer a ce, pour l’amour de Dieu et de moy, que vous amissiez miex que tout meschief avenit au cors 44
45
„ ,Jetzt frage ich Euch‘, sagte er, ,was Ihr vorzieht, aussätzig zu sein oder eine Todsünde begangen zu haben?‘ Und ich, der ich ihn niemals belogen habe, antwortete ihm, daß es mir lieber sei, 30 begangen zu haben als aussätzig zu sein. Und als die Mönche gegangen waren, ließ er mich ganz allein zu sich kommen, ließ mich zu seinen Füßen sitzen und sagte mir: ,Wie konntet Ihr mir das gestern sagen?‘ Und ich sagte ihm, daß ich ihm das wieder sagen würde. Und er sagte mir: ,Ihr habt wie ein übereilter Dummkopf geredet, denn Ihr müßt wissen, daß es keinen Aussatz gibt, der so entsetzlich ist wie der Zustand der Todsünde, da die Seele in diesem Zustand dem Teufel ähnlich ist; deshalb kann es keinen Aussatz geben, der ebenso entsetzlich ist. Und es ist wohl wahr, daß der Mensch, wenn er stirbt, vom körperlichen Aussatz geheilt wird; aber wenn ein Mensch, der eine Todsünde begangen hat, stirbt, weiß er nicht und ist nicht sicher, ob er in seinem Leben so sehr bereut hat, daß Gott ihm vergeben hat. Deshalb muß er große Angst haben, daß dieser Aussatz bei ihm so lange anhält, wie Gott im Paradies
Einen Katalog der sieben Hauptsünden stellt Thomas von Aquin, Summa theologiae I-II, q. 84, a. 4 auf. Mit dieser Definition ist das Summum bonum umschrieben. Bei Anselm von Canterbury findet man die Definition „Summum bonum et summa essentia Deus est“, cf. Libri Sancti Anselmi ,Cur Deus homo?‘, prima forma inedita, ed. E. Druwe´, Rom 1933, c. 39, 37.
,La Vie de saint Louis‘ von Jean de Joinville
de mezelerie et de toute autre maladie que ce que le pechie´ mortel venist a l’ame de vous‘.“ (§§ 27 sq.)
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sein wird. Ich bitte Euch inständig‘, sagte er, ,daß Ihr Eurer Herz bereit macht - um der Liebe Gottes willen und der Liebe zu mir -, lieber jede Art von Unglück für Euern Leib, sei es Aussatz oder jede andere Krankheit, anzunehmen als zuzulassen, daß die Todsünde in eure Seele kommt‘.“
Die Szene besitzt eine besondere Aussagekraft, da Louis in seinen Worten Strenge und Autorität ausdrückt, in seinen Gesten dagegen auch Freundschaft und Nachsicht zeigt. Er tadelt seinen famulus zwar heftig wegen seines Irrtums, den dieser mit naiver Ehrlichkeit vertritt, und wegen der Beharrlichkeit, mit der er daran festhält, aber er hat einen Tag lang darauf gewartet, mit ihm allein sprechen zu können, da er ihn nicht vor den fratres beschämen will 46. Daß er Joinville zu seinen Füßen sitzen läßt, macht den vertrauten und privaten Charakter des Gesprächs, aber auch die Distanz des Schülers zu seinem Lehrmeister sichtbar. Louis weist dem Seneschall den Platz zu, den er selbst zu Füßen Bonaventuras innehatte, als dieser ihm eine Lektion erteilte. In der Hierarchie der Lehrmeister nimmt er offenbar eine Vermittlerrolle ein, die seiner humilitas entspricht. Wie ein Bußprediger warnt er den jungen Mann vor der Bedrohung durch Todsünde, die ihn ins ewige Verderben stürzen könne, während die furchtbarste aller denkbaren Krankheiten mit dem irdischen Tod ein Ende habe. Übereinstimmend mit der kirchlichen Lehrmeinung vergleicht er den Zustand der Seele, die in Todsünde gefallen ist, mit dem Zustand des Teufels, das heißt eines gefallenen Engels 47. Der Autor weist sich mit einer gewissen Selbstironie die Rolle des unwissenden Narren zu, und er ist sicher, daß die Hörer oder Leser für seinen spontanen Widerwillen gegen die Lepra Verständnis haben. Er gibt zu, daß er wie der „natürliche Mensch“ denkt und handelt, von dem Paulus sagt: „animalis autem homo non percipit ea quae sunt Spiritus Dei“ (1 Kor 2,14) und daß die Heiligkeit des homo spiritualis für ihn unerreichbar erscheint. Dennoch hat er seine Lektion gelernt, wie der Hörer anläßlich einer Begegnung der Kreuzfahrer mit einem französisch sprechenden Renegaten erfährt. Louis IX. wendet sich ostentativ von dem Mann ab, während Joinville ihn nach seiner Herkunft fragt und erfährt, 46
47
Mit derselben Diskretion teilt Louis IX. dem Seneschall unter vier Augen mit, daß er ihm in einem Streit mit Robert de Sorbon recht gebe. Robert hatte Joinville den Vorwurf gemacht, vornehmer gekleidet zu sein als der König. Joinville verteidigte sich, indem er auf seine edle Herkunft hinwies, und tadelte Robert de Sorbon, daß er als ein Mann von einfacher Herkunft zuviel Aufwand treibe. Louis erklärt Joinville später, er habe den Geistlichen verteidigt, weil er ihn nicht noch mehr beschämen wollte. Er akzeptiere es, daß man sich schön kleide, um den Frauen zu gefallen. Zuletzt spricht der König vom Ideal des „prud’homme“, der jede Übertreibung vermeidet (§§ 35-38). Zum Mythos vom Engelssturz cf. R. Warning, Funktion und Struktur: die Ambivalenzen des geistlichen Spiels, München 1974, 135.
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daß er nach einem der früheren Kreuzzüge in Ägypten geblieben und dort zu Wohlstand gekommen sei und sich verheiratet habe. „Et je li diz: ,Ne savez vous pas bien que se vous mourie´s en ce point, que vous seriez damne´ et iriez en enfer?‘ Et il dit: ,Oy¨l‘, car il estoit certein que nulle loi n’estoit si bone comme la chrestienne; mais je doute, se je aloie vers vous, la povrete´ la ou je seroie, et le reproche; toute jour me diroit l’en: ,Veez ci le renoie´!‘ Si aimme miex vivre riche et aise que je me meisse en tel point comme je vois. Et je li dis que le reproche seroit plus grant au jour du Jugement, la ou chascun verroit son mesfait, que ne seroit ce qu’il me contoit. Moult de bones paroles li diz, qui guerez ne valurent.“ (§§ 395 sq.)
„Und ich sagte ihm: ,Wißt Ihr nicht, daß Ihr, wenn Ihr in diesem Zustand sterben müßtet, verdammt wärt und in die Hölle kämt?‘ Und er sagte: ,Ja‘, denn er war sicher, dass kein Gesetz so gut wie das christliche sei. Aber ich fürchte, wenn ich zu Euch käme, die Armut und den Vorwurf. Den ganzen Tag würde man zu mir sagen: ,Seht den Renegaten an!‘ Daher möchte ich lieber reich und angenehm leben, als mich in die Lage begeben, die ich voraussehe. Und ich sagte ihm, daß der Vorwurf am Tag des Gerichts noch größer sein würde, wenn jeder sein Vergehen sehen könnte, und wenn es nur das wäre, was er mir erzählte. Ich sagte ihm viele gute Worte, die aber nicht viel nützten.“
Wie Louis IX. setzt sich Joinville für die Verbreitung und Erhaltung des christlichen Glaubens ein. An diesem Ziel arbeitet er auch während seines Aufenthaltes in Akkon (Acre) in den Jahren 1250 bis 1251: Er entwirft und diktiert ein kleines Credo, das die sterbenden Kreuzfahrer in ihrem Glauben festigen und gegen die Macht des Teufels schützen sollte 48.
3. Bilder des Kreuzzugs: Rückblick und neue Pläne Die ,Chronik‘ des siebten Kreuzzugs nimmt einen beherrschenden Platz in der Mitte des Buches ein. Der Autor erzählt die Ereignisse in ihrer chronologischen Reihenfolge, doch setzt er den Bericht auch hier aus einer Vielzahl von Episoden und einzelnen Erlebnissen und Beobachtungen zusammen. In seiner Erinnerung ist der sechsjährige Feldzug von hervorragender Bedeutung, da er eine Wende im Leben Louis’ IX. und seiner Kreuzfahrer herbeiführt und auch seinen persönlichen Werdegang und die Entwicklung seiner Freundschaft mit dem König nachhaltig beeinflußt. Für den Erzähler bietet er Momente der Spannung, die für die Adressaten zweifellos fesselnder sind als die didaktischen Anekdoten und Gespräche.
48
Cf. Die Edition von L. J. Friedman, Text and Iconography for Joinville’s Credo, Cambridge (Mass.) 1958.
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3.1. Entscheidung für den Kreuzzug Bei der Entscheidung für den Kreuzzug zeigt sich wieder, daß Louis IX. nicht wie ein ,natürlicher Mensch‘ - beispielsweise wie sein Biograph Joinville - lebt und handelt. Nach einer Krankheit, die beinahe tödlich verlaufen wäre, ,nimmt er das Kreuz‘ im wörtlichen Sinn: „[…] une grant maladie prist le roy a Paris, dont il fu a tel meschief, si comme il le disoit, que l’une des dames qui le gardoit li vouloit traire le drap sus le visage et disoit que il estoit mort, et une autre dame qui estoit a l’autre part du lit ne li souffri mie, aincX ois disoit que il avoit encore l’ame ou cors. Comment que il oı¨st le descort de ces .ii. dames, Nostre Seigneur ouvra en li et li envoia sante´ tantost, car il estoit esmuy¨s et ne pouoit parler. Il requist que en li donnast la croix et si fist on. Lors la royne sa mere oy¨ dire que la parole li estoit revenue, et elle en fist si grant joie comme elle pot plus; et quant elle sot que il fu croisie´, ainsi comme il meismes le contoit, elle mena aussi grant deul comme se elle le veist mort.“ (§§ 106 sq.)
„[…] der König wurde in Paris schwer krank, und es ging ihm so schlecht, wie er sagte, daß eine der Frauen, die bei ihm wachte, ihm das Gesicht mit dem Bettuch bedecken wollte und sagte, er sei tot. Und eine andere Frau, die an der anderen Seite des Bettes stand, ließ das nicht zu und sagte, seine Seele sei noch im Körper. Wie auch immer er das Gespräch der beiden Frauen gehört hatte, bewirkte Unser Herr und Gott, daß er sogleich gesund wurde. Denn er war stumm und konnte nicht sprechen. Er verlangte, man solle ihm das Kreuz geben, und das tat man. Als die Königin, seine Mutter, hörte, daß er seine Sprache wiedererlangt hatte, freute sie sich so sehr sie konnte; und als sie erfuhr, daß er das Kreuz genommen hatte, zeigte sie, so wie er selbst es erzählte, eine so große Trauer, als wenn sie ihn tot gesehen hätte.“
In diesem für das Schicksal seines Landes entscheidenden Augenblick ist der König dem irdischen Leben weit entrückt. Seine Genesung, der Verlust und das wunderbare Wiederfinden der Sprache, das an biblische Szenen erinnert 49, und die Geste des Kreuznehmens werden durch das unerklärliche Handeln Gottes bewirkt. Daß Louis IX. damit den Leidensweg Christi wählt, bleibt unausgesprochen, doch wird es an seiner Geste sichtbar und an den Reaktionen seiner Mutter, die von übergroßer Freude und heftigem Schmerz zerrissen wird, da sie nach dem Bild der schmerzensreichen Madonna die Passion ihres Sohnes vorauszusehen scheint. Der Erzähler beruft sich zweimal darauf, daß der König selbst den geheimnisvollen Vorgang enthüllt hat; daher ist es möglich, daß auch der Zuhörer davon erfährt und daß auf diese Weise ein Mythos entsteht. Auf Seiten der Vasallen gibt es keine Aussage über Beweggründe und den Moment der Entscheidung für den Kreuzzug. Sie folgen offenbar dem exemplum des Königs und ihrer Vorfahren, von denen viele im Gefolge ihres Königs oder 49
Eins unter mehreren Beispielen findet sich im Lukasevangelium (1,18 sqq.): Zacharias verliert die Sprache, da er dem Engel Gabriel nicht glaubt, der ihm die Geburt eines Sohnes prophezeit.
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Lehnsherrn das Kreuz genommen haben 50. Joinville übergeht auch die sorgfältigen Vorbereitungen des Feldzugs, die sich immerhin über vier Jahre hinziehen. Sein Interesse gilt den illustren Teilnehmern, zu denen er selbst gehört und von denen er elf namentlich aufführt (§ 108). Dann steht für ihn seine persönliche Situation im Vordergrund und praktische Aufgaben, die er vor seinem Aufbruch erledigen muß: Nachdem er die Geburt seines Sohnes Jean, Sire d’Ancerville, mit Verwandten und befreundeten Edelleuten gefeiert hat, regelt er alle Verbindlichkeiten und bezahlt seine Schulden „ohne zu diskutieren“ (§§ 110 sq.). Auch verpfändet er seine Ländereien, um niemanden mit den Ausgaben für den Kreuzzug zu belasten. Auch in dieser Situation folgt er dem Beispiel des Königs, der sich nicht nur durch Freigebigkeit bei der Verteilung von Almosen, sondern auch durch Korrektheit und Großzügigkeit bei der Finanzierung seiner Hofhaltung und seiner Kreuzzüge auszeichnet (cf. §§ 33, 105, 726) 51. Den Augenblick, in dem der Kreuzzug beschlossen wird, stellt Joinville als ein mysterium dar, das sich zwischen Gott und dem zukünftigen Heiligen abspielt. Unter politischen Gesichtspunkten handelt es sich um eine erwartbare Entscheidung, die die Politik der Vorfahren des Königs und seiner Lehnsleute fortsetzt. Der Aufbruch ins Heilige Land ist in vielen adligen Familien eine Tradition, die seit dem ersten Kreuzzug (1096-1099) besteht; gleichwohl wird sie hier noch einmal legitimiert. 50
51
Das trifft auch auf Joinville zu. In seiner Familie hatte zuerst sein Urgroßvater Geoffroy III. als Seneschall von Henri le Libe´ral (Heinrich dem Freigiebigen) am zweiten Kreuzzug (1147-1149) teilgenommen. Cf. Lusse, D’E´tienne (nt. 35). Die Finanzierung eines Krieges darf nach Auffassung von Louis IX. die Vasallen und die Untertanen nicht belasten. Nach einer bewaffneten Auseinandersetzung mit dem englischen König Henry III. - es ging um dessen Ansprüche auf französisches Territorium - äußern sich die heimkehrenden Kriegsteilnehmer über die großzügigen Geschenke des französischen Königs und über die faire Aufteilung der Kosten: „Et en cel ost contre le roy d’Angleterre et „Und in diesem Feldzug gegen den König von contre les barons, le roy en donna de grans England und die Barone war der König äußerst dons, si comme je l’oy dire a ceulz qui en vind- freigebig, wie ich von denen sagen hörte, die rent. Ne pour dons ne pour despens que l’en davon zurückkehrten. Und weder für Gefeist en cel host ne autres desa mer ne dela, le schenke noch für Ausgaben, die man bei dieroy ne requist ne ne prist onques aide des siens sem Feldzug und bei anderen diesseits und jenbarons n’a ses chevaliers n’a ses hommes ne a seits des Meeres machte, forderte oder nahm ses bones villes, dont en ce plainsist. Et ce der König weder von seinen Baronen noch n’estoit pas de merveille, car ce fesoit il par le von seinen Rittern, noch von seinen Leuten conseil de la bone mere qui estoit avec li, de oder seinen treuen Städten Abgaben, über die qui conseil il ouvroit, et des preudeshomes qui man sich hätte beklagen können. Und das war li estoient demoure´ du tens son pere et du kein Wunder, denn er tat dies auf den Rat der temps son ayoul.“ (§ 105) guten Mutter, die bei ihm war und nach deren Rat er sich richtete, und auf den Rat der prud’hommes, die er aus der Zeit seines Vaters und seines Großvaters behalten hatte.“ Joinville bezieht sich auf eine mündliche Information, die den Ruf Louis’ IX. als eines maßvollen und vorbildlichen Politikers verbreitete. Dieses positive Bild wird sicher als Kritik an Philippe IV. aufgefaßt, der hohe Abgaben forderte und die Ratgeber seines Vaters und Großvaters abschaffte.
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3.2. Bilder des Elends und der Opferbereitschaft Die Zuhörer erwarten von der Kreuzzugserzählung die Heldentaten des Königs und seiner Männer, die wie in einer Chanson de geste dargestellt und gefeiert werden 52, geht es doch um die Sache der Christenheit, der Franzosen und nicht zuletzt um den Ruhm der eigenen Dynastie. Der wenig ruhmvolle Verlauf ruft möglicherweise eine bittere Enttäuschung hervor, obgleich Joinville ihn schon im Prolog (§§ 7-16) angekündigt hat. Auf die anfängliche Euphorie des Sieges folgen die Demütigung der Gefangenschaft, die selbst der König erdulden muß, die spannungsreichen Verhandlungen um Lösegeld und Befreiung und die Resignation des Rückzugs. In dem Maße wie der politische Erfolg des Feldzuges in Frage gestellt ist, werden die menschliche Größe des zukünftigen Heiligen und die Loyalität seiner verbliebenen Kampfgenossen sichtbar. In den ersten Szenen stellt Joinville den König und sein Heer in der Glorie der strahlenden Sieger dar. Die Bravourstücke der einzelnen Ritter erfüllen den Autor nachträglich mit großer, geradezu rauschhafter Begeisterung. Vielen Männern setzt er ein Denkmal, indem er ihre Namen überliefert und sie „prud’hommes“ nennt. Diese Ehrenbezeichnung verdienen sie in der Schlacht weniger ihrer moralischen Maßstäbe und ihres maßvollen Handelns wegen - so wie es dem Ideal des „prud’homme“ entspricht 53 - sondern, weil sie ihre fortitudo in den Dienst des Kreuzzugs, das heißt einer gerechten Sache gestellt haben (§ 560) 54. Eine Rechtfertigung des Krieges ist die Voraussetzung für seinen erfolgreichen Ausgang, und auch die Sünden der Kriegführenden können eine unglückliche Wende bewirken. Die Niederlage von Mansura und den Verlust der eroberten Stadt Damiette erklärt Joinville beispielsweise dadurch, daß die siegreichen Kreuzfahrer nicht dem Beispiel ihres Königs folgten: Sie „vergaßen Gott“, gaben sich dem Wohlleben hin und gingen nicht verantwortungsvoll mit ihren Ressourcen um (§ 166). 52
53
54
Die Affinitäten der ,Vie de saint Louis‘ zur Chanson de geste werden in der folgenden Untersuchung behandelt: M. de Combarieu du Gres, La chanson du roi Louis, in: Que´ruel (ed.), Jean de Joinville (nt. 35), 109-129. Zur Herkunft und Bedeutung des Wortes cf. L. Spitzer, Joinville e´tymologiste („preu home preudome“), in: Modern Language Notes 62 (1947), 505-514; ,prud’homme‘ ist die neufranzösische Form von altfranzösisch ,preudome‘, das in der Bedeutung ,trefflicher Ritter‘, ,Edelmann‘ gebraucht wird. Das altfranzösische Adjektiv ,prod‘ oder ,preu‘ (,tapfer‘, ,gut‘) leitet sich von lateinisch prodesse (nützen) ab. Cf. W. von Wartburg, Französisches etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes, vol. 9, Basel 1958, 417 sqq. Dem Ideal des prud’homme entspricht in der klassischen Antike der vir bonus (cf. Quintilian, Institutio oratoria II. 1, 3 sq.) und im Alten Testament der ,Gerechte‘. Eine Rechtfertigung der Kreuzritter spricht Bernhard von Clairvaux in seinem Traktat für die Templer aus: „O vere sancta et tuta militia“, denn im Unterschied zum weltlichen Rittertum ist hier nicht zu befürchten, eine Sünde zu begehen, wenn man den Gegner tötet, und genauso wenig, ob eines ungerechten Kampfes in Sünde zu sterben, wenn man ihm unterliegt. Bernhard von Clairvaux, Ad milites templi 1, 1 = III, 215, 8, zitiert nach P. Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux, Darmstadt 1998, 119.
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Bereits im Prolog steht die Geschichte unter den Vorzeichen von Niederlage und Erniedrigung. Vier Szenen aus der Kreuzzugserzählung werden aus dem Zusammenhang gelöst, vorausgenommen und dadurch in ein helles Licht gerückt. Sie illustrieren die Bereitschaft des Königs, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um sein „Volk“, das heißt das Heer der Kreuzfahrer, zu retten. Der Vergleich mit dem Opfertod Christi ist für den Autor naheliegend. „[…] et y apparut en ce que aussi comme Dieu morut pour l’amour que il avoit en son peuple mist il son cors en avanture par pluseurs foiz pour l’amour que il avoit a son peuple ; et s‘en feust bien soufers se il vousist, si comme vous orrez ci apre´s.“ (§ 20)
„[…] und das zeigte sich, als der König ebenso wie Gott aus Liebe zu seinem Volk starb - sein Leben mehrere Male aus Liebe zu seinem Volk riskierte; und wie ihr noch hören werdet, hätte er darauf gut verzichten können, wenn er gewollt hätte.“
Die erste Episode ereignet sich nach der Eroberung von Damiette: Gegen den Rat seiner Leute springt der König vom Schiff ins Meer und erreicht als einer der ersten das Ufer. Wie der Autor mit Recht anmerkt, riskiert Louis damit sein Leben und zugleich den Erfolg der gesamten militärischen Operation. Es scheint, daß sich Joinville in seiner Erinnerung an seinen siegestrunkenen Anführer hinreißen läßt, die unbesonnene Geste mit Opferbereitschaft zu erklären (§ 8). Die zweite Szene zeigt Louis beim Rückzug aus Mansura: Er ist lebensgefährlich erkrankt, lehnt es jedoch ab, sich auf einer Galeere evakuieren zu lassen, solange das Schicksal seiner Armee ungewiß bleibt (§§ 9 sq.). Hier wird zum ersten Mal in der ,Vie de saint Louis‘ ein Porträt des Königs gezeigt. Nach dem Desaster von Mansura befindet er sich in einem Zustand äußerster Schwäche. Wie viele seiner Vasallen und Ritter schwebt er in Lebensgefahr, dennoch lehnt er es ab, seine Leute zu verlassen. „[…] et especialment ce conseil li fu donne´ pour le meschief de son cors ou il estoit par pluseurs maladies, qui estoient teles car il avoit double tierceinne et menoison moult fort et la maladie de l’ost en la bouche et es jambes. Il ne voult onques nullui croire, aincX ois dist que son peuple ne lairoit il ja, mez feroit tele fin comme il feroient. Si li en avint ainsi que par la menoison qu’il avoit que il li couvint le soir couper le fons de ses braiez, et par la force de la maladie de l’ost se pasma il le soir par pluseurs foiz, aussi comme vous orrez ci apre´s.“ (§ 10)
„[…] dieser Rat wurde ihm besonders wegen seines schlechten Gesundheitszustandes gegeben, in dem er sich wegen mehrerer Krankheiten befand: einem doppelten Wechselfieber, einem heftigen Durchfall, Skorbut [?] an Mund und Beinen. Er wollte auf niemanden hören und sagte, er verlasse sein Volk nicht, sondern bleibe bis zum Ende bei ihm. Wegen des Durchfalls, den er hatte, passierte es ihm, daß man abends seinen Hosenboden aufschneiden mußte. Und der Skorbut [?] war so heftig, daß er am Abend mehrmals ohnmächtig wurde, so wie ihr es nachher hören werdet.“
In der dritten Episode stellt er das Wohl des Volkes über seine eigene Sicherheit, als er seine Abreise aus dem heiligen Land bis zur Befreiung der gefangenen
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Landsleute aufschiebt (§ 11). Die vierte Szene spielt sich auf der Rückreise der Kreuzfahrer nach Frankreich ab: Auf der Insel Zypern beschließt Louis IX., die Reise auf einem angeschlagenen Schiff fortzusetzen, „um sein Volk zu retten“, das bedeutet für ihn: die Besatzung nicht auf Zypern zurückzulassen (§§ 1316). Unbegrenztes Gottvertrauen und Opferbereitschaft des Königs werden viermal unter Beweis gestellt. Die dritte dieser Szenen verdient eine genauere Analyse, da Joinville darin eine Rolle spielt, die ihn mit Louis IX. verbindet und das gegenseitige Vertrauen vertieft. Bei seinem Aufenthalt in Akkon (1250-1251) teilt der König seinen Brüdern und anderen Männern von hohem Rang in einer Versammlung mit, daß seine Mutter, die während seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte in Frankreich übernommen hat, ihn wegen der Gefahr eines Krieges mit England bittet, schnell nach Frankreich zurückzukehren. Bevor er eine Entscheidung trifft, will der König den Rat seiner Leute hören, denn er sieht voraus, daß das Heilige Land für die Christen verloren sei, wenn er es zu diesem Zeitpunkt verlasse. Wie nach der Erfahrung von Niederlage und Gefangenschaft zu erwarten ist, plädiert die Mehrheit dafür, daß der König mit seinen Kreuzfahrern möglichst bald heimfährt, um danach mit einem neuen Heer wiederzukommen und die erlittene Schmach zu rächen. Jean de Joinville hat - obgleich er zu den Jüngsten zählt - den Mut, eine abweichende Ansicht zu vertreten, da er befürchtet, daß das einfache Volk, das sich noch in der Gefangenschaft der Sarazenen befindet, niemals befreit würde, wenn sie das Land jetzt verließen. Bei diesem Argument, das ihm aus einem weit zurückliegenden Gespräch mit einem Verwandten in Erinnerung ist, beginnen alle Anwesenden zu weinen (§§ 419-427). Nach der Beratung bittet der König wie gewohnt um eine Bedenkzeit. Joinville fühlt ein großes Unbehagen, da er sich gegen die Meinung der Mehrheit ausgesprochen hat. Wider Erwarten gibt ihm der König unter vier Augen und durch eine freundschaftliche Geste zu verstehen, daß er seinen Rat für gut hält und ihn befolgen will (§§ 430-434). Eine vergleichbare Situation der Bestätigung hat der junge Seneschall schon einmal vor Jahren erlebt, als ihm Louis IX. nach einem Streit mit Robert de Sorbon nachträglich Recht gab 55. Bei der Debatte um den längeren Verbleib im Heiligen Land hat die Zustimmung des Königs eine weit größere Bedeutung. Durch das Vorbild des Königs (und das weit zurückliegende Gespräch mit seinem Verwandten) wird sich Joinville seiner Verantwortung für seine Leute bewußt. In dieser Situation scheint es ihm sogar, als habe er den König beeinflußt 56. Daher ist er entschlossen, im Falle einer Abreise des Königs im Land zu bleiben und am Hof des Prinzen von Antiochien auf eine günstige Gelegenheit für die Freilassung der Gefangenen zu warten. Er ist notfalls bereit, sich von Louis IX. zu trennen, um nach dessen 55 56
Cf. nt. 46. Collard, Quand l’apologie (nt. 36), 135, erinnert daran, daß der übereilte Rückzug des Königs Philippe Auguste aus dem Heiligen Land als Schande angesehen wurde.
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Vorbild für das „Wohl des einfachen Volkes“ zu sorgen. In dieser Situation besteht die Identifizierung mit dem Herrscher paradoxerweise in der Möglichkeit, eine verantwortliche Entscheidung ohne ihn zu treffen. Viele Jahre später, als Louis IX. seinen zweiten Kreuzzug vorbereitet, wird Joinville die schmerzhafte Trennung vollziehen und dem König die Gefolgschaft versagen, da er seine Provinz, die Champagne, nicht ein zweites Mal verlassen will. Der Verzicht auf die Teilnahme am achten Kreuzzug steht im Widerspruch zu der Loyalität und Freundschaft, die Joinville dem König viele Jahre lang entgegengebracht hat, und ist zweifellos als Bruch in der Biographie des Seneschalls aufzufassen. Zu den Gründen Joinvilles hat man einige Hypothesen aufgestellt. Möglicherweise deuten sie auf unausgesprochene Spannungen mit Louis hin oder auf einen Zweifel am Sinn des Kreuzzugs. Seine Erklärung, er dürfe die Provinz nicht noch einmal der Willkür königlicher Administratoren überlassen, scheint jedenfalls kein leerer Vorwand zu sein. Eine indirekte Kritik an der zentralistischen Verwaltung ist hier unübersehbar. Der Seneschall vertritt die Interessen des Feudalherrn, die in diesem Fall mit denen seines Königs nicht vereinbar sind. Joinville läßt sich - wie es dem Ideal des prud’homme entspricht - von vernünftigen und maßvollen Erwägungen leiten, während bei Louis IX. das religiöse Pflichtgefühl den Ausschlag für die politische Entscheidung gibt.
3.3. Kontakte mit den Templern Im Verlauf der Kreuzzugserzählung kommt es wiederholt zu Begegnungen mit Tempelrittern. Unter den Männern, die an den blutigen Schlachten teilnehmen, gibt es zahlreiche Mitglieder des Ordens, deren Namen Joinville überliefert. Sie fallen durch große Unerschrockenheit, zuweilen auch durch Disziplinlosigkeit auf und sind als Kenner des Landes und seiner Gepflogenheiten willkommene Berater bei Verhandlungen mit dem Gegner. Allerdings wird nicht einer von ihnen bei Joinville „prud’homme“ genannt. Diese praeteritio einer fast stereotyp verwendeten Ehrenbezeichnung ist vermutlich ein Ausdruck der Distanzierung. Die Präsenz des Ordens scheint jedoch selbstverständlich zu sein und wird immer wieder erwähnt. Beim Ritt auf Damiette macht der Marschall der Templer Renaut de Vichiers mit seinen Ordensrittern trotz des ausdrücklichen Verbots des Königs eine überraschende Attacke auf die feindlichen Reihen, weil er sich durch den Angriff auf einen seiner Männer provoziert fühlt. Das ganze Heer schließt sich ihm an und schlägt die „Türken“ vernichtend. Dieses Bravourstück wird kommentarlos beschrieben (§§ 185 sq.). Im Kampf um Mansura zeichnen sich der Ordensmeister Guillaume de Sonnac und die kleine Schar seiner Ordensbrüder aus, die die letzte Schlacht überlebt haben. Bei der Schilderung ihres todesmutigen Einsatzes bringt Joinville eine gewisse Anerkennung zum Ausdruck. Er berichtet, daß
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Guillaume im Kampf sein zweites Auge verliert und an den Folgen der Verletzung stirbt (§ 269). Empfehlungen der Templer werden von den Kreuzfahrern befolgt, da man ihre Erfahrungen zu schätzen weiß. So legen sie Louis IX. nah, die Stadt Naples (Nablus) zurückzuerobern, jedoch nicht selbst am Kampf teilzunehmen, um nicht mit seiner Person den gesamten Befestigungsplan im Heiligen Land in Gefahr zu bringen. Der König schließt sich ihrem Rat an, auch wenn er seinem risikofreudigen Temperament zuwider ist (§ 564). Bei dem bedrohlichen Besuch der Botschafter des „Alten vom Berg“, des Anführers der Assassinen 57, der von Louis IX. einen Tribut fordert und gleichzeitig von seinen Abgaben an die Templer und Hospitaliter befreit werden will, lernen die Franken das komplizierte Machtgefüge im Heiligen Land kennen. Die Großmeister beider Orden erweisen sich als solidarische und unumgängliche Berater des Königs: Das erpresserische Ansinnen wird abgewehrt und ein freundschaftlicher Austausch von Geschenken zwischen den beiden Herrschern in die Wege geleitet (§§ 451463). Die Machtposition des Tempelordens erlebt Joinville in dem Augenblick, als dringend die Restsumme von 30 000 Pfund als Lösegeld für den gefangenen König und seine Vasallen benötigt wird. In den langwierigen Verhandlungen um ihre Freilassung hat Louis dem Gegner versprochen, 400 000 Pfund für seine Mitgefangenen zu zahlen und für die Befreiung seiner Person die eroberte Stadt Damiette zurückzugeben, da er „so beschaffen sei, daß man ihn nicht mit Geld zurückkaufen könne“ (§ 343). Ein ganzes Wochenende lang wird das Geld mit einer Waage abgewogen. Als am Ende der Übergabe 30 000 Pfund fehlen, schlägt Joinville dem König vor, das Geld bei den Templern zu leihen. Diese sehen es keineswegs als Ehrensache an, die Summe für den König vorzustrekken, sondern behaupten kühl, das Geld ihrer Gläubiger nicht antasten zu können. So kommt es zu einem erregten Wortwechsel zwischen Joinville und Renaut de Vichiers, dem Marschall der Templer, der Joinville nahe legt, ihm pro forma Gewalt anzudrohen, damit er sein Gesicht als korrekter Bankier wahren kann. Auf diese Weise erhält der Seneschall den relativ geringen fehlenden Betrag, mit dem die Gefangenen losgekauft werden können. Kurz darauf wird auch der Graf von Poitiers, ein Bruder des Königs, den der Gegner als Geisel zurückbehalten hatte, in die Freiheit entlassen. Eine zweite Erfahrung mit den Bankgeschäften der Templer macht Joinville beim Aufenthalt in Akkon. Von dem Geld, mit dem er seine Leute unterhalten muß, vertraut er 36 000 Pfund den Templern an. Als er einen Teil davon benötigt, ist das Geld unauffindbar. Renaut de Vichiers wirft Joinville unter heftigen Beschimpfungen vor, den Templern Diebstahl zu unterstellen. Erst nach vier Tagen wird das Problem zur Zufriedenheit des Autors aufgeklärt. Anläßlich dieses finanziellen Abenteuers weist Joinville darauf hin, daß Renaut de Vichiers 57
Der Name „Der Alte vom Berg“ („Le Vieux de la Montagne“) ist eine falsche Übersetzung vom arabischen „Scheich al-Dschebel“, „Gebieter des Gebirges“.
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inzwischen Ordensmeister geworden sei, „mit Hilfe des Königs für den Gefallen, den er ihm während der Gefangenschaft getan habe“ (§§ 412 sq.). Die letzte Episode, in der der Templerorden im Mittelpunkt des Interesses steht, berichtet Joinville aus Cäsarea, wo er vier Jahre im Gefolge des Königs verbringt. Als Augenzeuge erlebt er vier Fälle, in denen der König persönlich die Buße für ein Vergehen auferlegt. Während es sich in zwei Fällen um eher belanglose Streitigkeiten zwischen Rittern handelt und in einem Fall um eine Frage der Moral, ist der vierte Fall von politischer Bedeutung. Hugues de Jouy, der Marschall des Templerordens, hatte auf Befehl des Hochmeisters mit dem Sultan von Damaskus über die Teilung eines Territoriums verhandelt. Es wurde ein Abkommen getroffen unter der Voraussetzung, daß der König zustimmte. Hugues kommt in Begleitung eines Emirs, des Gesandten des Sultans, zurück und bringt die Abmachungen in Form eines rechtsverbindlichen Vertrages („monte foi“) mit. Als der Großmeister dem König darüber Bericht erstattet, zeigt sich Louis IX. entsetzt über den eigenmächtigen Abschluß eines Vertrages und fordert die folgende Genugtuung: Vor den Augen des gesamten Lagers müssen der Großmeister und alle seine Geistlichen barfuß zu ihm, dem König, kommen und sich vor ihm und dem Gesandten auf den Boden setzen. Louis befiehlt dem Großmeister, den Gesandten für seine Vermessenheit um Entschuldigung zu bitten und den Vertrag zurückzugeben. Nachdem dies geschehen ist, muß sich der Großmeister erheben, vor dem König niederknien, ihm einen Zipfel seines Mantels reichen und ihm anheim stellen, nach seinem Ermessen eine Buße zu fordern. Als erstes bestimmt Louis, daß Hugues, der den Vertrag geschlossen hat, geächtet und aus dem Königreich Jerusalem verbannt wird. Weder der Großmeister noch die Königin, die sich für Hugues einsetzen, können ihn vor dem harten Urteil bewahren (§§ 511-514). Louis fordert dieses komplizierte Ritual des „adrecement“ (Wiedergutmachung), um dem Orden gegenüber seine Befehlsgewalt durchzusetzen. Daß seine Oberhoheit nicht selbstverständlich anerkannt wird, hat er bei den Verhandlungen um das Lösegeld erfahren. Die Templer agieren eigenmächtig, da sie wissen, daß sie nur dem Papst unterstellt sind. Sie scheinen nicht damit zu rechen, daß ein König, der sich nur zeitweise im Heiligen Land aufhält, sie zur Verantwortung ziehen kann. Offenbar sind die Kompetenzen von Papst und König nicht klar definiert. Auf Grund dieser persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen kennt Joinville die Macht des Templerordens und einige seiner eindrucksvollen Vertreter. Er erlebt sie als schlagkräftige Krieger und als geschickte Diplomaten und Berater, die für die Kreuzfahrer zeitweise von großem Nutzen sind. Er erkennt aber auch einen gewissen Eigennutz, ihren Hochmut und ihre Unabhängigkeit von Frankreich und vom französischen König. Ihre politische Rolle ist für den Autor nicht immer durchschaubar. Während er an seinem Buch arbeitet, erfährt er mit Sicherheit durch seine Kontakte zum Hof von den Verfolgungen, die den Templern drohen, und von den Verhaftungen im Jahr 1307. Es ist anzunehmen, daß er den Vorwurf der Häresie nicht billigt und ebenso wenig das brutale Vorgehen
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des Königs, das in der Regierungszeit von Louis IX. undenkbar gewesen wäre. In seinem Buch nutzt er jedoch kaum die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Wenn er von „Missetaten“ des Königs spricht, weist er nicht auf dieses konkrete Unrecht hin.
3.4. Finanzielle Probleme Nicht nur bei den Begegnungen mit dem Templerorden erwähnt Joinville die Kosten des Kreuzzugs. Als Seneschall ist er mit ökonomischen Fragen vertraut und bemüht sich - wie auch der König - um große Gewissenhaftigkeit 58. Schon beim Aufbruch aus der Heimat hat er für seine materielle Unabhängigkeit vorgesorgt. In diesem Zusammenhang erfährt man, wie hoch seine Einkünfte sind und daß er nur über einen Teil des Besitzes die Verfügungsgewalt hat, da seine Mutter noch lebt. Schon auf der ersten Etappe des Feldzugs, auf Zypern, neigt sich sein Vermögen dem Ende zu. Louis IX. nimmt ihn in seine Dienste und kommt für die Kosten auf, die für Joinville und seine zwölf Ritter aus der Champagne anstehen. Dies ist nur eine von vielen Situationen, in denen der König durch seine Freigebigkeit („largesse“) die Teilnahme seiner Landsleute sicherstellt. Diese Eigenschaft von Louis IX., die zu den klassischen Tugenden eines Herrschers zählt, wird Joinville im Verlauf des Feldzugs mehrmals würdigen und an einigen Stellen sogar die benötigten Summen exakt angeben. Allerdings erlaubt er sich bei der Diskussion um die eventuelle Rückkehr (§§ 419 sqq), den König darauf hinzuweisen, daß der Sold für die Anwerbung neuer Ritter - so habe er gehört - bisher nur aus dem Fonds der Geistlichkeit geschöpft worden sei und der König seine eigenen Mittel noch nicht angetastet habe. Dieses Argument trägt dazu bei, daß der König den Aufbruch bis zur Befreiung der gefangenen Landsleute aufschiebt. Offensichtlich hat der Seneschall einen Sinn für wirtschaftliche Belange des Feldzugs, während der Königs für das Seelenheil seiner Leute, die Befreiung der Gefangenen, aber auch die Befestigung zerstörter Städte sorgt. Die finanziellen Probleme löst Louis durch großzügige Zahlungen. Seine Einkünfte aus den Ländereien und Besitztümern, die er von seinem Großvater Philippe Auguste geerbt hat, scheinen unerschöpflich zu sein. Er schont sein Vermögen nicht und ist auch im Hinblick auf die Finanzierung des Kreuzzugs ein Mensch, der vor keinem Opfer zurückschreckt. Als Joinville seine Erinnerungen aufschreiben läßt, hat sich die Finanzlage des französischen Königs jedoch dramatisch verschlechtert 59. 58 59
Cf. nt. 51. Favier, Philippe le Bel (nt. 40), cap. 7: ,Les choix financiers‘, 170 sqq.
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4. Die Intentionen der Auftraggeberin und des Autors Mit ihrer Initiative erweist die Königin Jeanne de Navarre dem betagten Seneschall eine große Ehre. Es ist anzunehmen, daß ihr Interesse durch Joinvilles mündliche Berichte geweckt wurde, daß sie seine Begabung als Erzähler schätzt und sein außergewöhnliches Gedächtnis bewundert; so verdankt das Buch seine Entstehung auch der vertrauten und freundschaftlichen Beziehung zwischen der Königin und ihrem alten Mentor. Jeanne de Navarre weiß, daß weder ihr Gemahl Philippe IV. noch dessen Vater Philippe III. („Philipp der Kühne“) dem Seneschall eine Funktion bei Hof zugewiesen haben, und sie ist sich mit Sicherheit der kritischen Distanz bewußt, die Joinville zu Philippe IV. wahrt. Dennoch erkennt sie in Joinville den geeigneten Mann, der eine Verbindung zwischen vier Generationen von Königen schaffen kann. Als Großnichte von Louis IX., als Frau des gegenwärtigen und Mutter eines zukünftigen Königs hat sie den Wunsch, ein Bild von der Größe Frankreichs und der Dynastie der Kapetinger an ihre Söhne weiterzugeben. Die Taten und Tugenden des heiligen Königs sollen seinen Nachfolgern als Vorbild und Ansporn dienen. So beabsichtigt sie möglicherweise, das Projekt eines neuen Kreuzzugs, über das seit Jahren verhandelt wird, durch die Berichte des Seneschalls zu fördern 60. Die geringe Zahl von Handschriften der ,Vie de saint Louis‘ läßt darauf schließen, daß das Buch ursprünglich nur für die Königsfamilie bestimmt und eine Veröffentlichung nicht vorgesehen war 61. Die große Verehrung für den heiligen König, der Respekt vor seinen außerordentlichen Tugenden und die freundschaftliche Verbundenheit sind die wesentlichen Beweggründe für die schriftstellerische Tätigkeit des Seneschalls. Er ist weder Geistlicher noch ein Schriftsteller, der sich einen Namen machen will, und doch gelingt es ihm, in mehrjähriger Arbeit ein einzigartiges und informatives Buch zu verfassen. Sein Ziel ist es, seine Zuhörer beziehungsweise Leser davon zu überzeugen, daß Louis IX. auf Grund seines Leidenweges als Märtyrer gestorben ist. Der Auftrag der Königin bietet ihm die Möglichkeit, seine Auffassung darzulegen. Sein Zeugnis für das Leben des Heiligen erinnert stellenweise an Worte der Evangelisten, die das Erscheinen Christi bezeugen: „et habitavit in nobis, et vidimus gloriam eius“ ( Joh 1,14). Die Begegnung mit dem heiligen König ist ein Erlebnis, das sein Leben verändert und bereichert. Joinville hat die Tendenz, sich mit seinem Protagonisten zu identifizieren, beispielsweise teilt er seine Sorge in bezug auf die Regierungsund Lebensführung der folgenden Herrschergenerationen. Nur an einer Stelle 60
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Ende 1306 oder Anfang 1307 bestellte Papst Clemens V., der sich im Poitou aufhielt, die Großmeister der Templer und der Hospitaliter zu sich, um über den geplanten Kreuzzug zu debattieren, cf. A. Demurger, Die Templer. Aufstieg und Untergang, München 1991, 239. Zu diesem Zeitpunkt lebte Jeanne de Navarre nicht mehr, doch das Projekt bestand schon seit mehreren Jahren. Zur Tradition des Textes cf. Monfrin, Vie de saint Louis (nt. 7), XC-CXIII.
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des Buches gibt es einen Hinweis auf „Missetaten“ des regierenden Königs (cf. § 42). Eine offene Ablehnung der Politik von Philippe IV. zeigt Joinville erst im Jahr 1314, als er sich einem Protest der Feudalherren gegen Steuern und Abschaffung von Gewohnheitsrechten anschließt. Seine schriftstellerische Tätigkeit in den Jahren 1303 bis 1309 nimmt er zum Anlaß, ex positivo zu zeigen, welche Eigenschaften einen christlichen Herrscher auszeichnen. Wenn der Autor wiederholt die Tugenden von Louis IX. hervorhebt, hat der Adressat den Eindruck, daß er damit den Nachfolgern einen Spiegel vorhält. Konkrete Vergehen und Mängel werden jedoch in der für Joinville charakteristischen Taktik der praeteritio nicht erwähnt. Joinville besitzt die Unbefangenheit und das Selbstbewußtsein, seine eigene Rolle in der Beziehung zu seinem König hervorzuheben und die Schwerpunkte so zu setzen, wie er sie subjektiv in Erinnerung hat. Trotz seiner Ergebenheit und seiner innigen Freundschaft zu Louis IX. folgt er ihm nicht bedingungslos in das ungewisse Unternehmen eines zweiten Kreuzzuges, ja er kritisiert die Ratgeber, die dem König nicht von seinem Plan abgeraten haben. „Je entendi que touz ceulz firent peche´ mortel qui li loerent l’alee, pour ce que ou point que il estoit en France, tout le royaume estoit en bone pez en li meismes et a touz ses voisins, ne onques puis que il en parti l’estat du royaume ne fist que empirer. Grant peche´ firent cil qui li loerent l’alee, a la grant flebesce la ou son cors estoit, car il ne pooit souffrir ne le charier ne le chevaucher.“ (§§ 736 sq.)
„Ich war der Meinung, daß alle diejenigen, die ihm zu der Reise rieten, eine Todsünde begingen, weil - was die Lage Frankreichs anbetraf - das ganze Königreich im Innern und mit allen seinen Nachbarn im Frieden lebte. Und seitdem er aufgebrochen war, hat sich der Zustand des Reiches nur verschlechtert. Eine große Sünde begingen die, die ihm zu der Reise rieten in Anbetracht seiner großen Schwäche, denn er vertrug weder das Fahren in einem Wagen noch das Reiten.“
In der Feststellung „seitdem er aufgebrochen war, hat sich die Lage des Reiches nur verschlechtert“ verrät er eine tiefe Skepsis gegenüber der Entwicklung Frankreichs nach Louis IX., dessen Nachfahren es nicht gelingt, Frieden im Innern des Landes und mit den Nachbarn zu halten. Aus diesem Grunde dürfte es Joinville auch schwer fallen, aus der Perspektive der Jahre 1305 bis 1309 die Pläne für einen Kreuzzug unter Philippe IV. zu unterstützen, so wie es Jeanne de Navarre vielleicht wünscht. Durch seine Erfahrungen von 1248 bis 1254 ist er möglicherweise zu der Einsicht gelangt, daß die Epoche der siegreichen Kreuzzüge der Vergangenheit angehört. Er ist sich bewußt, daß ein Kreuzzug nur gelingen kann, wenn die christlichen Fürsten miteinander in Frieden leben und ihre Kräfte nicht in anderen Kämpfen verausgaben. Durch seine Darstellung von Louis IX. wird der Blick für die Schwächen seiner Nachfolger geschärft: Philippe IV. besitzt weder die menschliche Größe und Opferbereitschaft noch die diplomatischen Fähigkeiten und die finanziellen Ressourcen, über die sein Großvater Louis verfügte. Den Templerorden, eines
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der starken Bollwerke der Christen im Heiligen Land, setzt er dem Vorwurf der Häresie aus und beschließt damit dessen Untergang. Es ist anzunehmen, daß Joinville im Bewußtsein der politischen Veränderungen die Projekte Philippes IV. noch negativer beurteilt als die Pläne für den Kreuzzug von Louis IX. im Jahr 1270.
Paris - Universität
Final Phases of Medieval Hebraism: Jews and Christians between Bible Exegesis, Talmud and Maimonidean Philosophy 1 Yossef Schwartz (Tel Aviv) Introductor y Remarks - T he Last Phase of Medieval Jewish Christian Encounter The relationship between Jews and Christians and between Judaism and Christianity during the 13th and 14th century is a matter of concrete and contingent historical circumstances; and its ideological elements are inherent in premodern Catholicism and pre-modern Rabbinical Judaism. Indeed, both St. Paul and the Rabbis are typical revolutionary figures of late antiquity who present themselves as the authentic interpreters of old sacred writings. Throughout the ages, the interpretation of the Sacra pagina remained at the very center of Christian and Jewish theology involving hidden or manifest polemics against the rival interpretation. Still, this fundamental and fixed element did not prevent dramatic changes in the concrete historical manifestations of Judaism and Christianity. Nowhere else, the parallel developments in both religions were as spectacular, often even traumatic, as in Italy, France, Spain, and Germany, where Jewish communities had existed since late antiquity; and where Jews and Christians had developed stable forms of coexistence. These were severely shaken by the dramatic events that marked the ascendancy of European hegemony beginning with the first crusade at the end of the 11th century. The following periods of crises were characterized by series of governmental or spontaneous anti-Jewish acts, popular riots, inquisitorial trials, accusations of ritual murders, and in the late Middle Ages, culminating in the deportations of Jews from Christian kingdoms and cities in England, France, parts of Italy and Germany, and finally in the Iberian peninsula 2. 1
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This paper was written within the framework of the research project „Latin Philosophy into Hebrew: Intercultural Networks in 13th and 14th Century Europe“ (200403), at the Autonomous University of Barcelona, with the financial support of the European Research Council under the European Community’s Seventh Framework Programme. I would like to thank Alexander Fidora for an ongoing and stimulating dialogue in these matters. While presenting this paper at the Kölner Mediaevistentagung, I had the opportunity to enjoy serious discussions with my colleagues. Their remarks and suggestions found their way into the final form of this paper. I would especially like to thank David Wirmer and Görge Hasselhof for their critical and thoughtful remarks. It is certainly not easy to suggest any preliminary reading in the vast research literature on these subjects, which reflect intensive research for almost two centuries from general synthetic
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As the historian’s eye focuses on these centuries of dramatic changes, a complicated methodological problem arises. The stormy events mentioned are not marginal at all, neither for the Jewish communities involved, nor for Christian rulers, intellectuals, and the populace, who were strongly involved in, and directly influenced by, the ongoing social, economical, political, and doctrinal inter-communal dynamics. Nevertheless, the integration of Jewish history into European general history is a task yet to be fulfilled in modern research, and it becomes more acute as Jewish history in Europe grows more substantial and richer. As Jews were integrated into European societies, the European notions and paradigms have become part of the Jewish habitus. Yet, it is almost impossible to correlate the two histories except in the marginal areas of documented direct encounters. The lack of documentation is due mostly to the fact that, contrary to the situation in Moslem territories where Jews and other religious minorities fully accepted Arabic as leading cultural language 3, in Western Europe the intellectual elites among Jews and Christian were divided by two different written languages - Latin and Hebrew. Therefore, although living in close vicinity, they remained members of two different communities of knowledge and discourse 4. Consequently, modern scholars, especially those who deal with intellectual history using the available historical and philological methods, are almost completely unable to break through the particular specific communal narrative, when attempting to reconstruct the common environment, namely the reality in which these Jewish and Christian intellectuals were living and working; mainly following the apologetic and polemic realms in which Jews and Christians responded to each other on their own terms, each side within the conventional boundaries of its own community 5. Recent works have demonstrated to what extent the two communities were interconnected in their socio-religious expectations and fears already in the 12th and 13th century, and to what degree the inquisition and censorship were not only apparatuses of oppression but also served as major tools of integrating
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descriptions to detailed studies of separate territories. In the context of the present topic, I wish ˆ ge, Paris to point out especially G. Dahan, Les intellectuels chre´tiens et les juifs au Moyen A 1990; A. Funkenstein, Changes in Christian Anti-Jewish Polemics in the Twelfth Century, in: id., Perceptions of Jewish History, Berkeley 1993, 172-201; I. J. Yuval, Two Nations in Your Womb: Perceptions of Jews and Christians in Late Antiquity and the Middle Ages, trans. B. Harshav, Berkeley 2006. Cf. R. Drori, Models and Contacts. Arabic Literature and its Impact on Medieval Jewish Culture, Leiden 2000. Cf. Y. Schwartz, Images of Revelation and Spaces of Knowledge, The Jew, the Christian and the Christian-Jew: Jewish Apostates as Cultural Mediators in Medieval Spain, in: A. Fidora/M. Tischler (eds.), Christian North - Moslem South, Münster [forthcoming]. On the basic unity of Medieval multi-communal existence, as against its absolutely differentiated local narratives, and on the continuation of this basic dichotomy in modern historiography cf. J. Van Engen, Introduction: Jews and Christians Together in the Twelfth Century, in: M. A. Signer/J. Van Engen (eds.), Jews and Christians in Twelfth-Century Europe, Notre Dame 2001, 1-8.
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Hebrew texts and Jewish authorities into the dominant Christian environment. Such new studies are vital in order to fully grasp the permanent major paradox of Jewish existence in Europe: Jews were integrated into the new urban European society at a time when this society developed more subtle mechanisms of control. However, the integration into such a „persecuting society“ 6 was not enirely negative. The physical persecution did not necessarily find its exact correlation in the intellectual realm. In fact, one can repeatedly trace the opposite phenomenon, namely intensive intercultural intellectual exchange that took place in an era of political persecution. In the present context, a striking example is the fact that precisely when Christian Europe turned against Jews and other minorities during the 12th and 13th century, a vast amount of Arab and JewishArab scientifical and philosophical writings were translated into Latin and gained significant influence among Christian intellectuals. Regretfully, the study of this phenomenon too often stays within the realm of intellectual history, without being truly integrated into the larger historical narrative 7. Whatever concluded, concerning the exact cause and dating of the turn against the Jews in Europe, this turn was obviously related to a complete shift in the perception of the Jew that occurred within the European mind and in the interpretation of both, the sacred Jewish and Christian scriptures. Concentrating on the period discussed here, I would like to raise the question: to what extent were there any new developments in this specific context towards the end of the 13th and beginning of the 14th century? Robert Chazan’s thesis in his ,Daggers of Faith‘ might form an important tool for this discussion. Chazan claimed that the Barcelona disputation of 1263 and the subsequent immense intellectual effort of Raimundus Martini’s ,Pugio Fidei‘ constituted a turning point, after which the method of arguing against the Jews and attempting to convert them through their own scripture was gradually neglected. The old method seemed to demand too great an effort, was too narrow in its designated audience ( Jews only), and its potential achievements were very limited. According to Chazan, it gave way to two different conversion strategies: the „rational-mystical“, proposed by Ramon Llull, and the more ex6
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Cf. R. I. Moore, The Formation of a Persecuting Society, Oxford 1987 [second edition 2007]; D. Nirenberg, Communities of Violence: Persecution of Minorities in the Middle Ages, Princeton 1996; A. S. Abulafia, Religious Violence Between Christians and Jews: Medieval Roots, Modern Perspectives, Palgrave 2002. Most of the direct inter-religious polemics have been intellectual efforts of Christian writers dedicated to the delegitimization of Jews and of post-biblical Rabbinical Judaism, which simultaneously referred to the same post-biblical Jewish sources to prove the basic claims of Christianity. Such attitudes are expressed in different literary genres, such as anti-Jewish polemics, interpretation of the Holy Scriptures and of the „Old“ law, and finally, in philosophical and theological writings. Cf. J. Cohen, The Friars and the Jews: The Evolution of Medieval Anti-Judaism, Ithaca 1982; R. Chazan, Daggers of Faith: Thirteenth-Century Christian Missionizing and Jewish Response, Berkeley 1989; id., Barcelona and Beyond. The Disputation of 1263 and its Aftermath, Los Angeles-Oxford 1992; A. S. Abulafia, Christians and Jews in the Twelfth Century Renaissance, London-New York 1995.
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treme anti-Jewish measures such as expulsion and forced conversion 8. However, and as I shall claim in the following, this argument appears to be true only for the direct inter-religious debate, since at the same time, the Hebraist method of deepening and strengthening Christian self-understanding through the frequent usage of Jewish hermeneutic strategies developed and spread in the following centuries. In this paper I shall claim that the first decade of the 14th century is a crucial turning point between the high scholastics of the 13th century and the Renaissance, between these two major epochs that are usually intensively discussed in modern research on Christian apologetics based on Jewish post biblical literature. Some of the developments I shall describe already began in the last decades of the 13th century and continued in the following decades of the 14th century. Historical processes are not limited to a single year, yet several events that occurred between 1306 and 1310 mark the period surrounding the year 1308 as a significant turning point. I assume that the essence of this new development lies in the creation of the figure of the virtual Jew, the one who is also called the „hermeneutic“ or the „spectral“ Jew in contemporary research 9. Briefly, it is the discovery that no real Jew is needed in order to maintain a Jewish cultural element and that no real Jew is needed in order to continue the ongoing negotiations between Christianity and Judaism, i. e. that Judaism can become an inner Christian affair. In support of my argument I shall divide the following part of my paper into two sections. The first will deal with the internal Jewish disputes concerning the studying and preaching of science and philosophy in a Christian environment; the second with the new mechanisms of Christian hermeneutics that were directly inspired by Jewish sources. As we shall see, these two parts are profoundly connected. I. T he End of Maimonidean Controversies Moses Maimonides was perhaps the most significant single figure to implement the „Pauline“ pneumatic method of the interpretation of the Sacred Scripture in a philosophical way. His purpose was to revolutionize Judaism 10, and his work provoked a variety of opposing reactions, creating waves of controversies throughout the 13th century. The first wave that took place during the last 8 9
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Cf. Chazan, Daggers of Faith (nt. 7), 161-165. Cf. S. F. Kruger, The Spectral Jew. Conversion and Embodiment in Medieval Europe, Minneapolis 2006. On Maimonidean Hermeneutics and its effects on Jewish thought cf. A. Ravitzky, Samuel Ibn Tibbon and the Esoteric Character of the Guide of the Perplexed, in: id., History and Faith: Studies in Jewish Philosophy, Amsterdam 1996, 205-246; id. The Secrets of Maimonides: Between the Thirteenth and the Twentieth Centuries, in: op. cit., 246-303; M. Halbertal, Concealment and Revelation: Esotericism in Jewish Thought and its Philosophical Implications, translated by J. Feldman, Princeton 2007.
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decade of Maimonides’ life, was limited to the Arabic east 11; but the second one, during the 1230’s, involved Jewish communities in both, East and West, and was already centered in southern France, the nexus for all later controversies 12. The same geographical distribution occured in the 1280’s, whereas the last great controversy in the first decade of the 14th century was limited, as we shall see, solely to the European area. The shift into the European intellectual environment and to Hebrew (as opposed to Arabic) as the major written language was followed by the development of completely new literary forms. In northern Spain, southern France, and Italy, these new literary forms were the product of Jewish Philosophy and Jewish Kabbala, two new spiritual streams which, although sometimes opposed to each other, used similar hermeneutic mechanism and strategies: Both introduced contents which were foreign and new and which intended to change the overall structure of Jewish life into the most sacred realms of Judaism. In their efforts to introduce those novelties into the innermost realm of the sacred, both streams implemented similar hermeneutic mechanisms of concealment and revelation, oscillating in their writings and sermons between elitist esotericism and vulgar forms of popularization. The first European Maimonidean controversy was centered at Montpellier. According to Jewish reports the orthodox opponents of Maimonides appealed to the inquisition against his philosophic writings (the ,Guide of the Perplexed‘ and the ,Book of Knowledge‘), and as a result, those writings were burned by the inquisitors in 1233 13. If this report is true, Jews were among the first to make use of this new church instrument established in southern France a few years earlier. In that case, the famous apostate Nicholas Donin, who applied to Pope Gregory IX in 1239 against the Talmud, was the second to do so, perhaps as direct reaction against the anti-Maimonideans 14. The north Italian Jewish scholar, Rabbi Hillel of Verona, was the first, during the late 1280’s, to suggest 11
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Cf. S. Stroumsa, The Beginnings of the Maimonidean Controversy in the East: Yosef Ibn Shimon’s Silencing Epistle Concerning the Resurrection of the Dead, Jerusalem 1999 (in Hebrew). The most comprehensive study of the Maimonidean controversies, though in great need of corrections, is J. Sarachek, Faith and Reason: The Conflict over the Rationalism of Maimonides, Williamsport 1935. The only available description comes from the Maimonideans and seems to be part of the propaganda directed against the anti-Maimonideans. The most reliable description seems to be provided by Abraham, son of Maimonides, sitting in Cairo and relying on the written testimonies that were sent to him, cf. Rabbenu Abß raham ben ha-RaMBaM, Milhø amot ha-Sˇem, ed. M. Margaliot, Jerusalem 1953, 55 sq. We know that Donin was excommunicated by the Jewish community of Montpellier in 1232, but it is not clear on what grounds. The possibility that it had to do with the controversy between rationalists and Talmudists must be considered seriously. On the inner Jewish controversy and inquisitorial process at Montpellier cf. Cohen, The Friars (nt. 7), 52-60; on Donin, his list of charges against the Talmud and his involvement in the Parisian Talmud controversy in 1240 cf. C. Merchavia, The Church Versus Talmudic and Midrashic Literature (500-1248), Jerusalem 1970, 227-290 (in Hebrew).
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a direct link between those two events, regarding the trial and burning of the Talmud during the 1240’s as divine punishment directed against the orthodox persecutors of Maimonides 15. In any case, whether or not the first event ever took place, here we have evidence to support the fact that from the very beginning of the controversy, Jewish intellectuals were surprisingly open to accept the idea of Christian church authorities being involved in internal Jewish religious debates. The year 1308 could have been the peak of the last wave of the Jewish internal controversy concerning the writings of Maimonides, and by extension, the study of philosophy, and the relationship between Jewish orthodoxy and the so called „exterior sciences“ or „Greek wisdom“. In 1303 central Rabbinical intellectual figures, such as Rabbi Menahø em ha-Me iri, Abba Mari of Lunel, Rabbi Sˇelomoh ben Adret (Rashba) of Barcelona and Yeda yah ha-Penini Bedersi of Montpellier, became deeply involved in the controversy that began at Montpellier and in the Provence and spread to other Jewish communities: first to Barcelona and subsequently to other Aragonian communities. The correct relationship between the revealed and the concealed levels of Jewish scriptural and oral authority, and the relation of both to larger intellectual frameworks, such as science, philosophy, medicine, and world religions lie at the core of the arguments. On the surface, the opponents of philosophy no longer challenged the authority or the orthodoxy of Maimonides himself trying to avoid too strong a reaction from the Maimonideans. Instead, they attacked less central contemporary figures, blaming them for teaching complicated and controversial materials to those not mature enough, for preaching them in popular assemblies, for using them brazenly in their allegorical interpretation of Biblical figures, and for letting these philosophical ideas affect their praxis of daily Jewish laws 16. A closer look at the various parties and participants in the controversy reveals very different attitudes, motivations, and interests. Among the Rabbis of the Provence we can observe an internal controversy within the Maimonidean camp, in which ha-Me iri, Abba Mari, and the more extreme Maimonidean Averroist philosophers battled about the exact relations between Halacha, traditional Jewish studies, and the study of philosophy and science. The control mechanism, suggested by the defenders of the more traditional attitude, was to limit the study of foreign wisdom to pupils of at least 25 or 30 years of age and to strictly prohibit its popularization through philosophic preaching. None of them doubted the basic Maimonidean claim, that the highest natural sciences - phys15
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Hillel of Verona, First Letter on Maestro Gaio (Rabbi Yizø hø aq ha-Rofeh), in: Z. H. Edelmann (ed.), H ø emdah Genuzah 1, Königsberg 1856, 18 sq. This is a very short summary of a list that is repeated with small variations in all letters and documents of the Abba Mari - Rashba party. A final summary is found in the last two letters written by the Rashba after the Barcelona ban, and cf. Iggerot ha-RaSˇBa im iggeret ha-Bedersi, Lvov 1809, 1-4.
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ics and metaphysics - represent both the highest realms of human natural capabilities and the most sacred realm of divine scriptures 17. Abba Mari decided to try and prevail in the internal Provencal controversy by turning to a higher Rabbinical authority: Rabbi Sˇelomoh ben Adret of Barcelona. This, however, turned out to be a rather problematic decision, bringing into the scene a major Kabbalistic figure, and was perceived by the Provencal intellectuals as a general attack on philosophy, since the Kabbalists and Halachists of Barcelona were known for their basic anti-philosophical attitudes. For the traditionalists, the sacred realm of divine revelation lies between Halacha and Kabbala and to it they apply the same hermeneutic methods of Midrash and Kabbalist allegory. However, unlike the philosophers, the allegorical methods of the Kabbalists never affected their observance of the commandments in their literal meaning and never destroyed their sensus historicus of the events described in the Bible. These principles, repeatedly mentioned in the correspondence, are viewed by the Rashba not only in relation to the inner-Jewish perspective, but also in comparison with contemporary Christianity. The traditional Jewish claim that one should learn general sciences in order to be able to confront the heretics (da mah ˇse-tasˇibß le- epikoros) is no longer valid, since Jewish rationalists are much worse than any Christian intellectual. The rationalists cannot defend divine miracles since they do not accept the possibility of any exception to the natural order. They cannot assert the certainty of the afterlife for the Jews since they do not believe in the existence of the individual soul without the body; they interpret Biblical figures such as Abraham and Sarah or the twelve tribes as allegorical figures for abstract philosophical concepts. „And what can he [the rationalist] do with the commandments of the Pentateuch, against which the gentiles argue, since it is only understandable, that if the Pentateuch is not understood in its literal sense, then the gentile can interpret it also as he wishes. Isn’t it better to accept the Christian allegorical interpretation of some commandments than to accept the interpretation of these people who despise any law? […] In truth, these people deny all religious laws which are accepted by all the nations, and if this was known to the gentiles, then all their money and gold would not help them escape the punishment for their corruption.“ 18
Such a statement that Jewish rationalists are more radical in their interpretation of sacred writings than Christian intellectuals and that therefore they offend not only Jewish law but also the universal religious consensus demonstrates, that even the Kabbalist was not isolated from his intellectual environment and that by evaluating the equation of power within his community he takes into consideration values and norms of his surroundings. This is especially important, once we remember that a Kabbalist such as the Rashba, who himself used an 17
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For Abba Mari’s attitude to these questions cf. M. Halbertal, Between Torah and Wisdom. Rabbi Menachem ha-Meiri and the Maimonidean Halakhists in Provence, Jerusalem 2001, 152169. Cf. Abba Mari ben Mosˇeh, Sefer Minhø at Kena ot, Pressburg 1838, 51 (translation is mine).
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allegoric hermeneutic method similar to the one used by the philosophers, must have had the same difficulty when facing Christian interpretation of Jewish law. Paradoxically, the only way the Rashba can avoid this pitfall is through arguing for universal religious truth, common to the Jew and the Christian and offensive to the philosopher. In this sense, his attitude during the internal Jewish controversy resembled that in his well known discussion against Christian missionary attempts and his refutation of the arguments of Raimundus Martini and probably - as Hames convincingly claims - also of Ramon Llull 19. The Rashba’s Spanish Jewish contemporary Abß ner of Burgos - Alfonso de Valladolid after his conversion - consciously locates himself between Rabbinical Judaism, Kabbala and Philosophy, thus creating a genuine space of discourse between Judaism and Christianity. This is clearly manifest in the way Abß ner/Alfonso addresses his Jewish rival Yizø hø aq Pollegar, blaming him that while he represents himself as a lawful Jew, he in truth is neither a Jew nor a Christian but simply a philosopher, that is an a-religious rationalist. Abß ner presents his own argument against him as an argument that was directly driven by and remained faithful to the inner-meaning of Biblical, Rabbinical, and Kabbalistic sources 20. Returning to Montpellier on the 9th of Abß 1305 the parties banned each other in what seemed to be an unbridgeable conflict. However, the expulsion of the Jews from France by Philip IV on the same day of the following year (1306) put an end to the controversy before a compromise or solution could be found. In 1308 Abba Mari found refuge in Arles and then in Perpignan. Subsequently, he published a full account of the correspondence and the controversies in which he was involved under the title ,Minhø at Kena ot‘ (An Offering of Zealotry), from which I quoted above. Trying to find a refuge between the territories of the king of Aragon and the king of Majorca, Abba Mari accused his opponents of inciting the authorities against him in order to prevent him from being allowed to stay within their jurisdiction 21. The Rashba died soon afterwards, and the north Spanish Kabbalistic stream took advantage of the destruction of the Provencal intellectual center and began its victorious march that would last until the 17th and 18th century. This expulsion did not lead to the end or the total destruction of the Jewish community of France. Jews were allowed to return in 1315 and partially rebuilt their centers that continued to exist until their final expulsion in 1394. The intellectual center in the south produced its greatest representative, Gersonides 19
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Cf. Chazan, Daggers of Faith (nt. 7), 139-142; H. J. Hames, The Art of Conversion: Christianity and Kabbalah in the Thirteenth Century, Leiden 2000, 246-283. For Abß ner/Alfonso’s Hebrew text cf. J. L. Hecht, The Polemical Exchange between Isaac Pollegar and Abner of Burgos/Alfonso of Valladolid according to Parma MS 2440 Iggeret Teshuvat Apikoros and Teshuvot la-Meharef, unpublished Diss., New York 1993, 326-462, here 350352; for the Spanish text cf. C. V. Sainz de la Maza, Alfonso de Valladolid: Edicio´n y studio del Manuscrito „Lat. 6423“ de la Biblioteca Apostolica Vaticana, unpublished Diss., Madrid 1990, 542-730 [Repuestas al blasfemo], here 553-556. Sefer Minhø at Kena ot (nt. 18), 100.
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(1288-1344), who created an overall synthesis of philosophy, science, and bible exegesis 22. However, despite some minor manifestations, it seems that philosophy finally became exactly what its opponents had held it to be, an elitist occupation of single individuals, with very little communal aspirations. II. New For ms of Christian Hebraism At the beginning of the fourteenth century we observe not only a turning point within the Jewish world, but also a variety of new hermeneutic strategies developed by Christian intellectuals in their encounter with Jewish sources. In the following I shall briefly discuss four main strategies, adopted by the following four theologians: Bernard Gui, Meister Eckhart, Nicholas of Lyra, and Ramon Llull. During 1308, all of them were standing at crucial junctions of their intellectual and political activity. Needless to say, each of them deserves a much more detailed discussion. I would like to examine their thoughts from the very limited perspective of my interest here as representatives of different breakthroughs in the realm of Christian Hebraism. At the outset, it is important to note that none of them shall be regarded as Christian Hebraist in the narrow and almost technical common usage of the term. None of them can be proven to possess a real knowledge of the Hebrew language which would enable either of them to access Hebrew literature freely in its original form. Moreover, it might be argued that neither of them is a real innovator concerning the Jewish sources used; all make use of the rich variety of Latin translations produced during the thirteenth century. And still, I would like to claim that all four, each in their own way, are representatives of different approaches with which the new materials acquired during the 12th and 13th centuries might truly be integrated into new forms of Christian consciousness, without the apologetic or polemical functionality that prevailed in the earlier generation. Despite the relatively sudden disappearance of Jewish intellectuals from the areas of Paris and southern France, it is surprising to see how leading Christian intellectuals continued to adopt a variety of basic Jewish hermeneutic methods. I strongly believe that the extremely rich, new, and innovative Christian approaches to Jewish sources during that period are not coincidental. In fact, all future strategies developed by Christian Hebraists in early modern Europe are already present at the beginning of the 14th century. With our first figure, the Dominican friar Bernard Gui (or Bernardus Guidonis, ca. 1261-1331) - the papal inquisitor in Toulouse from 1307 to 1323 -, the inquisitorial study of Judaism, and the threat of „Judaization“ reach its peak. He arrived in Toulouse in January 1307 and began to fulfill his duties as inquisi22
On Gersonides Hebrew and Latin works and methods in their Jewish and Christian context see C. Sirat/S. Klein-Braslavy/O. Weijers (eds.), Les me´thodes de travail de Gersonide et le maniement du savoir chez les scolastiques, Paris 2003.
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tor in 1308. Concentrating mostly on the examination of Jewish writings, in January 1310 he burned copies of the Talmud and other books. This was not the first event of burning Jewish books in the years after the expulsion. In December 1309 three wagonloads of Jewish books had been burned in Paris 23. However, it is significant that this specific trial of the Jewish writings in Toulouse was held in the total absence of any Jewish representative. As Yosef Haim Yerushalmi convincingly argued, Bernard Gui’s action was aimed mainly against Jewish writings that the Jews had left behind and that were collected from Christian hands 24. In this sense, it differs from all previous trials of the Talmud in which leading Jewish intellectuals and Rabbinic authorities were summoned to protect the Talmud against the charges raised by Christians or by Jewish apostates, such as Nicholas Donin and Pablo Christiani. As in England after the expulsion of 1290, and especially in the Iberian Peninsula after the expulsion of 1492, we discover that the Jew remained unexpectedly present despite his bodily absence. In Bernard Gui’s systematic work, ,Practica officii inquisitionis heretice pravitatis‘, this Jewish presence is manifest mainly through the censorship of Jewish books charged with containing antiChristian blasphemies, and the constant struggle against the threat of Judaization that was directed primarily against „new Christians“. 25 Once again, just like in the Parisian trial of the 1240’s, we find a close geographical and temporal relation between the inner-Jewish controversy of 13031306 and the inquisitorial process against Jewish writings that took place just a few years later. With Gui, the inquisitorial involvement in Jewish intellectual and religious affairs - a development that began mostly during the 1230’s - reached a new peak: the actual Jewish participation, not even that of Jewish apostates as accusers, was no longer needed. For the charges raised by Gui against Jewish written authorities, they hardly contain contents not already known from previous anti-Rabbinical acts. However, there is one point that does deserve some attention. Bernard follows Giles’ of Rome ,De errores philosophorum‘, written in the 1280’s (perhaps in Spain) 26, in his constant references to certain Jewish medieval authorities as 23
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Cf. Y. H. Yerushalmi, The Inquisition and the Jews of France in the Time of Bernard Gui, in: Harvard Theological Review 63 (1970), 317-376, here 323. Ibid., The fact that Jews had to leave their written documents behind can be proven and explained from a letter written by Moshe ben Shmuel to the Rashba during the expulsion, in which he raised the issue of the legal situation of married couples who were left without their matrimonial documents of marriage (Ketubah). I can only assume that this happened because Jews were forced to leave all their written documents behind and that the motivation of the king, in enforcing that order, had to do with his interest in the financial documents held by the Jews, cf. Minhø at Kenaot (nt. 18), 179. Cf. Bernard Gui, Manuel de l’Inquisiteur, ed. G. Mollat, Paris 1964, vol. 2, 6-19. Giles of Rome, Errores philosophorum, ed. J. Koch, Milwaukee 1944. On the authenticity of the work see Koch’s introduction in op. cit., xxxiv-xxxvi; Görge Hasselhoff recently raised severe doubts on Joseph Koch’s attribution of authorship of this work to Giles and suggested a Spanish author from the close circle of Raimundus Martini, cf. G. K. Hasselhoff, Dicit Rabbi Moyses. Studien zum Bild von Moses Maimonides im lateinischen Westen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, Würzburg 2004, 189-191. The two last chapters of the ,Errores‘ (12-13) are
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commentators of the law, i. e. the Torah: In the ,Practica‘, Rashi’s work is described as „quodam libro cujus actor vocatur Salomon, qui intitulatur apud eos Glosa super textum Legis“, and Maimonides’ work is referred to as „quodam libro quem Judei vocant Glosas Moysi de Egypto et actor illius libri intitulavit Declarationem et reformationem legis“ 27. I suggest, that this systematical reference to different Jewish literary genres under the common denomination of scriptural exegesis is another element shared by all four Christian intellectuals discussed here. While the Dominican inquisitor continues to reflect the figure of the „exegetical Jew“, the following three Christian intellectuals seem to absorb this figure into an independent and autonomous Christian figure through which the Jewish protagonist surfaces in a less sharp form, yet, at the same time, richer than ever before. Unlike Rashi, Moses Maimonides did not actually write a Bible commentary, but he did provide his disciples and readers with very detailed instructions of correct reading and interpretation of Scriptures, as well as with some examples for their implementation. Many Jewish Maimonideans turned to such a systematic interpretation of biblical works. As we have seen above, the insistence of the Maimonideans not to limit themselves to scientific speculation, but to adopt systematic (allegorical) interpretation of the Holy Scriptures, was taken as a major threat by their conservative opponents. The Dominican Meister Eckhart is the second figure to be discussed in the present context. Shortly after 1308, most probably during his second Parisian teaching period in 1311, he adopted the Maimonidean hermeneutic rules as the basis of his great plan of the ,Opus tripartitum‘ in its later and final form. I shall not go into detail on this matter, but focus on one important difference between the hermeneutic method of Maimonides himself and the way it was implemented by Eckhart 28. According to the hermeneutics of Maimonides, the esoteric (i. e. inner and hidden) layer of Scripture can be connected to diverse philosophical contents. Sometimes it directs the reader to metaphysics; on other occasions to physics and moral claims. However, it never refers to different philosophical realms simultaneously. His famous parable of „golden apples overlaid with silver net-work“ does not represent two inner layers of the esoteric, but diverse relations between philosophy and law, that is, between the most abstract and universal layer of pure scientific and philosophical knowledge and the political level of accommodation into the daily language of a concrete human community 29. Against the background of such hermeneutical and epistemologi-
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dedicated to the errors to be found in Maimonides‘ ,Guide‘, to which the author systematically refers under the title ,De expositione legis‘. Cf. Bernard Gui, Manuel (nt. 25), 18. For a more detailed analysis of Eckhart’s reception of Maimonidean hermeneutic principles cf. Y. Schwartz, Meister Eckharts Schriftauslegung als maimonidisches Projekt, in: G. K. Hasselhoff/O. Fraisse (eds.), Moses Maimonides (1138-1204) - His Religious, Scientific, and Philosophical Wirkungsgeschichte in Different Cultural Contexts (Ex Oriente Lux: Rezeptionen und Exegesen als Traditionskritik 4), Würzburg 2004, 173-208. On the principle of accommodation cf. A. Funkenstein, Theology and the Scientific Imagination from the Middle Ages to the Seventeenth Century, Princeton 1986, 213-271.
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cal monism, we can, in the writings of his successors - philosophers as well as Kabbalists - find an alternative understanding of the linkage principle, which creates an inner hierarchy within the esoteric layer of revelation referring in its turn to an inner hierarchy within reason itself 30. Raimundus Martini, apparently a participant in the Barcelona disputation of 1263 and the celebrated author of the ,Pugio Fidei‘, is the first among Christian authors who used this simile of Maimonides in his inter-religious polemics 31. Arnald de Villanova adapted Martini’s specific anti-Jewish polemic into broader Christian metaphysics in his treatise ,Allocutio super significatione nominis Thetragramaton‘ 32. Meister Eckhart translated the dichotomy gold - silver into a series of double notions: outer inner, Physics - Metaphysics, Old Testament - New Testament 33. The best articulated expression of this principle of the plurality of layers within the esoteric meaning of revelation is formulated in the first part of Eckhart’s commentary on John. Here, Eckhart compares the diverse forms of revealed truth as formulated in the writings of the philosophers, in the Old and finally in the New Testament, or, according to his own formulation, in the writings of Aristotle, Moses and Christ. He argues that, while the core contents of these diverse revelations are one and the same, they differ from each other in their epistemic methods, as well as in their different degrees of certitude: „Idem ergo est quod docet Moyses, Christus et Philosophus, solum quantum ad modum differens, scilicet ut credibile, probabile sive verisimile et veritas.“ 34 In the eyes of Eckhart, Moses Maimonides incorporates this principle by showing the similitude between his faith as a Jew and his rationalistic method as a philosopher. He represents the Old Testament both as the Law of Moses and as the physics of Aristotle. Eckhart, as Maimonides‘ commentator, adds to it the teaching of Christ and the „true“ metaphysics of Aristotle. Indeed, Maimonides‘ parable of the golden apples becomes the focal point in Eckhart’s prologue to the ,Liber parabolarum Genesis‘, his most elaborate hermeneutic programme. 30
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Cf. Y. Schwartz, The Esoteric and Inter-Religious Aspects of the Relation between Philosophy/ Kabbalah in Late Medieval and Early Modern Europe, in: Studia Judaica 16 (2008), 126-143. Cf. Ramundi Martini ordinis praedicatorum Pugio Fidei adversus Mauros et Judaeos, cum observationibus Josephi de Voisin et introductione Jo. Benedicti Carpzovi, Lipsiae 1687, 427 sq.: „R. Moses filius Maimon in libro qui a Judaeis Moreh Nebbuochim, a Latinis vero dicitur directio neutrorum […] πsk twykçmb bhz yjwpt.“ Cf. J. C. Artau, La „Allocutio super tetragrammaton“ de Arnaldo de Vilanova, in: Sefarad 9 (1949), 75-105; Arnaldi de Villanova, Allocutio super significatione nominis Tetragrammaton, ed. J. Perarnau (Arnaldi de Villanova opera theologica omnia 3), Barcelona 2004, 139-204. In one place Arnald’s text seems to be a direct source for Eckhart, who, through him, accepts the Kabbalistic theory of letters, cf. Allocutio, ed. Perarnau, 141, 57-60; Meister Eckhart, Expositio libri Exodi, n. 151-154, LW II, 134, 16-138, 4. It is in this sense that Eckhart expounds the first verse of John - in principio erat verbum - as the metaphysical inner layer, facing its physical outer counterpart in the first verse of Genesis in principio creavit deus; cf. Y. Schwartz, Meister Eckharts Schriftauslegung (nt. 28), 204-208. Cf. Meister Eckhart, Expositio Sancti evangelii secundum Iohannem 185, LW III, 155, 5-7.
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Eckhart’s main encounter with Maimonidean hermeneutics probably took place during his second Parisian magistrate from 1311 onwards. Similar to the Maimonideans of southern France, he combined radical philosophical allegory, which he in Maimonidean terminology defined as parabolical, with popular preaching. In a way, the different attitude of the two Dominicans - Gui and Eckhart - might be seen as a repetition of the equivocal attitude of the Dominicans of Paris during the 1240’s. Then, Albertus Magnus was the first to truly and fully integrate Maimonidean philosophy into his thought, while at the same time being one of the signatories to the condemnation of the Talmud 35. More important in my present discussion is the basic tendency to translate the Jewish hermeneutic-metaphysical principles into a new conceptualization of the traditional relationship between Jewish and Christian revelations 36. This brings me to the third figure of my present paper: In 1308-1309 Nicholas of Lyra becomes Magister actu regens of theology in Paris and begins composing the ,Postilla super totam Bibliam‘, his great exegetical work, that will systematically transmit the works of the greatest Jewish interpreter of the literal meaning of Scripture - Rabbi Sˇelomoh ben Yizø hø aq (Rashi) - to Christian literature 37. In his literal commentaries, Nicholas is faithful to the basic attitude of the Jewish traditional scholarship in Paris and the Loire valley with their literalist methodology. Nicholas goes beyond the well known apologetic or polemical approach to Jewish authority in order to prove the truth of Christianity. He 35
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Cf. C. Rigo, Zur Rezeption des Moses Maimonides im Werk des Albertus Magnus, in: W. Senner (ed.), Albertus Magnus. Zum Gedanken nach 800 Jahren: Neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven, Berlin 2001, 29-66; Hasselhoff, Dicit Rabbi Moyses (nt. 26), 129-136. Eckhart’s intensive and explicit usage of Maimonides’ name is much more in line with scholastic writers of the third quarter of the 13th century than with Eckhart’s own time. In 2006, Gilbert Dahan published his research on ms. Latin 16096 of the Bibliothe`que nationale de France which he dates to the last decades of the 13th century, cf. G. Dahan, Un florilege Latin de Maı¨monide au XIII e siecle: les Extractiones de Raby Moyse, in: J. Hamesse/O. Weijers (eds.), E´criture et re´e´criture des textes philosophiques me´die´vaux, Turnhout 2006, 23-44. This ms., which was in the possession of Geoffroy de Fontaines, contains a florilegium of all the works of Maimonides accompanied by very detailed and interesting marginal notes Dahan traces back to Geoffroy himself. Dahan concludes: This implies, that at the turn of the century a leading Parisian theologian was engaged in a careful and detailed study of Maimonides great work. It is significant, however, that Maimonides’ name does not occur even in one of Geoffroy’s own works. Dahan is right when he demands to try and locate the non-explicit points of reference in Geoffroy’s oeuvre, and in his more general claim that „la presence de Maı¨monide dans la pense´e chre´tienne de la fin du XIII e sie`cle et du de´but du XIV e sie`cle est plus importante que ne le laissent supposer les citations explicites“ (34), but this is of course no reason to neglect the importance of the „politics of quotation“, i. e. the intended establishment of a philosophical or theological auctoritas, as practiced by Eckhart. For Lyra’s exegetical methods in general and his use of Jewish Rabbinical sources cf. W. Bunte, Rabbinische Traditionen bei Nikolaus von Lyra: Ein Beitrag zur Schriftauslegung des Spätmittelalters, Frankfurt a. M. 1994; P. Krey/L. Smith (eds.), Nicholas of Lyra: The Senses of Scripture (Studies in the History of Christian Thought 90), Leiden 2000; G. K. Hasselhoff, Raschi und die christliche Bibelauslegung dargestellt an den Kommentaren zum neuen Testament von Nicolaus von Lyra, in: Judaica 62 (2006), 193-215.
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adopts Jewish sources and integrates them in a new systematic Christian writing. To a large degree Eckhart chose to formulate his theological and philosophical views in the form of Bible commentaries, mentioning his main Jewish source, Maimonides, almost solely in his commentaries on the Old Testament. Similarly, Nicholas used Rashi primarily in his literal ,Postilla‘, yet contrasts this literal sense with the moral sense that remained exclusively Christian. He quotes both Ezekiel 2:9 („liber […] erat scriptus intus et foris“) and Revelation 5:1 („et vidi […] librum scriptum intus et foris“) in order to establish this principle of the two layers of Scripture 38. But Nicholas is less philosophically oriented than Eckhart and thus cannot understand this principle like Eckhart does, as a differentiation between physics and metaphysics, and therefore mostly neglects the philosophical hermeneutics of the Jewish tradition. Moreover, in his work, he redefines the old boundaries between Jewish and Christian thought in its most extreme Pauline dichotomic formulation. According to Nicholas, Jewish exegesis may well serve as a key to the understanding of the literal meaning of Scripture, and this literal meaning may well gain a new and fresh authoritative status; but there seems to be no possibility for the erudite Jewish reader whatsoever to move on from this literal place to another level of understanding. Thus he rebuilds the traditional role of the exegetic Jew while ignoring the existence of any possible alternative Jewish persona 39. It is no coincidence that another Jewish apostate, the bishop Pablo de Santa Maria, raised exactly this criticism in his notes to Nicholas’ ,Postilla‘, composed in 1429 40. The Dominican Thomist Pablo points out Nicholas’ failure to use more sophisticated Jewish authorities, such as Ibn Ezra, Maimonides, and Nachmanides, and his excessive emphasis on the literal interpretation of Scripture 41. On this issue Pablo is much closer to Meister Eckhart than to Nicholas of Lyra. 38
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Cf. Prologus primus Nicolai de Lyra, in: Biblia sacra cum glossis interlineari et ordinaria, Nicolai Lyrani Postilla, ac Moralitatibus, Burgensis Additionibus, et Thoringi Replicis, vol. 1, Venetiis 1588, 3. The difference on that point between Nicholas and other commentators quoted above (Martini, Arnald de Villanova, Eckhart) is seen most clearly in the way he quotes Maimonides’ simile of the golden apples (cf. nt. 31-32 above), which is introduced not as a representation of the two layers of scriptural exegesis but simply as a literal explanation for Proverbs 25:11, while ignoring, of course, most parts of the original Maimonidean text, cf. Hasselhoff, Dicit Rabbi Moyses (nt. 26), 250. Pablo de Sancta Maria, Additiones ad Postillam Magistri Nicolai de Lyra, in: Biblia sacra cum glossis (nt. 38), 4-7. Op. cit., 6. On Pablo’s criticism and on his own usage of Maimonides cf. Hasselhoff, Dicit Rabbi Moyses (nt.26), 265-277. As Hasselhoff points out (ibid., 273 sq.), Pablo precisely takes the opening prophecy of Ezekiel in order to refer to Maimonides’ philosophic esotericism. However, Hasselhoff fails to identify both sources to which Pablo refers in this passage, i. e. Mishna and Babylonian Talmud, Tract H ø agigah, as the most classic locus in medieval Jewish literature in order to discuss the politics of esotericism and the exact place in Maimonides’ ,Guide‘ to which it refers here, that is Guide III, 1-7.
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Our fourth and last figure is Ramon Llull. In 1308, Llull returned from his third North African mission and began to compose the works that represented the last and most mature phase of his „Art“. He also continued in his efforts to establish oriental studies 42, preparing the decision taken at the council of Vienne in 1312 to call for the establishment of chairs for oriental languages in Paris, Oxford, Bologna, and Salamanca, as well as in the papal curia 43. Llull’s system makes it difficult to propose any research hypotheses about its origins, sources, and influences. Each of the system’s elements is not necessarily original. Rather, originality and authenticity are immanent in Llull’s thought and self image. „Thus, an important characteristic of Llull’s writings is that they never bear explicit reference to their source; on the contrary, these are jealously concealed.“ 44 When reconstructing the sources of Llull’s speculations, one almost naturally tends to look for exterior sources of specific contents and their elements, while assuming that the form, i. e. the unique structure of Llull’s work, reflects the inventive powers of the author. This is true to a certain degree, since Llull identifies mostly with the general structures of the „Art“, but this does not mean that there are no external sources of influences to be found precisely in those structures. On the one hand, many scholastic ideas penetrated Llull’s system when he was in Montpellier and Paris, allowing him to enter into close dialogue with the Masters of arts, medicine, jurisprudence, and theology. On the other hand, it is not surprising at all to find Muslim and Jewish structures being absorbed into the scheme of his teaching in order to be used in the interreligious dialogue he creates. This is certainly the case with the Muslim tradition of divine names, and most probably also with the Koranic tradition of the sacred ultimate „Book“ revealed on the mountain, „como imitador de Mahoma“ 45. Furthermore, Llull’s system bears remarkable similarities to major Kabbalistic topoi of the late 13th century 46. Several studies have been dedicated to the reconstruction of Llull’s possible Kabbalistic sources 47. Such a reconstruction is rather difficult since Llull himself does not provide us with any such references. I perceive this difficulty as a significant fact in itself. First because it indicates that we are dealing here not 42
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On this late phase in Llulls life see F. Dominguez/J. Gaya, Life, in: A. Fidora/J. E. Rubio (eds.), Raimundus Lullus. An Introduction to his Life, Works and Thought (Raimundi Lulli Opera Latina; Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 214), Turnhout 2008, 97-105. Concilium Viennense, Decretum „Inter sollicitudines“, in: J. Alberigo [e. a.] (eds.), Conciliorum oecumenicorum decreta, Freiburg i. B. 1962, 355. J. E. Rubio, Thought: The Art, in: Fidora/Rubio, Raimundus Lullus (nt. 42), 244. Cf. J. Pardo Pastor, „Nisi credideritis, non intelligetis“ (Is. 7, 9) en la interpretacio´n de Ramo´n Llull, in: Patristica et mediaevalia 25 (2004), 77-88, here 77. Among those topoi is that of the Rashba himself, who, as Hames claims, also directly responded to Llull’s Kabbalistic speculation, cf. Hames, The Art of Conversion (nt. 20), 246-279. Cf. J. M. Milla´s Vallicrosa, Algunas relaciones entre la doctrina luliana y la Ca´bala, in: Sefarad 15 (1958), 241-253; M. Idel, Ramon Lull and Ecstatic Kabbalah: A Preliminary Observation, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 51 (1988), 170-175; Hames, The Art of Conversion (nt. 20), 118-189, 246-283.
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with the polemical adaptation of the adversary’s arguments, but with a meaningful and essential incorporation of ideas. Here one can see the great difference between Llull and his Dominican Catalan contemporary Raimundus Martini. Both were deeply influenced by the Barcelona disputation and both dedicated their lifes to converting the infidels, emphasizing the urgent need for a thorough knowledge of oriental languages. However, while Martini turns to Jewish exegetical sources, Llull is looking for a much wider exegetical scheme that should not only comprise every written book but also include all other realms of human experience 48. Llull’s conviction that he can achieve the wished concord between the religions is based on his belief to have found the elements which directly support his „Art“ in the most sacred Jewish and Muslim teachings. Thus, Hames can claim that Lllull „should be seen, at least on one level, as the start of Christian appropriation of the Kabbalah“ 49. One can certainly point out one major similarity between Lull and several of his contemporary Jewish Kabbalists on a meta-hermeneutical level. Overall, in Jewish Kabbalistic systems Scripture hermeneutics is applied not only to the Holy Scripture, but also to the ,Book of Nature‘ and to the divine realm itself. In doing so, such systems eliminate the borders between logic and ontology, between philosophy, theology, science, and magic. This idiosyncratic and free usage of all sorts of traditional materials, while creating a new and unique sacral language, is of course one of the most typical features of the Llullian „Art“ 50. The very basic idea of ,the book‘ already implies the built-in problem of the rejection of authorities. In that sense Llullian literature may be compared to the Zoharic literature of the time. Both transform all kinds of traditional sources into a completely new format that does not enable real sourcework because it declares its canonical value as a new type of primary textus 51. Both strive to bridge the tension between logic, science, and theology, between the ,Book of Revelation‘ and the ,Book of Nature‘, between the transcendence of God and the divine presence in the universe, within an old Neoplatonic scheme dressed in a new revelation language. Interestingly, in both cases scholars have tended to point out the teachings of John Scotus Eriugena as a possible source 52, though such a theory has never been established satisfactory. 48
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On Llull’s method as a form of exegesis see H. Santiago-Otero/K. Reinhardt, La Biblia en la penı´nsula ibe´rica durante la edad media (siglos XII-XV): el texto y su interpretacio´n, Coimbra 2001, 87-95. Hames, The Art of Conversion (nt. 20), 288. M. D. Johnston, The Spiritual Logic of Ramon Llull, Oxford 1987; A. Bonner, The Art and Logic of Ramon Llull. A User’s Guide, Leiden-Boston 2007. L. Kuchenbuch/U. Kleine, Textus im Mittelalter - Erträge, Nachträge, Hypothesen, in: iid. (eds.), Textus im Mittelalter. Komponenten und Situationen des Wortgebrauchs im schriftsemantischen Feld, Göttingen 2006, 417-453, especially 419 sq. Cf. for instance F. A. Yates, Ramon Lull and John Scotus Erigena, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 23 (1960), 1-44; for the connection between the teaching of Eriugena and early Kabbalist theosophy cf. G. Scholem, Origins of the Kabbalah, ed. R. Z. Werblowsky, trans. A. Arkush, Princeton 1990, 318, 344, 423.
Final Phases of Medieval Hebraism
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With his system, Llull attacked the Averroists of Paris and criticized the theologians in a manner that is strongly reminiscent of the basic attitude of Jewish Spanish Kabbalists a few years earlier. Also, his effort runs parallel to that of Eckhart in striving to reconstruct the profound rationality of Christian belief. In Eckhart’s case, it was applied in a Maimonidean fashion to the deeper level of written revelation, and in a ,Kabbalistic‘ way to the deeper level of cosmic intellectual powers in the case of Llull. III. Conclusion The common denominator of the Christian intellectuals discussed in this paper, Eckhart, Bernard Gui, Nicholas of Lyra, and Llull, is that as theologians they strongly rejected the common literary forms typical for 13th century scholastics. I believe that their ability to provide new alternative genres of systematic theological writing is closely related to their newly developed forms of Hebraism. The two major fields in which the main theologians of the 13th century encountered Jewish (as well as Muslim) writings were on the one hand their scientific endeavors, and their general speculative theology on the other. From William’s of Auvergne ,De legibus‘, ,De anima‘, and ,De universo‘ until Albertus Magnus and Thomas Aquinas this has always been the case. Usually they dealt with Jewish texts as sources for general scientific knowledge, either by accepting such knowledge or arguing against it. Eckhart, Nicholas, and Llull on the other hand strove to develop a unified and comprehensive hermeneutic system in which they adopted the full range of Jewish exegetical strategies that were developed in northern Spain, Provence, and southern France throughout the 13th century. Each of them formulated his new exegetical methodology as a framework for new Christian thought, able to absorb Jewish contents without being assimilated by them. In summary, the Jewish-Christian relationship in the early Middle Ages was marked by mutual interests and agreements. In the Late Medieval and Early Modern eras Christian Europe developed its image of the Jew as an integral part of Christian identity. The fading perception of the factual Jew paved the way for the recognition of the existence of the post-biblical Jew in European culture. The 13th and 14th century were the first time since late antiquity that Jewish elements penetrated Christian thought in such a variety and to such an extent. The process was not necessarily mediated by living Jews or apostates, nor motivated purely by polemical anti-Jewish reasoning. What can be observed is a significant stage in the shaping of European mentality. Following the last phase of the internal Jewish Maimonidean controversy we can already see how Jewish consciousness was increasingly influenced by its Christian environment. Later on, these developments would bear even greater significance for the further evolution of Jewish thought, as Jewish intellectuals began incorporating some of these images into their own mechanisms of self-understanding. But that is another story, one that shall lead us directly to the modern age.
Wahrheitsspiele. Die Herausbildung der mittelalterlichen Korrespondenztheorie der Wahrheit vom Standpunkt einer antirealistischen Wahrheitstheorie aus betrachtet * Wouter Goris (Amsterdam) Jan A. Aertsen zum 70. Geburtstag „The price of sharply distinguishing the transcendentalia from their commonsense counterparts may be to leave one without material for theory-construction, and without problems to resolve.“ 1 Mit dieser Kampfansage an die metaphysische Tradition, welche die platonischen Ideen des Einen, Guten und Wahren in einer umfassenden Synthese zusammen mit ihrer aristotelischen Umbildung zu kategorienüberschreitenden Letztbegriffen aufgenommen und ihnen als Transzendentalien, den unsere Erkenntnis leitenden Grundevidenzen, Sinn abzugewinnen versucht hat, widersetzt sich Richard Rorty in ,Philosophy and the Mirror of Nature‘ der Herauslösung dieser Leitbegriffe aus den sozialen Praktiken, in denen sie jeweils gezeitigt werden, und ineins damit der realistischen Wahrheitsauffassung, die einen überzeitlichen, theorieunabhängigen Begriff der Wahrheit zu bestimmen bestrebt ist. Im Bewußtsein der Preisgabe des metaphysischen Realismus zugunsten eines internen Realismus durch Hilary Putnam 2 begegnet Rorty dessen Kritik am Antirealismus mit dem Hinweis, daß einfach nichts eine theorieunabhängige Wahrheit explizieren und den Erfolg und Ertrag unserer Wahrheitssuche erklären und garantieren wird - die philosophische Bemühung der Begriffe ,wahr‘ und ,gut‘ im Sinne einer oder mehrerer *
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Dieser Beitrag ist die überarbeitete Fassung des öffentlichen Abendvortrages im Rahmen der 36. Kölner Mediävistentagung, gehalten am 9. September 2008. Für Anregungen und kritischen Kommentar dankt der Verfasser Sabine Folger-Fonfara und Stefan Nottelmann, den ehemaligen Kölner Kollegen, sowie den Mitgliedern der Amsterdamer Forschungsgruppe zur antiken, patristischen und mittelalterlichen Philosophie. R. Rorty, Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton (NJ) 21980, 282. Es ist dem Verfasser bewußt, daß die Deutung der Theorie als einer in bestimmten historisch gegebenen Diskursen privilegierten Praxis, deren Herausbildung sich diskursanalytisch als interne Differenzierung innerhalb der Gesamtheit diskursiver Praktiken zu erweisen hat, von diesem Zitat in einer Weise begünstigt wird, die dem Ansatz Rortys produktiv zuwiderläuft. Cf. H. Putnam, Two Philosophical Perspectives, in: id., Reason, Truth, and History, Cambridge 1981, 49-74.
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natürlicher Eigenschaften ist, wie er mit Putnam bekräftigt, dem Vorwurf einer naturalistic fallacy ausgesetzt, zu welchem ihr alltäglicher Gebrauch keinen Anlaß gibt 3. Diese deflationäre Strategie ist dem linguistic turn verpflichtet, im Zuge dessen sich ein propositionaler Wahrheitsbegriff herausgebildet hat - im eigentlichen Sinne wahr sind nur die Aussagen. Für Rorty in ,Contingency, Irony, and Solidarity‘ zieht diese These eine Ablehnung der Idee der Wahrheit als adäquater Repräsentation der natürlichen Ordnung nach sich. Die Wahrheit sei nicht irgendwie ,da draußen‘ zu finden, sondern sie werde gemacht. Daß Wahrheit nicht ,draußen‘ zu finden sei, meint Rorty zufolge nichts anderes als zu sagen, daß Wahrheit auf Sätze bezogen ist, daß Sätze Elemente der menschlichen Sprache sind und daß menschliche Sprachen menschliche Erfindungen sind 4. Das hat einerseits einen epistemischen Holismus, andererseits einen Deflationismus zur Folge. (1) Die These, daß die Wahrheit gemacht sei, impliziert einen epistemischen Holismus, demzufolge es eine radikale Pluralität wahrer Beschreibungen der Welt gibt, zwischen denen kein Vergleich möglich ist. Zwar drängt sich die Idee von selbständigen Fakten und Bedeutungen gleichsam spontan auf, solange man sich auf die Ebene der einzelnen Aussagen beschränkt, doch auf der Ebene der Sprachspiele in ihrer Gesamtheit kann der Idee, daß die Welt entscheide, welche Beschreibungen wahr seien, nicht länger ein deutlicher Sinn gegeben werden 5. (2.) Die These, daß die Wahrheit nicht ,draußen‘ zu finden sei, wird im Sinne einer deflationären Wahrheitsauffassung ausgelegt: „To say that we should drop the idea of truth as out there waiting to be discovered is not to say that we have discovered that, out there, there is no truth. It is to say that our purposes would be served best by ceasing to see truth as a deep matter, as a topic of philosophical interest, or ,true‘ as a term which repays ,analysis‘.“ 6 Einerseits wird die Idee einer philosophischen Grundlegung verworfen, andererseits werden Begriffe wie ,wahr‘ und ,gut‘ als „thin, flexible, and ubiquitous terms“ entlarvt, die leer und abstrakt sind; die Bedeutung, die sie erhalten, ist das Ergebnis eines Sprachspiels, nicht das überzeitliche Kriterium, aufgrund dessen zwischen Sprachspielen zu entscheiden sei. Die Verwerfung der philosophischen Grundlegung und die ,Entblähung‘ des Wahren und des Guten begegnen sich schließlich in der Metaphysikkritik: „There is no such thing as ,first philosophy‘.“ 7 3 4
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Cf. ibid., 280 sq. Cf. R. Rorty, Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge 1989, 5: „To say that truth is not out there is simply to say that where there are no sentences there is no truth, that sentences are elements of human languages, and that human languages are human creations.“ Cf. ibid.: „When the notion of ,description of the world‘ is moved from the level of criteriongoverned sentences within language games to language games as wholes, games which we do not choose between by reference to criteria, the idea that the world decides which descriptions are true can no longer be given a clear sense.“ Cf. op. cit., 8. Op. cit., 55.
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Die Frage stellt sich, welches Material für Theoriebildung und welche Probleme zu lösen bleiben, wenn man die Transzendentalien wie ,wahr‘ und ,gut‘ nicht scharf von ihren „common-sense counterparts“ trennt. Die Kritik an der Korrespondenztheorie der Wahrheit, ja an jeder Theorie der Wahrheit als eines überzeitlichen Kriteriums, aufgrund dessen zwischen Sprachspielen zu entscheiden sei, macht Raum für die Anerkennung, daß das Wahre und Gute diskursive Produkte sind, die ihre Bedeutung in sozialen Praktiken gewinnen. Welche Konsequenz ist daraus für den Umgang mit den überlieferten Wahrheitstheorien zu ziehen? Aus der Erfahrung der unauflösbaren Pluralität von Sprachspielen und Diskursen, die der modernen Zurückhaltung in der Suche nach einem Wesen der Wahrheit zugrundeliegt, folgt, meines Erachtens, daß es sinnlos ist, den Umgang mit den überlieferten Wahrheitstheorien auf den theoretischen Bereich zu beschränken, wo Argumente auf Argumente prallen. Denn der theoretische Diskurs ist Spiegelung der eine jede epistemische Konstellation spezifizierenden Menge von Praktiken, in welcher, in einem von den unterschiedlichen Sprachspielen geregelten Verfahren, Wahrheit zustande kommt. Etwas präziser noch: Denn es ist eines, die Zurückbindung der Theorie an die außertheoretischen Praktiken zu artikulieren, etwas anderes, den theoretischen Diskurs selbst als eine Praxis, und zwar als eigenständige Praxis mit spezifischen Formationsregeln zu erfassen. Im letzteren liegt die eigentliche Aufgabe, die Theorie als eine in bestimmten historisch gegebenen Diskursen privilegierte Praxis zu analysieren, deren Herausbildung sich diskursanalytisch als interne Differenzierung innerhalb der Gesamtheit diskursiver Praktiken zu erweisen hat. Die abstrakte Entgegensetzung von Theorie und Praxis, die der philosophiehistorischen Konzentration auf den theoretischen Bereich zugrundeliegt, redupliziert diese Privilegierung einer Praxis, die sich, um der Legitimierung des Privileges willen, ihres praktischen Charakters entäußert hat. Es gilt also, die in der überlieferten Theoriebildung übliche Unterstellung der Autonomie des theoretischen Diskurses zu problematisieren. Ausgehend vom konkreten Beispiel, der Wahrheitslehre des Durandus von St. PourcX ain, werden wir das Ereignis der Differenz, die sich zwischen ihren verschiedenen Redaktionen präsentiert, zu fassen versuchen (I. Teil), indem wir sie in eine Serie vergleichbarer Verschiebungen stellen (II. Teil) und diese Serie auf ihre Verwurzelung in der epistemischen Konstellation des 13. Jahrhunderts hin befragen (III. Teil). Solchermaßen erstreben wir, zwei Ereignisse in der ,Geschichte der Wahrheit‘ aufeinander zu beziehen: das Aufkommen der Wahrheitsbestimmung als adaequatio rei et intellectus im 13. Jahrhundert - die klassische Formulierung der Korrespondenztheorie der Wahrheit - und ihre Zurückweisung im 20. Jahrhundert. Von der Konfrontation dieser beiden Ereignisse erhoffen wir, die Sicht auf ihre Kontingenz eröffnend, Auskunft über die Interaktion zwischen theoretischen und außertheoretischen Praktiken, in welcher sich die fragliche Autonomie des theoretischen Diskurses etabliert (IV. Schluß).
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I. Teil 1. Im Jahre 1308 lag die erste schriftliche Fassung des Sentenzenkommentars des Durandus von St. PourcX ain vor, deren Inhalte sofort Gegenstand einer Kontroverse innerhalb und außerhalb des Dominikanerordens wurden, wobei die Abweichung von der für den Orden verbindlich erklärten Doktrin des Thomas von Aquin im Zentrum stand. Die Verurteilung der betreffenden Neuerungen, so hat Josef Koch in seinem Standardwerk aus dem Jahre 1927 nachgewiesen, erzwang eine zweite Redaktion, die sich nach dem Urteil Kochs bemühte, der thomistischen Orthodoxie zu genügen. Am Ende seines Lebens habe Durandus jedoch eine dritte Redaktion abgefaßt, die Koch als Rückkehr zu den beanstandeten Lehren der A-Redaktion bewertete 8. Die Diskussion um den Wahrheitsbegriff spielt in diesem Fall eine besondere Rolle: Unter die kritisierten Inhalte fällt das Kriterium der Beanstandung selbst 9. Das Paradox ist scheinbar vollkommen: Wenn man sich über das Kriterium einig ist, kann es theoretisch keine Diskussion über den Wahrheitsbegriff geben; wenn umgekehrt aber unklar ist, was Wahrheit ist, wie läßt sich eine legitime Verurteilung herbeiführen? Dieses Paradox ist nur ein Sonderfall der Problematik, die generell in der mittelalterlichen Transzendentalienlehre begegnet: Nicht nur das Wahre, sondern alle transzendentalen Grundbegriffe sind primo cognita und insoweit undefinierbar, da durch sich bekannt. Wie kann es dann eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich solcher evidenter Inhalte geben 10 ? Die transzendentalen Begriffe weisen eine Bedeutungsvariation und ein geschichtliches Entwicklungspotential auf, welche mit ihrem Anspruch als den selbstverständlichen Grundlagen der menschlichen Erkenntnis schwer vereinbar sind. Sowohl die A-Redaktion als auch die C-Redaktion des Durandischen Wahrheitstraktats behandeln die Wahrheitsfrage im Kontext ihrer Lokalisation: „Ob die Wahrheit in den Dingen oder in der Seele sei.“ Der Beantwortung geht in 8
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Cf. J. Koch, Durandus de S. Porciano O.P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 26), Münster 1927. Der vorliegende Beitrag ist der verdienstvollen Untersuchung Mischa von Pergers verpflichtet, der ein umfangreiches Dossier veröffentlicht hat, das Editionen zweier Redaktionen des Durandischen Wahrheitstraktats, Editionen der Texte ausgewählter Kritiker sowie eine eingehende Analyse der Debatte umfaßt. Cf. M. von Perger, Der Wahrheitsbegriff nach Durandus von Saint PourcX ain. Mit der Quästion „Utrum veritas sit in rebus vel in anima“ aus In Sent. I, Fassung A, und darauf bezogenen Texten, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 74 (2004), 127-224. Cf. E. Gilson, Constantes philosophiques de l’eˆtre, Paris 1983, 17: „C’est pourtant un fait paradoxal. Si les principes et leur connaissance sont ce que l’on dit, le de´saccord devrait eˆtre impossible. Deux philosophes entraıˆne´s au raisonnement me´taphysique, d’accord sur l’object de leur recherche commune, convenus en outre qu’il s’agit de de´gager de l’exercice actuel de la pense´e le principe premier que pre´supposent toutes les operations de la connaissance, semblent destine´s a` se mettre ine´vitablement d’accord.“
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beiden Redaktionen eine Wesensbestimmung der Wahrheit voran, eine Antwort auf die Frage, was Wahrheit ist 11. Das Wo und das Was sind, trotz der mannigfachen Verschiebungen, Änderungen und Umstellungen, die sich zwischen den beiden Fassungen der Wahrheitsspekulation ausmachen lassen, regelmäßig miteinander verbunden. Durandus schließt sich in beiden Redaktionen der im 13. Jahrhundert klassisch gewordenen Wahrheitsbestimmung an, derzufolge die Wahrheit eine Angleichung des Verstandes an die Sache („adaequatio intellectus ad rem“) sei 12. Obwohl allgemein anerkannt, ist sie der Auslegung bedürftig; in der Biegsamkeit solcher quasi allgemein anerkannten Sätze liegt das Innovationspotential manch eines mittelalterlichen Textes. Durandus legt die Angleichung des Verstandes an die Sache als eine Angleichung zwischen zwei Seinsweisen der Sache aus, nämlich sofern sie erkannt ist und sofern sie draußen in der Natur existiert 13, und eliminiert damit den Verstand als Vergleichsinstanz. So schließt er die Wesensbestimmung in der A-Redaktion mit der Feststellung ab, die Wahrheit sei „eine Angleichung oder Gleichförmigkeit der Sache, so wie sie erkannt ist, an sich selbst in ihrer Natur“ („adaequatio vel conformitas rei, ut intellecta est, ad se ipsam in natura sua“) 14. Wahrheit kommt primär der erkannten Sache und, im Verhältnis zu ihr, allem Übrigen zu 15. Was ist der Grund für eine solch innovative Lektüre der Adaequatio-Formel? Läuft sie tatsächlich auf einen Ausschluß des Verstandes als Wahrheitsträger 11
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Die beiden Texte sind in der dritten beziehungsweise sechsten Beilage im Dossier von Pergers ediert worden. Die A-Redaktion handelt das Wahrheitsproblem in einer Frage ab: „Utrum veritas sit in rebus vel in anima“ (In I Sent. [A], dist. 19, q. 3, [nt. 9], 180-190); unterteilt wird diese Abhandlung in zwei Artikel: Der erste betrifft die Frage, „quid sit veritas“, der zweite die Frage, „in quo sit“. Die C-Redaktion dagegen handelt das Wahrheitsproblem in zwei Fragen ab. Die erste Frage: „Utrum veritas sit ens reale vel ens rationis tantum“ (In I Sent. [C], dist. 19, q. 5 [nt. 9], 216-221) ist wiederum in zwei Artikel unterteilt; aufgrund vorangehender Begriffsbestimmung des ens rationis wird die Hauptfrage als Frage nach dem Wesen der Wahrheit beantwortet: „Quantum ad secundum dicendum est, quid sit veritas, et ex hoc apparebit, an sit ens rationis vel non.“ Die zweite Frage: „In quo sit veritas - utrum sit in rebus vel in intellectu“ (In I Sent. [C], q. 6 [nt. 9], 222 sqq.) ist nicht weiter in Artikel unterteilt. Cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 1 (nt. 9), 181: „Quantum ad primum sciendum est, quod veritas, ut communiter dicitur, est adaequatio vel conformitas rei ad intellectum, vel potius intellectus ad rem. Qualiter autem hoc sit intelligendum? “; In I Sent. (C), q. 5, art. 2 (nt. 9), 218: „Quantum ad primum sciendum est, quod, sicut communiter dicitur, veritas est conformitas vel adaequatio intellectus ad rem. Qualiter autem hoc sit intelligendum? “ Cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 1 (nt. 9), 182 sq.: „Circa quod notandum est, quod veritas non est aliqua conformitas, quae sit primo et immediate inter intellectum vel actum intelligendi vel speciem et rem intellectam, sed est conformitas rei, ut intellecta est, ad se ipsam secundum illud, quod est. In hoc enim primo consistit veritas, quod res sic apprehenditur, sicut est in natura rei, et per oppositum falsitas consistit in difformitate rei, ut est apprehensa, ad se ipsam, ut est in natura - sicut, cum aliquid de re apprehenditur, quod non convenit suae naturae -, ita, quod veritas non est nisi relatio rationis eiusdem ad se ipsam secundum aliud et aliud esse, scilicet secundum esse intellectum et secundum esse reale.“ In I Sent. (A), q. 3, art. 1 (nt. 9), 186: „Et sic patet primum, scilicet quid sit veritas, quia veritas est adaequatio vel conformitas rei, ut intellecta est, ad se ipsam in natura sua.“ Cf. ibid., 183: „[…] esse verum convenit pluribus, scilicet propositioni, intellectui et rei extra et rei, ut intellecta est, ita, quod intellectui et propositioni et rei extra convenit esse verum ratione rei, ut est intellecta; ergo rei intellectae per prius convenit veritas.“
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hinaus? Nichts ist weniger wahr. Durandus ist darauf bedacht, die AdaequatioFormel von jeder Suggestion einer realen Inhärenz der Sache im Verstand fernzuhalten. Zunächst leugnet er, daß sich die von der Adaequatio-Formel bezeichnete Angleichung auf den Verstand als solchen und die Sache bezieht, denn in ihrem Sein sind der Verstand und der Baum in der Außenwelt völlig ungleichförmig: Der eine ist ein unstoffliches Vermögen, der andere ein stoffliches Ding. Es handelt sich also um eine Angleichung zwischen der Sache und etwas, das im Verstande ist 16. Gemäß der im Laufe des 13. Jahrhunderts klassisch gewordenen Erkenntnistheorie, zum Beispiel der des Thomas von Aquin, wird die similitudo der Sache dem Verstande präsent im Modus einer species intelligibilis, einer aktual erkennbaren Form 17. Im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts entspann sich eine rege Debatte über den Status dieser species intelligibiles, deren reale Inhärenz im Verstande als mit dem intentionalen Charakter des Erkennens unvereinbar erachtet wurde 18. Heinrich von Gent hat das Vokabular geprägt, in welchem diese Inkompatibilität bevorzugt zum Ausdruck gebracht wurde: Die similitudo der Sache ist dem Verstande nicht als Form in einem Träger, das heißt subiective, sondern bloß obiective, als das Erkannte dem Erkennenden präsent 19. Durandus reproduziert genau dieses Vokabular, wenn er die subjektive Präsenz zugunsten der objektiven Präsenz der Sache im Verstande abstreitet und folglich die Wahrheitsbestimmung auf eine Angleichung bezieht, die sich zwischen der Sache und dem Verstand durch etwas, das nicht subiective, sondern allein obiective im Verstande ist, vollzieht 20. Theo Kobusch hat in mehreren Studien auf die Schlüsselstellung Heinrichs von Gent für die Intentionalitätsdebatte des ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts aufmerksam gemacht, so auch in einer Studie zur Wahrheitsproblematik bei Heinrich von Gent, Hervaeus Natalis, Durandus von St. PourcX ain und Petrus Aureoli 21. Aus der Verweigerung, den Erkenntnisvorgang nach dem Modell einer realen Inhärenz, wie sie zum Beispiel beim gefärbten Gegenstand als Träger eben dieser Farbe vorliegt, zu denken, ergibt sich eine Bestim16 17
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Cf. ibid., 181. Cf. R. Pasnau, Theories of Cognition in the Later Middle Ages, Cambridge 1997; D. Perler, Theorien der Intentionalität im Mittelalter, Frankfurt a. M. 22004. Cf. L. Spruit, Species intelligibilis: From Perception to Knowledge, vol. 1: Classical Roots and Medieval Discussions, Leiden 1984. Cf. Th. Kobusch, Sein und Sprache. Historische Grundlegung einer Ontologie der Sprache, Leiden [e. a.] 1987, 79-295: „Das objektive Sein in der intellektiven Erkenntnis“; zu Heinrich cf. besonders 86-96. Cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 1 (nt. 9), 182: „Et sic attenditur veritas quantum ad adaequationem, quae sit inter rem et intellectum per aliquid, quod sit in intellectu subiective. Relinquitur ergo, quod attendatur quantum ad illud, quod est in intellectu solum obiective.“ Cf. Kobusch, Sein und Sprache (nt. 19); id., Begriff und Sache. Die Funktion des menschlichen Intellekts in der mittelalterlichen Philosophie, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 2 (2004), 140-157; Adaequatio rei et intellectus. Die Erläuterung der Korrespondenztheorie der Wahrheit in der Zeit nach Thomas von Aquin, in: M. Enders/J. Szaif (eds.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit, Berlin 2006, 149-166.
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mung der Wahrheit als Angleichung der Sache, so wie sie erkannt ist, an sich selbst, so wie sie draußen in der Natur existiert, da nicht länger ein reales Moment im Verstande selbst, sondern einzig die objektive Erscheinung der Sache in ihm als Angleichungsmoment der Wahrheit zählt. Paradoxerweise wird dadurch, daß der Verstand als Angleichungsmoment der Wahrheit verschwindet, seine Aktivität in der Aufstellung der Wahrheitsbeziehung gestärkt. Im Zuge der Verneinung jedweder subjektiver Einwohnung der erkannten Sache im Verstande wird auch der reale Charakter der Wahrheitsbeziehung abgestritten: Die Angleichung der Sache, so wie sie erkannt ist, an sich selbst, so wie sie draußen in der Natur existiert, ist bloß eine gedachte Beziehung (relatio rationis), die sich als solche einzig dem Verstande verdankt und die deswegen, so schließlich die Antwort auf die Frage nach dem Wo der Wahrheit, primär und formal im Verstande existiert 22. Damit haben wir einen ersten Kern der Durandischen Wahrheitsspekulation erfaßt: Was auf den ersten Blick als eine Schmälerung der Rolle des Verstandes in der Wahrheitsbeziehung erscheint, erweist sich in zweiter Instanz gerade als eine Verstärkung, da die Wahrheitsbeziehung selbst dem Verstande zugeschrieben wird. Wahrheit, so die bemerkenswerte These des Durandus, ist ein ens rationis, ein Verstandesprodukt. Die Sprengkraft eines solchen Ansatzes ist offensichtlich, und es erübrigt sich, auf die - im heutigen Verständnis - subjektivistischen Tendenzen dieser Wahrheitsbestimmung hinzuweisen. Allerdings war Durandus selbst der Ansicht, mit der Restriktion der Wahrheitsbeziehung zu einer Angleichung der Sache, so wie sie erkannt ist, an sich selbst, so wie sie draußen in der Natur existiert, gerade dem ,objektiven‘ Gehalt der Wahrheit Genüge getan zu haben. 2. Mitunter begegnet die Philosophie als Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hat. Was ist es, das der Wahrheitsspekulation ihre Qualität als nudum praeceptum, als eine leere, belang- oder folgenlose Vorschrift gibt? Denn, seien wir ehrlich, die vorsichtige Hoffnung, mit der wir an den Durandischen Wahrheitstraktat herangegangen sind, nämlich ein Kriterium des Wahrsagens in ihm vorzufinden, ist nach diesen Ausführungen endgültig verblaßt. Ob nun die Adaequatio-Formel eine subjektive Existenz der Sache in der Seele denotiert oder ob bloß eine objektive, macht für das Wahrsagen wirklich keinen Unterschied. Was also ist das Ereignis, das ein solcher Text bildet? Verschiedene Ant22
Cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 2 (nt. 9), 187: „Est ergo veritas relatio rationis, cum sit conformitas rei, ut intellecta est, ad se ipsam, ut est vel ut nata est esse. Et sic patet, quod veritas in nullo est subiective. In quo autem sit obiective? Dicendum est, quod veritas est tam in intellectu simplici quam in componente et dividente, falsitas autem non est in intellectu simplici; utrumque tamen verius et perfectius est in intellectu componente.“ Für den Charakter der Wahrheit als relatio rationis cf. nt. 13.
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worten bieten sich an. Man kann den Text als Reflexion auf eine gängige, durch die Logik regulierte Praxis des Wahrsagens auffassen. Was ist es, das wir tun, wenn wir - wer genau aber ist dieses ,wir‘? - Wahres aussagen? Oder man kann den Text in seiner Produktivität zu fassen suchen, indem wir fragen, welchen Diskurs er legitimiert, welches Reden er ausschließt, welche Differenzen er hervorbringt. Schließlich kann man versuchen, das Ereignis des Textes dadurch zu bestimmen, daß man ihn in seiner Formation, selbst als Produkt einer Wahrheitspraxis, ernst nimmt; denn der abstrakte Diskurs über Wahrheit folgt mehr oder wenig glücklich, so muß man mit Blick auf die Kritik, die er hervorgerufen hat, sagen - selbst den Regeln der Wahrheitsproduktion. Selbst bin ich, aus methodischen Gründen, eher versucht, den Text nicht auf eine Erfahrung der Wahrheit zu reduzieren, die er artikulieren soll. Nicht nur, weil wir damit am Text selbst vorbeigehen, dessen Ereignischarakter wir erfragten, und nunmehr jene zugrundeliegende Erfahrung zum eigentlichen Gegenstand machen würden, sondern auch, weil wir damit voraussetzen, daß es die Wahrheit als solche gibt. Damit wir uns nicht mißverstehen: Es ist nicht zu leugnen, daß zu verschiedenen Zeiten auf durchaus regelmäßige Weise zwischen wahrer und falscher Rede unterschieden worden ist, aber nichts verbürgt, daß diese wahren Reden, durch die Zeiten hindurch, auf etwas Beständiges und Identisches bezogen gewesen sind, das wir die Wahrheit nennen. Weit von dem Bestreben entfernt nachzuweisen, daß es die Wahrheit in diesem Sinne gar nicht gibt, wollen wir die verschiedenen historischen Wahrheitspraktiken mit unverbundenen Augen betrachten, den Blick geschärft für die Variation, die sich zwischen ihnen ereignet, und die Differenzen ernst nehmen. Kehren wir also zum Wahrheitstraktat des Durandus von St. PourcX ain zurück. Unsere Besprechung der Abweichungen zwischen den verschiedenen Redaktionen setzt die Auseinandersetzung mit einem Dilemma voraus, dessen beide Glieder Durandus in der A-Redaktion über die Einwände pro und contra verteilt präsentiert 23. Es handelt sich um zwei Aussagen aus der ,Metaphysik‘ des Aristoteles. Die erste Aussage findet sich im Buch Alpha Elatton: „Jedes hat an der Wahrheit in gleicher Weise teil wie am Sein.“ 24 Den Kontext bildet der Befund des Aristoteles, daß die Philosophie Wissenschaft der Wahrheit ist. Damit ist ein Zweifaches gesagt: Zum einen ist, anders als das praktische Wissen, das die Handlung zum Ziel hat und sich folglich auf das Zeitliche richtet, die theoretische Philosophie vom Ziel her auf die Wahrheit angelegt; zum anderen ist die Erkenntnis des Wahren insbesondere auf die Seinsursachen bezogen, die, als die Ursachen der Wahrheit des Abgeleiteten, selbst in höchstem Maße wahr sind. Diese Aussage nun fungiert als klassischer Beleg für die Vertauschbarkeit des 23
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Cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 1, obj. 2 (nt. 9), 180: „Item Philosophus dicit secundo Metaphysicae, quod, sicut unumquodque se habet ad esse, ita ad veritatem“; ibid., obj. in contr. 1 (nt. 9), 180: „In contrarium est quod dicitur sexto Metaphysicae, quod bonum et malum sunt in rebus, verum autem et falsum sunt in anima.“ Aristoteles, Metaphysik II. 1, 993b30-31.
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Wahren und des Seienden in der mittelalterlichen Lehre der Transzendentalien 25 und wird von Durandus als Argument für die These, daß die Wahrheit in den Dingen sei, verwendet. Die zweite Aussage findet sich im vierten Kapitel des Buches Epsilon der ,Metaphysik‘: „Das Falsche und das Wahre liegen nicht in den Dingen, sondern im Denken.“ 26 Der Punkt ist laut Aristoteles, daß Wahrheit und Falschheit eine Verbindung oder Trennung im Denken - das heißt einen propositional strukturierten, komplexen Gehalt - mit Blick auf dasjenige, was verbunden oder getrennt existiert, besagt. Aristoteles zieht hieraus den folgenreichen Schluß, daß das Sein im Sinne der Wahrheit nichts zum Bereich des wirklichen Seins hinzufügt und deswegen, als bloß intramental Seiendes, aus dem Bereich der Metaphysik herausfällt. Diese Aussage fungiert als klassische Belegstelle für die These, daß die Wahrheit im Verstand anzusetzen sei 27. Wie in den mittelalterlichen Texten üblich, sucht der Wahrheitstraktat des Durandus, der Gegenüberstellung beider Aristotelischer Theoreme dadurch Sinn abzugewinnen, daß er das Sein der Dinge in der Außenwelt als eine Bedingung der Wahrheit, die formal im Verstande zustandekommt, anerkennt; sein Spezifikum ist es, die Wahrheit im Verstand, aber im Verstand auf seiten der Dinge, anzusetzen. Die beiden Redaktionen weisen eine Serie von Differenzen auf. (1) Während die erste Fassung bestrebt ist, die objektive Existenz der Wahrheit im Verstand samt ihrem Charakter als bloß gedachte Relation aufzuzeigen 28, gibt die zweite Fassung dem Seinsstatus der Wahrheit als Gedankending (ens rationis) einen zentralen Platz 29. Auch wenn in der ersten Fassung die Nähe zum Konzept des ens rationis gesucht wird und der Begriff selbst (an marginaler Stelle) gerade einmal auftaucht 30, ist die Zentralstellung des ens rationis in der zweiten Fassung als eine Verlagerung zu verzeichnen, die sich zumindest als Explikation dessen, was in der ersten Fassung weitgehend implizit blieb, beschreiben läßt. (2) Hinzu tritt in der zweiten Fassung die Unterscheidung von Gedankending (ens rationis) und intramental Seiendem (ens in anima): Während das intramental Seiende nicht weniger real ist als das extramental Seiende, sofern das ens in anima der Seele als einem Träger anhaftet, hat das Gedankending keine Wirklichkeit, sondern nur objektive Existenz im Sinne einer Benennung des Gegenstandes 25
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So zum Beispiel bei Thomas von Aquin, cf. J. A. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals. The Case of Thomas Aquinas, Leiden-New York 1996, 250-253. Aristoteles, Metaphysik VI. 4, 1027b25. So wiederum bei Thomas von Aquin, cf. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals (nt. 25), 246-250. Cf. nt. 13 und nt. 22. Aus der Beschreibung der Anordnung beider Texte (cf. nt. 11) geht hervor, wie die Einsicht in den Wesenscharakter der Wahrheit als ens rationis eine Neuorganisation der Abhandlung in der C-Redaktion diktiert. Cf. In I Sent. (A), q. 3, ad 2 in contr. (nt. 9), 190: „Ad primum argumentum alterius partis dicendum, quod verum et falsum sunt in anima solum obiective, quo modo sunt quaedam entia rationis, quae conveniunt rebus intellectis solum secundum esse intellectum, bonum et malum sunt conditiones rebus convenientes exclusa omni operatione intellectus. Et sic est intelligendum Aristotelis sexto Metaphysicae, scilicet quod verum et falsum sunt in anima: non quidem subiective, sed obiective modo, quo dictum est.“
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vom Akt des Verstandes her mit Blick auf dasjenige, was der Sache nur zugesprochen wird, sofern sie erkannt worden ist 31. (3) In der A-Redaktion vergleicht Durandus den Seinsstatus der Wahrheit mit demjenigen der zweiten Intentionen wie Gattung, Art und Allgemeines, die alle, ohne daß dies als solches ausdrücklich verzeichnet wird, entia rationis sind 32. In der C-Redaktion dagegen unterscheidet er zwischen verschiedenen Typen von entia rationis, dem Erkenntnisakt entsprechend, von dem ausgehend sie gebildet werden. So wie es im Verstand einen einfachen Akt der Erfassung und einen komplexen Urteilsakt gibt, so unterscheiden sich die zweiten Intentionen wie Gattung, Art und Allgemeines als entia rationis des einfachen Aktes vom Wahren als einem ens rationis, das dem zusammensetzenden oder trennenden Akt folgt 33. (4) Während in der A-Redaktion ausdrücklich dafür argumentiert wird, daß das Wahre sowohl im ersten Akt des Verstandes, der einfachen Erfassung, als auch im zweiten Akt, dem intellectus componens sive dividens, anzusetzen sei, wenngleich im zweiten Akt vollkommener als im ersten Akt, zugleich aber das Falsche ausdrücklich von der einfachen Erfassung ausgeschlossen wird, da sich hier nur 31
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Cf. In I Sent. (C), q. 5, art. 1 (nt. 9), 217 sq.: „Quantum ad primum sunt duae opiniones de ente rationis. Prima est, quod ,ens rationis‘ vocatur illud, quod est subiective in anima sive in intellectu vel ratione. Et motivum huius opinionis forte est, quia ens rationis consuevit appellari ,ens in anima‘, sed, ut videtur sic opinantibus, nihil sit in anima, nisi in ea subiective et non obiective solum. […] Alia est opinio - quam credo veriorem -, quod ens rationis non est aliud quam denominatio obiecti ab actu rationis secundum ea, quae attribuuntur rei solum, ut cognita est. Verbi gratia esse universale, esse genus vel speciem dicuntur ,entia rationis‘, quia talia dicuntur de re solum, ut est obiective cognita, ita, quod ens rationis non est penitus nihil, nec dicitur ,ens rationis‘, quia sit in anima subiective, sed, quia *add. est π+ denominatio rei ab actu rationis secundum ea, quae conveniunt ei solum, ut est cognita.“ Cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 1 (nt. 9), 185: „Similiter esse speciem non convenit homini nisi, prout est intellectus, nec tamen per prius convenit ratio speciei intellectui quam homini intellecto. Haec enim, scilicet esse speciem vel genus, licet formentur per actum intellectus, qui facit universalitatem in rebus, tamen sunt proprietates rei intellectae, et non ipsius intellectus. Et eodem modo est in proposito, quia, licet esse verum non conveniat rei nisi intellectae, tamen, quia est proprietas rei intellectae et non ipsius intellectus, ideo res intellecta per prius dicitur ,vera‘, quam intellectus.“ Cf. ibid., art. 2 (nt. 9), 186: „Quod autem est ratio tantum, sicut universale, genus, species, nusquam est subiective: non in re extra, ut de se patet, nec in anima; esset enim aliqua vera forma a rebus intellectis realiter distincta, quod esse non potest: tum, quia universale, genus, species sunt proprietates rei intellectae et non ipsius intellectus, cuius contrarium esset, si haec essent quaedam formae in anima; tum, quia per actum intra manentem, sicut est intelligere, nihil constituitur, ut dicitur nono Metaphysicae, istae autem intentiones fiunt per solam operationem intellectus, ergo non sunt aliquid subiective in anima, quod verum est, sed sunt solum in ea obiective, in quantum res apprehenduntur sub talibus habitudines, puta, quod est dici de pluribus specie vel numero differentibus, et sic dicitur esse species vel genus.“ Cf. In I Sent. (C), q. 5, art. 2 (nt. 9), 220 sq.: „Ad cuius maiorem evidentiam sciendum est, quod, sicut est duplex actus intelligendi - simplex scilicet et componens sive dividens -, sic sunt duo genera entium rationis: unum, quod sequitur actum intelligendi simplicem, sicut universale, genus, speciem et huiusmodi; aliud, quod sequitur actum intelligendi componentem vel dividentem - et hoc est verum vel falsum.“ Cf. ibid., q. 6 (nt. 9), 224: „Iuxta quod est intelligendum, quod, sicut distinguimus triplicem actum intelligendi, videlicet simplicem, componentem et discursivum, sic sunt entia rationis in triplici differentia, quia quaedam conveniunt rei, prout est cognita per intellectum simplicem, sicut universale, genus et species; quaedam conveniunt rei, ut est intellecta per intellectum enuntiativum componentem vel dividentem, sicut affirmatio et negatio et per consequens veritas et falsitas; alia vero consequuntur res, prout sunt obiective in intellectu discursivo, sicut antecedens et consequens, syllogismus, enthymema et similia - de quibus omnibus tamquam de entibus rationis considerat logicus.“
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Ignoranz, aber keine Unwahrheit vortue 34, schließt die C-Redaktion auch die Wahrheit aus dem ersten Verstandesakt aus und läßt Wahres und Falsches nur im Bereich des zweiten Verstandesaktes zu 35. Die Einführung des ens rationis als Bestimmung der Wahrheit in der C-Redaktion zieht also eine regelmäßige Serie der Verlagerungen nach sich: Unterscheidung vom ens in anima, Abgrenzung gegenüber den zweiten Intentionen, Einschränkung auf den zweiten Verstandesakt - freilich ohne daß solches zwingend aus der Bestimmung der Wahrheit als ens rationis folgen würde. Diese Reihe von Verlagerungen begleitet im Hintergrund eine zweite Serie daran anschließender Überlegungen: Wie läßt sich der transzendentale Charakter der Wahrheit aufrechterhalten, wenn ihr realer Charakter so strikt abgestritten wird? Wird die Wahrheit nicht zum bevorzugten Objekt der Logik transformiert, deren Objektbereich ja seit Avicenna die entia rationis bilden? Und wie läßt sich die Einschränkung auf den zweiten Verstandesakt aufrechterhalten, ist doch die Wahrheit als Verhältnis der Angleichung zwischen der Sache in der Außenwelt und der Sache, wie sie als erkannte ist, bereits beim wahren Begriff gegeben? Wir versuchen zunächst, das Ereignis, das jene Verlagerungen bilden, durch Berücksichtigung von Einfluß und Kritik, das heißt als eine Entwicklung, zu deuten. 3. Die Kritik seitens einiger Dominikanertheologen an der ersten Fassung des Wahrheitstraktats des Durandus bietet sich als eine Erklärung für die Abweichung zwischen den beiden Fassungen an. So die Kritik des Petrus de Palude sie ist zu ausführlich, um hier im Detail berücksichtigt werden zu können, doch verzeichnen wir einige grundlegende Momente 36. (1) Die These, daß die Wahrheit primär der Sache zukommt, da sie ein Verhältnis der Angleichung zwischen der Sache in der Außenwelt und der Sache benennt, wie sie als erkannte ist, fängt Petrus in einer Alternative ein: Entweder wird von der Wahrheit gesprochen, die mit Seiendem vertauschbar ist - von welcher im zweiten Buch der ,Metaphysik‘ gesagt wird, daß die Sache sich zur Wahrheit verhält wie zum Sein -, und diese kommt der Sache nicht als erkannter zu, sondern sofern sie erkennbar ist und, 34
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Cf. nt. 22. Für das Verhältnis von falsitas und ignorantia cf. In I Sent. (A), q. 3, art. 2 (nt. 9), 188 und den ersten Anhang im Dossier von Pergers; cf. Der Wahrheitsbegriff (nt. 9), 163 sqq. Cf. nt. 33. Die Reaktion auf die Wahrheitsauffassung des Durandus seitens Petrus’ de Palude in dessen Sentenzenkommentar (In I Sent., dist. 19, q. 6) ist als 4. Beilage im Dossier von Pergers ediert worden, cf. id., Der Wahrheitsbegriff (nt. 9), 191-208. Für das Problem einer Unterscheidung von A-Redaktion und B-Redaktion im ersten Buch der Sentenzenlesung des Durandus, für welches der Kommentar des Petrus de Palude ein privilegierter Zeuge ist, cf. ibid., 136 sq.; ausführlicher in: Chr. Schabel/R. L. Friedman/I. Balcoyiannopoulou, Peter of Palude and the Parisian Reaction to Durand of St. PourcX ain on Future Contingents, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 71 (2001), 183-300.
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insoweit sie in der Außenwelt ist, geeignet ist, den Verstand zu bewegen und als Maßstab der Erkenntnis zu dienen; sonst, so fügt Petrus hinzu, würde sie nicht innerlich mit dem Seienden vertauschbar sein wie die anderen Transzendentalien, sondern nur äußerlich. Oder es wird von der Wahrheit gesprochen, die der Erkenntnis zueigen ist, von welcher im sechsten Buch der ,Metaphysik‘ gesagt wird, daß das Wahre und Falsche in der Seele sind - diese aber kommt eher der Erkenntnis selbst als der erkannten Sache zu 37. Die Auffassung des Durandus, so läßt sich die Stellungnahme des Petrus de Palude resümieren, vermische die transzendentale Wahrheit mit der Erkenntniswahrheit und verkenne die Ansprüche der erkennbaren Sache und der Erkenntnis zugunsten der erkannten Sache. (2) Die These, daß die Wahrheit nirgendwo subiective existiere, wird als Aussage über den Seinsstatus des ens rationis aufgefaßt und mit dem Nachweis entkräftet, daß dem ens rationis sehr wohl eine subjektive Existenz zukomme, nämlich secundum rationem 38. Die Wahrheit sei aber nicht als ens rationis aufzufassen, zumal sowohl die Erkenntniswahrheit als auch die transzendentale Wahrheit einen realen Seinsgehalt besitzen 39. (3) Der These schließlich, daß die Wahrheit sowohl im ersten als im zweiten Verstandesakt, die Unwahrheit dagegen nur im zweiten Verstandesakt anzusetzen sei, wird mit der Feststellung begegnet, daß, wie die Wahrheit, so auch die Unwahrheit in einem gewissen Sinne auch im ersten Verstandesakt begegnet, daß aber im strikten Sinne die Wahrheit nur im zweiten Verstandesakt erkannt werde und deshalb diesem vorbehalten sei 40. Diese Kritik, die hier schematisierend dargestellt worden ist, läßt sich als eine Erklärung der Abweichungen zwischen der A- und der C-Redaktion des Durandischen Wahrheitstraktats verwenden. Durandus hätte somit in der C-Redaktion die Kritik des Petrus de Palude mit dem Nachweis erwidert, die Wahrheit sei tatsächlich als ein ens rationis aufzufassen, und sich dementsprechend verpflichtet gesehen, diesen Begriff jetzt streng zu fassen und ihn einerseits vom ens in anima abzuheben, dem ein realer Gehalt und eine subjektive Existenz zukommt, ihn andererseits weiter zu differenzieren, damit in der Abgrenzung 37
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Cf. Petrus de Palude, In I Sent., dist. 19, q. 6, art. 1 (nt. 9), 194: „Contra istam opinionem arguitur dupliciter. Primo sic, quia aut loquitur de veritate, quae convertitur cum ente; de qua dicitur secundo Metaphysicae, quod res sic se habet ad veritatem, sicut ad entitatem. Et ista non convenit rei secundum quod intellecta, sed secundum quod est intelligibilis, et, prout est extra, nata tamen movere ad intellectionem vel eam mensurare alias non converteretur cum ente intrinsece, sicut unum et bonum, sed solum extrinsece. Aut loquitur de veritate, quae est propria cognitioni; de qua dicitur sexto Metaphysicae, quod verum et falsum sunt in anima. Et de ista videtur quod prius conveniat cognitioni quam rei cognitae.“ Ibid., art. 2 (nt. 9), 198: „Entia ergo rationis nusquam sunt secundum rem, sunt tamen alicubi secundum rationem, et subiective.“ Cf. ibid.: „[…] veritas, quae convertitur cum ente, non dicit praecise respectum ad intellectum, sed entitatem cum respectu, et similiter veritas, quae appropriatur cognitioni, non dicit purum respectum cognitionis ad rem cognitam, nec e converso, nec rei cognitae ad se ipsam, ut isti ponunt, sed dicit cognitionem secundum quod est manifestatio cum respectu debito ad rem cognitam; et sic dicit ens reale, sicut ipsa cognitio. Veritas autem, quae convertitur cum ente, iam dictum est, quod non est ens rationis, cum dividatur in decem genera sicut et ens, quae decem genera dividuntur contra ens in anima.“ Cf. ibid., art. 3 (nt. 9), 202-208.
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den zweiten Intentionen gegenüber eine exklusive Ausrichtung auf den zweiten Verstandesakt zu Tage tritt. Diese Konstruktion erklärt die Einführung des ens rationis in der C-Redaktion des Durandischen Wahrheitstraktats samt ihren Folgen als Umsetzung der Kritik von Petrus de Palude, übersieht aber die Tatsache, daß nicht die Einführung des ens rationis in der C-Redaktion, sondern eher dessen relative Absenz in der A-Redaktion als bedeutungstragend zu werten ist, wie sich mit Blick auf die Wahrheitsabhandlung des Hervaeus Natalis belegen läßt 41. Das Verhältnis zwischen Hervaeus und Durandus zeigt noch einmal eindrucksvoll, welch eine leere Vorschrift die Wahrheitsbestimmung eigentlich ist, wird doch die umfassende Kritik des Hervaeus an der Lehre des Durandus 42 in keiner Weise von dem Umstand beeinflußt, daß Durandus gerade in der Wahrheitsabhandlung der Auffassung des Hervaeus folgt 43. Die Wahrheit, so stellt Hervaeus fest, ist keine reale, sondern bloß eine gedachte Beziehung, die der erkannten Sache, so wie sie objektiv im Verstand ist, folgt. Formal genommen ist die Wahrheit keine Beziehung zwischen der erkannten Sache und dem Verstande, sondern sie besteht darin, daß die Sache, so wie sie ist, mit demjenigen gleichförmig ist, was ihr beigelegt oder was von ihr verstanden wird, so daß die gleiche Sache hier zweimal genommen wird, einmal in sich selbst und einmal als erkannte. Materialiter oder fundamentaliter besteht die Wahrheit zwar in den Dingen, doch die Gleichförmigkeit der Sache mit demjenigen, was von ihr erfaßt wird, ist formaliter die Wahrheit, die nichts als ein ens rationis oder ein Seiendes der zweiten Intention ist, das der Sache zukommt, sofern sie objektiv im Verstand ist 44. All dies läßt sich gemeinsam, und in Abweichung von der Tradition, behaupten, ohne daß es offensichtlich zu irgendeiner sachlichen Gemeinsamkeit in rebus theologicis verpflichtet. Der Vergleich der Wahrheitslehre des Hervaeus mit den beiden Fassungen der Durandischen Wahrheitsspekulation zeigt ein gemischtes Bild: In der A-Redaktion folgt Durandus der Lehrmeinung des Hervaeus, die 41
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Cf. Hervaeus Natalis, In I Sent., dist. 19, q. 3, ed. Paris 1647, 105a-107a: „Utrum veritas sit in rebus.“ Vgl. T. Fallon, The Notion of Truth in Hervaeus Natalis, Diss. Toronto 1966. Cf. E. A. Lowe, The Contested Theological Authority of Thomas Aquinas: The Controversies Between Hervaeus Natalis and Durandus of St. Pourcain, 1307-1323, New York-London 2003; I. Iribarren, Durandus of St PourcX ain. A Dominican Theologian in the Shadow of Aquinas, Oxford 2005. Cf. die entsprechend schonende Bemerkung des Hervaeus in dessen Irrtumsliste: von Perger, Der Wahrheitsbegriff (nt. 9), 144 sq. Cf. In I Sent., dist. 19, q. 3, art. 1 (nt. 41), 105b-106a: „Aliis videtur quod veritas sit quaedam relatio rationis consequens rem intellectam prout est in intellectu obiective; et hoc formaliter loquendo, ita quod proprie loquendo veritas non est aliqua relatio quae sit inter rem intellectam et actum intelligendi. Nam veritas non consistit in hoc quod talis sit actus intelligendi qualis est ipsa res […]; sed veritas consistit in hoc quod res secundum id quod est sit conformis ad id quod ei attribuitur sive ad id quod de ea intelligitur […]; ita quod eadem res bis accipitur: uno modo secundum id quod habet in rerum natura, alio modo secundum id quod de ea intelligitur, ad quod actus intelligendi terminatur. […] Et propter hoc quasi materialiter et fundamentaliter est veritas in rebus, sed conformitas ipsius rei ad id quod de ea apprehenditur vel significatur est formaliter ipsa veritas, quae non est nisi ens rationis sive secundae intentionis conveniens rei prout est obiective in intellectu. […] Et huic opinioni magis assentio.“
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Wahrheit sei auch im ersten Verstandesakt anzusetzen, in der C-Redaktion verläßt er sie; hier bemüht er dafür weit ausdrücklicher und kämpferischer das Schlagwort dieser Auffassung, die Wahrheit sei ein ens rationis, um das er sich in der ersten Fassung einigermaßen gedrückt hatte. So kommt es, daß der Karmeliter-Theologe Gerhard von Bologna - darauf haben bereits Koch und Xiberta hingewiesen - die Wahrheitslehre von Hervaeus und Durandus genau auf ihre Differenzen hin analysieren kann 45, während Sua´rez, der seinen Wahrheitstraktat in den monumentalen ,Disputationes Metaphysicae‘ mit der Besprechung der Auffassung des Durandus eröffnet - ein Beleg der Wichtigkeit, die seiner Lehre über Jahrhunderte beigemessen wurde -, Hervaeus bloß als einen weiteren Vertreter dieser Auffassung anführt 46. Wie weit sind wir mit dem Versuch gekommen, dem Ereignis der Differenz zwischen den beiden Fassungen der Wahrheitslehre des Durandus durch Berücksichtigung von Einfluß und Kritik als einer Entwicklung näheren Sinn abzugewinnen? Dem sachlichen Gehalt dieses Ereignisses - der Artikulierung der Verstandesabhängigkeit der Wahrheit als äußerer Benennung des Gegenstandes vom Akt des Verstandes her mit Blick auf dasjenige, was der Sache nur insofern zugesprochen wird, als sie erkannt worden ist; zu welcher noch die Konzentration auf den zweiten Verstandesakt als Verschärfung hinzutritt - wird nichts hinzugefügt, wenn wir verzeichnen, daß die betreffende Entwicklung eventuell in Reaktion auf die Kritik des Petrus de Palude erfolgt und die C-Redaktion in anderen Punkten von der Lehre des Hervaeus, die sie global zu vertreten scheint, abweichen läßt als die erste Fassung. Sie macht darauf aufmerksam, welch ein schmaler Grat die metaphysische Betrachtung der Transzendentalienlehre von der Logik trennt, bei einigen Autoren bis hin zur Leugnung des metaphysischen Gehalts dieser Wahrheitsspekulationen überhaupt, doch verstrickt sich die Berücksichtigung von Entwicklung, Einfluß und Kritik in Mutmaßungen über die Intention des Autors, sobald sie nicht bloß als Kontext, sondern als Erklärungsgröße dienen soll. II. Teil Eine zweite Annäherung, welche die Autonomie des Textes gegenüber dem Spiel von Entwicklung, Kritik und Einfluß stärkt, stellt das Ereignis der Differenz zwischen seinen verschiedenen Fassungen in eine Serie von Wahrheitsauf45
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Cf. Gerhard von Bologna, Summa, q. 27, art. 1 zitiert nach: Koch, Durandus de S. Porciano (nt. 8), 385 sq. Cf. Francisco Sua´rez, Disp. Metaph. VIII, sect. 1, Opera omnia 25, Paris 1866, 275: „Prima sententia est, veritatem illam non esse in formali actu seu cognitione intellectus, sed esse in re cognita ut objecta intellectui, quatenus conformis est sibiipsi ut a parte rei existenti, et hoc modo exponit veritatem esse conformitatem intellectus ad rem, id est, esse conformitatem conceptus objectivi intellectus enunciantis ad rem secundum esse reale ejus. Hanc sententiam insinuare visus est D. Thomas, 1 contr. Gent, cap. 59; sed eum locum malius expendemus sectione sequenti; clarius hoc docuit Durand., in 1, dist. 19, q. 5; et fere idem docet Hervaeus […]. Fundamentum Durandi est […].“
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fassungen, die sich eine vergleichbare Variation erlaubten. Der Kontingenz der Überlieferung ist jene Schmälerung der Alternativen anzurechnen, auf der unsere Auswahl aufbaut. In chronologischer Folge behandeln wir die Differenz in den Auffassungen des Thomas von Aquin, Heinrichs von Gent und des Johannes Duns Scotus; diese Analyse ist der strategischen Frage zugeordnet, welche Regelmäßigkeit sich in der Variation dieser differentiellen Ereignisse ausmachen läßt. 1. Das erste Element dieser Serie ist die Variation in der Wahrheitsauffassung des Thomas von Aquin, die in der Thomasforschung selbst kontrovers diskutiert wird. Ich werde mich hier auf eine globale Beschreibung der Weise, wie die Wahrheitstraktate in den ,Quaestiones disputatae de veritate‘ und der ,Summa theologiae‘ voneinander abweichen, beschränken. In der ersten der ,Quaestiones disputatae de veritate‘ stellt Thomas die Analyse des Wahrheitsbegriffs in einem dreigliedrigen Schema dar, demzufolge sich zwischen der Sache als Fundament der Wahrheit und der Erkenntnis als ihrer Folge ein Moment der Angleichung zwischen Verstand und Ding ausmachen läßt, die „adaequatio rei et intellectus“, in welcher der Begriff der Wahrheit formal zur Erfüllung kommt und die als transzendentale Wahrheit gefaßt wird 47. In der ,Summa theologiae‘ dagegen verwendet Thomas ein duales Schema, demzufolge der Verstand in primärem Sinne, die Sache dagegen bloß in abgeleitetem Sinne, nämlich im Verhältnis zum Verstand, wahr ist; die Adaequatio-Formel, darin liegt ihre Vorzüglichkeit, umfaßt diese beiden Weisen der Wahrheit 48. Zieht man 47
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Cf. Thomas von Aquin, De ver., q. 1, art. 1, in: Thomae de Aquino Opera omnia iussu Leonis XIII edita, t. 22, vol. 1, Rom 1975, 5, 160-6, 200: „[C ]onvenientiam vero entis ad intellectum exprimit hoc nomen verum. Omnis autem cognitio perficitur per assimilationem cognoscentis ad rem cognitam, ita quod assimilatio dicta est causa cognitionis, sicut visus per hoc quod disponitur secundum speciem coloris cognoscit colorem: prima ergo comparatio entis ad intellectum est ut ens intellectui concordet, quae quidem concordia adaequatio intellectus et rei dicitur, et in hoc formaliter ratio veri perficitur. Hoc est ergo quod addit verum super ens, scilicet conformitatem sive adaequationem rei et intellectus, ad quam conformitatem, ut dictum est, sequitur cognitio rei: sic ergo entitas rei praecedit rationem veritatis sed cognitio est quidam veritatis effectus. Secundum hoc ergo veritas sive verum tripliciter invenitur diffiniri. Uno modo secundum illud quod praecedit rationem veritatis et in quo verum fundatur, et sic Augustinus diffinit in libro Soliloquiorum: ,Verum est id quod est‘; et Avicenna in sua Metaphysica ,Veritas cuiusque rei est proprietas sui esse quod stabilitum est ei‘; et quidam sic ,Verum est indivisio esse et quod est‘. Alio modo diffinitur secundum id in quo formaliter ratio veri perficitur, et sic dicit Ysaac quod ,Veritas est adaequatio rei et intellectus‘; et Anselmus in libro De veritate ,Veritas est rectitudo sola mente perceptibilis‘, - rectitudo enim ista secundum adaequationem quandam dicitur et Philosophus dicit in IV Metaphysicae quod diffinientes verum dicimus ,cum dicitur esse quod est, aut non esse quod non est‘. Tertio modo diffinitur verum secundum effectum consequentem, et sic dicit Hilarius, quod ,Verum est declarativum et manifestativum esse‘; et Augustinus in libro De vera religione ,Veritas est qua ostenditur id quod est‘, et in eodem libro ,Veritas est secundum quam de inferioribus iudicamus‘.“ Cf. id., Summa theol. I, q. 16, art. 1, in: Thomae Aquinatis Opera omnia iussu impensaque Leonis XIII edita, t. 4, Rom 1888, 206 sq.: „Unde unaquaeque res dicitur vera absolute, secundum ordinem ad intellectum a quo dependet. Et inde est quod res artificiales dicuntur verae per ordinem ad intellectum nostrum, dicitur enim domus vera, quae assequitur similitudinem formae quae est in mente artificis; et dicitur oratio vera, inquantum est signum intellectus veri. Et similiter res naturales dicuntur esse verae, secundum quod
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weitere Texte wie den Sentenzenkommentar hinzu, in welchem sich die Wahrheitsanalyse wie in ,De veritate‘, in einem dreifachen Schema präsentiert 49, dann zeigt sich bei Thomas eine gewisse Entwicklung in der Verwendung der Wahrheitsbestimmungen, derzufolge am Anfang die Definition Anselms, Wahrheit sei eine nur vom Geist erfaßbare Rechtheit, als umfassendste Bestimmung gilt, allmählich aber die Adaequatio-Formel diese Stellung erhält 50. Das eigentliche Ereignis in der Variation der Wahrheitsauffassung zwischen ,De veritate‘ und der ,Summa theologiae‘ ist aber die Eliminierung der Zwischenstufe beziehungsweise das Verschmelzen von transzendentaler Wahrheit und Erkenntniswahrheit, das von bestimmten Interpreten als Verwischung oder sogar als Aufhebung des eigentlich transzendentalen Wahrheitsbegriffs gedeutet worden ist 51, was von
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assequuntur similitudinem specierum quae sunt in mente divina: dicitur enim verus lapis, qui assequitur propriam lapidis naturam, secundum praeconceptionem intellectus divini. - Sic ergo veritas principaliter est in intellectu; secundario vero in rebus, secundum quod comparantur ad intellectum ut ad principium. Et secundum hoc, veritas diversimode notificatur. Nam Augustinus, in libro de Vera Relig., dicit quod veritas est, qua ostenditur id quod est. Et Hilarius dicit quod verum est declarativum aut manifestativum esse. Et hoc pertinet ad veritatem secundum quod est in intellectu. - Ad veritatem autem rei secundum ordinem ad intellectum, pertinet definitio Augustini in libro de Vera Relig., veritas est summa similitudo principii, quae sine ulla dissimilitudine est. Et quaedam definitio Anselmi: veritas est rectitudo sola mente perceptibilis; nam rectum est, quod principio concordat. Et quaedam definitio Avicennae: veritas uniuscuiusque rei est proprietas sui esse quod stabilitum est ei. Quod autem dicitur quod veritas est adaequatio rei et intellectus, potest ad utrumque pertinere.“ Cf. Thomas von Aquin, In I Sent., dist. 19, q. 5, art. 1, in: Thomae Aquinatis Scriptum super libros Sententiarum, ed. Mandonnet, vol. 1, Paris 1929, 486 sq.: „Similiter dico de veritate, quod habet fundamentum in re, sed ratio ejus completur per actionem intellectus, quando scilicet apprehenditur eo modo quo est. Unde dicit Philosophus […], quod verum et falsum sunt in anima; sed bonum et malum in rebus. Cum autem in re sit quidditas ejus et suum esse, veritas fundatur in esse rei magis quam in quidditate, sicut et nomen entis ab esse imponitur; et in ipsa operatione intellectus accipientis esse rei sicut est per quamdam similationem ad ipsum, completur relatio adaequationis, in qua consistit ratio veritatis. […] Sic ergo patet quomodo diversae definitiones de veritate dantur. Quaedam enim veritatis definitio datur secundum hoc quod veritas completur in manifestatione intellectus; sicut dicit Augustinus […]: ,Veritas est qua ostenditur id quod est‘; et Hilarius […]: ,Verum est declarativum aut manifestativum esse‘. Quaedam autem datur de veritate secundum quod habet fundamentum in re, sicut illa Augustini […]: ,Verum est id quod est‘; et alia magistralis: ,Verum est indivisio esse et ejus quod est‘; et alia Avicennae […]: ,Veritas cujusque rei, est proprietas sui esse quod stabilitum ei est‘. Quaedam autem datur secundum commensurationem ejus quod est in intellectu ad id quod est in re, sicut dicitur: ,Veritas est adaequatio rei ad intellectum‘; et Augustinus ubi supra: ,Verum est quod ita se habet ut cognitori videtur si velit et possit cognoscere.‘ […] Quaedam autem datur de veritate, comprehendens omnes veritatis acceptiones, scilicet: Veritas est rectitudo sola mente perceptibilis.“ Cf. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals (nt. 25), 253. Ich entlehne die Beschreibung der anerkannten Entwicklung in Thomas’ Wahrheitsauffassung in Termen eines dreifachen beziehungsweise zweifachen Schemas der Einleitung Rudi te Veldes zu: Thomas van Aquino, Over waarheid en onwaarheid, Kampen 1988. Cf. L. Dewan, A Note on Metaphysics and Truth, in: Doctor Communis (2002), 143-153; id., St. Thomas’s Successive Discussions of the Nature of Truth, in: D. Ols (ed.), Sanctus Thomas De Aquino: Doctor Hodiernae Humanitatis, Vatikan 1995, 153-168; id., Is Truth a Transcendental for St. Thomas Aquinas?, in: Nova et vetera 2 (2004), 1-20. Dewan schließt zweierlei aufgrund des Textes der ,Summa theologiae‘: Einerseits wird die Wahrheitsrelation quasi-exklusiv auf den göttlichen Intellekt bezogen, andererseits verschwindet die Idee einer den Dingen intrinsischen Wahrheit; der letzte Punkt führt ihn zu der Stellungnahme, das Wahre sei ein
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anderen Interpreten wiederum bestritten wurde 52. Wir brauchen hier keine Stellung zu beziehen; es ist nur anzumerken, daß sich von Anfang an ein gewisser Druck auf diese Wahrheitsauffassung bemerkbar macht, die transzendentale Wahrheit mit dem zweiten Verstandesakt, dem Urteilsakt, zu verbinden, in welchem die ratio veritatis im eigentlichen Sinne angesetzt wird. In gewissem Sinne kann man sagen, daß der Text der ,Summa theologiae‘ diesem Druck nachgegeben hat. In diesen Kontext gehört, gleichsam als Übergang zwischen ,De veritate‘ und der ,Summa theologiae‘, ein Text der ,Summa contra gentiles‘, der in der Darlegung, daß die Wahrheit nicht von Gott ob seiner Einfachheit ausgeschlossen ist, behauptet: „Da die Wahrheit des Verstandes die Angleichung des Verstandes und der Sache ist, dementsprechend der Verstand sagt, daß ist, was ist, und daß nicht ist, was nicht ist, gehört die Wahrheit zu demjenigen im Verstand, was der Verstand sagt, nicht zur Tätigkeit des Verstandes, wodurch er dies sagt; denn für die Wahrheit des Verstandes ist es nicht erforderlich, daß das Erkennen der Sache angeglichen ist, da die Sache zuweilen stofflich ist, das Erkennen dagegen unstofflich. Aber dasjenige, was der Verstand, indem er erkennt, sagt und begreift, muß der Sache angeglichen sein, so nämlich, daß die Sache sich so verhält, wie der Verstand sagt.“ 53
Auf die Gefahr hin, uns wiederum zur Verzeichnung der Einflüsse herabzulassen, ist zu vermerken, daß dieser Text die Inspiration mancher Ausführungen des Hervaeus und Durandus bildet und das Vokabular präsentiert, das in der C-Redaktion des letzteren bevorzugt verwendet wird: „ita est in re, sicut intellectus dicit“ 54. 2. Nach diesem ersten Element der zu bildenden Serie, der Eliminierung der Zwischenstufe beziehungsweise dem Verschmelzen von transzendentaler Wahrheit und Erkenntniswahrheit in der Wahrheitsauffassung des Thomas von Aquin,
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logisches Transzendentale (cf. Is Truth a Transcendental, 17), die von den in der folgenden Anmerkung zitierten Beiträgen bestritten wird. Cf. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals (nt. 25), 243-289; id., Is Truth not a Transcendental for Aquinas?, in: P. A. Kwasniewski (ed.), Wisdom’s Apprentice. Thomistic Essays in Honour of Lawrence Dewan O.P., Washington (DC) 2007, 3-12. Thomas von Aquin, Summa contra Gentiles I, c. 59, in: Thomae Aquinatis Opera omnia iussu edita Leonis XIII, t. 13, Rom 1918, 167: „Cum enim veritas intellectus sit adaequatio intellectus et rei, secundum quod intellectus dicit esse quod est vel non esse quod non est, ad illud in intellectu veritas pertinet quod intellectus dicit, non ad operationem qua illud dicit. Non enim ad veritatem intellectus exigitur ut ipsum intelligere rei adaequetur, cum res interdum sit materialis, intelligere vero immateriale: sed illud quod intellectus intelligendo dicit et cognoscit, oportet esse rei aequatum, ut scilicet ita sit in re sicut intellectus dicit.“ Cf. von Perger, Der Wahrheitsbegriff (nt. 9), 132 und nt. 46 zum Bezug, den Sua´rez zwischen dem, was von diesem Text insinuiert zu werden scheint, und der Lehrmeinung des Durandus herstellt.
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ist ein zweites differentielles Ereignis in Betracht zu ziehen: die Variation, die in der Wahrheitsauffassung des Heinrich von Gent auftritt. Jos Decorte hat am Ende eines Aufsatzes zur Wahrheitslehre des Heinrich von Gent auf die Bedeutung der umfassenden Neubearbeitung hingewiesen, welche die fünfte Frage des 34. Artikels der ,Summa quaestionum ordinariarum‘ erfahren hat 55. Der 34. Artikel der ,Summa‘ ist in zwei Redaktionen überliefert; die kritische Edition hat die zweite Redaktion veröffentlicht und die erste im kritischen Apparat zugänglich gemacht 56. Dabei zeigt sich, daß sich die zweite Redaktion durch zum Teil extensive Auslassungen vom Text der ersten Redaktion unterscheidet. Zwei Beobachtungen geben der Analyse dieses Textes ihr Gewicht. (1) Die Handschrift, in welcher die erste Redaktion erhalten ist (Paris, Bibliothe`que nationale, Ms. lat. 15355), stammt aus dem Besitz des Godfried von Fontaines, des berühmten Kollegen Heinrichs von Gent; der Herausgeber der kritischen Edition urteilt aufgrund eingehender Analyse, es handle sich dabei um den Apographen, in welchem Heinrich von Gent selbst die betreffenden Korrekturen eingearbeitet habe. (2) Nach der Datierung des J. Go´mez Caffarena ist der 34. Artikel praktisch zeitgleich mit dem IV. ,Quodlibet‘ anzusetzen, in welchem Heinrich eine Positionsänderung durchführt, indem er die Spezieslehre der Erkenntnis, wie er sie bis zu diesem Moment vertreten hatte, ablehnt und ein neues Modell der Erkenntnis entwickelt. Beide Beobachtungen zusammengenommen geben dem Herausgeber Grund, Heinrich eine Überarbeitung seines Wahrheitstraktats zuzuschreiben, die aufgrund der genannten Positionsänderung erfolgt sei 57. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß tatsächlich die species intelligibiles in zwei der Streichungen auftreten 58. Für die Analyse des Heinrichschen Wahrheitstraktats ist ein solcher Erklärungsversuch unbefriedigend, zumal unklar bleibt, auf welche Weise sich die betreffenden Korrekturen auf die Wahrheitsanalyse auswirken. Desweiteren ist mit dem Verweis auf die Positionsänderung in der Frage nach den species intelligibiles kein hinreichender Erklärungsgrund für die Überarbeitung des Wahrheits55
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Cf. Jos Decorte, Henri de Gand et la de´finition classique de la ve´rite´, in: Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales 68 (2001), 31-74. Cf. Heinrich von Gent, Summa quaestionum ordinariarum, art. 31-34, ed. R. Macken, Opera omnia 27, Leuven 1991. Cf. ibid., cxx-cxxi: „Quand on met en rapport les 4 insertions qu’on vient de mentionner, toutes situe´es dans l’art. 34, q. 5, ou` l’on trouve aussi d’autres fragments inse´re´s et des traces de retravail conse´cutif du texte pour d’autres passages, il semble qu’on puisse mettre ces phe´nome`nes en rapport les uns avec les autres : il s’agit d’une quaestio qui exigeait un retravail profond aux yeux d’Henri, peut-eˆtre, comme nous le suspectons, puisqu’il avait change´ son opinion en ce domaine, et que son esprit a` ce point e´tait encore en pleine activite´, et decouvrait toujours des nouveaux aspects, ou des nouvelles nuances a` exprimer. Selon la chronologie de J. Go´mez Caffarena concernant la Summa d’Henri de Gand, cet article 34 serait pratiquement contemporain du Quodlibet IV, dans lequel, selon T. Nijs, Henri aurait change´ d’ide´e concernant les espe`ces dans la connaissance humaine, et en aurait abandonne´ certaines, juge´es dore´navant superflues. Le retravail de cette question pourrait en eˆtre l’expression.“ Cf. Heinrich von Gent, Summa, art. 34, q. 4 (nt. 56), 197, l. 70; 199, l. 89-91.
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traktats gegeben, da einerseits die umfangreichsten Weglassungen keinen Bezug zu den species intelligibiles aufweisen und andererseits nicht alle Hinweise auf solche Erkenntnisbilder im Text der zweiten Redaktion der Rasur zum Opfer gefallen sind. Es besteht daher Grund, uns den Wahrheitstraktat und dessen Änderungen noch einmal genauer inhaltlich vorzunehmen. Ohne an dieser Stelle zu definitiven Schlußfolgerungen kommen zu können, läßt sich beobachten, daß die Weglassungen in Beziehung stehen zur Wahrheitslehre im ersten Artikel der ,Summa‘, wo Heinrich die ratio veritatis einer Sache in ihrer Beziehung zum göttlichen Exemplar darlegt, die im zweiten Verstandesakt erfaßt wird; da der Bezug zum göttlichen Exemplar vom menschlichen Verstand in diesem Leben nicht für sich erfaßt werden kann, steht ihm keine volle Wahrheitserkenntnis zu 59. Heinrich arbeitet dies in Diskussion mit dem Skeptizismus der späteren Akademie aus und gibt ihm, in einer der Weglassungen im 34. Artikel, in beschränktem Maße sogar recht 60. Die Bedeutung dieser Weglassungen ist klar, wenn man bedenkt, daß die fünfte Frage des 34. Artikels, in welcher sie auftreten, genau das Kriterium der vollen Wahrheit betrifft. Das transzendentale Wahre fügt Seiendem die ratio intelligibilis hinzu und ist insofern sogar zuerst erkannt, allerdings dispositive, denn obiective ist das Erste, was erfaßt wird, das Seiende 61. Wahrheit faßt Heinrich im 34. Artikel als „adaequatio rei et intellectus“, sofern die Sache alles das ist, was ihre Natur verlangt, und zwar in einer gewissen Beziehung, wodurch die Sache sich dem Intellekt zu erkennen gibt 62. So ist einerseits die Wahrheit in der Sache, aber andererseits und im eigentlichen Sinne ist sie im Verstande, insofern dieser aktual erfaßt, was nur potentiell im Ding begründet liegt. Im vollkommenen Sinne findet sie sich jedoch nur im zweiten Verstandesakt, da sie erst hier als Gegenstand begriffen wird, gegründet in den einzelnen Gliedern der Konformitätsrelation, aber als solche von ihnen unterschieden. Das Ereignis, das sich in der Variation zwischen den verschiedenen Redaktionen des 34. Artikels der ,Summa‘ Heinrichs von Gent präsentiert, besteht in 59
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Cf. Heinrich von Gent, Summa, art. 1, q. 2, ed. G. Wilson, Opera Omnia 21, Leuven 2005, 31-63. Cf. Heinrich von Gent, Summa, art. 34, q. 5 (nt. 56), 224 (ad 221, l. 7): „Propter quod non omnino irrationabiliter opinati sunt Academici quod nihil contingit scire […]. Et sic nihil contingit omnino scire hic certitudinaliter, ut dixerunt Academici, nisi in luce primae veritatis.“ Heinrich verweist dabei ausdrücklick auf seine Ausführungen im ersten Artikel: „ut supra determinatum est in principio nostrae disputationis.“ Cf. Heinrich von Gent, Summa, art. 34, q. 3 (nt. 56), 191 sq.: „[…] licet primus conceptus intellectus obiective sit ratio entis, non tamen concipitur nisi sub ratione veri, et licet ratio veri sit prima ratio concipiendi, non tamen est ratio quae primo concipitur. Obiective enim et ut concipitur, id quod est ens, in quantum est ens, primus conceptus est, et deinde verum, ut tamen ens in se includit. Dispositive autem et ut ratio secundum quam concipitur id quod obiective concipitur, verum est prima ratio concipiendi.“ Cf. ibid., q. 2 (nt. 56), 174 sq. Cf. ibid., q. 2 (nt. 56), 177: „[…] veritas in communi significato comprehendens veritatem et ut participata est et ut imparticipata, definitur sic quod scilicet est adaequatio rei et intellectus et ita quasi quaedam mensura et rectitudo aequans ambo, quae sola mente percipitur et eius iudicio discernitur.“ In q. 4 ad 1 wird diese Bestimmung als partikulare betrachtet: „[…] dicendum quod illud dictum non intelligitur nisi de veritate secundum esse eius perfectissimum et principalissimum, quod est illud quod habet in intellectu, ut patebit in quaestione sequenti, non autem de esse eius universaliter.“
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der Unterdrückung seiner früheren, weitaus skeptischeren Position, die auf eine Aufwertung der Rolle und Bedeutung des zweiten Verstandsaktes hinausläuft. Die These Steve Marrones, es habe sich in der Wahrheitslehre des Heinrich von Gent ein Wechsel zwischen dem ersten und dem 34. Artikel ereignet, insofern die Ausrichtung auf das göttliche Exemplar - grundlegend für die Wahrheitslehre im ersten Artikel - im 34. Artikel verschwindet 63, ist mit Verweis auf die Kompatibilität der Wahrheitsauffassungen im ersten und im 34. Artikel nuanciert worden 64. Auch wenn man über den genauen Ertrag und die Deutung der Verschiebung in der Wahrheitslehre, die sich zwischen dem ersten und dem 34. Artikel der ,Summa‘ ereignet, streiten kann, so ist doch an dem Faktum festzuhalten, daß sie im 34. Artikel zur systematischen Sichtung aller Reminiszenzen der im ersten Artikel vertretenen Position geführt hat. 3. Das dritte Element unserer Serie bildet die Variation in der Wahrheitsauffassung des Johannes Duns Scotus. Es handelt sich um den Kommentar zum Buch Epsilon der ,Metaphysik‘, präziser: zu der Stelle im sechsten Buch, wo Aristoteles das Seiende im Sinne des Wahrseins von der metaphysischen Betrachtung ausschließt. In diesem Text gibt es eine Hinzufügung, die eine Wende im Wahrheitsdenken des Scotus markiert 65. Die Hinzufügung reagiert auf eine Unklarheit in Scotus’ Versuch, die formale und die objektive Seinsweise der Wahrheit mit Blick auf die Abgrenzung des Wahrheitspotentials des ersten und des zweiten Verstandesaktes zu unterscheiden. Formal, so hatte er zuvor erklärt, gebe es Wahrheit oder Unwahrheit entsprechend der Gleichförmigkeit oder Adäquation der intellektuellen Erfassung mit der Sache in der Außenwelt. Die Wahrheit sei formal bereits im ersten Verstandesakt der einfachen Erfassung gegeben, doch objektiv erst, indem der Verstand die Gleichförmigkeit des zusammensetzenden Aktes mit dem Sein der Extreme der Zusammensetzung erfasse 66. Diese Konstellation löst eine Unklar63
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Cf. S. F. Marrone, Truth and Scientific Knowledge in the Thought of Henry of Ghent, Cambridge (Mass.) 1985. Cf. M. Pickave´, Heinrich von Gent über Metaphysik als erste Wissenschaft. Studien zu einem Metaphysikentwurf aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 91), Leiden-Boston 2007, 266-278. Cf. Johannes Duns Scotus, In VI Metaph., q. 3, ed. R. Andrews [e. a.], Opera philosophica [= OP] 4, St. Bonaventure (NY) 1997, 57-88: „Utrum verum sit obiectum metaphysicae.“ Zu diesem Text cf. Th. Kobusch, Art. ,Wahrheit II.C. Spätmittelalter‘, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 12, Basel 2004, coll. 69 sq. Im Zuge einer präliminären Ausdifferenzierung der Wahrheit in den Dingen und der Wahrheit im Verstand unterscheidet Scotus das Wahre im Verstand entsprechend der duplex operatio und macht auf eine zweifache „inter istas veritates differentia“ aufmerksam. Die erste besagt, daß das oppositum der Wahrheit im ersten Verstandesakt nicht die falsitas, sondern die ignorantia ist, während der Wahrheit im zweiten Verstandesakt die ignorantia privativ, die falsitas konträr entgegengesetzt ist. Die zweite Differenz betrifft die Seinsweise des Wahren in den beiden Verstandeswirkungen. Objektiv ist die Wahrheit allein im zweiten Verstandesakt, formal bereits im ersten und
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heit angesichts des Status der ersten Prinzipien aus. Um den Unterschied zum ersten Verstandesakt aufrechtzuerhalten, sei ein zusätzlicher Akt (alius actus) anzunehmen, der zur Zusammenstellung der Termini hinzutritt, was dem nichtdiskursiven Charakter der Erkenntnis der ersten Prinzipien gerade widerstreitet 67. In der besagten additio führt Scotus tatsächlich innerhalb der für das komplexe Erkennen charakteristischen Seinsweise der Wahrheit einen näheren Unterschied zwischen dem diskursiven und dem nichtdiskursiven Erkennen ein. Er erreicht dies mithilfe einer zweifachen Korrektur, die je für sich in einer Herauslösung der Wahrheit aus dem Zusammenhang mit der res extra besteht. Freilich zahlt er für die Erhellung der Unterscheidung zwischen dem diskursiven und dem nichtdiskursiven Erkennen einen Preis: Die formale Seinsweise der Wahrheit verliert den Bezug zum ersten Verstandesakt. Dies läßt sich in zwei Punkten darlegen. (1) Um innerhalb der für das komplexe Erkennen charakteristischen Seinsweise der Wahrheit zwischen dem diskursiven und dem nichtdiskursiven Erkennen zu differenzieren, führt Scotus einen neuen Aspekt ein, in dem sich das einfache und das komplexe Erkennen unterscheiden. Die Objekte des zusammengesetzt Begriffenen haben noch ein anderes Sein neben diesem Begriffensein, und zwar von Natur aus früher (prius naturaliter) in sich selbst, insoweit sie einfach sind. An diesem früheren Sein werde das zusammengesetzt Begriffene gemessen und sei es, bei auftretender Gleichförmigkeit, wahr. Das Objekt der einfachen Erfassung dagegen, so behauptet Scotus, habe kein früheres Sein außer im Begriff, an welchem jener Begriff zu messen sei 68. Ob es, dem Begriff vorausgehend, eine extramentale Sache gebe als Referent der einfachen Erfas-
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im zweiten Verstandesakt gegeben; als Kriterium für die Erfüllung der formalen Seinsweise der Wahrheit im zweiten Verstandesakt dient die Bestimmung „aut quia est conformis rei extrae aut non.“ Cf. ibid., nos. 36 sq. (OP 4, 69): „Secunda differentia est in modo essendi veritatis in hac operatione et illa. Licet enim sit in utraque operatione veritas propria formaliter, non tamen obiective, sed tantum in secunda. Nam neutra veritas est in intellectu obiective nisi reflectente se super actum suum, comparando illum ad obiectum, quae reflexio in cognoscendo, scilicet quod actus talis est similis vel dissimilis, non est sine compositione et divisione. Patet autem distinctio istorum modorum essendi veritatis in intellectu, scilicet formaliter et obiective quantum ad primam operationem. Quoad secundam operationem declaratur, quia intellectus multas propositiones format et apprehendit actu secundo, quae tamen sunt sibi neutrae, ex I Topicorum. Licet ergo sit in illo actu formaliter veritas vel falsitas - aut quia est conformis rei extrae aut non -, tamen non est ibi obiective, quia non apprehenditur ista conformitas.“ Cf. ibid., no. 38 (OP 4, 69 sq.): „Contra istud videtur quod principia, statim cum apprehenduntur, cognoscuntur esse vera. Responsio: propter evidentem habitudinem terminorum, intellectus componens statim percipit actum componendi esse conformem entitati compositorum. Posset ergo dici quod ibi est alius actus, et reflexus sed imperceptus, quia simul tempore. In aliis, ut in conclusionibus, differunt tempore.“ Cf. ibid., no. 48 (OP 4, 73): „Propter illud est notandum quod obiectum simplex, quod est signatum conceptus simplicis, nullum esse habet aliud quam in conceptu, secundum quod esse debet mensurare illum conceptum. Obiecta conceptus complexi, quae sunt extrema, aliud esse habent quam ut sunt in conceptu complexo; et prius naturaliter in se, ut simplicia sunt, secundum quod esse prius mensurant illum conceptum complexum cui esse priori conceptum complexum conformari est verum esse, difformari est falsum esse -, hoc esse est habitudo inclusa virtualiter in extremis ante naturaliter quam extrema comparentur a ratione. Sed in simplici nihil est prius naturaliter in extremo cui conceptus potest conformari et difformari.“
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sung, die dem Sein nach früher sei als der Begriff, sei akzidentell und bilde keinen Maßstab für die Wahrheit 69. Die Bedeutung dieser Orientierung der Wahrheit des zusammengesetzten Erkennens an einem inneren Vergleichsmaßstab wird im folgenden hervortreten, hier ist zunächst der Verzicht auf einen äußeren Maßstab der einfachen Erfassung festzuhalten: Daß der Begriff „conformis rei extra“ ist (oder nicht), ist akzidentell und bildet nicht länger den Maßstab, aufgrund dessen dem einfachen Verstandesakt formale Wahrheit zugewiesen werden kann. (2) Scotus erkennt das Mißverständnis an, das er mit seiner Beschreibung der formalen Wahrheit als Erkenntnis der Gleichförmigkeit des zusammengesetzten Aktes mit der res extra hervorgerufen hat. Im eigentlichen Sinne werde bei der Erkenntnis der ersten Prinzipien und der Konklusionen, von kontingenten Propositionen abgesehen, die Wahrheit der Zusammensetzung nicht durch Vergleich mit der extramentalen Sache, sondern durch Vergleich mit der erkannten Sache als Extrem einer Proposition beurteilt, die virtuell einen Bezug enthält, der, von Natur aus früher, dem zusammensetzenden Verstandesakt vorausgeht 70. Das Zusammengesetzte ist wahr, weil der vom Verstand gemachten Zusammensetzung die Identität der Extreme oder ein anderer Bezug, der in den Extremen virtuell enthalten ist, von Natur aus vorhergeht; die Gleichförmigkeit des Erkenntnisaktes mit diesem Maßstab ist das Wahrsein 71. Diese Redeskription der formalen Wahrheit bildet nun die Grundlage, um, wie gewünscht, innerhalb der objektiven Wahrheit zu differenzieren. Die Einsicht in die Wahrheit der ersten Prinzipien erfolgt aufgrund automatischen Vergleichs der Zusammensetzung mit den Extremen; bei der diskursiven Erkenntnis einer notwendigen Wahrheit dagegen wird die Wahrheit eingesehen, indem die Zusammensetzung diskursiv auf die Prinzipien bezogen wird, in welchen sie virtuell enthalten ist 72. 69
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Cf. ibid., no. 49 (OP 4, 73 sq.): „Contra: probat quod non potest esse falsus, sed verus. Responsio: non est verus ut complexus est verus, quia non necessario habet significatum secundum esse prius quam in ipso, quia si est in re, accidit. Complexum necessario habet significatum secundum esse prius quam in ipso esse; ideo necessario habet cui conformatur vel difformatur, secundum quod dicitur verum vel falsum. Incomplexum non necessario habet. Si conformatur rei extra, accidit; sic non est mensura eius.“ Cf. ibid., nos. 52-55 (OP 4, 74 sqq.): „Ita dico quod illam complexionem cognosco esse veram, cognoscendo conformitatem eius ad illam habitudinem virtualiter inclusam in extremis. Quae quandoque includitur in ipsis ex natura extremorum, non per aliud prius; quandoque per aliud prius includens; quandoque nullo modo ex natura terminorum vel includentium ipsos, sed a causa extrinseca coniungente ipsa vel disiungente. Primo modo est in principio demonstrationis. Secundo modo in conclusione, cuius terminorum habitudinem realem, praecedentem actum intellectus, includit virtualiter ipsa habitudo inclusa in terminis principiorum ex sui ipsorum natura. Tertio modo est in propositione contingente. […] In primis ergo duobus non cognoscitur compositio esse vera comparando ipsam ad rem ut extra, sed ad rem quae est extremum, ut ipsum in intellectu prius naturaliter facit notitiam habitudinis suae ex se vel virtute alterius, quam intellectus sic componat.“ Cf. ibid., no. 51 (OP 4, 74): „Nota, sicut dictum est, quare complexum est verum. Quia complexionem, quae est a ratione, praecedit naturaliter identitas extremorum, vel alia habitudo virtualiter inclusa in ipsis, cui actum rationis conformari ut mensurae est ipsum verum esse.“ Cf. ibid., no. 64 (OP 4, 78 sq.): „Haec via ponit veritatem complexi cognosci: non per collationem complexionis ad rem extra nec ad habitudinem realem extremorum priorem naturaliter compositione […]; sed tantum ponit collationem complexionis ad notitiam extremorum simplicem, vel ad extrema, ut in notitia simplici. Statim ex notitia tali patet, si complexio sibi conformetur in primis principiis, quia ratio termini ostendit praedicatum
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Das Ereignis ist eindeutig: Zum einen wandelt sich der Maßstab der formalen Wahrheit von der Konformität mit der res extra zur inneren Übereinstimmung mit der von Natur aus früheren Erkenntnis der Extreme, zum anderen ermöglicht diese Verlagerung zwar die erforderte Spezifizierung der objektiven Wahrheit nach diskursiver und nichtdiskursiver Erkenntnis, stellt aber die einfache Erfassung außerhalb der formalen Wahrheit. Auch wenn dies für das Ganze des Textes keine Änderung in der Zuteilung der unterschiedlichen Modi der Wahrheit zur Folge hat und neben der Wahrheit im komplexen Erkennen, das hier von der metaphysischen Betrachtung ausgeschlossen wird, dem Metaphysiker nach wie vor noch manche Wahrheit zur Verfügung steht, wird das differentielle Ereignis davon nicht beeinträchtigt: Die Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“ hebt die Verbindung mit der res extra auf und gestaltet sich nunmehr als eine dem Verstand innerliche Übereinstimmung, deren Seinsstatus als relatio rationis Scotus an dieser Stelle letztlich offenläßt. 4. Um das Ereignis zu erfassen, das die Differenz zwischen den verschiedenen Fassungen des Wahrheitstraktats des Durandus von St. PourcX ain bildet, ist sie in eine Serie von Wahrheitsauffassungen gestellt worden, die sich eine vergleichbare Variation erlaubten. Nacheinander sind Verlagerungen innerhalb der Auffassungen des Thomas von Aquin, Heinrichs von Gent und des Johannes Duns Scotus besprochen worden; zum Schluß ist die Frage zu stellen, welche Regelmäßigkeit sich in der Variation dieser differentiellen Ereignisse ausmachen läßt. Die erste Regelmäßigkeit ist weniger selbstverständlich denn offensichtlich: Alle besprochenen Autoren bestimmen die Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“. Auf diese Beobachtung werden wir im folgenden noch zu sprechen kommen. Die zweite Regelmäßigkeit bezieht sich auf die Tendenz der Verschiebungen in den verschiedenen Wahrheitsauffassungen. Obgleich ihre verschiedenen Ausgangspunkte und Endpunkte keineswegs vergleichbar sind, weisen alle Verlagerungen eine ähnliche Tendenz auf, die „adaequatio rei et intellectus“ verstärkt auf das Sein der Wahrheit im Verstande zu beziehen und sie, in einer Art Potenzierung dieser Tendenz, bevorzugt mit dem zweiten Verstandesakt zu verbinden. Auch diese zweite Regelmäßigkeit ist keineswegs selbstverständlich: Nichts zwingt Thomas convenire subiecto, et sic non est discursus in cognoscendo primum principium, quia ista notitia simplex includitur in collativa. Non enim componuntur nisi quae in se cognoscuntur, et ita in ipsa complexione tali includitur, ut prius naturaliter ipsa, unde ipsa complexio sive compositio necessario videatur conformis, quia tunc visa sunt ambo extrema conformitatis, cum tunc intelligantur simplicia, et tunc fiat compositio. Nec requiritur hic collatio compositionis ad simplicia quasi alius actus, sed intellectus componens terminos illos et notitia habitualis terminorum sunt causa necessaria et immediata et integra ad causandum notitiam conformitatis compositionis ad terminos. […] Sed iudicare in conclusione non sic, sed illam complexionem confert ad aliam in qua includitur, quae alia est principii. […] Et hoc discurrere est iudicare de conclusione. In fine est assensus, id est impressio notitiae necessario imprimit notitiam veritatis conclusionum ex veritate principii nota ex terminis.“
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in seiner Wahrheitsauffassung, die Erkenntnis nicht länger als Folge der Wahrheit zu sehen, sondern die Wahrheit im primären Sinne in die Erkenntnis selbst zu verlegen; nichts auch nötigt Heinrich von Gent, seine frühere skeptischere Position zu unterdrücken und damit die Rolle und Bedeutung des zweiten Verstandsaktes aufzuwerten; und nichts bindet schließlich Johannes Duns Scotus, die extramentale Sache als Referenten der einfachen Erfassung zurückzuweisen und, wo nun der Maßstab der formalen Wahrheit in die innere Übereinstimmung mit der von Natur aus früheren Erkenntnis der Extreme verwandelt ist, die einfache Erfassung außerhalb der formalen Wahrheit zu stellen. Freilich muß man feststellen, daß, wenn diese Differenzen innerhalb der Bestimmung der Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“ einmal so tendenzgleich ausfallen, man sich nicht wundern darf, daß in der Entwicklung der Wahrheitsauffassungen von Thomas von Aquin über Heinrich von Gent und Johannes Duns Scotus bis zu Durandus von St. PourcX ain das Interesse sich immer mehr auf die objektive Seinsweise der Wahrheit im Verstand verlegt. III. Teil Die Serie der Differenzen in den Wahrheitsauffassungen, in welche wir das Ereignis der Variation im Entwurf des Durandus von St. PourcX ain gestellt haben, bleibt weitgehend in der Luft hängen, solange wir nicht den Versuch unternehmen, diese Serie in einen umfassenderen Diskurs einzubetten und sie diesem Diskurs gemäß zu spezifizieren. Damit kommt die Denkbewegung zum Abschluß, die in einer Loslösung jenes Ereignisses aus dem ideengeschichtlichen Kontext von Entwicklung, Einfluß und Kritik und der ihn begleitenden, beruhigenden Suggestion überzeitlicher Konstanten besteht. 1. Die Einbettung in den umfassenderen Diskurs wird greifbar, wenn wir berücksichtigen, wie massiv die Verschiebung im Wahrheitsbegriff ist, welche der Bildung der regelmäßigen Serie von Variationen in der Bestimmung der Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“ zugrunde liegt. In der Besprechung der Regelmäßigkeiten in der Serie differentieller Ereignisse ist bereits darauf hingewiesen worden, daß diese erste Regelmäßigkeit wenig selbstverständlich ist. Nichts weist am Anfang des 13. Jahrhunderts darauf hin, daß eine Bestimmung der Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“ im Laufe dieses Jahrhunderts derart unproblematisch werden wird, daß sich für Durandus nur noch die Frage stellt, wie man diese Bestimmung auslege. Zu fragen ist daher, was diese Verschiebung herbeigeführt hat. Die naheliegende Antwort ist, daß die Ausarbeitung der Transzendentalienlehre einen solchen Wahrheitsbegriff notwendig machte, der, zwecks ihrer be-
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grifflichen Unterscheidung, das Sein einer Sache in ihrer Intelligibilität als auf den Verstand bezogen setzt. Diese Antwort ist sicherlich nicht falsch, zumal die Verbreitung der Adaequatio-Formel eng mit der Durchsetzung der Transzendentalienlehre verbunden ist. Doch zum einen ist die Adaequatio-Formel nicht einfach mit der transzendentalen Wahrheit gleichzusetzen. Es gibt andere Bestimmungen der transzendentalen Wahrheit als die „adaequatio rei et intellectus“, und nicht jede Erwähnung der Adaequatio-Formel zeigt die transzendentale Wahrheit an, um von den Spannungen, welche ihre Gleichsetzung hervorruft, gar nicht zu reden: ein Verhältnis, das aktual nur im und vom Verstande erfaßt wird, zur Eigenschaft der Dinge zu erklären. Zum anderen verschiebt sich damit bloß das Problem, da wir jetzt vor der Frage stehen, was wiederum die Entwicklung der Transzendentalienlehre bedingt hat. Doch glaube ich, daß wir mit der Beantwortung dieser Frage auch eine Erklärung für das Aufkommen der Adaequatio-Formel erhalten. Die Entstehung der Transzendentalienlehre, so ist in der Forschung bereits früh verzeichnet worden, ist mit der Ketzerbekämpfung verbunden 73. Im Prolog zu der ,Summa de bono‘ - nach dem Urteil Jan Aertsens der Beginn der Transzendentalienlehre 74 - begründet Philipp der Kanzler seine Beschäftigung mit den communissima ens, unum, verum, bonum wie folgt: „Wie Silber in den Minen aus verborgenen Adern gleichwie aus Prinzipien zu Tage befördert wird, so wird das Verständnis der Quästionen aus der Allgemeinheit der Prinzipien gleichwie aus verborgenen Adern herausgeführt. Wenn diese Prinzipien nicht erkannt werden, wird der Rest in Finsternis gehüllt. Deswegen leiden diejenigen Schiffbruch mit Bezug auf den Glauben, die die Natur der Prinzipien nicht erkennen, wie dies bei den Manichäern der Fall ist.“ 75
Die unerwartete Metapher eines Schiffbruchs im Bergbau vermittelt eine argumentative Kritik an jenem katharischen Dualismus, der das Gute und das Böse als ebenbürtige Prinzipien ansetzt, dem Philipp mit der Lehre von der Vertauschbarkeit des Seienden und des Guten begegnet - alles, was ist, ist, insoweit es ist, gut 76. Ferner spricht der Text, ebenso unausdrücklich wie wirkungsvoll, ein Begründungsverhältnis zwischen der transzendentalen Prinzipienspekulation und dem wahren Glauben aus; wer die Fundamente des natürlichen Wissens verfehlt, geht auch im Glauben irre. Dieses dem theoretischen Diskurs anhaftende Selbstverständnis eines einseitigen Begründungsverhältnisses werden 73
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Cf. H. Pouillon, Le premier traite´ des proprie´te´s transcendantales. La Summa de bono du Chancelier Philippe, in: Revue ne´oscolastique de philosophie 42 (1939), 40-77, hier 74 sq. Cf. J. A. Aertsen, The Beginning of the Doctrine of the Transcendentals in Philip the Chancellor (ca. 1230), in: Mediaevalia. Textos e Estudos (1995), 269-286; id., Medieval Philosophy and the Transcendentals (nt. 25), 25-40. Cf. Philippus Cancellarius, Summa de bono, ed. N. Wicki, Bern 1985, 4: „Sicut argentum in mineriis ex venis occultis tamquam ex suis principiis eruitur, ita intelligentia questionum ex communitate principiorum tamquam ex occultis venis extrahitur, quibus ignoratis cetera caligine involvuntur. Et ideo naufragaverunt circa fidem rationem principiorum ignorantes, ut Manichei.“ Cf. ibid., q. 1, 5-8: „De comparatione boni et entis.“
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wir in diesem Abschnitt durch Berücksichtigung der Praktiken, in denen sich die für den theoretischen Diskurs grundlegendsten Evidenzen herausbilden, zu nuancieren versuchen. Philipp der Kanzler hat gegen die Albigenser nicht nur in der ,Summa de bono‘ argumentiert, er hat auch, wie sich in einer von Niklaus Wicki herausgegebenen Predigt zeigt 77, aktiv für den Kreuzzug gegen die Albigenser geworben und, wie wiederum andere Quellen belegen, den dominikanischen Inquisitor Robert le Bougre auf dessen erbarmungslosem Feldzug gegen den Unglauben begleitet; so verzeichnen die Akten, daß 1236 in Chaˆlons-sur-Marne, „presente fratre Roberto et cancellario Parisiensi magistro Philippi“, eine Gruppe von Leuten der Häresie schuldig befunden und verbrannt wurde 78. Die Ausarbeitung der Transzendentalienlehre und die Entstehung beziehungsweise Ausbildung der Inquisition hängen, auf noch näher zu kennzeichnende Weise, zusammen.
2. Das Interesse für die Transzendentalienlehre im Dominikanerorden, der ja gegründet worden war, um die französische Häresie mit Gelehrsamkeit zu bekämpfen, ist wenig erstaunlich; auch der privilegierte Einsatz seiner Mitglieder als Inquisitoren nicht. Doch was ist dies mehr als eine bloß äußerliche Korrelation? Nehmen wir das Beispiel Rolands von Cremona. Im Jahre 1229 besetzte er als erster Dominikanertheologe einen Lehrstuhl an der Pariser Universität, wechselte nach Toulouse und war von 1233 bis 1244 als Inquisitor in Italien tätig; doch bereits vor dieser Zeit war er, wie für einen frühen Dominikaner selbstverständlich, aktiv in die Häresiebekämpfung involviert. Sein Hauptwerk, die ,Summa quaestionum in libros Sententiarum‘, geschrieben vor 1234, legt davon Zeugnis ab. Die ,Summa‘ ist durchzogen von persönlich gefärbten Berichten und Beobachtungen, die Rolands unerschütterte Überzeugung im schweren Kampf gegen die Häresie belegen. Ich nehme ein Beispiel: Dem Kapitel über die Häretiker, in welchem Roland die Verbrennung von Häretikern verteidigt unter der Bedingung, daß sie die Möglichkeit erhalten haben, zum Glauben zurückzukehren 79, geht ein Kapitel de iudiciis vorauf, in dem er die Frage aufwirft, ob die verschiede77
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Cf. N. Wicki, Die Philosophie Philipps des Kanzlers. Ein philosophierender Theologe des frühen 13. Jahrhunderts, Fribourg 2005, 181-188. Cf. P. Fredericq, Corpus documentorum Inquisitionis Hereticae Pravitatis Neerlandicae, vol. 2, Gent-Den Haag 1896, 46. Cf. Ch. Haskins, Robert le Bougre and the Beginnings of the Inquisition in Northern France, in: American Historical Review 7 (1902), 437-457 und 631-652; D. A. Traill, Philip the Chancelor and the Heresy Inquisition in Northern France, 1235-1236, in: Viator 37 (2006), 241-254. Cf. Roland von Cremona, Summa III, c. 464, no. 4, ed. A. Cortesi, Bergamo 1962, 1366: „Sic ergo sum in ista sententia quod heretici debent interfici, si non volunt redire ad fidem.“
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nen Amtsträger der Kirche, indem sie das iudicium sanguinis ausüben, damit irregularis werden 80. Ein solcher Einwand sagt: „Similiter opponitur de illis qui capiunt vulpeculas que demoliuntur vineas et postea interficiuntur vulpecule. Si autem sunt illi irregulares, ergo multi episcopi sunt irregulares, qui capiunt. Et ego qui una die cepi in quodam loco, auxilio Iehsu Christi, decem et octo, sum irregularis; quod non videtur mihi.“ 81
Die moralische Frage ist für Roland nur, ob die Häretiker die Möglichkeit erhalten, zum Glauben zurückzukehren 82; die Praxis liefert ihm das Problem: „Ecce aliquis capit aliquem hereticorum et dat eum in manu cuiusdam Potestatis, qui, quamvis velit redire hereticus, tamen comburit eum; et sic factum est.“ 83
Die Beschreibung der persönlichen Erfahrungen geschieht in einem Kontext, in dem die Frage der Berechtigung beziehungsweise Rechtfertigung in Begriffen von Wahrheit verhandelt wird. Ich nenne einige Beispiele. (1) Nach den Kapiteln über das iudicium und die Häretiker folgt ein Kapitel über das mendacium 84. Dieses betrifft eine Aussage, die von der Wahrheit abweicht, wobei zwei Aspekte einzubeziehen sind: die sachliche Unzutreffendheit und das Bewußtsein darum beziehungsweise die Zustimmung 85. Das „mendacium
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Cf. ibid., c. 463, 1358-1365. Ibid., no. 28, 1362. Zur Verwendung der biblischen Metapher der Füchse im Weingarten des Herrn im Kontext der Häresiebekämpfung cf. L. Kolmer, Ad capiendas vulpes. Die Ketzerbekämpfung in Südfrankreich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und die Ausbildung des Inquisitionsverfahrens (Pariser historische Studien 19), Bonn 1982. Cf. ibid., no. 34 (nt. 79), 1363 sq.: „Ad illud quod opponit de herreticis, dicimus quod non sunt irregulares qui capiunt herreticos, quoniam non est data sententia de eis quod interficiantur si volunt redire, immo in contrarium est data sententia, scilicet ut non interficiantur si volunt redire. Et ita captio sua non est causa ut interficiantur, immo potius quod vivant, quoniam instruentur si volunt redire.“ Ibid., no. 35, 1364. Cf. ibid., c. 466, 1369-74. Cf. ibid., no. 10, 1372: „Quantum mihi videtur, quid sit mendatium, dico. […] Dico ergo quod mendatium est assertio denuntiata signo, contraria rationi dicentis. Et ego intelligo quod sit contraria rationi, hoc est ratio dictat aliter esse dicendum. Rationem proprie appello intellectum, de quo dicit Aristoteles quod semper est verus. Puto quod hec sit diffinitio generalis, et convenit omni mendatio quod vere est mendatium. […] Omne mendatium est assertio. Nisi enim sit assertio per modum indicativum, non est mendatium. Et si non denuntiet, non est mendatium alii. Iterum signo, sive voce, sive alio signo. Et contraria rationi, quia dictat ratio aliter esse dicendum, maxime intellectus qui semper est verus. Ideo exposui quod dicitur contraria rationi quia liber diffinitionum me docet, cum aliquid dubium in diffinitione ponitur, quod exponendum est qualiter sumatur.“ Cf. die Beschränkung des Aristoteleswortes „intellectus semper est verus“ auf die simplex apprehensio, ein wenig später in der Beantwortung eines Einwandes: „Item intellectus dicitur verus non quod hominem moveat ad dicendum verum, quamvis istud verum sit quantum est ex ipso intellectu, sed quia intellectus apprehendit sola illa que sunt abstracta a materia et accidentibus; illa autem habent esse verum, que autem sunt cum accidentibus, in quantum talia sunt, non habent verum esse quia mutabilia secundum sua accidentia. Opponebat autem, ex hoc quod dicit Aristoteles quod intellectus semper est verus, in alio sensu huius termini verus quam sumat Aristoteles. Sic enim intelligit: intellectus est semper verus, idest non apprehendit nisi ea que sunt in pura veritate, ab accidentibus abstracta; ipse autem procedebat tamquam Aristoteles dixisset: intellectus semper est verus, idest semper facit loqui verum. Quare fit equivocatio in argumento.“ Cf. ibid., c. 477, no. 21, 1379.
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in doctrina religionis“ wird von Roland allein auf die Häresie bezogen, da sie contra conscientiam erfolgt 86. Roland berichtet: „Examinabam quosdam hereticos, et sic artavi eos ut non possent substinere que dicebant. Postquam vidi eos ita confusos, dixi eis: ,Quare ergo non reditis ad fidem?‘ Illi autem dixerunt: ,Non possumus‘. Manifestum est ergo quod heretici contra conscientiam dicunt in doctrina religionis. Mentiuntur ergo.“ 87
Das ganze Wahrheitsspiel bezieht sich auf die Aussage bzw. das Aufrechterhalten einer Aussage. (2) Damit verbunden ist die Durchsetzung der wahren Aussage, die in der inquisitorischen Praxis durch das iuramentum geschieht, das bekanntlich von den Häretikern, und nicht ohne biblische Grundlage, verweigert wurde. Roland memoriert, daß „heretici non possunt cogi ad iurandum, potius substinent exhustionem“, kehrt aber den Spieß um mit der Bemerkung, daß „nullus debet iurare nisi aliquo modo sit coactus“. Damit ist das Häresieverfahren legitimiert. Da das iuramentum offensteht für „verba multiplicia vel anphibologia vel equivocatione“, gilt, daß das „iuramentum debet fieri secundum intentionem illius cui fiat iuramentum“ 88. Die verhängnisvolle Verbindung von Bekenntnis und Zwang, die nach 1252 eine Potenzierung mit dem Eintritt der Folter in das Häresieverfahren erfahren sollte, zeigt an, daß der inquisitoriale Umgang mit der Häresie, seinem Selbstverständnis nach ein ZumSchweigen-Bringen der Häresie, in Wirklichkeit die Häresie zur Sprache zwingt. (3) Die Deutung der Häresie als Aussage „in doctrina religionis“, die contra conscientiam erfolge und daher als mendacium zu kennzeichnen sei, geht von einer Bestimmung des Glaubens aus, derzufolge der Glaube nicht unwahr sein kann. Roland unterschreibt die Paulinische Bestimmung des Glaubens als eines festen Grundes der Sachen, die man hofft, und als des Beweises jener Sachen, die man nicht sieht (Hebr 11,1) 89. Da der Glaube im Verstand anzusetzen und auf die erste Wahrheit ausgerichtet ist, fällt das Unwahre nicht unter den Glauben 90. Zwar ist Raum zu lassen für Nuancen, wie die zwischen „fides implicita et explicita“ sowie „fides distincta et indistincta“, doch im Prinzip ist eine binäre Verteilung der relevanten Aussagen erreicht: Sie sind entweder wahr oder falsch; und keiner kann sich auf den Glauben berufen, um zu bekräftigen, was von der Wahrheit abweicht. (4) Die Frage nach dem Status der Glaubensartikel wird dahingehend beantwortet, daß sie keine res, sondern enuntiabilia sind, über deren Wahrheitskonditionen Roland eingehend verhandelt. Die Inkarnation Christi ist das gleiche enuntiabile und damit ein und derselbe Glaubensartikel, von Abraham im Futur und von uns in der Vergangenheit ausgesagt; sie differieren „ex varietate temporum“, 86 87 88 89 90
Cf. ibid., c. 477, nos. 6 sq., 1375 sq. Ibid., no. 7, 1376. Für all dies cf. den iuramentum-Traktat: cc. 381-389, 1146-74. Cf. ibid., c. 97, 291-297. Cf. ibid., c. 107, 327-336.
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und nicht „ex varietate intellectuum vel rerum“ 91. Das Wahrheitskriterium der „adaequatio rei et intellectus“, das hier noch bloß implizit bemüht wird („non ex varietate intellectuum vel rerum“), kommt gleich darauf ausdrücklich zur Sprache. Roland erörtert das naheliegende Problem, wie die Transzendentalität der Wahrheit aufrechterhalten werden kann, wenn sie mit den enuntiabilia unter Abgrenzung von den res verbunden wird. Er weist die Lösung zurück - offenbar gab es diesbezüglich bereits eine Debatte -, daß die Vertauschbarkeit von Seiendem und Wahrem („omne ens est verum“) allein bezogen sei auf die veritas rei und nicht auf die veritas dictionis; womit anerkannt wäre, daß das Wahre, auf das sich der Glaube richte, zu den non-entia zähle. Der Satz des Aristoteles, daß alles sich zum Wahren verhalte wie zum Sein, schließe nichts aus; die Vertauschbarkeit von Seiendem und Wahrem gelte sowohl für die veritas rei als für die veritas enuntiationis 92. Und die Konsequenz, der Glaube habe es mit dem Wahren und dennoch mit dem Nichtseienden zu tun, sei schlicht falsch; Wahrheit ist die Adäquation des Verstandes und der Sache, also bezieht sich jede Wahrheit allein auf seiende Sachen 93. (5) Die Eröffnung und Legitimation des theoretischen Diskurses als Wahrheitsdiskurs erfolgt schließlich in Auseinandersetzung mit der These des Aristo91
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Ibid., c. 105, no. 7, 323: „Quod enim illud est verum et illud est falsum, est ex varietate temporum, et non ex varietate intellectuum, vel rerum. Et ad hoc facit opinio nominalium, qui dicunt: quod semel est verum semper fuit verum et semper erit verum.“ Cf. dazu die etwas systematischeren Ausführungen im Kapitel über die Vertauschbarkeit des Guten und des Wahren „Utrum verum et bonum sint idem“, ibid., c. 70, 214-219: „Ad ea que quesita sunt dicimus quod est veritas complexa et est veritas incomplexa. Veritas complexa est veritas enuntiationis; veritas incomplexa est quiditas rei, sicut dictum est. Secundum veritatem que consideratur cuiuslibet incomplexorum, idem est veritas quod bonitas generalis, et idem est verum quod bonum, quia idem est verum quod esse sive quod ens. Et secundum illud generale bonum, dicit Augustinus: Unumquodque, in quantum est, bonum est. Sed, secundum quod bonum sumitur in virtutibus, non quicquid verum est illa veritate generali, est bonum illa bonitate speciali que dicitur in moribus sive in civilibus. […] ista propositio: ,Homo est asinus‘ vera est veritate que dicitur quiditas generalis, secundum quod dicimus: unumquodque, in quantum est, in tantum verum est, et bonum est. Et talem veritatem appello incomplexam. Et illa quiditas est perfectio rei; quare et veritas est perfectio rei. Cum ergo illa propositio habeat suam perfectionem quam debet habere in quantum est propositio, et illa quiditas est indicatio sive assertio, ideo dicitur talis propositio bona […]. Quantum ergo ad veritatem quiditatis proprie ista propositio: ,Homo est asinus‘ est vera, et est bona, et nullo modo falsa vel mala. Sed quantum ad hoc quod illa propositio significat falsam rem, dicitur propositio falsa. Ergo non est contradictio quod dicitur falsa et vera, quia illa veritas et illa falsitas non attenduntur circa idem, quia illa veritas afficit illam propositionem, ut ita dicam, et attenditur circa illam propositionem, illa autem falsitas circa rem quam significat illa propositio.“ Cf. ibid., c. 106, nos. 18 sq., 326 sq.: „Sed quod ista nulla sit solutio probatur. Primo, quia dicunt quod ista propositio: Omne ens est verum intelligitur tantum de veritate rei, secundum quod est vera, et non intelligitur de veritate sermonis. Ergo mentitur Aristoteles in Metaphisica, qui dicit: Unumquodque, sicut se habet ad esse, ita ad verum; qui dixit unumquodque nihil excepit; ergo non sermonem, ut illi dicunt. […] Dicimus quod illud est generale, sicut Aristoteles proponit: Unumquodque, sicut se habet ad esse, ita se habet ad veritatem. Non tamen dico quod articuli sint res, sicut illi dicunt. Sed sunt enuntiabilia, idest intellectus qui possunt enuntiari per voces. […] Item istud simpliciter est abusivum quod dicunt, quod fides non est nisi de veris, et tamen est de non entibus. Ergo illud quod est verum secundum ipsos non est. Sed si est verum, ergo est; quomodo ergo non est? Item Boethius dicit quod veritas est adaequatio rerum et intellectuum; ergo omnis veritas est de rebus entibus tantum. Quod concedimus.“
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teles, das Wahre sei Ziel des theoretischen und das Gute das Ziel des praktischen Intellekts 94. Roland legt diese These dahingehend aus, daß es Aristoteles zufolge eine zweifache Wahrheit gebe: eine unvergängliche und eine vergängliche Wahrheit. Nicht die vergängliche Wahrheit ist das Ziel des theoretischen Intellekts, sondern die unvergängliche; sie wird in den demonstrativen Wissenschaften betrachtet, in denen es eine notwendige Verbindung zwischen Ursache und Effekt gibt. Daraus folgert Roland, daß das primum verum, das die Theologie betrachtet, in höchstem Sinne „finis theorici intellectus“ sei 95. Wegen dieses ersten Wahren, und zwar insoweit es die reine Wahrheit in sich selbst ist, wird alle Wahrheit gesucht 96. So wird die Ausrichtung des gläubigen Subjekts konstitutiv für die Abgrenzung des theoretischen Diskurses. 3. Wir können schließen, daß der Häresiestreit mit einer Zurückbindung des Glaubens an ein geregeltes Wahrheitsverfahren der Aussagen einhergeht, das von der Transzendentalienlehre begründet wird. Das Privileg, das die Theorie in der internen Differenzierung innerhalb der Gesamtheit diskursiver Praktiken im mittelalterlichen Diskurs gewinnt, indem sie ihren praktischen Charakter leugnet, hat eine klare Auswirkung: Die Autonomie des theoretischen Diskurses verleiht ihm sowohl die Macht als auch die Legitimation, die Häresie zu bestreiten 97. Zugleich schließt die Herausbildung der Theorie als eigenständiger Praxis eine Verkennung ihrer Verwurzelung in der Gesamtheit diskursiver Praktiken 94
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Cf. ibid., c. 87 (nt. 79), 265: „Quod dicit Aristoteles quod finis theorici intellectus est verum et finis practici est bonum.“ Siehe dazu die auf der Unterscheidung von theoretischem und praktischem Intellekt aufbauende Privilegierung der vita contemplativa, verstanden als „intellectus theoricus fide vegetatus“, gegenüber der vita activa, verstanden als „intellectus practicus prudentia vegetata“, wie sie dem Selbstverständnis des Predigerordens, der gerade in der, allerdings von der Kontemplation geleiteten, Predigtaktivität in der Häresie-Bekämpfung ein konstitutives, den Bedürfnissen der Zeit angemessenes Erfordernis sieht, zuwider zu laufen droht (c. 317, 927-36). Cf. ibid., c. 87, no. 4, 266: „Videas quid velit dicere Aristoteles quando dicit quod finis theorici intellectus est verum, et practici finis est bonum, ne et tu decipiaris in illo verbo, sicut multi sunt decepti. Dicimus quod Aristoteles loquitur in loco illo de fine immediato, quando dicit quod finis theorici intellectus est verum. Veritas quedam est corruptibilis et quedam incorruptibilis. Corruptibilis veritas est in scientiis que non habent necessitatem, sicut est dialectica et rhetorica; verum quod est in talibus scientiis non est finis theorici intellectus. Veritas autem incorruptibilis est in scientiis demonstrativis, in quibus ea que considerantur, considerantur secundum causas necessario coniunctas suis effectibus, ut sunt quadruviales. Verum tale, quod est in talibus scientiis, est finis theorici intellectus, maxime illud verum quod considerat theologia, quod est primum verum. Verum autem coniecturale et probabile et corruptibile est finis quidam practici intellectus, sed bonum sive operatio est finis eius secundum aliam viam.“ Cf. ibid., nos. 6 sq., 266 sq.: „Iterum dico quod intellectus non querit huiusmodi verum nisi propter primum verum, ut de illa veritate veniat ad summam veritatem, sive ad cognitionem summe veritatis. […] Dico quod intellectus querit illud secundum quod est pura veritas in se.“ Für eine Analyse der Inquisition als Machtsinstanz cf. J. B. Given, Inquisition and Medieval Society. Power, Discipline, and Resistance in Languedoc, Ithaca-London 1997.
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ein. Darin liegt: Die Theorie setzt die Evidenzen, die das Subjekt in den außertheoretischen Praktiken gewinnt, als wesenhafte, überzeitliche Größen voraus. Diese Aussagen lassen sich leicht so mißverstehen, als liefe die Interaktion zwischen theoretischen und außertheoretischen Praktiken auf ein monokausales Begründungsverhältnis hinaus, in welchem sich die außertheoretischen Praktiken auf den theoretischen Diskurs oder, schlimmer noch, der theoretische Diskurs auf außertheoretische Praktiken zurückführen ließe - die Transzendentalienlehre als ein Produkt der Inquisition. Tatsächlich handelt es sich vielmehr um die Durchdringung sowohl der theoretischen als auch der außertheoretischen Praktiken durch den umfassenden Diskurs, dessen gesamte Verschiebung die Interaktion zwischen theoretischen und außertheoretischen Praktiken auf eine neue Grundlage stellt, und zwar so daß aufgrund der Wahrheitseffekte, die von der Wahrheitsspekulation erzielt werden - die Weise, wie von ihr bestimmte Aussagen als ,wahr‘ sanktioniert und andere als ,unwahr‘ ausgeschlossen werden -, sich letztlich ein spezifischer Typus des Gläubigen formiert, der wiederum als wahrheitsfähiges Subjekt Theorie treiben kann und dieser Theorie bestimmte Sprachregelungen als evident zugrunde legt, die sich in den Wahrheitspraktiken herausgebildet haben 98. Die Glaubenspraxis beziehungsweise die Auseinandersetzung mit der Häresie ist mit einem Begriff der Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“ assoziiert, der Wahrheit primär mit der Aussage verknüpft. Das Ereignis ist umfassender und spontaner, als man auf den ersten Blick vermutet: Die Verlagerung in der Wahrheitsspekulation, die in der vorangehenden Zeit primär auf die Sachwahrheit orientiert war und nun zur Aussagewahrheit mutiert, korrespondiert mit einer Verlagerung in manch einem anderen Bereich, zum Beispiel in der Rechtspraxis, die in der vorangehenden Zeit - sagen wir grob: der Zeit der Gottesurteile auf etwas ganz anderes gerichtet war als auf das Erzwingen eines Bekenntnisses. Was sich hier anzeigt, nämlich die Weise, wie die Aussage ins Zentrum rückt, ist eine Verschiebung oder Neuordnung der ganzen epistemischen Konstellation. Dieser epistemischen Konstellation, die in den Wahrheitspraktiken sowie in den Wahrheitstheorien artikuliert wird, ist die Entwicklung des Wahrheitsbegriffs als „adaequatio rei et intellectus“ im 13. Jahrhundert bis zu Durandus von St. PourcX ain verpflichtet. Auf die Aussage bezogen wird Wahrheit in einer immer intimeren Verbindung mit dem Verstand gefaßt. Des im einleitenden Abschnitt etablierten Befundes eingedenk, daß sich die antirealistische Wahrheitsauffassung 98
Ich schließe mich hier einer systematisierenden Lektüre der im Schrifttum Foucaults begegnenden Methoden an, wie sie, unter anderen, von Flynn und Hacking formuliert worden ist, und die sich auf eine Selbstdeutung Foucaults im zweiten Band der Geschichte der Sexualität berufen kann, nämlich die Verflechtung von Archäologie, Genealogie und Problematisierung im Gefüge von Erkenntnis (als der Formation des Wissens), Macht (als den die Praktiken regulierenden Machtsystemen) und Subjektivität (als diejenigen Formen, in welchen Individuen sich als Subjekte anerkennen). Cf. I. Hacking, Historical Ontology, Cambridge (Mass.) 2002; Th. R. Flynn, Sartre, Foucault, and Historical Reason, vol. 2: A Poststructuralist Mapping of History, Chicago-London 2005.
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im 20. Jahrhundert mit Rückgriff auf einen propositionalen Wahrheitsbegriff legitimiert, ist auf die Ironie hinzuweisen, daß die Verwerfung der Korrespondenztheorie der Wahrheit in unserer Zeit, trotz der unterschiedlichen epistemischen Konstellationen, aufgrund der ,gleichen‘ Begebenheit erfolgt, die ihre Formulierung und Ausarbeitung im 13. Jahrhundert bedingte: die mehr oder weniger exklusive Rückbindung der Wahrheit an die Aussage. IV. Schluß In diesem Beitrag haben wir zwei Ereignisse in der Geschichte der Wahrheit hervorgehoben und aufeinander bezogen: das Aufkommen der Wahrheitsbestimmung als „adaequatio rei et intellectus“ im 13. Jahrhundert und ihre Zurückweisung im 20. Jahrhundert. Faßt man die Wahrheitsbestimmung als „adaequatio rei et intellectus“ mit neuzeitlichem Vokabular als Korrespondenztheorie der Wahrheit, so handelt es sich um ihren Aufbruch im 13. Jahrhundert einerseits und die Ersetzung durch eine antirealistische Wahrheitstheorie im 20. Jahrhundert andererseits. Zwei Momente scheinen mir bei dieser Ersetzung leitend zu sein: zum einen der Gedanke, daß die Wahrheit das diskursive Produkt eines Sprachspiels ist, zum anderen die Anerkennung, daß diese Sprachspiele in einer unauflösbaren Vielheit gegeben sind, solchermaßen, daß die Wahrheit als diskursives Produkt einzelner Sprachspiele kein Kriterium für deren übergreifende Beurteilung bildet. Der Aufbruch der Korrespondenztheorie der Wahrheit im 13. Jahrhundert und ihre Ersetzung durch eine antirealistische Wahrheitstheorie im 20. Jahrhundert bilden ein Ereignis, das uns zum Überdenken und zur Suspension der althergebrachten Methoden und Techniken der Ideengeschichte nötigt und herausfordert. Es kann nicht angehen, die Geschichte der Wahrheit als Geschichte ihrer Theoriebildung im gleichsam autonomen Bereich der Ideengeschichte anzusetzen, in welcher die Konfrontation der Argumente für und wider die unterschiedlichen Theorien von einem überzeitlichen Maßstab der Wahrheit begleitet und akkomodiert wird - was ihr den Charakter einer heimlichen Fortschrittsgeschichte verleiht. Denn gerade dieser überzeitliche Maßstab der Wahrheit steht zur Diskussion. Man verfährt nicht weniger methodisch, wenn man sich dafür entscheidet, die Herausbildung von Wahrheitsauffassungen in der komplexen, doch stets die jeweilige epistemische Konstellation spezifizierenden, Interaktion zwischen theoretischen und außertheoretischen Praktiken zu analysieren, dadurch gerade die Pluralität der verschiedenen Wahrheitsspiele wahrend, die von der Annahme eines überzeitlichen Maßstabs der Wahrheit mit Auflösung bedroht wird. Die relative Autonomie des theoretischen Diskurses wird damit nicht verneint, sondern, wie die Annahme eines überzeitlichen Maßstabs der Wahrheit selbst, als Setzung in ihrer Kontingenz anerkannt. Das ist das scheinbar paradoxale Ergebnis, zu dem uns die Betrachtung der mittelalterlichen Korrespondenztheorie der Wahrheit vom Standpunkt einer
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antirealistischen Wahrheitsauffassung verhilft, die Anerkennung nämlich, daß die Öffnung jenes theoretischen Wahrheitsdiskurses auf die Interaktion mit den außertheoretischen Praktiken hin gerade die Sicht auf eine gewisse autonome Dynamik innerhalb des theoretischen Diskurses freilegt. Überlegen wir: Sowohl die Form der Frage als jene der Antwort sind bemerkenswert stabil. Die Form der Frage: Ohne Ausnahme formulieren die diskutierten mittelalterlichen Autoren die Wahrheitsfrage als Frage nach dem Ort der Wahrheit: „Ob die Wahrheit in den Dingen oder in der Seele sei.“ Die Beschränkung auf diese Alternative schließt von vornherein bestimmte Wahrheitsauffassungen aus, die sich ihrer binären Opposition nicht fügen. Die Form der Antwort: Alle der besprochenen Autoren bestimmen die Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus“. Dabei stellte sich im Abschnitt III. 2 eine besondere Regelmäßigkeit heraus. Unsere Auslese hatte sich auf einige Wahrheitsauffassungen bezogen, die in einer Mehrzahl von Fassungen vorliegen; es ergab sich, daß den verschiedenen Wahrheitsauffassungen eine ähnliche Tendenz innewohnt, die „adaequatio rei et intellectus“ verstärkt auf das Sein der Wahrheit im Verstande zu beziehen und sie bevorzugt mit dem zweiten Verstandesakt zu verbinden. Als Folge ist ebenda verzeichnet worden, daß in der Entwicklung der Wahrheitsauffassungen von Thomas von Aquin über Heinrich von Gent und Johannes Duns Scotus bis zu Durandus von St. PourcX ain sich das Interesse immer mehr auf die objektive Seinsweise der Wahrheit im Verstand verlegt. Diesem Aufweis einer bestimmten eigenständigen Entwicklung im theoretischen Wahrheitsdiskurs lassen sich mehrere erklärende Faktoren hinzufügen, unter denen die Logik in der Formierung der Theorie als eigenständiger Praxis gewiß eine prägende Rolle spielt. Die mittelalterliche Korrespondenztheorie der Wahrheit vom Standpunkt einer antirealistischen Wahrheitsauffassung aus zu betrachten, heißt also nicht, die deskriptiv aufweisbaren Momente der Autonomie eines theoretischen Diskurses beziehungsweise der Eigenständigkeit der theoretischen Praxis allesamt zu leugnen, sondern auf die methodische Unterstellung einer solchen Autonomie zu verzichten, damit der theoretische Diskurs in seiner Konstituierung zum Thema der Betrachtung werden kann. Es zeigt sich daher, daß reichlich Material für Theoriebildung und zu lösende Probleme übrig bleibt, wenn man die Transzendentalien, wie ,wahr‘ und ,gut‘, nur nicht scharf von ihren „common-sense counterparts“ trennt. Denn in der Interaktion von theoretischen und außertheoretischen Praktiken läßt sich die Genese solcher Evidenzen, wie es die transzendentalen Begriffe im mittelalterlichen Diskurs sind, betrachten - als das Problem der Formierung eines wahrheitsfähigen Subjekts, das in den außertheoretischen Praktiken den Wahrheitseffekten des theoretischen Diskurses ausgesetzt ist und in der Theorie die in den Wahrheitspraktiken herausgebildeten Sprachregelungen als evident zugrundelegt.
Durandus modernus? Der Glaube eines (anti)thomistischen Theologen im Jahr 1308 Guy Guldentops (Köln) Wie verstand ein Dominikanertheologe im Jahr 1308 seinen christlichen Glauben? Obwohl eine Antwort auf diese Frage eine mentalitätshistorische Relevanz haben könnte, insofern das durch fides und credere umrissene Wortfeld die Schlüsselbegriffe der ganzen feudalen Gesellschaft enthält 1, hat diese theologiehistorische Detailuntersuchung einen erheblich bescheideneren Anspruch. Wir beabsichtigen nicht, das geistige Klima am Anfang des 14. Jahrhunderts zu beschreiben, sondern fokussieren das Glaubensverständnis des Durandus von St. PourcX ain, der wegen seiner manchmal unerhört neuen Ansichten das Epitheton modernus erworben hat und auch heutzutage noch oft als ein ,moderner‘ Denker oder wenigstens als ein Wegbereiter der Neuzeit präsentiert wird 2. Antizipiert sein Glaubensverständnis, das als der Kernpunkt seines ganzen Denkens betrachtet werden kann, auf irgendeine Weise das moderne Denken? Wird es, wie verschiedene Theologiehistoriker behauptet haben, durch „reduktionistische Tendenzen“, einen „impliziten Rationalismus“ und eine „typisch moderne und nichtkatholische Herausstreichung der Erfahrung“ gekennzeichnet 3? Oder war es in die von Thomas von Aquin beherrschten theologischen Debatten des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts eingebunden? 1
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ˆ ge, in: id., Le corps, les rites, les reˆves, le temps. Cf. J.-Cl. Schmitt, La croyance au Moyen A Essais d’anthropologie me´die´vale, Paris 2001, 77-96, besonders 79. Cf. F. Ehrle, Die Ehrentitel der scholastischen Lehrer des Mittelalters, München 1919, 49: „Durandus, doctor modernus, […] communiter tenet contrarium beato Thome“ (auch zitiert von H. Wels, Durandus de St. Porciano - ein Wendepunkt in der Debatte um die Gleichheit der Seelen?, in diesem Band, 370-387, besonders 387). Es soll unterstrichen werden, daß modernus im Mittelalter ,jetzig‘ oder ,zeitgenössisch‘ bedeutet und manchmal die Konnotationen ,innovativ‘ und ,von der Norm der Tradition abweichend’ hat; cf. G. Piaia, „Antiqui“, „moderni“ e „via moderna“ in Marsilio da Padova, in: A. Zimmermann/G. Vuillemin-Diem (eds.), Antiqui und moderni. Traditionsbewußtsein und Fortschrittsbewußtsein im späten Mittelalter, Berlin-New York 1974, 328-344, besonders 340 sq.; O. Weijers/M. Gumbert-Hepp, Lexicon Latinitatis Nederlandicae Medii Aevi, vol. 5, Leiden 1994, coll. 365-368. Cf. R. Cessario, Saint Thomas, Durand de Saint-PourcX ain et Capreolus: Le de´bat sur la foi, in: G. Bedouelle [e. a.] (eds.), Jean Capreolus et son temps. 1380-1444, Paris 1997, 159-164, besonders 162 sq.; K. White, Saint Thomas et Durand de Saint-PourcX ain: La question de la certitude de la foi, ibid., 165-175, besonders 165 und 172; G. Emery, Dieu, la foi et la the´ologie chez Durand de Saint-PourcX ain, in: Revue thomiste 99 (1999), 659-699, besonders 685.
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Um eine skizzenhafte Antwort auf diesen Fragenkomplex zu formulieren, werden wir einige Quästionen aus dem Sentenzenkommentar des Durandus untersuchen und sie mit den Auffassungen des Thomas, des Petrus de Palude und des Durandellus vergleichen. Da die wichtigsten Fragen zum Glaubensverständnis im dritten Buch systematisch behandelt werden 4 und die erste, spätestens in 1308 abgeschlossene Redaktion dieses Buches vermutlich nicht in der direkten Überlieferung bewahrt worden ist, muß der Text, der in den Handschriften der zweiten Fassung und bei Petrus de Palude überliefert ist 5, als Grundlage unserer Untersuchung dienen. Dazu ist aber mit Koch zu bemerken, daß sich die zweite Redaktion des dritten Buches wahrscheinlich kaum von der ersten Fassung unterschied 6. In der ersten (oder zweiten) Fassung seines Sentenzenkommentars behandelte Durandus folgende Fragen: Distinctio 23: (1) Ob wir neben den erworbenen moralischen und intellektuellen Tugenden theologische Tugenden brauchen; (2) Ob der Glaube ein tugendhafter Habitus ist; (3) Ob ein Glaubensakt gewisser ist als ein Wissensakt; (4) Ob die Liebe die Form des Glaubens ist; (5) Ob der Glaube das Nichtgesehene betrifft; Distinctio 24: (6) Ob Gott der Gegenstand des Glaubens ist; (7) Ob Unwahrheit mit dem Glauben vermischt sein kann; (8) Ob die rationelle Argumentation, die für die Glaubensüberzeugungen herangezogen wird, das Verdienst des Glaubens vermindert; Distinctio 25: (9) Ob es für das Heil notwendig ist und immer notwendig war, einen expliziten Glauben zu haben; (10) Ob die Glaubensartikel zutreffend im Symbolum formuliert werden; (11) Ob der eingegossene Glaube ohne den erworbenen Glauben ausreicht, um einen Glaubensakt hervorzurufen.
In der dritten Redaktion erörtert Durandus außerdem die Frage, in welchen Subjekten der Glaube ist (das heißt: ob Teufel, Häretiker und Verdammte einen eingegossenen Glauben haben). 4
5
6
Auch in einigen Fragen des Prologes, die das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie erläutern, wird der Glaube behandelt. Cf. H. Donneaud, Durand et Durandellus sur les rapports de la foi et de la science, in: Revue thomiste 97 (1997), 157-172; Emery, Dieu, la foi et la the´ologie (nt. 3). Den Text der Renaissanceausgabe haben wir mit den Mss. Napoli, Bibl. Naz. VII.C.22 und Melk, Stiftsbibl. 234 sowie mit den Zitaten bei Petrus de Palude (Tertium scriptum super tertium sententiarum, Parisius 1517) verglichen; da es in den hier behandelten Quästionen keine substantiellen Unterschiede zwischen diesen Textzeugen gibt, verweisen wir auf die Renaissanceausgabe: D. Durandi a Sancto Porciano In Petri Lombardi Sententias Theologicas Commentariorum libri IIII, ed. N. a Martimbos, Venetiis 1571. Cf. J. Koch, Durandus de S. Porciano O.P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts, Münster 1927, 42 sq.
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In diesem Beitrag werden wir uns auf die Quästionen (2), (3) und (8) konzentrieren, welche die wesentlichen Elemente des durandischen Glaubensverständnisses erörtern. Die hier verteidigten Thesen sind umso interessanter, weil sie von thomistischen Zeitgenossen wie Petrus de Palude und Durandellus angegriffen worden sind. Der Ausgangspunkt unserer Untersuchung aber ist die Lehre des Thomas, auf die sich sowohl Durandus als auch seine Gegner beziehen. I. Glaube als Tug end In seinem Sentenzenkommentar argumentiert Thomas, daß der Glaube eine Tugend ist, weil der Glaubensakt formell und materiell gut ist. In materieller Hinsicht ist der Glaubensakt gut, weil er dem Intellekt zukommt, insofern der Intellekt das Wahre erfaßt. Da aber der Intellekt im Glaubensakt keine evidente oder auf eine Evidenz zurückführbare Wahrheit kennt, ist der Glaube seitens des Intellektes unvollkommen; deswegen ist er keine intellektuelle Tugend. In formeller Hinsicht ist der Glaube gut, weil er aus einem Gebot des auf das Gute gerichteten Willens hervorgeht. Insofern der vollkommene Wille Festigkeit und Gewißheit im Glauben bewirkt, kann der Glaube seitens des Willens vollkommen sein. Deshalb ist der Glaube eine Tugend, das heißt ein Habitus, der „einen guten, aus der Güte des Willens hervorgehenden Akt hervorbringt“. Dennoch ist er keine moralische Tugend, weil er die sinnlichen Strebungen nicht ordnet und sein Gegenstand weder die Gemütsbewegungen noch die damit verbundenen Handlungen sind. Der Glaube gehört also zu den theologischen Tugenden, die den heidnischen Philosophen unbekannt geblieben sind 7. In der ,Summa theologiae‘ betont Thomas, daß nur der von der caritas beformte Glaube eine Tugend ist, weil er immer ein Prinzip guten Handelns ist. Da der Glaubensakt nur auf Befehl des Willens dem Wahren beistimmt, erfordert die Vollkommenheit des Glaubens nicht nur, daß der Intellekt unfehlbar auf das Wahre zielt, sondern auch, daß der Wille unfehlbar auf das letzte Ziel hingeordnet ist und wegen dieser Zielgerichtetheit dem Wahren beistimmt. Im beformten Glauben sind beide Voraussetzungen erfüllt. Denn der Intellekt zielt im Glauben immer auf das Wahre, weil der Glaube kein Falsches enthält; und die Liebe, welche den Glauben beformt, richtet den Willen stets auf das Gute. Der unbeformte Glaube aber ist keine Tugend, weil er in seinem volitiven Aspekt noch unvollkommen ist, genau wie die Maßhaltung im Begehrungsvermögen ohne vernunftgemäße Klugheit keine moralische Tugend ist 8. 7
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Cf. Thomas, Scriptum super Sententiis, III, 23, 2, 4, 1, ed. M. F. Moos, Paris 1933, 736; cf. III, 23, 2, 3, 3 (ed. cit., 733 sq.). Thomas, Summa theologiae, II-II, 4, 5 (Die deutsche Thomas-Ausgabe, vol. 15, Heidelberg 1950, 109-113). Cf. B. Niederbacher, Glaube als Tugend bei Thomas von Aquin. Erkenntnistheoretische und religionsphilosophische Interpretationen, Stuttgart 2004, besonders 107-125; M. Rose, Fides caritate formata. Das Verhältnis von Glaube und Liebe in der Summa Theologiae des Thomas von Aquin, Göttingen 2007, 183-188 und 273-277.
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In der Quästio „Ob der Glaube ein tugendhafter Habitus ist“, behandelt Durandus neben dieser Frage noch zwei andere Fragen, welche die Eingegossenheit des Glaubens und die Beziehung des Glaubens zu den anderen theologischen Tugenden betreffen. Um zu bestimmen, in welchem Sinne der Glaube eine Tugend ist, unterscheidet Durandus zuerst zwei Bedeutungen von virtus. In einem breiten Sinne verweist das Wort auf jeden lobenswerten Habitus, der ein Vermögen zu einer guten Tätigkeit bewegt; in einem strikteren Sinne bedeutet es einen Habitus, der ein Vermögen auf die höchste Stufe der Vollkommenheit stellt, die für seine Tätigkeit erfordert wird (in diesem Sinne wird virtus als „die Obergrenze eines Vermögens“ definiert) 9. Der Glaube kann eine Tugend im breiten Sinne genannt werden, weil er ein Habitus ist, der den Intellekt dazu bewegt, einer übernatürlichen Heilswahrheit beizustimmen, und weil ein solcher Habitus zu einer guten Tätigkeit führt. Im strikten Sinne aber ist der Glaube keine Tugend, weil jede Tugend, die den Intellekt vervollkommnet, ihn befähigt, sein Objekt an sich zu schauen oder es durch eine resolutio auf einen an sich schaubaren Gegenstand zurückzuführen. Der Glaube aber vervollkommnet den Intellekt nicht so, daß er sein Objekt an sich schauen oder es auf einen an sich schaubaren Gegenstand zurückführen kann. Im Gegensatz zu Thomas schlußfolgert Durandus, daß der Glaube nicht als eine Tugend im eigentlichen Sinne betrachtet werden kann. Durandus unterscheidet sich dadurch von Thomas, daß er von einem streng philosophischen Tugendbegriff ausgeht 10. Noch stärker wendet sich Durandus gegen Thomas, indem er argumentiert, daß die Abwesenheit der Liebe den Glauben nicht zu einer geringeren Art Tugend macht und die Anwesenheit der Liebe im Willen die Tugendhaftigkeit des Glaubens nicht steigert. Ein Habitus, der keine vollkommenere Tätigkeit hervorbringt, ist nicht vollkommener als ein Habitus, der die Ursache einer weniger vollkommenen Tätigkeit ist. Der vom Glauben hervorgebrachte Akt ist aber nicht vollkommener, wenn die Liebe im Willen anwesend ist, als wenn die Liebe nicht im Willen anwesend ist. Was die Erkenntnis des vom Glauben vervollkommneten Intellektes betrifft, wird der Glaubensakt, der in der Anerkennung einer übernatürlichen Wahrheit besteht, nicht durch die Liebe vervollkommnet. Nur im Hinblick auf das Verdienst, das eine extrinsische, auf den Willen bezogene Vervollkommnung ist, wird der Glaubensakt durch die Liebe vervollkommnet. Der von Thomas aufgewiesene Parallelismus zwischen einerseits Liebe und Glauben und andererseits Klugheit und moralischer Tugend wird von Durandus geleugnet. Die moralische Tugend und die Klugheit können tatsächlich nicht ohne einander erworben werden; der Glaube aber ist nicht von der Liebe abhängig, zum einen weil er als Habitus der Natur nach früher ist als die Liebe, die ihn voraussetzt, zum anderen weil der Glaubensakt nicht von der 9
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Cf. Aristoteles, De caelo I. 11, 281a10-12 und Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 3, 3, sed contra (ed. cit. [nt. 7], 731). Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 6, §§ 6 und 11-13 (ed. cit. [nt. 5], fol. 254vb ).
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Liebe vervollkommnet wird. Dies hängt damit zusammen, daß der Wille, der den Intellekt zum Glauben bewegt, nicht von der Liebe beformt zu sein braucht 11. Nachdem gezeigt worden ist, daß der Glaube nur in einem weiten Sinne eine Tugend ist, deren Vollkommenheit nicht von der Liebe abhängt, argumentiert Durandus, daß der Glaube ein eingegossener Habitus ist. Dazu führt er zunächst einige paulinische Autoritätsargumente an 12. Außerdem entwickelt er ein ,wahrscheinliches‘ Vernunftargument: Was den Menschen unmittelbar auf sein übernatürliches Ziel hinordnet, ist unmittelbar durch ein übernatürliches Agens im Menschen anwesend, weil Ziel und Agens einander entsprechen; nun richtet der Glaube zusammen mit der Hoffnung und der Liebe den Menschen unmittelbar auf sein übernatürliches Ziel; deswegen wird der Glaube, wie die Hoffnung und die Liebe, unmittelbar von Gott durch Einflößung verursacht. Ohne den eingegossenen Habitus des Glaubens ist es schwierig, wenn auch nicht unmöglich, an eine übernatürliche Wahrheit zu glauben 13. Obschon Durandus’ Argumentation von den Argumenten des Thomas verschieden ist, vertreten beide die These, daß der Glaube von Gott eingegossen ist 14. In einem dritten Schritt argumentiert Durandus, daß es ein zweifaches Verhältnis zwischen den theologischen Tugenden gibt. In der zeitlichen Ordnung geht der Glaube der Hoffnung und der Liebe nicht voran. Der Glaube wird im Gegenteil zugleich mit der Hoffnung und der Liebe eingegossen, weil sie alle drei zusammen für die Erreichung der Glückseligkeit unentbehrlich sind und Gott immer alles, was notwendig ist, schenkt. Deswegen gießt Gott den Glauben zugleich mit der Hoffnung und der Liebe ein, wenn der Empfänger über die geeignete Disposition verfügt. In der Ordnung der Natur aber hat der Glaube eine Priorität gegenüber der Hoffnung und der Liebe. Da die affektive Bezogenheit auf das Gute die Erkenntnis des Guten erfordert 15, setzen Hoffnung und Liebe den Glauben voraus. Dieses Argument wird von Paulus bestätigt, der den Glauben auffaßt als die „Substanz oder Grundlage dessen, was man erhoffen soll“ 16. Auch in diesem Punkt ist Durandus mit Thomas völlig einverstanden 17. 11 12
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Durandus, In Sent., III, 23, 6, § 7 (ed. cit. [nt. 5], fol. 254vb ). Cf. Paulus, Eph 2,8 („Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet worden, und nicht aus euch: Gottes Gabe ist es“); Hebr 11,6 („Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“; da Kinder Gott gefallen, aber keine erworbene Tugend haben, muß der Glaube ein eingegossener Habitus sein); Röm 5,5 („Die Liebe Gottes ist in unser Herz durch den heiligen Geist ausgegossen worden“; der Glaube wird mit der Liebe „zusammengezählt“ und ist deswegen auch ein eingegossener Habitus). Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 6, § 8 (ed. cit. [nt. 5], fol. 254vb ); siehe auch: II, 28, 1, §§ 6 sq. (ed. cit. [nt. 5], fol. 178vab ). Cf. Thomas, Super Sent., III, 23, 3, 2 (ed. cit. [nt. 7], 747); Summa theologiae, II-II, 6, 1 (ed. cit. [nt. 8], 139-142). Dies beruht auf dem augustinischen Prinzip, dem zufolge „nichts geliebt wird, was nicht erkannt ist“; cf. Augustinus, De Trinitate, X, 2, 4, edd. W. Mountain/F. Glorie, Turnhout 1968 (CCSL 50), 316, 28. Durandus, In Sent., III, 23, 6, § 9 (ed. cit. [nt. 5], fol. 254vb ); cf. Paulus, Hebr 11,1 und 6. Cf. Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 5 (ed. cit. [nt. 7], 739); Summa theologiae, II-II, 4, 7 (ed. cit. [nt. 8], 115-119).
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Petrus de Palude und Durandellus kritisierten Durandus in dieser Frage wegen der antithomasischen These, daß die Anwesenheit der Liebe im Willen den tugendhaften Charakter des Glaubens nicht verstärke. Petrus erwähnte diese These in der von ihm verfaßten Irrtumsliste und verteidigte in seinem Sentenzenkommentar die Position des Thomas. Dabei ging er von einem Parallelismus zwischen den moralischen und den theologischen Tugenden aus. Wie die moralischen Tugenden die natürliche Glückseligkeit als Ziel haben, so sind die theologischen Tugenden auf die übernatürliche Glückseligkeit hingeordnet, welche nur durch verdienstliche Handlungen erreicht werden kann. Da das Verdienst einer Handlung in der Gnade und der caritas verwurzelt ist, setzen theologische Tugenden die gnadenhafte Liebe zu Gott voraus. Also ist der Glaube, der nicht von dieser Liebe beformt ist, keine Tugend 18. Durandellus formulierte in seinen ,Evidentiae contra Durandum‘ eine ähnliche Kritik. Wie die vollkommene moralische Tugend beständig im Hinblick auf das der Vernunft proportionierte Ziel tätig ist und eine solche Tätigkeit Klugheit voraussetzt, so gehört es zum vollkommenen Begriff der theologischen Tugend, stetig im Hinblick auf das übernatürliche Ziel wirksam zu sein, und dies setzt die caritas voraus. Wie also die Vollkommenheit einer moralischen Tugend ohne die Klugheit, welche die Handlungen auf das Gute der Vernunft richtet, unerreichbar ist, so kann der Glaube ohne die Liebe, die den Intellekt dazu bewegt, den Glaubensartikeln im Hinblick auf Gott beizustimmen, nicht vollkommen sein 19. II. Die Gewißheit des Glaubens Bei der Frage, ob der Glaubensakt gewisser ist als ein Wissensakt, geht Thomas in seinem Sentenzenkommentar von einer Definition aus, der zufolge Gewißheit die „Bestimmung des Intellektes zum Einen“ ist. Je stärker also dasjenige ist, was diese Bestimmung verursacht, desto größer ist die Gewißheit. Nun wird der Intellekt auf drei Weisen zum Einen determiniert. Beim intuitiven Erfassen der Prinzipien wird die Bestimmung dadurch verursacht, daß etwas klar durch das Licht des Intellektes geschaut werden kann. In der wissenschaftlichen Erkenntnis der Schlußfolgerungen wird die Bestimmung dadurch verursacht, daß die Konklusion mittels einer vernunftgemäßen resolutio auf evidente Prinzipien zurückgeführt wird. Im Glauben hängt die Bestimmung des Intellektes davon ab, daß der Wille ihm befiehlt zu glauben. Die Gewißheit des Glaubens, die aus der festen Anhänglichkeit an die Glaubensüberzeugung hervorgeht, ist also grundverschieden von der Gewißheit der intuitiven Einsicht und der wissen18
19
Cf. Petrus de Palude, Super Sent., III, 23, 4 (ed. cit. [nt. 5], fol. 123vb ); cf. J. Koch, Die beiden gegen Durandus de S. Porciano gerichteten Irrtumslisten, in: id., Kleine Schriften, Rom 1973, 52-118, besonders 104 sq. (2. Irrtumsliste, § 161). Cf. Durandellus (oder Nicolaus Medensis), Evidentiae contra Durandum, III, 31, ed. P. T. Stella, Tübingen 2003, 914 sq.
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schaftlichen Erkenntnis, die auf der Evidenz der als sicher geltenden Ansichten beruhen. In Glaubensfragen ist der den Willen bewegende Grund die erste Wahrheit, das heißt Gott. Da dieser Grund fester ist als die intuitive Einsicht oder die diskursive Vernunft, hat der Glaube im Hinblick auf die Festigkeit der Überzeugung eine größere Gewißheit als die Einsicht oder die wissenschaftliche Erkenntnis 20. In der ,Summa theologiae‘ analysiert Thomas die unterschiedlichen Stufen von Gewißheit mit noch größerer Schärfe. Klugheit und Kunstfertigkeit sind intellektuelle Tugenden, die sich mit der kontingenten Wirklichkeit befassen; wegen der Kontingenz ihrer Gegenstände haben sie eine geringere Gewißheit als der Glaube, der sich auf ewige, notwendige Wahrheiten bezieht. Weisheit, Wissen und Einsicht dagegen beziehen sich auf notwendige Wahrheiten. Diese vom Philosophen beschriebenen intellektuellen Tugenden können aus zwei Perspektiven betrachtet werden. Im Hinblick auf die Ursache der Gewißheit haben sie eine geringere Gewißheit als der Glaube, weil sich der Glaube auf die göttliche Wahrheit stützt, die intellektuellen Tugenden aber in der menschlichen Vernunft gegründet sind. Im Hinblick aber auf ihr Subjekt haben diese intellektuellen Tugenden eine größere Gewißheit als der Glaube, weil die Glaubenswahrheiten das menschliche Begriffsvermögen übersteigen, während der menschliche Intellekt die Wahrheiten, auf welche diese Tugenden bezogen sind, vollständiger versteht. Da nun jedes Ding im absoluten Sinne aufgrund seiner Ursache beurteilt wird, ist der Glaube schlechthin gewisser als Weisheit, Wissen und Einsicht, obgleich diese im Hinblick auf das menschliche Subjekt gewisser sind. Auch wenn Weisheit, Wissen und Einsicht als die im irdischen Leben geschenkten Gaben des Heiligen Geistes verstanden werden, haben sie eine geringere Gewißheit als der Glaube, der als ihr Prinzip vorausgesetzt wird 21. In der Frage nach der Gewißheit des Glaubens verteidigt Durandus eine von der thomasischen Position subtil abweichende Antwort. Augustins These, daß „der Glaube mit dem sichersten Wissen festgehalten wird“, hatte Thomas in einer paraphrasierten Form als erstes sed contra-Argument angeführt. In dieser Paraphrase besagt die These aber, daß „nichts für den Menschen gewisser ist als der Glaube“ 22. Durandus zitiert denselben Text in der von Thomas paraphrasierten Form als erstes Argument für die von ihm kritisierte These. Umgekehrt verwendet Durandus zwei Autoritäten, die Thomas gegen seine eigene Position angeführt hatte, in seiner in contrarium-Argumentation (also zur Unterstützung seiner eigenen Position): Paulus, dem zufolge „der Glaube vom Hören 20
21
22
Cf. Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 2, 3 (ed. cit. [nt. 7], 728 sq.); cf. H. Donneaud, The´ologie et intelligence de la foi au XIIIe sie`cle, Paris 2006, 741 sq. Cf. Summa theologiae, II-II, 4, 8 (ed. cit. [nt. 8], 119-123); cf. E. Gössmann, Glaube und Gotteserkenntnis im Mittelalter, Freiburg 1971, 105; A. Zimmermann, Glaube und Wissen (S. th. II-II, qq. 1-9), in: A. Speer (ed.), Thomas von Aquin: Die Summa theologiae. Werkinterpretationen, Berlin 2005, 271-297, besonders 292-296. Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 2, 3, sed contra (ed. cit. [nt. 7], 724); cf. Augustin, De Trinitate, XIII, 1, 3, edd. W. J. Mountain/F. Glorie, Turnhout 1968 (CCSL 50A), 383, 74 sq.
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kommt“ 23, und Hugo von St. Victor, der den Glauben als „eine freiwillige, über der Meinung und unter dem Wissen stehende Gewißheit“ definiert 24. Diese Umdeutung der Autoritätsargumente macht schon klar, daß Durandus die Antwort des Thomas nicht akzeptieren kann 25. In seiner Antwort zeigt Durandus zunächst, in welchem Akt der Glaube eigentlich besteht; in einem zweiten Moment vergleicht er den Glaubensakt mit dem Wissensakt. Wie bekannt, werden seit der Spätantike credere Deum, credere Deo und credere in Deum unterschieden. Durandus zufolge verweisen die ersten zwei Ausdrücke auf einen und denselben Glaubensakt. Der dritte Ausdruck dagegen bezeichnet nicht im präzisen Sinne einen Glaubensakt, sondern einen Akt, der sowohl vom Glauben als auch von der Liebe ausgeht. Um dies zu verdeutlichen, beschreibt Durandus das dreifache Verhältnis zwischen Gott oder der höchsten Wahrheit und dem Glaubensakt. Im credere Deum ist Gott das direkte Objekt des Glaubens (man glaubt zum Beispiel, daß Gott drei-und-einer ist und daß er Fleisch geworden ist). Im credere Deo ist Gott der Glaubensgrund, die Bewegungsursache oder das Medium des Glaubens, weil alle Glaubensinhalte aufgrund der göttlichen Wahrheit, die sie geoffenbart hat, geglaubt werden. Da die Tätigkeit, durch welche man zu einem Objekt als solchem tendiert, und diejenige, durch welche man zu diesem Objekt mittels eines Mediums tendiert, identisch sind, bezeichnen credere Deum und credere Deo einen einzigen Glaubensakt. Credere in Deum aber ist die gläubig-liebende Bewegung zu Gott, von der Johannes schreibt: „Dies wurde aufgeschrieben, damit ihr glaubt und damit ihr durch den Glauben das Leben habt.“ 26 In diesem Glauben ist Gott das vom Glauben gezeigte Ziel, zu dem die Liebe den Menschen hinwendet. Credere in Deum umfaßt also zwei von verschiedenen Habitus ausgehende Akte: einen Glaubens- und einen Liebesakt 27. In diesem Punkt ,korrigiert‘ Durandus Thomas, der das credere in Deum nicht als einen Liebesakt, sondern als einen durch die Liebe bewegten Glaubensakt interpretiert und auf diese Weise die drei Glaubensakte als „einen einzigen kompletten Akt“ in seinen unterschiedenen Beziehungen zum Glaubensobjekt auffaßt 28. Nachdem der eigentliche Glaubensakt vom credere in Deum abgegrenzt worden ist, untersucht Durandus, ob der Glaubensakt gewisser ist als ein Wissensakt. Dabei unterscheidet er verschiedene Positionen. 23 24
25 26 27 28
Cf. Paulus, Röm 10,17; Thomas, Summa theologiae, II-II, 4, 8, arg. 2 (ed. cit. [nt. 8], 120). Cf. Hugo von St. Victor, De sacramentis, I, 10, 2 (PL 176, 330); Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 2, 3, arg. 1 (ed. cit. [nt. 7], 723 sq.). Wie Durandus verwendet auch Bonaventura dieses Argument im sed contra; cf. Commentaria in quatuor libros Sententiarum, III, 23, 1, 4, sed contra 1, Opera omnia, vol. 3, Quaracchi 1887, 481a. Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 7, §§ 1-4 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255ra-b ). Cf. Joh 20,31. Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 7, §§ 5-6 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255rb ). Cf. Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 2, 2, solutio, ad 1 und ad 2 (ed. cit. [nt. 7], 727 sq.); Summa theologiae, II-II, 2, 2, resp. und ad 1 (ed. cit. [nt. 8], 55 sq.). Zum thomasischen Unterschied zwischen den drei Formen von Gottesglauben cf. Gössmann, Glaube und Gotteserkenntnis (nt. 21), 101; Zimmermann, Glaube und Wissen (nt. 21), 274.
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(1) Zuerst paraphrasiert und kritisiert er die thomasische Auffassung, der zufolge es zwei Arten der Gewißheit gibt: Im Hinblick auf die Gewißheit der Evidenz sei das Wissen sicherer als das Glauben; im Hinblick aber auf die Gewißheit der Überzeugung sei das Glauben sicherer, weil der Glaubende den Glaubensüberzeugungen fester anhänge als der Wissende den Wissensinhalten 29. Diese Auffassung scheint nicht richtig, weil die feste Anhänglichkeit nur in einem uneigentlichen Sinne Gewißheit genannt wird. Gewißheit ist nämlich mit Falschheit inkompatibel, während man auch von falschen Meinungen fest überzeugt sein kann (Durandus erwähnt hier Ketzer als Beispiel). Außerdem scheint die Festigkeit der Überzeugung in einem Wissensakt noch stärker zu sein als in einem Glaubensakt. Dies erhellt daraus, daß wenn Menschen wahres Wissen haben und sich dessen bewußt sind, sie sich leichter vom Glauben als von ihrem Wissen entfernen 30. In Bezug auf dieses Argument hat Kevin White bemerkt, daß Durandus Thomas’ Gedankengang unvollständig wiedergegeben hat und nicht erwähnt, daß „la raison (ratio), qui tend a` transformer la volonte´ en foi est la premie`re ve´rite´“. Dadurch habe Durandus, so White, den Willen und den göttlichen Einfluß auf den Willen außer Betracht gelassen und den Glauben in rein intellektuellen Begriffen dargestellt 31. Diese Bemerkung ist in zweierlei Hinsicht ungenau. Zum einen behauptet Thomas nicht, daß Gott den Willen in Glauben umwandele, sondern daß er den Willen zum Glauben bewegt; Thomas meinte ebensowenig wie Durandus, daß der Wille, der ein Vermögen der Vernunftseele ist, in einen Habitus oder eine Tugend verändert werden könne. Zum anderen erkennt auch Durandus ausdrücklich an, daß der Intellekt vom Willen zum Glauben bewegt wird, daß die göttliche Wahrheit der zum Glauben bewegende Glaubensgrund ist und daß der Glaube ein von Gott eingegossener Habitus und eine Gnadengabe Gottes ist 32. (2) Die zweite Position geht von einem Unterschied zwischen dem an sich Gewisseren und dem für uns Gewisseren aus. Glauben sei an sich gewisser als Wissen, weil die Glaubensinhalte an sich gewisser sind als dasjenige, was Menschen wissen. Umgekehrt sei Wissen für uns gewisser als Glauben. Diese Auffassung, die zwar auf Thomas’ ,Summa theologiae‘ zurückgeführt werden kann, aber auch von anderen Theologen (zum Beispiel Richard von Middleton) vertreten wird 33, scheint ebenso falsch zu sein. Durandus räumt ein, daß die Unterscheidung zwischen ,an sich‘ und ,für uns‘ gewissermaßen auf die Gegenstände des Glaubens und des Wissens angewandt werden kann, wie auch Aristoteles sagt, daß die immateriellen Substanzen zwar an sich, nicht aber für uns bekann29 30 31 32
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Super Sent., III, 23, 2, 2, 3 (ed. cit. [nt. 7], 728 sq.). Durandus, In Sent., III, 23, 7, § 7 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255rb ). Cf. White, Thomas et Durand (nt. 3), 167. Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 6, §§ 7-8 (ed. cit. [nt. 5], fol. 254vb ) und III, 23, 7, § 6 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255rb ). Cf. Thomas, Summa theologiae, II-II, 4, 8, resp. (ed. cit. [nt. 8], 122); Richard, Super quatuor libros Sententiarum, III, 23, 7, 1 (Brixiae 1591, fol. 254a ).
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ter sind als die sinnlich wahrnehmbaren Dinge. In bezug auf Habitus und Akte aber ist die Unterscheidung nicht zutreffend. Weil ein Habitus als eine Disposition des Habenden und ein Akt als eine Vervollkommnung desselben definiert wird, ist nur derjenige Habitus oder derjenige Akt gewisser, welcher das Objekt für uns gewisser macht. Um diese These zu verdeutlichen, beruft sich Durandus auf die Aristotelische Epistemologie, in der die auf der Gewißheit basierende Würde einer Wissenschaft von der auf der Würde des Gegenstandes gegründeten Würde einer Wissenschaft unterschieden wird. Diese Unterscheidung hätte Aristoteles nicht gemacht, wenn die Gewißheit einer Wissenschaft auf der Gewißheit des Gegenstandes beruhte, weil in diesem Fall jede im Hinblick auf ihre Gegenstände edlere Wissenschaft auch hinsichtlich der Gewißheit edler sein würde. Die Gewißheit eines Aktes oder eines Habitus ist also nicht eine Folge der Gewißheit des Objektes an sich, sondern ein Effekt der vom Habitus bestimmten Weise (modus), auf welche sich das Subjekt des Aktes oder des Habitus zum Objekt verhält. Da diese Weise nicht im Objekt, sondern im Subjekt des Aktes oder des Habitus liegt, ist sie in bezug auf ein und dasselbe Objekt nicht unveränderlich. Deswegen sind Gewißheit und Ungewißheit sowie Wissen und Meinung in bezug auf ein und dasselbe Objekt möglich. Daraus schließt Durandus, daß ein Akt oder ein Habitus nicht an sich, sondern nur für uns gewisser sein kann 34. Die Aristotelische Unterscheidung zwischen dem an sich und dem für uns Bekannteren soll richtig verstanden werden. Gegen diese Unterscheidung könnte man einwenden, daß etwas nur aufgrund des Wissens oder der Erkenntnis ,wißbar‘ oder ,erkennbar‘ genannt werde. Da nun Wissen und Erkenntnis Eigenschaften des wissenden und erkennenden Subjektes seien, sei ein Ding nie an sich, sondern nur für uns bekannt. Deswegen sei die Unterscheidung nicht adäquat. Auf diesen Einwand antwortet Durandus, daß etwas zwar aufgrund des Wissenden oder Erkennenden ,wißbar‘ oder ,erkennbar‘ genannt wird, daß aber der Mensch nur die unterste Stufe im Reich der intellektuellen Substanzen besetzt. Deshalb ist, was dem Menschen bekannter ist, nicht absolut bekannter. Nur was Gott bekannter ist, ist auch absolut bekannter, weil es gemäß der höchsten Erkenntnis bekannter ist; und was einem Engel bekannter ist, ist auf der zweiten Stufe bekannter, weil sich die Erkenntnis eines Engels in der Mitte zwischen der göttlichen und der menschlichen Erkenntnis befindet. Aristoteles’ These ist also nur wahr, wenn sie dahingehend verstanden wird, daß die Seienden, die eine höhere Natur haben, eher Gott und den Engeln bekannt sind, weil sie ein höheres Erkenntnisvermögen als der Mensch haben. Gott sowie jede Intelligenz kennt nämlich zuerst das eigene Wesen und dadurch auch 34
Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 7, § 8 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255rb-va ); cf. Aristoteles, De anima I. 1, 402a1-3. Ich sehe nicht, warum Durandus’ Paraphrase dieses Textes „plutoˆt obscur“ sein soll, wie White meint (White, Thomas et Durand [nt. 3], 168). Außerdem behauptet Durandus nicht schlechthin, daß „gewisser für uns“ der „sens unique“ von „gewisser“ sei, wie White meint (op. cit. [nt. 3], 169). Diese Aussage betrifft nur die Akte und Habitus, schließt aber keineswegs aus, daß bestimmte Erkenntnisobjekte „an sich gewisser“ sind.
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alles andere. Die intelligiblen Wesen sind nur in dem Sinne an und für sich bekannter (notiora secundum se), daß sie primär und im höchsten Maße von den höchsten intellektuellen Substanzen gekannt werden 35. Nach dieser philosophischen Digression kehrt Durandus zu seiner theologischen Frage zurück. Wiewohl ein Glaubensinhalt (zum Beispiel der Glaube, daß Gott dreifaltig und einer ist) im oben definierten Sinne an sich (das heißt für Gott) gewisser sein darf als viele Objekte des menschlichen Wissens, das sich auf Geschöpfe bezieht, sind zahlreiche Akte und Habitus des Wissens sowohl extensive als auch intensive sicherer als der Glaube und die Glaubensakte. Extensiv sicherer heißt dasjenige, was mehr Gewißheitsmodi hat. Wissen aber hat mehr Gewißheitsmodi als der Glaube, weil es nicht nur, wie der Glaube, die Gewißheit der Anhänglichkeit besitzt, welche nur in einem uneigentlichen Sinne ,Gewißheit‘ genannt werden kann, sondern sich auch durch die Gewißheit der Evidenz auszeichnet. Intensiv sicherer ist Wissen, weil es nicht mit Zweifel vermischt sein kann, während der Glaube einen bestimmten Grad an Zweifel zuläßt 36. Dieses Argument kommentierend, hat White zurecht angemerkt, daß Durandus die Unterscheidung zwischen intensiver und extensiver Gewißheit wahrscheinlich Thomas’ Sentenzenkommentar entnommen hat. Unverständlich ist aber Whites Behauptung, daß Durandus „den Glauben so schwach wie möglich macht, und dies nicht nur hinsichtlich des Objektes, sondern auch hinsichtlich des Gläubigen“ 37. Was den objektiven Aspekt betrifft, ist auch Durandus davon überzeugt, daß der Glaubensinhalt an sich absolut sicher ist. Deswegen argumentiert er auch, daß die Tatsache, daß das Wissen der Glückseligen gewisser ist als der Glaube der Gläubigen, nicht aufgrund des Gegenstandes erklärt werden kann, weil es sich in beiden Fällen um denselben Gegenstand, nämlich um das Wesen oder die Wahrheit Gottes, handelt. Nur der Unterschied in der Weise, auf welche der menschliche Intellekt zu Gott als Objekt der Schau beziehungsweise zu Gott als Objekt des Glaubens tendiert, erklärt den Unterschied in Gewißheit zwischen Glückseligen und Gläubigen. Das menschliche Wissen von Gott ist also wegen des höheren Erkenntnismodus des Wissens gewisser als der Glaube 38. Was den subjektiven Aspekt angeht, betont Durandus zwar, daß die 35
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Cf. In Sent., III, 23, 7, § 9 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255va ). Für die Unterscheidung zwischen dem an sich und für uns Bekannten verweist Durandus auf Aristoteles, Metaphysik II (1, 993b10-11), aber tatsächlich stammt sie aus Physik I (1, 184a16-18); auf diese Stelle verweist Thomas in seinem Metaphysikkommentar (In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio, II, 1, edd. M.-R. Cathala/R. M. Spiazzi, Turin-Rom 1964, 81, § 278); zur Interpretation dieser Stelle siehe C. Steel, Der Adler und die Nachteule. Thomas und Albert über die Möglichkeit der Metaphysik, Münster 2001, besonders 6-10. Der Gedanke, daß Gott und die Intelligenzen das andere denken, indem sie zuerst sich selbst denken, geht auf Thomas oder Averroes zurück; cf. Averroes, Metaphysik, XII, 51 (Venetiis apud Iunctas 1562, fol. 337rA) und Thomas, In Metaph., XII, 11 (ed. cit., 608, § 2614). Cf. In Sent., III, 23, 7, § 10 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255va ). Thomas, Super Sent., III, 23, 2, 2, 3, ad 1 (ed. cit. [nt. 7], 729); cf. White, Thomas et Durand (nt. 3), 170. Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 7, § 10 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255va ).
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Anhänglichkeit im Glaubensakt weniger fest ist als die Anhänglichkeit im Wissensakt. Dies bedeutet aber nicht, daß der Glaube keine Festigkeit habe oder haben könne. Obschon Durandus im Gegensatz zu Thomas die Kräftigkeit der Glaubensüberzeugung leugnet, sollte die Distanz zwischen der durandischen und der thomasischen Position nicht übertrieben werden, zumal da auch Thomas erkennt, daß der Glaube manchmal von Zweifel durchzogen ist und immer „ein von Zustimmung begleitetes suchendes Denken“ bleibt 39. Daß Durandus Thomas ziemlich nahe bleibt, erhellt aus seiner Interpretation der augustinischen These, daß es für den Menschen nichts Gewisseres gebe als den Glauben. Nach Durandus bedeutet diese These nicht, daß der Mensch durch den Glauben der Glaubensinhalte ebenso gewiß sei, wie er durch die Wissenschaft der Wissensinhalte gewiß ist. Augustinus wolle im Gegenteil sagen, daß der Gläubige ebenso sicher sei, daß er den Glauben habe, wie er sich über etwas anderes sicher ist, weil er erfahre, daß er glaube, und die Erfahrung (experientia) den höchst möglichen Grad an Gewißheit habe. Ohne den augustinischen Text zu erläutern, stellt White die Exaktheit der durandischen Interpretation in Frage und behauptet, daß die Betonung der Erfahrung „un air moderne frappant“ habe 40. Dagegen muß hervorgehoben werden, daß Durandus die thomasische Interpretation des Augustinuszitats im Grunde nicht ablehnt. Thomas zufolge unterscheidet Augustinus „die erfahrungsmäßige Erkenntnis [experimentalis cognitio], die jemand von seinem eigenen Glauben hat“, von vier Arten von ,Sehen‘ (von der äußeren visuellen Wahrnehmung, von der aus der Wahrnehmung resultierenden Vorstellung, von der Einbildung, die aus verschiedenen Bildern eine noch nie gesehene Form bildet, und von der intellektuellen Sicht) 41. Obgleich Durandus diese vier Arten von ,Sehen‘ nicht erwähnt, ist klar, daß er den vermeintlich ,modernen‘ Akzent, der auf die Erfahrung des eigenen Glaubens gelegt wird, von Thomas übernommen hat. Dabei bringt ,Erfahrung‘ beziehungsweise ,erfahrungsmäßige Erkenntnis‘ genau dasjenige zum Ausdruck, was Augustinus meint, wenn er sagt, daß „der Glaube, den jeder, wenn er glaubt, in seinem eigenen Herzen sieht“, „mit dem sichersten Wissen festgehalten wird“. Der Unterschied zwischen Durandus und Thomas liegt darin, daß Thomas das Augustinuszitat fälschlich auf die durch den Glauben gewährleistete Gewißheit der Glaubensinhalte bezieht, während Durandus mit Bonaventura richtig eingesehen hat, daß Augustinus in diesem Kontext nur über die reflexive 39
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Zur thomasischen Position cf. J. Pieper, Über den Glauben. Ein philosophischer Traktat, in: id., Schriften zur Philosophischen Anthropologie und Ethik: Das Menschenbild der Tugendlehre, ed. B. Wald, Hamburg 1996, 198-255, besonders 227 sq.; Niederbacher, Glaube als Tugend (nt. 8), 45 sq. White, Thomas et Durand (nt. 3), 171. In demselben Sinne meint Cessario, Saint Thomas, Durand de Saint-PourcX ain et Capreolus (nt. 3), 163, daß „l’accent mis par Durand sur l’expe´rience fait re´sonner une note moderne.“ Cf. Thomas, Super Sent., III, 23, expositio textus (ed. cit. [nt. 7], 756): „Sciendum quod hic experimentalem cognitionem quam quis habet de fide sua, separat Augustinus a quatuor generibus visionum […].“
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Gewißheit redet, die jeder Gläubige von seinem Glauben (das heißt von der Anwesenheit des Glaubens in seinem Geist) hat 42. Da die Erfahrung kein moderner Bestandteil des Glaubensverständnisses des Durandus ist, darf man auch daran zweifeln, daß er „die göttliche Autorität dem Gesetz der Erfahrung unterwerfe“. Nach White macht Durandus’ „kühne“ Antwort auf die letzte Objektion dies deutlich 43. Das Argument, das Durandus als Einwand gegen seine eigene These anführt, besagt, daß die Glaubenserkenntnis eine größere Gewißheit habe als die Wissenserkenntnis, weil das Medium, mittels dessen man glaubt, nämlich die göttliche Autorität, gewisser sei als die menschliche Vernunft, mittels deren man weiß. Diesem Argument, das mit einem von Bonaventura kritisierten Argument parallel läuft 44, stimmt Durandus nicht zu, weil die göttliche Autorität, aufgrund welcher der Mensch glaubt, zwar an sich das sicherste Erkenntnismedium ist, für den Menschen aber nicht am meisten bekannt ist. Daß Gott der Urheber der Glaubensinhalte ist, weiß der Mensch nur, weil die Kirche dies so lehrt. Also hält der Gläubige nur aufgrund des Glaubens fest, daß sich das Wort der Bibel auf die göttliche Autorität stützt. Deswegen ist die göttliche Autorität dem Menschen nicht bekannter als die menschliche Vernunft, mittels deren er Wissen hat. Daraus folgt, daß der Glaube für den Menschen keine größere Gewißheit hat als die Wissenschaft. Diese Antwort schließt sich der traditionellen, auf die Patristik zurückgehenden Auffassung an, daß „geglaubt wird, daß der Heilige Geist der Urheber der Schrift sei“ 45. Damit wird die göttliche Autorität keineswegs der menschlichen Erfahrung untergeordnet; nur wird sie mit der kirchlichen Tradition in Zusammenhang gebracht. Diese Rückbindung an die kirchliche Tradition ist mit der durandischen Auffassung des primum creditum eng verknüpft. Durandus zufolge ist die erste Glaubenswahrheit, die den Grund aller anderen Glaubensinhalte bildet, die Führung der Kirche durch den Heiligen Geist. Wenn man nicht glaubt, daß der Heilige Geist die Kirche lenkt, hat man keinen Grund zu glauben, daß die Bibel 42
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Cf. Durandus, In Sent., III, 23, 7, § 11 (ed. cit. [nt. 5], fol. 255va ): „[…] Augustinus non intendit dicere quod fides sit certior aliis habitibus ita quod per fidem certificetur homo de creditis, sicut per scientiam de scitis, set uult dicere quod habens fidem ita certus est se habere fidem, sicut certus est de quocunque alio; credens enim experitur se credere et per consequens habere fidem; nichil autem est certius experientia, ad quam fit resolutio aliorum ut habeatur plenior certitudo.“ Cf. Bonaventura, In Sent., III, 23, 1, 4, ad 1 (ed. cit. [nt. 24], 482a ): „Ad illud verbum Augustini quo dicitur quod nihil est homini certius sua fide, dici potest quod nihil facit ad propositum, quia non loquitur de certitudine quam quis habet per fidem, sed quam quis habet de fide quam habet in mente; et illa est certitudo scientiae, scit enim homo fidelis se habere fidem.“ Cf. White, Thomas et Durand (nt. 3), 171. Cf. Bonaventura, In Sent., III, 23, 1, 4, arg. 3 (ed. cit. [nt. 24], 480b-481a ). Diesem Argument zufolge habe der Glaube eine größere Gewißheit als die Wissenschaft, weil dasjenige, was im Licht der ersten Wahrheit erkannt wird, gewisser sei als was im Licht einer geschaffenen Wahrheit erkannt wird. Cf. e. g. Gregor, Moralia in Iob, Praefatio, 1, 2, ed. M. Adriaen, Turnhout 1979 (CCSL 143), 8; Isidor von Sevilla, De ecclesiasticis officiis, I, 12, 13, ed. C. M. Lawson, Turnhout 1989 (CCSL 113), 15; siehe ferner G. Dahan, L’exe´ge`se chre´tienne de la Bible en Occident me´die´val. XIIeXIVe sie`cle, Paris 1999, 38-41.
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Gottes Offenbarung enthält, und wer die göttliche Inspiration der Bibel nicht annimmt, hat keinen Grund, den Glaubensartikeln beizustimmen 46. Dieses nichtthomasische Argument hat vielleicht das Gewicht der Autorität und der Tradition in der Theologie aufgewertet 47. Wie dem auch sei, es ist offensichtlich, daß Durandus’ Gedanken über das primum creditum von Scotus beeinflußt sind, der ebenfalls argumentierte, daß man an die Bücher des Heiligen Kanons nur deswegen glauben soll, „weil man zuerst an die Kirche, die diese Bücher anerkennt und autorisiert, glauben soll“. In diesem Kontext beruft Durandus sich übrigens auf dieselbe auch von Scotus zitierte Augustinusstelle, in der der Kirchenvater sagt, daß „er dem Evangelium nicht glauben würde, wenn die katholische Kirche ihn nicht dazu bewegte“ 48. Obwohl Durandus’ Konzeption der Glaubensgewißheit in der von Petrus de Palude zusammengestellten Irrtumsliste als eine antithomasische Lehrmeinung gekennzeichnet wurde, hat Petrus in seinem Sentenzenkommentar die Position des Durandus nicht ausdrücklich kritisiert. Nachdem er Durandus’ Antwort wiedergegeben hatte, verteidigte er die thomasische Antwort und betonte dabei, daß der eingegossene Glaube aufgrund der göttlichen Ordnung eine größere „Gewißheit der Unfehlbarkeit“ habe als die vom Menschen erworbene wissenschaftliche Erkenntnis 49. Durandellus hat Durandus’ These viel schärfer bestritten. Um zu zeigen, daß der Glaube durch die feste Anhänglichkeit gewisser ist als das Wissen, argumentiert Durandellus, daß wir von einer Schlußfolgerung fester überzeugt sind, wenn wir wegen einer Ursache, die wir als an sich gewisser betrachten, von dieser Schlußfolgerung überzeugt sind. In diesem Fall beruht die Festigkeit der Überzeugung auf der Gewißheit der Ursache, selbst wenn diese keine Gewißheit-für-uns hat. Nun könne niemand daran zweifeln, daß die Ursache des Glaubens, das heißt die göttliche Wahrheit, an sich gewisser ist als die Ursache der wissenschaftlichen Erkenntnis, mithin als die menschliche Vernunft. Daraus folgt, daß wir den Glaubensüberzeugungen fester als den Wis46
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Cf. Durandus, In Sent., III, 24, 1, § 8 (ed. cit. [nt. 5], fol. 257ra ). Laut Petrus de Palude habe Durandus „anderswo“ (vielleicht in einer anderen Fassung seines Sentenzenkommentars oder in einem Quodlibet) behauptet, daß das primum creditum Gottes Menschwerdung sei, weil Gott dadurch die Wahrheit des Alten und des Neuen Testamentes bestätigt habe; cf. Petrus, Super Sent., III, 24, 1 (ed. cit. [nt. 5], fol. 128vb ). Im Gegensatz zu Durandus redet Thomas nicht vom primum creditum; für ihn ist die göttliche Wahrheit einfach der Grund des Glaubens. Cf. Summa theologiae, II-II, 1, 1, resp. (ed. cit. [nt. 8], 9); Emery, Dieu, la foi et la the´ologie (nt. 3), 678 sq. (er spricht von einer „exaltation de la me´diation de l’autorite´“). Durandus, In Sent., III, 24, 1, § 8 (ed. cit. [nt. 5], fol. 257ra ); cf. Augustin, Contra epistulam Manichaei quam vocant fundamenti, 5, ed. I. Zycha, Wien 1891 (CSEL 25), 197 und Scotus, Quaestiones in Tertium Librum Sententiarum, 23, 1, § 4 (Opera omnia, vol. 15, Paris 1894, 7ab ). Zu Scotus’ Auffassung cf. L. Walter, Das Glaubensverständnis bei Johannes Duns Scotus, München 1968, besonders 36 sq. und 130 sqq. Cf. Petrus de Palude, Super Sent., III, 23 (ed. cit. [nt. 5], fol. 124rb-vb ); Koch, Die beiden gegen Durandus de S. Porciano gerichteten Irrtumslisten (nt. 18), besonders 104 sq. (2. Irrtumsliste, § 162).
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sensinhalten anhängen. Deswegen hat der Glaube im Hinblick auf die feste Anhänglichkeit eine größere Gewißheit als die wissenschaftliche Erkenntnis. Dabei unterstreicht Durandellus, daß die feste Anhänglichheit nicht, wie Durandus behauptete, eine Art von Gewißheit im uneigentlichen Sinne ist. Da Thomas zufolge Gewißheit „die wahre Bestimmung des Intellekts auf etwas Eines“ ist, verursacht jeder Habitus, der den Intellekt in Wahrheit determiniert, Gewißheit. Die vom Glauben verursachte Festigkeit der Überzeugung darf also im eigentlichen Sinne ,Gewißheit‘ genannt werden 50. Das durandische Gewißheitskonzept, dem zufolge die Erkenntnis nur dann sicher ist, wenn ihr Prinzip sowohl an sich als auch für uns bekannt ist, ersetzt Durandellus durch eine schwächere Auffassung. Seiner Meinung nach fordert Gewißheit nur, daß das Prinzip der Erkenntnis an sich bekannt ist und „daß wir es als an sich bekannt betrachten, wenngleich dies für uns nicht feststeht“ 51.
III. Verdienstlichkeit des Glaubens Die Frage, ob rationale Argumente, die für Glaubensinhalte herangezogen werden, das Verdienst des Glaubens schmälern, beantwortet Thomas in seinem Sentenzenkommentar weitgehend negativ. Die Quantität des Verdienstes korreliert sowohl mit der Tätigkeit als auch mit dem Willen des handelnden Subjekts. Damit eine Handlung verdienstlich ist, muß sie tugendhaft, mithin schwierig und gut sein und vom Subjekt freiwillig und aus Liebe zu Gott verrichtet werden. Nun kann ein Argument der natürlichen Vernunft entweder zur Unterstützung des Glaubens oder gegen den Glauben angeführt werden. Ein Argument gegen den Glauben vergrößert die Schwierigkeit des Glaubensaktes. Verdienstlicher ist also der Glaube desjenigen, der viele natürliche Gegenargumente gegen seinen Glauben sieht, als der Glaube desjenigen, der solche Argumente nicht kennt. Andererseits verkleinert ein Argument, das in Übereinstimmung mit dem Glauben ist, die Schwierigkeit des Glaubens nicht. Wenn ein solches Argument nur dafür sorgt, daß der Wille stärker zum Glaubensakt geneigt ist, kann es das Verdienst des Glaubens sogar vergrößern. Beiläufig bemerkt Thomas, daß wenn jemand aufgrund eines Vernunftargumentes glaubt, ein solches Argument „das Verdienst des Glaubens nur wegen der Schuld des Gläubigen vermindert“ 52. Auch in der ,Summa theologiae‘ argumentiert Thomas, daß ein Argument, das dem Willen zum Glauben folgt und aus Liebe zur geglaubten Wahrheit erdacht wird, das Verdienst des Glaubens vermehrt. Andererseits betont er in der ,Summa‘, daß ein menschliches Vernunftargument, das den Willen zum Glauben
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Cf. Durandellus, Evidentiae contra Durandum, III, 32 (ed. cit. [nt. 19], 921 sq.). Ibid. (ed. cit. [nt. 19], 925). Thomas, Super Sent., III, 24, 3, 3, sol. und ad 3 (ed. cit. [nt. 7], 776 sq.).
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bewegt, das Verdienst des Glaubens vermindert, weil man nicht aufgrund menschlicher Argumente, sondern aufgrund göttlicher Autorität glauben soll 53. Durandus behandelt die Frage nach dem Verdienst des Glaubens in zwei Schritten. Zuerst untersucht er die Frage, ob es verdienstlich ist, etwas zu glauben, das die menschliche Vernunft übersteigt. Erst danach widmet er sich der Frage, ob ein Argument, das für oder gegen den Glauben entwickelt wird, das Verdienst vermindert. In einer Vorbemerkung unterstreicht er, daß obgleich Glaubenssachen nicht mit einem apodiktischen Vernunftargument bewiesen werden können, sie sich dennoch mittels Wahrscheinlichkeitsargumenten erklären lassen 54. In seiner Antwort auf die erste Frage geht Durandus von einer genauen Beschreibung der Bedingung eines Verdienstes aus. Angenommen, daß ein Mensch im irdischen Leben die caritas hat, so werden zwei Dinge gefordert, damit eine Handlung verdienstlich sei: zum einen, daß die Handlung, in der das Verdienst besteht, „in unserer Macht“ steht, weil Menschen nur aufgrund solcher freien Handlungen gepriesen oder getadelt werden; zum anderen, daß die Handlung gut ist, weil eine verzeihliche Sünde selbst jemanden, der in der caritas lebt, nicht verdienstlich machen kann. Die Freiwilligkeit des Glaubensaktes ist evident, denn jeder Gläubige erfährt, daß er freiwillig glaubt, das heißt, daß er auch imstande ist, nicht zu glauben. Diese Freiwilligkeit ist auch die Ursache, warum nicht alle Menschen gläubig sind 55. Daß der Glaube an Dinge, die die Vernunft nicht fassen kann, eine gute Handlung ist, könnte zweifelhaft scheinen. Man könnte nämlich argumentieren, daß selbst wenn der Gläubige nicht wider die Vernunft handele, er in seinem Glauben die Vernunft völlig aufgebe. Da die Vernunft das edelste im Menschen ist, könnte man daraus schließen, daß der Glaube an etwas, das die Vernunft übersteigt, moralisch schlecht sei. Durandus’ Widerlegung dieses Argumentes zeigt, daß er kein Rationalist ist, sondern auf seine Weise den Versuch macht, Glauben und Vernunft mit einander zu vereinen. Durandus zufolge wird die menschliche Vernunft im Glauben nicht völlig aufgegeben. Obwohl es Glaubensinhalte gibt, welche die menschliche Vernunft gänzlich übersteigen (zum Beispiel der Glaube an die Dreieinigkeit), muß das Medium, das einen solchen Glauben ermöglicht, auf eine Überzeugung zurückgeführt werden, mit der die menschliche Vernunft sowohl im allgemeinen als auch im besonderen „einträchtig zusammenläuft“. Im allgemeinen ist die Vernunft in Harmonie mit dem Glauben, weil sie lehrt, daß der Mensch nicht imstande ist, Gott an sich und die Wirkung seiner Macht völlig mit der Vernunft zu begreifen, und er deshalb aufgrund der göttlichen Autorität den Glaubensinhalten beistimmen soll 56. Im besonderen gibt es keinen Widerspruch zwischen 53
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Cf. Thomas, Summa theologiae, II-II, 2, 10, resp. (ed. cit. [nt. 8], 84 sq.). Cf. Gössmann, Glaube und Gotteserkenntnis (nt. 21), 102; Zimmermann, Glaube und Wissen (nt. 21), 286 sqq. Cf. Durandus, In Sent., III, 24, 3, § 5 (ed. cit. [nt. 5], fol. 257vb ). Cf. Durandus, In Sent., III, 24, 3, § 6 (ed. cit. [nt. 5], fol. 257vb ). Cf. Paulus, 2 Thess 3,2. Cf. Durandus, In Sent., III, 24, 3, § 7 (ed. cit. [nt. 5], fol. 257vb ): „[…] per fidem nunquam dimittitur totaliter ratio humana, quia quamuis aliquod creditum sit totaliter supra rationem humanam, ut Deum esse trinum in personis, tamen medium credendi hoc et consimilia oportet resolui usque ad aliquid cum quo concorditer
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Vernunft und Glauben, weil der primäre Glaubensinhalt, auf den alle übrigen Glaubensinhalte letztendlich zurückgeführt werden, lautet, daß sich die Kirche im Glauben nicht irren kann, da sie vom Heiligen Geist gelenkt wird. Durandus zufolge beruht dieses Glaubensprinzip nicht nur auf dem Jesuswort: „Ich habe für dich gebetet, Petrus, daß dein Glaube nicht mangelhaft wird“ 57, sondern es ist auch deutlich im Einklang mit der menschlichen Vernunft, die „aufgrund klarer Phänomene“ (ex apparentibus) darlegt, daß die christliche Lehre, die durch zahlreiche Zeichen bestätigt und von den Märtyrern bewahrt worden ist, wahr sein muß 58. Nachdem Durandus ausgeführt hat, daß die Vernunft im Glauben nicht völlig verschwindet, argumentiert er, daß es unmöglich ist, ohne die Vernuft verdienstvoll zu glauben. Da Glauben ein Zustimmen ist und man nur mit etwas, das wahr scheint, übereinstimmen kann, muß dasjenige, was geglaubt wird, der Vernunft - entweder unmittelbar oder mittels eines wahr scheinenden Indizes wahr scheinen. Wenn es keinen Fortgang ins Unendliche gibt, muß man also ein erstes Prinzip annehmen, das der Vernunft unmittelbar wahr scheint und durch sich selbst mit der Vernunft übereinstimmt. Auf diese Weise schließt der Glaube die Vernunft nicht aus, sondern setzt er ein nichtapodiktisches Vernunftargument voraus. Daher hat auch Christus selbst die von ihm gepredigte Glaubenslehre auf Wunder, das heißt auf an sich klare Phänomene, zurückgeführt, damit die Vernunft aufgrund der gesehenen Phänomene den nicht klar erscheinenden Worten zustimme. In diesem Sinne interpretiert Durandus das Jesuswort: „Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt mir nicht; tue ich sie aber und wollt ihr mir nicht glauben, so glaubt den Werken, auf daß ihr erkennt und glaubt, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.“ 59 Daraus schließt Durandus, daß, vorausgesetzt, daß die caritas in der Seele sei, Glauben verdienstvoll sei, da es ein freier, guter und mit der Vernunft harmonierender Akt ist 60. In seiner Antwort auf die Frage, ob das Verdienst des Glaubens durch ein Argument vermindert wird, bemerkt Durandus wie Thomas, daß die Quantität eines Verdienstes in zwei Hinsichten vermehrt oder vermindert werden kann:
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concurrit ratio humana et in generali et speciali.“ Cf. Thomas, Summa contra gentiles, Prolog, besonders Kap. 5-6, edd. K. Albert/P. Engelhardt/L. Dümpelmann, Darmstadt 1974, 16-24; Summa theologiae, I, 12, 12-13 (Die deutsche Thomas-Ausgabe, vol. 1, Graz-Wien-Köln 1982, 247-252). Cf. Lk 22,32. Diese Stelle zitierten mittelalterliche Theologen oft, um die Unfehlbarkeit der Kirche zu begründen; cf. Thomas, Super Sent., IV, 20, 3, 1, sed contra 2, ed. M. F. Moos, Paris 1947, 1024; Summa theologiae, II-II, 2, 6, ad 3 (ed. cit. [nt. 8], 70). Cf. Durandus, In Sent., III, 24, 3, § 8 (ed. cit. [nt. 5], foll. 257vb-258ra ). Cf. Joh 10,30 und 37 sq. Auch Thomas zitiert diese Stelle, um zu zeigen, daß die von Christus gewirkten Wunder dazu dienen, die rational nicht beweisbare Wahrheit seiner Lehre zu bestätigen; cf. Summa theologiae, III, 43, 1 (Die deutsche Thomas-Ausgabe, vol. 27, Salzburg-Leipzig 1935, 193 sq.); cf. F. Pouliot, La doctrine du miracle chez Thomas d’Aquin. Deus in omnibus intime operatur, Paris 2005, besonders 93 sqq. Außerdem zitiert Durandus Mk 16,20, wo gesagt wird, daß „Gott das Wort der Apostel durch Zeichen bestätigte“. Cf. Durandus, In Sent., III, 24, 3, § 8 (ed. cit. [nt. 5], fol. 258ra ).
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zum einen aufgrund des Werkes, zum anderen aufgrund des handelnden Subjekts. Da das Verdienst von der Güte und Schwierigkeit einer Handlung abhängt, wird die Quantität des Verdienstes durch dasjenige, was die Güte oder Schwierigkeit der Handlung vergrößert beziehungsweise verkleinert, auf proportionale Weise vergrößert beziehungsweise verkleinert, zumindest wenn alles Übrige gleich bleibt. Da andererseits das Verdienst von der Freiwilligkeit abhängt, wird dasjenige, was den Freiwilligkeitsgrad erhöht beziehungsweise vermindert, auch die Quantität des Verdienstes vergrößern beziehungsweise verkleinern. Nun spricht, wie auch Thomas bemerkt hatte, ein Argument, das in Glaubenssachen angeführt wird, entweder für oder gegen den Glauben. (1) Spricht es gegen den Glauben, so vergrößert es die Schwierigkeit. Bleiben also der Wille zum Glauben und die Festigkeit des Glaubens gleich, dann wird das Verdienst des Glaubens durch ein solches Argument vermehrt. (2) Wenn aber das angeführte Argument den Glauben unterstützt, so gibt es wieder zwei (bereits von Thomas unterschiedene) Möglichkeiten: Entweder geht das Argument dem Glauben voraus oder es folgt ihm. (2a) Wenn das Argument dem Glauben vorausgeht, müssen wieder zwei Möglichkeiten unterschieden werden, denn entweder ist es ein apodiktisches oder ein rhetorisches Argument. Im ersten Fall wird das Verdienst des Glaubens völlig aufgehoben, weil ein apodiktisches Argument die Freiheit in die Notwendigkeit der Beistimmung umwandelt und den Glauben überflüssig macht (wer nämlich aufgrund einer Beweisführung weiß, daß Gott eins ist, braucht den Glauben nicht, um dies zu glauben). Es gibt aber kein Argument, das die eigentlichen Glaubensinhalte (wie zum Beispiel den Glauben an Gottes Dreifaltigkeit und Fleischwerdung) apodiktisch beweist. Im zweiten Fall wird das Verdienst durch das Argument weder aufgehoben noch vermindert. Ein Wahrscheinlichkeitsargument vernichtet das Verdienst nicht, weil es die Beistimmung nicht notwendig macht, sondern sie nur ermöglicht. Es vermindert das Verdienst auch nicht (wie Thomas behauptete), weil ein Argument, das den Glaubensinhalt nicht evident macht, die Schwierigkeit des Glaubensaktes an sich nicht erleichtert und die Freiwilligkeit des Glaubens nicht vermindert. Im Gegenteil, ein Wahrscheinlichkeitsargument verstärkt die Freiwilligkeit des Glaubens und verkleinert die Schwierigkeit des Glaubens „ex parte nostra“, wie Tugenden das tugendhafte Handeln nur „ex parte nostra“ erleichtern und den Willen zum tugendhaften Handeln verstärken. Mit dieser höchst differenzierten Argumentation setzt sich Durandus von Thomas ab, der einfach lehrte, daß ein menschliches Argument, das dem Glauben vorausgeht, das Verdienst des Glaubens verkleinert. (2b) Wenn das Argument dem Glauben folgt, kann eine ähnliche Argumentation entwickelt werden. Ein apodiktisches Argument, das dem Glauben folgt, zerstört das Verdienst des Glaubens. Denn obgleich jemand aufgrund seiner Liebe zu Gott dem Glaubensinhalt ohne Beweis beistimmen könnte und deswegen verdienstlich sein würde, liegt kein Verdienst darin, daß er dem Glaubensinhalt notwendigerweise beistimmt. Aus dem bereits erwähnten Grund kann auch ein rhetorisches Argument, das dem Glauben folgt, das Verdienst nicht aufheben oder verringern, zumal da ein Argument, das aus Liebe zum Glauben ausgedacht
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worden ist, „ein Zeichen eines großen Willens und eines größeren Verdienstes“ ist. In diesem Punkt stimmt Durandus wieder mit Thomas überein 61. Der subtile Unterschied zwischen Thomas und Durandus tritt in ihren Repliken auf ein gemeinsames Gegenargument ans Licht. Beide zitieren Gregors bekannte These, daß „der Glaube kein Verdienst hat, wenn die menschliche Vernunft einen empirischen Beweis für ihn liefert“. Daraus scheint zu folgen, daß ein Argument, das den Glauben unterstützt, das Glaubensverdienst vermindert. Thomas antwortet hierauf, daß sich Gregors Aussage nur auf jemanden bezieht, der ausschließlich wegen eines Argumentes glauben will. Wenn man den Willen hat, auch lediglich aufgrund göttlicher Autorität zu glauben, wird das Verdienst des Glaubens durch kein Argument aufgehoben oder beeinträchtigt 62. Durandus verweist in seiner Antwort wiederum auf den Unterschied zwischen einem apodiktischen Argument, das den Glauben notwendig machen und damit das Verdienst ausschließen würde, und einem rhetorischen Argument, das die Schwierigkeit des Glaubens nicht vermindert, die Freiheit des Glaubens nicht einschränkt und das Verdienst also nicht verkleinert 63. Die These, daß ein Argument das Verdienst des Glaubens nicht vermindert, wurde in keiner Irrtumsliste erwähnt. Petrus de Palude hat Durandus’ Antwort in seinem Sentenzenkommentar kritiklos zitiert 64. Durandellus aber hat die thomasische Position gegen Durandus verteidigt. Wenn ein Mensch ohne ein menschliches Vernunftargument nicht gläubig wäre, so verkleinert das seinem Glauben vorangehende Argument sein Verdienst. Ein solches Argument vermindert die Schwierigkeit des Glaubens und die Freiwilligkeit des Glaubens, insofern der Gläubige ein solches Argument als Grund für seine Zustimmung zum Glauben benutzt 65. IV. Schlußbetrachtung Die Polemik der mittelalterlichen Thomisten weiterführend, haben neothomistische Theologiehistoriker geurteilt, daß das Glaubensverständnis des Durandus von St. PourcX ain eine moderne Physiognomie habe, in der rationalistische und empiristische Züge aufleuchten. Eine unbefangene Textanalyse zeigt aber, daß diese parteiische Interpretation Durandus keine Gerechtigkeit widerfahren läßt. Durandus hat keine revolutionären Fragen über den christlichen Glauben gestellt; die von ihm behandelten Fragen wurden im Gegenteil schon von Thomas und anderen scholastischen Theologen diskutiert. Durandus’ Antworten auf die zentralen Fragen, die wir hier vorgestellt haben, sind zwar originell, sprengen 61 62 63 64 65
Cf. Cf. Cf. Cf. Cf.
Durandus, In Sent., III, 24, 3, §§ 9-10 (ed. cit. [nt. 5], fol. 258ra ). Thomas, Summa theologiae, II-II, 2, 10, arg. 1 und ad 1 (ed. cit. [nt. 8], 82-85). Durandus, In Sent., III, 24, 3, § 11 (ed. cit. [nt. 5], fol. 258ra ). Petrus de Palude, Super Sent., III, 24 (ed. cit. [nt. 5], foll. 130rb-131ra ). Durandellus, Evidentiae contra Durandum, III, 34 (ed. cit. [nt. 19], 934 sq.).
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aber den allgemeinen thomistischen Rahmen seines Denkens auch dann nicht, wenn sie in einigen Einzelpunkten die thomistische Perspektive verlassen. Gegen Thomas argumentiert Durandus, daß der Glaube keine Tugend im strengen Sinne ist, sondern ein intellektueller Habitus, der die Liebe zu Gott nicht voraussetzt. Im Gegensatz zu Thomas unterscheidet Durandus das liebevolle credere in Deum vom eigentlichen Glaubensakt, dem er einen niedrigen Gewißheitsgrad zuschreibt. Sowohl hinsichtlich der Evidenz der Erkenntnisgegenstände als auch im Hinblick auf die Festigkeit der Überzeugung steht Wissen für Durandus auf einer höheren Ebene als Glauben. Gerade weil die christlichen Glaubenswahrheiten nicht apodiktisch bewiesen werden können, impliziert der Glaubensakt immer eine freiwillige Beistimmung, die nicht einer Wette in einem pascalschen Hasardspiel gleicht, sondern ein durchaus rationaler Akt ist. Obgleich Durandus das Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie anders versteht als Thomas und im Gegensatz zu Thomas argumentiert, daß die Theologie nur in einem weiten Sinne ,wissenschaftlich‘ genannt werden kann (nämlich insofern sie Schlußfolgerungen aus den wahren und notwendigen, für den Theologen aber nichtevidenten Glaubensprämissen zieht und den Glauben mit Wahrscheinlichkeitsargumenten verteidigt und erläutert) 66, teilen beide Denker die Grundüberzeugung, daß Glaube und Vernunft nicht durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt sind. Auch Durandus nimmt an, daß einerseits die preambula fidei (in erster Linie die Existenz Gottes) rational beweisbar sind 67, andererseits der übernatürliche Glaube mit rhetorischen Vernunftargumenten unterstützt werden kann. Der Glaubensbegriff, den Durandus 1308 ausgearbeitet hat, bildet keinen Markstein in der scholastischen Theologiegeschichte, zum einen, weil er hauptsächlich an das thomasische Glaubensverständnis anknüpfte, zum anderen, weil die originellen, antithomistischen Aspekte sofort von anderen Dominikanern zurückgewiesen wurden und die spätere Theologie kaum befruchtet haben. In seinem Denken befand sich die spätmittelalterliche und frühmoderne ,Entmachtung‘ der theologischen Vernunft noch in ihrer embryonalen Phase. Wenn Zweifel an der Vernünftigkeit des christlichen Glaubens, Skepsis gegenüber überkommenen Dogmen und eine prometheische Selbstbehauptung der menschlichen 66
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Cf. Durandus, In Sent., Prolog, 1, §§ 49-53 (ed. cit. [nt. 5], fol. 5rb-va ). In der ersten Redaktion heißt es: „Accipiendo autem large scientiam pro habitu eorum que deducuntur ex ueris et necessariis, licet immanifestis ipsi deducenti, theologia potest dici scientia, theologia inquam tertio modo accepta, scilicet pro habitu eorum que deducuntur ex articulis. Accepta autem secundo modo, scilicet pro habitu eorum ex quibus fides defenditur et declaratur, idem est dicendum, quia rationes que adducuntur ad defendendum fidem et declarandum magis sunt probabiles persuasiones quam necessarie demonstrationes. Hoc uidetur sentire frater Thomas III libro […], ubi dicit sic: ,Si autem esset aliqua scientia que non posset reduci ad principia naturaliter cognita, non esset eiusdem speciei cum aliis nec uniuoce scientia diceretur‘; talis autem est theologia.“ Cf. Thomas, Super Sent., III, 33, 1, 2, 4, sol. (ed. cit. [nt. 7], 1031). Cf. B. Decker, Die Gotteslehre des Jakob von Metz. Untersuchungen zur Dominikanertheologie zu Beginn des 14. Jahrhunderts, ed. R. Haubst, Münster 1967, besonders 113, 148 sq., 154 sq., 164, 171 sq., 187 sqq., 210 sq., 223, 228, 235, 237, 264 sq., 267 sq., 280-284.
Durandus modernus?
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Vernunft die moderne Geisteshaltung charakterisieren 68, so ist klar, daß der doctor modernus trotz seines Kampfes gegen Autoritäten kein Vorläufer der Moderne war 69.
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Cf. D. Rutherford, Innovation and Orthodoxy in Early Modern Philosophy, in: id. (ed.), The Cambridge Companion to Early Modern Philosophy, Cambridge 2006, 11-38, besonders 18 sqq. und 32-36; Th. M. Lennon, Theology and the God of the Philosophers, ibid., 275298, besonders 294-297; M. A. Gillespie, The Theological Origins of Modernity, ChicagoLondon 2008, 2-17. Für die Idee einer „Entmachtung der Vernunft in Glaubensdingen“ cf. R. Safranski, Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? Über das Denkbare und das Lebbare, Frankfurt a. M. 1993, 111. Cf. meinen Beitrag Struggling with Authority: Durandus of St. PourcX ain on the Origin of Power and on Obedience to the Pope, in: K. Emery, Jr./W. Courtenay (eds.), Philosophy and Theology in the Studia of the Religious Orders and at the Papal Court.
Seligkeitsdebatten um 1308 Thomas Jeschke (Köln) In einer 1316/17 gegen Durandus von St. PourcX ain verfaßten zweiten Irrtumsliste, die die Abweichungen des Durandus gegenüber den Lehren des Thomas von Aquin verzeichnet, findet sich als Artikel 235 die Zurückweisung der These, daß das unmittelbare Objekt des seligen Genusses nicht Gott, sondern die Gottesschau ist 1. Nach Durandus nämlich bringt der Akt der Gottesschau, in dem das Objekt ,Gott‘ erlangt wird, in dem der Selige sich sozusagen Gott aneignet, allererst das Wesen der fruitio mit sich. Diese Überzeugung rief nach dem Bekanntwerden des Kommentars um 1308 vielfache Kritik bei Durandus’ Zeitgenossen hervor, scheint sie doch den Primat des Objekts ,Gott‘ und damit den Vorrang Gottes selbst im seligen Genuß zu unterminieren. Allerdings läßt sich auch im Hinblick auf diese These zeigen, daß Durandus lediglich Gedanken einiger seiner Vorgänger - und dazu gehört auch Thomas von Aquin - aufgreift und konsequent zu Ende denkt 2. Diese Radikalisierung von Gedanken, die Durandus bei anderen Denkern bereits angedeutet findet, ist meines Erachtens ein Kennzeichen für Durandus’ Umgang mit seinen Quellen. Ein kleiner Einblick in diesen Zusammenhang soll im folgenden ermöglicht werden. Auf der Suche nach diesen Quellen hinsichtlich des Themenkomplexes ,Seligkeit‘ fallen zunächst zwei Werke besonders ins Auge: ein anonymer Kommentar zum vierten Sentenzenbuch des Petrus Lombardus, der um 1305 entsteht und in den Handschriften Vat. lat. 985 und 1118 überliefert ist 3, sowie Herveus Natalis’ ,Quaestiones disputatae de beatitudine‘, die wahrscheinlich auf 1307 zu datieren sind. Im folgenden möchte ich einen kurzen Vergleich zwischen diesen drei Werken unternehmen, indem ich zunächst einen strukturellen Überblick präsentiere, sodann einen Einblick in ausgewählte Themen und deren Kontextualisierung zu geben versuche und schließlich eine Chronologie dieser Werke vorschlage. 1
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2. Irrtumsliste gegen Durandus, Art. 235, ed. J. Koch, in: id., Kleine Schriften, vol. 2 (Storia e letteratura 128), 118: „Eadem d. [sc. 49; TJ] a. 5 dicit, quod obiectum immediatum fruitionis beate caritative est visio dei et non deus. Contra Thomam I Sent. d. 1 in solucione principali articuli illius, quo queritur, utrum solo deo fruendum sit, et contra doctrinam communem, que ponit beatos delectari et gaudere non solum de visione, que pertinet ad amorem concupiscencie, sed eciam de bono divino in se, quod pertinet ad amorem et amicitiam caritatis.“ Cf. Th. Jeschke, Deus ut tentus uel uisus. Die Debatte um die Seligkeit im reflexiven Akt (ca. 12931320) (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 104), Leiden-Boston 2011. In der folgenden Untersuchung bleibt der Codex 1118 unberücksichtigt, da er einen identischen Text bietet; cf. A. Pelzer, Bibliothecae Apostolicae Vaticanae Codices manu scripti recensiti Codices Vaticani Latini, vol. 2/1: Codices 679-1134, Vatikan 1931, 451 sq.; 742.
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I. Str uktureller Überblick Werfen wir zunächst einen Blick auf die Struktur der drei eingangs genannten Werke und auf die in ihnen behandelten Fragen und Themen. Herveus’ Traktat ist in fünf Fragen unterteilt, die 49. Distinktion des anonymen Sentenzenkommentars bietet sieben Fragen, und Durandus behandelt die Seligkeit in acht verschiedenen Fragen. Zwei Fragen finden sich in allen drei Bearbeitungen: Die erste Quästion dieser drei befaßt sich mit der Geschaffenheit der Seligkeit, die dritte im Werk des Herveus und des Anonymus sowie die vierte in Durandus’ Sentenzenkommentar erörtert, in welchem Vermögen diese geschaffene Seligkeit situiert ist, ob im Intellekt oder im Willen. Herveus und der Anonymus teilen über diese Quästionen hinaus noch eine weitere, nämlich die vierte Frage, in der eine Position des Johannes von Paris diskutiert wird. Beide Bearbeitungen dieser vierten Frage gleichen sich - bis auf einige strukturelle Umstellungen nahezu bis in den Wortlaut. Durandus und der Anonymus haben folgende zwei Fragen gemeinsam: Ob die Seligkeit nach der Auferstehung vermehrt wird bei Durandus Quästion 7, beim Anonymus bereits Quästion 2 -, ob der geschaffene Intellekt aufgrund der Gottesschau klar erkennen kann beziehungsweise ob er ein entsprechendes Erkenntnismedium benötigt (Durandus: q. 2; Anonymus: q. 5). Die Fragen, ob die Seligkeit eine Ansammlung aller geschaffenen Perfektionen ist (q. 2) und ob das Formalobjekt der Seligkeit das bonum ist (q. 5), sind Eigengut des Herveus in diesem Zusammenhang. Als Eigengut des Anonymus lassen sich zwei Fragen nach der aureola ausmachen, ob nämlich drei aureolae zu unterscheiden sind (q. 6) und ob aufgrund von Jungfräulichkeit eine solche geschuldet wird (q. 7). Durandus bietet hingegen vier Fragen, die keinen direkten Bezug zu den anderen beiden Werken erkennen lassen, nämlich erstens ob die Seligen in der Gottesschau alles andere sehen (q. 3), zweitens ob Gott das unmittelbare Objekt der delectatio ist (q. 5), drittens ob dem Erdenpilger die intuitive Gottesschau zuteil werden kann, ohne daß dieser selig ist (q. 6), und viertens ob alle Menschen notwendigerweise nach der Seligkeit streben (q. 8). Fast alle Themen, die sowohl vom Anonymus als auch von Durandus abgehandelt werden, lassen sich im vierten Buch des Sentenzenkommentars des Thomas von Aquin nachweisen, der für beide, aber auch für Herveus eine wichtige Quelle darstellt.
II. Doktrinärer Überblick Insgesamt nimmt der größte Teil der hier diskutierten Fragen Bezug auf Problemkomplexe aus dem 12. Jahrhundert, die in der Zeit um Albert den Großen und Thomas von Aquin eine ganz bestimmte Ausprägung und systematische Schärfe erfahren haben und ab dann spätestens zum Allgemeingut eschatologi-
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Thomas Jeschke
scher Auseinandersetzungen werden 4. Drei dieser Komplexe möchte ich in einem ersten Schritt anführen, um in einem zweiten Schritt einen vierten Komplex noch einmal gesondert darzulegen. 1. Die Geschaffenheit der Seligkeit Alle drei Werke diskutieren die Frage der Geschaffenheit der Seligkeit beziehungsweise genauer die Unterscheidung in eine objektive und formale Seligkeit. In dieser Differenzierung kommt der Unterschied zwischen dem extramentalen Objekt der Seligkeit und dem intramentalen Akt, durch den das Subjekt dieses Objekt erlangt, zum Ausdruck. Sowohl der Anonymus als auch Herveus gehen in einem ersten Schritt von der basalen Unterscheidung zwischen dem Akt der Seligkeit und dem Gegenstand der Seligkeit selbst aus, wenn sie eine beatitudo essentialiter oder intrinsece von einer beatitudo obiective abgrenzen 5. Ausgehend von dieser Einteilung behauptet der Anonymus nun eine dreifache Seligkeit, nämlich eine beatitudo formalis, eine beatitudo obiectiva und eine beatitudo exemplaris, Herveus hingegen konstatiert eine zweifache, nämliche eine beatitudo causaliter und eine beatitudo formaliter. Sehen wir zunächst den Verlauf der Untersuchung des Anonymus. Der Anonymus des Vatikanischen Codex 985 schickt sich an, nachdem er diese doppelte Unterscheidung zu Beginn seiner ersten Quästion vorgenommen hat, seine These von einer dreifachen Seligkeit zu explizieren. Bei der ersten Seligkeit, mithin der formalen, handele es sich um eine Tätigkeit oder Vollkommenheit, die sich im Seligen selbst befinde und die mit der wesentlichen Seligkeit der ersten Unterscheidung identisch ist. Die objektive Seligkeit, die mit der gleichnamigen Seligkeit der ersten Unterscheidung identisch ist, sei dasjenige, welches der Selige durch die soeben erwähnte Tätigkeit erlange und aufgrund dessen sein Streben zur Ruhe komme. Zur Verdeutlichung führt der Anonymus hier eine Analogie an, die sich auch bei Thomas von Aquin findet, sich letztlich aber auf Aristoteles zurückführen läßt: Für einen geizigen Menschen bestehe die objektive Seligkeit im Geld, die formale im Besitz des Geldes 6. Die dritte 4
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Siehe dazu grundsätzlich N. Wicki, Die Lehre von der himmlischen Seligkeit in der mittelalterlichen Scholastik von Petrus Lombardus bis Thomas von Aquin (Studia Friburgensia N.F. 9), Freiburg 1954. Anonymus, In quartum librum Sententiarum, dist. 49, q. 1, Ms. Vat. lat. 985, 212ra: „Circa questionem istam primo premictende sunt due distinctio*nes+. Prima est quod beatitudo creature dicitur esse in aliquo dupliciter: uno modo essentialiter et intrinsece, et sic beatitudo creature rationalis consistit in aliqua eius operatione, siue sit operatio intellectus siue uoluntatis, de quo postea inquiretur; secundo consistit in aliquo obiectiue, in eas quod per actum intellectus aut uoluntatis attingitur directe et primo.“ Cf. Herveus Natalis, Quaestiones de beatitudine, q. 1, Venetiis 1513 [Nachdruck: Ridgewood (NJ) 1966], 1vb-2ra; cf. nt. 18. Cf. e. g. Thomas von Aquin, Scriptum super libros Sententiarum IV, ed. St. E. Frette´, Opera omnia, vol. 11, Paris 1874, dist. 49, q. 1, a. 1, sol. 2; Summa theologiae I-II, ed. P. Caramello, Turin-Rom 1952, q. 1, a. 8, resp.; q. 13, a. 4, resp.; q. 16, a. 4, resp.; Aristoteles, Metaphysik XII. 7, 1072b1-4; Eudemische Ethik VIII. 3, 1249b11-19; De anima II. 4, 415b2-7; b15-
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Seligkeit, die dem Anonymus zufolge darüber hinaus anzunehmen ist, muß gleichsam als ,Idee‘ dieser formalen Seligkeit angenommen werden, insofern diese nach deren Ähnlichkeit hervorgebracht wird. Als Analogie wird hierbei auf den Baumeister hingewiesen, in dessen Seele sich die domus exemplaris befinde, aufgrund deren das Haus in seiner Materialität hervorgebracht wird 7. Der verbleibende Rest dieser Quästion des anonymen Kommentators besteht nun in der Explikation dieser dreifachen Unterscheidung, indem drei Konklusionen gemäß den drei Seligkeiten vorgestellt werden. Die erste Konklusion legt anhand von sieben Gründen dar, daß die formale Seligkeit etwas Geschaffenes sein müsse 8, die zweite zeigt anhand von vier Gründen und der Diskussion von vier Einwänden auf, daß Gott allein die objektive Seligkeit der Kreatur sei 9, die abschließende dritte Konklusion behauptet, daß die beatitudo exemplaris der seligen Kreatur die göttliche Seligkeit sei 10. Das Motiv der Exemplarseligkeit wird von keinem der anderen hier zu betrachtenden Denker explizit aufgenommen, kann also als Sondergut des Anonymus bezeichnet werden. Als Quelle dieser Ausführungen dürfte eine Bemerkung bei Jakob von Metz gelten, der in seinem Sentenzenkommentar (Red. B) dieselbe Frage diskutiert. Dort wird, um die formale Seligkeit als diejenige Tätigkeit zu erweisen, durch die das ungeschaffene Objekt Gott erlangt wird, auf die Besonderheit der Seligkeit als eines „finis specialis creature rationalis“ hingewiesen, deren Eigentümlichkeit in den zwei Tätigkeiten einer intellektuellen Kreatur bestehe, nämlich der Erkenntnis und der Liebe. Als Grund dafür gibt Jakob an, daß gegenüber den übrigen Geschöpfen Gott allgemein (in generali ) die habitudo der Effizienz-, Exemplar- und Finalursache aufweise, gegenüber der intellektuellen Kreatur jedoch besitze er sie im besonderen
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21; Physik II. 2, 194a27-b8. Siehe zu Aristoteles auch K. Gaiser, Das zweifache Telos bei Aristoteles, in: I. Düring (ed.), Naturphilosophie bei Aristoteles und Theophrast. Verhandlungen des 4. Symposium Aristotelicum, veranstaltet in Göteborg, August 1966, Heidelberg 1969, 97113. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 1, 212rab: „Ex ista prima distinctione oritur secunda, que talis est, quod triplex est beatitudo, scilicet formalis, obiectiua et exemplaris. Beatitudo formalis est operatio aliqua siue perfectio que subiectiue est in ipso beato, sicut intelligere uel diligere. Et ista est operatio in qua secundum primam distinctionem beatitudo consistit essentialiter. Beatitudo obiectiua est illud quod beatus per suam operationem attingit, et sic perficit*ur+ et totaliter quietatur. De istis duabus ponitur exemplum tale: dicimus quod tota beatitudo auari est in possessione uel conseruatione pecunie, ita quod beatitudo auari consistit in pecunia obiectiue et materialiter, in possessione uero pecunie uel eius conseruatione formaliter. Beatitudo autem exemplaris uocatur illud ad cuius similitudinem et imitationem beatitudo formalis siue essentialis producta sit, sicut domus que est in exteriori materia producitur ad imitationem et similitudinem idee quam habet domus in anima, VII Methaphisice; ideo domus existens in anima siue idea uocatur domus exemplaris.“ Cf. Averroes, Metaphysica VII, comm. 23, ed. Venetiis 1562, 174rab. Cf. e. g. Thomas von Aquin, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio VII, ed. M.-R. Cathala/ R. M. Spiazzi, Turin-Rom 1964, lect. 6, § 606; lect. 8, § 1456; Scriptum super libros Sententiarum II, ed. P. Mandonnet, Paris 1929, dist. 18, q. 2, a. 3, resp.; Aristoteles, Metaphysik VII. 7, 1032a32-b1; b13-14; VII. 9, 1034a23-24; VII. 17, 1041a28-30. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 1, 212rb-213rb. Cf. ibid., 213rb-215va. Cf. ibid., 215va-216ra.
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(speciale) 11. Jakob entwickelt dieses Argument nicht weiter; allerdings dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, daß der Anonymus, dem ja auch an anderen Stellen ein kompetenter Umgang mit seinen Vorlagen bescheinigt worden ist 12, an dieser Stelle ein eigenes Argument kreiert. In seiner Ausführung der dritten Konklusion nämlich charakterisiert der anonyme Kommentator den Begriff des ,exemplar‘ als dasjenige, in dem der Tätige durch den Intellekt seine Wirkung vorauserkennt (praecognoscit). Gott aber erkenne in sich selbst die geschaffene Seligkeit, so daß die „beatitudo creature exemplaris“ allein in Gott sei 13. In einem zweiten Schritt wird diese ,exemplarische‘ Seligkeit mit der göttlichen Wesenheit, insofern sie Seligkeit ist, gleichgesetzt 14. In seiner Antwort auf die eingangs angeführten Proargumente kommt der Anonymus noch einmal in klarer Weise auf die Ausgangsfrage zu sprechen: Handelt es sich bei der Seligkeit also um etwas Geschaffenes? Er beantwortet sie positiv im Hinblick auf die formale Seligkeit, denn, wie sich ja gezeigt hat, es handelt sich bei dieser um eine Tätigkeit des Seligen und damit um ein akzidentelles Moment an dem Geschöpf. Gegen den Einwand, daß es sich bei keinem Tätigen um das höchste Gut handeln könne, repliziert der anonyme Kommentator mit dem Hinweis auf die Unterscheidung zwischen einem „summum bonum simpliciter“ und einem „summum bonum in genere eorum que amantur amore concupiscentie“. Um ein einfachhin höchstes Gut handele es sich bei der formalen Seligkeit nicht - dieses einfachhin höchste Gut ist hingegen Gott, die objektive Seligkeit -, jedoch sei sie ein höchstes Gut im Bereich derjenigen, die einer begehrenden Liebe zugerechnet werden können. In diesem Sinne könne auch das höchste Gut ein Akzidens beziehungsweise eine Tätigkeit der Kreatur sein 15. 11
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Cf. Jakob von Metz, In quartum librum Sententiarum, dist. 49, q. 1, Ms. Vat. Borgh. 122, 113va: „Secundo dico quod beatitudo formalis, que scilicet est operatio qua obiectum attingitur increatum, est aliquid creatum. Primo, quia beatitudo est finis specialis creature rationalis, quia creatura *ir+rationalis non est capax beatitudinis. Hoc autem non posset esse, nisi beatitudo consisteret in operatione aliqua creature intellectualis, scilicet in cognitione et dilectione, quia ita bene habet Deus ad ceteras creaturas habitudinem cause efficientis, exemplaris et finalis in generali sicut ad creaturam intellectualem, quia a Deo sunt omnia et habent ab ipso ydeam et propter ipsum creata sunt; set hoc habet speciale creatura intellectualis que tendit in Deum per dilectionem et cognitionem; ergo in tali operatione creature consistit beatitudo creata et formalis.“ Cf. L. Hödl, Die Grundfragen der Sakramentenlehre nach Herveus Natalis O.P. († 1323) (Münchener theologische Studien 10), München 1956, 139 und 216. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 1, 215va: „Tertia conclusio est quod beatitudo creature exemplaris est in Deo solo et est beatitudo diuina. Primum patet dupliciter. Primo sic: omne agens per intellectum et uoluntatem necessario prehabet cognitionem sui effectus; Deus causando beatitudinem creatam sicut causando alia operatur per intellectum et uoluntatem; ergo prehabet in se cognitionem beatitudinis. Illud autem in quo agens per intellectum precognoscit suum effectum uocamus exemplar rei producte; cum ergo Deus in se ipso precognoscat beatitudinem creatam sicut omnia cetera, sequitur quod beatitudo creature exemplaris sit in solo Deo.“ Cf. ibid., 215vb: „Secundo dico quod beatitudo exemplaris creature, que est in Deo proprie loquendo, est essentia diuina in quantum est beatitudo non sub ratione essentie uel sapientie etc.“ Cf. ibid., 216ra: „Ad rationes in oppositum. Ad primam dicendum quod beatitudo formalis est aliquid creatum et accidens creature, scilicet eius operatio. Et quando dicitur contra: nullum agens est summum bonum, dico quod non oportet beatitudinem formalem esse summum bonum simpliciter, set in genere eorum que amantur amore concupiscentie; tale autem summum bonum creature potest esse accidens et eius operatio optima.“ Auch dieser Gedanke läßt sich bei Jakob von Metz bereits nachweisen; Jakob von Metz, In quartum
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Betrachten wir nun den Text des Herveus Natalis, so zeigen sich einige Übereinstimmungen, aber auch einige Abweichungen. In seiner Antwort diskutiert Herveus zunächst die Position, die behauptet, daß die Seligkeit finaliter im Letztziel und formaliter im Willensakt bestehe, der auf dieses Letztziel gerichtet ist 16. Gegen die formale Seligkeit im Willensakt argumentiert Herveus allerdings mit dem Hinweis, daß erstens die Seligkeit nicht Letztziel simpliciter und zweitens nicht per se obiectum des Willens sei 17. Seinen zweiten Artikel beginnt Herveus mit der doppelten Aussageweise der Seligkeit, nämlich erstens essentialiter und zweitens obiective. Die erste Aussageweise bezieht Herveus auf das Vermögen, in dem die Seligkeit bestehen soll, die zweite auf den Gegenstand, durch dessen Erlangen die Seligkeit eintritt. Diese Differenzierung teilt Herveus mit dem anonymen Kommentator. Die zweite Unterscheidung weist ebenfalls Gemeinsamkeiten auf, wenn Herveus nun im Hinblick auf die Seligkeit der Geschöpfe zwischen einer beatitudo causaliter und einer beatitudo formaliter unterscheidet. Die zuerst genannte Seligkeit wird sodann mit der bonitas divina gleichgesetzt, insofern das esse divinum als causale unseres Seins zu verstehen sei. Die zuletzt genannte Seligkeit wird mit der perfectio creata gleichgesetzt, welche die Bestimmung eines Akzidens habe 18. Vergleicht man diese zweifache Unterscheidung bei Her-
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librum Sententiarum (nt. 11), dist. 49, q. 1, 113va: „[…] beatitudo [coni.; habitudo cod.] est bonum amatum amore concupiscentie, scilicet tanquam amatum nobis non amore amicitie, quasi scilicet uelimus bonum sibi sicut alicui persone, set magis concupiscimus ipsam nobis; hoc autem non esset nisi esset aliqua perfectio creata possibilis nobis acquiri et inherere alicui, frustra ipsam nobis desideraremus; ergo etc.“ Cf. Herveus Natalis, Quaestiones de beatitudine, q. 1 (nt. 5), 1va. Cf. ibid., 1vab: „Ista ratio non uidetur michi bona. Et primo arguitur contra eam quantum ad hoc quod dicit quod oportet quod beatitudo sit ultimus finis simpliciter et per se obiectum uoluntatis. Non tamen beatitudo consistit formaliter in actu uoluntatis, ita tamen quod actus uoluntatis sit formaliter beatitudo creature, quia quandoque ita est quod ratio alicuius consistit in aliquo in quo est inordinabile cum aliquo, impossibile est quod ratio alterius communicat alteri illi, sicut quia ratio hominis est habere rationalitatem in qua efficitur incompossibilis cum bruto; set secundum quod ipsi dicunt ratio beatitudinis consistit in hoc quod est esse ultimus finis et per se et primo obiectum uoluntatis, ergo nulli actui uoluntatis conuenit ratio beatitudinis, nisi aliquis uellet equiuocare quod uoluntas dicatur tripliciter, potentia scilicet uolitiua, actus uolendi et res ipsa uolita; et si ita quod uelint equiuocare beatitudinem, non solum actum uoluntatis possunt uocare beatitudinem set celum et terram, mare et omnia que in eis sunt et quecunque uolunt; ergo male dicunt quod ratio beatitudinis consistit in ultimo fine, et hoc est primo et per se obiectum uoluntatis et cum hoc quod aliquis actus uoluntatis sit formaliter beatitudo. Si autem uelint dicere quod beatitudo sit analogum ad diuersa genera cause, set nec dicit respectu ipsorum aliquod commune existentibus, sicut causa est aliquid commune ad formam et ad finem et alias causas, nichil est, quia finis non solum non dicit aliquid commune diuersis generibus cause, set nec dicit etiam aliquid commune existentibus in eodem genere cause; beatitudo enim est causa non quecunque set specialis, scilicet finalis, et non quecunque finalis set finis ultimus creature rationalis quantum ad illa que amantur amore concupiscentie.“ Cf. ibid., 1vb-2ra: „Quantum ergo ad primum sciendum quod beatitudo creature dicitur esse in aliquo dupliciter: uno modo essentialiter, prout est in eo quod est ipsa beatitudo essentialiter, prout dicimus beatitudinem esse in actu intellectus uel uoluntatis, quorum alterum est essentialiter beatitudo creature; alio modo dicitur esse in aliquo obiectiue, scilicet in eo quod est obiectum beatitudinis et cuius consecutio est beatitudo, sicut dicimus felicitatem auari esse in pecunia. Beatitudo autem creature dicitur similiter dupliciter: uno modo causaliter et alio modo formaliter. Causaliter autem et precipue loquendo de causa exemplari sic dicitur beatitudo creature bonitas diuina, ut patebit magis infra, ita quod sicut esse diuinum, quo Deus formaliter habet esse, dicitur esse nostrum non formale set causale, ita bonitas diuina uel beatitudo *diuina+ dicatur beatitudo creature causaliter, ut sicut esse creature causatur ab esse diuino, et beatitudo a beatitudine. Formaliter aut*em+ dicitur beatitudo
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veus mit der dreifachen Unterscheidung beim Anonymus, so fällt auf, daß Herveus die beatitudo obiectiva und die beatitudo exemplaris des Anonymus im Konzept einer beatitudo causaliter zusammenfaßt. Während der Anonymus also stärker die göttliche Seligkeit als Ziel unserer Seligkeit versteht, so betont Herveus mehr das verursachende Verhältnis jener zu dieser. Im Anschluß an diese Überlegungen präsentiert Herveus ebenfalls drei Konklusionen, die sich aber von den dreien des Anonymus unterscheiden. Die erste Konklusion lautet: Im Geschöpf ist eine Perfektion anzunehmen, aufgrund deren das Geschöpf selig genannt wird und die die eigentümliche beseligende Bestimmung aufweist. Ohne diese formale Seligkeit, so Herveus, könne nicht von der Seligkeit der Kreatur gesprochen werden. Diese erste Konklusion stimmt inhaltlich mit der ersten des Anonymus überein. Herveus’ dritte Konklusion geht mit der zweiten Konklusion des Anonymus zusammen, wenn es heißt, daß die Seligkeit nur in Gott wie in einem Objekt sein könne. Die zweite Konklusion des Herveus und die dritte des Anonymus unterscheiden sich dahingehend, daß der Anonymus ja seine These von der beatitudo exemplaris unterbreitet, Herveus jedoch vorsichtiger davon spricht, daß die Ursache der Seligkeit nicht allein in dem zuvor beschriebenen formalen Aspekt besteht, sondern daß sie ebenso die Bestimmung des Ziels habe im Hinblick auf all die Perfektionen, die der Substanz des Seligen beigefügt seien 19. In Auseinandersetzung mit einer im ersten Artikel dargelegten Meinung erörtert Herveus ebenso die Frage, ob die Seligkeit ein „ultimus finis simplex“ sei oder nur „in genere eorum que amantur amore concupiscentie“ gelte. Herveus optiert für die zuletzt genannte Meinung und damit für die Möglichkeit, daß die Seligkeit neben Gott selbst als Objekt auch etwas Geschaffenes beinhalte. Herveus behauptet sogar, daß das Letztziel gemäß dem amor amicitiae nicht das menschliche Streben zur Ruhe kommen lasse, wenn nicht auch zugleich das Letztziel des amor concupiscentiae erlangt sei, mithin die dem Letztziel des amor amicitiae entsprechende Perfektion im Seligen selbst 20. Damit stimmt Herveus mit der Meinung des Anonymus in dieser Frage überein. Durandus nimmt diese zweistufige Differenzierungsmöglichkeit, wie sie sich beim Anonymus und bei Herveus zeigt, nicht auf, sondern geht sogleich von
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creature aliqua perfectio creature, que formaliter facit eam esse perfectam, que est quedam perfectio creata existens in ea tanquam accidens in subiecto.“ Cf. ibid., 2ra: „His premissis accipimus istas tres conclusiones. Prima est quia preter hoc quod dicitur Deus beatitudo creature causaliter oportet ponere in creatura aliquam perfectionem creatam a qua denominetur formaliter creatura beata et que habeat rationem beatitudinis propriam, ita quod creatura proprie loquendo non habet denominari beata formaliter nisi illa perfectione sibi inherente, ita quod de ratione cuiuslibet beatitudinis sunt tria, scilicet quod sit forma inherens uel per inherentiam uel per identitatem. Secunda conclusio est quod causa beatitudinis non consistit in hoc solum quod sit forma, set oportet quod cum hoc sit finis omnium que sunt superaddita ad substantiam beati. Tertia conclusio est quod beatitudo in solo Deo consistit sicut in obiecto.“ Siehe zu den jeweiligen Erläuterungen der Thesen 2rab (I), 2rb-va (II) und 2va (III). Cf. ibid., 2va: „Ad secundum dicendum quod ultimus finis in genere eorum que amantur amore amicitie non satiat appetitum nisi cum hoc [coni.; hec ed.], scilicet habito, eo quod summe amatur amore concupiscentie. Hoc autem respectu creature non est Deus circunscripto quocunque alio, quia circunscripto omni commodo creature non potest ab ea diligi amore concupiscentie; et hec dicta de questione sufficiant.“
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einer Seligkeit extrinsece beziehungsweise per modum agentis/obiecti aus, im Unterschied zu einer Seligkeit intrinsece beziehungsweise formaliter 21. Dabei macht Durandus unmittelbar klar, daß die formale Seligkeit den Menschen mehr beseligt als die extrinsische Seligkeit, und er führt dafür drei Gründe an. Der erste Grund affirmiert diese Überzeugung noch einmal prägnant: Dasjenige stelle für uns die eigentümliche Seligkeit dar, durch das wir am meisten auf eine eigentümliche Weise selig seien. Dies aber sei das formale Element, so Durandus, und damit die formale Seligkeit 22. Durandus verdeutlicht diese Überlegung mit einem Hinweis auf die denominatio formalis, aufgrund deren ein bezeichnetes Ding seine Bezeichnung in eigentümlicher Weise erhält. Der Dominikaner verweist auf das Beispiel der Gesundheit, die formal und damit eigentümlich einem gesunden Lebewesen zukommt, uneigentümlich dann aber auch der Medizin, die diese Gesundheit bewirken soll 23. Der zweite Grund führt weiterhin aus, daß die beatitudo formaliter uns mehr vereint sei als die extrinsische Seligkeit, ja daß die extrinsische Seligkeit allererst durch die intrinsische erlangt werde 24. Der dritte Grund, der auf die Notwendigkeit einer formalen Seligkeit hinweist, macht zudem deutlich, daß Gott - absolut verstanden - zwar eigentümlicher und wahrhafter die Seligkeit sei, daß aber für uns die formale Seligkeit wahrhafter diese beatitudo bedeute. In einem anschließenden Schritt diskutiert Durandus die Frage, ob die Seligkeit in einer Vollkommenheit des Körpers oder der Seele besteht. Zwar sagt Durandus hier eindeutig, daß es sich um eine seelische Perfektion 21
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Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum, dist. 49, q. 1, § 5, Ms. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Marc. Lat. Z. 104 (= 2004), 182vb: „Quantum ad primum sciendum est quod, cum beatitudo nominet perfectum bonum illius qui dicitur beatus, sicut aliquid dicitur bonum alicuius dupliciter, sic beatitudo alicuius dupliciter accipitur. Aliquid enim dicitur bonum alteri dupliciter: uno modo solum extrinsece per [per] modum agentis uel obiecti, sicut ignis dicitur bonus frigescenti per modum agentis uel efficientis, quia causat in eo calorem qui est sibi bonus formaliter, et uiror est bonus aspicienti per modum obiecti; alio modo dicitur aliquid bonum alteri formaliter et intrinsece, sicut sanitas est bonum quoad corpus et scientia et uirtutes et earum actus seu operationes sunt bonum hominis quoad animam, quam perficiunt formaliter. Similiter beatitudo hominis dicitur dupliciter: uno modo illud quod beatificat hominem solum extrinsece per modum agentis uel obiecti; alio modo illud quod beatificat ipsum formaliter et intrinsece, tanquam perfectio sibi inherens. Et cum sic dicatur beatitudo dupliciter, magis tamen proprie dicitur beatitudo hominis illud quod beatificat ipsum formaliter et intrinsece quam illud quod beatificat ipsum solum extrinsece.“ Cf. ibid., § 6, 182vb-183ra: „Cuius ratio est quia illud dicitur magis proprie beatitudo nostra quo magis proprie dicimur beati; set per illud quod formaliter nos beatificat magis proprie dicimur beati quam per quodcunque extrinsecum; ergo illud quod formaliter nos beatificat magis proprie debet dici beatitudo nostra quam quodcunque extrinsecum.“ Zu diesem Zusammenhang cf. e. g. Thomas von Aquin, Summa theologiae I, ed. P. Caramello, Turin-Rom 1952, q. 16, a. 6, resp.; q. 87, a. 2, ad 3; Scriptum super libros Sententiarum I, ed. P. Mandonnet, Paris 1929, dist. 19, q. 5, a. 2, arg. 1; In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio V (nt. 7), lect. 21, § 1086. Grundlegend ist hierbei die Aristotelische Unterscheidung zwischen finis qui und finis quo; cf. die Angaben in nt. 6. Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 1, § 7, 183ra: „Secundo, quia illud magis proprie dicitur nostrum quod nobis magis est unitum; set beatitudo que est in nobis formaliter et intrinsece [coni.; extrinsece cod.] est nobis magis unita quam beatitudo que se habet ad nos solum obiectiue et extrinsece, quia illa non attingitur a nobis nisi mediante beatitudine formali; ergo illa est magis proprie beatitudo nostra.“
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handeln müsse, läßt allerdings an dieser Stelle offen, ob sie im Intellekt, im Willen oder in beiden besteht 25. Die Unterscheidung zwischen einer objektiven und einer formalen Seligkeit ist zu Beginn des 14. Jahrhunderts bereits ein Topos. Schon bei einem Schüler des Petrus Lombardus, Magister Udo, liegt die Unterscheidung in eine objektive und formale Seligkeit vor. Dieser unterscheidet zwischen einer „beatitudo secundum usum“, das heißt der Gottesschau der Seligen, und einer „beatitudo secundum essentiam“, nämlich Gott. Darüber hinaus nimmt Udo eine „beatitudo secundum causam“ an und meint damit gute Werke, die der Seligkeit würdig sind. Die terminologische Nähe zu der beatitudo causaliter des Herveus ist nicht zu übersehen, auch wenn die Konzepte sich unterscheiden 26. Diese Einteilung wird im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts weiterhin ausdifferenziert und findet sich dann ebenfalls im Sentenzenkommentar des Thomas, der sicherlich durch die Ausarbeitung Alberts des Großen zu diesem Thema inspiriert ist 27. Als direkte Quelle für den anonymen Sentenzenkommentar, der wiederum von Herveus rezipiert wird, dürfte aber der Sentenzenkommentar des Jakob von Metz fungieren, dessen Quästion 1 der 49. Distinktion des Buches IV (B) eine kurze, aber prägnante Darlegung zu diesem Thema bietet 28. Durandus schließlich scheint sich terminologisch in dieser Frage stärker an die Darlegungen bei Thomas selbst zu halten; insgesamt geht er argumentativ eher eigene Wege. 2. Der Primat des Willens oder des Verstandes in der Seligkeit Ein weiteres zentrales Thema, das allen drei Werken gemeinsam ist, ist die Frage nach dem Primat eines Vermögens in der Seligkeit. Während diese Frage in unmittelbar nachlombardischer Zeit nicht diskutiert wurde, da sowohl Verstandes- als auch Willensakt als notwendig in der Seligkeit angesehen wurden 29, zeigt sich dieses Thema als ein eminentes Kriterium für alle Verteidiger des Thomas gegenüber Angriffen der franziskanischen Kollegen. Insbesondere nach dem Erscheinen des ,Correctorium fratris Thomae‘ Wilhelms von La Mare wird diese Frage zu einem Streitpunkt zwischen Dominikanern und Franziskanern. So diskutieren drei von vier Korrektorien diese Frage und entscheiden sie, indem sie bei Thomas den Primat des Intellekts vor dem Willen in der Seligkeit ausma25 26 27 28
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Cf. ibid., § 9, 183rab. Cf. Wicki, Die Lehre (nt. 4), 63. Cf. ibid., 64-84. Als Inspiration für die Überlegungen Jakobs von Metz kann vielleicht auf Erörterungen aus Quodlibet I, q. 8 des Jakob von Viterbo verwiesen werden. Auch dieser erörtert die drei Positionen zur Frage, in welchem Vermögen die Seligkeit besteht, und nimmt dabei Bezug auf die Aristotelische Unterscheidung eines duplex finis. Cf. Jakob von Viterbo, Disputatio prima de quolibet, ed. E. Ypma (Cassiciacum, Supplementband 1), Würzburg 1968, 112-127, besonders 124 sq.; Jeschke, Deus ut tentus uel uisus (nt. 2). Cf. Wicki, Die Lehre (nt. 4), 199.
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chen 30. Der Anonymus, Herveus und Durandus verbleiben ebenfalls in der dominikanischen Linie und nutzen dabei einige Standardargumente für den Primat des Intellekts vor dem Willen. Der Anonymus gibt in seiner Behandlung ein Panorama zu dieser Frage, indem er systematisch die drei möglichen Meinungen behandelt. Die erste Meinung behauptet, die wesentliche Seligkeit bestehe allein in einem Willensakt 31. Die sieben Gründe für diese Meinung weisen eine bisweilen wörtliche Übereinstimmung auf mit den Proargumenten, die Durandus einleitend zu seiner Untersuchung anführt, so daß sich auch hier der Einfluß des Anonymus auf Durandus deutlich wahrnehmen läßt. Die Gründe bauen darauf, den Vorrang des Willensaktes über den Verstandesakt aus der Vornehmheit der Tätigkeit beziehungsweise der Vornehmheit des Objektes zu erweisen. So wird im ersten Grund der Wille als dasjenige Vermögen vorgestellt, welches seinen eigenen Akt frei wählt und diesen „beherrscht“ 32. Der dritte Grund behauptet, daß im Willensvermögen das beseligende Objekt uns mehr vereinigt werde als im Verstandesvermögen. Als Kriterium hierfür wird die Vollendung dieser Vereinigung (consummatio) angegeben, die im Akt der Liebe bestehen soll 33. Im fünften Grund wird der 30
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Cf. P. Glorieux (ed.), Les premie`res pole´miques thomistes: I. - Le Correctorium Corruptorii ,Quare‘, (Bibliothe`que thomiste 9), Kain 1927, 208-222; id. (ed.), Les premie`res pole´miques thomistes: II - Le Correctorium Corruptorii ,Sciendum‘ (Bibliothe`que thomiste 31), Kain 1956, 198-201; J.-P. Mu¨ller (ed.), Le Correctorium corruptorii ,Circa‘ de Jean de Paris (Studia Anselmiana 12/13), Rom 1941, 237-248. Das ,Apologeticum‘ des Rambert von Bologna sowie das Correctorium ,Quaestione‘ diskutieren diese Frage nicht; cf. J.-P. Müller (ed.), Le Correctorium Corruptorii ,Quaestione‘. Texte anonyme du ms. Merton 267 (Studia Anselmiana 35), Rom 1954; Rambert de’ Primadizzi de Bologne, Apologeticum veritatis contra corruptorium, ed. J.-P. Müller (Studi e testi 108), Vatikanstadt 1943. Zum Korrektorienstreit cf. L. Hödl, Geistesgeschichtliche und literarkritische Erhebungen zum Korrektorienstreit (1277-1287), in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 33 (1966), 81-114. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 3, a. 1, 218vb-219ra. Cf. ibid., 218vb: „Quidam dicunt beatitudinem essentialiter consistere in solo actu uoluntatis, non intellectus. Quod declarant multipliciter. Prima ratio sumitur penes modum operandi sic: beatitudo consistit in actu illius potentie que nobiliori modo operatur; huiusmodi est uoluntas respectu intellectus; ergo etc. Maior patet, quia beatitudo in nobilissima operatione consistit; modus autem operandi attestatur nobilitati operationis. Minor probatur, quia potentia elic*i+ens actum libere spontanee, non coacte, et que operando alii dominatur nobiliori modo, elicit actum quam illa que necessitatur et non dominatur suo actui, set ipsum seruiliter elicit. Voluntas elicit actum suum libere et dominando super ipsum, intellectus uero non, quia potest cogi ab alio; uoluntas etiam dominatur inpellendo ipsum ad intelligendum; et ideo est uoluntas nobilior intellectu quo utitur, melioris enim est uti minus bono uel nobili.“ Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 4, § 1, 187va. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 3, a. 1, 218vb-219ra: „Tertia ratio sumitur ex parte unionis potentie cum obiecto sic: in actu illius potentie est beatitudo que magis unit nos obiecto beatifico; huiusmodi est uoluntas respectu intellectus; ergo etc. Maior patet, quia beatitudo consistit in perfecta unione beati ad obiectum beatificans. Minor probatur primo, quia unio perfectior est in consummatione quam in inchoatione; unio creature rationalis ad Deum inchoatur per intelligere et consummatur per amare; ergo perfectior est unio per amorem. Secundo, quia maior est unio ad rem secundum modum quem habet res in se ipsa quam unio secundum modum intelligibilem quam habet res in anima; set per amorem unimur Deo secundum modum quem habet Deus in se ipso, quia amare est motus anime ad rem prout est extra, per intelligere uero unimur Deo secundum modum quem habet in nobis, quia intelligere est motus rei ad animam; ergo etc.“ Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 4, § 4, 187vb.
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Wille als Ort des meritum präsentiert, und es wird konstatiert, daß das entsprechende praemium, also die Seligkeit, in ebendiesem Vermögen bestehen müsse 34. Diese drei Gründe finden sich auch in den Proargumenten 1, 4 und 6 des Durandus wieder; die eindrucksvollste sprachliche Entsprechung zeigt sich allerdings beim zuletzt erwähnten fünften Grund. Im zweiten Artikel dieser Quästion gibt der anonyme Kommentator die Meinung wieder, der er sich selbst am Ende seiner Untersuchung anschließen wird, daß nämlich die Seligkeit allein im Verstandesakt bestehe. Auch hierfür werden wiederum sieben Gründe angegeben. So wird zum Beispiel darauf verwiesen, daß der Verstandesakt um seiner selbst willen erstrebt wird, sämtliche Willensakte, wie desiderium oder delectatio, fruitio oder quies, jedoch nicht um ihrer selbst willen angestrebt werden. Vielmehr wird die Perfektion angestrebt, auf deren Erlangen (assecutio) diese Akte gerichtet sind bzw. aus deren Verwirklichung sie resultieren 35. Der zweite Grund, den der Anonymus anführt, nimmt das Objekt der Seligkeit in den Blick. Hier werden Gedanken aufgenommen, die bereits in der ersten Quästion geäußert worden sind und die von Durandus in seiner fünften Quästion dieser 49. Distinktion verwendet werden: Das Objekt einer begehrenden Liebe sei stets die dem Liebenden inhärierende Perfektion, mithin diejenige Tätigkeit, durch die bzw. in der das äußere Objekt erlangt wird. Als Beispiel wird hier vom Anonymus der Weingenuß angeführt - ein Beispiel, das auch Durandus übernehmen wird 36. Als weitere Gründe für den Vorrang des Intellekts in der Seligkeit werden unter anderem angeführt, daß der Verstandesakt als Maß (mensura) für den Willensakt fungiert, daß die Seligkeit dasjenige sei, 34
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Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 3, a. 1, 219ra: „Quinta ratio sumitur ex parte meriti sic: premium correspondet merito; set meritum magis consistit in uoluntate; ergo etc. Maior patet. Probatio minoris, quia nullum opus est meritorium nisi in quantum a uoluntate procedit, a qua actus moralis maxime sortitur bonitatem uel malitiam.“ Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 4, § 6, 187vb. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 3, a. 2, 219ra-va; bes. 219rb: „Item secundus actus, scilicet quies uel delectatio uoluntatis in bono habito non est propter se ipsam, set propter aliquam perfectionem qua*m+ bonum presens causat in habente, ita quod ex illa perfectione assequta per primam diriuatur et causatur quietatio uel delectatio appetitus.“ Cf. ibid., 220ra: „Quod autem beatitudo *non+ consistat in delectatione siue fruitione uoluntatis in bono habito, probatur, quia actus in quo consistit beatitudo habet Deum pro obiecto immediato, sicut patuit supra in illa questione qua queritur utrum beatitudo sit aliquid creatum; set delectatio uel fruitio non potest habere Deum pro immediato obiecto. Probatio, quia immediatum obiectum amoris concupiscentie non est aliquid distinctum subiectiue a concupiscente uel saltem ab eo cui concupiscit. Quod patet deducendo in omnibus: amo uinum amore concupiscentie, ideo desidero non habitum et delector in habito. Huius delectationis uel desiderii causa non est uinum in se, set usus uini, qui est actus gustantis; non enim desidero uinum absolute, set eius degustationem, nec delector in uino secundum se, set in eius degustatione. Idem patet in omnibus et singulis aliis, scilicet quod amor concupiscentie est alicuius boni uel perfectionis inherentis illi cui bonum illud amatur, siue hoc sumus nosipsi siue amicus; et ideo res per se existens, que nobis uel amico inherere non potest, nunquam est bonum amoris concupiscentie, set aliquis actus siue perfectio que coniungitur illi cui amatur; set delectatio uoluntatis in Deo et de Deo habito est quidam amor concupiscentie; ergo obiectum immediatum delectationis non est Deus, set actus aliquis quo Deus nobis coniungitur, qui non potest esse nisi actus intellectus.“ Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 5, 189va-191ra, bes. § 6, 190ra; In primum librum Sententiarum, d. 1, q. 1, bes. §§ 7-8, Ms. Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. III, 79, 9vb-10ra.
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was zuhöchst und zuerst mit begehrender Liebe geliebt werde und daß die Seligkeit allein im theoretischen Verstand angesiedelt sei 37. Die Tatsache, daß der Anonymus ein systematischer Geist ist, zeigt sich nicht zuletzt an der systematischen Stellung der Meinungen, insofern er eben nicht seine eigene, nämlich daß die Seligkeit im Verstandesakt besteht, als letzte präsentiert, sondern zunächst die zwei Positionen vorstellt, die jeweils nur einen Akt als essentiell in der Seligkeit behaupten, und zum Schluß die Position darlegt, die gleichsam als vermittelnde sowohl dem Verstandes- als auch dem Willensakt Wesentlichkeit in der Seligkeit zuschreibt. Diese Position ist deshalb bemerkenswert, weil sie in der Diktion des Anonymus von einer vierfachen Seligkeit ausgeht: (i) Gott selbst sei diese Seligkeit, insofern er einfachhin Letztziel der Kreatur sei; (ii) die Gottesschau sei die Seligkeit, insofern sie Letztziel der Kreatur in einer bestimmten Gattung sei; (iii) diejenige Liebe sei die Seligkeit, durch die der Wille unmittelbar nach Gott als seinem Geliebten strebe; (iv) diejenige Liebe sei die Seligkeit, durch die der Wille mittelbar nach Gott strebe, nämlich durch die Gottesschau vermittelt. In der oben vorgestellten Redeweise handelt es sich also um eine objektive und drei formale Seligkeiten, wobei jedoch zu beachten ist, daß nach dieser Meinung die Seligkeit finaliter et simpliciter allein in Gott, also der beatitudo obiectiva, besteht, die anderen auf diese hingeordnet sind 38. Diese Position referiert auch Herveus Natalis in seiner dritten Quästion und verweist dabei auf weitere Ausführungen, die er bereits in seiner ersten Quästion unterbreitet hat 39. Es folgen daraufhin einige Kritikpunkte an dieser Meinung, die schließlich in den Artikel 4 münden, in dem sich der Anonymus für die zweite der genannten drei Meinungen ausspricht. Während sowohl der Anonymus als auch Herveus Natalis die drei genannten Positionen diskutieren, folgt Durandus dem Schema einer vierfachen Annäherung an dieses Thema. Er behandelt die Frage nach dem Vermögen der Seligkeit unter dem Titel „Vtrum beatitudo nostra consistat principaliter in uisione diuine essentie“ 37 38
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Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 3, a. 2, 220rb-221rb. Cf. ibid., a. 3, 221vb: „Tertia opinio dicit quod beatitudo essentialiter consistit in utroque actu, scilicet intellectus et uoluntatis. Ponunt enim isti quatuor beatitudines, *primo+ scilicet Deum ipsum, prout est ultimus finis creature simpliciter; secundo uisionem beatam, prout est ultimus finis creature in genere; tertio amorem quo uoluntas tendit in Deum immediate sicut in amatum; quarto amorem quo uoluntas tendit in Deum mediante uisione, ut in illud quod amat ad uidendum. Vnde secundum istos beatitudo est uisio beata et uterque amor et Deus ipse, differenter tamen, quia Deus et solum Deus est beatitudo finaliter et simpliciter, uisio beata est beatitudo finaliter in genere, amor qui tendit in Deum immediate ut in amatum est beatitudo formaliter in genere.“ Cf. Herveus Natalis, Quaestiones de beatitudine, q. 3 (nt. 5), 5rab: „Sciendum ergo quod ipsi ponunt quattuor beatitudines, uidelicet Deum ipsum prout est ultimus finis creature, uisionem beatam prout est ultimus finis in genere creature, amorem quo uoluntas tendit in Deum immediate ut in amatum et amorem quo tendit in Deum mediante uisione ut in id quod amat ad uidendum; secundum ergo istos beatitudo creature est uisio et uterque amor et Deus ipse; set beatitudo finaliter et simpliciter, uisio autem finaliter in genere creature. Amor autem quo tendit in Deum immediate est beatitudo formaliter simpliciter. Amor autem quo tendit in Deum mediante uisione est beatitudo formaliter in genere; qualiter autem ista sint et sequuntur ibi recitatum est in prima questione de beatitudine, et ea que sunt contra premissa recitata sunt.“ Cf. q. 1, 1vab.
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und tut damit bereits seine Lösung kund. Sein Vierschritt verläuft so: (i) Durandus erweist, daß es sich bei der Seligkeit um eine Tätigkeit handelt; (ii) dann weist er nach, daß es sich um genau eine Tätigkeit handelt; (iii) hierauf legt er dar, daß es sich nur entweder um einen Verstandes- oder um einen Willensakt handeln könne; (iv) schließlich zeigt er auf, daß es sich um einen Akt nur des Intellekts handelt. Die eigentliche Frage wird sodann erstens ebenfalls mit dem Hinweis auf das Ziel der Tätigkeit beantwortet: Die Willenstätigkeit ist um der Intellekttätigkeit willen, weshalb diese die ratio optimi und die ratio finis habe 40. Zweitens wird die einzige Möglichkeit, daß die Seligkeit im Willensakt besteht, nämlich im Akt der delectatio, abgelehnt, denn die Seligkeit habe als ihr Objekt Gott, die delectatio hingegen habe als direktes Objekt den ,subjektiven‘ Akt, in dem das Objekt genossen wird, das Objekt selbst hingegen lediglich als mittelbares Objekt 41. Alle drei genannten Dominikaner verbleiben damit, wie erwähnt, auf der Linie ihres Ordens, der sich zu dieser Zeit immer stärker gegen die franziskanische Position zu formieren sucht und gerade auch dieser Frage einige Bedeutung beimißt. Allerdings läßt sich ebenso bemerken, daß in den hier erwähnten Texten die vehemente Gegnerschaft zu den franziskanischen Denkern keine große Rolle mehr spielt, sondern die sachliche Darlegung allein Gewicht hat. 3. Die Frage nach der extensiven oder intensiven Vermehrung der Seligkeit in der Auferstehung Ein Anknüpfen wiederum an Gedankengut, das mit den Sentenzen des Petrus Lombardus seinen Anfang nimmt und in der Zeit Alberts und Thomas’ erst 40
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Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 4, § 14, 188ra: „Quarta autem conclusio, de qua principaliter queritur, probatur ad presens dupliciter. Primo sic: quando due operationes sic se habent quod una earum propter se queritur, altera uero non queritur propter se, set propter aliam finaliter, illa que propter se queritur habet rationem optimi et finis, et per consequens rationem beatitudinis; set operatio intellectus et uoluntatis, que sunt suppreme hominis perfectiones [coni.; perfectionis cod.], sic se habent quod operatio intellectus queritur propter se, operatio autem uoluntatis nunquam est propter se, set finaliter propter operationem intellectus; ergo operatio intellectus habet rationem optimi et finis et beatitudinis, et non operatio uoluntatis. Maior patet ex conditione beatitudinis supraposita, scilicet quod beatitudo est optima perfectio hominis, quam propter se uolumus, et alia propter ipsam. Minor probatur, quia sicut se habet appetitus naturalis ad formam naturalem, sic appetitus sensitiuus ad potentiam sensitiuam et uoluntas seu appetitus intellectiuus ad potentiam intellectiuam; set appetitus naturalis sic se habet ad formam naturalem quod nec appetitus naturalis nec aliquis actus eius est propter se, set ordinatur finaliter ad aliquam perfectionem rei naturalis; ergo similiter uidetur de appetitu sensitiuo et intellectiuo, quod neuter eorum nec actus eorum sit propter se, set propter aliquam aliam perfectionem ipsius appetentis.“ Cf. ibid., § 15, 188rb: „Secunda ratio talis est: si beatitudo consisteret in actu uoluntatis, hoc esset potissime in delectatione que habetur de Deo uiso; set in illa delectatione non consistit beatitudo, ut probabitur; ergo fortiori ratione non consistit in aliquo alio actu uoluntatis. Maior patet, quia quicunque posuerunt beatitudinem in actu uoluntatis uidentur eam posuisse in delectatione consequente uisionem Dei; unde Philosophus X Ethicorum de illo solo actu uoluntatis mouet dubitationem querens utrum felicitas consistat in contemplatione uel delectatione resecans omnem alium actum uoluntatis. Minor probatur, quia immediatum obiectum beatitudinis est Deus, set immediatum obiectum delectationis non est Deus, ergo beatitudo non consistit in delectatione. Maior patet, quia cum beatitudo consistat in optima operatione, bonitas autem operationis dependeat ex obiecto, oportet
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systematisch klar gefaßt, sodann aber als Allgemeingut verstanden wird, ließe sich auch im Hinblick auf die Frage nach der nur extensiven oder auch intensiven Vermehrung der Seligkeit in der Auferstehung ausmachen 42. Eine alte Ansicht, wie sie sich im Codex Vat. lat. 691, bei Albert dem Großen und auch bei Bonaventura findet, geht von einer Intensivierung der Seligkeit nach der Auferstehung aus. Aber bereits zu dieser Zeit scheint eine solche Überzeugung zugunsten der Betonung einer rein extensiven Vermehrung in der Seligkeit an Anhängern zu verlieren. So gehen schließlich auch Guerric von St. Quentin und Odo Rigaldi nur noch von einer extensiven, nicht mehr aber von einer intensiven Augmentation der Seligkeit aus 43. Im vorliegenden Fall wird dieses Problemfeld allerdings nur von dem Anonymus und Durandus behandelt - mit unterschiedlicher Gewichtung. Während der Anonymus diesem Thema eine vergleichsweise lange zweite Quästion widmet, hält Durandus seine siebte Quästion zu diesem Thema eher kurz, lehnt sich dabei allerdings an die Ausführungen des Anonymus an. Dieser stellt die Meinung, daß die Seligkeit extensive nach der Auferstehung vermehrt werde, daß sie sich dann also auch auf den Körper erstrecke und die selige Freude sich ebenso auf das bonum commune und nicht nur auf das Eigengut beziehe, als Übereinstimmungsfaktor zwischen den Doktoren dar 44. Hierin zeigt sich der Anonymus wiederum von Thomas von Aquin geprägt. Allerdings bemerkt der Anonymus selbst noch in Thomas’ Sentenzenkommentar, daß die alte Meinung einer intensiven Vermehrung verteidigt wird, also die Position, daß mit der leiblichen Auferstehung auch eine Zunahme der Intensität in der Seligkeit statthat, kann aber mit dem Aquinaten in dessen ,Summa theologiae‘ die Meinung vertreten, daß eine solche intensive Vermehrung nicht stattfinde, sondern vielmehr nur eine extensive 45. Tatsächlich läßt sich eine solche
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quod operatio in qua consistit beatitudo habeat pro obiecto summum bonum, quod est Deus.“ Siehe dazu auch q. 5, 189va-191ra. Übrigens handelt es sich bei diesem Thema ebenfalls um eine Streitfrage, die in den Korrektorien behandelt wird. Cf. Corr. ,Quare‘ (nt. 30), 227-230; Corr. ,Sciendum‘ (nt. 30), 203-207; Corr. ,Circa‘ (nt. 30), 251-258. Cf. Wicki, Die Lehre (nt. 4), 280-287. Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 2, 216rb-va: „Circa primum notandum quod beatitudinem augeri potest intelligi dupliciter: uno modo extensiue, et sic dicitur augeri beatitudo quando se extendit ad plura, sicut scientia dicitur augeri extensiue quando extendit se ad plures conclusiones; secundo modo potest dici beatitudo augeri intensiue, quando scilicet beatus diligit uel cognoscit idem obiectum intensius nunc quam prius, sicut scientia augetur intensiue quando eadem conclusio uel principium cognoscitur perfectius modo quam ante. Hoc supposito concordant omnes doctores in hoc quod post resurrectionem beatitudo augebitur extensiue, primo quidem, quia nunc beatitudo subiectiue est in sola anima, post resurrectionem uero erit non solum in anima set etiam in corpore, quia ex gloria anime redundabunt in copore dotes glorie, scilicet claritas, agilitas, subtilitas, inpassibilitas; secundo, quia beatitudinem augeri extensiue est actum beatificum aliquo modo extendere se ad plura, anima uero que modo gaudet solum de bono proprio post resurrectionem gaudebit etiam de bono communi; unde gaudium erit de pluribus, et sic augebitur extensiue; tertio, quia premium beatorum [coni.; bonorum cod.] sumitur per oppositum ad supplicium dampnatorum; constat autem quod supplicium dampnatorum post resurrectionem augebitur extensiue, quia cruciabuntur in corpore et anima; ergo per oppositum beatitudo sanctorum augebitur extensiue, quia premiabuntur in corpore et anima.“ Cf. ibid., 216vab: „Secundo ponendum est illud in quo doctores circa questionem differunt, quod est utrum post resurrectionem beatitudo augeatur intensiue. Circa quod sunt opiniones contrarie, non solum diuersorum, ymo etiam eiusdem, scilicet Thome, qui aliter sentit in IV distinctione 49 questione 4 articulo 4, aliter in
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Änderung zwischen dem Früh- und dem Spätwerk des Thomas bemerken. Thomas scheint dabei zunächst von der Position seines Lehrers Albert geprägt gewesen zu sein, im Laufe der Zeit aber den neuen Ansichten sich zugeneigt zu haben 46. An einigen Stellen dürfte der Anonymus wiederum von der ziemlich kurzen Behandlung der Frage bei Jakob von Metz beeinflußt sein, so daß im Speziellen wiederum Jakob als Anknüpfungspunkt zur Tradition gelten kann 47. Durandus hingegen rezipiert einmal mehr den Anonymus in dieser Frage: Einerseits stimmt er mit diesem darin überein, daß eine extensive Vermehrung der Seligkeit nach der Auferstehung stattfindet und daß es keine intensive geben kann 48, andererseits gibt er sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden, sondern weist darüber hinaus noch eine weitere Meinung zurück, die behauptet, daß nach der Auferstehung die Seele zwar nicht intensive vollkommen sei, aber aufgrund der Tatsache, daß sie schneller, mithin ungehinderter als ohne Körper ihre Tätigkeiten ausübe 49. Beide Werke spiegeln demnach die zeitgenössische Überzeugung wider, ohne besonders originelle Thesen oder Argumente aufzuweisen. III. Die Ablehnung des lumen gloriae bei Durandus Im folgenden soll daher ein weiterer Problemkomplex im Zusammenhang der Seligkeit näher vorgestellt werden, bei dem drei unterschiedliche Herange-
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Summa prime secunde questione 4 articulo 5. In IV enim dicit quod post resurrectionem beatitudo augebitur intensiue […]. Aliorum opinio, ymo opinio eiusdem sancti Thome in Prima secunde questione 4 articulo 5 est quod beatitudo post resurrectionem non augebit intensiue. Istud declaratur primo sic quod operatio uidendi Deum post resurrectionem intendatur […] non ex parte potentie, quia beatitudo consistit in actu intellectus aut uoluntatis, que potentie magis et minus non recipiunt, ut nunc suppono; nec ex parte luminis glorie, quia illud non erit maius post resurrectionem, quia ipsum commensuratur caritati, que propter resumptionem corporis non augetur; nec ex parte obiecti, quia essentia diuina non aliter representabit se intellectui post resurrectionem quam ante […].“ Cf. Thomas von Aquin, Scriptum super libros Sententiarum IV (nt. 6), dist. 49, q. 1, a. 4, sol. 1; Summa theologiae I-II (nt. 6), q. 4, a. 5, ad 5. Cf. Jakob von Metz, In quartum librum Sententiarum (nt. 11), dist. 49, q. 2: „Vtrum anima sit beatior post resurrectionem quam sit modo“, 113vb-114ra. Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 7, § 4, 192rb: „Circa questionem istam intelligendum est quod beatitudinem sanctorum augeri post resumptionem corporum potest intelligi dupliciter: uno modo extensiue, quia erit in pluribus; alio modo intensiue, ita scilicet quod anima beata que nunc uidet Deum uideat ipsum clarius et diligat eum intensius resumpto corpore. Si loquamur de augmento beatitudinis extensiue, sic clarum est quod augebitur beatitudo post resurrectionem, quia homo tunc beatificabitur non solum in anima quoad uires inferiores sensitiuas set [coni.; et cod.] etiam in [in] corpore quantum ad dotes suas […].“ Cf. ibid., §§ 9-10, 192vb: „Secundus modus dicendi est quod beatitudo erit perfectior resumpto corpore quam ante, non quidem intensiue, ut ponit precedens opinio, set quia magis prompte et expedite exercebit anima suam operationem resumpto corpore quam ante. […] Set nec istud ualet, quia sicut statim dictum est, distractio intentionis ad unum minuit operationem circa alterum. Set secundum istam opinionem anima separata non ita expedite et libere fertur in Deum sicut coniuncta, propter hoc solum, quia intentio eius distrahitur ad alterum, scilicet ad administrationem corporis, ut patet plane ex uerbis Augustini per eos allegatis. Ergo propter hanc distractionem remittitur eius operatio circa Deum et ita minor [suppl.; om. cod.] est eius beatitudo […].“
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hensweisen aufgedeckt werden können. Im Hinblick auf Durandus läßt sich hieran zudem sehr gut eine allgemeine Methode dieses Denkers exemplifizieren, mithin die Ablehnung eines Erklärungsmodells aufgrund dessen Unzulänglichkeiten. Es handelt sich um die Frage nach der Notwendigkeit des lumen gloriae, die ein ähnliches Kriterium zur Unterscheidung von Thomismus/Antithomismus ist, wie die damit zusammenhängenden Debatten um den tätigen Intellekt oder die species intelligibiles in der natürlichen Erkenntnis 50. Schließlich wird auch in Artikel 232 der zweiten Irrtumsliste die Ablehnung des lumen gloriae erwähnt 51. Die Debatte um das lumen gloriae entspringt den Diskussionen im 12. und 13. Jahrhundert über die Seligkeit, die unter anderem auch das Problem der Unproportionalität zwischen menschlicher, geschaffener Erkenntniskraft und deren ungeschaffenem Objekt in der finalen Gottesschau in den Blick nahmen 52. Die Betonung dieser Diskrepanz ging soweit, daß es um 1230 Tendenzen gab, die unmittelbare Gottesschau zu leugnen. Diesen Tendenzen wurde mit der Verurteilung von 1241 durch den Pariser Bischof Wilhelm von Auvergne begegnet, in der unter anderem die vermittelte Schau Gottes verworfen wurde 53. In der Zeit danach ging es den Denkern vor allem darum zu zeigen, wie der menschliche Verstand derart präpariert werden kann, daß er seinem ungeschaffenen Objekt entspricht. Schon sehr bald wurde als Erklärungsmöglichkeit für ein übernatürliches medium disponens argumentiert, das den menschlichen Intellekt zum Empfang Gottes bereiten sollte. Seine erste systematisch und terminolo50
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Über die ähnliche Vorgehensweise des Durandus im Hinblick auf die species intelligiblis cf. F. A. Prezioso, La ,species‘ medievale e i prodromi del fenomenismo moderno (Serie filosofica saggi e monografie 42), Padua 1963, 73-81; L. Spruit, Species intelligibilis: From Perception to Knowledge, 2 vols., Leiden-New York-Ko¨ln 1994-1995, vol. 1, 281 sqq.; hinsichtlich der Ablehnung des tätigen Intellekts cf. Th. Jeschke, Die Ablehnung des tätigen Intellekts bei Durandus. Panorama einer Debatte, in: A. Beccarisi/R. Imbach/P. Porro (eds.), Per perscrutationem philosophicam. Neue Perspektiven der mittelalterlichen Forschung. Loris Sturlese zum 60. Geburtstag gewidmet (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi. Beiheft 4), Hamburg 2008, 273-291. 2. Irrtumsliste gegen Durandus, Art. 232 (nt. 1), 117: „D. 49 a. 2 probat multipliciter, quod in visione beata non est aliquod lumen, et respondet ad raciones in contrarium. Contra Thomam in quarto eadem d. a. 6 et ubicumque de hoc loquitur.“ Zum folgenden siehe Wicki, Die Lehre (nt. 4), 107-161. Ch. Trottmanns Monographie zum Thema der Gottesschau bietet auch in diesem Kontext einen umfangreichen Fundus an Materialien. Gegenüber Trottmanns Interpretationen ist hingegen manchmal Vorsicht geboten; cf. exemplarisch K. Emery, Jr., A Forced March Towards Beatitude: Christian Trottmann’s Histoire of the Beatific Vision, in: Vivarium 37 (1999), 258-281; Ch. Trottmann, La vision be´atifique. Des disputes scolastiques a` sa de´finition par Benoıˆt XII (Bibliothe`que des e´coles francX aises d’Athe`nes et de Rome 289), Rom 1995, 115-410. Cf. zum lumen gloriae allgemein auch R. GarrigouLagrange, L’e´ternelle vie et la profondeur de l’aˆme, Paris 1950, 308 sqq. Cf. Wicki, Die Lehre (nt. 4), 132 sq.; 150; zur Entscheidung von 1241 siehe auch Trottmann, La vision be´atifique (nt. 51), 175-178; M.-D. Chenu, Le dernier avatar de la the´ologie orientale en Occident au XIIIe sie`cle, in: Me´langes Auguste Pelzer. E´tudes d’histoire litte´raire et doctrinale de la Scolastique me´die´vale offertes a` Monseigneur Auguste Pelzer, Louvain 1947, 159-181; V. Doucet, La date des condamnations parisiennes dites de 1241. Faut-il corriger le Cartulaire de l’Universite´?, ibid., 183-193.
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gisch ausgereifte Fassung findet sich in den Überlegungen Alberts des Großen wieder, und dort wird ihm auch die Bezeichnung lumen gloriae zuteil 54. Alberts Schüler Thomas von Aquin läßt sich von diesen Überlegungen inspirieren, ja der Gang seiner Argumentation zeigt sich als eigentlich von seinem Lehrer beeinflußt. In seiner ,Summa theologiae‘ I, q. 12, a. 2 kommt Thomas auf die notwendigen Voraussetzungen einer menschlichen Gotteserkenntnis im Jenseits zu sprechen, indem er zunächst wie Albert von der natürlichen Erkenntnis des Menschen ausgeht 55. In dieser seien zwei Dinge vonnöten: erstens eine Erkenntniskraft (virtus visiva) und zweitens die Einung der erkannten Sache mit dem Erkenntnisvermögen (visus). Dazu benötigt der Erkennende nach Thomas zwei Erkenntnismittel: einmal auf Seiten des Vermögens ein Erkenntnislicht (lumen intellectuale beziehungsweise intelligibile), einmal auf Seiten der Sache eine species 56. In der Gotteserkenntnis wird diese Dualität einerseits beibehalten, andererseits leicht modifiziert. Nach Thomas nämlich kann Gottes Wesenheit durch keine similitudo creata gesehen werden, weil durch eine Ähnlichkeit niederen Grades nichts Höheres erkannt werden kann und weil eine geschaffene beziehungsweise endliche species nicht in der Lage ist, Gott, der unbegrenzt (incircumscriptum) ist, zu repräsentieren. Da in der finalen Gotteserkenntnis vielmehr Gott selbst 54
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Cf. Wicki, Die Lehre (nt. 4), 134 sqq.; 154 sqq.; M. L. Führer, Albertus Magnus’ Theory of Divine Illumination, in: W. Senner [e. a.] (eds.), Albertus Magnus. Zum Gedenken nach 800 Jahren: Neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens N. F. 10), Berlin 2001, 141-155; W. J. Hoye, Mystische Theologie nach Albert dem Großen, ibid., 587-603, 599 sqq.; Trottmann, La vision be´atifique (nt. 52), 283302. Cf. Wicki, Die Lehre (nt. 4), 82 sq. Eine weitere Behandlung des Glorienlichts durch Thomas findet sich e. g. auch in Summa contra Gentiles III, edd. C. Pera/P. Marc/P. Caramello, TurinRom 1961, cc. 51-53. Cf. auch J. Mundhenk, Die Seele im System des Thomas von Aquin. Ein Beitrag zur Klärung und Beurteilung der Grundbegriffe der thomistischen Psychologie, Hamburg 1980, 147 sqq.; W. J. Hoye, Actualitas Omnium Actuum. Man’s Beatific Vision of God as Apprehended by Thomas Aquinas (Monographien zur philosophischen Forschung 116), Meisenheim a. Glan 1975, 274-280; Trottmann, La vision be´atifique (nt. 52), 302-320. M. de La Taille, Actuation cre´e´e par acte incre´e´. Lumie`re de glorie, graˆce sanctificante, union hypostatique, in: Recherches de science religieuse 18 (1928), 253-268 behandelt die Problematik des Glorienlichts im Rahmen systematischer Überlegungen zur Trinität beziehungsweise zur hypostatischen Union bei Thomas. Aktuell bereitet Michael M. Waddell (Villanova) eine Untersuchung über die Lehre des Thomas zum lumen gloriae vor. Cf. Thomas von Aquin, Summa theologiae I (nt. 23), q. 12, a. 2, resp.: „Respondeo dicendum quod ad visionem, tam sensibilem quam intellectualem, duo requiruntur, scilicet virtus visiva, et unio rei visae cum visu […]. Et in rebus quidem corporalibus, apparet quod res visa non potest esse in vidente per suam essentiam, sed solum per suam similitudinem […]. Manifestum est autem quod Deus et est auctor intellectivae virtutis, et ab intellectu videri potest. Et cum ipsa intellectiva virtus creaturae non sit Dei essentia, relinquitur quod sit aliqua participata similitudo ipsius, qui est primus intellectus. Unde et virtus intellectualis creaturae lumen quoddam intelligibile dicitur, quasi a prima luce derivatum: sive hoc intelligatur de virtute naturali, sive de aliqua perfectione superaddita gratiae vel gloriae. Requiritur ergo ad videndum Deum aliqua Dei similitudo ex parte visivae potentiae, qua scilicet intellectus sit efficax ad videndum Deum.“ Zum lumen intelligibile cf. auch A. Speer, Causalitas luminis. Die Lehre vom lumen intelligibile in Thomas’ Kommentar zum Liber beati Dionysii De divinis nominibus (cap. IV, lect. 4), in: Archiv für mittelalterliche Philosophie und Kultur 3 (1996), 67-88.
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als Form dem menschlichen Intellekt vereint werden muß, benötigt dieser auf Seiten des intellektiven Vermögens nun ein Erkenntnismittel, das die natürliche Erkenntnisfähigkeit eines lumen intellectuale übersteigt: Dieses nennt er mit Albert lumen gloriae 57. Von den bisher betrachteten Werken fragen nur zwei explizit nach dem lumen gloriae: Sowohl der Anonymus als auch Durandus untersuchen, ob der geschaffene Intellekt zu einer klaren und deutlichen Schau Gottes kommen kann. Bei Jakob von Metz und Herveus Natalis läßt sich eine solche Fragestellung nicht ausmachen. Der Anonymus beginnt seine Antwort mit der Feststellung, daß die modernen Doktoren darin übereinkommen, daß zwar die göttliche Wesenheit nicht direkt vom körperlichen Auge geschaut wird, daß aber der geschaffene Intellekt dennoch zu einer Wesenserkenntnis Gottes gelangen kann 58. Über die Art und Weise, wie dies geschehen soll, sind sich, so der Anonymus, die Doktoren allerdings uneins. Der Anonymus stellt drei Meinungen zu diesem Komplex vor: (a) Die erste Meinung verteidigt die species auch in der finalen Gotteserkenntnis 59. Diese Position, die sowohl eine species als auch ein disponierendes Medium annimmt, kann wohl am ehesten Alexander von Hales zugewiesen werden, selbst wenn bei diesem die begriffliche, aber auch die Klarheit in der Position selbst noch nicht vollends ausgebildet ist 60. Jedenfalls muß sie im Rahmen der Verurteilungen von 1241 gesehen werden, wird doch hier gegen eine unmittelbare Gotteserkenntnis argumentiert. Diese Annahme wird vom Anonymus unter anderem mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daß Gott durch die aktualste Form tätig ist und daher keine bewirkende causa media benötigt beziehungsweise daß nichts derselben species sein kann wie Gott. Als zweite Meinung wird diejenige vorgestellt, die annimmt, daß Gott unmittelbar und ohne jedes Erkenntnis57
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Cf. Thomas von Aquin, Summa theologiae I (nt. 23), q. 12, a. 2, resp.: „Sed ex parte visae rei, quam necesse est aliquo modo uniri videnti, per nullam similitudinem creatam Dei essentia videri potest. […] Et hoc nullo modo per aliquam speciem creatam repraesentari potest: quia omnis forma creata est determinata secundum aliquam rationem vel sapientiae, vel virtutis, vel ipsius esse, vel alicuius huiusmodi. Unde dicere Deum per similitudinem videri, est dicere divinam essentiam non videri: quod est erroneum. Dicendum ergo quod ad videndum Dei essentiam requiritur aliqua similitudo ex parte visivae potentiae, scilicet lumen gloriae, confortans intellectum ad videndum Deum: de quo dicitur in Psalmo, ,in lumine tuo videbimus lumen‘. Non autem per aliquam similitudinem creatam Dei essentia videri potest, quae ipsam divinam essentiam repraesentet ut in se est.“ Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 5, 229rb-vb: „Respondeo. Circa questionem istam primo ponenda sunt illa in quibus moderni doctores conueniunt. Circa quod notandum quod moderni doctores conueniunt in duobus circa questionem istam. Primum est quod essentia diuina per se et directe non potest uideri oculo corporali. […] Secundum in quo doctores conueniunt circa questionem istam est istud, scilicet quod intellectus creatus, etiam humanus pertingere potest ad uidendum Deum per essentiam […].“ Cf. ibid., 230rb: „Hoc supposito inquirendum est quomodo Deus in patria clare uidetur. Dicunt rationem huius esse quia in patria cognoscitur Deus non per medium cognitum set solum per medium quo quid est, ideo cognoscere huiusmodi est species impressa intellectui beato representans diuinam essentiam clare et manifeste, sicut species coloris facta in oculo representat colorem. Quod autem oporteat talem speciem ponere, probant ipsi multipliciter. […] Ista opinio improbatur dupliciter: primo ostendendo quod in uisione beata non oportet ponere speciem […].“ Wicki, Die Lehre (nt. 4), 151.
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mittel gesehen wird 61. Der Anonymus allerdings favorisiert eine dritte Meinung, die mit der Meinung des Thomas koinzidiert: Es wird in der Gottesschau keine species benötigt, jedoch ein übernatürliches Glorienlicht, das den Menschen zur Erkenntnis Gottes befähigt. Ein wichtiger Grund für diese Annahme ist, daß nichts eine Form empfangen kann, die seine Fähigkeiten übersteigt 62. Kommen wir nun zum Text des Durandus. Wie die Überzeugungen des Anonymus aus seiner thomasischen Erkenntnisperspektive heraus konsistent sind, so fügen sich auch die Überlegungen des Durandus in dessen eigene Epistemologie ein. Durandus, so ist spätestens seit Koch bekannt, lehnt im Hinblick auf die natürliche Erkenntnis sowohl jegliche species als auch einen tätigen Intellekt ab. Der Dominikaner aus St. PourcX ain geht vielmehr von einer direkten Einwirkung der Objekte auf den intellectus possibilis aus, die sich in einem dreistufigen Prozeß zu einer Erkenntnis entfaltet: vom Phantasiebild im Verstand über die simplex apprehensio zu einem „objektiven“ Sein im Verstand, welches den Erkenntnisakt bestimmt 63. In der finalen Gotteserkenntnis behält er diese Ansicht von einer unmittelbaren Wirkweise des Objekts auf den Intellekt bei und negiert entsprechend eine vermittelnde species, aber eben auch eine Erhebung des subjektiven intellektiven Vermögens. Wie unter diesen Vorzeichen das Verhältnis zwischen unendlichem Objekt und endlichem erkennenden Subjekt zu verstehen ist, wird sich sogleich zeigen. Durandus präsentiert ebenfalls in seiner Antwort drei Meinungen, die eigentlich mit denen des Anonymus übereinstimmen, lediglich die dritte Meinung des Anonymus, also dessen eigene, präsentiert Durandus als zweite, seine eigene hingegen als dritte und letzte. Einige Gründe für die beiden ersten Meinungen übernimmt Durandus auch aus den Überlegungen des Anonymus. Seine eigene Position führt Durandus ein, indem er zunächst den beiden anderen Meinungen jegliche Effektivität in der Beweisführung abspricht: Beide Meinungen sagen nur, daß eine Gotteserkenntnis auf natürlichem Wege nicht möglich ist, sie beweisen aber nach Durandus nicht, daß eine Gotteserkenntnis deshalb aufgrund von irgendetwas Hinzugefügtem möglich ist 64. So 61
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Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 5, 231vab: „Item est opinio aliorum dicens quod essentia diuina immediate a beatis uidetur ita quod nec est ibi medium in quo, quod sit medium cognitum, nec medium quo, quod sit species, nec medium sub quo, quod sit lumen glorie confortans et eleuans intellectum, ymo sufficit essentia diuina se ipsam representans intellectui beato immediate, non mediante aliquo quod sit inferioris gradus, quodcunque sit illud.“ Cf. ibid., 232va: „Alia est opinio communior et credo uerior quod ad uidendum essentiam diuinam immediate et nude omnis intellectus creatus necessario indiget lumine supernaturali glorie, per quod disponitur ad receptionem uisionis diuine, ita quod essentia diuina de potentia ordinata uideri non potest nisi mediante isto lumine supernaturali; utrum autem de potentia absoluta posset Deus facere uisionem sui nudam in intellectu non informato lumine glorie, nichil ad presens.“ Zur Erkenntnistheorie des Durandus cf. B. Geyer (ed.), Die patristische und scholastische Philosophie, elfte, neubearb. u. mit einem Philosophen- und Literatorenregister vers. Auflage (Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie 2), Berlin 1928, 523; M. T. Beonio Brocchieri Fumagalli, Durando di S. Porziano. Elementi filosofici della terza redazione del „Commento alle Sentenze“, Florenz 1969, besonders 65-76. Cf. Durandus, In quartum librum Sententiarum (nt. 21), dist. 49, q. 2, § 21, 184vb-185ra: „Set ista non uidentur sufficere: primo, quia neutra opinio dat possibilitatem cognoscendi Deum clare et nude, set solum ostendit quod talis cognitio non est possibilis per naturam. Non sequitur autem: ,non est possibilis per
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wird beispielsweise die zweite Meinung, die zwar auf die species verzichtet, dennoch aber das lumen als eine Disposition zum Empfang der übernatürlichen Form ,Gott‘ konstatiert, von Durandus mit dem Hinweis darauf abgewiesen, daß dieses lumen als Disposition gleichermaßen eine forma supernaturalis ist wie die Form, die es empfangen soll. Entweder wird diese dann aufgrund einer natürlichen Disposition aufgenommen, und dann ist zu fragen, warum dies nicht auch schon gegenüber der übernatürlichen Form ,Gott‘ möglich sein soll, oder es wäre eine weitere übernatürliche Disposition für diese Disposition vonnöten, und somit träte dann ein unendlicher Regreß ein, denn auch hier wäre zu fragen, welche Qualität eine weitere vermittelnde Disposition hätte 65. Auch das Argument, daß durch das lumen gloriae die Distanz zwischen unendlichem Objekt ,Gott‘ und endlichem Intellekt verringert werde, weist Durandus zurück, da selbst mit übernatürlicher Disposition des Intellekts die Distanz zwischen beiden unendlich bleibt. Anschließend präsentiert Durandus seine eigene Position, die sich aus den vorhergehenden Kritiken ergibt: Die göttliche Wesenheit wird unmittelbar dem geschaffenen Intellekt repräsentiert. Zum Beweis greift Durandus ein Argument auf, das bereits im anonymen Sentenzenkommentar für diese Meinung angeführt wird: Eine klare Erkenntnis tritt dort ein, wo Vermögen und Objekt in Übereinstimmung sind und kein Hindernis diese direkte Beziehung stört. Ein solches Hindernis stellt aber nach Durandus’ Meinung jegliches Medium geringeren Grades dar. Als Erklärung dafür, daß diese Gotteserkenntnis nur im Jenseits möglich sein soll, bietet Durandus folgendes: In der Gottesschau findet ein Wechsel statt vom ordo naturae zu einem ordo divinae gratiae. Während gemäß der natürlichen Ordnung nur aus den „sensata“ und den „ymaginata“ erkannt wird, genügt in der Erkenntnis gemäß der göttlichen Ordnung die unmittelbare Präsenz der göttlichen Wesenheit gegenüber dem geschaffenen Intellekt. Denn das in der Gotteserkenntnis hinderliche Medium (also die species) kann, so Durandus, aufgrund göttlicher virtus beseitigt werden 66.
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naturam, ergo est possibilis per aliud additum nature‘; alioquin posset dici de omni impossibili, etiamsi contradictionem includeret, quod licet non esset possibile per naturam, esset tamen possibile per aliquid supernaturale additum. Neutra autem opinio, nec illa que dicit quod lumen requiritur ad eliciendum actum nec illa que dicit quod requiritur ad recipiendum ipsum, declarat quod illud lumen supernaturale det possibilitatem uidendi Deum, set solum dicit quod sine aliquo supernaturali superaddito non esset possibile Deum uidere.“ Cf. ibid., § 22, 185ra: „Secunda etiam opinio, que dicit quod lumen glorie requiritur ad suscipiendum actum uisionis beate, que est forma supernaturalis et improportionata nature, non ualet. Cum enim dicitur quod nullum subiectum est susceptiuum forme supernaturalis nisi disponatur per aliquam dispositionem supernaturalem, non est uerum, quia dispositio supernaturalis est quedam forma supernaturalis. Illa ergo aut recipitur immediate in natura aut mediante alia dispositione: si immediate, eadem ratione et quelibet alia forma supernaturalis; si mediate, aut dispositio media erit naturalis aut supernaturalis; si naturalis, habetur quod natura ex naturalibus est capax forme supernaturalis; si supernaturalis, queram quomodo recipitur in subiecto: aut mediante dispositione naturali aut supernaturali. Et sic proceditur in infinitum nisi stetur in hoc quod forma supernaturalis recipiatur in intellectu absque dispositione supernaturali.“ Cf. ibid., § 24, 185rb: „Tertius modus est quod ad uidendum Deum clare et manifeste non requiritur species representans diuinam essentiam, ut dicit prima opinio, nec aliquod lumen creatum eleuans intellectum, ut dicit tam secunda opinio quam prima, set sufficit quod diuina essentia immediate representetur intellectui creato. Quod utique non potest fieri secundum ordinem nature, quem experimur, secundum que*m+ nichil intelligimus
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Über das Motiv des Herveus, die Frage nach dem lumen gloriae weder in seinem Werk über die Seligkeit noch anderswo in extenso zu behandeln, kann nur spekuliert werden. In seinem fünften ,Quodlibet‘, das wohl erst in die zwanziger Jahre des 14. Jahrhunderts datiert, diskutiert Herveus diese Frage zwar kurz und favorisiert schließlich auch die Annahme eines solchen Glorienlichts. Tatsächlich aber zeigt sich seine Erörterung eher unentschieden, denn Herveus läßt insgesamt offen, ob nicht doch die intellektive Potenz die visio Dei aufnehmen kann allerdings nur aufgrund der göttlichen virtus 67. Diese Position erinnert uns an diejenige des Durandus, und sie wird hier nicht strikt abgewiesen. Die Erörterung im ,Quodlibet‘ ist so kurz gehalten, daß leicht erkennbar ist, daß Herveus nicht wirklich gewillt ist, sich darüber zu äußern, vielmehr scheint er sich in einer quodlibetalen Diskussion dieser Frage nicht entziehen zu können. An sämtlichen anderen Stellen, an denen er freimütig seinen eigenen thematischen Vorlieben hätte nachgehen können, hat Herveus diese Frage jedenfalls nicht behandelt, wahrscheinlich deshalb, weil er dieses übernatürliche Erkenntnismittel nicht vorbehaltlos verteidigen konnte, gleichzeitig aber auch keine Angriffsfläche für dessen Gegner bieten wollte. Ein weiterer expliziter Gegner und Mitverfasser der Irrtumsliste, Petrus de Palude, der um 1310 die Sentenzen liest, stellt seine explizit gegen Durandus gerichtete Darlegung zum Erweis der Notwendigkeit eines solchen Glorienlichts an erste Stelle seiner Erörterung im Sentenzenkommentar. Petrus hängt in seiner Themenwahl und auch in der Bearbeitung dieser Themen stark von Durandus ab und zitiert immer wieder Passagen aus Durandus’ Erörterung 68. Petrus’ Un-
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nisi ex sensatis et ymaginatis, set potest hoc fieri secundum ordinem diuine gratie.“ Cf. Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 5, 231vb. Cf. Herveus Natalis, Quodlibet V, q. 1 (nt. 5), 120rb: „Secundum quod premitto est quod dupliciter potest contingere quod aliquis actus non recipiatur in aliquo: uno modo, quia potentia receptiua talis actus et ipse actus ei simpliciter repugnat […]; alio modo, quia si sibi simpliciter non repugnat, tamen in eo uel non est potentia receptiua immediata set remota […]; tertio etiam posset dici quod aliquid recipitur ad talem receptionem non simpliciter et absolute […] set ad bene esse […]. Modo dico quod intellectus non se habet ad uisionem primo modo, quia tunc impossibile esset uisionem beatam esse in intellectui humano quacunque uirtute; si autem se haberet tertio modo, tunc uirtute diuina posset ei inesse talis uisio sine quocunque habitu luminis […]; si autem secundo modo, tunc uisio beata posset inesse intellectui creato, set non sine lumine […]. De primo constat, scilicet quod uisio non repugnat modo intellectui creato, quia nunquam posset inesse. Set quis modus sit uerior secundus uel tertius, credo quod a uiatore per certitudinem sciri non potest; et ideo quilibet illorum modorum probabiliter teneri potest, quod tamen lumen glorie requiratur altero duorum modorum ultimorum, scilicet secundo modo uel tertio, doctrine communi et dictis sanctorum et sacre scripture congruit.“ Dabei ist anzumerken, daß Petrus einen durandischen Text rezipiert, der auch Abschnitte der B-Fassung enthält. So lautet das Contraargument des Petrus de Palude in Buch IV, dist. 49, q. 1 (Ms. Basel, Universitätsbibliothek, B II 23, 177vb-178ra): „Contra, quia omnis potentia potest tendere per actum suum in omne [coni.; esse cod.] illud in quo inuenitur ratio per se obiecti sui; set ratio formalis obiecti intellectus est ens secundum quod ens secundum Auicennam, que ratio potissime inuenitur in Deo; ergo uidetur quod intellectus creatus propria uirtute possit attingere ad intelligendum Deum secundum se.“ Dieser Text findet sich nicht im Contraargument der durandischen A-Fassung; er ist jedoch identisch mit einer Ergänzung dieses Arguments, wie sie sich in den Manuskripten der durandischen Fassung B und in der Venediger Druckausgabe von 1571 beobachten läßt; cf. Buch IV, dist. 49, q. 2, § 6 (cf. e. g. Ms. Erlangen, Universitätsbibliothek, 256, 90vb-91ra; ed. Venetiis 1571, 412vb).
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tersuchung ist umfangreich und ziemlich kompliziert, letztlich zeigt sich aber, daß er eine klassische Argumentation für das lumen gloriae verfolgt, wenn er folgende drei Thesen zu beweisen sucht: Erstens kann Gott nicht auf natürliche Weise vom geschaffenen Intellekt gesehen werden, zweitens kann Gott nicht durch eine species klar gesehen werden, und drittens kann Gott - zumindest von der potentia ordinata her - nicht ohne ein Glorienlicht gesehen werden 69. Der Nachsatz zur dritten These, daß Gott gleichwohl von der potentia absoluta her ohne ein solches Gnadenmittel gesehen werden kann, könnte eine Reminiszenz an Durandus’ Behauptung sein, daß es in der finalen Gotteserkenntnis aufgrund der virtus divina einen Wechsel der Ordnung gibt 70. Insgesamt aber versucht Petrus, die Deviation des Durandus in dieser Frage - so wie in anderen auch im Sinne des Thomas zu korrigieren. IV. Bemerkung en zur Chronologie der Werke Betrachten wir in einem letzten Schritt das Verhältnis zwischen dem anonymen Sentenzenkommentar, Herveus’ ,De beatitudine‘ und Durandus’ Sentenzenkommentar. Durch die Arbeiten Kochs wissen wir, daß Durandus’ erste Redaktion seines Sentenzenkommentars spätestens 1308 vorlag, denn Herveus Natalis kritisiert in seinem zweiten Quodlibet einige Thesen aus diesem Kommentar 71. Sämtliche weitere Werke lassen sich jedoch lediglich konjizierend datieren. Die aktuelle Forschung schlägt für den Text des Anonymus mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit die Jahre um 1305 vor. Sicherlich kann, so wurde über die andeutenden Hinweise in dieser Untersuchung hinaus bereits bemerkt, der Sentenzenkommentar des Jakob von Metz als eine Quelle des anonymen Kommentars gelten. Besonders L. Hödl hat gezeigt, daß der Anonymus seinen Text nach der zweiten Fassung des jakobschen Kommentars und auch nach dem ,Correctorium fratris Jacobi‘ des Herveus Natalis und vor der ersten Fassung des durandischen Sentenzenkommentars verfaßt hat. Die Datierung des jakobschen Kommentars, der in zwei Fassungen als Reportationen auf uns gekommen ist, ist jedoch umstritten. B. Decker ging von einem Entstehungszeitraum zwischen 1300 und 1302/03 aus. Als Ausgangspunkt dient Dek69
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Cf. Petrus de Palude, In quartum librum Sententiarum (nt. 68), dist. 49, q. 1, 178ra: „Responsio. Ad huius questionis euidentiam sunt tria uidenda: primo quod Deus ex puris naturalibus ab intellectu creato uideri non potest; secundo quod non potest clare uideri per speciem; tertio quod non potest uideri sine lumine habituali etiam de potentia ordinata, quamuis possit de potentia absoluta.“ Zur Unterscheidung zwischen potentia Dei ordinata und absoluta siehe W. J. Courtenay, Capacity and Volition. A History of the Distinction of Absolute and Ordained Power (Quodlibet 8), Bergamo 1990. Cf. J. Koch, Durandus de S. Porciano O.P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Erster Teil: Literargeschichtliche Grundlegung (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen 26), Münster 1927, 60 sq.
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ker Jakobs Abhängigkeit von der ,Lectura Thomasina‘, die er aus gewissen Gründen auf 1300 datiert 72. Als Endpunkt gilt Decker die Tatsache, daß Herveus Natalis in seiner Sentenzenlesung keinen Bezug auf Jakobs Lektüre nimmt, weshalb Decker von einer gleichzeitigen Sentenzenlesung beider ausging, mithin 1302/03 sowohl für Herveus’ Lesung als auch für Jakobs erste Lesung - die zweite Lesung Jakobs sollte kurz darauf entstanden sein (wohl 1304/05) 73. Im Anschluß an Decker versucht auch L. Ullrich in seiner Untersuchung diese Datierung zu erhärten 74. Th. W. Köhler diskutiert in seiner Studie zu Jakob von Metz ausführlich die Forschungslage. Besonders das Deckersche Argument ex silentio, das Decker darauf schließen ließ, daß weder Jakob noch Herveus das Werk des jeweils anderen kannten und daß damit eine relativ gleichzeitige Entstehungszeit wahrscheinlich sei, kritisiert Köhler als ein nicht stichhaltiges Argument, speziell vor dem Hintergrund, daß Herveus’ ,Ordinatio‘ seiner Sentenzenkommentierung erst weit nach Jakobs Lesung veröffentlicht wurde 75. Aber auch den terminus a quo will Köhler nicht unbedingt an das Jahr 1300 und an die ,Lectura Thomasina‘ gebunden wissen, da die wenigen wörtlichen Übereinstimmungen durchaus auch anders zu erklären seien 76. Vielmehr ,verschiebt‘ Köhler die jeweiligen Lesungen auf circa zwei Jahre früher, also die erste Lesung auf das Schuljahr 1300/01 und die zweite auf spätestens 1302/03. Von dieser zweiten Lesung nun hängt das ,Correctorium fratris Jacobi‘ des Herveus ab, das sollte es unmittelbar auf die Sentenzenlesung gefolgt sein - um 1303/04 geschrieben sein könnte. Sollte der Anonymus ebenfalls direkt auf dieses ,Correctorium‘ geantwortet haben, so können wir dessen Text als um 1304-06 entstanden annehmen. Diese letzte Datierung stimmt auch mit den Überlegungen überein, die zum anonymen Sentenzenkommentar gemacht worden sind. Bereits L. Hödl hat - wie angedeutet - versucht, den Zeitpunkt der Entstehung dieses Werkes zu bestimmen. Sein Verdienst ist zunächst jedoch, gegen A. Fries gezeigt zu haben, daß es sich bei dem anonymen Kommentar eben nicht um den Kommentar des Herveus Natalis handelt 77, sondern um einen Kommentar aus der Schule des Jakob von Metz 78. Hödl situiert den anonymen Kommentar zeitlich ebenfalls zwischen dem ,Correctorium fratris Jacobi‘ einerseits und setzt als 72
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76 77
78
Cf. B. Decker, Die Gotteslehre des Jakob von Metz. Untersuchungen zur Dominikanertheologie zu Beginn des 14. Jahrhunderts, ed. R. Haubst (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen 42, 1), Münster 1967, 29. Cf. Decker, Die Gotteslehre (nt. 72), 95 sqq. Cf. L. Ullrich, Fragen der Schöpfungslehre nach Jakob von Metz O.P. Eine vergleichende Untersuchung zu Sentenzenkommentaren aus der Dominikanerschule um 1300 (Erfurter theologische Studien 20), Leipzig 1966, 30 sq. Cf. Th. W. Köhler, Der Begriff der Einheit und ihr ontologisches Prinzip nach dem Sentenzenkommentar des Jakob von Metz O.P. (Studia Anselmiana 58), Rom 1971, 25 sq. Eine finale Redaktion dieses Textes ist ab 1309 anzunehmen; Decker, Die Gotteslehre (nt. 72), 73-77. Cf. Köhler, Der Begriff (nt. 75), 27. Cf. A. Fries, Quaestiones super quartum librum sententiarum Hervaeo Natali O. P. vindicatae, in: Angelicum 13 (1936), 498-533. Cf. Hödl, Die Grundfragen (nt. 12), 135-141.
Seligkeitsdebatten um 1308
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terminus ad quem andererseits die Sentenzenlesung des Petrus de Palude an, der den anonymen Kommentar gleichfalls verwertet 79. Hödl schließt damit auf die Zeit zwischen 1305 und 1309, mit der Tendenz zum zuerst genannten Zeitpunkt. Wie ist nun Herveus’ ,De beatitudine‘ in dieses Bild zu integrieren? Während dieses Werk allgemein unter der Bezeichnung eines Traktates firmiert 80, kann, so denke ich, mit Koch und Hödl gezeigt werden, daß es sich dabei viel eher um Quaestiones disputatae handelt 81. Abgesehen von der Tatsache, daß zu Beginn des 14. Jahrhunderts nicht von allzu vielen vorhandenen Traktaten auszugehen ist, lassen sich zudem deutlich die Spuren der vorangegangenen Diskussionen im Text nachweisen. (1) Alle fünf behandelten Themenkomplexe weisen eine Leitfrage auf. (2) Alle Themenkomplexe beginnen mit einer Fülle an Proargumenten, die auf einen teilnehmenden Bakkalar zurückgehen dürften. (3) Die Responsiones beginnen zumeist mit einer Aufzählung der entsprechenden Meinungen zum Thema, die vielleicht ebenfalls auf einen zunächst respondierenden Bakkalar zurückgehen könnten. Die Antwort des Magisters wird erst im zweiten Teil der Responsio angeführt. Damit handelt es sich bei allen Themenkomplexen um einzelne Quästionen, die wohl in der Magisterzeit des Herveus, mithin in den Jahren 1307-09 diskutiert wurden. Und dies könnte durchaus sehr gut mit den hier beobachteten Tatsachen zusammengehen: (1) Herveus kann unter diesen Umständen ohne weiteres den Anonymus zitieren, der vor ihm bereits seinen Kommentar fertiggestellt hat. Daß Herveus den Text des Anonymus zitiert, legt sich durch einen Vergleich beider Werke nahe. Zunächst einmal ist jedoch zu sagen, daß der zitierte Text im schriftlichen Original vorgelegen haben mußte, denn die wörtlichen Übereinstimmungen, insbesondere angesichts der vierten Quästion beider Werke, sind frappierend genau. Dennoch zeigt sich, daß Herveus an den Stellen außerhalb der vierten Quästion, an denen die Übereinstimmung so überzeugend ist, sich kürzer faßt, also nicht jeweils das gesamte Argument ausschreibt 82. Zudem läßt Herveus konsequent die Hinweise auf die 79
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82
Tatsächlich scheint die Sentenzenlesung des Petrus de Palude weniger geeignet als der Kommentar des Durandus, da Petrus seinen Kommentar erst einige Zeit nach seiner Lesung fertiggestellt hat und somit nachträglich noch auf den anonymen Kommentar zurückgegriffen haben könnte. V. Heynck zum Beispiel optiert für eine relativ späte Entstehung des Buches IV, nämlich Ende 1314 beziehungsweise Anfang 1315; cf. V. Heynck, Zur Datierung des Sentenzenkommentars des Petrus de Palude, in: Franziskanische Studien 53 (1971), 317-327, 322 sq.; 325. So spricht auch die Venediger Ausgabe des M. A. Zimara von 1513 (nt. 5) von einem „tractatus“, schreibt das Werk aber dem „Magister“ Herveus zu. Cf. Geyer (ed.), Die patristische und scholastische Philosophie (nt. 63), 530; Koch, Durandus de S. Porciano (nt. 71), 268-271; Hödl, Die Quodlibeta Minora des Herveus Natalis O.P. († 1323), in: Münchener theologische Zeitschrift 6 (1955), 215-229, besonders 218. Hödl bezieht sich zwar an dieser Stelle auf den „Traktat“ ,De unitate formarum‘, seine Bemerkungen dürften aber auf alle herveischen „Traktate“ auszuweiten sein. Cf. e. g. Herveus Natalis, Quaestiones de beatitudine, q. 1 (nt. 5), 1ra mit Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 1, 212ra; 2ra (Herveus) mit 212va (Anonymus); 2rb (Herveus) mit 212vb-213ra (Anonymus).
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Fundorte bei Aristoteles aus 83. Beides scheint mir aber darauf hinzudeuten, daß Herveus den Anonymus liest und eben diese Stellen ausläßt und nicht, daß der Anonymus sie nachträglich hinzufügt. (2) Die Polemik gegen Durandus, die ab 1308 das Schrifttum des Herveus durchzieht, kann im vorliegenden Falle nicht beobachtet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß dieses Kriterium ein eher schwaches Argument ist, da Herveus auch in späteren Werken nichts zu den genannten Themen gegen Durandus äußert. (3) Wenn Herveus’ ,De beatitudine‘ als quasi gleichzeitig mit der ersten Redaktion des durandischen Sentenzenkommentars angenommen wird, läßt sich auch erklären, warum Durandus zwar einige gedankliche und sprachliche Gemeinsamkeiten mit dem anonymen Text aufweist, aber keine solchen Gemeinsamkeiten mit dem Text des Herveus, obwohl Durandus zum Beispiel den Sentenzenkommentar des Herveus normalerweise ausgiebig rezipiert 84. Damit ließe sich also zusammenfassend folgende wahrscheinliche Chronologie erstellen: Die Reportation zu Jakobs zweiter Sentenzenlesung entsteht etwa 1302/03. Diese Lesung spiegelt sich wider in der Kritik des etwa 1303/04 entstandenen ,Correctorium‘ des Herveus. Dieses wird wiederum im gegen 130406 entstandenen anonymen Sentenzenkommentar kritisiert, der selbst wiederum in die um 1307 gehaltenen ,Quaestiones de beatitudine‘ des Herveus Eingang findet. Durandus schließlich benutzt diesen anonymen Text ebenfalls, ohne jedoch von der Rezeption des Herveus Kenntnis gehabt zu haben. Von Durandus wissen wir, daß er spätestens 1308 die erste Fassung seines Kommentars fertiggestellt hatte. Die aktuelle Forschung - im Anschluß an A. Maier - geht davon aus, daß Durandus bereits vor seiner Pariser Sentenzenlesung in einem Studium der französischen Provinz die Sentenzen gelesen hat 85. Im Jahre 1303 unterzeichnet Durandus den Appell der Pariser Universität an ein allgemeines Konzil gegen Papst Bonifaz VIII. 86 W. J. Courtenay betont neuerdings gegen I. Iribarren, daß Durandus im akademischen Jahr 1307/08 sich wiederum in Paris befindet, wird er doch im Zusammenhang mit der Anhörung der Templer genannt 87. Dabei hat er noch nicht die Funktion eines Sententiars inne, wie Koch meinte, sondern seine Lesung in Paris ist für das folgende Schuljahr vorgesehen. Wo Durandus sich in der Zeit zwischen 1303 und 1307 aufgehalten hat, wissen wir 83
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Cf. e. g. Herveus Natalis, Quaestiones de beatitudine, q. 1 (nt. 5), 2rab mit Anonymus, In quartum librum Sententiarum (nt. 5), dist. 49, q. 1, 212vab; 2rb (Herveus) mit 212vb (Anonymus). Cf. Ullrich, Fragen der Schöpfungslehre (nt. 72), 96. Siehe zu dieser Tradition exemplarisch Ch. Schabel/R. L. Friedman/I. Balcoyiannopoulou, Peter of Palude and the Parisian Reaction to Durand of St PourcX ain on Future Contingents, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 71 (2001), 183-300, besonders 188. Cf. H. Denifle/A. Chatelain (eds.), Chartularium Universitatis Parisiensis, vol. 2, Paris 1891 [Nachdruck: Bruxelles 1964], n. 634, 101 sq. Siehe dazu auch W. J. Courtenay, Between Pope and King: The Parisian Letters of Adhesion of 1303, in: Speculum 71 (1996), 577-605. Siehe dazu Courtenays Beitrag „The Role of University Masters and Bachelors at Paris in the Templar Affair, 1307-1308“ in diesem Band, 171-181; I. Iribarren, Durandus of St PourcX ain. A Dominican Theologian in the Shadow of Aquinas (Oxford Theological Monographs), Oxford 2005, 108.
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nicht. Es ist jedenfalls nicht unwahrscheinlich, daß er die Zeit an einem Studium der Provinz verbrachte. Was er dort machte, scheint offensichtlicher zu sein: Er muß eifrig an seiner ersten Redaktion gearbeitet haben, wenn dieses umfangreiche Werk 1308 fertiggestellt sein sollte. Zwei mögliche Szenarien lassen sich entwerfen. Szenario 1: Durandus kommentiert die Sentenzen in diesem Ordensstudium und präpariert zeitgleich eine Ordinatio zu diesem Text, die wir als Fassung A kennen 88. Unter diesen Umständen muß allerdings Durandus’ Bemerkung unverständlich bleiben, daß ihm dieses Werk vor seiner Vollendung entwendet und gegen seinen Willen verbreitet worden sei, denn eine Sentenzenlesung - auch in einem Provinzstudium - war eine offizielle Angelegenheit, die jeder mitschreiben konnte, so daß die Rede vom Entwenden (subreptum) vor der eigentlichen Publikation eher überraschend anmutet 89. Szenario 2: Durandus arbeitet spätestens seit etwa 1305 unter Konsultation des anonymen Sentenzenkommentars an einem Scriptum, also einer Vorlesungsgrundlage, in der Absicht, dieses Scriptum in Paris zu verlesen. Vielleicht ist ihm seine erste Fassung tatsächlich entwendet worden und vor ihrer Verlesung verbreitet worden, vielleicht hat Durandus aber auch begonnen, die Redaktion A öffentlich zu verlesen, jedoch so starke Kritik erfahren, daß er sich - noch vor beiden offiziellen Irrtumslisten (1314 und 1316/17) - entschloß, eine moderatere Version, die Fassung B, herauszugeben, die als offizielle Ordinatio zur Pariser Lesung gelten sollte. Die oben angedeutete Chronologie, die von einer relativ zügigen Reaktion der einzelnen Denker auf die Werke ihrer Vorgänger ausgegangen war, macht es doch sehr wahrscheinlich, daß Durandus sich während der Arbeit an Buch IV der ersten Fassung in Paris aufhielt, vielleicht also schon vor 1307. Der anonyme Kommentar, den Durandus berücksichtigt, kann nicht viel früher als 1305 vorgelegen haben. Dann hätte Durandus immerhin zwei Jahre zur Verfügung gehabt, diesen ausgiebigen Kommentar zu lesen und in seinem eigenen vierten Sentenzenbuch zu verwerten. Diese Zeit wird aber auch notwendig gewesen sein, denn Durandus’ Buch IV ist gleichfalls sehr umfangreich gestaltet 90. Die Entstehung des anonymen Kommentars in Paris legt sich deshalb nahe, weil er 88
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Daß es sich um keine Schülermitschrift handeln kann, sich vielmehr um eine vom Autor nicht nur redigierte, sondern auch erstellte Fassung handeln muß, läßt sich leicht am Text erweisen. Darauf hat übrigens bereits V. Heynck hingewiesen; cf. V. Heynck, Die Behandlung der Lehre von dem Wiederaufleben der Taufe in den Sentenzenkommentaren des Durandus de S. Porciano, in: Franziskanische Studien 42 (1960), 27-50, besonders 45 sq. Dieser Vorwurf des Entwendens, den Durandus in seiner C-Fassung erhebt, hatte bereits A. Maier darauf schließen lassen, daß die Fassung A ein Scriptum sein könnte. Maier war allerdings dann davon ausgegangen, daß B die Reportatio dieser Lesung sein sollte - eine Meinung, die wir durchaus nicht teilen; cf. A. Maier, Literarhistorische Notizen über Petrus Aureoli, Durandus und den „Cancellarius“ nach der Handschrift Ripoll bis in Barcelona, in: Gregorianum 29 (1948), 213-251 [wiederabgedruckt in: Ausgehendes Mittelalter. Gesammelte Aufsätze zur Geistesgeschichte des 14. Jahrhunderts, vol. 1, Rom 1964, 139-173, hier 152]. Der anonyme Kommentar geht in der Handschrift Vat. lat. 985 über 244 Folioseiten, der Kommentar des Durandus nimmt im Venediger Manuskript immerhin 120 Folioseiten (76ra-196va) in Anspruch.
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vergleichsweise zügig auf das ,Correctorium‘ des Herveus antwortet und weil er die zweite Lesung des Jakob von Metz verteidigt 91. Es scheint also, daß alle hier genannten Werke zwischen 1302/03 und 1307 in Paris entstanden sind. V. Zum Schluß Rückblickend läßt sich also sagen, daß die genannten Texte des Anonymus, des Herveus und des Durandus Themenkomplexe aufgreifen, die mit den Bearbeitungen Alberts des Großen und Thomas’ von Aquin zum Standard in der Frage nach der Seligkeit wurden, die aber aufgrund der Zuspitzung einzelner Elemente insbesondere bei Durandus zu Thesen führen, die eher aus dem damaligen Mainstream herausfallen. Gerade im Hinblick auf die Frage nach dem lumen gloriae zeigen sich die unterschiedlichen Herangehensweisen sehr deutlich: Während der Anonymus in traditionellen Argumentationsmustern verbleibt und Durandus diese sprengt, verzichtet der sogenannte Thomist Herveus Natalis vollkommen auf eine Erörterung. Ein anderer Thomist und - so könnten wir hinzufügen - Antidurandist, Petrus de Palude, kommentiert Durandus’ Erörterungen im Detail. In diesem Sinne zeigen sich die hier angedeuteten Debatten um die Seligkeit als typisch für die Zeit um 1308. Kritische Anfragen an die Theologie des Thomas von Aquin, die sich um die Jahrhundertwende herausbilden, wie im Sentenzenkommentar des Jakob von Metz oder in dem von ihm abhängigen anonymen Sentenzenkommentar, werden von Durandus aufgegriffen und ausdifferenziert, ja radikalisiert. Viele Dominikaner, die bestrebt waren, die Theologie des Aquinaten als Ordenslehre zu etablieren, nahmen an den Positionen des Durandus Anstoß und eröffneten eine harte Auseinandersetzung mit ihrem Ordensbruder. Somit erhält der Kampf des Ordens um die Lehre des Thomas von Aquin über die bekannten Auseinandersetzungen im sogenannten Korrektorienstreit in den 80er Jahren des 13. Jahrhunderts hinaus einen weiteren Höhepunkt um 1308, diesmal aber ausgehend von Kritik, die innerhalb des eigenen Ordens geäußert wurde. Ein interessanter Punkt sei abschließend noch angeführt. Dietrich von Freiberg ist sicherlich ein prominenter Gegner des Thomas und besonders auch ein Kritiker der lumen gloriae-Theorie. Seine alternative Ablehnung des lumen gloriae aufgrund der Ansicht, daß der tätige Intellekt in der Gottesschau durch sein 91
Gegen Decker, Die Gotteslehre (nt. 72), 96, und mit Köhler, Der Begriff (nt. 75), 27 sq., gehe ich davon aus, daß Jakob von Metz zumindest seine zweite Lesung in Paris gehalten haben könnte. Als Grund scheint mir die Tatsache ausreichend, daß ein Denker wie Herveus ein Correctorium gegen Jakob veröffentlicht, was wohl vollkommen übertrieben gewesen wäre, hätte es sich bei Jakob um einen Denker gehandelt, der lediglich in der Provinz gewirkt hätte. Selbst wenn Jakob persönlich nicht in Paris gewesen ist, so scheinen doch seine Thesen um 1303/04 in Paris so virulent gewesen zu sein, daß Herveus sich genötigt sah, diese zu bekämpfen.
Seligkeitsdebatten um 1308
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Wesen tätig wird und daher eines Erkenntnismediums nicht bedarf 92, scheint im Kontext der hier nachgezeichneten Debatte keineswegs rezipiert worden zu sein. Die Auseinandersetzungen in Paris dürften demnach nicht durch Wortgefechte, die in der deutschen Provinz geführt wurden, befruchtet worden sein. Vielmehr setzt die Theologie in Paris um 1308 andere Akzente als die Theologie in der deutschen Provinz zu ungefähr derselben Zeit.
92
Cf. dazu Dietrich von Freiberg, Tractatus de visione beatifica. Abhandlung u¨ber die beseligende Schau, lat./dt., u¨bers. und hrsg. von B. Mojsisch, Tiflis 2003, besonders 120-123.
1. Vtrum beatitudo sit aliquid creatum (211vb-216rb ) 2. Vtrum beatitudo sanctorum sit maior post resurrectionem quam ante (216rb-218va ) 3. Vtrum beatitudo consistat in actu intellectus an uoluntatis (218va-224rb ) 4. Vtrum beatitudo consistat in uisione reflexa (224rb-229ra ) 5. Vtrum intellectus creatus possit eleuari ad hoc quod uideat Deum per essentiam (229rb-234rb )
2. Vtrum beatitudo creature sit aggregatio omnium perfectionum creature (3rb-4vb )
3. Vtrum beatitudo consistit in actu uoluntatis uel intellectus (4vb-6rb )
4. Vtrum beatitudo consistat in uisione reflexa (6rb-9va )
5. Vtrum formale in obiecto beatitudinis secundum quod beatitudo sit bonum uel aliquid aliud (9va-10ra )
Anonymus, In quartum librum Sententiarum, d. 49 (Ms. Vat. lat. 985)
1. Vtrum beatitudo sit aliquid creatum in creatura (1ra-3rb )
Herveus Natalis, Quaestiones disputatae de beatitudine (ed. Venetiis 1513)
Übersicht
5. Vtrum Deus posset esse immediatum obiectum delectationis (189va-191rb )
4. Vtrum beatitudo nostra consistat principaliter in uisione diuine essentie (187va-189va )
3. Vtrum beati uidentes diuinam essentiam uideant in ipsa omnia alia (186ra-187va )
2. Vtrum aliquis intellectus creatus possit uidere clare et manifeste uisione intellectuali (183rb-186ra )
1. Vtrum beatitudo consistat in bonis corporis (182vb-183rb )
Durandus, In quartum librum Sententiarum, d. 49 (Ms. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Marc. Lat. Z. 104 [= 2004])
q. 2, a. 5
q. 2, a. 1
q. 1, aa. 1-2
Thomas v. Aquin, Scriptum super librum Sententiarum IV, d. 49
q. 4
q. 3
q. 2
q. 1
q. 8
Petrus de Palude, In quartum librum Sententiarum, d. 49
q. 4
q. 2
q. 1
Jakob v. Metz, In quartum librum Sententiarum, d. 49
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7. Vtrum beatitudo sanctorum sit futura maior post resurrectionem quam sit modo (192rb-193rb )
7. Vtrum ratione uirginitatis debeatur alicui aureola (235rb-236va ) 8. Vtrum omnes homines appetant summe et de necessitate beatitudinem (193rb-194va )
6. Vtrum uiatori manenti in statu uie possit communicari uisio Dei intuitiua que non sit beatifica (191rb-192rb )
6. Vtrum bene distinguantur tres aureole (234va-235rb )
q. 1, a. 3
q. 5, a. 5, qc. 2
q. 1, a. 4
q. 5, a. 5
q. 2, a. 7
q. 7
q. 6
q. 5
q. 3
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Durandus de St. Porciano - ein Wendepunkt in der Debatte um die Gleichheit der Seelen? Henrik Wels (Würzburg) Am 10. Dezember 2008 jährt sich zum 60. Male die Verabschiedung der Menschenrechtserklärung durch die Vereinten Nationen. Veranlaßt von der „Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte“, die kurz zuvor „zu Akten der Barbarei geführt“ hatten, wie es in der Präambel der Erklärung heißt, wurde vor 60 Jahren, 1948, in Paris die ,Allgemeine Erklärung der Menschenrechte‘ herausgegeben. Deren erster Artikel lautet bekanntermaßen: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ 1 Es ist klar, daß dieser erste Artikel die Voraussetzung und conditio sine qua non dafür bildet, daß die folgenden spezielleren Rechte tatsächlich allen Menschen zukommen. Die Gleichheit der Menschen als Menschen soll den Geltungsbereich dieser Rechte universal absichern. Gleichzeitig wird noch eine wesentliche Eigenschaft dieses Menschseins benannt, nämlich die Begabtheit mit Vernunft. In der lateinischen Übersetzung der Menschenrechtsdeklaration, die sich ebenfalls auf der Homepage der Vereinten Nationen findet, heißt der Artikel: „Omnes homines liberi aequique dignitate atque juribus nascuntur. Ratione conscientiaque praediti sunt et alii erga alios cum fraternitate se gerere debent.“ 2 Der Begriff ,ratio‘ weist hier zurück auf die den Menschen in seinem Menschsein bestimmende anima rationalis der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Philosophie. In erster Linie geht dieser Artikel auf den ersten Artikel der französischen Menschenrechtserklärung vom 26. August 1789 und auf den Beginn der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 zurück. Die nur einen Tag nach der Verabschiedung durch den Kongreß im ,Pennsylvanischen Staatsboten‘ erschienene deutsche Übersetzung der entscheidenden Stelle der ,Declaration of Independence‘ lautet: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen wurden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind.“ 3 Was hat dies alles mit dem Jahr 1308, dem eigentlichen Thema dieses Tagungsbandes, zu tun, außer daß in zwei der oben genannten Jahreszahlen 1 2 3
Cf. URL: http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.html Cf. URL: http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ltn1.html Cf. URL: http://www.dhm.de/sammlungen/gifs/sammlungen/dokumente1/do93_101.jpg
Durandus de St. Porciano
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ebenfalls eine 8 am Ende steht? Zwei kleine Ereignisse des Jahres 1308 haben jedoch einen mehr oder weniger direkten Bezug zu dem, was sich in den Jahren 1776 und 1948 beziehungsweise 2008 ereignen soll. Zum einen fertigt der Papst am 12. August 1308 die Konvokationsbulle für das Konzil von Vienne aus, auf dem dann 1312 die Adaptation der aristotelischen Seelenlehre durch Thomas von Aquin gegen Petrus Johannes Olivi anerkannt und die anthropologische Formel ,anima forma corporis‘ und die Einzigkeit dieser Form zum Dogma erhoben wird 4. Zum anderen kommentiert 1308 Durandus de St. Porciano in Paris die Sentenzen des Petrus Lombardus und stellt sich anläßlich der 32. Distinktion des zweiten Buches die Frage, „ob alle Seelen von ihrem Ursprung her gleich sind“ - „Utrum omnes animae ab origine sint aequales.“ 5 Diese Frage hängt aufs engste mit den anthropologischen Überlegungen Thomas von Aquins zusammen, die zu seiner Zeit sehr umstritten waren, von denen aber eben auch Teile auf dem Viennenser Konzil approbiert wurden. Die Frage des Durandus zeigt, daß das, was in der Unabhängigkeitserklärung von 1776 als eine selbstevidente Wahrheit (self-evident truth) gesetzt wurde, nämlich „that all men are created equal“ 6, um 1308 - zumindest was die Seele des Menschen betrifft - alles andere als selbstverständlich war. Trotz aller Differenzen der Textgattungen, hier eine Erklärung, dort eine Disputation, scheint es offensichtlich, daß nach dem Übergang zur Moderne kein Bedarf mehr herrschte, die Grundlagen und Voraussetzungen dieser Gleichheit zu problematisieren, sondern man war eher gewillt sie als unhintergehbar zu akzeptieren, ohne sich freilich bis heute in allen Belangen strikt danach zu richten. Gleichzeitig verhinderte man mit der Feststellung, es handle sich um eine selbstevidente Wahrheit, die Möglichkeit einer negativen Antwort und öffnete den Raum für die verschiedensten Anthropologien unter dieser einen Bedingung. Mit dem Verschwinden einheitlicher anthropologischer Vorgaben, wie zum Beispiel der anima forma corporis-These, und theologischer Bestimmungen, wie zum Beispiel der Unsterblichkeit der Seele oder der Erbsünde, verschwand auch die Möglichkeit, Gleichheit oder Ungleichheit der Menschen vermeintlich zu beweisen. Da die Annahme einer essentiellen Gleichheit der Menschen die Bedingung der Möglichkeit darstellt, um mit anderen Menschen überhaupt in ein sinnvolles Gespräch über diese Wahrheit eintreten zu können, ist ihre Ansetzung als selbstevident allerdings mehr als gerechtfertigt. Die politische Umsetzung dieser selbstevidenten Wahrheit und der aus ihr folgenden Rechte und die 4
5
6
Cf. H. Denzinger/A. Schönmetzer (eds.), Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg i. Br.-Rom [etc.] 1963, 284, no. 902. Cf. Durandus a sancto Porciano, In Petri Lombardi Sententias Theologicas Commentariorum libri IIII, Venetiis 1571 [Nachdruck: Ridgewood, New Jersey 1964, vol. 1, 186 (lib. 2, dist. 32, q. 3)]. Cf. ,The Declaration of Independence‘, abgedruckt im Anhang I bei A. Hoßbach, Die Menschenrechte, Braunschweig 1948, 96: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“
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gebotene politische Priorität dieses ersten Grundlagenartikels haben leider in den meisten Fällen dagegen eher reinen Aufforderungscharakter, als daß sie Richtschnur und Leitlinie des Handelns politischer Entscheidungsträger wären. Im Mittelalter jedenfalls stand diese Wahrheit, zumindest was die Seele als den wesentlichen Teil des Menschen betrifft, zur Diskussion. Und in mehr als einer Hinsicht kann es nützlich und erhellend sein, sich Entstehung und Verlauf so wie die Pro- und Kontra-Argumente beider Seiten zu vergegenwärtigen. Durandus ist dabei nicht der erste, der diese Frage so stellt. Ihren Ursprung nimmt sie in einer kleinen Bemerkung des Petrus Lombardus am Ende der 32. Distinktion seines zweiten Sentenzenbuches. Nachdem der Lombarde unter Rückgriff auf Augustinus davon gehandelt hat, in welcher Weise sich die Taufe auf die Erbsünde auswirkt, geht er auf die Frage ein, „warum Gott die Seele einem Körper verbindet, wissentlich daß diese von daher befleckt und deshalb verdammt werde.“ 7 Wie schon Anselm von Laon antwortet Petrus Lombardus darauf schlicht: „Weil Gott der Erbsünde wegen seinen Schöpfungsplan nicht zu ändern brauchte.“ 8 Wenn jedoch die Seele im Körper geschaffen wird und durch die Verbindung mit ihm von der Sünde befleckt wird, stellt sich ferner die Frage, ob die Seele dann noch so sei, wie sie von Gott geschaffen wurde 9. Der Lombarde antwortet, sie sei nicht völlig so wie von Gott geschaffen, da dieser sie gut gemacht habe und ihr Güte ohne Verderbnis gegeben habe. Diese Güte habe sie durch die Sünde zwar nicht völlig verloren, sie sei aber nun mit einem Mangel behaftet, so wie man einen Apfel, den man mit sauberen Händen in beschmutzte Hände übergibt, sauber übergeben hat 10. Daran schließt sich für den magister sententiarum die Frage, ob diese Seelen von ihrer Schöpfung her in ihren natürlichen Gaben gleich sind, oder ob einige andere darin überragen 11. In Weiterführung des zuvor genannten Beispiels könnte man sagen, ob manche Seelen so wie manche Äpfel schöner aussehen, süßer schmecken und weniger wurmstichig sind. Petrus Lombardus bleibt in seiner Antwort etwas vage. Den meisten scheine es nicht unvernünftig zu sein, daß von der Schöpfung selbst her manche Seelen andere in den natürlichen Gaben überragen, wie auch im Wesen („ut in essentia“). Eine Seele sei subtiler und für das Erkennen und Erinnern geeigneter als andere, da mit größerem Scharfsinn und klarerem Intellekt 7
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9 10
11
Cf. Petrus Lombardus, Sententiae in IV libris distinctae, vol. 1, pars 2: Liber I et II, Grottaferrata (Romae) 1971, 516: „Quare Deus animam corpori iungit, sciens eam inde maculari et ideo damnari.“ Cf. J. Gross, Entwicklungsgeschichte des Erbsündendogmas im Zeitalter der Scholastik (12.15. Jahrhundert) (Geschichte des Erbsündendogmas, vol. 3), München-Basel 1971, 152. Cf. Petrus Lombardus, Sententiae (nt. 7), 516: „An anima sit talis qualis a Deo creatur.“ Cf. ibid., 517: „Ad quod dici potest quod non omnino talis est, qualem eam Deus fecit: Deus enim bonam eam fecit, et bonitatem ei sine corruptione indidit. […] quam bonitatem per peccatum penitus non amisit, sed vitiatam habuit: quam Deus tamen sine vitio fecit. Si enim res bona non esset anima, in ea malum esse nequiret, cum non possit malum esse nisi in bono, ut post dicetur. Non igitur omnino talis est anima, qualis a Deo est creata: sicut quis pollutas habens manus non tale habuit pomum, quale ego dedi mundis manibus: ego enim dedi mundum.“ Cf. ibid.: „Illud quoque non incongrue quaeri solet, utrum omnes animae ex creatione aequales sint, an aliae aliis excellentiores.“
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begabt. Es sei nicht unwahrscheinlich, fährt Lombardus fort, daß es sich so verhalte, da feststehe, daß es bei den Engeln so sei. Und obgleich in den natürlichen Gaben die einen die anderen übertreffen, werden jedoch diejenigen, die vor der Taufe vom Körper scheiden, die gleiche Strafe empfangen, und diejenigen, die nach der Taufe scheiden, werden die gleiche Krone empfangen, denn die Schärfe oder Trägheit des Verstandes bringt in der Zukunft weder Lohn noch Strafe ein 12. Jenseits der Taufe scheint das jüngste Gericht alle Unterschiede in den natürlichen Gaben zu nivellieren und so alle Ungleichheit zu egalisieren. Bezogen auf das Letzte gibt es keine verschiedene Wertigkeit, die aus der Unterschiedlichkeit der natürlichen Gaben resultiert. Aus den Unterschieden will Lombardus keinen Hinweis auf eine verschiedene Prädestination entnehmen. Der von Petrus Lombardus noch nicht klar formulierte Knackpunkt nach dem Eindringen der aristotelischen Seelenlehre ist nicht, daß es Ungleichheit gibt, sondern wie weit diese Ungleichheit reicht, wo sie herrührt und, damit verbunden, welche Wertigkeit ihr zugesprochen wird. Stammt alle Verschiedenheit von den Akzidenzien her und ist somit bei- und zufällig, oder findet sie ihren Ursprung im Wesen - oder wirkt sie gar auf das Wesen zurück? Ist das, was den Menschen zum Menschen und den Apfel zum Apfel macht, in allen Individuen gleich, oder liegt es im Wesen des einen wie des anderen begründet, ,wurmstichig‘ zu werden, schöner oder tugendhafter zu sein oder besser zu schmecken? Als Thomas von Aquin in den Jahren 1254 bis 1256 vor seiner Promotion zum magisterium in Paris am Kolleg Saint-Jacques über die Sentenzen des Petrus Lombardus las 13, waren dies die textlichen Vorgaben, die er zu kommentieren hatte. Thomas entschied sich, die 32. Distinktion in zwei Quästionen zu je drei Artikeln aufzuteilen. In der ersten Quaestio behandelte er das Problem, wie sich Taufe und Erbsünde zueinander verhalten, während die zweite Quaestio in erster Linie darauf abhebt, inwieweit die Infizierung mit der Erbsünde von Gott stammt (Art. 1: „Utrum infectio peccati originalis sit a Deo“), und ob es der göttlichen Weisheit ansteht, die Seele einem Körper einzuflößen, durch den sie sich einen Makel zuzieht (Art. 2: „Utrum conveniat sapientiae divinae infundere animam corpori, a quo contrahat maculam“). Bereits bei der Beantwortung des ersten Artikels stellt Thomas fest, daß „die Seele nichts von ihrer Schöpfung her habe, was nicht von Gott stamme“ („nihil enim ex creatione anima habet quod a Deo non sit“). Inso-
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Cf. ibid.: „Pluribus non irrationabiliter videtur quod ex ipsa creatione aliae aliis excellant in naturalibus donis, ut in essentia; alia aliis sit subtilior et ad intelligendum memorandumque habilior, utpote acutiori ingenio et perspicaciori intellectu praedita. - Quod non improbabiliter dicitur, cum in angelis ita fuisse constet. Et licet naturalibus donis aliae prae aliis polleant, tamen ante baptismum a corpore discedentes parem poenam, et post baptismum statim aequalem coronam sortiuntur, quia ingenii acumen vel tarditas praemium vel poenam in futuro non collocat.“ Cf. M.-D. Chenu, Das Werk des hl. Thomas von Aquin, Graz-Wien-Köln 21982, 302.
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fern liegt es nahe, im dritten Artikel, der die Quaestio auch abschließt, danach zu fragen, ob denn „alle Seelen in ihrer Schöpfung gleich sind“ 14. Nach dem Aufbau der Quaestio fällt die Antwort von Thomas auf den ersten Blick ziemlich eindeutig aus. Verkürzt könnte man sie in folgende Form bringen: Da die Verschiedenheit der Materie auf eine Verschiedenheit der Form zurückgeht, wie bei Lebewesen unterschiedlicher Arten klar ersichtlich ist, hat auch die Verschiedenheit der einzelnen Individuen einer Spezies ihre Wurzel in der Form. Die genaueren Erläuterungen von Thomas lassen es aber in mehr als einer Hinsicht fraglich erscheinen, ob es sich bei dieser Verschiedenheit tatsächlich um eine Ungleichheit der Seelen „in sua creatione“ handelt, wie ja die ursprüngliche Frage lautete. Thomas vergleicht die Seelen mit den Engeln, und da es sich in beiden Fällen um einfache Naturen (naturae simplices) handelt, bei denen es keine eigene Zusammensetzung aus Form und Materie gibt, „deshalb ist es nötig, daß jeder von ihnen selbst herrührende Unterschied in ihnen ein formeller Unterschied [differentia formalis] ist und somit eine Verschiedenheit der Spezies einführt“ 15. Bei den Engeln stellt daher jedes Individuum eine eigene Spezies dar. An dieser Form der Unterscheidung kann jedoch die Verschiedenheit der Seelen nicht ausgerichtet werden, „da alle vernunftbegabten Seelen zu einer Spezies gehören und allein der Zahl nach unterschieden sind. Jede solche Verschiedenheit wird aber von der Materie verursacht“. Da jedoch keinerlei Materie an der Seele beteiligt ist, muß also die Verschiedenheit und jeder graduelle Unterschied in den Seelen von der Verschiedenheit der Köper verursacht werden, so daß je besser ein Körper konstituiert ist, das heißt für Thomas, je besser das Verhältnis der vier Säfte in einem Körper ist, desto edler auch die Seele ist, die er empfängt, „denn alles, was in etwas aufgenommen wird, wurde in der Art des Aufnehmenden aufgenommen“. Dafür, daß es sich so verhält, gibt es nach Thomas einen doppelten Hinweis (duplici signo). Einmal die Hierarchie der Seelen selbst, denn je edler die Zusammensetzung (complexio) eines Körpers ist, desto edler ist die Seelenart, an der er teilhat, wie man an den drei Stufen der beseelten Natur, den Menschen, Tieren und Pflanzen, sehen kann. Aber auch bei dem, was einer Spezies zugehört, ergibt sich die Verschiedenheit der Seelen aus der Verschiedenheit der Körper, und darauf weist Aristoteles hin, wenn er im zweiten Buch ,De anima‘ sagt: „Daher ist er [der Mensch] auch das klügste von den Lebewesen. Ein Anzeichen hierfür ist auch, daß es beim Geschlecht der Menschen Begabte und Unbegabte nach diesem Sinnesorgan gibt, und nach keinem anderen. Die Menschen mit hartem Fleisch nämlich sind unbegabt im Denken, hingegen die mit weichem Fleisch begabt.“ 16 In der lateinischen Übersetzung 14
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Cf. Thomas de Aquino, In quattuor libros sententiarum, in: id., Opera omnia, ed. R. Busa, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980, vol. 1, 221 sq.: „Utrum animae sint aequales in sua creatione.“ Cf. ibid.: „Sed quia supra dictum est, secundum aliam opinionem, quia anima et Angelus naturae simplices sunt, et non est in eis compositio, nisi ex esse et quod est; ideo oportet quod quaecumque differentia in eis est ex seipsis, sit differentia formalis, et speciei diversitatem inducens.“ Aristoteles, Über die Seele (gr.-dt.), mit Einl., Übers. und Kommentar hg. v. H. Seidl (Philosophische Bibliothek 476), Hamburg 1995, 115 (421a20-26).
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heißt diese von Thomas oft und gerne zitierte Stelle „molles carne, aptos mente“. Seine Beantwortung der Frage schließt Thomas mit der kurzen Formel: „Unde patet quod ex diversitate coporis animarum diversitas resultat.“ 17 Doch ist die Frage, ob die Seelen gleich geschaffen werden, tatsächlich mit der Feststellung beantwortet, ihre Verschiedenheit würde aus der Verschiedenheit der Körper resultieren? Hinsichtlich ihres Wesens, welches die Einheitlichkeit der Spezies garantiert, setzt doch auch Thomas die Seelen als gleich an, und die ihnen von Seiten der Körper zukommende Ungleichheit ist in bezug auf dieses Wesen akzidentiell und rührt nicht aus ihrer Schöpfung, sondern aus ihrer Verbindung mit dem Leib. In seinen Antworten auf die Pro-Argumente für eine Gleichheit aufgrund der Schöpfung zeigt sich dies an einigen Stellen sehr deutlich. Auf den Einwand, daß jede formale Differenz die Spezies diversifizieren würde, und es somit, da die Seele die Form des Körpers sei („anima est forma corporis“), von Seiten der Seele keine Differenz zwischen den Menschen geben könne 18, reagiert Thomas mit einer Unterscheidung formaler Verschiedenheit. Es gäbe eine „diversitas formae per se“, und diese führt eben auch zu einer Verschiedenheit der Spezies. Und es gibt eine akzidentielle diversitas formae: „Est autem quaedam diversitas formae non per se, sed per accidens“. Diese Verschiedenheit resultiert aus der Verschiedenheit der Materie und diversifiziert die Spezies nicht; natürlich handelt es sich bei der Verschiedenheit der Seelen um eben diese 19. Von unterschiedlichen Motiven getrieben bauen sich bei Thomas hier Spannungen auf, die für die folgende Tradition kaum lösbar scheinen. Einerseits darf die Einheit der Spezies Mensch nicht gefährdet werden, andererseits zielen die Vorgaben des Petrus Lombardus auf eine Ungleichheit in eben jenem Teil, der 17
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Cf. Thomas de Aquino, In libros sententiarum (nt. 14), 221 sq.: „et propter hoc etiam tactum est, quod in Angelis tot sunt species quot individua; et ideo non est possibile ut diversitas animarum ponatur ad modum illum quo distinguuntur gradus in natura angelica, cum omnes animae rationales unius speciei sint, differunt autem numero solo. Omnis autem talis diversitas ex materia causatur; et ideo cum anima non habeat materiam partem sui, oportet quod diversitas et distinctio gradus in animabus causetur ex diversitate corporis; ut quanto corpus melius complexionatum fuerit, nobiliorem animam sortiatur: cum omne quod in aliquo recipitur, per modum recipientis sit receptum: et hoc quidem duplici signo patet. Primo ex his quae diversi generis sunt: quia unumquodque invenitur tanto nobilius genus animae participare, quanto corpus ejus ad nobilius genus complexionis pertingit, ut in hominibus, brutis, et plantis. Unde etiam in his quae sunt unius generis, ex hoc contingit diversitas animarum, quod est in corporibus diversitas: et hoc etiam patet ex signo boni intellectus, quod philosophus in 2 de anima dat intelligere, dicens, eos qui sunt boni tactus et molles carne, aptos mente esse. Bonitas autem tactus ex aequalitate complexionis contingit: quia oportet ut instrumentum tactus inter contraria tangibilia sit medium; et quanto magis pervenit ad medium, tanto melior erit tactus. Unde patet quod ex diversitate corporis animarum diversitas resultat.“ Cf. ibid.: „Ad tertium sic proceditur. Videtur quod animae ex sui creatione sint aequales. Differentia enim formalis diversificat speciem. Sed anima est forma corporis. Cum omnes ergo homines unius sint speciei, videtur quod ex parte animae nulla sit differentia in hominibus.“ Cf. ibid.: „Ad primum ergo dicendum, quod diversitas formalis est duplex. Quaedam quae est formae per se, secundum id quod ad rationem formae pertinet: et talis diversitas formae, diversitatem speciei inducit. Est autem quaedam diversitas formae non per se, sed per accidens, ex diversitate materiae resultans, secundum quod in materia melius disposita dignius forma participatur; et talis diversitas speciem non diversificat: et haec est diversitas animarum.“
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den Menschen zum Menschen macht. Mit dieser Vorgabe ließe sich auch das Schreckgespenst einer unitas intellectus, einer Einzigkeit der intellektiven Seele in allen Individuen der Spezies Mensch bannen, wie sie im Ausgang von Averroes im lateinischen Averroismus vertreten wurde. Um individuelle Unsterblichkeit und damit Verantwortlichkeit im Jenseits zu sichern, ist ein in der Seele als Form liegender formaler Unterschied notwendig, der aber die Einheit der Spezies nicht gefährden darf. Thomas suchte seine Rettung in einer „gewissen materiellen Verschiedenheit, die sich nicht auf die Spezies erstreckt, sondern nur auf das Individuum; und diese strömt von der Materie auf die Form über und nicht umgekehrt.“ 20 Von den Körpern geht ein Einfluß auf die Seelen aus, der diese in ihrem Wesen verändert. Dieser Einfluß, man könnte fast von einer materiellen Abhängigkeit sprechen, darf aber auch nicht zu weit gehen, da sonst die Unsterblichkeit ins Wanken gerät. Die Verbindung der Seele mit dem Körper muß einerseits so eng sein, daß dieser auf ihr Wesen rückwirken kann, andererseits darf diese Verbindung die Abtrennbarkeit der intellektiven Seele nicht in Frage stellen. Die Frage nach der Abtrennbarkeit und somit Unsterblichkeit der Seele ist seit Aristoteles daran geknüpft, inwieweit die Seele eine eigene Tätigkeit besitzt, bei der sie von körperlichen Organen unabhängig ist. Mit seiner letzten Bemerkung innerhalb dieses Artikels greift Thomas genau diesen Problemzusammenhang auf: „Obgleich der Intellekt in bezug auf eine eigene Tätigkeit, die von keinem körperlichen Organ erfüllt wird, vom Körper abgelöst ist, hat er dennoch eine doppelte Verbindung zum Körper, nämlich von seiten des Wesens [essentia] der Seele, die die Form des Körpers ist, und von seiten der niedrigeren Seelenvermögen, von denen her der Intellekt rezipiert; durch diese Art strömt die Verschiedenheit des Körpers auf die Verschiedenheit des Intellekts über.“ 21 Insofern also zumindest die niederen Seelenvermögen (also memoria und phantasia) körperliche Organe besitzen, übt die materielle Disposition des Körpers einen nicht geringen Einfluß auf das höchste Seelenvermögen, den Intellekt, aus. Blickt man nun noch einmal auf die ursprüngliche Frage nach der Gleichheit der Seelen bei ihrer Schöpfung zurück, so scheint es mir nur eine Möglichkeit zu geben, die von den Körpern stammende Ungleichheit bereits auf die Seelen bei der Schöpfung zu übertragen. Man muß die zeitliche und logische Priorität des Schöpfungsaktes vor jenem Moment der Verbindung von Seele und Leib aufheben. Bei Petrus Lombardus findet sich dafür eine Formel, die sich sowohl bei Thomas wie in der gesamten psychologischen Literatur der Folgezeit häufig findet: „creando enim infundit eas Deus, et infundendo creat“ 22, das heißt, Schaffung 20
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Cf. ibid.: „Est autem quaedam diversitas materialis tantum, quae ad speciem non pertinet, sed ad individuum tantum; et ista redundat ex materia in formam, et non e converso.“ Ibid.: „Ad septimum dicendum, quod quamvis intellectus sit absolutus a corpore quantum ad propriam operationem, quae corporali organo non expletur: tamen conjunctionem habet ad corpus dupliciter: scilicet ex parte essentiae animae, quae forma corporis est, et ex parte inferiorum potentiarum, ex quibus intellectus recipit; et per istum modum diversitas corporis in diversitatem intellectus redundat.“ Petrus Lombardus, Sententiae (nt. 7), 412.
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und Eingießung der Seele in den Leib finden im selben Moment statt. Doch Thomas bedient sich innerhalb der Debatte um die Gleichheit der Seelen dieses Argumentes nicht, um eine wesentliche Ungleichheit in den Seelen vom Schöpfungsakt her zu gewährleisten. Dafür dürfte es zwei Gründe geben. Einerseits wäre ein so verstandener Schöpfungsakt der Seele, wo durch den Körper eine formale Differenz in den Formen einer Art eingeführt wird, kaum von der naturphilosophisch normalen Eduzierung der Formen aus der Materie zu unterscheiden, die aber gerade für die menschlichen Seelen nicht zutreffen soll. Andererseits wäre in diesem Sinne Gott klar für jede zwischen den Seelen existierende Ungleichheit verantwortlich. Jahre später kommt Thomas auf das Problem nochmals im ersten Teil seiner 1267 begonnenen ,Summa theologiae‘ zu sprechen. Im siebten Artikel der 85. Quaestio fragt er, „ob ein Mensch ein und dieselbe Sache besser erkennen könne als ein anderer“ („Utrum unam et eandem rem unus alio melius intelligere possit“). Von seiten der erkannten Sache ist dieses ,besser‘ nicht möglich, von Seiten des Erkennenden her sehr wohl, und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen weil der Intellekt des einen vollkommener ist als der Intellekt eines anderen. Denn es sei offensichtlich, fährt Thomas fort, daß „je besser ein Körper disponiert ist, er eine desto bessere Seele empfängt“ („quanto corpus est melius dispositum, tanto meliorem sortitur animam“). Dies zeige sich deutlich bei den Dingen, die der Art nach verschieden sind. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß „Akt und Form von der Materie gemäß der Kapazität der Materie [secundum materiae capacitatem] aufgenommen werden“. Da also auch bei den Menschen einige einen besser disponierten Körper haben, empfangen sie eine Seele, der im Erkennen eine größere Kraft eignet. In zweiter Hinsicht können einige besser erkennen als andere, weil bei ihnen die niederen Seelenkräfte (virtus imaginativa, cogitativa et memorativa), deren der Intellekt für seine Tätigkeit bedarf, besser disponiert sind 23. Zwar geht es hier nicht mehr explizit um Gleichheit, doch spricht sich Thomas klar dafür aus, daß aufgrund der capacitas materiae einem Menschen ein vollkommenerer Intellekt eignet als einem anderen, was wiederum bedeutet, daß hier die Ungleichheit in den wesentlichen Bestandteil der Seele verlagert und somit von ihrer Schöpfung her angenommen wird. 1277 erhält die Debatte, die sich im Anschluß an diese Bemerkungen Thomas von Aquins entfaltet, noch von anderer Seite Richtungsvorgaben. Unterstützt 23
Cf. Thomas de Aquino, Pars prima Summae theologiae, in: id., Opera omnia iussu edita Leonis XIII., Rom 1882 sqq., vol. 5, 344: „Hoc autem circa intellectum contingit dupliciter. Uno quidem modo, ex parte ipsius intellectus, qui est perfectior. Manifestum est enim quod quanto corpus est melius dispositum, tanto meliorem sortitur animam: quod manifeste apparet in his quae sunt secundum speciem diversa. Cuius ratio est, quia actus et forma recipitur in materia secundum materiae capacitatem. Unde cum etiam in hominibus quidam habeant corpus melius dispositum, sortiuntur animam maioris virtutis in intelligendo: unde dicitur in II de Anima quod molles carne bene aptos mente videmus. - Alio modo contingit hoc ex parte inferiorum virtutum, quibus intellectus indiget ad sui operationem: illi enim in quibus virtus imaginativa et cogitativa et memorativa est melius disposita, sunt melius dispositi ad intelligendum.“
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von einer Theologenkommission, versucht der Pariser Bischof Stephan Tempier in seiner Verurteilung von 219 Thesen auch auf diese Frage doktrinär Einfluß zu nehmen. Nach dem Artikel 124 darf man nicht mehr sagen, daß es „unangemessen ist, anzunehmen, einige Intellekte seien vornehmer als andere. Denn da diese Verschiedenheit nicht von den Körpern herstammen könne, müsse sie von der Seite der Intelligenzen stammen, und so gehörten edle und weniger edle Seelen notwendigerweise verschiedenen Wesensarten an, wie die Intelligenzen. - Dies ist ein Irrtum, weil dann die Seele Christi nicht edler wäre als die Seele des Judas.“ 24 Mit anderen Worten ausgedrückt, die der späteren Diskussion etwas vorgreifen: Es ist nicht erlaubt, die Auffassung einer essentiellen Ungleichheit der Seelen (oder der Intellekte als der perfectiones essentiales der Seelen) zu kritisieren zugunsten einer substantiellen Gleichheit dessen, was den Menschen zum Menschen macht. Wenige Jahre später, so um das Jahr 1284, folgt der nächste Schlag. Der Franziskaner Wilhelm de la Mare (gest. 1290) kritisiert in seinem ,Correctorium fratris Thomae‘, welches den danach benannten Korrektorienstreit auslöst, eben jene Stelle aus der ,Summa‘ (I, 85, 7), an der Thomas behauptet, ein besser disponierter Körper würde eine bessere Seele empfangen 25. In seinem ,Circa‘ genannten ,Correctorium Corruptorii‘ geht Jean Quidort de Paris auch gegen diese Kritik an. Nachdem Jean Quidort kurz Thomas’ Position aus der ,Summa‘ dargelegt hat, referiert er sehr genau die Kritik von Wilhelm de la Mare, den er als adversarius bezeichnet. Nach Wilhelm de la Mare hat Thomas nicht von einer besseren Disposition hinsichtlich der Kraft (robur) oder von etwas Ähnlichem gesprochen, sondern hinsichtlich der Zusammensetzung (complexio), „so daß ein besser zusammengesetzter Körper [melius complexionatum] eine bessere Seele empfängt“, und zwar bedeutet ,besser‘ hier, daß sie für Sitten (mores) und intellektuelle Tätigkeiten geeigneter ist 26. Da Thomas nur im Sentenzenkommentar vom „corpus melius complexionatum“ spricht, dürfte Wilhelm diesen also ebenfalls gekannt haben. Falls Thomas gemeint habe, kritisiert nun Wilhelm de la Mare, allein eine bessere complexio sei der Grund für eine bessere Disposition oder Geeignetheit zu Sitten und intellektuellen Tätigkeiten, so sei dies falsch, denn in den menschli24
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K. Flasch, Aufklärung im Mittelalter? Die Verurteilung von 1277, Mainz 1989, 201. Für den lateinischen Text cf. La condamnation parisienne de 1277. Texte latin, traduction, introduction et commentaire par D. Piche´, Paris 1999, 116: „124 (147). Quod inconueniens est ponere aliquos intellectus nobiliores aliis, quia, cum ista diuersitas non possit esse a parte corporum, oportet quod sit a parte intelligentiarum, et sic anime nobiles et ignobiles essent necessario diuersarum specierum, sicut intelligentie. Error, quia sic anima christi non esset nobilior anima iude.“ Cf. R. Hissette, Enqueˆte sur les 219 articles condamne´s a` Paris le 7 mars 1277 (Philosophes me´die´vaux 22), Louvain-Paris 1977, 227. Cf. P. Glorieux, Les premie`res pole´miques thomistes: I. - Le correctorium corruptorii ,Quare‘ (Bibliothe`que thomiste 9), Kain 1927, 167 sq. Cf. Jean Quidort de Paris, Correctorium corruptorii ,Circa‘, ed. J.-P. Muller, Rom 1941, 200 sq.: „Et credit adversarius quod loquitur de meliori dispositione non secundum robur vel huiusmodi, sed secundum complexionem, ita quod corpus melius complexionatum sortitur meliorem animam, i. e. aptiorem ad mores et ad operationes intellectuales.“
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chen Seelen ist von ihnen selbst und von ihrer Schöpfung her eine Differenz bezüglich der Tätigkeiten des wahrnehmenden und bewegenden Teiles der Seele oder bezüglich ihrer Moral. Habe Thomas aber gemeint, daß die Seele aufgrund körperlicher Dispositionen nur geeigneter für diese Dinge ist, ohne auszuschließen, daß in den Seelen eine Differenz von seiten ihrer natürlichen Neigungen (naturales aptitudines) besteht, die ihr von der Schöpfung her gegeben sind, so hätte er wahr gesprochen. Jean Quidort bemerkt über diese Position Wilhelms de la Mare wiederum, daß diejenigen, die sie vertreten würden, in unseren Seelen eine doppelte Differenz der Neigungen annähmen entsprechend den Neigungen zur Moral und zu den Tätigkeiten. Die eine stammt aus der Disposition der Körper, die andere jenseits davon aus ihrer Schöpfung 27. Wilhelm de la Mare hat ziemlich deutlich die Unklarheit der thomasischen Position im Sentenzenkommentar herausgestellt. Die körperlichen Dispositionen als einziger Unterscheidungsfaktor der Seelen reichen ihm nicht aus, es muß noch eine „differentia a sua creatione“ hinzukommen, um den doktrinären Anforderungen zu genügen. Eine Differenz, die aber zugleich die Einheit der Spezies gefährden kann. In seiner Verteidigung der Position des Thomas hebt Jean Quidort genau darauf ab. Aus den Worten des Thomas könne keinesfalls entnommen werden, daß allein - heute würde man sagen monokausal - aufgrund der verschiedenen körperlichen Disposition in der Seele eine unterschiedliche Disposition in bezug auf Sitten und Erkenntnis sei. Und obgleich sich diese Monokausalität bei Thomas nirgends ausgesprochen fände, könnte sie sehr wohl ohne Fehl vertreten werden, ja in einem gewissen Sinne sei dies sogar notwendig. Formen könnten sich auf zwei Weisen unterscheiden, argumentiert Jean Quidort in Anlehnung an den Sentenzenkommentar des Thomas, einmal an sich (per se), womit auch eine Unterscheidung der Spezies verbunden ist, und einmal per accidens, das heißt aufgrund der Verschiedenheit der Materie. Per se könnten sich die Seelen nicht unterscheiden, da die Menschen dann unterschiedlichen Spezies angehören müßten. So wäre Christus - bemerkt Jean Quidort mit einem Seitenblick auf den verurteilten Artikel - nicht von derselben Spezies wie wir 28. 27
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Cf. ibid., 201: „Contra istud dicit adversarius, quod si intendat dicere quod solum ex meliori complexione sit in animabus humanis melior dispositio vel aptitudo ad mores vel ad operationes intellectuales, falsum est, quia in animabus humanis secundum se atque a creatione sua differentia est quantum ad operationes partis apprehensivae et motivae seu quantum ad mores. Si autem intelligit, quod secundum meliorem corporis dispositionem anima sit aptior ad praedicta, et tamen non excluditur, quin etiam in animabus sit differentia penes naturales aptitudines, etiam quae a corporibus sibi non insunt sed a creatione, verum dicit, ita quod isti ponunt in animabus nostris duplicem aptitudinum differentiam secundum aptitudines ad mores et operationes, quarum una est ex corporum dispositione, alia praeter corporis dispositionem a sua creatione.“ Cf. ibid., 201 sq.: „Sed ad ista potest de facili responderi. Non enim habetur ex verbis fratris Thomae, quod solum ex diversa corporis dispositione insit animae diversa dispositio ad mores et ad intelligendum, ita quod animae a sua creatione non habent naturaliter differentiam penes diversas habilitates ad melius intelligendum et ad diversos mores. Hoc enim numquam habetur ex verbis suis. Si tamen aliquis diceret, illud sustineri posset sine inconvenienti, immo forte hoc est necessarium, sub uno tamen sensu, ut infra videbitur. Formae enim distinguuntur et diversificantur inter se dupliciter. Uno modo per se, et haec diversitas secundum formam necessario facit diversitatem secundum speciem, ut patet in angelis. Alio modo ex diversitate materiae, sicut forma speciei ligni alia est in duobus lignis. Tamen ista diversitas non est formae per se, sed per accidens, et haec non
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Dann geht Quidort gar noch einen Schritt weiter und vergleicht die Seele mit der materia prima. Wie diese ohne Form keinerlei Ungleichheit und Verschiedenheit kenne, so sei auch im Wesen der Seele („in essentia animae“) per se weder Verschiedenheit noch Ungleichheit, sondern allein aufgrund der Disposition der Körper, deren Form sie ist 29. Und schließlich holt er zum großen Gegenschlag aus. Man müsse bei der Sache beachten, daß es einen doppelten Sinn haben kann, alle Verschiedenheit allein auf die verschiedene Disposition des Körpers zu beziehen. Zum einen kann man dies verstehen, ohne eine Ungleichheit erzeugende Abstufung in den Essenzen der Seelen anzunehmen, sondern indem man diese allein in den Erkenntnisakt selbst verlegt, der aber ein Akt des gesamten Verbundes von Leib und Seele ist. Dabei wären sowohl die getrennten wie die mit dem Leib verbundenen Seelen in essentialibus (das heißt in allen wesentlichen Belangen) gleich, obgleich die verbundenen Seelen aufgrund der Körper verschieden zum Erkennen disponiert sind 30. Andererseits könne man das Ganze so verstehen, daß aus der unterschiedlichen Disposition des Körpers nicht nur eine verschiedene Geschicklichkeit zum Erkennen hervorgeht, sondern auch ein Unterschied in der wesentlichen Subtilität der Seelen („essentiali subtilitate animarum“). Je besser also der Körper disponiert ist, erklärt und rechtfertigt Jean Quidort die bekannte Formel des Thomas, desto edler ist das Wesen der Seele, die er empfängt. In diesem Sinne wären auch die getrennten Seelen nicht gleich in ihren Essenzen, sondern ungleich in ihrem essentiellen Adel („inaequales in essentiali nobilitate“). Natürlich erzeugt diese Ungleichheit keine Differenz zwischen verschiedenen Arten, da sie im Wesen des Menschen nur akzidentiell von den Körpern her vorhanden ist 31. Die Lösung ist nur scheinbar eine Lösung, denn es bleibt die Frage bestehen, warum eine per accidens zwischen den Seelen entstehende Differenz sich plötzlich auf deren Wesen auswirken soll, um eine formale Differenz zu setzen, die eine
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facit diversitatem secundum speciem, sed secundum numerum tantum. Si igitur animae inter se differentiam habent per se et non ex eo quod sunt diversorum corporum, sequeretur quod differrent specie inter se et facerent inter homines differentiam secundum speciem. Et sic Christus non esset eiusdem speciei nobiscum.“ Cf. ibid., 202: „Praeterea, anima est ultima in toto genere naturae intellectualis sicut materia est ultima in toto genere entium. Videmus enim quod in materia penitus prima non est aliqua inaequalitas neque aliqua diversitas de se, sed solum per formam sibi adiunctam. Igitur in essentia animae non est aliqua diversitas neque inaequalitas per se, sed solum ex corporum dispositione quorum est forma.“ Cf. ibid., 202 sq.: „Advertendum tamen, quod animas inter se habere differentiam quantum ad modum intelligendi et quantum ad mores solum ex diversa corporis dispositione, duplicem potest habere intellectum. Uno modo sic, quod in essentiis animarum non ponatur gradus inaequalitatis, sed solum in ipso actu intelligendi in quantum actus intelligendi est actus totius coniuncti, secundum quem modum animae separatae omnes in essentialibus sunt aequales, et etiam animae coniunctae, licet propter dispositionem corporis differenter animae coniunctae disponantur ad intelligendum.“ Cf. ibid., 203: „Alio modo sic, quod ex diversa corporis dispositione non solum sit diversitas in promptitudine intelligendi, sed etiam in essentiali subtilitate animarum, ita quod quanto corpus melius fuerit dispositum, tanto sortiatur animam quantum ad essentiam animae nobiliorem, secundum quem modum etiam animae separatae non essent pares seu aequales in essentiis suis, sed inaequales in essentiali nobilitate. Quae tamen inaequalitas non facit in eis differentiam secundum speciem, eo quod inest eis per accidens a corporibus.“
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Diversifikation der Spezies mit sich brächte? Um theologischen Vorgaben Genüge zu tun, sucht Jean Quidort nach einem Mittelweg, der aber ziemlich schwer gangbar ist. Diese Schwierigkeiten hat Jean Quidort wohl auch gesehen. Denn, wie er fortfährt, gefiele einigen anonymen Personen diese Art, Thomas zu verstehen, besser wegen der Seele Christi, von der sie wollen, daß sie bezüglich essentieller Belange eine edlere Seele sei. Anderen jedoch schiene es nicht unangemessen, daß Christus dieselbe Seele hätte wie alle Menschen, wenn auch mit weiteren und anderen Gaben ausgestattet. Insofern scheint es nicht unangemessen, daß allein aus der verschiedenen körperlichen Disposition eine Ungleichheit bezüglich der Geeignetheit für die Erkenntnis hervorginge. Dies jedoch habe der Bruder Thomas niemals ausdrücklich gesagt 32, betont Quidort zum Schluß nochmals, um Thomas vor jeder möglichen Irrlehre, die ihm unterstellt werden könnte, in Schutz zu nehmen 33. Klarer und deutlicher wird die ,Lösung‘ oder der kaum gangbare Mittelweg, den Jean Quidort sucht, in seinem Sentenzenkommentar, obgleich die entsprechende Frage ausgesprochen kurz gehalten ist. Sie lautet schlicht: „Utrum omnes animae sint aequales.“ Einziger Ausgangspunkt und Maßstab ist der verurteilte Artikel 124. Doch um diesen zu verstehen, muß man wissen, daß man auf drei Arten über die Seelen sprechen kann: in bezug auf ihre Essenz, in bezug auf ihre essentiellen Belange (ad essentialia) und in bezug auf ihre natürlichen Belange (ad naturalia). Hinsichtlich der Essenz sind alle gleich. Essentielle Belange sind für Quidort jene Seelenvermögen, die aus der Essenz der Seele selbst hervorfließen. Von diesen kann man in zwei Hinsichten sprechen: Einige strömen von der Essenz der Seele aus und sind in ihr wie in einer Wurzel oder in einem Subjekt, und das sind die intellektiven Seelenvermögen, die ebenfalls gleich sind. 32
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Cf. ibid., 203: „Iste etiam modus plus placet eis propter animam Christi, quam volunt esse nobiliorem animam quantum ad essentialia. Aliis tamen non videtur inconveniens, quod Christus assumpsit animam in eodem gradu essentialis perfectionis nobiscum sicut et eiusdem speciei cum animabus nostris, licet fuerit magis dotata gratuitis donis et praecipue gratia unionis. Quidquid tamen sit de ista ultima dubitatione, tamen non videtur inconveniens dicere, quod solum ex diversa dispositione corporum sit diversitas seu imparitas in animabus quantum ad aptitudinem intelligendi, quamvis hoc expresse numquam dicat frater Thomas.“ Auch die ,Collectio judiciorum de novis erroribus‘ bemüht sich, den 124. Artikel von Thomas abzuwenden. In den ,Annotationes atque Animadversiones in utramque Censuram a Stephano, Parisiensi Episcopo factam‘ heißt es in bezug auf eben jenen 124. Artikel, der hier aufgrund einer anderen Anordnung der Artikel dem 23. Artikel des achten Kapitels entspricht: „Cum sententia S. Thomae confundi non debet hic Articulus: nam divus Thomas, 1. p. q. 85. art. 7. docet, inter humanos animos, alios aliis majori intelligentiaˆ praeditos esse; sed causam refundit in diversas affectiones corporum.“ Es folgt das Zitat der einschlägigen Stelle aus der Prima Pars, um danach festzustellen: „Itaque error in Art. 23. notatus, non cadit in sententiam S. Thomae. Sed rationes deinde allatae aliqua ex parte consentaneae sunt doctrinae S. Thomae. Nam, si diversitas animarum non a parte corporum oriri poneretur ex sententia S. Thomae in loco citato, omnes animi tunc essent diversae speciei, sicut Angeli. Itaque, Parisiensis censura, art. 23. nonnihil laedit doctrinam S. Thomae. Sed postea, an. 1324. alter Stephanus, Parisiensis Episcopus, ex consilio Doctorum retractavit, quicquid sententiis S. Thomae contrarium in illis Parisiensibus Articulis videbatur.“ Cf. Collectio judiciorum de novis erroribus, tom. 1: anno 1100-1542, opera et studio Carolus Du Plessis d’Argentre, Paris 1728 [Nachdruck: Brüssel 1963], 209, col. 1.
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In beiden genannten Fällen würden die Seelen auch nach dem verurteilten Artikel für gleich gehalten. Andere Seelenvermögen, die von der Essenz ausströmen, sind darin nicht wie in einem Subjekt, sondern sie sind in dem Verbund von Leib und Seele wie in einem Subjekt, und eben diese sind nicht gleich, da sie der Disposition des Körpers folgen, gemeint ist der Zorn und ähnliches. Nach Quidort hält diese Belange, die er die natürlichen nennt, auch der Artikel nicht für gleich 34. Natürlich sind also jene seelischen Belange, die auf den ganzen Menschen bezogen sind, essentiell jene, die nur auf seine Seele bezogen sind. Damit liegt Quidort sicher nicht falsch, reagiert aber in keiner Weise auf die doktrinäre Anforderung, die die Ungleichheit im Wesen oder in den wesentlichen Belangen der Seele verankert wissen will. Die Diskussion wird mit jedem Schritt verwirrter, bis Durandus de St. Porciano bereit ist, den gordischen Knoten zu zerschlagen, der aus den Überlegungen des Thomas, den Vorgaben von Petrus Lombardus, der Verurteilung des 124. Artikels und den Angriffen Wilhelms de la Mare entstanden ist. Durandus sucht dabei keinen Mittelweg und keine Kompromisse, sondern strebt eine klare und tragfähige Lösung an. In minimalem Unterschied zu Thomas fragt er nicht, ob alle Seelen von ihrer Schöpfung her gleich sind, sondern ob sie von ihrem Ursprung (ab origine) her gleich sind. Da wir sehen, daß ein Mensch natürlicherweise subtiler ist als ein anderer, dies aber nicht von seiten des Körpers stammen könne, müsse es von der Seele her stammen. Dieses Argument gegen eine Gleichheit setzt Durandus an erste Stelle und bringt auch dessen vermeintlichen Beweis. Der Intellekt bediene sich des Körpers weder als Subjekt, das heißt, er ist keine organische Kraft (virtus organica), noch als Objekt, denn obgleich dasselbe Objekt zwei Menschen mit gleich disponierter Phantasie vorgelegt werde, käme es trotzdem vor, daß einer es subtiler erkenne als der andere 35. Als zweites Argument gegen eine 34
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Cf. Jean de Paris (Quidort) O. P., Commentaire sur les sentences, livre II, ed. J.-P. Muller (Studia Anselmiana 52), Rom 1964, 204 sq.: „Articulus est dicere quod omnes animae non sunt natura pares. Ad quod sciendum est, quod loquendum est de animabus tripliciter: vel quantum ad essentiam, vel quantum ad essentialia, vel quantum ad naturalia. Quantum ad essentiam, voco ipsas essentias animarum prout participant divinam essentiam in eodem gradu, et earum omnium est una idea in Deo; et sic sunt omnes aequales. Quantum ad essentialia, voco ipsas potentias fluentes ab ipsa essentia animae; et de istis est loqui dupliciter: quia quaedam fluunt ab ipsa essentia animae et sunt in ipsa tamquam in radice et in subiecto, sicut intellectivae; et sic sunt adhuc pares. Et sic tenet articulus quod sunt pares, scilicet quantum ad essentiam et quantum ad essentialia isto modo. Alio modo sunt quaedam ipsarum potentiarum, quae fluunt ab ipsa essentia, sed non sunt in ipsa tamquam in subiecto, sed sunt in ipso coniuncto tamquam in subiecto. Et istae non sunt aequales in omnibus, quia sequuntur dispositionem corporis, sicut irascibilis et huiusmodi. Et sic non tenet articulus. Et sic voco animas quantum ad naturalia.“ Cf. Durandus, In sententias (nt. 5), fol. 186ra: „Tertio quæritur, utrum omnes animæ ab origine sint æquales. Et uidetur quod non, quia uidemus hominem unum esse naturaliter subtiliorem altero. Sed hæc diuersitas esse non potest ex parte corporis, ut probabo, ergo est ex parte animæ. Minoris probatio, quia si diuersitas subtilitatis intellectuum esset ex parte corporis hoc esset, quia intellectus utitur corpore ut subiecto, uel ut obiecto, non quia utatur corpore ut subiecto, quia non est uirtus organica, nec quia utatur eo ut obiecto, quia eodem obiecto proposito in fantasia duorum eodem modo disposita adhuc contingit unum subtilius intelligere quam alterum, quare etc.“ Es wird hier und im folgenden die gedruckte dritte Redaktion der Sentenzenvorlesung des Durandus zitiert. Nach R.-M. Martin, La controverse sur le pe´che´ origi-
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Gleichheit führt Durandus den verurteilten Artikel 124 in sehr verkürzter Form an 36. Dieser Ungleichheit ab origine jedoch stünde entgegen, so fährt Durandus fort, daß nach dem dritten Buch der Aristotelischen ,Metaphysik‘ die Spezies in gleicher Weise von den Individuen prädiziert wird. Dies ginge aber nicht, wenn die substantiellen Formen in sich selbst ungleich wären 37. Daher müssen die Seelen als die substantielle Form des Menschen gleich sein, sonst wäre ein Individuum der Spezies Mensch mehr Mensch als ein anderes. Damit dreht Durandus gegenüber Thomas die gesamte Argumentationsstruktur um. Der Aufbau seiner Quaestio läuft genau konträr zum Aufbau der Quaestio des Thomas, so daß hier schon klar wird, daß auch die Absicht des Durandus der des Thomas entgegengesetzt ist. Anders als Thomas plädiert Durandus klar und deutlich für eine Gleichheit der Seelen ab origine 38. An erster Stelle unterscheidet Durandus zwei Betrachtungsweisen von Gleichheit und Ungleichheit. Zum einen kann man die Frage hinsichtlich der perfectiones gratuitae, also jener Vollkommenheiten der Seelen, die ihnen aus Gnade verliehen werden, stellen, zum anderen in bezug auf die natürlichen Vollkommenheiten (perfectiones naturales). Hinsichtlich der perfectiones gratuitae sind die Seelen zwar in zeitlicher, nicht aber in kausaler Hinsicht ungleich, da diese allein von der göttlichen Freiheit („sola liberalitate divina“) abhängen. In diesem Sinne „überragt die Seele Christi alle anderen Seelen an spirituellen Gaben, denn vom Augenblick ihrer Schöpfung an wurde sie mit den Gaben der Gnade und Glorie vervollkommnet, was niemandem sonst zugestanden wurde. In dieser Weise waren auch die Seelen Adams und Evas, die mit der Urgerechtigkeit geschaffen wurden, vollkommener als die Seelen aller Nachfahren, die, sobald sie existieren, der Erbsünde schuldig sind, so daß man sagen kann, dies sei in zeitlicher Hin-
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nel au de´but du XIV e sie`cle, Louvain 1930, 156 und 326, findet sich die Quaestio bereits in der ersten Redaktion, während sie in der zweiten Redaktion wegfällt, um dann in der dritten wieder aufzutauchen. Obgleich Martin die anderen Quästionen der 32. Distinktion in seinem Buch ediert, läßt er leider die dritte als für sein Thema irrelevant weg, so daß ein Vergleich der ersten und dritten Redaktion in diesem Punkt noch aussteht. Zu den verschiedenen Redaktionen des Sentenzenkommentars cf. J. Koch, Durandus de S. Porciano O. P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Erster Teil: Literargeschichtliche Grundlegung (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 26), Münster 1927, 5-85. Cf. Durandus, In sententias (nt. 5), fol. 186ra: „Item articulus dicit, quod dicere animam Christi non esse nobiliorem anima Iudæ error est. Sed eadem ratio uidetur esse de animabus aliorum, ergo etc.“ Cf. ibid.: „In contrarium est quod dicitur 3. met. quod species æqualiter prædicatur de indiuiduis, sed istud non esset si formæ substantiales secundum se essent inæquales, ergo etc.“ Man könnte meinen, daß dieses Thema auch in dem Streit, der sich an den Schriften des Durandus entzündet, eine Rolle spielt, doch zumindest soweit dieser Streit von J. Koch aufgearbeitet wurde, finden sich weder in den Irrtumslisten noch in anderen Texten Spuren davon. Cf. J. Koch, Die Magister-Jahre des Durandus de S. Porciano O. P. und der Konflikt mit seinem Orden, in: id., Kleine Schriften, vol. 2 (Storia e letteratura 128), Rom 1973, 7-118 (im Anhang sind zwei gegen Durandus gerichtete Irrtumslisten abgedruckt); cf. außerdem id., Ein neuer Zeuge für die gegen Durandus de S. Porciano gerichtete Thomistische Irrtumsliste, in: ibid., 119-125, und id., Die Verteidigung der Theologie des Hl. Thomas von Aquin durch den Dominikanerorden gegenüber Durandus de S. Porciano O. P., in: ibid., 127-168.
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sicht vom Ursprung her, denn der Dauer nach waren sie nicht früher als unter dieser Ungleichheit.“ 39 Wesentlich bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang die Frage nach Gleichheit und Ungleichheit in den perfectiones naturales. Was die Eigenschaften betrifft, die dem gesamten Kompositum aus Leib und Seele gemeinsam sind, womit Durandus die vegetativen und sensitiven Potenzen meint, so sind eben darin alle Seelen von ihrem Ursprung her nicht gleich, denn es ist nicht zu leugnen, daß einer klarer sieht und besser hört als ein anderer. Und da diese Ungleichheit nicht von den Objekten stammen kann, muß sie in der Unterschiedlichkeit der einzelnen Vermögen wurzeln 40. Diese Ungleichheit von seiten der niederen Seelenvermögen, also auch von seiten der memoria und imaginatio, war in der Tradition vollkommen unbestritten. Mit einem Hinweis auf diese Ungleichheit sucht Durandus sehr vereinfachend das Problem um den verurteilten Artikel zu lösen. Da der Artikel nur sage, daß die Seelen ungleich sind, ohne zu bestimmen worin, würde diese Ungleichheit völlig hinreichen 41. Anders verhält es sich bei den allein der Seele eigenen Eigenschaften, als da sind Wille und Intellekt. „Es ist schwierig zu sehen, wie zwischen zwei Seelen eine Ungleichheit hinsichtlich der Vollkommenheit in bezug auf diese beiden Vermögen herrschen soll, wenn zwischen beiden Seelen nicht auch eine Ungleichheit in bezug auf ihre Wesen [essentiae] angenommen wird, denn solche Potenzen sind auf das Wesen der Seele bezogen wie etwas ihr Eigentümliches und als ob sie per se deren Subjekt wäre, in dem sie unabtrennbar sind.“ 42 Deshalb finden sich diese Vermögen sowohl in der abgetrennten wie in der mit dem Körper verbundenen Seele. Durandus verweist nun darauf, daß in solchen Potenzen, also im Intellekt und im Willen, nur dann eine Ungleichheit herrschen 39
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Durandus, In sententias (nt. 5), fol. 186rab: „Responsio. Dicendum quod æqualitas uel inæqualitas animarum potest attendi dupliciter, scilicet secundum perfectionis earum gratuitas, uel secundum perfectiones naturales. Si quæratur de æqualitate animarum quoad perfectiones gratuitas. Sic dicendum est quod animæ non sunt inæquales ab origine, sed inæquales, quia cum hæ perfectiones dependeant ex sola liberalitate diuina quæ communicat eas quibusdam, quibusdam uero non ut placet, & quibus communicat, communicat æqualiter vel inæqualiter secundum suum beneplacitum, & per hunc modum anima Christi ab origine excessit omnes alias animas in donis spiritualibus, ab instanti enim suæ creationis perfecta fuit donis gratiæ, & gloriæ, quod nemini alii concessum est, isto etiam modo anima Adæ & Evæ, quae creatæ sunt cum originali iustitia fuerunt perfectiores animabus omnium posteriorum quæ statim ut sunt, obnoxiæ sunt peccato originali, ut dicitur istud esse ab origine quoad tempus, quia non prius duratione fuerunt quam sub ista inæqualitate.“ Cf. ibid., fol. 186rb: „Si comparentur quoad proprietates toti composito communes, sic non omnes animæ sunt æquales ab origine: […] Cuius ratio est, […] quia unus perfectus & clarius uidet & audit acutius quam alius: ergo istud est uel diuersitate potentiæ cognoscitiuæ, uel ex diuersitate obiecti, non ex diuersitate obiecti, quia idem obiectum eodem modo repræsentatum uidetur uel auditur perfectius ab uno quam ab alio, ergo est ex diuersitate potentiæ: non sunt ergo æquales, sed potius inæquales.“ Cf. ibid.: „Et istud uidetur multum sufficere ad saluandum articulum, cum solum dicat articulus quod animæ sunt inæquales, non determinando in quibus.“ Ibid.: „Si uero comparentur quantum ad proprietates proprias ipsi animæ, ut sunt intellectus & uoluntas, sic difficile est uidere quomodo inter duas animas sit inæqualitas perfectionis quantum ad has potentias, nisi ponatur inter eas inæqualitas quantum ad essentias: quia huiusmodi potentiæ respiciunt essentiam animæ tanquam proprium & per se subiectum cui insunt inseparabiliter.“
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kann, wenn auch in den essentiae, aus denen sie untrennbar folgen, Ungleichheit herrscht 43. Anders als Thomas also, der geneigt war, aufgrund der unterschiedlichen capacitas materiae eine Ungleichheit in diesen Potenzen anzunehmen, ohne wirklich klarmachen zu können, warum sich diese Ungleichheit nicht auf die Essenzen erstrecken können sollte, um nicht zu sagen: müßte, wodurch eine Diversifikation der Spezies kaum zu verhindern wäre, lehnt Durandus diese Möglichkeit schlichtweg ab. Da aber Gleichheit der wesentlichen Vermögen der Seele mit der Gleichheit ihres Wesens zusammenläuft und Ungleichheit mit Ungleichheit, muß Durandus einen Schritt weiter zurückgehen und untersuchen, ob die Essenzen oder das Wesen zweier Seelen ungleich sind. Und vorsichtig formuliert er: „Es scheint, um wahrscheinlich zu sprechen, daß es in den Seelen keine Ungleichheit der Essenzen geben kann und auch keine in allen anderen substantiellen Formen.“ 44 Als ersten Beweis führt Durandus an, daß, wenn es innerhalb der Formen einer Spezies vollkommenere und unvollkommenere gäbe, es ein Mehr oder Weniger der Intensität nach geben müßte. Für die substantiellen Formen bedeute dies wiederum, daß ein Mensch mehr Mensch sei als ein anderer, dies aber würde niemand sagen und es widerspräche der Auffassung des Aristoteles, wo immer dieser darüber spricht 45. Die zweite Beweisführung gegen eine Abstufung und damit Ungleichheit innerhalb substantieller Formen entnimmt Durandus der Frage nach der Herkunft solcher Abstufung. Er nennt drei Möglichkeiten, wo eine solche Abstufung herrühren könnte: entweder von seiten des Subjekts oder von seiten des Agens oder von der Seite der Dispositionen, die der Einführung der substantiellen Form entweder vorausgehen oder sie begleiten 46. Von seiten des Subjekts, also der Materie, kann die Abstufung nicht herrühren, da die Materie, in der die Form unmittelbar aufgenommen wird, keinerlei Grade von Ungleichheit kennt, aufgrund deren es eine Ungleichheit in den For43
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Cf. ibid.: „Cum igitur æqualitas in essentiis animarum non requirat inæqualitatem potentiarum per se, sed potius oppositum, non est probabile quod in animabus æqualibus secundum essentiam sit inæqualitas potentiarum per se & inseparabiliter consequentium essentias. Si ergo possibile est inæqualitatem esse in animabus quoad tales potentias, possibile est inæqualitatem in eis esse quoad essentias, & si non, non.“ Cf. ibid.: „De hoc ergo inquirendum est an animæ possint quo ad essentias esse inæquales. Et uidetur probabiliter loquendo quod in animabus non possit esse inæqualitas essentiarum nec in quibuscunque formis substantialibus.“ Cf. ibid., fol. 186rb-va: „Quod probatur primo sic, in quibuscunque formis eiusdem speciei est dare perfectius & imperfectius, nobilius & ignobilius secundum intentionem ibi est dare magis & minus proprie dicta, […] sed si in animabus est inæqualitas quo ad essentias secundum perfectius & imperfectius, nobilius & ignobilius inæqualitas talis esset in eadem specie, & secundum intentionem, quia in formis excepta quantitate non est alius gradus, nisi secundum intentionem, ergo secundum formas substantiales esset dare magis & minus, & sic unus ignis diceretur magis ignis quam alius, & unus homo magis homo quam alius, quod nullus dicit: & est contra Philosophum in prædicamentis: & ubicunque legitur de hac materia.“ Cf. ibid., fol. 186va: „Secundo quia in formis substantialibus si esset talis gradus, hoc esset uel ex parte subiecti, uel ex parte agentis, uel ex parte dispositionum pre˛cedentium, uel concomitantium introductionem formæ substantialis in materia.“
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men geben könnte. Von seiten des Agens kann die Ungleichheit nicht stammen, da eine Verschiedenheit des Agens entweder der Spezies nach oder rein numerisch wäre. Der Spezies nach erzeugt die Verschiedenheit aber kein Mehr oder Weniger innerhalb einer Spezies, sondern eben eine verschiedene Spezies. Bei rein numerischer Verschiedenheit sind aber entweder alle agentia gleich und erzeugen somit gleiche Wirkungen, oder die agentia sind ungleich hinsichtlich eines Mehr oder Weniger, und dann wäre wieder nach der Ursache dieser Ungleichheit zu fragen, was dann ad infinitum so weitergehen würde 47. Subjekt und Agens als Ursache einer Verschiedenheit in substantiellen Formen sind somit ausgeschlossen. Es bleiben nur noch die Dispositionen, womit Durandus bei der Auffassung des Thomas angelangt ist. Auch von seiten der Dispositionen kann es nach Durandus keine Verschiedenheit oder Abstufung bei substantiellen Formen geben, und diejenigen, die das Gegenteil meinen und eben auf diese Verschiedenheit ihre Argumentation stützen, gehen von Mutmaßungen aus 48. Für Durandus hat es keinen Wert zu sagen, in einen besser disponierten Körper werde eine edlere Seele aufgenommen und in einen weniger disponierten Körper eine unedlere. Eine solche Ungleichheit der Formen müßte eher von seiten jener Dispositionen stammen, die in der Materie zusammen mit der Form sind, als von jenen Dispositionen, die der Einführung der Form vorausgehen, denn mit Ankunft der Form werden diese zerstört 49. Nun sei es aber so, fährt Durandus fort, daß eine Ungleichheit der Formen aus jenen die Form in der Materie begleitenden Dispositionen nicht erschlossen werden kann, denn da diese Dispositionen sich in ein und demselben Suppositum in jedem Moment ändern könnten, würde folgen, daß die Seele von Moment zu Moment edler beziehungsweise unedler wäre 50, was nicht nur Durandus als ziemlich absurde Annahme erscheinen dürfte. 47
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Cf. ibid., fol. 186va: „non ex parte subiecti, quia materia in qua immediate recipitur forma substantialis cuiuscunque rei generabilis & coruptibilis, non habet gradus inæqualitatis, ratione quorum possit esse inæqualitas in formis. Nec ex parte agentis, quia diuersitas agentis uel esset secundum speciem, uel secundum numerum. Si secundum speciem illa per se non causaret diuersitatem nisi secundum speciem, & non secundum magis & minus in eadem specie, de qua nunc quærimus. Si uero diuersitas agentis esset solum secundum numerum, uel illa agentia essent æqualia, & sic non causarent nisi æquales effectus, uel essent inæqualia & differentia secundum magis & minus, & tunc quærendum esset de causa istius differentiæ, quia uel esset ex parte subiecti, uel ex parte agentis, uel dispositionum, sicut prius, & procederetur in infinitum, quod est inconueniens.“ Cf. ibid., fol. 186va: „Nec ex diuersitate dispositionum, ex qua tamen tenentes oppositum, sumunt probabilibus argumentum, dicentes quod actus actiuorum sunt in patiente & disposito, propter quod cum materia plus & minus disponatur, recipitur in ea forma perfectior, vel imperfectior.“ Cf. ibid., fol. 186va: „Vnde in corpore melius disposito recipitur anima nobilior, & in corpore minus disposito recipitur ignobilior. Istud autem non ualet: quia si ex parte dispositionum esset inæqualitas formarum substantialium non minus, immo magis esset ex parte dispositionum existentium in materia cum forma, quam ex parte dispositionum præcedentium introductionem formæ, quia illæ corrumpuntur in aduentu formæ, sicut earum subiectum.“ Cf. ibid.: „Nunc est ita, quod ex parte dispositionum concomitantium formam in materia, non potest argui aliqua inæqualitas formarum substantialium. Alioquin cum in eodem supposito pro alio & alio tempore sint dispositiones inæquales, sequeretur quod alio & alio tempore forma substantialis esset nobilior & ignobilior, quod est absurdum, ergo ex parte dispositionum non potest argui talis inæqualitas formarum.“
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Mit seinem nächsten Argument zielt Durandus dann auf das Herzstück der thomasischen Lehre aus dem Sentenzenkommentar. Die dispositiones materiae können keinen Einfluß auf eine Form haben, die nicht aus der Potenz der Materie eduziert wird, außer vielleicht hinsichtlich jener Tätigkeiten, bei denen diese Form der Materie oder eines Körpers bedarf. Durandus bedient sich hier negativ derselben Begrifflichkeit wie Thomas: „dispositiones materiae non redundant in formam“, um dann auch noch zwei Kernpunkte der anima forma corporis-These in seine Argumentation einzubeziehen. „Es wird aber angenommen, daß die menschliche Seele eine solche Form ist, die weder in bezug auf ihr Sein vom Körper abhängt, noch aus der Potenz der Materie eduziert wird, obgleich sie vom Körper bezüglich einiger sensitiver und vegetativer Tätigkeiten abhängt, und bezüglich der intellektiven Tätigkeit, insofern sie sich des Körpers als Objekt bedient. Also“, schließt Durandus, „kann aus der Verschiedenheit der Dispositionen der Materie oder des Körpers allein auf eine Verschiedenheit der Seelen hinsichtlich der eben genannten Tätigkeiten geschlossen werden, nicht aber auf eine Verschiedenheit hinsichtlich ihres Wesens.“ 51 Alle Ungleichheit ist akzidentiell und stammt insofern aus der Materie, während substantiell alle Seelen gleich sind. Auch und gerade in der Debatte um die Gleichheit der Seelen zeigt sich Durandus de Sancto Porciano einmal mehr als ein von den Traditionen extrem unabhängiger Denker, der sich seines scholastischen Ehrentitels doctor modernus als würdig erweist 52. Allein schon durch seine Klarheit und das Verlangen nach Kohärenz der einzelnen Versatzstücke markiert er einen Wendepunkt. Zwar wurde die Einheit der Spezies auch von vielen anderen Autoren wie Thomas von Aquin selbst, Aegidius Romanus, Thomas Sutton oder Heinrich von Gent nicht angetastet, doch ist es Durandus, der aus dieser Einheit klar auch die Gleichheit der proprietates propriae, der wesentlichen Eigenschaften der Seele, fordert und sich der theologischen Vorgaben entkleidet.
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Cf. ibid.: „Item dispositiones materiæ non redundant in formam quæ non educitur de potentia materiæ, nisi forte quantum ad operationes in quibus indiget materia seu corpore. Sed anima humana ponitur esse talis forma quæ non dependet quantum ad esse a corpore, nec educitur de potentia materiæ, quanuis dependet ea a corpore, quantum ad aliquas operationes sensitiuas & uegetatiuas, & quantum ad intellectiuam, prout utitur corpore ut obiecto: ergo ex diuersitate dispositionum materiæ uel corporis potest solum argui diuersitas animarum quantum ad prædictas operationes, & non quantum ad essentias.“ Cf. F. Ehrle, Die Ehrentitel der scholastischen Lehrer des Mittelalters (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-philologische und historische Klasse 1919, 9. Abhandlung), München 1919, 49: „Durandus, doctor modernus, scripsit supra sententias atque tractatum de intentionibus philosophicis, et communiter tenet contrarium beato Thome, ut patet in sententiis suis et precipue super quartum.“
Une anthropologie dans l’horizon scotiste: FrancX ois de la Marche Tiziana Suarez-Nani (Fribourg) Bien avant que l’anthropologie n’acquiert le statut de science autonome, la philosophie occidentale a fait de l’eˆtre humain un objet privile´gie´ de ses recherˆ ge, l’e´tude de l’homme n’a pas e´te´ mene´e dans le cadre d’une ches. Au Moyen A doctrine spe´cifique, mais a traverse´ plusieurs domaines, en fonction de l’aspect envisage´ et de l’inte´reˆt qui a guide´ les diffe´rents penseurs: la physique a explore´ le corps humain et ses caracte´ristiques, la psychologie a e´tudie´ l’aˆme, son statut et ses fonctions, la me´taphysique a envisage´ l’aˆme en tant qu’entite´ se´pare´e (du corps), son rapport avec le principe premier et son immortalite´, la morale s’est charge´e d’examiner l’agir volontaire et la the´orie de la connaissance a explore´ le rapport cognitif de l’homme a` ses objets. Reconstituer de manie`re exhaustive ˆ ge exigerait ainsi de prendre en l’anthropologie de tel ou tel auteur du Moyen A conside´ration ces diffe´rents e´clairages sur la re´alite´ humaine. Dans les pages qui suivent nous nous bornerons a` reconstituer quelques aspects de l’anthropologie de FrancX ois de la Marche 1, envisage´e par le biais de la question de la forme substantielle, en veillant a` la confronter avec la position de Jean Duns Scot. I. Unite´ et pluralite´ des for mes substantielles: l’horizon du de´ bat et la position de Jean Duns Scot Nous avons choisi la proble´matique de la (ou des) forme(s) substantielle(s) comme cle´ d’acce`s a` la conception de notre auteur. Ce questionnement a en ˆ ge l’occasion de clarifier le statut de l’eˆtre effet donne´ aux penseurs du Moyen A humain en tant que compose´ d’e´le´ments he´te´roge`nes 2. Par ailleurs, la question 1
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Pour la vie et les œuvres de FrancX ois de la Marche (ou „FrancX ois d’Ascoli“), cf. P. Vian, Francesco della Marca, in: Dizionario biografico degli Italiani, vol. 49, Rome 1997, 793-797; C. Schabel, Francis of Marchia, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy, URL: http:/plato.stanford. edu/archives/win2001/entries/francis-marchia. Le volume 44 (2006) de la revue Vivarium est entie`rement consacre´ a` notre auteur. Sur les sources du de´bat, cf. D. A. Callus, The Origins of the Problem of the Unity of Form, in: The Thomist 24 (1961), 257-285. Nous disposons actuellement d’une e´tude monumentale sur les conceptions anthropologiques e´labore´es au 13e`me sie`cle dans l’horizon de la re´ception des e´crits d’Aristote: Th. W. Köhler, ,Homo animal nobilissimum‘. Konturen des spezifisch Menschlichen in der naturphilosophischen Aristoteleskommentierung des dreizehnten Jahrhunderts. Teilband 1, Leyde 2008.
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de l’unite´ ou de la pluralite´ des formes a e´te´ un point central du de´bat qui a marque´ l’anthropologie 3 de la fin du 13e`me sie`cle. Ce de´bat, e´troitement lie´ au conflit te´moigne´ par la litte´rature des „Correctoires“ 4, eut d’importantes retombe´es institutionnelles, dont la condamnation promulgue´e a` Londres en 1286 par Jean Peckham 5 et le Concile de Vienne de 1311 6 furent les moments saillants 7. Dans cet intervalle, plusieurs prises de position ont vu le jour, dont la diversite´ meˆme dans le cadre d’orientations communes - empeˆche de fixer une fois pour toutes des ,positions-mode`les‘ selon l’appartenance religieuse ou ide´ologique de leurs partisans. Aussi, a` l’inte´rieur de la tradition franciscaine, que l’on qualifie volontiers de ,pluraliste‘, on assiste a` une e´volution 8 qui conduit a` l’abandon de la version radicale du pluralisme des formes 9 en faveur d’une solution plus mode´re´e, qu’il s’agisse de l’introduction de diffe´rents degre´s dans une meˆme forme 10 ou d’une dualite´ de formes proche du dimorphisme d’Henri de Gand 11. 3
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Nous utiliserons dore´navant ce terme pour de´signer d’une manie`re ge´ne´rale les conceptions de l’eˆtre humain auxquelles nous nous re´fe`rerons, tout en e´tant conscients que le terme comme tel n’est pas pre´sent dans la pense´e me´die´vale, s’agissant d’une invention du 18e`me sie`cle. Ce de´bat a e´te´ amplement reconstitue´ par Th. Schneider, Die Einheit des Menschen, Münster 1972. Jean Peckham y e´mettait la sentence d’excommunication a` l’encontre des maıˆtres de l’universite´ d’Oxford qui auraient de´fendu la the`se de la forme substantielle unique. Il convient de pre´ciser que dans la condamnation du 7 mars 1277 ne figurent pas d’articles qui portent explicitement sur la doctrine de la forme substantielle, mais cette proble´matique e´tait bien pre´sente dans les coulisses de cette condamnation: en effet, la proce´dure qui suivit a` l’encontre de Thomas d’Aquin visait la the`se de l’unite´ de la forme substantielle; des 51 the`ses extraites du Commentaire des Sentences de Thomas, la 48 e`me e´noncX ait que in quolibet composito est una forma. De meˆme, dans la proce´dure a` l’encontre de Gilles de Rome figure la the`se de la forme substantielle unique: cf. R. Wielocks, Autour du proce`s de Thomas d’Aquin, in: A. Zimmermann (ed.), Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuerer Forschungen (Miscellanea Mediaevalia 19), BerlinNew York 1988, 413-438, ainsi que son introduction a` l’e´dition de Aegidii Romani Apologia (Opera omnia III, 1), Florence 1985. Ce concile, dans un de´cret promulgue´ en 1313, revenait a` la doctrine aristote´licienne, en re´prouvant „toute position qui affirme que la substance de l’aˆme rationnelle ou intellective n’est pas ve´ritablement et par soi la forme du corps humain“, cf. H. Denzinger, Enchiridion symbolorum et definitionum, Würzburg 1865, ree´d. Freiburg i. Br. 1976, 284, no. 902. On trouve une chronologie des diffe´rentes e´tapes de la discussion et de ses implications institutionnelles dans A. Boureau, The´ologie, science et censure au XIII e`me sie`cle. Le cas de Jean Peckham, Paris 1999, 7-85 et 293-331. Cette e´volution a fait l’objet d’interpre´tations divergentes: cf. R. Zavalloni, Richard de Mediavilla et la controverse sur la pluralite´ des formes, Louvain 1951, 379. C’est la position de Mathieu d’Aquasparta, dont les ,Quaestiones de anima XIII‘ datent de peu avant la condamnation de 1277, cf. P. Mazzarella, Controversie medievali. Unita` e pluralita` delle forme, Napoli 1978, 63-74. Telle semble avoir e´te´ la solution de Roger Marston (cf. G. Etzkorn, The Grades of the Form according to Roger Marston, in: Franciscan Studies 44 [1962], 418-459), suivi par Richard de Mediavilla. C’est la position de Guillaume de Ware, dont le Commentaire des Sentences se situe entre 1290 et 1304, cf. G. Ga´l, Guilelmi de Ware O.F.M. doctrina philosophica per summa capita proposita, in: Franciscan Studies 14 (1954), 155-180 et 265-292, ici 279 sq. Pour la position d’Henri de Gand, cf. Zavalloni, Richard de Mediavilla (nt. 8), 287-296.
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Dans le cadre de cette e´volution, il convient de rappeler la position de Jean Duns Scot, formule´e dans le contexte du proble`me eucharistique en relation a` la question de la conversion du pain en corps du Christ 12. Le deuxie`me article de cette question inte´resse notre propos lorsqu’il s’interroge sur ce qui constitue formellement le terme (terminus ad quem) de cette conversion: la conception scotiste quant a` la forme du compose´ humain sera clarifie´e pre´cise´ment dans le proce´de´ qui vise a` identifier l’e´le´ment formel de cette conversion. Dans la critique des opinions de Thomas d’Aquin et de Gilles de Rome, ainsi que dans celle d’Henri de Gand, on trouve une premie`re mise en place du proble`me. Partisans de l’unicite´ de la forme substantielle, Thomas et Gilles soutenaient que dans le Christ en tant qu’homme il n’y a que la matie`re premie`re et l’aˆme intellectuelle, qui donne l’eˆtre au corps 13. Cette position est re´fute´e en vertu d’exigences d’ordre the´ologique: selon Scot elle serait en effet incapable de rendre compte du changement eucharistique et de l’identite´ du corps mort et du corps vivant du Christ 14. Henri de Gand - dont la position a traverse´ plusieurs phases 15 - partageait la the`se de l’unite´ de la forme dans le cas des entite´s produites par un seul et meˆme agent, mais il en niait la validite´ dans le cas de l’eˆtre humain, car celui-ci est produit par un eˆtre humain quant a` la ge´ne´ration de son corps et par le cre´ateur quant a` son aˆme intellectuelle. Cette distinction le conduisait a` formuler une conception qualifie´e de ,dimorphique‘: dans l’homme il y a deux formes, a` savoir la forme de corpore´ite´ (forma corporeitatis) qui constitue le corps humain 16, et la forme intellectuelle (anima intellectiva) qui lui donne l’eˆtre substantiel; la premie`re est tire´e de la puissance de la matie`re par voie de ge´ne´ration, alors que la seconde est confe´re´e par le cre´ateur 17. 12
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Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum, d. 11, q. 3: „Utrum panis convertitur in corpus Christi in Eucharistia“, in: Ioannis Duns Scoti Commentaria oxoniensia ad IV libros magistri Sententiarum, ed. Mariano Ferna´ndez Garcı´a, vol. 4, Quaracchi 1918, 350-443. On trouvera une synthe`se des positions de Thomas d’Aquin et de Gilles de Rome dans: Mazzarella, Controversie (nt. 9), 35-60 et 197-232. Cf. Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 11, q. 3, no. 31, 399: „Sic ergo neuter modus tenens conclusionem negativam hanc, quod in corpore Christi non est alia forma substantialis quam intellectiva salvat sufficienter veritatem Eucharistiae; sed nec salvat sufficienter unitatem rei contentae in Eucharistia, scilicet unitatem corporis Christi, quia sicut in existentia naturali, ita et in Eucharistia erat idem corpus et mortuum et vivum.“ Cette critique n’est pas nouvelle, elle figurait de´ja` chez les partisans de la pluralite´ des formes critique´s par Gilles de Rome dans le ,Tractatus de gradibus formarum‘, cf. Mazzarella, Controversie (nt. 9), 198 sq. Cf. G. Fioravanti, Forma ed ,esse‘ in Enrico di Gand: preoccupazioni teologiche e elaborazione filosofica, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Serie III, 5 (1975), 985-1031; C. Koenig-Pralong, Corps, cadavre, matie`re. Autour de Gilles de Rome, Henri de Gand et Dietrich de Freiberg, in: Quaestio 7 (2007), 339-359. L’ide´e d’une „forma corporeitatis“ remonte a` Avicenne, Me´taphysique II, 3, cf. M. Sebti, Avicenne. L’aˆme humaine, Paris 2000, 22 sqq. Henri de Gand, Quodlibet IV (date´ de 1279), q. 13 (ed. Paris 1518, foll. 112vB-113rD); mais aussi Quodlibet IX (qui date de 1286), q. 8 et Quodlibet X (date´ e´galement de 1286), q. 5. Pour une reconstitution de la position d’Henri nous renvoyons a` Mazzarella, Controversie (nt. 9), 161-177, ainsi qu’aux deux e´tudes cite´es a` la note 15.
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La critique scotiste de cette solution suit deux directions: d’abord, Duns Scot en e´largit la porte´e en affirmant que la pre´sence d’une forme autre que l’aˆme intellective peut eˆtre ve´rifie´e dans tous les vivants, et non seulement en l’homme. Ensuite, il la rectifie sur le plan anthropologique: en effet, si - comme le soutenait Henri de Gand - la meˆme matie`re e´tait le perfectible propre de la forme corporelle et de l’aˆme intellective (selon Henri l’aˆme intellective n’informe pas la forme de corpore´ite´, car dans ce cas elle informerait une entite´ en acte et ne serait plus la forme substantielle), Dieu pourrait informer directement la matie`re par l’aˆme intellective sans l’action d’un agent cre´e´ et sans qu’elle soit pourvue de la forme de corpore´ite´; or, dans pareil cas, il s’ensuivrait a` la fois que le compose´ ne serait pas un eˆtre humain - car il n’aurait pas ce qui rele`ve de l’essence de l’homme, a` savoir un corps humain -, et qu’il ne serait pas non plus un non-eˆtre humain - puisqu’il posse`derait ce par quoi l’eˆtre humain est ` cette difficulte´ formellement un eˆtre humain, a` savoir l’aˆme intellective. A s’ajoute le fait qu’un compose´ constitue´ de deux actes distincts comme le sont la forme de corpore´ite´ et l’aˆme intellectuelle ne pourra pas constituer une unite´ par soi 18. Cette critique peut ainsi eˆtre ramene´e a` deux motifs fondamentaux: d’une part, Duns Scot refuse le statut d’exception attribue´ par Henri a` l’eˆtre humain; d’autre part, il n’admet pas la coexistence en l’homme de deux formes juxtapose´es qui en compromettraient l’unite´. Quelle est la solution du Docteur Subtil? En re´alite´, elle apparaıˆt de prime abord comme une variante du dimorphisme d’Henri. Pour Duns Scot, la ge´ne´ration d’un eˆtre naturel trouve certes son terme dans une forme unique, mais cela n’empeˆche pas que plusieurs changements partiels, finalise´s par des formes partielles, aient pre´ce´de´ la forme ultime du tout. Chaque compose´ d’aˆme et de corps comprend en effet deux parties essentielles, a` savoir son acte propre qui est celui de la forme ultime - et la puissance propre de cet acte - qui inclut la matie`re premie`re avec toutes les formes pre´ce´dentes 19. Dans chaque eˆtre vivant il y a donc une forme par laquelle son corps est un corps, et une autre par laquelle il est anime´ 20. En vertu de la premie`re, le corps garde son eˆtre et reste ce qu’il est meˆme lorsque l’aˆme ne lui est plus unie: c’est ainsi que le corps du Christ, mort ou vivant, demeure un seul et meˆme corps. Cette meˆme identite´ est assure´e dans l’Eucharistie par le premier terme de la conversion, a` 18
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Cf. Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 11, q. 3, nos. 38 sq., 415 et 420. La critique relative a` l’unite´ de l’homme avait de´ja` e´te´ formule´e par Gilles de Rome, cf. G. Wilson, Henry of Ghent and Rene´ Descartes on the Unity of Man, in: Franziskanische Studien 64 (1982), 97-110. Cf. ibid., no. 46, 429: „concedo quod formale esse totius compositi est principaliter per unam formam, et illa forma est, qua totum compositum est hoc ens; ista autem est ultima adveniens omnibus praecedentibus; et hoc modo totum compositum dividitur in duas partes essentiales, in actum proprium, scilicet ultimam formam, qua est illud quod est, et propriam potentia illius actus, quae includit materiam primam cum omnibus formis praecedentibus.“ Ibid., no. 54, 436: „ideo universaliter in quolibet animato necesse est ponere illam formam, qua corpus est corpus, aliam ab illa, qua est animatum […]; loquor de corpore, ut est altera pars compositi.“
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savoir le compose´ de matie`re et d’une forme ante´rieure a` la forme intellectuelle 21 - la forme ante´rieure e´tant pre´cise´ment le terme formel de la conversion du pain en corps du Christ 22. Inde´pendamment de ces exigences d’ordre the´ologique, Scot justifie ulte´rieurement la ne´cessite´ d’une forme ante´rieure a` la forme intellectuelle par le fait que cette dernie`re ne peut informer qu’une matie`re qui posse`de certaines qualite´s et a` un degre´ de´termine´. Pour recevoir la forme intellective, la matie`re doit en effet eˆtre dispose´e d’une certaine manie`re, c’est-a`-dire proportionne´e et pre´pare´e a` la recevoir 23. Il est donc ne´cessaire d’attribuer a` la matie`re devenue corps une forme propre: ce sera la forma mixti ou forma corporeitatis. S’agissant de clarifier le rapport entre ces deux formes, Duns Scot fait bon usage de ses subtilite´s: il pre´cise d’abord - contre Henri de Gand - qu’elles ne sont pas juxtapose´es, mais subordonne´es, car la forme de corpore´ite´ constitue la puissance propre de l’acte confe´re´ par la forme intellectuelle. Il rectifie ensuite cette subordination en excluant toute ne´cessite´ dans leur rapport: de cette manie`re, il peut assurer l’inde´pendance et l’identite´ du corps en l’absence de l’aˆme intellectuelle et rendre compte de la situation qui s’est produite lors du triduum pascal 24. Duns Scot adopte ainsi la position dimorphiste, mais en veillant a` e´viter a` la fois la se´paration ou juxtaposition pure et simple des deux formes et la re´duction de l’une dans l’autre. Cette solution semble viser deux buts: sur le plan anthropologique, il s’agit de sauvegarder l’unite´ et la spe´cificite´ du compose´ humain face au dualisme implique´ (ou suppose´) dans le dimorphisme d’Henri de Gand; sur le plan the´ologique, il s’agit de garantir l’identite´ du cadavre et du corps vivant du Christ. II. La position de FrancX ois de la Marche L’opposition de Duns Scot au maıˆtre gantois montre que les the`ses d’une pluralite´ hie´rarchise´e de formes (Mathieu d’Aquasparta 25) et celle d’une pluralite´ 21
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Ibid., no. 58, 440: „Ad ultimum patet quod primus terminus istius conversionis […] *est+ compositum ex materia et forma quadam priori forma intellectiva, quae mansit eadem realiter cum Christo vivo, et in corpore mortuo, et quae mansit tamquam formale rei primo contentae sub Eucharistia semper, ex quo fuit Eucharistia instituta.“ Ibid., no. 57, 437: „corpus Christi per se includit materiam, et ad minus unam formam mixti priorem intellectiva […], et in istud compositum, quod tamen per se est pars hominis, fit per se conversio panis […], et per consequens haec forma est formalis terminus conversionis, sive forma termini conversionis.“ Ibid., no. 56, 437: „licet ergo intellectiva non habeat propriam repugnantiam ad aliquam formam naturalem, tamen informando materiam requirit qualitates aliquas, et in gradu aliquo perfecto, in quo si non maneant, ipsa non informabit materiam.“ Ibid., no. 56, 437: „dico quod illa forma *sc. corporis+ non est dispositio necessaria vel necessitans ad intellectivam; et licet statim sequatur eam intellectiva in generatione, hoc non est propter necessitatem inter eas […]; licet ergo intellectiva non habeat propriam repugnantiam ad aliquam formam naturalem, tamen informando materiam requirit qualitates aliquas, et in gradu aliquo perfecto, in quo si non maneant, ipsa non informabit materiam; illae autem sunt qualitates consequentes formam priorem, sed non necessario requisitae ad esse formae prioris in tanto gradu in quanto requiruntur ad esse intellectivae in materia.“ Cf. Mazzarella, Controversie (nt. 9), 61-98.
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de degre´s a` l’inte´rieur d’une meˆme forme (Roger Bacon, Richard de Mediavilla, Jean de Dacie 26) sont de´sormais e´carte´es pour faire place a` la confrontation entre la position unitaire d’un coˆte´ et la position dimorphiste de l’autre. C’est ce que l’on constate e´galement dans l’examen du proble`me pre´sente´ par FrancX ois de la Marche dans la question 38 de son commentaire au livre II des Sentences 27. En effet, cette question ne prend plus en conside´ration la the`se pluraliste, mais discute longuement celle de l’unicite´ de la forme 28 et examine ensuite le rapport des (deux) formes (retenues) a` la matie`re 29. 1. La critique de la the`se de l’unicite´ de la forme Lorsqu’en 1319/20 FrancX ois re´dige son ,Commentaire des Sentences‘, la the`se de l’unicite´ de la forme substantielle a de´sormais acquis une valeur institutionnelle, puisque le Concile de Vienne de 1311 l’a adopte´e comme doctrine de l’Eglise. Le franciscain ne semble toutefois pas intimide´ par ce de´cret et n’en tient pas compte, du moins explicitement. Aussi, il s’engage dans une critique serre´e de cette the`se 30, dont les arguments trouvent leur origine dans la position de Thomas d’Aquin 31. La doctrine de l’unite´ de la forme preˆte le flanc a` quatre objections. La premie`re met en avant l’alte´rite´ et la disproportion entre une forme e´tendue et une 26 27
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Ibid., 99-160. FrancX ois de la Marche, Quaestiones in II Sententiarum: „Utrum in homine sit aliqua forma praeter animam intellectivam“. Nous nous re´fe´rerons ici au texte que nous avons e´tabli, en collaboration avec William Duba et Emmanuel Babey, en vue de l’e´dition critique de ce commentaire, qui sera publie´e dans Francisci de Marchia Opera Omnia. Quaestiones in secundum librum Sententiarum, vol. 3 (Ancient and Mediaeval Philosophy. Series 3), Leuven, publication pre´vue pour 2011. Dans les renvois au texte, nous allons indiquer le no. du paragraphe de cette e´dition. FrancX ois de la Marche, Quaestiones in II Sententiarum (nt. 27), q. 38, a. 1: „Utrum in homine sit aliqua forma alia ab anima intellectiva, et in brutis aliqua alia a forma sensitiva, et in plantis aliqua alia a vegetativa.“ Ce premier article consiste en une longue discussion de la the`se de l’unicite´ de la forme substantielle. Ibid., a. 2: „Quomodo formae se habent in ordine ad materiam.“ La divisio textus qui ouvre cette question fait mention d’un troisie`me article („Utrum in homine sit aliqua anima distincta ab anima intellectiva, quod est quaerere utrum sensitivum, vegetativum et intellectivum sint in homine tres animae vel tantum una per essentiam“), qui malheureusement n’a pas e´te´ transmis par la tradition manuscrite dont nous disposons et qui peut-eˆtre n’a jamais e´te´ re´dige´. Cf. ibid., § 31: „ista opinio est contra rationem, contra sensum, contra Scripturam et etiam contra Philosophum“. Cf. Thomas d’Aquin, Summa theologiae I, 76, 3: „Si ponamus animam corpori uniri sicut formam, omnino impossibile videtur plures animas per essentiam differentes in uno corpore esse. […] Nihil enim est simpliciter unum nisi per formam unam, per quam habet res esse.“ Notre auteur pourrait toutefois tenir ces arguments d’une autre source: en effet, les motifs rapporte´s par FrancX ois correspondent d’une manie`re ge´ne´rale a` ceux de Thomas, mais leur succession et les autorite´s qui y figurent sont plus proches, par exemple, de ceux qui se trouvent dans le traite´ ,De pluralitate formarum‘ de Thomas de Sutton, de´fenseur et propagateur de la doctrine de Thomas d’Aquin; cette proximite´ n’est cependant pas suffisante pour conside´rer le maıˆtre anglais comme source de FrancX ois.
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forme non-e´tendue: puisque l’aˆme intellective est une forme simple, indivisible et sans e´tendue 32, et que la forme du corps posse`de ne´cessairement l’e´tendue, il est impossible que ces deux formes coı¨ncident en une seule et meˆme forme 33. La deuxie`me objection est fonde´e sur la raison spe´cifique de corpore´ite´ et sur la spe´cificite´ du corps humain. Argumentant sur le plan physique, FrancX ois met en avant le fait que tout corps mixte est tel en vertu d’une forme; de`s lors, a` partir du moment ou` ni l’aˆme intellective ni aucune autre forme spirituelle ne peut rendre compte de son me´lange, il faut attribuer a` chaque corps une forme responsable de cette de´termination 34. Se situant ensuite au niveau anthropologique, notre auteur insiste sur la spe´cificite´ du corps humain: le corps de l’homme n’est pas n’importe quel corps animal, mais un corps humain en vertu d’une forme corporelle qui lui est propre; par conse´quent, si en l’homme il y avait seulement l’aˆme intellective, son corps serait un corps en un sens e´quivoque, e´tant donne´ que tous les autres sont des corps par une forme corporelle 35. La troisie`me objection fait appel a` la the`se me´taphysique de l’incorruptibilite´ de la matie`re premie`re et de l’aˆme intellective: leur incorruptibilite´ exclut qu’elles puissent eˆtre sujets d’alte´ration, d’accroissement ou de diminution, alors que le corps est ne´cessairement soumis a` de tels processus; il est donc ne´cessaire de lui attribuer une forme autre que l’aˆme intellective et qui soit le sujet de ses changements substantiels 36. La quatrie`me et dernie`re objection repose sur la conside´ration de la forme en tant que principe de mouvement: puisque le corps est le principe de mouvements de´termine´s, alors que l’aˆme est principe de toute sorte de mouvements, ces deux principes d’action ne sont pas compatibles en une seule et meˆme forme, mais rele`vent ne´cessairement de formes diffe´rentes 37. 32
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Cette the`se a e´te´ de´montre´e par FrancX ois dans la question 37 du meˆme commentaire: „Dico autem hic quod anima intellectiva est inextensa et indivisibilis sic quod est tota in toto corpore et tota in qualibet parte eius.“ FrancX ois de la Marche, Quaestiones in II Sententiarum (nt. 27), q. 38, no. 17: „Impossibile est quod forma per se divisibilis et extensa et forma inextensa et indivisibilis, indivisione opposita illi divisioni, coincidant in eadem forma numero. Sed anima intellectiva est forma indivisibilis et inextensa […]. Forma autem corporis humani est extensa sicut subiectum vel ratio subiecti quantitatis; […] ergo etc.“ Ibid., no. 20: „Praeterea, omne corpus vere mixtum est mixtum per aliquam formam extensam; anima enim intellectiva non est forma mixtionis nec per ipsam potest aliquid esse mixtum; sed corpus humanum est vere mixtum, sicut alia corpora; […] quare etc.“ Ibid., no. 19: „Praeterea tertio, si in homine non esset alia forma ab anima intellectiva per quam corpus humanum esset corpus, tunc sequeretur quod corpus hominis esset corpus aequivoce et tantum secundum nomen commune corporibus. Alia enim corpora sunt corpora per formam corpoream. Corpus autem humanum esset corpus per formam spiritualem et incorpoream, quia per intellectivam. […] hoc autem est inconveniens.“ Ibid., no. 27: „Praeterea, omnis forma corruptibilis distinguitur necessario a forma incorruptibili; sed anima intellectiva est forma incorruptibilis, forma autem corporis est naturaliter corruptibilis. […] Sed corpus humanum est vere alterabile secundum qualitates activas et passivas. Ergo huiusmodi alteratio est via ad corruptionem substantiae. Sed constat quod non est via ad corruptionem materiae primae nec animae intellectivae; ergo etc.“ Ibid., no. 25: „Praeterea, ubicumque est forma quae est principium motus determinati et forma quae est principium cuiuscumque motus indeterminati, ibi oportet ponere diversas formas. […] Sed forma corporis est principium determinati motus […]. Anima autem est principium indeterminatum omnis motus secundum quamcumque differentiam loci; ergo etc.“
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2. La the`se des deux formes Au fil de cette critique e´merge une solution a` laquelle FrancX ois donne une porte´e ge´ne´rale: dans chaque eˆtre anime´ il y a une forme substantielle essentiellement distincte de son aˆme, a` savoir une forme ante´rieure qui exerce la fonction de sujet par rapport a` son aˆme 38. Dans l’homme il y a donc une forme de corpore´ite´ distincte de son aˆme intellectuelle 39. Cette solution n’est pas nouvelle: elle reprend celle de Duns Scot, dont la position pourrait eˆtre redevable de celle de Guillaume de Ware 40. FrancX ois se rallie ainsi a` leur conception dimorphiste et en partage la double intention: rendre compte de l’alte´rite´ du corps et de l’esprit d’une part et, d’autre part, sauvegarder l’unite´ du compose´ humain. La proximite´ avec Duns Scot est frappante: celui-ci avait de´clare´ que „dans chaque eˆtre anime´ il est ne´cessaire de poser une forme par laquelle le corps est un corps, et cette forme est autre que celle par laquelle il est un corps anime´“ 41. Il faut pre´ciser que le corps auquel Scot se re´fe´rait dans ce passage est l’autre partie du compose´ humain, constitue´e pre´cise´ment par la forma mixti (ou forma corporeitatis) qui lui donne son eˆtre propre inde´pendamment de l’aˆme intellectuelle; en tant que partie du compose´, ce corps ne doit pas eˆtre confondu avec le corps en tant que genre, car en tant que partie il n’entre dans le genre ,corps‘ qu’indirectement et par re´duction 42. Cette double distinction - le corps en tant que corps n’est pas le corps en tant qu’anime´ et le corps en tant que genre n’est pas le corps en tant que partie - retient toute l’attention de notre auteur. Elle remonte aux diffe´rentes notions de corps pre´sente´es par Gilles de Rome dans le cadre de son analyse de la transsubstantiation 43 et dont un e´cho se retrouve chez Duns 38
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Ibid.: „Unde concedo quod in quocumque animato quacumque anima est alia forma substantialis ab ipsa anima. In quocumque enim est anima per modum formae, in eo est aliqua substantialis forma prior per modum subiecti respectu animae ab ipsa essentialiter distincta.“ Ibid., no. 32: „Tunc ergo dico quod in homine est aliqua forma substantialis praeter animam intellectivam, puta forma corporeitatis.“ Cf. Ga´l, Guilelmi de Ware O.F.M. doctrina philosophica (nt. 11), 279. Il convient de signaler que cette position dimorphiste sera aussi celle de Gerardus Odonis, que FrancX ois de la Marche a certainement connu, puisqu’il a e´te´ ministre ge´ne´ral de l’ordre franciscain de 1329 a` 1342; il lut les Sentences a` Paris en 1326: dans son commentaire au livre II, d. 18, il posait que dans l’homme il y a deux formes substantielles qui rendent compte des deux parties qui composent l’eˆtre humain, cf. R. Friedman, Gerard Odo on the Soul, in: Actes du XIIe`me congre`s international de la S.I.E.P.M., Palermo 2007, en voie de publication. Le dimorphisme de G. Odon semble toutefois impliquer un certain dualisme, dans la mesure ou` il pose que „homo componitur ex duobus substantiis, corporali videlicet et spirituali.“ Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 11, q. 3, no. 54, 436: „universaliter in quolibet animato, necesse est ponere illam formam, qua corpus est corpus, aliam ab illa, qua est animatum.“ Cf. ibid.: „non autem loquor de illa, quae est corpus, hoc est individuum corporis, quod est genus, nam quodcumque individuum sua forma taliter est corpus, ut corpus est genus, et habens corporeitatem, sed loquor de corpore, ut est altera pars compositi.“ Cf. Gilles de Rome, Theoremata de corpore Christi, prop. 26; De gradibus formarum, p. II, c. 1, Venise 1502, 204rb-va, ou` on trouve trois acceptions de la notion de corps: le „corpsquantite´“, le „corps-genre“ et le „corps-partie“. Un e´cho indirect se lit chez FrancX ois lorsqu’il
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Scot 44. La re´fe´rence a` cette the´orie donne a` FrancX ois l’occasion de se de´marquer de ses interlocuteurs et de se positionner de manie`re critique face a` l’ide´e que le corps constitue un genre, dont le corps humain et les autres corps seraient des espe`ces. Il y a en effet deux types de corps: les corps inanime´s, constitue´s comme espe`ce de´termine´e par leur forme ou degre´ de corpore´ite´ (par exemple le feu, qui est tel par sa propre forme), et les corps anime´s, qui ne sont pas constitue´s dans leur espe`ce ultime (eˆtre humain, cheval, etc.) par la forme de corpore´ite´, mais par une forme d’un autre ordre qui finalise la premie`re 45. Dans cette optique, on pourrait donc tout au plus conside´rer les corps inanime´s comme constituant le genre ,corps‘, spe´cifie´ ulte´rieurement par les formes de corpore´ite´ qui de´terminent le statut de telle ou telle espe`ce particulie`re. En revanche, le corps humain, ainsi que les autres corps anime´s, ne peuvent pas faire partie d’un tel genre, car leur spe´cificite´ n’est pas redevable de leur forme de corpore´ite´, mais de leur aˆme propre 46. La forme de corpore´ite´ du corps humain n’est donc pas une forme ge´ne´rique de corpore´ite´ commune a` tous les corps, ni d’ailleurs aux corps anime´s, mais c’est la forme spe´cifique du corps humain en tant qu’humain, c’est-a`-dire en tant qu’ordonne´ a` l’aˆme intellective 47. En d’autres termes, l’homme ne re´sulte pas de l’addition d’un corps animal et d’une aˆme intellectuelle, mais d’un corps humain et d’une aˆme humaine. Cette the`se anthropologique rend manifeste une attention particulie`re pour la spe´cificite´ et l’unicite´ de l’eˆtre humain. L’irre´ductibilite´ de son corps a` un genre
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pre´sente la position suivante (Quaestiones in II Sententiarum [nt. 27], q. 38, no. 41): „Dicunt hic aliqui quod duplex est corpus. Quoddam est pars hominis, et talis corporis esse non dat anima intellectiva […]. Aliud est quod est genus subalternum, et tale est intermedium inter genus generalissimum et speciem specialissimam, et est ab anima intellectiva.“ Cf. nt. 42 et P. Bakker, La raison et le miracle. Les doctrines eucharistiques (c. 1250-c. 1400), Nime`gue 1999, 206. FrancX ois de la Marche, Quaestiones in II Sententiarum (nt. 27), q. 38, no. 43: „Corpus non est genus secundum rem nec secundum veritatem […]. Unde tunc dicam quod duplex est corpus: quoddam quod reponitur et constituitur in sua propria specie specialissima per gradum proprium suae corporeitatis, sicut ignis et quodcumque aliud inanimatum simplex vel mixtum; et aliud quod non reponitur in specie sua ultima per gradum aliquem sive formam corporeitatis, sed per formam alterius ordinis, sicut corpus humanum et quodcumque corpus animatum. Tale enim reponitur in sua specie ultima per aliquem gradum animae, non per gradum aliquem corporeitatis, quia omnis talis gradus est in via ad ultimam formam eius, puta ad animam per quam reponitur in sua specie ultimate.“ Cf. ibid.: „Corpus autem humanum non continetur sub tali corpore *sc. ut genus+, quia ipsum, ut dictum est, non reponitur in specie per gradum corporeitatis, sed per reductionem ad aliam formam.“ Dans la question 15 (no. 49) du meˆme commentaire on lit ceci: „Corpus humanum sufficienter ad animam intellectivam dispositum, ut est prius natura ipsa anima intellectiva, est in specie hominis per reductionem, videlicet sicut via ad ipsam; sic enim huiusmodi corpus est in potentia ad animam intellectivam, puta ad formam hominis, quod non est in potentia ad animam bruti.“ De meˆme, a` la q. 28, no. 37, on trouve l’affirmation suivante: „differentia specifica est duplex: quaedam ultimata, sicut differunt duae species specialissimae, ut homo et equus. Et alia non ultimata, sed quasi in potentia, sicut differunt corpus humanum et corpus leonis. Ista enim differunt specie non complete et ultimate, sicut homo et leo, sed per modum viae. Et illa quae sic sunt in potentia ad diversas formas specificas, neuter illorum est in potentia ad illas indifferenter. Ita enim corpus istud humanum est in potentia ad formam ultimam specificam hominis quod non ad formam leonis.“
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refle`te clairement cette attention: attribuer au compose´ humain une forme propre de corpore´ite´ empeˆche en effet de faire de l’homme le re´sultat de la composition de deux e´le´ments pre´alables et he´te´roge`nes (le corps et l’aˆme) et re´pond a` l’exigence d’un principe qui, tout en rendant compte de la diffe´rence de nature entre la matie`re et l’esprit, assure que le corps qui compose l’eˆtre humain est bel et bien un corps humain. Celui-ci n’a pas le statut d’un corps ge´ne´rique qui serait informe´ par la forme spe´cifique qu’est l’aˆme intellective, mais tient son statut et ses attributs de son articulation a` ce qui fait la spe´cificite´ de l’homme 48. Pour cette raison, le corps humain, meˆme en tant que corps, est plus noble que l’aˆme sensitive de l’animal, car il participe d’une certaine manie`re de la vie intellectuelle 49. On assiste ainsi a` une sorte d’assimilation ou de re´duction du corps humain a` l’aˆme intellective, c’est-a`-dire a` quelque chose qui lui est supe´rieur et le de´passe: l’humanite´ du corps humain re´side pre´cise´ment dans ce lien fondamental avec ce que l’homme posse`de de spe´cifique et de meilleur. Par ces implications anthropologiques, FrancX ois se de´marque de la conception scotiste, car s’il en partage la the`se dimorphiste, il vise davantage a` assurer la spe´cificite´ et l’unite´ du compose´ humain. Duns Scot admettait que l’eˆtre formel du compose´ re´sulte principalement de sa forme ultime (l’aˆme intellective) 50, mais son souci principal e´tait de garantir que le corps posse`de un eˆtre propre inde´pendamment de celle-ci 51. Comme on l’a vu, ce souci e´tait dicte´ par le proble`me du changement eucharistique, et notamment par le besoin d’identifier un terme formel de la transsubstantiation. Or cette proble´matique est totalement absente chez FrancX ois: a` aucun moment de son analyse il ne fait re´fe´rence au proble`me eucharistique 52 ni a` aucun autre aspect d’ordre the´ologique 53, ce qui 48
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Cf. ibid., q. 38, no. 18: „corpus humanum a tota specie sua habet determinatam figuram et determinata accidentia aliqua.“ Cf. ibid., no. 47: „Tunc dico quod corpus humanum simpliciter est nobilius anima sensitiva bruti; participat enim vitam intellectivam.“ Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 11, q. 3, no. 46, 429: „Si tamen omnino fiat vis in verbo, concedo quod formale esse totius compositi est principaliter per unam formam, et illa forma est, qua totum compositum est hoc ens.“ Dans le no. 43 (p. 426) du meˆme texte, Duns Scot avait distingue´ deux sens de la formule „dare esse simpliciter“: „prout simpliciter accipit pro universaliter“ et „prout ens simpliciter distinguitur contra ens secundum quid“, afin d’affirmer que la forme substantielle donne l’eˆtre au second sens du terme. FrancX ois adopte cette distinction (Quaestiones in II Sententiarum [nt. 27], q. 38, no. 34): „dico quod ,simpliciter‘ accipi potest dupliciter, quia vel pro principaliter, vel pro universaliter. Primo modo concedo quod forma substantialis dat esse simpliciter […], non secundo modo, hoc est universaliter.“ Cette reprise montre que la position de Jean Duns Scot est bien le point de re´fe´rence tacite de FrancX ois dans ce premier article. Cf. Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 1, q. 3, no. 54, 436: „Unde corpus, quod est altera pars manens quidem in esse suo proprio sine anima, habet formam, qua est corpus isto modo, et non habet animam.“ Le proble`me eucharistique occupe en revanche 15 questions de son commentaire au livre IV des Sentences: plusieurs e´le´ments de sa conception ont e´te´ reconstitue´s par Bakker, La raison et le miracle (nt. 44), vol. 1, 86-94 et 399-408. Comme on l’a signale´, FrancX ois ne fait pas non plus re´fe´rence au Concile de Vienne de 1311 qui avait de´clare´ que l’aˆme rationnelle ou intellective est par soi la forme du corps -, alors que, par exemple, un confre`re qui lui sert souvent de point de re´fe´rence et dont il connaissait les e´crits, Pierre Auriol, s’y e´tait re´fe´re´ explicitement, cf. Pierre Auriol, In II Sententiarum, d. 15,
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lui permet d’aborder la question des formes en l’eˆtre humain d’un point de vue purement philosophique et en fonction des exigences de son anthropologie 54. Celle-ci vise principalement a` de´fendre la spe´cificite´ de l’eˆtre humain et l’unite´ de l’individu. Ce dernier motif investit d’ailleurs toute sa philosophie: il intervient dans sa critique de la doctrine averroı¨ste de l’unicite´ de l’intellect 55 et dans celle de la possibilite´ de de´montrer rationnellement l’immortalite´ de l’aˆme 56. Ce motif est e´galement pre´sent dans sa the´orie de la connaissance, ou` l’unite´ et la consistance du sujet exclut la causalite´ efficiente de l’objet sur l’acte cognitif, et dans celle de la liberte´ en tant que spe´cifiquement humaine et de la volonte´ comme principe autonome de l’agir 57. Il e´merge enfin, et a` plus forte raison, dans sa conception de l’individuation, qui refuse de faire de l’individu le re´sultat d’une contraction de la nature commune spe´cifique 58. La spe´cificite´ de l’eˆtre humain ainsi que l’unite´ de l’individu constituent ainsi des ,leitmotivs‘ de l’anthropologie de FrancX ois et apparaissent e´galement sous-tendus a` sa conception des formes substantielles. 3. Le rapport des deux formes substantielles On en trouve une confirmation dans sa facX on de concevoir le rapport entre la forme de corpore´ite´ et l’aˆme intellective. Rappelons que Duns Scot avait insiste´ sur l’inde´pendance de la premie`re a` l’e´gard de la seconde, ce qui assurait la permanence de l’eˆtre et l’identite´ du corps lorsque l’aˆme intellective l’a quitte´ 59. Or, s’agissant de clarifier ce rapport, FrancX ois choisit comme interlocu-
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q. 1, a. 2, Romae 1605, 223b (sur la position d’Auriol par rapport au concile de Vienne, cf. A. Baldissera, La decisione del Concilio di Vienne [1311] ,Substantia animae rationalis seu intellectivae vere ac per se humani corporis forma‘ nell’interpretazione di un contemporaneo, in: Rivista di filosofia neoscolastica 34 [1942], 212-232). De meˆme, six ans plus tard, Gerardus Odonis s’y re´fe`rera, cf. In II Sententiarum, d. 18 (cf. Friedman, Gerard Odo on the Soul [nt. 40]). On peut relever e´galement une diffe´rence importante et analogue par rapport a` Henri de Gand: a` aucun moment de son analyse FrancX ois ne fait re´fe´rence a` la proble´matique de la cre´ation. Cf. T. Suarez-Nani, Un’altra critica alla noetica averroista: Francesco della Marca e l’unicita` dell’intelletto, in: Actes du XII e`me congre`s international de la S.I.E.P.M., Palermo 2007, sous presse. FrancX ois conside`re en effet que chaque acte second exerce´ par l’aˆme humaine - tel l’ope´ration intellectuelle - pre´suppose l’acte premier, a` savoir l’animation du corps: celui-ci e´tant corruptible, il est impossible d’argumenter en faveur de l’incorruptibilite´ de l’acte second, cf. T. SuarezNani, Peut-on prouver l’immortalite´ de l’aˆme? De´monstration et certitude selon FrancX ois de la Marche, in: Picenum Seraphicum (2006-2008), 167-195. Cf. T. Suarez-Nani, Causalita` e attivita` del soggetto: la posizione di Francesco d’Appignano, in: Atti del IV∞ convegno internazionale su Francesco d’Appignano, Appignano del Tronto 2008, 223-246. Cf. T. Suarez-Nani, Un nuovo contributo al problema dell’individuazione: Francesco de Marchia e l’individualita` delle sostanze separate, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 16 (2005), 405-459. Cf. Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 11, q. 3, no. 54, 436: „Haec *sc. forma corporis+ autem manet eadem, sive anima uniatur illi, sive non uniatur, quia haec prior est naturaliter saltem in informando ipsa anima, et in triduo mansit, anima non manente ibi.“
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teur son ce´le`bre confre`re Pierre de Jean Olivi. Celui-ci concevait le rapport entre les diffe´rentes formes en l’homme comme un rapport de disposition, selon lequel chaque forme partielle informe sa matie`re et la dispose a` recevoir la forme partielle supe´rieure; cette dernie`re informe a` son tour directement la matie`re et agit indirectement sur la forme partielle pre´ce´dente - la succession de ces formes partielles, unies a` la forme ultime en tant que parties formelles, e´tant ordonne´e a` la forme ultime supe´rieure, qui est la forme du tout 60. La position olivienne est aussitoˆt critique´e: selon FrancX ois, la forme ultime (l’aˆme intellective) n’informe pas la matie`re premie`re, mais le compose´ de matie`re premie`re et d’une forme substantielle ante´rieure a` la forme ultime; de cette manie`re la forme ante´rieure ne se rapporte pas a` la suivante comme une simple disposition, mais comme son sujet 61. Plus pre´cise´ment, notre auteur pose entre la forme de corpore´ite´ et la forme ultime a` la fois un rapport de disposition et un rapport de perfectibilite´: la forme du corps dispose la matie`re premie`re a` recevoir l’aˆme intellective, si bien que le corps dispose´ est son sujet imme´diat, perfectionne´ par elle 62. L’aˆme intellective ne se rapporte donc pas a` la matie`re premie`re, mais a` la forme du corps qui en constitue le sujet 63. FrancX ois inverse ainsi les rapports pose´s par Olivi: il les remplace par un rapport me´diatise´ entre la forme ultime et la matie`re et par un rapport imme´diat entre la forme ultime et la forme de corpore´ite´. La forme de corpore´ite´ n’est plus alors une simple disposition, mais le sujet ne´cessaire a` l’information de l’individu par l’aˆme intellective. 60
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Cf. Pierre de Jean Olivi, Quaestiones in secundum Sententiarum, q. 50, ed. B. Jansen, Quaracchi 1924, vol. 2, 23-101. Pour Olivi le rapport d’une forme partielle a` l’autre n’est pas un rapport de perfectibilite´, mais un rapport de parties (formelles) au tout (forme ultime), cf. ibid., 40: „Unde forma ultima est solum perfectio materiae proprie, soli enim sibi unitur ut materiae et ut perfectibili, formae vero primae, non unitur sicut parti formali […]. Uniuntur ergo sicut inferior gradus et superior, et sic fit perfecta actualitas ex gradu ipsius supremo et infimo. Sicut enim partes materiae non possunt ad invicem uniri nisi per formam et in forma, sic duo gradus formales realiter distincti non possunt ad invicem uniri nisi in materia; non enim sunt actus sui ipius, sed materiae.“ Pour la conception d’Olivi, cf. Schneider, Die Einheit (nt. 4), 227-232. FrancX ois de la Marche rapporte la position d’Olivi en ces termes (Quaestiones in II Sententiarum [nt. 27], q. 38, no. 48): „Quantum ad secundum principale sunt aliqui dicentes quod istae plures formae substantiales, in quocumque ponantur, habent inter se ordinem per modum dispositionis, non per modum subiecti perfectibilis.“ Cf. FrancX ois de la Marche, Quaestiones in II Sententiarum (nt. 27), q. 38, no. 50: „Sed tamen dico aliter, videlicet quod ultima forma, ubicumque plures formae ponuntur, non perficit seu informat immediate materiam primam, sed compositum ex ipsa et forma priori substantiali, ita quod proprium et immediatum perfectibile per ultimam formam non est materia prima, sed huiusmodi compositum ex forma substantiali et materia prima; et ita forma praecedens non tantum respicit sequentem ut dispositio, sed etiam ut ratio subiecti eius.“ Cf. ibid., no. 54: „Et ideo dico quod istae formae habent duplicem ordinem, videlicet dispositionis et etiam termini perfecti et perfectionis. Prima enim ordinatur ad ultimam et sicut dispositio ad terminum, et etiam sicut perfectibile sive sicut ratio subiecti perfectibilis ad suam perfectionem. Unde forma corporis disponit materiam primam ad animam, et etiam cum hoc est ratio primi et immediati subiecti eius, perfectibilis per ipsam.“ Cf. ibid.: „Unde magis etiam ipsa anima perficit seu informat substantialem formam corporis quam materiam primam.“
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Quelle est la raison de cette critique? De l’aveu meˆme de notre auteur, elle re´sulte de l’exigence d’assurer l’unite´ du compose´ humain. Si la forme ultime informait imme´diatement la matie`re, la forme du corps, en tant que simple disposition, ne rele`verait pas de la spe´cificite´ de l’eˆtre humain, et celui-ci serait un compose´ de matie`re premie`re et d’aˆme intellectuelle. Faire de la forme de corpore´ite´ le sujet de l’aˆme intellective garantit en revanche l’unite´ de l’homme par une articulation e´troite de ses composantes sur le mode du sujet perfectible et de sa perfection 64. La forme de corpore´ite´ est ainsi la me´diation ne´cessaire a` l’articulation harmonieuse du compose´: c’est la raison pour laquelle, d’une part, elle configure le corps humain en fonction de la spe´cificite´ de l’homme et, d’autre part, elle le fait participer a` la vie intellectuelle 65. Aussi, par sa forme de corpore´ite´, le corps de l’homme est „humanise´“, c’est-a`-dire rendu ade´quat a` son aˆme intellectuelle 66. Il y a de ce fait une articulation e´troite et une re´ciprocite´ indispensable entre la forme de corpore´ite´ et l’aˆme humaine qui la configure et la perfectionne. Or, il convient de relever que dans cet ordre d’ide´es FrancX ois s’e´loigne de Duns Scot: il apparaıˆt en effet que sa solution est plus fortement oriente´e a` garantir la spe´cificite´ et l’unite´ de l’individu que ne l’e´tait celle du Docteur Subtil, car dans l’anthropologie de FrancX ois le corps est davantage articule´ a` l’aˆme intellectuelle et ne semble pas pouvoir jouir d’inde´pendance par rapport a` elle. III. Bilan provisoire Au terme de ce bref parcours, il apparaıˆt que la position de FrancX ois de la Marche s’inscrit dans le cadre de ce qu’on peut appeler ,la premie`re e´cole scotiste‘ - en prenant cette expression dans un sens large. Duns Scot repre´sente ici un point de re´fe´rence tacite mais incontournable, et FrancX ois semble avoir sous les yeux le texte de Scot, notamment lorsqu’il critique la the`se de l’unite´ de la forme substantielle. Quant a` la doctrine, les deux franciscains partagent la meˆme the`se dimorphiste, si bien que la proximite´ a` l’e´gard de Duns Scot ne fait aucun doute. 64
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Cf. ibid., nos. 52 sq.: „Confirmatur, quia ille modus est convenientior secundum quem magis compositum est per se unum et magis salvatur unitas per se eius. Sed ponendo compositionem ex materia prima et forma praecedenti informari et perfici per formam sequentem, magis salvatur unitas per se compositi quam ponendo formam illam sequentem sive ultimam informare immediate materiam primam sicut praecedens informat: tunc enim istae formae substantiales non sunt unum nisi tantum ratione subiecti tertii, puta materiae quam omnes informant; ergo etc. Praeterea, forma corporis est de ratione hominis; sed si ipsa esset praecise dispositio ad formam ultimam hominis, puta ad animam intellectivam, non ratione subiecti informabilis per ipsam, tunc sequeretur quod non esset de ratione eius; ergo etc.“ Cf. nt. 46, 47 et 48. Pierre de Jean Olivi insiste e´galement sur l’humanite´ du corps de l’homme, mais il la fonde dans le fait que le corps est informe´ par la forme sensitive et que celle-ci est enracine´e dans la matie`re spirituelle de l’aˆme, dans laquelle s’enracine e´galement la partie intellective de l’aˆme humaine, cf. Pierre de Jean Olivi, Quaestiones in secundum Sententiarum (nt. 60), q. 51, 132.
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FrancX ois n’he´site cependant pas a` s’en e´loigner afin d’atteindre l’objectif de son anthropologie: rendre (davantage) compte de la spe´cificite´ de l’homme et mettre en avant l’unite´ de corps et d’aˆme qui caracte´rise chaque individu. Dans le contexte de la proble´matique discute´e ici, cet objectif est atteint graˆce au motif de l’„humanisation“ du corps au moyen d’une forme de corpore´ite´ configure´e par son rapport a` l’aˆme intellectuelle. Le dimorphisme de FrancX ois est ainsi essentiellement au service d’une anthropologie unitaire, qui insiste sur la spe´cificite´ irre´ductible de l’eˆtre humain et trouve dans la forme de corpore´ite´ une me´diation capable d’en assurer l’unite´ intrinse`que et par soi. Cette orientation rend manifeste une autre diffe´rence significative a` l’e´gard de Duns Scot. Celui-ci avait e´labore´ sa position en fonction de sa christologie: c’est dans le cadre de la doctrine de la transsubstantiation que le Docteur Subtil - comme Jean Peckham, Gilles de Rome, Richard de Mediavilla ou Henri de Gand avant lui - avait clarifie´ sa conception du compose´ humain et avait finalement opte´ pour le dimorphisme, tout en lui donnant par ailleurs une porte´e et une validite´ ge´ne´rale. Or cet encadrement est totalement absent de l’examen de FrancX ois, qui ope`re ainsi une distinction claire des domaines christologique et anthropologique. Cette distinction trouve un paralle`le dans l’exigence me´thodologique de de´montrabilite´ qui e´merge dans l’analyse d’autres questions et constitue un trait saillant du proce´de´ de notre auteur 67. Certes, ce proce´de´ aurait pu lui eˆtre inspire´ par Scot lui-meˆme, qui ope`re une distinction analogue dans son analyse de la question de l’immortalite´ 68, mais FrancX ois semble aller plus loin et l’appliquer de manie`re particulie`rement rigoureuse et syste´matique. Le rapport de FrancX ois de la Marche a` Duns Scot est donc complexe: c’est le rapport d’un disciple qui tient le plus grand compte de la position du maıˆtre, mais dans un esprit de liberte´ qui lui permet d’aller plus loin en suivant son propre chemin 69.
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Par exemple dans la question de l’immortalite´ de l’aˆme, dans celle de l’unicite´ de l’intellect ou dans celle de l’existence d’intelligences se´pare´es, cf. Suarez-Nani, Peut-on prouver l’immortalite´ de l’aˆme? (nt. 56); ead., Un’altra critica alla noetica averroista (nt. 55); ead., Un nuovo contributo al problema dell’individuazione (nt. 58). Cf. Jean Duns Scot, In IV librum Sententiarum (nt. 12), d. 43, q. 2. C’est donc a` juste titre que C. Be´rube´ placX ait FrancX ois sous la rubrique „scotistes inde´pendants“ dans son e´tude: La premie`re e´cole scotiste, in: Z. Kaluza/P. Vignaux (eds.), Preuves et raison a` l’Universite´ de Paris. Logique, ontologie et the´ologie au XIV e sie`cle, Paris 1984, 9-24, ici 12 sq.
Drei Theorien des Allgemeinen um 1308. Ein historischer Querschnitt Christian Rode (Bonn) Die Frage, auf welcher Grundlage wir unsere Welt klassifizieren, beschäftigt bis heute die Philosophen 1. Lesen wir unsere Klassifizierungen und Begriffe gleichsam von der Welt ab, das heißt, gibt es ein ontologisches Fundament für Allgemeinbegriffe und allgemeine Gesetzmäßigkeiten, oder gibt es in der Realität nur Einzelnes, und das Allgemeine ist ein mentales Konstrukt? Mit dieser Frage ist das Thema der Individuation unmittelbar verknüpft - nehmen wir an, daß es ein ontologisches Korrelat unserer Allgemeinbegriffe gibt, dann stellt sich um so mehr die Frage, was denn die Individuen zu Individuen macht. Auch gerade im Rahmen einer mittelalterlichen, aristotelischen Epistemologie, in der der Gegenstand des Wissens das Allgemeine ist, wird die Problematik der Individuation wichtig 2. Die Antworten, die wir auf die Universalienproblematik geben, hängen in concreto davon ab, wie wir die Tätigkeit des Vergleichens konzipieren. Beim Vergleich fassen wir einen Vergleichspartner zusammen mit einem anderen im Hinblick auf ein tertium comparationis ins Auge. Zum Beispiel nehme ich den Tisch zusammen mit dem Stuhl im Hinblick auf ihre Farbe in den Blick und urteile, daß beide in dieser Hinsicht ähnlich, weil weiß sind. Ebenso kann ich ein Lebewesen zusammen mit einem zweiten hinsichtlich ihres Menschseins vergleichen. Der ontologische Status genau dieses tertium comparationis ist entscheidend - handelt es sich um etwas irgendwie Reales oder nur um eine gedankliche Hinsicht, die keinerlei extramentales Sein besitzt? Eine weitere in diesem Zusammenhang interessante Thematik ist die der Prädikation; denn das tertium comparationis wird von den Vergleichspartnern ausgesagt; wir können sagen: „Dieses Lebewesen (zum Beispiel Petra) ist ein Mensch.“ Was wird in diesem Fall aber von den Vergleichspartnern prädiziert? Handelt es sich um 1
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Cf. e. g. D. M. Armstrong, Nominalism and Realism. Universals and Scientific Realism, 2 vols., Cambridge-London-New York-Melbourne 1978; W. Künne, Abstrakte Gegenstände. Semantik und Ontologie, Frankfurt a. M. 2007. Daß die Universalienfrage immer noch die philosophische Mediävistik beschäftigt, belegt unter anderem A. de Libera, La querelle des universaux de ˆ ge, Paris 1996. Platon a` la fin du Moyen A Zur Bedeutung der Erkenntnis des Individuums im Rahmen einer aristotelischen Erkenntnisˆ ge, Montre´al-Paris 1964, theorie cf. C. Be´rube´, La connaissance de l’individuel au Moyen A 13-68.
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einen bloßen Begriff beziehungsweise Laut oder um etwas Reales außerhalb der Seele? Ich möchte im folgenden die Antworten skizzieren, die drei mittelalterliche Denker, Johannes Duns Scotus, Hervaeus Natalis und Wilhelm von Ockham, auf all diese Fragen gegeben haben, um einen mehr oder weniger synchronen Querschnitt zur Universalienlehre um das Jahr 1308 anzulegen. Dabei werde ich im Falle Wilhelms von Ockham vor allem die sogenannte fictum-Lehre in den Fokus rücken, da dies diejenige Theorie Ockhams ist, die zeitlich dem Jahr 1308, das im Mittelpunkt dieses Tagungsbandes steht, am nächsten kommt. Außerdem ist diese Theorie für eine komparatistische Studie äußerst ergiebig. Daß meine Wahl auf Scotus und Ockham fiel, ist sicher nicht weiter ungewöhnlich, denn Ockham selbst übt in seiner ,Ordinatio‘ vehemente Kritik an der Universalienlehre des doctor subtilis. Aber warum dann Hervaeus Natalis noch mit ins Boot nehmen? Das hat mehrere Gründe: Zum einen paßt er gut in den zeitlichen Rahmen, was aber nur eine sehr äußerliche Motivation darstellt. Zum anderen hat Kelley als erster auf die großen Ähnlichkeiten der Hervaeischen Universalientheorie mit der Ockhamschen fictum-Lehre hingewiesen 3. Kelleys Beitrag hat mich dazu veranlaßt, diese Ähnlichkeit ein wenig näher unter die Lupe zu nehmen; eine Ähnlichkeit, die vor allem in einem Rekurs beider Denker auf die Lehre vom objektiven Sein besteht. Ein weiterer Grund, Hervaeus mit einzuschließen, ist die terminologische Nähe der Hervaeischen Lehre zur Scotischen, auch wenn die metaphysischen Ausgangspunkte natürlich grundverschieden sind. Ich möchte zeigen, daß Hervaeus’ Rede vom objektiven Sein des universale im Intellekt und vom modus der universalitas Parallelen zu den entsprechenden Lehren des Scotus aufweist; daß mithin der Thomismus des Hervaeus ohne Scotus schwer denkbar ist, wie unter anderen auch schon Hester Gelber 4, Dominik Perler 5 und Isabel Iribarren 6 auf anderen Feldern gezeigt haben. Ein letzter Grund für die Berücksichtigung des Hervaeus ist die Tatsache, daß dieser in q. 9 des dritten ,Quodlibet‘ die Individuationstheorie des Scotus mit einem einzigen, wenn auch hochinteressanten Argument zu widerlegen sucht; damit ist ein Bezug der Hervaeischen wie der Ockhamschen zur Scotischen Theorie gegeben, den zu untersuchen sich lohnt. Ich werde im folgenden die drei Universalienlehren (1) hinsichtlich des ontologischen Status’ des extramentalen Allgemeinen, (2) hinsichtlich des Status des universale, insofern es Gegenstand des Intellekts ist, und (3) in bezug auf die Individuationstheorie vergleichen.
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Cf. F. E. Kelley, Some Observations on the „Fictum“ Theory in Ockham and its Relation to Hervaeus Natalis, in: Franciscan Studies 38 (1978), 260-282. Cf. H. G. Gelber, Logic and the Trinity: A Clash of Values in Scholastic Thought, 1300-1335, Diss. University of Wisconsin 1974, besonders 110-126. Cf. D. Perler, Theorien der Intentionalität im Mittelalter, Frankfurt a. M. 2002, 253-317. Cf. I. Iribarren, The Scotist Background in Hervaeus Natalis’s Interpretation of Thomism, in: The Thomist 66 (2002), 607-627.
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I. Johannes Duns Scotus 1. Das extramentale Allgemeine Wie konzipiert Scotus das Universale? Um diese Frage zu klären, ist es - wie bereits gesagt -hilfreich, sich anzuschauen, wie er den Vorgang des Vergleichens auffaßt. Scotus geht davon aus, daß wir beim Vergleichen zum Beispiel eine reale Relation der Ähnlichkeit feststellen können. Es gibt also eine reale Ähnlichkeit beispielsweise zwischen diesem und jenem Weißen. Das Fundament dieser Ähnlichkeitsbeziehung ist eine Einheit, nämlich eine unitas, die zum Beispiel in diesem weißen Tisch und jenem weißen Stuhl vorliegt. Diese Einheit ist kein bloßes Gedankengebilde, kein ens rationis, sondern eine reale Einheit. Ansonsten wäre auch die Ähnlichkeit keine reale Relation 7. Das heißt: Wenn wir eine Ähnlichkeit zwischen zwei Gegenständen konstatieren, hat dieses Urteil eine reale Grundlage in einer realen Einheit. Diese ist aber keine numerische Einheit; schließlich handelt es sich ja um mehrere Gegenstände, die aber alle in dem einen übereinstimmen, daß sie zum Beispiel weiß sind. Ähnliches gilt, wenn wir bei unserem Vergleich eine Verschiedenheit feststellen. Eine solche Verschiedenheit zum Beispiel zwischen einer Pflanze und einem Tier muß keine numerische Verschiedenheit sein, also eine zwischen diesem bestimmten Individuum und jenem, sondern es kann sich dabei um eine Verschiedenheit zwischen zwei verschiedenen Arten oder Gattungen handeln. Dasjenige, was hier verschieden ist, ist also nicht das Einzelding, sondern ein Allgemeines beziehungsweise ein Gemeinsames. So könnten wir auch einen Unterschied zwischen allen Tieren und allen Pflanzen bemerken, und dieser Unterschied hätte als ein Gegensatzglied etwas, das nicht numerisch eines ist, da es ja zum Beispiel allen Tieren zukommt 8. Wäre dem nicht so und gäbe es nur numerische Unterschiede zwischen Individuen, dann wäre der gesamte Vorgang des Vergleichens vergeblich, da ja stets das tertium comparationis fehlte. Damit unterschiede sich Sokrates von Platon ebenso, wie sich Sokrates von einem Stuhl unterschiede oder von einer Kreidelinie an einer Tafel. Mit anderen Worten, gäbe es für unsere Vergleiche und Klassifikationen keine reale Grundlage, die sich von der numerischen Einheit oder Verschiedenheit abhöbe, dann entbehrten unsere Klassifikationsversuche jeglichen Sinns; die Welt zerfiele in ein Puzzle von Individuen, das wir nicht weiter ordnen könnten 9. Ich halte diese Scotische Argumentation gegen eine Individualontologie, wie sie später Ockham vertreten wird, für sehr überzeugend. 7
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Cf. Scotus, Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis [= Metaph.], l. VII, q. 13, edd. R. Andrews/G. Etzkorn/G. Ga´l/R. Green/F. Kelley/G. Marcil/T. Noone/R. Wood, Opera Philosophica IV, St. Bonaventure (NY) 1997, 241 sq.; Lectura II, dist. 3, p. 1, q. 1, n. 21, ed. Vat. XVIII, Vatikan 1982, 234 sq.; Ordinatio II, dist. 3, p. 1, q. 1, n. 18, ed. Vat. VII, Vatikan 1973, 398. Cf. e. g. Scotus, Ordinatio II, dist. 3, p. 1, q. 1, n. 19, ed. Vat. VII (nt. 7), 398 sq. Cf. e. g. ibid., 400 sq.
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Klar ist also, wogegen sich Scotus’ Schlußfolgerungen richten - gegen eine Ontologie, die nur Individuen als Grundlage unserer Begriffsordnungen zuläßt. Aber wofür spricht sich Scotus mithin aus? Ist er Universalienrealist, das heißt, existiert ihm zufolge das Allgemeine bereits in der extramentalen Realität? In dieser Frage ist es meiner Meinung nach sinnvoll, Scotus nicht vorschnell bekannte Etikettierungen zuzuweisen; ich folge hierbei O. Boulnois, der meint, Scotus’ Lehre entziehe sich den Etiketten des Realismus wie des Nominalismus 10. In bezug auf die extramentale Realität könne man höchstens von einem „re´alisme de la communaute´“ sprechen, aber nicht von einem Realismus des Allgemeinen 11. Dies liegt darin begründet, daß Scotus zwischen einem extramentalen commune und einem intramentalen universale differenziert. Die extramentale Grundlage all unserer Vergleiche und Klassifizierungen sind naturae communes, gemeinsame Naturen, die, wie wir bereits erfuhren, eine Einheit besitzen, die geringer als die numerische ist. Obwohl diese Naturen eine eigene Einheit besitzen, sind sie keine res, keine extramentalen Dinge im Vollsinne. Bekanntlich geht der Begriff der natura communis auf Avicenna zurück 12, der mit ihm die an sich betrachtete Washeit einer Sache unabhängig von ihrem realen Sein oder ihrem Erkanntsein, ihrem Singulär- oder Allgemeinsein bezeichnete 13. Diese gemeinsamen Naturen können aber laut Scotus noch nicht von vielen Einzeldingen prädiziert werden - und darin liegt gerade der Unterschied zum universale. Der allgemeinen Natur widerstreitet es lediglich nicht, in einer anderen Singularität zu existieren als in der aktuellen, aber die Natur läßt sich nicht als Prädikat in Aussagen verwenden. Damit erfüllt die natura communis zumindest eine Anforderung nicht, die gemeinhin an das universale gestellt wird, nämlich unum de multis zu sein, sie ist nicht von vielen aussagbar 14. Erst wenn die Natur objekthaft im Intellekt ist, kommt ihr die für die Prädikation notwendige numerische Einheit als Erkenntnisobjekt zu 15. Die natura communis geht also in ihrer communitas so-
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Cf. O. Boulnois, Re´elles intentions: nature commune et universaux selon Duns Scot, in: Revue de me´taphysique et de morale 97 (1992), 3-33. Zur Gefahr von Fehletikettierungen in der Universalienfrage cf. auch W. Hübener, Die Nominalismus-Legende. Über das Mißverhältnis zwischen Dichtung und Wahrheit in der Deutung der Wirkungsgeschichte des Ockhamismus, in: N. W. Bolz/W. Hübener (eds.), Spiegel und Gleichnis (Festschrift für Jacob Taubes), Würzburg 1983, 87-111. Boulnois, Re´elles intentions (nt. 10), 28. Cf. Avicenna, Liber de philosophia prima sive scientia divina V, c. 1, ed. S. Van Riet, LouvainLeiden 1980, 228 sq.; Logica, Venedig 1508, fol. 12ra. Zur Geschichte des Begriffs der natura communis cf. L. Honnefelder, Art. ,Natura communis‘, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 6, edd. J. Ritter/K. Gründer, Darmstadt 1984, coll. 494-504. Cf. Aristoteles, Analytica posteriora I. 5, 73b26-33. Cf. Scotus, Ordinatio II, dist. 3, p. 1, q. 1, n. 37, ed. Vat. VII (nt. 7), 407: „non tamen illud [scil. natura communis, C. R.] vere potest dici de quolibet inferiore, quod ,quodlibet est ipsum‘; hoc enim solum est possibile de obiecto eodem numero, actu considerato ab intellectu […].“
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wohl der Singularität als auch der vollständigen Universalität voraus, auch wenn sie tatsächlich immer entweder extramental zu einem Einzelding kontrahiert oder intramental als universale auftritt 16. 2. Das Allgemeine als Erkenntnisgegenstand Betrachten wir nun das vollständige universale etwas näher: Beim vollständigen universale handelt es sich um die Natur, insofern sie objekthaft (obiective) im Intellekt ist. Was hat man unter diesem objekthaften Sein zu verstehen? Diese Seinsweise führt Scotus ein, um das Sein der Ideen im göttlichen Intellekt zu erklären. Gegen Heinrich von Gent, der ein ewiges esse essentiae, ein Sein der Wesenheit, für die Ideen annimmt und damit in nezessitaristisches Fahrwasser gerät 17, plädiert Scotus dafür, daß die Ideen von Gott in ihrem esse obiectivum oder esse diminutum, das heißt lediglich in ihrem Erkanntsein, hervorgebracht werden 18. Dieses objekthafte Sein ist weder mit realem Sein noch mit gedanklichem Sein (esse rationis) zu identifizieren 19. Wie Honnefelder 20, Hoffmann 21 und Perler 22 gezeigt haben, geht es Scotus weniger um die Etablierung eines neuen ontologischen Status, sondern um eine epistemologische Bestimmung. Genau dieses esse obiectivum kommt auch dem universale zu, das wir aufgrund der gemeinsamen Natur gewinnen. Das heißt aber nicht, daß der Erkenntnisgegenstand ein ens diminutum wäre; sondern dasjenige, was durch das universale erkannt wird, ist einfach die natura communis; nur das erkannte Sein dieser natura ist ein vermindertes Sein. Mit anderen Worten, der eidetische Gehalt des im Intellekt vorliegenden Allgemeinen ist genau das Wesen der extramentalen natura communis, wenn auch in einer verminderten oder objekthaften Seinsweise 23. Beim universale han16
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Cf. ibid., n. 32, ed. Vat. VII (nt. 7), 403: „Licet enim numquam sit realiter sine aliquo istorum [scil. universalitate et singularitate, C. R.], de se tamen non est aliquod istorum, sed est prius naturaliter omnibus istis […].“ Cf. L. Honnefelder, Scientia transcendens. Die formale Bestimmung der Seiendheit und Realität in der Metaphysik des Mittelalters und der Neuzeit (Duns Scotus - Sua´rez - Wolff - Kant Peirce), Hamburg 1990, 39. Cf. T. Hoffmann, Creatura intellecta. Die Ideen und Possibilien bei Duns Scotus mit Ausblick auf Franz von Mayronis, Poncius und Mastrius (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters NF 60), Münster 2002, passim, besonders 145-148. Cf. zum objektiven Sein bei Scotus bereits T. Kobusch, Sein und Sprache. Historische Grundlegung einer Ontologie der Sprache, Leiden-New York-Kopenhagen-Köln 1987, 117-129. Cf. Hoffmann, Creatura intellecta (nt. 18), 146. Cf. L. Honnefelder, Duns Scotus, München 2005, 39 sq. Cf. Hoffmann, Creatura intellecta (nt. 18), 146 sqq. Cf. Perler, Intentionalität (nt. 5), 228 sqq. Cf. Scotus, Lectura I, dist. 36, q. un., n. 30, ed. Vat. XVII, Vatikan 1966, 471: „Sic in proposito intelligo quiditatem rosae, quando non est nec sua quiditas ponitur: quiditas rosae absolutae est obiectum respectu cognitionis meae, et - ut comparatur ad relationem quam fundat - non deminuitur, et ita est simpliciter ut fundat; sed tamen ut comparatur ad tertium sub deminuente, est secundum quid.“ Cf. hierzu: Honnefelder, Scientia transcendens (nt. 17), 44.
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delt es sich daher um die natura communis in ihrer Seinsweise als Erkenntnisgegenstand. „Das Allgemeine kann also in der Wirklichkeit existieren, so daß es dieselbe Natur ist, die in ihrer Existenz durch den Grad der Singularität bestimmt ist und die im Intellekt unbestimmt ist, das heißt insofern sie eine Beziehung zum Intellekt als ein Erkanntes zum Erkennenden besitzt.“ 24
Wie konzipiert Scotus nun dieses Allgemeine? In den Metaphysikquaestionen untersucht er den Begriff des universale 25: Zum einen gibt es eine zweite Intention der universalitas, die in einer gedanklichen Beziehung eines Aussagbaren also eines Allgemeinbegriffs - auf die Aussagesubjekte besteht, von denen es ausgesagt werden kann 26. Worin diese Beziehung inhaltlich besteht, verrät Scotus an dieser Stelle nicht, aber aus dem bisher Gesagten läßt sich erschließen, daß sie in einer Non-Repugnanz, in vielem zu existieren, beziehungsweise einer Indifferenz gegenüber vielem besteht, von denen jedes einzelne das Allgemeine ist. Das heißt, laut den Isagoge-Quaestionen sind beide Anforderungen an ein Allgemeines in diesem Falle erfüllt: esse in multis und esse de multis 27. Zum anderen versteht Scotus unter Allgemeinem dasjenige, auf das diese Zweitintention angewendet wird, und wir können - auch unter Rekurs auf den Isagoge-Kommentar - ergänzen, daß es sich hierbei um einen Gegenstand erster Intention (res primae intentionis) handelt 28. Scotus kennt zwei Kandidaten für ein solches universale erster Intention: das entfernte subiectum der universalitas, die natura communis, der es nicht widerstreite, von vielen ausgesagt zu werden, und das naheliegende Subjekt der Universalität, das aktuale universale. Dieses complete universale ist ein numerisch einzelner Erkenntnisgegenstand; und nur dieses Erkenntnisobjekt ist aktual derart unbestimmt, daß es von allen unter es fallenden supposita ausgesagt werden kann. Kennzeichen des vollständigen Allgemeinen ist also wieder seine Einheit als Erkenntnisgegenstand, der es die Eigenschaft verdankt, von allen unter es fallenden Individuen ausgesagt werden zu können. Die natura communis wird also nur insofern vom Intellekt erkannt, als zu ihr der modus accidentalis der 24
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Scotus, Metaph. l. VII, q. 18 (nt. 7), 354: „Potest esse igitur universale in re, ita quod eadem natura est, quae in exsistentia per gradum singularitatis est determinata, et in intellectu - hoc est ut habet relationem ad intellectum tamquam cognitum ad cognoscens - est indeterminata. Ita quod sicut ista duo esse concurrunt per accidens in eadem natura, et posset utraque esse sine altera, ita etiam determinatio et indeterminatio praedicta.“ Daß es sich um denselben eidetischen Gehalt des intramentalen universale, des Einzeldings und der natura communis handelt, die extramental zu diesem und jenem Individuum kontrahiert ist, belegen auch Stellen wie Metaph. l. VII, q. 18 (nt. 7), 351: „Est ergo natura in potentia remota ad determinationem singularitatis et ad indeterminationem universalis; et sicut a producente coniungitur singularitati, ita a re agente et simul ab intellectu agente coniungitur universalitati.“ Cf. Scotus, Metaph. l. VII, q. 18 (nt. 7), 347 sq. Zur Zweitintention als relatio rationis bei Scotus cf. G. Pini, Categories and Logic in Duns Scotus, Leiden-Boston-Köln 2002, 113-115; 117-126. Cf. Scotus, Quaestiones in librum Porphyrii Isagoge., q. 11, n. 17, edd. R. Andrews/G. Etzkorn/ G. Ga´l/R. Green/T. Noone/R. Wood, Opera Philosophica I, St. Bonaventure (NY) 1999, 47. Cf. ibid., q. 4, prooem., 21; Metaph. l. VII, q. 18 (nt. 7), 347.
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Universalität hinzutritt, so die Isagoge-Quaestionen 29. Dieser Modus besagt, daß der eidetische Gehalt der gemeinsamen Natur aktual unbestimmt gegenüber vielem ist und als Prädikat in Aussagen fungieren kann. Ein solcher Gehalt, ein quod quid est, ist dann, sofern er erkannt ist, im Modus der Allgemeinheit das erste Objekt des Intellekts 30, ein modus, der aber nicht eigens miterkannt werden muß. Damit kennt Scotus’ Universalienlehre ein extramentales commune, das aber noch nicht von vielen ausgesagt werden kann, und ein intramentales universale, das, was den eidetischen Gehalt angeht, identisch mit dem commune ist und sich nur in der objekthaften Seinsweise mit ihrer dazugehörigen Prädizierbarkeit vom commune unterscheidet. Wie Boulnois feststellt, treffen bei Scotus also ein Realismus des commune und ein Konzeptualismus des universale zusammen 31. Für den Vergleich mit Hervaeus und Ockham ist besonders die konzeptuelle Seite interessant, denn auch in der Universalienlehre der beiden anderen Denker findet sich ein universale, das objekthaft im Intellekt existiert, und Hervaeus wie Ockham kennen auch eine Zweitintention der Universalität. 3. Individuation Betrachten wir abschließend noch kurz die Individuation bei Scotus. Wenn die natura communis nicht von sich aus eine diese, eine individuierte ist, muß etwas zu ihr hinzutreten, damit sie zum Individuum kontrahiert wird. Bei diesem Individuationsprinzip handelt es sich bekanntlich um die haecitas oder haecceitas, eine nicht-quiditative individuelle Differenz, die lediglich formal von der natura communis unterschieden ist und mit ihr zusammen im realen Ding unitive verbunden ist 32. In der Universalienlehre des doctor subtilis finden sich somit zwei entgegengesetzte Tendenzen vereint: Scotus sucht unsere Klassifikationen und Allgemeinbegriffe ontologisch in der natura communis zu fundieren und wertet zugleich das Individuum, das durch eine eigene, individuelle Differenz konstituiert wird, als verissime ens auf 33. II. Her vaeus Natalis 1. Das extramentale Allgemeine Was ist laut Hervaeus Natalis die Grundlage unserer Vergleiche? Kennt er wie Scotus eine Einheit, die geringer als die numerische ist? Darauf läßt sich klar 29 30 31 32
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Cf. Scotus, Quaestiones in librum Porphyrii Isagoge, q. 5 (nt. 27), 28. Cf. ibid., 27 sq. Cf. Boulnois, Re´elles intentions (nt. 10), 28. Cf. Scotus, Ordinatio, dist. 3, p. 1, q. 1-6, ed. Vat. VII (nt. 7), 391-494; Metaph. l. VII, q. 13 (nt. 7), 215-280. Cf. Honnefelder, Duns Scotus (nt. 20), 103-107; D. Perler, Johannes Duns Scotus, in: A. Beckermann/D. Perler (eds.), Klassiker der Philosophie heute, Stuttgart 2004, 170-181. Cf. Scotus, Metaph. l. VII, q. 13, n. 119 (nt. 7), 259.
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mit nein antworten. Die communitas, die zum Beispiel dem allgemeinen Menschen zukommt, besitzt lediglich eine gedankliche Einheit (unitas rationis) und ist deswegen eine communitas rationis. Es gibt - zumindest in der materiellen extramentalen Realität - keine dritte Einheit neben der numerischen und der gedanklichen 34. Hervaeus kennt daher nur zwei Seinsweisen der natura, ein Sein quasi subiective in den Einzeldingen, in denen eine Natur real vervielfältigt vorliegt, und ein objekthaftes Sein im Intellekt 35. Anders als bei Scotus besitzt die Natur keine eigene ontologisch vorhergehende Einheit und Seiendheit, darin geht Hervaeus konform mit der Lehre des Thomas 36. Der natura communis kommt also bei Hervaeus - wenn überhaupt - ein ontologisch schwächerer Status als bei Scotus zu. Insofern unterscheiden sich die beiden Universalienlehren in ihren Grundvoraussetzungen, was das extramentale universale beziehungsweise commune angeht. Scotus verankert die Tätigkeit des Vergleichens und Unterscheidens stärker als Hervaeus in einer spezifischen Einheit und Seiendheit, beim doctor subtilis liegt ein größerer Parallelismus zwischen unseren begrifflichen Klassifizierungen und der extramentalen Realität vor. 2. Das Allgemeine als Erkenntnisgegenstand Trotz der eben beschriebenen Differenzen bestehen zwischen den beiden Denkern aber wesentliche Gemeinsamkeiten, vor allem im Bereich des intramentalen universale. Bei Hervaeus existiert das vollständige universale wie bei Scotus objekthaft im Intellekt, und ihm kommt das Gedankending beziehungsweise die Zweitintention der universalitas zu 37. Und diese universalitas wird, ähnlich wie bei Scotus, als Modus beschrieben, der der erkannten Sache folgt, insofern sie objekthaft im Intellekt ist. Während bei Scotus dieser Modus als gedankliche Beziehung des Aussagbaren, das heißt des universale, zu den Gegenständen, von denen es ausgesagt werden kann, beschrieben wird, konzipiert Hervaeus die universalitas als die Eigenschaft, von vielen ausgesagt zu werden und zugleich separat von ihnen erkannt zu werden 38. Ähnlich wie Scotus in den Metaphysikquaestionen kennt Hervaeus auch ein zweifaches objekthaftes Sein: einerseits wie etwas, das den Intellekt zum Erkennen bewegen kann, gemeint ist das Sein des durch eine species intelligibilis allgemein repräsentierten Objekts 39, Scotus 34 35
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Cf. Hervaeus Natalis, Sent. II, dist. 3, q. 3, Paris 1647 [Nachdruck: Farnborough 1966], 211ab. Cf. Hervaeus Natalis, De intellectu et specie, aus: De quatuor materiis, ed. P. Stella, La prima critica di Hervaeus Natalis O.P. alla noetica di Enrico di Gand: il: „De intellectu et specie“ del cosiddetto „De quatuor materiis“, in: Salesianum 21 (1959), 162. Cf. J. Owens, Common Nature: A Point of Comparison Between Thomistic and Scotistic Metaphysics, in: Mediaeval Studies 19 (1957), 1-14. Cf. Hervaeus Natalis, De secundis intentionibus, q. 2, a. 1, in: J. Doyle (ed.), A Treatise of Master Hervaeus Natalis (d. 1323) the Doctor Perspicacissimus On Second Intentions (Medieval Philosophical Texts in Translation 44), vol. 2 (A Latin Edition), Milwaukee 2008, 371. Cf. Hervaeus Natalis, De intellectu et specie (nt. 35), 163. Cf. Kobusch, Sein und Sprache (nt. 18), 124.
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nennt es habituelles objekthaftes Sein; andererseits wie etwas, das aktual vom Intellekt erkannt wird, bei Scotus das aktuale objekthafte Sein 40. Laut Scotus wie Hervaeus ist es erforderlich, daß das universale zumindest auf die habituelle, zur Erkenntnis bewegende Weise im Intellekt ist, um universale zu sein. Darüber hinaus - so die beiden Denker - kann es aber auch als aktuales Erkenntnisobjekt im Intellekt existieren 41. Eine weitere Gemeinsamkeit mit Scotus besteht darin, daß für Hervaeus das universale in seiner Prädizierbarkeit von besonderer Wichtigkeit ist. Hervaeus kennt ein zweifaches universale: ein Allgemeines der Repräsentation und ein Allgemeines der Prädikation. Ein repräsentierendes Allgemeines ist zum Beispiel eine species intelligibilis, ein mentaler Begriff oder wie später bei Ockham ein Erkenntnisakt, der für vieles stehen kann, selbst aber nicht mit den Dingen identisch ist, die von ihm repräsentiert werden. So läßt sich nicht aussagen: „Peter ist der mentale Begriff des Menschen.“ Denn der mentale Begriff ist singulär, er ist ein bestimmter Begriff im Geist eines bestimmten Menschen, und ihm fehlt die erforderliche Allgemeinheit. Das universale per repraesentationem ist demnach kein universale per praedicationem 42. Dieses repräsentative universale kommt übrigens, wie wir noch sehen werden, der Ockhamschen Auffassung des Allgemeinen sehr nahe. Das Aussageuniversale läßt sich in Aussagen von seinen Individuen prädizieren, es ist seine Individuen. Denn ihm kommt die Zweitintention der Allgemeinheit zu, das heißt, es kann separat erkannt werden, und dennoch ist jedes seiner Individuen mit ihm identisch. Ähnlich wie Scotus betont Hervaeus die Einheit des so gewonnenen universale: Die Einheit des Allgemeinen verdankt sich der Einheit eines korrespondierenden mentalen Begriffs; auch Hervaeus argumentiert also, was das intramentale Allgemeine angeht, fast konzeptualistisch: „[E ]t unitas quae competit universali non est nisi quaedam correspondentia eius ad unum conceptum mentis, quae quidem correspondentia non exigit unitatem realem in re intellecta, sed in conceptu cui respondet, ideo universalitas nihil reale dicit, sed solum realitatem speciei vel conceptus, in comparatione ad quem talis universalitas rei intellectae convenit, praeexigit, et ideo etiam dicitur res rationis tantum.“ 43
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Cf. Scotus, Metaph. l. VII, q. 18, n. 44-46 (nt. 7), 348-350. Cf. Hervaeus Natalis, De intellectu et specie (nt. 35), 162 sq. Cf. Hervaeus Natalis, Quodlibet III, q. 1, Venedig 1513 [Nachdruck: Ridgewood (NJ) 1966], fol. 68rab: „Primo quia illud quod est formaliter universale praedicatur de pluribus, quorum unumquodque ipsum est, sicut patet de homine accepto in universali, qui praedicatur de Sorte et Platone, et sic de aliis. Sed actus intelligendi quo sic res universaliter intelligimus, puta actus intelligendi hominem, non est huiusmodi, ergo et cetera. Probatio minoris, quia actus, quo aliquis, puta Sortes, intelligit hominem in eo quod homo, est actus singularis, qui non praedicatur de multis. Item si praedicaretur de multis, non praedicaretur de multis contentis sub obiecto suo nec de aliquo etiam, quia actus intelligendi hominem de nullo homine praedicatur.“ De intellectu et specie (nt. 35), 162 führt neben dem universale secundum praedicationem und secundum repraesentationem auch noch ein universale per causalitatem auf. Hervaeus Natalis, De intellectu et specie (nt. 35), 163.
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Scotus hat - wie bereits erwähnt - die Einheit des vollständigen universale als begriffliche Einheit eines Erkenntnisobjekts konzipiert, eine Einheit, die die Prädikation von vielem erst ermöglicht. Wie wir sehen können, geht Hervaeus - trotz einer anderen Sicht auf die extramentale Realität - in bezug auf die intramentale Einheit des universale ähnlich vor: Sie ist ausschließlich einer begrifflichen Einheit geschuldet. Hervaeus teilt nicht die ontologischen Voraussetzungen des Scotus hinsichtlich der natura communis, aber im Blick auf das intramentale universale sind sich die beiden Auffassungen frappierend ähnlich: Beim intramentalen Allgemeinen haben wir es mit dem allgemeinen eidetischen Gehalt des extramentalen Dings zu tun, insofern er objekthaft (obiective) im Intellekt ist. Damit ist nicht das objekthafte Sein erster Gegenstand des Intellekts, sondern die zugrundeliegende Sache selbst 44. In der Realität und im Intellekt haben wir es - und das ist sicher Avicennisches Erbe - bei beiden Denkern mit derselben natura zu tun; im Intellekt besitzt diese Natur ein Sein als Erkenntnisobjekt, dessen Allgemeinheit sich einem bestimmten Modus oder einer Zweitintention verdankt, die lediglich - und auch dies ist eine Gemeinsamkeit des Hervaeus mit Scotus - ein gedankliches Sein (esse rationis) besitzt. Sicher redet schon Thomas von einer gewissen Intention der Universalität, die dem universale im Intellekt zukommt 45, aber Hervaeus’ Rekurs auf die Lehre vom objektiven Sein zeigt, daß die Parallelen zwischen Hervaeus und Scotus auf keinen Fall zu vernachlässigen sind. Es wird deutlich, daß Hervaeus also nicht nur ein Verteidiger der Doktrin des Thomas war, sondern diese eklektisch mit Gedanken angereichert hat, die nicht allein dem thomistischen Umfeld entstammen 46. 3. Individuation Welche Theorie der Individuation vertritt nun Hervaeus? Folgt er in diesem Bereich der thomistischen Lehre der Individuation - zumindest der materiellen Substanzen - durch quantitativ bestimmte Materie? Auch hier geht Hervaeus eigene Wege. Ich beziehe mich in der Wiedergabe der Hervaeischen Meinung ausschließlich auf das Quodlibet III, 9 von 1309 und nicht auf das Quodlibet VIII, 11 von 1304/05; nicht nur, weil es näher an unserem thematisierten Datum von 1308 liegt, sondern weil es sozusagen das letzte Wort des Hervaeus 44
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Cf. Hervaeus Natalis, De intellectu et specie (nt. 35), 164: „Obiectum autem primum intellectus non est illud esse obiectivum, sed res cui convenit.“ Cf. e. g. Thomas de Aquino, Sent. I, dist. 36, q. 1, a. 3, ad 3; Sent. I, dist. 39, q. 2, a. 2, co.; Summa theologiae I, q. 85, a. 2, ad 2; Summa theologiae I, q. 85, a. 3, ad 1. Zu den Gemeinsamkeiten der Scotischen mit der Thomanischen Intentionenlehre cf. Pini, Categories and Logic in Duns Scotus (nt. 26), 99. Zu Parallelen zwischen Scotus und Hervaeus cf. bereits Kobusch, Sein und Sprache (nt. 18), 136-140, besonders 140.
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zur Individuation ist 47. Hervaeus hat in diesem Text zumindest Schwierigkeiten mit der Ansicht, Materie beziehungsweise Quantität sei das einzige Individuationsprinzip; weder sei es möglich, daß die Form durch die Materie noch die Materie durch die Form individuiert werde, denn dieselbe Materie könne mehrere spezifisch und numerisch verschiedene Formen aufnehmen, und die göttliche Allmacht könne bewirken, daß dieselbe Seele viele verschiedene Teile der Materie überforme. Das heißt, Pluralität oder Einheit auf seiten der Materie bewirken nicht unbedingt Pluralität oder Einheit auf seiten der Form. Und auch das compositum aus Materie und Form werde nicht ausschließlich von der Quantität individuiert, denn das Frühere, die Substanz, erhalte nicht seine numerische Einheit vom Späteren, dem Akzidens der Quantität 48. Insofern sympathisiert Hervaeus mit den Ansichten Richards von Mediavilla, dem zufolge das Wesen einer Sache selbst das Individuationsprinzip ist 49. In seiner Antwort sucht Hervaeus, Richards Lösung mit der thomistischen zu versöhnen, und plädiert für das Wesen (essentia) als das intrinsiche Individuationsprinzip. Der Quantität kommt eine Sonderstellung unter den Akzidentien zu; sie ist dispositive Ursache der numerischen Einheit oder Vielheit ihres Zugrundeliegenden und damit extrinsisches Individuationsprinzip 50. Interessant ist in unserem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit Scotus. Hervaeus wirft Scotus vor, mit seiner haecceitas das Individuationsproblem nur auf ein neues Feld zu verlagern. Denn auch die haecceitas ist erst einmal allgemein, wir können Aussagen bilden wie: „Diese haecceitas oder zum Beispiel socrateitas ist haecceitas“ und so weiter. Damit besitzt die haecceitas einen ähnlichen Status wie die Materie oder Form, wie diese benötigt sie ihrerseits ein Individuationsprinzip. Daher trägt die Einführung der haecceitas durch Scotus nicht zur Lösung des Individuationsproblems bei, so sieht es zumindest Hervaeus 51. Wir sehen also, obwohl Hervaeus von Hause aus dem thomistischen Lager angehört, greift er Anregungen aus anderen Schulen nicht unkritisch auf. Von Scotus übernimmt er die Lehre des objektiven Seins und des besonderen Status des universale im Intellekt, obwohl er die weiteren ontologischen Grundlagen des Scotus nicht teilt; von Richard von Mediavilla greift er Elemente einer Individuationstheorie auf, die er aber um thomistische Elemente erweitert. 47
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Zur Individuation bei Hervaeus cf. M. G. Henninger, Hervaeus Natalis (b. 1250/60; d. 1323) and Richard of Mediavilla (b. 1245/49; d. 1302/07), in: J. J. E. Gracia (ed.), Individuation in Scholasticism. The Later Middle Ages and the Counter-Reformation 1150-1650, Albany (NY) 1994, 299-318. Cf. Hervaeus Natalis, Quodlibet III, q. 9 (nt. 42), fol. 81rb. Cf. Richardus de Mediavilla, II Sent., 3, 3, 1, Brescia 1591, vol. 2, 56a-59a; Quaestio disp.: „Utrum in eadem specie possint esse plures angeli inequales in naturalibus“, Ms. Vat. lat. 868, foll. 16va19vb (beides zitiert nach Henninger, Hervaeus Natalis [nt. 47], 314). Cf. Hervaeus Natalis, Quodlibet III, q. 9 (nt. 42), foll. 81vb-82ra. Cf. ibid., fol. 81vab. Einen ähnlichen Einwand macht - ohne Hervaeus zu erwähnen - G. Mensching, Zur Neuentdeckung des Individuationsprinzips im 13. Jahrhundert und seinen Antinomien bei Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Individuum und Individualität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 24), Berlin-New York 1996, 300 sq.
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III. Wilhelm von Ockham 1. Das extramentale Allgemeine? Wie konzipiert Wilhelm von Ockham den Vorgang des Vergleichens? Liegt ihm eine reale Einheit zugrunde? Ockham ist der Auffassung, daß die Relation der Ähnlichkeit, die wir bei Vergleichen feststellen, in nichts anderem besteht als in den Gliedern dieser Ähnlichkeit. Wenn ich also den Tisch und die Wand in bezug auf ihre Weiße als ähnlich ansehe, ist die Grundlage dieses Vergleichs sowohl die individuelle Weiße im Tisch als auch die individuelle Weiße in der Wand 52. Ockhams Ontologie räumt dem Allgemeinen bekanntlich in keiner Weise einen Platz ein; real ist nur, was auch individuell ist. Die Individuation ist daher für Ockham kein Problem 53, erklärungsbedürftig ist hingegen die Allgemeinheit. Wie können wir also Allgemeinbegriffe bilden, wenn die Welt doch nur aus Individuen besteht? Welchen Status hat das universale bei Ockham? Laut ,Ordinatio‘ I, dist. 2, q. 8 und dem Prooemium des Perihermenias-Kommentars existiert das universale nicht real (subiective), weder subiective in der Seele noch außerhalb ihrer. Vielmehr ist das Sein des universale sein Erkanntsein 54, das Allgemeine besitzt nur objekthaftes Sein (esse obiectivum), und zwar ein solches objekthaftes Sein wie die extramentale Sache, die unter es fällt, ein reales Sein (esse subiectivum) hat. Ockham möchte bei aller Differenz von universale und singulare also noch an einem Parallelismus der verschiedenen Seinsweisen festhalten, obwohl es schwierig ist, diese Parallelen noch begrifflich zu fassen. 2. Das Allgemeine als Erkenntnisgegenstand Das Allgemeine existiert somit nicht real und auch nicht unabhängig von unserem Intellekt, denn real sind ja nur die Individuen. Das universale ist daher ein fictum, ein vom Intellekt Gewirktes. Diese Konzeption des universale als fictum, nicht als Phantasiegebilde, figmentum, hat Ockham bekanntlich von Heinrich von Harclay übernommen 55. Wann immer der Intellekt ein Außending erkennt, kann er ein solches fictum, eine dem Außending ähnliche Sache, in seinem Geiste 52
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Cf. Guillelmus de Ockham, Ordinatio I, dist. 2, q. 6, edd. S. Brown/G. Ga´l, Opera Theologica II, St. Bonaventure (NY) 1970, 211 sq.; Ordinatio I, dist. 30, q. 1, edd. G. I. Etzkorn/F. E. Kelley, Opera Theologica IV, St. Bonaventure (NY) 1979, 291. Cf. A. A. Maurer, William of Ockham (b. ca 1285; d. 1347), in: J. J. E. Gracia (ed.), Individuation in Scholasticism. The Later Middle Ages and the Counter-Reformation 1150-1650, Albany (NY) 1994, 373: „The problem of individuation, in the usual sense of the term, does not arise in Ockham’s philosophy.“ Cf. Guillelmus de Ockham, Expositio in librum Perihermenias, prooem., § 7, edd. A. Gambatese/S. Brown, Opera Philosophica II, St. Bonaventure (NY) 1978, 359. Cf. Henricus de Harclay, Quaestio de significato conceptus universalis, ed. G. Ga´l, in: Franciscan Studies 31 (1971), 211; 225.
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bilden. Dieses fictum übernimmt dann die Funktion eines Abbildes, das nicht nur diesem einen, sondern vielen Gegenständen derselben Art ähnlich ist. Das heißt, das fictum ist in seinem intentionalen Sein den Außendingen in ihrem realen Sein ähnlich 56. Ockham erklärt dies folgendermaßen: Besäßen wir Menschen eine hervorbringende Kraft, könnten wir anhand des fictum viele einzelne Gegenstände derselben Art hervorbringen. Das fictum ist also Abbild und Urbild zugleich, exemplar, und bezieht sich auf indifferente Weise auf vieles 57. Das Allgemeine ist ens in anima und hat deswegen kein kategorial bestimmtes reales Sein, sondern lediglich ein objekthaftes. Ähnlich wie bei Scotus und Hervaeus bezieht sich eine Zweitintention der Universalität auf dieses fictum, bei allen drei Denkern findet sich also durchaus eine ähnliche Terminologie hinsichtlich des intramentalen universale 58. Warum aber benötigen wir überhaupt ein derartiges Produkt des Intellekts? Wenn wir die allgemeine Erkenntnis erklären wollen, können nicht irgendwelche Individuen den Erkenntnisakt terminieren, denn das Individuelle ist gerade nicht Objekt der allgemeinen Erkenntnis. In der späteren intellectio-Theorie wird Ockham eine ontologisch sparsamere Lösung für dieses Problem finden, ein singulärer Erkenntnisakt wird sich dann indifferent auf alle Individuen zugleich beziehen können; dabei wird dann kein fictum mehr erforderlich sein 59. Aber in der ,Ordinatio‘ glaubt er noch, daß nur ein fictum die Aufgabe übernehmen kann, den allgemeinen Erkenntnisakt zu terminieren. Das fictum als universeller Platzhalter oder allgemeines Zeichen und Zielpunkt eines Erkenntnisakts ist jedoch nur erforderlich bei einer allgemeinen Erkenntnis; bei der Intuition eines Individuums reicht allein der Erkenntnisakt hin, der vom Individuum terminiert wird. Das Allgemeine in Form eines fictum ist nun nichts anderes als ein Platzhalter, es hat die Funktion, in mentalen Aussagen für die vielen Einzeldinge zu supponieren. Vergleichen wir kurz die Ockhamsche mit der Hervaeischen Lehre: Hervaeus hat ja zwischen einem Aussageallgemeinen und einem Repräsentationsallgemeinen unterschieden. Das Aussageallgemeine ist identisch mit seinen Individuen und kann von ihnen prädiziert werden, während das Repräsentationsallgemeine - selbst individuell - nur für seine Individuen steht, die nicht mit ihm identisch sind. Kelley sieht erst in dem Allgemeinen von Ockhams späterer intellectio-Theorie, in dem allgemein bezeichnenden Erkenntnisakt, ein Hervaeisches universale per repraesentationem 60. Hingegen möchte ich dafür plädieren, daß es sich bereits bei dem Allgemeinen der fictum-Theorie um ein solches 56 57 58 59
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Cf. Guillelmus de Ockham, Expositio in librum Perihermenias, prooem., § 10 (nt. 54), 371. Cf. Guillelmus de Ockham, Ordinatio I, dist. 2, q. 8 (nt. 52), 272. Cf. ibid., 274. Cf. Guillelmus de Ockham, Summa logicae, p. I, c. 14-15, edd. P. Boehner/G. Ga´l/S. Brown, Opera Philosophica I, St. Bonaventure (NY) 1974, 47-54. Cf. Kelley, Some Observations on the „Fictum“ Theory in Ockham (nt. 3), 278 sq.: „Hervaeus’ universale per repraesentationem bears a striking resemblance to what Ockham presents as the more probable version of the universal as a real passio animae [scil. the intellectio theory, C. R.] in his commentary on the Perihermenias.“
Drei Theorien des Allgemeinen um 1308. Ein historischer Querschnitt
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Repräsentationsuniversale handelt, ein Allgemeines, das lediglich für seine Individuen steht, ohne daß aber jedes Individuum dieses Allgemeine ist. Laut Ockham ist das fictum aber auch ein Aussageallgemeines, denn ficta können als mentale Prädikate von mentalen Subjekten (anderen ficta) ausgesagt werden, und dies nicht, insofern sie mentale Gebilde sind (pro se), sondern insofern sie für viele Individuen zugleich stehen 61. Ockham stellt daher geringere Anforderungen an das Allgemeine als Hervaeus. Bei Ockham braucht es bloß Zeichen- oder Suppositionsfunktionen in mentalen Sätzen zu übernehmen, bei Hervaeus müssen die Individuen mit dem Allgemeinen identifiziert werden können, es kommt bei Hervaeus also eine ontologische Komponente ins Spiel, auf die ich im Fazit noch eingehen werde. Ein objekthaftes Sein der ficta setzt überdies kein vorgängiges esse subiectivum voraus 62, dies ist eine Lehre aus der Scotischen Behandlung der göttlichen Ideen; denn vor der Schöpfung existierten die Geschöpfe auch bloß objekthaft im göttlichen Intellekt und besaßen kein reales Sein. Auch an anderer Stelle vertritt Ockham die Auffassung, daß etwas, das ein objekthaftes Sein im Geiste besitzt, nicht auch noch ein reales Sein (esse subiective) an einem Zugrundeliegenden besitzen kann 63. Wenn aber das fictum kein reales Korrelat haben darf, das in der Wirklichkeit quasi subiective existieren kann, dann ist die ontologische Parallelität zwischen der Welt und unseren allgemeinen Klassifikationen gekappt. Es ist nicht mehr ein und derselbe eidetische Gehalt, ein und dieselbe Natur, die sowohl in der Realität als auch objekthaft in unserem Intellekt existiert. Vielmehr ist das Objekt unseres Intellekts nichts Reales, sondern ein bloßer Platzhalter für reale Individuen. IV. Fazit Augenscheinlich ist die Lehre vom esse obiectivum eine wichtige Gemeinsamkeit aller drei behandelten Universalienlehren um 1308. Auch die Rede von der Zweitintention der Allgemeinheit, die dem universale zukommt, findet sich bei allen drei Denkern. Aber trotz dieses gemeinsamen terminologischen Bodens gibt es große Unterschiede, was das Verhältnis des objekthaften Seins zur außerseelischen Realität angeht. Scotus und Hervaeus gehen, wie wir sehen konnten, davon aus, daß der Ausgangspunkt unserer allgemeinen Erkenntnis eine extramentale, individuierte Natur ist; daß also in den Gegenständen der Realität allgemeine Aspekte enthalten sind, die durch unsere Erkenntnis wieder freigelegt werden können. Beide stimmen darin überein, daß der eidetische Gehalt der 61 62 63
Cf. Guillelmus de Ockham, Ordinatio I, dist. 2, q. 8 (nt. 52), 274 sq. Cf. ibid., 283. Cf. hierzu: Guillelmus de Ockham, Expositio in librum Perihermenias, prooem., § 10 (nt. 54), 370; zur Auseinandersetzung mit Aureolis esse apparens cf. Ockham, Ordinatio I, dist. 27, q. 3, edd. G. I. Etzkorn/F. E. Kelley, Opera Theologica IV, St. Bonaventure (NY) 1979, 238 sq.
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extramentalen Gegenstände beziehungsweise ihres allgemeinen Aspekts und unserer Allgemeinbegriffe identisch ist 64. Dagegen rückt bereits der frühe Ockham von dieser Annahme der Identität des eidetischen Gehalts ab; an den extramentalen Gegenständen ist nichts Allgemeines, und so setzen wir im Falle der allgemeinen Erkenntnis einen vom Intellekt gewirkten Platzhalter als Erkenntnisobjekt ein. Das Allgemeine ist nicht mehr ontologisch, sondern lediglich zeichentheoretisch fundiert. So ist auch unverständlich, daß Kelley anläßlich eines Vergleichs der Ockhamschen mit der Hervaeischen Universalienlehre zu dem Schluß kommt: „Ockham’s arrangement […] is much the same [as that of Hervaeus, C. R.] though with different terminology.“ 65 Es mag sein, daß oberflächliche Gemeinsamkeiten beider Lehren bestehen, insofern zum Beispiel beide Denker auf das esse obiectivum rekurrieren, aber gerade, was die ontologischen und epistemologischen Grundannahmen beider Denker betrifft, gibt es große Differenzen. Hervaeus vertritt - auch im Anschluß an Thomas - eine Theorie der Identität des eidetischen Gehalts von extramentaler Sache und erkanntem Allgemeinen 66, und gerade diese Lehre verabschiedet Ockham mit seinem zeichen- und suppositionstheoretischen Ansatz. Im Gegensatz zu Hervaeus’ Universalientheorie ist Ockhams Lehre überdies repräsentationalistisch, sogar Hervaeus’ eigener Terminologie zufolge: Das universale legt nicht einen allgemeinen Aspekt der realen Dinge frei, es besitzt nicht denselben eidetischen Gehalt wie das Individuum, sondern es ist eine Instanz, eine similitudo, die die Individuen lediglich im Intellekt repräsentieren soll 67. Gegenstand der allgemeinen Erkenntnis ist bei Ockham nicht eine reale Natur, sondern ein intramentaler Platzhalter. Wenn wir schon - wie Kelley - einen Vergleichspunkt zur Hervaeischen Auffassung suchen, werden wir eher bei Scotus als bei Ockham fündig.
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Zu Hervaeus cf. nt. 44; zu Scotus cf. nt. 24. Kelley, Some Observations on the „Fictum“ Theory in Ockham (nt. 3), 275. W. Hoeres, Der Wille als reine Vollkommenheit nach Duns Scotus (Salzburger Studien zur Philosophie 1), München 1962, 18, begreift diesen Sachverhalt als „noetisch-noematischen Parallelismus“, cf. hierzu auch Honnefelder, Scientia transcendens (nt. 17), 390-393; 405. Zur Bestimmung des Repräsentationalismus cf. Perler, Intentionalität (nt. 5), 80-89.
Montpellier
Bernard de Gordon and Arnald de Villanova: A Tale of Two Regimes Melitta Weiss Adamson (London, Ontario) The year is 1308, the place Montpellier. Ruled by the absentee king Jayme II of Majorca, Montpellier is a bustling, cosmopolitan town with a population in excess of 30,000 inhabitants. With a famous medical school and trade extending to the Champagne fairs, the Levant and North Africa, it is, by some accounts, the most important intellectual and commercial center in the Mediterranean between Genoa and Barcelona, enjoying a level of independence comparable to that of the Italian city-states 1. When the Guilhem family that had ruled Montpellier for over two hundred years lacked a male heir in 1202, the citizens of Montpellier simply took matters into their own hands, establishing a consulate in 1204, and arranging a marriage of Guilhem’s daughter Marie of Montpellier with Peyre II of Aragon. Their son Jayme I added the Balearic Islands and Valencia to the crown of Aragon. Upon his death in 1276, the kingdom was divided between his younger son Jayme II who was entrusted with the kingdom of Majorca, consisting of the counties of Roussillon and Cerdagne, the Balearic Islands and the seigneury of Montpellier, and his older son Peyre who received Aragon and Valencia 2. Given the wealth and importance of Montpellier, it stands to reason that the kings of France long had their eye on this jewel on the Mediterranean Coast. The acquisition of Montpellier’s episcopal quarter by King Philip IV in 1293 was the first step in encroaching on Montpellier’s independence, followed in 1349 by King Philip VI’s purchase of the seigneurial quarter from Jayme III of Majorca whose coffers were empty at the time 3. But the King of France, too was not immune to money problems, and in what today is seen as a clever fiscal move, Philip IV expelled the Jews from his realm in the summer of 1306, and had their possessions auctioned off 4. Perhaps as a sign of the beginning loss of independence, Montpellier, too, expelled its Jews 1
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K. Reyerson, Business, Banking and Finance in Medieval Montpellier (Texts and Studies 75), Toronto 1985, 6-7. Op. cit., 4-5. Cf. also J. Verger, Art. ,Montpellier - A. Stadt und Herrschaft‘, in: N. Angermann [e. a.] (eds.), Lexikon des Mittelalters, vol. 6, Munich-Zurich 1993, coll. 812-815. Reyerson, Business (nt. 1), 6. S. Mechoulan, The Expulsion of the Jews from France in 1306: A Modern Fiscal Analysis, in: Journal of European Economic History 33, 3 (2004), 555-584.
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a few months later, in 1307, but like other towns in the region, notably Navarre, allowed them back only a few years later 5. It is well documented that the Jews played a significant role in the commercial life of Montpellier, as Kathryn Reyerson’s study on ,Business, Banking and Finance in Medieval Montpellier‘, for instance, has shown, but they also contributed greatly to the intellectual life of the town. The claim that along with Arab doctors they founded the medical school of Montpellier may have been false, but their important role as scholars and translators is undeniable 6. Feelings of Christian doctors towards their Jewish colleagues were probably mixed, as the attitudes of the two towering figures at the medical school of Montpellier around 1300, Bernard de Gordon and Arnald de Villanova, illustrate, whose contributions to preventive medicine are the subject of this study. Bernard had Jacob ben Makhir Ibn Tibbon, an astronomer and translator also known as Profatius Judaeus „draw up and explain an armillary or concentric map of the celestial sphere“ 7, and in 1299 his colleague Petrus de Capitestagno had Profatius translate a regimen by Avenzoar from Arabic into Latin with the help of the surgeon Bernardus Honofredi, a vivid demonstration of the close cooperation between Christians and Jews that could occur at the medical school of Montpellier 8. Arnald de Villanova’s attitude, however, is markedly different from that displayed by Bernard and Petrus. Arnald’s religious works written before 1300 and addressed to the Aragonese royal family include anti-Jewish apologetics 9, and to Pope Boniface VIII who reigned from 1294 to 1303, he reportedly complained about the fact that Jewish physicians attended to French prelates. In doing so he helped fan the flames against the Jews which ultimately led to their expulsion from France and Montpellier 10. Bernard de Gordon and Arnald de Villanova may have disagreed when it came to the treatment of Jews, but that was not all dividing the two men, in fact, their lives and careers could not have been more different. About Bernard’s life practically no documents have survived, not even from the medical school, which is quite unusual. What we know about him are bits of information derived 5
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Op. cit., 567, 573; L. Demaitre, Doctor Bernard de Gordon: Professor and Practitioner (Texts and Studies 51), Toronto 1980, 10. J. Verger, Art. ,Montpellier - B. Schule und Universität‘, in: Angermann, Lexikon (nt. 2), coll. ˆ ge, Avignon 1975, 26-27. 815-817; L. Dulieu, La Me´decine a` Montpellier, vol. 1, Le Moyen A Demaitre, Bernard (nt. 5), 10 and Dulieu, Me´decine (nt. 6), 194 for details on the Tibbon family; for the life and work of Profatius see the entry by J. Chaba´s, Profatius Judaeus, in: T. Glick/ S. Livesey/F. Wallis (eds.), Medieval Science, Technology, and Medicine: An Encyclopedia, New York-London 2005, 422-423. Cf. Dulieu, Me´decine (nt. 6), 96-97 for some details on the Avenzoar translation (with the date 1313). Demaitre, Bernard (nt. 5), 10 gives 1299 as the date. Cf. also E. Wickersheimer, Dictionˆ ge, 1936 [Reprint: Geneva 1979]: Art. naire Biographique des Me´decins en France au Moyen A ,Bernard Honofredi‘, vol. 1, 76; Art. ,Pierre Borelli, alias de Capitestagno‘, vol. 2, 620. See the entry by F. Salmo´n, ,Arnau de Vilanova‘, in: Glick/Livesey/Wallis, Medieval Science (nt. 7), 51. Demaitre, Bernard (nt. 5), 10.
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from his vast medical writings, expertly extracted and compiled by Luke Demaitre in the chapter „Biography, Educational Background, and Magisterium“ of his groundbreaking 1980 book on Bernard de Gordon 11. Bernard was likely from the Quercy region in the southwest of France, possibly the son of a feudal lord, Fontanier II of Gourdon who died around 1260. Born presumably around 1258, Bernard began teaching at Montpellier’s medical faculty in 1283 and in 1308 wrote his last major work there. For his death, the dates 1318 and 1320 are sometimes named, but in the absence of any evidence, they remain pure speculation 12. From the silence regarding his personal life and career one can assume that he was probably not married, did not seek or hold any higher office at the university, and was not employed as personal physician or advisor by worldly or religious dignitaries. Instead, he appears to have preferred the less glamorous life of a scholar and teacher. His teaching philosophy can be gleaned from Chapter VI, De Electione Magistri of his childhood regimen that opens his ,Regimen sanitatis‘ composed in 1308. As the top five requirements for a good teacher he lists 1. aptus ad docendum, 2. bonæ vitæ et honestæ conuersationis, 3. humilis, 4. eloquens, and 5. peritia docendi 13. Under 3. humilis, he warns of superbia or arrogance when teaching and explains that „some think that they know everything and that others know nothing, and so they show off by praising themselves and criticizing others“ („aliqui enim cum legunt putant se omnia scire, & alios ignorare, & ita iactant se ipsos laudantes, & alios vituperantes“) 14. Bernard wrote these words at the end of a long teaching career as a member of the Montpellier medical faculty, and it is quite possible that he had a particular colleague in mind with this invective: Arnald de Villanova, who was attached to the medical school from 1289 to 1301, and hence overlapped with Bernard for a period of twelve years. 11
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Op. cit., 1-36. See also the entry by L. Demaitre on Bernard de Gordon, in: Glick/Livesey/ Wallis, Medieval Science (nt. 7), 84-85. Demaitre, Bernard (nt. 5), 31-32. Ioachimus Baudisius (ed.), Bernhardi de Gordonio Excellentiss. Medici Tractatvs De Conservatione Vitæ Hvmanæ, a` die Natiuitatis vsque ad vltimam horam Mortis, Leipzig 1570, 31-33: „Prima, quod sit aptus ad docendum, subtilis & ingeniosus, vt sciat interpretari scripturas, & ubi videntur contratietates doctorum, quod sciat ad concordiam reducere, & ex scripturis sciat eligere modum meliorem & meliora, Nil enim magnificum docebit, qui a` se nihil didicit. Et hoc est quod scribitur libro Sapientiæ. Illum eruditorem elige quem magis miteris in suis quam in alienis, qui enim non dicunt nisi quod inueniunt in chartis & tabellis, non sunt doctores, sed sunt sicut illi qui narrant rumores, quoniam miserimi ingenij est semper inuentis vti. Secunda conditio est, quæ requiritur in Magistro quod sit bonæ vitæ, & honestæ conuersationis, Et de hoc prognosticat Aquitaneus, Bene autem dicere & male operari, nil aliud est quam se sua propria voce damnare, tales .n. latrinam portant coram se, vt alijs suas sordicies manifestent. Tertia conditio est, quod in docendo sit humilis non superbus, aliqui enim cum legunt putant se omnia scire, & alios ignorare, & ita iactant se ipsos laudantes, & alios vituperantes, & tamen per superbiam cecidit Lucifer de cœlo, & Adam de Paradiso. Sed cum de scientia cum humilitate superbitur Prouerbior. XI. Vbi humilitas ibi sapientia, superbus multa credit scire quæ nescit. Quarta conditio, quod sit eloquens, quoniam scientia sine eloquentia est sicut gladius in manu paralytici, nullus enim artidex bene potest operari sine instrumento. […] Quinta conditio, quæ requiritur, est peritia docendi, vnum certum signum hominis scientis est, quoniam cum legit intelligunt eum omnes, & hoc est quod dicit Aristoteles in proœmio Metaphys.“ See also the analysis of the passage by Demaitre, Bernard (nt. 5), 103.
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Arnald was in many ways the antithesis of Bernard: flamboyant and highprofile, a physician and medical author who was at the same time advisor, special envoy, and personal friend to numerous kings and popes. Born around 1240 somewhere in Aragon, he studied medicine at Montpellier in the 1260s, then got married, settled in Valencia, and in 1281 moved to Barcelona to take up the position of personal physician to King Peyre III of Aragon, and after his death in 1285, to his sons Alfons III, Jayme II, and Frederick III 15. In addition to the Aragonese royal family, Arnald was also entrusted with the well being of several popes, starting in the 1290s with Boniface VIII (1295-1303), followed by his successor Benedict XI (1303-04), and finally Clement V (1305-1314), the first of the Avignon popes who took up residence in southern France in 1305, and who was a close personal friend of Arnald 16. In 1311, Arnald died off the coast of Genoa while in the service of Frederick III. Unlike Bernard, Arnald did not include references to dates and places of composition in his medical writings, which has posed a major problem for scholars trying to establish a chronology of the corpus 17. The polemical tone observed earlier in Bernard’s description of what makes a good teacher, is also present in Arnald’s medical works and in the opinion of Fernando Salmo´n reflects „a tense intellectual and professional environment at Montpellier where Arnau was strongly involved“ 18. Of the two medical writers, Arnald was certainly the bigger name in the Middle Ages and he has remained so to this day, with a critical edition of Arnald’s opera in the works since 1975, while until very recently none of Bernard’s writings were accessible in modern editions 19. In 1308 prevention is clearly on the minds of both Bernard and Arnald with each of them compiling a regimen sanitatis. As so often in his medical writings, Bernard provides us with exact dates. He embarks on his last major work, entitled the ,Liber conservacione vite humane‘, which is to comprise four treatises, ,De flebotomia‘, ,De urinis‘, ,De pulsibus‘, and as its crowning a ,Regimen 15 16
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Cf. Salmo´n, Arnau (nt. 9), 51-53. For the popes in question see N. Cheetham, A History of the Popes, New York 1992, especially Chapter 12, The Slope to Exile (1254-1305), and Chapter 13, Avignon and the Great Schism (1305-1389), 139-165. An excellent study of the operation of the papal court at Avignon and its food supply is the habilitation by S. Weiß, Die Versorgung des päpstlichen Hofes in Avignon mit Lebensmitteln (1316-1378): Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte eines mittelalterlichen Hofes, Berlin 2002. M. McVaugh, Chemical Medicine in the Medical Writings of Arnau de Vilanova, in: Arxiu de Textos Catalans Antics 23-24 (2004-2005), 239-264. Salmo´n, Arnau (nt. 9), 52. This is slowly beginning to change, cf. Bernardio de Gordonio, Lilio de medicina, edd. B. Dutton/M. Nieves Sa´nchez (Fuentes de la medicina espan˜ola), Madrid 1993; A. Alonso Guardo, Los prono´sticos me´dicos en la medicina medieval: el ,Tractatus de crisi et de diebus creticis‘ de Bernardo de Gordonio, Valladolid 2003. Given Arnald’s fame in medieval and early modern Europe, many works, especially works on alchemy, were ascribed to him that turned out to be pseudo-Arnaldian, cf. McVaugh, Chemical Medicine (nt. 17). This was less the case with Bernard, cf. the chapter „Undated and Possibly Spurious Writings“ in: Demaitre, Bernard (nt. 5), 71-101.
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sanitatis‘ for all stages of life „[…] on 22 February 1307 [1308] in the year of the Incarnation of the Lord when the moon was in conjunction with the sun towards the seventh degree of Pisces“ („anno incarnationis domini 1307. die 22. Februarii, luna celebrante synodum cum sole versus septimum gradum piscium“) 20. Bernard is to devote most of the year to this pedagogical text, finishing it on November 9, 1308 21. His magnum opus, the ,Lilium medicine‘, took him twice as long to write, from July 1303 to February 1305 22. Arnald’s ,Regimen sanitatis ad inclytum regem Aragonum‘ is, as the title indicates, dedicated to the king of Aragon, Jayme II, and is not conceived as a school text to be used at Montpellier or elsewhere. In his habilitation ,Theorie der Gesundheit und Regimen Sanitatis im Mittelalter‘, Wolfram Schmitt suggests Montpellier and the year 1308 as the place and date for Arnald’s regimen 23. More recently, Michael McVaugh and others have widened the window to between 1305 and 1308 24. Arnald follows this regimen with a shorter one in 1309, the ,Regimen Almarie‘, geared towards keeping King Jayme’s army healthy 25. Personal reasons may have been behind this strong interest in healthy living that both Bernard and Arnald display around 1308 26. After all, Bernard is just entering his fifties, and Arnald is in his late sixties. But more than that it may speak to a lack of regimen sanitatis literature at the medical school of Montpellier at the time. According to the book list of 1309, the medical faculty taught the following works: Hippocrates’ ,Prognostici‘, ,Aphorismi‘, and ,Regimen acutorum‘; Galen’s ,De complexionibus‘, ,De malicia complexionis‘, ,De simplici medicina‘, ,De morbo et accidente‘, ,De crisi et criticis diebus‘, ,De ingenio sanitatis‘, and ,Tegni‘; Johannitius’ ,Isagoge in artem parvam Galieni‘; the ,Antidotarium Nicolai‘; and scraps from the works of Isaac 20
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An excellent discussion of the dating question is found in Y. O’Neill, The History of the Publication of Bernard of Gordon’s Liber de Conservacione Vite Humanae, in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 49 (1965), 269-279. Although Bernard gives the year 1307, the addition of „in the year of the Incarnation of the Lord“ makes it 1308 according to the Julian calendar which took January 1 as the beginning of the year. O’Neill proved that 1308 is the correct date by plotting the phases of the moon which on 22 February 1308 and not 1307 was in the constellation described by Bernard, cf. 271-274. Cf. also Demaitre, Bernard (nt. 5), 22. O’Neill, Publication (nt. 20), 273; Demaitre, Bernard (nt. 5), 59. Demaitre, Bernard (nt. 5), 51. The ,Lilium medicine‘ made Bernard famous all over Europe. There are indications that about the same time Arnald, too, was busy writing a comprehensive medical compendium, the ,Speculum medicine‘. For a possible dating of the ,Speculum medicine‘ see McVaugh, Chemical Medicine (nt. 17). W. Schmitt, Theorie der Gesundheit und ,Regimen Sanitatis‘ im Mittelalter, Habil. Heidelberg 1973, 14. M. McVaugh, „Coriandri bulliti in aceto exsiccati.“ An Arnaldian Touchstone?, in: Arxiu de Textos Catalans Antics 21 (2002), 659. Ibid. For a study and edition of both regimens see Arnaldi de Villanova, Opera medica omnia, vol. X. 1, Regimen Sanitatis ad Regem Aragonum, Barcelona 1996, and X. 2, Regimen Almarie (Regimen Castra Sequentium), Barcelona 1998. Arnald’s treatise ,De conservanda iuventute et retardanda senectute‘ is another indication of his strong interest in slowing the aging process.
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Judeus, Constantinus Africanus, Rhazes and Avicenna 27. Important writings on dietetics missing from this list and only included much later in the curriculum, are Galen’s ,De regimine sanitatis‘; Isaac Judeus’ ,De dietis universalibus‘; Rhazes‘ ,Liber de medicina ad Almansorem‘; and books 1, 3, and 4 of Avicenna’s ,Canon‘ 28. To be sure, there is evidence of some interest in regimen sanitatis literature before 1308 at Montpellier. Luke Demaitre mentions a general regimen that was supposedly composed in Montpellier in 1281 and suggests the „bachelor of Montpellier“ as a possible author, but his regimen was more likely written a half century later 29. In 1299, as already mentioned, Jacob ben Makhir Ibn Tibbon, also known as Profatius Judaeus, translated a regimen by Avenzoar into Latin. There has been much confusion among scholars as to the Avenzoar and the text in question. The author is not the famous Ibn Zuhr or Avenzoar who lived from 1091 to 1161 and who composed the ,Taisı¯r‘, a comprehensive work on therapeutics and diet that was translated into Latin via Hebrew by John of Capua with the help of Magister Jacobus Hebraeus, in Italy (Padua or Venice) around 1280, but likely his father Abu¯ l-Ala¯ Zuhr who died in 1131 30. The ,Liber de regimine sanitatis‘ translated by Profatius is one of two regimens attributed to Avenzoar that circulated in medieval Europe in Latin translation. The other, the ,Summa dietarum Abenzoar‘, devoted exclusively to diets, exists in only one Vatican manuscript, and may contain extracts from Ibn Zuhr’s book of foodstuffs, the ,Kita¯b al-ag˙dß iya‘ 31. The date 1299 for the translation of the 27
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Demaitre, Bernard (nt. 5), 111. As Demaitre points out, Clement V was advised by three former masters of medicine when he issued the book list. One of them was Arnald de Villanova which is not surprising given the close personal friendship between Clement and Arnald. Cf. op. cit., 110, 33. Op. cit., 111. Demaitre, Bernard (nt. 5), 67, and note 157. If that bachelor is identical with the „Jean Bononiensis. - Bachelier de Montpellier, auteur d’un Tractatus de regimine sanitatis“ in Wickersheimer, Dictionnaire (nt. 8), vol. 1, 367, then the dating may be a problem. Schmitt, Theorie (nt. 23), 16, dates the regimen by „Johannes Bononiensis, Baccalaureus von Montpellier“ written for the King of Hungary, and transmitted in two manuscripts (British Museum, add. ms. 15834, and Cod. Pal. lat. Vat. 1213) to the first half of the fourteenth century. The Hungarian King in question is believed to be Charles-Robert (1302-1342). Dulieu, Me´decine (nt. 6), 113 and 213, too, lists Jean Bononiensis as a fourteenth-century Montpellier physician. W. F. Bynum/H. Bynum, Dictionary of Medical Biography, vol. 4, Westport 2007, 833. Cf. also ¯ -LG. Sarton, Introduction to the History of Science, vol. 2, Baltimore 1931, 230-231 (ABU ALA ¯ ZUHR); 231-234 (IBN ZUHR). For a discussion of the ,Liber Teisir‘ and its regimen content see Schmitt, Theorie (nt. 23), 140-141. Schmitt’s comparison of Abu¯ l-Ala¯ Zuhr’s work ,Tadß kira‘, or Reminder, written as a practical guide for his son Ibn Zuhr traveling in Morocco, has shown that it is not the source for the ,Liber de regimine sanitatis‘ translated by Profatius Judaeus, as suggested by Sarton, 231. Cf. Schmitt, Theorie (nt. 23), 157. With no definitive source text established yet for the ,Liber de regimine sanitatis‘, the assignation of the Arabic original to Avenzoar’s father is therefore also not proven beyond a doubt. For an analysis of Avenzoar’s ,Liber de regimine sanitatis‘ in the translation of Profatius Judaeus see Schmitt, Theorie (nt. 23), 156-164; for an analysis of Avenzoar’s ,Summa dietarum‘ see ibid., 165-166. My sincere thanks go to Luke Demaitre for his help in shedding light on the Avenzoar question in an e-mail of May 7, 2007.
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,Liber de regimine sanitatis‘ by Profatius Judaeus is found in the explicit of Codex Bern. 428, fol. 14r, which states „Completus est tractatus de regimine sanitatis albohaly evenzoary ad honorem dei et beate virginis matris eius interpretatione profachi de arabico in latinum anno domini MCCXCIX.“ 32 As for the title of the work, it appears to have varied slightly in the manuscripts and prints, ranging from the above ,tractatus de regimine sanitatis albohaly evenzoary‘ to ,Abolay Abenzoar de regimine et conservatione sanitatis‘ in ms. 131 of the University of Paris 33, to ,Abohaly Abenzoar de regimine sanitatis continens sanitatis tuendae rationem secundum praecipuas humani corporis partes capitibus triginta duobus [sic] distinctus‘ in a Basel print of 1618 34. Interestingly, some manuscripts attribute the Latin translation to Arnald de Villanova which may be the reason why Moritz Steinschneider repeatedly points to Arnald as a possible translator of the regimen 35. Given his negative attitude towards the Jews, it is conceivable that Arnald, who spoke Arabic, made his own translation rather than use the one by Profatius Judaeus. In the Basel edition, Avenzoar’s regimen consists of twenty chapters that deal with the maintenance of parts of the body a capite ad calcem, followed by fourteen chapters discussing primarily five of the six non-naturals, in the order motus et quies, somnus et vigilia, cibus et potus, inanitio et repletio, and aer, and complemented with various additions to these non-naturals in subsequent chapters. Also included in this part is a chapter on diseases of the head and their cures (Chapter 29), and a phlebotomy (Chapter 32). The accidentia animi are the only nonnatural not covered in the regimen 36. While Avenzoar’s regimen would have contained much useful information, it does not yet constitute a fully formed regimen sanitatis complex and as such cannot be considered as ideal a model for the medical writers at Montpellier as, for instance, the ,Liber Pantegni‘ by Haly Abbas in the translation of Constantinus Africanus was for the medical community at Salerno 37. When Bernard first tries his hands on a small regimen sanitatis in Part 5 of his famous ,Lilium medicine‘ written between 1303 and 1305, he
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The explicit is contained in H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Medizin durch das lateinische Mittelalter, Wiesbaden 1964, 128. Schipperges also correctly attributes the regimen to Abu¯ l-Ala¯ Zuhr, ibid., 127. Personal e-mail by L. Demaitre, May 7, 2008. Ms. 131 contains the ,Liber caysir [sic]‘ on foll. 1-54v which is followed on foll. 54v-59v by ,Abolay Abenzoar de regimine et conservatione sanitatis‘. The latter is also contained in Vienna, Cod. lat. 5501, foll. 24r-37v, and Paris, Arsenal, Cod. 972, foll. 134r-162v. Sarton, Introduction, vol. 2 (nt. 30), 231. M. Steinschneider, Die europäischen Übersetzungen aus dem Arabischen bis Mitte des 17. Jahrhunderts, Vienna 1904, 1905 [Reprint: Graz 1956], 7, 56, 106. For a detailed table of contents of the Basel edition see Schmitt, Theorie (nt. 23), 157-158. For an analysis of the ,Liber pantegni‘, see Schmitt, Theorie (nt. 23), 58-95, especially 88-95, and M. W. Adamson, Medieval Dietetics: Food and Drink in ,Regimen Sanitatis‘ Literature from 800 to 1400, Frankfurt am Main 1995, 42-49.
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deals almost exclusively with diet 38. The author makes it clear right at the beginning of the regimen that he intends to deal with the subject in a longer treatise in the future: „Et licet per dei gratiam de regimine sanitatis longiorem tractatum intendamus edere“ (fol. 168vb ). This is quite likely an allusion to his regimen written in 1308. He divides his regimen in the ,Lilium‘ into seven parts that discuss the following aspects of food consumption: 1. quantitas, 2. qualitas, 3. ordo, 4. complexio, 5. consuetudo, 6. tempus, and 7. etas. The main authority he names eight times in his regimen is Galen, specifically he refers to his ,De ingenio sanitatis‘ four times, ,De regimine sanitatis‘ twice, ,De complexionibus‘ twice, and once to ,De elementis‘; also mentioned are Aristotle, Hippocrates, Avicenna, and Constantinus. The references to ,De regimine sanitatis‘ may indicate that by 1305 Bernard already had access to all or part of this work by Galen although as late as 1309 it was still absent from the Montpellier book list. When Bernard finally addresses himself to prevention in his last major work, the ,Liber de conservacione vite humane‘, he combines a regimen sanitatis with three other treatises of varying length that are not normally part of regimen literature: a phlebotomy, a uroscopy, and a brief treatise on the pulse. Of these the one that occasionally makes an appearance in conjunction with a regimen is a phlebotomy 39. Bernard seems aware of the fact that his concept of hygiene is unusually broad, why else would he dedicate considerable space in his general prologue to showing the logical interconnectedness of the four parts. As the transmission of the ,Liber de conservacione‘ shows, however, his idea of creating a new and more comprehensive genre of text for the preservation of health did not catch on, and the treatises frequently circulated as separate units or were incorporated into other, larger works 40. The first third of the fourth treatise, the regimen sanitatis proper minus the preface, was printed in Seville in 1495 as ,El tradado delos nin˜os y regimiento dela ama‘ following the ,Lilium medicine‘ in Spanish translation 41. And in 1570 the complete regimen sanitatis of the ,Liber de conservacione‘ was edited by the Breslau physician Joachim Baudisius and published in Leipzig 42. Interestingly, Baudisius chose as the title for the regimen 38
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The version used for this analysis is contained in Munich, Clm. 340, foll. 168vb-171ra. The date of the codex in Demaitre, Bernard (nt. 5), 187, is „1304[?].“ The codex once belonged to the German physician and bibliophile Hartmann Schedel. As early as ca. 1350 a German translation of the entire ,Lilium medicine‘ was made, see Vienna, Cod. lat. 2864. There is evidence that Bernard was planning on writing a regimen sanitatis in 1295 already. In his ,Liber prognosticorum‘ written in that year he announced that the three ages of man will be dealt with „Sicut melius dicemus in libro de regimine sanitatis, cum regimen principaliter pertractabimus,“ quoted in Demaitre, Bernard (nt. 5), 67, nt. 155. For an edition of the regimen in the Spanish version of the ,Lilium‘ printed in Seville in 1495 and a modern Spanish translation cf. Dutton/Nieves, Lilio (nt. 19), vol. 2, 1077-1088. Cf. Adamson, Dietetics (nt. 37), 139, 144, 163, et passim. Demaitre, Bernard (nt. 5), 59, and the Appendix, 171-197, see especially item 19, 27, 28, 54, 61, 62, 67, 68, 80. O’Neill, Publication (nt. 20), 277. Baudisius, Bernhardi (nt. 13). It is on this version that my analysis of the contents will be primarily based. It must be pointed out, however, that Baudisius united the quaestiones interspersed in the original regimen, and moved them to the end of the text.
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Bernard’s title for the entire work comprising all four treatises. Bernard’s complete ,Liber de conservacione‘ was finally first printed in Lyon in 1574 43. In the detailed preface to the regimen sanitatis which forms Part 4 of the ,Liber de conservacione‘, Bernard lays out his plan for the treatise, namely to provide health guidelines for the three ages of man, a concept found in Aristotle, the Bible, Galen, and Augustine 44. For Bernard, the first age, childhood, ranges from birth to age fourteen, the second, youth, to age thirty five, after which old age starts, a phase of life that he describes in primarily positive terms 45. The material on the first age covered in Bernard’s regimen consists of six chapters that discuss childbirth, the choice of a wet-nurse, a regimen for the teething child, diseases of newborns and children between two and fourteen, and the choice of a teacher 46. This is followed by fourteen chapters that deal with exercise in general, different types of exercises, massages, baths, food and drink, sleeping and waking, coitus, emotional well being, an aching state and its cure, the expulsion of excess fluids, a regimen for the body whose humors are balanced or out of balance, a body’s habits, and the preservation of weak parts of the body in the order „a capite ad calcem“ 47. The third age is represented by an old age regimen, but also includes a regimen for convalescents, and chapters on external and internal causes for the corruption of the body, a change in the body’s natural functions ranging from the mind to sweat, prognosticating future diseases, and a travel regimen 48. With his arrangement of the material according to the ages of man Bernard does not follow the systematization of Galenic medicine as found in the ,Liber Pantegni‘ of Haly Abbas, the ,Liber de medicina ad Almansorem‘ of Rhazes, and the ,Canon medicine‘ of Avicenna which were the leading textbooks at the 43 44 45 46
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Schmitt, Theorie (nt. 23), 14. Cf. Demaitre, Bernard (nt. 5), 62. Baudisius, Bernhardi (nt. 13), 1-10. I. De natiuitate pueri, II. De eligenda nutrice; III. De ægritudinibus quæ eueniunt pueris nouiter genitis; IIII. De regimine pueri cum incipit producere dentes; V. De regimine puerorum cum incipiunt loqui articulata voce, ambulare & currere, & est ætas ab anno 4. usque ad 12. uel 14.; and VI. De electione Magistri; cf. Baudisius, Bernhardi (nt. 13), 11-40. Baudisius seems to have switched chapters III and IIII. In the manuscripts Munich, Clm. 3073 and Vienna, Cod. lat. 5315 consulted for this study, the order of the chapters is reversed. „VII. De exercitio“; „VIII. De speciebus exercitij“; „IX. De fricationibus“; „X. De balneis“; „XI. De cibis & est magnum capitulum“; „XII. De potu aquæ & vini“; „XIII. De somno & vigilia“; „XIIII. De coitu“; „XV. De accidentibus animæ“; „XVI. De dispositione laboriosa & cura eius“; „XVII. De expulsione superfluorum“; „XVIII. De regimine corporis temperate“; „XIX. De regimine corporis distemperati“; „XX. De habitu corporis“; „XXI. De præseruatione membri debilis“; cf. Baudisius, Bernhardi (nt. 13), 40116. In his table of contents Baudisius lists Chapter XXII. De regimine senum as the last chapter of the second age, but in the text itself the chapter appears, more fittingly, as the first of the third age; ibid., 117. „XXIII. De regimine conualescentium“; „XXIIII. De corrumpentibus corpus humanum“; „XXV. De mutatione rerum naturalium“; „XXVI. De prognosticatione morbi futuri per ea quæ sunt extra naturarum“; „XXVII. De iter agentibus“; cf. op. cit., 117-148. Baudisius adds Bernard’s eighteen quæstiones integrated in the chapters in the manuscripts as a separate final section on pages 149-223.
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medical schools of late-medieval Europe. The fact that none of these works are listed in the Montpellier book list of 1309 would suggest that Bernard may not have had access to them, or at least the regimen sections in them, when he composed his regimen sanitatis. The regimen complex as dealt with by the Arab writer Haly Abbas consists of an all-season regimen of the res non naturales for healthy adults, and a regimen under the aspect of consuetudo or habit. These regimens are followed by regimens of the res naturales, and include a regimen for corpora temperata, a regimen for complexiones (temperaments), regimens for body type and body parts, a regimen for laborers, and regimens for pregnant women, newborns, infants, wet-nurses, young children and youth, as well as seniors. Regimens dealing with the res contra naturam discussed by Haly Abbas are a regimen for convalescents, for an impending illness, a plague regimen, a regimen for humoral imbalance, and for the onset of illness 49. Rhazes and Avicenna add to the regimen for all seasons a regimen for travel on land, especially in cold weather, and at sea 50. Bernard does address most of the areas in his ,Regimen sanitatis‘, but he completely does away with the structure of the res non naturales, res naturales, and res contra naturam as ordering principles for the individual regimens. His „cibus et potus“ chapter is an elaboration on his earlier food regimen in the ,Lilium medicine‘; and a topic not usually found in regimen literature, but which illustrates Bernard’s dedication to teaching, is his chapter „De electione Magistri“, mentioned above. In it as well as in the prologue the author displays his extensive knowledge of the septem artes liberales in addition to his more specialized knowledge of medicine. Authors and works that figure prominently in these parts are Aristotle, especially his ,Ethics‘ and ,Metaphysics‘, Augustine, Hieronymus, Seneca, Bernard of Clairvaux, Ovid and his ,Ars Amandi‘, Prosper Aquitaneus 51, Hugh of Saint Victor, Boethius, Chrysostomus, Pythagoras, Gregory, Origenes, furthermore he refers to ,Leviticus‘, ,Ecclesiastics‘, and ,Genesis‘. In the ,Regimen sanitatis‘ including the quaestiones, Galen is the most dominant medical authority, being invoked by Bernard a staggering 176 times. Of the works by Galen specifically referred to in the text, his ,De regimine sanitatis‘ is mentioned thirty times, the Aphorisms, that is Galen’s commentary on Hippocrates’ Aphorisms, eleven times, followed by seven references to ,De ingenio sanitatis‘, and seven to ,De morbo et accidente‘. Also occasionally mentioned are Galen’s works ,De complexionibus‘, ,De crisi et criticis diebus‘, ,De interioribus‘, ,De simplici medicina‘, and ,De iuvamentis membrorum‘, all of which were, not surprisingly, part of the Montpellier curriculum at the time 52. Second after 49 50 51 52
Cf. Schmitt, Theorie (nt. 23), 94-95. Op. cit., 129. Cf. Art. ,Prosper of Aquitania‘, in: Sarton, Introduction (nt. 30), vol. 1, 411-412. The reference in Baudisius’s edition of Bernard’s regimen to an unknown work by Galen entitled ,De generationibus‘ appears to be a mistake made by Baudisius or already contained in the manuscript he used as his source text. In the manuscript Munich, Clm. 3073, fol. 149ra, the title given is ,De complexionibus‘, a well-known work by Galen that was taught at Montpellier in 1309.
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Galen is Avicenna with forty-three references, three of which are to parts of the ,Canon medicine‘. Hippocrates is named twenty times, with seven references to his ,Aphorisms‘, three to the ,Regimen acutorum‘, and one to the ,Prognostici‘, which were also all part of the curriculum at Montpellier. Bernard mentions Haly Abbas four times, twice in particular his ,Liber Regum‘, better known as the ,Liber Pantegni‘, twice and always together with Haly Abbas he mentions Constantinus Africanus, and once he makes reference to Isaac Judeus’ ,De dietis universalibus‘. Whether he actually was familiar with these authors firsthand is questionable, and the comment „Et narrant alij, liber Regum, & Constantinus autoritate Galeni“ appears to confirm that this was secondhand information 53. It is especially in the quaestiones where Bernard reveals his expertise in and indebtedness to Galen, with the occasional reference to Hippocrates, and Avicenna. Bernard also displays a certain pride in his own work as a medical author and teacher. Four times he refers to his magnum opus, the ,Lilium medicine‘ in the text. As interesting as the references to personalities and works may be, equally interesting are the omissions of others. Bernard does not name his rival Arnald who at the time was also composing regimens, and he does not mention Rhazes and his ,Liber de medicina ad Almansorem‘. The structure of Bernard’s regimen, and the superficial knowledge or complete ignorance of important regimen literature and its organization would suggest that he was primarily relying on the school texts at Montpellier, first and foremost those by Galen and Hippocrates, complemented with material by Avicenna. It is likely that he also had access to a copy of Avenzoar’s ,Liber de regimine sanitatis‘ in the translation of Profatius Judeus, but no mention is made of the work in Bernard’s ,Regimen sanitatis‘. The preponderance of source material dealing with diseases and cures used by him is probably the reason why time and again Bernard temporarily loses sight of his stated goal of providing a manual for the preservation of health by repeatedly gliding off into therapeutics. Nevertheless, the regimen sanitatis in the ,Liber de conservacione vite humane‘ is an impressive effort by Bernard who clearly ventures into new territory with his last work. A clue why at Montpellier in the early fourteenth century regimen sanitatis literature was still in its infancy, is given by the author himself who claims that in the eyes of his fellow physicians the regimen of health is not as lucrative as the treatment of diseases 54. Like the inclusion of a phlebotomy, uroscopy, and treatise on the pulse in his overall concept for the maintenance of health, Bernard’s arrangement of the regimen according to the ages of man did not catch on, however. Too strong was the influence of Haly Abbas, Rhazes and Avicenna and their treatment of the subject in clusters following the wellestablished non-naturals, naturals and counter-naturals. In the end the general 53 54
Baudisius, Bernhardi (nt. 13), 129. ,Regimen sanitatis‘, fol. 72v, quoted after Demaitre, Bernard (nt. 5), 69-70, nt. 169: „Ymmo quod est magis abhominabile medici nostri temporis non curant scire regimen sanitatis quia videtur eis quod non sit ibi lucrum, sed in curacione morborum et potissime febris sunt bene solliciti et attenti.“
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regimen for healthy adults, at times customized for a particular patient, turned out to be more useful in medical practice, as the example by Arnald de Villanova will show. Arnald’s ,Regimen sanitatis ad inclytum regem Aragonum‘ is substantially less ambitious in its scope than Bernard’s. Composed with a specific person, King Jayme II of Aragon, in mind who at the time suffered from hemorrhoids, it nevertheless is more than a mere consilium. In his regimen Arnald deals with five of the six non-naturals, and he does so in a general enough way to make it a handy regimen for healthy adults that gained instant popularity throughout Europe 55. Countless manuscript versions of the text are followed by printed editions starting as early as 1474. The regimen, which was also translated into Catalan and other vernacular languages, is included in the 1504 edition of the ,Opera Arnaldi de Villa Nova‘ printed in Lyon, and in the 1585 edition of the ,Arnaldi de Villa Nova opera‘ used for the following analysis 56. In the ,Regimen sanitatis ad inclytum regem Aragonum‘, Arnald discusses the non-naturals in the order 1. aer („De aeris electione“, Cap. 1), 2. motus et quies („De naturali exercitio“, Cap. 2; „De balneo“, Cap. 3; „De ablutione pedum et capitis“, Cap. 4), 3. cibus et potus („De consideratione refectionis“, Cap. 5), 4. somnus et vigilia („De dormitatione corporis et tranquilitate“, Cap. 6), 5. accidentia animi („De accidentibus animi“, Cap. 7). He subsequently returns to the topic of food and drink with „De nutrientibus scilicet cibis et potibus“ (Cap. 8), and provides a specific list of foodstuffs and their dietetic qualities in chapters 9 to 18, followed by the aforementioned treatise on hemorrhoidal remedies (Cap. 19) 57. In his arrangement of the nonnaturals Arnald follows the model of the ,Isagoge Johannitii‘ which was part of the Montpellier curriculum in 1309. The only non-natural not covered by Arnald is repletio et evacuatio which in the ,Isagoge‘ would have preceded 6. accidentia animi 58. Of the eighteen chapters that comprise the general regimen, Arnald devotes twelve or seventy-five percent of the text to aspects of food and drink. This may seem high and is higher than in Bernard’s regimen, but is in line with medieval regimen literature as a whole 59. In fact, as will be shown below, with 55
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For a brief discussion of Arnald’s ,Regimen Aragonum‘ cf. Schmitt, Theorie (nt. 23), 14-15; Adamson, Dietetics (nt. 37), 110-117, which puts special emphasis on the food and drink chapter in the regimen. By concluding his regimen that only occasionally refers to the treatment of hemorrhoids (e. g. Cap. 17), with the section „De lapsibus emorroydarum et ipsarum remedijs“ (Cap. 19), Arnald in essence creates a hybrid between a general adult regimen and a consilium. Arnaldi de Villa Nova opera, Basilia 1585, foll. 82r-86r. For a new edition of the regimen see Arnaldi de Villanova, Opera medica omnia, vol. X. 1: Regimen sanitatis ad regem Aragonum, edd. L. Garcı´a-Ballester/M. McVaugh, Barcelona 1996, 423-470. Arnald’s dietetic list of foodstuffs consists of the following chapters: „De vsu panis“ (Cap. 9), „De luguminibus“ (Cap. 10), „De vsu fructuum“ (Cap. 11), „De oleribus et supra terram nascentibus“ (Cap. 12), „De radicibus quibus vtimur“ (Cap. 13), „De alimentis que sumuntur ex animalibus“ (Cap. 14), „De ferculis que sumuntur ex humiditatibus animalium“ (Cap. 15), „De vsu piscium“ (Cap. 16), „De saporibus“ (Cap. 17), and „De vsu potus“ (Cap. 18). Adamson, Dietetics (nt. 37), 39-41, especially 40. See the chart of food and drink as percentage of regimen literature in op. cit., 193.
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this regimen Arnald may have created a model for practical regimen sanitatis texts composed in Western Europe in the fourteenth and fifteenth centuries. With regard to his sources, Arnald is not very forthcoming. He only mentions Hippocrates once in the text (on fol. 85va ), but the regimen is clearly indebted to information on the non-naturals as discussed in Avicenna and the ,Secretum secretorum‘. What makes his work so original, however, is the link he establishes between cooking and nutrition by including rules for the consumption of food, especially fruit, some eighteen recipes, and a chapter on sauces (Cap. 17) which contains the bulk of these recipes 60. With its attention to food, Arnald’s regimen is reminiscent of Rhazes’ ,Liber de medicina ad Almansorem‘, which, however, Arnald does not name, nor is it included in the 1309 Montpellier book list or mentioned in Bernard’s regimen as pointed out earlier. Given his ties to Aragon and his extensive travels, it is conceivable that Arnald had access to Rhazes’ text which, after all, had been translated in Toledo from Arabic into Latin by Gerard de Cremona as early as 1175 61. By drawing on food from his Catalan homeland and southern France, Arnald has produced a text that is as important for the history of dietetics as it is for the study of regional cuisines of the Middle Ages. The interest in cooking among the Montpellier medical faculty around 1300 is also attested in other ways. Henri de Mondeville, for instance, the famous Montpellier surgeon, who in 1302 became personal surgeon to Philip the Fair, copied sometime between 1304 and 1314 the oldest known French cookbook in his parchment codex 62. A later owner of a copy of this cookbook was the bibliophile Duke de Berry 63. One of the first to use Arnald’s regimen as a model is the Milan physician Magninus Mediolanensis who taught at the University of Paris in the 1330s, and also served as physician to the Bishop of Arras, and later to the Visconti-family in Milan 64. His extensive ,Regimen sanitatis‘ dedicated to the Bishop of Arras shows a structure that is almost identical to that of Arnald’s regimen. Magninus, too, only covers five of the six non-naturals, and in the same order. And like Arnald, he divides his material on cibus et potus into general guidelines on nutrition and a dietetic list of foodstuffs that he appends to his discussion of the non-naturals 65. The latter also contains a detailed chapter on sauces and condiments, „De saporibus et condimentis“ (Cap. 20, fol. 56r-57v ). Magninus outdoes his master by providing some thirty-five culinary recipes. A comparison of Ar60
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Occasional recipes are also included in Cap. 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15. The definition used for a recipe is a preparation of three or more ingredients. Cf. Adamson, Dietetics (nt. 37), 57-64, and the detailed analysis of Rhazes’ regimen by Schmitt, Theorie (nt. 23), 115-124. Paris, Bibliothe`que nationale, Cod. lat. 7131, foll. 94r-96v (,Tractatus‘); foll. 96v-99v (,Liber de coquina‘); foll. 99v-100r (,Enseingnemenz‘). Paris, Bibliothe`que nationale Cod. lat. 9328, foll. 129v-133v (,Tractatus‘); foll. 133v-139v (,Liber de coquina‘). Adamson, Dietetics (nt. 37), 121-133. The edition used is Maynus de Mayneriis, Regimen sanitatis, Lyon 1505, foll. 1r-71r.
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nald’s and Magninus’ regimen shows that Magninus lifted entire passages from Arnald’s text, in addition to drawing on Avicenna’s ,Canon‘ and Rhazes’ ,Liber de medicina ad Almansorem‘ 66. Given the close affinity with Arnald’s regimen, little wonder that early printers mistook it for one of Arnald’s works. We find it in the Lyon 1504 edition of the ,Opera Arnaldi de Villanova‘ under the title ,Liber de regimine sanitatis Arnaldi de Villa Nova, quem Magninus Mediolanensis sibi appropriavit addendo et immutando nonnulla‘ 67. By the end of the fourteenth century, Arnald’s name carried enough cache in Germany to be attached to a regimen sanitatis whose incipit reads, „Daz buech machte her Arnoldus von Mumpelier vnd ist eyn der gesuntheit […].“ 68 However, with the exception of the sections „De accidentibus animæ“ and „De aeris“, and a few passages at the beginning of the chapter on food and drink for which Arnald is the source, the bulk of the regimen constitutes the German translation of a hugely popular Latin regimen compiled in the early fourteenth century by a fellow German, Konrad von Eichstätt, who may have received his medical education in Montpellier 69. Like Arnald and Magninus, Konrad only deals with five of the non-naturals (although not the same five), and he divides the information on food into general guidelines on nutrition and a dietetic list of foodstuffs, the latter also appended at the end of the regimen. The fact that this dietetic list of foodstuffs in the German version of Pseudo-Arnaldus was eventually incorporated in a fifteenth-century cookbook, the ,Kochbuch Meister Eberhards‘, illustrates yet again the close connection between cooking and dietetics in the later Middle Ages 70. Further evidence of Arnald de Villanova’s influence on European regimen literature is the ,Libellus de sanitate conservanda‘ compiled in 1459 by Guido Parato. He was personal physician to the duke of Milan, but wrote the regimen for Philip the Good of Burgundy who later had it translated into French. As his main sources Guido used the ,Regimen sanitatis‘ of Magninus Mediolanensis, and Arnald’s ,Regimen sanitatis ad inclytum regem Aragonum‘ 71. 66 67 68
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Adamson, Dietetics (nt. 37), 132-133. Schmitt, Theorie (nt. 23), 16. Adamson, Dietetics (nt. 37), 180. For an edition of the regimen see P. Strauss, Arnald von Villanova deutsch unter besonderer Berücksichtigung der ,Regel der Gesundheit‘, Diss. Heidelberg 1963, 85-161. Cf. Adamson, Dietetics (nt. 37), 149, 186-190. For a study and edition of Konrad’s Latin regimen and later German versions see C. Hagenmeyer, Das Regimen Sanitatis Konrads von Eichstätt. Quellen-Texte-Wirkungsgeschichte (Sudhoffs Archiv. Beihefte 35), Stuttgart 1995. Hagenmeyer, 56, suggests that the quotes from Avenzoar were likely taken from his above-mentioned ,Regimen sanitatis‘ translated into Latin in Montpellier by Profatius Judeus. W. Hirth, Die Diätetik im Kochbuch des Küchenmeisters Eberhart von Landshut und eine deutsche Regel der Gesundheit nach Arnald de Villanova, in: Ostbairische Grenzmarken 8 (1966), 273-281. For a study and edition of the cookbook see A. Feyl, Das Kochbuch Meister Eberhards. Ein Beitrag zur altdeutschen Fachliteratur, Diss. Freiburg im Breisgau 1963. E. Wickersheimer, Le Re´gime de Sante´ de Guido Parato, Physicien du Duc de Milan (1459), in: Bulletin de la Societe´ francX aise de l’histoire de la me´decine 12 (1913), 82-95. Cf. also Schmitt, Theorie (nt. 23), 22.
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Following the pivotal year 1308, that saw the completion of Bernard’s and Arnald’s respective regimen, and Arnald’s ,Regimen Almarie‘ for the army of Jayme II only a few months later, in 1309, little is known about any regimenproduction by physicians associated with the medical school of Montpellier until the 1330s. A short regimen supposedly written in 1315 by the physician Petrus Fagarola and sent from Valencia to his two sons who studied in Toulouse, likely has no connection with Montpellier 72. A regimen that in some manuscripts is attributed to the School of Montpellier is the ,Regimen sanitatis‘ of Gregorius, an Italian physician of whom not much is known 73. Christoph Ferckel who edited the regimen dates it no later than 1325-30 74. The text must have enjoyed some popularity in the fourteenth and fifteenth centuries, considering that at least six Latin versions are extant and that it was also translated into Italian and German 75. In his short regimen which addresses all six non-naturals, Gregorius displays an impressive range of knowledge of classical and medieval authors and works, including Aristotle, Hippocrates, Galen, Serapion, Ysaac [ Judeus], Constantinus Africanus, Avicenna, Haly Abbas, and Rhazes, as well as the popular ,Secretum secretorum‘ and the ,Regimen sanitatis Salernitanum‘. The fact that „Almansor“ is regarded as a medical writer rather than the recipient of Rhazes‘ ,Liber de medicina ad Almansoren‘ may be seen as an indication of a rather superficial knowledge of the subject and the list of authorities perhaps as a case of fourteenth-century name dropping. The main regimen author in the 1330s appears to have been Gerard de Solo who became magister in 1335, and in 1337 bought a house in Montpellier. Whether he actually was chancellor of the University of Montpellier, as Wickersheimer claims, is uncertain 76. Gerard de Solo wrote a number of commentaries on important medical works, including a ,Practica super nono Almansoris‘, a ,Commentarius super Canonem Avicenne‘, a ,Commentum in Ysagogen Johannitii‘, a commentary on Hippcrates’ ,Aphorisms‘, and possibly others attributed to him, such as the ,Commentum in Viaticum Constantini‘ 77. As a regimen author he is known for his ,Introductorium iuvenum scilicet de regimine corporis humani‘, first printed in Lyon in 1504 78. Its exact relationship with the regimen 72
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For an edition of the regimen, cf. L. Thorndike, Advice from a Physician to his Sons, in: Speculum 6 (1931), 111-114. An analysis of the regimen and its food and drink chapter is found in Adamson, Dietetics (nt. 37), 118-120. Cf. Wickersheimer, Dictionnaire (nt. 8), vol. 1, 211. C. Ferckel, Ein Gesundheitsregiment für Herzog Albrecht von Österreich aus dem 14. Jahrhundert, in: Archiv für Geschichte der Medizin 11 (1918), 1-21. For an analysis of the regimen, cf. Adamson, Dietetics (nt. 37), 134-137. Wickersheimer, Dictionnaire (nt. 8), vol. 1, p. 185; Dulieu, Me´decine (nt. 6), 55. Wickersheimer, Dictionnaire (nt. 8), vol. 1, p. 185-186; Dulieu, Me´decine (nt. 6), 99. Schmitt, Theorie (nt. 23), 17. According to Schmitt, the ,Introductorium iuvenum‘ is contained in Vatican, Cod. Pal. lat. 1134. Thorndike/Kibre, however, list Vatican, Cod. Pal. 1229, foll. 17rb-49rb as the only Vatican manuscript of Gerard de Solo’s ,Introductorium iuvenum‘. Cf. L. Thorndike/P. Kibre, A Catalogue of Incipits of Medieval Scientific Writings in Latin, London 1963, Item 1344G.
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Melitta Weiss Adamson
sanitatis contained in Vienna, Cod. Pal. 5486 which will be discussed here, still needs to be examined 79. Misleadingly entitled „Regimen per dietam Geraldi de solo“ in the Vienna manuscript, the regimen actually covers all six of the nonnaturals in a concise fashion, starting with the right habitation, traditionally part of the non-natural aer, followed by nine sections belonging to cibus et potus, namely „De pane“, „De vino“, „De carnibus“, „De piscibus“, „De oleribus“, „De liguminibus“, „De ouis“, „De lacte“, and „De fructibus“. The remaining non-naturals are discussed in the order somnus et vigilia, motus et quies, repletio et inanitio, and finally accidentia animi. For a number of foodstuffs, notably bread, wine, meat, vegetables, eggs, and fruit he recommends the best kinds, while rejecting others altogether as unhealthy, in particular fish (although he does include a fish recipe), legumes, and milk. Caution also reigns supreme in the discussion of the last four non-naturals each of which the author starts with recommendations what to avoid. Gerard treats coitus as a subsection of motus et quies, and as negative emotions under accidentia animi he singles out anger, sadness, and fear. The incipit „Reuerende domino domus in que habitatis […]“ and the warning of certain food groups suggests that this regimen may have been written with a specific person in mind, however, it should be pointed out that most of the advice he provides is in line with the regimen literature for healthy adults. Gerard is also named as one of four Montpellier professors who are the originators of a dietary for a bishop of Saint-Paul-Trois-Chaˆteaux in the RhoˆneAlpes region, as indicated by the incipit: „Regimen, quod dictauerunt quatuor magistri in medicina in Monte pessolo, scilicet mag. Jordanus de Turre, mag. G. de Solo, mag. Rymundus de Molleriis, cancellarius, et mag. G. Marcerii pro domino episcopo Scti. Pauli, qui erat dispositus ad paralisim et colicam passionem.“ 80
The date for the regimen may have been 1335 since this is the year when, according to Karl Sudhoff, at least three of the four physicians intersected at Montpellier: Magister Jordan de Turre taught at Montpellier between 1313 and 1335, Gerard de Solo between 1335 and 1360, and Raymundus de Moleriis was chancellor in 1335 81. The brief regimen is rather unusual in that it starts with a list of things to avoid. They address five of the six non-naturals in the order aer, somnus et vigilia, motus et quies, potus et cibus, and accidentia anime. In particular, the doctors warn the bishop of inebriation, drinking too fast at the beginning of the meal, and of negative emotions such as tristicia, suspicia, and sollicitudo. One is almost tempted to infer from this that the bishop suffered from depression and drowned his sorrows in alcohol. The physicians then give recommendations for a healthy lifestyle by returning to the five non-naturals in the same order as before. Like Arnald de Villanova, Magninus Mediolanensis, and Konrad von 79 80
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Cf. ,Regimen sanitatis‘ in Vienna, Cod. Pal. 5486, foll. 34r-36v. K. Sudhoff, Eine Diätregel für einen Bischof, aufgestellt von vier Professoren von Montpellier in der Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Archiv für Geschichte der Medizin 14 (1923), 185. Op. cit., 184. The identity of the fourth physician, G. de Marceriis, is uncertain.
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Eichstätt, to name but a few of the most prominent regimen authors of the early fourteenth century, they then provide a (brief) dietetic list of foodstuffs ranging from bread, wine, and water, to domestic animals, ocean and freshwater fish, herbs, vegetables, and fruit. The fish section is the most detailed, and it contains a number of mouth-watering fish recipes, including fish encased in pie, and fish in aspic. As this study of regimen sanitatis literature in Montpellier in 1308 and the years immediately before and after has shown, preventive medicine at the medical school was in its formative years at the time. Pertinent works such as Galen’s ,De regimine sanitatis‘ and Rhazes’ ,Liber de medicina ad Almansorem‘ were not yet part of the curriculum, although there is evidence that Bernard de Gordon had access to a Latin translation of Galen’s work, and Arnald de Villanova possibly to the work of Rhazes. A regimen by Avenzoar was translated at Montpellier in 1299, and as early as 1295 Bernard de Gordon first mentions his plan of writing a regimen himself, reiterated a decade later in his magnum opus, the ,Lilium medicine‘, in which he includes a brief regimen on diet. 1308 is clearly a pivotal year for regimen literature at Montpellier with Bernard finally writing his main work on prevention. It is conceived as a pedagogical text that extends the boundaries beyond the six non-naturals to include a phlebotomy, a uroscopy, and a treatise on the pulse. With its abundance of material, its frequent detours into the liberal arts, and its lengthy quaestiones, the regimen in the ,Liber de conservacione vite humane‘ is a text steeped in the scholastic tradition. Arnald de Villanova’s regimen, by contrast, written about the same time, was not designed for the classroom but as a practical guide for healthy living dedicated to the king of Aragon. With its subdivision of the food and drink chapter into general guidelines on nutrition and a dietetic list of foodstuffs, as well as its culinary recipes, it became a model for late-medieval regimen literature. Concise and user-friendly it must have appealed to practicing physicians. When the pace of regimen production picked up again in the 1320s and 1330s, it was Arnald’s work that Gerard de Solo and others followed. We have no evidence that Bernard’s ,Liber de conservacione vite humane‘ was used in the classroom. However, the fact that by 1340 the regimens by Galen, Rhazes, and Avicenna were part of the medical curriculum, and that later regimen writers in Montpellier and elsewhere did not adopt Bernard’s vision of preventive medicine that included the care of blood, urine, and pulse, and used the three ages of man as its ordering principle for the specialized regimens would suggest that Bernard’s last major work had only limited impact on late-medieval medicine.
Fre´jus
Zwischen Kurie und Königshof: Jacques Due`se, Bischof von Fre´jus, sizilianischer Kanzler und künftiger Papst Melanie Brunner (Leeds) Das Jahr 1308 hatte auf den ersten Blick keine besondere Bedeutung im Leben des Juristen Jacques Due`se. Nach einem stetigen, aber relativ langsamen Aufstieg in der kirchlichen und weltlichen Verwaltung schien er auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen zu sein: Er war seit 1300 Bischof von Fre´jus und gerade von Karl II. von Anjou zum Kanzler des sizilianischen Königreiches ernannt worden. Seit Februar dieses Jahres war er an dem Heiligsprechungsprozeß Ludwigs von Anjou, des Bischofs von Toulouse, entscheidend beteiligt, und im August erhielt er, wie alle anderen provenzalischen Bischöfe auch, seine Einladung zum Konzil von Vienne. 1308 war Jacques Due`se über sechzig Jahre alt und ein vielbeschäftigter Mann; eine glanzvolle weitere Karriere schien ihn aber nicht mehr zu erwarten 1. Auf der anderen Seite war er zu diesem Zeitpunkt nur noch acht Jahre von seiner Wahl zum Papst unter dem Namen Johannes XXII. entfernt, und das Jahr 1308 kann auch als Wendepunkt und Neuanfang für den späteren Papst interpretiert werden. Erst in der Distanz zu den auf den ersten Blick nicht besonders bedeutsamen Geschehnissen des Jahres läßt sich feststellen, daß 1308 für die weitere Karriere des Jacques Due`se, und damit auch für die Geschichte des spätmittelalterlichen Papsttums, eine besondere Bedeutung hatte. Aus dem Blickwinkel des Jahres betrachtet steht Jacques am Anfang und am Ende mehrerer Entwicklungen, die uns sowohl in seine Vergangenheit wie in seine Zukunft blicken lassen, und die entscheidende Weichen stellten für die Zukunft der Kirche. Nicht alle Ereignisse des Jahres 1308 erscheinen im Hinblick auf die Zukunft bedeutsam, während andere Entwicklungen, die sich in diesem Jahr anbahnten und ersichtlich wurden, erst im Rückblick ihre Bedeutung aufzeigten. Es läßt sich dabei oft nicht mehr rekonstruieren, welche dieser Ereignisse von Jacques und seinen Zeitgenossen als besonders bedeutsam wahrgenommen wurden, und die Frage danach, wie sich diese Bedeutung definieren läßt, ist damit ebenfalls noch nicht gelöst und kann oft auch nur im konkreten Einzelfall beant1
Zur Biographie des Papstes immer noch grundlegend: N. Valois, Jacques Due`se, pape sous le nom de Jean XXII, in: id. (ed.), Histoire litte´raire de la France, vol. 34, Paris 1914, 391-630, hier besonders 391-405; zu Jacques’ Biographie vor seiner Wahl cf. vor allem J. Weakland, John XXII before his Pontificate, 1244-1316: Jacques Due`se and his Family, in: Archivum Historiae Pontificiae 10 (1972), 161-185.
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Melanie Brunner
wortet werden, da sowohl die Beurteilung der frühen Karriere des Papstes als auch die Bewertung seines Pontifikates insgesamt von der Perspektive des Beurteilenden abhängt. Ein genauerer Blick auf die Laufbahn des späteren Papstes in der Zeit vor 1316 ist aber auch deswegen von Interesse, weil die Bedeutung der Karriere von Jacques Due`se für das Papsttum Johannes’ XXII. zwar häufig angesprochen worden ist, aber bisher nur selten im Detail untersucht wurde. Raoul Manselli hat schon 1974 darauf hingewiesen, daß die Geisteshaltung des späteren Papstes durch seine Erfahrung in der Ausübung öffentlicher Ämter geprägt und geformt worden war. Wie genau dies vor sich gegangen ist und welchen Effekt diese Formung im öffentlichen Amt auf die Arbeitsweise Johannes’ XXII. hatte, ist jedoch bisher nur selten genauer analysiert worden 2. Eine genauere Erforschung der Vorgeschichte seines Pontifikats kann daher auch aufzeigen, welche der Einflüsse auf den späteren Papst weiterreichende Folgen hatten. Das Jahr 1308 bietet dafür ein zwar willkürliches, aber hilfreiches Prisma, das die Entwicklungen, an denen Jacques Due`se teilhatte, konkretisieren und einordnen hilft. Die vorliegende Studie soll daher statt einer linearen Schilderung der Laufbahn des zukünftigen Papstes einen Querschnitt durch das Leben von Jacques Due`se bieten, der die Ereignisse dieses Jahres nebeneinander betrachtet und erst im weiteren Verlauf die Rolle und Bedeutung dieser Ereignisse in einen größeren Zusammenhang stellt. I. Jacques Due` se im Jahr 1308 Viele der Ereignisse dieses Jahres, die wir heute für signifikant halten, wie zum Beispiel der Tod Albrechts I. oder der Beginn des Templerprozesses, waren zu diesem Zeitpunkt für Jacques entweder (noch) nicht faßbar oder nicht unmittelbar relevant. Dies konnte sich natürlich später ändern: Die Entwicklungen im Reich und damit auch die Nachwirkungen der Ermordung Albrechts I. waren für das Pontifikat Johannes’ XXII. von enormer Bedeutung, und auch wenn wir keine Nachrichten über mögliche Reaktionen von Jacques Due`se auf den Beginn des Templerprozesses haben, mußte er sich doch später ebenfalls mit dieser Problematik auseinandersetzen. Zunächst einmal sollen aber bei einem Überblick der überlieferten Aktivitäten des späteren Papstes im Jahr 1308 ganz konkret die Handlungen und auch Handlungsorte Jacques’ in diesem Jahr verfolgt werden, wobei auf eine Betrachtung der Zukunft ganz bewußt verzichtet werden soll, da der Blick auf Papstwahl und Pontifikat bis zu einem gewissen Grad die Bedeutung der Ereignisse des Jahres 1308 für das Jahr 1308 verzerrt. In den dokumentarischen Quellen zum Jahr 1308 wird der zukünftige Papst insgesamt siebenmal erwähnt, und zwar in allen seinen Rollen als Bischof, Kanzler und 2
Cf. R. Manselli, Un papa in un’eta` di contraddizione: Giovanni XXII, in: Studi Romani 22 (1974), 444-456, hier besonders 445.
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Vertrauter des ehemaligen Bischofs von Toulouse. Am 3. Februar erscheint Jacques Due`se als einer der Anwesenden bei der Erteilung eines Privilegs für den Abt von St. Viktor in Marseille 3. In seiner Eigenschaft als Kanzler ist er außerdem am 22. März beim Treueid von Bertrand de Baux in Avignon anwesend 4. Wichtiger, da dieser Brief Karls II. einen seltenen Einblick in Jacques’ Tätigkeit als Kanzler gibt, ist ein Schreiben vom 23. April, in dem der König den Bischöfen von Gap und Orange Bericht über den Fortgang eines Rechtsstreites zwischen Karl von Anjou und dem französischen König über den Besitz einiger Inseln in der Rhone erstattet. An sich war Jacques Due`se mit der Vertretung der sizilianischen Krone in diesem Disput betraut gewesen, aber in seiner Eigenschaft als Kanzler sollte er nun den König begleiten, und die Bischöfe von Orange und Gap wurden deswegen mit der Fortführung der Verhandlungen betraut 5. Dies ist der einzige Hinweis auf eine mögliche Reise Jacques’ in das Königreich Sizilien, obwohl unklar bleibt, ob sie tatsächlich stattgefunden hat. In seiner Rolle als Bischof von Fre´jus erhielt Jacques sowohl seine Einladung zum Konzil von Vienne 6 als auch einen Brief des Königs, der den Bischof von Fre´jus darüber informierte, daß der Seneschall der Provence die Drahtzieher eines erfolglosen Attentatsversuchs gegen Jacques Due`se nach Aix-en-Provence überführen und sie dort einkerkern sollte, bevor der Prozeß gegen sie beginnen konnte 7. Dieser Brief war an Jacques als Bischof von Fre´jus gerichtet, nicht an den sizilianischen Kanzler, möglicherweise weil auch der Attentatsversuch anscheinend dem Bischof und nicht dem Kanzler gegolten hatte. Außerdem erteilte der Kanoniker Guillaume de Cadomo (oder Cardonio) am 18. Oktober 1308 im Namen des Bischofs von Fre´jus in einem Privileg dem Kleriker Ademar Amelii die Kirche von Revest in der Diözese Fre´jus 8. Im Februar wurde Jacques Due`se außerdem zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Heiligsprechungsprozeß Ludwigs von Anjou erwähnt. Bei der feierlichen Eröffnung des Prozesses in Marseille wird der episcopus Foroiuliensis gleich zweimal als anwesend vermerkt 9. Die Befragung der Zeugen begann im gleichen Monat, und auch wenn Jacques’ Aussage nicht datiert ist, scheint sie doch ebenfalls im Jahr 1308 stattgefunden zu haben 10; der Bischof von Fre´jus war außerdem möglicherweise auch an der Zusammenstellung der capitula genera3
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Cf. J. H. Albane´s/U. Chevalier/L. Fillet (eds.), Gallia Christiana Novissima. Histoire des archeveˆche´s, e´veˆche´s et abbayes de France [= GCN], vol. 7, Valence 1920, no. 835, col. 282. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 836, col. 282. Cf. GCN, vol. 6, Valence 1916, no. 236, coll. 98 sq.; GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 837, col. 282. Die weitere Korrespondenz zum Disput ist in GCN, vol. 6, no. 237 und no. 238, coll. 99 sq. zu finden. Cf. Regestum Clementis Papae V ex Vaticanis archetypis, voll. 2-3, Rom 1885, no. 3629, 392395. Cf. GCN, vol. 1, Montbe´liard 1899, no. 32, col. 228. Cf. Y. Lanhers [e. a.] (eds.), Tables de registres de Cle´ment V, Paris 1957, no. 10416, 75. Cf. Processus canonizationis et legendae variae Sancti Ludovici O.F.M. episcopi Tolosani, ed. Collegium S. Bonaventurae (Analecta Franciscana 7), Quaracchi 1951, 10 und 20. Zu Jacques’ Aussagen cf. vor allem ibid., 75 sqq.
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lia beteiligt 11. Es bestehen jedenfalls keine Zweifel daran, daß der Heiligsprechungsprozeß des Bischofs von Toulouse 1308 einen großen Teil der Zeit des Bischofs von Fre´jus in Anspruch nahm. Es ist trotzdem kein besonders spannendes Bild, das da von den Aktivitäten des zukünftigen Papstes gezeichnet wird, und es ergibt sich auf den ersten Blick nur wenig, was auf sein späteres Pontifikat hindeuten würde. Einige interessante Querverbindungen deuten sich jedoch auch schon in dieser kurzen Zusammenfassung an. Wir haben hier erste Hinweise auf die Art von Laufbahn, die einem Juristen beider Rechte sowohl in der kirchlichen als auch in der weltlichen Verwaltung offenstanden, sowie zu der Fähigkeit Jacques’, anscheinend mühelos zwischen diesen beiden Sphären hin und her zu wechseln 12. Seine Tätigkeit im Spannungsfeld zwischen dem Königreich Sizilien, dem Haus Anjou, dem Bistum Fre´jus und der Kurie ist hier ebenfalls schon deutlich geworden. Vor allem aber hat sich auch in dieser kurzen Zusammenfassung die Verflechtung der kirchlichen und weltlichen Karrieren des späteren Papstes gezeigt, sowie die wichtige Rolle, die sein Verhältnis zum Bischof von Toulouse auch lange nach dessen Tod für Jacques spielte. II. Jacques’ Laufbahn in der kirchlichen Verwaltung Jacques’ kirchliche Laufbahn ist relativ gut dokumentiert, aber zumindest in der frühen Phase nicht besonders spektakulär. Als er zum ersten Mal in den Quellen mit einem kirchlichen Amt erwähnt wird, hatte er schon eine ganze Reihe von Pfründen angesammelt; die erste, von der wir detaillierte Kenntnisse haben, stammt allerdings erst aus dem Jahr 1300. Bonifaz VIII. ernannte ihn im Januar dieses Jahres zum Dekan des Kapitels von Le Puy, nachdem der frühere Inhaber, Pierre de Ferrie`res, zum Bischof von Lectoure ernannt worden war 13. Jacques wurde allerdings schon einen Monat später das Bistum Fre´jus angeboten; er legte sein Kanonikeramt nieder und verbrachte die nächsten zehn Jahre als Bischof von Fre´jus, bevor er dann 1310 auf den Bischofssitz von Avignon wechselte 14. 11
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Cf. M. Toynbee, S. Louis of Toulouse and the Process of Canonisation in the Fourteenth Century (British Society of Franciscan Studies 15), Manchester 1929, 173 sqq. Zur Ausbildung Jacques’ an den Universitäten Orle´ans und Paris cf. Valois, Jacques Due`se (nt. 1), 393 sq.; Weakland, John XXII (nt. 1), 161-164. Cf. G. Digard [e. a.] (eds.), Les registres de Boniface VIII. Recueil des bulles de ce pape publie´es ou analyse´es d’apre`s les manuscrits originaux des archives du Vatican, vol. 2, Paris 1904, no. 3437, coll. 607 sqq. Bonifaz listete in dieser Urkunde auch alle anderen Pfründen auf, die Jacques zu diesem Zeitpunkt innehatte. Cf. außerdem GCN, vol. 1 (nt. 7), no. 30, coll. 224 sq. Zu Jacques’ Transfer nach Fre´jus cf. Digard, Registres de Boniface (nt. 13), no. 3491, coll. 649 sq. vom 12. März 1300, wo der Papst einen neuen Dekan für Le Puy ernennt und erklärt, warum dies schon wieder nötig ist. Das instrumentum electionis ist auf den 4. Februar 1300 datiert (cf. GCN, vol. 1 [nt. 7], no. 31, coll. 225-228). Zum Transfer nach Avignon cf. Regestum Clementis Papae V ex Vaticanis archetypis, vol. 5, Rom 1887, no. 5391 und 5426, 108 und 118, sowie GCN, vol. 1, no. 33, coll. 228 sq. für den Transfer von Bertrand II. Aymini von Avignon nach Fre´jus.
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Obwohl Jacques in den Quellen häufig als Bischof von Fre´jus erscheint, geschieht dies in vielen Fällen im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten am Hofe Karls II. 15, und es ist deswegen nicht einfach, sich ein Bild von Jacques’ Episkopat zu machen. Es existiert allerdings eine Reihe von Urkunden, die sich auf Jacques’ Tätigkeit als Bischof und vor allem auf die Vergabe von Pfründen in der Diözese beziehen 16, sowie ein Brief Karls II., der die Rechte und Privilegien Jacques’ und der Diözese Fre´jus auflistet, die allesamt auf eine Schenkung von Karls Großvater Raymond Berengar zurückgingen 17. Besonders aktiv scheint der spätere Papst in seinem Bistum allerdings nicht gewesen zu sein, was möglicherweise auch mit seiner Tätigkeit am Hofe Karls II. zusammenhing. Er zog sich zwar im Jahr 1302 von einer Position als delegierter Richter im Auftrag Karls II. zurück, um sich stärker seinem Bistum widmen zu können 18, aber in den überlieferten Quellen des Bistums ist auch nach 1302 keine Zunahme der Aktivitäten festzustellen. Als einer der provenzalischen Bischöfe war Jacques verpflichtet, an Versammlungen der Kirchenprovinz teilzunehmen; seine Abwesenheit wird vermerkt, als bei einer solchen Zusammenkunft der Seneschall einen Brief Karls II. verlas, der die Prälaten ermahnte, nachlässige Kleriker zu bestrafen 19. Er war allerdings anwesend, als 1304 die neuen Statuten für das Erzbistum Arles erlassen wurden, und nahm auch an einer Versammlung provenzalischer Bischöfe teil, die Karl II. ein Jahr lang den Zwanzigsten genehmigte 20. Jacques läßt sich auch an einigen wenigen anderen Stellen als Bischof von Fre´jus fassen; in ihrer Studie zu Gewalt in der Provence hat Christine Barnel zwei Urteile ediert, die Jacques als Bischof von Fre´jus im Jahr 1301 verhängte. So verurteilte er Stephanus Alexii von Roquebrune zu einer Strafe von zwanzig Sous, weil dieser den Juden Vitalis aus Draguignan geschlagen hatte, und gegen Guillaume Vetulus aus Fre´jus wurde wegen seiner Armut die relativ glimpfliche 15
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Wie e. g. seine Huldigung beim Seneschall für Provence und Forcalquier: GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 827, coll. 281 sq. Cf. zum Beispiel einen Brief Bonifaz’ VIII. zu Veränderungen im Domkapitel von Aix (G. Digard [e. a.] [eds.], Les registres de Boniface VIII. Recueil des bulles de ce pape publie´es ou analyse´es d’apre`s les manuscrits originaux des archives du Vatican, vol. 3, Paris 1921, no. 4868, coll. 572 sq.), eine Liste von neuen Statuten für den Archidiakon von Fre´jus (GCN, vol. 7 [nt. 3], no. 828, coll. 281-282), einen Brief Clemens’ V. zur Verleihung einer Pfründe an einen Vertrauten Karls II. (Regestum Clementis Papae V ex Vaticanis archetypis, vol. 1, Rom 1885, no. 851, 150) und die Investitur von Jacques’ Neffen Jean de Trian als Prior (Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V [nt. 8], no. 10384, 73). Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 819, col. 276. Zu seinem Rücktritt cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 824, col. 278: „Et venerabilis pater dominus J. Dei gratia Forojuliensis episcopus, occupatus pro diversis negociis ecclesie sue, que non potest dimitere, ymo decet prosequi et personaliter adimplere, comisit et delegavit in omnibus vices suas domino Raimundo Ruffo, conjudici suo.“ Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 820, col. 276. Cf. GCN, vol. 3, Valence 1901, no. 1426, coll. 576 sqq.; GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 829, col. 281; sowie ibid., no. 825, col. 278.
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Strafe von fünfzehn Sous verhängt, weil er denselben Vitalis mehrmals unter Wasser getaucht hatte, um Geld von ihm zu erpressen 21. Als ein interessantes Detail von Henri Brescs Studie der Rechtsdokumente der Diözese Fre´jus hat sich außerdem ergeben, daß sich Jacques Due`se mit Vorliebe in der Burg von Saint-Raphae¨l aufhielt 22. Zusätzliche Informationen dieser Art zum Leben des Bischofs sind selten, runden aber das Bild des Episkopats von Jacques Due`se ab, das doch insgesamt eher fragmentarisch bleibt. Einer der rätselhaftesten Vorfälle in Jacques’ Episkopat war ein Attentatsversuch im Jahre 1307. Der erste Hinweis darauf stammt aus den Registern Clemens’ V. und erwähnt die Tatsache, daß gegen einen der Verschwörer, einen Priester namens Bertrand Ricordus, von Galhardus de Saumate im Namen des Bischofs ein Urteil verhängt worden war 23. Dieser Hinweis enthält aber keine genaueren Angaben zu den anderen Verschwörern, den Hintergründen des Mordversuchs oder auch nur der Höhe der Strafe. Die Verfolgung der Verschwörer wurde dann im weiteren Verlauf durch Karl II. von Anjou übernommen, der am 30. September 1308 seinem Seneschall befahl, die Verantwortlichen nach Aix-en-Provence zu überstellen und dort bis zu ihrer Gerichtsverhandlung einzukerkern 24. Vier Monate später beklagte sich Karl II. darüber, daß einer der wichtigsten Verschwörer, ein Ritter namens Bertrand de Ayguileriis, hatte entkommen können, und der König befahl dem Seneschall, die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken und die anderen Gefangenen strenger zu behandeln, um weitere Fluchtversuche zu verhindern. Karl drohte dem Gefängnispersonal harte Strafen für den Fall an, daß weitere Gefangene fliehen könnten, und betonte, daß er sie persönlich für weitere Fluchtversuche haftbar machen würde 25. Ein weiterer Verschwörer, ein Ritter namens Guillaume d’Arcis, wurde zu Kerkerhaft und später zum Tode verurteilt, und Karl II. gewährte Jacques Due`se 21
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ˆ ge, in: P. Cf. C. Barnel, Symptoˆmes de violence en Provence maritime a` la fin du Moyen A ˆ ge, vol. 1: Contamine/O. Guyotjeannin (eds.), La Guerre, la violence et les gens au Moyen A Guerre et violence, Paris 1996, 137-148, hier 145. Cf. Bresc, Justice et socie´te´ a` Fayence et dans le resort de l’e´veˆque de Fre´jus en 1300-1301, in: Annales du Sud-Est Varois 8 (1983), 7-26, hier 8. Cf. Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V (nt. 8), no. 10387, 73: „Sententia prolata a Galhardo de Saumate officiali Forojuliensi, contra Bertrandum Ricordi, presbyterum de Bochabr, qui cum sociis excogitaverunt modum quo Jacobum, episcopum Forojuliensi, et Petrum de Via, vicarium, ac etiam familiares quosdam ipsius interficere possint.“ Cf. GCN, vol. 1 (nt. 7), no. 32, col. 228: „precipimus, quatenus statim, receptis praesentibus, una cum judice per nostram curiam tibi dato, Aquis accedere debeas, ducturus tecum omnes illos qui capti fuerunt occasione conspirationis facte in venerabilem patrem J[acobum] Forojuliensem episcopum, seu ipsos sub diligenti custodia transmissurus, nostro quidem Aquensi carceri mancipandos, et processurus deinde contra ipsos, prout justicia suadebit.“ Da zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr seit dem ersten Hinweis auf das Komplott vergangen war, haben die Herausgeber des Registers Clemens’ V. spekuliert, daß es möglicherweise einen zweiten Attentatsversuch gab; allerdings gibt es sonst keine Hinweise auf einen zweiten Mordversuch am Bischof von Fre´jus, cf. Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V (nt. 8), 73, nt. 1. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 839, coll. 282 sq.
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zusätzlich einige der Güter Guillaumes in Revest und Villepey 26. Die Hintergründe des Komplotts bleiben in den Quellen unklar, und eine Reaktion Jacques’ auf den Attentatsversuch ist ebenfalls nicht überliefert. Von Jacques’ Tätigkeit als Bischof läßt sich daher auch außerhalb des Jahres 1308 nur ein fragmentarisches Bild aufbauen, und für den Bischof von Fre´jus erscheint das Jahr im Rückblick vor allem deshalb als bedeutsam, weil hier die ersten Anzeichen seiner zukünftigen Verbindung mit dem Papsttum und der Verwaltung der Gesamtkirche zu sehen sind. Der Bischof von Fre´jus war zwar dem Papst möglicherweise schon früher durch seine Arbeit für Karl II. aufgefallen, aber er scheint erst im Umfeld des Konzils von Vienne auch in den engeren Kreis der päpstlichen Verwaltung eingebunden worden zu sein. Da der Disput über das Königreich Sizilien während des gesamten 13. und eines großen Teils des 14. Jahrhunderts nicht beigelegt wurde, hatte auch die Kurie ein starkes Interesse an den Angelegenheiten des Königreichs 27. Dies führte auf der einen Seite dazu, daß die Könige von Neapel/Sizilien einen großen Einfluß auf die päpstliche Politik und auf die Papstwahl hatten 28, lenkte aber auf der anderen Seite möglicherweise auch die Aufmerksamkeit des Papstes auf die administrativen Talente des Bischofs von Fre´jus. Die Vorbereitungen zum Konzil von Vienne markierten somit den Auftakt einer engeren Einbindung an die Kurie, die in Jacques’ Papstwahl im Jahr 1316 gipfelte. Zunächst einmal war er im Vorfeld des Konzils an einer Kommission beteiligt, die die gravamina des französischen Klerus sichten und ordnen sollte. Diese Kommission wurde im Jahr 1310 eingesetzt und von den Kardinälen Napoleone Orsini und Nicolas de Fre´auville geleitet; weitere Mitglieder waren Kardinal Peter Colonna, der Bischof von Valencia Raymond de Ponte, und Jacques Due`se selbst 29. Nach seiner Wahl zum Papst erwähnte Johannes XXII. seine Arbeit für die Kommission in mehreren Briefen, und zumindest in einer dieser Passagen scheint er anzudeuten, daß der größte Teil der Arbeit durch ihn selbst erledigt worden sei 30. Jacques Due`se war wahrscheinlich ein idealer Kandi26
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Cf. Weakland, John XXII (nt. 1), 166. Cf. außerdem GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 838, col. 282 und die Bestätigung des Privilegs in Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V (nt. 8), no. 10424, 75. Cf. Weakland, John XXII (nt. 1), 167. Zum Verhältnis zwischen dem Papsttum und dem Haus Anjou cf. außerdem N. Housley, The Italian Crusades. The Papal-Angevin Alliance and the Crusades against Christian Lay Powers, 1254-1343, Oxford 1982; D. Abulafia, The Western Mediterranean Kingdoms 1200-1500. The Struggle for Dominion, Cambridge 1997. Cf. B. Schimmelpfennig, Das Papsttum. Grundzüge seiner Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, Darmstadt 1984, 196. Cf. E. Müller, Das Konzil von Vienne 1311-1312. Seine Quellen und seine Geschichte (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 12), Münster 1934, 118 sq.; L. Boyle, A Committee Stage at the Council of Vienne, in: R. J. Castillo Lara (ed.), Studia in honorem eminentissimi Cardinalis Alphonsi M. Stickler (Studia et textus historiae iuris canonici 7), Rom 1992, 25-35, hier 25. Cf. zum Beispiel einen Brief Johannes’ XXII. an Edward II. von England vom Dezember 1318/ Januar 1319 (A. Coulon/S. Cle´mencet [eds.], Lettres secre`tes et curiales du pape Jean XXII [1316-1334] relatives a` la France, vol. 1, Paris 1899, no. 792, coll. 691-694, hier col. 692): „[…] quod dudum in concilio Viennensi dum universa gravamina in cunctis mundi regnis atque provinciis christianitatis vocabulo insignitis illata per dominos temporales ecclesiis, felicis recordationis Clementi pape V,
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dat für diese Aufgabe, wenn man seine juristische Ausbildung und seine Erfahrung in Verwaltungsfragen sowohl in kirchlichen als auch in weltlichen Kreisen in Betracht zieht 31. Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zum Konzil steht wohl auch Jacques’ Versetzung auf den Bischofssitz von Avignon, die möglicherweise dem Wunsch Clemens’ V. entsprang, Jacques nach seinem eigenen Umzug nach Avignon stärker in die Kurie einzubinden 32. Es ist zumindest anzunehmen, daß gewichtige Gründe für Jacques’ Transfer von einer relativ unbedeutenden Diözese ins deutlich wohlhabendere und prestigereichere Avignon sprachen 33. Selbst wenn ein mögliches direktes Interesse des Papstes am Umzug angenommen wird, war die Versetzung aber nicht billig, und Jacques versuchte noch eine ganze Weile nach dem Umzug, genügend Geld aufzutreiben, um der Kurie die Transfergebühren zurückzuzahlen 34. Ab 1310 sind uns zunehmend detailliertere Hinweise auf Jacques’ Arbeit für die Kurie erhalten. So war er zum Beispiel an den Vorbereitungen zum Ketzerprozeß gegen Bonifaz VIII. als Teil einer Delegation beteiligt, die in der Lombardei, Toskana, in Kampanien und in Rom Zeugen befragen sollte 35. Die Zusammensetzung der Delegation veränderte sich mehrmals, und Jacques Due`se fand sich letztendlich als Teil einer neuen Delegation auf dem Weg nach Frankreich; im Juli 1310 stellte Clemens V. einen Geleitbrief für Jacques und einige weitere Prälaten aus, die zu König Philipp dem Schönen unterwegs waren wegen „arduis quibusdam […] ecclesiae Romanae negotiis“ 36. Die Frage nach der Art dieser
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predecessori nostro, oblata fuissent et per eum nobis, tunc in minori officio constitutis, ad examinandum et ordinandum tradita […].“ Und in einem weiteren Brief an den französischen König (op. cit., no. 977, coll. 844 sq., hier col. 845): „[…] de hujusmodi reservationibus audivimus in Viennensi concilio graves ingeminari querelas.“ Cf. außerdem Boyle, Committee Stage (nt. 29), 25; Müller, Konzil (nt. 29), 118 und 630. Cf. M. Lambert, The Franciscan Crisis under John XXII, in: Franciscan Studies 32 (1972), 123143, hier 126. Cf. B. Guillemain, La Cour pontificale d’Avignon (1309-1376). E´tude d’une socie´te´ (Bibliothe`que des E´coles FrancX aises d’Athe`nes et de Rome 201), Paris 1962, 122. Cf. auch Weakland, John XXII (nt. 1), 168, der davon ausgeht, daß Jacques die Diözese Avignon zum Teil als Anerkennung für seine Verdienste verliehen wurde und zum Teil als eine Gefälligkeit für Robert von Neapel. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 848, col. 285. Cf. Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V (nt. 8), no. 10469, 78: „Clemens V committit […] receptionem testimoniorum testium valetudinariorum aliorumque detentorum infirmitate de negocio hæresis Bonifacii VIII in partibus Lombardiæ, Tusciæ, Campaniæ ac Romæ.“ Cf. außerdem op. cit., no. 10470 sq., 78; GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 849, col. 285. Zu der Delegation gehörten außer Jacques Due`se auch Isnard Tacconi, der Erzbischof von Theben, die Bischöfe Guido von Ferrara, Altegradus von Vicenza und Jacobinus von Modena, sowie Abt Bertrand de Montauban, der franziskanische Magister der Theologie Vital du Four und der Jurist Grimerius von Bergamo; cf. T. Schmidt, Der Bonifaz-Prozess. Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz’ VIII. und Clemens’ V. (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 19), Köln 1989, 227230. Guido von Ferrara war später auch an den Prozessen Johannes’ XXII. gegen die Familien der Este und Visconti beteiligt, cf. Schmidt, Bonifaz-Prozess, 229. Regestum Clementis, vol. 5 (nt. 14), no. 6334, 437: „Praecipit infrascriptis ut benigne cum sua familia recipiant Iacobum episcopum Avenionen. cum per eorum loca transibit, per se destinatum ad Philippum regem
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wichtigen Geschäfte ist bis heute nicht geklärt. Tilmann Schmidt ging davon aus, daß diese neue Kommission ebenfalls mit dem Prozeß gegen Bonifaz betraut war 37, aber es ist möglich, daß die Delegation zumindest teilweise auch mit den Verhandlungen über das Schicksal der Templer in Verbindung stand 38. Diese Möglichkeit einer Beteiligung Jacques’ am Templerprozeß wird vor allem durch die Spekulation über das mögliche Vorhandensein eines von ihm verfaßten Berichts zur Templerfrage unterstützt, der Clemens V. beim Konzil von Vienne vorgelegt worden sein soll. Falls dieser Bericht tatsächlich existiert hat, wäre anzunehmen, daß die Reise Jacques’ an den französischen Königshof zumindest auch mit der Templerfrage in Zusammenhang stand. Allerdings hat schon Ewald Müller darauf hingewiesen, daß dieser Bericht nur in der deutlich späteren Chronik des Ferretus von Vicenza erwähnt wird, nicht aber in den noch existierenden Urkunden und Dokumenten zum Konzil selbst. Müller ging deswegen davon aus, daß, falls es tatsächlich einen solchen Bericht gegeben haben sollte, dieser nur das Ergebnis einer ad hoc gegründeten Kommission während des Konzils selbst gewesen sein könne 39. Die Existenz eines offiziellen Berichts ist daher sehr fraglich, aber es besteht doch die Möglichkeit, daß die Templerfrage bei einer hochrangigen diplomatischen Mission an den französischen Königshof im Jahre 1310 zumindest angesprochen wurde. Da die Instruktionen Clemens’ an die Kommission aber geheim blieben, lassen sich die genauen Einzelheiten des Auftrags jedoch mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr rekonstruieren. Jacques Due`se nahm auch am Konzil von Vienne selbst teil, obwohl es keine Hinweise darauf gibt, daß er aktiv an den Beratungen über das Schicksal der Templer, der franziskanischen Spiritualen oder an einem der anderen Diskussionsthemen beteiligt war. Trotzdem kann wohl davon ausgegangen werden, daß
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Franciae, ut de arduis quibusdam cum illo ecclesiae Romanae negotiis agat.“ Cf. außerdem GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 850, col. 285. Cf. Schmidt, Bonifaz-Prozess (nt. 35), 227 sq. unter Hinweis auf Randkommentare und Verbesserungen in den Registern Clemens’ V. (Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V [nt. 8], no. 10472, 78), die Jacques Due`se, Bertrand de Montauban, Vital du Four und Castellanus von Treviso den Auftrag erteilten, Zeugen zu Bonifaz VIII. zu vernehmen. Dieses Dokument enthält genau die gleichen Instruktionen wie der Auftrag zur Zeugenvernehmung in Italien, bezieht sich aber nicht ausdrücklich auf Frankreich. Unabhängig vom genauen Reiseziel und Auftrag der Kommission zeigt die Korrespondenz des Papstes immerhin, daß Jacques Due`se und der franziskanische Kardinal Vital du Four schon dreizehn Jahre vor dem Ausbruch des theoretischen Armutsstreites in intensivem Kontakt standen. Zum Zusammenhang zwischen Templerprozeß und Bonifazanklage cf. außerdem Schmidt, Bonifaz-Prozess, 397-400. Zu dieser Theorie cf. vor allem Weakland, John XXII (nt. 1), 168 sqq. Ferretus’ Chronik stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1329. Cf. Müller, Konzil von Vienne (nt. 29), 102-106, besonders 103, nt. 66, wo er die Chronik wie folgt zitiert: „Jacobus magnam scripturarum indaginem papae iussu contemplans, quid magis accommodum votis omnium quidve iuris opportunitati mage [wohl magis] conveniat, in archivio mentis locat coramque omnibus ad synodum mirabiliter explicat. Cuius iudicio Romanus pontifex acquiescens totusque Templariorum ordo deprimitur et ossa Bonifacii praeter ludibrium intacta servantur.“
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zu den Resultaten des Konzils auch Jacques’ Ernennung zum Kardinalpresbyter von San Vitale (1312) und zum Kardinalbischof von Porto (1313) gehörte 40. Nach seiner Ernennung zum Kardinal übernahm Jacques weitere Aufgaben in der Kirchenverwaltung und scheint zumindest eine Zeitlang als amtierender Vizekanzler fungiert zu haben. Seit dem Pontifikat Clemens’ V. gehörte die Prüfung und Einsetzung der päpstlichen Notare oder Tabellionen zu den Aufgaben des Vizekanzlers, auch wenn diese Aufgabe in Sonderfällen an andere Prälaten übertragen werden konnte 41. Jacques Due`se erscheint in den erhaltenen Prüfungsurkunden mehrmals, zunächst als vom Papst direkt beauftragter Sonderprüfer 42, dann aber ab 1312 als Vertreter des amtierenden Vizekanzlers Arnaud Novel, der 1312-1313 als päpstlicher Nuntius in England weilte 43. Wie für die Sichtung der gravamina im Vorfeld des Konzils von Vienne war Jacques auch für die Rolle des Vizekanzlers durch seine juristische Ausbildung und Erfahrung in der Verwaltung ein idealer Kandidat. Als Kardinal war Jacques außerdem auch am Heiligsprechungsprozeß Papst Cölestins V. beteiligt; bei der Begutachtung der den Kardinälen vorgelegten und dem Papst zugeschriebenen Wunder erkannte er kaum die Hälfte der Wunder und ihrer Beweise an. Tilmann Schmidt hat in diesem Zusammenhang von einer „Sonderrolle des Skeptikers Jacques Due`se“ gesprochen; möglicherweise läßt sich hier schon ein Hinweis auf Jacques’ spätere Politik den Spiritualen gegenüber erkennen 44. 40
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Die erste Erwähnung Jacques’ als Kardinalpresbyter von San Vitale stammt vom 23./24. Dezember 1312, cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 864, col. 287. Es ist nicht ganz klar, wann er zum Kardinalbischof von Porto ernannt wurde; dies muß vor Ende Mai 1313 geschehen sein, da er nach diesem Zeitpunkt in den Quellen durchgehend Bischof von Porto genannt wird, cf. e. g. Regestum Clementis Papae V ex Vaticanis archetypis, vol. 8, Rom 1888, nos. 9289, 9490, 10006 und 10024, 180, 444 sq. und 453. Zwischen Mitte April und Mitte Mai wird er abwechselnd als Kardinal von San Vitale (cf. ibid., no. 9981, 9982 und 9994, 412 und 429 sq.) und als Bischof von Porto bezeichnet (cf. ibid., no. 10055 und 10054, 471) sowie einmal als dominus Avenionensis (im Heiligsprechungsprozeß für Cölestin V.: GCN, vol. 7 [nt. 3], no. 865, col. 287). Cf. außerdem Weakland, John XXII (nt. 1), 170. Cf. P. M. Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei. Untersuchungen über die päpstlichen Tabellionen und die Vizekanzler der Heiligen Römischen Kirche im XIII., XIV. u. XV. Jahrhundert (Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland. Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft 4), Köln 1908, 30 sq. Für einen Überblick über die Vizekanzler und ihre Rolle in der päpstlichen Verwaltung cf. auch Baumgarten, Apostolische Kanzlei, 143148; Guillemain, Cour pontificale (nt. 32), 309 sq. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 851, col. 285; Regestum Clementis, vol. 5 (nt. 14), no. 5771, 236; es gibt noch ein weiteres Privileg für Jacques vom Dezember desselben Jahres, das ihn bevollmächtigt, zwei Personen „pro officio tabellionatu“ zu prüfen, cf. Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V (nt. 8), no. 10483, 79. Cf. Baumgarten, Apostolische Kanzlei (nt. 41), 57 und 93; die durch Jacques Due`se abgehaltenen Prüfungen in diesem Zeitraum sind hier zu finden: Regestum Clementis Papae V ex Vaticanis archetypis, vol. 7, Rom 1887, no. 8048, 106 (ebenso in GCN, vol. 7 [nt. 3], no. 860, col. 286); ibid., nos. 8282, 8422, 8253, 8536 (163, 221, 195, 158); Regestum Clementis, vol. 8 (nt. 40), nos. 8979, 9230, 9345, 9446, 9447, 9660 und 9575 (71, 155, 192, 218 sq., 290 und 255); GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 861, col. 287, sowie vier weitere Privilegien, die nur in der Übersicht Baumgartens auftauchen, cf. Apostolische Kanzlei, 93-96. Während Schmidt keine Gründe für die Sonderrolle Jacques’ nennt, bemerkt er zu Kardinalbischof Johannes von Porto, der fast alle Wunder anerkannte, daß er „seine frühere Spiritualen-
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Dies hat uns allerdings weit vom Jahr 1308 und der Beschäftigung des Bischofs von Fre´jus mit den Pfründen seiner Diözese und der Teilnahme an Versammlungen der provenzalischen Bischöfe weggeführt. Im Jahr 1308 selbst hat Jacques Due`se nur wenig Spuren hinterlassen; nur einmal erscheint er in den Quellen direkt mit den Angelegenheiten seines Bistums beschäftigt, und auch in dieser Urkunde ist die handelnde Person ein Kleriker aus Fre´jus, der im Namen des Bischofs agiert 45. Jacques scheint insgesamt mehr mit den Angelegenheiten des Königreichs Sizilien befaßt gewesen zu sein, wobei allerdings gerade seine kirchliche Tätigkeit in die Zukunft weist. Die Einladung zum Konzil von Vienne bildete den Anstoß zu seiner zunehmend engeren Bindung an die Kurie, und das Jahr 1308 kann daher als Auftakt der Karriere Jacques’ in der päpstlichen Verwaltung interpretiert werden. Diese Einladung war für Jacques Due`se wahrscheinlich auch schon im Jahr 1308 sehr bedeutsam; allgemeine Konzilien waren nicht so häufig, daß die Einberufung einer solchen Kirchenversammlung eine alltägliche Sache für die Eingeladenen dargestellt hätte. Auf der anderen Seite aber war das Konzil in der Zukunft und zu diesem Zeitpunkt noch recht weit entfernt. Im Rückblick stellt dieser Brief des Papstes, der sich in nichts von den Briefen unterschied, die die anderen Bischöfe erhielten, einen entscheidenden Wendepunkt im Lebensweg des späteren Papstes dar. Die Einladung selbst konnte ihre Wirkung allerdings nur entfalten, weil noch weitere Faktoren hinzukamen. III. Die Verbindung mit dem Haus Anjou Einer der wichtigsten Faktoren in dieser Entwicklung war die Verbindung Jacques’ mit dem Haus Anjou. Das Jahr 1308 markiert das erste Jahr Jacques’ als Kanzler von Sizilien. Während seine Aktivitäten in dieser Rolle im ganzen oft nur schwer faßbar bleiben, bedeutete die Ernennung zum Kanzler den Höhepunkt seiner Karriere in der weltlichen Verwaltung. Dieser Höhepunkt war allerdings auch der Anfang vom Ende, da Jacques Due`se mit dem Tod Karls II. schon 1309 wieder aus den Diensten des Königreichs ausschied. Wie genau die Verbindung zwischen dem späteren Papst und dem Haus Anjou zustande kam, ist nicht eindeutig geklärt, aber die ersten Kontakte gehen in das Jahr 1297 zurück, als Jacques Due`se sich am Hofe des Bischofs Ludwig von Toulouse aufhielt 46. Es ist möglich, daß seine Verbindung zu Anjou bis zu einem gewissen Grad auch mit Pierre de Ferrie`res zusammenhing, Jacques’ Vorgänger
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feindlichkeit […] an dieser Stelle nicht mehr erkennen“ läßt (Schmidt, Bonifaz-Prozess [nt. 35], 433 sq.). Cf. Lanhers, Tables de registres de Cle´ment V (nt. 8), no. 10416, 75. Zur Biographie und Heiligsprechung Ludwigs von Anjou cf. Toynbee, S. Louis (nt. 11); J. Paul, Saint-Louis d’Anjou, franciscain et e´veˆque de Toulouse, in: Les E´veˆques, les clercs et le roi (Cahiers de Fanjeaux 7), Toulouse 1972, 59-90.
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als Dekan des Domkapitels von Le Puy und in seiner Rolle als sizilianischer Kanzler. Die Ernennung zum Dekan wird in der Ernennungsurkunde explizit auf Jacques’ Stellung am Hof und auf den Einfluß des Königs zurückgeführt; es ist dies auch eines der wenigen Dokumente, in denen Jacques als clericus des Königs bezeichnet wird 47. Jacques Due`se und Pierre de Ferrie`res kamen beide aus der Region Quercy; es gibt allerdings keine urkundlichen Hinweise darauf, daß sie sich schon vor ihrer Zeit am angevinischen Königshof kannten 48. Obwohl die Verbindung zwischen Jacques Due`se und Ludwig von Toulouse chronologisch am Anfang seiner Verbindung zum Haus Anjou steht, stammen fast alle Informationen zum Verhältnis zwischen den beiden Männern aus dem Heiligsprechungsprozeß des Jahres 1308 49. Ludwig von Anjou, der Sohn Karls II. von Anjou und ältere Bruder Roberts von Neapel, hatte 1296 auf seinen Anspruch auf den sizilianischen Königsthron verzichtet, um in den Franziskanerorden eintreten zu können; Bonifaz VIII. erhob ihn dann im gleichen Jahr zum Bischof von Toulouse. Ludwig verbrachte nur eine sehr kurze Zeit in seinem Bistum und reiste schon im Juni 1297 nach Katalonien, um dort seine Schwester zu besuchen. Er faßte anscheinend in Barcelona den Entschluß, nach Rom zu reisen und dort sein Bischofsamt niederzulegen. Er starb in Brignoles auf dem Weg nach Rom am 19. August 1297. Die Verbindung zwischen Jacques Due`se und dem Bischof von Toulouse kann nur für den sehr kurzen Zeitraum von Mai bis August 1297 nachgewiesen werden, als Jacques an Ludwigs Hof weilte und ihn auf seiner letzten Reise begleitete. Der spätere Papst war einer der drei Begleiter, die bei dem Bischof von Toulouse waren, als er starb 50. Die Verbindung zwischen den beiden Männern ist aus mehreren Gründen sehr wichtig: Zum einen erklärt das anscheinend recht enge Verhältnis zwischen Ludwig und Jacques zumindest teilweise die Förderung, die Jacques später durch Ludwigs Vater und Bruder erfuhr, zum anderen stellt es, mit Ausnahme von Jacques’ Zusammenarbeit mit Vital du Four während des Prozesses gegen Bonifaz VIII., die einzige konkrete Verbindung zwischen dem späteren Papst und der franziskanischen Ideenwelt in der Zeit vor seiner Papstwahl dar. Die Verbindung zwischen Jacques und dem franziskanischen Bischof von Toulouse, der Beziehungen zu den Spiritualen unterhielt, ist daher auch im Hinblick auf die spätere 47
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Cf. Digard, Registres de Boniface, vol. 2 (nt. 13), no. 3437, coll. 607 sq.: „consideratione Caroli, regis Siciliæ, cujus clericus et familiaris existit.“ Das ist auch bei allen anderen Versuchen, frühe Förderer Jacques’ zu identifizieren, der Fall. Cf. Weakland, John XXII (nt. 1), 164, der Philippe de Cahors, den Bischof von Evreux, Barthe´lemi le Roux, den Bischof von Cahors, und Pierre de Ferrie`res als mögliche Kandidaten vorgeschlagen hat; sowie Guillemain, Cour pontificale (nt. 32), 121, der außerdem Bertrand Comarque, Jacques’ Vorgänger als Bischof von Fre´jus (einen weiteren Quercynois), in Betracht gezogen hat. Zur Zeugenaussage Jacques’ cf. Processus canonizationis (nt. 9), 75 sqq. Zur Biographie Ludwigs cf. besonders Toynbee, S. Louis (nt. 11), 101-132. Zur Theorie, daß Jacques Ludwig (im Kirchenrecht) unterrichtet haben soll, cf. auch die Prolegomena zur Edition des Heiligsprechungsprozesses in Processus canonizationis (nt. 9), xl-xli und Toynbee, S. Louis (nt. 11), 122.
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Politik Johannes’ XXII. gegenüber den Minoriten ganz besonders interessant und stellt einen weiteren Baustein in dem Bild dar, das sich von den Verzweigungen und Verbindungen zwischen Jacques’ weltlichen und geistlichen Karrieren aufbaut. Als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft ist Jacques’ Zusammenarbeit mit dem Bischof besonders auch im Kontext des Themas dieses Bandes wichtig. Der Heiligsprechungsprozeß wurde auf Drängen von Ludwigs Familie 1307 in die Wege geleitet und 1308 im Beisein Jacques’ feierlich eröffnet 51. Jacques Due`se scheint von der Heiligkeit des Bischofs von Toulouse ehrlich überzeugt gewesen zu sein, was sich nicht nur an seinen Zeugenaussagen zeigt, sondern vor allem auch an der Tatsache, daß eine der ersten Amtshandlungen des neuen Papstes im Jahr 1316 die Wiederaufnahme des Heiligsprechungsprozesses war. Die Bulle zur Kanonisierung des Bischofs von Toulouse wurde dann am 7. April 1317 veröffentlicht 52. Der spätere Papst war außerdem einer der prominentesten Zeugen im Prozeß, und er bezeichnete sich in seinen Aussagen mehrfach als „officialis, familiaris et domesticus“ des Bischofs von Toulouse 53. An der Bewunderung des Papstes für Ludwig von Anjou können insgesamt nur wenig Zweifel bestehen. Die Struktur der Zeugenaussagen während des Prozesses erlaubt nur wenige konkrete Aussagen zur genauen Rolle Jacques’ im Haushalt des Bischofs, obwohl deutlich wird, daß Jacques zumindest teilweise für die bischöflichen Finanzen zuständig war. So behandelt zum Beispiel capitulum 36 des Prozesses Ludwigs Demut und stellt unter anderem die Frage, ob er tatsächlich einen seiner Berater fragte, wieviel Geld er denn für Almosen aufwenden könne 54. Als Jacques Due`se nach dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichte befragt wurde, erklärte er, daß er selbst der familiaris gewesen sei, den Ludwig um Rat gefragt und der die Berechnungen durchgeführt habe. Er erklärte zusätzlich, daß Ludwig ihn nicht nur darum gebeten habe, alle Einkünfte, sondern auch alle notwendigen Ausgaben des Bistums zu berechnen, um festzustellen, wieviel Geld dann noch für Almosen übrig bliebe 55. Diese Begebenheit zeigt Jacques nicht nur sehr früh in seiner uns später vertrauten Rolle als Verwalter, die Erzählung hat auch interessante Implikationen 51 52 53
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Cf. Processus canonizationis (nt. 9), 1 und 10. Cf. auch Toynbee, S. Louis (nt. 11), 161-164. ,Sol oriens mundo‘, in: Processus canonizationis (nt. 9), 395-399. Op. cit., ad cap. xxxiiij, 75: „ille [= Jacques] qui erat eius officialis et familiaris et domesticus suus“ und „sicut familiaris et domesticus suus frequentavit domum ipsius“. Ad cap. xxxvj, 75: „ille familiaris“; ad cap. xlix, 77: „servivit sibi ipse qui loquitur multum assidue sicut familiaris suus“. Op. cit., cap. xxxvj: „Ex tunc fuit sibi pauperum cura maior, sic equidem ut, quamvis Papa dixisset eidem quod non ut episcopus set ut regis natus expenderet, ipse tamen egere sibi cupiens ut aliis abundaret, iniunxit semel cuidam ex familiaribus quod summam reddituum episcopatus exquireret, ad illum videlicet finem ut sciret quam largas facere elemosinas inde posset.“ Cf. op. cit., ad cap. xxxvj, 75: „ipse qui loquitur fuit ille familiaris cui dominus Ludovicus verba illa dixit. Quadam enim die eo ad partem vocato, dixit eidem testi qui loquitur dictus dominus Ludovicus quod provideret quod summam sui episcopatus exquireret et eciam expensarum, et taliter ordinaretur hospicium suum et temperarentur expense quod superesset satis ad largas helemosinas faciendum.“
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für Jacques’ späteres Verhältnis zum Franziskanerorden. Es ist anzunehmen, daß der spätere Papst die Handlungen des Bischofs von Toulouse nicht nur wegen ihrer Großzügigkeit guthieß, sondern auch wegen ihrer plan- und vor allem maßvollen Ausführung. Bis zu welchem Grad diese Planung das Werk Jacques’ selbst war, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren; es gibt aber nur wenig Zweifel daran, daß sie tatsächlich stattfand 56. Diese Art von Großzügigkeit, die den Spendenden zwar deutlich ärmer machte, die aber trotzdem über längere Zeit aufrecht erhalten werden konnte und dem Bistum nie vollständig die Ressourcen entzog, war der Geisteshaltung des späteren Johannes XXII. mit ziemlicher Sicherheit deutlich näher als das Ideal eines radikalen Verzichtes auf jedes Eigentum. In der Bulle ,Sol oriens mundo‘ betonte der Papst dann auch, daß Ludwig nicht nur eine Aufzählung der Einnahmen des Bistums wünschte, sondern auch eine Berechnung aller „moderatis expensis et rationabilibus“ 57. Diese noch stärkere Betonung der sorgfältigen Planung und Berechnung der Großzügigkeit des Bischofs in der Bulle zeigt, daß der Papst hier zumindest ansatzweise eine Alternative zum franziskanischen Armutsideal vertrat. Dies zeigt sich auch darin, daß diese Episode aus dem Leben des Bischofs sowohl im Prozeß als auch in der Bulle unter den Stichwörtern der Demut und der Nächstenliebe statt der Armut behandelt wird 58. Sowohl die Verbindung mit Ludwig von Anjou selbst als auch die Beteiligung am Heiligsprechungsprozeß brachten Jacques Due`se mit prominenten Vertretern der Spiritualen und mit einem breiten Spektrum an franziskanischen Ideen in Kontakt, und seine Zeugenaussagen gehören zu den wenigen Hinweisen, die wir zu seiner Haltung zur franziskanischen Armut aus der Zeit vor der Spiritualenkrise haben 59. Der Papst erwähnte den Bischof von Toulouse in sei56
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Cf. e. g. die Zeugenaussagen von Elzean de Alamannone (op. cit., 48), Bruder Fortis (op. cit., 62), Raymond Gaufredi (op. cit., 69) und Magister Durantus Curaterii (op. cit., 90), der aussagte, daß er, obwohl er bei dieser Unterhaltung nicht anwesend war, „Dixit tamen quod ipse frequenter erat cum camerariis qui fuerunt de domo domini Ludovici, et ibi habebatur racio expensarum; et inveniebant quod quandoque una die expendebant decem libras, quandoque xxti, quandoque xxxta parisienses in victualibus et necessariis domus; et tantum quantum ascendebant familie et domus expense, tantum in elemosinis et pauperibus expendebat, ut dixit.“ Cf. ,Sol oriens mundo‘, in: Processus canonizationis (nt. 9), 397: „Unde factus iam episcopus Tolosanus per unum suum familiarem secretarium mandavit inquiri de suorum quantitate redditum, quantumque sibi sufficeret pro moderatis expensis et rationabilibus faciendis, volens quod totum residuum in sustentandis pauperibus poneretur, quamquam praelatus tam magnus esset ac filius tanti regis.“ Zur Rolle des franziskanischen Armutsideals im Heiligsprechungsprozeß cf. Paul, Saint-Louis d’Anjou (nt. 46), 79-83. Wichtig unter diesen Kontakten sind vor allem Guillaume de Cornillon, der zusammen mit Jacques Due`se den Bischof von Toulouse auf seiner letzten Reise begleitete, 1309 Guardian von Arles wurde und einer der Vertreter der Spiritualendelegation zu Clemens V. (ebenfalls 1309) war, und Raymond Gaufredi, der frühere franziskanische Generalminister, der 1295 von Bonifaz VIII. abgesetzt worden war und ebenfalls als Teil der Spiritualendelegation 1309 zu Clemens V. reiste. Cf. Toynbee, S. Louis (nt. 11), 174 und 178. Zur päpstlichen Untersuchung der Spiritualenkrise cf. vor allem M. Lambert, Franciscan Poverty. The Doctrine of the Absolute Poverty of Christ and the Apostles in the Franciscan Order 1210-1323, St. Bonaventure (NY) 2 1998, 197-208; M. F. Cusato, Whence ,the Community‘?, in: Franciscan Studies 60 (2002), 39-92. Zur Laufbahn Gaufredis cf. außerdem D. Burr, The Spiritual Franciscans. From Protest
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ner Verurteilung der Spiritualen und des franziskanischen Armutsideals nicht 60, aber spätere Äußerungen Johannes’ XXII. zeigten, daß er mit den Spiritualen und ihrer Kritik am Orden vertraut war. So benutzte der Papst zum Beispiel die Kritik Ubertinos da Casale an den franziskanischen Prokuratoren und seine Kommentare zur Scheinheiligkeit der Kommunität in seinen eigenen Schriften zum franziskanischen Armutsideal 61. Jacques’ Erfahrungen mit diversen Mitgliedern aus dem gesamten Spektrum des Franziskanerordens hatten also einen direkten, wenn auch nicht unbedingt quantifizierbaren, Einfluß auf seine spätere Politik dem Orden gegenüber. Seine Zeit mit dem Bischof von Toulouse hatte aber noch andere konkrete Auswirkungen auf die spätere Politik des Papstes. In den Jahren 1317-1318 kreierte der Papst das neue Erzbistum Toulouse, zu dem die (zum Teil neu gegründeten) Bistümer Lavaur, Lombez, Mirepoix, Montauban, Pamiers, Rieux und Saint-Papoul gehörten. Es ist möglich, daß die Erfahrungen Jacques’ in Toulouse und seine Mitwirkung an der Verwaltung des Bistums mit dazu beitrugen, daß er schon sehr früh in seinem Pontifikat eine so grundlegende Reform der Kirchenlandschaft des Midi durchführte 62. Die ersten urkundlichen Erwähnungen Jacques’ im Zusammenhang mit dem Hof von Ludwigs Vater stammen aus dem September 1297, nur einen Monat nach dem Tod des Bischofs. Jacques wird darin unter anderem als Zeuge bei der Überführung von Reliquien an die Kirche Notre-Dame-de-Nazareth in Aixen-Provence genannt, und er ist ebenfalls bei der Promulgierung zweier Privile-
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to Persecution in the Century after Saint Francis, University Park (PA) 2001, 67 sqq., 74 sq. und 114 sq. In seiner Predigt am Vorabend der Kanonisierung Thomas von Aquins 1323, nannte der Papst e. g. die Armut und den Lebensstil des Dominikaners wahrhaftig apostolisch, ohne den Bischof von Toulouse zu erwähnen. Cf. die Edition der Predigt in M.-H. Laurent, Processus canonizationis S. Thomae, Fossae Novae, in: D. Prümmer/M.-H. Laurent (eds.), Fontes Vitae S. Thomas Aquinatis notis historicis et criticis illustrati, vol. 5, Toulouse 1911-1937, 511-518, besonders 513 sq. Die einzigen Erwähnungen Ludwigs nach 1317 beziehen sich direkt auf die Heiligsprechung oder auf Privilegien im Zusammenhang mit der Verehrung des Heiligen, cf. K. Eubel (ed.), Bullarium Franciscanum Romanorum pontificum constitutiones, epistolas, ac diplomata continens tribus ordinis minorum, clarissarum et poenitentium, vol. 5, Rom 1898, nos. 259261, 115 sq.; no. 387, 180; no. 394, 182; no. 504, 251 sq.; no. 517, 255 sq.; no. 523, 260; no. 613, 302; no. 672, 328; no. 688, 334. Cf. die Kommentare des Papstes in den beiden Versionen der Bulle ,Ad conditorem canonum‘: ,Ad conditorem canonum I‘, in: G. Ga´l/D. Flood (eds.), Nicolaus Minorita, Chronica. Documentation on Pope John XXII, Michael of Cesena, and the Poverty of Christ with Summaries in English. A Sourcebook, St. Bonaventure (NY) 1996, 83-88, hier 85; ,Ad conditorem canonum II‘, in: J. Tarrant (ed.), Extrauagantes Iohannis XXII (Monumenta iuris canonici. Series B: Corpus collectionum 6), Vatikan 1983, 228-254, hier 247 sq. Cf. außerdem C. T. Davis, Ubertino da Casale and his Conception of altissima paupertas, in: Studi medievali ser. 3, 22 (1981), 1-56, hier 38 sq.; id., Le Pape Jean XXII et les spirituels, Ubertin de Casale, in: M.-H. Vicaire (ed.), Franciscains d’Oc. Les Spirituels ca. 1280-1324 (Cahiers de Fanjeaux 10), Toulouse 1975, 263-283, hier 267 sq. Zur Reform cf. vor allem A. Dubreil-Arcin/F. Ryckebusch/M. Fournie´, Jean XXII et le remodelage de la carte eccle´siastique, in: Revue d’histoire eccle´siastique 98 (2003), 29-60.
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gien für die Abtei St. Viktor (Marseille) und einer Reihe von weiteren, nicht näher spezifizierten Briefen Karls II. anwesend 63. In diesen frühen Urkunden wird Jacques normalerweise als „professor utriusque iuris“ bezeichnet, was darauf schließen läßt, daß er als Rechtsberater und Jurist am Hofe diente. Daß die Verbindung schnell enger wurde, ist auch mit daran ersichtlich, daß Karl II. seinen Rechtsberater schon in einem Brief vom 3. April 1298 „professor utriusque iuris, conciliaris et familiaris“ nennt. Der König sandte ihn mit diesem Brief nach Avignon, um am dortigen studium als zeitweiliger Kanzler zu wirken und geeigneten Kandidaten juristische Lizenzen zu erteilen 64. Jacques stellte außerdem zumindest zwei Urkunden als stellvertretender Kanzler aus 65, und er fungierte als Schiedsrichter in einem Disput „super territoriis tenimentorum, tam in terris quam in aquarum discursibus“ zwischen den Städten Arles und Tarascon auf der einen Seite und dem Grafen von Avellin und den Bewohnern von Baux, Mourie`s und einigen weiteren Burgen auf der anderen. Jacques und sein Mitrichter Raymond Ruffus sollten die Eigentumsverhältnisse und den Grenzverlauf untersuchen und den Streitfall anschließend entscheiden 66. Der Disput stellte sich als eines der komplexesten Probleme heraus, mit denen Jacques in seiner angevinischen Zeit zu tun hatte, und der Streit war immer noch nicht zu Ende, als Jacques und Raymond Ruffus 1302 die Rechtsvertreter der beiden streitenden Parteien zu einem Treffen vorluden. Dieser Zeitpunkt markierte allerdings das Ende von Jacques’ Beteiligung an dem Disput, da er im Mai 1302 von seiner Position als delegierter Richter zurücktrat, um sich stärker seinem Bistum widmen zu können 67. Jacques wirkte auch bei einigen weiteren Rechtsstreitigkeiten als Schlichter, die allerdings anscheinend deutlich weniger kompliziert und zeitaufwendig waren, oder zumindest weniger Spuren in den Akten hinterließen; so war er unter anderem an der Beilegung eines Streits zwischen dem Bischof und Kapitel von Gap und an der Schlichtung eines Disputs zwischen den Bewohnern und dem Klerus der Stadt Luc beteiligt 68. Im Jahr 1307 gab Karl II. den Bischöfen von Fre´jus und von Nevers den Auftrag, Untersuchungen über die umstrittene Eigentümerschaft an einigen Inseln in der Rhone anzustellen; hier war Jacques kein neutraler Schlichter, sondern einer der Rechtsberater des Königs, da die beiden Konfliktparteien das 63 64
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Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), nos. 805, 806, 807 und 809, coll. 273 sq. Zitiert nach Weakland, John XXII (nt. 1), 165, nt. 15. Weaklands Diskussion des Briefes spricht von Jacques’ Auftrag an der Universität von Avignon, wobei die Rechtsschule in Avignon allerdings erst 1303 Universitätsstatus erhielt. Cf. Digard, Registres de Boniface, vol. 3 (nt. 16), no. 5256, coll. 782 sqq. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), nos. 811 und 813, coll. 274 sq.: „cancellarii locum tenentem.“ Bei den Urkunden handelt es sich um Privilegien Karls II. für den Abt von Lure und für Bertrand von Marseille. Er hatte von Karl II. den Auftrag zur Intervention erhalten, cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 809, coll. 273 sq. Die uns erhaltenen Urkunden, die Jacques’ Arbeit in diesem Streitfall dokumentieren, sind zu finden in GCN, vol. 7 (nt. 3), nos. 821, 822, 823 und 824, coll. 277 sq. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), nos. 817, 818, 830 und 832, coll. 275 sq. und 281 sq.
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Haus Anjou und der französische König Philipp der Schöne waren. Beide beteiligten Bischöfe verließen die Verhandlungen nach sechs Monaten; in einem Brief an Guillaume d’Espinouse, den Bischof von Orange, der zusammen mit dem Bischof von Gap die Verhandlungen übernehmen sollte, erklärte Karl II. am 23. April 1308, daß Jacques Due`se, der eben zum Kanzler des sizilianischen Königreiches ernannt worden war, dem König in sein Reich folgen sollte und sich deswegen zunächst einmal nicht mehr um französische Angelegenheiten kümmern konnte 69. Dies ist der einzige Hinweis auf eine mögliche Reise Jacques’ in das Königreich Sizilien, da der Bischof und Kanzler ansonsten nur in der Grafschaft Provence belegt ist; wenn diese Reise tatsächlich stattgefunden hat, dann muß sie zumindest teilweise in das Jahr 1308 gefallen sein 70. Jacques Due`se wird außerdem in einer Reihe weiterer Dokumente erwähnt, die seine Stellung am sizilianischen Hof widerspiegeln; so erscheint er zum Beispiel als Zeuge in einer öffentlichen Erklärung der Prinzessin Beatrix, der Tochter Karls II., daß sie nicht den Wunsch hatte, in ein Kloster einzutreten 71. Ein Brief von Pierre de Ferrie`res informierte ihn außerdem im Dezember 1304 über die Verhandlungen Karls II. in der Lombardei 72, und zusammen mit dem sizilianischen Seneschall publizierte er einen Aufruf, der in Karls Namen Subsidien für den Kauf von Montferrat einforderte 73. Im November 1307 wird Jacques dann zum ersten Mal als Kanzler des Königreichs Sizilien bezeichnet, als Nachfolger Pierres de Ferrie`res, der in diesem Jahr verstorben war 74. Jacques ist in seiner Rolle als Kanzler nur wenig in Erscheinung getreten; die wenigen Erwähnungen seines Amtes in den Urkunden unterschieden sich inhaltlich kaum von seinen Aktivitäten als Berater Karls II. vor seiner Beförderung. Es ist möglich, daß der König unter seinem Einfluß die Abhaltung von Turnieren im Königreich Neapel verbot, aber an größeren politischen Entscheidungen scheint Jacques in dieser Zeit nicht beteiligt gewesen zu sein 75. Mit dem Tod Karls II. am 6. Mai 1309 schied der Bischof dann aus den Diensten des Königreichs wieder aus, obwohl er weiterhin in einem guten 69
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Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), nos. 834 und 837, col. 282 sowie GCN, vol. 6 (nt. 5), no. 236, coll. 98 sq.: „Verum, cum cancellarius ipse [= Jacques], nostram habens sequi comitivam in regnum, nequit premissis intendere […].“ Der König selbst stellte im Februar 1309 in Neapel eine Urkunde für Jacques Due`se aus; es ist allerdings nicht klar, ob Jacques dabei anwesend war, cf. GCN, vol. 7, no. 838, col. 282. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 826, coll. 278 sq. Cf. GCN, vol. 3 (nt. 20), no. 1427, col. 578. Der Brief bittet Jacques außerdem darum, Geld für einen Ritter namens Raynerius de Lecto bereitzustellen. Cf. auch GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 831, col. 281. Cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), no. 833, col. 282. Weakland wie auch Guillemain gehen davon aus, daß Jacques’ Zeit als Kanzler im Jahr 1308 begann (Weakland, John XXII [nt. 1], 166; Guillemain, Cour pontificale [nt. 32], 122); ein Brief Karls II. bezeichnet aber Jacques schon am 30. November 1307 als Kanzler (cf. GCN, vol. 7 [nt. 3], no. 834, col. 282). Zu weiteren Erwähnungen Jacques’ als Kanzler cf. GCN, vol. 7 (nt. 3), nos. 834, 836 und 839, coll. 282 sq. Cf. Weakland, John XXII (nt. 1), 167.
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Verhältnis zu Karls Sohn und Nachfolger Robert von Neapel stand. Diese engen Beziehungen zwischen dem späteren Papst und dem König von Sizilien blieben trotz Spannungen bis zum Tode des Papstes 1334 bestehen. Dies kann unter anderem auch daran erkannt werden, daß der Papst den König von Neapel 1317 zum Reichsvikar für Italien ernannte und daß Robert und seine Frau Sancia 1319 nach Avignon zogen und bis 1324 dort blieben 76. Die enge Verbindung zwischen Papst und König sollte dann auch in der Spiritualenkrise und während des theoretischen Armutsstreites eine wichtige Rolle spielen 77. So war Robert zum Beispiel der einzige Laie, der sich mit Traktaten am Armutsstreit und der visio beatifica-Kontroverse beteiligte 78, und es ist außerdem möglich, daß der Prozeß gegen die Spiritualen, der 1318 mit der Verbrennung von vier Franziskanern in Marseille endete, auch deswegen in der Provence und nicht in der Heimatprovinz der Angeklagten stattfand, weil Johannes XXII. in der Provence auf die Mitwirkung des weltlichen Arms in der Form Roberts von Neapel zählen konnte 79. Im Kontext der Verbindung zwischen Jacques Due`se und dem Haus Anjou ist aber vor allem die Rolle von Jacques’ Beziehung zu Ludwig als Bindeglied zwischen seiner weltlichen und geistlichen Laufbahn wichtig; Jacques’ Zeit am Hof des Bischofs fungierte als Scharnier zwischen Bistum und Königshof und über den Heiligsprechungsprozeß auch als Scharnier zu seiner kurialen Karriere. Während die Einladung zum Konzil von Vienne den Anstoß für Jacques’ Einbindung in die päpstliche Verwaltung gab, war es seine Beziehung zu Ludwig von Anjou und seine Mitwirkung im Heiligsprechungsprozeß, die den Bischof von Fre´jus direkt mit der kirchlichen Verwaltung in Kontakt brachten und ihn in den Umkreis der Spiritualenbewegung führte. IV. Schlußbemerkung en Die vorliegende Studie hat einen Querschnitt durch ein Jahr im Leben eines Klerikers geboten, dessen Bedeutung erst später deutlich wurde; der Versuch, eine lineare und teleologisch ausgerichtete Schilderung der Laufbahn von Jacques 76
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Cf. S. Kelly, The New Solomon: Robert of Naples (1309-1343) and Fourteenth-Century Kingship (The Medieval Mediterranean 48), Leiden-Boston 2003, 78. Zu den unterschiedlichen Bewertungen der Rolle dieses Verhältnisses zwischen Johannes XXII. und König Robert cf. vor allem S. Kelly, King Robert of Naples (1309-1343) and the Spiritual Franciscans, in: Cristianesimo nella storia 20 (1999), 41-80. Cf. S. Brettle, Ein Traktat des Königs Robert von Neapel „De evangelica paupertate“, in: Abhandlungen aus dem Gebiete der mittleren und neuesten Geschichte und ihrer Hilfswissenschaft. Eine Festgabe zum siebzigsten Geburtstag Geh. Rat Prof. Dr. Heinrich Finke (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen. Supplementband), Münster 1925, 200-208. Cf. auch Kelly, New Solomon (nt. 76), 88 sq. und 243 sqq. Cf. Kelly, Robert of Naples (nt. 77), 52 und besonders nt. 36. Falls sie mit ihrer Interpretation recht hat, dann stützt dies auch ihre Schlußfolgerung, daß Roberts Ruf als Förderer der Spiritualenbewegung weniger gesichert ist als oft angenommen.
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Due`se vor seiner Papstwahl zu vermeiden, hat dazu geführt, daß Ereignisse, die sonst oft übersehen werden, in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sind. So spielt Jacques’ Beteiligung am Heiligsprechungsprozeß Ludwigs von Anjou in Studien zum Leben des späteren Papstes oft nur eine untergeordnete Rolle, obwohl sich gezeigt hat, daß dieser Prozeß und Jacques’ Verhältnis zum Bischof von Toulouse insgesamt sowohl im Jahr 1308 selbst als auch in der weiteren Entwicklung seiner Laufbahn sehr wichtig waren. Auch wenn die Einladung zum Konzil von Vienne als ein Wendepunkt interpretiert werden kann, waren dem Bischof von Fre´jus zu diesem Zeitpunkt wohl andere Dinge deutlich näher und wichtiger. Der mißglückte Attentatsversuch hat zwar nur wenige Spuren in den Quellen hinterlassen, aber es ist doch anzunehmen, daß er einen wichtigen Einfluß auf Jacques’ Leben in den Jahren 1307-1308 hatte. Die Ernennung zum sizilianischen Kanzler bedeutete wohl ebenfalls einen Einschnitt für den Bischof von Fre´jus, auch wenn im Rückblick klar wird, daß diese Rolle nur eine kurze Episode im Leben des späteren Papstes darstellte. Es waren aber nicht unbedingt die spektakulärsten Ereignisse, die eine besonders anhaltende Wirkung zeigten, obwohl natürlich immer auch mit bedacht werden muß, daß Quellenlücken und -überlieferung das Bild verzerren können. Jacques’ Stellung als Bischof und sizilianischer Kanzler im Jahr 1308 an der Schnittstelle zwischen dem Haus Anjou, dem Bistum Fre´jus und der Kurie war daher zugleich auch ein Scharnier zwischen seiner weltlichen und kirchlichen Laufbahn. In diesem Jahr war allerdings noch unklar, welche Entwicklungen der sizilianische Kanzler erleben und bewirken würde; als Bischof von Fre´jus schien er am Endpunkt seiner Karriere angelangt zu sein und als Kanzler gerade am Anfang. Es hat sich in dieser Untersuchung gezeigt, daß beide Eindrücke täuschen: Die Laufbahn Jacques’ in der Kirche nahm 1308 gerade ihren Anfang und kam erst gegen 1310 so richtig in Schwung, während seine Karriere in der weltlichen Verwaltung im Jahr 1308 schon fast wieder zu Ende war. Manche der Wege, die sich in diesem Jahr aufzutun schienen, endeten daher in Sackgassen, doch das Jahr 1308 selbst deutete für Jacques Due`se sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft und markierte sowohl einen Höhe- als auch einen Wendepunkt in seinem Leben und damit in der Laufbahn des zukünftigen Papstes Johannes XXII.
Köln
Köln 1308. Erinnerung, Quellen, Konstruktionen Manfred Groten (Bonn) Vor überlegung en In der mittelalterlichen Geschichtsschreibung ist die Gliederung des Stoffes nach Jahren bekanntlich weit verbreitet 1. Ziel der sogenannten annalistischen Geschichtsschreibung war es, den durch Jahreszyklen gegliederten linearen Zeitverlauf von der Erschaffung der Welt bis zu ihrem Ende für den Menschen erfahrbar zu machen, indem sie bestimmte herausragende Ereignisse mit bestimmten Jahren verknüpfte 2. Oft verleiht nur ein einziges Ereignis einem Jahr seinen unverwechselbaren Charakter. Durch die jahrweise Aufzeichnung von Ereignissen wurde der gleichförmige Ablauf der Zeit in eine Kette von Erinnerungen verwandelt, die eine Positionsbestimmung und Orientierung in der Zeit ermöglichte. Die Fixierung der Annalistik auf einzelne Ereignisse implizierte den Verzicht auf die Herstellung von Zusammenhängen und die Darstellung von Prozessen. Aus der Perspektive der annalistischen Geschichtsschreibung erscheint es legitim, ein beliebiges Jahr der mittelalterlichen Epoche zum Gegenstand einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung zu machen. Ich möchte diesen aus heutiger Sicht gewöhnungsbedürftigen Zugang erproben, indem ich mich mit der Geschichte der Stadt Köln im Jahre 1308 beschäftige. Ich gehe dabei in drei Schritten vor. Zunächst betrachte ich die Darstellung des Jahres 1308 in der Erinnerungskultur des Spätmittelalters, wozu ich Kölner Geschichtswerke des 14. und 15. Jahrhunderts heranziehe. Sodann wende ich mich den erhaltenen Kölner Quellen des Jahres 1308 zu, die nicht Eingang in die historische Erinnerung gefunden haben. Diese Quellen dokumentieren Vorgänge in verschiedenen Bereichen des innerstädtischen Lebens. Abschließend wage ich den Versuch, die wiedergewonnenen Informationen zu einem Gesamtbild zu verdichten und diese 1 2
Der Vortragstext wurde weitgehend beibehalten, allerdings um einige Abschnitte erweitert. ˆ ge (Typologie des sources du Moyen Cf. allgemein M. McCormick, Les annales du haut Moyen A ˆ ge occidental 17), Turnhout 1975; cf. auch K. H. Krüger, Die Universalchroniken (Typologie A ˆ ge occidental 16), Turnhout 1976, mise a` jour 1985. Zur Kategorie des sources du Moyen A ,Zeit‘ in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung cf. H.-W. Goetz, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter, Berlin 1999, 193-207.
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Momentaufnahme in die historische Entwicklung des Jahrhunderts zwischen 1250 und 1350 einzuordnen. Bevor ich mit der Sichtung der spätmittelalterlichen Historiographie beginne, muß allerdings noch geklärt werden, welcher Zeitraum eigentlich zu untersuchen ist, wenn man das Jahr 1308 in Köln ins Auge fassen will. Der Jahresbeginn wurde im Mittelalter nämlich unterschiedlich festgelegt. In Köln herrschte bis 1310 der Osterstil vor 3. Demnach begann das Jahr 1308 in Köln am 14. April 1308 und endete am 29. März 1309. I. Erinner ung Die Ereignisse, die das Jahr 1308 für spätmittelalterliche Geschichtsschreiber denkwürdig machten, waren die Ermordung König Albrechts von Habsburg am 1. Mai und die Wahl Heinrichs VII. von Luxemburg am 27. November und seine Krönung am 6. Januar 1309. In der um 1377 von einem Kölner Kleriker verfaßten lateinischen ,Weltchronik‘ wird zu 1309 von Wahl und Krönung des Luxemburgers berichtet 4. Ergänzt werden diese Nachrichten durch die Angabe, Heinrich habe bald nach seiner Krönung seine Vorgänger Adolf von Nassau und Albrecht von Habsburg exhumieren und an einem Tag in Speyer neu bestatten lassen. Dieser Akt wird als Ausdruck königlicher Frömmigkeit gewertet („regie pietatis devocione affectus“) und somit zur Charakteristik Heinrichs verwendet. Auch in der deutschen Chronik ,Agrippina‘ des Heinrich van Beeck, verfaßt zwischen 1469 und 1472 5, wird zunächst von der Ermordung König Albrechts, seiner Bestattung im Kloster Königsfelden und seiner späteren 6 Umbettung nach Speyer berichtet, anschließend von der Wahl Heinrichs von Luxemburg. Die 1499 gedruckte ,Koelhoffsche Chronik‘ berichtet weit ausführlicher als ihre Vorgänger von Wahl und Krönung Heinrichs VII. 7 An den Krönungsbericht schließt sich noch eine (im übrigen unhistorische) Anekdote an, in der 3
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Cf. Th. Ulrich (ed.), Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit entworfen von H. Grotefend, Hannover 101960 [ 172007], 12. Die Umstellung auf den Weihnachtsstil nach römischem Vorbild wurde auf der Provinzialsynode, die in Köln vom 9. bis zum 11. März 1310 tagte, verkündet. Cf. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter [= REK] 4 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 21), bearb. von W. Kisky, Bonn 1915, no. 498, Punkt 23. Edition: J. F. Schannat/J. Hartzheim (eds.), Concilia Germaniae 4, Köln 1761, 125: „ut in Nativitate Christi innovetur quolibet anno“. Cf. R. Sprandel (ed.), Die Kölner Weltchronik 1273/88-1376 (Monumenta Germaniae Historica. SSrerGerm NS 15), München 1991, 67. Cf. R. Meier, Heinrich von Beeck und seine „Agrippina“. Ein Beitrag zur Kölner Chronistik des 15. Jahrhunderts, Köln-Weimar-Wien 1998, 250 sq. Cf. ibid, 250: „dar na [= 1308] uber vil jare“. E. Hegel (ed.), Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln 3 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 14), Leipzig 1877, 660 (gekürzt); Die Cronica van der hilliger Stat van Coellen, Facsimile, Köln 1972, CCXLVIIrv.
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erzählt wird, wie der König den Straßburger Bürgern eine Lehre erteilte 8. Er ignorierte ihre Gesandten, die ihre Bitte um die Ausstellung eines Privilegs mit der Formulierung einleiteten: „Unse heren van Straisburch haint uns zo uren gnaden gesant […].“ Erst als ein Vertrauter des Königs die Boten auf ihren Fauxpas aufmerksam machte und sie den anstößigen Begriff Herren vermieden, gelangten sie zum Ziel. Hier erscheint Heinrich nicht mehr als der fromme König, der für ein würdiges Begräbnis seiner Vorgänger sorgt, sondern als ein strenger Herrscher, der bürgerlichen Hochmut in seine Schranken weist. Erst die ,Koelhoffsche Chronik‘ verzeichnet zu 1308 auch ein Kölner Ereignis: „vp den viii. dach in aller hilligen maent starff tzo Coellen der groise subtijll doctor Johannes Scotus, den man noempt Doctor subtilis, eyn broeder van der Minrebroeder orden ind wart begrauen zo den Mynrebroederen im choir vnder der clocken as vysswijset die ouerschrifft by syme graff.“ 9
Hier wird vom Tod des Johannes Duns Scotus am 8. November 1308 berichtet. Als Informationsquelle nennt die Chronik die Gedenkinschrift beim Grab des Gelehrten in der Kölner Minoritenkirche. Die überlieferte Inschrift (Obiit f. Joannes Scotus sacrae theologiae doctor subtilis nominatus. Anno 1308) nennt allerdings den Todestag nicht 10. Die Gebeine von Duns Scotus sind bis heute mehrmals innerhalb der Minoritenkirche umgebettet worden. Die ursprüngliche Begräbnisstätte soll in der Dreikönigenkapelle am östlichen Ende des nördlichen Seitenschiffs der Kirche gelegen haben.
II. Quellen Köln war 1308 die bevölkerungsreichste Stadt des Reiches, eine wohlhabende Stadt, in der Handel und Gewerbe florierten. Der Höhepunkt des Jahres war zweifellos der Besuch des am 6. Januar 1309 in Aachen gekrönten Königs. Heinrich VII. erwies am 10. Januar im Kölner Dom den Reliquien der Heiligen Drei Könige seine Verehrung 11. Das Wahrzeichen Kölns, der gotische Domchor, der 1320 vollendet und am 27. September 1322 geweiht werden sollte, ging damals 8
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Die Anekdote geht zurück auf Mathias von Neuenburg (um 1295-kurz nach 1364); cf. A. Hofmeister (ed.), Die Chronik des Mathias von Neuenburg (Monumenta Germaniae Historica, Fontes rerum Germanicarum, NS 4), Berlin 1924-40, 78 sq. (c. 37). Das Privileg Heinrichs VII. im Urkundenbuch der Stadt Straßburg 2, bearb. von W. Wiegand, Straßburg 1886, no. 280 vom 1. Juni 1310, Speyer, Bestätigung des Privilegs Rudolfs von Habsburg vom 8. Dezember 1275 (no. 47). Die Cronica (nt. 7), CCXLVIIv. Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln 2, 2 (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 7, 2), bearb. von H. Rahtgens und H. Roth, Düsseldorf 1929, 37 sq. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 424.
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nach langer Bauzeit seiner Vollendung entgegen 12. König Heinrich und sein zahlreiches Gefolge hielten sich noch vier Wochen bis zum 7. Februar in der Stadt auf 13. Erzbischof von Köln war seit 1306 Heinrich von Virneburg, der 1308 die sechzig schon überschritten hatte 14. Heinrichs Spuren lassen sich im Jahre 1308 recht gut verfolgen. Sie widerlegen die gängige Behauptung, die Kölner Erzbischöfe hätten nach der Niederlage bei Worringen 1288 ihre Kölner Residenz aufgegeben. Mindestens fünf Aufenthalte unterschiedlicher Länge lassen sich für Heinrich nachweisen 15. Der Erzbischof hatte offensichtlich freien Zugang zu seiner Kathedralstadt. Sein Verhältnis zu den Kölner Bürgern erscheint unproblematisch. Am 4. März 1308 (nach dem Kölner Kalender noch 1307), dem Montag nach Invocavit, promulgierte Heinrich von Virneburg auf einer Diözesansynode Statuten, die in Drucken seit dem 15. Jahrhundert überliefert sind 16. Diese Statuten gewähren einen guten Einblick in den kirchlichen Führungsstil der Zeit. Stoßrichtung der meisten Beschlüsse ist die Umsetzung des kanonischen Dekretalenrechts auf Diözesanebene. Zunächst wird für die Diözese ein einheitlicher Festkalender verordnet, der etwa 50 Festtage ausweist, die nicht nur in der Kirche (in choro) gefeiert, sondern auch in der Öffentlichkeit (in foro) durch Arbeitseinstellung begangen werden sollen 17. Weitere Feste werden der Frömmigkeit der Gläubigen anempfohlen. Darüber hinaus werden die Fastentage festgelegt. Den Laien wird geboten, viermal jährlich den Gottesdienst in ihrer Pfarrkirche zu besuchen, nämlich zu Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und Weihnachten 18. 12
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Cf. Der Dom zu Köln, bearb. von P. Clemen in Verbindung mit H. Neu und F. Witte (Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln 1, 3 = Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 6, 3), Düsseldorf 2 1938, 58, 84-104. Zur Weihe cf. REK 4 (nt. 3), no. 1328. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 432. Cf. U. Seng, Heinrich II. von Virneburg als Erzbischof von Köln (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 13), Siegburg 1977; W. Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191-1515, vol. 1 (Geschichte des Erzbistums Köln 2), Köln 1995, 211-226. 1. Februar (REK 4 [nt. 3], no. 291) und 22. März (ibid., no. 309) (gesamte Zwischenzeit?), 30. April (ibid., no. 315) und 29. Mai (ibid., no. 321) (gesamte Zwischenzeit?), 2.-3. September (ibid., nos. 372, 374), 20. September (ibid., no. 383), 10.-22. Januar 1309 mit König Heinrich VII. (ibid., nos. 424-430). Cf. REK 4 (nt. 3), no. 304. Zu den Kölner Synoden cf. F. Gescher, Die kölnischen Diözesansynoden am Vorabend der Reformation, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 21 (1932), 190-288; zu den Terminen (Montag nach Invocavit, Tag nach dem Remigiusfest = 2. Oktober) cf. ibid., 216-237; W. Janssen, Unbekannte Synodalstatuten der Kölner Erzbischöfe Heinrich von Virneburg (1306-1332) und Walram von Jülich (1332-1349), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 172 (1970), 113-152; zur Problematik der frühen Drucküberlieferung cf. ibid., 118 sq. Cf. auch S. Unger, Generali concilio inhaerentes statuimus. Die Rezeption des Vierten Lateranum (1215) und des Zweiten Lugdunense (1274) in den Statuten der Erzbischöfe von Köln und Mainz bis zum Jahre 1310, Mainz 2004. Cf. W. Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191-1515, vol. 2 (Geschichte des Erzbistums Köln 2), Köln 2003, 300. Cf. dazu op. cit., 78.
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Schließlich werden den Laien Übergriffe auf Kirchengut und Eingriffe in kirchliche Angelegenheiten untersagt. Fünf Punkte regeln liturgische Fragen 19. In den verbleibenden acht Punkten geht es um die innere Ordnung der Stiftskirchen und um disziplinarische Bestimmungen für Welt- und Ordensgeistliche 20. Im gesamten Text präsentiert sich die Kölner Kirchenleitung als geistliche Obrigkeit, als Gesetzgebungsinstanz, pastorale Fragen werden nicht behandelt. Wilhelm Janssen spricht mit gewissem Recht von Regelungswut 21. Heinrich von Virneburg hat die Verpflichtung zur regelmäßigen Durchführung von Diözesansynoden sehr ernst genommen 22. Nur für acht seiner 26 Amtsjahre sind keine Belege für Synoden erhalten. In sieben Jahren hat er nachweislich zwei Synoden abhalten lassen. Auch 1308 wurde im Herbst eine zweite Synode veranstaltet, die allerdings der Domdekan Ernst von Rennenberg 23 in Vertretung des Oberhirten leitete 24. Da der Papst die Kölner Dompropstei dem Kurialen Bindus von Siena verliehen hatte, der nie in Köln vorstellig wurde 25, war der Domdekan der ranghöchste Vertreter des Erzbischofs in der Stadt. Am 12. August wurde Erzbischof Heinrich von Papst Clemens V. in die Untersuchungen gegen den Templerorden einbezogen 26. Er hat diesen Auftrag getreulich ausgeführt, wie ihm Wilhelm Janssen ohnehin papstbeflissene Rührigkeit attestiert 27. In Köln selbst gab es keine Niederlassung des Templerordens, wohl aber zwei Häuser in der Trankgasse, zum alten und zum neuen Tempel, die die Kommende Breisig erworben hatte 28. Ermittelte der Erzbischof pflichtgemäß gegen die Templer, so ging er gegen eine andere der Häresie verdächtige Gruppe, nämlich die Begarden, mit größerer Umsicht vor. Mit den männlichen und weiblichen Begarden sowie den sogenannten Aposteln (Beggardi & Beggardae, & Apostoli), die keine päpstliche Approbation für ihre Lebensform besaßen, hatte sich die Kölner Frühjahrssynode von 1307 eingehend befaßt 29. Gegen diese Gruppen, die sich der freiwilligen Armut verschrieben hatten („novum […] vivendi modum et habitum sub paupertatis umbra 19 20 21 22
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Nos. 2, 4, 5, 6, 7. Nos. 8-10, 11, 13, 14, 17, 18. Cf. Janssen, Erzbistum 1 (nt. 14), 221. Cf. Janssen, Erzbistum 1 (nt. 14), 220-223; zu den Provinzialsynoden von 1310 und 1322 cf. ibid., 223. Cf. U. Höroldt, Studien zur politischen Stellung des Kölner Domkapitels zwischen Erzbischof, Stadt Köln und Territorialgewalten 1198-1332 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 27), Siegburg 1994, 543 sqq. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 392 (2. Oktober). Cf. Höroldt, Studien (nt. 23), 562 sq. Cf. REK 4 (nt. 3), nos. 343-364. Cf. Janssen, Erzbistum 1 (nt. 14), 219. Cf. H. Keussen, Topographie der Stadt Köln, 2 vols., Bonn 1910 [Nachdruck: Düsseldorf 1986], vol. 2, 159a10, 161a11. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 229; Druck: Schannat/Hartzheim (eds.), Concilia Germaniae 4 (nt. 3), 99-106; für das Zitat cf. ibid., 100. Cf. J. Asen, Die Begarden und die Sackbrüder in Köln, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 115 (1928), 167-179.
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tenentes“), wurden pauschal zwei Anklagen erhoben 30. Erstens wurde ihnen grundsätzlich das Recht abgesprochen, Almosen (quaestum publicum) zu sammeln, weil dadurch die Versorgung der päpstlich approbierten Mendikanten und der Armen beeinträchtigt wurde. Zweitens unterstellte man ihnen häretische Aussagen. Dabei ging es um ihren Reinheitsanspruch („Qui non sequitur me, non potest salvari, quia non soleo peccare“), ihre Behauptung, eine besondere Offenbarung erfahren zu haben („hoc eis coelitus sit revelatum“), ihre Vorstellung, die Göttlichkeit Christi sei durch die Menschwerdung beeinträchtigt worden („Deum fore in quadam perditione“) und schließlich um ihre negative Einstellung zu Sexualität und Ehe. Sie behaupteten, eine verheiratete Frau, die nicht den Verlust ihrer Jungfräulichkeit beklage, könne nicht erlöst werden, andererseits dürfe ein Mann seine Frau auch gegen deren Willen verlassen, um ein religiöses Leben zu führen („causa sequendi Deum“), einfache Unzucht wiederum sei (erstaunlicherweise) keine Sünde („simplicem fornicationem non esse peccatum“). Ein weiterer Vorwurf bezog sich auf ihre Kritik an Predigten der Dominikaner und Minoriten. Die Beschuldigten wurden aufgefordert, binnen eines Monats ihren neuen Status (habitus) aufzugeben und zu ihrem früheren Lebenswandel zurückzukehren („ad genus vivendi pristinum revertantur, manibus vitae neccessaria justis [ut solebant] laboribus acquirentes“), ansonsten sollten sie nach weiteren fünfzehn Tagen als Ketzer verfolgt und von den zuständigen Geistlichen exkommuniziert werden. Unter Berufung auf das erzbischöfliche Mandat, das den Begarden befahl, ihren Status zu mindern, schloß der Pfarrer von St. Aposteln in Köln im folgenden Jahr 1308 eine Begardengemeinschaft, die sich in seinem Sprengel in der Lungengasse angesiedelt hatte, als Häretiker von den Sakramenten aus. Diese Maßregel ging Heinrich von Virneburg jedoch zu weit 31. Nach eingehender Prüfung nahm der Erzbischof die Begarden am 3. September 1308 als seine armen Leute („pauperes homines nostros“) in seinen Schutz und befahl dem Pfarrer, sie in ihrem Wirken („in suis agendis et negotiis“) nach Kräften zu unterstützen. Der Hinweis auf die Geschäfte deutet den Ausweg an, den die Begarden gefunden hatten, um dem Verbot zu entgehen. Statt Almosen zu sammeln bestritten sie ihren Lebensunterhalt durch Dienstleistungen 32. Die Nachfolger der Lungenbrüder genannten Begarden, die sich im Laufe des 14. Jahrhunderts dem Alexianerorden anschlossen, haben allerdings erst im 15. Jahrhundert als Krankenpfleger und Trauerbegleiter in Köln eine geachtete Stellung erlangen können 33. 30 31
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Cf. Schannat/Hartzheim (eds.), Concilia Germaniae 4 (nt. 3), 101 sq. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 373. Das Regest formuliert mißverständlich: „ihr Habit kürzer zu machen [minutare]“. So heißt es auch in einer Urkunde Erzbischof Heinrichs für den Begardenkonvent Olvunt (cf. nt. 33) vom 20. Oktober 1309 (REK 4 [nt. 3], no. 480): „qualiter de bonis eorum propriis et laboribus manuum suarum vivunt et deo in castitate deserviunt.“ Cf. Asen, Begarden (nt. 29), 176. Zu dem älteren Kölner Begardenkonvent zum Olvunde cf. ibid., 172-175.
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Die Begarden befanden sich in einer prekären Lage, weil ihnen die päpstliche Approbation fehlte. Ihre Suche nach einer adäquaten Lebensform und ihr Streben nach Armut waren unter diesen Voraussetzungen besonders problematisch. Einfacher gestaltete sich die Ansiedlung der Kreuzbrüder in Köln, die Heinrich von Virneburg am 21. April 1307 gestattete, die sich aber bis in das Jahr 1309 hinzog 34. Auch die Kreuzbrüder hatten sich der Armut verschrieben und wollten ihren Lebensunterhalt durch Almosen bestreiten, aber im Gegensatz zu den Begarden besaß der im Lütticher Bistum entstandene Orden eine päpstliche Approbation von 1248. So konnten sich die Kreuzbrüder in Köln in das Spektrum der Bettelorden einordnen. Die konziliante Haltung des Erzbischofs in der im frühen 14. Jahrhundert höchst virulenten Armutsfrage, die in seinem Wohlwollen gegenüber Kreuzbrüdern und Begarden zum Ausdruck kommt, förderte zweifellos ein den Mendikanten und verwandten religiösen Lebensentwürfen günstiges Klima in Köln. Das Haus, in das die Kreuzbrüder einziehen konnten, wurde von Godelindis, der Witwe des Patriziers Hilger Hardefust zur Verfügung gestellt 35. Der Respekt vor freiwilliger Armut aus religiösen Motiven war in der Kölner Bevölkerung weit verbreitet, ebenso eine hohe Bereitschaft, christliche Nächstenliebe in Form von Armenfürsorge zu üben. Den wenigen verfügbaren Quellen zufolge hatte das religiöse Leben im frühen 14. Jahrhundert in Köln einen zutiefst praktischen Zug. Die Beginenbewegung stand noch in ungehemmter Blüte 36. Im Archiv der Amtleute des Kirchspiels St. Kolumba haben sich für das Jahr 1308 zahlreiche Urkunden erhalten, mit denen Kölner Pfarrer bescheinigten, daß vor ihnen Beginen ihre Keuschheitsgelübde abgelegt hatten 37. Ein neuer Beginenkonvent 34
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Cf. W. Janssen, Zwischen Bettelmönch und Chorherr: Die Kölner Kreuzbrüder im Spätmittelalter, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 71 (2007), 178-195, hier 181; REK 4 (nt. 3), no. 241. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 444. Zu den Hardefust cf. F. Lau, Das Kölner Patriziat bis zum Jahre 1325. 3, in: Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 26 (1895), 103-158, hier 107, no. 60. Cf. J. Asen, Die Beginen in Köln, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 111 (1927), 81-180; 112 (1928), 71-148; 113 (1928), 13-96; cf. dazu L. Böhringer, Johannes Asen und die Erforschung der Kölner Semireligiosen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 206 (2003), 33-49. Cf. auch F.-M. Reichstein, Das Beginenwesen in Deutschland. Studien und Katalog, Berlin 2001, 271-287; L. Böhringer, Kölner Beginen im Spätmittelalter - Leben zwischen Kloster und Welt, in: Geschichte in Köln 53 (2006), 7-34; ead., Kreuzzugsprediger, Domscholaster und fromme Frauen. Beobachtungen zum klerikalen Umfeld der ersten Kölner Beginen, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 72 (2008), 34-53. Cf. Historisches Archiv der Stadt Köln (= HAStK), Bestand Columba, Urkunde 1/271 (21. Januar 1308, Pfarrer von St. Aposteln, Bela, Tochter von Christian ,Pellifex‘ und der verstorbenen Segewigis), 1/275 (23. Juni 1308, Pfarrer von St. Kolumba, Richmudis, Tochter des verstorbenen Franko ,de Schonewedere‘), 1/276 (3. Juli 1308, Pfarrer von St. Paul, Elisabeth, Tochter des verstorbenen Johannes ,Spiritus sanctus‘), 1/278 (16. August 1308, Pfarrer von St. Kolumba, Druda, Tochter Hermanns des Sohnes Herwichs von der Breite Straße), 1/279 (1. September 1308, Pfarrer von St. Alban, Mechtild von der Marspforte), 1/280 (26. November 1308, Pfarrer von St. Maria Ablass, Guda, Tochter Wilhelms ,de Lomere‘), 1/270 (11. Januar 1309, Pfarrer von St. Kolumba, Bela, Tochter des verstorbenen Johannes ,de Poilheym‘), 1/273 (5. März 1309,
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wurde 1308 von der Begine Aleidis von Bonn auf der Burgmauer gestiftet 38. Am 5. Juli 1308 übergaben die beiden Beginen Sophia, Tochter des verstorbenen Dietrich Roser, und Hadwig, Tochter des verstorbenen Gerhard Mulre, ihr ,Rosersenhus‘ genanntes Wohnhaus in der Drususgasse beim Minoritenkloster 39 den Prokuratoren der Minoriten als Almosen für die Brüder 40. Bei den Prokuratoren handelte es sich um drei Angehörige der Kölner Geschlechter, die Schöffen Everhard Gir 41 und Franko vom Horn (de Cornu) 42 sowie den Bürger Johann vom Horn 43. Die Beginen reservierten sich und ihrer Verwandten Aleydis von Westhoven die lebenslängliche Nutzung des Hauses. Sollte Aleydis, die wohl keine Begine war, die anderen Frauen überleben, durfte sie nur mit Genehmigung des Gardians der Minoriten neue Bewohnerinnen aufnehmen. Die Urkunde ist ein beredtes Zeugnis für die enge Symbiose von Beginen und Mendikanten. Ein letztes Quellenzeugnis zu Heinrich von Virneburg, das hier noch vorgestellt werden soll, bezeugt die wachsende Bedeutung, die Geld im 14. Jahrhundert in der Politik spielte. Nicht zuletzt der Fiskalismus der päpstlichen Kurie hatte dieser Entwicklung Vorschub geleistet. Große Geldsummen waren aber in einer noch vorwiegend von agrarischen Jahreszyklen abhängigen Wirtschaft nicht beliebig verfügbar. Jüdische Geldhändler, für die das kanonische Zinsverbot nicht galt, halfen über finanzielle Engpässe hinweg. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert traten im Rheinland neben Juden auch italienische Geldhändler auf den Plan, die sogenannten Lombarden 44. Obrigkeitliche Privilegien schützten diese christlichen Bankiers vor Kirchenstrafen, aber die Risiken für ihr Seelenheil hatten die Lombarden selbst zu tragen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen wurde ihnen ein christliches Begräbnis gewährt. Trotz ihres Reichtums lebten sie an ihren Geschäftsorten als Außenseiter, Lebensweise und Sprache trennten sie von den städtischen Eliten. Erzbischof Heinrich von Virneburg hatte allerdings keine Scheu, mit in Köln ansässigen Lombarden Geschäfte zu machen, auch wenn die Frühjahrssynode
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Pfarrer von St. Kolumba, Kunigunde ,de Wippervurde‘), 1/283 (5. März 1309, Pfarrer von St. Kolumba, Mechtild ,de Vrisheym‘), 1/274 (Pfarrer von St. Brigiden, Loppa, Tochter des verstorbenen Herrn Gerhard Cranz). Alle Daten wurden nach Osterstil aufgelöst. Cf. Keussen, Topographie 1 (nt. 28), 303a8; Asen, Beginen 1 (nt. 36), 166: Konvent Sechtem auf der Burgmauer. Zu diesem Konvent liegen keine späteren Nachrichten vor. Cf. Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 1, 306b8. Die Beginen erwarben das Haus schon 1269, bereits 1279 und 1282 sind Übertragungen an die Minoriten verzeichnet. Sophie wird noch 1344 als Eigentümerin genannt. Cf. HAStK, Columba, Urkunde 1/277. Cf. F. Lau, Das Kölner Patriziat bis zum Jahre 1325. 2, in: Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 25 (1894), 348-381, hier 377, no. 75. Cf. ibid., 367, no. 5. Cf. ibid., 367, no. 19 (später ebenfalls Schöffe). Cf. W. Reichert, Lombarden in der Germania-Romania. Atlas und Dokumentation, 2 vols. (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 2), Trier 2003.
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von 1307 die Ausweisung hartnäckiger öffentlicher Wucherer gefordert hatte 45. Zur Deckung seines Finanzbedarfs im Vorfeld der Wahl Heinrichs von Luxemburg verkaufte er am 20. September 1308 den Lombarden Mascharo, genannt Thomas 46, und Opicio, genannt Albert della Rocca 47, aus der Diözese Asti im Piemont für 25 000 Kölner Mark auf zwei Jahre vom Johannisfest 1309 an den ganzen Bonner und den halben Andernacher Zoll, dazu bis zum 24. Juni 1309 den halben Bonner Zoll, den er zu diesem Zweck von dem Lombarden Tristrano Troya 48 für 800 Mark zurück erwarb 49. Man sieht, ein Geschäft löst das andere ab, und es sind gerade die stetigsten und lukrativsten Einkünfte des Erzbischofs, die auf den Rheinhandel erhobenen Zölle, die als Sicherheiten für die landesherrliche Schuldenwirtschaft herhalten müssen. Auf Tristano Troya, der einer bekannten Bankiersfamilie aus Asti angehörte, werden wir übrigens noch zurückkommen 50. Eine merkliche Besserung seiner Finanzlage erwartete Heinrich von Virneburg von der Visitation seiner Kirchenprovinz, die er aufgrund päpstlicher Genehmigung vom 25. Dezember 1306 im Laufe von drei Jahren durch Vertreter durchführen lassen durfte 51. Ein wertvolles Weihnachtsgeschenk, denn die Einkünfte der Visitationen standen dem Erzbischof zu. Am 22. März 1308 betraute Heinrich den Domdekan Ernst von Rennenberg mit seiner Stellvertretung 52. Am 29. Mai 1308 forderte er vom gesamten Klerus seiner Diözese einen doppelten Zehnten zur Deckung der Kosten der Visitationen, die er in seinem ersten Amtsjahr durchgeführt hatte 53. Bezeichnenderweise sollten die Gelder unmittelbar an die Gläubiger des Erzbischofs gezahlt werden. Das Patroklistift und die Pfarrer von Soest richteten weisungsgemäß ihre Zahlungen an den Ritter Johann Hardefust 54 und den Greven Gottfried Hardefust 55, Kölner Bürger 56. Auch bei ihnen stand Heinrich von Virneburg offenbar in der Kreide. 45
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Cf. REK 4 (nt. 3), no. 229, Punkt 4. Druck: Schannat/Hartzheim (eds.), Concilia Germaniae 4 (nt. 3), 102: „Sed & omnes usuarios, usuras publice exercentes requirimus & monemus, quatenus suae salutis prospicientes, deinceps ab usurarum actione, quae animas devorant & aliorum exhauriunt facultates, prosus abstinent.“ Cf. Reichert, Lombarden (nt. 44), vol. 2, 2, 369-371 (1304-1312). Cf. ibid., 367-371 (1296-1309/10). Cf. ibid., 370 sqq. (1308-1318). Cf. REK 4 (nt. 3), no. 383; Reichert, Lombarden (nt. 44), vol. 2, 2, 370; für weitere Belege für Geschäfte Heinrichs von Virneburg mit Lombarden cf. ibid., 369-373; cf. auch zu Bonn ibid., 141 sqq.; cf. zu Neuss ibid., vol. 2, 3, 558. Zum Bonner Zoll cf. F. Pfeiffer, Rheinische Transitzölle im Mittelalter, Berlin 1997, 218 sqq.; cf. zum Andernacher Zoll ibid., 257-262. Cf. unten, nach nt. 84. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 213. Zu Visitationen in der Diözese Utrecht cf. ibid., no. 394. Cf. ibid., no. 309. Cf. ibid., no. 321. Cf. Lau, Kölner Patriziat 3 (nt. 35), 108, no. 128: Ritter Johann Hardefust von der Mühlengasse, als Ratsmitglied belegt 1297 und 1305. Cf. ibid., no. 122: Gottfried Hardefust vom Vogt-Almers-Hof, als Greve belegt 1299-1320, als Ratsmitglied 1321. Vetter von Johann Hardefust. Cf. REK 4 (nt 3), no. 323 sq.
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Die Hardefust 57, die hier als Gläubiger des Erzbischofs auftauchen, gehörten zu der elitären Gruppe von Geschlechtern, die regelmäßig im Rat vertreten waren, der die Stadt Köln regierte 58. Die fünfzehn Ratsherren wählten jedes Jahr für den Montag nach Reminiscere ihre Nachfolger, meistens aus dem eigenen Geschlecht 59. Die Masse der Bürger und Einwohner der Stadt hatte auf die Zusammensetzung des Regierungsgremiums keinen Einfluß. Auch der Erzbischof hatte längst jede Einwirkungsmöglichkeit auf das Stadtregiment eingebüßt. Ihm waren nur noch wenige Hoheitsrechte in Köln verblieben, vornehmlich die Hochgerichtsbarkeit, die von Schöffen ausgeübt wurde, die auf den Erzbischof vereidigt wurden 60. Die meisten Schöffen kamen allerdings aus Ratsgeschlechtern. Mit ihnen ließ sich kein Gegengewicht zum Stadtrat aufbauen. Wer seit dem 11. März 1308 im Rat saß, ist nicht überliefert. Der Rat hat für das Jahr 1308 überhaupt keine Spuren seines Wirkens hinterlassen. Daraus wird man schließen dürfen, daß 1308 in Köln Ruhe und Ordnung herrschten und kein Bedarf für einschneidendes obrigkeitliches Handeln bestand. Das bedeutet nun keineswegs, daß es keine gravierenden sozialen Probleme gab. Wie in allen mittelalterlichen Städten prallten auch in Köln enormer Reichtum und krasse Armut hart aufeinander 61. Effektive Armenfürsorge war für die Wahrung des sozialen Friedens von eminenter Bedeutung. Die Linderung materieller Not wurde vorwiegend von den Kirchen organisiert, aber seit dem 12. Jahrhundert beteiligten sich die Kölner Bürger auf vielfältige Weise an der Armenversorgung in ihrer Stadt 62. Sie stifteten Almosen, gründeten Hospitäler 63 und subventionierten Unterstützungsfonds an den Pfarrkirchen, aus denen die sogenannten Hausarmen unterhalten wurden, die zwar ein Dach über dem Kopf hatten, aber ihren Lebensunterhalt nicht ohne fremde Hilfe bestreiten konnten 64. Sammelstelle für die Mittel zur Versorgung der Hausarmen war das von bürgerlichen Provisoren verwaltete Heilig-Geist-Hospital 65. Am 4. Mai 1308 schenkten die Söhne des verstorbenen Hermann, genannt Albus, Rutger und 57 58
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Cf. Lau, Kölner Patriziat 3 (nt. 35), 104-109. Zu den Geschlechtern cf. die Liste bei W. Herborn, Die politische Führungsschicht der Stadt Köln im Spätmittelalter (Rheinisches Archiv 1200), Bonn 1977, 133; cf. zu den Hardefust ibid., 449 sq.; Stadtrat, Stadtrecht, Bürgerfreiheit. Ausstellung aus Anlaß des 600. Jubiläums des Verbundbriefes vom 14. September 1396, Köln 1996, 9-20. Cf. dazu Herborn, Führungsschicht (nt. 58), 430. Cf. D. Strauch, Das Hohe Weltliche Gericht zu Köln, in: D. Laum/A. Klein/D. Strauch (eds.), Rheinische Justiz. Geschichte und Gegenwart. 175 Jahre Oberlandesgericht Köln, Köln 1994, 743-831. Cf. dazu B. Frenz, Gleichheitsdenken in deutschen Städten des 12. bis 15. Jahrhunderts (Städteforschung A 52), Köln-Weimar-Wien 2000. Cf. F.-A. Lassotta, Formen der Armut im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. Untersuchungen vornehmlich an Kölner Quellen des 14. bis 17. Jahrhunderts, Diss. Freiburg 1983. Cf. allgemein F. H. Mies, Die Kölner Hospitäler, Diss. Bonn 1921 (nur als Auszug gedruckt, maschinenschriftliches Exemplar in der Bibliothek des HAStK unter der Signatur Eh 65); Janssen, Erzbistum 2 (nt. 17), 401-409. Cf. Lassotta, Formen der Armut (nt. 62), 243-281. Cf. F. F. Schäfer, Das Hospital zum hl. Geist auf dem Domhof zu Köln, Kreuznach 1910.
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Gerlach diesem Hospital zwei Holzhäuser unter einem Dach in der Großen Spitzengasse in der Pfarre St. Johann Baptist 66. Drei Patrizier, Johann Overstolz vom Ufer 67, sein Sohn Richolf 68 und Rutger von Lyskirchen 69 besiegelten die Schenkungsurkunde. Im Jahre 1308 entstanden in Köln zwei neue Hospitäler. Soziales Engagement, meistens von der Sorge um das eigene Seelenheil geweckt, war in der Kölner Bürgerschaft durchaus verbreitet. Einen ersten Hinweis auf Planungen, die zur Gründung des Hospitals St. Agnes am Neumarkt führten, liefert ein Privileg, das die Dominikanerinnen von St. Gertrud am 27. Januar 1308 von Heinrich von Virneburg erwirkten 70. Der Erzbischof verfügte, daß in der Nachbarschaft des Klosters kein Hospital oder religiösen Zwecken dienendes Haus (domus religiosa) errichtet werden dürfe. Wollte sich St. Gertrud Konkurrenz um die Spendenfreudigkeit der Kölner vom Hals halten? Der Wohlstand des Klosters hätte eine solche Maßnahme eigentlich nicht erforderlich gemacht 71. Am 21. Juni 1308 bestimmte der Kölner Bürger Matthias Scheyve 72 aus Sorge um das Seelenheil seines Vaters und sein eigenes ein Doppelhaus in der St. Apernstraße im Kirchspiel St. Christoph für die Versorgung von 50 Hausarmen aus dem Kirchspiel St. Aposteln 73. Nicht zuletzt diese Stiftung versetzte die Amtleute von St. Aposteln in die Lage, ein Hospital zur stationären Versorgung ihrer Hausarmen zu errichten, und zwar in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters St. Gertrud im Kirchspiel St. Kolumba 74. Am 14. August 1308 einigten sich die Amtleute mit dem Pfarrer von St. Kolumba über die Anstellung eines Geistlichen für das Hospital 75. Erzbischof Heinrich bestätigte die Vereinbarungen am 11. Oktober 1308 und annullierte damit stillschweigend sein Privileg für St. Gertrud 76. 66
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Cf. HAStK, Armenverwaltung, Urkunde 2/352. Zur Lage der Häuser cf. Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 2, 44a sq. Cf. F. Lau, Das Kölner Patriziat bis zum Jahre 1325. 1, in: Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 24 (1894), 65-89, hier 78, no. 177. Cf. ibid., no. 193. Cf. ibid., 84, no. 26. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 288. Cf. J. Prieur, Das Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud am Neumarkt (Kölner Schriften zu Geschichte und Kultur 3), Köln 1983, 87 sq. Cf. zu ihm Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 1, 40a g (besitzt Verkaufsstand Unter Hutmacher auf dem Alter Markt), 179a3 (bewohnt 1337 das Haus Liedberg in der Großen Sandkaule, Kirchspiel St. Alban), 248a3 (besitzt 1334 ein Haus an der Hohen Straße), vol. 2, 333a (Hausbesitz im Kirchspiel St. Brigiden). Cf. L. Ennen (ed.), Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, vol. 3, Köln 1867, no. 552. Zur Lage des Hauses cf. Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 2, 234a m: „iuxta antiquum murum ex opposio domus, que zo der aventuren dicitur.“ Cf. Mies, Hospitäler (nt. 63), 263-270. Cf. Ennen (ed.), Quellen (nt. 73), no. 553; Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 1, 350a21. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 393; cf. auch ibid., no. 446 (14. April 1309, Zustimmung des Domkapitels), no. 2034 (Weihe der Kapelle des Hospitals am 17. März 1310).
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Eine Eintragung im Schrein des Kirchspiels Niederich vom 9. Oktober 1308 bezeugt die Stiftung des Hauses zum Gronenwald auf der Maximinenstraße in der Pfarre St. Kunibert für die Errichtung eines Hospitals, das vornehmlich zur Aufnahme von konvertierten Juden bestimmt sein sollte, die durch den Religionswechsel in Armut geraten waren 77. Als Stifter werden Hermann von Ederen und Adolf von Reval (,de Revele‘) genannt 78. Hermann hatte 1306 einen großen Beginenkonvent beim Dominikanerkloster in der Stolkgasse gegründet, 1307 das Hospital von St. Andreas beschenkt 79. Adolf von Reval stammte aus einer Attendorner Familie von Hansekaufleuten 80. 1317 bedachte er in seinem Testament seine Hospitalgründung, alle übrigen Kölner Hospitäler sowie die Hospitäler in Iserlohn, Unna und Attendorn 81. Zahlreiche Familienmitglieder lebten als Beginen. Adolf errichtete Legate für Mendikanten, Beginen, Inklusen, Schwestern, Begarden, nicht bepfründete Priester und Arme. Er war, wie sein Bücherbesitz zeigt, ein gebildeter Mann, der trotz oder vielleicht wegen seines Reichtums das gesamte Spektrum der freiwilligen Armut der pauperes benevoli kannte und förderte. Am 31. Januar 1309 genehmigte Erzbischof Heinrich von Virneburg die Gründung des neuen Hospitals 82. In seiner Urkunde wird die Unterstützung bekehrter Juden als das gottgefälligste der christlichen Liebeswerke gepriesen. Daneben wird hervorgehoben, daß in dem neuen Hospital arme, kranke Mädchen, die sich scheuen, Hospitäler aufzusuchen, in denen auch Männer versorgt werden, Almosen erhalten können. Als Gründer des Hauses, das später Allerheiligenhospital hieß 83, nennt der Erzbischof Adolf von Reval 84 und den schon erwähnten Lombarden Tristano Troya, den er als seinen Amtmann bezeichnet. Letzterer wollte offenbar etwas für sein berufsbedingt gefährdetes Seelenheil tun. Der Lobpreis der Judenbekehrung wirft die Frage auf, wie es mit dem christlich-jüdischen Verhältnis in Köln bestellt war. Köln beherbergte eine große Judengemeinde, an deren Spitze der Bischof genannte Gemeindevorsteher (parnas) und Amtleute standen, die gemeinsam den Judenrat bildeten 85. 1308 galt noch 77 78 79
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Cf. Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 2, 143a59. In der Vorlage (nt. 76) „Reven“. Cf. Keussen, Topographie (nt. 28), vol. 2, 155a4. Er vermachte 1307 ein halbes Haus in der Komödienstraße dem Hospital von St. Andreas, cf. ibid., 109a26; Ennen (ed.), Quellen (nt. 73), no. 540. Cf. L. von Winterfeld, Handel, Kapital und Patriziat in Köln bis 1400 (Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins 16), Lübeck 1925, 55; G. Hirschfelder, Die Kölner Handelsbeziehungen im Spätmittelalter, Köln 1994, 177 sq. Cf. L. Ennen (ed.), Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, vol. 4, Köln 1870, no. 35. Cf. REK 4 (nt. 3), no. 2033. Cf. Mies, Hospitäler (nt. 63), 80-87, 251-262. In REK 4 (nt. 3), no. 660 von August 1311 wird auch sein Verwandter, der Priester Wedekind von Reval, genannt. Allgemein zur Geschichte der Kölner Juden cf. A. Kober, Cologne ( Jewish Communities Series), Philadelphia 1940; Z. Asaria (ed.), Die Juden in Köln von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Köln 1959; Monumenta Judaica. 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein, vol. 2, Köln 1963; Germania Judaica, vol. 1, edd. I. Elbogen [e. a.], Breslau 1934, 69-85; vol. 2, 1, ed. Z. Avneri, Tübingen 1968, 420-442; vol. 3, 1, ed. A. Maimon, Tübingen 1987, 632-650.
Köln 1308. Erinnerung, Quellen, Konstruktionen
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das Schutzprivileg Erzbischof Wikbolds vom 29. Dezember 1302, für das fünfzehn vornehme Kölner Bürger die Bürgschaft übernommen hatten 86. Diese Schutzverpflichtung brachte einen gewissen herrschaftlichen Zug in das ursprünglich nachbarschaftliche Verhältnis von Christen und Juden, das unter anderem darin zum Ausdruck kam, daß die Amtleute des Kirchspiels St. Laurenz für die Immobiliengeschäfte der Juden gleichermaßen die Gewähr übernahmen wie für diejenigen der christlichen Bewohner ihres Stadtteils 87. Im Schreinsbuch für das Judenviertel westlich des Rathauses erscheint 1308 als ein ganz normales Jahr mit den üblichen Transaktionen 88. Auf der Ostseite der Judengasse stießen am Südende der Straße Häuser, die von Juden und solche die von Christen bewohnt wurden, unmittelbar aneinander. An die seit dem 12. Jahrhundert nachweisbare geschlossene jüdische Besiedlung grenzte dort ein namenloses Doppelhaus und das Haus Neuss an, beide Komplexe im Besitz der Familie Voilprume 89. Die nördliche Hälfte des Doppelhauses verkauften die Brüder Johann und Hermann Voilprume und ihre Ehefrauen am 28. Oktober 1308 an den Juden Anselm und seine Frau Goitheil 90. Wir beobachten hier eine Erweiterung des Judenviertels, die sich in den folgenden Jahren fortsetzen sollte. III. Konstr uktionen Aufgabe des Historikers ist es, die aus den Quellen gewonnenen disparaten Nachrichten in größere Erzähl- und Erklärungszusammenhänge einzuordnen. Mit einem solchen Versuch möchte ich meine Untersuchung abschließen. Die in den erhaltenen Quellen dokumentierten Kölner Ereignisse des Jahres 1308 passen durchweg in den schlichten Rahmen spätmittelalterlicher Normalität. Die großen Weltereignisse - die Wahl König Heinrichs VII., der Templerprozeß und die Vorbereitung des Konzils von Vienne - werden in Köln sehr wohl wahrgenommen, haben aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf das städtische Leben. Dieses ist durch eine kaum getrübte Harmonie gekennzeichnet. Es gibt keine offenen Konflikte zwischen dem Erzbischof und der Bürger86
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Cf. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter 4 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 21), bearb. von R. Knipping, Bonn 1913, no. 3906, Druck: Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, vol. 3, ed. Th. J. Lacomblet, Düsseldorf 1853, no. 24. Cf. M. Groten, Die mittelalterliche jüdische Gemeinde von Köln und das Schreinswesen des Kirchspiels St. Laurenz, in: M. Grübel/G. Mölich (eds.), Jüdisches Leben im Rheinland. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln-Weimar-Wien 2005, 28-45. Cf. R. Hoeniger/M. Stern (eds.), Das Judenschreinsbuch der Laurenzpfarre zu Köln, Berlin 1888, 117-122, nos. 278-286. Cf. A. Kober, Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Topographie, Rechtsgeschichte und Statistik der Stadt Köln (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 34), Bonn 1920, 110 sq., nos. 1-3. Cf. Hoeniger/Stern, Judenschreinsbuch (nt. 88), 120 sqq., nos. 284-286; Kober, Grundbuch (nt. 89), 111, no. 3.
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schaft, zwischen Juden und Christen, zwischen gesellschaftlichen Gruppen in der Stadt. Wie die Synodalstatuten erkennen lassen, strebt die Kölner Kirche mit praktischen Maßnahmen nach Ordnung und Disziplin. Mit dem patrizischen Rat der fünfzehn Geschlechter hat auch das Stadtregiment vorübergehend eine stabile Form gefunden. Dieses bürgerliche Regiment hat durch die Konzentration der Macht in einem einzigen Gremium an Effizienz gewonnen. Mit der Einführung spezialisierter Ämter unterwirft der Rat sukzessive alle wichtigen Lebensbereiche seiner Kontrolle. Die von den Rentmeistern geleitete Finanzverwaltung wird zum wichtigsten Ressort der Stadtverwaltung 91. Im Jahre 1308 schauten die Kölner zurück auf ein halbes Jahrhundert heftiger Kämpfe zwischen den Erzbischöfen und den Bürgern, begleitet von erbitterten innerstädtischen Auseinandersetzungen bis hin zum Bürgerkrieg 92. Diese schweren Zeiten schienen überwunden. Bald nach 1308 trübten aber Mißernten 93, Hungersnöte (seit 1315) und seit 1349 Pestepidemien 94 das optimistische Bild. Die Krise des Spätmittelalters 95 sollte auch Köln erneut in bedrohliche Auseinandersetzungen stürzen 96. 1349 wurde die Judengemeinde vernichtet 97. In der Mitte des Jahrhunderts zwischen 1250 und 1350 gewinnt aus heutiger Sicht die glanzlose Normalität des Jahres 1308 eine den Zeitgenossen verborgene Qualität.
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H. Knipping, Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters mit einer Darstellung der Finanzverwaltung, vol. 1 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 15), Bonn 1897, X-XIII. Cf. M. Groten, Köln im 13. Jahrhundert, Gesellschaftlicher Wandel und Verfassungsentwicklung (Städteforschung A 36), Köln-Weimar-Wien 21998. Cf. R. Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas. 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, Darmstatdt 2001, 64 sq., 76, 84 sq., 88. K. Bergdolt, Der Schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters, München 1994. Cf. F. Seibt/W. Eberhard (eds.), Europa 1400. Die Krise des Spätmittelalters, Stuttgart 1984; F. Graus, Pest - Geißler - Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 31994. Cf. K. Militzer, Ursachen und Folgen der innerstädtischen Auseinandersetzungen in Köln in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 36), Köln 1980. Cf. M. Schmandt, Judei, cives et incole. Studien zur jüdischen Geschichte Kölns im Mittelalter, Hannover 2002.
1308 - Kein interessantes Jahr? Das Jahr 1308 in jüdischen Chroniken und seine Bedeutung für die jüdische Geschichte und Geschichtsschreibung Carsten Schliwski (Köln) I. Einleitung: Das Fehlen des Jahres 1308 in jüdischen Chroniken Nach den Vertreibungen aus Spanien 1492 und aus Portugal 1496/97 kam es vor allem im sephardischen Judentum zu einer Blüte der historiographischen Literatur 1, die sich in erster Linie in zwei Genres ausdrückte, zum einen in Kompilationen von Verfolgungsereignissen und zum anderen in allgemeinen Chroniken, die sowohl jüdische als auch nichtjüdische Geschichte umfaßten. Zu den Kompilationen von Verfolgungen zählen: Elia Capsalis ,Sippurei Venezø ia‘ aus dem Jahre 1517 2, Samuel Usques ,ConsolacX am a´s tribulacX o˜ens de Israel‘ aus dem Jahr 1553 3, Salomon Ibn Vergas ,Sˇebß etø Yehudah‘ aus dem Jahre 1
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Zu dieser Blüte cf. R. Bonfil, Jewish Attitudes towards History and Historical Writing in PreModern Times, in: Jewish History 11 (1997), 7-40 und Y. H. Yerushalmi, Zachor: Erinnere Dich! Jüdische Geschichte und jüdisches Gedächtnis, Berlin 1988, 65-84. Teiledition des hebräischen Textes in: N. Porge`s, E´lie Capsali e sa Chronique de Venise, in: Revue des e´tudes juives 79 (1924), 28-60; Gesamtedition in: A. Shmuelevitz/Sh. Simonsohn/ M. Benayahu, Seder Eliyahu Zutøa. H ø ibero Rabbi Eliyahu B“R Elqanah Qapsali, vol. 2, Jerusalem 1977, 215-327. Zu dem Werk selbst cf. N. Porge`s, E´lie Capsali e sa Chronique de Venise, in: Revue des e´tudes juives 77 (1923), 20-40 und 78 (1924), 15-34; A. Brener, Portrait of the Rabbi as Young Humanist: A Reading of Elijah Capsali’s ,Chronicle of Venice‘, in: Italia 11 (1994), 37-60; M. Jacobs, Islamische Geschichte in jüdischen Chroniken. Hebräische Historiographie des 16. und 17. Jahrhunderts (Texts and Studies in Medieval and Early Modern Judaism 18), Tübingen 2004, 80 sqq. Ausgaben des portugiesischen Textes: J. Mendes dos Remedios (ed.), ConsolacX am a´s tribulacX o˜ens de Israel, 3 vols., Coimbra 1906-1908; Y. H. Yerushalmi/J. V. de Pina Martins (eds.), ConsolacX a˜o a`s tribulacX o˜ens de Israel. EdicX a˜o de Ferrara 1553, vol. 2, Lissabon 1989. Übersetzungen: G. I. Gelbart, A Consolation for the Tribulations of Israel. Third Dialogue. Sixteenth Century Classic Written in Portugese by the Noted Historian and Mystic Samuel Usque, New York 1964; M. A. Cohen, Samuel Usque’s Consolation for the Tribulations of Israel (ConsolacX am as tribulacX oens des Israel), Philadelphia 1965. Zum Werk cf. Y. H. Yerushalmi, A Jewish Classic in the Portuguese Language, in: id./J. V. de Pina Martins (eds.), ConsolacX a˜o, vol. 1, Lissabon 1989, 15-112; M. Jacobs, Geschichte (nt. 2), 48 sq. Wichtig sind auch: A. A. Neuman, Samuel Usque. Marrano Historian of the Sixteenth Century, in: S. Zeitlin [e. a.] (eds.), Landmarks and Goals. Historical Studies and Addresses by A. A. Neuman, Philadelphia 1953, 105-132; M. T. Guerrini, New Documents on Samuel Usque, the Author of the ConsolacX am as tribulacX oens des Israel, in: Sefarad 61 (2001), 82-89.
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1554 4 und Yosef ha-Kohens ,Emeq ha-bakß ah‘, dessen Erstausgabe 1557/58 abgeschlossen war, im Laufe der Zeit vom Autor erweitert wurde (die vierte Fassung reicht bis zu Ereignissen im Jahre 1575) und von einem anonymen Chronisten um das Jahr 1600 revidiert und ergänzt wurde 5. Allgemeinhistoriographische Werke sind: Elia Capsalis ,Seder Eliyahu Zutøa‘ (im Jahre 1523 abgeschlossen) 6, Yosef ha-Kohens ,Dibß rei ha-yamim le-malkß ei Zø arefat u-malkß ei beit Otøoman ha-Togar‘ (zum ersten Mal 1554 gedruckt, allerdings später noch vom Autor bearbeitet) 7 und David Gans’ ,Zø emahø David‘ (gedruckt in Prag 1592) 8, das allerdings nicht ganz in diese Reihe gehört, da 4
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Editionen des hebräischen Textes: M. Wiener, Liber Schevet Jehuda auctore R. Salomone Aben Verga, Hannover 1855; A. Shochat, Sefer Sˇebß etø Yehudah le-Rabbi Sˇelomoh b. Verga, Jerusalem 1947. Deutsche Übersetzung: M. Wiener, Das Buch Schevet Jehuda von R. Salomo Abben Verga, Hannover 1856. Cf. auch Jacobs, Geschichte (nt. 2), 45-48. Eine gute Einordnung des Werkes bieten: A. A. Neuman, The Shebet Yehudah and Sixteenth Century Historiography, in: Louis Ginzberg Jubilee Volume. English Section, New York 1945, 253-273; M. Schlüter, Zuchtrute und Königszepter: Zur Frage der Komposition des „Shevet Yehuda“, in: U. Haxen/H. Trautner-Krohmann/K. L. Goldschmidt Salamon (eds.), Jewish Studies in a New Europe. Proceedings of the Fifth Congress of Jewish Studies in Copenhagen 1994, Kopenhagen 1998, 712731. Editionen des hebräischen Textes: M. Letteris, Emek habaca. Historia persecutionum judeorum comprehendens periodum ab anno p. Ch. n. LXX usque MDLXXV a Josefo Hacohen (nat. 1496), Wien 1852; die Textedition stammte ursprünglich von S. D. Luzzatto, Letteris revidierte sie und versah sie mit Anmerkungen. Eine alle verfügbare Manuskripte berücksichtigende Edition ist: K. Almbladh, Josef ha-Kohen: Sefer Emeq ha-Bakha (The Vale of Tears) with the Chronicle of the Anonymous Corrector, Uppsala 1981. Übersetzungen: M. Wiener, Emek habacha von R. Josef ha Cohen, Leipzig 1858; J. Se´e, La Valle´e des pleurs: Chronique des souffrances d’Israel depuis sa dispersion jusqu’a` nos jours, par Josef ha-Cohen, medecin d’Avignon, 1575, Paris 1881; P. Leon Tello, Emeq ha-Bakha des Yosef ha-Koehen. Estudio preliminar, traduccion y notas, Madrid-Barcelona 1964; H. S. May, Josef Hacohen and the Anonymous Corrector: The Vale of Tears (Emek habacha), Den Haag 1971; da alle diese Übersetzungen auf der Ausgabe von Luzzatto/Letteris basieren, sind sie nur mit Vorsicht zu benutzen. Zum Werk cf. Jacobs, Geschichte (nt. 2), 104 sqq. Wichtig ist auch: Y. H. Yerushalmi, Messianic Impulses in Josef ha-Kohen, in: B. D. Cooperman (ed.), Jewish Thought in the Sixteenth Century, Cambridge (Mass.)-London 1983, 460-487. Teiledition des hebräischen Textes: M. Lattes, De vita et scriptis Eliae Kapsalii, Padua 1869; vollständige Edition: A. Shmuelevitz/Sh. Simonsohn/M. Benayahu, Seder Eliyahu Zutøa. H ø ibero Rabbi Eliyahu B“R Elqanah Qapsali, vol. 1, Jerusalem 1975 und vol. 2, Jerusalem 1977, 5211. Zum Werk cf. iid., Seder Eliyahu Zutøa, vol. 3, Jerusalem 1983; Jacobs, Geschichte (nt. 2), 62-80. Der Erstdruck aus dem Jahre 1544 wurde mehrfach nachgedruckt, allerdings existiert bislang keine moderne Gesamtedition, die die drei unterschiedlichen Fassungen Yosef ha-Kohens berücksichtigt; es gibt lediglich eine Teiledition mit Auszügen aus der zweiten Überarbeitung aus dem Jahre 1577: D. A. Gross, Dibß rei ha-yamim le-malkß ei Zø arefat u-malkß ei beit Otøoman haTogar. H ø eleq sˇelisˇi, Jerusalem 1955. Eine sehr unzuverlässige Übersetzung bietet C. H. F. Bialloblotzky, The Chronicles of Rabbi Josef Ben Joshua Ben Meir, The Sphardi, 2 vols., London 1835/36. Zum Werk selbst cf. Jacobs, Geschichte (nt. 2), 86-104. Das Werk wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrfach nachgedruckt, eine moderne Edition liefert M. Breuer, Sefer Zø emahø David le-Rabbi David Gans, Jerusalem 1983. Eine deutsche Teilübersetzung liefert: G. Klemperer, David Gans’ chronikartige Weltgeschichte in’s Deutsche übertragen, ed. M. Grünwald, Prag 1890. Zum Werk cf. M. Breuer, Modernism and Traditiona-
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sein Autor als einziger aus dem aschkenasischen Raum stammte und nicht vom sephardischen Judentum beeinflußt wurde 9. Wenn man die jüdischen Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts nach dem Jahr 1308 erforscht, stellt man schnell fest, daß es so gut wie gar nicht vorkommt. Lediglich der aus Lippstadt stammende und in Prag wirkende Historiker und Astronom David Gans (1541-1631) führt im zweiten Teil seiner Chronik ,Zø emahø David‘ ein Ereignis in diesem Jahr an, nämlich die Ermordung des Königs Albrecht von Habsburg durch Johann von Schwaben und die Wahl Heinrichs aus dem Haus Luxemburg zum deutschen König 10: „(50)68 (=) 1308 - Der Kaiser wird von einem kleinen Jungen getötet: Johann, der Sohn des Rudolph, war dreizehn Jahre alt, er war der Sohn der Schwester Ottokars, des erwähnten getöteten Königs von Böhmen, er lehnte sich gegen den Kaiser Albertus auf und forderte, ihm seinen Anteil des Königreiches Schwaben zu übertragen, damit er selbst dort herrschen werde, der Kaiser lachte über seine Worte und antwortete ihm mit nichtigen und provozierenden Worten. So stachelte man den Knaben dazu an, sich und seinen Großvater, den erwähnten Ottokar, zu rächen. Als sie den Fluß Russ, der bei der Stadt Windisch am Rheinfluß liegt, erreichten, ging der Kaiser mit seinen Fürsten zuerst hinüber, unmittelbar danach ging das Volk herüber und streckte seine Hand zum Kaiser aus und tötete ihn, ihn und viele Bischöfe und Fürsten und Edelleute, die bei ihm waren. Es geschah im Jahre 5068, 1308 bei den Christen, im zehnten Jahr seiner Herrschaft, und er ist in der Stadt Speyer begraben. Der Herzog Johann, der Mörder, erbat Verzeihung und Vergebung vom Papst und wurde für den Rest seines Lebens ein Mönch, die Söhne des Kaisers erbten sein Land, die Männer, die ihn unterstützt und angestachelt hatten, wurden verurteilt und unter schweren Qualen und Folterungen getötet, am Tatort wurde ein Kloster erbaut, das man Königsfeld nannte …, bis zum heutigen Tag. Heinrich VII., der dreißigste Kaiser, wurde im Alter von 46 Jahren im Jahre 5068 König. In der Zeit dieses Kaisers, in seinem ersten Regierungsjahr, eroberten die Kreuzherren die Insel Rhodos, dieses geschah im Jahre 68, 1308 der Christen.“
Beide Ereignisse siedelt der Verfasser im Jahre 5068 nach dem jüdischen Kalender an, was insofern nicht ganz korrekt ist, weil die Wahl Heinrichs am 27. November 1308 erfolgte, was bereits dem 5. Kislev 5069 entspricht. Mit dieser Erwähnung behandelt er jedoch nicht den Einfluß dieses Herrscherwechsels auf die Juden, sondern erfüllt nur eine Chronistenpflicht: Im Gegensatz zum ersten Teil seines Werkes, der der Geschichte der Juden gewidmet ist und in dem das Jahr 1308 nicht vorkommt, beschäftigt sich der Autor im zweiten Teil mit der allgemeinen Geschichte, vor allem auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, in dem Gans ja lebte, bezogen. Der zweite Teil dient somit dem Zweck, das Interesse der jüdischen Leser auch auf die Geschichte ihrer
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lism in the Sixteenth-Century Jewish Historiography: A Study of David Gans’ Tzemahø David, in: Cooperman (ed.), Jewish Thought (nt. 5), 49-88. Zu David Gans’ Leben und Werk cf. A. Neher, Jewish Thought and the Scientific Revolution of the Sixteenth Century. David Gans (1541-1613) and his Times, Oxford 1986. Cf. Breuer (ed.), Sefer Zø emahø David le-Rabbi David Gans (nt. 8), 351 sq.
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Umwelt zu lenken. Dabei schrieb Gans im wesentlichen zeitgenössische deutsche Chroniken ab, für das Jahr 1308 stützt er sich auf den entsprechenden Abschnitt aus Spangenbergs ,Sächssischer Chronica‘ 11, den er in gekürzter und leicht veränderter Form ins Hebräische übersetzt hat. In den übrigen Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts findet das Jahr 1308 überhaupt keine Erwähnung, weder in den Verfolgungschroniken, noch in den allgemeinen Chroniken der jüdischen Geschichte. Was bedeutet das für dieses Jahr? Zunächst einmal lassen sich zwei Tatsachen aus der Nichterwähnung ableiten: Zum einen fand keine größere Verfolgung statt, die es wert gewesen wäre, im Gedächtnis zu behalten, zum anderen ist in diesem Jahr kein wichtiger jüdischer Gelehrter geboren, gestorben oder mit einem bahnbrechenden Werk an die jüdische Öffentlichkeit gegangen. Tatsächlich stand das Jahr 1308 im Schatten anderer Jahre, in denen Ereignisse von größerer Tragweite für die Juden stattgefunden hatten: Im Jahre 1290 waren die Juden aus England vertrieben worden; im Jahre 1298 war es im süddeutschen Raum zu größeren Verfolgungen von Juden gekommen, bei denen unter der Anführung eines gewissen Rintfleisch mehrere Gemeinden ausgelöscht worden waren; im Jahre 1306 waren die Juden Frankreichs aus dem Machtbereich des Königs vertrieben worden, zwar noch nicht endgültig, das sollte erst 1394 erfolgen, aber doch in einer so großen Zahl, daß man das Ereignis als besonders wichtig empfand; in den Jahren 1348-50 sollte es zu noch größeren Ausschreitungen gegenüber Juden im Heiligen Römischen Reich kommen, die die bis dahin geschehenen Übergriffe in den Schatten stellten. Was die Gelehrtengeschichte betrifft, so hatte im Jahre 1307 R. Yaaqobß b. As ˇer (gest. 1340), der aus einer aschkenasischen Familie stammte und in Toledo wirkte, mit der Abfassung der ,Arbaa Tø urim‘ begonnen, einem halachischen Kodex, der im Jahre 1314 fertiggestellt werden sollte und der, unter anderem auch durch seine Bearbeitung im ,Sˇulhø an Arukß ‘, das jüdische Recht bis heute prägt 12. Die Besonderheit dieses Werkes besteht in zwei Aspekten: Zum einen brachte Yaaqobß b. Asˇer zum ersten Mal aschkenasische Traditionen in eine sephardische Domäne, nämlich der Kodifizierung des jüdischen Rechtes ein. Bislang waren alle solche Unternehmungen von Juden unternommen worden, die maßgeblich von der arabisch-islamischen Welt beeinflußt worden waren, gleichgültig ob es sich um die ,Hilkß ot Alfas‘ des Yizø hø aq b. Yaaqobß al-Fasi (1013-1103) oder um die ,Misˇneh Torah‘ des Maimonides (1138-1204) handelt. Durch Yaaqobß b. Asˇers Bearbeitung fand nun erstmals ein Rechtskodex größere Beachtung im aschkenasischen Raum. Zum anderen beschränkte sich der Verfasser auf die praktikablen Teile der Halachah, das heißt: Anders als bei 11 12
C. Spangenberg, Sächssische Chronica, Frankfurt 1585, cap. 278. Zur Kodifikation des jüdischen Rechts im allgemeinen cf. F. Werner, Der Schulchan Aruch und seine literarischen Vorläufer, in: Kairos N.F. 20 (1978), 241-271. Speziell zu den ,Arba a Tøurim‘ cf. Y. D. Galinsky, Ashkenazim in Sefarad: The Rosh and the Tur on the Codification of Jewish Law, in: Jewish Law Annual 16 (2006), 3-23.
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Maimonides werden in den ,Arbaa Tø urim‘ keine Regeln aufgenommen, deren Gültigkeit nicht mehr gegeben ist, wie zum Beispiel Opfervorschriften für den Tempeldienst. Das Jahr 1308 markiert also keinen Wendepunkt in der jüdischen Geschichte, die Ereignisse, die in diesem Zeitraum stattfanden, waren eingebunden in einen längeren Entwicklungsprozeß, wurden als Normalität empfunden und oftmals nicht als überlieferungswürdig angesehen. Deswegen sollen in diesem Beitrag die Ereignisse erwähnt werden, die zum Charakter des Jahres 1308 beigetragen haben, wobei der Schwerpunkt auf dem aschkenasischen Raum liegen wird. Geschichtliche Entwicklung erfolgt in weiten Teilen evolutionär, auch Umbrüchen und katastrophalen Ereignissen geht in der Regel - abgesehen von Naturkatastrophen - eine Phase voraus, die dann in das jeweilige Ereignis mündet. Somit sind für die Historiographie weniger die Ereignisse selber, sondern vielmehr die Frage, wie es zu ihnen kommen konnte, von Bedeutung. Das gilt natürlich auch für die jüdische Geschichte, die sich nicht isoliert von der Geschichte der jeweiligen Umwelt abspielt und auch nicht nur als Reaktion auf Aktionen dieser Umwelt zu verstehen ist. II. Ereignisse vor 1308, die die Situation der Juden maßg eblich beeinf lußten 1. 1290: Die Vertreibung der Juden aus England Mit der Vertreibung der Juden aus England endete eine Geschichte von nicht allzu langer Dauer 13: Im Jahre 1066 waren die Juden der Normandie nach der normannischen Eroberung Englands auf die Insel geholt worden, da Wilhelm der Eroberer das in der Normandie übliche System der Finanzierung durch jüdische Bankiers auch auf England übertragen wollte. Die Juden siedelten sich vor allem in den Bischofssitzen an und demonstrierten dadurch ihre Nähe zum König und seinen Beauftragten, die sie finanzierten. Diese Form der Finanzierung der königlichen Ausgaben änderte sich im Laufe der Zeit von der Finanzierung des Hofes durch Kredite hin zu einer Finanzierung durch Steuern, deren hohes Aufkommen durch eine relativ große Freiheit in der Finanzwirtschaft erreicht wurde. Als Heinrich III. (1216-1272) nichts mehr aus den Juden herauspressen konnte, verpfändete er sie an seinen Bruder Richard von Cornwall (1257-1272), damals deutscher König, gegen ein Darlehen. Dadurch konnte Richard, der ja, da er nicht der englische König war, nicht an die traditionellen Schutzbestim13
Zur Geschichte der Juden Englands cf. J. Hillaby, Jewish Colonisation in the Twelth Century, in: P. Skinner (ed.), The Jews in Medieval Britain. Historical, Literary and Archaeological Perspectives, Woodbridge 2003, 15-40; R. C. Stacey, The English Jews under Henry III, in: op. cit., 41-54; R. R. Mundill, Edward I and the Final Phase of Anglo-Jewry, in: op. cit., 55-70.
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mungen für die Juden gebunden war, durch exzessive Besteuerung sein verliehenes Geld samt Zinsen zurückerhalten. Zudem kam es zwischen 1258 und 1265 während des Aufstandes der Barone gegen den König zu erneuten antijüdischen Ausschreitungen. In den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts waren die Juden Englands endgültig ruiniert und sahen auch keine Möglichkeit, sich wieder zu erholen, da Eduard I. (1272-1307) im Jahre 1275 im ,Statutum de Iudeismo‘ den Juden die Vergabe von Darlehen völlig untersagte. Statt der so entfallenden Steuereinnahmen sollten die Juden zu Ostern eine jährliche Kopfsteuer entrichten. Zwar wurde ihnen jetzt gestattet, sich in Handel, Handwerk und Landwirtschaft zu betätigen, aber durch den Einfluß und die Macht der Zünfte und Gilden, denen die Juden nicht beitreten durften, war es den Juden so gut wie unmöglich, diese Möglichkeit zu nutzen. Dazu kam noch, daß sich der Fernhandel mittlerweile in den Händen der Italiener befand, so daß sich auch dort keine Gelegenheit zum Broterwerb bot. Dadurch, daß die Juden nun nicht mehr in der Lage waren, einen relevanten steuerlichen Beitrag zu leisten, waren sie für die englische Krone überflüssig geworden und wurden am 18. Juli 1290 durch König Eduard I. des Landes verwiesen. Über 16 000 Juden sollen die Insel in Richtung Frankreich und Deutschland verlassen haben, wobei die Londoner Gemeinde durch einen Anschlag während der Überfahrt ertrunken sein soll. 2. 1298: Die Verheerungen des Rintfleischaufstandes im Heiligen Römischen Reich Ursache der Verfolgungen des Jahres 1298 waren die Beschuldigung des Hostienfrevels, die ein Röttinger Edelmann namens Rintfleisch gegen die Juden erhoben hatte. Dieser Vorwurf gegen die Juden, der sich im Mittelalter immer wieder findet, war zur Zeit Rintfleischs noch neu 14. Der religiöse Hintergrund dürfte in zwei Beschlüssen des 13. Jahrhunderts zu finden sein: zum einen in der Durchsetzung der Transsubstantiationslehre, die auf dem vierten Laterankonzil im Jahre 1215 als Dogma verkündet worden war und die endgültig festlegt, daß Brot und Wein durch die Wandlung in der Heiligen Messe zwar dem Akzidenz nach das bleiben, was sie auch schon vorher waren, sie jedoch in ihrer Substanz zu Leib und Blut Jesu Christi werden. Damit wurde der Hostie eine besondere Kraft beigemessen, die sie angeblich für Juden besonders faszinierend 14
Zu diesem Vorwurf im allgemeinen cf. P. Browe, Die Hostienschändungen der Juden im Mittelalter, in: Römische Quartalschrift 34 (1926), 167-197; St. Rohrbacher/M. Schmidt, Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile, Reinbek 1991, 269-303; Ch. Ocker, Ritual Murder and the Subjectivity of Christ: A Choice in Medieval Christianity, in: Harvard Theological Review 91 (1998), 153-192; zu dieser Beschuldigung bei Rintfleisch cf. F. Lotter, Hostienfrevelvorwurf und Blutwunderfälschung bei den Judenverfolgungen von 1298 (,Rintfleisch‘) und 1336-1338 (,Armleder‘), in: Fälschungen im Mittelalter, Teil 5: Fingierte Briefe, Frömmigkeit und Realienfälschungen (Monumenta Germaniae Historica 33, 5), Hannover 1988, 533-583.
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machte. Verstärkt wurde diese angebliche Faszination noch durch einen zweiten Beschluß: die Einführung des Fronleichnamfests im Jahre 1264, das den Leib Christi zum Gegenstand der Anbetung erklärt. Diese beiden Beschlüsse bildeten die Grundlage für den Vorwurf der Hostienschändung, wobei die ersten Legenden noch den Zweck hatten, die christliche Bevölkerung von der Gültigkeit der neuen Lehre zu überzeugen, ähnlich wie es bei anderen Legenden der Fall war: Bereits in der Spätantike finden sich ,Zeugnisse‘ der Kirchenväter, die berichten, daß Juden durch die Heilkraft der Hostie zum christlichen Glauben bekehrt worden seien. So ist es auch bei der ersten Erwähnung einer angeblichen Hostienschändung in Paris im Jahre 1290 der Fall 15, die Johannes von Tilrode in seiner Chronik schildert: Angeblich hatten sich Juden eine Hostie beschafft, um sie zu quälen und zu zerstören, da die Hostie nur unter größten Anstrengungen habe zerteilt werde können und dabei geblutet habe und sich dazu noch in siedendem Wasser in Blut und Fleisch verwandelt habe, seien die Juden von der Wahrheit des christlichen Glauben überzeugt gewesen und hätten sich taufen lassen. Der Zweck dieser Erzählung ist eindeutig: Es geht weniger um die Frevelhaftigkeit der Juden als vielmehr darum, die Macht der geweihten Hostie zu demonstrieren, die sogar Ungläubige überzeugen könne; um wieviel mehr sollte sich also ein gläubiger Christ davon beeindrucken lassen. Anders sah es jedoch bereits acht Jahre später aus. Bei der Rintfleischverfolgung im fränkischen Raum ging es nicht mehr darum, Christen von der Gültigkeit der neuen Lehre zu überzeugen, sondern nur noch darum, einen Grund für die Ermordung von Juden zu finden 16. So kamen bei den Ausschreitungen, die ein verarmter Ritter namens Rintfleisch anführte, der sich als von Gott berufener Judenvernichter betrachtete, ungefähr 5 000 Juden ums Leben, die Gemeinden von Rothenburg ob der Tauber, Würzburg, Nördlingen, Bamberg und Nürnberg wurden vollständig vernichtet, lediglich die Gemeinden von Augsburg und Regensburg blieben verschont. Dabei nutzte Rintfleisch das bestehende Chaos im Römisch-Deutschen Reich, das durch die Streitigkeiten zwischen Adolf von Nassau und Albrecht von Habsburg entstanden war. Erst als sich Albrecht von Habsburg durchgesetzt und seine Königswahl erreicht hatte, wurde Rintfleisch verhaftet und hingerichtet. Das Vergehen Rintfleischs bestand weniger darin, daß er und seine Anhänger die Juden verfolgt und ermordet hatten, sondern daß er gegen kaiserliches Recht verstoßen hatte. Die Juden waren im Rechtsgefüge des Mittelalters direkt dem 15
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Nach F. Battenberg, Das europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, vol. 1: Von den Anfängen bis 1650, Darmstadt 1990, 90, fand das Ereignis im Jahre 1280 statt und wurde auf Veranlassung König Philipps III. (Regierungszeit 1270-1285) untersucht. Dem widerspricht die Aussage im op. cit., 119, daß die Beschuldigung acht Jahre später von Rintfleisch in Deutschland verwendet worden sei. Zur Rintfleischverfolgung cf. F. Lotter, Die Judenverfolgung des „König Rintfleisch“ in Franken um 1298. Die endgültige Wende in den christlich-jüdischen Beziehungen im deutschen Reich des Mittelalters, in: Zeitschrift für historische Forschung 15 (1988), 385-422.
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Kaiser unterstellt, sie waren Kammerknechte 17. Dieser Status war zuerst 1090 von Kaiser Heinrich IV. den Wormser Juden verliehen worden und 1236 von Kaiser Friedrich II. auf alle Juden unter seiner Jurisdiktion übertragen worden. Dieser Status gewährte den Juden Schutz des Lebens und Eigentums, freie Religionsausübung, freie wirtschaftliche Betätigung, Autonomie in innerjüdischen Angelegenheiten und eine feste Verfahrensordnung bei Streitigkeiten mit Christen. Diese Rechte mußten von den Juden teuer bezahlt werden, wobei die Abgaben direkt an den Kaiser oder an von ihm beauftragte Personen, zumeist Bischöfe, gingen. Ein Angriff gegen die Juden des Reiches bedeutete also zugleich auch immer einen Angriff auf die Autorität des Kaisers, der in der Regel nur dann stattfinden konnte, wenn der Angreifer der Meinung war, daß der Kaiser nicht willens oder fähig sei, einen solchen Angriff zu bestrafen. Und genau das traf auf den Rintfleischaufstand zu: Er konnte nur erfolgen, solange es keine Autorität gab, ihm Einhalt zu gebieten. Sobald aber die Ordnung wiederhergestellt war, wurde er niedergeschlagen, sein Anführer wurde hingerichtet, die übrigen Beteiligten zu Geldstrafen verurteilt. Der Besitz der ermordeten Juden wurde aufgrund der erwähnten Kammerknechtschaft vom Kaiser beansprucht. Der Rintfleischaufstand markiert zugleich den Beginn von „fünfzig Jahren des Schreckens in Aschkenas“, das heißt, er war erst der Anfang einer Welle von Verfolgungen, deren Höhepunkt die Pestunruhen von 1348-50 bilden sollten 18. Zwar hatte es schon zuvor Verfolgungen von Juden im Bereich des Heiligen Römischen Reiches gegeben, man denke beispielsweise an die Ausschreitungen während des Ersten Kreuzzuges 1096, allerdings hatte sich danach das Leben wieder bis zu einem gewissen Grad normalisieren können. Damit stellten die Ereignisse zwischen 1298 und 1349 einen Wendepunkt in der jüdischen Geschichte in Aschkenas dar, die eine Entwicklung zum Schlechteren einleiteten 19. 3. 1306: Die Vertreibung aus Frankreich Bei den Vorwürfen von Ritualmord und Hostienschändungen, die im 13. Jahrhundert in Frankreich erhoben wurden, handelte es sich weniger um den Ausdruck religiösen Eifers als vielmehr um ein Mittel, die Juden des Landes zu disziplinieren 20. Zugleich waren sie ein Ausdruck für die Verschlechterung der 17
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Zur Herausbildung und Struktur der Kammerknechtschaft cf. F. Battenberg, Des Kaisers Kammerknechte. Gedanken zur rechtlich-sozialen Situation der Juden im Spätmittelalter und früher Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 245 (1987), 545-599; A. Herzig, Jüdische Geschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 22002, 38 sqq. Cf. Herzig, Geschichte (nt. 17), 44-51. Cf. Lotter, Judenverfolgung (nt. 16), 420. Zur Geschichte der Juden in Frankreich cf. W. Ch. Jordan, The French Monarchy and the Jews. From Philip Augustus to the Last Capetians, Philadelphia 1989; zu den Hintergründen der Vertreibung von 1306 cf. id., Administering Expulsion in 1306, in: Jewish Studies Quarterly 15 (2008), 241-250.
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Lage der Juden in politischer und ökonomischer Hinsicht. In den Jahren 1299 und 1303 verbot ihnen König Philipp IV. (1285-1315) das Darlehen- und Pfandgeschäft, das bis dahin die wichtigste Einnahmequellen für die Juden gewesen war. Ebenso war die Ausübung der Religion durch die Talmudverbrennungen von 1242 und 1248 wesentlich behindert worden und konnte sich bis zum Ende des 13. Jahrhunderts nicht mehr erholen. Der geringe Spielraum, der noch verblieben war, wurde von christlichen Amtsträgern reglementiert und kontrolliert. Die Stigmatisierung und Dämonisierung der Juden als religiöser Minderheitengruppe war besonders auf Betreiben der Dominikaner weit fortgeschritten. Da der König angesichts der Konzentration anderer staatlicher Kräfte auf die Steuerkraft der Juden nicht mehr in gleichem Maße wie frühere Herrscher angewiesen war und sich durch eine einmalige Vermögenskonfiskation mehr erhoffen konnte, entschloß er sich schließlich zur Ausweisung der gesamten Judenschaft. Am 22. Juli 1306 ließ er die vermögenderen Juden des Landes festsetzen, um ihnen die Ausweisungsorder zu verkündigen. Alle Juden der Krondomäne und der abhängigen Feudalherrschaften einschließlich des Herzogtums Burgund sollten binnen Monatsfrist ihren bisherigen Wohnsitz unter Zurücklassung ihrer Habe verlassen. Die verbannten Juden fanden einen Zufluchtsort in dem Gebiete des heutigen Belgien, Deutschland, Italien und Spanien. Der Nachfolger Philipps, Ludwig X. (1314-16), hob zwar 1315 die Ausweisungsverfügung wieder auf, doch war die Zerstörung der alten Judengemeinden nicht mehr rückgängig zu machen. III. Die Situation im Jahre 1308 Auch wenn keine Informationen für das Jahr 1308 direkt verfügbar sind, kann man aus dem zuvor Genannten einige Schlüsse ziehen: Zum einen erfolgte die Eingliederung der aus England und Frankreich vertriebenen Juden, die die jüdischen Gemeinden vor nicht unbedeutenden Herausforderungen stellte, denn zum einen bedeuteten Neuzugänge in jüdischen Gemeinden Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Landesherren, die einen solchen Zuzug genehmigen mußten, das heißt, es war notwendig, dem jeweiligen Landesherrn einen solchen Zuzug durch finanzielle Anreize attraktiv zu machen. Zum anderen hatten die Verfolgungen zum Ende des 13. Jahrhunderts dafür gesorgt, daß die Gemeinden Süddeutschlands nicht nur personelle und materielle Verluste erlitten hatten, sondern sich aktiv ihrem Wiederaufbau widmen mußten. Zugleich mußten die Juden weiterhin ihren Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser nachkommen, das heißt, sie mußten Abgaben für ihren Schutz leisten, gleichgültig ob dieser griff oder nicht. Diese Abgaben spielen speziell im Jahre 1308 eine besondere Rolle, da sich das Reich wieder in der Situation befand, nach dem Tode Albrechts von Habsburg einen neuen Herrscher finden zu müssen. Um die Wahl für sich zu entscheiden, setzten einige Kandidaten die Juden
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als Faustpfand ein, indem sie die Steuereinkünfte auf andere Fürsten übertrugen, um ihre Gunst zu erhalten 21. Ein Beispiel findet sich in den Regesten des Erzbischofs von Köln, der die Juden Dortmunds verpfändet bekam, weil man sich seine Stimme sichern wollte 22. Somit zeigt sich die Situation der Juden in Aschkenas, die als Verfügungsmasse der Herrscher vor allem ihren steuerlichen Interessen dienen mußten und zugleich immer wieder in Gefahr gerieten, Opfer von Kräften zu werden, die sich gegen den Kaiser richteten und dabei die Juden als Mittel zum Zweck nutzten, ihre Ablehnung gewaltsam zu zeigen, zumal die politisch motivierte Gegnerschaft durch religiöse Aussagen und Motive noch zusätzlich eine größere Attraktivität gewinnen konnte. Das Verhältnis zwischen Juden und Christen verschlechterte sich weiter, zum einen wurde die wirtschaftliche Notwendigkeit der Existenz jüdischer Gemeinden durch immer exzessivere Besteuerung verringert, zum anderen traten neue Elemente der Frömmigkeit in Erscheinung, die sich leicht in antijüdische Ausschreitungen überführen ließen. Auch das Vertrauen der Juden in die christliche Oberherrschaft wurde wie bereits nach den Verfolgungen von 1096 weiter erschüttert. Die durchaus auch als Konsequenz der Kreuzzugsverfolgungen konstruierte Kammerknechtschaft erwies sich nur bedingt als Schutz, machte jedoch die Juden zugleich zur Zielscheibe der Unzufriedenheit über den Kaiser. Somit stellt das Jahr 1308 ein typisches Jahr in der Entwicklung zur großen Katastrophe von 1348-50 dar: Es blieb zwar weitgehend ruhig, doch es erfolgte auch keine Wende zum Besseren, auch wenn es durchaus ein Jahr des Wachstums war, wie beispielsweise das Kölner Judenschreinsbuch bezeugt 23.
IV. Ausblick: Die Ereignisse von 1348-50 Wenn man nach den Ursachen für die Verfolgungen von 1348-50 sucht, stößt man auf zwei Faktoren 24: Zum einen herrschte im Heiligen Römischen Reich durch die Streitigkeiten zwischen Ludwig dem Bayern und Karl von Luxemburg eine gewisse Rechtsunsicherheit, die auch nach dem Erfolg Karls andauern sollte. Zum anderen führte eine bis dahin nicht gekannte Pestepidemie, die ganz Europa betraf, zu den Vorwürfen der Brunnenvergiftung gegen die 21 22 23
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Cf. S. W. Baron, A Social and Religious History of the Jews, vol. 9, Philadelphia 21965, 155. Cf. W. Kisky, Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, vol. 4, Bonn 1915, no. 380. Cf. M. Stern/R. Hoeniger (eds.), Das Judenschreinsbuch der Laurenzpfarre zu Köln, Berlin 1888, 117-122. Zum Hintergrund des Schreinsbuchs cf. M. Groten, Die mittelalterliche jüdische Gemeinde von Köln und das Schreinswesen des Kirchspiels St. Laurenz, in: M. Grübel/ G. Mölich (eds.), Jüdisches Leben im Rheinland. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln 2005, 28-45. Weiterhin die beste Darstellung der Ereignisse dieser Zeit findet sich bei F. Graus, Pest Geißler - Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 1987, 155-389.
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Juden. Dieser Vorwurf war nicht ganz neu 25. Bereits im Jahre 1267 hatten die Konzilien in Breslau und Wien den Christen verboten, Lebensmittel bei den Juden zu kaufen, da diese vergiftet seien. Im Jahre 1321 war in Südfrankreich der Vorwurf aufgetaucht, daß Aussätzige im Auftrag von arabischen Fürsten und unter Vermittlung von einheimischen Juden Brunnen vergifteten. Das Besondere an den Unruhen von 1348-50, denen rund 300 Gemeinden zum Opfer fielen, war, daß sie nicht einmal den Anschein eines religiösen Aufruhrs besaßen, sondern sich ganz konkret aus diesem einen Vorwurf speisten. Damit unterschieden sich diese Ausschreitungen grundsätzlich von den früheren. V. Zusammenfassung Das Jahr 1308 ist lediglich ein Jahr innerhalb eines größeren Zeitraumes, in dem sich die ständige Verschlechterung der Situation der Juden West- und Mitteleuropas vollzog. Die Zahl der Verfolgungen und Vertreibungen nahm beständig zu, während es zu einer Verschiebung der Begründungen für diese Zwangsmaßnahmen kam. Während für den Rintfleischaufstand noch wenigstens zum Schein der Vorwurf des Hostienfrevels herhalten mußte, hatten sich die Ereignisse in der Mitte des 13. Jahrhunderts von religiösen Begründungen gelöst. Oder anders formuliert, die religiös geprägten Stereotype hatten sich soweit im Denken der Christen festgesetzt, daß sie auch ohne einen religiösen Bezug funktionierten. Eine eigene Qualität in der Geschichte sowohl der Juden als auch der jüdisch-christlichen Beziehungen, die über andere Jahre hinausginge, besitzt das Jahr 1308 nicht. Es war ein ganz normales Jahr, indem nicht viel passierte.
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Zum Vorwurf der Brunnenvergiftung, seinem Entstehen und seinen Folgen cf. Graus, op. cit., 299-334.
Scotus’s Legacy Giorgio Pini (New York) Scotus died in Cologne on November 8th, 1308, according to the now lost register of deaths of the Cologne Franciscan convent 1. Since he is usually thought to have left Paris and reached Cologne in time to start classes in the fall of 1307, at the moment of his death he had served as the principal lector of the Franciscan studium for scarcely more than one year 2. There is a tradition according to which Scotus left for Cologne at a short notice from the Franciscan general minister 3. This tradition is not confirmed, but for some reason scholars have been willing to find an explanation for Scotus’s move from Paris to Cologne. It has been hypothesized that he was sent to Cologne in order to fight 1
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The usually reliable Istrian Scotist, Matthew Ferkic (Matthaeus Ferchius), states that in 1619 he saw that document still in the archive of the Franciscan convent in Cologne. Cf. Matthaeus Ferchius, Apologiae pro Ioanne Duns Scoto, Bononiae 1620, Apologia I, 6; Apologia II, 13; cf. also R. Zavalloni, Giovanni Duns Scoto. Maestro di vita e pensiero, Santa Maria degli Angeli 1993, 25 sq. On Scotus’s life, cf. in general A. B. Wolter, Reflections on the Life and Works of Scotus, in: The American Catholic Philosophical Quarterly 1993 (47), 1-36; T. Williams, The Life and Works of John Duns Scotus, in: id. (ed.), The Cambridge Companion to Duns Scotus, Cambridge 2003, 1-14. It is usually thought that Scotus must have left Paris by the time Alexander of Alessandria succeeded him as the Franciscan regent master. Since Alexander is mentioned as a regent master in a document dated October 25th, 1307, he must have occupied his new position since the beginning of the academic year, i.e. September 14th, 1307. Cf. A. Callebaut, La maıˆtrise du Bx. Jean Duns Scot en 1305: son de´part de Paris en 1307 durant la pre´paration du proce`s contre les Templiers, in: Archivum franciscanum historicum 21 (1928), 206-239, especially 215. As a matter of fact, it was not at all uncommon for masters to stay in Paris some time after their regency. But the fact that Scotus is mentioned as lector in Cologne on February 20th, 1307 (cf. nt. 4) makes it likely that he must have left Paris in time to start the new academic year in Cologne. Classes in the Franciscan studia started on St. Francis feast day, i.e. October 4th. Cf. M. Brlek, De evolutione iuridica studiorum in ordine minorum. Ab initio ordinis usque ad an. 1517, Dubrovnik 1942, 27. Cf. Guillelmus de Vorillong, Super IV libros Sententiarum, Venetiis 1496, l. 2, d. 44, q. 1, fol. 161va: „Narratur de Doctore Subtili qui in Prato clericorum, visa Generali Ministri obedientia, dum actu Regens esset in scholis Parisiensibus, aut pauca aut nulla de rebus habita dispositione, Parisiis exivit ut Coloniam iret, secundum Ministri sententiam.“ This tradition is quite late, as Vorillong’s commentary dates from 1430. Cf. Callebaut, La maıˆtrise (nt. 2), 231. The lector of a studium generale was nominated by the minister general in a General Chapter with the advice of the masters who were present or, outside a General Chapter, with the help of a committee of ten friars chosen by the minister himself and the custodes of the Province and Custody to which the lector should be assigned, cf. Brlek, De evolutione (nt. 2), 85.
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against the Beghards 4. Alternatively, it has been argued that Scotus was hastily removed from Paris because of the dangers to which his alleged opposition to Philip the Fair and his clan exposed him during the Templar affair 5. As a matter of fact, there is no evidence in support of either hypothesis. The truth is that there is probably nothing to explain about Scotus’s departure for Cologne. It was common practice in the mendicant orders to move teachers from one studium to another 6. Scotus’s Paris regency as a theology master lasted two years from the fall of 1305 to the spring of 1307. Regencies tended to be short in an order crowded with good candidates and eager to have as many people as possible to obtain the title of theology master. After two years as master in the Paris theology faculty, Scotus was now ready to take over another task. What could not have been expected was that Scotus would die merely one year after going to Cologne. In this paper, I will consider what Scotus left behind in 1308 - what I call his ,legacy‘. This legacy is both intellectual and material. From the intellectual point of view, we are faced with the philosophical and theological achievement of an exceptional mind. From the material point of view, we have to cope with the disordered mass of his writings. In what follows, I will take into account both aspects of this legacy. My intention is to stress the role that several members of the Franciscan order played in the transformation of this controversial and problematic legacy into one of the most successful schools of thought of the later Middle Ages - one that was destined to last well into the modern era. How did this spectacular result take place? In order to provide at least a preliminary answer to this question, we should distinguish four aspects. First, we should consider Scotus’s legacy - the works and ideas he left behind at the moment of his death. Second, we should consider what was done with this legacy, more specifically we should focus on the work of copying and editing to which Scotus’s works were subjected in the years following his death. Third, we should consider the role that Scotus’s own students played in the process of making their master’s teachings accepted in the Franciscan studia. Fourth, we should consider what became of Scotus’s legacy after this work of revision. Accordingly, this paper is divided into four parts. First, I consider Scotus’s philosophical and theological output, i. e. what he left behind at the moment of his death. Second, I turn to the fate of his works and manuscripts. Third, I focus on Scotus’s direct students and on their role in the diffusion of their master’s writings and doctrines in the Franciscan studia. Fourth and finally, I illustrate the process of transition from Scotus to Scotism by contrasting, on the one hand, Scotus’s treatment of the doctrines of the subject matter of metaphysics and of the univocity of being and, on the other hand, the treatments that his student, Antonius Andreae, gave of the same issues. 4
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Cf. W. Lampen, B. Johannes Duns Scotus, lector coloniensis, in: Collectanea franciscana neederlandica 2 (1931), 291-305, especially 298 sq. Cf. Callebaut, La maıˆtrise (nt. 2), 217-239. Cf. Wolter, Reflections on the Life (nt. 1), 13.
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I. Scotus’s career may be divided into three stages: Oxford (until 1302), Paris (from 1302 to 1307, with an interruption between 1303 and 1304), and Cologne (from 1307 to 1308). The hypothesis that Scotus may have stayed in Paris for four years from 1293 to 1297 is now usually rejected 7. At some point he may have stayed at Cambridge, but there seems to be no conclusive evidence about it. We can be virtually sure about what Scotus did at Oxford, where he stayed until 1302 8. After completing his philosophical training and probably while still studying theology, in the early 1290s Scotus must have played the role of lector logicae in the Oxford convent. In that capacity, he probably commented on Porphyry’s ,Isagoge‘ as well as on Aristotle’s ,Categories‘, ,De interpretatione‘ (on which he lectured twice) and ,Sophistical Refutations‘ 9. In those same years, Scotus may also have commented on the ,Topics‘, if the notabilia on this work attributed to him are to be considered as an authentic work, as it seems to be the case 10. These notabilia also offer evidence of some lectures on the ,Prior Analytics‘, now lost 11. Some years afterward, Scotus must have acted as lector philosophiae and lectured a first time on Aristotle’s ,Metaphysics‘. The first draft of his ,Questions on the Metaphysics‘, which can be reconstructed from the composite version we currently have, as well as his ,Notabilia super Metaphysicam‘ give us a fairly accurate idea of Scotus’s teaching at this time 12. Some time 7
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This hypothesis was put forward in Callebaut, Le bx. Jean Duns Scot (nt. 2). It was rejected in C. K. Brampton, Duns Scotus at Oxford, 1299-1301, in: Franciscan Studies 24 (1964), 5-20. Cf. also Wolter, Reflections on the Life (nt. 1), 9; W. J. Courtenay, Scotus at Paris, in: Via Scoti. Methodologica ad mentem Joannis Duns Scoti. Atti del Congresso Internazionale, Roma 9-11 marzo 1993, Rome 1995, 149-163. In a paper given at the Scotistic conference in Oxford in July 2008, William Courtenay has re-considered the possibility that Scotus may have stayed at Paris in the 1290s. If this were the case, Scotus may have commented on Aristotle during his first staying in Paris, while he was following the lectorate program in theology. In what follows, I do not develop on this hypothesis. Also, I do not take a position about Dumont’s hypothesis that Scotus may have been back in Oxford some time in 1305. Cf. S. D. Dumont, William of Ware, Richard of Conington and the Collationes Oxonienses of John Duns Scotus, in: L. Honnefelder/R. Wood/M. Dreyer (eds.), John Duns Scotus. Metaphysics and Ethics, Leiden-New York-Cologne 1996, 59-85, especially 84 sq. For a list of Scotus’s works, cf. C. Balic´, De Ordinatione I. Duns Scoti disquisitio historicocritica (from now on: Disquisitio), in: Ioannis Duns Scoti Opera omnia, vol. 1, Vatican City 1950, 141*-154*. These commentaries are published in Scotus’s Opera philosophica, vols. 1-2, St. Bonaventure (NY) 1999 and 2004. Cf. R. Andrews, The Notabilia Scoti in Libros Topicorum: An Assessment of Authenticity, in: Franciscan Studies 56 (1998), 65-75; G. Pini, Duns Scotus‘ Commentary on the Topics: New Light on His Philosophical Teaching, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen ˆ ge 66 (1999), 225-243. A Cf. Pini, Duns Scotus‘ Commentary (nt. 10), 243. Cf. the ,Introduction‘ to Scotus’s Opera philosophica, vol. 3, St. Bonaventure (NY) 1997, xxviii-xxxvii. On the different drafts of the ,Questions on the Metaphysics‘, see S. D. Dumont,
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after commenting on Aristotle’s ,Metaphysics‘ (or possibly roughly at the same time), Scotus commented on Peter Lombard’s ,Sentences‘ for the first time 13. The result of this first set of lectures on the ,Sentences‘, known as ,Lectura‘, would constitute the basis for a long process of revision, which was started at Oxford and would accompany Scotus all along his career to become his famous unfinished masterpiece, the ,Ordinatio‘ 14. Some time afterwards, probably in 1302, Scotus was sent to Paris with the prospect of being eventually promoted to the position of master of theology which would actually happen in 1305 15. He stayed there until his final move to Cologne in 1307, with a short interruption in 1303-04, when he had to leave Paris because of his refusal to sign an appeal in support of Philip the Fair’s call for a council against the pope, Boniface VIII 16. We are relatively well-informed concerning Scotus’s activity in Paris, both before and after his promotion. Before the short interruption in his Paris career and his promotion to master, he must have been busy most of his time with lecturing another time on the ,Sen-
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The Question on Individuation in Scotus’s Quaestiones super Metaphysicam, in: Via Scoti (nt. 7), 193-227; G. Pini, Univocity in Scotus’s Questions on the Metaphysics: The Solution to a Riddle, in: Medioevo 30 (2005), 69-110. On the ,Notabilia super Metaphysicam‘, cf. id., Notabilia Scoti super Metaphysicam: una testimonianza ritrovata dell’insegnamento di Duns Scoto sulla Metafisica, in: Archivum franciscanum historicum 89 (1996), 137-180. Cf. Scotus’s Opera omnia, vols. 16-21, Vatican City 1960-2003. Scotus’s first commentary on the ,Sentences‘, the so-called ,Lectura‘, is dated by its editors at 1300/01 (Editio Vaticana, vol. 19, 33*), but it is likely to have been carried out before that date, between 1297 and 1300. We only have Scotus’s commentary on the first three books. A ,Lectura‘ on the fourth book seems to have never existed, cf. A. B. Wolter, Reflections about Scotus’s Early Works, in: L. Honnefelder/R. Wood/M. Dreyer (eds.), John Duns Scotus. Metaphysics and Ethics, LeidenNew York-Cologne 1993, 37-57, especially 45. On the close link between several passages in the ,Lectura‘ and the ,Questions on the Metaphysics‘, cf. Prolegomena, in: Ioannis Duns Scoti Lectura in librum secundum Sententiarum (Opera omnia 9), Vatican City 1993, 41*-46*; L. Modric´, Rapporto tra la Lectura II e la Metafisica di G. Duns Scoto, in: Antonianum 42 (1987), 504-509; Wolter, Reflections about Scotus’s Early Works, 38 sq. With regard to the so-called ,Collationes Oxonienses‘, which have been thought to date from Scotus’s Oxford period, there are some doubts concerning their dating. Dumont has recently argued for a late date, i.e. between 1305 and Scotus’s death in 1308; he has also ventilated the possibility that Scotus may have been back in Oxford in 1305. As an alternative, Dumont suggests that these collationes may date from Scotus’s exile from Paris in 1303-04, cf. Dumont, William of Ware (nt. 7), 84 sq. On the Oxford collationes, cf. also C. Balic´, De collationibus Ioannis Duns Scoti, doctoris subtilis ac mariani, in: Bogoslovni Vestnik 9 (1929), 185-219; F. Pelster, Handschriftliches zur Überlieferung der Quaestiones super libros Metaphysicorum und der Collationes des Duns Scotus. 2. Die Collationes Parisienses und Oxonienses, in: Philosophisches Jahrbuch 44 (1931), 79-92; G. Alliney, The Treatise on the Human Will in the Collationes oxonienses Attributed to John Duns Scotus, in: Medioevo 30 (2005), 209-269. Cf. Callebaut, La maıˆtrise (nt. 2). Cf. E. Longpre´, Le B. Jean Duns Scot. Pour le Saint Sie`ge et contre le gallicanisme (25-28 juin 1303), in: La France Franciscaine 11 (1928), 137-162; W. J. Courtenay, The Parisian Franciscan Community in 1303, in: Franciscan Studies 53 (1993), 155-173. On the historical context, cf. id., Between Pope and King. The Parisian Letters of Adhesion of 1303, in: Speculum 71 (1996), 577-605.
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tences‘. There are several reportationes of his teaching in those years 17. There is also the possibility that at some point during his Parisian stay he acted again as a philosophy lector. In that capacity, he must have commented again on Aristotle’s ,Metaphysics‘, but possibly also on his logic, if we give credit to what his student, Antonius Andreae, claimed 18. Admittedly, the statutes established that the same person could not play the roles of both theology and philosophy lector in the same convent and at the same time 19. But Scotus may have acted in these two capacities at different times. Also, his function as bachelor in the theology faculty may have been separated from his function as lector in the Franciscan convent 20. In any case, it is very likely that the Franciscans did not miss a single opportunity to keep him as busy as possible. After his promotion to master of theology in 1305 (in one of the Quodlibetal sessions between Lent 1305 and Lent 1307), Scotus produced his great Parisian masterpiece, his ,Quodlibet‘ 21. If we have to judge from its extension and complexity, we may confidently conclude that the edited version - the one we have - must have been heavily revised and currently bears only a slight resemblance to what must have been the oral disputation. It is consequently very likely that Scotus spent a long time working on its revision. In addition to these works, Scotus also carried out another series of collationes in the Paris convent 22. And of course, Scotus must 17
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Cf. C. Balic´, Les commentaries de Jean Duns Scot sur les quatre livres des Sentences. E´tude historique et critique, Leuven 1924; Disquisitio (nt. 8), 149*. Cf. also K. Rodler, Die Prologe der Reportata Parisiensia des Johannes Duns Scotus: Untersuchungen zur Textüberlieferung und kritische Edition, Innsbruck 2005; John Duns Scotus, The Examined Report of the Paris Lectures. Reportatio 1-A, edd./trans. A. B. Wolter/O. Bychkov, vols. 1 and 2, St. Bonaventure 2004 and 2008. At the end of his commentary on Aristotle’s ,Categories‘, Antonius Andreae states that he is reporting the words of Scotus when he was teaching as a master (should we rather interpret, as a lector?), cf. Pamplona, Biblioteca de la Catedral, ms. 6, fol. 87rb, quoted in P. Sagüe´s Azcona, Apuntes para la historia del escotismo en Espan˜a en el siglo XIV, in: De doctrina I. Duns Scoti, vol. 4, Rome 1968, 3-19, especially 4: „Haec de dictis magistri fratris Ioannis Duns, natione Scoti, sedentis super cathedram magistralem, ut potui, colligens, in unum compilavi.“ Cf. also I. Va´zquez Janeiro, Rutas e hitos del escotismo primitivo en Espan˜a, in: Homo et Mundus. Acta Quinti Congressus Scotisiti Internationalis. Salamanticae, 21-26 septembris 1981, Rome 1984, 419-436, especially 434. But notice that Antonius Andreae may just be saying that he redacted his commentary on the ,Categories‘ when Duns Scotus was a regent master, whereas the material Antonius Andreae used for his redaction may have originated from what Scotus taught previously. Cf. the Strasbourg General Constitutions (1282), in: C. Cenci/R. G. Mailleux (eds.), Constitutiones Generales Ordinis Fratrum Minorum I (Seculum XIII), Grottaferrata 2007, 181: „Iura vero et philosophica in scolis theologie ab eodem lectore et eodem tempore non legantur, sed alibi et alias, ubi fuerit oportunum.“ On the distinction and relationships between the university and the studia system, cf. Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16), 157-165; B. Roest, A History of Franciscan Education (c. 1210-1517), Leiden-Boston-Cologne 2000, 87-97 as well as 11-20 (on the Paris studium). Cf. T. B. Noone/H. F. Roberts, John Duns Scotus’ Quodlibet, in: C. Schabel (ed.), Theological Quodlibeta in the Middle Ages: The Fourteenth Century, vol. 2, Leiden-Boston-Cologne 2007, 131-198. These are the so-called ,Collationes Parisienses‘. Cf. Balic´, De collationibus (nt. 14); Alliney, The Treatise (nt. 14), 209-216 .
Scotus’s Legacy
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have spent considerable time on the preparation of his ,Ordinatio‘ on the ,Sentences‘. Towards the end of 1307, Scotus was sent to Cologne as the principal lector of the Franciscan studium. He was at the peak of his intellectual powers. He had just produced a great masterpiece of scholastic thought - his ,Quodlibet‘. And from the many additions and revisions to his ,Ordinatio‘ and ,Questions on the Metaphysics‘ we are able to get a glimpse of the new and sometimes strange directions that his restless mind was taking. At Cologne, Scotus must have found a stimulating if possibly little group of students coming from different provinces 23. What did Scotus do during that year? We must admit that we do not have any positive information about Scotus’s activity in the last year of his life. Apart from the fact that he died there, the only piece of evidence that we have concerning his stay in Cologne is a document where he is listed among those who gathered there on February 20th, 1308, to give advice to the provincial minister, Gerardus de Pomerio, concerning the acquisition of a house to be destined to the Franciscans in the town of Roermond, currently in the Southeastern part of the Netherlands. The original document, kept by the Landes- und Stadtbibliothek of Düsseldorf, was destroyed during World War II, but in 1931 Willibrord Lampen edited it. In that document, Scotus appears as „lector“. As his name is followed by that of a certain Walter (Gualterus), who is described as „lector sententiarum“, we may infer that Scotus’s role was, not surprisingly, that of principal lector in the Cologne convent. As such, his functions were different from those of the secondary lector, who was charged with lecturing on the ,Sentences‘ 24. Concerning Scotus’s activity in Cologne, we should distinguish between, on the one hand, his actual teaching and, on the other hand, his work of revision of writings started elsewhere. As far as his teaching is concerned, we should notice that the main task of the principal lector was to comment on the Bible, but there is no extant commentary on the Bible by Scotus. Scotus may also have been carrying out other sorts of academic exercises for his students. Since some of his works are difficult to date, we may try to attribute them to the Cologne period. The ,De primo principio‘ may be a candidate 25. We do not know much about the dating of the 23
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On the Franciscan studium at Cologne as a studium generale, cf. W. Lampen, De fratribus minoribus in universitate Coloniensi, in: Archivum franciscanum historicum 23 (1930), 467-487; Brlek, De evolutione (nt. 2), 27; Roest, A History (nt. 20), 29. According to Lampen, the average number of friars in the Cologne convent was 60, even though on special occasions it seems that as many as 300 friars could occasionally be accomodated, cf. Lampen, op. cit., 470. As a consequence, the size of the Franciscan Cologne community was more or less one third of the Franciscan Paris community, which counted 173 residents in 1303, cf. Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16), 163. Only some of these residents would be lectorate students. Cf. Roest, A History (nt. 20), 123-137. Accordingly, we should rule out Balic´’s hypothesis that Scotus gave a new commentary on the ,Sentences‘ in Cologne, cf. Balic´, Les commentaires (nt. 17), 32. Johannes Duns Scotus, Tractatus de Primo Principio, ed. W. Kluxen, Darmstadt 31994. This treatise is usually thought to have been written after 1301-02.
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,Theoremata‘ 26. We must admit, however, that we lack any positive information about what Scotus taught at Cologne. As far as Scotus’s work of revision is concerned, we do not know whether Scotus took along his personal manuscripts or whether he left them in Paris (as the tradition of his hasty departure for Cologne may make us suppose) 27. If that was the case, Scotus may have been working on the definitive edition of his ,Ordinatio‘ and of his ,Questions on the Metaphysics‘. Both works, however, were never finished - either because of Scotus’s death or because of his move to Cologne (if he did not take his manuscripts with him). Now that we have quickly gone through Scotus’s career and production, we should ask: what remained of this activity at the moment of his death? We should distinguish two aspects of Scotus’s legacy in 1308. I will call the first aspect the intellectual legacy. By contrast, I will call the second aspect the material legacy. Let us briefly consider Scotus’s intellectual legacy. Scotus left behind controversial doctrines. The issues I am referring to are well-known to scholars. In metaphysics and the theory of cognition, we may recall the doctrine of the univocity of being and of the proper object of human understanding; the doctrine of essence and universals; the doctrine of individuation; the doctrine of the formal and modal distinction; the defense of the role of the intelligible species in abstractive cognition; the notion of objective being and its role in the mechanisms of cognition; and the doctrine of intuitive cognition. Most of these doctrines were elaborated in theological contexts, but they may be regarded as philosophical because of the important consequences they had from a philosophical point of view and because they were often discussed in philosophical contexts after Scotus’s death. If we move to the specific field of theology, Scotus left an original treatment of the Trinity as well as of the Hypostatic Union. We may add Scotus’s controversial treatment of the Immaculate Conception. And we should also mention his emphasis on the Anselmian distinction between the two affections of the will as well as his doctrine of natural law and divine commandments. Other theological issues that have been singled out as having a lasting influence on successive thought are the theory of divine acceptation and covenantal theology, his view of justification and the sacraments as well as his doctrine of predestination before foreseen merits or demerits 28. Most of these issues emerged as developments and corrections of other theologians’ views. Notably, Henry of Ghent played a major role in shaping Scotus’s doctrines, as both a source and a polemical target. In this respect, Scotus may indeed be described as a philosophers’ philosopher and a theologians’ theologian. It must be said of Scotus even more than of other later medieval thinkers 26 27
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Cf. Scotus’s Opera philosophica, vol. 2, St. Bonaventure (NY) 2004. Wolter suggests that Scotus left his autograph manuscript of the ,Ordinatio‘ in Paris, cf. Wolter, Reflections about Scotus’s Early Works (nt. 13), 39. Cf. W. J. Courtenay, Schools and Scholars in Fourteenth-Century England, Princeton 1987, 186.
Scotus’s Legacy
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that his teachings can be fully appreciated as a reaction to or a correction of the positions of those who preceded him. If we consider these issues - to which undoubtedly several others may be added -, we can confidently claim that things would never be the same after Scotus. But this does not mean that Scotus’s own ideas won over a large number of supporters, even among the Franciscans. At least in the first years after his death, his insights did attract attention but not always real sympathy. Even those who in the 1320s and 1330s adopted some of Scotus’s important doctrines spent considerable efforts to correct and improve on them. They also differed as to their precise interpretations 29. Let us now turn to Scouts’s material legacy. What about the works and the manuscripts in which Scotus’s ideas were preserved? Here we are faced with a peculiar situation. Among Scotus’s writings, the only great work that was almost ready for publication at the moment of his death was his ,Quodlibet‘. Scotus had managed to revise his ,Quodlibet‘ except for the last question (q. 21), which is only partially revised and preserved in its entirety only in a reported form 30. To the ,Quodlibet‘, we can possibly add the ,De primo principio‘ which however concerns only one specific aspect of theology, no matter how important, i. e. the demonstration of God’s existence. Apart from these works, there are Scotus’s youthful - and comparatively less remarkable - logical commentaries and his ,Theoremata‘, which is a work whose significance is very difficult to assess. Scotus’s other great theological masterpiece, the definitive version of his commentary on the ,Sentences‘, his famous ,Ordinatio‘, is just an unfinished torso. It contains many corrections, annotations and additions. As a result, it is full of inconsistencies, sometimes concerning very important issues. Many tensions are not solved. Similarly, Scotus’s great philosophical masterpiece, his ,Questions on the Metaphysics‘, was left unfinished. Scotus’s first draft - dating probably from the early 1290s - had been superseded by many additions and corrections. But the definitive version is nowhere to be found. The result is a very confused mixture of the old and the new. Some passages that reflect Scotus’s early ideas and are parallel to what we read in his logical commentaries are juxtaposed to 29
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See notably the controversy about how to interpret the univocal concept of being between William Alnwick and Petrus Thomae, cf. S. D. Dumont, The Univocity of the Concept of Being in the Fourteenth Century: I. John Duns Scotus and William Alnwick, in: Mediaeval Studies 49 (1987), 1-75; id., The Univocity of the Concept of Being in the Fourteenth Century: II. The De ente of Peter Thomae, in: Mediaeval Studies 50 (1988), 186-256. The first generation of Scotists took some effort to clarify several other notions, such as that of esse intelligibile, to which both William of Alnwick and Peter Thomae devoted specific sets of questions. Other topics that were being largely discussed were the notion of formality and distinction. This fact is reflected in the complicated manuscript tradition of the ,Quodlibet‘, cf. Noone/ Roberts, John Duns Scotus’s Quodlibet (nt. 21), 140-143; Wolter, Remarks on the Life (nt. 1), 13. Both Noone/Roberts and Wolter quote from a marginal annotation relative to the words „Tertium membrum“ (Vive`s, vol. 26, 337a, par. 6) in Munich, Bayerische Staatsbibliothek, ms. Clm 8717, fol. 85vb: „Finis. Quodlibet repertum in sui quaternis. Quod sequitur est de reportatione.“
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novel insights that are parallel to the latest developments that we can find in the additions to the ,Ordinatio‘ and in the ,Reportatio‘. This chaotic situation is reflected in the complicated textual history of the ,Questions on the Metaphysics‘. Several manuscripts contain some questions in a peculiar order. The very same question is sometimes organized in different ways in different manuscripts. From a doctrinal point of view, we should also notice that, within the very same question, Scotus sometimes defends contradictory views 31. Very often it is not at all easy to identify Scotus’s final opinion about the topic discussed. And this is true not just of minor points. Even Scotus’s treatment of topics as fundamental as the subject matter of metaphysics and the univocity of the concept of being is very problematic, to say the least 32. Scotus’s position on these issues appears to be in contradiction with what he said elsewhere, notably in his theological writings. All this is not the sign of a confused mind, but of a confused textual history, which in turn must be explained as the result of the existence of different drafts of the same work, from which different traditions probably stemmed. To the ,Questions on the Metaphysics‘, we should add Scotus’s own remarks on the text of Aristotle’s ,Metaphysics‘ - the so-called ,Notabilia super Metaphysicam‘, which are what remains of his expositio. These remarks are a precious document of Scotus’s teaching on Aristotle. But they are often so close to what Scotus actually said in the classroom that it is at times almost impossible to adapt them for a larger audience. Their extemporaneous character may have played some role in the fact that these notabilia were completely neglected by Scotus’s followers. Their fate may have been closely linked to the destiny of Scotus’s own library, of which we know almost nothing. Apart from one very partial fourteenth-century manuscript and another witness dating from the fifteenth century, the ,Notabilia super Metaphysicam‘ virtually disappeared and they were thought to be lost. Accordingly, they played no role in the history of Scotism 33. Accordingly, Scotus’s legacy can be described as little short of a failure. His doctrines - already quite complicated in themselves - were contained in works that are textually chaotic, where several drafts are added to one another and any coherent plan seems at times to be completely absent. If we compare Scotus’s legacy with that of other great masters of the 13th century, such as Thomas Aquinas, Henry of Ghent, Giles of Rome and Godfrey of Fontaines, the contrast cannot be stronger. If in 1308 a forecast had to be made, Scotus, for all his brilliance, would have looked as the least likely candidate for the role of the founder of a school with a large number of followers. His philosophical and theological output just seemed to be unfit for the studia system that the Franciscans had developed. 31 32 33
Cf. the ,Introduction‘ to Scotus’s Opera philosophica, vol. 3. Cf. Pini, Univocity (nt. 12). Cf. Pini, Una testimonianza (nt. 12).
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As we know, things went very differently. What happened? There is, of course, an easy answer to this question. Scotus’s genius was immediately apparent to his contemporaries. No matter what people thought of his arguments and teachings, it was clear that they were something to be reckoned with. Here, however, I would like to focus on a different aspect of this story. It is not surprising that Scotus attracted the attention of his peers in the theology faculty at both Oxford and Paris. What is more surprising is that he managed to penetrate the educational system of the Franciscans not just at the university level but also or rather especially in the numerically much more important lectorate program 34. It is here that we notice the beginning of the posthumous success of Scotus. Scotus had the singular fate of being what his order missed - a great master acquainted with the latest developments in theology and philosophy. Some adjustments had to be made in order to make Scotus into a suitable candidate for the role of intellectual guide of the order, but Scotus’s students seemed to have taken on themselves the task of carrying out these adjustments and of providing a suitable version of their master’s teachings. What Scotus did not personally achieve, his students did. It is all the more remarkable that this adjustment of Scotus to the needs of Franciscan education was carried out in the absence of any official decision coming from the order. Scotus is officially mentioned in the Franciscan statutes for the first time as the author to be followed when commenting the ,Sentences‘ only in 1500. Even then, the adoption of his teachings was not compulsory and other options were explicitly mentioned - notably, Alexander of Hales, Bonaventure, Francis of Meyronnes and Richard of Middleton. For it was acknowledged that Scotus was not good for everybody („non enim omnis ad acumina Scoti idoneus est“) 35. Well before that date, however, Scotus had already been recognized as the main intellectual guide of the Franciscans. In order to shed light on this aspect of Scotus’s posthumous success, we will have to take into account a specific aspect of his material legacy, i. e. the fate of his manuscripts. 34
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The lectorate program was a four-year program (shortened to three years in 1316 and to two years in 1325) which prepared the future teachers in custodial, provincial and non-degree general studia. It seems that at least two years in this program should have been spent in the studium generale of Paris. Only a few of the Franciscans who had completed the lectorate course and had spent some time as lectors (usually in their province of origin) may be selected to go back to Paris to pursue an academic career as bachelors and eventually masters in the theology faculty. After obtaining the bachelor and master degrees, these friars could be sent back as principal lectors to a studium generale. The lectorate and the university system should be kept separated, even though there were obviously many connections between them. Only the university granted the degrees of bachelor and master. Cf. Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16), 157-163; Roest, A History (nt. 20), 87-97. Constitutiones Alexandrinae V, 163s, quoted in Brlek, De evolutione (nt. 2), 92: „Et in studiis generalibus in quibus Sententiae leguntur, in toto trienno teneatur legisse […] quatuor libros Sententiarum, cum quaestionibus Doctoris subtilis aut alterius: puta Alexandri de Ales, Bonaventurae, Francisci Mayronis aut Richardi, prout cum auditoribus convenerint. Non enim omnis ad acumina Scoti idoneus est.“
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II. So let us now turn to the posthumous fate of Scotus’s own writings in the years immediately following his death. We have some evidence of a certain diffusion of Scotus’s writings in Paris 36. But it is not on the debates in the Parisian theology faculty that I would like to focus my attention. I think that a key factor to understand the success of Scotus’s teachings is the fate met by his manuscripts and works within the Franciscan order. When we consider the fate of Scotus’s manuscripts, we face another gap in our knowledge. We do not know what happened to Scotus’s autograph manuscripts after his death. Did he take them along when he moved to Cologne? Or did they stay back in Oxford and in Paris? We do not have any evidence concerning this important point, but it is not unlikely that Scotus left his autograph manuscripts in Paris when he moved to Cologne. The tradition of his hasty moving to his new destination would corroborate this possibility. What we do know is that, at the moment of Scotus’s death, his autograph manuscripts were not dispersed or neglected. Some of his students had access to them - notably, William of Alnwick and Peter Thomae 37. A possible scenario is that Scotus’s autograph manuscripts were kept in the library of the Franciscan convent in Paris, where Alnwick and Peter Thomae could consult them. Specifically, Alnwick played an important role in the first diffusion of Scotus’s works. He prepared the so-called ,Additiones magnae‘, which should be regarded as a compilation from various Parisian reportationes intended as a supplement to Scotus’s unfinished revision of his ,Ordinatio‘ 38. William of Alnwick may also have pos36
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Already in 1308, only a few months after Scotus had left Paris, Jean de Pouilly referred in a very hostile way to his teachings on the Immaculate Conception, cf. Callebaut, La maıˆtrise (nt. 2), 230. But since Jean of Pouilly carefully revised his ,Quodlibeta‘ for publication, there is the possibility that this reference was added after the actual disputation. On Jean de Pouilly’s ,Quodlibeta‘, cf. L. Hödl, The Quodlibeta of John of Pouilly (d. ca. 1328) and the Philosophical and Theological Debates at Paris 1307-1312, in: Schabel (ed.), Theological Quodlibeta, vol. 2 (nt. 21), 199-229. Cf. nt. 56 on Peter Thomae; on William of Alnwick, cf. Ledoux’s introduction to Guillelmi de Alnwick Quaestiones disputatae de esse intelligibili et de quodlibet, ed. A. Ledoux, Quaracchi 1937, ix-xlvi. On Alnwick’s role in the history of the manuscript tradition of the ,Ordinatio‘ and on the possibility that some manuscripts derive from his own copy of the ,Ordinatio‘, cf. Adnotationes ad nonnullas quaestiones circa Ordinationem I. Duns Scoti, in: I. Duns Scoti Opera omnia, vol. 6, Vatican City 1956, 44*, nt. 1; Dumont, The Univocity (nt. 29), 2, nt. 3. In what follows, I use the expression „Scotus’s autograph manuscripts“ to refer to Scotus’s own originalia of his works. According to the practice common among later medieval masters, these manuscripts were probably for the most part not written but dictated by Scotus to his secretary or secretaries. Scotus, however, must have added some passages by his own hand („de manu sua“) to the dictated version, according to what we know from several marginal notes to his works as well as from the testimony of those who actually saw those manuscripts (e. g., Peter Thomae). Cf. Prolegomena, in: I. Duns Scoti Opera omnia, vol. 10, Vatican City 2007, 77* sqq.
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sessed a copy of Scotus’s autograph manuscript of the unfinished ,Ordinatio‘, the so-called ,liber Duns‘. The story of the manuscript diffusion of Scotus’s works must still be written. Here I would like to mention only a famous case, that of Scotus’s ,Ordinatio‘. The most successful part of this work was the first book, which had an extraordinary diffusion (103 manuscripts) 39. Even though its diffusion is quite inferior to that of Thomas Aquinas’s ,Summa theologiae‘ (213 manuscripts) and ,Summa contra gentiles‘ (182 manuscripts in addition to Aquinas’s autograph manuscript) 40, we should notice that one of the masterpieces of scholastic thought, Henry of Ghent’s ,Summa quaestionum ordinariarum‘, is now preserved in 18 manuscripts - and this should be considered as a very remarkable success 41. As I have mentioned, Scotus left his theological masterpiece unfinished. So, at the moment of his death, his fellow friars were probably faced with an autograph manuscript (the so-called ,liber Duns‘) to which Scotus himself had attached several additions in the form of disconnected folios or scraps of parchment (the so-called cedulae) containing passages to be added in the relevant points of the original manuscript or to be substituted for other passages in the original manuscript. In the ,liber Duns‘, there were also several gaps. The most important ones are probably the entire d. 39 on the first book 42, dd. 15-25 on the second book 43 as well as dd. 18-25 on the third book 44, which were all missing from the ,liber Duns‘. What did the first Franciscans who were faced with this material do? According to the Commissio Scotistica, they copied everything together without paying attention to what was part of a first draft, what was added, what was cancelled and what was corrected. These first scribes also filled the gaps that they found in Scotus’s autograph manuscript using material coming from Scotus’s other sets of lectures 45. In a word, the first attempt was to complete what Scotus had left unfinished. But things did not stop there. For several manuscripts also testify to the attempt to register what was and what was not in Scotus’s autograph manuscript. The scribes of those manuscripts must have had direct or indirect access to 39
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There are extant 72 manuscripts of the second book, 60 of the third book and 79 of the fourth book. I take these data from Disquisitio (nt. 8), 9*-12*, 149*. Cf. Saint Thomas d’Aquin, Somme contre les Gentils, introduction par Rene´-Antoine Gauthier, s. l. 1993, 23. Cf. Henrici de Gandavo Summa (Quaestiones ordinariae). Art. XXXI-XXXIV (Opera omnia 27), ed. R. Macken, Leuven 1991, XVI. Cf. Disquisitio (nt. 8), 177* sq.; Adnotationes, Opera omnia, vol. 6 (nt. 37), 26*-30*. Cf. Prolegomena, Opera omnia, vol. 8, Vatican City 2002, 89*-92*; for a list of all the major gaps in the second book of the ,Ordinatio‘, cf. ibid., 84*-93*. Cf. Prolegomena, Opera omnia, vol. 10 (nt. 38), 42* sq. For a list of other passages in book III missing from Scotus’s autograph manuscript, cf. ibid., 46* sqq. Cf. Disquisitio (nt. 8), 177* sq.; Adnotationes, Opera omnia, vol. 6 (nt. 37), 26*-30*; Prolegomena, Opera omnia, vol. 10 (nt. 38), 76*.
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Scotus’s autograph manuscript, as they annotated in the margins what was marked as an addition, what was deleted, etc. in Scotus’s autograph manuscript or in copies made after Scotus’s autograph manuscript. For example, in the ms. Oxford, Merton College 66 there are many mentions of a „liber Alani“, which seems to have been a copy made after Scotus’s autograph manuscript 46. In the same Oxford manuscript there is also a mention of a passage found „in Reading’s quires“ („in quaterno Reding“) 47. Most probably, this is an allusion to a manuscript belonged to John of Reading, who read the ,Sentences‘ at Oxford during Alnwick’s regency in 1316 48. So Reading may have had access to Scotus’s autograph manuscript too, possibly through the copy belonging to Alnwick. By far the most spectacular attempt to reconstruct the original version of the ,Ordinatio‘ is the famous ms. Assisi, Biblioteca Comunale 137 (the so-called ,A manuscript‘). Some time in the 1320s, a scribe (or possibly a team of scribes) came in possession of the ,liber Duns‘ or of a faithful copy of it, and took it into account to carry out an impressive series of annotations and corrections to the ,Ordinatio‘ 49. Thanks to this conscious effort to reproduce Scotus’s autograph manuscript, we are now in a position to reconstruct large portions of the ,liber Duns‘, as well as to single out the additions that Scotus himself or his students made to it. The task of the Commissio Scotistica has been to give us the closest possible approximation to the original ,liber Duns‘. Unfortunately, the scribe did not always have the ,liber Duns‘ (or its copy) at his disposal. Notably, it seems that he had to interrupt his careful work of reproduction of Scotus’s autograph manuscript at ,Ordinatio‘ II, d. 2 (par. 485). From that point to the end of book II, he could not correct his text against Scotus’s autograph manuscript (or a copy of Scotus’s autograph manuscript) anymore 50. The situation is even more perplexing for the following parts of the ,Ordinatio‘. For it seems that the scribe had the ,liber Duns‘ again at his disposal when correcting ,Ordinatio‘ III up to d. 7. But from ,Ordinatio‘ III, d. 8 to the end of the third book (specifically, for ,Ordinatio‘ III, dd. 8-17 and dd. 26-49, as dd. 18-25 seemed to have been lacking from the ,liber Duns‘) he could not count on that exceptional source. Accordingly, he had to correct his text thanks to several other manuscripts 51. We have to wait for the next volumes of the Vatican editions to 46
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Cf. Disquisitio (nt. 8), 33* sq. Apart from the several mentions of a „liber Alani“, there is a remarkable reference to a quire copied from Scotus’s own autograph manuscript („in quaterno qui fuit scriptus post quaternum fratris Ioannis Duns“). Ibid. Cf. Courtenay, Schools and Scholars (nt. 28), 188. Cf. Disquisitio (nt. 8), 12*-28* as well as 259*-270* (for the work that the scribe of A actually carried out to produce his copy); for the annotations to the various versions of the ,Ordinatio‘, cf. ibid., 240*-258*; Wolter, Reflections about the Life (nt. 1), 26 sq. I wish to thank Loris Sturlese for discussing some of the material aspects of this tradition with me. Cf. Adnotationes in I. Duns Scoti Opera omnia, vol. 7, Vatican City 1973, 3*; Prolegomena, in: Opera omnia, vol. 8 (nt. 43), 4*, 5*, 67* sqq. Cf. also Wolter, Reflections about Scotus’s Early Works (nt. 13), 42. Cf. Prolegomena, in: Opera omnia X (nt. 38), 3*, 38* sqq.
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find out what happens in book IV. From Balic´’s description of ms. A, it seems that the scribe had again the ,liber Duns‘ at his disposal, at least for some portions of book IV 52. This attempt to reproduce Scotus’s autograph manuscript was probably carried out in Italy. It is still unclear how Scotus’s autograph manuscript (or a faithful copy of it) reached Italy and why this careful attempt to preserve Scotus’s autograph manuscript with all Scotus’s original additions and corrections was carried out. We should notice that in those very same years, William Alnwick was in Italy: he was certainly teaching in Bologna in 1321 and he participated in the General Chapter of Perugia in 1322 53. He probably had with himself, if not Scotus’s autograph manuscript, at least his copy of Scotus’s ,Ordinatio‘ with his annotations about what was and what was not „in libro Duns“. So it may be tempting to think that the scribe of the A manuscript could correct his own text of the ,Ordinatio‘ against Alnwick’s copy any time Alnwick’s copy was made available to him. But we should also notice that there is no positive evidence in support of this possibility. Specifically, it has been suggested that Alnwick’s copy of Scotus’s ,Ordinatio‘ was different from the manuscript against which the A manuscript was corrected 54. What is clear is that, at least for the first part of the A manuscript, this effort was remarkably successful. We can still distinguish the original draft from Scotus’s additions and revisions. Something very similar was carried out on Scotus’s manuscript containing the ,Questions on the Metaphysics‘, even though in that case Scotus’s autograph manuscript may have been copied several times in different moments and not just once. Scotus’s own deletions, additions and corrections are indicated in several manuscripts with great precision. Again, we should imagine that the scribes were faced with Scotus’s original manuscript as well as with the separated folios or scraps of parchment (cedulae) where Scotus had annotated his additions and corrections 55. Again, the attention with which this work was carried out is remarkable. The scribes wanted to reproduce as faithfully as possible the state of Scotus’s own original copy. Most of the manuscripts of the ,Questions on the Metaphysics‘ carrying indications of additions, corrections and deletions date
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Cf. Disquisitio (nt. 8), 24*-28*, and specifically the references to „in libro Duns“, „in cedulis“, „in libro Ioannis“. Cf. Ledoux, Praefatio, in: Guillelmi de Alnwick Quaestiones disputatae (nt. 37), XI-XII; C. Piana, Gli inizi e lo sviluppo dello Scotismo a Bologna e nella regione Romagnolo-Flaminia, in: Archivum franciscanum historicum 40 (1949), 49-80, especially 52 sq. For the suggestion that Alnwick played an important role in the diffusion of Scotus’s teachings in Italy, cf. Courtenay, Schools and Scholars (nt. 28), 188, nt. 53. This suggestion is based mainly on the fact that Alnwick refers to portions of the ,Ordinatio‘ that are missing from the A manuscript. Specifically, this is true of ,Ordinatio‘ I, d. 39 and ,Ordinatio‘ II, dd. 15-25. Cf. Prolegomena, in: Opera omnia, vol. 8 (nt. 43), 76*; Wolter, Reflections about Scotus’s Early Works (nt. 13), 43. On the meaning of the word cedula, cf. Disquisitio (nt. 8), 243* sq.
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from the first half of the fourteenth century. It is in that period that we must posit the conscious attempt to preserve Scotus’s legacy as faithfully as possible. Such an extent of attention for the textual condition of Scotus’s works is indeed remarkable, even though it is not at all unique in the history of manuscript tradition of scholastic writings. This attention for what Scotus actually wrote can also be noticed in several of his followers who wrote in the 1320s and 1330s. For example, Scotus’s follower, Peter Thomae, had clearly access to Scotus’s own writings. He did not hesitate to make reference to what Scotus wrote in his own hand („de manu sua“) and to Scotus’s cedulae 56. All these efforts seemed to have been part of a conscious attempt to make Scotus known in the Franciscan studia. There is also another aspect that I would like to consider in order to appreciate the fate of Scotus’s works in the Franciscan studia. In the years following Scotus’s death, several tools were prepared to make the access to his writings easier. Specifically, we still have several tables and abbreviations of Scotus’s works. A case in point is James of Ascoli’s ,Tabula‘ on Scotus’s works. This ,Tabula‘ is remarkably early, as James of Ascoli is usually thought to have been a student of Scotus in Paris 57. I would also like to mention William of Missali’s abbreviations of several of Scotus’s works, including his ,Quodlibet‘, his commentary on the ,Sentences‘ and his ,Questions on the Metaphysics‘ 58. These works were intended to help those who had to find their way in the confusing mass of Scotus’s works. They should be compared to the tools of the same kind that the Dominicans had already prepared or were preparing in those same years on the works of Thomas Aquinas 59. These tabulae and abbreviations were prepared without any official prompting coming from the Franciscan order. But we should not be misled by the absence of official decisions. Behind these efforts of making Scotus approachable we can detect a spontaneous attempt to make Scotus into the intellectual leader of 56
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Cf. Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 14 sq. Cf. the quotation from Petrus Thomae’s ,Quodlibet‘ (pars 1, q. 3, ed. E. Buytaert, St. Bonaventure 1957, 52-53): „Modus ponendi istud, videlicet rationes huiusmodi esse rationes obiectivae intellectus et voluntatis, est iste, innitendo dictis Scoti scriptis de manu sua.“ Cf. also ibid., 15 (from Petri Thomae De modis distinctionis, q. 8, Madrid, Bibl. Nac., ms. 1016, fol. 71b ): „Tertium est quod dicit [Scotus] in quadam cedula ubi loquitur de ista materia.“ Cf. the ,Introduction‘ to Scotus’s Opera philosophica, vol. 3, xxvii. James of Ascoli’s tabula is preserved in five manuscripts. On James of Ascoli, who was regent master in Paris in 1309 (or in 1310-11, according to Alliney), cf. Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16), 172, nt. 44; G. Alliney, La teoria scotiana della volonta`, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 16 (2005), 339-404, especially 358. On his tabula, cf. the ,Introduction‘ to Scotus’s Opera philosophica, vol. 3, xxvii. Cf. the ,Introduction‘ to Scotus’s Opera philosophica, vol. 3, xxviii; G. Pini, Sulla fortuna delle Quaestiones super Metaphysicam di Duns Scoto: le Quaestiones super Metaphysicam di Antonio Andrea, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 6 (1995), 281-361, especially 288 sq. Cf. M. Grabmann, Hilfsmittel des Thomasstudiums aus alter Zeit (Abbreviationes, Concordantiae, Tabulae), in: id., Mittelalterliches Geistesleben, vol. 2, Munich 1936, 424-489.
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the Franciscan order. For these tabulae and abbreviationes had a very specific purpose. Thanks to these tools, the initially unapproachable corpus of Scotus’s writings could penetrate the studia system of the Franciscans. It is the need of such a system that we should keep in mind when considering these tools.
III. So we should now ask: who were those friars who devoted their time to spread and teach Scotus’s writings in the Franciscan studia? It is at this point that we should focus our attention on Scotus’s own students 60. So far, no attempt has been made to establish the list of those who can be counted as Scotus’s direct students. In the light of the information in our possession, any attempt of this kind is probably premature. In recent years, however, much information has been acquired concerning the first followers of Scotus. Their names are well known. To limit ourselves to the Franciscans, we should mention John of Bassol, William of Alnwick, Peter Thomae, James of Ascoli, Alexander of Alessandria, Hugh of Novo Castro, Antonius Andreae, Peter of Navarre or de Atarrabı´a, Aufredo Gonteri Brito, Landulphus Caracciolo, Nicolas Bonet, William Rubio, Francis of Meyronnes and Peter of Aquila. Two less known Franciscans should be added to this list, i. e. Himbert of Garda (fl. ca. 1325) and Pastor of Serrescuderio (fl. 1333) 61. Sometimes the name of Francis 60
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On the beginning of Scotism in general, cf. C. Be´rube´, La premie`re e´cole scotiste, in: Z. Kaluza/ P. Vignaux (eds.), Preuves et raisons a` l’universite´ de Paris. Logique, ontologie et the´ologie au XIVe sie`cle, Paris 1984, 9-24; L. Honnefelder, Scotus und der Scotismus. Ein Beitrag zur Bedeutung der Schulbildung in der mittelalterlichen Philosophie, in: M. J. F. M. Hoenen/J. H. J. Schneider/G. Wieland (eds.), Philosophy and Learning. Universities in the Middle Ages, Leiden-New York-Cologne 1995, 249-262. Cf. C. Schabel, Early Franciscan Attacks on Scotus’s Doctrine of Divine Foreknowledge, in: M. Olszewski (ed.), What is „Theology“ in the Middle Ages? Religious Cultures of Europe (11th15th Centuries) as Reflected in Their Self-Understanding, Münster 2007, 301-328, especially 308, nt. 22. Schabel bases his list on these authors’ position on the issue of divine foreknowledge and corrects and expands on the previous list by Schwamm in H. Schwamm, Das göttliche Vorherwissen bei Duns Scotus und seinen ersten Anhängern, Innsbruck 1934. Cf. also C. Schabel, Theology at Paris, 1316-1345. Peter Auriol and the Problem of Divine Foreknowledge and Future Contingents, Aldershot 2000, 135-179. For some interesting remarks on the textual dependence of some of these authors on one another, cf. id., Haec Ille: Citation, Quotation, and Plagiarism in 14th Century Scholasticism, in: I. Taifacos (ed.), The Origins of European Scholarship. The Cyprus Millennium International Conference, Stuttgart 2005, 163-175, especially 166-170. I have not included in this list John of Ripa, who became master at Paris in 1354, because he is too late to be regarded as one of Scotus’s first followers. I take the opportunity for thanking Christopher Schabel for discussing with me the list of those who should be regarded as followers of Scotus and of those who should be regared as possible direct students of him. I am happy to acknowledge that Dr. Schabel suggested several improvements on my tentative list. The responsibility for the errors that may still be present in my attempt to reconstruct the list of Scotus’s first followers and students is of course entirely mine.
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of Marchia is added, but in the light of recent research it seems that he should not be considered as one of Scotus’s followers 62. It is far from being clear whether all these Franciscans attended Scotus’s classes, and if this is not the case, who actually did. Let us start with a remark. At Oxford, Scotus does not seem to have had followers among the Franciscans until Alnwick’s return to England in 1316 63. This does not mean that his teachings went unnoticed. One of Scotus’s first and most sympathetic followers is actually a secular, Henry of Harclay, who became master some time before 1312 (even though later in his career he moved away from several of Scotus’s positions) 64. Among the Oxford Dominicans, Thomas Sutton displayed some limited familiarity with Scotus’s teachings already around 1300, and in his later ,Quaestiones ordinariae‘ he took Scotus as the main target of his criticisms. Even though the ,Liber propugnatorius‘ (which is nothing else than a detailed criticism of Scotus’s commentary on the first book of the ,Sentences‘) should not be ascribed to Sutton 65, it seems that Sutton was indeed the author of a detailed criticism of the first half of Scotus’s ,Quodlibet‘ 66. Finally, among the Oxford Franciscans, there was awareness of Scotus’s teachings but no real sympathy for them. We may mention Richard Conington (whose period as a student at Oxford must have „nearly coincided“ with that of Scotus and who was master at Oxford ca. 1305-06) 67 and Robert Cowton (who lectured on the ,Sentences‘ at Oxford between 1303 and 1308) 68 as two Franciscans who knew and criticized Scotus before Alnwick’s return to Oxford. There is unfortunately no evidence about the identity of Scotus’s students in Cologne. So we must turn to Scotus’s stay in Paris to find the beginning of his success among the Franciscans. It was at Paris that the most talented Franciscans were supposed to spend four years in the lectorate program before being sent
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Cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 189-207. Cf. Courtenay, Schools and Scholars (nt. 28), 186 sq. Cf. ibid., 187; M. G. Henninger, Henry of Harclay, in: J. J. E. Gracia/T. B. Noone (eds.), A Companion to Philosophy in the Middle Ages, London 2003, 305-313. The ,Liber propugnatorius‘ was written between 1311 and 1323 by a ,Thomas Anglicus‘. Its attribution to Thomas Sutton is now generally rejected. Schabel has recently suggested that it may be the work of Thomas Wylton, cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 52 sqq.; R. Friedman, Domenican Quodlibetal Literature, ca. 1260-1330, in: Schabel (ed.), Theological Quodlibeta (nt. 21), vol. 2, 401-491, especially 425. Cf. Friedman, Domenican Quodlibetal literature (nt. 65), 425. This counter-Quodlibet has been edited: Thomas von Sutton, Contra Quodlibet Iohannis Duns Scoti, ed. J. Schneider, Munich 1978. Cf. S. Brown, Sources for Ockham’s Prologue to the Sentences, in: Franciscan Studies 26 (1966), 36-65, especially 51; Dumont, The Univocity II (nt. 29), 4, nt. 9; Dumont, William of Ware (nt. 7), 68 sq. Dumont documents the debate between Scotus and Conington in their discussion of Henry of Ghent’s doctrines on the Trinity. Cf. S. Brown, Robert Cowton, O.F.M. and the Analogy of the Concept of Being, in: Franciscan Studies 31 (1971), 5-40, especially 5 sq.; Dumont, The Univocity II (nt. 29).
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back to some custodial or provincial studium as lectors 69. They would probably start the lectorate program when they were about 21 to 23 years old 70. At Paris, those friars would receive a university level education and attend the classes given by Franciscan bachelors and masters, even though they would not, properly speaking, be enrolled in the theology faculty and would not receive a university degree. After completing their lectorate, they would be sent back to their province or somewhere else in order to teach. Only a few of them would eventually go back to Paris as lectors in the studium generale and pursue their university career as bachelors and finally masters. This characteristic of the Franciscan (and more in general, mendicant) educational system accounts for the fact that there seems to be a gap of a few years between Scotus’s activity as a teacher at Paris and the emergence of a generation of bachelors and masters directly influenced by his teachings (with the exception of James of Ascoli and Alexander of Alessandria, who seem to be older than the rest of Scotus’s students). This gap may sometimes extend to last even twenty years. It is actually striking that so many of Scotus’s direct students managed to be sent back to Paris and to lecture on the ,Sentences‘ there in the late 1310s, 1320s and 1330s 71. This allowed them to have an exceptional influence on the formation of the next generation of lectors and to shape the intellectual identity of the Franciscans for the years to come. An important document that we should take into account in order to reconstruct the list of Scotus’s direct students between 1302 and 1307 is the list of the Franciscans at the Paris convent who were asked to sign a petition in favor of Philip the Fair’s call for a council against the pope, Boniface VIII. This document is dated on June 24th/25th, 1303 72. Scotus was among those who refused to support the King and accordingly had to leave Paris within a few days. The fact that he had an assistant (socius) testifies to his position as a theology bachelor 73. In the same document, we also find the names of several friars who are usually taken to have been Scotus’s students: Aufredus Gonteri („ fr. Aufredus“, indicated as socius of the master Alan) 74, William Alnwick („ fr. Guiller69
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This is true at least around 1310. For the possibility that at some point the English Franciscans stopped sending their students to Paris, cf. Courtenay, Schools and Scholars (nt. 28), 148, 153. Notice, however, that Courtenay’s remark concerns students sent to Paris to read the Sentences to become masters of theology. It is not clear whether the same remark could be extended to the lectorate program. Cf. Roest, A History (nt. 20), 91. Schabel has given a tentative list of the Franciscans who lectured on the Sentences in the Paris convent after Peter Auriol (1316-18) in C. Schabel, Landulphus Caracciolo and a Sequax on ˆ ge 66 (1999), Divine Foreknowledge, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen A 299-343, especially 302. Cf. Longpre´, Le B. Jean Duns Scot (nt. 16); Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16). Cf. Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16), 170, nt. 39. Cf. ibid., 166, nt. 26.
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mus Anglicus“) 75, James of Ascoli („ fr. Jacobus“) 76, and Alexander of Alessandria („ fr. Alexandrinus“) 77. In the same document, there is also a mention of „ fr. Antonius“, who may be Antonius Andreae 78, as well as of „ fr. Petrus“, who might be Peter Thomae 79 (alternatively, we may think of Peter of Navarre or de Atarrabı´a). There is also a mention of „ fr. Henricus Alamannus“, who could be the same friar who made a reportatio of Scotus’s Parisian lectures 80. In the light of our current knowledge, I suggest the following tentative classification of Scotus’s first followers into four groups: (1) those who certainly attended Scotus’s classes at Paris; (2) those who are very likely to have attended Scotus’s classes at Paris; (3) those who may have attended Scotus’s classes at Paris, even though there is no conclusive evidence; (4) those who probably did not attend Scotus’s classes at Paris. The first group is constituted by the friars who certainly attended Scotus’s lectures on the ,Sentences‘ sometime between 1302 and 1304 (with an interruption of a few month in 1303-04). At least some of them may have also attended his classes as theology master between 1305 and 1307. In this group, I would put William of Alnwick, Antonius Andreae and Aufredo Gonteri. William of Alnwick, who played a key role in the first diffusion of his master’s teachings, probably lectured on the ,Sentences‘ at Paris ca. 1313-14. Afterwards, he was sent to Oxford, where he acted a regent master in 1315-16. He was back in Paris in 1316, and he may have taught there in 1316-17. He was then lector at Montpellier ca. 1318-20, then at Bologna in 1321. At some point he went to Naples, and was eventually made bishop of Giovinazzo in 1330. He died in 1333 81. Antonius Andreae lectured on logic, metaphysics and natural philosophy in the custody of Le´rida probably in the late 1310s and 1320s. He also lectured on the ,Sentences‘, probably in his province and there is no evidence of his 75 76 77 78 79
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Cf. ibid., nt. 28. Cf. ibid., 172, nt. 44. Cf. ibid., nt. 43. Cf. ibid., 171. Cf. ibid. Longpre´ suggested that Peter Thomae could be identified with Scotus’s „socius, fr. Thomas“; but this is unlikely because, as Va´zquez Janeiro remarked, all the friars in the 1303 list are mentioned by first name, but Thomas or Thomae is not Peter’s first name, cf. Longpre´, Le B. Jean Duns Scot (nt. 16), 150; Va´zquez Janeiro, Rutas e hitos (nt. 18), 427. But there is a Petrus in the list. Cf. Courtenay, The Parisian Franciscan Community (nt. 16), 171, nt. 40. On William of Alnwick, cf. Dumont, The Univocity (nt. 29), 2 sq., nt. 3; G. Alliney, Time and Soul in Fourteenth-Century Theology, Florence 2002, xi-xiii; W. O. Duba, Continental Franciscan Quodlibeta, in: Schabel, Theological Quodlibeta, vol. 2 (nt. 21), 569-649, especially 598. That William of Alnwick attended Scotus’s classes in Paris is what results from his explicit statement in Guillelmi de Alnwick Quaestiones disputatae (nt. 37), xxvi: „Ad primum istorum potest dici sicut respondet Scotus in Collatione illius quaestionis, ,An virtutes morales sint necessario connexae‘; ipse enim ore suo, me praesente et postea notante, sic respondebat […].“ Alnwick is referring to Scotus’s first collatio parisiensis: Dumont, William of Ware (nt. 7), 70, n. 27; Alliney, The Treatise (nt. 14), 210 sq., nt. 2.
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going back to Paris 82. Aufredo Gonteri, who lectured on the ,Sentences‘ in Barcelona in 1322, lectured again on the ,Sentences‘ in Paris in 1325 83. In the second group, i. e. those friars who are very likely to have attended Scotus’s classes, I suggest we should put James of Ascoli, Alexander of Alessandria, John of Bassol, Hugo de Novo Castro and Peter of Navarre or Atarrabı´a. James of Ascoli and Alexander of Alessandria must have been quite advanced in their studies when they attended Scotus’s lectures. Alexander of Alessandria was already bachelor in theology in November 1303 and he acted as regent master in Paris just after Scotus in 1307-08. He was eventually elected general minister of the Franciscans in June 1313 and died soon afterwards, in October 1314. James of Ascoli was probably regent master at Paris in 1309-11. These two Franciscans were probably only slightly younger than Scotus himself (Alexander of Alessandria was probably born around 1268, James of Ascoli was probably born around 1270). When Scotus was lecturing in the Paris convent, they must have been in their early- or mid-thirties. Consequently, they did not attend Scotus’s classes as lectorate students. As a matter of fact, Alexander of Alessandria was already a theology bachelor, and the same may be true for James of Ascoli as well. Their relationship with Scotus should be assimilated to that between a young professor and two advanced graduate students almost ready to become professors in their turn. They should be distinguished from the rest of Scotus’s students, who took Scotus’s classes as part of their lectorate program and who were actually formed by Scotus 84. John of Bassol, who prob82
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On Antonius Andreae, cf. Va´zquez Janeiro, Rutas e hitos (nt. 18); Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 3-6; C. Be´rube´, Antoine Andre´, te´moin et interpre`te de Scot, in: Antonianum 54 (1979), 386-446; M. Gensler, Antonius Andreae - The Faithful Pupil? Antonius Andreae’s Doctrine of Individuation, in: Mediaevalia philosophica Polonorum 31 (1992), 23-38; id., Catalogue of Works by or Ascribed to Antonius Andreae, in: Mediaevalia philosophica Polonorum 31 (1992), 147-155; id., The Making of a ,Doctor dulcifluus‘: Antonius Andreae and his Position in the Formation of Scotism, in: Annuari de la Societat Catalana de Filosofia 8 (1996), 57-67. Specifically on his expositio and quaestiones on Aristotle’s ,Metaphysics‘, cf. G. Pini, Una lettura scotista della „Metafisica“ di Aristotele: l’Expositio in libros Metaphysicorum di Antonio Andrea, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 2 (1991), 529-586; id., Sulla fortuna (nt. 58). Cf. also above, nt. 18 and below, nt. 101, for Antonius Andreae’s explicit claim that he attended Scotus’s lectures. On Aufredo Gonteri, see L. Amoro´s, Anfredo Gontero, O.F.M. Discı´pulo de Escoto y lector en el estudio general de Barcelona, in: Revista espan˜ola de teologı´a 1 (1941), 545-572; Dumont, The Univocity II (nt. 29), 194, nt. 34; Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 207-210; M. Rossini/ C. Schabel, Time and Eternity among the Early Scotists. Texts on Future Contingents by Alexander of Alessandria, Radulphus Brito, and Hugh of Novocastro, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 16 (2005), 237 sq., especially 282; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 621. Cf. also below, nt. 100, for Aufredo Gonteri’s explicit claim that he attended Scotus’s lectures. On Alexander of Alessandria, cf. R. Manselli, Bonino, Alessandro (Alessandro d’Alessandria), in: Dizionario biografico degli Italiani, vol. 12, Rome 1970, 226-229; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 579-580. On James of Ascoli, cf. P. Vian, Giacomo da Ascoli, in: Dizionario biografico degli Italiani, vol. 54, Rome 2000, 199-201; Alliney, La teoria (nt. 57), 358-360; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 591.
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ably lectured on the ,Sentences‘ in the studium of Reims in 1313, does not seem to have ever gone back to Paris, or at least there is no evidence that he became a theology master 85. Hugo de Novo Castro probably lectured on the ,Sentences‘ at Paris in the early 1310s 86. Peter of Navarre probably taught at the Barcelona studium generale both before and after he served as provincial minister in 131720 (he would serve as provincial minister of Aragon again in 1323-25). In 1325 he was mentioned as a „professor of theology“ and in 1328 he was again referred to as a „master of theology“ 87. In the third group, i. e. those who may have attended Scotus’s classes even though there is no conclusive evidence, I would put Peter Thomae, Landulphus Caracciolo, Nicolas Bonet and Peter of Aquila. Peter Thomae, who was lector in Barcelona in 1316-17, became master of theology at Paris by 1325 88. Landulphus Caracciolo lectured at Paris immediately after Auriol, in 1318-19 and started what Schabel called „a one-man crusade“ against Auriol 89. Nicolas Bonet and Peter of Aquila may have been the youngest in this group. Nicolas Bonet probably lectured on the ,Sentences‘ at Paris in the late 1320s and became a master of theology in 1333 90. Peter of Aquila was probably lector in Todi and l’Aquila in the 1320s and 1330s. He probably lectured on the ,Sentences‘ at Paris in 1337-38, after serving as provincial minister of Tuscany and before becoming inquisitor in Florence 91. 85
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On John of Bassol, cf. M. Pasieczik, John de Bassolis OFM, in: Franciscan Studies 13 (1953), 59-71; 14 (1954), 49-80; Courtenay, Schools and Scholars (nt. 28), 186; Alliney, La teoria (nt. 57), 372-380. John of Bassol may have gone back to Paris to become a master of medicine, for there is a mention of a John of Bassol master of medicine at Paris in a document of 1326. But it is far from being certain whether this was the same John of Bassol we are concerned with here. On Hugh of Novo Castro, cf. V. Heynck, Der Skotist Hugo de Novo Castro, OFM, in: Franziskanische Studien 43 (1961), 244-270; Courtenay, Schools and Scholars (nt. 28), 186; Rossini/ Schabel, Time and Eternity (nt. 84), 279; Alliney, La teoria (nt. 57), 351-356. On Peter of Navarre (or Atarrabı´a), cf. Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 7-13; Petri de Atarrabı´a sive de Navarra In Primum Sententiarum Scriptum, ed. P. Sagüe´s Azcona, 2 vols., Madrid 1974, vol. 1, 15* sq.; Va´zquez Janeiro, Rutas e hitos (nt. 18), 431 sq.; Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 172-175; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 625. He seems to have had first-hand knowledge of Scotus’s teaching, even though Va´zquez Janeiro thinks that this evidence is not conclusive. On Peter Thomae, cf. Petri Thomae Quodlibet, edd. M. R. Hooper/E. M. Buytaert, St. Bonaventure 1957; Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 13-19; Dumont, The Univocity II (nt. 29), 187, nt. 3; Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 173 sqq.; Duba, Continental Fransiscan Quodlibeta (nt. 81), 626. It is sometimes thought that the evidence for his studying under Scotus is not conclusive. On Landulphus Caracciolo, cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 138-147; Schabel, Landulphus Caracciolo (nt. 71); id., Landulphus Caracciolo, in: Gracia/Noone (eds.), A Companion to Philosophy (nt. 64), 409 sq. On Nicolas Bonet, cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 162-170; I. Mandrella, Metaphysik als Supertranszendental-Wissenschaft? Zum scotistischen Metaphysikentwurf des Nicolaus Bonetus, in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 75 (2008), 161-193. On Peter of Aquila, cf. A. Chiappini, Fra Pietro dell’Aquila „Scotello“ O. Min., celebre scolastico del Trecento (m. 1361), in: Miscellanea Francescana 61 (1961), 283-310; Schabel, Theology at
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The fourth group is constituted by Franciscans who, although usually associated with Scotus, almost certainly did not attend his classes in Paris. For one thing, these Franciscans were too young. As I have mentioned, a friar would be sent to Paris to start his lectorate studies when he was 21-23 years old. This should rule out the possibility of having been Scotus’s students for both Francis of Meyronnes (who was probably born ca. 1288, lectured on the ,Sentences‘ at Paris in 1320 and was promoted master in 1323 92) and Francis of Marchia, who was born ca. 1290, studied at Paris around 1310, lectured on the ,Sentences‘ there in 1319-20 and was promoted master of theology by 1325 93. These two Franciscans probably did not attend Scotus’s classes, but the classes of some of Scotus’s students. As to William of Rubio, he certainly was not Scotus’s student, as he studied at Paris acting as a reportator for Francis of Marchia 94. The same if true for Himbert of Garda and Pastor of Serrescuderio, who were followers and possibly students of Meyronnes 95. It is to the group of Scotus’s students in Paris that we owe the first diffusion of their teacher’s doctrines and writings in the Franciscan studia. When those young Franciscans started teaching as lectors, they did not forget what they had learnt. Some of these Franciscans eventually went back to Paris to lecture on the ,Sentences‘ and to obtain the title of theology master. The studium in the Paris convent probably played the major role in shaping the next generations of Franciscan intellectuals, as the students following the lectorate program at Paris would eventually go back to their province to teach other friars. In the 1310s, 1320s and 1330s, Scotus’s students played a major role in this process of forming the lectors for the provincial studia in their qualities of bachelors and masters
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Paris (nt. 61), 262 sqq. Again, the evidence in support of Peter of Aquila’s being a direct student of Scotus is late and not conclusive. For the dating of his lecturing on the ,Sentences‘, cf. Z. Kaluza, Serbi un sasso il nome: une inscription de San Gimignano et la rencontre entre Bernard d’Arezzo et Nicolas d’Autrecourt, in: B. Mojsisch/O. Pluta (eds.), Historia Philosophiae Medii Aevi, vol. 1, Amsterdam 1991, 437-466, especially 446, nt. 18. On Francis of Meyronnes, cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 149-155; R. Lambertini, Francis of Meyronnes, in: Gracia/Noone (eds.), A Companion to Philosophy (nt. 64), 256 sq.; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 609. Francis of Meyronnes is usually presented as a direct student of Scotus, cf. B. Roth, Franz von Mayronis O.F.M.: sein Leben, seine Werke, seine Lehre vom Formalunterschied in Gott, Werl 1936, 25 sq., and more recently H. Möhle, Formalitas und modus intrinsecus. Die Entwicklung der Scotischen Metaphysik bei Franciscus de Mayronis, Münster 2007, 25 sq. The evidence brought in support of this claim, however, is not conclusive, as it is quite late and in general it may be interpreted as supporting the perfectly uncontroversial claim that Francis of Meyronnes was a follower of Scotus, not that he actually attended his classes. On Francis of Marchia’s career, cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 189-207; R. Friedman/ C. Schabel, Francis of Marchia’s Commentary on the Sentences: Question List and State of Research, in: Mediaeval Studies 63 (2001), 31-106; R. Friedman, Francis of Marchia, in: Gracia/ Noone (eds.), A Companion to Philosophy (nt. 64), 254 sq.; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 600 sq. Cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 210-214; Duba, Continental Franciscan Quodlibeta (nt. 81), 628. Cf. Schabel, Theology at Paris (nt. 61), 155-158.
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in Paris 96. And the role of Scotus’s students in the Paris studium should not make us neglect that after being in Paris as students and before (and sometimes even after) being there as bachelors and masters, these very same Franciscans sometimes spent a considerable time as lectors in provincial studia. It is thanks to these people that Scotus’s doctrines left the university of Paris and penetrated the system of Franciscan education. In the Paris and Oxford theological faculties, philosophical and theological fashions were quick to be superseded. If we turn our attentions to the provincial studia, however, it seems that we can trace some continuity in the Scotistic tradition. This seems to be largely due to the groundbreaking role that Scotus’s direct students at Paris played in the diffusion of the teachings of their master. Sometimes, the works of these students reflect the teaching activity in a typical provincial studium. Both Peter of Aquila’s and Antonius Andreae’s commentaries on the ,Sentences‘ are basically abbreviations of Scotus’s own ,Ordinatio‘ 97. They are the sort of products that fit well with the needs of the lectorate program in a provincial studium (in the case of Peter of Aquila, it may have been Todi or l’Aquila; in the case of Antonius Andreae, it may have been Le´rida in the Aragon province). A prominent role among Scotus’s direct students was played by William of Alnwick. As I have mentioned, he was sent to Oxford as a master and it is probably thanks to him that Scotus’s teachings started being accepted and discussed among the English Franciscans. He may have also played an important role in the diffusion of Scotus’s works and teachings in Italy 98. A special mention should be made of the Franciscan studium in Barcelona, where several of Scotus’s students happened to be sent 99. Among them we find Aufredus Gonteri, Peter of Navarre and Peter Thomae. What is remarkable is the explicit commitment of these people to follow their teacher’s doctrine as far as possible in their activity as lectors. So for example, Aufredus Gonteri in 1322 read on the ,Sentences‘ in the studium of Barcelona „ad introductionem iuniorum“. In that work, he claimed that he tried to follow Scotus’s teachings as much as possible. He justified his decision by saying that he found Scotus’s doctrines „catholic and reasonable and less open to criticism“, which we should 96
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Cf. the list of lectors in the Paris Franciscan convent reconstructed by Schabel, Landulphus Caracciolo (nt. 71), 302. Cf. F. Petri de Aquila Comentaria in quatuor libros Sententiarum Magistri Petri Lombardi, ed. C. Paolini, 4 vols., Levanto 1907-1909. According to Chiappini, Peter of Aquila’s commentary is preserved in a manuscript dated 1334, so it precedes Peter’s teaching at Paris, which is dated at 1337-38. On Antonius Andreae’s commentary on the ,Sentences‘, cf. Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 5 sq.; Gensler, Catalogue (nt. 82). Cf. Ledoux, Praefatio in Guillelmi de Alnwick Quaestiones disputatae (nt. 37), XI-XII; Piana, Gli inizi (nt. 53), 52 sq. Cf. C. Schabel, The Franciscan Studium in Barcelona in the Fourteenth Century, paper read at the XV th Colloquium of the Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale: Philosophy and Theology in the Studia of the Religious Orders and at the Papal Court, Medieval Institute, University of Notre Dame, 8-11 October 2008.
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interpret as less open to criticism than those of other Franciscans, specifically Peter Auriol, with whom Aufredus was comparing Scotus there. Aufredus specified that this is true „for those who understand [Scotus’s doctrines] correctly“ 100. Similar statements can be found in the works of other lectors active in the same years. I have already mentioned Peter Thomae’s careful attention to find out and report Scotus’s precise opinions. Here I would like to add the name of Antonius Andreae. It is clear that Antonius Andreae had at his disposal several works of Scotus and that he intended to adapt them to the needs of the Franciscan students in the provincial schools. He repeatedly stated that in his works he merely intended to present Scotus’s teachings. Again, such a conscious attempt to create a Scotistic school is remarkable 101. Sometimes, these Franciscans seem to take over the task of defending Scotus against other positions, specifically some possible Franciscan competitors. Peter Auriol is a frequent target. For example, Peter Thomae described Auriol as a friend (amicus) to be criticized in a sweet way (dulciter), as opposed to enemies (such as Thomas Aquinas) to be criticized harshly 102. A more hostile attitude towards Auriol can be found in Landulphus Caracciolo, Aufredus Gonteri and Antonius Andreae 103. These authors took Peter Auriol into consideration as an opponent of Scotus and rejected his positions in favor of those of their master. 100
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Amoro´s, Anfredo Gontero (nt. 83). Cf. the quotation from his commentary on the second book of the ,Sentences‘, ibid., 550 (from Bratislava, Univerzitna´ knizˇnica, ms. I, fol. 309d): „Ego Amfredus Gonteri de Britania, Corisopitensis dyocesis, de ordine Fratrum Minorum, de provincia Turonie, lector baccalaurei anno Domini 1322, ex iussu superiorum meorum, ad instantiam scolarium, lecturam meam super secundum sententiarum, per modum cuiusdam reportationis et correctionis, ad introductionem iuniorum, volui communicare doctorum venerabilium, principaliter Iohannis Scoti, sacre theologie doctoris, vestigiis inherendo.“ Cf. also ibid., 551 (from Vatican City, Vat. Lat. 1113, fol. 7r ): „Modo 3 o adduco contra hanc conclusionem argumenta cuiusdam doctoris (in mg: P. Aureoli primo i. Supra) qui ubique nititur reprobare venerabilem doctorem fratrem Iohannem Scotum, quem pro posse quasi ubique sequor, quia ipsum diu audivi, et dicta eius catholica et rationabilia et minus calumpniabilia recte intelligentibus invenio.“ Cf. Antonius Andreae’s statements at the end of his ,Expositio super Metaphysicam‘, printed among Scotus’s works in Wadding’s and Vive`s’s editions of Scotus’s Opera omnia (Vive`s, vol. 6, 600): „Volo autem scire omnes litteram istam legentes, quod tam sententiando quam notando sequutus sum doctrinam illius subtilissimi et excellentissimi Doctoris, cuius fama et memoria in benedictione est, utpote qui sua sacra et profunda doctrina totum orbem adimplevit et facit resonare, scilicet Magistri Ioannis Duns, qui fuit natione Scotus, religione Minor.“ Cf. also Antonius Andreae’s statement at the end of his ,De tribus principiis‘, in: Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 4 (quoted from Pamplona, Bibl. de la Catedral, ms. 6, fol. 59 rb ): „Attende, lector qui legis, quod si quid bene dictum est in quaestionibus supra dictis, ab arte doctrinae scoticae processit, cuius vestigia, quantum potui et quantum ipsum capio sum sequutus. Si autem aliquid male dictum vel doctirnae praedictae contrarium reperis vel repugnans, meae imperitiae ascribe; quod si vero ibi tale aliquid continetur, nunc pro tunc revoco, tamquam dictum fuerit ignoranter, puta quod ignoraverim mentem Scoti.“ Cf. Sagüe´s Azcona, Apuntes (nt. 18), 18 (from Petri Thomae Sent., prol., q. 4, in: Vatican City, ms. Vat. Lat. 1106, fol. 344): „Circa secundam partem quaestionis, quae est de rerum inquisitione, sic est procendendum: nam in principio quaestionis disputabitur acriter contra adversarios, secundo dulciter ad amicos.“ On Caracciolo’s attitude towards Peter Auriol, cf. Schabel, Landulphus Caracciolo (nt. 71); on Gonteri’s reference to Peter Auriol, cf. Amoro´s, Anfredo Gontero (nt. 83), 551; on Antonius Andreae’s references to Peter Auriol, cf. Pini, Sulla fortuna (nt. 58), 281, nt. 1.
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Scotus’s role as the intellectual guide of the Franciscan order, even though not established by an official decision of the order, was clearly defended by his own students against the most formidable possible competitor.
IV. In order to illustrate the way Scotus’s works and teachings were transformed to satisfy the needs of the Franciscan studia, let me finally focus on the works of Antonius Andreae, who lectured in the custody of Le´rida in the 1310s and 1320s and died some time before 1333 104. His writings should be regarded as genuine editions of Scotus’s writings. But these editions were carried out according to very special criteria. Here we find an attitude opposite to the respect for Scotus’s own words and intentions that we have found in the scribe of manuscript A or in William of Alnwick and Peter Thomae. Antonius Andreae has no respect for what is found in Scotus’s own cedulae. By contrast, he subjected his master’s works to a complete re-elaboration. He wrote a complete Scotistic course in philosophy. He left commentaries on the Logica vetus and on the ,Metaphysics‘, to which we should add his ,Quaestiones de tribus principiis‘, which provided the basic elements of natural philosophy. He even wrote a commentary on the ,Sentences‘, which is just an abbreviatio of Scotus’s own commentary. Antonius Andreae’s works are part of a unitary program. They are intended to provide his students with a philosophical and theological course with a specific identity: a Scotistic identity. These writings were conceived as genuine textbooks for the Franciscan studia. All the difficulties and contradictions present in Scotus’s works are eliminated. All hints of an evolution or a change of mind on Scotus’s part disappear. As textbooks, Antonius Andreae’s works were extremely successful. They were so successful that they eventually replaced Scotus’s original works as the source for the Scotistic movement 105. Of course, there was some price to be paid in order to make Scotus palatable to a larger audience. Much of Scotus’s subtlety was lost. Scotus’s original context was lost as well, both theologically and philosophically. Scotus’s own doctrines were considered not as he developed them, i. e. in reaction to some specific positions of Henry of Ghent and other authors. Scotus’s doctrines became the identifying marks of a school. As such, they had sometimes very little in common with what they originally were. I would like to mention only two examples of this phenomenon, i. e. what happened to Scotus’s treatment of the subject 104 105
Cf. Va´zquez Janeiro, Rutas e hitos (nt. 18), 432-436. On Antonius Andreae’s success in the fifteenth century, cf. Va´zquez Janeiro, Rutas e hitos (nt. 18), 435; D. Riehl Leader, Philosophy at Oxford and Cambridge in the Fifteenth Century, in: History of Universities 4 (1984), 25-46.
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matter of metaphysics and of the univocity of being as found in his questions on the ,Metaphysics‘ 106. Scotus is famous for holding that the subject matter of metaphysics is being, which in turn is considered as a univocal concept. This means that the word ,being‘ has just one sense when said of substances and accidents as well as when said of God and creatures. Admittedly, substances and accidents and God and creatures are different kinds of beings, which are related to one another by a relation of dependence. But this relation is not part of the content of the meaning of the word ,being‘. When we say that Felix the cat is something or a being and that its ability to purr is also something or a being, we are admittedly speaking of two different kinds of things - a substance (Felix the cat) and an accident (its ability to purr). But we think of these two different kinds of things as beings in the same sense of the word ,being‘. This doctrine has sometimes been considered as the basis for a revolution in metaphysics. Thanks to his univocal concept of being, Scotus could finally get rid of the tension present in Aristotle and his followers between metaphysics as theology - i. e. as dealing with God and separate substances - and metaphysics as ontology - i. e. as dealing with being qua being. Scotus’s solution is definitely in favor of ontology or metaphysica generalis, as it will be called. Philosophical theology, i. e. the treatment of God and of separate substances, will become just a part of metaphysics in this general sense - what will be called metaphysica specialis 107. Scotus gave all the elements of this doctrine in his theological writings. There are some important remarks about this issue both in his ,Lectura‘ and ,Ordinatio‘ as well as in his ,Reportatio‘. But if we turn to his ,Questions on the Metaphysics‘, our expectations are disappointed. Scotus did devote the first question of book I to the issue of the subject matter of metaphysics. But it is far from being clear that he favored the solution with which he is usually associated. In that question, Scotus presented Averroes’s position in favor of metaphysics as theology as well as Avicenna’s position in favor of metaphysics as ontology. But Scotus criticized both positions. As a matter of fact, Scotus ended up defending a third position, according to which the subject matter of metaphysics is neither God nor being, but substance 108. 106
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108
Cf. Scotus, Quaestiones super Metaphysicam, I, q. 1, in: Ioannis Duns Scoti Quaestiones super libros Metaphysicorum, libri I-V, edd. R. Andrews [e. a.] (Opera philosophica 3), St. Bonaventure (NY) 1997, 15-72. Cf. A. Zimmermann, Ontologie oder Metaphysik? Die Diskussion über den Gegenstand der Metaphysik im 13. und 14. Jahrhundert, Leuven 21998, 294-329; L. Honnefelder, Ens inquantum ens. Der Begriff des Seienden als solchen als Gegenstand der Metaphysik nach der Lehre des Johannes Duns Scotus, Münster 1979. Scotus, Quaestiones super Metaphysicam (nt. 106), parr. 13-29 (Averroes’s position), parr. 3067 (against Averroes’s position), parr. 68-84 (Avicenna’s position), parr. 85-90 (against Avicenna’s position), parr. 91-96 (Scotus’s solution that substance is the subject matter of metaphysics). In a long addition at parr. 97-163, Scotus introduces and defends another solution, in favor of Averroes’s position that God is the subject matter of metaphysics. On this question,
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How did Scotus’s followers and students deal with this confusing situation? William Missali, in his abbreviation of the ,Questions on the Metaphysics‘, faithfully reported Scotus’s treatment. And he faithfully concluded that Scotus’s own position is that substance is the subject matter of metaphysics 109. By contrast, Antonius Andreae took a very different approach. In his reelaboration of Scotus’s question, any criticism of Avicenna’s position disappears. Scotus’s question is re-worked as an attack on Averroes. Large sections of Antonius Andreae’s question are taken from Scotus’s ,Ordinatio‘ to make the point that being is the subject matter of metaphysics and that being is a univocal concept (in a sense of ,univocal‘ peculiar to Antonius Andreae and quite different from what we find in Scotus himself, as we shall see). Substance is not even mentioned as a possible candidate for the role of subject matter of metaphysics 110. In other words, Antonius Andreae presents us with the Scotus we would expect. This „edited Scotus“ can now be safely taught in the schools. Another interesting and revealing example of the way Antonius Andreae dealt with his master’s teachings and writings concerns the famous doctrine of the univocity of being. We can reconstruct two redactions of the question on the ,Metaphysics‘ where Scotus discusses whether being is a univocal concept. In the first redaction, Scotus argued that being is equivocal according to a logical consideration, for the term ,being‘ has many meanings; he also held, however, that the term ,being‘ is analogical according to the natural or real philosopher, for in reality there are several kinds of beings linked by a relation of dependence on one another (e. g., accidents depend on substances). Later on, Scotus rejected this position and came to regard being as a univocal concept. Scotus’s famous arguments for the univocity of the concept of being are found in the various versions of his commentary on the ,Sentences‘. Possibly after commenting on the ,Sentences‘ for the first time, Scotus went back to his treatment of univocity in the ,Quaestiones super Metaphysicam‘ with the intention to prepare a second version of the question where he would have rejected his previous position and he would have argued that being is actually univocal according to a logical consideration and analogical according to a metaphysical consideration. Scotus, however, was never able to finish the second redaction of his ,Quaestiones super Metaphysicam‘, as we know. So what we have right now - and what his first followers were confronted with at the moment of his death - is a confusing mixture of the first draft and the additions that were supposed to form the basis for a second, definitive redaction 111. Even though Scotus changed his mind
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cf. D. Demange, Pourquoi Duns Scot a critique´ Avicenne, in: Giovanni Duns Scoto. Studi e ricerche nel VII centenario della sua morte, vol. 1, Rome 2008, 195-232. Cf. Guillemi de Missali Tabula super Questiones Metaphysice Scoti, in: Vatican City, ms. Vat. Lat. 889, fol. 43vab. Cf. Antonii Andreae Quaestiones super duodecim libros Metaphysice, Venetiis 1495, foll. 2ra5va. Cf. Zimmermann, Ontologie (nt. 107), 329-339. Cf. Duns Scotus, Quaestiones super Metaphysicam, IV (nt. 106), q. 1, 295-320. On the reconstruction of the two drafts of this question, cf. Pini, Univocity (nt. 12).
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about the univocity of the concept of being and this important change is reflected in the two drafts of the relevant question on the ,Metaphysics‘, there is, however, a constant feature all along his different treatment of this issue. Both when he rejected and when he afterwards came to accept the view that being is univocal, Scotus remained faithful to what has been identified as an Oxford tradition about analogy. According to this tradition, whose exponents were active in Oxford towards the end of the thirteenth century (e. g. William of Chelvestun and William of Bonkes), the fact that different kinds of being (i. e., the categories) are really linked among themselves by a relation of dependence has no bearing on the way the term ,being‘ signifies. Accordingly, the Oxford tradition rejected the semantic interpretation of the doctrine of the analogy of being, according to which the different meanings of the term ,being‘ are related to one another just as the real kinds of being are related to one another in the world. By contrast, the view that the real relation holding among different kinds of being is embedded in the meaning of the term ,being‘ was common at Paris towards the end of the thirteenth century. It is to this Parisian tradition that Thomas Aquinas gave his famous contribution. Scotus, however, came from a different tradition. So when Scotus spoke of analogy he did not refer to a semantic relation between the meanings of a term, for this semantic relation, according to Scotus, did not hold. By contrast, Scotus took ,analogy‘ to mean a real relation holding among kinds of things - and this relation has no parallel at the semantic level 112. Soon, however, any awareness of the distinction between an English and a Parisian tradition concerning analogy seemed to have disappeared among Scotus’s students at Paris. They were familiar with the Parisian tradition but knew probably nothing of the English tradition where Scotus had developed his ideas and to which he still belonged. Accordingly, Scotus’s first students had difficulties to understand their master’s claims that being is analogical from a real or metaphysical point of view but univocal (or, according to the young Scotus, equivocal) from a logical point of view. Antonius Andreae’s revision of Scotus’s question is indicative of his attitude towards his master’s writings and teachings. Faced with the juxtaposition of Scotus’s first draft and his successive additions, he opted for a radical re-writing of the original question. Any trace of Scotus’s original solution to the question favoring the equivocity of being disappeared. Instead, Antonius Andreae copies wholesale entire passages from Scotus’s ,Ordinatio‘ to present and defend the doctrine of the univocity of being. The result is a revised and strongly edited question, which has very little to do with Scotus’s original treatment of this 112
Cf. Duns Scotus, Quaestiones super Metaphysicam (nt. 106), IV, q. 1, n. 70, 315 sq. On the Oxford and Parisian tradition on univocity, cf. S. Donati, La discussione sull’unita` del concetto di ente nella tradizione di commento della „Fisica“: commenti parigini degli anni 1270-1325 ca., in: M. Pickave´ (ed.), Die Logik des Transzendentalen. Festschrift für Jan A. Aertsen zum 65. Geburstag, Berlin-New York 2003, 60-139; Pini, Univocity (nt. 12).
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issue 113. With regard to Scotus’s reference to a real and a logical consideration, Antonius Andreae is not aware of the philosophical context of Scotus’s distinction. He consequently tries to make sense of his master’s statements by distinguishing three kinds of univocity: physical, logical and metaphysical. First, Antonius Andreae defines physical univocity as the unity pertaining to a certain essence independently of any operation of the intellect. Only specific essences such as ,humanity‘ or ,horseness‘ are univocal in this sense, because they possess a certain unity independently of our thinking about them. By contrast, genera such as ,animality‘ are equivocal according to this first kind of univocity, as their unity depends to some extent on our thinking about them. Second, Antonius Andreae defines logical univocity as the unity of a reality or a first intention as conceived under one and the same logical concept. For example, the essence ,human being‘ is logically univocal when considered as a species, and the species ,human being‘ and ,horse‘ are logically univocal when considered as belonging to the same genus. Accordingly, two items that are logically univocal do not have to (even if they may) share any common essence, since this kind of univocity is bestowed by the intellect on the things it thinks about. Third and finally, Antonius Andreae defines metaphysical univocity as the unity pertaining to a concept abstracted by the intellect from several things, but only insofar as that concept is conceived without any logical concept attached to it. So for example the concept of being and the other so-called transcendental concepts (e. g., one and true) are univocal in this way, because they have a certain unity as concepts abstracted by the intellect, even though this unity is not the unity pertaining to one and the same essence. Accordingly, Antonius Andreae can order the three kinds of univocity into degrees, from the strongest and most real (i. e., physical univocity) to the weakest and less real (i. e., logical univocity) 114. Antonius Andreae’s point is that being, even though it is not one essence, nevertheless has a degree of unity which is more real and less mind-dependent than the unity pertaining to logical concepts such as ,genus‘ and ,species‘. If we consider Scotus’s sober distinction between a relation holding among kinds of things and a relation holding among meanings of a term we cannot help noticing that Antonius Andreae failed to render justice to his master’s position. Antonius Andreae’s hierarchy of degrees of univocity, if it makes any sense, does not have anything to do with Scotus’s sound claim. What has happened? As I mentioned, I think that we can explain Antonius Andreae’s curious distinction among types of univocity as a result of his being incapable of making sense of Scotus’s original background. Once any familiarity with the Oxford 113 114
Cf. Antonius Andreae, Quaestiones super Metaphysicam (nt. 110), IV, q. 1, foll. 16ra-17ra. Cf. ibid., fol. 16rb. Cf. S. D. Dumont, Transcendental Being: Scotus and Scotists, in: Topoi 11 (1992), 135-148, especially 140 sqq. Dumont also analyzes Peter of Navarre’s and Peter of Aquila’s position on univocity. Both these authors do not seem to be aware of the original context and correct interpretation of Scotus’s distinction between real and logical approach to the question of univocity.
Scotus’s Legacy
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tradition concerning analogy was lost, Scotus’s position must have become incomprehensible to his students, who only knew the Parisian tradition. The attempt to make some sense of what could not be understood anymore is what we find in Antonius Andreae’s position on univocity. Scotus’s teachings, reworked in such a radical way, were now ready to enter the Franciscan studia and to form the basis for the philosophical and theological formation of the friars. This is what actually happened. Antonius Andreae’s free rendition of his master’s teachings in his own ,Quaestiones super Metaphysicam‘ formed the basis of the Scotistic metaphysics taught for centuries as Scotus’s own. But this success came at some cost. Not only did Antonius Andreae suppress any trace of the opinions that Scotus held but subsequently discarded. Any mention of Scotus’s later developments is suppressed as well, if these developments were not in accordance with the standardized Scotus that Antonius Andreae was willing to propose. What we get is a version of Scotism that was good for the average Franciscan student but that was probably much less intellectually stimulating than the historical Scotus. At least until the late fifteenth century, and to a large extent even afterwards, however, it would be Antonius Andreae’s version of Scotus’s metaphysics that would triumph, first in the Franciscan studia and eventually in the universities of Europe.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart: Eine Debatte in Deutschland um 1308 Alessandra Beccarisi (Lecce) I. In den letzten zwanzig Jahren wurden Arbeiten veröffentlicht, die die Existenz einer unabhängigen Dominikanerschule in Deutschland in Frage gestellt haben und die mit großem Nachdruck auf die Differenzen zwischen der Lehre Eckharts und Dietrichs von Freiberg hinwiesen 1. In diesem Beitrag werde ich versuchen, eine bisher ziemlich unbeachtete Stimme zu dieser Debatte zu Wort kommen zu lassen. Es ist die Stimme eines Zeitzeugen - Johannes Picardi von Lichtenberg. Picardi war damals eine prominente intellektuelle Persönlichkeit: 1308 wurde er als Vikar der Dominikanerprovinz Teutonia eingesetzt und kurz danach in Antwerpen zum Provinzial gewählt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine ansehnliche Karriere hinter sich: Von 1303 bis 1305 war er Lesemeister im studium generale der Dominikaner und zudem zwischen 1304 und 1307 bacalaureus Parisiensis, ehe er im Juni 1310 durch das Generalkapitel von Piacenza von seinem Amt abberufen und als Lehrer nach Paris entsandt wurde, wo er sich am 3. November 1310 zum Magister der Theologie promovierte 2. Im Laufe seiner Karriere hat Picardi mit Sicherheit Dietrich von Freiberg getroffen und kennengelernt 3: Im Jahre 1303 nahmen die beiden als Provinzialdiffinitoren eine Grenzbestimmung zwischen den Konventen Rezt und Krems vor. Und als Picardi 1310 in Paris zum Magister der Theologie promoviert 1
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N. Largier, Die „deutsche Dominikanerschule“. Zur Problematik eines historiographischen Konzepts, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Geistesleben im 13. Jahrhundert (Miscellanea Mediaevalia 27), Berlin-New York 2000, 202-213; R. Mayer, Meister Eckharts erste Quaestio Parisiensis oder: Wie kann Gottes Vernehmen das fundamentum seines Seins sein?, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 54 (2007), 430-463. Zum Leben des Johannes Picardi von Lichtenberg cf. A. Landgraf, Johannes Picardi de Lichtenberg O. P. und seine Quaestiones disputatae, in: Zeitschrift für katholische Theologie 46 (1922), 510-555; M. Grabmann, Mittelalterliches Geistesleben. Abhandlungen zur Geschichte der Scholastik und Mystik, München 1926, XI: Forschungen zur Geschichte der ältesten deutschen Thomistenschule des Dominikanerordens, 391-431. Cf. auch L. Sturlese, Johannes Picardi von Lichtenberg, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexicon 4 (1983), 706-710. L. Sturlese, Dokumente und Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs von Freiberg (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi. Beiheft 3), Hamburg 1984, 61-63.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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wurde, wurde Dietrich von Freiberg als Vikar eingesetzt. Ihre beruflichen Wege haben sich mehrmals gekreuzt, nicht so jedoch die Wege ihres philosophischen Denkens. War Dietrich ein kampflustiger Antithomist 4, so war Picardi ein treuer Anhänger der Lehre des Thomas von Aquin 5. Während wir von Dietrich jedoch zahlreiche schon edierte Traktate haben, sind von Picardi nur 38 bisher unedierte quaestiones und Teile seines Sentenzenkommentares erhalten 6. Picardi hielt seine quaestiones vor 1307, wahrscheinlich um das Jahr 1303, in Köln ab 7: Diese bilden die erste vollständige uns bekannte Sammlung von quaestiones, die am Kölner Studium diskutiert wurden. Darüber hinaus wurden Picardis quaestiones weithin von anderen deutschen Thomisten zitiert und verwendet, wie etwa von Nikolaus von Straßburg 8 und vom Autor der Basler quaestio „Utrum beatitudo consistat in intellectu agente“ 9, wie ich unten zeigen werde. Picardis Interesse an Fragen nach der wahren mens Thomae und der nicht seltene Bezug auf dessen Werke zeigen, daß er sich durch seine quaestiones bewußt in die Reihe der Thomisten einordnen wollte, denn in seinen quaestiones bot er ein organisiertes thomistisches System aus internationalem Geist. Die 38 von ihm disputierten quaestiones betreffen tatsächlich bereits recht bekannte und umstrittene Themen. 4
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Zum Anti-Thomismus Dietrichs von Freiberg cf. K. Flasch, Dietrich von Freiberg, Opera omnia, Hamburg 1980, Einleitung zu vol. 2; R. Imbach, L’antithomisme de Thierry de Freiberg, in: Revue thomiste 97 (1997), 245-258; id., Gravis iactura verae doctrine. Prolegomena zu einer Interpretation der Schrift De ente et essentia Dietrichs von Freiberg O.P., in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 26 (1979), 369-425; C. König-Pralong, Dietrich de Freiberg: me´taphysicien allemand antithomiste, in: Revue thomiste 1 (2008), 57-79. Andrea Robiglio hat neuerdings die Existenz eines Kontrastes zwischen Thomisten und Antithomisten vor 1300-1310 bestritten: Tommaso d’Aquino tra morte e canonizzazione (1274-1323), in: A. Ghisalberti/A. Petagine/R. Rizzello (eds.), Letture e interpretazioni di Tommaso d’Aquino oggi: cantieri aperti. Atti del Convegno internazionale di Studio (Milano, 12-13 settembre 2005), Turin 2006, 197-216. Cf. P. Porro, Essere e essenza in Giovanni Picardi di Lichtenberg: note sulla prima ricezione del tomismo a Colonia, in: M. Pickave´ (ed.), Die Logik des Transzendentalen. Festschrift für Jan A. Aertsen zum 65. Geburtstag (Miscellanea Mediaevalia 30), Berlin-New York 2003, 226-245. Die quaestiones sind nur in einem Codex überliefert: Vat. Lat. 859, foll. 151ra-182vb, cf. A. Pelzer, Bibliothecae Apostolicae Vaticanae codices manu scripti. Codices Vaticani Latini II/1: codices 679-1134, Citta` del Vaticano 1931, 232 sqq. W. Senner, Johannes von Sterngassen OP und sein Sentenzenkommentar. Teil I: Studie, Berlin 1989, 128-129. Cf. L. Sturlese, Eckhart, Teodorico e Picardi nella Summa Philosophiae di Nicola di Strasburgo. Documenti per una storia della filosofia medievale tedesca, in: Giornale critico della filosofia italiana, 5a serie, 61 (1983), 183-206; R. Imbach, Metaphysik, Theologie und Politik. Zur Diskussion zwischen Nikolaus von Straßburg und Dietrich von Freiberg über die Abtrennbarkeit der Akzidentien, in: Theologie und Philosophie 3 (1986), 359-395. Anonymus, Quaestio utrum beatitudo consistat in intellectu agente; ed. A. Beccarisi, in: Texte aus der Zeit Meister Eckharts (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi 7, 2), Hamburg 2004, 219-238. Eine weitere Edition dieser quaestio findet sich in B. Mojsisch, Der tätige Intellekt in sich und in seiner glückvermittelnden Funktion - Eine mittelalterliche Quaestio, in: R. Arnzen/J. Thielmann (eds.), Words, Texts and Concepts Cruising the Mediterranean Sea. Studies on the Sources, Contents and Influences of Islamic Civilization and Arabic Philosophy and Science. Dedicated to Gerhard Endress on his Sixty-fifth Birthday (Orientalia Lovaniensia Analecta 139), Leuven-Paris-Dudley 2004, 331-352.
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In diesem Zusammenhang läßt sich eine erste Beobachtung machen: Johannes Picardi scheint nicht besonders an Themen interessiert zu sein, die bislang als typisch für die mittelalterliche deutsche Philosophie angesehen wurden, wie zum Beispiel die Metaphysik des Intellekts. Diesem Thema widmet Picardi nur wenige Zeilen. Andere quaestiones hingegen spiegeln eine weiterreichende, ja man könnte sagen internationale Debatte wider. Die von Johannes Picardi kritisierten Positionen sind nämlich oft diejenigen Heinrichs von Gent 10. Nur zwei der quaestiones Picardis interessieren uns an dieser Stelle, nämlich die q. 22 „Utrum imago trinitatis sit in anima vel secundum actum vel secundum potentiam“ und die q. 6 „Utrum sit unum esse omnium, quae sunt in homine vel etiam aliorum quorumcumque, scilicet accidentium et substantiarum“ 11. Es handelt sich dabei um zwei quaestiones, die zentrale Themen der sogenannten deutschen Dominikanerschule behandeln. Dietrich von Freiberg widmete diesen Fragestellungen zwei Traktate: ,De visione beatifica‘ und ,De accidentibus‘ 12. Es ist also kein Zufall, daß es sich dabei um die in der Forschung bekanntesten quaestiones handelt. Erstere wurde von Mojsisch im Anhang seiner Monographie über Meister Eckhard ediert 13, die zweite wurde von Ruedi Imbach und Loris Sturlese als Dokument für die Existenz eines autonomen philosophischen Diskurses in Deutschland herangezogen 14. II. Mit annähernd zwanzigjähriger Verspätung bespricht Picardi um 1303 im Kölner Dominikanerkonvent eine quaestio, die Heinrich von Gent bereits im Jahre 1286 an der Universität von Paris abgehandelt hatte, und zwar „Utrum in nobis sit aliquid intelligere abditum“ 15. Picardi diskutiert und kritisiert in seiner quaestio verschiedene Ansichten bezüglich der imago dei, unter ihnen am ausführlichsten die Theorie Heinrichs von Gent, der zwischen verborgenen und offenkundigen Akten differenziert und die imago dei den verborgenen Akten zuordnet. Besonders kritisiert er die folgende These: Das Erkennen (intelligere) sei ein verborgener Akt ohne Rekurs auf die phantasmata; es geschehe einzig im Licht der ersten Wahrheit; das Wissen werde der Seele seitens der ars aeterna imprimiert. Hein10 11
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Cf. Porro, Essere e essenza in Giovanni Picardi di Lichtenberg (nt. 5), 227-228. Johannes Picardi von Lichteberg, Utrum sit unum esse omnium, quae sunt in homine vel etiam aliorum quorumcumque, scilicet accidentium et substantiarum, Ms. Vat. Lat. 859, foll. 156rb157va. Dietrich von Freiberg, De visione beatifica, ed. B. Mojsisch (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi 2, 1), Hamburg 1977; id., De accidentibus, ed. R. Imbach (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi 2, 2), Hamburg 1980. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, Anhang: Iohannes Picardi de Lichtenberg, Quaestio 22. Utrum imago Trinitatis sit in anima vel secundum actus vel secundum potentia, 147-161. Sturlese, Eckhart, Teodorico e Picardi (nt. 8); Imbach, Metaphysik, Theologie und Politik (nt. 8). Heinrich von Gent, Quodlibet IX, q. 15, ed. R. Macken, Leuven 1983, 258-269.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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richs Ansicht wird von Johannes Picardi ausführlich widerlegt. Er verurteilt seine Position als „ falsa et inutilis“ und zieht die thomistische Lösung vor: „Et ideo dicunt alii et melius quod imago trinitatis est in anima secundum memoriam, intelligentiam et voluntatem, prout importat actus consuetos et manifestos habenti sanum et naturalem intellectum.“ 16 Bedenkt man die Entstehungszeit und das Thema der quaestio, so scheint es unglaublich, daß unter den sieben verschiedenen opiniones nicht einmal ansatzweise die Position Dietrichs diskutiert wird, welcher um diese Zeit schon einen Traktat zu diesem Thema geschrieben hatte. Kent Emery hat vermutet, Picardi habe in Wirklichkeit indirekt Dietrich und Eckhart treffen wollen 17. Derselben Auffassung ist auch Loris Sturlese: Ein junger Lektor aus Köln habe nicht den Mut aufbringen können, eine mächtige Persönlichkeit des Dominikanerordens, wie sie Dietrich zwischen 1303 und 1305 gewesen sein muß, derart hart anzugehen 18. Es ist jedoch möglich, in Picardis quaestio Spuren von Dietrichs Gedanken zu finden. Sehen wir im Detail: Johannes Picardi von Lichten- Dietrich von Freiberg, De vi- Henricus de Gandavo, Quodlibet berg, Utrum imago, ed. Moj- sione beatifica 1.1.2.4, ed. Moj- IX, q. 15, ed. Macken 259, 40sisch 154, 122-128: sisch 25, 73-86: 260, 57: „Item ibidem 18: ,Si nos referamus ad interiorem mentis memoriam, qua sui meminit, et interiorem intelligentiam, qua se intelligit, et interiorem voluntatem, qua se diligit, ubi haec tria semper sunt et semper fuerunt, ex quo esse coeperunt, sive cogitarentur sive non, videbitur quaedam imago trinitatis ad solam memoriam pertinere.‘ Ex hoc concludunt, quod ista non important nisi actus; alias non essent tria, quia potentiae intellectivae et habitus memoriae unus.“
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„Idem etiam dicit Augustinus l. De trinitate XIV c. 14 de parvis, quod interiore memoria mens sui meminit et interiore intelligentia mens se intelligit et interiore voluntate se diligit, ubi haec tria semper simul sunt et semper simul fuerunt, ex quo esse coeperunt, sive cogitarentur sive non cogitarentur, scilicet exteriore cogitatione. […] Nec potest istud verbum Augustini intelligi, ut quidam nituntur exponere, scilicet quod hi tres actus mentis […] sint ibi, id est in abdito mentis, de quo ibi loquitur, solum habitualiter et non secundum actualem notitiam et dilectionem. Secundum hoc enim non essent tria, sed unus habitus, nec distingueretur memoria ab intelligentia nec a voluntate.“
„Unde habita super hoc diligentiore perscrutatione in proximo capitulo, dicit ibidem: ,[…] si nos referamus ad interiorem mentis memoriam qua sui meminit, et interiorem intelligentiam, qua se intelligit, et interiorem voluntantem qua se diligit, ubi haec tria semper sunt ex quo esse coeperunt, sive cogitantur sive non cogitantur, videbitur quidem imago trinitatis et ad solam memoriam pertinere.‘ Quod intelligo respectu imaginis quae consistit in cogitando, de qua sequitur confestim. Unde dicit cap. 10: ,Profecto ex quo esse coepit, numquam sui meminisse, numquam se intelligere, numquam se amare destitit, ac per hoc, quando ad se ipsam cogitatione convertitur, fit trinitas in qua iam etiam verbum potest intelligi.‘ Sic ergo, quia illa ponit tria distincta, quia aliter non esset imago, procul dubio ergo ponit illa in actibus, quia in habitu non sunt nisi unum secundum actum.“
Johannes Picardi de Lichtenberg, Utrum imago Trinitatis sit in anima, ed. Mojsisch 157, 248250. K. Emery, Jr., The Image of God Deep in the Mind: The Continuity of Cognition according to Henry of Ghent, in: J. A. Aertsen/K. Emery/A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzen Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 59-124, hier 65. Sturlese, Johannes Picardi von Lichtenberg (nt. 2), 708.
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Wie aus der Synopse ersichtlich ist, faßt Picardi zunächst eine bestimmte Interpretation der Augustinusstelle zusammen und kritisiert sie anschließend. Der kritisierten Interpretation zufolge ist Augustinus so zu verstehen, daß Gedächtnis, Vernunft und Wille drei unterschiedliche Akte sind. Wären sie keine Akte, so wären sie nicht drei verschiedene Dinge, da die habitus der potentia intellectiva - Vernunft, Wille, und Gedächtnis - eine Einheit darstellen. Nun ist die von Picardi kritisierte Interpretation genau die Schlußfolgerung, die Dietrich und Heinrich ziehen. Beide beziehen sich auf diese Augustinusstelle, um zu zeigen, daß Gedächtnis, Vernunft und Wille tria distincta sind, weil sie in der Seele dem Akt gleichbedeutend sind. Auch das Argument per absurdum ist dasselbe: Augustinus spricht von drei verschiedenen Akten. Wären sie in habitu, so wären sie dieselbe Sache. Wenn wir aber die drei Texte genauer in Augenschein nehmen, stellen wir fest, daß die von Picardi zusammengefaßte Position der Stelle bei Dietrich viel näher kommt als derjenigen bei Heinrich. Denn Heinrich zitiert zwei unterschiedliche Stellen von Augustinus. Die erste, die er genau wie Dietrich anführt, dient lediglich der Behauptung, die imago bestehe in cogitando. Während die zweite, die sich weder bei Dietrich noch bei Picardi findet, zur gerade betrachteten Schlußfolgerung führt. Es ergibt sich ein Faktum, das auf zweierlei Weise interpretiert werden kann, nämlich die am Text belegbare Präsenz Heinrichs von Gent in Dietrichs von Freiberg ,De visione beatifica‘. Obwohl schon Kent Emery und Pasquale Porro einen Einfluß Heinrichs auf Dietrichs Denken vermutet hatten, fehlte bisher dafür ein exakter Textbeleg. Die angeführte Stelle zeigt nun in der Tat, daß Dietrichs Theorie des abditum mentis alles andere als neu ist. Sie ist vielmehr abhängig von den Überlegungen des Pariser Theologen, zumindest in bezug auf zwei Hauptthesen: Das abditum mentis, von dem Augustinus spricht, bezieht sich auf das intelligere in actu und nicht auf das intelligere in habitu. Außerdem geht dieses intelligere in actu jeder äußeren kognitiven Aktivität voran. Die beiden möglichen Interpretationen dieses Faktums, die jeweils zu sehr unterschiedlichen Konsequenzen führen, will ich nunmehr jeweils einzeln als Hypothese A und Hypothese B diskutieren. 1. Hypothese A: Johannes Picardi kritisiert Dietrich von Freiberg und Heinrich von Gent Diese Hypothese gründet sich vor allem auf die Abfassungszeit von Dietrichs ,De visione beatifica‘. Nach verbreiteter - aber eigentlich noch nie erwiesener - Ansicht verfaßte Dietrich sein ,De visione beatifica‘ um 1296/97 19. Wie Heinrich von Gent interpretiert auch Dietrich von Freiberg das Augustinische abditum mentis als intelligere actuale. Dietrich verwendet zudem die erwähnte 19
K. Flasch, Dietrich von Freiberg. Philosophie, Theologie, Naturforschung um 1300, Frankfurt a. M. 2007, 34.
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Augustinusstelle und interpretiert sie genauso wie Heinrich. Picardi verfaßt die Quaestio „Utrum imago trinitatis sit in anima vel secundum actum vel secundum potentiam“, nachdem Dietrich den Traktat ,De visione beatifica‘ geschrieben hatte. Aber anstatt den Dominikanerkollegen zu kritisieren, greift er Heinrich von Gent an. So nimmt er zwar direkt Heinrich, indirekt aber Dietrich unter Beschuß, der in Deutschland die gleiche Theorie wie der Pariser Meister vertritt und verteidigt. Auf der Grundlage dieser Rekonstruktion erscheint die Position Dietrichs nicht zentral und sicher auch nicht neu. So hat es zumindest in Picardis Augen erscheinen müssen. Für ihn wirkte die These Dietrichs nur wie eine Variante bekannterer Lehren, die in der Sorbonne diskutiert wurden. Dietrichs Theorie war tatsächlich in gewisser Weise vergleichbar mit derjenigen Heinrichs. Zumindest in ihrem zentralen, von Picardi diskutierten Punkt, nämlich ob die imago ihren Sitz in den Akten oder in den Potenzen der Seele hat. Hypothese A hat zwei Konsequenzen: 1. Anders als bisher angenommen ist das Thema des abditum mentis als intelligere actuale nicht typisch für die Dominikanerschule. Für einen Beobachter wie Picardi handelt es sich um ein Thema, das, aus Paris kommend, auf der Grundlage von Argumenten diskutiert wird, die gleichsam international sind. 2. Picardi zeigt keinerlei Sensibilität für die viel originellere Weiterentwicklung der Lehre vom abditum mentis in Dietrichs Denken 20. Anders als Heinrich von Gent nämlich greift Dietrich auf die aristotelische Tradition zurück (die Heinrich explizit kritisiert), indem er das intelligere abditum mit dem tätigen Intellekt des Aristoteles identifiziert. Noch deutlicher als Heinrich unterstreicht Dietrich darüber hinaus die substantielle Konformität zwischen der imago dei im Menschen und Gott selbst. Das bedeutet, daß es zumindest im Hinblick auf das Thema des abditum mentis in Deutschland keine regionale oder spezifisch deutsche Debatte gegeben hat. Hypothese A läßt allerdings noch einige Fragen offen. Dietrich und Picardi sind Zeitgenossen. Beide haben eine ähnliche Karriere gemacht und haben sich getroffen. Dietrich war zudem eine bekannte Persönlichkeit und hat wichtige Traktate wie ,De visione beatifica‘ verfaßt. Und dennoch vergißt Picardi den wichtigen Traktat aus der Feder Dietrichs zu kritisieren und beschränkt sich darauf, einen kurzen Abschnitt ohne Angabe der Quelle zu kopieren. Warum? Diese Frage kann mit der bereits erwähnten Hypothese Loris Sturleses und Kent Emerys beantwortet werden, die Kritik an Heinrich von Gent habe eigentlich das Ziel verfolgt, Dietrich von Freiberg zu bekämpfen, ohne die eigene Karriere zu riskieren. Anders ließe sich ein so großes Interesse für einen Theologen wie Heinrich von Gent nicht erklären, der, wie Kent Emery schreibt, im Jahre 1303 altmodisch war. Jedoch sollte man meiner Ansicht nach diese Erklärung nicht überbewerten: Die Rezeption Heinrichs von Gent in Deutschland am Anfang 20
A. Speer, Abditum mentis, in: A. Beccarisi/R. Imbach/P. Porro (eds.), Per perscrutationem philosophicam. Neue Perspektiven der mittelalterlichen Forschung (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi. Beiheft 4), Hamburg 2008, 447-474, hier 455-460.
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des 14. Jahrhunderts ist nichts Ungewöhnliches. Dies zeigt das Werk Bertrams von Ahlen, Lektor des Franziskanerkonvents in Münster 21. Um 1308 verfaßte er eine Art Wörterbuch, in dem er 230 theologische und philosophische Begriffe und Lehrmeinungen von Abbas bis Ymago aufführte und in alphabetischer Reihenfolge Auszüge aus den ,Quodlibeta‘ des Heinrich von Gent, Gottfrieds von Fontaine und Jakobs von Viterbo zusammenstellte. Johannes Picardi greift also, wenn er Heinrich von Gent zitiert und kritisiert, auf einen in den deutschen Studia wohlbekannten Autor zurück. Die Erklärung von Sturlese und Kent Emery hat daher zwar ihre Berechtigung, ist aber nicht ausreichend. Eine zweite mögliche Erklärung bietet im folgenden Hypothese B. 2. Hypothese B: Johannes Picardi von Lichtenberg kritisiert Heinrich von Gent, und Dietrich von Freiberg kritisiert Johannes Picardi Dieser Hypothese zufolge kritisiert Picardi Dietrichs ,De visione beatifica‘ nicht. Und dies schlicht und einfach aus dem Grund, daß Dietrich von Freiberg das Werk noch gar nicht verfaßt hatte. Picardi schreibt 38 quaestiones von klar thomistischer Prägung und verwendet als Hauptzielscheibe seiner Attacken Heinrich von Gent. Wie bereits gesehen, ist die Rezeption Heinrichs von Gent in Deutschland in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts keineswegs merkwürdig. Als Thema seiner quaestiones wählt Picardi vor allem Argumente, die in Paris Diskussionsgegenstand waren. Picardis Anhängerschaft für Thomas ist klar, seine 38 quaestiones sind ein schönes Beispiel für die rigorose Befolgung der thomistischen Lehre in deutschen Landen zwischen 1300 und 1305. Nun ist auch die Härte bekannt, mit der Dietrich die communiter loquentes kritisiert, insbesondere in den Traktaten ,De visione beatifica‘ und ,De accidentibus‘. Eigentlich hat man hinter den communiter loquentes immer Thomas von Aquin oder allenfalls Aegidius Romanus gesehen. Aber vielleicht hatte Dietrich jemand Näheren im Sinn, zum Beispiel einen Lektor in Köln. Folgt man Flasch, so wurde ,De visione beatifica‘ im Jahre 1297 verfaßt 22. Doch neuerdings hat Sturlese eine spätere Datierung zwischen 1299 und 1301 auf der Grundlage eines gemeinsamen Abschnitts mit dem Genesiskommentar Meister Eckharts vorgeschlagen 23. Es wäre auch denkbar, daß Dietrich sein ,De visione beatifica‘ nach der Abfassung der quaestiones Picardis geschrieben hat und nicht vorher, wie bisher angenommen. Demnach wäre Dietrichs Traktat nach dem Jahr 1303 anzusetzen. Um dies zu zeigen, kehren wir zur obigen Synopse zurück, genauer zu Dietrichs Text: 21
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Bertram von Ahlen, Excerpta super XV Quodlibet, primae et secundae partis summae Henrici de Gandavo et X quodlibet Godefridi et III Iacobi, in: A. Beccarisi (ed.), Texte aus der Zeit Meister Eckharts (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi 7, 2), Hamburg 2004. K. Flasch, Dietrich von Freiberg (nt. 19), 34. L. Sturlese, Dietrich von Freiberg lettore di Eckhart?, in: Giornale critico della filosofia italiana 26 (2006), 437-457.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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„Nec potest istud verbum Augustini intelligi, ut quidam nituntur exponere, scilicet quod hi tres actus mentis […] sint ibi, id est in abdito mentis, de quo ibi loquitur, solum habitualiter et non secundum actualem notitiam et dilectionem.“ 24
Der Paragraph 1.1.2.4, aus dem diese Stelle stammt, bespricht, wie der Herausgeber zusammenfaßt, eine „Falsa explicatio auctoritatis Augustini et reiectio eius“. Es handelt sich um die Kritik Dietrichs an dem zuvor zitierten quidam, der die bekannte Augustinusstelle falsch interpretiert hat: „Idem etiam dicit Augustinus l. De trinitate XIV c. 14 de parvis, quod interiore memoria mens sui meminit et interiore intelligentia mens se intelligit et interiore voluntate se diligit, ubi haec tria semper simul sunt et semper simul fuerunt, ex quo esse coeperunt, sive cogitarentur sive non cogitarentur, scilicet exteriore cogitatione.“ 25
Dies ist der Text, den Heinrich von Gent zitiert und den Picardi kritisiert hat. Der von Dietrich zitierte quidam sagt, Augustinus spreche an dieser Stelle von „abditum mentis solum habitualiter“ und nicht „actualiter“. Gegen diese Interpretation wendet Dietrich - wie wir bereits gesehen haben - ein, daß „secundum hoc non essent tria, sed unus“. Das heißt, Dietrichs Antwort deckt sich mit der Position Heinrichs von Gent. Der Editor des Textes, Burkhard Mojsisch, ist der Auffassung, daß Dietrich sich mit quidam auf den verhaßten Thomas beziehe. Wenn man aber die ,Summa theologiae‘ liest, findet man zwar tatsächlich eine ähnliche Position, die jedoch nicht deckungsgleich mit derjenigen ist, die Dietrich kritisiert. Was aber noch wichtiger ist, wir finden keine Interpretation zu der besagten Augustinusstelle. Und das ist entscheidend: In diesem Paragraph kritisiert Dietrich nicht irgendeine allgemeine Position zum abditum mentis, sondern eine ganz bestimmte Interpretation der Augustinusstelle. Sicher gibt es eine ganze Reihe möglicher Kandidaten für eine Identifizierung. Einer scheint mir jedoch besonders glaubwürdig, nämlich gerade Johannes Picardi von Lichtenberg. In seiner quaestio anwortet Picardi nämlich folgendermaßen auf die Position Heinrichs: „Tertio sciendum, quod rationes non concludunt, quia Augustinus per abditum intelligit habitualem cognitionem. Et ideo dicit ad solam memoriam pertinere. Et quod dicunt, quod tunc non essent tria, scilicet memoria, intelligentia, voluntas, dicendum, quod, antequam sint in actu, non sunt tria in actu, sed eo nihil sunt tria, immo sunt quasi in habitu vel potentia, sicut de aliquo dormiente dicimus.“ 26
Der Bezug zur Augustinnusstelle ist klar, und ebenso klar ist auch Picardis Interpretation: Das augustinische abditum mentis bezieht sich nur „ad unam cognitionem habitualem“, und die drei Akte, nämlich Gedächtnis, Vernunft und Wille, sind nur habitualiter und nicht actualiter im abditum mentis. Dietrich spricht sich demnach gegen die Interpretation Picardis und für diejenige Heinrichs aus. 24 25 26
Dietrich von Freiberg, De visione beatifica 1.1.2.4 (nt. 12), 25, 73-86. Op. cit., 25, 69-72. Johannes Picardi von Lichtenberg, Utrum imago Trinitatis sit in anima (n. 13), 156, 197-199.
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Aus Hypothese B, die ich hier vorgestellt habe, ergeben sich drei Konsequenzen: 1. Zunächst einmal läßt sich dadurch leicht erklären, warum sich in Picardis quaestiones keine Spur von Dietrich finden läßt, auch nicht in denjenigen, die den Interessen Dietrichs am nächsten kommen. Picardi verzichtet nicht aus Angst darauf, Dietrich zu zitieren, sondern er zitiert ihn nicht, weil Dietrich seine Schriften noch gar nicht veröffentlicht hat. 2. Die Datierung von ,De tribus difficilibus quaestionibus‘, zu denen ,De visione beatifica‘ und ,De accidentibus‘ gehören, muß nach 1303 verlegt werden, um Picardi Zeit zur Abfassung und Veröffentlichung seiner quaestiones einzuräumen. 3. Wenn die gerade beschriebene zweite Hypothese zutrifft, dann kann man wirklich von einer ,deutschen Debatte‘ über die Frage des abditum mentis sprechen. Eine Debatte, welche sich im Vergleich zur Pariser Diskussion mit einer Verspätung von 20 Jahren entwikkelt hat, die aber dennoch interessante Ergebnisse mit sich brachte. 3. Das Zeugnis der anonymen Quaestio „Utrum beatitudo consistat in intellectu agente“ Ob das Fehlen Dietrichs in Picardis quaestiones Absicht oder Zufall ist, läßt sich beim gegenwärtigen Stand der Forschung noch nicht endgültig entscheiden. Der größte Teil der quaestiones des Johannes Picardi von Lichtenberg ist noch unediert, und nur ein aufmerksames Quellenstudium vermag verläßlich den Stand der philosophischen Diskussion in Deutschland in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts zu rekonstruieren und mit Bestimmtheit zu sagen, ob man diese Diskussion als „deutsch“ definieren kann oder nicht. Doch eines bleibt sicher: Dietrichs Position zum abditum mentis war in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts in Deutschland nicht neu. Dies beweist nicht nur die textliche Nähe zwischen Dietrichs Traktat ,De visione beatifica‘ und der quaestio des Heinrich von Gent. Dies zeigt auch ein anderes bekanntes Dokument, die quaestio „Utrum beatitudo consistat in intellectu agente“, welche durch eine Basler Handschrift überliefert ist 27. Es handelt sich hierbei um eine anonyme quaestio, welche schon Martin Grabmann bekannt war und die eine wertvolle Übersicht über die Interpretation der Lehre vom intellectus agens im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert darstellt 28. Bisher hat man in der Basler quaestio den ersten kritischen Vorstoß gegen den Antithomismus des Magister Dietrich von Freiberg aus der Feder eines Dominikaners gesehen, der die Frage stellt, ob das Prinzip der Gottesschau der tätige Intellekt sei 29. Tatsächlich zielt dieser kritische Vorstoß nicht nur auf Dietrich, 27 28
29
Anonymus, Quaestio utrum beatitudo consistat in intellectu agente (nt. 9). Die quaestio „Utrum beatitudo consistat in intellectu agente“ veröffentlichte Grabmann in: Mittelalterliche Deutung und Umbildung der aristotelischen Lehre vom nous poietikos nach einer Zusammenstellung im Cod. B III 22 der Universitätsbibliothek Basel, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Abt., 1936, H. 4, 85-102. M. Grabmann, Mittelalterliche Deutung (nt. 28), 61.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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sondern auch auf Heinrich von Gent, und zwar gerade durch Vermittlung von Johannes Picardi von Lichtenberg, wie im folgenden gezeigt werden soll. Zur Verdeutlichung der Lage sei kurz die Position des Anonymus referiert. Nach einer zusammenfassenden Darstellung und Widerlegung von dreizehn Positionen von Platon bis Durandus von St. PourcX ain greift der anonyme Autor Dietrich in bezug auf zwei Themen an, nämlich die Identifikation des tätigen Intellekts mit dem intelligere abditum (opinio 14) und den tätigen Intellekt als ein in uns wesensbegründendes Prinzip (opinio 15) 30. Der Anonymus widerlegt die erste These, „intellectus agens est idem quod intelligere abditum“, durch drei Argumente: 1. Jeder bekannte Gegenstand ist auch deutlich und klar. Daher ist das intelligere abditum jedem bekannt, weil das, was gedacht wird, erkannt wird („quod intelligitur, cognoscitur“). Ferner ist die Behauptung, daß der Mensch irgendetwas gegenwärtig erkenne, ohne sich dessen bewußt sein zu können, unvernünftig. 2. Je mehr eine Sache gegenwärtig und perfekt ist, desto klarer ist sie für den, der sie erkennt. 3. Daher ist es unmöglich, daß wir edelste und zugleich verborgene Veranlagungen haben. Aber das intelligere ist ein sehr edler Akt, also ist es unmöglich, daß es im Menschen ein intelligere actuale abditum gibt. Auf dieses letzte Argument läßt der Anonymus die Position eines quidam folgen, demzufolge dieser Akt aufgrund der Ähnlichkeit verborgen ist, die er mit dem intelligere patiens hat, so wie sich der Akt der selbstlosen Liebe aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem Akt der natürlichen Liebe verbirgt: „Nec valet, quod quidam dicunt istum actum latere propter similitudinem, quam habet ad intelligere patiens, sicut latet actus amoris gratuiti propter similitudinem eius ad actum amoris naturalis. Istud non valet.“ 31 Nun verbirgt sich hinter dem quidam, den der Anonymus zitiert, Heinrich von Gent. Er nämlich stellt in seiner berühmten quaestio über das abditum mentis der Position des Aristoteles als einziges Argument entgegen: „impossibile est nos habere nobilissimos habitus et nos lateant.“ 32 Zu diesem Argument liefert Heinrich drei Antworten, von denen die dritte folgendermaßen lautet: „Tertio vero latent actus sive motus ex uno movente, quia non possunt discerni ab actibus procedentibus ab alio movente, quemadmodum actus amoris eliciti ex amore caritativo, ab actu amoris eliciti ex amore naturali aut carnali. […] Quia ergo actus intelligendi lumine agentis unius et alterius praedictorum discerni non possunt, bene ambo non latere omnino, sed alterum eorum sic latere quod ab altero discerni non possit, ut ex hoc ambo credantur procedere ab uno.“ 33
Wie man in der Basler quaestio sieht, ist das Textreferat, wie bei anderen Positionen auch, sehr kurz und summarisch gehalten. In diesem Fall aber ist es möglich, eine Zwischenquelle zwischen Heinrich von Gent und dem Basler Anonymus zu bestimmen, nämlich Johannes Picardi von Lichtenberg. Denn Picardi faßt die soeben beschriebene Position Heinrichs wie folgt zusammen: 30 31 32 33
Anonymus, Quaestio utrum beatitudo consistat in intellectu agente (nt. 9), 232-236 Op. cit., 233, 53-57 Cf. Aristoteles, Analytica posteriora II. 19, 99b25-26. Heinrich von Gent, Quodlibet IX, q. 15 (nt. 15), 268, 87-95.
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„Tertio, quia posset aliquis arguere, sicut facit Philosophus in Posterioribus, quod impossibile est nos habere habitus nobilissimos et latere nos et magis impossibile est de actibus. Ad hoc dicunt tria […]. Tertio latent propter similitudinem actus. Sicut actus caritatis non conoscitur propter similitudinem amoris naturalis, ita et hoc intelligere lumine supernaturali non discernitur ab intelligere nostro sub lumine intellectus agentis.“ 34
Auch wenn man eine gemeinsame Quelle, zum Beispiel ein Florilegium, zwischen Picardi und dem Anonymus annimmt, bleibt in jedem Fall das Ergebnis unverändert: Die bisher als deutsch definierte Debatte über die imago wurde in Wirklichkeit von den Zeitgenossen als eine internationale wahrgenommen, so sehr, daß einige Theorien bekannter deutscher Dominikaner wie Dietrich in den Kontext einer erweiterten Debatte zurückgeführt werden. Der Autor der Basler quaestio dokumentiert jedoch auch etwas anderes. Die Theorie Dietrichs über das abditum mentis hat, obwohl sie in den Hörsälen der Universität von Paris entstanden ist, keinerlei Ähnlichkeit mit derjenigen Heinrichs von Gent. Heinrich behauptet, daß das Augustinische abditum mentis ein intelligere actuale ist, aber er identifiziert es nicht ausdrücklich mit dem Aristotelischen intellectus agens und sagt vor allem nicht, dieses intelligere sei eine Substanz. Doch es sind gerade dies die Punkte, die der Autor der Basler quaestio bei Dietrich beanstandet. Er läßt damit eine Debatte wiederaufleben, die in Paris bereits überwunden, in Deutschland aber offensichtlich noch von großer Aktualität ist. III. Die zweite zitierte quaestio, und zwar die sechste „Utrum sit unum esse omnium, que sunt in homine vel etiam aliorum quorumcumque, scilicet accidentium et substantiarum“ (Codex Vaticanus lat. 859, foll. 155r-156r ), bestätigt Hypothese B. Es geht um die Frage nach der Abtrennbarkeit der Akzidenzien, wobei Johannes Picardi drei Theorien auflistet. Die erste, die ausdrücklich zur positio absurda erklärt wird, behauptet, daß das Akzidens weder Wesen noch Washeit besitzte, wenn nicht von seiten der Substanz: „Quidam dicunt, quod accidentia non dicant aliquam naturam nec quiditatem, nec est alia quiditas in natura nisi quiditas substantiae.“ 35 Die zweite behauptet, daß die Akzidenzien eine bestimmte Washeit besäßen, jedoch kein Sein, sondern daß deren Natur im Subjekt liege, nach dem die Substanz benannt werde: „Et ideo est alia opinio, quae dicit, quod accidentia habent quiditatem quandam, non tamen habent aliquod esse, sed eorum natura est in subiecto, secundum quam substantia denominatur.“ 36 Die dritte folgt der Meinung des Aegidius Romanus, welcher von einem gemeinsamen esse existentiae der Akzidenzien ausgeht, jedoch von verschiedenen esse essentiae: „Unde est alia positio, quod accidentia 34
35 36
Johannes Picardi von Lichtenberg, Utrum imago Trinitatis sit in anima (nt. 13), 154, 137-139; 155, 147-151. Johannes Picardi von Lichtenberg, Utrum sit unum esse omnium (nt. 11), fol. 156vb. Ibid.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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habent esse non proprium nec nullum, sed habent esse subiecti ita, quod per esse subiecti, quod est esse substantiale, omnia, quae sunt in subiecto, sunt, sive sunt accidentia sive partes substantiales.“ 37 Wie bei der Frage nach dem Bild zieht Johannes Picardi auch hier die thomistische Lösung vor. Diese basiert auf zwei grundlegenden Philosophemen. Zum einen setzt sie die reale Distinktion von esse und essentia voraus - genauer von esse actuale und esse essentiae. Zum anderen behauptet sie, daß die Substanz, ihre Teile und alle ihre Akzidenzien ein einziges gemeinsames Sein besitzen: „Et ideo est alia opinio, quod aliud est esse accidentium et subiecti, sed subiecti et omnium partium accidentia substantialium est idem esse actuale, et hoc fuit tertium principale intentum.“ 38 Uns interessiert hier die erste der drei genannten Positionen, die sogenannte positio absurda. Folgt man Loris Sturlese und Ruedi Imbach, so verbindet Johannes Picardi an dieser Stelle die Meinungen Eckharts und Dietrichs und betrachtet somit ihre Ontologie der Akzidenzien als ein und dieselbe 39. In dieser Lesart wären die quaestiones des Johannes Piccardi eine wunderbare Waffe gegen den Antithomismus Dietrichs. Zum besseren Verständnis gebe ich im folgenden den betreffenden Abschnitt wieder. Picardi gliedert die erste opinio in drei rationes, welche er im Anschluss ausführlichst widerlegt: „Circa hoc est triplex opinio. Quidam dicunt, quod accidentia non dicant aliquam naturam nec quiditatem, nec est alia quiditas in natura nisi quiditas substantiae. Concedunt tamen aliqui, quod accidentia, licet non sint entia, tamen non sunt nihil, quia sunt aliquid et quasi quidam modus substantiae. Non tamen secundum hos sunt entia. Hoc autem probant tripliciter: primo per Philosophum IV Metaphysicae, qui dicit, quod accidentia dicuntur entia inquantum sunt passiones vel accidentium vel viae vel huiusmodi ad substantiam, sicut etiam sanitas attribuitur animali, sed aliis competit secundum analogiam ad sanitatem, quae est in animali, sed constat, quod sanitas prout est in aliquo alio quam in animali, sive in dieta sive in urina, non dicit aliquid formaliter in eis nec competit eis ratio sanitatis propria, quae est debita commensuratio humorum. Ergo a simili nec accidentalibus ratio entis. Secundo. Illud, cui non competit entitas in recto, sed solum in obliquo, id de se nihil est, sed secundum Philosophum VII Metaphysicae accidentia non dicuntur entia, nisi inquantum sunt entis. Tertio quia, licet expresse dicit Commentator super IV Metaphysicae, ubi sic dicit, quod universalia non dicuntur entia, nisi quia sunt dispositiones entis et multi homines negant esse ea. Albedo enim non est. Ex quo patet quod non sunt entia. Sed ista positio absurda est propter quattuor. Primo quia destruit omniam scientiam. Secundo negat sensum. Tertio negat experientiam. Quarto est contra philosophorum doctrinam.“ 40
Die hier von Picardi diskutierte Meinung kann folgendermaßen zusammengefaßt werden: Man behauptet, daß es keine Washeit (quiditas) außer der Substanz gibt, gibt aber zugleich zu, daß die Akzidenzien, obwohl sie eigentlich keine entia darstellen, immerhin „etwas“ sind, das heißt, sie sind nicht nichts. 37 38 39
40
Ibid. Op. cit., fol. 157ra. Sturlese, Eckhart, Teodorico e Picardi nella Summa philosophiae di Nicola di Straburgo (nt. 8), 194; Imbach, Metaphysik, Theologie und Politik (nt. 8), 390. Johannes Picardi de Lichtenberg, Utrum sit unum esse omnium (nt. 11), fol. 156rb.
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Wir haben es hier mit zwei verschiedenen rationes zu tun, einer ,moderaten‘, nach der das Akzidens ein modus substantiae ist, und einer ,extremen‘, der zufolge das Akzidens nichts ist. Die erste ratio kann man bis auf Averroes zurückführen, während der Kontext der zweiten, welche die Seinslosigkeit der Akzidenzien vorraussetzt, noch zu klären ist. Johannes Picardi hingegen betrachtet diese zweite ratio nur als eine Variante der ersten. Diese erklärt er auf dreierlei Weise: 1. Anhand der Analogie zwischen dem Lebewesen, in dem die Gesundheit formaliter existiert, und der Nahrung oder dem Urin, die ,gesund‘ nur in bezug zur Gesundheit des Lebewesen genannt werden. 2. Indem er betont, daß das Akzidens de se nihil ist. 3. Über die Position des Averroes, der herausstellt, daß die Akzidenzien keine Seienden sind, sondern eine dispositio substantiae. Nun erinnert diese positio absurda, wie Loris Sturlese bemerkt hat, an Dietrichs Lehre von den Akzidenzien 41, aber dies reicht für eine sichere Identifizierung der aliqui mit Dietrich nicht aus. Es ist nämlich davon auszugehen, daß die von Picardi vertretene Meinung in Paris ein hohes Maß an Bekanntheit besaß. Wie schon Ruedi Imbach und Kurt Flasch hervorhoben, hatte Siger von Brabant in seinem Kommentar zu ,Metaphysik‘ VII behauptet, das Akzidens sei eine Disposition der Substanz - es sei ein ens entis 42. In ontologischer Hinsicht ist das Akzidens gänzlich von der Substanz abhängig. Es besitzt seine Wesenheit nur im Bezug auf die Substanz. Die Abhängigkeit des Akzidens von der Substanz, also sein Charakter als ens entis, als modus substantiae dient Siger im Anschluß an Aristoteles/Averroes als Modell der Analogie: „Accidens non habet essentiam absolutam, sed dictam in habitudinem ad aliud. Unde dicitur qualitas substantiae vel quantitas substantiae. Nec solum intelligo quod accidens, secundum quod accidens vel secundum quod qualitas vel quantitas, habeat rationem ad aliud dictam, sed etiam rationem essendi tantum habet in habitudine ad substantiam. Unde dicitur ens quia entis. […] Nam accidens nec essentiam nec rationem essendi habet nisi in habitudine ad substantiam. Propter quod in definitione sua accipit substantia ut apparebit in VII huius.“ 43
Nach Siger ist die Substanz das „ens primum“, „ens simpliciter et absolutum“, während das Akzidens „quasi propter alterum“ zu bezeichnen ist. Deswegen wird auch deutlich, daß das Akzidens nicht im eigentlichen Sinne ein Sein („quod quid est“) besitzt, wie es Siger an mehreren Stellen deutlich sagt: „Dico quod accidens non habet quod quid est simpliciter et primo, sed sola substantia.“ 44 41 42
43
44
Sturlese, Johannes Picardi von Lichtenberg (nt. 2), 708. Imbach, Metaphysik, Theologie und Politik (nt. 8), 376-377; id., Le traite´ d’eucharistie de Thomas d’Aquin et les averroistes, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 77 (1993), 175-194; Flasch, Dietrich von Freiberg (nt. 19), 90. Siger de Brabant, Quaestiones in Metaphysicam. Texte ine´dit de la reportation de Cambridge. E´dition revue de la reportation de Paris (Philosophes me´die´vaux 25), ed. A. Maurer, Louvainla-Neuve 1983, Liber V, q. 23, 237,17-238, 29. Siger de Brabant, Quaestiones in Metaphysicam (nt. 43), Liber VII, q. 1, 329, 22-23.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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Wie aber Silvia Donati gezeigt hat, finden sich Beispiele derart radikaler Konzeptionen auch in anderen Traditionen 45. Auf eine ähnliche Position trifft man beispielsweise in einem anonymen Kommentar zur ,Metaphysik‘ englischer Herkunft, der mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Ende des 13. Jahrhunderts zu datieren ist. Aufbauend auf einem Vergleich mit der Attribution des Begriffes ,gesund‘ behauptet jener unbekannte Autor, daß das Akzidens keine andere Wesensart besitze als die Entität der Substanz und daß die Akzidenzien keine Wesen, sondern vielmehr nur modi essendi der Substanz seien: „Similiter intelligendum est quod, quia substantia ens est primum ad quod accidentia habent attributionem ita quod entitas substantiae est id ad quod est attributio per se, ideo etiam entitas accidentium non est alia quam illa quam habent per attributionem ad substantiam.“ 46 „Propter quod dicendum quod accidentia non sunt entia quia ipsa secundum se participant naturam primi entis, sed solum sunt entia quia sunt entis quod secundum se participat naturam primi. Unde magis proprie dicendum est quod formae accidentales sunt modi essendi entis, ut substantiae. Et cum modus essendi non sit ens nisi quia entis, nec accidens dicetur ens nisi quia entis. […] Et huic consentit Aristoteles. Dicit enim quod sicut dieta, urina se habent ad sanitatem in animale, sic accidentia se habent ad aliquod ens primum cui attribuuntur. Sicut ergo dieta non participat aliquam naturam sanitatis in animali, quia sanitas in animali est proportio quattuor humorum in animali, nihil autem huius proportionis est in urina vel dieta vel instrumento, ergo a simili nihil naturae vel perfectionis illius entis ad quod attribuuntur accidentia erit in ipsis accidentibus.“ 47
Die große Ähnlichkeit zwischen der Stelle aus diesem Kommentar zur ,Metaphysik‘ und der positio absurda, die von Johannes Picardi dargestellt wird, läßt die Vermutung nicht zu, daß der Dominikaner in der Frage nach den Akzidenzien Dietrich von Freiberg sowohl zitiert als auch kritisiert. Dies ergibt sich zumindest aus zwei Gründen: 1. Die Präsenz des ,De accidentibus‘ von Dietrich von Freiberg in der quaestio Picardis geht in keiner Weise aus dem Text hervor. 2. Die Darstellung der positio absurda erscheint bei genauerer Prüfung zu allgemein, um eindeutig auf die Theorie Dietrichs zu den Akzidenzien zurückgeführt werden zu können. Die Position, welche von Picardi zusammengefaßt wird, stellt sicherlich eine Extremhaltung dar, sie ist aber auch bei anderen Denkern dokumentiert und wird von diesen geteilt. Wie schon in der quaestio „Utrum imago Trinitatis sit in anima“ zeigt Picardi auch in diesem Fall kein Interesse für die originelle Entwicklung der Lehre Dietrichs. Cathrine König-Pralong hat kürzlich gezeigt, daß Dietrich von Freiberg in seiner Abhandlung ,De accidentibus‘ auf der Basis von ,Analytica Posteriora‘ I. 4 (wo Aristoteles zwischen drei Typen von Prädikationen per se unter45
46
47
S. Donati, La discussione sull’unita` del concetto di ente nella tradizione di commento della „Fisica“: commenti parigini degli anni 1270-1315 ca, in: M. Pickave´ (ed.), Die Logik des Transzendentalen. Festschrift für Jan A. Aertsen zum 65. Geburtstag (Miscellanea Mediaevalia 30), Berlin-New York 2003, 60-139; cf. auch die dort angegebene Literatur. Anonymus, Quaestiones super Metaphysicam, IV, q. 3, Ms. Cambridge, Peterhouse, 192, III, fol. 19ra, in: Donati, La discussione sull’unita` del concetto di ente (nt. 45), 107. Ibid.
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scheidet) eine sehr strenge Lesart von ,Metaphysik‘ VII zugrunde legt. Hierbei handelt es sich um eine exegetische Vorgehensweise, die Dietrich von Albert dem Großen übernimmt und die sich bei anderen Verfechtern der Abtrennbarkeit der Akzidenzien nicht wiederfindet. Bei Picardi nun ist ebenfalls keine Spur von Dietrichs Strategie zu entdecken, sondern nur ein ziemlich allgemeiner Bezug auf die Theorie des Akzidens als modus substantiae - eine Theorie, die, wie wir gesehen haben, von Siger von Brabant und auch von Boethius von Dacien und generell von allen magistri artium unterstützt wurde. Es ist daher möglich, daß sich Picardi, als er die erwähnte positio absurda vorstellte und diskutierte, innerhalb eines weitläufigen internationalen Diskurses bewegte und nicht nur an einem innerdeutschen Gelehrtenstreit teilnahm. Man kann hingegen davon ausgehen, daß es zur Zeit Picardis in Deutschland noch keine Diskussion über die Abtrennbarkeit der Akzidenzien gab. Wenn also wirklich die bereits besprochene Hypothese B zutrifft, wie ich glaube, so war die Abhandlung ,De accidentibus‘ ebenso wie ,De visione beatifica‘ zur Zeit von Picardis quaestiones noch gar nicht geschrieben. Picardis Schrift dokumentiert jedoch auch etwas anderes, nämlich die Existenz einer Theorie, die wir als die einer „Seinslosigkeit der Akzidenzien“ definieren können. Picardi bezieht sich zweimal auf diese extreme Variante der positio absurda, indem er sagt: „Concedunt tamen aliqui, quod accidentia, licet non sint entia, tamen non sunt nihil “ und „Illud, cui non competit entitas in recto, sed solum in obliquo, id de se nihil est.“ 48 Offensichtlich ist für Picardi die Aussage, ein Akzidens sei eine Seinsweise oder Disposition von Substanz, nicht gleichbedeutend mit der Behauptung von dessen „Seinslosigkeit“. Dies bezeugt zumindest die Tatsache, daß Picardi in gewissem Maße die averroistische Vorstellung annimmt, daß das Akzidens eine dispositio substantiae sei: „Ad secundum dicendum, quod ens bene competit eis recto, sed ratio entitatis est ex obliquo. Unde sensus est, quod non dicuntur entia, scilicet accidentia secundum se, sed inquantum sunt entis, scilicet substantiae dispositiones secundum Commentatorem.“ 49 Wer also ist das Ziel der Kritik Picardis? Gewöhnlich wurde in der zweiten der drei rationes eine klare Anspielung auf eine Stelle im Exoduskommentar Eckharts gesehen 50: „Primum est quod aliter loquendum est et sentiendum de entibus sive de rebus et ipsarum esse, aliter de praedicamentis rerum et ipsarum praedicatione. Hoc enim quidam non considerantes difficultates in pluribus patiuntur. Decem enim praedicamenta non sunt decem entia nec sunt decem res nec sunt decem prima entia nec decem primae res, sed sunt decem prima rerum sive entium genera. Nequaquam prima decem entia, sed unum ens, substantia scilicet; reliqua vero non sunt entia, sed entis proprie ex VII Metaphysicae - entia solum analogice ad unum ens absolute, quod est substantia. Sic urina dicitur sana non sanitate formaliter inhaerente, sed sola analogia et respectu ad ipsam sanitatem 48 49 50
Johannes Picardi von Lichtenberg, Utrum sit unum esse omnium (nt. 11), fol. 156rb. Op. cit., fol. 156va. Sturlese, Eckhart, Teodorico e Picardi nella Summa philosophiae di Nicola di Straburgo (nt. 8), 194; Imbach, Metaphysik, Theologie und Politik (nt. 8), 390.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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extra, quae proprie formaliter est in ipso animali, quomodo et vinum est in circulo significante vinum esse in taberna et in vase. Hinc est quod omnia huiusmodi novem praedicamenta non sunt entia in recto, sed in obliquo, puta entis. Ratio est, quia sola forma substantialis dat esse, accidens universaliter non dat esse, sed tale aut tantum, et his similia. Quin immo accidens invenit esse iam prius natura in subiecto et non dat esse, sed accipit esse per subiectum et in subiecto. Unde totum ipsum compositum est unum ens, quamvis in ipso essent decem milia accidentium sive praedicamentorum accidentalium. Sicut enim totum ipsum compositum est unum quale sola qualitate, quantum sola quantitate, et sic de aliis, sic ipsum est ens sola substantia, scilicet forma substantiali. Sunt ergo omnia huiusmodi entia sive res extra analogice ad unum, quod est ens et res, scilicet substantia.“ 51
Anhand der Analogie zwischen der Gesundheit, die formaliter nur im Lebewesen ist, und dem Harn oder der Speise, die ,gesund‘ nur im Bezug auf die Gesundheit genannt werden kann, meint Eckhart, daß die neun praedicamenta keine entia seien, sondern vielmehr entis und daher dem Kompositum nicht ein Sein geben, sondern nur ein quale oder quantum. Der in Frage stehende Abschnitt wurde immer im Anschluß an die Doktrin Dietrichs gelesen, derzufolge das Akzidens nur ein Modus der Substanz ist. Wie wir jedoch bereits gesehen haben, ist die von Eckhart an dieser Stelle formulierte Position nicht gänzlich originell, sondern dürfte in unterschiedlichen Formen in den Universitäten zirkuliert haben. Wenn also der zitierte Ausschnitt aus dem Exoduskommentar durch einige Elemente („entia in obliquo, puta entis; urina dicitur sana non sanitate formaliter inhaerente, sed sola analogia ad ipsam sanitatem extram“) an eine der rationes erinnert, welche von Picardi erörtert werden, so ist das zu wenig, um mit Sicherheit sagen zu können, Eckhart sei einer der Vertreter der positio absurda. In den uns überlieferten eckhartschen Texten findet sich an keiner Stelle die ausdrückliche Behauptung, daß das Akzidens „de se nihil est“, wenngleich er, wie wir noch sehen werden, eine Theorie vertritt, die derjenigen Picardis sehr nahesteht. Wenn also nach dem aktuellen Forschungsstand eine Kritik des Johannes Picardi an Meister Eckhart nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kann, so bietet die Fragestellung hier doch die Gelegenheit, die Position Eckharts bezüglich des Akzidens zu überprüfen und ihre inhaltliche Nähe zu Dietrich von Freiberg zu untersuchen. Rupert Mayer hat kürzlich mit Recht darauf hingewiesen, daß der eben erwähnte Ausschnitt die Abhängigkeit Eckharts von Dietrich nicht bezeugt. Mayer ist dabei der Meinung: „Die Argumente Eckharts verteidigen die Lehre des Thomas vom Akzidens als ens in alio, von der Form, die dem ganzen Ding das Sein gibt und deshalb vom Sein real verschieden ist […].“ 52 Dietrich von Freiberg dagegen kritisiert die „communiter loquentes“, die das Akzidens ein „ens in alio“ nennen, obwohl es besser als ein „ens per aliud “ (nämlich per substantiam) bezeichnet wird 53; und, wie Catherine König-Pralong schreibt, „Dietrich exclut l’eˆtre d’inhe´rence de la sphe`re de´finitionnelle de l’accident, pour y placer la 51 52 53
Eckhart, In Exod., n. 54, LW II, 58, 3-59, 9. Mayer, Meister Eckharts erste Quaestio Parisiensis (nt. 1), 443. Dietrich von Freiberg, De accidentibus (nt. 12), n. 9 (2).
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substance a` titre d’unique intelligible et ontologiquement consistante“ 54. In diesem Sinn hat Eckhart ein anderes Verständnis des Akzidens als Dietrich, weil er das Wesen (oder das Sein) des Akzidens in der Inhärenz sieht, obgleich jedes Akzidens seine eigene ratio hat: „Omne accidens subiecto et in subiecto habet unum esse cum subiecto et ipsum esse subiecti, etiam si mille essent accidentia. Ipsorum enim esse est inesse, subiecto scilicet. Et iterum ipsorum esse est in esse subiecti. Non enim habent aliud esse nisi in ipso esse subiecti sui. In Deo autem idem est et hoc ipsum esse quod essentia sive substantia.“ 55 „sicut in nobis est alia ratio qualitatis et alia ratio substantiae.“ 56
Die Stelle, die Eckhart in seinem Exoduskommentar behandelt, ist nun Teil einer umfassenden Analyse des Verses „Omnipotens nomen eius“, welche sich gerade um die Möglichkeit dreht, Gott zu benennen. Eckhart behauptet dasselbe ausdrücklich von der ,Summa theologiae‘: „Quia tamen Thomas p. I q. 13 [54] materiam de nominibus dei, utrum deus sit nominabilis, fundat super isto verbo: omnipotens nomen eius, placet hic notare ad praesens quattuor.“ 57 Das bedeutet, daß Eckhart gemäß der ,Summa theologiae‘ die analoge Beziehung zwischen Akzidens und Substanz im Kontext der Theorie von den Namen Gottes verwendet. Er ist interessiert zu zeigen, mit welchem Recht Augustinus, Boethius, die Heiligen wie die Theologen übereinstimmend behaupten, in Gott gebe es zwei Kategorien, nämlich Substanz und Relation. Mit anderen Worten, Eckhart will erklären, inwiefern sich die Kategorie der Relation im Unterschied zu anderen Kategorien bei Gott finden kann. Wie Mayer gezeigt hat, behauptet Eckhart, die Relation bezeichne ihrer Gattung und ihrem Wesen nach, obwohl sie ein Akzidens sei, kein Sein oder Insein wie die anderen acht Akzidenzien. Dies sei der Grund, weshalb alle Gattungen des Akzidens bei Gott in die Substanz übergehen, außer der Relation. In diesem Kontext gewinnt die Diskussion um die Akzidenzien in Beziehung auf die Substanz eine andere Bedeutung. Es handelt sich nicht darum, wie bei Dietrich von Freiberg oder Johannes Picardi, die Transsubstanziation zu kritisieren oder zu erklären. Vielmehr geht es darum, ein philosophisches Modell zu finden, das zuläßt, in rationaler Art und Weise über Gott zu sprechen. Anders ausgedrückt: Eckhart verwendet im eben beschriebenen Kontext die analoge Beziehung zwischen Substanz und Akzidens, um den Unterschied zwischen dem ontologischen Niveau, auf dem eine analoge Beziehung zwischen dem wirklichen Sein (der Substanz) und den Akzidenzien besteht, und dem logischen oder vielmehr linguistischen Niveau zu markieren. Ausgehend von dieser kurzen Rekonstruktion scheint es sich zu ergeben, daß die Interessen und die Argumentation Eckharts hinsichtlich der Beziehung 54
55 56 57
C. König-Pralong, Le traite´ des accidents de Dietrich de Freiberg. Strate´gies exe´ge´tiques pour une reconduction de l’accidentel au par soi, in: J. Biard/D. Calma/R. Imbach (eds.), Recherches sur Dietrich de Freiberg, Turnhout 2009, 107-129, hier 125. Eckhart, In Exod., n. 65, LW II, 69, 9-14. Eckhart, In Exod., n. 70, LW II, 73, 9-10. Eckhart, In Exod., n. 34, LW II, 40, 6-8.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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Substanz-Akzidens nicht unter dem Einfluß Dietrichs stehen, auch wenn sie eine gewisse Ähnlichkeit zur Theorie Dietrichs aufweisen. Es handelt sich jedoch vielmehr um eine inhaltliche Verwandtschaft, die der gemeinsamen Quelle, nämlich ,Metaphysik‘ VII, zuzuschreiben ist, als um einen Einfluß Dietrichs auf Eckhart. Nichtsdestoweniger sind die von Eckhart gezogenen Schlüsse, wie dies auch schon Heinrich Denifle festgestellt hat, nur schwerlich mit dem thomistischen System in Einklang zu bringen 58. Nach Thomas werden Namen von Gott und der Creatur „analogice“ ausgesagt; „secundum analogiam“ etwas aussagen könne in zweifacher Weise geschehen: „Vel quia multa habent proportionem ad unum, sicut sanum dicitur de medicina et urina, inquantum utrumque habet ordinem et proportionem ad sanitatem animalis, cuius hoc quidem signum est, illud causa; vel ex eo, quo unum habet proportionionem ad alterum, sicut sanum dicitur de medicina et animali, inquantum medicina est causa sanitatis, quae est in animali.“ 59
Nur in der zweiten Weise „aliqua dicuntur de deo et creaturis analogice […]. Et sic quidquid dicitur de deo et creaturis, dicitur secundum quod est aliquis ordo creaturae ad Deum ut ad principium et causam, in qua praeexistunt excellenter omnes rerum perfectiones.“ 60
Nun erklärt Eckhart in keiner Weise die analoge Beziehung im Sinne einer Rangordnung der Kreaturen im Bezug auf Gott. Bei Eckhart gibt es keine Rangfolge. Speise, Urin und Stein unterscheiden sich nicht in ihrer ,Gesundheit‘, sind nicht mehr oder weniger ,gesund‘. Jedoch werden alle auf dieselbe Art und Weise im Bezug auf die „sanitas formaliter inhaerens“ ,gesund‘ genannt. Die Abhängigkeit, von der Eckhart spricht, ist vielmehr ziemlich radikal: Die Kreatur ist in sich selbst ein ,Nichts‘: „Omne autem ens creatum acceptum vel conceptum seorsum per se distinctum a Deo non est ens, sed est nihil.“ 61 Es handelt sich bekanntlich um eine Behauptung, die sich in den Werken Eckharts häufig wiederfindet, besonders in den deutschen Schriften, und die auch zweimal auf der Liste des Kölner Inquisitionsverfahrens auftaucht 62. Der oben angeführte Satz aus dem Exoduskommentar macht deutlich, daß sich Eckhart über die Intentionen des Thomas hinausbegibt. Die Abhängigkeit der Kreatur von Gott ist nicht nur ontologisch, sondern auch logisch: Jedes geschaffene Seiende für sich begriffen („conceptum“) oder genommen („acceptum“) ist nicht ein Seiendes, sondern nichts. 58
59
60 61 62
H. Denifle, Meister Eckharts lateinische Schriften und die Grundanschauung seiner Lehre, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 2 (1886), 417-615. Thomas von Aquin, Summa theologiae I, q. 13, a. 5, co; cf. G. Pini, Scoto e l’analogia. Logica e metafisica nei commenti aristotelici, Pisa 2002, 39-42. Ibid. Eckhart, In Exod., n. 40, LW II, 45,10-11. Acta Echardiana, n. 73, LW V, 225, 11-15: „Omnes creaturae sunt unum purum nihil. Non dico quod sint quid modicum vel aliquid, sed quod sint purum nihil, quia nulla creatura habet esse.“ Cf. Pred. 4, DW I, 69, 8-70, 2: „Alle creˆatuˆre sint ein luˆter niht. Ich spriche niht, daz sie kleine sıˆn oder iht sıˆn: sie sint ein luˆter niht. Swaz niht wesen enhaˆt, daz enist niht. Alle creˆatuˆren haˆnt kein wesen.“
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Alessandra Beccarisi
Wie sehr sich die Beziehung zwischen Schöpfer und Schöpfung für einen Vergleich mit derjenigen zwischen Substanz und Akzidens eignet, ist aus zwei anderen, ebenfalls sehr bekannten Kontexten gut ersichtlich. Der erste ist der ersten Pariser quaestio entnommen: „Item: in his quae dicuntur secundum analogiam, quod est in uno analogatorum, formaliter non est in alio, ut sanitas solum est in animali formaliter, in diaeta autem et urina non est plus de sanitate quam in lapide. Cum igitur omnia causata sunt entia formaliter, deus formaliter non erit ens. Unde, sicut alias dixi, cum accidentia dicantur in habitudine ad substantiam, quae est ens formaliter et sibi competit esse formaliter, accidentia non sunt entia nec dant esse substantiae, sed accidens bene est quantitas aut qualitas et dat esse quantum aut quale: extensum, longum aut breve, album aut nigrum, sed non dat esse nec est ens.“ 63
Der zweite stammt aus der zweiten ,Lectio super Ecclesiastici‘ 24,29: „Colligatur et formetur breviter sic ratio: analogata nihil in se habent positive radicatum formae secundum quam analogantur. Sed omne ens creatum analogatur deo in esse, veritate et bonitate. Igitur omne ens creatum habet a deo et in deo, non in se ipso ente creato, esse, vivere, sapere positive et radicaliter. Et sic semper edit, ut productum est et creatum, semper tamen esurit, quia semper ex se non est, sed ab alio. Notandum etiam quod hanc naturam analogiae quidam male intelligentes et improbantes erraverunt usque hodie.“ 64
Es handelt es sich um zwei von Eckhart in ein und derselben Zeitspanne verfaßte Schriften, nämlich im Zeitraum um 1302-1303, mit ziemlicher Sicherheit in Paris und bevor Johannes Picardi seine quaestiones geschrieben hatte 65. In der ersten Textstelle aus der ,Quaestio parisiensis I‘ finden sich einige Elemente wieder, welche auch im Exoduskommentar artikuliert werden: Die Akzidenzien sind in sich selber nichts Seiendes und geben auch der Substanz kein Sein; das Akzidens ist Quantität oder Qualität und gibt ein „esse quantum“ oder „esse quale“ (was Thomas „ forma accidentalis“ nennt). Das Akzidens gibt kein Sein und ist als solches etwas ,Nichtseiendes‘, und nicht - wie Mayer es deutet - etwas, das ein Insein besitzt. Der Modus der Inhärenz ist kein modus essendi, sondern vielmehr ein modus praedicandi, denn er ist Teil der ratio praedicamentalis des Akzidens. Man könnte auch darauf hinweisen, daß Eckhart „esse ab alio“ und „essentia non ab alio“ unterscheidet 66, aber dies genügt nicht, um daraus zu schließen, er hinge in seiner Theorie von den Akzidenzien von Thomas ab. Eckharts Theorie ist klar: In der Speise und im Urin ist nicht mehr sanitas als in einem Stein. Dennoch werden nur die Speise und der Urin (und nicht der Stein) ,gesund‘ auf Grund der Beziehung zur wahren ,Gesundheit‘ genannt. Das berühmte Beispiel von der Girlande und dem Wein im Faß, unter anderem auch im franziskani63 64 65
66
Eckhart, Quaestiones parisienses 1, n. 11, LW V, 46, 6-47, 5. Eckhart, Sermones et Lectiones super Eccli. 24,29, n. 53, LW II, 282, 1-8. Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des Opus tripartitum, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446, besonders 442-443. Eckhart, In Exod., n. 18, LW II, 24, 1.
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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schen Umfeld verbreitet, zeigt die Art und Weise, in der Eckhart die entsprechende Stelle in ,Metaphysik‘ IV auslegt: Was in einem analogen Verhältnis steht (Gesundheit, Sein, und so fort) findet sich nur in einem analogatum. Thomas’ Schlußfolgerung ist davon verschieden. Er betont an mindestens zwei Stellen, daß diese Form der Analogie nicht bedeutet, daß sich in den analogen Dingen nicht auch etwas des Begriffes fände, entweder als Zeichen oder als Bezeichnung 67. Eckhart jedoch behauptet, wie gesehen, daß die „analogata nihil in se habent positive radicatum formae, secundum quam analogantur“. Auch wenn Thomas seine Ansicht bezüglich der Analogie geändert haben mag, versteht er, wie Silvia Donati gezeigt hat, die Analogie des Seienden nicht als eine Analogie, nach welcher die vom Namen indizierte Perfektion (sanitas, esse, bonitas, iustitia, …) nur im Hauptanalogum, nicht jedoch im Sekundäranalogum existiert 68. Das würde tatsächlich bedeuten, jedwede eigene Seinsfom des Akzidens unabhängig von der Substanz zu bestreiten, das heißt zu bestreiten, das Akzidens sei ein Seiendes. Diese radikale Konzeption wiederum ist in der Tat mit der Metaphysik des Thomas unvereinbar. Anderer Ansicht ist hingegen Eckhart. Er behauptet im Sinne von Thomas und gegen die Meinung Dietrichs, daß das Wesen des Akzidens, seine ratio praedicamentalis, in einem „in-esse“ bestehe, und erklärt wie der spätere Thomas und der frühe Dietrich das Verhältnis von Substanz und Akzidens mittels der Analogie des Gesundheitsbegriffs. Im Unterschied zu beiden, Thomas und Dietrich, versteht er die Analogie dann aber so, daß das, was in ein Verhältnis zu einem Dritten tritt, nichts Eigenes an sich hat. Im Licht der dargestellten eckhartschen Theorie des Akzidens erscheint die von Johannes Picardi kritisierte Position - „de se accidens nihil est “ - noch klarer. Das heißt, daß das Akzidens, auf Grund seiner ontischen Abhängigkeit von der Substanz, nichts ist. Für sich genommen bedeutet das, daß das Akzidens außerhalb dieser essentiell ontologischen Beziehung schlichtweg nicht existiert. Der Kontext und die Terminologie erinnern stark an die Position, welche Eckhart in seinen Werken vertritt, wenn auch mit einem wichtigen Unterschied. Für Eckhart sind Kreaturen und Sein ,nichts‘ - ein ,Nichts‘, das er anhand der Analogie zwischen Substanz und Akzidens erläutert. Das Verhältnis zwischen Substanz und Akzidens wird wiederum als Beispiel für die Beziehung zwischen Schöpfer und Schöpfung verwendet. Die Welt der Erfahrung ist eine reine Manifestation der wahren Substanz, das heißt Gottes. Die Kreaturen wären in diesem Sinn Akzidenzien, die auf die wahre Substanz verweisen, ohne die sie nicht nur 67
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Thomas von Aquin, De veritate, q. 21, a. 4, ad 7, in: Thomae de Aquino opera omnia 22, Rom 1973, 604, 329-341; id., Summa theologiae I, q. 16, a. 6: „Quando aliquid dicitur analogice de multis, illud invenitur secundum propriam rationem in uno eorum tantum, a quo alia denominantur. Sicut sanum dicitur de animali et urina et medicina, sed a sanitate animalis denominatur medicina sana, inquantum est illius sanitatis effectiva, et urina, inquantum est illius sanitatis significativa. Et quamvis sanitas non sit in medicina neque in urina, tamen in utroque est aliquid per quod hoc quidem facit, illud autem significat sanitatem.“ Donati, La discussione sull’unita` del concetto di ente (nt. 45), 67.
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nicht existieren, sondern zudem nichts bedeuten würden, ebenso wie die Girlande für sich, ohne den Bezug zum Wein, in der Weinschenke eines Sinnes entbehren würde. So verstanden gewinnt das Model der Analogie jedoch eine andere Bedeutung: Wenn die Kreaturen schlicht Zeichen sind, welche auf Gott verweisen, existiert auch Gott als solcher nur im Bezug zu den Kreaturen. Abgesehen von der Metapher: Das eben beschriebene Modell der Analogie verbindet die beiden zur Diskussion stehenden Begriffe in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Der eine steht und fällt mit dem anderen. Die Substanz (als Gott) bliebe unerkennbar ohne die Akzidenzien, deren Grundlage sie doch bildet, ebenso wie der Wein ohne die Girlande verborgen und ungetrunken im Weinkeller verbliebe. Einzig aufgrund der analogen Beziehung ist es möglich, von Substanz und Akzidenzien, von Schöpfer und Schöpfung, von Wein im Faß und Girlande zu sprechen. Aus den Texten ergibt sich somit, daß Eckhart nicht wie Dietrich an der Frage nach der Transsubstanziation interessiert ist. Es ist interessant zu sehen, wie Eckhart sich in seiner ,Responsio‘, der sogenannten ,Rechtfertigungsschrift‘, mehrmals auf die Autorität des Thomas beruft, um seine Theorie zu untermauern 69. *** Zum Schluß einige zusammenfassende Bemerkungen: 1. Zur Problematik der Akzidenzien existiert in Deutschland keine spezifisch ,deutsche‘ Diskussion. Das Zeugnis des Johannes Picardi zeigt, daß vor 1308 der kulturelle Bezugspunkt immer noch Paris war - wenigstens für Fragestellungen „akademischer Natur“. 2. Die quaestio über die Akzidenzien Picardis bietet außerdem eine weitere Bestätigung für die vorgeschlagene Datierung. Somit ist es als wahrscheinlich anzunehmen, daß Dietrichs Traktat ,De tribus difficilibus quaestionibus‘, dem sowohl ,De visione beatifica‘ als auch ,De accidentibus‘ zugehören, erst nach 1303 verfaßt wurde oder zumindest nach Picardis ,Quaestiones‘. 3. Daraus folgt, daß Eckhart in seiner Theorie über die Akzidenzien in keiner Weise von Dietrich beeinflußt wurde, da Eckhart im Jahre 1303 die erste Pariser quaestio und die zweite ,Lectio super Ecclesiastici 24‘ bereits verfaßt hatte. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, daß die beiden einfach dieselbe Quelle benutzt und kommentiert haben. Wie wir eben gesehen haben jedoch mit unterschiedlichen Ergebnissen. 69
Acta Echardiana, n. 149, LW V, 353, 1-5 und 11-14: „Postremo notandum quod, licet in quolibet articulorum, quos ego praedicavi, docui et scripsi, appareat ruditas et brevitas intellectus illorum qui talia vitiare contendunt, appareat etiam ex declarationibus praemissis veritas dictorum a me et scriptorum […]. Quia ea obiciunt tamquam haeretica, quae manifeste posuit sanctus Thomas in solutionibus quorundam argumentorum, quas ipsi non viderunt aut non meminerunt, sicut est de distinctione et natura univocorum et aequivocorum et analogorum et similia.“
Johannes Picardi von Lichtenberg, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
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4. Dies wiederum führt zu folgendem Schluß: Dietrich und Eckhart haben, zumindest was die Theorie der Akzidenzien betrifft, keine gemeinsame Methodik. Somit zeigt sich ein weiteres Mal, daß sich das Denken Eckharts trotz aller scheinbaren Ähnlichkeiten von demjenigen Dietrichs in wichtigen Punkten gravierend unterscheidet 70.
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Cf. Sturlese, Eckhart lettore di Dietrich (nt. 23), 440; Speer, Abditum mentis (nt. 20), 456; A. Beccarisi, „Der hoehste under den meistern“. Eckhart e il „De anima“ di Aristotele, in: L. Sturlese (ed.), Studi sulle fonti di Meister Eckhart, Fribourg 2008, 11-38, besonders 12-13.
Königsfelden
„Quam diu istud cadaver equitare permittemus?“ Die Ermordung König Albrechts I. im Jahre 1308 und das Kloster Königsfelden Brigitte Kurmann-Schwarz (Romont) Albrecht von Habsburg wurde im Juni 1255 in Rheinfelden als ältester Sohn des späteren deutschen Königs Rudolf I. und der Gertrud (Anna) von Hohenburg geboren 1. 1298 selbst zur Königswürde aufgestiegen, kam er am 1. Mai 1308 unter den mörderischen Streichen seines Neffen, Herzog Johanns von Österreich, und dreier Mitverschworener auf dem Boden des Dorfes Windisch im Aargau um 2. Dramatisch und detailreich schildern die Chronisten, Ottokar aus der Gaal (1265-1348/49) 3, Matthias von Neuenburg (1295-1364) 4, Abt Johannes von Viktring (um 1270-1347) 5, der Minorit Johannes von Winterthur (um 1300-1348/49) 6 und andere das grausige Ereignis. Die moderne Geschichtsschreibung ist sich einig, daß Matthias von Neuenburg am besten über den Vorgang unterrichtet war und eine gute Kenntnis über den Ort des Geschehens besaß 7. Alle Chronisten gehen nicht nur auf das Ereignis selbst, sondern auch auf die Vorgeschichte des Mordes ein. König Albrecht kam im Frühjahr 1308 in die Oberen Lande seines Herrschaftsbereiches, um neue Truppen für 1
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Zur Person von König Albrecht cf. A. Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281-1358), Wien 1967, 43-47; K.-F. Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart-Berlin-Köln 1994, 75 sqq. Cf. B. Meyer, Studien zum habsburgischen Hausrecht. 1: Die Ermordung Albrechts in Windisch, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 24 (1945), 153-176; Lhotsky, Geschichte Österreichs (nt. 1), 154-165; H. Danuser, Göllheim und Königsfelden. Ein Beitrag zur Geschichte König Albrechts I., Lausanne 1974, 92-123, 107 sqq.; Krieger, Habsburger (nt. 1); B. KurmannSchwarz, Königsfelden-Zofingen-Staufberg, Glasmalerei im Kanton Aargau, vol. 1, Aarau 2002, 11 sqq.; ead., Die mittelalterlichen Glasmalereien der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden (Corpus Vitrearum Medii Aevi. Schweiz 2), Bern 2008, 27 sq. Cf. J. Seemüller (ed.), Ottokars Österreichische Reimchronik, Teil 2 (Monumenta Germaniae Historica. Scriptorum qui vernacula usi sunt 5), Hannover 1893, 1224-1234. Cf. A. Hofmeister (ed.), Die Chronik des Matthias von Neuenburg, Fassung B und VC, Fassung WAU (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 4), Berlin 1924-1940, 343-346. Cf. F. Schneider (ed.), Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum Historiarum, vol. 1 (Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum ex monumentis Germaniae Historicis separatim editi 36), Leipzig-Hannover 1909, 384 sqq. Cf. F. Baethgen (ed.), Die Chronik Johanns von Winterthur (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 3), Berlin 1924, 47. Cf. Lhotsky, Geschichte Österreichs (nt. 1), 158.
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Brigitte Kurmann-Schwarz
einen Feldzug nach Böhmen aufzustellen, das ihm nach dem Tod seines Sohnes, König Rudolfs von Böhmen, zu entgleiten drohte 8. Alle Chronisten schreiben übereinstimmend, daß sich im Gefolge des Königs auch sein Neffe, Herzog Johann von Österreich, befand, der seinen Onkel schon einige Zeit bedrängte, ihm endlich das Erbe seiner verstorbenen Mutter, Agnes von Böhmen, herauszugeben 9. Doch der König zögerte, den Wunsch seines Neffen zu erfüllen und brachte immer wieder neue Ausflüchte vor, warum er ihn noch nicht in seinen Besitz einsetzen könne 10. Aus Erbitterung über die Haltung seines Onkels verschwor sich der junge Herzog mit drei unzufriedenen und hochverschuldeten Adeligen gegen das Leben des Königs. Sie hofften, daß Herzog Johann sie nach gelungenem Anschlag reich belohnen würde. Die Verschwörer befanden sich im Gefolge des Königs, als sich dieser während des Frühjahrs 1308 in den Oberen Landen aufhielt. Nach der Erzählung des Matthias von Neuenburg verbrachte König Albrecht I. den 1. Mai 1308 in Baden. Vor dem Mittagsmahl trug Bischof Johannes von Straßburg, der ebenfalls zum Gefolge gehörte, nochmals das Anliegen Herzog Johanns vor. Der König ließ verlauten, daß der Neffe eine Hundertschaft nach Böhmen führen sollte, danach würde er, der König, ihm, Johann, etwas zuweisen. Dieses Ansinnen lehnte der junge Mann jedoch ab, weil er als Besitzloser keine Behelmten aufbieten könne. Nach diesem Gespräch begab sich die Gesellschaft zu Tisch, und der König verteilte Kränze unter den jungen Leuten. Herzog Johann fühlte sich wegen seiner Jugend verspottet, legte aufgebracht seinen Kranz auf den Tisch und verweigerte zusammen mit den Verschwörern das gemeinsame Mahl 11. Am Nachmittag brachen der König und sein Gefolge einschließlich der Verschwörer nach Rheinfelden auf. Von Baden kommend, trafen sie am Ufer der Reuss ein, die mit der Fähre überquert werden mußte (Abb. 1). Die Chronisten berichten übereinstimmend, daß es den Verschwörern gelang, zusammen mit dem König als erste in dem einzigen vorhandenen Schiff über den Fluß zu setzen und am anderen Ufer weiterzureiten, bevor das übrige Gefolge eingetroffen war. Matthias von Neuenburg berichtet, Rudolf von Wart habe nach kurzem Ritt ausgerufen: „Quam diu istud cadaver equitare permittemus?“ („Wie lange wollen wir diesem Kerl erlauben, weiterzureiten?“) 12. Diese Frage von Warts wurde für Herzog Johann, Ulrich von Balm und Walther von Eschenbach zum Stichwort, 8
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Cf. Krieger, Habsburger (nt. 1), 105 sqq.; zu den Vorgängen in Böhmen cf. den Beitrag von I. Hlava´cˇzek in diesem Band. Was genau damit gemeint ist, diskutieren Meyer, Studien (nt. 2), 164-168 und Danuser, Göllheim (nt. 2), 93-97. König Albrecht fürchtete, daß seinen Nachkommen auf Dauer Territorien entzogen werden könnten. Cf. Meyer, Studien (nt. 2), 167 sq.; Danuser, Göllheim (nt. 2), 93-99. Cf. Hofmeister (ed.), Chronik (nt. 4), 343 sq. Hofmeister (ed.), Chronik (nt. 4), 344. Lhotsky, Geschichte Österreichs (nt. 1), 158 zitiert: „Quam diu iste cadaver equitare permitemus?“ In nt. 307 der Seite 158 merkt er an: „Es ist schwer einzusehen, warum Adolf Hofmeister die durch die Handschriften gesicherte richtige Form istud so seltsam ,emendiert‘ hat.“ In der Edition von Hofmeister steht jedoch nicht iste, sondern istud.
„Quam diu istud cadaver equitare permittemus?“
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Abb. 1: Der Weg König Albrechts I. am 1. Mai 1308 von der Fähre über die Reuss bei Oberburg in Richtung Brugg und die Lage von Königsfelden (Photo, Arau, Kantonale Denkmalspflege).
über den König herzufallen und ihn nach nur zehn Jahren Regierungszeit auf seinem eigenen Besitz, wie der Chronist betonte, niederzumachen. Nach den Chronisten Ottokar und Abt Johannes habe der Satan selbst den Neffen zum Handeln angestachelt. Der Minorit von Winterthur bringt außerdem eine moralische Begründung für die Handlungsweise des Onkels ins Spiel: Der Geiz habe ihn dazu verleitet, dem Neffen das Gut vorzuenthalten. Abt Johannes schließlich weiß zu berichten, daß der König, als die Verschwörer über ihn herfielen, sich verzweifelt nach Hilfe umsah, doch sei außer ihnen niemand vor Ort gewesen. Als das Gefolge endlich eintraf, konnte der Bischof von Speyer nur noch die Seele des Sterbenden in die Hände Gottes empfehlen 13. Man brachte seinen Leichnam nach Brugg, wo die von Rheinfelden herbeigerufene Königin in bit13
Cf. Schneider (ed.), Iohannis abbatis (nt. 5), 385 sq.
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tere Klagen ausbrach, denen die Verse Ottokars geradezu antike Tragik verleihen 14. Übereinstimmend wird berichtet, daß die Trauernde und ihre Söhne den Leichnam anschließend ins Kloster Wettingen bringen ließen, wo er provisorisch im Grab eines Verwandten beigesetzt wurde 15. Erst im Sommer des folgenden Jahres konnten sie die sterblichen Überreste des Königs in die Gruft des Doms von Speyer überführen lassen 16. Am Ort, an dem der König zu Tode kam, ließ die Witwe Albrechts zunächst ein Haus und eine Kapelle errichten. Sie brachte dort zwei Franziskaner unter, die für die Seele des Verstorbenen beteten 17. Schon kurz danach berichten jedoch die Quellen, daß die Familie erste Maßnahmen ergriff, um ein Kloster für Franziskaner und Klarissen zu gründen, dem sie den Namen Königsfelden gab 18. Die Habsburger wählten diesen Namen, um die königliche Stellung der Familie hervorzuheben und ihren Anspruch auf die Krone auch weiterhin aufrechtzuerhalten 19. Der Grundstein für die beiden Klöster und die Kirche wurde wahrscheinlich im Herbst 1310 von Königin Elisabeth gelegt 20. Am Michaelstag 1311 (29. September) stellten sie und ihre Söhne in Wien den Stiftungsbrief aus 21, und 1312 14
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Cf. Seemüller (ed.), Ottokars Reimchronik (nt. 3), 1230-1234. Diese Klage Elisabeths galt den Gegnern der Habsburger als Beweis, daß die Königin ihre Söhne zur unerbittlichen Rache an den Königsmördern anspornte und diente dadurch dem Ziel, sie zu diffamieren. Eine gerechtere und einer hochadeligen Frau des 14. Jahrhunderts eher angemessene Interpretation vertritt dagegen U. Liebertz-Grün, Frau und Herrscherin. Zur Sozialisation deutscher Adeliger (1150-1450), in: B. Lundt (ed.), Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten, München 1991, 166-187. Außerdem zu Königin Elisabeth: A. Fößel, Die Königin im mittelalterlichen Reich. Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume, Stuttgart 2000, 277-281. Cf. Schneider (ed.), Iohannis abbatis (nt. 5), 386; zum Grabmal cf. P. Hoegger, Das ehemalige Zisterzienserkloster Marisstella in Wettingen (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau 8), Basel 1998, 75. Cf. H. Koller, Die Habsburger Gräber als Kennzeichen politischer Leitmotive in der österreichischen Historiographie, in: D. Berg/H.-W. Goetz (eds.), Historiographia mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. Festschrift für Franz-Josef Schmale zum 65. Geburtstag, Darmstadt 1988, 256-269; B. Lauro, Die Grabstätten der Habsburger. Kunstdenkmäler einer europäischen Dynastie, Wien 2007, 33 sq. Cf. Chronicon Königsfeldense, in: M. Gerbert, De translatis Habsburgo-Austriacorum principum eorumque conjugum cadaveribus ex ecclesia cathedrali Basiliensi et monasterio Kœnigsfeldensi in Helvetia ad conditorium novum Sancti Blasii, Sankt Blasien 1772, 101; KurmannSchwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 28. Cf. G. Boner, Die Gründung des Klosters Königsfelden, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 47 (1953), 1-24, 81-112, 181-209. Cf. A. Lhotsky, Apis Colonna. Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger. Ein Exkurs zur Chronica Austrie des Thomas Ebendorfer, in: id., Das Haus Habsburg. Aufsätze und Vorträge, edd. H. Wagner/H. Koller, München 1971, 19; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 28 sq. Cf. Boner, Gründung (nt. 18), 81-112; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 29 sq. Cf. Aarau, Staatsarchiv, U.17, 0020a, 1311 IX 29, Wien, abgedruckt bei Gerbert, De translatis (nt. 17), 141.
„Quam diu istud cadaver equitare permittemus?“
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ließ Königin Agnes, eine der Töchter König Albrechts I. und ehemalige Königin von Ungarn, die bereits beschlossene Stiftung eines Klarissenklosters von Gnadental an der Reuss nach Königsfelden übertragen 22. Noch im gleichen Jahr wurden die ersten Klarissen aus Söflingen bei Ulm im neuen Kloster eingeschlossen 23. Königin Elisabeth hatte ihre Gründung für sechs Franziskaner und eine nicht festgelegte Zahl von Nonnen dotiert, nach der Absicherung des Vermögens konnten sich zwölf Franziskaner und 40 Klarissen in Königsfelden aufhalten 24. Die ,Königsfeldener Chronik‘ und neuere Untersuchungen an den Bauten erlauben es, die Errichtung des Klosters und der Kirche recht genau nachzuzeichnen. 1312/13 wurden die Klosterbauten eingedeckt, die Außenwände der Langhausseitenschiffe errichtet und 1314 das Mittelschiff überdacht 25. 1316 muß der Innenraum des Langhauses provisorisch nach Osten abgeschlossen, ausgemalt und verglast gewesen sein (Abb. 2), da in diesem Jahr der Leichnam von Königin Elisabeth, die 1313 in Wien verstorben war, in der Grabgruft des Mittelschiffes beigesetzt wurde. Der Sarkophag aus schwarzem und weißem Stein setzt ein oberirdisches Zeichen für die Lage der Grabgruft im östlichen Teil des Mittelschiffes (Abb. 3). Durch die Zweifarbigkeit des Monumentes knüpfen die Habsburger formal an die modernsten Grabmäler der französischen Könige an (Grabmal von Königin Isabella von Aragon in Saint-Denis, der ersten Frau König Philipps III. von Frankreich, 1275 bezahlt), beschränken aber seinen Schmuck auf Architekturmotive 26. Die stark geböschte schwarze Deckplatte und die Gliederung der Längs- und Schmalseiten durch Arkaden des Grabmals in Königsfelden gehen direkt auf die Form des Königsmonuments von Heinrich IV. in der Gruft des Speyerer Doms zurück (Abb. 4) 27. Die Form des Monuments 22
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Cf. Boner, Gründung (nt. 18), 184-187; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 34. Cf. Chronicon Koenigsfeldense, in: Gerbert, De translatis (nt. 17), 101 sq.; Boner, Gründung (nt. 18), 84 sq.; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 43. Cf. Boner, Gründung (nt. 18), 188-191. Zur Geschichte der beiden Klöster cf. außerdem G. Boner, Das Barfüßerkloster Königsfelden; Das Klarissenkloster Königsfelden, in: B. DeglerSpengler (ed.), Der Franziskusorden. Die Franziskaner, die Klarissen und die regulierten Franziskaner-Terziarinnen in der Schweiz. Die Minimen in der Schweiz (Helvetia sacra V, 1), Bern 1978, 206-211, 561-544. Cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 57 sqq. Cf. ibid., 70 sqq. Zum Grabmal von Königin Isabella cf. A. Erlande-Brandenburg, Le roi est mort. E´tude sur les fune´railles, les se´pultures et les tombeaux des rois de France jusqu’a` la fin du XIII e sie`cle, Genf 1975, 168 sq. Ein Grabmal in schwarzem und weißem Stein ließ sich kurz vor der Ermordung König Albrechts Isabella von Frankreich, die erste Frau König Rudolfs III. von Böhmen, in der Wiener Minoritenkirche errichten. Das Monument ist nicht mehr erhalten, jedoch durch bildliche Überlieferung belegt. Cf. G. Schmidt, Das Grabmal der Blanche de France (gest. 1305) bei den Wiener Minoriten, in: Festschrift für Hans Wentzel zum 60. Geburtstag, Berlin 1975, 181-192. Cf. T. Meier, Die Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes im christlichen Europa, Stuttgart 2002, 212-228, 239-243. Allgemein zu Königsfelden als Grablege cf. Lauro, Grabstätten (nt. 16), 244 sqq.
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Brigitte Kurmann-Schwarz
Abb. 2: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Blick ins Langhaus nach Osten (Photo, Aarau, Kantonale Denkmalspflege).
unterstreicht daher ebenso wie der Name des Klosters die königlichen Ansprüche der Familie. 1318 wird in einer Urkunde der Nonnenchor „in fine ecclesie“ erwähnt 28 und 1320 berichtet das ,Chronicon Koenigsfeldense‘ von der Weihe des Langhauses und seiner vier Altäre 29. 28
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Aarau, Staatsarchiv, U.17, 0059b, 1318 III 9, Straßburg; B. Kurmann-Schwarz, „… ein vrowen chloster sande Chlaren orden und ein chloster der minneren Bru(e)der orden“. Die beiden Konvente in Königsfelden und ihre gemeinsame Nutzung der Kirche, in: H. Scholz/I. Rauch/ D. Hess (eds.), Glas. Malerei. Forschung. Internationale Studien zu Ehren von Rüdiger Becksmann, Berlin 2004, 151-163. Cf. Gerbert, De translatis (nt. 17), 109; zu den Titeln der Altäre cf. J. J. Fugger/C. Jäger, Ehrenspiegel des Hauses Österreich, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 8314*, fol. 230v. Die vier Altäre befanden sich unter dem Lettner, wo man bei den Bauuntersuchungen 19821986 die Fundamente gefunden hat. Sie waren laut Fugger/Jäger (1) Stephanus, Laurentius, allen Märtyrerchristen und den Heiligen Drei Königen, (2) Nikolaus, Martin, Franziskus und
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Abb. 3: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Grabmal der Habsburger, um 1316 (Photo, Aarau, Kantonale Denkmalspflege).
In den folgenden eineinhalb Jahrzehnten richtete sich das Bemühen von Königin Agnes von Ungarn, die spätestens 1317 ein Haus auf dem Klostergelände bezog, ganz auf die wirtschaftliche Konsolidierung des Klosters. Diese war 1335 mit der Abfassung des Kopialbuchs der Klarissen weitgehend abgeschlossen 30. Zwischen 1330 und 1337 sicherten große Jahrzeitstiftungen der Königin Agnes,
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Ludwig von Toulouse, (3) den heiligen Jungfrauen, Maria Magdalena, Klara, Agnes, Elisabeth von Thüringen, Ottilia und Margarete sowie (4) den Aposteln und Evangelisten geweiht. E. Maurer, Das Kloster Königsfelden (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau 3), Basel 1954, 60. Dazu besonders A. Baldinger, Agnes von Ungarn und das Kloster Königsfelden: Klostergründung und habsburgische Herrschaft in den Vorlanden im 14. Jahrhundert, ungedr. Lizentiatsarbeit Universität Zürich 1999; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 42-46.
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Abb. 4: Citta` del Vaticano, Biblioteca Apostolica, Ms. Chigiano I. VI. 205, p. 241, Ansicht des Königschors in Speyer mit dem Königsmonument im Vordergrund, 1648 (Photo, Rom, Biblioteca Vaticana).
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Herzog Ottos, Herzog Leopolds, Herzog Heinrichs und seiner Gemahlin, sowie Herzogin Elisabeths von Lothringen sechs weitere Pfründen für Franziskaner 31. Als die wirtschaftliche Konsolidierung absehbar war, veranlaßten die Klostergründer den Bau des architektonischen Chores, der zwischen 1329 und 1330 errichtet wurde (Abb. 5 im Anhang). Am 12. September 1330 konsekrierte der Bischof von Konstanz den Chor wie zehn Jahre zuvor Johannes von Straßburg das Langhaus Sancta Maria und allen Heiligen. Den Hochaltar weihte der Bischof am 29. September dem Kreuz, Leib und Blut Christi und einen weiteren Altar, der wahrscheinlich auf dem Lettner stand, dem heiligen Michael und allen Engeln 32. Formal vertritt die Kirche den Typus der oberrheinischen Bettelordensbasilika der männlichen Ordenszweige mit drei flachgedeckten Schiffen und einem polygonal geschlossenen und gewölbten Chor 33. Neben dem Grabmal und dem 1986 rekonstruierten Lettner blieben außer den Glasmalereien von Chor und Langhaus nur einige Paramente, die heute im Historischen Museum zu Bern aufbewahrt werden, von der ursprünglich reichen Ausstattung aus dem 14. Jahrhundert erhalten 34. Trotz einer tiefgreifenden Restaurierung in den Jahren 1896-1900 gehören die farbigen Scheiben der ehemaligen Klosterkirche zu den bedeutendsten Monumenten der europäischen Glasmalerei aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts 35. Das Langhaus erhielt um 1314/16 eine ornamentale Verglasung mit einst reichem Wappenschmuck, von denen noch heute die Schilde der ungarischen Könige und des Reichs (Abb. 6 im Anhang) zu sehen sind 36. Nach älteren Beschreibungen war außerdem der österreichische Bindenschild zu sehen 37. Bezugspunkt für diese einfache Verglasung bildete das Grab der Herzoginnen und Herzöge von Österreich (Abb. 3), in dem auch die Königinnen Elisabeth und Agnes beigesetzt waren. Der Bezug zwischen Grablege und bildlicher Ausstattung intensivierte sich in der Zeit um 1360, als die hoch betagte Königin Agnes wohl zusammen mit ihrem Neffen, Herzog Rudolf IV., die Neuverglasung der Fenster des Seiten31
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Cf. P. Kurmann/B. Kurmann-Schwarz, Das religiöse Kunstwerk der Gotik als Zeichen der Übereinkunft zwischen Pfaffen und Laien, in: E. C. Lutz/E. Tremp (eds.), Pfaffen und Laien ein mittelalterlicher Antagonismus?, Freiburger Colloquium 1996, Freiburg 1999, 78-99; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 44 sqq. Cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 58 sq. Zur baugeschichtlichen Einordnung der ehemaligen Klosterkirche von Königsfelden cf. ibid., 59-66. Cf. Maurer, Kloster (nt. 29), 278-306; M. Beck/P. Felder/E. Maurer/D. W. H. Schwarz, Königsfelden. Geschichte, Bauten, Glasgemälde, Kunstschätze, Olten-Freiburg i. Br. 1970, 165-171; S. Marti, Königin Agnes und ihre Geschenke. Zeugnisse, Zuschreibungen und Legenden, in: Kunst und Architektur 47 (1996), 169-180. Zur Restaurierung des späten 19. Jahrhunderts cf. ausführlich Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 95-107. Cf. ibid., 127-133 (erste Langhausverglasung). Der Zürcher Gelehrte Johann Martin Usteri hinterließ eine detaillierte Beschreibung der Chorverglasung, in der die Ornamentscheiben bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Lückenbüßer eingesetzt waren. Cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 88-93.
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schiffs veranlaßte 38. Von diesen Glasmalereien sind heute nur noch gerade sechs Felder erhalten, vier Architekturbaldachine mit Teilen des umfassenden Inschriftenrahmens und die Figurenscheiben Herzog Albrechts II. und König Rudolfs von Böhmen. Der ,Ehrenspiegel des Hauses Österreich‘ von Johann Jakob Fugger und Clemens Jäger (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 8614*), dessen älteste Version 1555 ins reine geschrieben wurde 39, überliefert jedoch die Bilder und Inschriften aus allen 14 Fenstern des Langhauses. Der Zyklus zeigte König Rudolf I. und dreizehn weitere Familienmitglieder im Gebet, flankiert von ihren Wappen. In den zweibahnigen Fenstern überragten Architekturen die Figuren und ihre Wappen, und ein einfacher Rahmen mit einer Inschrift umfaßte die Komposition 40. Der Schriftzug auf dem Rahmen enthält den Namen der Dargestellten und, falls sie schon verstorben waren, das Todesdatum sowie das verwandtschaftliche Verhältnis zu König Albrecht. Die Inschrift, die das Bild des Königs selbst rahmte (Abb. 7), wies darauf hin, daß er „in loco, ubi nunc est maius Altare“ umgekommen war 41. Damit wird ein zweiter wichtiger Bezugspunkt der bildlichen Ausstattung genannt, der Hochaltar, der zugleich als Ort der Bluttat an Albrecht I. galt. Diesen Zusammenhang stellt schon vor der Inschrift in der Langhausverglasung die älteste Gründungsgeschichte in dem 1335 abgefaßten Kopialbuch des Klarissenklosters her. Der Fronaltar in der Brüder Chor sei dort errichtet, wo der tödliche Anschlag auf den König verübt wurde 42. Obwohl der Christi Kreuz, Leib und Blut geweihte Hochaltar nach der Reformation verschwunden ist, bezeichnet noch heute eine goldene Inschrift auf rotem Grund mit den Worten rex albertus den Ort des Geschehens. Der Name des Königs ist am Rand des Gewölbeschlußsteins mit dem Relief Christi als Pantokrator links und rechts des Reichsschildes angebracht (Abb. 8). Die Glasmalereiforschung hat auch schon seit langem danach gefragt, in welcher Weise die Inhalte der Chorverglasung sich auf diesen Bezugspunkt richten und wie die gläsernen Bilder den König und sein blutiges Ende visuell sichtbar machen 43. Der architektonische Chor wurde zwischen 1329/30 und dem Beginn der 1340er Jahre in drei Etappen vollständig figürlich verglast 44. Das Ensemble 38
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Cf. A. Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (Mittelalter-Forschungen 12), edd. B. Schneidmüller/S. Weinfurter, Ostfildern 2003, 147 sqq.; B. Kurmann-Schwarz, Die Sorge um die Memoria. Das Habsburger Grab zu Königsfelden im Lichte seiner Bildausstattung, in: Kunst und Architektur 50 (1999), 12-23; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 229-234. Zur Datierung cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 74, nt. 2. Zur Rekonstruktion der Langhausverglasung cf. ibid., 229-233. Zu den Inschriften cf. ibid., 232 sq., 401, no. 3 (Transkriptionen nach Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 8614*, foll. 232r-238v ). Zur Bedeutung dieser Inschrift cf. außerdem Kurmann-Schwarz, „… ein vrowen chloster“ (nt. 28), 161. Cf. Aarau, Staatsarchiv, AA/0428, Königsfelden, Kopialbuch I, fol. 52v. Cf. E. Maurer, Habsburgische und franziskanische Anteile am Königsfelder Bildprogramm, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 19 (1959), 220-225. Cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 157 sq.
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Abb. 7: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 8614*, fol. 232v, König Albrecht I. nach den Glasmalereien eines Langhausfensters in der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden, um 1360, gezeichnet vor 1555 (Photo, Wien, Österreichische Nationalbibliothek).
steht stilistisch in der Tradition der elsässischen Glaskunst dieser Zeit und entstand wohl in einer Basler Werkstatt 45. Eine erste Verglasungsphase betraf den 45
Zuerst: R. Becksmann, Die architektonische Rahmung des hochgotischen Bildfensters. Untersuchungen zur oberrheinischen Glasmalerei von 1250-1350, Berlin 1967, 34; Becksmann folgend:
Abb. 8: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Chor, Inschrift am Schlußstein und den Rippen im Gewölbe des Chorschlusses (Photo, Aarau, Kantonale Denkmalpflege).
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christologischen Zyklus im Chorpolygon mit dem Passionsfenster im Zentrum. Am Ende der 1330er Jahren folgten die Märtyrer- und Apostelfenster und schließlich zu Beginn der 1340er Jahre die vier Bilderfolgen mit Episoden aus dem Leben der Heiligen Nikolaus, Franziskus, Klara und Anna. Heute sind in der ersten Zeile der Glasmalereien von fünf Fenstern noch Bilder der Klostergründer erhalten, wobei besonders die Stifter der Pfründen für die zwölf Franziskaner hervorgehoben werden. Es fällt auf, daß Königin Elisabeth und König Albrecht I. sowie Königin Agnes und König Andreas III. von Ungarn unter diesen Darstellungen fehlen. Es ist jedoch kaum denkbar, daß gerade diese beiden Paare gefehlt hätten, zumal im Achsfenster (I) und im südlichen Märtyrerfenster (s III) die Felder der untersten Zeile zu den frühen Verlusten der Chorverglasung gehören 46. Die mittlere Öffnung des Chores verlor diese Scheiben schon am Ende des 16. Jahrhunderts. 1595 entstanden für diese Stelle sechs neue Wappenscheiben, in denen sich Mitglieder der bernischen Obrigkeit repräsentierten, die seit 1415 das Klostergut und nach der Reformation die große landwirtschaftliche Staatsdomäne verwaltete 47. Anläßlich der Restaurierung der Glasmalereien am Ende des 19. Jahrhunderts entfernte man die noch erhaltenen neuzeitlichen Scheiben, weil man sie für Lückenbüßer hielt und setzte an ihre Stelle ornamentale Glasmalereien, die ursprünglich aus dem Langhaus stammten 48. Es spricht daher nichts dagegen, daß an dieser Stelle die Bilder der Klostergründerin und ihres erschlagenen Gemahls zu sehen waren, für dessen Seelenheil zu beten, die Franziskaner und Klarissen von Königsfelden verpflichtet waren. Für die Darstellung von Königin Agnes, der zweiten großen Wohltäterin der beiden Klöster, und ihres Gemahls, käme daher am ehesten das zweite Fenster auf der Südseite als Standort in Frage (s III) 49. Über die Inschrift im Gewölbe und das hypothetische Bild im Achsfenster hinaus spielt auch das ikonographische Programm der Glasmalereien auf den gewaltsamen Tod König Albrechts I. an. Emil Maurer machte schon 1959 darauf aufmerksam, daß das westliche Fensterpaar des Chorschlusses und die mittlere Öffnung mit der Passion Christi Darstellungen enthält, in denen der Tod bis hin zu seinen gewaltsamen Formen im Zentrum der Bildaussage steht 50. Das nördliche Märtyrerfenster (n III) zeigt die Enthauptung von Johannes dem Täu-
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Kurmann-Schwarz, Königsfelden (nt. 2), 101-114; ead., Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 158-172. Cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 210-214. Die Numerierung der Fenster folgt den Richtlinien des Internationalen Corpus Vitrearum (letzte Fassung: Bristol 2000). Cf. ibid., 240 sqq., 402, no. 7 (Transkription der Quellen); zu den Glasmalereien von 1595 cf. Maurer, Kloster (nt. 29), 306 sq. (mit Abbildungen). Cf. Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 105 sq. Cf. Kurmann/Kurmann-Schwarz, Das religiöse Kunstwerk (nt. 31), 78-99, besonders 96 sq.; Kurmann-Schwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 211 sq. Cf. nt. 43.
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fer und das Martyrium der heiligen Katharina (Abb. 9 im Anhang); in der südlichen Öffnung waren einst neben dem Tod Marias die Steinigung des heiligen Stephanus und die Enthauptung des Apostelfürsten Paulus zu sehen 51. Zogen die Priester von ihrer Sakristei auf der Nordseite in den Chor ein und setzten sich in den Zelebrantensitz in der Südwand des Altarraums (Abb. 5), hatten sie immer die Bilder des Marientodes beziehungsweise der Märtyrertode vor Augen. Beim Zelebrieren am Hochaltar, der Stelle, wo König Albrecht unter den Streichen der Mörder zu Tode kam, standen das Bild des ermordeten Königs und die Leiden Christi in ihrer Blickachse. Albrecht I. wurde auf diese Weise innerhalb des Bildprogramms dem schuldlos leidenden Christus (Abb. 10 im Anhang) und den sterbenden Glaubenszeugen visuell so nahe gerückt, daß seine Ermordung zum Martyrium stilisiert wurde. Obwohl wenig über die Liturgie in Königsfelden bekannt ist - alle liturgischen Bücher gingen in der Reformation verloren -, geben die Quellen doch Hinweise darauf, daß während der Feiern zum Gedenken an den toten König auch Aspekte seiner weltlichen Stellung sichtbar gemacht wurden. Aus dem Schatzverzeichnis erfahren wir, daß das Kloster Paramente oder liturgische Gewänder besaß, die aus dem Waffenrock des ermordeten Königs geschneidert wurden. Diesen gelben, mit Adlern verzierten Samt trug er 1298 in der Schlacht bei Göllheim, in der er seinen Rivalen Adolf von Nassau schlug und sich damit den Thron erkämpfte 52. Während der Jahrzeiten benutzte man außerdem einen silbernen Reichsapfel und ein silbernes Szepter. Diese Würdezeichen wiesen mit großer Deutlichkeit darauf hin, daß hier eines Mitgliedes aus einer königlichen Dynastie, einer stirps regia, gedacht wurde 53. Die Aussagen des Monuments und seiner Ausstattung mit ihren wichtigen Bezügen zu Grablege und Hochaltar beziehungsweise zum Ort, wo Albrecht I. 1308 ermordet wurde, bestätigen die zahlreichen Königsfeldener Urkunden 54. Aus diesen Schriftstücken geht der Mord am König als die wichtigste Motivation für die Gründung der beiden Klöster hervor. So schreibt Papst Clemens V. 1310 in der Urkunde, die Königin Elisabeth die Erlaubnis gibt, in Königsfelden ein Franziskanerkloster zu errichten, sie hätte die Absicht, dieses dort erbauen zu lassen, „ubi dictus rex manibus impiorum occubuit, ad laudem divini nominis ac pro eiusdem regis anime remedio construi faciat propriis sumptibus et expensis“ 55. Denselben Beweggrund gibt auch die in Wien ausgestellte Gründungsurkunde vom 29. September 51
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Zu Inhalt und Erhaltung der Glasmalereien in den beiden Fenstern cf. Kurmann-Schwarz, Königsfelden (nt. 2), 238-241; ead., Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 279-301. Cf. Aarau, Staatsarchiv, U.17, 0276a, 1357 VII 28, Königsfelden (Schatzverzeichnis, nur als Urkunde überliefert): Das Verzeichnis zählt drei Stücke von gelbem, aufgerauhtem Samt mit schwarzen Adlern auf, die aus dem Waffenrock von König Albrecht gearbeitet wurden. Was man sich unter den „drei Stücken“ genau vorzustellen hat, präzisiert das Verzeichnis nicht. Das Deponieren von Insignien auf dem Sarkophag beschreibt Meier, Archäologie (nt. 27), 360. Die Urkunden werden im Staatsarchiv des Kantons Aargau (Aarau) aufbewahrt. Allein bis zum Tod von Königin Agnes sind 330 Dokumente erhalten (Signatur: Aarau, Staatsarchiv U.17). Aarau, Staatsarchiv U.17, 0011a, 1310 VI 18, Avignon.
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1311 an: „[…] daz wir einwillechleich und einmu(e)thleich got und unser vrowen, seiner lieben mu(o)ter, ze lob und ze eren, allen heylegen ze di(e)nst, unseres lieben herren und wirtes, chu(e)nk Albrehtes, und aller unser vorderen selen ze hilfe und ze troste ein vrowen chloster sande Chlaren orden und ein chloster der minneren Bru(e)der orden in unsere lande ze Swaben in Argeu in dem chilchspel ze Windisch in Chostentzer pistume“ gestiftet haben 56. Mit welchem Aufwand das Gedenken an den König gepflegt wurde, läßt sich etwa an der Urkunde von Königin Agnes aus dem Jahre 1322 zeigen: Für die Jahrzeit von König Albrecht und Königin Elisabeth mußte Wachs im Wert von drei Pfund gekauft werden, um daraus Kerzen zu ziehen, die am Todestag während der Vigilien (des Totenoffiziums) und der Seelmessen die Kirche feierlich erleuchteten 57. An den Gedenktagen steht den Brüdern und den Schwestern sowie den Gästen eine bestimmte Geldsumme für das feierliche Mahl zur Verfügung. Geld soll außerdem an Klausner und Klausnerinnen sowie alle Hausarmen im Umkreis einer Meile um das Kloster verteilt werden. Die Äbtissin wird verpflichtet, am Tag der Jahrzeit von König Albrecht zwanzig Mütt Kernen (Weizen), an demjenigen von Königin Elisabeth fünfzehn Mütt verbacken zu lassen (ein Mütt entspricht ungefähr der Menge des heutigen Getreidesacks) 58, wobei jedes Mütt des Getreides 130 Laibe Brot ergeben soll. Alle Anwesenden erhalten einen Laib, die übrigen werden am folgenden Tag den Armen verteilt 59. Auf diese Weise wurde des ermordeten Königs jährlich innerhalb und auch außerhalb des Klosters gedacht, so daß die finstere Tat seines Neffen nicht in Vergessenheit geriet und in Königsfelden über mehr als zwei Jahrhunderte viele zugunsten der Seele des Toten Fürbitte leisteten. Königin Agnes sorgte jedoch auch dafür, daß durch das ganze Jahr der Toten gedacht und für sie Fürbitte geleistet wurde. 1329 erhielt sie einen Ablaßbrief für Königsfelden, der denjenigen eine Kürzung der Sündenstrafen versprach, die in Königsfelden für die Toten und das Wohl von Königin Agnes beteten 60. Als geeigneter Ort des Fürbittgebets bot sich das Grab an, an dem ständig eine Lampe brannte 61. Man rechnete offensichtlich seit der Zeit, als der Ablaßbrief 56
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Cf. nt. 21. Die Urkunde nennt die Königin und ihre Söhne als Klostergründer. Nur sie jedoch hängte ihr Siegel an das Dokument. Zur Bedeutung der Kerzen während der Jahrzeitfeiern cf. R. Kroos, Grabbräuche - Grabbilder, in: K. Schmid/J. Wollasch (eds.), Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (Münstersche Mittelalterschriften 48), München 1984, 285-353; C. Vincent, Fiat Lux. Lumie`re et luminaires dans la vie religieuse du XIII e au XVI e sie`cle, Paris 2004, 295-303. Zu den Getreidemaßen auf dem Gebiet der alten Eidgenossenschaft cf. A.-M. Dubler, Maße und Gewichte im Staat Luzern und in der alten Eidgenossenschaft, Luzern 1975, 33-39. Cf. Aarau, Staatsarchiv U.17, 0074, 1322, Königsfelden. Cf. O. Homburger/C. von Steiger, Zwei illuminierte Avignoneser Ablaßbriefe in Bern, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 17 (1957), 134-158; KurmannSchwarz, Mittelalterliche Glasmalereien (nt. 2), 237. Cf. Aarau, Staatsarchiv U.17, 0103, 1330 II 2, Königsfelden (mit abgeändertem Text 1355 neu ausgefertigt).
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ausgestellt wurde, mit andächtigen Besuchern, welche die Kirche von Königsfelden zum Gebet zugunsten der Toten aufsuchten. Ab 1330 hob außerdem die Ausstattung des Chores und des Langhauses mit figürlichen Glasmalereien den Ort des Mordes an König Albrecht und die Grablege der Klostergründerinnen und -gründer als wichtige Bezugspunkte des Bildprogramms hervor. Durch ihre ständige Präsenz gaben die Bilder dem Gedenken Dauer und mahnten den frommen Betrachter, sei er Besucher oder Klosterbewohner, das ganze Jahr hindurch zur Wiederholung der Fürbitte zugunsten des 1308 erschlagenen Königs und seiner Familie.
Zur Diversität bei der Wahrnehmung von Ereignissen: Die Berichte zum Jahr 1308 in den Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters Heike Johanna Mierau (Stuttgart) Dem Thema der 36. Mediaevistentagung liegt ein Geschichtsverständnis zugrunde, das die korrekte zeitliche Einordnung von Ereignissen als wichtigen Maßstab für die Wahrnehmung von Geschehen ansieht. Mit der Verankerung menschlichen Handelns in einem Zeitkonzept ist die Herstellung von Denkgewohnheiten und die Etablierung sicherer Sinnbezüge innerhalb menschlicher Gesellschaften verbunden, deren Selbstverständnis nicht unwesentlich durch die im Alltag praktizierte Chronologie 1 definiert wird und deren Horizont sich im Umgang mit alternativen Datierungssystemen widerspiegelt. Insofern greift es über das reine Sammeln von geschichtlichen Daten hinaus, wenn im folgenden mit den Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters eine historiographische Gattung auf die Berichte zum Jahr 1308 hin untersucht und dabei immer wieder auch auf die Art der Datierung hingewiesen wird. In der historischen Forschung werden zur Beschreibung der heute als wichtig erachteten Ereignisse des Jahres 1308 Chroniken mit hoher Narrativität und einer daraus resultierenden Detailfülle zu Rate gezogen, wenn nicht gleich auf die Urkundentradition, auf Protokolle oder Dossiers zurückgegriffen wird. Mit dem modernen Zugriff auf die europäischen Bibliotheken und Archive läßt sich weit besser und vielfältiger zurückschauen 2, als dies auch an den bestausgestattetsten Klöstern, Domschulen und Universitäten im 14. und 15. Jahrhundert möglich war 3. Um so reizvoller und für ein quellenbezogenes Bild vom Spätmit1 2
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Cf. den kurzen Überblick von A. D. von den Brincken in diesem Band mit weiterer Literatur. Unterstützung bieten K.-U. Jäschke, Europa und das römisch-deutsche Reich um 1300, Stuttgart 1999, 92 sqq., 100 sqq. und 111 sqq.; M. Barber, The Trial of the Templars, Cambridge 2006, in deutscher Übersetzung, Der Templerprozess. Das Ende eines Ritterordens, aus dem Englischen von H. Ehrhardt, Düsseldorf 2008. Keine moderne Studie ist bislang eigens dem Jahr 1308 gewidmet. Am besten ist dies gegenwärtig in bezug auf die Kaisergeschichte zu realisieren, cf. Regesta Imperii (künftig RI) nach J. F. Böhmer bearbeitet von K.-U. Jäschke, Abteilung 6, 4: Heinrich VII., Lieferung 1 1288/1308-August 1309, Köln [e. a]. 2006. Die nachfolgenden Handschriftenstudien werden zeigen, daß diese Sammlung der Zeugnisse zu Heinrich VII., die durchaus mit Blick auf Vollständigkeit aller verfügbaren Nachrichten ausgelegt ist, aus den ChronikHandschriften noch erheblich ergänzt werden kann. So wäre zu den Angaben zur Zählung zu bemerken, daß etwa die ,Flores temporum‘-Fortsetzung des Johannes Kraus (Wolfenbüttel, HAB Cod. Extravag. 110, foll. 97r und 100r) den Luxemburger Grafen und König Heinrich mit Blick auf Heinrich Raspe den Achten nennt und nur durch Zusatz über der Zeile auf die
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telalter notwendiger scheint es, sich auf die Perspektive einzulassen, die zu erkunden sucht, welche Nachrichten zum Jahr 1308 in dieser Zeit selbst allgemein verbreitet waren und damit die spätmittelalterlichen Vorstellungen vom historischen Geschehen am Beginn des 14. Jahrhunderts festigten. Die Papst-Kaiser-Chronistik bietet sich stärker als andere Zeugnisse der spätmittelalterlichen Historiographie für eine solche Studie an, weil sie prinzipiell nicht nur klare Erwartungen an die aufzunehmenden Fakten definierte, sondern auch einen hohen Verbreitungsgrad hatte 4. Interessant ist eine Beschäftigung mit der Gattung gerade für eine an einem festen Zeitraum interessierte Gesamtschau, weil in den Werken im Anschluß an den Protagonisten der Gattung, Martin von Troppau 5, bei der Organisation des darzustellenden Geschehens grundsätzlich zwei Methoden der Zeitbestimmung ineinander fließen, nämlich die Zählung der Inkarnationsjahre nach christlicher Weltsicht und die herrscherfixierte Jahreszählung 6. Für das Jahr 1308 sind also die Berichte für Papst Cle-
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Zählung als Siebter verweist und ihn nicht als den 101. Kaiser seit Augustus zählt, sondern als den 103. Die Beispiele ließen sich vermehren. Es kann in diesem kurzen Beitrag nicht das Anliegen sein, einen Querschnitt für die gesamte Historiographie zum Jahr 1308 zu geben, cf. für die Kaisergeschichte die Studie von M. E. Franke, Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie (Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 9), Köln [e. a.] 1992, die auch umfänglichere Chroniken heranzieht, die nicht als reine Kaiserchroniken einzustufen sind. Für Nachrichten aus den Papstviten, die oft aus der Universalchronistik entnommen sind und deshalb auch reiche Nachrichten zur europäischen Politikgeschichte bieten, cf. Vitae Paparum Avenionensium hoc est Historia Pontificum Romanorum, ed. S. Baluzius, nouvelle e´dition par G. Mollat I, Paris 1916; Berichte zu 1308 stammen von Jean de S. Victor (ibid. 10-14), Tholomäus von Lucca (?) (ibid. 29-32, cf. nt. 48), Bernard Gui (ibid. 55, 63-65, cf. nt. 58 sq.), Paulinus Minorita (ibid. 80-82, cf. nt. 80-82) und Amalricus Augerius (95-97). Für die regionalen Geschichtswerke liegt eine disparate Situation vor, die keinen schnellen Zugriff erlaubt, für Österreich cf. A. Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 19), Graz [e. a.] 1963, 275 sqq.; das Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi als einziges modernes Hilfsmittel zur spätmittelalterlichen Historiographie, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügen kann, ist für derartige Fragestellungen nicht nützlich, weil es selbst im auf Deutschland bezogenen Digitalteilauszug „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“ (www.repfont.badw.de) keine Abfragefunktionen bietet, die eine Zusammenstellung aller Chroniktexte zum Jahr 1308 erlaubte. Die in diesem Beitrag behandelten Papst-Kaiser-Chroniken werden wegen fehlender Autoren- oder Titelbenennung im Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi und seinem Nachfolgeprojekt vielfach überhaupt nicht eigens geführt. Die Renationalisierung des nach dem 2. Weltkrieg ins Leben gerufenen internationalen Projekts ist sehr zu beklagen. Martin von Troppau arbeitete als Anhänger des böhmischen Königtums an der Kurie in Rom. Neben der Chronik hat er auch ein Kompendium zum Decretum Gratiani (Margarita Decreti) verfaßt. Auf dem Weg nach Polen, wo er das Gnesener Erzbistum führen sollte, ist er 1278 in Bologna gestorben, cf. zuletzt H. J. Mierau, Das Reich, politische Theorien und die Heilsgeschichte: Zur Ausbildung eines Reichsbewußtseins durch die Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters, in: Zeitschrift für Historische Forschung 32 (2005), 543-574, bes. 546, nt. 11 und ead., Die Einheit des Imperium Romanum in den Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters, in: Historische Zeitschrift 282/2 (2006), 281-312, bes. 291. Eine aus Archivmaterial erarbeitete Biographie steht noch immer aus. Hingewiesen werden muß hier auch auf die immer wieder vorkommenden abweichenden Jahreszählungen bei Ereignissen, die unserem Wissen gemäß im Jahr 1308 geschahen, und ihre Zuord-
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mens V. von Interesse 7, der nach moderner Datierung am 5. Juni 1305 gewählt und am 14. November desselben Jahres gekrönt wurde. Bis zu seinem Tod am 20. April 1314 behielt er die Leitung des Papsttums inne. Mittelalterliche Chroniken setzten seinen Amtsantritt mehrfach schon ins Jahr 1303, so daß aus dem dritten (5. Juni/14. Nov. 1307-4. Juni/13. Nov. 1308) und vierten (5. Juni/14. Nov. 1308-4. Juni/13. Nov. 1309) Jahr seiner Regierung das fünfte und sechste werden konnten. Nach gleichem Zählmodus sind für die Herrscher in der Kaiserreihe das zehnte (27. Juli/24. August 1307-1. Mai 1308) Jahr König Albrechts I. 8 und bei Jahreszählung seit der Königswahl das erste Jahr (27. Nov. 1308) König Heinrichs VII. maßgeblich 9, um bei Umrechung auf das Jahr 1308 zu kommen. Daneben blieben die Zählungen seit Schaffung der Welt und seit Gründung der Stadt Rom in den Papst-Kaiser-Chroniken immerhin so stark im Bewußtsein, daß sie gerade für zentrale Ereignisse stets ergänzend aufscheinen können. Das Anliegen der Papst-Kaiser-Chronistik des Spätmittelalters besteht darin, als zentral bewertete Ereignisse in der Geschichte der Päpste und Kaiser, die als Heilsgeschichte des Römischen Reiches verstanden wurde, möglichst exakt in diese Zeitraster einzuordnen. Vergangenheit war in diesen Chroniken nicht mehr nur die vage Reihung von vorher und nachher 10, sondern die exakt bestimmbare
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nung zu anderen Jahren. Der Fortsetzer zu Martin von Troppau in der Handschrift Wien, ÖNB cvp 3320, fol. 46v datiert die Wahl Heinrichs VII. unter Nutzung arabischer Zahlzeichen auf 1307 und die Krönung entsprechend auf 1308. In der Papstreihe wurde nur die Bestätigung durch Papst Clemens verzeichnet, die auf 1309 datiert wurde. Dergleichen ist also nicht immer einfach durch die unterschiedlichen Jahresanfänge zu erklären. Zu berücksichtigen bleibt, daß für die Jahresangaben in den Chroniken noch oft das römische Zahlensystem verwendet wurde, das diesbezüglich sehr fehleranfällig war. Unabhängige Kontrollen waren aufgrund der Datenvermittlungsstrukturen nur sehr beschränkt möglich. Für die moderne Einschätzung cf. S. Menache, Clement V. (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought: Fourth Series, vol. 36), Cambridge 1997; P. de Bercegol, Cle´ment V: le pape d’Aquitaine: le´gendes et re´alites, Bordaux 2006, cf. ferner A. Paravicini Bagliani, Clemens V., in: Enciclopedia dei Papi, vol. 2, Rom 2000, 501-512 (Literatur). C. Reinle, Albrecht I. (1298-1308), in: B. Schneidmüller/S. Weinfurter (eds.), Die Deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919-1519), München 2003, 372-380 und 589 sq. (Literatur). In den hier untersuchten Papst-Kaiser-Chroniken erscheint in der Regel die Namensform Albert. Wegen der Gewohnheiten innerhalb der deutschen Forschung wird im folgenden an der Form Albrecht festgehalten. P. Thorau, Heinrich VII. (1308-1313), in: Schneidmüller/Weinfurter (eds.), Die Deutschen Herrscher (nt. 8), 381-392 und 591 (Literatur); C. D. Dietmar, Heinrich VII., Graf von Luxemburg, römischer König und Kaiser, in: J. Mötsch/F.-J. Heyen (eds.), Balduin von Luxemburg 1285-1354, Festschrift aus Anlaß des 700. Geburtstages (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 53), Mainz 1985, 43-53. Für das erste Jahr instruktiv ist die Darstellung in F.-J. Heyen, Kaiser Heinrichs Romfahrt. Die Bilderchronik von Kaiser Heinrich VII. und Kurfürst Balduin von Luxemburg (1308-1313), Boppard 1965/München 1978. Zur dort dargestellten Thronsetzung Heinrichs cf. M. A. Bojcov, Warum pflegen deutsche Könige auf Altären zu sitzen?, in: O. G. Oexle/M. A. Bojcov (eds.), Bilder der Macht in Mittelalter und Neuzeit. Byzanz - Okzident - Rußland (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 226), Göttingen 2007, 243-314, 245 sq. Cf. H. W. Goetz, Vergangenheitsbegriff, Vergangenheitskonzepte, Vergangenheitswahrnehmung in früh- und hochmittelalterlichen Geschichtsdarstellungen, in: C. Jostkleigrewe/C. Klein/
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Abfolge von Fakten, die als Punkte in den Lauf der Welt bzw. in die christliche Heilsgeschichte eingetragen werden können. Die genaue Dokumentation des Geschehenen sollte Einblick in den Wandel und die Entwicklungszeiträume geben. Seit im 12. Jahrhundert nicht mehr nur einzelne Ereignisse der Vergangenheit bzw. des Vergangenen im Sinne Augustins in Beziehung zur Gegenwart gesetzt wurden 11, sondern verstärkt Vergangenes mit Vergangenem in Relation stehend verstanden wurde, entwickelte man Darstellungsstrukturen, die dynamische Prozesse erkennen und auch die Rücknahme von zuvor getroffenen Entscheidungen wahrnehmen ließen. Dabei blieb die alte Frage des „Wie viele Jahre ist es her, seit …“ ein legitimer Ausgangspunkt, um sich mit Geschichte zu beschäftigen und gehörte auch im Spätmittelalter zum Umgang mit der historischen Tradition 12. Die neue Exaktheit bei der zeitlichen Fixierung wurde auf dieses Prinzip übertragen 13. In der nachfolgenden Untersuchung stehen zu Beginn einige kurze Erklärungen zur Gattung der Papst-Kaiser-Chroniken. Für das Verständnis dieses Beitrages im interdisziplinären Austausch schien diese kurze Zusammenschau zweckdienlich. Die Diversität bei der Wahrnehmung von Ereignissen wird dann anhand einer Auswahl von Chronikzeugnissen abgeschritten, ohne daß es bei der schwierigen Forschungsgeschichte bereits jetzt möglich wäre, eine Gesamtsicht aller bis zum Jahr 1308 reichenden Textzeugen der Gattung vorzulegen. Die Analyse der behandelten historiographischen Berichte zum Jahr 1308 erfolgt unter möglichst genauer Beachtung der Entstehungszeit, um die Wahrnehmungen und Beurteilungen, wie sie in den Texten zum Ausdruck kommen, in Relation zu Nähe bzw. Abstand zum Berichtsjahr setzen zu können. Gebildet wurden drei zeitlich definierte Untersuchungsschnitte, um differenzierte Erkenntnisse über
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K. Prietzel/P. F. Saeverin/H. Südkamp (eds.), Geschichtsbilder. Konstruktion - Reflexion Transformation, (Europäische Geschichtsdarstellungen 7), Köln 2005, 171-202. Augustinus, Confessiones, XI, 20. Vielzitiert ist diesbezüglich eine Passage aus der Vorrede zu den ,Flores temporum‘: „Et hodie tot anni elapsi sunt quando iste vel iste sanctus e vita emigravit, clerici ac fratres mei saepe admirantes, enixe a me exemplaris copiam ac rationem de numero usuali exegerunt, quo plerisque notior videretur“ (ed. O. Holder-Egger, in: Monumenta Germaniae Historica, Scriptores (künftig MGH SS) 24 (1879), 231). Dies zeigt sich bei den ,Flores temporum‘ gleich im Anschluß an die in nt. 12 ziterte Stelle: „Sed quia non solum gentiles et Hebraeos, verum etiam Christianos historiographos, tam veteres quam modernos, in annorum positione cognovi, inter se plurimum discordare, turbatus et anxius viam mediam praeelegi, inter veteres Orosium et Isidorum, inter modernos Martinum Romanae curiae paenitentiarium de ordine praedicatorum sequutus. Sed heic! nec hi tres etiam satis in annorum positione concordabant, ideoque ego libellum hunc mihi solummodo servandum duxi et diu penes me retinui, donec honestorum virorum precibus persuasus publicavi. Quapropter non dedignor, verum charitative opto ab aliis emendari et corrigi ubi corrigibilis dignoscar.“ Dies wird ergänzt um eine Mahnung an die Abschreiber, die sich beim Schreiben der Zahlen besonders bemühen sollten, um Fehler zu vermeiden: „Obsecro autem scriptores, ut circa numeros annorum scribendos correcte, solicitam diligentiam adhibeant propter Deum; alioquin ego, quantum ad homines, in vacuum laboravi et ignaviae meae imputabitur error librarii dormitantis. Notatur autem hoc modo usualis numerus centum C, quadringenti CD, quingenti D, sexcenti DC, nongenti CM, mille M, duo millia II (M), quinque milia V (M), viginti millia XX (M) et sic de aliis“ (ibid. 231).
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die Wahrnehmung formulieren zu können. Die Gegenüberstellung von Berichten aus Papst-Kaiser-Chroniken, die zeitnah (Entstehung des Textes vor 1320), im Rahmen aktiver menschlicher Erinnerung (Entstehung des Textes zwischen 1320 und 1350) und danach (bis 1500) entstanden sind, gibt Informationen darüber, was überhaupt wahrgenommen wurde und inwieweit die sozialen und regionalen Bezüge der Verfasser die Sichtweisen in zeitlicher Veränderung beeinflußten. Am Ende steht ein kurzer Vergleich zwischen den divergierenden und sich wandelnden Wahrnehmungen des Spätmittelalters und den Interessen der modernen mediävistischen Forschung.
I. Zu den For men der Papst-K aiser-Chronistik des Spätmittelalters Die Papst-Kaiser-Chroniken, die im Mittelalter nach dem wichtigsten Vertreter der Gattung, Martin von Troppau, auch Martinianen genannt wurden, sind ursprünglich lateinische Chroniken, die mit der Geburt Jesu einsetzen und in zwei Berichtssträngen die Geschichte als Abfolge der Päpste und Kaiser übersichtlich und mit überschaubarem Umfang darstellen 14. In der Grundfassung Martins von Troppau war die Sorge um die zeitliche Einordnung so groß gewesen, daß die Jahreszahlen im Inkarnationsstil am Rand eingetragen wurden, wobei jedes Jahr eine Zeile zugewiesen bekam 15. Die Mühe machten sich die späteren Kopisten und auch die anderen Chronisten, die Beiträge zur Gattung lieferten, aber nur in Ausnahmefällen 16. Allein die Aufteilung, bei der die Papstreihe eine Seite im aufgeschlagenen Buch erhielt und die Kaiserreihe auf der anderen eingetragen wurde, hat sich in der Gattung bis ins 15. Jahrhundert bewahrt. Sie stellt allerdings nicht mehr die Regel dar, sondern verweist auf einen großen historiographischen Impetus des Kopisten 17. Die alternierende Folge von Päpsten und Kaisern in Blöcken von einer oder mehreren Generationen ist die Regel geworden. Die Fixierung des Geschehens an der Zeitachse war dadurch nicht mehr so schematisch ablesbar, aber in der Verwobenheit von Jahreszählungen ab incarnatione Domini und denjenigen nach Herrscherjahren noch klar faßbar, denn bei jedem neuen Herrscher wurde zunächst die Einordnung in das chronologische System vollzogen. 14
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A. D. von den Brincken, Zu Herkunft und Gestalt der Martins-Chroniken, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalter (künftig DA) 37 (1981), 694-735 und H. J. Mierau/A. Sander-Berke/B. Studt, Studien zur Überlieferung der Flores temporum (MGH Studien und Texte 14), Hannover 1996, 22-27. A. D. von den Brincken, In una pagina ponendo pontifices, in alia pagina imperatores. Das Kopieren der tabellarischen Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau OP († 1278), in: Revue d’histoire des textes 18 (1988), 109-135. Mierau, Die Einheit (nt. 5), 288 nt. 18. Cf. Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 25-27.
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Neben Martin von Troppau selbst erhielt das ,Flores temporum‘ betitelte Werk eines um 1290 arbeitenden anonymen Verfassers großen Einfluß. Zusammen mit zwei weiteren unter gleichem Werktitel kolportierten Textstufen bis 1313 (Textstufe 2) und 1349 (Textstufe 3, meist Hermann Gigas zugewiesen) wurden die ,Flores temporum‘ vor allem in den deutschen Landen rezipiert 18. In Frankreich wurde das Werk Martins von Troppau von Bernard Gui bearbeitend ergänzt und bis in die eigene Zeit fortgesetzt. Die Chronik Martins von Troppau und der Urtext der ,Flores temporum‘, die den Grundstein der Gattung legten, reichen zwar in ihrem Ursprungstext nicht bis zum Jahr 1308, dennoch ist die Gattung für die Untersuchungen nützlich, weil es neben den genannten Standardergänzungen mit großer Rezeption an mehreren Orten Einzelfortsetzungen zum Grundbestand gab, welche den Bericht bis in die jeweils eigene Zeit fortsetzten 19. Papst-Kaiser-Chroniken zeigen insgesamt nicht nur eine starke Tendenz, weiter benutzt zu werden, sondern ihre Aktualisierung war vielerorts selbstverständlich 20. Innerhalb dieser Fortsetzungen ist Diversität bei der Wahrnehmung von Ereignissen ebenso faßbar wie Interdependenzen zwischen den Texten, die offenbar in den interessierten Kreisen kursierten. Rechnet man alle historiographischen Handschriften Europas zusammen, die nach dem Schema der Papst-Kaiser-Reihe strukturiert sind, kommt man beim gegenwärtigen Aufarbeitungsstand der Katalogisierung von Handschriftenbibliotheken auf eine Zahl von circa 1000 21. Von den gut 500 nachgewiesenen Handschriften der Chronik Martins von Troppau bieten über 180 eine Fortsetzung, die mindestens bis zum Jahr 1308 geführt ist 22. Bei den ,Flores temporum‘, liegt der prozentuelle Anteil der Fortsetzungen aufgrund der Textstufen bis 1313 und 1349 sehr viel höher, doch sind wegen der Wirkkraft dieser Texte 18 19
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Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), mit einer Überlieferungsübersicht 52-74. Cf. H. J. Mierau, Continuationes: Die Fortsetzungen zu Papst-Kaiser-Chroniken des späten Mittelalters, in: J. Wenta (ed.), Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa (Subsidia Historiographica 1), Torun´ 1999, 167-201 und W.-V. Ikas (ed.), Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (MGH Scriptores rerum Germanicarum n. s. 19), zweite verbesserte Auflage Hannover 2004; eine mit Blick auf die Enddaten chronologisch sortierte Auflistung der bekannten Fortsetzungen zu Martin von Troppau und den ,Flores temporum‘ ist im Internet bereitgestellt unter www.mgh.de/fileadmin/Downloads/pdf/Fortsetzungen.pdf. Die Verfahrensweisen der Bearbeiter und Fortsetzer sind für den Abschnitt zu Rudolf von Habsburg näher beschrieben in H. J. Mierau, Geschichte als Ergänzungsform: Das Editionskonzept für die Flores temporum, in: M. Thumser/J. Tandecki (eds.), Editionswissenschaftliche Kolloquien 2003/2004: Historiographie, Briefe und Korrespondenzen, Editorische Methoden (Publikationen des Deutsch-Polnischen Gesprächskreises für Quellenedition 3), Torun´ 2005, 51-68. Cf. www.mgh.de/fileadmin/Downloads/pdf/Papst-Kaiser-Chroniken.pdf. Die Zählung basiert auf den Angaben von A. D. von den Brincken, Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von Troppau (Erfahrungen mit einem massenhaft überlieferten historischen Text), 1. Teil, in: DA 41 (1985), 460-531; 2. Teil, in: DA 45 (1989), 551-591; Nachträge, in: DA 50 (1994), 611-613 und W.-V. Ikas, Neue Handschriftenfunde zum Chronicon pontificum et imperatorum des Martin von Troppau, in: DA 58 (2002), 521-537. Hinzu traten eigene Neufunde.
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eigenständige Formulierungen zum Jahr 1308 relativ selten. Alle vollständig überlieferten Handschriften der Papst- bzw. Kaiser-Reihen Bernard Guis decken das Jahr 1308 mit einem fixierten Nachrichtenbestand ab 23. Die Entstehungs- und Aufbewahrungsorte der Papst-Kaiser-Chronik-Handschriften reichen von Portugal bis nach St. Petersburg, von Uppsala bis Palermo 24. Insofern wird auch über die regionale Zuordnung der analysierten Berichte Rechenschaft abzulegen sein. Immer stärker bestimmte vom Spätmittelalter bis zur Reformation der jeweilige Arbeitsplatz des Chronisten die Auswahl der Nachrichten. Während die Grundtexte ausgehend von den Vorgaben der Martinschronik einen europäischen Wissenskanon bildeten und nur punktuell variierten, sind die Fortsetzungen nicht nur zum Jahr 1308, sondern generell in ihren Nachrichtenbeständen heterogener, sofern sie nicht von Bernhard Gui 25 oder den Textstufen zwei und drei der ,Flores temporum‘ 26 beeinflußt waren, die ihrerseits eine rege Rezeption erfahren haben, also das Wissen normierten. Viele der Fortsetzungen blieben aber auf das Umfeld ihrer Entstehung beschränkt und zeigen deshalb für das Jahr 1308 die regional begründete Diversität bei der Wahrnehmung von historischen Ereignissen. Die Dokumentation der Überlieferung und damit auch der Gestaltung der Fortsetzungen ist bislang noch nicht in adäquate Forschungsbedingungen überführt, die zur Durchdringung des Europa verbindenden Geschichtswissens des Spätmittelalters unerläßlich sein werden. Schon dieses Manko erklärt, daß im folgenden Beitrag nicht alle Fortsetzungen in gleicher Intensität diskutiert werden können. Vorliegende Einzeleditionen werden herangezogen, wobei die Zufälligkeit der Auswahl durch die bisherigen Editoren nicht verschwiegen werden soll. In begrenzter Anzahl werden Fortsetzungstexte für das Jahr 1308 aus den Handschriften heraus benutzt. Für etliche, auch längere Fortsetzungspassagen im Komplex der Martin von Troppau-Überlieferung fehlen bislang die Aufnahmen 27. Interessante historiographische Konstrukte stehen im Gesamtbestand 23
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A.-M. Lamarrigue, Bernard Gui (1261-1331). Un historien et sa me´thode (E´tudes d’histoire me´die´vale 5), Paris 2000; zur Abhängigkeit von Martin von Troppau cf. ibid. 100-102. Lamarrigue konzentriert sich auf die Frankreich betreffenden Werke Bernard Guis; zum Verbot der Templer cf. ibid. 429 sqq. Die verschiedenen Entstehungs- und Benutzungsmilieus sind nicht aufgearbeitet, siehe für die Rezeption bei Hofe an einem Beispiel B. Studt, Fürstenhof und Geschichte. Legitimation durch Überlieferung (Norm und Struktur 2), Köln [e. a.] 1992 und H. J. Mierau, Papst-Kaiser-Chroniken an den Höfen des Spätmittelalters: Benutzungsformen und Rezeptionsmotive, in: R. Schieffer/J. Wenta (eds.), Die Hofgeschichtsschreibung im mittelalterlichen Europa (Subsidia Historiographica 3), Torun´ 2006, 191-219. Cf. nt. 23. Mierau/Sande-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 35, 38 sq. und 75 sqq. Als Beispiele sei auf Handschriften der Biblioteca Apostolica Vaticana verwiesen, etwa auf den Kodex Barb. Lat. 2326, der auf fol. LVI r in der Kaiserreihe bis zur Doppelwahl 1314 und in der Papstreihe bis 1320 reicht, oder auf Ottob. Lat. 761 (Martin von Troppau bearbeitet von Galvaneus Flamma, cf. nt. 52 sq.). Unabhängig davon bietet auch Ottob. Lat. 719 eine umfangreiche Fortsetzung. Wegen der Baumaßnahmen im Vatikan, die zur Versiegelung der Handschriftenmagazine geführt haben, war eine detaillierte Analyse der Texte für diesen Beitrag nicht möglich.
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wie in der folgenden Durchsicht neben dürren Faktennennungen, denen weder Kommentare noch veranschaulichende Details beigegeben wurden. Sie zeigen die Variationsbreite beim Versuch, die aus der Überlieferung stammenden Grundtexte bis in die eigenen Zeiten fortzusetzen und damit aktuell zu halten.
II. Die Berichte zum Jahr 1308 in Papst-K aiser-Chroniken mit einem Entstehungsdatum vor 1320 Die folgende Durchsicht der Überlieferung orientiert sich am Betrachterstandpunkt, wobei es bei den anonymen Fortsetzern nicht immer leicht ist, die Entstehungszeit ihrer Werke chronologisch exakt zu bestimmen. Für die Berichte zum Jahr 1308, die zeitnah entstanden sind, sei die heute in der Mailänder Ambrosiana unter der Signatur H 58 inf. aufbewahrte Handschrift herangezogen. In ihr finden sich schlichte Nachträge bis 1309, die bereits ediert wurden 28. Die Wahl und die Krönung Heinrichs VII. wurden beide zum Jahr 1308 notiert, die vorausgegangene Ermordung Albrechts wird erwähnt, aber nicht datiert 29. Was vom Verfasser in der Papstreihe zum Jahr 1308 berichtet wurde, ist noch unbekannt 30. Ähnlich gelagert ist die Situation in einer weiteren Handschrift, die ebenfalls nur am Fortgang der Kaiserreihe interessiert ist. Der Zusatz zur Chronik Martins von Troppau in der Handschrift Dresden, LB, Ms. F. 159 wird in der Forschung gemäß der Zwischenüberschrift als ,Imperator Heinricus‘ bezeichnet 31. Es handelt sich um eine Vita des 1308 gewählten Königs, die direkt an den Grundtext anschließt, ohne Informationen für die dazwischenliegende Zeit zu bieten. Für 1308 werden die Versammlung mit den Großen des Reiches im Anschluß an die Wahl und der Umritt des neuen Herrschers durch Alemannien, insbesondere durch die Provinzen Rhein, Elsaß, Österreich und Schwaben genannt, der letztlich nach Nürnberg führte, was noch zum ersten Regierungsjahr berichtet wird. Der erste Nürnbergaufenthalt Heinrichs ist aus anderen Quellen für den Sommer 1309 bezeugt (24. Juni-14. Juli). Mit anno sequenti wird dann das zweite Jahr des Herrschers eingeläutet, also klar abgetrennt. Die älteste 28
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MGH SS 24 (1879), 252 als ,Continuatio imperatorum saxonica‘. Der Band enthält eine Abschrift der Martinschronik in der Version C. Entgegen der Überschrift des Editors wurde die Papst-Kaiser-Chronik in beiden Reihen fortgesetzt (cf. die sehr knappen Einträge ibid. Z. 2022, die mit dem Hinweis enden: „Et nota, quod nomina pontificum hic non scripta invenies, set in alio quaterno“). Ibid. Z. 45-48 „Tandem vero dictus Albertus a suis familiaribus occiditur. Post hunc anno Domini 1308 Hinricus comes de Luscelenborg ad imperium eligitur et in epyphania Domini eiusdem anni Aquisgrani ab electoribus coronatur.“ Recherchen zum Verbleib des in nt. 28 genannten Quaternio waren bislang noch nicht möglich. K.-U. Jäschke, Imperator Heinricus. Ein spätmittelalterlicher Text über Kaiser Heinrich VII. in kritischer Beleuchtung (Beiheft zu He´mecht), Luxemburg 1988 und H. J. Mierau, Papst-KaiserChroniken an den Höfen (nt. 24), hier 201.
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Handschrift ist datiert auf das Jahr 1316 32, so daß die Entstehung des Berichts in direkter Folge nach dem Tod des Herrschers 1313 anzusetzen ist. Hier ist eine Beschränkung der Wahrnehmung auf die Kaiserseite zu beobachten, die dem italienisch-reichsdeutschen Benutzungskontext entspricht. In der Handschrift Wien, ÖNB, cvp 687 wird die Fortsetzung formal bis 1316, also bis zur Wahl Johannes’ XXII. geführt. In der Handschrift, die sicher vor 1350 entstanden sein muß 33, mit einiger Wahrscheinlichkeit aber bald nach dem letzten Eintrag im Haupttext entstanden sein dürfte, werden Papstchronik und Kaiserchronik nacheinander geboten. Selbst in der Papstreihe ist der Fortsetzer auch an den Neuerungen in der Kaisergeschichte interessiert, wie sich im Abschnitt zu Clemens V. zeigt, wo über die Wahl Heinrichs VII. am 27. November 1308 zusammen mit der päpstlichen Bestätigung im darauf folgenden Juli berichtet wird, bevor die Kaiserkrönung, der Tod des Herrschers in Tuszien und sogar sein Grabort Beachtung finden 34. In der Kaiserreihe schließt der Text mit Hinweisen zu einer Überschwemmung 1305 und den Auseinandersetzungen zwischen dem König von Frankreich und Flandern 35. Weiterhin dem bipolaren Konzept ist eine andere Fortsetzung bis 1316 verpflichtet, die in der Handschrift Add. 48178 der British Library in London überliefert ist 36. Die Kaiserchronik wurde aber nicht mit einem eigenen Bericht fortgesetzt, sondern es wurden in gedachter Kontinuität nur freie Seiten gelassen, die Einträge aufnehmen sollten 37. In der Papstreihe werden die Ereignisse hinsichtlich der Templer erwähnt, doch ist das Datierungskonzept nicht an der Oberfläche sichtbar. Die Wahl Clemens V. wurde nicht datiert, und auch bei den folgenden Nachrichten zu seinem Pontifikat findet der Leser nur unpräzise Angaben wie „post modicum temporis intervallum“. Die Bestimmung des französischen Königs, die Templer an einem bestimmten Tag zu befragen, wird genannt, aber nicht zeitlich fixiert 38. Die Vorwürfe gegen die Templer fließen ebenso in den Bericht ein wie ihre Verbrennung. Im Abschnitt über Clemens V. wird zudem die Wahl König Heinrichs genannt, weil der Akt die Sendung von päpstlichen Legaten nach sich zog 39. Dabei wurde nicht das konkrete Jahr 1308 benannt, sondern die Jahre gezählt, die ohne Kaiser gewesen waren. Mehr als 50 Jahre sei die Würde des Kaisertums vakant gewesen. Sonst bietet der Bericht 32 33
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Jäschke, Imperator Heinricus (nt. 31), 31-58 mit einer überzeugenden Beweisführung. Cf. Wien, ÖNB 687, fol. 163r, rechter Rand, wo die Randnotiz auf 1350 datiert ist, woraus zu schließen ist, daß der Text selbst älter ist. Ibid. fol. 138v. Ibid. fol. 163r. Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 177208. Ibid. 95 mit Hinweis auf eine ganze leergebliebene Lage (foll. 46v-57v). Ibid. 205 Z. 18: „imponens eis idolatriam, sodomiticam, usuram, scismaticam et alias quam plures pravitates, propter quas vice una Parisius LII in conspectu populi iuxta Sanctum Antonium fuerunt combusti.“ Ibid. 206 Z. 9-14: „Hic transmittens Almannis nuncios solempnes pro diversis, inter alia imperatoris electionem, que iam cessaverat per annos L et eo amplius.“
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keine Details zum Jahr 1308, weil sogleich die Kaisererhebung in Rom thematisiert wurde. Die ,Flores temporum‘-Fortsetzung in der Handschrift Wien, ÖNB, s. n. 4844 wird in der Forschung unter dem Titel ,Heilsbronner Annalen‘ bislang als eigener Text geführt 40. Die annalistischen Notate wurden von der gleichen Hand wie der Grundtext geschrieben. Hier wurde die Eheverbindung zum böhmischen Königshaus thematisiert, weil sie als Motiv für die Ermordung Albrechts durch seinen Neffen Johannes diente. Die Stellung der weiblichen Mitglieder in den Königsfamilien und ihre Bedeutung für die Vernetzung Europas kommen dabei für das Jahr 1308 klar zum Ausdruck, ohne daß dies eigentliches Ziel des Chronisten gewesen wäre. Die Datierung auf den ersten Mai wird an dieser Stelle wie anderswo in der Chroniküberlieferung durch die Nennung des Heiligenfeiertages der Apostel Philipp und Jakobus erreicht. Bei der Überlieferung der ,Flores temporum‘ gibt es eine ganze Handschriftengruppe, die unter Benutzung des besagten Wiener Bandes (ÖNB s. n. 4844) gleichlautend eine zeitnah entstandene Fortsetzung bis zum Jahr 1313 enthält 41. Aus den ,Heilsbronner Annalen‘, die als Vorlage nachgewiesen werden konnten 42, wurde der Bericht über die Königswahl Heinrichs übernommen und die Krönung an Epiphanias 1309 in Aachen genannt. Der regionale Bericht zu Nördlingen 43, der in den ,Heilsbronner Annalen‘ folgt, wurde ausgeschieden, um dem Konzept der Papst-Kaiser-Chronik zu genügen. Bei Papst Clemens V. wird über seine Erhebung 1305 und das Konzil von Vienne 1311 berichtet. In einer Fortsetzung zu Martin von Troppau, die bis 1319 geführt ist, blieb die schon im Grundbestand fragmentarische Kaiserreihe ohne Fortsetzung 44. Im Abschnitt zu Clemens V., dessen Amtsantritt auf 1305 datiert wurde und eine Dauer von acht Jahren, zehn Monaten und fünfzehn Tagen hatte, fehlt eine annalistische Binnengliederung 45. Die Verbrennung der Templer wird erwähnt, ohne den Prozeß zeitlich näher zu fixieren. Als Beispiel für die problematische Zuordnung in die gewählten Zeitfenster mag eine Fortsetzung zur Chronik Martins von Troppau dienen, die bis 1305/ 08 geführt ist. Sie entstammt der Handschrift Berlin, SPK, lat. quart. 291, die einen Schreibvermerk zum Jahr 1331 aufweist. Inwieweit ältere Vorlagen benutzt 40
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MGH Sriptores 24 (1879), 48 Z. 5-10: „Rex Albertus cum infinita multitudine Bohemiam, ut cogitaverat, intraturus, inopinata morte preventus est. Nam Johannes, filius fratris sui, ducis Suevie et Austrie, genitus de filia regis Bohemie, sorore Wenczeslai, pro eo, quod ipsum hereditate paterna privaverat et sepius requisitus nichil certi super eodem negocio sibi responderat, in die Philippi et Iacobi cum quibusdam suis fautoribus iuxta civitatem dictam Baden manu propria interfecit.“ In allen drei Zeugen der ,Heilsbronner Annalen‘ finden sich auch die ,Flores temporum‘, cf. Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 81 sq. Cf. Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 75-126, vgl. etwa Wien, ÖNB cvp 3402, foll. 72rb zu Clemens V. und 72vb zu Heinrich VII. Cf. Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 81 sq. MGH SS 24 (1879), 48 Z. 13: „Eodem anno dedit nobis ecclesiam Nordlingen.“ Fortsetzungen zur Papst-Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 100 (C.P.Rom.var.) zu Cambridge, Corp. Chr. Coll. 427. Ibid. 213 Z. 6 sqq.
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wurden, der Bericht zum Jahr 1308 also noch vor 1320 entstand, kann bislang nicht eindeutig beantwortet werden. Der Bericht zu Heinrich VII. 46 überspringt die Ereignisse der Wahl, weil der Verfasser nur an Italien interessiert war, wo für den Herrscher zum Jahr 1308 noch nichts zu berichten war. Bei Clemens V. wurde ohne genaue Jahresangabe die Vernichtung des Templerordens genannt 47. Zum Vergleich sei ein kurzer Seitenblick auf die Papstvita Clemens V. geworfen, die gewöhnlich Tholomäus von Lucca zugeschrieben wird 48. Der zwischen 1314 und 1329 entstandene Text hat auf die Papst-Kaiser-Chronistik Einfluß genommen, obwohl er selbst sich dem formalen Grundschema bipolarer Historiographie bewußt entzogen hat 49. Dennoch berichtet er über die Geschichte der weltlichen Herrscher, wobei neben den deutschen Königen auch die englischen und französischen Regenten große Aufmerksamkeit finden 50. Mit Blick auf die Reichsgeschichte wird von der Ermordung Albrechts I. berichtet: „Eodem anno occisus fuit rex Alamannie Albertus.“ 51 Der Frieden zwischen dem französischen und englischen König sowie der Treueschwur des englischen Königs gegenüber dem französischen für die Gebiete auf dem Festland werden erwähnt. Der erbenlose Tod des Markgrafen von Este wird genannt und die Übereinkunft zwischen Bologna, Padua und Ferrara, daß ein illegitimer Sohn des Markgrafen im Amt folgen dürfe. Der Besuch des französischen Königs beim Papst in Poitiers wurde zusammen mit dem Friedenskuß zur Chronikmeldung. Der König habe die Füße des Papstes geküßt und sei vom Papst zum Mundkuß erhoben worden. Die Verhandlungen über die Templer werden ausführlich geschildert. Der Beschluß für die Verlegung der Kurie nach Avignon fiel in dieses Jahr und die Einberufung des Konzils von Vienne wird ebenfalls vom Chronisten genannt. Schließlich wird des Brandes der Laterankirche am 6. Mai gedacht, was zu Prozessionen und der Beilegung der in Rom bestehenden Zwietracht geführt habe. III. Die Berichte zum Jahr 1308 in Papst-K aiser-Chroniken mit einem Entstehungszeitraum zwischen 1320 und 1350 Zum Jahr 1320, das hier als Einschnitt für die Untersuchung gewählt wurde, gibt es zahlreiche Fortsetzungen, die nicht mehr von spontaner Buchführung 46 47 48 49
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Das Stück ist ediert bei Jäschke, Imperator Heinricus (nt. 31), 131 sq. Zur Templerproblematik des Jahres cf. Barber, Der Templerprozess (nt. 2), 80 sqq., 108 sqq. Vitae Paparum Avenionensium (nt. 4) I, 24-53. Die Vita Clemens V. ist erst im 15. Jahrhundert mit der ,Historia ecclesiastica‘ des Tholomäus von Lucca verbunden worden. Zweifel an seiner Autorschaft bestehen bislang nicht, cf. Franke, Kaiser Heinrich VII. (nt. 4), 21 sq. Vitae Paparum Avenionensium (nt. 4) I, 29-32 zu 1308, hier 29: „a nepote suo, filio sui fratris, cuius causa fuit, ut fertur, quia omnia dabat filiis et de ipso non curabat, cum tamen ipse esset filius primogeniti“; es folgen Berichte zur englischen Geschichte und zu den Beziehungen zwischen dem französischen König und dem Papst. Ibid.
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geprägt sind, sondern die im zeitlichen Abstand auf das Geschehen des Jahres 1308 reflektierend zurückblicken 52. Die Martin von Troppau-Handschrift Vatikan, Ottob. lat. 761, die eine Fortsetzung bis 1320 aufweist, vermerkt zur Wahl Heinrichs: „Henricus comes de Luciburgo de Allamania uir bonus et iustus et timens deum fuit ellectus in regem Allamanie in concordia principum ellectorum nemine discrepante in MCCCVIIII, indictione VII, ipsamque electionem de se factam ad dmm Clementem quintum solemniter destinavit. Audiens autem papa ipsum esse uirum tante sanctitatis et virtutis et in iusticia habundare eam ellectionem illico confirmauit.“ 53 Hier wird das Ereignis zu 1309 eingetragen, was in Verwechselung mit der Krönung, die den Chronisten nicht interessiert hat, des öfteren vorgekommen ist 54. Eine andere Textgestalt hat die Fortsetzung bis 1320, die in der Handschrift Wien, ÖNB cvp 494 überliefert ist. Die Nachrichten zu den Templern und zu langobardischen Häretikern unter Dolcino sind dort im Abschnitt über Albrecht I. eingereiht 55, ohne genau datiert zu sein. Die Kette der Verweise eodem anno geht weit zurück und verliert sich bei schneller Lektüre in Unsicherheit. Nur die Gleichzeitigkeit dieser Abweichler vom christlichen Glauben und der Ermordung Albrechts durch seinen Neffen ist offenbar. Das Kaisertum (benedictio imperii) habe Albrecht nicht erlangt. Auf ihn folgt Heinrich, der als der Sechste gezählt und dessen Wahl in Frankfurt auf den Katharinentag 1308 datiert wird 56. Im Abschnitt zu Clemens V. wird für das Jahr 1308 über den Brand der Laterankirche berichtet, der sehr beklagt worden sei. Die Römer hätten sich über das Gottesurteil nachdenkend sehr bemüht, sie schnell wieder aufzubauen, so daß sie schon 1310 wieder hätte geweiht werden können 57. Zentraler Informationsgeber für die Historiographen der Gebiete, die heute zu Frankreich zählen, aber auch für einzelne an Geschichte interessierte Gelehrte der iberischen Halbinsel, Englands und selbst für Teile des Reiches war Bernard Gui, der seine Geschichtswerke ausgehend von der Martinschronik konzipierte 58. Die Reihung von Päpsten und Kaisern hat er von Martin von Troppau übernommen 59. Zum Jahr 1308 spielen bei ihm folgende Ereignisse 52
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Folgende Handschriften sind bislang zu verzeichnen, von denen hier nur eine Auswahl näher betrachtet werden kann: Vatikan, Barb. lat. 2326, Vat. lat. 2042, Ottob. Lat. 761, Ottob. Lat. 719 (cf. nt. 27); Bern, Bürgerb. 452 und 581; Wien, ÖNB, cvp 494; Hannover, LB, XIII 766; Prag, Kapitelsbibl., O. II.; Prag, NuUB, X. C. 18; St. Petersburg, Sig 25 (174); Paris, Bibl. Mazarine, 1635 (nach B. Gui); Paris, BN, Lat. 5024; London, Brit. L, Cott. Calig. A (mit weiterer Fortsetzung bis Sixtus), Harley 641; Leipzig, UB, Ms 1313; Breslau, UB, Ms. IV. F. 175; Halle, UB, Ms. Stolberg, Wernig Za 65; Utrecht, UB, Ms. 739 und Ms. 740; Krakau, Muz. Nar. Czartoryski, Ms. 1583 sowie Winchester, Cathedral Libr., Ms. 9. Ob es innerhalb dieser Textzeugen Abhängigkeiten gibt, ist bislang nicht systematisch untersucht. Vatikan, Ottob. lat. 761, fol. 86va. Zu Clemens V. ibid. fol. 45ra. RI Heinrich VII. (nt. 3), 61. Wien, ÖNB cvp 494, foll. 72v, 73v und 74v. Ibid., fol. 74vr. Ibid., fol. 74r. Cf. nt. 4 und nt. 23. Zu seinen Funktionen im Templerprozeß cf. Barber, Der Templerprozeß (nt. 2), 39 sq. Cf. Lamarrigue, Bernard Gui (nt. 23), 100-102, 121 und 469.
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eine Rolle: er vermerkt die Ketzergruppe um Dolcino und Margarethe in Norditalien, gegen die ein Kreuzzug geführt worden sei 60, er berichtet von der Ermordung König Albrechts 61 und vom Brand der Laterankirche, die er als göttliches Urteil gegen die untereinander zerstrittenen Römer versteht 62. Neben einer päpstlichen Gesandtschaft mit Missionsauftrag vermeldet er den Brief Clemens’ V. „ad universa christianitatis tam regna quam climata“, mit dem alle aufgefordert wurden, die Templer zu fangen und ihnen den Prozeß zu machen 63. Dabei habe der Papst sowohl auf die Diözesansynoden als auch auf eigene Agenten gebaut. Zum Katharinentag berichtet er von der Königswahl in Frankfurt, um dann auf das Jahr 1309 überzugehen 64. Die Wirkung dieses Geschichtsbildes zum Jahr 1308 sei an einem Text dokumentiert, dessen Schreiber Bernard Gui nachweislich kannte, aber nicht alle Informationen von ihm übernommen hat. Die in der Forschung als ,Continuatio pontificum Eboracensis prima‘ bezeichnete Fortsetzung bis 1312, die aus Yorkshire stammt und in einer Oxforder und einer Wolfenbütteler Handschrift erhalten ist, wurde nur in der Papstreihe fortgeführt. Ihr Text muß nach 1320 entstanden sein, weil Bernhard Guis Clemensvita benutzt wurde. Die Templer werden hier bereits zu 1307 65 vermerkt; für den sechsten Mai 1308 wird der Brand der Laterankirche in Rom eingetragen. Nach Bernard Gui wird dann noch einmal der Kampf gegen die Templer thematisiert. In Paris seien 54 Anhänger verbrannt worden, eine Zahl, die an anderer Stelle auch bei Bernard Gui aufscheint. Es folgt dann ein Schwenk zur Kaisergeschichte. Bis in diese Zeit habe das Kaisertum von Friedrich II. an in der Hand der Päpste gelegen, doch nun sei es wieder dem Grafen von Luxemburg als gewähltem rex Alemanie übergeben worden 66. Der Verfasser ist daran interessiert, weil der Dominikaner Thomas Iorz, ein Engländer, die Kaiserkrönung hatte vornehmen sollen, was aber dadurch vereitelt wurde, daß er auf dem Weg nach Rom starb. Die oberitalienischen Ketzer interessieren den Engländer ebenso wenig wie die Mission und die streitenden Römer. 60 61 62
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Vitae Paparum Avenionensium (nt. 4) I, 63. Ibid. 64. Ibid. Der Bericht entspricht anfangs den Worten der Tholomäus von Lucca zugeschriebenen Papstvita (ibid. 31 sq., cf. nt. 48-50: „Eodem anno in principio mensis maih, hoc est in festo s. Johannis ante portam Latinam combusta est ecclesia S. Johannis de laterano Rome. Qua de causa exorta est magna lamentatio in Urbe, quasi hoc divinam sententiam indicans super ipsos. Et inde facte sunt processiones in Urbe et multe facte paces et multe sedate discordie. Domine Urbis et viri timorai assumunt casum ac solicitantur ad reparationem ecclesie memorate, et in tantum dicte ecllesie deferunt, quod ipsas quadrigas onerates lapidibus mulieres trahebant in ecclesiam, non permittentes quod animalia eam violarent“). Ibid. 65. Ibid. Er nennt Frankfurt als Wahlort und verweist auf die Einmütigkeit (concordia). Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 151. Ibid. 152 folgt ohne Jahreszahl nach den Einträgen zum Konzil von Vienne ein Hinweis zum Kaisertum: „Hic insuper imperium, quod in manu summorum pontificum fuerat a tempore Frederici secundi, in ultimo imperaverat usque tunc, comiti de Lucenburc in regem Alemannie electo dimisit et ipsum in imperatorem constituit.“
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Blicken wir noch kurz auf Traditionen im Reich, die ebenfalls von Bernard Gui beeinflußt sind. In der Handschrift Wien, ÖNB, cvp 369 findet sich eine Fortsetzung bis 1335, die zwar die zwei Stränge für Päpste und Kaiser beibehält, aber stark annalistisch strukturiert wurde, was klare Aussagen darüber zuläßt, was zum Jahr 1308 erinnert wurde. Im Abschnitt zu Albrecht I. wird für das Jahr 1308 die Ermordung erwähnt 67. Mit einem Zusatzzeichen wurde eine Randnotiz eingebunden, die sich mit den Markgrafen von Brandenburg befaßt 68. Unter Clemens, wo es einen breiten annalistischen Teil gibt, findet sich eine wörtliche Abschrift aus Bernard Guis Werk, die hinsichtlich der Themen keine Aussonderungen vornimmt 69. Die Wahl Heinrichs VII. wird für den Katharinentag vermerkt 70. Wohl nur aufgrund päpstlicher Schriftlichkeit und nicht in Anlehnung an Bernard Gui wußte man in Glastonbury (Somerset), wo eine Fortsetzung bis 1326 entstand, die in der Handschrift London, Brit. L., Harley 641 überliefert ist, vom Verbot der Templer. Dort wurde auch berichtet, daß dieses Urteil in England an Thomas Toccery und Stephanus de Stapulbrugge vollstreckt worden sei, die einzigen beiden Templer, die ihre Schuld eingestanden hätten 71. Hier war man also vor Ort von den päpstlichen Maßnahmen betroffen und hat deshalb darüber berichtet. Betrachtet seien daneben noch andere Fortsetzungen, die von Bernard Gui unabhängig geblieben sind. Eine Fortsetzung bis 1328, die in der Handschrift Oxford, Bodl. L., Lyell 17 überliefert und sicher vor 1350 entstanden ist 72, schließt an eine Fortsetzung bis 1312 an, greift auch selbständig mit neuen Nachrichten in die Zeit vor 1312 zurück. Die chronologische Ordnung wurde dabei nicht als Leitfaden benutzt, vielmehr wurde Wissenswertes in den Kontext gesetzt. So erscheint zur Nachricht vom Tod Bonifaz VIII. auch der Hinweis zum Prozeß von 1308, der aufgrund der Anklage durch den französischen König geführt wurde, weil der Papst nicht an das Leben nach dem Tod geglaubt habe 73. Die Königswahl Heinrichs VII. wird als Wahl zum Kaiser stilisiert: „elec67 68
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Wien, ÖNB cvp 369 fol. 43r: „Albertus fuit occisus a nepote suo filio fratris sui Anno dmi MCCCVIII.“ Ibid. am unteren Rand außen (4 Kurzzeilen) zum Tod des Markgrafen Hermann am zweiten Februar und zum Tod des Markgrafen Otto. Ibid. fol. 44r, cf. zur Vorlage nt. 62. Ibid. fol. 46v. Fortsetzungen zur Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 215: „Eodem anno (1308) mense Augusto Clemens papa ad universa Christianitatis regna litteras apostolicas destinavit, ut ubique Templarii caperentur et contra singulares personas illius ordinis per diocesanos cum adiunctis sibi personis religionis inquisicio fieret … et iudicarentur in singulis provinciis in metropolitano concilio equa lance.“ Einleitend mit eodem anno wird im Anschluß über die 1309 zu datierende Vollstreckung in England berichtet. Fortsetzungen zur Papst-Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 91 (C.P.Ebor.II). Ibid. 164 Z. 9 zum Prozeß cf. J. Coste, Boniface VIII en proce`s. Articles d’accusation de de´positions des te`moins (1303-1311). E´dition critique, introductions et notes. Avant-props d’Andre´ Vauchez (Pubblicazioni della Fondazione Camillo Caetani, Studi e documenti d’archivio 5), Rom 1995 und H. J. Mierau, Gerüchte als Medium der Grenzüberschreitung - Der Prozeß
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tus fuit in imperatorem“. Bei der Krönung wird nicht an die Aachener Königskrönung, sondern an die Kaiserkrönung gedacht, die zu Problemen mit Robert dem Weisen von Neapel geführt habe 74. Die Nachrichten über die Templer sind hier wie anderenorts schon zu 1307 eingereiht 75. In der sog. ,Continuatio Brabantiae‘ zur Chronik Martins von Troppau erscheinen neben den Standardeinträgen im Bereich der Papst-Kaiser-Geschichte auch regionale Informationen. Zum vierten Jahr von Papst Clemens, also zu den Jahren 1308-1309 wird von einer Frau berichtet, die von den Juden elendig zur Märtyrerin gemacht worden sei. Wegen des jüdischen Reichtums sei dies nicht bestraft worden. Als man die Frau fand, sei ein Gotteswunder geschehen, denn in jener Zeit hätten mit Kreuzen gezeichnete pauperes viele Juden umgebracht. Aus Furcht seien manche der Überlebenden zum Glauben übergetreten 76. Man wußte in Brabant aber auch über einen Zug Jaimes von Aragon gegen die Sarazenen und berichtete von der Ermordung König Albrechts mit großem Wohlwollen für Johannes, dessen Handeln als Strafe Gottes bezeichnet wurde 77. Nachrichten zu Heinrich VII. fehlen, weil der Text dort korrupt abbricht. Auf die Situation des Königsmörders Johannes geht ein Fortsetzer ausführlich ein, der sein Werk bis 1330 geführt hat, aber an einzelnen Stellen auch noch etwas darüber hinaus Kenntnisse besitzt und einfließen läßt 78. Den Mord selbst reiht er ins Jahr 1309 ein. Die Psychologisierung des Handelns kommt fast einer Rechtfertigung gleich. Die ablehnende Haltung gegenüber Albrecht I. wird auch sonst zum Ausdruck gebracht: „et sic Albertus rex Romanorum, persecutor eciam cleri, in fine sui obitus gracia caruit clericorum.“ Hinsichtlich der Regierung Heinrichs VII.
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gegen Papst Bonifaz VIII., in: U. Knefelkamp/K. Bosselmann-Cyran (eds.), Tagungsband zum 11. Symposion des Mediävistenverbandes (2005), Berlin 2007, 109-121 mit weiterer Literatur. Fortsetzungen zur Papst-Kaiserchronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 173. In den Chroniken, die in Italien und Deutschland verbreitet waren, spielt dieser Konflikt eine vergleichsweise geringe Rolle, cf. die Kompilation aus den Textstufen zwei und drei der ,Flores temporum‘ in der Handschrift Stuttgart, WLB cod. Theol. 2∞ 100, fol. 284va. Fortsetzungen zur Papst-Kaiser-Chronik Martins von Troppau aus England (nt. 19), 172. MGH SS 24 (1879), 259 sqq. bis 1308 in der Kaiserreihe, der Rest wurde später ausgerissen, in der Papstreihe ist die Fortsetzung bis 1334 geführt, 262 zu Clemens: Z. 36: „apud Thenis in Monte in Brabantia quedam mulier a Iudeis fuit miserabiliter martyrizata. Unde competens vindicta non fuit facta propter nimiam pecuniam Judeorum, qua se redimebant. Sed tandem mulier inventa et cognita, accidit quasi miraculum a Deo, ut tempore illo crucesignati maxime pauperes in toto illo confinio omnes Judeos, quos invenire poterant, interficerent ubique in turribus et in villis; unde aliqui Judeorum pre timore sunt conversi ad fidem.“ Ibid. 262 Z. 44 sq. und 265 Z. 17: „Hic Albertus, quia Iohannem, filium fratris sui ducis Austrie, ducatu paterno privaverat, ipsum sibi potenter usurpando, et etiam regno Bohemie, unde proximior exstitit heres, ab ipso Iohanne et suis complicibus accepta oportunitate iusto Dei iuditio interfectus est, tempore domini Clementis quinti, anno 1308.“ Es folgt jenseits der exakten Chronologie noch ein kurzer Eintrag zum vorletzten Jahr Albrechts, bevor der Text abbricht. Abgedruckt im Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-Quellen 14, Wien 1855, 12-17, hier 14.
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ist der Verfasser unsicher. Die Handschriften bieten eine korrupte Zahl oder lassen sie ganz fort 79. Ein Geschichtsbuch des Paulinus Minorita hat im Abschnitt zu Clemens V., soweit die Edition das beurteilen läßt, zu 1308 keine Nachrichten. Die päpstliche Bestätigung der Wahl Heinrichs VII. wird für den Juni 1309 eingetragen 80. Auch in der „explicatio de inperatore“ wird das Jahr 1308 nur hinsichtlich der Wahl am Katharinentag erwähnt 81. Für 1309 hingegen ist mit der Krönung und den Verhandlungen um die Kaiserkrönung mehr zu berichten 82. Zu den Fortsetzungen mit gewisser eigener Bedeutung zählt die Arbeit des Heinrich Taube von Seelbach, der im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts arbeitete. Sein Bericht zum Tod Albrechts ist eigenständig formuliert. In der Diözese Konstanz sei der König durch seinen Neffen ermordet worden, dem er das Erbe habe entziehen wollen 83. Sogar einen Merkvers hat der Fortsetzer in die Darstellung integriert, der das Jahr 1308 benennt: „Annis transactis octo cum mille trecentis / rex ruit Albertus Walpurgis ab ense Iohannis 84. Auf den Walpurgistag und nicht erst auf den 1. Mai wird der Anschlag in Eichstätt datiert, weil das Fest dort das Zeitbewußtsein wegen der intensiven Verehrung stark prägte. Es folgt der Bericht zu Heinrich VII., dessen Regierungszeit 1309 begonnen habe 85. Die Einmütigkeit der Frankfurter Wähler wird ebenso erwähnt wie die vierjährige Amtszeit. In seinem ersten Regierungsjahr habe er seinen Sohn Johannes mit der Tochter König Wenzels von Böhmen verheiratet 86. Die Hochzeitsfeier mit der Erbtochter des Böhmen sei in Speyer gefeiert worden und tatsächlich habe Johann nach dem Tod des Vaters Böhmen regiert. Der Chronist vermeldet an dieser Stelle weit vorausgreifend, daß dies mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen sein 87. Erst danach werden beginnend mit Secundo anno Heinrichs weitere Regierungshandlungen genannt. Im Abschnitt zu Clemens V. wird für das Jahr 1308 nichts berichtet 88. In Österreich erhielt die Chronik des Johannes von Viktring größere Aufmerksamkeit, der am Beginn der 1340er Jahre mit der Abfassung seines ,Liber certarum historiarum‘ in mehreren Versionen beschäftigt war. Benutzt wurde er 79
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Ibid. 15. Interesse findet die Verehelichung seines Sohnes Johann mit der Tochter des böhmischen Königs. Vitae Paparum Avenionensium (nt. 4) I, 81. Ibid. I, 82. Franke, Kaiser Heinrich VII. (nt. 4), 20 sq, Ob es sich um einen Auszug aus der Weltgeschichte handelt, die zentral die Papst-Kaiser-Geschichte bietet, aber auch die Taten von zahlreichen Regenten umfaßte, um so die Geschichte der Welt umfassend darzustellen oder nicht, wird dort nt. 49 als unsicher bezeichnet. Heinrich Taube von Selbach, Chronik, ed. H. Bresslau (MGH SS rer. Germ. n. s. 1), Berlin 1922 [Nachdruck 1980], 9 Z. 8-11. Ibid. Z. 15-16. Ibid. Z. 17-20. Ibid. 10 Z. 1-5. Ibid. 10 Z. 5-7. Dies entspricht nicht den Realitäten, vielmehr hat Johann bereits seit 1310 in Böhmen operieren können. Ibid. 18 Z. 5 sqq.
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insbesondere vom ,Anonymus Leobiensis‘, der enge Verwandtschaft zur PapstKaiser-Chronistik zeigt. In der Rezension A des ,Liber certarum historiarum‘ beginnt der Text des vierten Buches (1307-1314) mit einem Bericht über die Templer, ohne das Jahr 1308 eigens auszuweisen 89. Der Bericht zur Regierungshandlung Albrechts I. ist aufgrund der Nähe des Chronisten zu den Habsburgern sehr ausführlich. Die böhmischen Angelegenheiten werden erwähnt, bevor über das Attentat vom 1. Mai berichtet wird 90. Sogar ein Gespräch zwischen Johannes und Albrecht, das die Konfliktlage hinsichtlich des Erbes erkennen läßt, erscheint im Text. Die Komplizen sind namentlich bekannt. Dramatisch wird dann der Mord in allen Einzelheiten dargestellt. Bei der Darstellung der Reaktionen steht der Schmerz der Königin im Vordergrund. Bibelzitate, Ovidstellen und historische Exempla fließen ein. Über die Wahl des Nachfolgers wird dann ebenfalls ausführlich berichtet. Der Abschnitt beginnt wie der über den Mord mit der offensichtlichen Datierung „anno Domini MCCCVIII “ 91. Die politischen Konstellationen, die zur Wahl führten, werden sorgfältig analysiert, so daß ein plastisches Bild von den Verhandlungen des Jahres 1308 entsteht. Im ,Anonymus Leobiensis‘ steht dieses Kapitel nur wenig modifiziert am Beginn des vierten Buches 92. Ebenfalls in die 1340er Jahre datiert die Chronik des Johannes von Winterthur, der an eine Papst-Kaiser-Chronik anschloß, aber das Schema nicht mehr strikt befolgte. Seine Arbeitsversion ist durch ein chronologisches Durcheinander geprägt. Beim Mord an Albrecht I. kennt auch er viele Details, aber er datiert das Ereignis im Prosatext zunächst nicht 93. Innerhalb der Darstellung ist der Bericht eng mit dem Schlachtentod seines Vorgängers verknüpft 94. Merkgedichte für beide Ereignisse nennen dann auch die Jahreszahlen. Von der Wahl Heinrichs VII. wird knapp berichtet 95. IV. Die Berichte zum Jahr 1308 in Papst-K aiser-Chroniken mit einer Entstehungszeit nach 1350 Nur ein kurzer Blick ist noch auf die Vielzahl von Papst-Kaiser-ChronikTexten zu richten, die nach 1350 entstanden und in nicht geringem Maß auf 89
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Johannes von Viktring, Liber certarum historiarum, ed. F. Schneider (MGH SS rer. germ. 36, 1.2), Hannover 1909-1910, II, 1 sq., cf. Franke, Kaiser Heinrich VII. (nt. 4), 249 sqq. Johannes von Viktring, Liber certarum historiarum (nt. 89), 3 sq. Ibid. 3 und 7. Ibid. 31 sqq. Die Chronik des Johannes von Winterthur, ed. F. Baethgen in Verbindung mit C. Brun, MGH SS rer. germ. n. s. 3, Berlin 1924, 47. Zur Gestaltung vgl. H. J. Mierau, Eine Kampfschrift gegen die Vorstellungen von der Wiederkehr Friedrichs II.; Zur Interpretation der Chronik des Johannes von Winterthur, in: W. Ehbrecht [e. a.] (eds.), Der weite Blick des Historikers, Einsichten in Kultur-, Landes- und Stadtgeschichte, Festschrift für Peter Johanek zum 65. Geburtstag, Köln 2002, 555-576. Die Chronik des Johannes von Winterthur (nt. 93), 47. Ibid. 53 sq. und 64.
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die schon genannten älteren Berichte zurückgriffen. Der zeitliche Abstand ließ Berichte aus eigenem Interesse immer seltener werden. Derartiges kam insbesondere dann vor, wenn die Folgen eines Ereignisses noch über Jahre zu spüren waren. Ein Beispiel dafür, das dann mit seiner regionalen Berichterstattung weite Kreise zog, ist die Fortsetzung des Hermann Gigas zu den ,Flores temporum‘, die bis 1349 reicht. Bei Clemens V. wird das Jahr 1308 nicht eigens herausgestrichen. Überschattet ist der Bericht zu diesem Papst von der Klage zur hier nicht datierten Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon, wobei die Wirksamkeit bis in die eigene Zeit betont wird („sicut est usque nunc“); drei Schlagworte verbindet der Fortsetzer damit: superbia, avaritia, luxuria 96. Auch die Ermordung von Albrecht I. wird in dieser Fortsetzung zwar berichtet, nicht aber zeitlich fixiert 97. Sicher ins Jahr 1308 wurden die Leser erst bei Heinrich VII. geführt, dessen Regierungsantritt zu diesem Jahr eingetragen wurde 98. Ohne Angabe von Jahreszahlen kommen gleich im Anschluß daran Informationen zu den süddeutsch-württembergischen Verhältnissen, denen der Verfasser entstammte 99: König Heinrich sei ein iusticiarius gewesen; er habe die Güter des Grafen Konrad von Öttingen konfisziert und ihn so sehr verarmt, daß der wie ein Bettler bittend zu einem Zisterzienserkloster gekommen sei, um dort bis zum Tod ernährt zu werden 100. Auch Graf Eberhard von Württemberg, ein Onkel Konrads, habe der König, als er ihm nicht gehorchen wollte, durch die Zerstörung und Konfiszierung seiner Städte und Burgen so verarmt, daß er vom Markgrafen von Baden aufgenommen werden mußte. Bevor in chronologischer Reihung mit den Berichten zum zweiten Jahr des Herrschers fortgefahren wird 101, erklärt der württembergische Chronist noch, daß dies nach dem Tod Heinrichs wieder rückgängig gemacht wurde. 96
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Hermanni Gygantis ordnis fratrum minorum Flores temporum, ed. J. G. Meuschen, Leiden 1743, zweite Auflage 1750, 136. Dieser Teil ist auch ediert bei R. Sprandel, Chronisten als Zeitzeugen. Forschungen zur spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung in Deutschland (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im Mittelalter N. F. 3), Köln [e. a.] 1994, 1*-63*, hier 17*. Während der Fortsetzer an anderen Stellen in die Vorlage eingegriffen hat, blieb die Passage zu Clemens V. weitgehend unverändert. Flores temporum, ed. J. G. Eccard, in: Corpus historicum medii aevi 1 (1723), coll. 1551-1640, hier 1633, Flores temporum, ed. Meuschen (nt. 96), 132; Sprandel, Chronisten als Zeitzeugen (nt. 96), 4*: „Hic nimis avarus filio fratris sui defuncti, scilicet Johanni duci Austrie, noluit condividere hereditatem paternam. Unde ispum occidit prope oppidum, quod dicitur Brugg, cum in die apostolorum Philippi et Iacobi transisset fluvium, qui vocatur Ruse.“ Flores temporum, ed. Eccard (nt. 97), 1633, Flores temporum, ed. Meuschen (nt. 96), 132; Sprandel, Chronisten als Zeitzeugen (nt. 96), 5*. Flores temporum, ed. Eccard (nt. 97), 1633, Flores temporum, ed. Meuschen (nt. 96), 132; Sprandel, Chronisten als Zeitzeugen (nt. 96), 6*. Die Ereignisse sind auf die Jahre 1310 bis 1313 zu datieren, doch wird dies aus der Schilderung in der Chronik selbst nicht ersichtlich. Flores temporum, ed. Eccard (nt. 97), 1637. Flores temporum, ed. Eccard (nt. 97), 1633, Flores temporum, ed. Meuschen (nt. 96), 132; Sprandel, Chronisten als Zeitzeugen (nt. 96), 6*. Die dort eingeschobene Kaiserkrönung fand erst am 29. Juni 1312 statt.
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Ähnlich regional berichtet Heinrich von Herford, ein norddeutscher Dominikaner, in seiner Kaiserchronik, in die Papstabschnitte integriert werden, die sich also formal vom Konzept bipolarer Gleichrangigkeit zugunsten der Kaiser trennt, inhaltlich aber dem alten Schema verpflichtet bleibt 102. Die Lösung vom alten Schema schafft Raum für eine größere inhaltliche Breite: Clemens V. wird im 97. Kapitel eingereiht, das Albrecht I. gewidmet ist 103. Zu 1308 wird, schon im siebten Regierungsjahr Albrechts, die heute ins Jahr 1307 datierte exterminatio gegen den oberitalienischen Apokalyptiker Dolcino und seine Anhänger mit Hilfe der Dominikaner, des Erzbischofs von Mailand und der regionalen weltlichen Machthaber erwähnt und zugleich ein Exkurs über die Geschichte dieser Häretiker angeführt 104. Der Kreuzzug des Jahres 1308, der Gründonnerstag 1308 zur Gefangennahme Dolcinos und seiner consors Margarete führte, wird ausführlich geschildert. Beide wurden dem weltlichen Gericht übergeben. Margarete sei vor den Augen Dolcinos in Stücke geschnitten worden, bevor ihm selbst die gleiche Strafe drohte, beider Knochen seien verbrannt worden, was aber nicht zur Auslöschung der Sekte geführt habe, die den Inquisitoren noch viel Arbeit bereitet hätte. Anlehnungen an den Bericht Bernard Guis sind hier offensichtlich. Nach einigen Absätzen, die sich wieder Albrecht zuwenden, wird am Ende des Kapitels zu 1308 als dem elften Regierungsjahr Albrechts sein Tod und die Nachfolge Heinrichs VII. verzeichnet, wobei noch einmal auf die Gleichzeitigkeit mit dem Kreuzzug gegen Dolcino verwiesen wird, die Umstände der Ermordung aber unerwähnt bleiben 105. Es folgen regionale Nachrichten: Die Niederbrennung der Stadt Hamm durch den Grafen Eberhard von der Mark 106, sein Tod und die Nachfolge seines Sohnes Engelbert 107. Berichtet wird auch vom Tod Bischof Ludwigs von Osnabrück nach einer Schlacht gegen Engelbert. Ebenfalls zu 1308 wird von einem Erlebnis der Gräfin von Mansfeld, der Tochter des Grafen von Lüchow, berichtet, die sich auf den Weg zu ihren Eltern gemacht hatte und dabei im Gebiet der Sachsen, in Trivanis wie es im Text heißt, zwischen Gestrüpp und Bäumen ein Klagen hörte. Sie schickte einige aus ihrer 102
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R. Sprandel, Studien zu Heinrich von Herford, in: G. Althoff/D. Geuenich/O. G. Oexle/J. Wollasch (eds.), Person und Gemeinschaft. Karl Schmid zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1988, 557-571; A. Baumann, Weltchronistik im ausgehenden Mittelalter. Heinrich von Herford, Gobelinus Person, Dietrich Engelhus (Europäische Hochschulschriften Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 653), Frankfurt am Main [e. a.] 1995; J. C. Leuschner, Chronistik als Krisenbewältigung im Spätmittelalter. Eine Zeugenanhörung im 14. Jahrhundert (Politik im Mittelalter 12), Neuried 2003, passim. Henricus de Herfordia, Liber de rebus memorabilioribus sive chronicon, ed. A. Potthast, Göttingen 1859, 217 sqq., hier 221-224. Die Zahl und Aufbewahrungsorte der Handschriften sowie die späteren Benutzungen in anderen Chroniken deuten auf eine gewisse Verbreitung vor allem im norddeutschen Raum hin. Cf. nt. 55 und 60. Ibid. 224. Ibid. 225. Ibid.
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Familia, um nachzusehen, und machte sich „misericors lammentatione commota“ selbst auf. Man traf auf einen Slaven und seinen Vater. Der Vater klagte laut, während sein Sohn ein Grab aushub. Befragt von der Gräfin, was er tue, antwortete er, er wolle seinen Vater beerdigen. Aber warum willst Du einen Lebenden begraben, fragte die Christin. Der Slave antwortete, weil er alt und gebrechlich ist und nicht weiter arbeiten kann, dafür aber täglich den anderen Mühen bereitet. Heftig bat die Gräfin darum, den Alten zu schonen. Erst als die Gräfin dem Mann nach beharrlicher Ablehnung das Geld für die einjährige Versorgung seines Vaters gab, willigte dieser in das Geschäft ein. Der Leser erfährt sogar, daß die Gräfin im Folgejahr Informanten ausschickte, um sich nach dem Fortgang zu erkundigen und dabei in Erfahrung brachte, daß der Sohn seinen Vater nach Ablauf des bezahlten Jahres ermordet habe, wobei das im Text verwendete Wort mactare aus dem sakralen Bereich des Opferns stammt. Es folgt ein Kommentar des gelehrten dominikanischen Chronisten, der sich auf das Ende des zweiten Buchs von Aristoteles’ Topik bezieht, das mit entsprechendem Hinweis zitiert wird: „Bonum est mactare patrem in Trivanis.“ 108 Das 98. Kapitel der Chronik Heinrichs von Herford wendet sich Heinrich VII. zu und setzt im 5270. Jahr nach Schaffung der Welt, im 2059. Jahr nach der Gründung Roms, dem 508. Jahr nach der translatio des Reiches auf die Deutschen den Bericht mit der Erhebung Heinrichs VII. fort 109. Es folgt der Hinweis auf die Ermordung Woldemars von Brandenburg bei einem Fest, an dem Berichten zufolge 6600 Personen teilgenommen haben sollen. Die nachfolgende plastische Beschreibung des Festes folgt der Chronik ,De principibus de Brandenburg‘. Für das erste Regierungsjahr wird zudem die Belehnung des Primogenitus Johann vermerkt 110. Die Martin-Fortsetzung in der Handschrift Wien, ÖNB, cvp 3414, die aus dem Wiener Schottenkloster stammt und am Ende einen ,Arbor ducum Bavarie‘ von Kaiser Ludwig bis 1447 enthält, unterscheidet sich von vielen anderen dadurch, daß sie in der Kaiserreihe nicht nur die Kaiser bzw. Kaiseranwärter nennt, sondern auch die Geschichte der europäischen Könige und anderer weltlicher Herrscher aufnimmt. Dennoch fehlen diesbezügliche Nachrichten zu 1308. Der Abschnitt zu Clemens V. bleibt trotz der sonstigen Informationsdichte des Textes für Studien zu 1308 unergiebig. Auch die Papst-Kaiser-Chronik des Andreas von Regensburg (gest. 1438), in der zu anderen Jahren am Beginn des 14. Jahrhunderts vieles zusammengetragen wurde, blieb ohne Nachrichten zu 1308. Die Wahl Heinrichs VII. wird dort auf 1309 datiert 111. 108
109 110 111
Ibid.; cf. Aristoteles, Topik (Organon V), übersetzt und mit Anmerkungen versehen von E. Rolfes, Hamburg 1919, dritte Auflage 1992, 49 (hier als Buch II, 11 unter Verwendung der Namensform Triballer). Henricus de Herfordia, Liber (nt. 103), 226. Ibid. 227. Andreas von Regensburg, Sämtliche Werke, ed. G. Leidinger (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte N. F. 1), München 1903 [Nachdruck Aalen 1969], 75.
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Der Fortsetzer des 15. Jahrhunderts, der an die Abschrift der Martinschronik in der Handschrift Wien, ÖNB, cvp 384 anschloß, um die Papstgeschichte zu komplettieren, hatte nachweislich die Regensburger Papst-Kaiser-Chronik vor sich, aus der er die Pseudo-Information übernahm, daß Johannes Monachi und Johannes Andreae, Pariser Theologen, in dieser Zeit gelebt hätten 112. Die für die Entwicklung des Kirchenrechts wichtigen Männer waren dem Fortsetzer des 15. Jahrhunderts besser bekannt als seiner Vorlage, denn sie werden in den thematischen Marginalien von Schreiberhand als Juristen eingestuft. Ihre Dicta hinsichtlich der bischöflichen Reservatfälle schienen erinnerungswürdig, doch greift dies bereits in die Zeit des Konzils von Vienne aus. Viel knapper blieb die Rückschau in der Fortsetzung zu den ,Flores temporum‘ in der Eichstätter Handschrift Cod. 698, die zunächst bis 1413 und dann bis 1452 geführt wurde. Ohne Zeitangaben werden als Fakten das Konzil von Vienne, die Clementinen und das Verbot der Templer genannt. Mit Blick auf das Zeitverständnis des Spätmittelalters scheint eine andere Stimme des 15. Jahrhunderts interessant. Der Dominikaner Johannes Herolt verfaßte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr beliebte Predigthilfen, denen auch Exzerpte aus den ,Flores temporum‘ beigegeben wurden 113. In diesen Exzerpten findet sich vor dem Eintrag zur Königswahl Heinrichs VII. („Anno domini 1308 Heinrichus septimus Imperator olim comes de Luczelburgk regnavit 4or annis. Hic fuit magnus“) in Rot die Überschrift: „Que modernis temporibus facta sunt“ 114. Hier wurde 1308 zur Epochenschwelle zwischen der lang vergangenen Zeit (so die vorherige Überschrift) und den eigenen Zeiten. In einer Handschrift aus dem Kloster Neresheim findet sich im Anschluß an die ,Flores temporum‘-Abschrift eine Chronik ab incarnatione Domini. Anfangs wird den Einträgen immer nur eine Zeile zugewiesen und diese zu Beginn datiert. Je weiter die Darstellung in die Gegenwart rückt, desto ausführlicher werden die Nachrichten. Zum Jahr 1308 wurde der Böhmenzug Albrechts I. vermerkt. Viele Bayern seien von wenigen Schwaben in die Flucht geschlagen oder gefangen genommen worden. Am Tag der Apostel Philipp und Jakob sei Albrecht fraudulenter von seinem Neffen Johannes und einigen anderen ermordet worden. Im gleichen Jahr sei Heinrich von Luxemburg zum König gewählt worden und Abt Friedrich gestorben, dem Heinrich folgte, wie syntaktisch kor112
113
114
Wien, ÖNB, cvp 384, fol. 30v, cf. die Edition ,ex Chronico pontificum et imperatorum Ratisponensi‘, in: MGH SS 24 (1879), 288. Das Textstück ist Teil der ,Flores temporum‘ in Textstufe zwei, cf. die Handschrift aus Melk (Cod. 945), pag. 284. Diese Abhängigkeiten sind zu Mierau/ Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 116 sqq. zu ergänzen. Welche Handschrift als Vorlage diente, ist noch nicht sicher, doch zeigt der Fall erneut Kompilationen zwischen den Fortsetzungen von Martinschronik und ,Flores temporum‘. Cf. die Auflistung in Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 70-74, nur wenige der Exzerpthandschriften entspringen anderen Wurzeln. Cf. Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek, MS. Carm. 9, foll. 493rb-498rb unter der Überschrift: Item Quatuor ewangeliste. Zur weiteren Überlieferung vgl. Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 70-74.
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rekt erst durch eine neuzeitliche Hand ergänzt wurde, die dem Namen Hainricus ein sucessit hinzufügte 115. Manche Information aus den ,Flores temporum‘ wurde hier einfach wiederholt, um sie ganz nah zu den regional bedeutsamen Ereignissen stellen zu können. V. Geschehensdarstellung en für das Jahr 1308: Str uktur vorg aben und die Diversität der Nachrichten in Abhängigkeit von Entstehungszeit und -or t Die Auswahl der für die Analyse herangezogenen Texte wurde zeitlich in drei Gruppen strukturiert, um zeitlich differenzierte Erkenntnisse über die Wahrnehmung formulieren zu können. Die Durchsicht der Berichte aus den Papst-Kaiser-Chroniken hat direktes schreibendes Miterleben von nachträglicher Deutung der Ereignisse aus der eigenen Erinnerung unterschieden und separierte davon wiederum die fremdbeeinflußten Rezeptionsprodukte, die nicht mehr ohne Informationsübermittlung von außen im Mündlichen oder Schriftlichen auskommen konnte. Obwohl die Bestimmung der Abfassungszeit für die konventionelle Quellenkritik seit jeher eine zentrale Rolle spielt, fehlen klare, allgemein anerkannte Einordnungskriterien. Die Eigenschaften der verschiedenen Verfasser, das Geschehene exakt zu erinnern, sind offenbar so unterschiedlich, daß pauschale Richtlinien unangemessen schienen. Selbst die dargestellten Geschehnisse haben offenbar Einfluß auf die Art, wie sie erinnert werden. Förmlich in die Erinnerung Eingebranntes, das über Generationen hinweg konstant bleibt, steht neben belanglosem Miterleben, das bald seine Relevanz verliert, und wird immer wieder begleitet durch das Verschwiegene oder Verdrängte, für das selbst- oder fremderlassene Verbote zu erinnern vorliegen, ohne daß diese in die Schrifttradition eingegangen wären 116. Erinnerungsverlust durch das Ausmerzen der Gruppe, die eine Angelegenheit nicht mit dem Schleier des Vergessens umhüllt sehen will, der aber die Chance selbst zu verdeckter Traditionsbildung radikal verweigert wird, tritt gerade mit Blick auf das Jahr 1308 klar vor Augen. Die hier vorgenommene Definition von Zeiträumen, in denen sich die Gestaltung von Geschichtstradition wandelt, sei gerade wegen dieser Unterschiede beim Erinnern als grobes Raster verstanden, nicht als strikt anzuwendendes Modell. Bei Texten wie den zeitchronistischen Fortsetzungen von Papst-KaiserChroniken, die nicht zwangsläufig eine Datierung der Entstehung tragen, viel115 116
Regensburg, Fürstlich Thurn und Taxis’sche Hofbibliothek, Ms. Pap. 156, fol. 94v. Von den vielfältigen Forschungen zur Theorie des Erinnerns können hier nur einzelne Beiträge genannt werden, cf. J. Fried, The Veil of Memory. Anthropological Problems when Considering the Past (German Historical Institute: The 1997 Annual Lecture), London 1998 und id., Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004 sowie J. J. Berns/ W. Neuber (eds.), Seelenmaschinen. Gattungstradition, Funktion und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne (Frühneuzeit-Studien N. F. 2), Wien [e. a.] 2000.
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fach aber im Umfeld des letzten genannten Ereignisses entstanden sind, dann jedoch abgeschrieben werden konnten, ohne daß sich der Textbestand weiter veränderte, ist gelegentlich auf Zuordnungen zu übertrieben exakten Zeitfenstern ganz zu verzichten. Gerade für die Übergangsjahre überlappen sich die Kriterien. Dennoch schien eine Strukturierung prinzipiell hilfreich, weil sie die eigene Betrachtungsweise schärft. Informationen darüber, was zu welchen Zeiten und in welchen Regionen überhaupt als Geschehnis des Jahres 1308 wahrgenommen wurde und inwieweit die sozialen und regionalen Bezüge der Verfasser die Sichtweisen beeinflußten, lassen sich innerhalb der gewählten drei Kategorien methodisch sicherer verallgemeinern. In der nach Päpsten und Kaisern strukturierten Vergangenheitssicht war das Jahr 1308 kein Epochenjahr, das Geschichtsschreibung hervorgerufen hat. Nur in zwei Handschriften konnte bislang ein bewußtes Beenden des Textes nachgewiesen werden. Abbrüche durch das Herausreißen von Seiten waren ebenso selten zu verzeichnen. Man kann das Jahr 1308 nicht mit den Jahren 1320 oder 1350 vergleichen, wo offenbar an verschiedenen Orten in Europa Einschnitte empfunden wurden, die sich in den Chroniken niederschlugen 117. Insbesondere 1350 wurde unter dem Eindruck der politischen Ereignisse, der vorausgegangenen Judenverfolgungen, des schweren Erdbebens und der Pestepidemie allerorten zur Feder gegriffen, um die Papst-Kaiser-Chroniken fortzusetzen oder eigene Geschichtswerke zu konzipieren 118. Beim Blick in die Handschriften zeigt sich vielmehr, daß das Jahr 1308 ein Jahr des Anfangs, nicht des Beendens war. Mit Heinrich VII. erschien in der Kaiserreihe ein neuer Herrscher. Die lange Vakanz auf dem Kaiserthron wurde in den Texten mehrfach thematisiert. Heinrichs eigene Aktionen wurden dann aber in der Regel erst beurteilt, als er 1313 verfrüht und unerwartet gestorben war. Zusammen mit dem Tod Papst Clemens’ V. im April 1314 sah man Anlaß, Resümee zu ziehen. Daneben galt auch die Wahl Papst Johannes XXII. im Jahre 1316 etlichen als Einschnitt. Man beendete die Papstliste mit dem Hinweis auf die Neuwahl, ohne später noch einmal auf das Werk zurückzugreifen und die weiteren Geschehnisse an die Nachwelt weiterzugeben. Die Entstehung des Fortsetzungstextes bzw. einer Bearbeitung vor 1320 kann uneingeschränkt als ,zeitnah‘ gewertet werden. In diesen Elaboraten war die Spontaneität bei der Herstellung gepaart mit Wissenslücken, die sich aus den jeweils spezifischen Kommunikationsbedingungen ergaben. Die Informationen, die in den ersten Jahren nach 1308 in die Papst-Kaiser-Chronistik eingeflossen sind, blieben insgesamt gesehen selbst im Vergleich zur geforderten brevitas der Gattung relativ knapp. Die Einträge orientierten sich an den Gattungsanforde117
118
Zum Vergleich sei erneut auf die nach Enddaten sortierte Liste der Fortsetzungen (nt. 19) verwiesen. R. Sprandel, Geschichtsschreiber in Deutschland 1347-1517, in: F. Graus (ed.), Mentalitäten im Mittelalter. Methodische und inhaltliche Probleme (Vorträge und Forschungen 35), Sigmaringen 1985, 289-316.
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rungen und brachten kaum zusätzliche Informationen zu anderen Ereignissen des Jahres 1308. Flüchtige Nachträge lassen den Wunsch erkennen, auch die Gegenwart dokumentiert zu sehen. Echtes historiographisches Engagement war damit allerdings nicht verbunden. Die Beschränktheit der Einzelnachrichten fällt ebenso auf wie der Mangel an überhaupt verfügbarem Wissen. Die Überlieferung offenbart, daß eine ganze Anzahl von Abbrüchen bei den historiographischen Produkten 1320 erfolgte. Dies war ein Grund dafür, die zweite Gruppe der von Deutungen und Erinnerungen gespeisten Darstellungen von 1320 bis 1350 währen zu lassen. Zwölf Jahre nach den Geschehnissen bestand kein direkter Impetus mehr, unbedingt Nachrichten für dieses Jahr zu separieren, vielmehr gerierte es sich im Ablauf der Geschehnisse wie die Jahre davor und danach. In diesen Fortsetzungen und Bearbeitungen waren es die miterlebenden Zeitgenossen, die nicht mehr nur aus dem eigenen Miterleben tabellenartige Nachschlagehilfen verfaßt haben, sondern die sich umfassend informierten, um in ihrer Zeitchronistik solide Bilder vom Geschehen an die Nachwelt weitergeben zu können. Der eigene Standpunkt und die Interessen der Verfasser wurden dadurch nicht aufgehoben, sondern nur in historiographisch anspruchsvollere Formen gegossen. Schon die deutlich breitere Handschriftenbasis dürfte ein Grund dafür sein, daß diese Produkte der Historiographen weniger homogen erscheinen. Die Standpunkte der Betrachtung, die mit der Erinnerungswahrung verbundenen Interessen und das erwartete Publikum lassen sich an diesen, meist textlich etwas umfangreicheren Ergänzungen ablesen. Regionale Unterschiede fallen hier deutlich ins Gewicht, weil der Informationsaustausch medientechnisch eingeschränkt war. Die Benutzung von Vorlagen blieb gebunden an die persönlichen Netzwerke, denen ein Verfasser angehörte. Für das zufällige Auffinden bereits schriftgebundener Memoria zum Jahr 1308 war in der Regel keine Zeit. Gerade bei den Männern der Kirche, die Papstgeschichte schrieben, bestand Einmütigkeit über die zentralen Ereignisse des Jahres. Gehörte ein Fortsetzer nicht zu diesem Kreis, war sein Blick weniger normiert. Die Texte, deren Entstehung auf die Zeit nach 1350 datiert, spiegeln intensiver als zuvor den Einfluß von kursierenden historiographischen Vorlagen wider. Dies zeigt sich in der Gesamtheit der überlieferten Abschriften, die hier wegen des Gleichklangs der Informationen nicht alle eigens aufgeführt wurden, deren Wirksamkeit in den Lebenszusammenhängen des Spätmittelalters aber nicht unterschätzt werden sollte 119. Teilweise wurden die Berichte aus den Handschriften der beiden vorausgehenden Gruppen wörtlich übernommen. Die Übermittlungswege verzweigten sich, beeinflußten sich unter Umständen indirekt und wurden dem aktiven Networking entzogen. Dennoch ist nicht grundsätzlich vorauszusetzen, daß die Fortsetzer aus einer breiten Palette von Basiswerken genau das auswählten, was für ihre eigene Konzeption am passendsten war. Es erübrigt sich, auf die Gesetze der Handschriftenherstellung zu verweisen, um 119
Cf. die Liste der Fortsetzungen (nt. 19).
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die Zufälligkeit, mit der Interessierte an Texte kamen, vor Augen zu stellen. Hilfsmittel, die das Aufspüren von Geschichtswerken heute mit Leichtigkeit ermöglichen, waren nicht vorhanden. Von großer Bedeutung ist dabei auch, daß Geschichte kein Studienfach war, sondern die Chronisten in der Regel als Autodidakten arbeiteten und nicht als ausschließlich mit der Zeitchronistik befaßte Berufshistoriker lebten. Dies schließt nicht aus, daß bedeutende spätmittelalterliche Historiographen auf zahlreiche Werke zurückgreifen konnten und sehr bewußt kompilierten, wie die Einleitungen der modernen Editionen offenbaren. Das eigene Interesse der Verfasser läßt sich dann selbst in dieser durch wachsenden zeitlichen Abstand zu den Ereignissen des Jahres 1308 bestimmten Schreibsituation in der Auswahl erkennen. Nicht nur welche Fortsetzungsdaten, sondern sogar welche Chronik überhaupt benutzt wurde, war Ausdruck des eigenen Geschichtsbildes. Unter Umständen und je nach Verfügbarkeit wurden universalhistorische Werke aber auch in einem Kodex zusammengefügt. Gerade wegen der Verwurzelung des historischen Interesses in der eigenen Gegenwart flossen immer wieder Nachrichten hinzu, die im lokalen Umfeld eines Fortsetzers mündlich oder schriftlich kursierten. Das Unrecht gegen die eigene Partei wurde auch nach vierzig Jahren noch lebhaft erinnert, wie der Bericht in der Fortsetzung des Hermann Gigas zu den ,Flores temporum‘ belegt. Durch das Interesse an der Gesamtchronik wurde dies in das allgemeine kollektive Gedächtnis eingeschrieben, was sich im Verbreitungsbefund für diese Textstufe der ,Flores temporum‘ ausdrückt 120. Streichungen dieses auf regionale Belange zielenden Passus erfolgten wohl auch deshalb nicht, weil auch Beispiele schlechter Herrschaftsführung zum didaktischen Arsenal zählten. In den Texten zu Clemens V. und Albrecht I. bzw. Heinrich VII. bildeten die von der Gattung eingeforderten Grunddaten zur Regierungszeit von Papst und Kaiser bzw. König ein festes Grundgerüst, in das jeweils Eigenes eingefügt, aus verschiedenen Vorlagen kompiliert und kommentiert werden konnte. Die Individualität der Berichte wurde aber nachweislich gemildert durch die Tradition, die bereits Setzungen bei der Beurteilung des Geschehens vorgenommen hatte. Blickt man allgemeiner auf die Arbeitsweise der Fortsetzer, insbesondere derjenigen des 15. Jahrhunderts, tritt eine kompilatorische Gelehrsamkeit zu Tage, die darum bemüht ist, möglichst viel Wissen aus den verschiedenen Vorlagen aufzusaugen und an die Nachwelt weiterzugeben. In anderen Fällen wiederum reichte das in der Vorlagenhandschrift gefundene Material aus. Etliche ,Flores temporum‘-Abschriften verblieben bis zum Ende des Mittelalters in der Textform des Hermann Gigas, ohne daß die Nachrichten zur Auflösung der Templer, zum Brand der Laterankirche oder anderes aufgenommen worden wäre. Dies alles im Einzelnen zu dokumentieren brauchte mehr als diesen kurzen Beitrag. 120
Mierau/Sander-Berke/Studt, Studien (nt. 14), 38 sq. Mit Bezug auf die Handschriftenliste ibid. 52-74.
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Alle bisher herangezogenen Texte mit Berichten über Ereignisse des Jahres 1308 sind innerhalb der Chroniken in die Abschnitte der amtierenden Päpste und Kaiser bzw. Könige eingeordnet. Sie sind deshalb leicht aufzufinden und standen bei gleicher Fragestellung auch mittelalterlichen Benutzern sofort zur Verfügung. Die Verfasser der Papst-Kaiser-Chroniken rechneten mit einer Benutzung, die Jahreszahlen nach Christi Geburt ebenso wie die Amtszeiten der Herrscher zum Kriterium machte. Man notierte die Jahre in konsequenter Folge, aber man verließ sich nicht allein und alternativlos darauf. Dies zeigt sich vor allem bei Textpassagen, die jenseits der eigentlichen Ordnung Vor- oder Rückgriffe wagten. Als Beispiel sei hier auf die anonyme Fortsetzung zur Textstufe eins der ,Flores temporum‘ verwiesen, die bis zum Jahr 1452 geführt ist und sich in einer Eichstätter Handschrift erhalten hat 121. Dort wurde die Papstreihe bei Urban V. (1362-1370) für einen Einschub zur Kaisergeschichte unterbrochen. Karl IV. sei Ludwig dem Bayern gefolgt und der wiederum habe die Regentschaft übernommen, nachdem Heinrich von Lützelburg in der Nähe von Pisa einem Giftanschlag zu Opfer gefallen sei. Jahreszahlen werden für diese Vorgänge nicht zur Verfügung gestellt. Weitere Durchbrechungen der eigentlich angestrebten Ordnung sind beim gegenwärtigen Stand der Aufarbeitung der Fortsetzungstexte nicht systematisch aufzuspüren. Auch in dieser Hinsicht ist der hier gebotene Einblick in die Gattung ein erster Zwischenbericht, kein abschließender Report. Bei dieser Zusammenschau der Wahrnehmungen muß auch explizit konstatiert werden, daß unter den Fortsetzungen solche zu finden sind, denen nachweislich Einträge zum Jahr 1308 fehlen, obwohl ihr Berichtshorizont und die Gattungsvorgaben prinzipiell anderes erwarten ließen. Erwähnungen zum Jahr 1308 waren also selbst bei weiterer Fortführung der chronologisch streng organisierten Geschichtsdarstellungen in Papst-Kaiser-Chroniken keineswegs selbstverständlich. Aus heutiger Perspektive ist kaum noch sicher zu entscheiden, ob dies dadurch begründet war, daß die Geschehnisse nicht interessant schienen, anders datiert wurden oder ob Informationen aufgrund räumlicher Distanz nicht zu erlangen waren. Die sogenannten Fortsetzungen eines englischen Minoriten (Continuationes anglicae fratrum minorum) blieben ohne Erwähnungen zum Wechsel innerhalb der Kaiser-/Königssukzession und zu den Templern 122. Eine lombardische Fortsetzung zu Martin von Troppau nannte bei Clemens V. nur die Krönung und die Sedenzzeit, der Bericht zu Heinrich VII. beginnt erst mit seinem Erscheinen in der Lombardei 123. Der Rechtsgrund der königlichen Erhebung nördlich der Alpen interessierte den Verfasser nicht, dem allein die Krönung mit der Eisernen Krone in Mailand und die Kaiserkrönung Darstellungsobjekt waren. Eine andere Hand hat dann aber am Rand den Zusatz angebracht, daß nach dem Tod König Albrechts, der durch Ermordung von seinen 121 122 123
Eichstätt, UB, Cod. 698, hier pag. 607. MGH SS 24 (1879), 257. MGH SS 30, 1 (1925), 714-716.
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Neffen (!) am Tag der Apostel Philipp und Jakob 1308 gestorben sei, dieser Heinrich einmütig am 27. November desselben Jahres zum Rex Romanorum gewählt wurde 124. Dieses zeigt erneut die Kontextabhängigkeit der Wahrnehmung, die für die gesamte Überlieferung der Fortsetzungen zu veranschlagen ist. Bewußtes Verschweigen konnte sich hinter der Kürze der Fortsetzungstexte verstecken, wenn nicht nur die Flüchtigkeit der Verfasser die weitere Erinnerung lähmte. Was im Spätmittelalter als erinnerungswürdiges Ereignis oder Faktum für das Jahr 1308 angesehen wurde, hat dieser Beitrag anhand von verschiedenen PapstKaiser-Chroniken vergleichend ausgewertet. Weder Johannes Dun Scotus noch Raimundus Lullus wurden dabei genannt. Beim gegenwärtigen Stand der Aufarbeitung von Papst-Kaiser-Chroniken kann noch nicht einhundertprozentig ausgeschlossen werden, daß sie irgendwo in den Fortsetzungen zu Papst-KaiserChroniken erwähnt wurden. Weit verbreitet, soviel ist klar, war das Wissen über die Gelehrten des 14. Jahrhunderts in der Geschichtstradition nicht, obwohl die Vorgänger der Gattung im 12. und 13. Jahrhundert derartiges im Grundtext gewürdigt hatten. Unser modernes Interesse und die Beurteilung des Wichtigen differieren von den Sichtweisen des späten Mittelalters. Die spätmittelalterlichen Geschichtsbücher zur Papst- und Kaisergeschichte, die von der Chronik Martins von Troppau, den ,Flores temporum‘ und Bernard Guis Werken zu den Päpsten und Kaisern sowie ihren Fortsetzungen dominiert wurden, stellen für die Frage, welche Erinnerung an das Jahr 1308 transportiert wurde, nicht zuletzt wegen ihrer europaweiten Verbreitung eine interessante Quellengruppe dar. In der älteren Forschung waren die Texte wenig geachtet, weil sie aufgrund ihres relativ kurzen Umfangs bei Einzelereignissen nicht als Quelle für die Frage dienen können, wie es wirklich gewesen ist. Was man an welchen Orten als wesentlich memorierte, lassen sie klar erkennen. Noch in den Fortsetzungen blieb die konzeptionelle Globalität der Chroniken tragfähig. Das Ergebnis der Recherchen zum Jahr 1308 spricht für die Beachtung des Kaisertums in ganz Europa auch über den Tod Friedrichs II. hinaus. Kaiser- und Papstgeschichte prägten das Geschichtsbild des lateinischen Europa und können im Spätmittelalter als europäisches Basiswissen angesehen werden. Die Wahl des deutschen Königs gehörte immerhin zu dem, was vielerorts memoriert wurde, selbst wenn es erst durch die Kaiserkrönung wirklich interessant wurde. In den europäischen regna wurde die Wahl durch die Kurfürsten (electores) aber nur als Etappe für die Kaisererhebung wahrgenommen. Für die Papstgeschichte wurde zu 1308 an die den Petrusnachfolgern übertragene Sorge um die rechte Lehre erinnert, wie sowohl bei den oberitalienischen Ketzern als auch bei den Templern deutlich wurde. Die Mutter aller Kirchen des lateinischen Okzidents konnte hingegen kein allgemeines Interesse für sich in Anspruch nehmen, denn der Brand dieser durch die Konstantinische Schenkung zentralen Kirche wurde keineswegs überall als Desaster wahrgenommen. 124
Ibid. 716: „Post obitum Alberti regis Romanorum, qui obiit a suis nepotibus interfectus anno Domini MCCCVIII die apostolorum Philippi et Iacobi, hic Henricus electus est concorditer in regem Romanorum eodem anno die XXVII mensis Novembris.“
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Die Zeit- und Interessenbedingtheit, der die Konstruktion von Geschichtsbildern unterliegt, wurde an mehreren Beispielen deutlich. Erstaunlich ist und bleibt, daß einige wenige Texte auf der Grundlage von Martin von Troppau und den ,Flores temporum‘ auch im 14. und 15. Jahrhundert das Wissen über die Vergangenheit normierten. Veränderungen des Berichteten durch eigenes Umschreiben sind kaum zu verzeichnen, eher die Auswahl mit dem Ausscheiden ganzer Informationsteile oder die Addition von Wissen, das aus festen Quellen stammt. Durch die Struktur der Chroniken vorgegeben, prägten feststehende Elemente das gesamte spätmittelalterliche Geschichtsbild des lateinischen Europa. Hinzu konnten regionale Einzelinformationen treten, die aber selten den Weg von der Randnotiz in den Grundbestand des Textes machten. Ob dieser Befund auch für die übrigen, hier wegen des Umfangs nicht beachteten anderen Überlieferungsträger gilt, bedarf weiterer Prüfung. Im Spätmittelalter, so scheint es bislang, gab es ein europäisches oder besser gesagt christliches Basiswissen, das über Nationengrenzen hinweg in lateinischer Sprache vermittelt wurde. Interdependenzen zwischen den Fortsetzungen zu Martin von Troppau, den ,Flores temporum‘ und den Werken Bernard Guis aus Italien, Böhmen und Deutschland und solchen aus Frankreich und England scheinen auf, doch blieben die Vermittlungskreise der auf das Kernreich orientierten und der stärker auf Eigenständigkeit zielenden Innovationen von den aktuellen politischen Separierungsbemühungen nicht völlig unberührt. Immerhin wußte man gegenseitig recht genau von den verschiedenen Ausprägungen. Überlegungen zur Vorlagenbenutzung im Sinne der Konstruktion von Ereignissen in der Geschichtstradition und durch Texte sind nicht ohne eine vergleichende Analyse der Zeit- und Interessenbedingtheit sinnvoll, weil die Konstruktion von Geschichtsbildern schon im Spätmittelalter davon beeinflußt war. Die aufgrund der Forschungssituation unvollständige Bestandsübersicht über die Darstellungen zum Jahr 1308 in den Papst-Kaiser-Chroniken bietet eine erste Grundlage für die Gegenüberstellung von ,Ereignissen‘ dieses Jahres, die dem Spätmittelalter wissenswert schienen, und unserer heutigen Beurteilung. Die Papst-Kaiser-Chroniken dürften dabei gerade wegen ihrer Beliebtheit im 14. und 15. Jahrhundert in Zukunft eine größere Rolle spielen. Handschriften mit derartigen Chroniken wurden selten als bipolare Gesamtwerke ediert, sondern mehrfach fanden nur die Papst- oder Kaiserreihen das Interesse, viele Zeitberichte von sehr unterschiedlicher Länge schlummern noch immer in den Handschriften, sei es daß sie zum Haupttext der Fortsetzungen gehörten oder als Randnotizen nachgetragen wurden. Unsere Wahrnehmung der spätmittelalterlichen Denkweisen wird durch diese editorischen Vorgaben unzulässig eingeschränkt. Unsere Ansprüche an das Wissen über das Jahr 1308, dies hat die Durchsicht ergeben, sind erheblich höher als es vielen spätmittelalterlichen Zeitgenossen selbst wünschenswert schien. Ein Verständnis der Epoche wird aber nur gelingen, wenn diese unterschiedlichen Wahrnehmungsbedürfnisse und -möglichkeiten reflektiert werden.
Norditalien
Ein gutes Jahr: Die körperliche Liebe als Wiederherstellung des Paradieses in der französischen Minneallegorie in medizinischer Theorie und poetischer Praxis Bernd Roling (Münster/Köln)
I. Einleitung War das Jahr 1308 ein gutes Jahr für die Liebe, vor allem für die Liebe in der Heimat der Troubadoure, der Provence und der ganzen Romania? Das Mittelalter hat sich dem Phänomen der Liebe aus vielen Perspektiven genähert, aus dem Blickwinkel der Theologie, der Mystik und ihrer übersteigernden Terminologie und der Moraltheologie, den Sentenzenkommentaren und Bußbüchern, aus dem Blickwinkel der Medizin, aber auch der Perspektive der höfischen Liebe, der Minne, der ars amandi, des Romans, der aventure, der Dichtung und der Allegorie. Gerade die allegorische Literatur verarbeitet zahlreiche Sichtweisen, theologische, medizinische und poetische, und vereinigt sie zu immer wieder neuen Synthesen. Ein Beispiel einer solchen bildhaften Annäherung an die Liebe und ihre sozialen und psychologischen Dimensionen ist das Bild des Paradieses, das in der Minneallegorie eine Schlüsselrolle spielt. In einem Paradies, einem zeitenthobenen Garten, war die Liebe beheimatet; es war, wie hier gezeigt werden soll, für viele Dichter zugleich der Ort, an dem in Anlehnung an den biblischen Garten Eden eine Wiederherstellung des gefallenen Menschen durch die Kraft der Liebe ihren Ausgang nehmen konnte. Die Kritik an dieser Allegorie hat andere Dichter dazu genötigt, dieses Konzept in Frage zu stellen. Seine Weiterentwicklung fällt in die Zeit, die hier betrachtet werden soll. Aus einem gleichsam statischen utopischen Ideal des amourösen Paradieses wird, wie deutlich werden soll, zu Beginn des 14. Jahrhunderts als Antwort auf diese Schwierigkeiten die Umschreibung eines körperlichen Zustandes und ein Präludium eines geistigen Aufstiegs. Die Umwertung dieses Paradieses war kein linearer Prozeß, der eine Gleichzeitigkeit verschiedener Ansätze unterbunden hätte, dennoch folgt er einer Logik, die etwa um 1308 zu einer organischen Vollendung gelangt und die ich hier nachzeichnen möchte.
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Bernd Roling
II. Das Paradies der Liebe als Or t der Neuschöpfung in der französischen Minnealleg orie Wie werden die Liebe, das Paradies und die Idee einer Wiederherstellung des Menschen in der französischen Minneallegorie des 12. und 13. Jahrhunderts miteinander verbunden? Dem Ende des 13. Jahrhunderts entstandenen ,Roman de la Poire‘ des Messire Thibaut, dem ,Roman von der Birne‘, ist eine Rahmenhandlung beigegeben, die den Sündenfall der Genesis förmlich abbildet, doch in sein Gegenteil verwandelt. Eine Dame von magischer Schönheit tritt an den Dichter heran, beißt in eine Birne und reicht sie dem Erzähler. Die Frucht, heißt es, war so außerordentlich wie der Apfel des Paradieses und mit einem Duft versehen, der das Herz durchdrang und zugleich Schmerz und Lust hervorrufen konnte. Natürlich beißt der Dichter hinein und verliebt sich sofort in die Frau, die ihm das Obst gereicht hatte 1. Wie kann die Liebe so bitter und so süß zugleich sein? Der Roman, der von der Rahmenallegorie eingefaßt wird, möchte diese Frage beantworten. Er zeigt uns den Erzähler, von Amor und seinem Hofstaat, Schönheit, Höflichkeit, Adel und anderen Gefährten, in einem Turm belagert, wie er die Waffen streckt und sich der Liebe unterwirft. Folgerichtig verfällt er einer Dame, einer überirdisch anmutenden Summe der weiblichen Vollkommenheit, die ihm vom Gott der Liebe in Paris gezeigt wird, überreicht ihr sein Herz, wagt sie jedoch nicht anzusprechen. Amor läßt ihn nicht ihm Stich. Auch die schon verheiratete Geliebte wird vom Pfeil der Liebe durchbohrt, erwidert seine Gefühle und bietet ihm ihr Herz. Als Unterpfand und Symbol seiner Hingabe und dauerhaften Präsenz beginnt der Dichter den vorliegenden Roman, der nun gleichsam von zwei Rahmenhandlungen ummantelt wird 2. Die Literatur erreicht die endgültige Vereinigung der beiden Liebenden. Für den Verfasser dieser Allegorie wird die vorangestellte Sequenz, in der sich eine Frucht der Erkenntnis, ein in der Unschuld befangenes Paar und ein Liebesgott, der wie die Schlange oder Gottvater die Szenerie komplettiert, nicht zum Ausgangspunkt einer Sündenfallerzählung, im Gegenteil, sie wird zum einleitenden Moment des Glücks, der Bewußtwerdung und Vervollkommnung des Erzählers aus der Erkenntnis der Liebe. Das Liebesparadies wird zum Ort seiner Erneuerung, nicht seiner Depravierung. Ein Blick in vorangegangene Minneallegorien zeigt, daß auch andere Autoren mit vergleichbaren Motiven spielen 3. Schon in der ,Cour d’Amours‘, dem ,Hof 1
2 3
Cf. Messire Thibaut, Li romanz de la poire, ed. F. Stehlich, Halle 1881, v. 241-263, 40 sq., v. 284-397, 42 sq. Cf. ibid., v. 398-3027, 45-114. Die Handlung ist hier nur in groben Zügen zusammengefaßt. Überblicke über die Gattung der provenzalischen und französischen Minneallegorien geben D. Ruhe, Le dieu d’amours avec son paradis, München 1974, 92-173; B. Stierle, Untersuchungen zur Formgeschichte der ,kleinen Liebesallegorie‘: Die ,Complainte d’amours‘ aus B.N. und ihre Vorläufer, Diss. Konstanz 1973, 66-143; H. R. Jauss, Entstehung und Strukturwandel der allegorischen Dichtung, in: id. (ed.), La litterature didactique, allegorique et satirique (Grundriß der romanischen Philologie des Mittelalters, 2 vols.), Heidelberg 1970, vol. 1, 146-244, hier 224-244; id., Gene`se et structure des genres allegorique, in: ibid., vol. 2, 203-280, hier 265-
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der Liebe‘, einer provenzalischen Minneallegorie aus dem späten zwölften Jahrhundert, residiert die Liebesgöttin Fin d’Amour mit ihren Baronen Cortesia (Höflichkeit), Bon Esperancha (Gute Hoffnung), und anderen, wie es der Dichter will, in einem „paradis terrestre“. Hundert Frauen tanzen hier mit ihren Geliebten, in seiner Mitte liegt eine Quelle, deren Wasser das Wissen um das Gute und Ehrenhafte vermittelt. Hier sollen die Regeln der vollkommenen Liebe gelehrt werden 4. In dieser Sphäre regiert Fin d’Amour, der als Göttin, wie es heißt, nur noch Christus in seiner Allmacht übergeordnet ist 5. In einem vergleichbaren Paradies erhält die Liebe eine heilende und ordnende Funktion. Ein nur wenig jüngerer pikardischer Text, die Allegorie ,Venus, la deesse d’amour‘, läßt den von Liebeskummer geplagten Dichter in einen von Vögeln dominierten, der Welt enthobenen Garten gelangen, der sich als das Paradies Amors offenbart 6. Maria und Christus werden von ihm angerufen, doch es ist Venus, die auf sein Gebet hin als erlösende Instanz erscheint. Leidenschaftlich tadelt die Göttin der Liebe die Härte der vom Dichter angebeteten Dame, Florie, die wie eine ungepflückte Frucht am Baum vor sich hin fault 7. Am Hof Amors erreicht Venus, wie Maria in Gegenwart Christi, die Gnade ihres Sohnes 8. In Gegenwart des Sprechers trägt man einen Ritter der Liebe in den heiligen Garten, der mit Öl gesalbt wird, um im Reiche Amors wie ein Märtyrer der Liebe weiterzuleben 9. Das Paradies der Liebe wird auf diese Weise zu einem mit religiösen Attributen aufgeladenen, doch noch immer säkularen Ort der Rekonfiguration und zu einem zweiten Totenreich, das noch vor der Gottesschau des im Evangelium verheißenen Paradieses einen Hort der Glückseligkeit gewährt. Die ,Complainte d’amours‘, eine weitere mittelfranzösische Liebesallegorie dieser Zeit, stellt dem Weg in das Liebesreichs Amors aus diesem Grund ein rituelles Taufbad mit deutlich sakramentalem Charakter voran, in das der Reisende eingetaucht wird. Erst gereinigt und mit dem weißen Gewand des Neophyten versehen, darf der Ritter in das säkulare Paradies Amors eintreten 10. In der pikardi-
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280. Aus allgemeiner Perspektive ist grundlegend: R. Schnell, Causa amoris. Liebeskonzeptionen und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, Bern-München 1985, 391-451. Cf. L. E. Jones (ed.), The Cort d’Amor. A Thirteenth-Century Allegorical Art of Love, Chapel Hill 1977, v. 35-98, provenzalisch und englisch 102-105. Cf. ibid., v. 835-840, provenzalisch und englisch 144 sq. Cf. W. Foerster (ed.), De Venus la deesse d’amor. Altfranzösisches Minnegedicht aus dem XIII. Jahrhundert nach der Handschrift B.L.F. 283 der Arsenalbibliothek in Paris, Bonn 1880, str. 3-30, 1-5. Quelle dieses Textes ist in weiten Teilen das mittelfranzösische Gedicht ,Dou vrai chiment d’amours‘, cf. A. La˚ngfors (ed.), Dou vrai chiment d’amours. Une nouvelle source de Venus la deesse d’amor, in: Romania 45 (1918/19) [Nachdruck 1975], 205-219, Text 208218. Cf. Venus la deesse d’amor (nt. 6), str. 222-241, 29 sqq. In anderen Werken, die auf die säkulare Perspektive verzichteten, konnte die Heilige Jungfrau Maria im Kreise der Heiligen selbst zur Fürstin des paradiesischen Liebeshofes werden, so zum Beispiel in ,La court de Paradis‘, cf. E. Vilamo-Pentti (ed.), La court de Paradis. Poe´me anonyme du XIIIe sie´cle, Helsinki 1953, Text 80-109. Cf. Venus la deesse d’amor (nt. 6), str. 273-281, 35 sq. Cf. Complainte d’amours, ed. Stierle (nt. 3), v. 594-623, 202 sq.
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schen ,Fablel dou dieu d’amors‘, der ,Fabel vom Gott der Liebe‘, finden wir sogar die Schlange der Genesiserzählung wieder. Auch hier residiert Amor in einem zeitenthobenen Reich des Friedens, das von keinem „vilain“, keinem Barbaren, betreten werden darf 11. Der Dichter begegnet seiner Dame, der er seine Liebe gesteht, doch wie aus dem Nichts erscheint eine fliegende Schlange, eine „serpente volage“, und raubt die Geliebte. Vor Amor fällt der Dichter auf die Knie und klagt sein Unglück 12. Wie ein Ritter einer aventure besiegt die Liebe das biblische Untier und beschafft die Angebetete zurück 13. Von der Schlange droht kein Verhängnis mehr, sie hilft, die Gewalt der Liebe unter Beweis zu stellen 14. Weitere Beispiele der französischen Allegorie des 13. Jahrhunderts wie die ,Court d’amours‘ des Mahieu le Poirier, in der sich die Burg des Neides nach der Schlacht der Tugenden in ein von Engeln bewohntes Liebesparadies verwandelt 15, selbst noch Jean Froissards ,Paradis d’amours‘ könnten hier genannt werden 16. Das Liebesparadies als Gegenstück des christlichen Paradieses erhält, wie zu erwarten, in der Minneallegorie eine klassische Gestalt im ersten ,Rosenroman‘ des Guillaume de Lorris. In der allgemeinen Erneuerung des Maienmonats findet sich der Dichter vor den Mauern eines quadratischen Gartens, in dem sich die Vierheit der Elemente spiegelt 17. Dem Erzähler öffnet Oiseuse, die Muße, das Tor; innen regiert den Garten auf den ersten Blick Deduiz, das Vergnügen 18. Für Guillaume nimmt dieser irdische Garten, der sich als Imperium des Liebesgottes herausstellt, einen fast sakralen Charakter an, ohne dabei mit dem Paradies der Theologen zusammenzufallen. Als „parevis terrestre“ singen in ihm die Vögel, wie es die Engel tun. Auch die Verkörperungen der Oiseuse und Deduiz, so betont Guillaume, erscheinen wie himmlische Wesen 19. Amor tritt mit seinem 11
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Cf. I. C. Lecompte (ed.), Le fablel dou dieu d’amors, in: Modern Philology 8 (1910/11), 6386, dort str. 6-11, 72. Cf. ibid., str. 51-57, 76 sq. Cf. ibid., str. 136 sqq., 85. Eine ähnliche Rolle erhält die Schlange in einer späteren Liebesallegorie anglonormannischer Herkunft, doch repräsentiert sie hier in einem Graben die Kräfte der Eifersucht, die den Liebenden daran hindern, an den Hof der Liebe zu gelangen, cf. Ö. Söderga˚rd (ed.), Un art d’aimer anglo-normand, in: Romania 57 (1956), 289-330, hier v. 789-818, 314 sq. Cf. T. Scully (ed.), La Court d’Amours de Mahieu le Poirier et la Suite anonyme de la Court d’Amours, Waterloo 1976, suite anonyme, v. 3939-3960, 215. Jean Froissart, Le paradis d’amour, ed. P. Dembrowski, Genf 1986. Cf. Guillaume de Lorris/Jean de Meun, Der Rosenroman, ed. K. A. Ott (3 vols.), München 1976-79, v. 45-128, französisch und deutsch vol. 1, 80-85, v. 1320-1410, französisch und deutsch vol. 1, 140-145. Ausführlich zur Gartenmetaphorik im Rosenroman: J. V. Fleming, The Roman de la Rose. A Study in Allegory and Iconography, Princeton 1969, 54-103. Cf. Guillaume de Lorris/Jean de Meun, Der Rosenroman (nt. 17), v. 497-594, französisch und deutsch vol. 1, 100-107. Cf. ibid., v. 631-726, französisch und deutsch vol. 1, 108-113, v. 631-642, 108: „Lors entrai, senz plus dire mot, / Par l’uis que Oiseuse overt m’ot, / Ou vergier, e quant je fui enz, / Je fui liez e bauz e joianz; / E sachiez que je cuidai estre / Por voir en parevis terrestre; / Tant estois li leus delitables / Qu’il sembloit estre esperitables; / Car si come lors m’iert avis, / Il ne fait en nul parevis / Si bon estre come il fasoit / Ou vergier qui tant me plaisoit.“
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Hofstaat Schönheit, Freigiebigkeit, Reichtum wie ein erster Engel auf. Sein Gewand spiegelt die gesamte Naturordnung, die auf ein harmonisches Gleichmaß gebracht wurde 20. Als der Erzähler die Quelle des Narziß erkennt, die sich wie der Baum des Lebens in der Mitte des Gartens befindet, wenden sich, ähnlich wie im ,Roman de la Poire‘, der Sündenfall der Genesis und das Fiasko des Narziß, die todbringende Selbstliebe, in ihr Gegenteil 21. Auf dem Grund der Quelle sichtet der Dichter zwei Kristalle, die ihm die ausgewogene Gesamtheit des Gartens wie eine Schöpfungsordnung spiegeln, und zugleich die Rose vor Augen führen, die ihm zum Objekt seiner Sehnsucht wird. Als er die Rose pflückt, wird er von Amors Pfeil durchbohrt 22. Der Liebesgott regiert, wie Guillaume betont, fortan seinen Leib, ihm hat er sein Herz ausgeliefert. Die Gewalt der Liebe, die den Dichter überwältigt hat, versetzt seine Körperlichkeit in ein Chaos zurück; die Symptome sind geläufig: Bald Hitze, bald Kälte, bleiche ebenso wie rote Gesichtsfarbe und ein allgemeiner Fieberzustand, Tränen und Verzweifelung plagen den Liebenden 23. Doch Amor stellt ihm in seinem Paradies auch eine Erlösung in Aussicht, die seinen vorherigen Zustand weit übertreffen wird. Esperance, die Hoffnung, und Douz Pensers, das süße Denken, helfen dem Dichter, die physiologischen Begleiterscheinungen zu bändigen 24. Bel Acueil, die Verkörperung des schönen Empfangs, und Venus gewähren ihm nach manchen Querelen und Widerständen die Möglichkeit, die Rose zu küssen 25. Im Kuß der Rose bereinigt sich der Schmerz, das Gleichgewicht seines Körperhaushaltes stellt sich wieder her 26. Das Paradies Amors wird auf diese Weise zu einem Ort der zweiten Schöpfung des Menschen. Dargestellt mit den Mitteln der Allegorie offenbart es, wie die Liebe den Menschen zuerst in ein physiologisches Chaos stürzt, um ihn dann neu zu ordnen. Die Liebe reduziert den Menschen auf seinen primordialen
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Cf. ibid., v. 865-907, französisch und deutsch vol. 1, 118-121. Cf. ibid., v. 1439-1614, französisch und deutsch vol. 1, 146-155. Cf. ibid., v. 1615-1732, französisch und deutsch vol. 1, 154-161. Cf. ibid., v. 1696-1709, vol. 1, 158: „E lors me priost une froidor, / Don j’ai desoz chaut pelicX on / Sentie puis mainte fricX on. / Quant j’oi ensi este´ bersez, / A terre fui tantost versez; / Li cuers me faut, li cuers me ment: / Pasmez jui iluec longuement; / E quant je vin de pasmoison / E j’oi mon sen e ma raison, / Je fui mout vains e si cuidai / Grant fais de sanc avoir vuidie; / Mais la saiete qui m’ot point / Ne traist onques sanc de moi point, / Ainz fu la plaie toute soiche.“ Noch einmal v. 2265-2297, französisch und deutsch vol. 1, 186 sq. Cf. ibid., v. 2598-2778, französisch und deutsch vol. 1, 200-211. Cf. ibid., v. 2787-3472, französisch und deutsch vol. 1, 210-243. Cf. ibid., v. 3473-3493, 242, 244: „Bel Acueil, qui senti l’aier / Dou brandon, senz plus delaier, / M’otreia un baisier en dons, / Tant fist Venus e ses brandons; / N’i ot onques plus demore´: / Un baisier douz e savore´ / Ai pris de la rose erraument. / Se j’oi joire nus nou demant. / Car une odor m’entra ou cors / qui en geta la dolors hors / E adouci les maus d’amer. / Onques mais ne fui si aise. / Mout est gueriz qui tel flor baise, / Qui est si sade e bien olanz. / Je ne serait ja si dolenz, / S’il m’en sovient, que je ne soie / Toz pleins de delit e de joie; / E neporquant j’ai mainz enuiz / Soferz e maintes males nuiz / Puis que j’oi la rose baisiee.“
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Status, sie schafft ihn im Anschluß neu. Daß dieser Akt der recreatio in einem zweiten Paradies seinen natürlichen Ort hat, scheint aus dem Blickwinkel der Allegorese nur konsequent. III. Das lateinische Liebesparadies und der neue Adam Die physiologischen Komponenten des Liebesparadieses und damit der Liebe selbst sollten etwas genauer ins Auge gefaßt werden. Zu diesem Zweck ist es notwendig, zu den lateinischen Vorläufern der französischen Allegorien zurückzugehen. Das Paradies Amors oder Aphrodites ist keine Erfindung französischer Autoren, wie schon Hans Robert Jauss oder Doris Ruhe in ihren hervorragenden Arbeiten gezeigt haben. Ein locus amoenus gehört zum festen Bestandteil einer Fülle von lateinischen oder provenzalischen Liebesdichtungen des 12. Jahrhunderts, sei es nun der Lyrik eines Peire Vidal, der Sammlung des Klosters Ripoll, die den großen Allegorien des 13. und 14. Jahrhunderts vorangehen 27, oder der ,Altercatio der Phyllis und Flora‘ 28. Sündenfall- und Erlösungstypologien fehlen hier noch weitgehend. Auch Hinweise auf mögliche physiologische Aspekte der Liebe, die den status paradisi mit den Eigenschaften der Liebe verbinden wollen, bleiben aus. Anders verhält es sich jedoch im lateinischen Prototyp der Minneallegorese, der Schrift ,De amore‘ des Andreas Capellanus 29. Hier, in der wichtigsten lateinischen ,Ars amandi‘ nach Ovid, finden wir im ersten Buch ein ausgearbeitetes Paradies der Liebe 30. Es verortet sich, wie Andreas seine Dialogpartner ausführen läßt, in der Mitte der Welt und ist nur schwer zugänglich. Wie der Garten des ersten ,Rosenroman‘ hat es vier Fassaden, jede mit einem Tor versehen. In seinem Zentrum hat Amor seinen Thron postiert. Das Tor im Osten bleibt Gott vorbehalten. Durch die drei übrigen Portale jedoch erhalten unterschiedliche Frauen Einlaß 31: Einige, die zur Rechten und Linken ihres Reitpferdes einen 27
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Beispiele für Liebesgärten oder Liebesparadiese, in denen eine madonnengleiche Erlöserfigur erscheint, liefern Carmen buranum 77, in: A. Hilka/O. Schumann (eds.), Carmina burana, Heidelberg 1971, 53-56, oder Th. Latze (ed.), Die Carmina erotica der Ripoll-Sammlung, in: Mittellateinisches Jahrbuch 10 (1975), 138-201, Carmen 26, 177 sq. Cf. hierzu auch P. Dronke, Medieval Latin and the Rise of European Love-Lyric (2 vols.), Oxford 1965, vol. 1, 319-331. A. Börner, Das Vagantenlied von Phyllis und Flora. Nach einer Niederschrift des ausgehenden 12. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum 56 (1919), 217-239. Ausführlich zur Rezeptionsgeschichte der Schrift ,De amore‘ des Andreas Capellanus: A. Karnein, De amore in volkssprachlicher Dichtung. Untersuchungen zur Andreas-Capellanus-Rezeption in Mittelalter und Renaissance, Heidelberg 1985, 108-261. Allgemein zu den Adaptationen der ,Ars amatoria‘ Ovids in den romanischen Sprachen die Ausgaben: B. Roy (ed.), L’Art d’Amours. Traduction et commentaire de L’Ars amatoria d’Ovide, Leiden 1974, und A. M. Finoli (ed.), Artes amandi. Da Maıˆtre Elie ad Andrea Cappelano, Mailand 1969. Zu den Frauentypen in der Liebesallegorie des Andreas Capellanus cf. zum Beispiel Karnein, De amore (nt. 29), 84-90, und aus der Perspektive des Gesamtwerkes ibid., 45-56, oder F. Taiana, Amor purus und die Minne, Freiburg 1977, 95-102.
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galanten Ritter bei sich haben, die sie sicher hineingeleiten; um die zweiten bemüht sich eine Vielzahl von vulgären Kavalieren, deren Ansturm im allgemeinen Durcheinander endet. Die dritten reiten allein, auf häßlichen Schindmähren und trotz des Sommers in sperrige und schweißtreibende Pelze gehüllt 32. In den drei Frauengruppen, wird erklärt, manifestiert sich der mögliche Umgang mit der Liebe, ihnen sind im Reich Amors besondere Territorien zugedacht. Nur die Frauen, die wahrhaft geliebt haben, erhalten Zutritt in den inneren Teil des Gartens, in dem sich das namensgebende Paradies befindet, eine liebliche Quelle, ein Baum mit kostbaren Früchten und die Göttin der Liebe auf einem Juwelenthron. Es handelt sich, wie Andreas betont, um den Ort der amoenitas, der Lieblichkeit, der vollständigen Harmonie und der Ausgewogenheit aller Dinge. Wie es einem Garten Eden gebührt, entspringt in seiner Mitte ein Strom. Die zweite Sphäre, die sich wie ein Kreis um die erste legt, bewohnen die zügellosen Frauen. Sie ist mit humiditas, Feuchtigkeit, überschrieben. Von oben verbrennt dieses Areal die Sonne, auf seiner Oberfläche ergießt sich der Paradiesfluß und setzt es unter Wasser. Im dritten Teil des Gartens finden sich die Frauen ein, die sich für die Freuden der Liebe zu schade waren, es handelt sich um eine mit Dornen bewachsene staubtrockene Wüste 33. Vollkommene Liebe, läßt Andreas im Liebesgarten verkünden, betreibt maßvolle, doch regelmäßige Sexualität, stimmt Mann und Frau in ihren Wünschen aufeinander ab, kennt weder Lüge noch Indiskretion, weder Geiz noch Verschwendung. Sie entspricht, zeigt die Allegorie, einer harmonischen Abstimmung von Kälte und Hitze, Trokkenheit und Feuchtigkeit, dem Gleichgewicht der Temperamente und Körpersäfte. Sie kennt weder ein Zuviel noch Zuwenig 34. Wahrhaftige Liebe hat ihren Ort und ihren Lohn in einem Paradies, in welchem sich die äußeren Eigenschaften der harmonisierten Naturordnung und die Abstimmung der Konstituenten des Leibes in ihrem Verhältnis zueinander entsprechen. Alles findet sich in einem idealen Gleichgewicht. Geht man noch einen weiteren Schritt in der Tradition der lateinischen Allegorie zurück, wird deutlich, warum Andreas Capellanus und nach ihm die 32
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Cf. Andreas Capellanus, De amore/On Love, ed. P. G. Walsh, Worcester 1982, Liber I, §§ 229240, lateinisch und englisch 106-109. Der ganze Text existiert zudem in hervorragender deutscher Übersetzung als Andreas Capellanus, Über die Liebe, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von F. Rädle, Stuttgart 2006, dort: Erstes Buch, 65 sqq. Cf. Andreas Capellanus, De amore (nt. 32), Liber I, §§ 242-263, lateinisch und englisch 108115. Deutsch: Andreas Capellanus, Über die Liebe (nt. 32), 67-73. Die erste französische Versübersetzung des Andreas Capellanus aus der Hand des Drouart la Vache spart das palatium amoris aus, liefert jedoch die Liebesregeln; cf. Drouart La Vache, Li livres d’amours, ed. R. Bossuat, Paris 1926, v. 2147-2279, 61-65. Cf. Andreas Capellanus, De amore (nt. 32), Liber I, §§ 266-268, lateinisch und englisch 116 sq. Deutsch: Andreas Capellanus, Über die Liebe (nt. 32), 74. Zu den regulae amoris bei Andreas Capellanus cf. zum Beispiel R. Schnell, Andreas Capellanus. Zur Rezeption des römischen und kanonischen Rechts in De Amore, München 1982, 130 sqq. Die Bedeutung der adynata-Ketten und der Harmonisierung der Extreme untersucht für Andreas mit Rückgriff auf romanische Quellen P. Cherchi, Andreas and the Ambiguity of Courtly Love, Toronto 1994, 81-123.
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französischen Allegoriker Paradies, Liebe und den vollkommenen moralischen und zugleich sexuell aktiven Menschen mit einem Gleichgewicht der humores und Temperamente verbinden konnten 35. Daß auch dieser Traditionsstrang in der Ausgestaltung eines Grundmotivs der Minneallegorie eine bedeutende Rolle spielte, ist bisher weitgehend außer acht gelassen worden 36. Am Ende der ,Cosmographia‘, seiner in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen allegorischen Schöpfungslehre, in der auf die Genese der Welt die Schaffung ihres Abbildes, des menschlichen Mikrokosmos folgt, läßt Bernhard Silvestris in einem Paradies die Schöpfung des Menschen veranlassen 37. Ausführende Gewalten sind Urania, die Legatin der Vorsehung, von der die Seele aus den himmlischen Welten beigesteuert wird, Physis, das Prinzip der sublunaren Ordnung und Lieferantin des Leibes, und Natura, die Natur, die beide miteinander verbindet 38. Äußere Harmonie des Paradieses, das den Namen Granision trägt, und die concordia des Menschen und seiner Bestandteile entsprechen einander 39. So wie der ganze Kosmos in seinen stellaren Sphären und der hierarchischen Abfolge aller Kreaturen durch das basale Gefüge der vier Elemente als erstem stofflichem Fundament charakterisiert wird, dominiert den vollkommenen Menschen, den Mikrokosmos, eine Harmonie der Temperamente, die sich an der supralunaren Ordnung orientiert 40. Die Pathologisierung des Menschen, der aus dem Paradies, dem Ort an dem Gott ihn vollkommen geschaffen hatte, vertrieben wurde, hat ihre Vorgeschichte in der Naturphilosophie dieser Epoche. Für Wilhelm von Conches, wie er im ,Dragmaticon‘ und der ,Philosophia mundi‘ unterstreicht 41, kennzeichnet den paradiesischen Urmenschen ein Gleichgewicht der humores und Temperamente, 35
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Kurz zu den medizinischen Vorbedingungen der Liebe bei Andreas Capellanus: Karnein, De amore (nt. 29), 63-68, mit Kritik daran: Schnell, Causa amoris (nt. 3), 51, 244 sq. Allgemein zur Bedeutung des Alanus ab Insulis und des Bernardus Silvestris für die Allegorien und die Konzeption des ,Rosenromans‘ zum Beispiel: P.-Y. Badel, Le Roman de la Rose au XVI e sie`cle. E´tude de la re´ception de l’œuvre, Genf 1980, 39-51. Systematisch erschließt die Topoi des vollkommenen Menschen für das Mittelalter A. Cizek, Das Bild von der idealen Schönheit in der lateinischen Dichtung des Frühmittelalters, in: Mittellateinisches Jahrbuch 26 (1991), 5-35. Zu diesen Passagen kurz: P. Dronke, Eriugena’s Earthly Paradise, in: W. Beierwaltes (ed.), Begriff und Metapher. Sprachform des Denkens bei Eriugena, Heidelberg 1990, 213-229, 227 sqq. Eine schematische Übersicht dieser Schöpfungsinstanzen gibt zum Beispiel C. Huber, Die Aufnahme und Verarbeitung des Alanus ab Insulis in mittelhochdeutschen Dichtungen, München 1988, 425, oder F. Tauste Alcocer, Opus Naturae. La influencia de la tradicio´n del Timeo en la Cosmographia de Bernardo Silvestre, Barcelona 1995, 407. Cf. Bernardus Silvestris, Cosmographia, ed. P. Dronke, Leiden 1978, Microcosmus, c. 9-11, 138-142. Cf. hierzu B. Roling, Das Moderancia-Konzept des Johannes de Hauvilla. Zur Grundlegung einer neuen Ethik laikaler Lebensbewältigung im 12. Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 167-258, dort 170-175, 188-194. Einen wertvollen Überblick über die Anthropologie Wilhelms von Conches gibt A. Speer, Die entdeckte Natur. Untersuchungen zu Begründungsversuchen einer ,Scientia naturalis‘ im 12. Jahrhundert, Leiden 1995, 192-205.
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ein ausgewogenes Gefüge aller complexiones, das schon in der anschließenden Schöpfung der Frau nicht mehr erreicht wird. Verläßt Adam den Garten Eden, gerät dieses Gleichgewicht seines Leibes, das durch das Formprinzip einer in Gott aufgehobenen Seele aufrechterhalten wurde, aus dem Lot; im Menschen beginnen einzelne Körpersäfte das Regiment zu übernehmen, er wird für Krankheiten anfällig. Sündenfall und Verlust der idealen Synkrasien, so Wilhelm, fallen zusammen 42. Schon Johannitius und vor ihm Nemesian hatten sanitas, die Gesundheit, als ausgeglichenes Gefüge der complexiones definiert 43; die Vertreter der Schule von Salerno, Maurus oder Ursus, hatten diese basale Annahme weiter verbreitet und ihr fast allgemeingültigen Charakter verliehen 44. Alain de Lille greift dieses Motiv in seinem ,Anticlaudianus‘, in vielem ein Nachfolgewerk der ,Cosmographia‘ Bernhards, wieder auf, doch mit einem großen, für uns wichtigen Unterschied. Nicht mehr der erste Mensch ist es bei Alan, der nun im Paradies geschaffen wird, sondern der neue, wiederhergestellte Mensch, ein christologischer zweiter Adam, in dem die Konsequenzen des Sündenfalls behoben werden 45. Alans allegorische Personifikationen, Prudentia, die Klugheit, die mit der Ratio die Seele aus der göttlichen Domäne herabholt und zur Verfügung stellt, und Natura, die Allegorie der sublunaren Schöpferkraft, nehmen dieses Projekt in Angriff; Ort der Handlung ist erneut ein Paradiesgarten, versehen mit allen Attributen des Garten Eden 46. Ergebnis ihres Schöpfungsaktes ist der homo renovatus, der nun nicht nur über einen von allen äußeren Irritationen freien, im Gleichgewicht der Temperamente aufgehobenen Leib verfügt, sondern auch über alle Tugenden, honestas und sapientia, und über die ritterlichen wie Freigiebigkeit, Anmut und Frohsinn 47, die ihre Kraft im Anschluß in einer Psychomachie im siegreichen Kampf gegen die Laster unter Beweis stellen können 48. 42
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Cf. Wilhelm von Conches, Philosophia, ed. et trans. G. Maurach, Pretoria 1980, 37 sq.; Wilhelm von Conches, Dragmaticon Philosophiae, ed. I. Ronca (Corpus Christianorum Continuatio Medievalis 152), Turnhoult 1997, VI, 13, 227-229. Kurz hierzu auch: Bernhard von Chartres, The Glosae super Platonem, ed. P. E. Dutton, Toronto 1991, c. 4, 159. Cf. Nemesius von Emesa, De natura hominis. Traduction de Burgundio de Pise, edd. G. Verbeke/J. R. Moncho, Leiden 1975, c. 4, 63 sqq.; griechisch: Nemesius von Emesa, De natura hominis, ed. M. Morani, Leipzig 1987, c. 5, 49 sq.; Johannitius, Isagoge ad Techne Galieni, ed. G. Maurach, in: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte 62 (1978), 148-174, § 58, 164. Cf. Marius, On the Elements, ed. et trans. R. C. Dales, Berkeley 1976, Buch II, 179; Urso von Salerno, De commixtionibus elementorum libellus, ed. W. Stürner, Stuttgart 1976, IV, 76. Zur Idee des homo perfectus im ,Anticlaudianus‘ des Alanus ab Insulis zum Beispiel: L. E. Marshall, The Identity of the ,New Man‘ in the ,Anticlaudianus‘ of Alan of Lille, in: Viator 10 (1979), 77-94; M. Wilks, Alan of Lille and the New Man, in: D. Baker (ed.), Renaissance and Renewal in Christian History, Oxford 1977, 137-157; J. Chance, The Artist as Epic Hero in Alan of Lille’s ,Anticlaudianus‘, in: Mittellateinisches Jahrbuch 18 (1983), 238-247, 244 sq. Cf. Alanus ab Insulis, Anticlaudianus, ed. R. Bossuat, Paris 1955, I, v. 55-106, 58 sqq., v. 186207, 62 sq. Cf. ibid., VII, v. 1-55, 158 sq., VII, v. 117-396, 162-168. Cf. hierzu besonders ibid., IX, v. 380-409, 196 sq.
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Es sind diese Typologien, die dem Liebesparadies der französischen Minneallegorie ein Jahrhundert später zugrunde liegen, nur ist die Liebe an die Stelle Gottes und seiner Gehilfin, der Natur, getreten. Die Liebe war auf diese Weise zu einer Gegenwelt des christlichen Paradieses geworden, zu einem Zwischenreich, das den Menschen über die läuternde Kraft der amourösen Qual, der emotionalen Zerknirschung und der Selbsthingabe zu einem neuen Menschen machen konnte, der in Wirklichkeit der alte war, der erste Adam vor dem Sündenfall. Vielleicht kann man vor dem Hintergrund der lateinischen Subtexte eines Alan oder Bernhard Silvestris sogar noch einen Schritt weiter gehen. Gerade die Tormentierungen der Leidenschaft, der Verwerfung durch die Dame und ihre gleichwohl ungebrochene Anbetung, ermöglichen jene Fragmentierung des Menschen, die in seine Rekonstruktion durch die Kraft der Liebe mündet. Aus dem emotionalen Chaos geht im Schöpfungsszenario des Liebesparadieses ein neuer Mensch hervor. IV. Das zweite Paradies? Die Kritik der T heolog en Nicht jeder war bereit, die von der Allegorie postulierte Gegenwelt des amourösen Paradieses hinzunehmen, die ohne eine eigene sakramentale Gnade, ohne Inkarnation und Christusereignis auskam und den Menschen fast zur Selbsterlösung anleiten würde, wäre er nicht zur Unterwerfung gegenüber der Liebe selbst genötigt. Es war Jean de Meun, der Verfasser des zweiten ,Rosenromans‘, der dem Paradies der Liebe einen nachhaltigen Schlag versetzte. Man sollte Jean de Meun nicht zu einem Apologeten einer Rückkehr zum genuin christlichen Paradies erklären, zu einem Verteidiger der vita contemplativa und des sakralen Purismus, dennoch konstruiert er in seiner Version des ,Rosenromans‘ eine eindeutige Opposition, die zumindest zwei der vielen Stimmen des schillernden Werkes in den Mund gelegt wird. Raison, die Vernunft, läßt kein gutes Haar am Paradies der Liebe, es handelt sich, wie sie lamentiert, in Wahrheit um untreue Treue, die hoffnungslose Hoffnung, das Paradies der Schmerzen, das in Wahrheit die Hölle ist, ein „paradis li doulereus“ 49. Die Rede des Genius im letzten Viertel dieses Meisterwerkes, eigentlich eine über Jahrhunderte befehdete Verteidigungsrede der natürlichen sexuellen Pflichten des Menschen und ein Lobpreis der geordneten, doch leidenschaftlichen Praxis der Kopulation, der rechten Verwendung von Pflug und Acker, Hammer und Amboß, enthält zugleich, wie ein Versatzstück, eine Abrechnung mit dem alten Paradies der Liebe, wie es die bisherigen Allegoriker postuliert hatten 50. Entgegengehalten wird ihm das Paradies des 49
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Guillaume de Lorris/Jean de Meun, Der Rosenroman (nt. 17), v. 4221-4358, französisch und deutsch vol. 1, 280-287, zum „paradis li doulereus“ cf. v. 4328, 284. Cf. ibid., v. 19491-19597, französisch und deutsch vol. 3, 1040-1047. Zur Sexualität im ,Rosenroman‘ cf. auch M. F. Gunn, The Mirror of Love. A Reinterpretation of the ,Roman of the Rose‘, Lubbock 1952, 228-275. Den Einfluß des Alanus ab Insulis untersucht zum Beispiel W. Wetherbee, The Literal and the Allegorical: Jean de Meun and the ,De Planctu Naturae‘, in: Medieval Studies 33 (1971), 264-291.
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Evangeliums 51. Erfüllt der Mensch die von der Natur eingeforderten Gebote, erhält er Zutritt in den „parc dou champ joli“, das wahre Paradies und das Reich des Lammes, das rund ist wie ein Kristall 52. Verglichen mit diesem Reich ist jener viereckige Garten, den Deduiz, das Vergnügen, betanzt hatte, nur eitler Tand, er verhält sich wie die Fabel zur Wahrheit 53. Seine Naturordnung mag vollkommen sein, sie bleibt vergänglich im Angesichte Gottes 54. Das wahre Paradies speist sich nicht aus der Quelle Amors und dem Wasser des Narziß, es gewinnt seine Kraft, so Genius, aus jener Quelle, aus der auch die Lämmer trinken, die von den Böcken geschieden wurden. In ihm findet sich nicht nur alle Zeit aufgehoben, sondern jede Extension, in ihm, so Jean, strahlt der ewige Karfunkel, die wahre Sonne Gottes, die von allen überall und mit gleicher Intensität wahrgenommen werden kann, der ewige Tag ohne Dauer und Unterbrechung 55. Es ist nicht jener Garten, in dem Adam geschaffen wurde, es ist das Reich, das ihm noch verheißen ist 56. Jeans Invektive, obschon angesiedelt in einem Eulogium der Sexualität, stellt dem irdischen Paradies des wiederhergestellten Menschen, der Gegenwelt der Liebe, ein neues Reich gegenüber, das eigentlich das alte christliche ist, das Jenseits der Gottesschau. Standen sich hier zwei unversöhnliche Gegensätze gegenüber? Liest man einen Autor wie Gerhard von Lüttich, einen Vertreter der zisterziensischen Aszetik des späten 13. Jahrhunderts, so entsteht in der Tat der Eindruck, daß zwischen den beiden Konzepten, der Sprache des amour courtois, und der Sprache der Theologie, die Jean wieder zu Gehör gebracht hatte, ein Graben gezogen werden mußte 57. Zur Theologie sollte wieder zurückkehren, was der Theologie gehörte, wie ihre Protagonisten glaubten. Gerhards Traktat 51
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Daß für Jean de Meun der ausgelebten Sexualität des Menschen das Paradies des Evangeliums als Belohnung versprochen wurde, gehörte in der Folgezeit zu den wesentlichen Kritikpunkten am zweiten ,Rosenroman‘, wie neben vielen anderen Texten der Gegentraktat des Johannes Gerson belegen kann. Cf. hierzu P. Potansky, Der Streit um den Rosenroman, München 1972, 101-112; J. L. Baird/J. R. Kane (eds.), La querelle de la rose. Letters and Documents, Chapel Hill 1978, 70-91. Cf. Guillaume de Lorris/Jean de Meun, Der Rosenroman (nt. 17), v. 19931-19974, französisch und deutsch vol. 3, 1062-1065. Cf. ibid., v. 20279-20297, vol. 3, 1080: „Car, qui dou bel jardin carre´, / Clos au petit guichet barre´, / Ou cil amanz vit la querole, / A ce beau parc que je devise, / Tant par est beaus a grant devise, / Faire voudrait comparaison, / Il ferait trop grant mespreison / S’il ne ne la fait tel ou semblable / Come il ferait de veir a fable; / Car qui dedenz ce parc serait / Asseür jurer oserait, / Ou meist, senz plus, l’ueil laienz, / Que li jardins serait neienz / Au regart de cete closture, / Qui n’est pas faite en carreüre, / Ainz est si ronde e si soutille / Qu’onques ne fu beriz ne bille / De fourme si bien arondie.“ Cf. ibid., v. 20349-20368, französisch und deutsch vol. 3, 1084 sq. Cf. ibid., v. 20465-20590, französisch und deutsch vol. 3, 1090-1097. Cf. ibid., v. 20591-20596, 1096: „D’un brief mot vueil qu’il souviegne / Que qui la fourme e la matire / Dou parc verrait bien pourrait dire / Qu’onques en si bel paradis / Ne fu fourmez Adans jadis.“ Cf. Les traite´s de Ge´rard de Lie`ge sur l’amour illicite et sur l’amour de Dieu, in: A. Wilmart, Analecta Reginensia. Extraits des manuscrits latins de la Reine Christine conserve´s au Vatican, Rom 1933, 181-247.
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,Über die Heilmittel gegen die verbotene Liebe‘ wäre für sich nicht weiter ungewöhnlich, es fügt sich in das moralische Schrifttum seines Ordens. Will der Mensch das ewige Leben erlangen, muß er sein Herz von den Einflüsterungen Satans befreien, die Distanz zum Weib suchen, der Gewalt der Schlange abschwören, die ihn zur fleischlichen Liebe verführen will, und die Nobilität seiner rationalen Seele gegen die Verlockungen des Leibes ausspielen 58. Fast durchgehend aber garniert Gerhard seinen Traktat mit Zitaten aus der französischen Minnedichtung, vor allem den Trouve´res, die in diesen neuen Kontext gestellt, kaum etwas von ihrem früheren Gehalt verraten, sondern in ihr Gegenteil verkehrt werden. Noch einen Schritt weiter geht Gerhard in seinem Willen, die Terminologie der höfischen Liebe zu reokkupieren, im Folgewerk, den ,Fünf Anregungen, Gott zu lieben‘ 59. Gestützt auf Augustinus und vor allem den Canticumkommentar Bernhards von Clairvaux, lesen wir hier einen Lobpreis der Gottesliebe, in der die Seele des Menschen erfüllt, verklärt und schließlich in einer mystischen Einheit in ihrem Schöpfer aufgehoben wird, einer Liebe, die insuperabilis, inseparabilis, singularis und insatiabilis ist, nicht zu übertreffen und zu trennen, einzigartig und unstillbar 60. Auch diese Apologie der monastisch-mystischen Liebe, des amor spiritualis, bedient sich eines reichen Fundus an mittelfranzösischen Dichterzitaten des amour courtois, die auf diese Weise entsäkularisiert und wieder in den Zusammenhang des geistlichen Liebesideals gestellt werden. Am Ende greift Gerhard auf die Liebesregeln des Andreas Capellanus zurück. Ansicht, Ansprache, Umarmung und Küssen, wie sich durch eine Fülle von französischen Versen belegen läßt, gewähren die Dauerhaftigkeit der Liebe, doch sind es die mystische Schau, die mystische locutio, der amplexus der in Christus aufgehobenen Seele und schließlich das osculum intellectuale, der Kuß der von Gott erfüllten Seele, wie ihn Bernhard in seinem Canticumkommentar beschreibt, die der Liebe wahre Ewigkeit verleihen, und nicht ihre körperlichen Manifestationen 61. V. Die Neufor mulier ung des physiologischen Liebesparadieses im dolce stil nuovo Die romanischen Theoretiker der höfischen Liebe mußten zum Ende des 13. Jahrhunderts nach neuen Lösungen suchen, um das von ihnen ursurpierte 58
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Cf. Gerhard von Lüttich, Septem remedia contra amorem illicitum valde utilia, in: Wilmart, Analecta (nt. 57), 183-205. Gerhard von Lüttich, Quinque incitamenta ad deum amandum ardenter, in: Wilmart, Analecta (nt. 57), 205-247. Daß ein spätmittelalterlicher Mystiker und lateinischer Dichter des 14. Jahrhunderts wie Richard Rolle die sinnlichen Verherrlichungen der Minnedichtung wieder auf die Heilige Jungfrau zurückprojizieren konnte, läßt sich auf die gleiche Ambivalenz der Attribute zurückführen; cf. dazu zum Beispiel F. J. E. Raby (ed.), Richard Rolle of Hampole, Canticum Amoris de Beata Virgine, The Oxford Book of Medieval Latin Verse, Oxford 1959, 442-448. Cf. Gerhard von Lüttich, Quinque incitamenta (nt. 59), c. 3, 222-228. Cf. ibid., c. 4, zum visus: § 1, 237-241, zur allocutio: § 2, 241-244, zum amplexus: § 3, 244 sq., zum osculum: § 4, 245 sq., zur consummatio der Liebenden am Ende: § 5, 246. Als Grundlage cf.
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Paradies, den Ort der psychischen und, wie gezeigt wurde, auch organischen Transformation des Menschen neu zu formulieren, um es auf diese Weise von dem berechtigten Vorwurf zu befreien, nur eine Travestie des christlichen Paradieses zu liefern. Einen ersten Zugriff hatte die Theologie hierfür selbst bereitgestellt, die Suche nach Verinnerlichung und nach Formen des Aufstiegs vom Körperlichen zum Immateriellen, wie sie die Vordenker der geistigen Liebe schon seit dem 12. Jahrhundert entwickelt hatten. Jean de Meun hatte, wie er im Vorwort seiner Boethiusübersetzung preisgibt, auch eine französische Übertragung der Schrift ,De spirituali amicitia‘ angefertigt, jenes Traktat ,Von der geistigen Freundschaft‘ des Aelred von Rievaulx, von dem auch Gerhard von Lüttich reichen Gebrauch gemacht hatte 62. Bei Aelred und seiner Vorlage, Wilhelm von Saint-Thierry, lesen wir von drei Formen des Kusses; zum Ende vom rein geistigen osculum, das mit der mystischen Schau und der Einheit der Seelen in Gott und dem letzten Spiritus, dem Heiligen Geist, zusammenfällt. Ihm sind jedoch zwei Formen des Kusses vorgeschaltet, der spirituelle Kuß, der den Bund der Seelen schließt, und der körperliche. Auch diesen kennzeichnet, so Aelred, ein Ausfluß und Empfang von spiritus, der Lebenskraft, die im wechselseitigen Austausch durch den Mund und die Atemluft den Körper des Gegenübers belebt und ihn mit Süße erfüllt 63. Aelred beeilt sich zu betonen, daß dem körperlichen Kuß jede sexuelle Note fehlen sollte, doch kann ein Leser auch zu einem anderen Schluß gelangen. Selbst wenn am Ende eine Gotteserfahrung steht, findet sich auf der ersten Stufe ein körperlicher Kontakt, eine wechselseitige Belebung und Harmonisierung des Leibes, dem sich die weiteren Schritte hin zu Gott anschließen. Schon ein lateinischer Dichter und Zeitgenosse Aelreds, Arnulf von Lisieux, immerhin Bischof, macht sich das besondere Vergnügen des körperlichen Kusses als einen solchen belebenden Austausch von spiritus begreiflich 64. Auf der Ebene des Körpers kann diese Durchdringung mit amouröser Energie, mit der sich ein körperliches Wohlbefinden, eine Stabilisierung der eigenen Konstitution verbindet, mit genau jener physiologischen Erneuerung verglichen werden, die das Paradies der Liebe in den Augen der Allegoriker charakterisiert.
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Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum (Opera 1-2), edd. J. Leclerq/ C. H. Talbot, Rom 1957-58, Sermo 83, 298-302. Cf. V. L. Dedeck-He´ry, Boethius’ De Consolatione by Jean de Meun, in: Medieval Studies 14 (1952), 165-272, Text: 168. Cf. Aelred von Rievaulx, De spirituali amicitia libri III, ed. C. H. Talbot (Corpus Christianorum Continuatio Medievalis 1), Turnhout 1971, Liber II, 22-27 (306 sqq.), und in der Schedula mit den verschiedenen Redaktionsstufen 428-436. Als Grundlage cf. in weiten Teilen Wilhelm von St.-Thierry, Meditationes devotissimae, ed. P. Verdeyen (Corpus Christianorum Continuatio Medievalis 89), Turnhout 2005, Meditatio VIII, 6-9 (48 sq.). Cf. Arnulf von Lisieux, Die Gedichte, ed. et trans. E. Könsgen, Heidelberg 2002, Carmen VII: „Ad iuvenem et puellam affectuosius se invicem intuentes“, lateinisch und deutsch 48 sq. Hier heißt es unter anderem in v. 9-14: „Ipse anime proprias quasi permutasse videntur / Sedes inque novis degere corporibus. / Complexus tacitos animorum gratia nectit / Corporeisque parat nexibus auspicium. / Procedet felix duplicato copula nexu / Concurrentque suis corpora spiritibus.“
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Die Parallelen werden deutlicher, wenn man sich ein zweites Mal die physiologischen Grundlagen Amors in Erinnerung ruft. Constantinus Africanus definiert die Qualen der Liebe, den morbus amoris, als ein Ungleichgewicht der complexiones, der Körpersäfte, und die Liebe selbst als die natürliche Nowendigkeit, diese Säfte abfließen zu lassen. Die falsche Fixierung auf das geliebte Objekt hat ein Übermaß an Denken zur Folge, letzteres wiederum Melancholie; dem aus dem Lot geratenen Gleichgewicht der complexiones schließt sich das psychische Unglück an, das wiederum die körperlichen Folgeerscheinungen, Herzrasen, stierer Blick, Magerkeit, verfestigt. Wein, Musik, Dichtung, der Aufenthalt in einem lieblichen Garten mit Quelle und Baum und vor allem der Liebesgenuß selbst können die fehlende Harmonie des Leibes wiederherstellen 65. Die Kommentatoren des ,Viaticum‘ Constantins, unter ihnen Gerhard de Berry und Petrus Hispanus, präzisieren im 13. Jahrhundert im Rückgriff auf Avicenna diese Überlegungen 66. Der unglücklich Verliebte konzentriert seine facultas aestimativa auf die Angebetete, der spiritus, so die Annahme, bündelt sich in der Imagination des Liebeskranken und läßt weite Teile des Vorstellungsvermögens aber auch des Leibes unversorgt zurück; die bekannten Symptome, Schwermut und Auszehrung, sind die Folge 67. Eine Therapie kann diesem Abhilfe schaffen. Das natürliche Gleichgewicht der complexiones läßt sich durch eine Lösung der sinnlichen Fixierung, durch Sexualität, Alkohol, Musik und gute Unterhaltung, erreichen. Ergebnis, so faßt es ein späterer Kommentator wie Bona Fortuna zusammen, ist eine neue Fluktuation des spiritus und eine allgemeine Zufriedenheit 68. Die Beschreibung der physischen Realität des Liebeskummers und seiner Heilung durch die körperliche Liebe deckte sich weitgehend mit den Attributen des Liebesparadieses, das eine, wenn auch grundsätzlichere Rekonfiguration des Menschen für sich in Anspruch nahm. Gelesen mit den Überlegungen Aelreds und Wilhelms von Saint-Thierry zum spiritus der Liebe bot diese Übereinstimmung die Möglichkeit, dem Liebesparadies zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine neue, weniger zur Konfrontation mit dem christlichen Paradies neigende Position zu verleihen. Zwei Dinge waren hierfür zu bewerkstelligen. 1. Das Liebesparadies mußte von seinem in der Allegorese zwischen Subjektivität und Objektivität schillernden Status, der für das höfische Milieu auch ein soziales Ideal assoziierte, auf eine subjektive und persönliche Ebene zurückgestuft oder zumindest präzisiert werden. 2. Das sinnliche Paradies als Ort der Harmonisierung 65
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Cf. Constantinus Africanus, De morborum cognitione et curatione libri VII, in: Constantini Africani post Hippocratem et Galenum Opera, Basel 1536, Liber I, c. 20, 18 sq. Zur Definition und Diskussion der Liebeskrankheit im Anschluß an die Kommentartradition des Viaticum ausführlich: M. F. Wack, Lovesickness in the Middle Ages. The Viaticum and its Commentaries, Philadelphia 1990, 51-125; M. Ciavolella, L’amore e la medicina medievale, in: Guido Cavalcanti tra i suo lettori, ed. M. L. Ardizzone, Florenz 2003, 93-102. Cf. Gerhard von Berry, Notulae super Viaticum, in: Wack, Lovesickness (nt. 66), lateinisch und englisch 200 sq. Cf. Bona Fortuna, Tractatus super Viaticum, in: Wack, Lovesickness (nt. 66), lateinisch und englisch: 256-263.
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des Menschen und seiner Synkrasien durfte nurmehr am Anfang stehen; es konnte, ähnlich wie es Jean de Meun eingefordert hatte, eine hinreichende Disposition liefern, doch mußte es am Ende seine Vergeistigung, Sublimierung und Ablösung finden. Dem ausgeglichenen Kreislauf des paradiesischen spiritus, der mit der körperlichen Liebe einherging, mußte sich eine höhere Form des spiritus anschließen. Tatsächlich können wir eine solche Positionierung des spiritus, der zwischen körperlicher Harmonie und einem Aszensus zum unkörperlichen Ewigen schillert und vermittelt, beim wichtigsten italienischen Dichter vor Dante, bei dem Protagonisten des dolce stil nuovo ausfindig machen, bei Guido Cavalcanti 69. Schon Guido Guinizzelli, einer der Mitstreiter Cavalcantis, entwickelt einen Kanon an Grundmotiven, der in vielem so typisch für die Vertreter der Scuola Siciliana wird. Die verherrlichte Frau mutiert zur formierenden Instanz, die Liebe zu einer tödlichen und zugleich schaffenden Kraft, die den Körper ergreift und die Seele auf die Donna und mit ihr auf das Göttliche hin ausrichtet 70. Die angebetete Geliebte, die Madonna, verleiht dem Liebenden ihre Lebenskraft 71, so läßt es Guinizzelli in seinen Gedichten immer wieder deutlich werden. Der splendor, der ihren Augen entspringt, gleicht der Sonne. Sie wird zur intelligenza, zur formierenden Größe, deren Finalnexus sich der Liebeskranke zueigen macht 72. Als ideale figura humana erscheint die Geliebte als Morgenstern, dessen leuchtende Augen den Dichter sterben und zugleich auferstehen lassen 73. Die gleiche Verflechtung von Motiven liefert zum Ende des 13. Jahrhunderts ein Gedicht, das lange Zeit Dino Compagni zugeschrieben wurde, die nun auch mit dem entsprechenden Titel versehene ,Intelligenza‘, in der eine Madonnenfigur als Liebesgöttin und zugleich als tätiger Intellekt auftreten darf 74. Erst mit Cavalcanti jedoch erhält das Aszensusschema Guinizzellis seinen physiologischen Subtext und seine gleichsam medizinische Absicherung. Cavalcanti greift auf diese Weise ebenso die vorangegangene Typologie der konfigurativen Kraft der Liebe und ihres Paradieses wieder auf, wie er diese Motive weiter69
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Die besondere Rolle des spirito in der Poetik der italienischen Dichterkreise des dolce stil nuovo ist schon wiederholt betont, doch bisher nicht in den Kontext der zisterziensischen Tradition gestellt worden. Cf. hierzu unter anderem M. Corti, Scritti su Cavalcanti e Dante. La felicita` mentale: Perorsi dell’invenzione a altri saggi, Turin 2003, 50-60; M. Auciello, Spiriti e fiamette: dalla metonimia alla metafora, in: Alle origini dell’Io lirico. Cavalcanti o dell’interiorita` (Critica del testo IV/1, 2001), ed. R. Antonelli, Rom 2001, 89-136. Zur philosophischen Poetik Guinizzellis und der Rolle der Frau als angelischer Instanz schon: G. Favati, Inchiesta sul dolce stil nuovo, Florenz 1975, 156-168, und die zeitlose Arbeit von K. Vossler, Die philosophischen Grundlagen zum ,süßen neuen Stil‘ des Guido Guinicelli, Guido Cavalcanti und Dante Alighieri, Heidelberg 1904, 62-66. Für die ganze Dichterschule der Epoche cf. M. Marti, Storia dello stil nuovo, Lecce 1973, 121-182. Cf. Poeti del Dolce stil nuovo, ed. M. Marti, Florenz 1969, Guido Guinizzelli, II, v. 1-6, 45. Cf. ibid., Guido Guinizzelli, IV, v. 11-20, 58, v. 41-50, 60 sq. Cf. ibid., Guido Guinizzelli, VII, v. 1-8, 70. Cf. Art. ,L’intelligenza‘, in: Poesia del Duecento e del Trecento, edd. C. Muscetta/P. Rivalta, Turin 1956, 327-342, dort besonders I, v. 1-126, 327-331.
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entwickelt und auf intrasubjektive Vorgänge reduziert. Cavalcanti wußte um die Terminologie der visio amorosa und den Liebesgarten Amors und ein langes Gedicht in seinen Opera ist zur Gänze dieser Szenerie gewidmet 75. Eine Dame geleitet den Dichter in diesen Garten, der ihm, wie es heißt, durch den Kuß der Donna zur Wohnung der Lust und des Zaubers wird 76. Es bleibt nicht bei der äußerlichen Adaptation des Liebesparadieses. Die Transformation des Leibes durch das Chaos, das die Liebe im Körper anrichtet, aber auch seine Verwandlung und seine Ausrichtung auf eine höhere Wirklichkeit, die mit dem Reich des Geistes und dem tätigen Intellekt zusammenfällt, formuliert Cavalcanti in einer dezidiert körperzentrierten Sprache, die den spiritus als Garant der leiblichen Ordnung und ihrer Erlangung in den Mittelpunkt stellt. In einer ersten Gruppe von Gedichten dominiert die Konfusion. Die spiriti werden zu Rezipienten der Liebesqual, der spiritus amoris dringt, wie Cavalcanti schreibt, mit dem Bild der Donna im Gedächtnis ins Herz des Liebenden ein und übernimmt in ihm das Regiment, wie zuvor Amor in den Allegorien. Mit der Liebe stellt sich der metaphorische Tod ein, der spiritus des Herzens liegt darnieder 77. Die Augen der Donna transportieren einen höherwertigen spirito, jenen spirito d’amore, der im Körper des Dichters und dem Geflecht seiner Körpersäfte einen fast todesgleichen und zutiefst melancholischen Zustand hervorruft 78. Der gleiche spiritus, bekennt Cavalcanti in zwei weiteren Gedichten, ,I’ mi despero‘ und ,Posso degli occhi‘, wird dem Poeten jedoch zum Ausgangspunkt der Erlösung und zum Motor seiner Errettung. Der Intellekt der Donna durchdringt ihn, erfüllt ihn mit ihrem splendor und veranlaßt seine Seele wie einen möglichen Intellekt, sich ihr als anima sottile zu fügen 79. Nicht mehr die Pfeile des Liebesgottes wie in den französischen Allegorien setzen diese Verwandlung für Cavalcanti in Gang, 75
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Cf. Guido Cavalcanti, Rime. Edizione critica, commento, concordanze, ed. L. Cassata, Anzio 1993, XLVI, mit Apparat 206-209. Eine deutsche Übersetzung liegt vor als Guido Cavalcanti, Sämtliche Gedichte/Tutte le rime, edd. T. Eisermann/W. Kopelke, Tübingen 1990, 33, italienisch und deutsch 106 sq. Cf. Cavalcanti, Rime (nt. 75), XLVI, 207, v. 21-26: „Per man mi prese, d’amorosa voglia, / e disse che donato m’avea’l core. / Meno`mmi sott’una freschetta foglia, / la` dov’i’ vidi fior’ d’ogni colore; / a tanto vi sentio gioa e dolzore, / che’l die d’amor e’ mi parea vedere.“ Deutsch: Cavalcanti, Sämtliche Gedichte (nt. 75), 33, 107. Cf. Cavalcanti, Rime (nt. 75), VI, mit Apparat: 62-64, deutsch: id., Sämtliche Gedichte (nt. 75), 11, 47, id., Rime, XXXIV, mit Apparat 163-166, deutsch: Sämtliche Gedichte, 15, 55, 57, id., Rime, XXXII, mit Apparat 156-159, deutsch: Sämtliche Gedichte, 16, 59, 61. Zum Motiv des „gebrochenen Herzens“ und der schwindenden Lebenskräfte in der Dichtung Cavalcantis cf. T. Eisermann, Cavalcanti oder die Poetik der Negativität, Tübingen 1992, 142-153. Cf. Cavalcanti, Rime (nt. 75), XXXI, mit Apparat 152-155, deutsch: id., Sämtliche Gedichte (nt. 75), 17, 63, 65. Zur Rolle der occhi in den Gedichten Cavalcantis cf. die motivische Untersuchung von A. Gagliardi, Guido Cavalcanti, Poesia e filosofia, Alessandria 2001, 55-59. Cf. Cavalcanti, Rime (nt. 75), XXXIII, mit Apparat 160 sqq., deutsch: id., Sämtliche Gedichte (nt. 75), 22, 79, id., Rime, XXV, mit Apparat 120-125, deutsch: Sämtliche Gedichte, 30, 95. v. 11-17: „Io veggio che negli occhi suoi risplende / una vertu` d’Amor tanto gentile / ch’ ogni dolce piacer vi si comprende; / e move a lloro un’anima sottile / respetto della quale ogn’altra e` vile; / e non si po` di lei guidicar fore / altro che dir: ,Quest’e` novo splendore‘.“
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sondern wie er im bekanntesten seiner Gedichte, ,Donna me prega‘, unterstreicht, es sind die Strahlen der Schönheit der Donna, die den spiritus in den Geliebten tragen 80. Das Abbild, das die Geliebte im Gedächtnis des Dichters hinterlassen hat und auf das sich Vorstellungskraft und Denkvermögen konzentrieren, stellt die bekannten Symptome her, Bleiche, Tränen und innere Trockenheit; nur aus ihm jedoch, dem Bild, und den Qualen, die es mit sich bringt, kann, wie Cavalcanti betont, auch wahrer Verdienst gewonnen werden 81. Um 1308 kommentiert Dino del Garbo dieses Gedicht des Italieners 82. Als Mediziner und Arzt aus Bologna, nicht als Dichterkollege, bekräftigt Dino seinen Lesern, wie die Liebe als Passion durch die Konzentration auf ein Objekt im Leib des Verehrers ein Chaos der Synkrasien hervorruft, nicht wie eine Magenkrankheit, die ein widernatürlicher Zustand wäre, sondern aus der Abwesenheit des vollkommenen Gutes, dessen Fehlen den spiritus blockiert und der Schwermut den Weg bahnt 83. Erst diese Passion jedoch, betont Dino am Ende seines Kommentars, verleiht dem Liebenden die Tugend der Hingabe und bereitet ihn schließlich darauf vor, die Gnade der erfüllten Liebe zu empfangen 84. Was die französischen Allegoriker veräußerlicht und auf diese Weise fixiert hatten, war durch Cavalcanti in medizinische Beschreibungen verwandelt worden, ohne dabei den Anspruch auf eine kommende Erlösung aufzugeben. Fast im gleichen Jahr wählt sich ein anderer Dichter des dolce stil nuovo, der mit der Tradition des amourösen Paradieses der französischen Allegoriker vertraut war, Dante, das Liebesparadies zum Thema 85. Es ist Dante, der die Motive Cavalcantis endgültig mit der allegorischen Tradition vereinigt und auf diese Weise die Transformation des amourösen Paradieses zum Abschluß bringt. Sein Paradies offenbart sich zugleich als Garten der Minneallegorie, wie er als Garten Eden der Offenbarung erscheint. Hier tritt die Donna auf, aus deren Augen der spirito d’amore leuchtet, doch bleibt das Paradies nur eine Stufe, wenn auch die letzte, vor dem Eintritt in das wahre Paradies. Am Ende von Canto 27 des ,Purgatorium‘ erscheinen dem wandernden Dichter im Traum Lea und Rahel, die Verkörperungen der tätigen und kontemplati80
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Cf. Cavalcanti, Rime (nt. 75), XXVII, mit Apparat 128-140, deutsch: id., Sämtliche Gedichte (nt. 75), 31, 97, 99, 101. Kein Gedicht Cavalcantis ist ausführlicher diskutiert worden. Cf. hierzu zum Beispiel den detaillierten Kommentar von J. E. Shaw, Guido Cavalcanti’s Theory of Love. The Canzone d’Amore and Other related Problems, Toronto 1949, 9-96. Cf. Cavalcanti, Rime (nt. 75), XXVII, v. 63-70, 132: „E’ non si po` conoscer per lo viso / compriso: bianco in tale obietto cade; / e, chi ben aude, forma non si vede: / dunqu’elli meno, che da llei procede. / For di colore, d’essere diviso, / assiso, ’n mezzo scuro, luc’e’ rade. / For d’ogne fraude, dico, degno in fede, / che solo di constui nasce mercede.“ Zur Tradition der mittelalterlichen Cavalcantikommentare: E. Fenzi, La canzone d’amore di Guido Cavalcanti, Genua 1999, dort der Kommentar des Dino del Garbo: 86-133. Cf. Dino del Garbo, Scriptum super cantilena Guidonis de Cavalcantibus, in: Fenzi, La canzone (nt. 82), §§ 49-72, lateinisch und italienisch 106-119. Cf. ibid., §§ 103-107, lateinisch und italienisch 130-133. Zu Dantes möglicher Auseinandersetzung mit der Tradition des ,Rosenromans‘ cf. zum Beispiel E. J. Richards, Dante and the ,Roman de la Rose‘, Tübingen 1981, 71-106; L. Vanossi, Dante e il ,Roman de la Rose‘. Saggio sul ,Fiore‘, Florenz 1979, 314-349.
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ven Lebensführung, ganz wie Oiseuse, die Muße des Rosenromans, am Eingang des Liebesgartens ihren Auftritt hatte 86. Ohne Vergil, als Herr seines eigenen Willens, betritt Dante im 28. Gesang den Garten Eden, welchen wie das Reich des Liebesgottes der Gesang der Vögel, wunderbare Bäume und eine Quelle von überirdischer Reinheit als Attribute auszeichnen 87. Ein Bild erscheint dem Dichter, wie es Cavalcanti formuliert hatte, auf das sich das Denken des Pilgers konzentriert; es ist die „bella donna Matelda“, die von den Strahlen der Liebe, den „raggi d’amore“, begleitet wird 88. Wie eine Jungfrau und wie Aphrodite erfüllt den Dichter der splendor ihrer Augen 89. Matelda erklärt Dante das irdische Paradies und seine geographischen Bedingungen; es handelt sich zugleich um den parnaso, das Liebesreich der Poeten 90. Daß hier jedoch, dem Fegefeuer angemessen, ein Ort der Reinigung vorliegt, der dem vollkommenen irdischen Glück und dem aktiven Leben, wie es sich in Matelda manifestiert, nun die Kontemplation des wahren unräumlichen Paradieses, wie es auch der zweite ,Rosenroman‘ postuliert hatte, folgen läßt, haben schon die zeitgenössischen Kommentatoren der ,Göttlichen Komödie‘, Pietro Alighieri oder Benvenuto von Imola, hervorgehoben 91. Wie in den französischen Allegorien läßt Dante noch einmal den Sündenfall Evas Revue passieren, dessen Konsequenzen zumindest vordergründig in der Donna Matelda bereinigt wurden 92. Beide überschreiten die Lethe, in 86
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89
90
91
92
Cf. Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie, trans. H. Gmelin (3 vols.), Stuttgart 1969, Purgatorio, Canto 27, v. 130-142 (vol. 2, italienisch und deutsch 328 sq.). Cf. ibid., Purgatorio, Canto 28, v. 1-37 (vol. 2, italienisch und deutsch 330-333). Cf. ibid., Purgatorio, Canto 28, v. 38-42 (vol. 2, italienisch und deutsch 332 sq.): „E la` apparve, sı` com’egli appare / Subitamente cosa che disvia / Per maraviglia tutto altro pensare, / Una donna soletta che si gı`a / Cantando e scegliendo fior da fiore, / Ond’ era pinta tutta la sua via.“ Cf. ibid., Purgatorio, Canto 28, v. 43-69 (vol. 2, italienisch und deutsch 332-335). v. 61-66: „Tosto che fu la` dove l’ erbe sono / Bagnate gia` dall’onde del bel fiume, / Di levar fli occhi suoi mi fece dono. / Non credo che splendesse tanto lume / Sotto le ciglia a Venere, trafitta / Dal figlio fuor di tutto suo costume.“ Ob Dante diese Bilder Cavalcanti verdankt, diskutiert zum Beispiel A. Gessani, Dante, Guido Cavalcanti e l’ ,amoroso regno‘, Macerata 2004, 133142. Cf. Dante, Die Göttliche Komödie (nt. 86), Purgatorio, Canto 28, v. 76-138 (vol. 2, italienisch und deutsch 336-341). Cf. Pietro Alighieri, Comentum super poema Comedie Dantis, ed. M. Chiamenti, Tempe 2002, Canto XVIII, 461 sqq.; Benevenutus de Rambaldis de Imola, Comentum super Dantis Aldigherii Comoediam, edd. W. Warren Baron Vernon/J. P. Lacaita (6 vols.), Florenz 1887, vol. 4, Purgatorium, Canto 28, zur purgatio und Matelda als der donna der idealen Tugend cf. 164 sqq., zum Kontrast von amor voluptatis und amor virtutis cf. 169 sq.; zu Matelda als Manifestation der vita activa cf. Francesco da Buti, Commento sopra la Divina Comedia di Dante Allighieri a cura di C. Giannini (3 vols.), Pisa 1860, vol. 2, Purgatorio, Canto 28, 667 sq.; Jacopo della Lana, Comedia di Dante degli Allagherii col commento, a cura di L. Scarabelli (3 vols.), Bologna 1866, vol. 2, Purgatorio, Canto 28, 332, 337. Zu Matelda als wiederhergestellter Eva cf. zum Beispiel R. Hollander, Allegory in Dante’s Commedia, New Jersey 1969, 152-158; B. Nardi, Il mito dell’Eden, in: Saggi di filosofia dantesca, Mailand-Genua 1930, 356-367; A. E. Quaglio, Canto 28, in: Lectura Dantis Scaligera (3 vols.), Florenz 1971, vol. 2, Purgatorio, 1037-1068, hier 1054-1059.
Ein gutes Jahr
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die Dante von seiner Begleiterin in einem letzten Reinigungsakt getaucht wird, doch ist die Pflicht der Donna, Aphrodites und die Aufgabe des Liebensgartens damit beendet 93. Vom Geist der Liebe erfüllt und wiederhergestellt kann Dante seine Wanderung fortsetzen. Fortan wird es Beatrice sein, in der sich Theologie und Gnade gleichermaßen Ausdruck verleihen, nicht Matelda, die Dame der Minneallegorie, die ihn zu Gott führen wird 94.
93
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Cf. Dante, Die Göttliche Komödie (nt. 86), Purgatorio, Canto 28, v. 139-148 (vol. 2, italienisch und deutsch 340 sq.). Mateldas Verhältnis zu Beatrice untersucht neben vielen anderen zum Beispiel B. König, Canto 28, in: Lectura Dantis Turicensis (3 vols.), edd. G. Güntert/M. Picone, Florenz 2002, vol. 2, Purgatorio, 435-445. Das Verhältnis Dantes zur Zisterziensermystik diskutiert ausführlich S. Botterill, Dante and the Mystical Tradition. Bernard of Clairvaux in the Commedia, Cambridge 1994, 194-241.
Pisa
Ramon Llull in 1308: Prison, Shipwreck, Art, and Logic Anthony Bonner (Palma de Mallorca) For Ramon Llull 1308 was a very special year 1. Not only did it follow a dramatic year in which he was stoned while proselytizing in North Africa, imprisoned, and then shipwrecked on his return to Europe, but in its own way it was a kind of annus mirabilis, and this in two ways. In the first place, it was probably the most productive year of an extraordinarily productive career one in which he finished thirteen works (see Appendix I). And secondly, it was a pivotal year in his presentation of three different approaches to the task which for him was fundamental: the development of techniques capable of converting non-Christians. The dramatic events of the year before occurred on his second voyage to North Africa, strikingly different from the first he had undertaken in 1293, fourteen years previously. Then he had gone to Tunis, where he had engaged the local doctors of the law in rational and pacific discussions on the merits of their various religions. When it became clear that his arguments were not completely unconvincing, he was simply asked to leave. All this was in striking contrast to his voyage of 1307, to the town of Bougie (or Bejaya) in presentday Algeria. There, as the ,Vita coaetania‘, an account of his life he dictated to Parisian monks near the end of his life, says, „In the main square of the city, Ramon, standing up and shouting in a loud voice, burst out with the following words: ,The Christian religion is true, holy, and acceptable to God; the Saracen religion, however, is false and full of error, and this I am prepared to prove‘.“ 2 This was the only time in his life he used such provocative tactics. Why he did it, we don’t know; it might have been an attempt to try the Franciscan model of gaining adherence by showing a willingness to face martyrdom. In any case, the reaction could scarcely have been more violent. He was stoned, brought 1
2
Abbreviations used in this article are: DI = A. Bonner/E. Bonner (eds.), Doctor Illuminatus. A Ramon Llull Reader, Princeton 1993; MOG = Raymundi Lulli Opera omnia, ed. I. Salzinger, 8 vols., Mainz 1721-42; NEORL = Nova Edicio´ de les Obres de Ramon Llull, Palma 1990 sqq.; ROL = Raimundi Lulli Opera Latina, Palma-Turnhout 1959 sqq.; SW = Selected Works of Ramon Llull (1232-1316), ed. A. Bonner, 2 vols., Princeton 1985. This article is a distillation of chapters 4 and 5 of A. Bonner, The Art and Logic of Ramon Llull. A User’s Guide (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 95), Leiden 2007. ROL, vol. 8, 297; SW, vol. 1, 41; DI 35.
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Anthony Bonner
before the cadi of the city, who, after a brief discussion, had him jailed, at first „in the latrine of the thieves’ jail“ and then in an ordinary cell. While he was there, Muslim clergymen and emissaries from the cadi came to dispute with him, and finally it was agreed that each would write a book giving the best arguments for their own religion. Llull was hard at work on his version, when orders came that he be expelled immediately from the country. But this wasn’t the end of his troubles. As recounted in the ,Vita coaetania‘: „On the journey to Genoa, when the ship was near the Port of Pisa, about ten miles offshore, a great storm arose, and the ship suffered the violent blows of the tempest on all sides, until at last it sank. Some were drowned, while others, with the help of God, escaped; among the latter were Ramon and a companion of his, who, even though they lost all their books and clothing, and were almost naked, managed to make it to shore in a rowboat.“ 3
We must keep in mind that this chain of misfortunes, trying enough for anybody, happened to a man of seventy-five, an extraordinarily advanced age for the time. Instead of discouraging him, however, it seemed to give him renewed vigor. Not only, beginning in January of 1308, did he write the works on the list of Appendix I, but during the course of the year he preached in Pisa and Genoa in favor of a new crusading order, as well as traveling back and forth several times to Montpellier. More curious, perhaps, was the sort of works he wrote. Where one might expect outpourings of anger, despair, or spiritual torment at the troubles and frustrations he had just suffered, we find instead works of a remarkably technical nature. There is a curious parallel here with the previous trip we just mentioned. On returning from Tunis to Naples, in January of 1294 he completed the ,Tabula generalis‘, the first fully characteristic work of the new phase of Llull’s system. Now in Pisa at the beginning of 1308 he completes the ,Ars generalis ultima‘, and writes its companion work, the ,Ars brevis‘. In addition, during the course of the year he writes two substantial logical works, the ,Liber de venatione substantiae, accidentis et compositi‘ and the ,Liber de novis fallaciis‘, his perhaps most significant theological work, the ,Ars compendiosa Dei‘, as well as an important work on jurisprudence, the ,Ars brevis de inventione juris‘. All this in addition to rewriting the work begun in the prison of Bougie, the ,Disputatio Raimundi christiani et Homeri saraceni‘, and to composing the other works on our list. What is most interesting about the year 1308, however, is its pivotal nature in the development of his system and its methods of demonstration. Since the beginning of his career when he had decided to dedicate his life to the task of converting Muslims and Jews to Christianity, he had realized that such a task required demonstrating the Articles of Faith with techniques that were both convincing to Muslims and Jews, and at the same time acceptable to the Catholic 3
ROL, vol. 8, 300 sq.; SW, vol. 1, 44; DI 37.
Ramon Llull in 1308
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ecclesiastical authorities. Previous attempts, in the best of cases, had involved disputations based on authoritative texts which had quickly become bogged down in questions of interpretation. Llull saw that this was a no-win situation, and decided to base his arguments not on books, but on people and what they believed. This meant that on his part he would have to try to prove the Christian Articles of Faith. But such an endeavor could easily earn the displeasure of a church that taught that matters of faith could not be demonstrated, since that would take away any meritum fidei. So, the attempt to work out an autonomous method of demonstration removed from any textual foundation, one capable of convincing non-Christians and at the same time acceptable to the Church, was the chief motivation for the kind of system he developed, which he called his „Art“. The first part of this program involved basing his arguments on a series of principles to which neither of the other two religions could take exception: a God who was good, great, eternal, etc., the Weltanschauung inherited from the Greco-Latin world, lists of virtues and vices, and so on. The second part of the program involved proving an article of faith not by a traditional Aristotelian method, but by taking it as a hypothesis and studying what its consequences implied as to its truth or falsehood. The earlier version of Llull’s system was based on an extraordinary display of twelve (or sometimes even sixteen) figures. This system worked by taking pairs of concepts from certain of these figures, and judging the results of their combination on the basis of a series of understood Neoplatonic values, which, on the one hand, allied goodness, perfection, merit, etc. with being, and, on the other hand, evil, imperfection, blame, etc. with non-being or privation. A very simple proof of the non-eternity of the world from a more popularizing work of this period, the ,Book of the Gentile and the Three Wise Men‘, will show how this works. (Note that „eternity“ and „pride“ appear as D in the first column and E in the last column of the Alphabet of the later Art presented below. Moreover, to „be in accord with“ is equivalent to „concordance“, and to „be in disaccord with“ to „contrariety“, respectively C and D of the second column of the Alphabet.) „Eternity Pride. If eternity and pride were in accord with one another, it would follow that eternity would be in accord with pride against humility, which is in accord with goodness, greatness, power, wisdom, love, perfection, and this is impossible; by which impossibility it is shown that eternity and pride are in disaccord; by which disaccord it is signified that the nature which is subject to pride, that is the nature of man, is in disaccord with eternity; by which disaccord it is made manifest that the world was created.“ 4
Here it is clear how the premise of God’s being „naught“, by a series of comparisons between individual concepts, leads us to an impossibility, which by modus tollens proves that he must exist. 4
NEORL, vol. 2, 57; SW, vol. 1, 161.
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Anthony Bonner
But this comparative technique involved so many lists of concepts 5, that even his best disciple, Thomas Le Mye´sier, complained about „the confusion caused by the meanings of the alphabet of the ,Ars demonstrativa‘ and its sixteen figures, which confound the mind“ 6. As a result, Llull decided to reformulate his system, and in 1290 he embarked on what we now call the „ternary phase“ (with concepts regrouped in multiples of three). From now on there would only be four figures, those given in Appendix III 7. You should be warned, however, that these complaints about the original number of figures and the subsequent simplification to four, is in itself a simplification of what happened, perhaps not to alarm followers and patrons with the idea of having to jettison what they had already learned and embark on an entirely new project. The fact of the matter, however, is that the changes went much deeper. Perhaps the most important change was the replacement of understood Neoplatonic values by explicit definitions. Since the main object of Llull’s endeavor was theological, however, this created a problem. Neither of the two usual Aristotelian techniques could be valid with God: a definition by genus and species was out of the question since God belonged to no superior species or genus; a causal definition was equally inappropriate since God had no cause. Llull’s solution was unusual. It involved his much-commented dynamic ontology, one in which being and activity were inseparable. It was systematized in a kind of verbal pyrotechnics which he called his „Arabic manner of speaking“ („modus loquendi arabicus“), in which „goodness“ (bonitas) was divided into an active component (bonificativus), a passive one (bonificabilis), and the verb joining them (bonificare). But more important for our purposes, it permitted him to formulate a new species of definition: „goodness is that by reason of which good does good“ (which is simply a reworking of the old Neoplatonic maxim of „bonum est diffusivum sui “) 8. It was a type of definition that could be applied to every level of being, from the elements up to God. In the middle of the ladder of being, we find „homo est ens homificans“, a definition which he knew perfectly well ran the risk of appearing ridiculously tautological, but which he defended tooth and nail as being essential to his ontology and to his system. This new approach was at the heart of the three techniques found at the crossroads of 1308. In the first place, he continued with the testing of hypotheses, but instead of doing it with the Neoplatonic „truth values“ of simple concepts, they were tested against his newly found propositional definitions, which 5
6
7
8
Here three groups of concepts are involved: the basic ones, „goodness“, „greatness“, etc.; those used to compare, „concordance“, „contrariety“, etc.; and those against which the comparisons could be judged („being“, „non-being“, etc.), but there were many other lists which could be used. J. N. Hillgarth, Ramon Lull and Lullism in Fourteenth-Century France (Oxford-Warburg Studies), Oxford 1971, 179. These figures are from the ,Ars inventiva veritatis‘, but they are identical to those used in the ,Ars generalis ultima‘. See Appendix IV below for this definition.
Ramon Llull in 1308
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could now be presented as the foundations of his system. In the second place, with the ,Ars generalis ultima‘, he presented a novel system in which he „mixed“ - as he puts it - one definition with another to build up the structure which he now put at the very heart of his Art and in which the solution to practically any sort of question was implicit. Finally, since Llull was no longer dealing with isolated concepts but with propositions, he could enter the realm of Aristotelian syllogistics, an area he had conspicuously avoided before the ,Logica nova‘ of 1303, and which he now perfected in 1308. It is these three techniques which I would like to explain here, and since all three are treated in the ,Ars generalis ultima‘, which was the center around which the other works of this annus mirabilis revolved like so many satellites, I will try to show how they fit into this work, which was the culmination of more than thirty years of development of the Art, as Llull explains in the prologue. „Since we have composed many general arts, we would now like to explain them more clearly with this one, which we call the last [ultimam], because we do not intend to write any other. We have compiled this one from the others, while explicitly adding some new material.“ 9
Before going any further, two things should be made clear about this work. The first is that it was finished in 1308, but was in fact begun three years before. How much of the work from 1305 he conserved, how much he reworked, or how much he added to it, are things we don’t know. To this should be added the curious fact that we know of no works written between those two dates, that is between September of 1305 and the beginning of the outburst of activity in January of 1308. The second thing that should be explained is that in January of 1308 he wrote the ,Ars brevis‘, which is a re´sume´ or outline of the ,Ars generalis ultima‘. It follows the longer work chapter by chapter, continually telling the reader, „for a fuller explanation, see the ,Ars magna‘“, as he there refers to the ,Ars generalis ultima‘. The ,Ars brevis‘ reduces the 522 pages of the longer work to 63 (the comparison is between similar critical editions), and was probably written as a kind of aide-me´moire for the longer work, being a text much less expensive to copy and more easily usable as a reference for lectures on the Art. If you look now at Appendix II with the table of contents of the ,Ars generalis ultima‘ (which is identical with that of the ,Ars brevis‘), you will see that it is divided into thirteen sections, or „parts“ as Llull calls them in these two works. Part I presents the all-important Alphabet of the Art 10. We will discuss the various columns of concepts as they come up in the corresponding sections of the ,Ars generalis ultima‘. Part II presents the four figures of the Art, in a manner that would recur without change throughout the ternary period (see Appendix III below). The First Figure has the concepts of 9 10
ROL, vol. 14, 5. Cf. ROL, vol. 14, 8 sq.
614
Anthony Bonner Prima Figura
Secunda Figura
Quaestiones et Regulae
Subjecta
Virtutes
Vitia sive Peccata
B
bonitas
differentia
utrum? possibilitas
Deus
justitia
avaritia
C
magnitudo
concordantia
quid? quidditas
angelus
prudentia
gula
D aeternitas sive duratio
contrarietas
de quo? materialitas
caelum
fortitudo
luxuria
E
potestas
principium
quare? formalitas
anima rationalis sive homo
temperantia
superbia
F
sapientia
medium
quantum? quantitas
imaginatio
fides
accidia
G voluntas
finis
quale? qualitas
sensitiva
spes
invidia
H virtus
maioritas
quando? tempus
vegetativa
caritas
ira
I
veritas
aequalitas
ubi? - locus
elementativa
patientia
mendacium
K
gloria
minoritas
quo modo? modalitas cum quo? instrumentalitas
artificium
pietas
inconstantia
the first column of the Alphabet, each concept with its corresponding letter. The Second Figure, which corresponds to the second column of the Alphabet, presents triads of concepts inscribed in the corners of the three triangles (for example, one triangle has the first three concepts of our list: differentia, concordantia, contrarietas, and so on). These triangles are surrounded by three circles with the secondary sets of concepts to which their concepts can be applied 11. The Third Figure is the triangular one in the middle. It is made up of 36 compartments displaying all the possible binary combinations (without repetition) of the nine letters of the Alphabet we saw before. Since one cannot do an equivalent sort of chart with ternary combinations, Llull had to resort to the revolving disks of the Fourth Figure. In some works Llull even gives instruction on how the outer circle should be drawn on the parchment, while the two inner 11
The circular sections corresponding to differentia, for instance, have „sensualis et sensualis“, „sensualis et intellectualis“, and „intellectualis et intellectualis.“ Llull’s explanation (,Compendium seu commentum Artis demonstrativae‘, in: MOG, vol. 3, vi, 7, 299) is that „any difference must be between something sensual and something sensual, as between a horse and a lion, and so on; or between something sensual and something intellectual, as between body and soul, or between a pupil and what is taught, and so on; or between something intellectual and something intellectual, as between the intellect and the will, or between the soul and knowledge, and so on.“
Ramon Llull in 1308
615
ones should be drawn on separate pieces of parchment (or metal) held in place by a string made fast by a small piece of parchment on top 12. Part III of the ,Ars generalis ultima‘ gives the definitions of the eighteen principles, that is, the nine of the First Figure plus the nine of the Second Figure. They are listed in Appendix IV, and as we have just explained, they define a thing not by what it is or by its taxonomic place in a hierarchy of being, but rather by its activity, by what it does: good produces good, difference differentiates, etc. Part IV gives the Rules and Questions listed in the third column of the Alphabet of the Art. I will just comment on two of them, enough to give the reader an idea of how the mechanism works. The first one, utrum, is, of course, the standard way of formulating questions in contemporary scholastic treatises (Whether sacred doctrine is a science? Whether God exists?, etc.). The second one, quid, Llull divides into four „species“: 1. definitional, which is the pigeonhole for the above-mentioned definitions; 2. what a thing has in itself essentially and naturally (the answer is its correlatives, which, in the example he gives of the intellect, are intellectivum, intelligibile, et intelligere); 3. what one thing is in another (the intellect, for instance, is good when understanding in goodness, grammatical in grammar, etc.); and 4. what one thing has in another (in knowledge the intellect has understanding, and in faith belief). And so on for the rest of the concepts of that column of the Alphabet 13. With these four first parts of the ,Ars generalis ultima‘ we have the foundations of the Art in the ternary phase. The first two, of the Alphabet and the Four Figures, give us the fundamental components along with their interrelations. The third with its definitions gives us the propositions on which the Art is based, what very loosely could be called the axioms on which new propositions or combinations of propositions can be built, and the fourth the rules for investigating any subject or answering any question. Of the next three parts, which work out the possibilities of binary and ternary combinations, we will only discuss Part V, which presents the Tabula, whose method for systematizing ternary relations is used, curiously enough, to present the older type of proof which works out the implication of hypotheses. The Tabula given in Appendix V is the shorter version of the ,Ars brevis‘ (that is with 7 columns instead of the 84 of the ,Ars generalis ultima‘). It is an ingenious way of presenting ternary combinations of two sets of nine concepts - those of the first two columns of the Alphabet. It is done by taking the Fourth Figure 12
13
This is the only revolving figure in this later version of the Art (just as the more complicated Demonstrative Figure was the only revolving figure in the earlier version of the Art). I say this, because one still comes across authors who assume that all of Llull’s circular figures revolve, and/or that the essence of Llull’s combinatory system lies in revolving figures, when in fact he only uses them to deal with combinations higher than binary, and usually only once in each work. In case the reader is wondering why under E, quare is coupled with formalitas, it is because „why“ inquires about formal or final cause.
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and turning the two inner circles until B C D line up, and then, keeping that setting, reading off the other combinations and putting each at the head of a column. Then, using the letter T (from Figure T, another name for the Second Figure) as a place-holder, to signal, as he puts it, „that the letters which come before it belong to the First Figure, and those after it to the Second Figure“, he can take the three-letter combination at the head of a column and expand it to the twenty different combinations derived from the first two columns of the Alphabet 14. He then exemplifies the use of the Tabula by producing twenty answers to the question „Whether the world is eternal.“ We give the first of these demonstrations from the ,Ars generalis ultima‘, adding, for their first appearances at least, superscript letters to show the place of the concepts in the Alphabet. „The compartment of B C D. In answer to the question ,WhetherB the world is eternalD?‘ we say by B C D that it is not, because if it were eternalD, its foundation [ratio] would be eternalD and it would produce eternalD goodB throughout eternityD while greatnessC, by its definition, would magnifyC this goodB foundation from eternity and in eternity; and eternity would make this production last from eternity and in eternity, so that there could be no evil in the world, because good and evil are contraryD. But there is evil in the world, as we know by experience. We therefore conclude that the world is not eternal.“ 15
Notice that this technique is basically the same as the earlier one from the ,Book of the Gentile and the Three Wise Men‘, but with some notable differences. In the first place we are now starting with a ternary instead of a binary combination of concepts; and secondly, with the definitions (eternal good producing good through eternity) supplanting concordance or contrariety of qualities which were never defined, but whose Neoplatonic ,truth values‘ were assumed to be understood by the reader 16. 14 15 16
ROL, vol. 14, 43; ROL, vol. 12, 218; SW, vol. 1, 596; DI 316. ROL, vol. 14, 63 sq. Several other points should be made about this use of the Tabula. The fact that he uses all twenty ternary combinations of the first column to prove the same thing, is merely done to exemplify the use of the Tabula (you could, says Llull, even use other columns to produce the same results). If this is the case, it is clear that any other subject could be similarly demonstrated by these same mechanisms, as Llull shows at great length in other works in which he proves the Trinity, the Incarnation, etc. Secondly some critics have complained that he was using the Art to prove something which all his contemporaries knew was the case. This is to present a remarkably ironed-out picture of the period. In the first place there were the so-called „Parisian Averroists“ who said that the world was eternal according to the principles of philosophy (or science), but its creation in time had to be accepted as a simple truth of faith. But this represented a separation between philosophy and theology Llull was unwilling to accept. For him a truth was a truth, and the Art was his instrument for proving it. In the second place there was much debate as to whether one could prove it at all. Schoolmen in the Augustinian tradition said you could, but Aquinas, for instance, said you could not, that it was a matter of faith, and this was a subject he discussed almost obsessively (not only did he write a ,De aeternitate mundi‘, but also he wrote at length on the topic in six other works). See the discussions in the introductions to the various works in Thomas Aquinas/Siger of Brabant/St. Bonaventure, On
Ramon Llull in 1308
617
With Part VIII of the ,Ars generalis ultima‘, „Which treats of the Mixture of Principles and Rules“ we come to a process which Llull flatly states „is the center and subject of this Art“. This concept of „mixture“ began its career in Llull’s thought as a cosmological concept, applied first to the four elements, and then to the semblances of the divine attributes in the constitution of the world. Now it has been generalized to become the very foundation of the epistemology of the Art, thereby completing his fusion of epistemology with ontology. This part starts by ,mixing‘ each principle with the other seventeen, either individually or in groups. For instance for the trio of B C D, he says: „Goodness by duration is durable, and thus by duration it is the reason why good produces durable good. And since it is great by greatness, as we have just said, it is a triple reason for good to do great, durable good.“ 17
In the next step Llull ,mixes‘ the Principles with the Rules and Questions. For instance, taking the Principle of „truth“ (letter I) and Rule C of „quid“ (remembering that its third and fourth species are what a thing is and what it has in another thing), Llull says that: „By the third species we ask: what is truth in another thing? And we answer that it is the cause whereby things are verifiable. By the fourth species of rule C we ask: what does truth have in another thing? And we answer that it has a habit for verifying the subject in which it exists.“ 18
This is still, you will say, very endogamous. Llull looks as if he is still just stirring the same soup in the same pot, but actually he is laying the foundations for an outward-moving discourse, one in which he will add all sorts of new ingredients to his soup. These new ingredients begin in Part IX with the application of these foundations to the Nine Subjects, which form the fourth column of the Alphabet of the Art. For instance under Subject D of „heaven“ ,mixed‘ with the last species of Question C, „quid“, we are told: „With the fourth species we ask: what does heaven have in another thing? And we answer that heaven has natural dominion over the elements and elemented things, with which it causes natural mobilities in the regions below: the four seasons, days and hours, thunder, lightning, wind, rain, snow, monstrosities, diseases and so on. And it does this because things below receive its mobilities and influences through which it works its effects.“ 19
17 18 19
the eternity of the world (De aeternitate mundi ), trans. C. Vollert/L. H. Kendzierski/P. M. Byrne, Milwaukee 1984. By the time Llull wrote the ,Ars generalis ultima‘, there was no way he could not have been aware of these controversies. So not only was he using the topic of the creation of the world to illustrate the use of his combinatorial mechanisms, but he was also doing it to show how his Art could serve to break down any barrier between faith and reason, and in the process offer solutions to contemporary academic controversies. ROL, vol. 14, 120. Ibid., 166. Ibid., 230.
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In somewhat the same vein, with the Subject of „elementativa“ and the Principle of „truth“, both under the letter I, we have a passage which the hordes of followers who wanted to make Llull into an alchemist were careful not to quote: „The elementative power has true conditions whereby one species cannot transmute itself into another species. And this is how we know that alchemists have reason to weep.“ 20
Finally, this addition of new ingredients to his soup ends with the Hundred Forms, found in Appendix VI below. As can be seen from a brief glance, the list contains an extraordinarily varied assortment of material: philosophy (numbers 14-24, for instance, give the Aristotelian categories), natural science, geometry, etc., and towards the end Llull veers off into more general topics such as chivalry (militia), commerce (mercatura), and navigation (with a mini-treatise, with chart and all, of how to find your way at sea). It should be pointed out that much of this material is more explanatory than demonstrative. This is because the Art does both, and, at this stage at least, tends to limit its demonstrations to the Question B, „utrum“, as we saw before, with the question „Whether the world is eternal“. Finally, as with all works of the Art, the ,Ars generalis ultima‘ ends with a long section of questions, but now with a major difference with respect to all earlier presentations of the Art. In those the solution usually involved explaining what chain of letters one had to apply to solve each question. Here, however, Llull has created in the body of the work a structure in which the answer to every possible question is explicitly or implicitly contained. This is why he can now answer any question by simply referring you back to the place in the main text where you will find the answer. As one recent author has pointed out, if the ,inventive‘ side of the Art refers back to Aristotle’s ,Topics‘, where until now the ,finding‘ of the solution had replaced the Aristotelian maxims with a search among the bric-a`-brac of the Art, now suddenly Llull is telling us that the locus of the answer can be found in the text itself 21. As for the third aspect of this pivotal year, Aristotelian logic, and principally syllogistics, this was a subject which, previous to the ,Logica nova‘ of 1303, Llull had, as we said before, conspicuously avoided 22. Since his main interest in any demonstrative technique was to prove the Articles of the Faith, he undoubtedly far preferred his Art, whose methods had been developed precisely to avoid 20
21
22
Ibid., 257. The „aliqui mystae“ of the ROL text is a mysterious error; the early manuscripts have „alquimiste“ or „alguimiste.“ For a seminal discussion of Llull’s system as both an ars demonstrandi and an ars inveniendi, and hence its relation to Aristotle’s ,Posterior Analytics‘ and ,Topics‘, cf. J. M. Ruiz Simon, L’Art de Ramon Llull i la teoria escola`stica de la cie`ncia, Barcelona 1999. I am not counting his translation of al-Ghazali’s logic done at the very beginning of his career, which one critic has described as a kind of student essay, and five pages on the subject in the ,Aplicacio´ de l’Art general‘ of 1301 which have more to do with the relation between logic and the Art.
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whatever accusations of rationalism standard Aristotelian techniques might have entailed. But now, after discussing the syllogism in the ,Logica nova‘, he begins to use it in a series of works written shortly thereafter. Of course, his new definitions not only give him the propositional bases to do so, but their very un-Aristotelian nature can help him defuse possible objections to what he is doing. What makes this year of 1308 pivotal in this matter is first of all the introduction of the syllogism in actual works of the Art, in the ,Ars generalis ultima‘ and the ,Ars brevis‘, the first and only time he does this 23. Secondly, it was when he presented specific logical techniques which were to take on prime importance in his subsequent writings. Of these, the most important, and the only we have space to discuss here, is that of the finding of the logical „middle“, that is the phrase or word which connects (or explains the necessary connection between) subject and predicate. This he introduces for the first time in four works finished in the first half of the year: the ,Ars generalis ultima‘, the ,Ars brevis‘, the ,Liber de venatione substantiae accidentis et compositi‘, and the ,Ars compendiosa Dei‘. Not only is it introduced in these works, but with equal suddenness it is given an importance such that in the ,Ars generalis ultima‘ he even defines logic as the art of finding „the natural conjunction between subject and predicate“ 24. This importance accorded to the middle was not an invention of Llull’s, but began with Aristotle himself, who made abundantly clear in the ,Posterior Analytics‘ that the middle was essential for any scientific demonstration. The problem was, however, that Aristotle’s formulation - for reasons we will see in a moment - was unacceptable for Llull’s purposes, and it was not till this year of 1308 that he found a way to adapt it to his needs. And this he did in two ways. The first was to provide a method of searching for (inveniendi) the middle, something foreign to scholastic science, which normally separated the dialectical invention of the ,Topics‘ from the demonstrative science of the ,Analytics‘. Suddenly now with the ,Ars generalis ultima‘ and the ,Ars brevis‘, the Third Figure and the Fourth Figure with its corresponding Tabula become instruments for ,finding‘ the middle. And this to the point that in the first of those two works, three pages of the chapter on „The Multiplication of the Fourth Figure“ are taken up with the „finding of many middles“ (De inventione plurium mediorum). 23
24
In the ,Ars generalis ultima‘ Llull discusses it in two places: the first, as already explained, is under the application of ternary combinations in Part VII, and the second is under Form 87 of the Hundred Forms. In the ,Ars brevis‘ there is no explicit discussion of logic, but he there discusses Figure A using predication, something he had never done before; „goodness is great“, „greatness is good“, etc., and then in explaining how the Figure will help the user find the „middle“, cf. ROL, vol. 12, 197 sq.; SW, vol. 1, 582; DI 301. ROL, vol. 14, 365 sq. The same definition appears in the ,Ars brevis‘, cf. ROL, vol. 12, 236; SW, vol. 1, 623; DI 342.
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Llull’s second mode of adaptation had to do with Aristotle’s flat statement that „the middle is the cause, and this is what we are trying to find in every case“ 25. As with his definitions, for a syllogistic method applicable to God it was imperative to discover a way to set up a non-causal middle. The only way to do this was to apply to the problem of the middle a formulation that had accompanied Llull from the beginning of his career. To the two classic Aristotelian demonstrations, the causal one of propter quid, and that by effect, or quia, he had proposed a new one, „per aequiparantiam“, an example of which from an earlier work, the ,Ars demonstrativa‘, will show how it works. There he says that, of the three: „The first is by equivalence [per aequiparantiam], that is to say, when a demonstration is made by means of things equal to one another, as for instance when one demonstrates that God cannot sin, because his power is of the same essence as his will, which in no way desires to sin, and this will is of the same essence as [his] justice, which is completely opposed to sin.“ 26
The equivalent syllogistic demonstration had to be similarly based on the equality of premises. To give a simple example: „Wherever there is infinite goodness and infinite intellect there is infinite equality; but in God there is infinite goodness and infinite intellect; therefore in God there is infinite equality.“ 27
Here the middle of infinite goodness and infinite intellect is on a plane of equality with the major and minor premises. When this is not naturally the case, however, Llull set up an elaborate mechanism to bring about an equality. This is probably best exemplified in the ,Ars compendiosa Dei‘, in which he contrasts his new equalizing technique to the traditional one in which terms are ,superior‘ or ,inferior‘ to one another, a hierarchy symbolized by the Tree of Porphyry in which, for instance, ,being‘ (ens) is superior to ,substance‘, and ,animal‘ is inferior to ,substance‘. „The middle which we wish to investigate is made evident by means of this syllogism: Every animal is a felt substance [substantia sensata]; but every feeling being [sentiens] is an animal; therefore every feeling being is a felt substance. In this syllogism there is no superior or inferior, since all the terms are equal. By reason of this equality the syllogism can be converted, making the major [premise] into the minor and vice versa, and making the predicate into the subject and vice versa, with the middle remaining as it was. Thus we can say: Every animal is a feeling being; but every felt substance is an animal; therefore every felt substance is a feeling being. So, just as in such syllogisms ,animal‘ is the middle for syllogistic reasons, in the same way this act of ,feeling‘ is the middle existing between the things designated by the syllogism for reasons of reality, naturality, primacy, internality, truth and necessity. And the reason 25 26 27
Aristotle, Posterior Analytics, II. 2, 90a6 sq. SW, vol. 1, 317 sq. Logica nova, in: ROL, vol. 23, 102.
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is that without it neither animal, felt substance, nor feeling being could exist. Thus by this investigation we have arrived at the real and natural middle which we intend to use here. And the reason we found such a middle was so that we may conclude necessarily by equality [per aequiparantiam], and not by superior or inferior.“ 28
Notice how by adding various adjectival derivatives of the verb sentire, he has leveled the two premises and conclusion, so that not only do they, as Llull puts it, „necessarily conclude by equality“, but their subjects and predicates can be interchanged, thereby converting the major premise into the minor, and vice versa. For Llull, this business of convertibility is of prime importance, since for him one of the essential characteristics of the Divinity is the convertibility of His attributes with each other and with God himself, something that does not happen naturally in any other realm. In discussing the First Figure in the ,Ars generalis ultima‘, he explains that its circular motion shows „which things convert and which do not, as for instance God and good, which can convert, but not God and angel, goodness and angel, not the latter’s goodness and greatness“ 29. For Llull this even becomes one of the prime definitions of God: „God is the being whose reasons [i. e., dignities] convert [with one another]; indeed, the being whose reasons convert is God.“ 30 Note how the very definition itself is convertible, the second half being an inversion of the first, as with all the other definitions of God in this part of the ,Ars generalis ultima‘. So what Llull has managed to do is to find a syllogistic structure with its accompanying middle which is applicable to the entire ladder of being, including God, and one that fits in closely with the other formulations of his system. As we said before, this was by no means the only logical device he formulated in the year of 1308. In the ,Ars compendiosa Dei‘, in addition to the new-found middle, Llull also introduces the technique of contradictory syllogisms and his systematic use of the (very Anselmian) superlative degree. In the ,Liber de novis fallaciis‘ we get the first full presentation of the fallacy of contradiction, as well as of his system of demonstratio per hypothesim, which is also discussed in the last two works on our list. So, as we pointed out at the beginning of this article, far from convalescing from the disasters of the previous year, Llull used 1308, and principally the ,Ars generalis ultima‘, both to summarize his previous demonstrative techniques in the way he employs the Tabula, and to arrive at a new synthesis based on the ,mixing‘ of its foundations. With the latter technique he had gone from what has been called an „upside-down method“, which starts with the thing to be proven as a hypothesis, to a „right-side-up“ system, which begins with axiomlike foundations and ends up with the thing to be proven. If to this we add the
28 29 30
ROL, vol. 13, 17 sq. ROL, vol. 14, 10 sq. Ibid., 209.
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new syllogistic techniques developed in the logical works written in the same year, we can see how 1308 is pivotal in looking both backwards and forwards in Llull’s system 31.
31
In addition, these developments were among those for which Llull was most remembered in succeeding generations. One has only to look at the website given in Appendix I, to see that the ,Ars generalis ultima‘ is preserved in 37 mss. and was printed ten times before the 19th century, while the ,Ars brevis‘ is preserved in the astounding number of 73 mss. (including a Hebrew translation done in Italy in the 15th century) and was printed 25 times before the 19th century. Both of these works, along with the ,De venatione medii inter subjectum et praedicatum‘, appeared in the anthology printed by Lazarus Zetzner in Strasbourg in 1598, which also contained a much consulted commentary on the ,Ars brevis‘ by Agrippa von Nettesheim, and three commentaries by Giordano Bruno. This anthology became a kind of best-seller, being reprinted in 1607, 1617, and 1651, and appearing in a partial French translation in 1634. It was here that Leibniz, as a young man, studied Llull’s ars combinatoria. Of the other works we have mentioned, the ,Ars compendiosa Dei‘ is preserved in fifteen mss., the ,Liber de novis fallaciis‘ in fourteen, and the ,Liber de experientia realitatis Artis‘ in eighteen. And the work recounting his debates in his prison of Bougie, the ,Disputatio Raimundi christiani et Homeri saraceni‘ is preserved in seventeen mss. (and was printed once in 1510). I give these figures because they are part of the extraordinary aspect of Ramon Llull’s posterity: here was a person who belonged to no religious order or any academic institution, and yet whose works have been preserved in some thousand manuscripts. And clearly his writings of 1308, with the place they found in the Zetzner anthology, occupied a central place in the history of Lullism in the centuries after its founder’s death.
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Appendix I Works finished in 1308: 1. III.77 - Ars brevis [ January, Pisa] 2. III.78 - Ars brevis de inventione juris [ January, Montpellier] 3. III.79 - Liber de venatione substantiae, accidentis et compositi [February, Montpellier] (part of which is a work often printed separately from 1516 on, and then until 1972 thought to be spurious, III.79a - De venatione medii inter subjectum et praedicatum) 4. III.80 - Ars generalis ultima [begun November 1305, Lyon; finished March 1308, Pisa] 5. III.81 - Disputatio Raimundi christiani et Homeri saraceni [April, Pisa] 6. III.82 - Liber de centum signis Dei [May, Pisa] 7. III.83 - Liber clericorum [May, Pisa] 8. III.84 - Ars compendiosa Dei [May, Montpellier] 9. IV.1 - Liber de novis fallaciis [October, Montpellier] 10. IV.2 - Liber de aequalitate potentiarum animae in beatitudine [November, Montpellier] 11. IV.3 - Liber de investigatione vestigiorum productionis divinarum personarum [November, Montpellier] 12. IV.4 - Liber de experientia realitatis Artis ipsius generalis [November, Montpellier] 13. IV.5 - Liber de refugio intellectus [December, Montpellier] (which contains IV.5a - Liber de conversione syllogismi opinativi in demonstrativum cum vicesima fallacia) For further lists of works, bibliography, etc., see the website http://orbita.bib.ub.es/llull/.
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Appendix II Contents of the ,Ars generalis ultima‘ (and of the ,Ars brevis‘): Prologue I. Alphabet II. Four Figures III. Definitions of Principles IV. Questions and Rules V. Table VI. Evacuation of the Third Figure VII. Multiplication of the Fourth Figure VIII. Mixture of Principles and Rules IX. Nine Subjects X. Application (Hundred Forms) XI. Questions XII. Habituation XIII. Methods of Teaching the Art
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Appendix III The four figures of the ,Ars generalis ultima:‘
Arras, Bibliothe`que Municipale, Ms. 78, fol. 1v.
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Appendix IV Definitions of the eighteen principles of the Art 32: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
32
33
34
Goodness is that thing by reason of which good does good 33. Greatness is that by reason of which goodness, duration, etc., are great. Eternity or duration is that by reason of which goodness, etc., endure. Power is that by reason of which goodness, etc., can exist and act. Wisdom is that by reason of which the wise man understands. Will is that by reason of which goodness, greatness, etc., are lovable or desirable. Virtue is the origin of the union of goodness, greatness, and the other principles. Truth is that which is true concerning goodness, greatness, etc. Glory is that bliss in which goodness, greatness, etc., come to rest. Difference is that by reason of which goodness, etc., are clearly distinguishable from one another. Concordance is that by reason of which goodness, etc., accord in one or in several things. Contrariety is the mutual opposition of certain things as a result of different goals. Beginning 34 is that which is found in everything where there is any question of priority. Middle is the subject through which end influences beginning, and beginning reinfluences end, and thus it participates in the nature of both. End is that in which beginning comes to rest. Majority is the image of the immensity of goodness, greatness, etc. Equality is the subject in which the end of concordance, goodness, etc., comes to rest. Minority is the thing close to nothingness.
Ars generalis ultima (ROL, vol. 14, 21 sq.), and Ars brevis (ROL, vol. 12, 212 sq.; SW, vol. 1, 589 sq.; DI 309 sq.). To this definition Llull frequently adds the clearly Neoplatonic trope „and thus good is being and evil is nonbeing“. Principium could also be translated as „principle“ or „origin“.
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Appendix V The Tabula: BCD
CDE
DEF
EFG
FGH
GHI
HIK
BCTB
CDTC
DETD
EFTE
FGTF
GHTG
HITH
BCTC
CDTD
DETE
EFTF
FGTG
GHTH
HITI
BCTD
CDTE
DETF
EFTG
FGTH
GHTI
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EGTE
FHTF
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CETD
DFTE
EGTF
FHTG
GITH
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DTDE
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BTCD
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DTEF
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HTIK
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DETC
EFTD
FGTE
GHTF
HITG
IKTH
CDTC
DETD
EFTE
FGTF
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CDTD
DETE
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GHTH
HITI
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CTBC
DTCD
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CTBD
DTCE
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GTFH
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CTCD
DTDE
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FTFG
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DTBC
ETCD
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GTEF
HTFG
ITGH
KTHI
DTBD
ETCE
FTDF
GTEG
HTFH
ITGI
KTHK
DTCD
ETDE
FTEF
GTFG
HTGH
ITHI
KTIK
TBCD
TCDE
TDEF
TEFG
TFGH
TGHl
THIK
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Appendix VI Centum Formae: 1. entitas
26. immobilitas
51. derivatio
76. similitudo
2. essentia
27. instinctus
52. umbra
77. antecedens et consequens
3. unitas
28. appetitus
53. speculum
78. potentia, objectum et actus
4. pluralitas
29. attractio
54. color
79. generatio, corruptio et privatio
5. natura
30. receptio
55. proportio
80. theologia
6. genus
31. phantasma
56. dispositio
81. philosophia
7. species
32. plenitudo
57. creatio
82. geometria
8. individuitas
33. diffusio
58. praedestinatio
83. astronomia
9. proprietas
34. digestio
59. misericordia
84. arithmetica
10. simplicitas
35. expulsio
60. necessitas
85. musica
11. compositio
36. significatio
61. fortuna
86. rhetorica
12. forma
37. pulchritudo
62. ordinatio
87. logica
13. materia
38. novitas
63. consilium
88. grammatica
14. substantia
39. idea
64. gratia
89. moralitas
15. accidens
40. mathematica
65. perfectio
90. politica
16. quantitas
41. ens in potentia existens
66. declaratio
91. jus
17. qualitas
42. punctuitas
67. transsubstantiatio
92. medicina
18. relatio
43. linea
68. alteratio
93. regimen principis
19. actio
44. triangulus
69. infinitas
94. militia
20. passio
45. quadrangulus
70. deceptio
95. mercatura
21. habitus
46. circulus
71. honor
96. navigatio
22. situs
47. corpus
72. capacitas et incapacitas
97. conscientia
23. tempus
48. figura
73. existentia et agentia
98. praedicatio
24. locus
49. rectitudines generales
74. comprehensio et apprehensio
99. oratio
25. motus
50. monstruositas
75. inventio
100. memoria
Numbers 54-71 and 75 sq. above all have double headings in the ,Ars generalis ultima‘: „De colore et colorato“, „De proportione et proportionato“, etc. In addition, in the ,Ars generalis ultima‘, 80, „Theology“, is preceded by an explanatory note saying that he is now going to show how his „general Art“ is applied to „particular arts“ (ROL, vol. 14, 356), thereby demonstrating not only its generality but how it can help in learning those „particular arts“ which constitute numbers 80100.
Lucca
Tra il ,Convivio‘ e la ,Commedia‘: Dante e il „forte dubitare“ intorno al desiderio naturale di conoscere le sostanze separate Pasquale Porro (Bari) I. Dante e il 1308 Nel 1308 Dante e` in esilio gia` da sei anni. L’anno e` in tutta Europa denso di avvenimenti, come per altro il progetto di questo stesso volume mostra a sufficienza, e non pochi di essi s’intersecano con le vicende personali del poeta, o quanto meno suscitano il suo interesse. Operazioni diplomatiche e militari concorrono a disegnare un diverso assetto geopolitico del continente. Edoardo II sposa la figlia di Filippo il Bello, Isabella. Carlo Roberto d’Angio`, figlio di Carlo Martello, diviene re d’Ungheria, mentre i cavalieri teutonici conquistano Danzica. Ma soprattutto - dopo l’assassinio di Alberto I, e una volta fallito il tentativo, da parte di Clemente V, di far eleggere imperatore Carlo di Valois, fratello di Filippo il Bello - viene eletto imperatore Enrico VII di Lussemburgo. Le speranze riposte da Dante nella figura del nuovo imperatore sono note e potrebbero aver giocato un ruolo non del tutto secondario anche negli sviluppi della sua opera 1. Anche l’Italia settentrionale, per avvicinarci maggiormente ai luoghi propriamente danteschi, e` piuttosto agitata. A Milano, l’irrequieto Guido della Torre viene nominato capitano del popolo a vita; a Ferrara, ad Azzo VIII succedono nello stesso anno il fratello Aldobrandino, il figlio Fresco e il nipote Folco, mentre la citta` cade di fatto sotto il controllo papale. Agli inizi di ottobre, Corso Donati viene ucciso nei pressi del Convento di San Salvi, mentre tenta di fuggire da Firenze (episodio rielaborato drammaticamente da Dante, attraverso le parole di Forese, in Pg. XXIV, 82-87) 2. E` il segno della fine di una stagione per Firenze - quella stessa stagione che aveva costretto il poeta ad allontanarsi dalla sua citta`, come si e` detto, poco piu` di un lustro indietro, agli inizi del 1302 o piu` verosimilmente alla fine del 1301. 1
2
Cf. O. Capitani, Enrico VII, in: Enciclopedia Dantesca (Edizione speciale per la Biblioteca Treccani), Milano 2005, vol. 8, 467-476, anche per le questioni legate all’ipotetica identificazione con il veltro; per un’ulteriore recente messa a punto dell’allegoria del veltro cf. invece S. Cristaldi, La profezia imperfetta. Il veltro e l’escatologia medievale, Caltanissetta 2009. Cf. E. Sestan, Corso Donati, in: Enciclopedia Dantesca (nt. 1), vol. 8, 278-281.
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Pasquale Porro
Non e` per altro semplice - com’e` noto - determinare con esattezza i luoghi e i tempi dell’esilio. Nella ricostruzione classica di Petrocchi 3, Dante potrebbe aver trascorso tutto o gran parte del 1308 a Lucca, presso donna Gentucca (a cui si allude in Pg. XXIV, 37-45); il periodo immediatamente successivo (13091310) e` quello in cui alcuni collocano l’ipotetico viaggio a Parigi di cui fanno menzione (tra gli altri) Villani e il Boccaccio. Ma al di la` delle vicende strettamente biografiche, cio` che piu` conta e` che questi sono di fatto gli anni in cui ha luogo la transizione dal progetto incompiuto del ,Convivio‘ (1304-1307) a quello, destinato a ben altra sorte, della ,Commedia‘ (se e` vero che l’Inferno potrebbe essere stato composto, almeno nella sua forma generale, gia` entro il 1309). Quello del nesso o trapasso tra le due opere e` d’altronde un tema ampiamente discusso nella critica dantesca: Bruno Nardi - per non citare che uno dei nomi piu` autorevoli - vi ha dedicato alcune delle sue pagine piu` dense e importanti (in particolare nel saggio intitolato appunto significativamente „Dal ,Convivio‘ alla ,Commedia‘“) 4. Volendo provare a richiamare (con inevitabile violenza) l’essenziale delle tesi di Nardi, si potrebbe dire che il ,Convivio‘ lascia in sospeso il proprio discorso relativo alle possibilita` autonome della filosofia e al desiderio naturale di sapere per cedere il posto alla ,Monarchia‘, dove viene esposta la ben piu` compiuta dottrina dei due fini ultimi dell’uomo. La ,Monarchia‘ svilupperebbe cosı` lo stesso ideale ,laico‘ o filosofico del ,Convivio‘ intengrandovi una specie di indispensabile fondazione politica: solo la pace garantita dall’Impero (predisposto direttamente da Dio proprio a questo scopo) potrebbe infatti assicurare le condizioni necessarie per pervenire alla beatitudine terrena conseguibile „per phylosophica documenta“ 5. A sua volta la ,Monarchia‘ (che per Nardi sarebbe stata scritta di getto tra il 1307 e il 1308, situandosi appunto tra il ,Convivio‘ e la ,Commedia‘) lascerebbe il passo alla visione profetica della ,Commedia‘, quando Dante - sostituita la donna gentile con Virgilio, e subordinato infine quest’ultimo alla recuperata Beatrice - avrebbe spostato la sua attenzione (in termini profetici) sull’esigenza di una riforma o di un rinnovamento radicale della Chiesa 6: questo slittamento sarebbe reso evidente dal fatto che gia` nella ,Monarchia‘, a dispetto della distinzione e della reciproca autonomia tra i due fini ultimi, la beatitudine di questa vita verrebbe comunque ordinata quadammodo a quella ultraterrena 7. Questo stesso processo evolutivo in tre tappe e` stato riproposto 3 4
5 6 7
G. Petrocchi, Vita di Dante, Roma-Bari 2008 [ed. orig. 1983], in part. c. X, 101-102. B. Nardi, Dal „Convivio“ alla „Commedia“, in: id., Dal „Convivio“ alla „Commedia“. Sei saggi danteschi (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Nuovi studi storici 18), con premessa alla ristampa di O. Capitani, Roma 1992, 37-150. Nardi, Dal „Convivio“ alla „Commedia“ (nt. 4), 108. Nardi, Dal „Convivio“ alla „Commedia“ (nt. 4), in part. 128 e 133. Dante Alighieri, Monarchia, III, xv, 17: „Que quidem veritas ultime questionis non sic stricte recipienda est, ut romanus Princeps in aliquo romano Pontifici non subiaceat, cum mortalis ista felicitas quodammodo ad inmortalem felicitatem ordinetur“; utilizzo l’edizione a cura di B. Nardi, in: Dante Alighieri, Opere minori, vol. 2, Milano-Napoli 1979, qui 502.
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da Nardi anche in altre occasioni. Per non citare che un solo altro esempio, sara` sufficiente richiamare la scansione proposta in Dante e la cultura medievale 8. Nella prima fase, quella appunto del ,Convivio‘, la philosophia non si distinguerebbe in senso stretto dalla teologia, identificandosi di fatto con la Sapienza dei libri salomonici o con il Logos giovanneo, e traendo origine dalla fede; nella seconda fase, quella del ,De monarchia‘, Dante affermerebbe in modo esplicito che il destino naturale dell’uomo si compie con il raggiungimento della felicita` intramondana, in quanto alla beatitudine naturale si puo` pervenire attraverso i gia` menzionati phylosophica documenta, mentre per la beatitudine eterna occorrono documenta spiritualia o revelata; infine, nella ,Commedia‘, Dante si allineerebbe alla tesi piu` tradizionale della subordinazione della filosofia alla teologia. Non e` il caso di soffermarsi qui sulle questioni relative alla datazione della ,Monarchia‘, che l’ipotesi di Nardi - com’e` noto - tende a retrodatare forse eccessivamente, e che sembra dover essere collocata piu` verosimilmente nel periodo veronese. Piuttosto, questa ricostruzione - per quanto condotta con il consueto acume - non elimina del tutto l’ombra di una certa incongruenza (o incoerenza, per usare il termine dello stesso Nardi) 9 nel progetto dantesco: da una parte, la ,Monarchia‘ rappresenterebbe lo sviluppo naturale del ,Convivio‘, in quanto darebbe piu` adeguata e organica fondazione alla tesi secondo cui il desiderio naturale di conoscenza dell’uomo e` finito, e puo` pertanto essere soddisfatto interamente ed esclusivamente dalla filosofia; dall’altra, aprirebbe la via alla ,Commedia‘, perche´ gia` in essa si riconoscerebbe che la beatitudine di questa vita (a cui e` ordinato il desiderio naturale) e` a sua volta ordinata alla beatitudine della vita eterna (tesi assente - ma forse solo apparentemente - nel ,Convivio‘) 10. Insomma, il ,De monarchia‘ intenderebbe fondare piu` organicamente la tesi, esposta nel ,Convivio‘, della chiusura/finitezza/autonomia del desiderio naturale di sapere, per sfociare tuttavia paradossalmente, in conclusione, nella tesi, assai piu` convenzionale, dell’ulteriore apertura di questo stesso desiderio verso un fine soprannaturale. Per di piu`, se davvero nel ,Convivio‘ la filosofia non fosse interamente dissociabile dalla Sapienza biblica o dal Logos giovanneo, non si comprenderebbe perche´ essa debba restare confinata nei limiti di un appetito puramente naturale, precludendosi la possibilita` di indagare le realta` 8
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B. Nardi, La conoscenza umana, in: id., Dante e la cultura medievale, nuova edizione a cura di P. Mazzantini, introd. di T. Gregory, Roma-Bari 1990, 135-172; il saggio era stato pubblicato per la prima volta da Nardi nella Miscellanea dantesca del Giornale storico della letteratura italiana, suppl. 19-21 (1921), 205-245; la prima edizione di Dante e la cultura medievale risale invece al 1942, e la prima edizione della nuova edizione curata da Mazzantini al 1983. Ma cf. anche B. Nardi, Dante e la filosofia, in: id., Il mondo di Dante (Storia e Letteratura 5), Roma 1944, 209-245. Nardi, Dal „Convivio“ alla „Commedia“ (nt. 4), 120: „Dopo quanto abbiamo detto, potrebbe parere un’incoerenza la pretesa di mantenere in piedi la conclusione di un ragionamento di cui si sono abbandonate le premesse filosofiche, che cioe` il desiderio naturale e` capace di essere interamente soddisfatto in questa vita ,per phylosophica documenta‘, indipendentemente dal fine ultraterreno e soprannaturale dell’uomo.“ Cf. nt. 59.
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divine (cioe` la sfera da cui essa stessa promanerebbe), e addirittura di desiderare tale indagine 11. 11
Difficolta` per altro riconosciuta anch’essa dallo stesso Nardi; cf. Nardi, Dante e la filosofia (nt. 8), 225-226: „Eppure in questo sfondo mistico, e in contrasto con la affermazione che la donna gentile e` simbolo, nello stesso tempo, della Sapienza che e` primieramente in Dio e secondariamente nelle intelligenze create, il dubbio dantesco e la soluzione che Dante ne da`, costituiscono un improvviso e ardito spunto veramente razionalistico, perche´ sono il tentativo non solo di distinguere, ma di separare la filosofia umana dalla rivelazione e dalla filosofia divina, sino a renderle in qualche modo estranee l’una all’altra come facevano gli averroisti.“ Ma anche in questo caso Nardi scorgeva nella ,Monarchia‘ l’effettivo superamento del contrasto (228: „Questo dissidio tra due affermazioni, una apertamente mistica, l’altra tendenzialmente razionalistica, dissidio che riflette il carattere della cultura dantista nel Convivio, formata di elementi filosofici frammisti a elementi teologici, non ancora ben fusi tra loro, anzi spesso discordanti gli uni dagli altri, uccidera` la donna gentile come simbolo unitario della Filosofia, e condurra`, nella Monarchia, a una netta separazione della filosofia umana dalla dottrina rivelata.“). In Dante e la filosofia, com’e` noto, Nardi polemizza soprattutto, a proposito del primato della filosofia morale o della metafisica (e/o dell’azione o della contemplazione, anche se le due coppie non sono affatto perfettamente sovrapponibili), con Gilson, il quale in effetti riportava alla tensione azione/contemplazione anche la questione della limitazione del desiderio naturale: „Dante risolve in maniera tanto radicale quanto inattesa il problema cosı` controverso oggi del ,desiderio naturale‘ di Dio. […] Dante si e` semplicemente trovato in una impasse da cui doveva necessariamente uscire, e ne esce per la via piu` corta. L’idea personale a cui ci vuol condurre e` la stessa che anima tutto il Convivio: la ragione filosofica basta a darci la beatitudine quasi perfetta di cui la nostra natura umana e` capace. Dante sa che non e` la beatitudine suprema, ma e` la nostra; e` dunque quella di cui egli si occupa in quest’opera. Seguendo il filo logico del suo argomento celebrare la filosofia sotto l’immagine della misericordiosa donna gentile - egli ha dunque cominciato col collocare la morale al vertice della sapienza; ma appena si e` ricordato della superiorita` della contemplazione sull’azione, Dante ha compreso che l’uomo poteva trovare una felicita` completa nella vita attiva solo a patto di essere liberato dall’infelicita` provocata in lui dal desiderio di una conoscenza e di una beatitudine contemplativa situate al di fuori delle sue possibilita`; ha dunque stabilito senz’altro che l’uomo non desidera conoscere qui cio` che in effetti non puo` conoscere“ (E´. Gilson, Dante e la filosofia, Milano 21996 [ed. orig.: Dante et la philosophie (E´tudes de philosophie me´die´vale 28), Parigi 1939], 133-134). Sulle trasformazioni della donna-Sapienza o meglio ancora della „figura d’amore“ tra ,Convivio‘ e ,Commedia‘ (e cioe` sull’abbandono dello „sforzo di simbiosi“ fra sapienza sacra e profana) cf. naturalmente M. Corti, La felicita` mentale. Nuove prospettive per Cavalcanti e Dante, Torino 1983, poi anche in ead., Scritti su Cavalcanti e Dante, Torino 2003 (in part. il capitolo Nascita, crescita e morte di un’allegoria, 95-116 nell’edizione del 2003). Auerbach, da parte sua, aveva ipotizzato che dopo un periodo di coesistenza nella mente del poeta, il progetto della ,Commedia‘ avesse preso il sopravvento su quello del ,Convivio‘ per un complesso di ragioni: per l’insoddisfazione nei confronti della cornice esteriore di quest’ultimo; per il desiderio di non mostrarsi piu`, „oggettivamente“, nelle vesti dirette di maestro; per le nuove speranze politiche riposte in Enrico VII, che dovevano indurlo ad abbandonare un’impostazione troppo concettuale e speculativa; infine, per il desiderio di unire, come i poeti antichi, dottrina e poesia senza separarle, come nel ,Convivio‘, attraverso la spiegazione letterale e allegorica delle canzoni. Cf. soprattutto E. Auerbach, Dante als Dichter der irdischen Welt, Berlino-Lipsia 1929 (pubblicato in italiano nel volume Studi su Dante, Milano 1963 e successive riedizioni fino al 2008). Maggiore continuita` tra ,Convivio‘ e ,Commedia‘ (fino al punto di considerare quest’ultima come „forma perfettissima“ del primo), ma grazie comunque a una rinnovata lettura degli antichi e di Virgilio in particolare, scorge U. Leo, The Unfinished Convivio and Dante’s Rereading of the Aeneid, in: Mediaeval Studies 13 (1951), 41-64, poi anche in id., Sehen und Wirklichkeit bei Dante (Analecta Romanica 4), Francoforte 1957, 71-104. Ringrazio Andrea Robiglio per aver attirato la mia attenzione su
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Resta il fatto che la transizione tra il ,Convivio‘ e la ,Commedia‘ (lasciando appunto da parte la ,Monarchia‘) segna comunque il passaggio da un progetto puramente filosofico (e` Dante stesso a informarci di voler lasciare nel ,Convivio‘ intenzionalmente da parte Beatrice - la teologia -, in qualunque modo s’intenda poi qui lo statuto della filosofia stessa) a uno di altra natura, il cui soggetto letterale, per stare alla nota indicazione dell’Epistola a Cangrande, e` lo „status animarum post mortem simpliciter sumptus“ 12. Certo, affermare che il mutamento di prospettiva tra ,Convivio‘ e ,Commedia‘ corrisponde sostanzialmente a una presa di congedo dalla filosofia a favore della teologia vuol dire semplificare un po’ troppo le cose; ma e` altrettanto indubitabile che, nel momento in cui interrompe il progetto precedente e comincia a elaborare il nuovo, Dante sembra costretto a ripensare i confini tra i due saperi, e i rispettivi ambiti di competenza. Vorrei allora cercare qui di affrontare questo slittamento (che, come si diceva, ha luogo proprio negli anni intorno al 1308), non nei suoi tratti generali, ma privilegiando un determinato punto prospettico - quello appunto relativo al desiderio naturale di conoscere - e provando a verificare l’esistenza di possibili luoghi paralleli nelle discussioni scolastiche comprese tra gli ultimi decenni del XIII secolo e i primi anni del XIV. Per scongiurare subito ogni equivoco, e` forse opportuno precisare che l’intento non e` tanto quello di stabilire connessioni dirette, quanto quello di gettare luce su alcuni elementi del contesto o meglio ancora dello sfondo dottrinale dell’attivita` intellettuale di Dante, in modo che nella peggiore delle ipotesi - si possa almeno percepire la liberta` (o al limite la disinvoltura) con cui egli si muove rispetto ai dibattiti universitari del suo tempo. II. Scienza e avarizia Non c’e` dubbio che uno degli elementi piu` delicati per interpretare l’intera opera dantesca sia la difesa, sia pur condotta in modi diversi, dell’autonomia rispettiva di filosofia e teologia (a cui corrisponde, sul piano politico, la teoria della doppia beatitudine umana), cosı` come ad esempio ben evidenziato da Ruedi Imbach 13. Si tratta evidentemente di un tema ampiamente dibattuto dai maestri scolastici a partire dalla meta` del XIII secolo (e in particolare dal 1255, con l’adozione dei nuovi statuti da parte della Facolta` delle Arti), e per altro non solo dagli artistae, ma anche - in positivo o in negativo - dai teologi. Cio`
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questo contributo. Lo stesso Robiglio propende per altro per una lettura sostanzialmente continuistica, fondata sul tema della nobilta` e sulla figura di Catone, con cui si chiude l’opera in volgare: cf. A. A. Robiglio, La sera del Convivio. Per un’ermeneutica del progetto filosofico di Dante, dal „Convivio“ alla „Commedia“, in: Letture Classensi 38 (2009), 63-82. Dante Alighieri, Epistole, XIII, viii, 24; adopero l’edizione a cura di A. Frugoni e G. Brugnoli, in: Dante Alighieri, Opere minori, vol. 2 (nt. 7), qui 612. Per La Commedia adopero invece l’edizione curata da A. M. Chiavacci Leonardi, Milano 1991-1997. Cf. in particolare le tesi sviluppate in R. Imbach, Dante, la philosophie et les laı¨cs, Friburgo 1996; ed. ital. Dante, la filosofia e i laici, Genova-Milano 2003.
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che colpisce in Dante, tuttavia, e` il modo in cui l’autonomia della filosofia viene argomentata e difesa nel ,Convivio‘. L’opera e` per cosı` dire attraversata, per la parte condotta a termine, da una tensione difficile da dissimulare: quella tra il desiderio naturale di conoscenza in generale (sottolineato fin dall’inizio del testo, con un riferimento esplicito all’incipit della ,Metafisica‘ aristotelica) e l’assenza invece di un desiderio specifico, altrettanto naturale, di conoscere cio` che eccede la natura stessa. Questa polarita` puo` essere facilmente colta mettendo ad esempio a confronto la discussione sviluppata in ,Convivio‘ IV, xiii, 5-7 a proposito dell’accrescimento della conoscenza con quella contenuta in precedenza, nel terzo libro, sui limiti di tale desiderio. Nel quarto trattato, Dante distingue il desiderio di accrescere indefinitamente la conoscenza da quello - proprio dell’avaro - di accrescere senza fine le proprie ricchezze. Il parallelo non tiene, secondo Dante, perche´ mentre la brama di ricchezza non ha mai veramente un fine o un termine entro cui possa compiersi, la scienza si pone sempre obiettivi determinati, che possono essere raggiunti procurando la felicita` di colui che li persegue: „E cosı` appare che dal desiderio della scienza, la scienza non e` da dire imperfetta sı` come le ricchezze sono da dire per lo loro, come la questione ponea: che´ nel desiderare della scienza successivamente finiscono li desiderii e vienesi a perfezione, e in quello della ricchezza no. Sı` che la questione e` soluta, e non ha luogo.“ 14
A questa conclusione si potrebbe obiettare, come Dante stesso concede, che il raggiungimento di molteplici fini parziali non corrisponde di per se´ al conseguimento del fine ultimo; da questo punto di vista, il desiderio di conoscenza sembra imperfetto, destinato cioe` a rimanere incompiuto: „Ben puote ancora calunniare l’aversario dicendo che, avegna che molti desiderii si compiano nello acquisto della scienza, mai non si viene all’ultimo: che e` quasi simile alla [im]perfezione di quello che non si termina e che e` pur uno.“ 15
Ma la risposta di Dante e` chiara: tutti i desideri naturali possiedono un fine certo, definito, ultimo, e tale e` anche il caso della scienza, che e` appunto di per se´ un desiderio naturale. E` vero, come Dante ancora concede, che non tutti gli uomini pervengono poi di fatto a tale termine, ma cio` non significa assolutamente che tale termine non esista o non sia naturalmente conseguibile: „Ancora qui si risponde che non e` vero cio` che si oppone, cioe` che mai non si viene all’ultimo: che´ li nostri desiderii naturali, sı` come di sopra nel terzo trattato e` mostrato, sono a certo termine discendenti; e quello della scienza e` naturale, sı` che certo termine quello compie, avegna che pochi, per male camminare, compiano la giornata.“ 16
Questa conclusione ha - almeno a prima vista - un sapore spiccatamente averroista, sia perche´ presuppone che il fine ultimo della conoscenza possa es14
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Dante Alighieri, Convivio, IV, xiii, 5; per il testo faccio riferimento all’edizione di F. Brambilla Ageno nell’ambito dell’Edizione Nazionale a cura della Societa` Dantesca Italiana, Firenze 1995. Ibid., IV, xiii, 6. Ibid., IV, xiii, 7.
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sere effettivamente conseguito in questa vita, sia perche´ ci porta in direzione di quella che potremmo definire l’„antropologia averroista“ (in parte ripresa dai maestri parigini della Facolta` delle Arti), secondo cui ,uomo‘ e` in ultima analisi termine equivoco, che si applica propriamente ai filosofi e a coloro che seguono il desiderio naturale di conoscenza, e solo in modo secondario e derivato a tutti gli altri (si pensi al ,De summo bono‘ di Boezio di Dacia o alla ,Philosophia‘ di Alberico di Reims) 17. Nel terzo trattato dello stesso ,Convivio‘ (III, xv, 7-10) - a cui il passo prima citato pure rimanda esplicitamente - Dante sembra mantenere una tesi apparentemente identica, ma in realta`, almeno sotto un determinato aspetto, profondamente discordante. Il problema (l’oggetto del „forte dubitare“) e` in questo caso quello di verificare se davvero la sapienza possa condurre l’uomo alla felicita`. La difficolta`, piu` in particolare, sta proprio nel fatto che l’uomo possiede un desiderio naturale di conoscere, e tuttavia questo desiderio sembra destinato a restare inappagato, perche´ la conoscenza delle cose divine gli rimane preclusa in questa vita: „Veramente puo` qui alcuno forte dubitare come cio` sia, che la sapienza possa fare l’uomo beato, non potendo a lui perfettamente certe cose mostrare; con cio` sia cosa che ’l naturale desiderio sia [nel]l’uomo di sapere, e sanza compiere lo desiderio beato essere non possa.“ 18
Ora, la saldatura tra questa discussione e quella del trattato successivo sta nel fatto che il desiderio di scienza viene considerato strettamente naturale, e che ogni desiderio naturale e` „discendente a certo termine“: „A cio` si puo` chiaramente rispondere che lo desiderio naturale in ciascuna cosa e` misurato secondo la possibilitade della cosa desiderante: altrimenti anderebbe in contrario di se medesimo, che impossibile e`; e la Natura l’averebbe fatto indarno, che e` anche impossibile.“ 19 17
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Per non citare che un altro luogo del ,Convivio‘ che sembra andare in questa stessa direzione, si ricordino anche le affermazioni che precedono il „forte dubitare“: „Questo piacere in altra cosa di qua giu` essere non puo`, se non nel guardare in questi occhi e in questo riso. E la ragione e` questa: che, con cio` sia cosa che ciascuna cosa naturalmente disia la sua perfezione, sanza quella essere non puo` [l’uomo] contento, che e` essere beato; che´ quantunque l’altre cose avesse, sanza questa rimarrebbe in lui desiderio: lo quale essere non puo` colla beatitudine, accio` che la beatitudine sia perfetta cosa, e lo desiderio sia cosa defettiva: che´ nullo desidera quello che ha, ma quello che non ha, che e` manifesto difetto. E in questo sguardo solamente l’umana perfezione s’acquista, cioe` la perfezione della ragione, dalla quale, sı` come da principalissima parte, tutta la nostra essenzia depende; e tutte l’altre nostre operazioni - sentire, nutrire, e tutte sono per questa sola, e questa e` per se´, e non per altre, sı` che, perfetta sia questa, perfetta e` quella, tanto cioe` che l’uomo, in quanto ello e` uomo, [v]ede terminato ogni [suo] desiderio, e cosı` e` beato“ (Convivio, III, xv, 3-4). Per alcune fondamentali osservazioni critiche sulle vicende dell’„antropologia averroista“ (nel Medioevo e nel Rinascimento) cf. L. Bianchi, Filosofi, uomini e bruti. Note per la storia di un’antropologia ,averroista‘, in: id., Studi sull’aristotelismo del Rinascimento (Subsidia Mediaevalia Patavina 5), Padova 2003, 41-61. Dante Alighieri, Convivio, III, xv, 7. Ibid., III, xv, 8.
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E` Dante stesso per altro a istituire una connessione, in questo caso, con l’avarizia, prefigurando cosı` un possibile parallelo con la successiva discussione del quarto trattato; se non fosse limitato, il desiderio si prolungherebbe all’infinito, si trasformerebbe cioe` nel desiderio di continuare a desiderare, senza giungere mai a perfezione: „In contrario anderebbe: che´, desiderando la sua perfezione, desiderrebbe la sua imperfezione; impero` che desiderrebbe se´ sempre desiderare e non compiere mai suo desiderio (e in questo errore cade l’avaro maladetto, e non s’acorge che desidera se´ sempre desiderare, andando dietro al numero impossibile a giugnere).“ 20
Ulteriormente, tale desiderio sarebbe del tutto vano, o frustra, perche´ destinato a non essere ordinato ad alcun fine effettivamente raggiungibile: „Averebbe[lo] anco la Natura fatto indarno, pero` che non sarebbe ad alcuno fine ordinato. E pero` l’umano desiderio e` misurato in questa vita a quella scienza che qui avere si puo`, e quello punto non passa se non per errore, lo quale e` di fuori di naturale intenzione.“ 21
La soluzione di Dante e` nota e, di nuovo, inequivocabile; se il desiderio di conoscenza non puo` essere imperfetto, disordinato e vano, esso non deve estendersi alla conoscenza delle cose divine: „E cosı` e` misurato nella natura angelica e terminato, in quanto, in quella sapienza che la natura di ciascuno puo` apprendere. E questa e` la ragione per che li Santi non hanno tra loro invidia, pero` che ciascuno aggiugne lo fine del suo desiderio, lo quale desiderio e` colla bonta` della natura misurato. Onde, con cio` sia cosa che conoscere di Dio, e di certe altre cose, quello esso e`, non sia possibile alla nostra natura, quello da noi naturalmente non e` desiderato di sapere. E per questo e` la dubitazione soluta.“ 22
Per Dante, dunque, l’uomo non possiede alcun desiderio naturale di conoscere l’essenza divina, e tutto cio` che eccede le sue capacita` naturali. Se quindi inizialmente le discussioni del terzo e del quarto trattato risultano coerenti tra loro, e anzi prospettiche, questa conclusione - che ha sempre turbato gli studiosi di Dante, e soprattutto coloro che leggono e interpretano Dante con un’attenzione privilegiata ai suoi interessi filosofici - segna in realta` una cesura tra i due luoghi: Dante non sembra mostrare, nella soluzione del „forte dubitare“ del terzo trattato, la stessa fiducia nelle possibilita` della scienza e della filosofia che ritroviamo invece nel trattato successivo (dove pure, come Dante stesso ci informa, dovrebbero risultare piu` evidenti i segni di una prima incrinatura dell’amore nei confronti del sapere filosofico). A creare problemi non e` la prima parte dell’ultimo passo citato, che e` la riproposizione di un fondamentale assioma procliano mediato dal ,De causis‘. Cio` che colpisce e` piuttosto la conseguenza che se ne trae, e cioe` che la conoscenza del „cio` che e` “ di Dio e di 20 21 22
Ibid., III, xv, 9. Ibid. Ibid., III, xv, 10.
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„certe altre cose“ rimane preclusa alla nostra natura, e percio` - in quanto la natura non fa nulla invano - non rappresenta un nostro desiderio naturale. Poiche´, senza mezzi termini, si fa qui riferimento a un’impossibilita` strutturale e intrinseca alla natura umana, la tesi e` incontestabilmente piuttosto ardita: per un qualunque magister cristiano, la natura umana e` fatta in modo da trovare il suo compimento nella visione dell’essenza divina, e dunque da aspirare a cio` come al suo fine ultimo. Non e` cosı` forse un caso che nella ,Commedia‘ la posizione insieme originale e radicale del ,Convivio‘ appaia completamente superata; cosı` e` ad esempio in Pg. XXI, 1-6, in cui si afferma esplicitamente che la sete naturale puo` essere placata solo dalla grazia divina: „La sete natural che mai non sazia se non con l’acqua onde la femminetta samaritana domando` la grazia, mi travagliava, e pungeami la fretta per la ’mpacciata via dietro al mio duca, e condoleami a la giusta vendetta.“
E cosı` e` anche, altrettanto esplicitamente, in Pd. IV, 124-126: „Io veggio ben che gia` mai non si sazia nostro intelletto, se’l ver non lo illustra di fuor dal qual nessun vero si spazia.“
Dunque, il desiderio umano di sapere puo` essere quietato solo dalla verita` e dalla grazia divine: senza di esse, sarebbe destinato a rimanere insoddisfatto. Il Dante della ,Commedia‘, a differenza di quello del ,Convivio‘, si allinea cosı` alla dottrina standard dei teologi secondo cui l’uomo possiede comunque un desiderio naturale di conoscere Dio, anche se tale desiderio non puo` trovare un compimento altrettanto naturale, ma solo uno soprannaturale.
III. Dante, Tommaso e gli ,aver roismi‘ Lo scarto tra il ,Convivio‘ e la ,Commedia‘ e` dunque, a questo proposito, evidente e innegabile. E d’altra parte - come si diceva - non e` certo la posizione della ,Commedia‘ a risultare in qualche modo inusuale, se non sorprendente, ma la soluzione al „forte dubitare“ del terzo trattato del ,Convivio‘. Se quest’ultima tesi non e` un’invenzione dantesca (e se non e` una formulazione brachilogica destinata a trarre in inganno proprio per la sua stringatezza), occorre chiedersi da dove Dante abbia potuto mutuare qualcosa di simile. Sommariamente, si potrebbe dire che sono state a questo riguardo seguite due vie principali: (1) una in direzione delle tesi tommasiane (secondo il classico orientamento di Busnelli e Vandelli); (2) l’altra in direzione dell’ambito dei cosiddetti
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,averroisti latini‘ (espressione quanto mai equivoca, e sostanzialmente inappropriata) o, piu` propriamente, degli artistae, dei maestri della Facolta` delle Arti 23. Entrambe queste vie mi sembrano tuttavia difficilmente percorribili. Per quanto riguarda la prima, si puo` immaginare che essa sia stata suggerita da una certa assonanza immediata tra la formulazione dantesca „conoscere di Dio, e di certe altre cose, quello esso e` “ e la convinzione tipica di Tommaso, secondo cui e` impossibile in questa vita cognoscere de Deo quid est, ma solo quia est. Per di piu`, nel capitolo 44 del terzo libro della ,Summa contra Gentiles‘, Tommaso sembra proporre un argomento simile, nella forma, a quello utilizzato da Dante: „Vanum enim est quod est ad finem quem non potest consequi. Cum igitur finis hominis sit felicitas, in quam tendit naturale ipsius desiderium, non potest poni felicitas hominis in eo ad quod homo pervenire non potest: alioquin sequeretur quod homo esset in vanum, et naturale eius desiderium esset inane, quod est impossibile. Quod autem intelligere substantias separatas homini sit impossibile secundum praedictas positiones, ex dictis est manifestum. Non est igitur in tali cognitione substantiarum separatarum felicitas hominis constituta.“ 24
Ma al di la` di cio`, le cose stanno assai diversamente, come per altro Nardi aveva gia` mostrato a sufficienza. Nel capitolo 48 della stessa ,Contra Gentiles‘, Tommaso propone un argomento che procede esattamente in senso opposto rispetto a quello adoperato poi da Dante. E` necessario, osserva Tommaso, che solo il fine ultimo dell’uomo quieti il suo desiderio naturale, anche perche´, quanto piu` uno conosce, tanto piu` desidera conoscere ulteriormente 25. Tuttavia, nella vita terrena, nessun uomo (o nessuno che sia solo uomo) e` mai pervenuto alla conoscenza delle sostanze separate, che rappresentano il vertice dell’intelligi23 24
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Cf., a titolo di esempio, le affermazioni di Nardi riportate nella nt. 11. Thomas de Aquino, Summa contra Gentiles, III, c. 44; faccio riferimento all’edizione leonina (cura et studio fratrum praedicatorum, vol. 14, Roma 1926, 115). Nardi richiamava giustamente l’attenzione, a questo proposito, anche su Summa theologiae, I aII ae, q. 3, art. 8: „[…] dicendum quod ultima et perfecta beatitudo non potest esse nisi in visione divinae essentiae. Ad cuius evidentiam, duo consideranda sunt. Primo quidem, quod homo non est perfecte beatus, quandiu restat sibi aliquid desiderandum et quaerendum. Secundum est, quod uniuscuiusque potentiae perfectio attenditur secundum rationem sui obiecti. Obiectum autem intellectus est quod quid est, idest essentia rei, ut dicitur in III de Anima. Unde intantum procedit perfectio intellectus, inquantum cognoscit essentiam alicuius rei. Si ergo intellectus aliquis cognoscat essentiam alicuius effectus, per quam non possit cognosci essentia causae, ut scilicet sciatur de causa quid est; non dicitur intellectus attingere ad causam simpliciter, quamvis per effectum cognoscere possit de causa an sit. Et ideo remanet naturaliter homini desiderium, cum cognoscit effectum, et scit eum habere causam, ut etiam sciat de causa quid est. Et illud desiderium est admirationis, et causat inquisitionem, ut dicitur in principio Metaphys. Puta si aliquis cognoscens eclipsim solis, considerat quod ex aliqua causa procedit, de qua, quia nescit quid sit, admiratur, et admirando inquirit. Nec ista inquisitio quiescit, quousque perveniat ad cognoscendum essentiam causae. Si igitur intellectus humanus, cognoscens essentiam alicuius effectus creati, non cognoscat de Deo nisi an est; nondum perfectio eius attingit simpliciter ad causam primam, sed remanet ei adhuc naturale desiderium inquirendi causam. Unde nondum est perfecte beatus. Ad perfectam igitur beatitudinem requiritur quod intellectus pertingat ad ipsam essentiam primae causae. Et sic perfectionem suam habebit per unionem ad Deum sicut ad obiectum, in quo solo beatitudo hominis consistit […]“; faccio riferimento in questo caso all’edizione - sempre basata sul testo leonino, ma con una serie di correzioni proposte successivamente dalla stessa Commissio Leonina - pubblicata in un solo volume a Cinisello Balsamo 1962, 31999, qui 574.
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bilita` (e dunque il termine proprio o fine ultimo del desiderio di conoscenza); di conseguenza, la felicita` ultima degli uomini non puo` essere posta in questa vita: „Ultimus finis hominis terminat eius appetitum naturalem, ita quod, eo habito, nihil aliud quaeritur: si enim adhuc movetur ad aliud, nondum habet finem in quo quiescat. Hoc autem in hac vita non est possibile accidere. Quanto enim plus aliquis intelligit, tanto magis in eo desiderium intelligendi augetur, quod est hominibus naturale: nisi forte aliquis sit qui omnia intelligat. Quod in hac vita nulli unquam accidit qui esset solum homo, nec est possibile accidere: cum in hac vita substantias separatas, quae sunt maxime intelligibilia, cognoscere non possimus, ut ostensum est. Non est igitur possibile ultimam hominis felicitatem in hac vita esse.“ 26
Tommaso non omette per altro di considerare l’argomento secondo cui la felicita` e` in generale commisurata al grado e alla capacita` di ciascuna natura; in questo senso, anche la felicita` intellettuale degli uomini dovrebbe essere ritenuta compiuta e perfetta entro i limiti propri della natura umana, cosı` come sembra ad esempio suggerire Aristotele nel primo libro dell’,Etica Nicomachea‘: „Potest autem aliquis dicere quod, cum felicitas sit bonum intellectualis naturae, perfecta et vera felicitas est illorum in quibus natura intellectualis perfecta invenitur, idest in substantiis separatis: in hominibus autem invenitur imperfecta, per modum participationis cuiusdam. Ad veritatem enim intelligendam plene, non nisi per quendam inquisitionis motum pertingere possunt; et ad ea quae sunt secundum naturam maxime intelligibilia, omnino deficiunt, sicut ex dictis patet. Unde nec felicitas, secundum suam perfectam rationem, potest hominibus adesse: sed aliquid ipsius participant, etiam in hac vita. Et haec videtur fuisse sententia Aristotelis de felicitate. Unde in I Ethicorum, ubi inquirit utrum infortunia tollant felicitatem, ostenso quod felicitas sit in operibus virtutis, quae maxime permanentes in hac vita esse videntur, concludit illos quibus talis perfectio in hac vita adest, esse beatos ut homines, quasi non simpliciter ad felicitatem pertingentes, sed modo humano.“ 27
Ma la conclusione di Tommaso resta radicalmente diversa: „Impossibile est naturale desiderium esse inane: natura enim nihil facit frustra. Esset autem inane desiderium naturae si nunquam posset impleri. Est igitur implebile desiderium naturale hominis. Non autem in hac vita, ut ostensum est. Oportet igitur quod impleatur post hanc vitam. Est igitur felicitas ultima hominis post hanc vitam.“ 28 26
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Thomas de Aquino, Summa contra Gentiles, III, c. 48, ed. leon. (nt. 24), 130. La condizione terrena manca per altro, come Tommaso aggiunge, di quella stabilita` che e` essenziale alla felicita` perfetta; cf. ibid.: „Omne quod movetur in finem, desiderat naturaliter stabiliri et quiescere in illo: unde a loco quo corpus naturaliter movetur, non recedit nisi per motum violentum, qui contrariatur appetitui. Felicitas autem est ultimus finis, quem homo naturaliter desiderat. Est igitur hominis desiderium naturale ad hoc quod in felicitate stabiliatur. Nisi igitur cum felicitate pariter immobilem stabilitatem consequatur, nondum est felix, eius desiderio naturali nondum quiescente. Cum igitur aliquis felicitatem consequitur, pariter stabilitatem et quietem consequetur: unde et omnium haec est de felicitate conceptio, quod de sui ratione stabilitatem requirat; propter quod Philosophus dicit, in I Eth., quod non aestimamus felicem esse chamaleontem quendam. In vita autem ista non est aliqua certa stabilitas: cuilibet enim, quantumcumque felix dicatur, possibile est infirmitates et infortunia accidere, quibus impeditur ab operatione, quaecumque sit illa, in qua ponitur felicitas. Non est igitur possibile in hac vita esse ultimam hominis felicitatem.“ Ibid., III, c. 48, ed. leon., 131. Ibid.
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Come risulta evidente, l’assioma secondo cui la natura „nihil facit frustra“ viene usato in senso manifestamente contrario a quello adoperato poi da Dante. Il desiderio naturale sarebbe vano se non potesse essere soddisfatto: ma puo` essere soddisfatto, sia pure non nella condizione terrena, dunque la piena beatitudine non appartiene all’orizzonte terreno. D’altronde, perfino nelle stesse sostanze separate, secondo Tommaso, il desiderio naturale di conoscenza non puo` essere quietato se non dalla visione dell’essenza divina: „Ex cognitione effectuum incitatur desiderium ad cognoscendum causam: unde homines philosophari incoeperunt causas rerum inquirentes. Non quiescit igitur sciendi desiderium, naturaliter omnibus substantiis intellectualibus inditum, nisi, cognitis substantiis effectuum, etiam substantiam causae cognoscant. Per hoc igitur quod substantiae separatae cognoscunt omnium rerum quarum substantias vident, esse Deum causam, non quiescit desiderium naturale in ipsis, nisi etiam ipsius Dei substantiam videant.“ 29
Un aspetto a cui occorre forse prestare attenzione (perche´ avremo modo di tornarci in seguito) e` la divaricazione essenziale che Tommaso pone a questo proposito tra la posizione di Averroe` (e, prima ancora, di Alessandro di Afrodisia) - secondo cui la felicita` e` possibile in questa vita, e tuttavia non attraverso le scienze speculative, ma attraverso la continuatio con le sostanze separate (anche se Averroe` stesso avrebbe in teoria potuto obiettare a Tommaso che la continuatio o copulatio non e` che una conseguenza dell’esercizio delle scienze speculative) e quella di Aristotele, che non riconoscendo altra forma di conoscenza, per l’uomo, al di la` di quella garantita dalle scienze speculative, avrebbe ridimensionato la stessa pretesa umana alla felicita`: „Propter has autem et huiusmodi rationes, Alexander et Averroes posuerunt ultimam hominis felicitatem non esse in cognitione humana, quae est per scientias speculativas, sed per continuationem cum substantia separata, quam esse credebant possibilem homini in hac vita. Quia vero Aristoteles vidit quod non est alia cognitio hominis in hac vita quam per scientias speculativas, posuit hominem non consequi felicitatem perfectam, sed suo modo.“ 30
Da qui la celebre angustia che, per Tommaso, avrebbe turbato simili preclari ingegni - una sofferenza o angoscia da cui ci si puo` affrancare solo ammettendo la possibilita` di conseguire la felicita` perfetta che desideriamo dopo questa vita: „In quo satis apparet quantam angustiam patiebantur hinc inde eorum praeclara ingenia. A quibus angustiis liberabimur si ponamus, secundum probationes praemissas, hominem ad veram felicitatem post hanc vitam pervenire posse, anima hominis immortali existente in quo statu anima intelliget per modum quo intelligunt substantiae separatae […].“ 31
Il fatto che Tommaso alluda esplicitamente alla sofferenza dei filosofi mostra anch’esso in qualche modo l’impossibilita` che questi luoghi possano aver suggerito a Dante la soluzione del dubbio del terzo trattato del ,Convivio‘: sarebbe in 29 30 31
Ibid., III, c. 50, ed. leon., 138. Ibid., III, c. 48, ed. leon., 131. Ibid., III, c. 48, ed. leon., 131 sq.
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effetti curioso che Dante abbia potuto trarre ispirazione da Tommaso nell’affermare la possibilita` di una beatitudine filosofica effettiva (non tormentata dall’impossibilita` di cogliere il proprio oggetto e giungere al proprio fine), quando Tommaso stesso accenna invece all’infelicita` dei filosofi. La genuina tesi tommasiana e` evidentemente quella a cui Dante si attiene nella ,Commedia‘ (nelle terzine prima citate) e non nel ,Convivio‘. Anche la seconda via ricordata in precedenza risulta problematica: la soluzione dantesca al dubbio del terzo trattato pare in effetti contraddire palesemente la fiducia „averroistica“ che sembra invece permeare di se´, come visto, altri luoghi del ,Convivio‘. Sarei anzi tentato di dire (riprendendo in parte quanto gia` sostenuto da Cheneval) 32 che essa ha una portata radicalmente antiaverroista. Si puo` ben dire che gli artistae (sfruttando il varco aperto da Alberto Magno) sostengono che e` proprio del filosofo indagare solo cio` che gli e` accessibile a partire da principıˆ naturali, ma cio` non implica affatto, in generale, la rinuncia alla pretesa di parlare filosoficamente del divino: implica piuttosto la rinuncia a servirsi della rivelazione, ovvero di principıˆ accolti per fede, o di elementi soprannaturali quali i miracoli. Il fine ultimo dell’antropologia ,averroista‘ (frutto in realta` anche della sovrapposizione, operata da Alberto Magno, tra quella propriamente averroista e quella propria dei commentatori bizantini dell’,Etica Nicomachea‘, e in particolare di Eustrazio) 33 e` invece appunto la continuatio con le sostanze separate: si tratta di un desiderio naturale che non puo` essere affatto frustra, altrimenti - come lo stesso Averroe` osserva - non saremmo stati dotati di intelletto. E` certo difficile fissare una posizione standard all’interno della tradizione averroista, ma si potrebbe dire che uno dei suoi nuclei essenziali sta proprio nel fatto che l’uomo ha come destinazione specifica quella di conoscere, e di conoscere cio` che e` massimamente intelligibile (le sostanze separate) per congiungersi a esso; questa e` la sua natura, ed e` pertanto impossibile che egli non abbia un desiderio naturale di conoscere le cose divine 34. Sara` sufficiente richiamare uno dei testi piu` significativi di Averroe` in proposito: 32
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Nel proprio commento alla traduzione tedesca del ,Convivio‘: Dante Alighieri, Das Gastmahl, übersetzt v. T. Ricklin, eingeleitet und kommentiert von F. Cheneval (Philosophische Bibliothek 466), Amburgo 1996-2004. Cf. in proposito M. Trizio, Qui fere in hoc sensu exponunt Aristotelem. Notes on the Byzantine Sources of the Albertinian Notion of „Intellectus Possessus“, in: L. Honnefelder/H. Möhle/ S. Bullido del Barrio (eds.), Via Alberti. Texte - Quellen - Interpretationen (Subsidia Albertina 2), Münster 2009, 79-109. Lo stesso si potrebbe dire di Alberto Magno, altra auctoritas talora indicata come possibile fonte della posizione dantesca. Si prenda ad esempio Metaphysica, XI, 2 c. 35, ed. B. Geyer (Alberti Magni Opera Omnia 16, 2), Münster 1964, 327, ll. 52-59: „Sic ergo patet id quod quaerebatur de intellectu substantiarum divinarum. Est autem attendendum, quod ordo istarum substantiarum talis est, quod semper superior est lux et forma inferioris usque ad motorem primum, qui est lux et forma omnium. Et si quaelibet intelligentia resolvat lumen suum in id quod est sibi causa intelligendi et lux, sic adipiscitur superiorem et lumen eius et illam resolvendo venit in eam quae est ante eam, et sic recurrit usque ad substantiam primam, et inferior omnibus est illa quae est lux et forma intellectus nostri. Et quia nos iam alibi docuimus, qualiter homo adipiscitur intellectum suum, etiam iam ex isto potest sciri, qualiter adepto intellectu proprio adipisci potest intellectum substantiarum divinarum et qualiter ista adeptio stat in intellectu substantiae primae, quae est lux omnium intellectuum et intelligibilium per seipsam. Et cum omnes homines natura scire desiderent et illud
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„D.d. Et, cum difficultas sit duobus modis etc. i. cum difficultas comprehensionis entium est duobus modis, rectum est ut difficultas in rebus, quae sunt in fine veritatis, scilicet in primo principio, et in principiis abstractis a materia sit ex nobis, non ex illis, quoniam, cum abstracta sint intellecta in se naturaliter, et non intellecta quia nos facimus ea esse intellecta, sed quia sunt in se intellecta, sicut formae materiales, difficultas enim in istis est ex se, magis quam a nobis. Et quia dispositio intellectus de re intelligibili est sicut dispositio sensus de re sensibili, assimilavit virtutem intellectus in comprehendendo intellecta abstracta a materia modo debilissimo visui in sentiendo, scilicet vespertilionis, non comprehendendo maximum sensibilium, scilicet Solem. Sed hoc non demonstrat res abstractas intelligere esse impossibile nobis sicut inspicere Solem est impossibile vespertilioni, quoniam, si ita esset, tunc ociose egisset, quia fecit illud, quod est in se naturaliter intellectum, non intellectum ab alio: sicut si fecisset Solem non comprehensum ab aliquo visu.“ 35
E` dunque vero che per Averroe` (come per altro per Aristotele) la difficolta` di conoscere le sostanze separate sta tutta in noi, e non nelle sostanze stesse, e che la nostra comprensione intellettuale si rivela a questo riguardo debolissima, come la capacita` del pipistrello di percepire il sole; ma e` vero anche, come la conclusione del passo mostra chiaramente, che tale conoscenza non e` affatto impossibile: se in effetti il nostro intelletto non fosse in grado di conoscere le sostanze separate, queste ultime risulterebbero „oziosamente“ intelligibili in se´ senza essere di fatto conosciute da nessun intelletto 36. E come e` impensabile
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desiderium naturale stet in fine et ratione et causa omnium intellectuum et intelligibilium, pro certo stabit desiderium in scientia intellectus substantiae primae et propter adipiscendum desiderat scire alia, et quando pervenitur ad ipsum, stat et habet finem felicitatis contemplativae.“ Mi sembra dunque che anche Alberto ammetta: (a) che esista un desiderio naturale di conoscere le sostanze separate, e ancor piu` la sostanza prima; (b) che la conoscenza della sostanza prima sia il vero unico e fine in cui consiste la felicita` contemplativa. Cf. anche nt. 58. Ringrazio poi Sandra Beccarisi e Adriano Oliva per le loro cortesi indicazioni intorno al tema del desiderio naturale di conoscenza in Alberto. Averroes, In Metaph., II, 1, comm. 1, ed. Venetiis 1562, 29raB-C (ho modificato leggermente l’interpunzione e la grafia dell’edizione veneziana; cf. anche l’ed. G. Darms, Freiburg 1966, 5356). Non mi sembra che il passo - che si presenta come la fonte forse piu` probabile (sia pure, come vedremo, in forma rovesciata) dell’argomentazione dantesca - sia stato richiamato ne´ da Vasoli, nel suo commento al ,Convivio‘: Dante Alighieri, Opere minori, I, 2, a cura di C. Vasoli e D. De Robertis, Milano-Napoli 1988, ne´ da Nardi. Sempre per quel che riguarda Averroe`, si puo` poi aggiungere il noto passaggio - che non lascia dubbi sulla naturalita` del desiderio - di In Metaph. XII, comm. 51, ed. Venetiis 1562, fol. 335rD: „ista quaestio est nobilissima omnium, quae sunt de Deo, scilicet scire quid intelligit, et est desiderata ab omnibus naturaliter“ (anche in questo caso sono state normalizzate grafia e interpunzione). La tesi filtra come tale anche nelle Auctoritates Aristotelis: Metaphysica II - Commentator, in: J. Hamesse, Les Auctoritates Aristotelis. Un florile`ge me´die´val. E´tude historique et e´dition critique (Philosophes me´die´vaux 17), Lovanio-Parigi 1974, I, § 63, 120, ll. 93-95: „Quod Aristoteles nostrum intellectum assimilat in intelligendo substantias separatas oculo vespertilionis, non tamen in hoc impossibilitatem demonstrat, sed difficultatem.“ Commenta invece Tommaso, Summa contra Gentiles, III, c. 45, ed. leon. (nt. 24), 117-118: „Propter quod et Aristoteles congruo exemplo usus est: nam oculus vespertilionis nunquam potest videre lucem solis. Quamvis Averroes hoc exemplum depravare nitatur, dicens quod simile non est de intellectu nostro ad substantias separatas, et oculo vespertilionis ad lucem solis, quantum ad impossibilitatem, sed solum quantum ad difficultatem. Quod tali ratione probat ibidem. Quia si illa quae sunt intellecta secundum se, scilicet substantiae separatae, essent nobis impossibiles ad intelligendum, frustra essent: sicut si esset aliquod visibile quod nullo visu videri posset. Quae quidem ratio quam frivola sit, apparet. Etsi enim a nobis nunquam illae substantiae intelligerentur, tamen intelliguntur a seipsis. Unde nec frustra intelligibiles essent: sicut nec sol frustra visibilis est, ut Aristotelis exemplum prosequamur, quia non potest
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che il sole, in quanto massimamente visibile, non sia visto in atto da nessuno sguardo, cosı` e` impossibile che cio` che e` massimamente intelligibile non sia inteso da alcun intelletto, perche´ in tal caso la sua intelligibilita` risulterebbe vana. L’impossibilita` che qualcosa risulti vano o ozioso in natura rende la struttura dell’argomentazione simile a quella poi adoperata da Dante, anche se Averroe` insiste di fatto piu` sull’aspetto per cosı` dire oggettivo (poiche´ le sostanze separate sono massimamente intelligibili, deve esserci un intelletto in grado di conoscerle, altrimenti la loro natura intelligibile sarebbe frustra), mentre Dante sottolinea l’aspetto soggettivo (nel senso moderno, e non scolastico, del termine: un intelletto che non fosse in grado di cogliere il suo oggetto, sarebbe frustra). Ma soprattutto la conclusione - mi sembra - resta anche in questo caso diametralmente opposta: la` dove Dante dice che, poiche´ la natura non fa nulla invano, non puo` aver posto nell’uomo un desiderio impossibile da soddisfare, Averroe` dice che proprio perche´ la natura ci ha dotato di un intelletto e le sostanze separate risultano massimamente intelligibili, una conoscenza di tali sostanze deve risultare accessibile (o almeno non impossibile) in questa vita. La mia impressione e` dunque che, contrariamente a una certa opinione diffusa, Dante non sia affatto qui vicino a tesi ,averroiste‘, ma (consapevolmente o no, questo e` un altro discorso) addirittura agli antipodi di esse. Si potrebbe obiettare che Dante non abbia qui in mente direttamente Averroe`, e/o i suoi lettori e interpreti, ma faccia riferimento a posizioni comunque diffuse nell’ambito dei maestri della Facolta` parigina delle Arti. Recentemente Gianfranco Fioravanti ha avanzato la proposta insieme piu` raffinata e plausibile in questa direzione, suggerendo il nome di Pietro d’Auvergne 37. Alcune espressioni tratte dalle ,Quaestiones super Ethicam‘ di Pietro, sulle quali Fioravanti richiama giustamente l’attenzione, potrebbero in effetti confermare questa ipotesi: l’uomo puo` essere felice in questa vita, secondo quella felicita` che costituisce la sua perfezione, in quanto l’„appetitus, et maxime appetitus primi scibilis, naturaliter inest homini, et ideo non potest esse frustra“. Se rimanesse un desiderio di conoscenza piu` perfetta dopo aver raggiunto la conoscenza del primo („quia habita cognitione Primi in vita ista adhuc quaeritur maior cognitio“) esso risulterebbe irrazionale (in senso stretto) poiche´ la ragione non indica come desiderabile cio` che e` impossibile da conseguire („Ratio enim non dicit illud esse desiderandum quod impossibile est haberi“) 38. Tutta-
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ipsum videre vespertilio; cum possit ipsum videre homo et alia animalia.“ Quanto alle diverse possibilita` di interpretazione, in ambito scolastico, dell’esempio aristotelico, sara` sufficiente rinviare a C. Steel, Der Adler und die Nachteule. Thomas und Albert über die Möglichkeit der Metaphysik (Lectio Albertina 4), Münster 2001: Tommaso intende appunto la metafora come indice di una radicale impossibilita` e non, come Averroe`, di una semplice difficolta`, e rifiuta anche la possibilita`, evocata invece da Alberto Magno, che lo stesso sguardo, scientificamente affinato, possa trasformarsi in quello dell’aquila. Nel commento alla nuova edizione del ,Convivio‘ che lo stesso Fioravanti sta curando per i Meridiani Mondadori. Ringrazio vivamente Gianfranco Fioravanti per avermi dato l’opportunita` di leggere le sue annotazioni prima della pubblicazione del volume. Cf. A. Celano, Peter of Auvergne’s Questions on Books I and II of the Nicomachean Ethics, in: Mediaeval Studies 48 (1986), 1-110, in particolare II, q. 49, 80-81.
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via, proprio questi stessi testi di Pietro potrebbero forse essere letti diversamente: mi sembra in effetti che Pietro, contrariamente a Dante, ponga che il desiderio naturale di conoscere il Primo inerisca a ogni uomo, e aggiunga poi che una volta conosciuto, in questa vita, il Primo, sarebbe inutile (frustra) ogni desiderio ulteriore (come Tommaso per altro aveva gia` osservato nel capitolo 48 del terzo libro della ,Summa contra Gentiles‘). E se e` vero, come Fioravanti ricorda assai opportunamente, che e` propria di Aristotele l’idea che la felicita` umana non possa essere intesa in senso assoluto, ma in rapporto alla limitata conoscenza delle sostanze separate a noi possibile (come attesta, oltre all’,Etica Nicomachea‘, il passaggio del ,De partibus animalium‘ I. 5, 644b31-35, gia` citato da Dante in ,Convivio‘ II, iii, 2), e` vero anche che la tradizione peripatetica (prima bizantina e araba, e poi, sulla scia dell’interpretazione averroista, anche latina) aveva appunto dilatato l’ambito di questa modica cognitio fino all’ideale della copulatio o coniunctio con le sostanze separate: questa e` la fiducia philosophantium a cui faceva in effetti gia` riferimento Alberto Magno 39. IV. Enrico di Gand: l’er rore di Aver roe` e l’er rore dei philosophi Se l’identificazione delle possibili fonti dirette di Dante a proposito della tesi della finitezza del desiderio non e` stata finora del tutto fruttuosa, e` forse opportuno riconsiderare piu` estesamente il contesto, e ripartire dai dati concretamente disponibili - chiedersi cioe` se esista di fatto, negli ultimi decenni del XIII secolo, una discussione intorno all’inesistenza (o alla limitatezza) del desiderio naturale di conoscere Dio e le sostanze separate. A tale interrogativo credo si possa rispondere affermativamente, se si allarga lo sguardo alla produzione teologica dell’ultimo quarto del XIII secolo. Uno dei testi piu` significativi a questo propo39
Sulle implicazioni etiche e antropologiche dell’ideale della congiunzione con le sostanze separate nella seconda meta` del XIII secolo cf. almeno A. de Libera, Averroı¨sme e´thique et philosophie mystique. De la felicite´ intellectuelle a` la vie bienheurese, in: L. Bianchi (ed.), Filosofia e teologia ˆ ge 1), Louvainnel Trecento. Studi in ricordo di Eugenio Randi (Textes et e´tudes du Moyen A la-Neuve 1994, 33-56; C. Steel, Medieval Philosophy: An Impossible Project? Thomas Aquinas and the „Averroistic“ Ideal of Happiness, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter?, Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der S.I.E.P.M., 25. bis 30. August in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlino-New York 1998, 152-174; id., Siger of Brabant versus Thomas Aquinas on the Possibility of Knowing the Separate Substances, in: J. A. Aertsen/K. Emery, Jr./A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte / After the Condemnation of 1277. Philosophy and Theology at the University of Paris in the Last Quarter of the Thirteenth Century. Studies and Texts (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlino-New York 2001, 211-231. Per alcune osservazioni critiche sul legame tra la dottrina della copulatio e il progetto dei philosophi parigini cf. invece G. Fioravanti, La felicita` intellettuale: storiografia e precisazioni, in: M. Bettetini/F. D. Paparella (eds.), Le felicita` nel Medioevo. Atti del Convegno della Societa` Italiana per lo Studio del Pensiero Medievale ˆ ge 31), Louvain-la-Neuve (SISPM), Milano 12-13 settembre 2003 (Textes et e´tudes du Moyen A 2005, 1-12, in particolare 10-12.
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sito mi sembra possa essere rappresentato da una questione tratta dalla ,Summa‘ (ovvero dalla raccolta di ,Quaestiones ordinariae‘) di Enrico di Gand. Come conviene forse ricordare, la ,Summa‘ di Enrico - che rappresenta da questo punto di vista una vera e propria rottura metodologica nell’ambito della teologia scolastica - si apre con un lungo prologo di ben venti questioni (sulle 75 complessive) dedicate esclusivamente alla definizione dello statuto epistemologico della teologia 40. Dapprima Enrico si chiede se sia possibile per l’uomo conoscere qualcosa in generale; poi, una volta precisate, sia pure in generale, le caratteristiche di fondo della conoscenza umana, Enrico passa a considerare il modo in cui qualcosa puo` essere conosciuto (art. II: De modo sciendi ) e successivamente la „qualita` “ di cio` che puo` essere conosciuto, ovvero la delimitazione dello scibile (art. III: De qualitate scibilium). Gia` in questo contesto Enrico osserva, tra l’altro, che, nell’ambito della conoscenza naturale l’uomo non puo` pervenire a conoscere la totalita` degli enti, in ragione dei limiti soggettivi delle capacita` conoscitive (la conoscenza umana e` pur sempre limitata e finita, come limitata e finita e` la natura umana). Una riprova di cio` e` data dal fatto che le stesse scienze filosofiche non includono propriamente nel loro ambito di competenza gli enti spirituali (art. III, q. 3: Utrum contingat hominem scire omnia ex philosophicis scientiis), il che dimostra appunto inequivocabilmente che sulla base delle sue sole facolta` naturali l’uomo non puo` arrivare a conoscere tutti gli enti (q. 4: Utrum contingat hominem scire omnia ex puris naturalibus). Ma se attraverso la sola conoscenza naturale o di origine sensibile l’uomo non e` in grado di risalire in modo adeguato alle sostanze separate e a Dio, egli puo` tuttavia ricevere, per grazia, un aiuto che gli consenta di conoscere cio` che eccede la sua natura, sia per quel che riguarda l’intelletto, sia per cio` che riguarda piu` in generale la sfera della volonta` o l’affectus (q. 5: Utrum contingat hominem scire per gratiam illa quae excedunt naturam). Il passo successivo - quello che qui maggiormente ci interessa - e` per Enrico quello di considerare fino a che punto sia radicato nell’uomo il desiderio di conoscere (art. IV: De appetitu sciendi), a partire dal celebre esordio della ,Metafisica‘ aristotelica secondo cui tutti gli uomini desiderano conoscere per natura. Ora, che l’uomo abbia un desiderio naturale di conoscenza si puo` mostrare innanzi tutto a livello specifico, considerando cioe` le caratteristiche essenziali della specie umana; cio` che contraddistingue quest’ultima e` in definitiva il possesso dell’intelletto, il cui fine ultimo e` conoscere (e di conoscere tutto, dal 40
Cf. in proposito almeno F. Brandariz, La teologı´a como ciencia, segu´n Enrique de Gante, in: Estudios eclesia´sticos 22 (1948), 5-57; A. J. Minnis, The Accessus Extended: Henry of Ghent on the Transmission and Reception of Theology, in: M. D. Jordan/K. Emery, Jr. (eds.), „Ad litteram“: Authoritative Texts and Their Medieval Readers (Notre-Dame Conferences in Medieval Studies 3), Notre-Dame-Londra 1992, 275-326; C. Trottmann, The´ologie et noe´tique au ` la recherche d’un statut, Parigi 1999; P. Porro, La teologia a Parigi dopo Tommaso. XIIIe sie`cle. A Enrico di Gand, Egidio Romano, Goffredo di Fontaines, in: I. Biffi [e. a.], Rinnovamento della „via antiqua“. La creativita` tra il XIII e il XIV secolo (Figure del pensiero medievale 5), MilanoRoma 2009, 165-262.
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momento che, aristotelicamente, l’intelletto e` in potenza tutte le cose). Inoltre, la volonta` umana desidera che ciascuna delle facolta` pervenga a quel fine che e` il suo bene: pertanto anche la volonta` desidera il perfezionamento dell’intelletto, e dunque la conoscenza (art. IV, q. 1). Ma al di la` di cio` che concerne la specie, il desiderio della conoscenza si riscontra in tutti i singoli uomini, sia pure secondo modi e misure diverse, in conformita` al desiderio personale di ciascuno. Tale diversita` puo` essere riportata da una parte alle differenti attitudini individuali, e dall’altra al fatto che alcuni possiedono piu` di altri quella conoscenza imperfetta che fa loro desiderare l’ulteriore perfezione del sapere. Una volta stabilito che il desiderio di conoscenza e` naturale (art. IV, q. 3: Utrum homo naturaliter appetat scire), e riguarda pertanto tutti gli uomini, ci si puo` chiedere se esso si estenda a cio` che eccede la ragione umana, indipendentemente dal fatto che la pura ragione naturale, come mostrato nell’articolo precedente e appena ricordato, possa anche non arrivarci (art. IV, q. 5: Utrum homo appetat scire ea quae notitiam naturalis rationis excedunt). I primi tre argomenti sono particolarmente degni di attenzione - soprattutto il secondo (che accenna all’eventuale inutilita` di un desiderio naturale) e il terzo (che rimanda al passo del Grande Commento di Averroe` alla ,Metafisica‘ gia` richiamato in precedenza): „Circa quintum arguitur quod homo non appetat scire ea quae notitiam naturalis rationis excedunt. Primo sic. Appetitus naturalis non excedit potentiam naturae, quia oritur ex ipsa, et effectus non transcendit causam. Quare cum potentia naturae non potest attingere illa quae eam excedunt, neque eius appetitus ut ea appetat. Secundo sic. Frustra res habet desiderium ad quod non potest attingere; sed ratio naturalis non potest attingere ut cognoscat quae eam excedunt; ergo frustra haberet ad sciendum illa desiderium. Sed nullum desiderium naturale est frustra. Ergo etc. Tertio ex eodem medio contrario modo argumento Averrois super principium II i Metaphysicae sic: ,Comprehensio veritatis eius non est impossibilis, cuius habemus desiderium naturale sciendi, quoniam si esset impossibilis, tunc desiderium esset otiosum‘. Et concessum est quod ,nulla res est otiosa in fundamento naturae et creaturae‘. Sed comprehensio veritatis a ratione naturali eorum est impossibilis quae excedunt eam. Ergo ad sciendum illa non est ei desiderium naturale.“ 41
Mi sembra che si possa dire che troviamo qui, sotto forma di argomenti iniziali, esattamente la stessa tesi che Dante propone nel terzo trattato del ,Convivio‘ come soluzione del „forte dubitare“: un desiderio che non puo` raggiungere cio` verso cui tende e` frustra; la ragione naturale non puo` raggiungere cio` che la eccede; dunque, per non possedere un desiderio frustra, non puo` desiderare la conoscenza di tali nature. Il terzo argomento - lo si sara` notato - piega le tesi di Averroe` contro Averroe` stesso (presupponendo cioe` che la conoscenza di cio` che eccede la ragione naturale sia impossibile), per ottenere questa stessa conclusione. La solutio di Enrico procede tuttavia in direzione opposta. Innanzi tutto, si tratta di rendere ad Averroe` cio` che gli e` proprio: 41
Henricus de Gandavo, Summa, art. IV, q. 5, ed. G. A. Wilson (Henrici de Gandavo Opera Omnia 21), Lovanio 2005, 287-288, ll. 4-21.
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„Averroes, Commentator Philosophi, qui exponens illud II i Metaphysicae, ,dispositio intellectus in anima‘ etc., ponit quod homo ex naturalibus suis possit devenire, ut intelligat primum principium et principia separata post ipsum, diceret quod desiderium hominis esset ad sciendum ea, nec sine illorum adeptione cessaret appetitus.“ 42
In cio` il Commentatore ha pienamente ragione; l’errore sta invece nel modo in cui egli giustifica la sua conclusione (l’esistenza cioe` di tale desiderio naturale di conoscere le sostanze separate), riponendo eccessiva fiducia nelle capacita` della conoscenza naturale: „Sed hoc licet verum sit, tamen error est illud ex quo ponit. Ponit enim quoniam ex pura cognitione naturali quae est ex phantasmatibus de rebus sensibilibus possibile sit devenire in cognitionem quidditatis substantiarum separatarum, quod erroneum est, quia medium cognoscendi ex phantasmatibus limitatum est, ut de substantiis separatis ex sensibilibus sicut ex effectibus earum, amplius non potest homo cognoscere nisi quia sunt, non autem quid sunt nisi in generali, et remanet omnino cognoscendum quid in natura et in substantia sunt in speciali. Cum enim effectus exteriores sunt effectus artis sive substantiae separatae ut ars est, non autem essentiae ut essentia est, in notitiam artis ducere possent ut ars est, non autem in notitiam essentiae ut essentia est. Limitata est ergo in hoc notitia naturalis, ut ad illa cognoscenda attingere non possit, nec ad hoc se extendit lumen agentis, ut dictum est.“ 43
Accanto a quella di Averroe`, occorre poi dar conto di un’altra posizione filosofica: „Philosophi vero ponentes finem humanae cognitionis ex puris naturalibus haberi et in vita ista ex cognitione scientiarum speculativarum et primorum principiorum quantum homini possibile est, et quod in modica cognitione divinorum consistit eius summa perfectio et delectatio, licet non possit attingere ad quidditates substantiarum separatarum et eorum quae apud illas sunt, dicerent quod homo nullum appetitum haberet sciendi illa, ex quo ex suis naturalibus ad ea pervenire non posset, ne ille appetitus esset frustra.“ 44
Dunque, Enrico - come gia` Tommaso in precedenza, e anzi ancor piu` esplicitamente - distingue tra due diverse attitudini: una e` quella di Averroe`, corretta quanto alla tesi generale (e` possibile in senso assoluto avere conoscenza delle sostanze separate, e dunque e` legittimo e naturale averne desiderio), ma erronea quanto al modo, nella misura in cui pone che tale conoscenza sia possibile gia` in questa vita, attraverso le capacita` naturali (si notera` che, a differenza questa volta di Tommaso, Enrico non pretende che l’ideale della continuatio comporti qualcosa di radicalmente diverso dalla conoscenza che trae origine dai fantasmi sensibili). Una conoscenza di questo tipo ci puo` portare al quia delle sostanze separate, non al quid: in altri termini, puo` ad esempio condurci alla dimostrazione dell’esistenza di Dio, ma non alla conoscenza della sua quiddita`. Conoscere Dio a partire dagli effetti significa di fatto conoscere l’ars con cui Egli agisce, non la sua essentia propria. La seconda posizione e` quella di non meglio specificati philosophi, che sulla base dell’impossibilita` di conoscere le sostanze separate (di cui ci e` possibile in 42 43 44
Henricus de Gandavo, Summa, art. IV, q. 5, ed. Wilson (nt. 41), 289, ll. 38-42. Ibid., 289 sq., ll. 42-56. Henricus de Gandavo, Summa, art. IV, q. 5, ed. Wilson (nt. 41), 290, ll. 57-64.
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vita solo una modica cognitio), affermano l’assenza nell’uomo di qualsiasi corrispondente desiderio naturale. E` la tesi fatta poi propria da Dante, evidentemente. Resta da vedere chi possano essere questi „filosofi“. Fioravanti ritiene, non senza fondamento 45, che l’espressione possa essere riferita ai maestri della Facolta` delle Arti (e cio` ci potrebbe ricondurre ad esempio a Pietro d’Auvergne, prima dell’inizio della sua carriera teologica): ma certamente occorrerebbe escludere da questo ambito tutti gli artistae piu` legati alla tradizione peripatetica grecoaraba e all’interpretazione averroista in particolare. Da parte mia, ritengo probabile che Enrico si riferisca piuttosto genericamente a filosofi antichi (come anche l’uso del congiuntivo imperfetto sembra suggerire), e allo stesso Aristotele, sia pur con qualche cautela 46. Questa tesi appare a Enrico piu` deplorevole di quella averroista, poiche´ in questo caso la ragione si richiude su di se´, dal momento che considera strutturalmente impossibile la conoscenza di cio` che le e` superiore, diventando veramente fine a se stessa. L’inammissibilita` di questa impostazione - secondo Enrico si puo` mostrare attraverso tre vie. La prima si fonda sull’affermazione aristotelica secondo cui l’intelletto umano e` in potenza tutti gli intelligibili, e dunque non solo quelli ricavati per astrazione dai sensi (secondo la stessa linea argomentativa che sara` poi sviluppata da Scoto). Le sostanze separate, da parte loro, sono 45
46
Sempre nell’edizione del ,Convivio‘ in corso di pubblicazione nei Meridiani Mondadori, cf. nt. 37. Sull’identificazione tra philosophi e magistri (o professores scientiarum) o philosophi e artistae cf. anche, ad esempio, L. Bianchi, Il vescovo e i filosofi. La condanna parigina del 1277 e l’evoluzione dell’aristotelismo scolastico (Quodlibet 6), Bergamo 1990, in particolare 155-156 e 182. Il riferimento ad Aristotele compare in effetti esplicitamente in una questione dell’articolo precedente. Cf. Henricus de Gandavo, Summa, art. III, q. 3, ed. Wilson (nt. 41), 255, ll. 43-56: „Constat tamen quod non minus substantiae spirituales habent in se scibilia specialiter de eis scienda, quam substantiae corporales, de quibus scientiae particulares philosophiae particularia, ut dictum est, considerant. Quare cum illa particularia scienda circa substantias spirituales nulla pars philosophiae docet, nec universalis nec particularis, patet clarissime quia non contingit homines scire omnia scibilia sibi ex scientiis philosophicis. Unde et Philosophus, qui hoc bene sentiebat, quando occurrebant ei talia quae scientiam philosophicam excedebant, de hoc se non intromisit, sed considerationi alterius commisit, secundum quod de hoc habemus unum exemplum clarum in Iº Ethicorum, ubi quaerit inter alia de felicitate an sit donum Dei; dicit sic: ,Si quidem aliud aliquod deorum est donum hominibus, rationale et felicitatem Dei donum esse, maximum quanto optimum. Sed de hoc erit alterius perscrutationis magis proprium‘.“ Tuttavia, rispondendo nella q. 2 dell’art. VIII alla questione Utrum [theologia] sit necessaria homini, Enrico cita invece il noto passaggio del X libro dell’,Etica Nicomachea‘, in cui, contro Simonide, Aristotele afferma che non bisogna limitare il proprio desiderio di conoscenza solo a cio` che e` umano e mortale (ed. Badius, Parisiis 1518, foll. 64vM-65rM): „Unde et debet illud modicum quod nunc est ex parte et imperfectum, multum ab homine reputari. Philosophi enim qui aliquid ex rebus naturalibus de deo et de divinis sciebant, illo excitati omnem suam notitiam in divina extendere nitebantur. Propter quod contra Simonidem qui suadebat hominibus praetermittenda divina, quasi humanam cognitionem excedentia, inquientem humana debere sapere hominem, et mortalia mortalem, dicit Philosophus in X Ethicorum quod homo debet se trahere ad immortalia et diuina quantum potest. Et ideo quia proximiora immortalibus sunt corpora caelestia, dicit in II Caeli et mundi quod cum de caelestibus quaestiones possunt solvi parva et topica ratione, convenit auditori ut vehemens sit gaudium eius. Et quia adhuc sunt superiores substantiae separatae, de illis dicit XI de animalibus, quod quamvis parum sit quod de substantiis superioribus percipimus, tamen id modicum est magis amatum et desideratum omni cognitione quam de substantiis inferioribus habemus. Ecce qualiter philosophi nobiscum in idipsum nitebantur.“
Tra il ,Convivio‘ e la ,Commedia‘
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intelligibili di per se´: il fatto che non lo siano immediatamente anche per noi dipende da un limite attuale della nostra facolta` conoscitiva, e non da una loro caratteristica intrinseca. Ora, se la conoscenza di tali sostanze ci fosse sempre e del tutto preclusa, esse risulterebbero inutilmente (frustra) intelligibili, cosı` come - secondo l’esempio di Averroe` che ormai ben conosciamo - il sole risulterebbe inutilmente visibile se nessuno fosse mai in grado di vederlo. E non ha qui importanza che la loro intelligibilita` dipenda dalle operazioni puramente naturali del nostro intelletto, o richieda anche, in qualche modo, un ausilio sovrannaturale o, meglio, sovrarazionale: di fatto, allo stesso modo in cui la materia prima si trova ugualmente in potenza verso tutte le sue possibili attualizzazioni, sia naturali che sovrannaturali, anche il nostro intelletto desidera naturalmente tutti gli intelligibili, sia quelli attingibili naturalmente, sia quelli attingibili soprannaturalmente. Anzi, la stessa conoscenza naturale accresce in noi il desiderio di conoscere anche tutto cio` che si pone al di la` di essa: „Sed quod hoc non potest stare apparet triplici via. Prima ex parte intellectus humani, quoniam secundum philosophos ipse est in potentia omnia intelligibilia, sicut sensus sensibilia, et hoc nec solum omnia intelligibilia ex sensibilibus abstracta, sed etiam ex se separata. Cum enim secundum Philosophum ,illa nobis sunt difficile intelligibilia, non propter se, sed propter nos‘, ,non tamen‘, ut ibi dicit Commentator, ,sunt impossibilia nobis intelligi‘. Frustra enim essent facta nobis intelligibilia et numquam ea intelligere possemus, sicut frustra esset sol factus nobis visibilis, si eum nullo modo videre possemus. Sed ita est quod sicut prima materia, si esset in potentia ad formas, ut quasdam posset recipere opere naturae et alias non posset recipere nisi opere supernaturali, omnes tamen tam has quam illas, naturaliter appeteret, sic intellectus humanus, cum sit in potentia ut perficiatur notitia rerum naturalium, quam potest sua actione naturali attingere, et similiter supernaturalium, quam solum potest supernaturaliter attingere, naturaliter appetet tam istam notitiam quam illam, ut nec solum homo ante adeptionem scientiae rerum naturalium appetat illarum notitiam, immo post adeptionem scientiae rerum naturalium appetat etiam notitiam rerum supernaturalium.“ 47
La seconda via concerne direttamente lo statuto e il modo di procedere di ciascuna scienza. Nel cammino del sapere, e` del tutto naturale che si desideri conoscere perfettamente cio` che all’inizio si riconosce di possedere solo in modo imperfetto. Ora, noi sappiamo che la nostra conoscenza delle sostanze separate e` imperfetta (ne conosciamo - come detto - il quia, mentre del quid, come Enrico stesso illustrera` negli articoli successivi della ,Summa‘, abbiamo una notizia solo generica e confusa), e per questo cio` che conosciamo con la pura ragione naturale non puo` quietare il bisogno di conoscenza a cui l’uomo e` essenzialmente orientato, ma ne rappresenta in qualche modo un pungolo. La terza via coincide in realta` con la stessa soluzione fatta propria da Enrico: l’uomo ha cominciato a fare filosofia a partire dal riconoscimento della propria ignoranza e dal desiderio di colmarla. Se quindi l’uomo, in base alle proprie facolta` razionali, giunge ad apprendere l’esistenza di cio` che eccede la sua conoscenza, e riconosce che l’essenza (il quid est) gli e` invece ignota, e` impossibile che non abbia il desiderio di conoscere anche quest’ultima. Un desiderio che, 47
Henricus de Gandavo, Summa, art. IV, q. 5, ed. Wilson (nt. 41), 290-291, ll. 65-83.
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come detto, non si pone in contrasto, ma risulta in qualche modo proporzionale alla conoscenza naturale: perche´ piu` si procede in quest’ultima, piu` si riconosce che essa e` in definitiva inadeguata, e piu` si desidera raggiungere lo scopo ultimo della propria attivita` conoscitiva (Enrico ricorre qui perfino ad un’estensione metaforica del celebre adagio motus in fine velocior). Da qui la conclusione enrichiana: l’uomo possiede un desiderio naturale di andare al di la` dell’ambito della conoscenza naturale. In effetti, l’uomo e` in grado di pervenire a una conoscenza remota, imperfetta quanto si vuole, di Dio e delle altre sostanze separate, ma proprio questa conoscenza imperfetta, ottenuta naturalmente, gli fa desiderare, altrettanto naturalmente, di poter pervenire a una conoscenza perfetta. Fuggire l’ignoranza e` un desiderio naturale: dunque, il desiderio naturale di conoscere culmina nel desiderio altrettanto naturale di vedere Dio (e in questo modo Enrico rielabora anche l’agostiniano inquietum est cor nostrum donec requiescat in Te): „Absolute ergo dicendum quod homo appetit scire ea quae naturalis rationis notitiam excedunt, ita quod per naturam quiescere non potest humanus appetitus, quousque deveniat ad apertam notitiam separatorum, maxime quidditatis et essentiae eius qui est prima veritas, ita quod nihil citra ipsam sedare posset eius appetitum, etiam si videat clare omnes substantias angelicas, immo tunc adhuc amplius desiderium eius ad nudam divinam essentiam videndam excitaretur, quanto esset propinquior fini, et ei magis assimilaretur, secundum quod videmus corpora moveri ad loca sibi naturalia, et tanto velocius moveri quanto magis appropinquant fini. Nullum ergo firmiter scibile potest quietare appetitum hominis in sciendo, sed solummodo illud infinitum in summo cardine rerum constitutum. Cum enim anima naturaliter capax sit summi boni per affectum et summi veri per intellectum, minori impleri non potest, quia quod potest capere maius non potest impleri minori, sed semper maneret aliquid de vacuo quod appeteretur impleri, et ita adhuc etiam non esset quies.“ 48
Si potrebbe tuttavia obiettare che il riconoscimento dell’insufficienza delle nostre capacita` naturali ci proviene dalla fede, e che in questo senso il desiderio di procedere oltre nella conoscenza non puo` essere considerato propriamente naturale. Nella replica al quarto argomento, che esprime questa stessa perplessita`, Enrico ribadisce invece non solo che la percezione della nostra „ignoranza“ si genera in noi „ex puris naturalibus“, ma anche che, ugualmente per natura, siamo a conoscenza del fatto che il nostro intelletto e` in potenza nei confronti di tutto cio` che e` intelligibile, e desidera pertanto realizzarne la conoscenza in atto 49. Per Enrico occorre cosı`, in definitiva, scegliere una via intermedia, evitando gli estremi di due tesi filosofiche opposte: quella dei philosophi, e poi di Dante nel ,Convivio‘, secondo cui il desiderio non puo` protendersi in alcun modo al 48
49
Henricus de Gandavo, Summa, art. IV, q. 5, ed. Wilson (nt. 41), 293, ll. 117-132. Cf. in proposito M. Leone, Metaphysics, Theology and the Natural Desire to Know Separate Substances in Henry of Ghent, in: Quaestio 5 (2005), 513-526. Henricus de Gandavo, Summa, art. IV, q. 5, ed. Wilson (nt. 41), 296, ll. 183-188: „Ad quintum, quod ,cognoscere se posse illa scire non est nisi ex fide‘, dicendum quod non est verum. Immo ex puris naturalibus posset illud cognoscere. Posset enim ex puris naturalibus scire se ad illorum notitiam per se venire non posse et ignorantiam eius experiri et scire quod intellectus hominis esset in potentia ad illa cognoscenda, et ita quod naturaliter illorum notitiam appeteret.“
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di la` di cio` che puo` aspettarsi dalla sua sola natura, perche´ in tal caso sarebbe destinato a rimanere perpetuamente inappagato, rivelandosi cosı` vano; e quella averroista secondo cui gia` in questa vita l’intelletto e` in grado di conoscere le sostanze separate. In tutti e due i casi, sia pure per motivi opposti, si rimarrebbe pur sempre nell’ambito della conoscenza naturale: nell’uno perche´ non si avrebbe il desiderio di andare oltre, nell’altro perche´ anche la conoscenza delle sostanze separate rientrerebbe gia` di per se´ nell’ambito di cio` che e` conoscibile naturalmente. Da qui il disorientamento dei filosofi: „Revera magna est confusio philosophorum, qui haec omnia videre poterant, immo quia necessario viderunt et in se ipsis experimentati sunt, et tamen in infimis perfectionem humanae notitiae posuerunt. Unde et multi eorum ex desiderio quod perceperunt hominem habere ad illa cognoscenda, bene perceperunt quod notitia illarum non esset homini impossibilis, quoniam ‘desiderium naturale non potest esse frustra neque otiosum‘, ut manifeste concludit Averroes super II um Metaphysicae. Et ideo multis et variis modis, sed erroneis conati sunt ostendere quomodo homo ad perfectam notitiam illorum posset in vita ista pervenire. ,Viderunt enim bene‘, ut dicit Augustinus Super Iovianum, ,quo oportebat tendere, sed viam ignoraverunt‘, quae est via fidei, qua oportet prius oculum mentis purgari, ut tandem ad illorum notitiam homo mereatur pervenire, non per naturam, sed per gratiam, nec in hac vita nisi forte ex privilegio speciali, sed in futura. Errabant ergo dicentes separata quoad essentias et quidditates suas cognosci posse ex puris naturalibus, plus dando naturae quam habuerit. Errabant etiam dicentes quod quidditates illae clare ab homine cognosci non possent, quia ex naturalibus ad illas non posset attingere, denegando naturae quod habuit, scilicet potentiam receptivam illius ex dono alterius. Medium est ergo tenendum, scilicet ut notitiam illorum recipere poterit, sed quod propria actione ad illam attingere non poterit.“ 50
Questa conclusione potrebbe essere accostata alla posizione di Tommaso nella ,Summa contra Gentiles‘, almeno per il riferimento all’angustia dei filosofi pagani, che qui diventa confusio (e, poco righe piu` oltre, desperatio). Nelle ultime linee, viene ancora una volta accuratamente distinto, in se´, l’errore dei filosofi: quello di Averroe` per eccesso, quello degli altri per difetto. In tutti e due i casi, i filosofi si sono allontanati dalla rectitudo della ragione: „Et si stetisset philosophus in hoc, nec nimium praesumendo a recta ratione errasset, cognoscens propriam infirmitatem, et ignorantiam, et imperfectionem, compulsus fuisset divinum adiutorium invocare, et percepisset donum quo sciret quomodo ad illorum notitiam ascendere deberet. Sed nunc de proprio ingenio confidens et arrogantia excaecatus in errores a recta ratione deviavit, vel confidendo quod propriis viribus illam notitiam attingere posset vel quod omnino eam percipere non posset, et ita ab eius perceptione in desperationem cecidit. Et per hoc nec se notitiam illorum appetere percepit, quia bene percepisset, si se in naturali rectitudine tenuisset.“ 51
Fin qui Enrico sembra vicino a Tommaso 52. Ma in realta` una delle caratteristiche proprie dell’impianto teologico enrichiano - che lo distanza in modo radi50 51 52
Ibid., 294-295, ll. 135-156. Ibid., 296-297, ll. 188-198. Sulle affinita` e differenze tra la posizione di Tommaso e quella di Enrico intorno alla possibilita` di una conoscenza quidditativa di Dio in via cf. J. A. Aertsen, „Von Gott kann man nichts erkennen, außer daß er ist“ (Satz 215 der Pariser Verurteilung). Die Debatte über die (Un-) möglichkeit einer Gotteserkenntnis quid est, in: Aertsen/Emery, Jr./Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277 (nt. 39), 22-37.
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cale dalla dottrina tommasiana della subalternatio - e` la convinzione che una certa conoscenza delle sostanze separate sia possibile non solo in patria, ma gia` in via: essa non appartiene pero` alla filosofia (la quale, come gia` visto, perviene solo a una conoscenza generica e universale delle realta` separate), ma alla teologia, il cui compito specifico e` quello di procedere a una penetrazione intellettuale dei dati di fede (di trasformare cioe`, entro certi limiti, i credibilia in intelligibilia). Cio` non puo` tuttavia aver luogo in virtu` della sola ragione naturale: serve una luce sovrannaturale, ovvero un lumen speciale che non e` ne´ quello della ragione naturale, ne´ quello della fede, ma qualcosa di intermedio (chiamato percio` anche lumen medium) che sia in grado di innestarsi su quest’ultimo fino a consentire una comprensione di cio` che inizialmente viene solo creduto 53. Non e` il caso di soffermarsi piu` a lungo, in questa sede, su questa dottrina peculiare. Sara` sufficiente ricordare soltanto che, per Enrico, tale lumen non dispensa affatto dalla necessita` della ricerca e dello studio: piuttosto, illumina e guida tale attivita` con una luce diversa. Studio e illuminazione sono cosı` i due pilastri sui quali si regge la scienza teologica, e nessuno dei due puo` essere sufficiente senza l’altro. Puo` invece essere piu` interessante per i nostri scopi considerare brevemente la posizione di uno dei tanti avversari della tesi enrichiana del lumen medium, e cioe` Goffredo di Fontaines. Il contrasto riguarda anche e soprattutto l’evidenza dei principıˆ della teologia, il primo requisito aristotelico per la scientificita` di una disciplina - evidenza che Goffredo, con Tommaso e con Egidio Romano, pretende di ricavare dalla subalternazione della teologia alla scienza di Dio e dei beati, e che Enrico fonda con ben maggiore autonomia epistemica, come detto, proprio sul lume speciale dei teologi stessi. La concezione dello statuto della teologia propria di Goffredo si colloca cosı` agli antipodi di quella enrichiana: al modello della super-scienza elaborato da Enrico, Goffredo contrappone quello di una scienza debole, imperfetta, superiore alla fede per profondita`, ma non realmente per genere. E` soprattutto nei suoi Quodlibeta degli anni Novanta che Goffredo si scaglia con decisione contro l’ideale della scienza teologica cosı` ambiziosamente elaborato da Enrico di Gand e ancor piu` contro la sua dottrina del lumen speciale. Questa rottura e` gia` ad esempio evidente nella q. 7 del ,Quodlibet VIII‘, datato da Glorieux nel 1291 e da Wippel nel 1292-1293. La formulazione stessa della quaestio e` in questo caso significativa: „Utrum in quolibet fideli sit aliquod lumen infusum aliud a lumine fidei“ - „se in qualunque fedele vi sia un qualche lume infuso diverso dal lume della fede“. Non entreremo nel dettaglio dell’argomenta53
Sulla teoria enrichiana del lumen medium o supernaturale cf., oltre agli studi citati alla nt. 40, J. Beumer, Erleuchteter Glaube. Die Theorie Heinrichs von Gent und ihr Fortleben in der Spätscholastik, in: Franziskanische Studien 37 (1955), 129-160; R. Macken, L’illumination divine concernant les ve´rite´s re´ve´le´es chez Henri de Gand, in: Journal philosophique 5 (1985), 261-271; R. Työrinoja, Lumen medium. Henry of Ghent on the Accessibility of Theological Truths, in: G. Holmström-Hintikka (ed.), Medieval Philosophy and Modern Times (Synthese library 288), Dordrecht-Boston-Londra 2000, 161-182.
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zione di Goffredo 54, che intende sostanzialmente negare quello stesso presupposto che costituisce il tratto piu` originale della costruzione enrichiana - il fatto cioe` che scienza e fede non siano necessariamente incompatibili, ma possano coesistere l’una accanto all’altra senza elidersi o svuotarsi a vicenda; per Goffredo, al contrario, e` impossibile che un abito propriamente scientifico sussista accanto alla fede („non videtur quod de his, quae proprie et simpliciter sunt credibilia, possit simul cum fide haberi habitus scientificus proprie dictus“), e pertanto l’ipotesi di un lume speciale che serva a costituire tale abito gli appare del tutto superflua. Tra gli argomenti addotti contro la possibilita` di un’autentica scienza teologica in senso forte, ce n’e` uno tuttavia che merita forse un’attenzione maggiore, perche´ si fonda ancora una volta sul principio averroista (In Metaph., II, 1, comm. 1) secondo cui, se il nostro intelletto non fosse in grado di conoscere le sostanze separate, risulterebbe costituito in vista di un fine che non potrebbe mai raggiungere - cio` che sembra difficile da concedere, perche´ la natura non fa mai nulla invano. „Et potest poni exemplum ad reprobandum dictum istorum, sicut etiam reprobatur ratio Commentatoris ponentis quod substantiae separatae secundum se ipsas possunt apprehendi ab intellectu nostro. Arguit enim in principio secundi Metaphysicae, quod sic, quia si impossibile esset nobis illas substantias intelligere, natura egisset otiose, quia fecit illud quod est in se naturaliter intellectum aliis non esse intellectum ab aliquo sicut si fecisset solem non comprehensum ab aliquo visu. Sed eodem modo potest argui contra. Cum natura ab eo quod est possibile non deficit in omnibus generaliter in quibus est operatio ad consequendum ea quae sunt naturaliter possibilia, sed potius in paucioribus, praecipue quantum ad tales; ergo non debet dici aliquid esse hominibus possibile naturaliter nisi ab aliquibus attingatur. Sed quantumcumque perfecti viatores non pervenerunt ad hoc quod substantias separatas sic secundum se intelligerent; ergo otiose natura egisset talem possibilitatem quae numquam reduceretur ad actum. Ergo cum non sunt inventi qui de talibus talem habuerunt intellectum, supponendum est ex hoc quod hoc non est possibile secundum naturam; sed bene est possibile alio modo; et ideo natura non egit otiose; et cetera.“ 55
Troviamo qui il rovesciamento (esplicito) dell’argomento averroista che avevamo incontrato negli argomenti iniziali della q. 5 dell’art. quarto della ,Summa‘ enrichiana, e che costituisce l’ossatura della soluzione dantesca al „forte dubitare“: poiche´ la natura non e` mai „oziosa“ e non fa nulla invano, nulla deve essere ritenuto naturalmente possibile se non cio` che puo` essere fatto o conseguito almeno da alcuni; ma poiche´, come sembra, nessuno e` pervenuto a una conoscenza adeguata, in questa vita, delle sostanze separate, si deve escludere che la natura abbia previsto questa possibilita`: dunque, non si da` alcuna possibilita` di avere una conoscenza scientifica delle cose divine. Se si obiettasse che l’argomento prova solo che tale conoscenza e` impossibile naturalmente, ma non e` impossibile grazie a un lume superiore (il lumen medium di Enrico), allora si dovrebbe ritenere che Dio non abbia provvisto tutti gli uomini di cio` che sa54 55
Cf. Porro, La teologia a Parigi dopo Tommaso (nt. 40), in particolare 255-258. Cf. J. Hoffmans (ed.), Le huitie`me Quodlibet de Godefroid de Fontaines (texte ine´dit) (Les philosophes belges. Textes et e´tudes 4, 1), Lovanio 1924, 72.
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rebbe invece necessario per conseguire tale conoscenza e tale scienza: ma cosı` non puo` essere, e dunque bisogna fermarsi unicamente a cio` che e` possibile credere (e non conoscere scientificamente) attraverso il lumen fidei. Questo e` in effetti l’autentico nocciolo della posizione di Goffredo: fede e scienza si escludono reciprocamente, e non si puo` pretendere che il compito della teologia sia quello, indicato esplicitamente da Enrico, di comprendere scientificamente i dati di fede, di rendere intelligibilia i credibilia. V. Dante e il rovesciamento dell’arg omento aver roista Possiamo lasciare da parte la contesa Enrico/Goffredo 56: cio` che mi sembra se ne possa trarre e` che abbiamo infine a disposizione almeno due luoghi testuali (uno in forma di argomento da confutare, l’altro nella forma di un argomento fatto proprio) che corrispondono grosso modo alla tesi espressa da Dante nel ,Convivio‘. Ma il contesto di questi due luoghi e` inatteso: non tanto quello del confronto diretto tra filosofia e teologia, ma quello tra due modi di intendere la teologia, e piu` in generale la possibilita` di una vera e propria conoscenza scientifica delle cose divine (possibilita` affermata da Enrico e negata da Goffredo). La filosofia entra in questa disputa in negativo - nella misura in cui, per Enrico, essa pecca per eccesso (Averroe`) o per difetto (altri philosophi ) - o solo di scorcio - nella misura in cui, per Goffredo, il suo statuto scientifico rimane inscalfito, mentre ad essere in questione, e anzi a dover essere fortemente incrinato, e` quello della teologia. Con cio` non intendo affermare che Enrico (in negativo) o Goffredo (in positivo, e dunque piu` plausibilmente) possano costituire in senso stretto la fonte della tesi dantesca, che mi sembra piuttosto rappresentata piu` o meno direttamente, ma in forma rovesciata, dall’argomento sviluppato da Averroe` nel Grande Commento al secondo libro della ,Metafisica‘. Non intendo per altro sostenere, ancor piu` semplicemente, che Dante abbia mai letto Enrico o Goffredo, ma solo che esiste un contesto teologico entro cui l’argomento si colloca, che merita forse di essere ulteriormente approfondito. Cosa potrebbe dunque essere accaduto? L’ipotesi che mi permetto di suggerire e` la seguente. Nel ,Convivio‘ - come sappiamo - Dante intende parlare solo della filosofia (come testimonia la scelta di lasciare programmaticamente da parte Beatrice, ovvero la teologia, menzionata solo di passaggio nel parallelismo tra scienza e cieli). Per difendere l’autonomia della filosofia, deve in qualche modo limitarne le pretese, fare cioe` in modo che non sconfini in cio` che non le e` proprio. Per questo, evita accuratamente, anche nel momento della massima esaltazione della beatitudine filosofica 57, di appropriarsi del nucleo di fondo del 56 57
Mi permetto di rinviare in proposito a Porro, La teologia a Parigi dopo Tommaso (nt. 40). Per una recente rilettura della lode della filosofia e del nesso filosofia-sapienza nel ,Convivio‘ cf. A. Speer, „La bellezza de la sapienza“. Philosophie und Weisheit bei Dante, in: Deutsches Dante-Jahrbuch 79-80 (2005), 15-43.
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progetto averroista - la conoscenza quidditativa su questa terra delle sostanze separate - e lo fa poggiando in parte sull’idea tommasiana che il nostro intelletto possa cogliere in via solo il quia, e non il quid di Dio e delle sostanze separate 58. Il risultato e` un ibrido. Per difendere la possibilita` che la conoscenza naturale possa effettivamente assicurare la felicita`, Dante utilizza un argomento averroista, ma rovesciandolo (come avevano fatto alcuni teologi, e Goffredo in particolare); per mantenere l’indipendenza e la compiutezza della filosofia, la induce a rinunciare al suo desiderio ultimo, a mutilarsi cioe` della pretesa di raggiungere cio` che e` massimamente intelligibile. Dante, in altri termini, preferisce stare dalla parte di quei philosophi che, per riprendere la partizione di Enrico, si accontentano di una modica cognitio del divino, o come ancora si potrebbe dire, enfatizzando i termini: Dante sceglie qui un ipotetico Aristotele senza Averroe`, ma intorno a una questione in cui, per i teologi, la posizione di Averroe` risultava invece paradossalmente preferibile a quella del Filosofo (o degli altri suoi interpreti)! Nella ,Commedia‘, la preoccupazione che sottendeva la tensione del ,Convivio‘ non e` piu` necessaria, perche´ la prospettiva e` ormai diversa; e tuttavia ne rimangono forse delle tracce, che potrebbero per esempio dirci qualcosa anche a proposito della scelta di collocare Sigieri in Paradiso e Ulisse, simbolo del desiderio di seguire sı` „virtute e canoscenza“, ma travalicando il limite, nell’Inferno. Cio` che mi sembra si possa aggiungere, e` che questa traiettoria non comporta affatto, come e` stato anche autorevolmente sostenuto, una radicale presa di distanza dalla precedente adesione all’averroismo: sulla questione del desiderio naturale di conoscere le sostanze separate (punto assolutamente centrale dell’averroismo) Dante non e` stato mai, in senso stretto, averroista. Se cosı` e`, la transizione tra le due opere appare forse meno drammatica, e la tesi stessa della limitazione del desiderio naturale di conoscenza appare meno eccentrica: Dante potrebbe in realta` aver avuto sentore delle discussioni teologiche a lui contemporanee (tenendo conto della grande influenza che le tesi di Enrico e Goffredo esercitavano agli inizi del XIV secolo) sulla possibilita` di conoscere scientificamente le realta` divine e di tracciare una nuova demarcazione tra filosofia e teologia. Una demarcazione che non toccava tanto la filosofia, quanto soprattutto la teologia: se infatti si pone che una conoscenza delle realta` divine e` scientificamente impossibile, essa rimane affidata alla fede, e non puo` neppure rappresentare un desiderio naturale dell’uomo. La conoscenza del divino slitta cosı` piu` decisamente nell’ambito del soprannaturale: se non ci fosse 58
Gia` Fioravanti notava per altro che intorno a questo punto specifico Dante appare di fatto piu` vicino a Tommaso che ad Alberto Magno; cf. G. Fioravanti, Dante e Alberto Magno, in A. Ghisalberti (ed.), Il pensiero filosofico e teologico di Dante Alighieri, Milano 2001, 93-102, in particolare 101-102: sostenere che la conoscenza di Dio e delle sostanze separate sia limitata a cio` che possiamo ricavare dai loro effetti, e` „una posizione del tutto opposta a quella di Alberto, una posizione che il maestro di Colonia combatte ripetutamente come uno dei tanti errores latinorum (cf. De anima, II, 3, 10, ed. Stroick, Opera Omnia, vol. VII, 1, 220) e che, almeno in questo caso, accomuna decisamente l’Alighieri a Tommaso“.
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stata la rivelazione, in altri termini, probabilmente gli uomini non avrebbero avuto il desiderio di approfondire la conoscenza delle realta` divine, e se la rivelazione e` oltre la natura, lo e` anche il desiderio a cui essa da` origine 59. Filosofia e teologia vengono cosı` a trovarsi in una configurazione nuova, diversa da quella degli artistae e da quella di Tommaso (a cui pure Goffredo e` per molti altri 59
Si puo` per altro sostenere che anche nel ,Convivio‘ il desiderio di conoscere le realta` divine non sia del tutto assente, ma non sia in senso stretto naturale; cf. ad esempio Convivio III, xiv, 1314: „lo sguardo di questa donna fu a noi cosı` largamente ordinato, non pur per la faccia, che ella ne dimostra, vedere, ma per le cose che ne tiene celate desiderare ad acquistare. Onde, sı` come per lei molto di quello che si vede per ragione, e per consequente si vede poter essere, che sanza lei pare maraviglia, cosı` per lei si crede ogni miracolo in piu` alto intelletto pote[r] avere ragione, e per consequente pote[r] essere“; IV, xxii, 4-5: „Sı` come detto e` di sopra, della divina bontade, in noi seminata e infusa dal principio della nostra generazione, nasce uno rampollo che li Greci chiamano ,horme´n‘, cioe` appetito d’animo naturale. E sı` come nelle biade che, quando nascono, dal principio hanno quasi una similitudine nell’erba essendo, e poi si vengono per processo [di tempo] dissimigliando; cosı` questo naturale appetito, che [de]lla divina grazia surge, dal principio quasi si mostra non dissimile a quello che pur da natura nudamente viene, ma con esso, sı` come l’erbate quasi di diversi biadi, si simiglia. E non pur [nel]li uomini, ma e nelli uomini e nelle bestie ha similitudine; e questo [in questo] appare, che ogni animale, sı` come elli e` nato, sı` razionale come bruto, se medesimo ama, e teme e fugge quelle cose che a lui sono contrarie, e quelle odia.“ Per di piu`, numerosi passaggi dell’opera presentano gia` in qualche modo (prima della ,Monarchia‘ e della ,Commedia‘) un ordinamento prospettico tra la beatitudine filosofica terrena e quella in patria, a partire dalle stesse affermazioni che precedono il „forte dubitare“, cf. Convivio, III, xv, 2: „in queste due cose [scil. le ,demonstrazioni‘ e le ,persuasioni‘ filosofiche] si sente quel piacere altissimo di beatitudine, lo quale e` massimo bene in Paradiso“; Convivio, III, xv, 5: „Dunque si vede come ne l’aspetto di costei de le cose di Paradiso appaiono.“ Infine, e` appena il caso di ricordare che in Convivio, IV, xii, 14-17 (e dunque nella discussione immediatamente precedente a quella relativa all’apparente somiglianza tra scienza e avarizia, da cui siamo partiti), Dante sembra suggerire che lo stesso desiderio naturale di ritorno dell’anima a Dio dipenda dal fatto che Dio e` causa dell’anima: „lo sommo desiderio di ciascuna cosa, e prima dalla natura dato, e` lo ritornare allo suo principio. E pero` che Dio e` principio de le nostre anime e fattore di quelle simili a se´ (sı` come e` scritto: ,Facciamo l’uomo ad imagine e simiglianza nostra‘), essa anima massimamente desidera di tornare a quello. E sı` come peregrino che va per una via per la quale mai non fue, che ogni casa che da lungi vede crede che sia l’albergo, e non trovando cio` essere, dirizza la credenza all’altra, e cosı` di casa in casa, tanto che all’albergo viene; cosı` l’anima nostra, incontanente che nel nuovo e mai non fatto cammino di questa vita entra, dirizza li occhi al termine del suo sommo bene, e pero`, qualunque cosa vede che paia in se´ avere alcuno bene, crede che sia esso. E perche´ la sua conoscenza prima e` imperfetta per non essere esperta ne´ dottrinata, piccioli beni le paiono grandi, e pero` da quelli comincia prima a desiderare. Onde vedemo li parvuli desiderare massimamente un pomo; e poi, piu` procedendo, desiderare uno augellino; e poi, piu` oltre, desiderare bel vestimento; e poi lo cavallo; e poi una donna; e poi ricchezza non grande, e poi grande, e poi piu`. E questo incontra perche´ in nulla di queste cose truova quella che va cercando, e credela trovare piu` oltre. Per che vedere si puo` che l’uno desiderabile sta dinanzi all’altro alli occhi della nostra anima per modo quasi piramidale, che‘l minimo li cuopre prima tutti, ed e` quasi punta dell’ultimo desiderabile, che e` Dio, quasi base di tutti. Sı` che, quanto dalla punta ver la base piu` si procede, maggiori apariscono li desiderabili; e questa e` la ragione per che, acquistando, li desiderii umani si fanno piu` ampii, l’uno appresso dell’altro.“ Per alcune osservazioni su questo passo cf. S. Gentili, L’uomo aristotelico alle origini della letteratura italiana, prefazione di P. Dronke, Roma 2005, in particolare 191-196.
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aspetti vicino). Non e` forse un caso che piu` o meno negli stessi anni in cui Dante maturava la transizione dal progetto del ,Convivio‘ a quello della ,Commedia‘, Duns Scoto procedeva nel celebre Prologo dell’,Ordinatio‘ a una nuova radicale riarticolazione del rapporto tra metafisica e teologia, che poneva quasi definitivamente fine alla stagione precedente (quella di Tommaso e Enrico di Gand), basata sull’ipotesi di un ordinamento prospettico, per cosı` dire, dei due saperi, e suggeriva invece che essi non potevano comunicare immediatamente proprio perche´ i filosofi non avevano alcuna consapevolezza della perfezione e del fine soprannaturale dell’uomo. Ma questa e` un’altra storia, sia pure anch’essa legata (e ben piu` direttamente) al 1308 *.
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La stesura di questo contributo rientra nel Progetto „Soggetto e statuto della filosofia nel Medioevo. Nuove prospettive di ricerca nell’edizione critica dei testi e nelle metodologie di indagine storiografica“ (MIUR - Programmi per l’incentivazione del processo di internazionalizzazione del sistema universitario, D.M. 5 agosto 2004 n. 262, art. 23; Bando InterLink 2004-2006), in collaborazione con il Thomas-Institut der Universität zu Köln. Desidero poi ringraziare Marienza Benedetto e soprattutto Giusi Strummiello per i loro preziosi suggerimenti. Segnalo infine che e` di imminente pubblicazione un alteso volume di Paolo Falzone che rappresentera´ senza dubbio un nuovo punto di riferimento imprescindibile sulla questione: P. Falzone, Desiderio della scienza e desiderio di Dio nel Convivio di Dante (Istituto Italiano per gli Studi Storici), Bologna [in corso di stampa].
Siena
The Madonna Protectress of Siena in the ,Maesta`‘ Altarpiece by Duccio (1308-1311) Antonina Sahaydachny (New York) „To thee unconquered Queen I thy city from danger freed, An offering of thanks inscribe. O Forth-bringer of God! Yet for thy unconquerable might, Free me from all hurt That I may sing to thee. Hail O Bride unbrided.“ Akathistos Hymn (ca.7th C.) 1 „Holy Mother of God! May you be the source of repose for Siena. May you be life for Duccio. For thus has he painted you.“ Duccio’s Inscription on the throne of the ,Maesta`‘ (1308-1311) 2
In 1308, the people of Siena decided to commission a representation of the Madonna suitable for the main altar of their Duomo. Accordingly, they signed a contract with the foremost Sienese artist of the day, Duccio di Buoninsegna, to paint a magnificent panel known as the ,Maesta`‘. When it was installed in a solemn procession through the streets of Siena in 1311, this panel was the third and largest representation of the Madonna to grace the altar of the Duomo in a century 3. The commission for the ,Maesta`‘ and the two preceding panels was 1
V. McNabb (trans.), Ode in Honour of the Most Holy Immaculate Most Glorious Lady Mother of God and Ever Virgin Mary, Oxford 1947, I: „Tη˜ y«περμα´ χì στρατηγì˜ τα` νικητη´ ρια / v« λυτρωθεi˜σα τv˜ ν δεινv˜ ν εyœχαριστη´ ρια / αœ ναγρα´ φω σοι h« πο´ λι σου, θεοτο´ κε· / αœ λλÅ v« eχουσα το` κρα´ το αœ προσμα´ χητον / eœκ παντοι´ων με κινδυ´ νων eœλευθε´ ρωσον, / iνα κρα´ ζω σοι∑ Xαi˜ρε, νυ´ μφη αœ νυ´ μφευτε.“ Kontakion [ Kοντα´ κιον ] from the Akathistos Hymn [ ÅAκα´ θιστο Y»μνο ] (standing hymn), the old-
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est known hymn to the Virgin Mary. Cf. C. A. Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica, Wiener Byzantinischen Studien 5, Wien 1968, 29-30. In the Eastern liturgy this entire acrostic hymn is sung, while standing, on the fifth Saturday in Lent. The Prooemuim verse cited here which is specific to the feast of the day, is often dated to the suppression of the siege of Constantinople in 646. Cf. G. G. Meersseman, Der Hymnos Akathistos im Abendland, Fribourg 1958, 36 sqq.; cf. also nt. 6 below. „Mater S[an]c[t ]a Dei sis causa Senis requiei. Sis Duccio vita te quia pinxit ita.“ For an examination of the significance of artistic inscriptions at this time cf. R. Goffen, Signatures: Inscribing Identity in Italian Renaissance Art, in: Viator 32 (2002), 303-370. For this inscription by Duccio cf. op. cit. 305 sq. Duccio and the ,Maesta`‘ have been the subject of much study recently after a hiatus of centuries during which Duccio was largely forgotten, except in Siena. Cf. D. Norman, Duccio The Recovery of a Reputation, in: ead. (ed.), Siena, Florence, and Padua: Art, Society, and Religion 12801400, New Haven 1995, vol. 1, 49 sqq. Regrettably, the ,Maesta`‘ was sawn apart in Siena in 1771 and many individual scenes are dispersed in various museums and collections worldwide. Some
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in keeping with a very old tradition of invoking the protection of the Madonna by honoring her image. This tradition of imaging the Madonna evolved from the need to have an authentic likeness of the divine prototype 4. The suitability of such a likeness derives from its proximity to earlier images. The authenticity of these images is vested in their ability to summon divine protection 5. In this way, the artistic image becomes a sanctuary where the protective presence of the divine prototype can be secured. This paper will present evidence supporting the argument that Duccio fulfilled the 1308 commission by painting a panel for the high altar which brings the destiny of the Madonna as Mother of God and Queen together with the destiny of Siena by creating a sanctuary for her and for her divine son on the altar of the Duomo in Siena. In so doing, Duccio presents Siena as the Madonna’s locus sanctus thus reaffirming her eternal protection of Siena and her intercession for the Sienese people. The paper is divided into the following four sections: Section I introduces the idea that the image of the Madonna invokes her protection and places this idea within the Sienese context of the 1308 commission for the ,Maesta`‘; Section II of this paper discusses distinguishing features of the two earlier representations of the Madonna on the high altar of the Duomo - the ,Madonna degli occhi grossi‘ and the ,Madonna del voto‘. Each of these images symbolizes the commitment of the Madonna to the people of Siena and their reciprocal devotion to her at specific points in Sienese history; Section III of this paper explores the Sienese perception of the Madonna which was changed by the installation of the ,Maesta`‘ within the context of the Duomo as it was then configured. To do this, the paper describes the solemn procession of 1311 from Duccio’s studio through the streets of Siena to the
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scenes remain missing. Cf. J. White, Measurement, Design and Carpentry in Duccio’s Maesta`: Part I, in: The Art Bulletin 55, 3 (1973), 334-366. Controversy surrounds the original arrangement of the scenes, particularly those in the back panel of Christ’s public life, passion, death and resurrection. For possible original disposition of the ,Maesta`‘, cf. J. H. Stubblebine, Duccio di Buoninsegna and His School, Princeton (NJ) 1979, 2 vols. Cf. also J. White, Duccio: Tuscan Art and the Medieval Workshop, New York 1979; F. Deuchler, Duccio Doctus: New Readings for the Maesta`, in: The Art Bulletin 61, 4 (1979), 541-549; id., Duccio, Milan 1984; A. Weber, Duccio di Buoninsegna um 1255-1319, Köln 1997. For a complete and magnificent photographic documentary of the ,Maesta`‘ with extensive photographic details and essay cf. L. Bellosi, La Maesta`, Milan 1998, also in English: L. Bellosi. The Maesta`, London 1999. For a thoughtful and systematic consideration of the development and refinement of the idea of prototype and image through the iconoclastic controversies cf. J. Pelikan, Imago Dei: The Byzantine Apologia for Icons (Bollingen Series 35, 36), Princeton 1990. Hans Belting, for example notes that, „images were not freely invented but derived their authority from allusions and partial quotations. […] It was thus desirable always to maintain links to previous icons through which the Madonna had already demonstrated her power.“ For an examination of the many sources of the tradition of artistic religious images cf. H. Belting, Likeness and Presence: A History of the Image before the Era of Art, trans. E. Jephcott, Chicago 1994, 390.
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Duomo which preceded the installation of the ,Maesta`‘ on the high altar. In the course of recreating this procession, this section considers exemplary images of scenes from the life of the Madonna on the facX ade of the Duomo, on the marble pulpit, and on the stained glass oculus window; Section IV of this paper brings together observations from the preceding sections to illuminate how Sienese identity and culture - Senesita` - developed in tandem with the creation and installation of the ,Maesta`‘ thereby publicly reaffirming the Madonna’s special relationship with Siena. I. T he Madonna Protectress and Her Imag e The ancient Akathistos hymn of the Byzantine liturgy which is addressed to the Mother of God and Protectress of the City introduces the paean to the Virgin Mary cited above. The chorus then greets her with such salutations as: „Hail, O Land of the boundless God! Hail, O Gate of the Sublime Mystery!“ 6 Connecting the Madonna to the idea of locus sanctus in this manner is a very ancient practice. Since antiquity, the sacred artistic image has been associated with the active presence of its celestial prototype 7. The evolution of this association between image and prototype has been linked historically in the Christian tradition to images of the Madonna as Mother of God. The reason for this association is most clearly signified in the Byzantine name for the Madonna, namely ,Theotokos‘ [ Ueoto¬kow ] which means ,Bearer of God‘ 8. In this sense, the Madonna herself is the locus sanctus of God incarnate. This tradition of Marian images goes back to St. Luke the Evangelist who, according to legend, painted the first icon of Mary after Pentecost using Mary herself as model 9. By the fourth century, the Virgin Mary was identified with images including the Burning Bush of the Old Testament. For this reason, a chapel was built in 6
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(Eikos) 8: „Xαi˜ρε θεου˜ αœ χωρη´ του χω´ ρα / χαi˜ρε σεπτου˜ μυστηρι´ου θυ´ ρα!“ The division of the hymn varies among scholars. Cf. Trypanis, Cantica (nt. 1), 35-36. Also E. Wellesz, The „Akathistos“: A Study in Byzantine Hymnography, in: Dumbarton Oaks Papers 9/10 (1956), 141174. For an exploration of the Marian imagery in this hymn and the possible links to the Council of Ephesus (431) cf. L. M. Peltomaa, The Image of the Virgin Mary in the Akathistos Hymn (The Medieval Mediterranean 35), Leiden 2001. For a study of Byzantine wall paintings depicting scenes from the Akathistos during the 14th century, with infomation about the hymn, cf. A. Pätzold, Der Akathistos-Hymnos: Die Bilderzyklen in der Byzantinischen Wandmalerei des 14. Jahrhunderts, Stuttgart 1989. Cf. Pelikan, Imago (nt. 4), 67-98; G. Ladner, The Concept of the Image in the Greek Fathers and the Byzantine Iconoclastic Controversy, in: Dumbarton Oaks Papers 7 (1953), 1-34; H. von Balthasar, Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik, Einsiedeln 1961, vol. 1; E. Kitzinger, The Cult of Images in the Age before Iconoclasm, in: Dumbarton Oaks Papers 8 (1954), 83150. Cf. Pelikan, Imago (nt. 4), 121-151. Cf. S. der Nersessian, Two Images of the Virgin in the Dumbarton Oaks Collection, in: Dumbarton Oaks Papers 14 (1960), 69-86, here 74.
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her honor by Empress Helena, Emperor Constantine’s mother, on the sacred site of the Burning Bush in the Sinai Desert 10. In the sixth century, Emperor Justinian built a monastery with a basilica over this chapel 11. In this basilica, a singular apse mosaic commissioned by Justinian represents the Transfiguration of Christ - the manifestation of Christ’s divinity in a visible image 12. Significantly, this mosaic also contains the first representation of a Deesis, the image of Christ joined with the image of Mary and with that of John the Baptist. This triad symbolizes the transition from the Old to the New Testament and Mary’s role as Mother of God and as mediator between God and humanity. Over the apse mosaic of the Transfiguration, the artists placed two mosaic images of Theophanies in the Sinai; namely, the appearance of God to Moses in the Burning Bush (Ex 3,2-6) and the appearance of God in the cloud handing the Pentateuch to Moses (Ex 33,18-23). These mosaics illustrate the fact that in the earlier appearances to Moses, God is heard but he does not permit himself to be seen. In the Transfiguration, God is both seen and heard. The juxtaposition of the chapel dedicated to Mary of the Burning Bush and the Basilica dedicated to the Transfiguration is both a theological and a political statement about the power of images and their connection to a locus sanctus. Furthermore, the presence of mosaics representing both the New and the Old Testaments symbolizes the transition from the ,veiled‘ image of God - as he appeared unseen to Moses - to the ,unveiled‘ image of God as he appeared in the person of Christ 13. The ,unveiling‘ of God into the visible form of Christ is traditionally linked with the Madonna who is both Mother of God and Mediator between God and humanity 14. In fact, the symbolic interplay of the image of 10
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Mention of the chapel on this site is found in the 4th century account of the pilgrim Egeria writing to her convent in Italy (?), cf. R. Wilkinson, Egeria’s Travels to the Holy Land, Warminster 1981. Cf. also P. Mayerson, Codex Sinaiticus: An Historical Observation, in: The Biblical Archaeologist 46 (1983), 54-56. For the circumstances surrounding the introduction of imperially sponsored representational art in Palestine and in the surrounding region cf. K. Weitzmann, „Loca Sancta“ and the Representational Arts of Palestine, in: Dumbarton Oaks Papers 28 (1974), 31-55. The construction of the Sinai monastery is described in the contemporaneous account by Procopius (ca. 490/ 507-ca. 560s) in his ,De aedificiis‘, cf. W. R. Lethaby, The Church of Sancta Sophia, Constantinople: A Study of Byzantine Building, London 1894, 24-28. Mt 17,2-7; Mk 9,3-8; cf. G. Forsyth/K. Weitzmann, The Church and Fortress of Justinian, Ann Arbor 1985, Plates 103-128. For observations about this icon, the Transfiguration and the apologia for representational images cf. Pelikan, Imago (nt. 4), 92. For a comprehensive study of the iconography of veiled and unveiled Theophany cf. F. van der Meer, Maiestas Domini: The´ophanies de l’Apocalypse dans l’art chre´tien: E´tude sur les origines d’une iconographie spe´ciale du Christ, Rome 1938. Cf. also M. Kru¨ger, Die Verkla¨rung auf dem Berge: Erkenntnis und Kunst (Studien zur Kunstgeschichte 152), Hildesheim 2003. Mary as Mother of God is but one aspect of the complex theological symbolism of Theophanic ,unveiling‘. One literal representation of the link between Mary and the „unveiling“ of the Divine dates to the 11th and 12th century at Blachernae monastery - the miraculous lifting of the veil which covers the icon of the Theotokos. This „usual miracle“ is said to have taken place every Friday at vespers. Cf. E. N. Papaioannou, The „Usual Miracle“ and an Unusual Image: Psellos and the Icons of Blachernai, in: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 51
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Mary who ,brought forth‘ the Son of God and that of Christ who was transfigured into a visible image of the Divine - played a crucial role in the eventual outcome of the iconoclastic controversy by favoring the creation of artistic images of the Divine 15. An extraordinary example of an artistic representation linking the Madonna Protectress with image and place is a post-iconoclastic 10th century mosaic in the basilica of Hagia Sophia (Holy Wisdom) in Constantinople (Figure 1, Appendix) 16. This work shows the Emperors Constantine and Justinian presenting effigies of Constantinople and of Hagia Sophia to the Madonna and Christ Child who are enthroned in heaven. Notably it was Justinian who commissioned Hagia Sophia and who dedicated Constantinople to the Madonna 17. Constantinople was thereafter referred to as „Theotokopolis“ (City of Mary). A century later, when the city was under siege faced with certain defeat, the people marched in procession to each of the city gates carrying the icon of their Madonna known as the ,Blachernitissa‘. This icon was modeled after the legendary image of Mary created by St. Luke. When the siege was suppressed, the people attributed their victory to the Madonna. They gathered before her icon and stood singing the Akathistos hymn for the first time 18. The ,Blachernitissa‘ became the image of the Madonna Protectress of Constantinople. The association of the Madonna with Siena was already a longstanding tradition when on October 9, 1308, the Opera of Santa Maria of Siena executed a commission with Duccio di Buoninsegna „the painter [and] citizen of Siena“, to create „to the utmost of his ability and faculty“ a panel „to be placed on the
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(2001), 177-188. Cf. also L. Chlenova, The Intercession Icon from Eastern Halychyna (Byzantine Studies 2002), URL: http://archaeology.kiev.ua/byzantine/icon/chlenova2.htm. For a systematic study of the prolific development of art and the artistic vocabulary during the period before the outbreak of iconoclasm cf. E. Kitzinger, Byzantine Art in the Period between Justinian and Iconoclasm, in: F. Dölger (ed.), Berichte zum XI. Internationalen Byzantinisten Kongreß, München 1958, IV, 1, 1, 1-50. Cf. also Pelikan, Imago (nt. 4), 7-39. For an evaluation and collation of materials for the study of this icon, including notes and sketches by travelers since the 17th century when this mosaic was discovered cf. C. Mango, Materials for the Study of The Mosaics of St. Sophia at Istanbul, Washington (DC) 1962, 23 sqq. For a brief essay on this mosaic cf. C. Mango/A. Ertug˘, Hagia Sophia, Istanbul 1997, 2-5. The exact appearance of Hagia Sophia in Justinian’s day is the subject of the following studies: R. J. Mainstone, Justinian’s Church of St Sophia, Istanbul: Recent Studies of Its Construction and First Partial Reconstruction, in: Architectural History 12 (1969), 39-107; R. Taylor, A Literary and Structural Analysis of the First Dome on Justinian’s Hagia Sophia, Constantinople, in: The Journal of the Society of Architectural Historians 55 (1996), 66-78. For some critical observations about the account in Procopius’ ,De aedeficiis‘ of Justinian’s construction of Hagia Sophia, including Justinian’s explicit direction to Procopius to „begin [the account of the churches in Constantinople] with the churches of Mary the Mother of God“, cf. G. Downey, The Composition of Procopius’ De Aedificiis, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 78 (1947), 171-183. For a critical examination of various theories about the origins of parts of the Akathistos cf. Wellesz, „Akathistos“ (nt. 6), passim. Cf. also Pätzold, Akathistos-Hymnos (nt. 6), 2-8.
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high altar“ of the Duomo 19. Duccio was to devote himself entirely to creating this panel. The project was financed by Siena. In 1308, Siena was a thriving city-state which had placed itself under the Madonna’s protection nearly fifty years earlier in 1260, on the eve of the battle of Montaperti. At that time, faced with almost certain defeat at the hands of archrival Florence, the Sienese people had marched in procession through the streets of Siena to the Duomo. They assembled there in front of the beloved image of the ,Madonna degli occhi grossi‘ and handed her the keys of their citystate thereby pledging to her their loyalty and invoking her protection. The stunning victory of Siena over Florence on the following day was a historic turning point for Siena. The Sienese immediately attributed their unanticipated victory to the Madonna’s protection. In the aftermath of that victory, Sienese citizens lived in a culture increasingly defined by Senesita` - a proud concept of civic identity. Senesita` incorporated into all things Sienese the aesthetic quality of „bellezza“ - that standard of beauty reflected in public works which was explicitly called for and financially supported by Sienese civic statutes and by the Sienese Constitution of 13091310 20. Senesita` is expressed on the seal of Siena. On this seal, an image of the Madonna and Child who are enthroned and attended by two angels is encircled by the following inscription: „Salvet Virgo Senam veterem quam signat amenam.“ 21 This seal implores that venerable Siena’s beauty be „sealed“ by the protection of the Madonna. Thirteen years after the return of Marco Polo to Venice in 1295, the Sienese were availing themselves of resources from all over the world. What textiles and fabrics they did not make, they famously traded. What they did not already have, they imported. A beloved patron saint of Siena and of the important Sienese wool guilds was St. Catherine of faraway Alexandria 22. St. Luke - the evangelist 19
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For a full transcription and translation of the original document cf. J. I. Satkowski, Duccio di Buoninsegna: The Documents and Early Sources, ed. H. B. J. Maginnis, Georgia 2000, 69 sqq. Cf. also White, Duccio (nt. 2), 192 sqq. For the organization of the Opera cf. W. Braunfels, Mittelalterliche Stadtbaukunst in der Toskana, Berlin 1959, 152 sqq. et passim. It is during ca. 13th C. that the term ,Maesta`‘ began to be applied to a painting of the Madonna and Christ Child seated in majesty. The term had previously been applied to works of art depicting Christ in majesty. For ,bellezza‘ as a Sienese standard and related Sienese documents cf. H. B. J. Maginnis, The World of the Early Sienese Painter, University Park 2001, 170 sqq. „May the Virgin safeguard Siena the venerable whose loveliness may she seal.“ For a discussion of the seal cf. D. Norman, Siena and the Virgin: Art and Politics in a Late Medieval City-State, New Haven 1999, 58. According to legend, St. Catherine of Alexandria’s remains had been transported by angels after her martyrdom in the 4th C. to the highest peak in the Sinai, Mt. St. Catherine. About 1100, the remains were translated to the monastery at the site of the Burning Bush which now added to its original Marian dedication the dedication to St. Catherine. The monastery is now known as „The Holy Monastery of Saint Catherine at [the God-trodden] Sinai“ (Iερα´ Mονη´ Θεοβαδι´στου ÅOρου Σινα´ , Aγι´α Aικατερι´νη ). For the cult of St. Catherine at this time cf. C. Walsh, The Cult of St. Katherine of Alexandria in Early Medieval Europe, Cornwall 2007. The importance of the wool guild in the civic and religious life of Siena is described in: M. Israe¨ls, Altars on the
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who had painted the legendary original icon of Mary - was believed to be buried in nearby Padua. The Sienese revered him as patron of the Painters’ Guild of Siena. The statute of this guild which decrees the special observance of the feast of St. Luke in the very first chapter describes him as „Evangelist, lord and guide of the Painters’ Guild, who depicted and gave us the image of the Virgin Mary, the mother of the Son of God.“ 23 Even more remarkably, Mary’s childhood home where, according to legend, the Annunciation had taken place and in which Mary lived after her betrothal to Joseph had been ,transported‘ by angels in 1291 from Palestine. In 1295, after several relocations, this Casa sancta was finally situated not far from Siena 24. Siena undertook many construction projects in service of ,bellezza‘. Each of these projects expressed Senesita` through the manifestation of distinctive and strikingly beautiful artistic forms. As John White states „[t]hroughout Duccio’s boyhood and his working life, Siena was abuzz with plans“ 25. Most significant among these projects was the decoration and expansion of the Duomo 26. Central to Sienese religious and civic life, the Duomo di Santa Maria Assunta was the principal edifice and the architectural focal point of Siena as well as the Siense nexus for the cult of the Madonna 27.
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Street: The Wool Guild, the Carmelites, and the Feast of Corpus Domini in Siena (1356-1456), in: Renaissance Studies 20 (2006), 180-200. Here is described the custom on the feast of Corpus Christi for the guild to drape thinly woven swaths of white wool over entire streets to form a canopy over Siena through which the sunlight filtered and beneath which Corpus Christi observances took place at street altars. The origin of this custom may be the legend of the white mist over Siena before the battle of Montaperti which has entered Sienese lore as the protective mantle of the Madonna, cf. nt. 82. The importance of St. Luke to the Painter’s Guild of Siena and the ceremonies and duties attending his feast are outlined extensively in the guild statute, ,Breve dell’Arte dei Pittori‘, where the Chapters 1, 27, 36, 47, 50, 55 and 56 are devoted to the observance of this feast, cf. Statute of the Painters’ Guild of Siena, trans. G. Erasmi, in: Maginnis, World (nt. 20), 200-224. For the text of the entire statute and translation cf. G. Milanesi (ed.), Documenti per la storia dell’arte senese, vol. 1, Siena 1854. The final location of the Casa sancta was some 150 miles from Siena on a road around which the town of Loreto was established, cf. W. Barcham, Giambattista Tiepolo’s Ceiling for S. Maria di Nazareth in Venice: Legend, Traditions, and Devotions, in: The Art Bulletin 61 (1979), 430447, here 430. J. White, Tuscan Art and the Medieval Workshop, London 1979, 22. For a critical examination of documentary evidence about the expansion of the Duomo and its relationship to the expanding population of Siena cf. A. Giorgi/S. Moscadelli, Ut homines et persone possint commode ingredi. Direttrici viarie e accessi orientali del duomo di Siena nella documentazione dei secoli XII e XIII, in: R. Guerrini, Sotto il duomo di Siena: Scoperte archaeologiche, architettoniche e figurative, Siena 2003, 84-106. Cf. also: Braunfels, Stadtbaukunst (nt. 19), 155-170 et passim. The Duomo of Siena has undergone extensive alterations over the centuries and is the subject of intense scholarly interest. Unique features such as the elaborately inlaid floor make excavation difficult, so differing theories abound about the appearance and disposition of the Duomo at any given time, and especially for the period in question. Of particular relevance to Duccio’s double-sided ,Maesta`‘, is the placement of the choir stalls with respect to the altar on which the ,Maesta`‘ was situated. Adding to problems of verification, is the discovery that some alterations in recent centuries were executed with such historical authenticity that it is difficult to sort out
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The commission for the ,Maesta`‘ stipulated that Duccio was to undertake no other projects until he had completed work on the commissioned panel; that he was to work on it continuously; and that he was to be paid only for such days as „he shall work with his own hands on the said panel“ 28. All the materials and supplies for the panel were to be provided to the artist so that he was „bound to put nothing into it except his person and his work“ 29. A further document in the Siena archives dating to late 1308 or to early 1309 goes into some detail about the back panel of the double-sided ,Maesta`‘ 30. It is apparent that the Duomo was anxious to have this panel completed without delay but with no effort spared inasmuch as two years after the commission, a document in the archives dated 10 November 1310 states: „[…] and also as regards the work on the new and great panel of the blessed and glorious Mary ever Virgin, it should be carried out carefully and with all due diligence, so that they should be completed as speedily as it can be done […].“ 31 The fact that the contract prevented Duccio from procuring other artistic commissions; the provision by the opera of all necessary materials for the project to Duccio; the artistic mandate that required Duccio to give personal attention to every detail of the work; and the emphasis on speedy completion suggest strongly that the 1308 commission anticipated the 50th anniversary of the two interrelated events in Siena’s history that had taken place in 1260: namely, the formal dedication of Siena to the Virgin Mary in the Duomo on the eve of the battle of Montaperti and the subsequent unanticipated victory of Siena over Florence in that battle. Certainly, the Sienese expected from an artist of Duccio’s stature an innovative and more striking altarpiece than had ever before graced the high altar of the Duomo - a representation without equal of their Madonna and Protectress.
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the older from the more recent additions. For a seminal study of the history of the Duomo cf. V. Lusini, Il Duomo di Siena, Siena-S. Bernardino 1911; cf. also E. Carli, Il Duomo di Siena, Genoa 1979. For state of the art study of recent archaeological and scientific findings cf. Guerrini, Scoperte (nt. 26). For an examination of the Duomo, its construction and possible layout in the 13th and 14th centuries cf. C. Pietramellara, Il Duomo di Siena: Evoluzione della forma dalle origini alla fine del trecento, Firenze 1980. For a detailed study of the possible layout of the choir stalls during this period, in particular vis a` vis the altar and Duccio’s ,Maesta`‘, cf. E. Struchholz, Die Choranlagen und Chorgestühle des Sieneser Domes, Münster 1995, 7-37. Satkowski, Duccio (nt. 19), 69: „pingere et facere dictam tabulam quam melius poterit et sciverit, et Dominus sibi largietur, et laborare continue in dictam tabulam temporibus quibus laborare poterit in eadem. Et non accipere vel recipere aliquid aliud laborerium ad faciendum donec dicta tabula completa et facta fuerit.“ Ibid., 71. Ibid., 75: „in essence thirty-four scenes […] a few of these […] larger than the average […] and little angels on top“ to be valued at thirty eight scenes, for which payment is stipulated; pigments and materials to be provided to the artist. Satkowski, Duccio (nt. 19), 77, quoting from ASS, Diplomatico, Opera della Metropolitana, Parchment 614, 28 November 1310: „et etiam in laborerio nove et magne tabule beate Marie semper Virginis gloriose, sollicite et cum omni diligentia procedatur, ita quod quam citius fieri poterit compleantur […].“
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Duccio had recently created a remarkable Madonna for rival Florence, the socalled Rucellai Madonna. The Florentine contract for that Madonna had called for a picture as beautiful as it was large, „ad pingendum de pulcherrima pictura quandam tabulam magnam“. Now the prosperous Sienese wanted their native son to create an even more striking image of the Madonna for the Duomo 32. The next section will consider the circumstances under which Duccio created a Madonna who was both an exemplar of Senesita` and an advocate for Siena.
II. T he Predecessors of the ,Maesta` ‘ on the High Altar of the Duomo Duccio’s ,Maesta`‘ was the latest, the largest, and certainly the most formidable in a succession of three ever more imposing altarpieces of the Madonna which graced the high altar of the Duomo in Siena since ca. 1226 33. The ,Madonna degli occhi grossi‘ (ca. 1220-1240) was the first such image. The second image was the ,Madonna del voto‘ (ca. 1270) - so called because it was commissioned to acknowledge the Madonna’s intercession at the battle of Montaperti 34. Significantly, the first image, the ,Madonna degli occhi grossi‘, was traditionally also known as the „Madonna del voto“. Similarly, the second image, the ,Madonna 32
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A study of the extant images of the Madonna by Duccio can be found in the individual essays by G. Ragonieri, L. Bellosi, and V. M. Schmidt in the comprehensive study of Duccio, his artistic precursors and contemporaries by A. Bagnoli, Duccio: Siena fra tradizione bizantina e mondo gotico, Siena 2003, 134-211. Cf. also White, Tuscan (nt. 25), 32 sqq. For a text of the Florentine contract for the Rucellai Madonna, as well as other contracts in Duccio’s artistic career cf. ibid., 185 sqq. For a discussion of the significance of size and scale in the relationship of observer and image at this time in the Latin West cf. H. Belting, The Image and Its Public in the Middle Ages: Form and Function of Early Paintings of the Passion, New York 1990. The Rucellai Madonna and its contract are examined here from this perspective as well, cf. ibid., 24 sqq. The development of the altarpiece in Tuscany, including the movement of art from apse and icon to altar, and how these developments relate to changes in liturgy and in church architecture, are the subject of the following monographs, among others: H. Hager, Die Anfänge des italienischen Altarbildes: Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte des toskanischen Hochaltarretabels, Munich 1962; K. van der Ploeg, Art, Architecture and Liturgy: Siena Cathedral in the Middle Ages (Mediaevalia Groningana 11), Groningen 1993; H. W. van Os, Sienese Altarpieces 1215-1460: Form, Content, Function, trans. M. Hoyle (Mediaevalia Groningana 4, 9), 2 vols., Groningen 1984-1990; J. Braun, Der Christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung. Munich 1924; J. Gardner, Some Aspects of the History of the Italian Altar, ca. 1250-1350: Placement and Decoration, in: C. Hourihane (ed.), Objects, Images, and the Word: Art in the Service of the Liturgy (Index of Christian Art. Occasional Papers 6), Princeton 2003. For a detailed study of the ,Madonna del voto‘, after its restoration in 2000 cf. B. John [e. a.], Claritas: Das Hauptaltarbild im Dom zu Siena nach 1260: Die Rekonstruktion, Altenburg 2001. This monograph includes a scientifically based reconstruction of the altarpiece which contained this Madonna and a possible reconstuction of the altarpiece which contained the ,Madonna degli occhi grossi‘, both of which, like the ,Maesta`‘, were eventually sawn apart for reasons which are not clear, but may be related to the desire to make the pictures portable for processions.
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del voto‘, was also commonly known as the „Madonna delle grazie“ 35. These interchangeable names reflect linguistically the deepening reciprocal commitment between the Sienese people and the Madonna 36. The ,Madonna degli occhi grossi‘, the image before which the Sienese dedicated their city-state to the Madonna in 1260, is a formidable image which brings together the Madonna’s destiny as Mother of God and as Queen of Heaven (Figure 2, Appendix) 37. In these dual roles, she brings her divine child into the world and then presents him to the world as divine teacher and judge. This duality is directly communicated to the observer. First of all, the Madonna in this image is a large yet distant figure who dominates the panel’s physical space. She is a somber figure with a very large head and is clothed in heavy, symmetrically arranged garments devoid of movement. She is seated facing straight ahead on a wide throne. Her direct gaze, her upright posture, and her steadfast demeanor suggest an unwavering purpose befitting the Mother of God. Her formidable presence and her elevated status are thus captured by the artist. The position of the Madonna’s feet on the footrest along with the perspective achieved by medallions visible along the front and right edge of the platform create a space in front of the image. This artistic device distances the Madonna and Christ child from the observer. However, it draws the eye of the observer directly to the throne and to the center of the picture where the Christ Child is located. By contrast with the rest of the image, in the center of the picture the Madonna holds the Christ Child in a manner which gives the illusion that he is in a medallion or in a mandorla of space that sets him apart 38. In this central space, her hands have a delicate, ethereal quality, in stark contrast to the severity of her prominent facial features. She presents Christ to the observer. His face has a serious expression and a direct gaze which reflects that of his mother. He 35
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These images of the Madonna are known by various names to this day largely because they continue to be revered. For a historical survey of the devotion of the Sienese to the Madonna as Protectress into modern times, especially as expressed in the images in the Duomo cf. G. Parsons, „O Maria, la tua Siena difendi“: The Porta della Riconoscenza of Siena Cathedral, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 64 (2001), 153-176. For an examination of the role of icons in the articulation of public and private devotion in the West cf. Belting, Image (nt. 32), 41-90 et passim. For a comprehensive history of images and and their role in public and private devotion cf. H. Belting, Bild und Kult: Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, Munich 2000. For Siena cf. ibid., 423-456. About the ,Madonna degli occhi grossi‘, its status in the Duomo, and the dedication of Siena to the Virgin cf. B. Kempers, Icons, Altarpieces and Civic Ritual in Siena Cathedral 1150-1530, in: B. A. Hanawalt/K. L. Reyerson (eds.), City and Spectacle in Medieval Europe, MinneapolisLondon 1994, 89-136. Cf. also Norman, Siena (nt. 21), 29 sq. The challenge of representing the divinity of the Christ Child in images of the Madonna has produced, particularly in the Byzantine tradition, a convention of the Theotokos with the Christ Child enclosed in a large medallion covering her chest or in a mandorla which she holds in front of her. For the idea of a static God and a moving world and some ways in which this is portrayed in artistic images cf. A. Karahan, Byzantine Holy Images and the Issue of Transcendence and Immanence: The Theological Background of the Late Byzantine Palaiologan Iconography and Aesthetics of the Chora Church, Istanbul-London 1967, 151.
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appears, however, to be weightless and suspended on her lap. Only the outlines of his bright garment indicate that he is seated. Her left hand rests lightly on his left shoulder and her right hand touches his right foot. This central section of the image captures the humanity of the Madonna and her connection with her divine son in time and in eternity 39. The idea of the Christ Child enclosed in his own locus sanctus - symbolized by a medallion or a mandorla - is clearly illustrated in two icons executed some six centuries apart which are introduced here briefly. Both of these images are associated with the tradition of the Madonna Protectress. In the first image, the ,Adoration of the Three Kings‘, taken from the Etchmiadzin Gospels (ca. 600), the Christ Child sits suspended in a mandorla on his mother’s lap (Figure 3, Appendix) 40. In fact, there is evidence to suggest that images of the Adoration of the Three Kings such as the Etchmiadzin example may be iconographic sources for later images of the seated Madonna with Child 41. The second icon by the Painter Peter from the Sinai illustrates the praying Madonna, the so-called ,Madonna orans‘ (Figure 4, Appendix). She is represented with her arms raised in prayer and with a medallion containing a half-figure of the Christ Child on her chest. The inscription on this icon reads: „Blessed are we also who have thee for protection, for day and night dost thou intercede for us […].“ 42 Some even claim that the Madonna orans was the type originated by St. Luke. Like the Maesta`’s predecessor madonnas on the high altar, these two images - the ,Adoration of the Three Kings‘ and the ,Madonna orans‘ - were created in response to the need for an authentic likeness of the Divine prototype which was acceptable to worshippers because it assured divine protection 43. Between the creation of the ,Madonna degli occhi grossi‘ (ca. 1220-1240) and of Duccio’s ,Maesta`‘ (1308-1311), the relationship of the Sienese people 39
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Several theories have been advanced about why the Madonna is so often represented holding or touching the feet of the Christ Child. One such theory is that she anticipates the wounds of his crucifixion. For some observations about the prevalence of such gestures of maternal affection in paintings of the Madonna at this time in Italy and in the context of Byzantine sources cf. V. Lazarev, Studies in the Iconography of the Virgin, reprinted in: id., Studies in Byzantine Painting, London 1995, 244 sqq. This icon is discussed in J. Spier, Picturing the Bible: The Earliest Christian Art, New Haven 2007, 151 sq. et passim. Spier dates this image to ca. 600. Cf. the description below of Duccio’s Presentation scene with a similar visual reference to temple and church, namely the combination of columns and an apse. Cf. Lazarev, Iconography (nt. 39). For comments about this icon as well as a transcription of the original Greek text with translation cf. R. Nelson/K. M. Collins, Holy Image Hallowed Ground: Icons from Sinai, Los Angeles 2006, 258-261 et passim. For the migration of the Madonna orans topos into Italian art during the 13th century cf. C. Belting-Ihm, „Sub matris tutela“: Untersuchungen zur Vorgeschichte der Schutzmantelmadonna, Heidelberg 1976, 62-80. For example, the 12th century Madonna Protectress in the apse mosaic of the nave in Hagia Sophia in Kiev is of the orans type, cf. V. Lazarev, Mozaiki Sofii Kievskoı˘, Moscow 1964, 99 sqq. In the Slavonic tradition, the Madonna orans is associated with the metaphoric title „immoveable wall“, cf. Belting-Ihm, Schutzmantelmadonna (nt. 42), 53 et passim.
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to the Madonna is reflected differently as is seen in a new image, the ,Madonna del voto‘ (ca. 1270) by Guido da Siena (Figure 5, Appendix). Commissioned after the victory at Montaperti, this image was appropriately modeled after the Hodegetria type of image - the legendary image of the Madonna painted by St. Luke and the model for the Blachernitissa icon of Constantinople 44. The Hodegetria represents the Madonna ,showing the way‘ to Christ. In contrast to the distant ,Madonna degli occhi grossi‘, the ,Madonna del voto‘ is a closer, more natural depiction of mother and child. This image communicates energy and movement through the placement of hand gestures and in the vibrant pattern on the draped clothing which gives the illusion of light rays. The observer is drawn immediately to the center of the image. Here, the Madonna wears a veil with a star over her forehead. She tilts her head slightly toward the Christ Child who is seated on her left arm. With her hand she gestures ,showing the way‘ to Christ who appears solemn and stares sideways into the distance. The Christ Child raises his right hand in a gesture of blessing and holds a rolled scroll in his left hand. His serious demeanor, however, is offset by the approachability of the Madonna. Her facial expression and hand gestures bridge the distance between the human and the divine realms. The portrait style and the intimacy of this image of the Madonna and Christ Child allow the observer to enter the heavenly realm. This image of the ,Madonna del voto‘ is so beloved by the Sienese that it remains in the Duomo to this day 45. Although the painting of the Maesta` Panel for the high altar was the most significant aspect of the construction and reconfiguration of the Duomo, other important elements of the project included the striking facX ade by foremost sculptor Giovanni Pisano which was begun in 1284 46, Duccio’s scintillating oculus window overlooking the high altar which was completed in 1288 47, and the monumental marble pulpit by Nicola Pisano, Giovanni’s father, completed in
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For the origins of the Hodegetria type of image and its migration into Italian art cf. Lazarev, Iconography (nt. 39), 226-248; Belting, Image (nt. 32), 131-186, 226-248; B. V. Pentcheva, The ,Activated‘ Icon: The Hodegetria Procession and Mary’s ,Eisodos‘, in: M. Vasilaki (ed.), Images of the Mother of God: Perceptions of Theotokos in Byzantium, London 2005, 195209; H. Belting, Die Reaktion der Kunst des 13. Jahrhunderts auf den Import von Reliquien und Ikonen, in: id. (ed.), Il Medio Oriente e l’Occidente nell’arte del XIII secolo. Atti del XXIV Congresso Internazionale di Storia dell’Arte organizzato in Bologna dal 10 al 18 settembre 1979, Bologna 1982, 35-54. This image of the Madonna which was restored in 2000 can be seen today in the Duomo in the Cappella del Voto. For an introduction to the development of the image of the Madonna from the seated Hodegetria, to the half image, portrait type Hodegetria which is seen here cf. Lazarev, Iconography (nt. 39), 226 sqq. The construction of the facX ade of the Siena Duomo became an ongoing project that was to last on and off for centuries. The most recent dedication of the ,new‘ restored facX ade of the Duomo took place in 2006. Cf. M. Lorenzoni [e. a.], La facciata del Duomo di Siena: iconografia, stile, indagine storiche e scientifiche, Milan-Silvana 2007, 13. The attribution to Duccio is relatively recent among modern scholars, cf. nt. 64.
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For the artistic relationship between the father Nicola Pisano and son Giovanni as well as the circumstances in Siena and Pisa surrounding this commission cf. Carli, Duomo (nt. 27), 11 sq. As mentioned above (nt. 27) the extensive expansion and alteration of the Duomo over the centuries have made it difficult to describe the lighting; the placement of the altar; and the position of the choir stalls. But the existence of eyewitness accounts of the procession as well as extensive documentation about Sienese artists, their studios, and painting practice at the time do make it possible to reconstruct the interaction among the various images of the Madonna in a way which would have resonated with the worshippers at the time the ,Maesta`‘ was installed in the Duomo in 1311. Carli, Duomo (nt. 27), 50: „La facciata veniva cosı` ad assumere un carattere in certo modo paragonabile a quello di un immenso affresco, di una gigantesca composizione a piu` figure una sorta di preludio scultorio alle grandi ,Maesta`‘ senesi di Duccio […].“ For a detailed discussion of the facX ade in all its architectural, iconographic, historical, and scientific aspects cf. Lorenzoni, La facciata (nt. 46). For an insightful and detailed analysis of the statuary and sculpture in the facX ade cf. A. Middeldorf Kosegarten, Sienesische Bildhauer am Duomo Vecchio: Studien zur Skulptur in Siena 1250-1330, Munich 1984. For a discussion of the facX ade from the perspective of the Madonna’s destiny cf. T. Verdon, Il Duomo come libro aperto. I messaggi della facciata, in: Lorenzoni, La facciata (nt. 46), 17-75. For a discussion of the symbolism of the Siena facX ade cf. Guerrini, Scoperte (nt. 26), 57 sqq. For a study of symbolism in church architecture of the time cf. J. Sauer, Die Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters, Freiburg i. Br. 1924. Cf. also L. H. Stookey, The Gothic Cathedral as the Heavenly Jerusalem: Liturgical and Theological Sources, in: Gesta 8 (1969), 35-41.
Fig. 6: Siena, Duomo, FacX ade.
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totle also adorned the facX ade. This preamble to the narrative of salvation at the Duomo entrance unfolded inside with a display of scenes taken from the life of Christ 53. The figures and scenes from the life of the Madonna on the facX ade trace the trajectory of her early life which was a preparation for her destiny as Mother of God and mother of the historical Jesus 54. These facX ade scenes are visible to those passing through the Piazza as well as to those entering the Duomo. They create an artistic nexus between the Old and the New Testaments and memorialize the life of the newly re-acknowledged Protectress of Siena 55. In this way, the Madonna as Mother of the Redeemer and as Protectress of Siena becomes the new Janua coeli, the portal to the New Jerusalem, the Duomo in Siena 56. The symbolism of these images on the facX ade of the Duomo is summarized precisely in the inscription on the facX ade of the Blachernae Monastery in Constantinople: „The house of the Virgin, like her Son, was destined to become a second gate of God. An ark hath appeared holier than that of old, not containing the tables written by God’s hand but having received within it God Himself.“ 57
2. Duccio’s Oculus Window As the ,Maesta`‘ was brought into the Duomo, the bright June sunlight which had illuminated the panel outdoors would now filter through the enormous stained glass oculus window at the far end of the Duomo to enhance the light of the numerous candles brought in by the processing congregants (Figure 7, Appendix). The outdoor procession from Duccio’s studio was the only time the completed panel would be seen in daylight before its installation in the Duomo, in the setting and with the light for which it was intended by Duccio. On the high altar, the ,Maesta`‘ would quickly achieve renown as a luminous masterpiece. Once inside the Duomo, the effect of the light on the gold leaf of the gilded panel created a mysterious background while the stamped halos that designated 53
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Notably, over the side of the central door, there was originally also a carving of the 1260 dedication of Siena to the Madonna. These apocryphal scenes from the early life of Mary are based on the Protoevangelium of James, cf. G. H. Tavard, The Thousand Faces of the Virgin Mary, Collegeville 1996, 17-31. In fact, the proximity of the facX ade of the Duomo at that time to an adjoining orphanage belonging to the city of Siena added poignancy to the vivid representation of the Madonna’s birth and childhood in the carvings and the now lost frescoes on the facX ade, cf. Norman, Siena (nt. 21), 93. For an introduction to this symbolic idea of the cathedral with copious references to sources of the time cf. Stookey, Gothic Cathedral (nt. 52), 35-41. For a comprehensive study of the symbolism cf. H. Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale, Zürich 1950. R. Paton, The Greek Anthology, vol. 1, London 1927, 47. For a discussion of this text specifically and of the role of Mary’s image and her relics in the idea of her protection cf. der Nersessian, Two Images (nt. 9), 69-86.
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key figures appeared to glow in the candlelight. The ,Maesta`‘ appeared quite remarkably to generate light from its divine subject 58. The colorful oculus window with its distinctive blue background and luminous yellow highlights was situated in the eastern wall directly behind the main altar. Duccio had designed and completed this window some 24 years earlier. The window „would have seemed to hang, like a great palely glowing sun, almost immediately beneath the far arch of the crossing and immediately above the Maesta`“ 59. A stained glass window is designed so that it can only be seen from the inside. Just as the relief on the lintel of the exterior facX ade introduced the worshipper who approached the Duomo to the story of Mary’s childhood, the oculus window at the opposite end of the Duomo concluded the narrative of Mary’s life by highlighting her destiny in heaven. On this window, she is Mother of the Redeemer, immortal Virgin, and Queen. In three vertically arranged stained glass panels at the center of the window, the Madonna’s Dormition, Assumption, and Coronation are linked by her upward movement from panel to panel and by the connection of distinct visual elements from one scene to the next. A close look at Duccio’s window reveals how this image of the Madonna rising into heaven anticipates the image of the heavenly court assembled around the Madonna in the ,Maesta`‘. At the base of Duccio’s oculus window, the first scene - the Dormition shows the Madonna dressed in a blue mantle being placed by the Apostles on a rose and red colored marble sarcophagus. A mournful crowd leans over the Madonna’s lifeless body, appearing to keep her earthbound. Only the figure of Christ standing in the center looks up to heaven. In the next scene - the Assumption - which appears directly above the Dormition, the rich red hues of the sarcophagus culminate in a kaleidoscope of colors suggesting movement from time into eternity (Figure 8, Appendix). The Madonna is dressed in the same blue mantle but she is now seated in a mandorla being transported into heaven by angels. The rose and red colors in the border of her mandorla and also at the outermost layers of the angelic wings suggest the transformation of her sarcophagus into a transport for her assumption into heaven 60. Most signifi58
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For a discussion of the distinction between self-generated light, illumination, and transparency as it was understood and artistically executed at this time cf. W. Schöne, Über das Licht in der Malerei, Berlin 1954, 82 sqq.; cf. also P. Hills, The Light of Early Italian Painting, New Haven 1987, 13 sqq. et passim. For a valuable historical review of the function of candles and the uses of light in Christian liturgy from earliest times into the period in question cf. D. R. Dendy, The Use of Lights in Christian Worship, London 1959; cf. also H. Sedlmayr, Das Licht in seiner künstlerischen Manifestation, Mittenwald 1979. White, Tuscan (nt. 25), 99. The marble sarcophagus, the presence of all the apostles including those deceased at the time of her death, and the figure of Christ present but not holding Mary’s soul, as is customary, indicates that this representation accords with the account of the Dormition in the Protoevangelium of James. Cf. the apocryphal account of the transitus Mariae in: Tavard, Faces (nt. 54), 23 sqq.
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cantly for Senesita`, the four patron saints of Siena at the time - Bartholomew, Ansano, Crescenzio and Savino - stand on either side of this scene 61. Their presence affirms that the Madonna of the Assumption is the newly re-acknowledged protectress of Siena. In the uppermost central panel of the window, the Assumption narrative concludes with the coronation of the Madonna in heaven by Christ (Figure 9, Appendix) 62. The luminous setting of this scene is a massive throne of inlaid yellow marble on which Christ and the Madonna are seated. The back of the throne is draped in bright white stars similar to the white rosettes across the sky in the Assumption scene just below 63. The crowned Madonna has realized her eternal destiny as Regina coeli and the firmament becomes a blanket of stars draped over the heavenly throne.
3. Nicola Pisano’s Pulpit The artistic rendering of the Sienese Madonna in Duccio’s stained glass window caused a transformation of the interior lighting of the cathedral. There was an array of colors which changed in response to the changing light of the days and of the seasons 64. The Duomo as „art setting“ became, in itself, a changing work of art. As the ,Maesta`‘ was carried to the high altar and into the light of the oculus window, it passed the elaborately carved marble pulpit of Nicola Pisano which, like the oculus window, appeared differently with the installation of Duccio’s new masterpiece 65. 61
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Between the date of the oculus window in 1288 and the creation of the ,Maesta`‘, the patron saints of Siena had changed, a difference which is reflected in the ,Maesta`‘, by which time St. Victor replaced St. Bartholomew as a patron saint of Siena, cf. Section IV below. For a comprehensive study of the Assumption in history and doctrine cf. M. Jugie, La mort et l’assomption de la sainte Vierge. E´tude historico-doctrinale, Vatican 1944. For an examination of the cult of Mary and the Assumption, its doctrinal and secular origins, and the reasons why it spread and endured cf. B. E. Daley, „At the Hour of our Death“: Mary’s Dormition and Christian Dying in Late Patristic and Early Byzantine Literature, in: Dumbarton Oaks Papers 55 (2001), 71-89. These white accents may recall the legend of the white mist which fell over Siena before the battle of Montaperti. According to this legend, the mist was the mantle of the Madonna which protected Siena, cf. nt. 82. The attribution to Duccio and hence the date 1287-1288 was made in 1946 by Enzo Carli after a theory put forth by Giacomo De Nicola, cf. E. Carli, Vetrata Duccesca, Florence 1946; cf. also G. De Nicola, De alcune opera d’arte del Duomo di Siena, in: Rassegna d’Arte Senese 7 (1911), 31-38, especially 36 sqq. The window had long been attributed to Iacopo di Castello da Siena and dated to 1369. The Sienese Pisano pulpit has been the subject of much scholarship and comparison to its counterparts including the Pisano pulpit in Pisa. A thorough description of the Siena pulpit with extensive illustrations is contained in: E. Carli, Il pulpito di Siena, Bergamo 1943. Cf. also Carli, Duomo (nt. 27), 28-44.
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The octagonal Pisano pulpit was commissioned in 1265 for gospel reading during Mass. It depicts the divine plan of salvation on three levels (Figure 10). The main level occurs on the casket of the pulpit and tells the New Testament story of salvation. This level contains seven carved panels which resemble hanging tapestries. These panels containing gospel scenes are separated by large statues carved in high relief at the pilasters of the eight columns which support the pulpit. Mary appears in several scenes including the infancy of Christ and the Last Judgment. The remaining two levels consist of secondary biblical figures and personifications of virtues and the arts 66. The Sienese people were familiar with this pulpit which had been completed forty years earlier in 1268. As Duccio’s massive ,Maesta`‘ with the important central panel of the enthroned Madonna passed through the Duomo many scenes from this pulpit would anticipate similar scenes on Duccio’s new painting. A consideration of selected scenes from this pulpit recreates for us the probable artistic and narrative context motivating Duccio as he imagined the ,Maesta`‘ for the Duomo. Like the carved lintel on the facX ade, the panels around the pulpit required the sculptor to compress the many narrative scenes into a limited space. The arrangement of some scenes on the pulpit along horizontal registers and the superimposition and layering of other scenes result in a concentration of figures with contrasting facial expressions and gestures. The observer has to absorb these frenetic images while contemplating the narrative of the life of the Madonna and her Divine Son. The figures protruding between the panels divide the narrative and emphasize important elements of the narrative. We will now examine two such figures and one panel of the infancy narrative which typify the Pisano pulpit. The figure of the Madonna holding the Christ Child is located next to the panel with the Presentation of Christ in the Temple which will be examined below (Figure 11). This figure is a compelling representation of mother and child. She holds the Christ Child who rests on her left arm while holding a scroll in his left hand, much like the precocious child seen in the ,Madonna del voto‘. But the wide-eyed expression on his infant face belies the manner in which she holds him and supports his little feet with her hand 67. In this image, it is she who looks pensively into the distance - anticipating the tragic future prophesied for her son. In contrast to this statue of the Madonna, Christ the Judge is seated between two panels representing the saved and the condemned (Figure 12). Christ’s position directly over the empty crucifixion cross symbolizes his victory over death as well as his promise to resurrect the dead. He sits 66
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Carved into the spandrels on the second level of the pulpit, are secondary figures including the Evangelists and Prophets, as well as personifications of the virtues. On the third level, at the base of the central column of the pulpit, personifications of Philosophy and the Seven Liberal Arts represent the contribution of reason and intellect to the plan of salvation, cf. Carli, Pulpito (nt. 65), 22 sq. About this gesture cf. nt. 39.
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Fig. 10: Nicola Pisano, Pulpit, Siena Duomo.
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Fig. 11: Nicola Pisano, Pulpit, Dtl. Presentation in the Temple and Flight into Egypt, Siena Duomo.
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Fig. 12: Nicola Pisano, Pulpit, Dtl. Last Judgment, Siena Duomo.
facing directly ahead and raises his right hand with the palm towards the observer. With a stern expression, he confronts the observer from his elevated position of judgment 68. 68
These two contrasting images of Christ as a child and as a divine judge recall a long tradition of sermons on the subject of Christ’s dual nature as infant and as Judge which dates to Ephraim
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One of the two panels between the representation of Christ as vulnerable infant and that of Christ as Judge, combines the following scenes: the Presentation in the Temple, the Warning of the Angel, and the Flight into Egypt (Figure 11). This panel depicts the Madonna as Protectress of her Divine Son. This pulpit panel is arranged along two horizontal registers of limited space into which the scenes are crowded. The atmosphere depicted on the panel is frantic. Anxiety shows in Mary’s face and in the demeanor of the Christ Child. In the Presentation scene, Jesus is delivered into the arms of the holy man, Simeon. According to the gospel Simeon in this scene prophesies Jesus’ destiny and Mary’s sorrow 69. In the pulpit panel Jesus shrinks back from Simeon, pulling his left shoulder toward himself as if trying to escape. Mary appears anguished and grasps the child by the arm. The next scene unfolds with an angel who warns Joseph to flee with Mary and Jesus in order to escape Herod who intends to kill the child. The huddled figure of the sleeping Joseph in this scene becomes part of the next Flight into Egypt scene. Here the frightened Christ Child clings to his Mother who is seated on a donkey. Leading mother and child away, Joseph directly faces the observer, suggesting that this site - the Duomo - is the place of refuge for his family. In each of these pulpit scenes, the Christ Child’s destiny as Redeemer and the Madonna’s custodial role as Mother and Protectress are inextricably linked to the story which unfolds within the Duomo. The Sienese could relate to such scenes of divine protection since their intense cult of Mary as protectress was based on the uncertainty of their own mercurial history. The new level of artistic expression seen in the ,Maesta`‘ referred to both the Marian images already in place in the Duomo and to important artistic elements within the tradition of the cult of the Madonna Protectress which had existed since antiquity. In fact, the representation of the Madonna in the ,Maesta`‘ draws the observer into the story of the Madonna and thereby establishes an intersection between her divine setting and her city of Siena. IV. T he ,Maesta` ‘ in the Duomo On the day of the installation of the ,Maesta`‘ in 1311, everyday life in Siena had come to a halt as the Sienese prepared to celebrate this singular event in their history. It was Wednesday June 9, the eve of the Feast of Corpus Christi 70. An eyewitness account by the chronicler Agnolo di Tura tells us that a crowd
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of Syria in the 4th century. Cf. Lazarev, Iconography (nt. 39), 216: „Cheerful was He with the little ones as a child; awful was He with the Angels as a Commander.“ Lk 2,34-35: „Look, he is destined for the fall and for the rise of many in Israel, destined to be a sign that is opposed - and a sword will pierce your soul too, so that the thoughts of many may be laid bare“ (Trans. New Jerusalem Bible, London 1990). Corpus Domini (or Corpus Christi) had officially been declared a feast in 1264 by Urban II in the bull ,Transiturus‘. It was a feast particularly dear to the Dominican order and although it was not universally adopted until 1317, it was widely observed and particularly in Tuscany.
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Fig. 13: Agostino Marcucci, Corpus Christi Procession in the Piazza del Duomo, Siena, Spedale di Santa Maria della Scala.
congregated midday near the gate of Stalloreggi at the studio of the artist Duccio di Niccolo, also known as Duccio di Buoninsegna. It was spring. The gesso on the giant two-sided poplar panel had long since dried in the breeze of the changing seasons. The brilliant colors of the tempera glistened against the gold leaf background which reflected the bright sun 71. The bishop of Siena, the Dominican Ruggero da Casole had called together for the procession all the priests of the cathedral and all the friars and nuns of the city to participate in this auspicious occasion (Figure 13) 72. As the ,Maesta`‘ was carried through the streets, the procession which accompanied it was led by the governing council of nine members, the Nove, by the
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For a detailed description of the painting of a panel at this time in Tuscany cf. Maginnis, World (nt. 20), 94-118. For some further observations about the role of skilled craftsmen in the artist’s workshop in such important steps as the provision of a panel for the ,Maesta`‘ in the original contract cf. M. S. Frinta, Observations on the Trecento and Early Quattrocento Workshop, in: P. Lukehart (ed.), The Artist’s Workshop (Studies in the History of Art 38, Symposium Papers 22), 30 sqq. An account of Ruggero da Casole’s episcopate (1307-1317) which is part of an 18th century chronicle of the bishops of Siena has recently been published in a facsimile edition: G. A. Pecci, Storia del Vescovado della Citta` di Siena: ristampa anastatica dell’edizione publicata in Lucca MDCCLVIII, Siena 2003, 251-264; Satkowski, Duccio (nt. 19), 99-108.
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Podesta`, and by the Captain of Justice 73. Behind them in the procession were other officials of the commune carrying coats of arms, the clergy, and the religious orders. Last in the procession was the entire populace of Siena - men bearing lights followed by women and children in festive dress. This account tells us that musicians who played trumpets, bagpipes, and castanets were „greeting the panel of the Blessed Virgin Mary.“ 74 One can imagine this gathering of Sienese citizens moving, as our eyewitness says, „with great devotion“ around the recently completed magnificent Piazza del Campo holding torches and candles of precious wax reserved for the most solemn of occasions 75. Church bells rang as they no doubt would ring throughout the day to celebrate this momentous occasion for Siena 76. The ,Maesta`‘ was unique in size and scale. The enormous front panel was dominated by the important central scene - the enthroned Madonna and Child attended by the heavenly court (Figure 14, Appendix). Above this central scene were individual portraits of the apostles. Beneath the central scene was a predella containing individual scenes from the early life of Christ which alternated with portraits of Old Testament prophets who stand holding scrolls. The back panel contained numerous individual scenes from the public life of Christ. At the center of this back panel directly behind the enthroned Madonna at the center of the front panel was a striking Crucifixion scene on a gold background 77. In fact, one eyewitness describes the entire ,Maesta`‘ as appearing bathed in gold 78. 73
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For a comprehensive survey of the complex system of governance, patronage of arts, building trades and other matters related to Siena and its culture at this time, see the essays by various authors in the two volume work: Norman, Art (nt. 2). For an essay on Duccio’s ,Maesta`‘ in this context, including the description of the procession of installation cf. D. Norman, „A noble panel“: Duccio’s Maesta`, in: ead., op. cit., vol. 2, 55-82. Entry from the biccherna ( January 1310/11-June 1311) as transcribed by Lusini and translated in: Satkowski, Duccio (nt. 19), 80 sq. The original entry has apparently been lost, cf. ibid., 96, nt. 66. For the use of musicians and entertainers in processions in Siena and in this procession in particular for which there are records cf. F. A. D’Accone, The Civic Muse: Music and Musicians in Siena during the Middle Ages and the Renaissance, Chicago 1997, 7 and 666 sqq. It was the custom in Siena enforced under penalty of fine that on the Feast of the Assumption of each year, every member of every guild was to contribute a prescribed amount of wax to be used at services in the Duomo throughout the year. The box in which the wax was presented was sometimes decorated with paintings, cf. Maginnis, World (nt. 20), 29 et passim. The following article which analyzes bell casting techniques from documentary evidence for Florence in the 15th century contains earlier and informative references: G. Scaglia, A Miscellany of Bronze Works and Texts in the Zibaldone of Buonaccorso Ghiberti, in: Proceedings of the American Philosophical Society 120 (1976), 485-513. The placement of the crucifixion on the reverse side of this image of the Madonna and Child is consistent with the bilateral icon tradition. In this tradition, which is sometimes represented in diptych, the Ecce homo or the Lamentation is depicted either back to back with or side by side with the Madonna and Child, cf. Belting, Image (nt. 32), 91-129. For a comprehensive study of light, lighting, and illumination and the impact of architecture and stained glass window light on the painting of the time cf. Schöne, Licht (nt. 58), especially 28-96. For a discussion of innovative developments in the artistic representation of light at this time, particularly the elusive quality of luminosity and its relationship to a source of light cf. Hills, The Light of Early Italian Painting (nt. 58), 3-28.
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The majestic Madonna of the ,Maesta`‘ sits on an elaborately carved marble throne. Holding her infant son, she is surrounded by a procession of the heavenly court made up of angels, apostles, and saints. The following four patron saints of Siena kneel prominently as supplicants and worshippers in the front row directly next to the throne: St. Ansanus, the 4th century martyr who is said to have baptized the Sienese; St. Savinus, also another 4th century martyr who was the first bishop of Siena; and the martyr Crescentius whose relics were then in Siena; and finally St. Victor, a 2nd century martyr whose relics according to records were also in the Duomo but who had become patron saint since the time of the oculus window 79. A portrait of St. Bartholomew, a patron saint of Siena at the time of the oculus window is pictured together with portraits of the other apostles. Framing the procession scene, at either end of the picture are the two patronesses of the wool guild, St. Catherine of Alexandria and St. Agnes who is appropriately represented with the symbol of the Lamb of God. In the words of one observer „[t]he view of the altarpiece offered the impression that the heavenly court had assembled for the sole purpose of securing Siena’s salvation“ 80. Dressed regally in a midnight-blue robe and ruby-red tunic she looks simultaneously at her infant and at the worshippers (Figure 15, Appendix). Her composure and the regal combination of blue and red colors in her robes call to mind the ,Madonna degli occhi grossi‘. In the ,Maesta`‘, however, she is in closer proximity to the observer. She turns sideways as if inviting the observer to join the supplicants in the image. The Madonna sits holding her infant seated on her left arm, in a manner which recalls the high relief Madonna of the marble pulpit. Her hand at once supports the infant but also invites worshippers to behold her child. Her role as protectress is clear inasmuch as her gaze is directed both toward her divine child whom she presents and toward her other children, the Sienese. The depiction of the Madonna and Child in the ,Maesta`‘ leads the worshipper to empathize with the Christ Child and to join the artistically depicted procession of supplicants who surround the throne. Space in front of the Madonna’s throne is indicated on the footrest where the Madonna’s long robes fall at an angle which leaves space on the bright marble for supplicants to kneel. The approach to her right leads the observer directly to the infant. The approach to her left allows the observer to face her more directly. The Madonna’s extraordinary and important marble throne appears to the observer as if it were cut from the same marble and by the same hand as Duccio’s luminous marble throne in the oculus window; but in the ,Maesta`‘, Duccio has made the throne circular in a most unusual way. Despite its elaborate appearance it is not, as one would expect, an unyielding enclosure. It is carved to resemble a city wall which gives the illusion that the wall of Siena embraces 79 80
Norman, Siena (nt. 21), 35 and 40. Belting, Likeness (nt. 5), 407.
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the Madonna and welcomes her 81. The „cloth of honor“ draped loosely against the back of the throne emphasizes the regal status of the throne’s occupants. However upon closer examination of this cloth, the pattern produced by the semicircular intersection of the Madonna’s halo and the cloth behind the Madonna’s head resembles a cape. It may be possible therefore, to place Duccio’s ,Maesta`‘ in an ancient tradition of the Madonna who shelters the city with her cape 82. As a result, Duccio’s image of the Madonna also expresses a sentiment which has characterized the cult of the Madonna Protectress since early Christianity. It is exemplified in the words of the 4th century exegete St. Ephraim of Syria: „Sub tua tutela et protectione toti sumus.“ 83 In this way, Duccio alludes to an ancient symbol for a particularly forceful statement about the Madonna of Siena, namely, that the Madonna with the Christ Child whom she protects and presents is enthroned at the gate of Siena prepared to drape her protective mantle over her Sienese children 84. The seated Christ Child in the Madonna’s arms has a markedly high forehead, connoting wisdom. This characteristic called the puer senex has its source in classical antiquity. It can be seen in such early images as the exquisite 6th century encaustic icon of the enthroned Madonna with the Christ Child seated in her lap (Figure 16, Appendix) 85. Aside from the many remarkable points of comparison between these two representations centuries apart, there is one notable difference. In the Sinai icon, as well as in the ,Madonna degli occhi grossi‘ and the ,Madonna del voto‘, the Christ child is clearly the dominant figure, preternaturally conscious of his divinity. In the ,Maesta`‘, it is the Madonna and the surrounding secondary figures including significantly the patron saints of Siena - whose demeanors indicate the importance of the little infant with a halo. The appearance of the Christ 81
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For a detailed description of the architectural characteristics of this unique throne and how these relate to its central position on the altar and to the facX ade of the Duomo in Duccio’s time cf. D. Popp, Duccio und die Antike. Studien zur Antikenvorstellung und der Rezeption in der Sieneser Malerei am Anfang des 14. Jahrhunderts, Munich 1996, 132-138. Cf. also H. Belting, The „Byzantine“ Madonnas: New Facts about Their Italian Origin and Some Observations on Duccio, in: Studies in the History of Art 12 (1982), 7-22, here 13 sq. For Byzantine and ancient sources for Duccio’s rendering of the Madonna and Child on the throne cf. Popp, op. cit., 216-221. For a monograph devoted to the subject of the Madonna’s protective mantle cf. Belting-Ihm, Schutzmantelmadonna (nt. 42), 41 sq. For some observations on the legend of the mist over Siena before the battle of Montaperti as symbol of the Madonna’s cloak cf. R. W. Corrie, The Political Meaning of Coppo di Marcovaldo’s Madonna and Child in Siena, in: Gesta 29 (1990), 61-75, especially 65. Belting-Ihm, Schutzmantelmadonna (nt. 42), 11, quoting from the ,Sermo de Sanctae Dei Genitricis Virginis Mariae laudibus‘. The association of the Madonna with the city wall is exemplified in the Byzantine tradition by her title „the immoveable wall“, cf. nt. 43. For a detailed description and analysis of this icon, including reference to the import of the topos puer senex cf. K. Weitzmann, The Monastery of St. Catherine at Mount Sinai: The Icons, vol. 1, Princeton 1976, 18 sqq.; cf. also Kitzinger, Iconoclasm (nt. 15), 47.
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Child - his right arm pulled in and his little hands clutching his garment - as well as the Madonna’s manner of cradling him - recall the vulnerable infant from the Pisano pulpit who is saved from Herod by the protection of Mary and Joseph. In fact, the same paradox of a divine vulnerable child can be seen in Duccio’s own representation of the Flight into Egypt (Figure 17, Appendix). The composition and the figures in this picture are remarkably similar to the figures in the pulpit scene. But Duccio replaces the frantic atmosphere in the pulpit scene with a landscape that appears barren. In the scene of the Presentation in the Temple in the ,Maesta`‘, Duccio also alludes to the analogous depiction on the Pisano pulpit. Duccio’s representation, however, takes the observer in a different direction. The Presentation scene in the ,Maesta`‘ is located in the center of the predella directly under the enthroned Madonna and Child (Figure 18, Appendix). The prophet Malachy, the last of the Old Testament prophets, stands to one side and introduces the scene. The Presentation takes place before an altar which is under an arch of four columns suggesting an apse, a visual reference seen earlier in the Etchmiadzin Gospels 86. The striped pattern along the central arch and on the side columns is an easily recognizable reference to the pattern on the columns throughout the Siena Duomo. Through this combination of symbolic elements representing temple, church, and Duomo, Duccio brings together the Old and New Testaments at the altar of the Siena Duomo. In the scene, Mary stands in front of the altar on the left and presents the Christ Child to Simeon who stands with his arms extended receiving the child on the right side of the altar. The Christ Child in Simeon’s arms turns around and reaches out across the altar to Mary even as he looks back at Simeon 87. The scene represents the moment immediately after the Presentation when Simeon returns the Child to Mary, with the words, „Now, Lord, you can let your servant go in peace.“ 88 This representation brings Mary’s custodial role in taking Christ to the temple together with her duty to release her son for his divine mission. In doing so, this scene not only illustrates Mary’s role as Mother of God and Mediator in the transition from the Old to the New Testament, but places Christ on the altar of sacrifice where the ,Maesta`‘ is located. Indeed, it can be said that the entire altarpiece of the ,Maesta`‘ is a visual reference linking story to place. *** 86
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Cf. nt. 40. For discussion of the Christ’s Presentation scene in the ,Maesta`‘ with additional references to these architectural symbols cf. Popp, Duccio (nt. 81), 147 sqq. Compare with a Byzantine portrayal of the Christ child in an Initial from the first half of the 12th century (Rome, Vatican Library: Virgin and Child. Homilies of Jacobus Monachus. No. 1162), where the Christ Child in his mother’s arms reaches away while still looking at her. For a discussion of this particular image and of the development of this affectionate manner of representing the Madonna cf. Lazarev, Iconography (nt. 39), 224. Lk 2,29-35; cf. nt. 69.
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In conclusion, my inquiry into the significance of the ,Maesta`‘ altarpiece was occasioned by the „1308“ theme of this volume. Perhaps not surprisingly, it has taken on the character of a pilgrimage, a search for the ,holy places of memory‘. By capturing these places in his ,Maesta`‘ Duccio transported them to Siena. In so doing, he created a narrative and artistic setting for the Madonna consistent with the altar setting for which the ,Maesta`‘ was commissioned and where the ancient words of the Mass would be recited, „Do this in remembrance of me“ 89. This paper first considered the ancient tradition of symbols which provide context for understanding the ,Maesta`‘. These symbols such as the Burning Bush represent the link between a place on earth and Divine intervention. From the earliest days of Christianity, this symbolism of the Burning Bush was applied to the Virgin Mary as the Theotokos, the „God-Bearer.“ The idea that God is ,brought forth‘ in a visible form was extended by the early Christians to artistic images, particularly to the image of the Madonna and Child. This Marian image immediately came to be identified with the Madonna’s ability to intercede with her divine son on behalf of human beings. This idea of the protective power of Mary’s image was then used to understand the significance of the two earlier images of the Madonna which had preceded the ,Maesta`‘ on the altar of the Duomo. Each of these images was associated at different points in the history of Siena with the intercession of the Madonna on behalf of the Sienese people. By recreating the procession that preceded the installation of the ,Maesta`‘ this paper has shown that the entire configuration of the Duomo served to highlight the main monument, the Sienese Madonna enthroned in the ,Maesta`‘. By following this procession it was possible to identify the signposts in the Duomo which point to the ,Maesta`‘ in the place of honor on the high altar. These signposts were the facX ade by Giovanni Pisano, the oculus window by Duccio and Nicola Pisano’s marble pulpit. In painting the ,Maesta`‘, Duccio painted a panel true to his purpose, an ,authentic‘ likeness of the Mother of God in heaven. In so doing, he created in the Duomo a unique sanctuary for her repose - a repository of her presence for the protection of the Sienese people. The people of Siena could join in the procession around the Madonna and, as she had done since the coming of the Magi, she would show them the way to her divine son through all the events of his life and death. With her cape, she would protect them on their pilgrimage through life. In this way Duccio located the holy site of pilgrimage in Siena. 89
For the remembrance of the Lord, what it meant in antiquity and its role in the development of the liturgy cf. O. Casel, Das Gedächtnis des Herrn in der altchristlichen Liturgie: die Grundgedanken des Messkanons (Ecclesia Orans 2), Freiburg i. Br. 1922. For a study of remembrance and holy places cf. M. Halbwachs, La topographie le´gendaire des e´vangiles en terre sainte: E´tude de me´moire collective, Paris 1941. The memory of events surrounding Christ and his mother and the longing for the sacred places where these events occurred is documented from the earliest days of Christianity in the apocrypha about Mary and the apostles and then in the accounts of pilgrims to the holy sites.
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Siena’s beauty was now truly ,sealed‘ assuring the Madonna’s presence in Siena and her protection of the Sienese. In this way, Duccio painted the ,Maesta`‘ as a locus sanctus - a traversable heavenly city, a sanctuary at the crossroads of Siena, the Civitas Virginis. This is what Duccio writes in his poem along the base of the Madonna’s throne, „Mater sancta Dei! Sis causa Senis requiei. Sis Duccio vita te quia pinxit ita.“ 90
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„Mother of God. May you be the source of repose for Siena. And life for Duccio. For thus has he painted you.“
1308 - Geburtsjahr der ,Maesta`‘, des monumentalen, politisch akzentuierten Madonnenbildes in Italien Johannes Zahlten (Braunschweig) „Anno Domini MCCCVIII, indictione VII, die VIII mensis octubris“, beginnt der Vertrag zwischen dem Leiter der Sieneser Dombauhütte und dem Maler Duccio di Buoninsegna, in dem es weiter heißt, „ad pingendum quandam tabulam, ponendam supra maiori altari maioris ecclesiae sanctae Marie de Senis […]“ 1. Damit ist dokumentarisch der 8. Oktober des Jahres 1308 als Datum für die Auftragserteilung des großen gemalten Altarbildes für den Hochaltar des Sieneser Domes belegt, der der Gottesmutter Maria geweiht ist (Abb. 1). Wie aus den ,biccherne‘, den Rechnungsbüchern der Stadt, hervorgeht, wurden die Musikanten, welche die Festprozession zur Übertragung der fertigen ,Maesta`‘ am 9. Juli 1311 begleiteten, mit acht soldi entlohnt 2. Da Duccios Auftrag ein eigener Beitrag gewidmet ist, möchte ich mich in meinem Vortrag, der schwerpunktmäßig die auf seine ,Maesta`‘ zurückgehenden, politisch motivierten großen Marienbilder behandeln soll, nur soweit mit jenem monumentalen Tafelbild und seiner Geschichte befassen, wie es zum Verständnis notwendig ist. Ausgehend vom historischen Anlaß für den Auftrag soll knapp auf die Marienverehrung jener Zeit und einige Typen des Marienbildes eingegangen werden, dann Duccios Bilderfindung skizziert und dessen Auswirkung auf die Wandbilder im Palazzo Pubblico in Siena, im Palazzo Comunale von San Gimignano und in der Monte Siepi-Kapelle in San Galgano sowie auf die Altartafel in Massa Marittima vorgestellt werden. Während der für Siena bedrohlichen Auseinandersetzungen des Jahres 1260 mit dem nördlichen Nachbarstaat Florenz, der seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluß auf Sieneser Territorium in der südlichen Toskana ausdehnen wollte, veranstaltete der Vorsitzende der Consiglio de’ Ventiquattro, des regierenden Rates der Stadt, eine Bittprozession vom Palazzo Pubblico zum Dom. Wie 1
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Cf. zur Thematik dieses Beitrags D. Norman, Siena and the Virgin. Art and Politics in a Late Medieval City State. New Haven-London 1999; A. Perring, Formen der politischen Propaganda der Kommune von Siena in der ersten Trecentohälfte, in: C. Clausberg/D. Kimpel/H.-J. Kunst/ R. Suckale (eds.), Bauwerk und Bildwerk im Hochmittelalter. Anschauliche Beiträge zur Kulturund Sozialgeschichte, Gießen 1981, 213-234; H. P. Riedl, Das Maesta`-Bild in der Sieneser Malerei des Trecento, Tübingen 1991. Cf. Riedl, Das Maesta`-Bild (nt. 1), 18.
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die Stadtchronik berichtet 3, begaben sich der Bischof und Buonaguida Lucari Hand in Hand zum Hochaltar mit dem Bild der Jungfrau Maria als Dompatronin. Dort legte er die Schlüssel der Stadt nieder und weihte in einem Gebet Stadt und Umland (contado) von Siena der Madonna als Schutzherrin und flehte für die Bürger: „[…] liberate dale mani di questi perfidi chani fiorentini […]“ („befreie sie aus den Händen dieser treulosen Florentiner Hunde“). Buchmalereien in einer Handschrift von 1442/43 halten diese Szenen fest 4. Am folgenden Tag (4. September 1260) ging Siena aus der Schlacht von Montaperti als Sieger hervor. Der Sieg wurde der Madonna als Königin der Stadt zugeschrieben. Siena bezeichnete sich fortan als ,Civitas Virginis‘ (Stadt der Jungfrau Maria). Das Madonnenbild, vor dem die Weihe der Stadt an Maria vollzogen wurde, war die ,Madonna degli occhi grossi‘, das fragmentierte Mittelstück eines Antependiums von 1215, das als Retabel Verwendung gefunden hatte. Nach dem Sieg über die Florentiner wurde es durch die Guido da Siena zugeschriebene ,Madonna del Voto‘ (oder: ,delle Grazie‘) ersetzt, die den Typus der byzantinischen Hodegetria-Ikone vertritt 5. Sie ist als Fragment noch heute in einer Nebenkapelle des Domes erhalten, denn ihre Position auf dem Hochaltar nahm 1311 Duccios ,Maesta`‘ ein. Gegenüber dieser Bildtradition des Marienbildes trat bereits 1261 mit Coppo di Marcovaldos Madonna für die Serviten in Siena ein Bruch mit weitreichenden Folgen auf 6. Vertrat die ,Madonna degli occhi grossi‘ in ihrer Strenge und Frontalität noch den Typus des romanischen, dreidimensionalen hölzernen Kultbildes und ihre Nachfolgerin den einer halbfigurigen Marienikone, wagte Coppo etwas Neues: Die beibehaltene Thronfigur wird lebendiger, die Zuwendung von Mutter und Kind inniger, die Gewänder bewegter. Vor allem das große Format der Marientafel übersteigt alles Bisherige. Einen weiteren Höhepunkt in dieser rasanten Entwicklung des ganzfigurigen Sieneser Marienbildes stellt Guido da Sienas Madonna mit den Engeln in der Dominikanerkirche der Stadt dar. Die Höhe der 283 ¥ 194 cm messenden Tafel wurde durch den aufgesetzten Dreiecksgiebel auf insgesamt 362 cm gesteigert. Er zeigt als eigenes Thema den segnenden Christus-Logos zwischen zwei Engeln; die Marientafel in den Zwickeln des dreiteiligen Bogens, der die Himmelskönigin hervorhebt, weitere sechs Engel, die sich anbetend herabbeugen. In der Größe übertroffen wurde Guidos zwischen 1275 und 1280 geschaffene Tafel wenige Jahre später von Duccios ,Madonna Ruccelai‘, die 1285 von der Bruderschaft der Laudesi für ihre Kapelle in der Dominikanerkirche S. Maria Novella in Florenz in Auftrag gegeben wurde. Mit 450 ¥ 290 cm ist sie doppelt 3
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Cf. Norman, Siena (nt. 1), 3; dazu ausführlich G. Palmieri Nuti, Storia di Siena dalle origini al 1559, Siena 1968, 34-42. Cf. Siena, Biblioteca Comunale, Ms. A IV 5, fol. 4v, 5r. Cf. H. Belting, Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München 1990, 437 sqq.; Perring, Formen (nt. 1), 215-218. Cf. zum folgenden Belting, Bild (nt. 5), 437-446.
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Abb. 1: Duccio di Boninsegna, La Maesta`, Siena Museo dell’Opera del Duomo.
so groß wie Coppos ,Serviten-Madonna‘ 7 und macht nachdrücklich deutlich, daß durchaus ein gegenseitiges Übertreffen der Auftraggeber mit im Spiel war. Die Vergabe des Florentiner Auftrags an einen sienesischen Maler ist darin begründet, daß Siena inzwischen in der Gattung des monumentalen Marienbildes führend geworden war. In diese Entwicklungsreihe gehören auch Cimabues fast gleichzeitige Madonna für die Vallombrosanermönche in S. Trinita` und Giottos ,Ognisanti-Madonna‘ für den Orden der Humiliaten in Florenz, die um 1308 entstanden war, im gleichen Jahr wie Duccios Hauptwerk in Siena 8. Doch bevor auf sie unser Augenmerk gerichtet wird, soll kurz auf die Marienverehrung jener Epoche eingegangen werden 9. Die „Glanzzeit der Marienverehrung“ 10, die sich über das ganze Mittelalter hinziehen sollte, begann mit dem 11. Jahrhundert. Es waren vor allem die alten Orden der Prämonstratenser und Zisterzienser, die sie vorantrieben. Richtungsweisend für eine marianische Theologie und die Marienfrömmigkeit wurde Bernhard von Clairvaux, der in Maria die Herrin, die Königin des Himmels und der Erde sah. Im 13. Jahrhundert traten jedoch die Mönchsorden hinter die neugegründeten Bettelorden, die Franziskaner und Dominikaner, zurück. Bei letzteren nahm Maria gewissermaßen die Stelle eines Ordensoberhaupts ein, dem Gehorsam gelobt wurde. Lange schrieb man das Werk ,De laudibus sanctae 7
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Cf. ibid., 441; G. Cattaneo, L’opera completa di Duccio (Classici dell’Arte 60), Mailand 1972, 85. Neuere gute Abbildungen der drei Madonnentafeln finden sich bei G. Fossi, The Uffizi Gallery. Art History Collections, Florenz 2001, 46, 47, 50. Dazu ausführlich W. Delius, Geschichte der Marienverehrung, München-Basel 1963, 156-159, 171, 188-191, 339-343; H. Graef, Maria. Eine Geschichte der Lehre und Verehrung, Freiburg-Basel-Wien 1964, 242-279. Cf. Delius, Geschichte (nt. 9), 156; Graef, Maria (nt. 9), 245.
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Mariae‘ dem Dominikanergelehrten Albertus Magnus zu, ein Kompendium marianischer Lehre und Verehrung, bis man Richard von St.-Laurent als Verfasser der Schrift entdeckte (um 1245), in der Maria selbst als allmächtig angesehen wird: „Darum ist ihr nicht nur im Himmelreich, sondern auch in den drei Reichen des Himmels, der Erde und der Hölle, besondere Allmacht verliehen, daß in ihrem Namen sich jedes Knie beugen soll […].“ Gegenüber solchen spekulativen Äußerungen nehmen sich die Ausführungen Alberts des Großen zur Himmelfahrt Mariens und ihrer Mittlertätigkeit oder die Ablehnung der unbefleckten Empfängnis durch Thomas von Aquin recht nüchtern aus. Auch der Scholastiker aus dem Franziskanerorden, Bonaventura, mahnt angesichts der sich steigernden Marienverehrung zur Mäßigung. Bei seinem Schüler, dem Spiritualen Petrus Johannes Olivi (gest. 1298), liest man in seinen ,Quaestiones quattuor de Domina‘, daß die Jungfrau Maria „zum ganzen himmlischen Hof im Verhältnis der Königin und Herrin zu ihren Dienern und Dienerinnen steht“, wie es wenig später auf den Maesta`-Darstellungen zu sehen sein wird. Ähnlich äußert sich auch der Benediktinerabt Engelbert von Admont (gest. 1331), während der Philosoph und Theologe Duns Scotus (gest. 1308) betont: „Die selige Jungfrau hat die Autorität der Fürbitte, nicht des Befehlens“ (habet auctoritatem impretandi, non imperandi ) 11. In die oft kontrovers geführte Diskussion in Fragen der marianischen Theologie mischten sich andere im 13. Jahrhundert gegründete Orden wie die Karmeliten und Serviten, die Maria als wahre Gründerin ihres Ordens ansahen und als Auftraggeber für Madonnenbilder auftraten, wie es auch die großen Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner praktizierten. Vornehmlich waren es aber die zahlreichen Laienbruderschaften, die oft den Bettelorden unterstanden und ihre Kapellen in deren Kirchen mit monumentalen Marientafeln schmückten. Ein regelrechter Wettbewerb unter den religiösen Laienverbänden war hinsichtlich der Größe der Kultbilder zu beobachten. Er gipfelte in dem riesigen Format von Duccios Tafel für die Laudesi-Bruderschaft in Florenz. An dieser Stelle ist zu unterstreichen, daß jene großen Marienbilder nicht für die Hochaltäre der Ordenskirchen gemalt wurden, wie Vasari fälschlich behauptete, sondern für die Seitenkapellen, in denen sich Bruderschaften zusammenfanden. Mit dem Auftrag für Duccios ,Maesta`‘ 1308 hatte sich die Kommune von Siena in den Wettbewerb mit den Bruderschaften eingeschaltet und unter der Regierung der ,Nove‘, einer siebzigjährigen wirtschaftlichen und kulturellen Blütezeit der Stadt, ein Altarbild schaffen lassen, das die bisherigen in den Schatten stellte 12. Dies gilt nicht nur für die enorme Größe von 498 ¥ 468 cm, sondern auch für die formale und inhaltliche Gestaltung des Gemäldes. Bestimmt für den Hochaltar des Domes, veränderte der Künstler das bekannte einteilige Hochformat des Kultbildes zu einem querformatigen Polyptychon. Anstelle der nur von 11 12
Cf. ibid., 273. Cf. Belting, Bild (nt. 5), 453-456. Zur Regierung der ,Nove‘ cf. Palmieri Nuti, Storia (nt. 3), 47-58.
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Abb. 2: Simone Martini, Maesta`, Siena Palazzo Comunale.
wenigen Engeln flankierten Madonna auf dem Thron erscheint diese nun thronend inmitten einer vielfigurigen Schar von Heiligen, Engeln und Stadtpatronen. Eine weitere Neuigkeit ist die Doppelseitigkeit des Retabels, die für eine freie Aufstellung im Raum spricht; die großformatige Schauseite über einer Predella mit szenischen Darstellungen, wie sie auch die Tabernakelaufsätze der Giebelzone zieren, zum Kirchenraum ausgerichtet, die Rückseite mit sechsundzwanzig christologischen Szenen dem für den Klerus bestimmten Chor zugewandt 13. Seine Aufstellung im Chor der Kathedrale unter dem ebenfalls Duccio zugeschriebenen großen runden Glasfenster mit Marienszenen erblickt man im Hintergrund einer Szene auf dem hölzernen Deckel des Rechnungsbuches (biccherna) für das Jahr 1483 im Sieneser Staatsarchiv, welche die im gleichen Jahr wiederholte Zeremonie der Weihe der Stadt und die Schlüsselübergabe an die Madonna schildert 14. Hier soll es jedoch nur um die Thematik des zentralen Monumentalbildes auf der Vorderseite des Altarbildes gehen, wie es sich fünfzig Jahre nach dem für 13
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Cf. Riedl, Das Maesta`-Bild (nt. 1), 17 und die von ihm wiedergegebene Rekonstruktion (Photomontage) des Altarwerks nach J. White (1979) in den Abbildungen 8 und 11. Cf. A. Tomei, Le biccherne di Siena. Arte e finanza all’alba dell’ economia moderna, Rom 2003, 218 sq.; Norman, Siena (nt. 1), 25 sq.
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Siena so bedeutenden politischen Ereignis, der Schlacht von Montaperti, präsentierte. Der neue Bildtypus zeigt im Zentrum auf einem cosmatesk verzierten Marmorthron die Himmelskönigin mit ihrem Kind, umgeben von ihrem Hofstaat, geordnet nach Rängen. Vor der aufgereihten Schar der Engel und von ihnen angeführt flankieren stehende Heilige ihren Thron; links von Johannes dem Evangelisten angeführt Paulus und Katharina, rechts mit Johannes dem Täufer an der Spitze Petrus und Agnes. Vor ihnen knien in der kanonischen Haltung von Gesandten, wie es Alexander Perring ausgedrückt hat 15, die am Hof der himmlischen Königin akkreditierten Stadtheiligen Sienas als Botschafter der Kommune, durch Inschriften identifizierbar als Ansanus, Bischof Savinus, Crescentius und Victor. Den patriotischen Zug ihrer Positionierung auf den Ehrenplätzen am Thron betont auch noch der Weihetext in Form eines Gebets an dessen Fußplatte: „Mater sancta dei / sis causa senis requiei / sis ducio vita / te quia pinxit ita“ („Heilige Mutter Gottes, sei Du die Urheberin des Friedens in Siena und gewähre dem Duccio [langes] Leben, der Dich so [schön] gemalt hat“), gerichtet von der Stadtregierung der Neun an die Madonna 16. Durch den direkten kommunalen Bezug auf das Heil Sienas sollte sich die ,Maesta`‘ als Schlüsselwerk erweisen, das seinen Einfluß auf andere Kunstwerke in dieser Stadt und in ihrem umliegenden Territorium geltend machte. Schon wenige Jahre später griff Simone Martini Duccios Thema in seinem Wandbild an der Stirnseite des repräsentativsten Profanraumes Sienas, der Sala del Consiglio des Palazzo Pubblico auf (Abb. 2). Er stellte das monumentale religiöse Werk in den Kontext eines Bildprogramms des Ratssaals, das von Siegen über die Florentiner und der Sicherung der eroberten Städte im Contado bestimmt ist. In der gemalten Sockelzone der Wand, die Porphyr-Inkrustationen wiedergibt, nennt ein Dreizeiler, beginnend „MILLE TRECENTO QUINDICI“, neben dem Stadtsiegel, das Entstehungsdatum 1315, ein fragmentiertes Tuffsteinstück darunter den Namen des Künstlers „SE LA MAN DI SYMONE“, von der Hand des Simone (Martini) 17. Gerahmt wird das Gemälde von einer breiten, ornamentierten Bordüre. Sie enthält Rundmedaillons mit den Büsten des segnenden Christus, der Evangelisten, der Kirchenväter, der Propheten und direkt unter der Madonna einer allegorischen Darstellung. Die Halbfiguren einer älteren und einer jüngeren Frau, umfaßt von einem achteckigen Heiligenschein mit den Namen der christlichen Tugenden, verkörpern die beiden Gesetze, des Alten und des Neuen Bundes. Die ältere hält eine Schrifttafel mit den Zehn Geboten, die jüngere eine Liste mit den Sieben Sakramenten. Dieser Rahmen gibt einen Ausblick frei auf die Gruppe der Maesta` vor einem lapislazuliblauen Hintergrund. Als größte und bedeutendste Gestalt thront die 15 16 17
Cf. Perring, Formen (nt. 1), 220. Cf. Belting, Bild (nt. 5), 456. Cf. Riedl, Das Maesta`-Bild (nt. 1), 32-50; Norman, Siena (nt. 1), 48-58; J. Poeschke, Wandmalerei der Giottozeit in Italien 1280-1400, München 2003, 278 sqq.
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Himmelskönigin unter einem Reisebaldachin auf einem vergoldeten hölzernen, vermutlich klappbaren Thron. Perring hat interessanterweise von einer „Staatsvisite“ im Palazzo Pubblico gesprochen 18. Im golddurchwirkten königlichen Gewand präsentiert sie ihr Kind, das segnend die Rechte erhoben hat. In der Linken trägt der Christusknabe eine Schriftrolle mit den Worten aus dem ,Buch der Weisheit‘: „Liebt die Gerechtigkeit, die Ihr über die Erde richtet“ (Weish 1,1). Wiederum eine Aufforderung an die bis zu 500 Mitglieder zählende Ratsversammlung und den Podesta`, der die Legislative vertrat und der seinen Sitz direkt vor dieser Gruppe hatte. Gegenüber Duccios Dombild ist die Zahl der Engel auf sechs reduziert und der himmlische Hofstaat durch die zwölf Apostel, die teilweise den Baldachin tragen, und die weiblichen Heiligen Ursula und Maria Magdalena verstärkt worden. Kniende Engel an den Stufen des Thrones reichen der Madonna Körbe mit Rosen und Lilien empor, ein Motiv, das von Giottos ,Ognisanti-Madonna‘ angeregt sein mag. Hinter ihnen knien wie bei Duccio die vier Stadtpatrone Ansanus, Savinus, Crescentius und Victor, die Bittschriften in ihren Händen tragen, deren Text gänzlich verloren ist. Die gerahmten Inschriften an den Stufen scheinen die Antworten der Königin zu sein 19. Bezogen auf die Funktion des Ratssaales, zeigt sie sich über gute Ratschlüsse erfreut. Die privaten Interessen müßten dem Gemeinwohl untergeordnet sein und Eintracht herrschen in ihrer Stadt. Zusammen mit Christus appelliert sie an die Regierenden und Regierten. Ihre Richtlinien für eine gute Regierung - ein Thema, das Ambrogio Lorenzetti einige Jahre später in der benachbarten Sala della Pace behandeln sollte 20 - stellen einen konkreten Bezug zur Entstehungszeit des Wandbildes in der ,Civitas Virginis‘ dar. Schon 1317 fand der ,Staatsbesuch‘ der Madonna in einem anderen Rathaus seine Fortsetzung, im Ratssaal des Palazzo Communale in San Gimignano, einer zu dieser Zeit noch mit Siena verbündeten Kommune, obwohl sie nicht direkt zum Sieneser Contado gehörte 21. Lippo Memmi, der spätere Schwager Simone Martinis und vermutlich Mitarbeiter bei dessen Sieneser Auftrag, übernahm für seine Maesta` nur wenig verändert Simones Komposition. Der Ratssaal war bereits 1291 von Sieneser Künstlern mit Wappen, Jagd- und Turnierszenen sowie einer Herrscherfigur, die man als Karl von Anjou gedeutet hat, ausgemalt worden, mit einem Programm, das guelfische Sympathien verrät. Zu ihm im Kontrast steht das in die Mitte der Längswand eingefügte, 875 cm breite Gemälde, 18
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Cf. Perring, Formen (nt. 1), 222-226; G. Contini/M. C. Gozzoli, L’opera completa di Simone Martini (Classici dell’Arte 43), Mailand 1970, 85 sq. Cf. Riedl, Das Maesta`-Bild (nt. 1), 49 sq. Cf. Poeschke, Wandmalerei (nt. 17), 290-309; zu den Auswirkungen des Guten Regiments cf. J. Zahlten, Humana inventa. Zur künstlerischen Darstellung der artes mechanicae, in: I. CraemerRuegenberg/A. Speer (eds.), Scientia und ars im Hoch- und Spätmittelalter (Miscellanea Mediaevalia 22), Berlin-New York 1994, 1008-1022, hier 1018. Cf. Norman, Siena (nt. 1), 58-64; Riedl, Das Maesta`-Bild (nt. 1), 51-67; Perring, Formen (nt. 1), 227-231.
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signiert „LIPPUS MEMI […] ME PINSIT “ (Abb. 3, Anhang). Wie in Siena thront im Zentrum vor einem blauen Himmel in Bedeutungsgröße die Madonna, umgeben von ihrem dichtgedrängten Hofstaat, in den diesmal die Sieneser Stadtheiligen und auch die Patrone von San Gimignano, die heilige Fina und der heilige Geminianus, integriert wurden. An Stelle der knienden Stadtpatrone kniet hier, präsentiert von St. Nikolaus von Bari, ein Laie. Es handelt sich, wie aus der Widmungsinschrift unter dem Wandbild hervorgeht, um Nello di Mino de’ Tolomei, der 1317 das Amt des Podesta` und im Jahr darauf das des Capitano del Popolo in San Gimignano ausübte. Er stammte aus einer der einflußreichsten Familien Sienas und war, wie zumeist bei italienischen Kommunen üblich, als Auswärtiger in das hohe Amt berufen worden. Seine Anwesenheit auf dem Fresko läßt vermuten, daß mit der Madonna auch die Königin von Siena gemeint sein kann, das Bild also „als Dokument sienesischer Staatspropaganda verstanden werden muß“ 22. Nello de’ Tolomei ist auch der Auftraggeber des Werkes, worauf sein Wappen neben dem der Kommune auf dem tragbaren Baldachin hinweist 23. Der gebürtige Sieneser Nello ist porträthaft im Typus des Stifterbildnisses wiedergegeben. Seine Beziehung zu San Gimignano wird dadurch veranschaulicht, daß ihn Nikolaus von Bari in seiner Funktion als weiterer Stadtpatron der Madonna empfiehlt. Die Schriftrolle in seinen Händen, beginnend „Salve regina mundi, mater Dei “ („Sei gegrüßt, Königin der Welt und Gottesmutter“), drückt dies aus. Nicht für das Wohl des Stadtstaates, sondern für das Seelenheil Nellos de’ Tolomei wird gebetet. Es möge Maria recht sein, daß dieser sich in der dargestellten Gemeinschaft der Engel und Heiligen befinde 24. Dieser selbstbewußte Ton des Textes unterstreicht die bildliche Akzentuierung des Wandbildes auf die Person des Podesta` und Capitano del Popolo. Wenn Alexander Perring von der „außenpolitischen Wirksamkeit der Königin von Siena“ sprach 25, die von Duccios ,Maesta`‘ ausging, so wird diese in dem Fragment einer doppelseitig bemalten Altartafel im Dom von Massa Marittima deutlich 26, welche dem Vorbild folgt, anschaulicher jedoch in der Maesta`, die sich heute im Museo Civico (Palazzo Podesta`) befindet 27. Nachdem sich Massa Marittima 1335 Siena unterworfen hatte, schuf der Sieneser Maler Ambrogio Lorenzetti unmittelbar danach (1335/37) eine Maesta´-Darstellung für die Stadt, die im Format reduzierter als Duccios Tafel (155 ¥ 206 cm) und leider ohne ihre Rahmung erhalten ist. Die mächtige thronende Madonna vertritt den Typus der Glykophilousa, die sich innig ihrem Kind zuwendet. Während zwei Engel das Kissen ihres Thrones halten und mit ihren Flügeln die Mutter-Kind-Gruppe 22 23
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Perring, Formen (nt. 1), 231. Der Baldachin in Siena zeigte ebenfalls mehrfach das schwarz-weiße Sieneser Wappen des kommunalen Auftraggebers. Cf. Riedl, Das Maesta`-Bild (nt. 1), 65 sq. Perring, Formen (nt. 1), 232. Cf. Norman, Siena (nt. 1), 110-113; dort findet sich die Abbildung des Fragments. Cf. ibid., 121-131; Perring, Formen (nt. 1), 232 sqq.
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umschließen, bestreuen zwei weitere sie mit Rosen und Lilien. Musizierende und Weihrauchfässer schwingende Engel knien zu Füßen des Thrones, auf dessen Stufen, durch Inschriften gekennzeichnet, die Personifikationen der drei theologischen Tugenden Platz genommen haben (Abb. 4, Anhang). Nur durch Glaube, Hoffnung und Liebe ist der Zugang zum Heil gewährleistet. Unter Bezugnahme auf Rubinsteins Deutung dieser Tugenden auf Lorenzettis Sieneser Darstellung des Guten Regiments als Hauptfaktoren des Gemeinwohls 28 sieht Perring 29 in dieser Szene eine „Aufforderung auch zu politischer Rechtschaffenheit“ an San Gimignano, das sich kurz zuvor den feindlichen Pisanern angeschlossen hatte und nur durch eine militärische Aktion in die vormalige Loyalität zu Siena zurückgezwungen worden war. Dichtgedrängt umstehen Apostel, Evangelisten, Märtyrerinnen und Ordensgründer den Thron, um dieses Anliegen zu unterstützen, unter ihnen am rechten Rand als Stadtpatron der Bischof Cerbonius mit einer Schar von Gänsen und neben ihm im Habit der Augustinereremiten der Kirchenvater Augustinus, auf den sich der Orden als Gründer beruft. Seine Anwesenheit kann als Hinweis angesehen werden, daß die Altartafel ursprünglich für die Prioratskirche der Augustiner in San Gimignano, San Pietro all’Orto, bestimmt war 30. Auch die Tugendpersonifikationen, vor allem die Caritas mit dem brennenden Herzen als Attribut verweisen auf die theologischen Schriften des Kirchenvaters. Trotz dieser innovativen ikonographischen Erfindungen sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß Ambrogio Lorenzettis Maesta` für San Gimignano ein selbstbewußtes Beispiel politischer Propaganda Sienas darstellt, entstanden kurz nach der Vereinnahmung der Stadt in den Sieneser Staat. Noch zweimal hat Ambrogio das Thema der Maesta` im Sieneser Umfeld aufgegriffen. Darauf soll abschließend eingegangen werden, auch wenn hier ein politischer Akzent im Hintergrund bleibt und theologische Aspekte die beiden Wandbilder bestimmen. Erst 1944 wurde das Lünettenbild in der PiccolominiKapelle von Sant’Agostino in Siena wiederentdeckt, das kompositionelle und inhaltliche Ähnlichkeiten zur Altartafel in Massa Marittima aufweist 31. Außer dem Kirchen- und Ordenspatron Augustinus steht auch hier der Mönchsvater Antonius Abbas am Thron, und Katharina präsentiert ihr abgeschlagenes Haupt der Madonna. Als weitere Blutzeugen Christi erscheinen hinter ihr Bartholomäus und links von ihr Agatha, die, ebenfalls kniend, ihre abgeschnittenen Brüste emporhält. Dieser Gruppe entsprechen auf der rechten Seite Maria Magdalena und die heilige Apollonia mit der Zange und neben Antonius der Erzengel Michael. Daß Augustinus drei Bücher in seinen Händen hält, weist auf das 1338 28
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Cf. N. Rubinstein, Political Ideas in Sienese Art: The Frescoes by Ambrogio Lorenzetti and Taddeo di Bartolo in the Palazzo Publico, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 21, London 1958, 179-207. Cf. Perring, Formen (nt. 1), 234. Cf. Norman, Siena (nt. 1), 124 sq. (ausführliche Beweisführung), 130. Cf. ibid., 134 sq.; C. Frugoni, Pietro and Ambrogio Lorenzetti, Antella 1988, 41 sq.
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in Siena abgehaltenen Generalkapitel der Augustiner hin, auf dem die drei Ordensregeln diskutiert wurden, die er für die Augustinereremiten, die Augustinerchorherren und die Eremiten geschrieben habe 32. Dieses Jahr wird auch als das der Entstehung des Freskos angenommen. Das letzte Beispiel stammt aus der Kapelle von Monte Siepi bei San Galgano, südlich von Siena, die Ambrogio Lorenzetti zwischen 1334 und 1340 ausgemalt hatte 33. Als Zeichen irdischer Herrschaft trägt hier die Madonna ein Zepter, begleitet wird sie von den Apostelfürsten Petrus und Paulus und den beiden Johannes. Engel im Hintergrund tragen Schalen mit Blumen. Besonders ins Auge fällt die liegende weibliche Gestalt vor den Stufen des Thrones. Sie wird flankiert von den Personifikationen der Nächstenliebe mit der großen, geflochtenen Korbtasche und der Gottesliebe mit dem brennenden Herzen in der Hand Seitlich von ihnen knien im Vordergrund links Robert von Molesme, der Gründer der Zisterzienser, und vermutlich Papst Lucius III., der Galganus heilig sprach; rechts Bernhard von Clairvaux, ein Bischof und weitere Heilige, die in der Zisterzienserabtei verehrt wurden. Die große Liegefigur gibt sich durch ihre Schriftrolle zu erkennen, auf der zu lesen ist: „FEI PECCATO PER CHE PASSIO / NE SOFERSE CHRISTO CHE QUES / TA REINA PORTO’ NEL VENTRE / A NOSTRA REDENTIONE“ („Ich beging die Sünde, für die Christus, den diese Königin in ihrem Leib trug, die Passion für unser Heil erlitt“). Die blonde Eva, die ein Ziegenfell über ihrer Schulter trägt, dessen herabhängender Fuß lange als Schlange fehlgedeutet wurde, hält in der Hand als Zeichen des Sündenfalls einen Zweig mit der Frucht des Feigenbaums. Damit wird der Bezug der Alten Eva zur Neuen Eva, der königlichen Jungfrau, visualisiert, den auch Bernhard durch das Anagramm ,Ave/Eva‘ in seinem Kommentar zum Hohelied ansprach. Mit diesen beiden Variationen des Maesta`-Themas schließt der knappe Überblick über unterschiedliche Konzeptionen, die von den Bildwerken im Sieneser Umfeld vertreten wurden und ihren Ausgang von Duccios Altartafel im Dom von Siena nahmen, die vor 700 Jahren, 1308, begonnen wurde.
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Zum Augustinerorden und seinen Zweigen cf. J. Zahlten, Die Fresken aus der Konzilszeit in der Konstanzer Dreifaltigkeitskirche (Hefte zum Konstanzer Konzil 1), Karlsruhe 2009. Cf. Frugoni, Lorenzetti (nt. 31), 44-47; V. Albergo, San Galgano, Florenz 1990, 18-28.
Melk
Re´ussir sans raison(s). Autour du texte et des gloses du Liber De bona fortuna Aristotilis dans le manuscrit de Melk 796 (1308) Vale´ rie Cordonier (Leuven) „De intentione istorum philosophorum, Aristotelis et Auicenne: nolo eis imponere absurdiora quam ipsi dicant vel quam ex dictis eorum necessario sequantur, et ex dictis eorum volo rationabiliorem intellectum accipere quem possum.“ (Duns Scot) 1
En 1308 a e´te´ copie´ au sud de l’Allemagne, sur un manuscrit maintenant conserve´ a` l’abbaye de Melk, un opuscule alors crucial a` plusieurs points de vue, qui y porte le titre de ,Liber de bona fortuna Aristotilis‘ (fol. 153v ). Forme´ par une compilation de deux courtes sections du corpus aristote´licien grec issues des ,Magna moralia‘ (1206b30-1207b19) et de l’,Ethique a` Eude`me‘ (1246b371248b11), ce texte a constitue´, sous cette forme, un produit exclusif de l’aristote´lisme latin. Il traitait de questions pressantes touchant a` l’homme et aux principes de son activite´, mais aussi et surtout a` l’agir divin, a` l’ordre du monde ainsi qu’au rapport entre l’un et l’autre - rapport toujours plus percX u comme proble´matique a` partir du milieu du 13e`me sie`cle, en particulier dans le contexte de la re´ception d’Aristote. De`s son arrive´e a` Paris au milieu des anne´es soixante, le petit texte a donc connu un tre`s vif et large succe`s aupre`s des artiens autant que des the´ologiens; parmi ces derniers, les plus grands noms l’approfondissent et le discutent avec passion de`s la fin des anne´es septante et au de´but de la de´cennie suivante. Par ces de´bats surtout, le ,Liber de bona fortuna‘ a conquis 1
Pour la re´fe´rence au texte de Scot place´ en exergue, cf. nt. 125. Ce travail a e´te´ fait dans le cadre d’un programme de recherche (Impulsfinanciering Humane Wetenschappen, Interdisciplinaire Onderzoeks-programma’s) intitule´ „The Legacy of Aristotle’s Ethics and Politics“ et soutenu par la Katholieke Universiteit Leuven: je remercie cette institution ainsi que les promoteurs du projet, les Professeurs Jan Papy et Carlos Steel. Un grand merci aussi aux organisateurs du colloque, M. le Professeur Andreas Speer et M. David Wirmer, a` leur e´quipe ainsi qu’aux participants qui, par les e´changes informels accorde´s, ont enrichi cette recherche: en particulier Guy Guldentops pour ses remarques et Karl Ubl pour le temps pris pour discuter. Merci enfin aux colle`gues de l’Aristoteles Latinus, Gijs Coucke, Pieter De Leemans et Carlos Steel, pour leur aide patiente et ge´ne´reuse au quotidien.
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ˆ ge sur la causalite´ et une place durable dans les re´flexions de la fin du Moyen A la science divines, sur la cohe´rence du monde et sur les modalite´s de l’agir humain; a` propos de ces questions, il est re´gulie`rement cite´ et discute´ jusqu’a` la Renaissance, par des biais qu’il reste encore a` e´tudier dans le de´tail mais qui paraissent d’emble´e tributaires de sa re´ception me´die´vale, thomasienne surtout. Les 146 copies du petit traite´, conserve´es sur 143 manuscrits, s’e´talent elles-meˆmes jusqu’au 15e`me sie`cle, couvrent des zones ge´ographiques varie´es et offrent meˆme plusieurs „re´dactions“ faites a` partir de la version latine originale. Ainsi, aux recensions dites „Admontensis“ et „Panormitana“ de´ja` re´pertorie´es par le catalogue de l’Aristote Latin, s’en ajoute une, passe´e jusqu’ici inapercX ue: celle, pre´cise´ment, qu’on lit dans le manuscrit de Melk. Mais l’inte´reˆt de ce manuscrit ne se limite pas a` la particularite´ du texte aristote´licien proprement dit: ses marges sont jalonne´es de gloses, re´dige´es apre`s la copie du traite´ mais vraisemblablement dans la foule´e et par la meˆme main. Ces notes anonymes d’un e´clectisme assez frappant indiquent, dans leur sche´matisme un peu sommaire, les questions que pose le petit texte a` ses lecteurs a` l’aube du 14e`me sie`cle. Elles font aussi entendre quelques e´chos tre`s nets de la ,Sentencia super de bona fortuna‘ e´crite plus de trente ans auparavant par Gilles de Rome, une œuvre-cle´ pour la premie`re re´ception du texte en contexte universitaire et au-dela`. De la part du glossateur de Melk, une telle re´fe´rence n’e´tonne gue`re a` une e´poque ou` les plus grands auteurs s’adressent a` leurs illustres devanciers pour comprendre Aristote; c’est le cas meˆme de Duns Scot qui, dans son dernier ,Quodlibet‘ re´dige´ a` Paris en 1306 ou 1307, aborde le ,Liber de bona fortuna‘ en dialogue rapproche´ avec Henri de Gand. Et - chose bien moins connue - leur duo est signale´ en tant que tel un peu apre`s par l’auteur des ,Questiones de bona fortuna‘ jusqu’ici preˆte´es a` Jean de Jandun, mais qu’il faut attribuer a` Francesco Caracciolo de Naples; il en sera brie`vement question a` la fin de cette contribution. Mais en 1308, l’universite´ de Paris n’a plus le monopole de telles discussions exe´ge´tiques et doctrinales: c’est dans un contexte diffe´rent que s’inscrivent les lectures du moine Engelbert d’Admont ou d’Henri Bate de Malines, autres contemporains du glossateur de Melk et par rapport auxquels il prend une position bien de´finie. Car ces notes de copiste, symptomatiques d’une e´poque, refle`tent e´galement les choix d’un lecteur particulier, aux options spe´cifiques; a` condition d’eˆtre situe´es sur l’arrie`re-fond d’un contexte intellectuel qu’il faudra reconstituer dans ses grandes lignes, elles montrent la varie´te´ des lectures qu’a suscite´es alors le petit livre. La pre´sente contribution visera donc a` pre´ciser les points d’impact du ,Liber de bona fortuna‘ vers 1308, tant au plan de la transmission mate´rielle des textes qu’a` celui de leur interpre´tation et des discussions que celle-ci informe voire suscite. Pour constituer cette histoire focalise´e sur une anne´e particulie`re, le codex de Melk sera un fil conducteur privile´gie´: c’est sur sa trame que seront tisse´s les renseignements factuels, les renvois textuels, les interpre´tations et leur re´seau complexe. En premier lieu (I), il s’agira de pre´senter les spe´cificite´s de ce codex d’un point de vue philologique et ce, d’abord dans sa facX on d’intituler et
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de structurer le ,Liber de bona fortuna‘ (1) puis par la position qu’il occupe au sein de la tradition manuscrite (2) et, en analysant, enfin, ses liens de parente´ e´troits avec un autre te´moin qui offre la meˆme re´daction du ,Liber de bona fortuna‘ que lui (3). Seront ensuite (II) examine´es les gloses du manuscrit de Melk: apre`s une description de leurs proprie´te´s mate´rielles et graphiques (1), il s’agira d’y glaner des renseignements sur le profil du glossateur (2) puis d’utiliser ses notes pour pre´senter par leur biais tant le contenu de l’opuscule aristote´licien que les alternatives doctrinales qu’il mobilise pour expliquer la bonne fortune (3). Seront enfin (III) analyse´es et replace´es dans leur contexte historique et sur leur arrie`re-fond the´orique quelques options prises par le glossateur de Melk face au texte qu’il lit: on pourra voir, d’abord, comment sa lecture s’oppose a` celle du moine Engelbert d’Admont dans une œuvre contemporaine (1), puis, entre ces deux extreˆmes, comment se situent les unes par rapport aux autres quelques lectures plus e´quilibre´es du ,Liber de bona fortuna‘, propose´es par Duns Scot (2), Henri Bate de Malines et Francesco Caracciolo (3). C’est ainsi qu’en allant de Melk au monaste`re d’Admont puis a` Malines et a` Paris, on pourra mieux saisir comment et pourquoi, en 1308 ou vers cette anne´e-la`, on lit avec tant d’attention le ,Liber de bona fortuna‘. I. Les spe´ cificite´ s textuelles du manuscrit de Melk 1. Position, structure et intitule´s des chapitres du ,Liber de bona fortuna‘ Le manuscrit de Melk 796 est l’un des 143 te´moins encore pre´serve´s du ,Liber ` ce titre, il a de´ja` e´te´ re´pertorie´ par les auteurs du Catalogue de bona fortuna‘ 2. A de l’Aristoteles Latinus, mais il a fait aussi, re´cemment, l’objet d’une description plus comple`te par Christine Glassner: il s’agit d’un parchemin de 153 folios mesurant 210 ¥ 165 mm et compose´ de 5 parties distinctes remontant a` diffe´rentes pe´riodes du 14e`me sie`cle mais toutes copie´es au Sud de l’Allemagne 3. En cela le codex indique de´ja` que le corpus inte´grant des traductions nouvelles d’Aristote (corpus recentius) et en son sein, ce texte singulier qu’est le ,Liber de bona fortuna‘, e´taient a` cette e´poque copie´s et lus dans le Nord de l’Europe; ce 2
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Cf. G. Lacombe [e. a], Aristoteles Latinus. Codices, Pars prior, Rome 1939, no. 62 (sous la cote Melk, Bibl. Monast. 732, no. 8), 267 sq.; L. Minio-Paluello, Aristoteles Latinus. Supplementa altera, Bruges-Paris 1961, 54. Certains manuscrits contiennent deux copies du ,Liber de bona fortuna‘: le ms. Vatican, Borgh. 309 (= AL 1743), au fol. 88v puis aux foll. 301r-303r; le ms. Flor., Laur., Plut. LXXXIV, 12 (= AL 1324), aux foll. 7v-8 v; et 23r-24v (cf. G. Lacombe [e. a.], Aristoteles Latinus. Codices, Pars posterior, Rome 1950, 915 sq. et 1175 sq.); un autre doublon de ce type, quant a` lui ne´glige´ par le catalogue, est a` noter dans le ce´le`bre manuscrit d’Admont 608 (cf. nt. 22 et 89). Chr. Glassner, Inventar der Handschriften des Benediktinerstiftes Melk. Teil I: Von den Anfängen bis ca. 1400, Katalogband unter Mitarbeit von Alois Haidinger, Wien 2000, 325 sqq. Je remercie Mme Christine Glassner pour l’envoi de copies nume´rise´es du manuscrit de Melk puis Mme Kalteis et P. Gottfried pour leur accueil a` Melk.
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fait n’e´tait d’ailleurs pas rare alors, puisqu’ont e´te´ conserve´es plusieurs autres copies de l’opuscule e´crites dans cette re´gion au de´but du 14e`me sie`cle 4. Parmi celles-ci, le codex de Melk 796 est cependant le seul a` eˆtre date´ exactement de l’an 1308. Cette indication chronologique, se rapportant a` la copie des textes occupant les folios 134r a` 153v, intervient sur le dernier d’entre eux: „anno Domini m∞ cc∞c [raclage] viii libri isti sunt scripti.“ 5 Les livres en question se trouvent eˆtre le ,De ente et essentia‘ de Thomas d’Aquin (fol. 134r-139r ), le ,De unitate et uno‘ du Pseudo-Boe`ce (fol. 139v-140r ), puis une se´rie de traite´s d’Aristote a` pre´sent encore classifie´s comme ,Parva naturalia‘, suivis des deux extraits des ,Magna moralia‘ et de l’,Ethique a` Eude`me‘, mentionne´s dans le manuscrit de Melk non pas comme deux chapitres d’un meˆme traite´ mais comme deux „livres“ autonomes: Thomas, De ente et essentia (foll. 134r-139r ) Pseudo-Boethius (= Gundissalinus), De unitate et uno (foll. 139v-140r ) Aristote, De sensu et sensato (foll. 140v-144v ) De longitudine et brevitatis vitae (foll. 145r-146r ) De iuventute et senectute (foll. 146r-147r ) De inspiratione et respiratione (foll. 147r-148r ) De morte et vita (foll. 148v-150v ) De memoria et reminiscentia (foll. 150v-152r ) Liber de felicitate (foll. 152r-152v ) [= ,Magna moralia‘ 1206b30-1207b19] Liber de bona fortuna (foll. 152v-153v ) [= ,Ethique a` Eude`me‘ 1246b37-1248b11]
Cette re´partition des titres en tant que telle marque de´ja` l’originalite´ du codex de Melk: e´trangement, le titre de ,Liber de bona fortuna‘ n’apparaıˆt que pour introduire le second chapitre du traite´ (tire´ de l’,Ethique a` Eude`me‘), tandis que le premier (tire´ des ,Magna moralia‘) est ramene´ a` la the´matique de la felicitas dans l’indication transitoire entre les deux chapitres comme au de´but du premier, au folio pre´ce´dent: „Explicit de felicitate, Incipit Liber de bona fortuna“ (ms. Melk 4
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Cf. ms. Munich, Bibl. bavaria publica, Clm. 8003 (= AL 1037) qui, en plus du ,Liber de bona fortuna‘ (foll. 27v-28v ), contient les ,Physionomiques‘ (foll. 43v-48r ) et les ,Magna moralia‘ (foll. 48r-65v ), tous deux traduits par Barthe´le´my de Messine et toˆt copie´s ensemble, cf. C. Halm/ G. Thomas/G. Meyer, Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis secundum Andreae Schmelleri Indices, vol. 1, pars 3, Munich 1968, 215). Relevons aussi, quoiqu’il soit plus tardif, le ms. de Munich, Bibl. bavaria publica, Clm. 9676 (= AL 1043), et dont le corpus, plus he´te´roge`ne, intercale le ,Liber de bona fortuna‘ (p. 53-56) entre le ,De mineralibus‘ d’Avicenne (p. 49-52) et le ,De differentia‘ (p. 56-65); cf. C. Halm/G. Meyer, Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis secundum Andreae Schmelleri, vol. 2, pars 1, Munich 1968, 115. Date´ a` coup suˆr du 14e`me sie`cle et issu de la bibliothe`que de Ratisbonne, le ms. de Munich, Bibl. bavaria publica, Clm. 13056 (= AL 1050) contient tout comme le ms. de Melk une copie du ,De ente et essentia‘ de Thomas d’Aquin; cf. C. Halm/Fr. Keinz/G. Meyer/G. Thomas, Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis secundum Andreae Schmelleri, vol. 2, pars 2, Munich 1968, 97. Ms. Melk, Bibl. abbatiale, 796, olim 732, n. 8, fol. 153v. L’e´nonce´ de ce chiffre est interrompu, avant la mention „viii “, par un blanc provoque´ par grattage, mais la date donne malgre´ tout un repe`re temporel fiable.
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796, fol. 152v ); „Incipit liber de felicitate“ (fol. 152r ). Ainsi, non seulement l’origine des morceaux dans le corpus aristote´licien reste inconnue, mais chacun d’eux est pre´sente´ comme un traite´ autonome et the´matiquement distinct de l’autre, par un titre propre 6. Celui de la premie`re section, Liber de felicitate, s’accorde bien avec le contenu du chapitre, qui effectivement de´bute et s’ache`ve par une e´vocation de la ne´cessite´ des biens de la fortune dans la queˆte humaine du bonheur (BF I, 1-5 et BF II, 64-66) 7: au vu de ce double rappel de l’importance des biens exte´rieurs pour la fe´licite´, le titre impose´ a` son texte par le copiste de Melk paraıˆt tout naturel. Il reste, toutefois, tre`s rare et marque dans la copie de Melk, une spe´cificite´ d’autant plus frappante qu’il n’est donne´ qu’a` l’un des deux chapitres 8. Sur la totalite´ des manuscrits collationne´s, aucun autre que celui de Melk n’intitule les morceaux de cette facX on-la`. De fait, un certain nombre de te´moins comportent, sous forme d’intitule´s place´s au de´but du traite´, a` son terme ainsi qu’entre les deux chapitres, des indications pre´cises sur l’origine de chacun d’eux ou, a` tout le moins, du second morceau: ce trait est propre en fait aux meilleures copies de la tradition parisienne, celles qui sont issues du premier des exemplaria repe´rables dans cette branche du stemma 9. Un tel souci „philologique“ semble avoir e´te´ le propre des copies de cette tradition: tout porte a` croire que ce type d’indication a e´te´ apporte´e par l’e´rudit ou les autorite´s universitaires responsables de la constitution de l’exemplar 10. En effet, aucune indication de ce type ne 6
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Et c’est en suivant cette articulation que l’ancien catalogue de l’abbaye de Melk, re´dige´ avant le travail effectue´ par les initiateurs de l’Aristote latin, re´pertoriait sous deux rubriques diffe´rentes (no. 15 et 16) les deux sections ensuite seulement reconnues comme parties d’un meˆme ,Liber de bona fortuna‘; cf. Catalogus codicum manu scriptorum qui in Bibliotheca monasterii Mellicensis o. s. b. servantur. In memoriam anni ab introductis in hoc monasterum benedictinis octingentesimi a monasterio mellicensi editus, Vienne 1889, vol. 3 (Codices 708-1822), 1070 sq. En cours d’article comme dans les notes, les re´fe´rences au ,Liber de bona fortuna‘ se feront par l’abre´viation „BF“, suivie d’un chiffre romain renvoyant au nume´ro de chapitre, tandis que les chiffres arabes renvoient aux lignes de la transcription propose´e ci-dessous dans l’„Annexe“. En effet, la seule autre occurrence de la mention De felicitate apparaıˆt, en ce meˆme de´but du sie`cle, dans un autre manuscrit allemand - le ms. Erfurt, Amplon., fol. 16, foll. 49r-51v (= AL 853) - mais pour de´signer l’ensemble des deux chapitres: „Explicit Liber de bona fortuna ac felicitate“. Le codex contient aussi, par la meˆme main, une copie des ,Physionomiques‘ de Barthe´le´my de Messine, a` la suite des ,Problemata‘ qui, par contre, sont d’une main italienne. Un exemple-type est le ms. Vat. lat. 2091 (= AL 1848): „Capitulum Aristotelis de bona fortuna translatum de secundo Magnorum moralium Aristotelis“ (fol. 300v ), „Incipit aliud capitulum Aristotelis de bona fortuna translatum ex octauo Ethicorum Eudimion“ (fol. 301r ), „Explicit capitulum de bona fortuna“ (fol. 302r ). Les meˆmes indications se lisent dans trois autres te´moins du 13e`me et de tradition universitaire: le ms. Paris, Bibl. nat., 17837, foll. 223r-225r (= AL 715), le ms. Florence, Laur., S. Crucis, Plut. XV Sin. 9, foll. 15r-16r (= AL 1377) et le ms. Schaffhouse, Bibl. Ferri, sine num., foll. 29r-30r (= AL 1933). Cette liste n’est qu’indicative. Les textes relevant de ce type de tradition textuelle ont be´ne´ficie´, pour se reproduire, du syste`me de la pecia; cf. P. Destrez, La Pecia dans les manuscrits universitaires du XIII e`me et du XIV e`me sie`cle, Paris 1935; L. J. Bataillon (ed.), La production du livre universitaire au moyen aˆge. Exemplar et pecia, Paris 1988; C. Luna, L’e´dition le´onine de saint Thomas d’Aquin: vers une me´thode de critique textuelle et d’ecdotique, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 89 (2005), 31-110; P. De Leemans/P. Beullens, Aristote a` Paris. Le syste`me de la pecia et les
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se rencontre dans les te´moins relevant d’un e´ventuel troisie`me exemplar, ni dans les copies qui se sont, lors de la collation, ave´re´es eˆtre issues d’une tradition inde´pendante: dans ces derniers te´moins, le texte est soit exempt de titre, soit introduit comme ,Liber de bona fortuna‘ mais sans que ses deux chapitres certes toujours graphiquement marque´s par un retour a` la ligne -, ne soient jamais pre´sente´s comme issus d’œuvres diffe´rentes du corpus aristote´licien. Du seul point de vue, donc, du contenu de ses intitule´s de de´but, de milieu et de fin, le manuscrit de Melk ressemble aux textes de la tradition inde´pendante, lesquels soit ne donnent aucun titre, soit l’indiquent comme ,Liber de bona fortuna‘ mais sans jamais indiquer l’origine des morceaux: le lecteur de ce type de copies ne peut ainsi savoir qu’il se trouve face a` une compilation ni connaıˆtre l’origine de ses chapitres. Contrairement aux titres donne´s aux deux morceaux par le codex de Melk, la place meˆme qu’ils y occupent n’est pas si singulie`re. Sans pre´juger encore de la position qu’occupe ce te´moin dans la tradition manuscrite, disons seulement que le contenu de son corpus aristote´licien peut de fait s’e´clairer par l’agencement de celui-ci dans une certaine tradition universitaire: un bon nombre de copies qui en sont issues placent l’opuscule au terme d’une se´rie he´te´roge`ne de ,Parva naturalia‘, a` la diffe´rence que la se´quence d’œuvres y est ge´ne´ralement plus longue et de´veloppe´e que celle qu’a retenue le copiste de Melk. Pieter De Leemans et Pieter Beullens ont en effet montre´ que, dans le corpus recentius des œuvres re´pute´es aristote´liciennes dans le Paris de la fin du 13e`me sie`cle, les ,Parva naturalia‘ englobaient non seulement le ,De motu animalium‘ et les traite´s les plus ,physiologiques‘ d’Aristote, mais aussi certains opuscules (parvi libelli ) copie´s a` leurs coˆte´s et dont faisaient partie, notamment, les ,Physionomiques‘, le ,De pomo‘, le ,De nilo‘ et le ,Liber de bona fortuna‘: c’est a` cet ensemble un peu „fourre-tout“ que renverrait l’e´tiquette „Item de motibus animalium et aliorum parvorum“ dans la liste de taxation du stationnaire Andre´ de Sens, date´e de 1304 11. Or dans la tradition universitaire, cette se´rie de petits livres se cloˆt souvent par le ,Liber de bona fortuna‘, qui en occupe alors la dernie`re pecia: c’est le cas dans les copies issues du premier exemplaire - et dont un bon repre´sentant ancien est le ms. Vat. lat. 2083 (= AL 1842), date´ de 1284 - ainsi que dans celles d’un groupe de manuscrits semblant remonter a` un troisie`me exemplaire 12. Certes, le
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traductions de Guillaume de Moerbeke, in: Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales 75 (2008), 87-135. Cf. H. Denifle/E. Chatelain, Chartularium Universitatis Parisiensis, vol. 2, sectio prior, Paris 1891 [re´impression: Bruxelles 1964], 107, no. 642; G. Murano, Opere diffuse per exemplar e ˆ ge 29), Tournai 2005, 120-126. Voir Leemans/Beullens pecia (Textes et e´tudes du Moyen A (nt. 10), 108-111, 120-123. Il s’agit des manuscrits de Graz, bibl. univ., III, 93 = AL 58, Cracovie, bibl. Jag., 506 = AL 1665, Laon, bibl. mun., 434 = AL 485, Nürnberg, bibl. mun., Cent. IV, 1 = AL 1087, Paris, bibl. Maz., 3459 = AL 522, Vatican, bibl. apost., Borgh. 126 = AL 1729 qui comportent un groupe tre`s solide et parlant de fautes communes pointant clairement dans la direction d’un troisie`me exemplaire parisien. Pour une discussion synthe´tique concernant ce troisie`me exemplaire (P 4 dans la tradition du ,De motu animalium‘) voir Leemans/Beullens (nt. 10), 126. Dans
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codex de Melk ne calque pas tout son corpus sur cet agencement spe´cifique a` la tradition parisienne: la liste des traite´s n’y est pas aussi longue, tandis qu’en lieu et place des grandes œuvres aristote´liciennes qui ouvraient le „corpus recentius“ a` Paris, figurent a` Melk les œuvres a` teneur „me´taphysique“ de Thomas d’Aquin (,De ente et essentia‘) et du Pseudo-Boe`ce (,De unitate et uno‘). Mais de l’ordre de lecture sugge´re´ par le corpus universitaire, le manuscrit de Melk conserve ne´anmoins le lien fort entre le ,Liber de bona fortuna‘ et les ,Parva naturalia‘, ainsi que la position privile´gie´e de l’opuscule, qui couronne les textes de philosophie naturelle aristote´licienne ou pseudo-aristote´licienne. Cette place de choix au sein d’une se´lection de traite´s indique un inte´reˆt tre`s marque´ pour ce texte, qui a duˆ eˆtre assez toˆt inte´gre´ au cursus universitaire ou, au moins, aux lectures recommande´es pour le suivre, e´tant donne´ qu’on trouve mentionne´e, dans la liste d’Andre´ de Sens, la ,Sentencia super de bona fortuna‘ de Gilles de Rome 13: cela indique au moins que le traite´ lui-meˆme devait eˆtre alors de´ja` pris comme texte de re´fe´rence pour l’enseignement ou pour l’e´tude d’Aristote. L’histoire de l’importation de ce texte du Philosophe dans l’universite´ et celle de sa gene`se meˆme valent une e´tude qui leur soit expresse´ment consacre´e, et dont on ne donne ici que les re´sultats principaux. Plusieurs e´le´ments tire´s tant de la transmission manuscrite que de l’e´tude stylistique de la traduction indiquent que les deux parties du ,Liber de bona fortuna‘ sont l’œuvre de Guillaume de Moerbeke, lequel a traduit non seulement le passage de l’,Ethique a` Eude`me‘ ayant e´te´ utilise´ pour former l’opuscule (,Ethique a` Eude`me‘ 1246b37-1248b11 = ,De bona fortuna II‘), mais aussi le dernier chapitre de l’ouvrage (,Ethique a` Eude`me‘ 1248b12-1249b25), contigu avec l’autre dans le texte grec autant que dans trois des quatre te´moins conserve´s de cette version latine fragmentaire 14.
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les copies de´rive´es du second exemplaire en revanche, le ,Liber de bona fortuna‘ se trouve au milieu de la se´rie de textes, sur la treizie`me pecia, cf. Leemans/Beullens (nt. 10), 126. Murano, Opere diffuse (nt. 11), 126, no. 148: „Opera fratris Egidii super philosophiam: - de bona fortuna.“ On verra plus bas l’inte´reˆt du commentaire de Gilles pour reconstituer l’arrie`re-fond des gloses du manuscrit de Melk: cf. nt. 51-53, 55, 62, 65, 94, 108, 128, 129. Il s’agit des mss. Madrid, Bib. Nac., 10053 (= Hh 90, Toletanus, Bibl. Cab., 98-21), Paris, Bibl. nat., Nouvelles acqu. lat., 633 (= AL 720), Salamanque, 2705 (olim Madrid, Pal. 130, = AL 1206) et Se´ville, Bibl. Columbina 7, 6, 2 (= AL 1185) qui, tous sauf le dernier, donnent ce fragment de l’,Ethique a` Eude`me‘ dans la suite directe du ,Liber de bona fortuna‘. Les deux meilleurs te´moins du texte - ceux de Madrid et de Paris - contiennent une indication qui, pointant sans aucun doute du coˆte´ de la tradition grecque, explique pourquoi le traducteur n’a rendu la` qu’une partie de l’,Ethique a` Eude`me‘: „non erat plus in exemplari, de quo ista transtuli“. Le ms. de Madrid contient le fragment de Simplicius aux foll. 36ra-37vb (= Heiberg 492, 25503, 32), le ,Liber de bona fortuna‘ aux foll. 38vb-39vb et le fragment de l’,Ethique a` Eude`me‘ aux foll. 30vb-40ra. Pour sa description, voir J. M. Milla´s Vallicrosa, Las traducciones orientales en los manuscritos de la Biblioteca Catedral de Toledo, Madrid 1942, 180-202; F. Bossier/G. Guldentops/C. van de Veire (eds.), Simplicius. Commentaire sur le traite´ du ciel d’Aristote, traduction de Guillaume de Moerbeke, vol. 1, Louvain 2004, xxiii-xxiv; F. Bossier/J. Brams, Quelques additions au catalogue de l’Aristoteles Latinus, in: Bulletin de philosophie me´die´vale 25 (1983), 85-96, ici 87 sq.; F. Bossier, Traductions latines et influences du commentaire ,In De caelo‘ en Occident (XIII e-XIV e s.), in: I. Hadot (ed.), Simplicius, sa vie, son œuvre, sa survie, Berlin-New-York 1987, 289-325.
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Contrairement au chapitre sur la bonne fortune, ce texte sur la καλοκαγαθι´α a e´chappe´ a` la tradition universitaire et n’a e´te´ transmis que confidentiellement: apparu dans les oeuvres d’Albert remontant au de´but des anne´es soixante, il disparaıˆt dans sa production des anne´es septante au profit d’une utilisation du seul chapitre sur la bonne fortune sur lequel s’e´tait focalise´ d’emble´e Thomas d’Aquin de`s son se´jour italien alors qu’au meˆme moment, son maıˆtre avait cite´ indiffe´remment le chapitre sur la καλοκαγαθι´α autant que celui sur l’εyœτυχι´α (qui l’inte´ressaient d’ailleurs pour autre chose que pour ce the`me) 15. C’est donc que l’ide´e de compiler ce dernier chapitre avec l’extrait paralle`le des ,Magna moralia‘ (1206b30-1207b19) a duˆ suivre l’entreprise de traduction de la seule fin conserve´e de la premie`re de ces œuvres nouvellement de´couverte par les Latins. Il est en outre clair que, pour traduire ce passage des ,Magna moralia‘, Moerbeke n’a pas re´vise´ la traduction faite par Barthe´le´my de Messine vers 1260: la collation des deux morceaux latins ensemble ainsi qu’avec les te´moins grecs me´die´vaux, montre que le premier morceau est une traduction nouvelle, faite sur la base de meilleurs manuscrits grecs que ceux utilise´s par Barthe´le´my pour faire sa version globale 16. C’est donc a` Moerbeke qu’il faut attribuer la traduction des deux chapitres finaux de l’,Ethique a` Eude`me‘ ainsi que, une fois releve´ le paralle´lisme entre ces deux chapitres et ceux du second livre des ,Magna moralia‘, celle du chapitre de cette œuvre sur l’εyœτυχι´α pour le combiner avec celui de l’,Ethique a` Eude`me‘ sur le meˆme the`me au de´triment du chapitre sur la καλοκαγαθι´α. La se´lectivite´ meˆme de ce geste et l’accent ainsi mis sur une question au potentiel the´ologique e´vident - du moins pour qui connaıˆt les de´bats autour du proble`me de la providence et de l’action divines a` Paris dans la seconde partie du 13e`me sie`cle 17 - invitent a` se repre´senter la gene`se du ,Liber de bona fortuna‘ comme 15
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Voir ci-dessous nt. 18, nt. 98 et nt. 74. Cf. T. Deman, Le ,Liber de bona fortuna‘ dans la the´ologie de St Thomas d’Aquin, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 17 (1928), 38-58; cf. A. Pelzer, Les versions latines des ouvrages de morale conserve´s sous le nom d’Aristote en usage au XIII e sie`cle, in: id., E´tudes d’histoire litte´raire sur la scolastique me´die´vale, Louvain 1964, 120-187, ici 123, 125 sq. (article repris et remanie´ a` partir d’un texte paru en 1921); R. A. Gauthier, Thomas d’Aquin. Somme contre les Gentils, Introduction, Paris-Bruges 1993, 80-83. Ce dernier auteur (p. 82) pourrait peut-eˆtre avoir de´duit un peu trop haˆtivement qu’en citant se´pare´ment et comme tels les deux chapitres formant le ,Liber de bona fortuna‘, dans la ,Somme contre les Gentils‘ (ScG III, 89 et 92), c’est de´ja` a` ce texte comme compilation que Thomas se re´fe`re. Ce point sera de´montre´ en de´tail dans la pre´face de l’e´dition critique. Quant a` l’infe´riorite´ du grec traduit par Barthe´lemy de Messine, elle est due a` la me´diocrite´ de son mode`le, dont je de´montre qu’il s’identifie a` un seul manuscrit qui permet d’expliquer toutes les fautes de cette version latine: cf. V. Cordonier, La version latine des ,Magna moralia‘ par Barthe´le´my de Messine et son mode`le grec: le ms. Vindobonensis, phil. gr. 315 (V ), dans P. De Leemans/B. van den Abeele (ed.), Bartholomew of Messina and the Cultural Life at the Court of King Manfred of Sicily (Mediaevalia Lovaniensia, Series I), Leuven 2010, a` paraıˆtre. Cf. V. Cordonier, Thomas d’Aquin, le dieu d’Aristote et sa providence: une lecture croise´e d’Avicenne, d’Averroe`s, de Maı¨monide et d’Alexandre d’Aphrodise chez un the´ologien latin, the`se de doctorat a` paraıˆtre aux Editions Vrin (coll. Philosophes Me´die´vaux).
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une entreprise complexe ayant engage´ bien plus que le de´sir d’un traducteur voulant rendre accessible des textes d’Aristote re´cemment exhume´s. En effet, non seulement le roˆle joue´ par Thomas dans la diffusion du traite´ a` la fin des anne´es soixante en the´ologie puis en faculte´ des arts, mais l’orientation meˆme qu’il avait d’emble´e donne´e aux textes traduits par Moerbeke au de´but de cette de´cennie alors qu’il se trouvait en Italie (en re´digeant la ,Somme contre les Gentils‘), laissent penser qu’il a joue´ un roˆle dans la constitution de la compilation en tant que telle. Car c’est lui qui, alors qu’Albert utilise indiffe´remment les deux chapitres de l’,Ethique a` Eude`me‘, focalise exclusivement son attention sur celui traitant de la fortune et le lit, dans la ,Somme contre les Gentils‘, en paralle`le avec l’extrait des ,Magna moralia‘ pour, de retour a` Paris, y promouvoir une lecture the´ologique de l’,Ethique a` Eude`me‘ qui pre´vaudra ensuite aussi chez Albert. Mais la question de la gene`se du ,Liber de bona fortuna‘ doit eˆtre traite´e en meˆme temps que sa toute premie`re re´ception, dans une e´tude a` part 18. Pour le pre´sent propos, centre´ sur sa re´ception tardive, il suffira de retenir le tout de´but des anne´es soixante comme date probable de la traduction des deux morceaux textuels concerne´s et les dernie`res anne´es de cette de´cennie comme moment de leur diffusion a` Paris.
2. Le manuscrit de Melk dans la tradition inde´pendante Le codex de Melk s’est de´ja` distingue´ des te´moins relevant de la tradition parisienne par sa facX on particulie`re d’introduire les morceaux formant le ,Liber de bona fortuna‘: son originalite´ se confirme e´galement par les re´sultats de sa collation avec les autres te´moins de l’opuscule. Celle-ci, faite sur la totalite´ du texte dans ses 146 copies conserve´es, a permis de mettre en e´vidence l’existence de deux traditions principales, une tradition universitaire, issue de deux voire trois exemplaria distincts dont le ou les derniers ont e´te´ faits a` partir du premier (ils en comportent toutes les erreurs caracte´ristiques), et une tradition dite „paralle`le“ ou „inde´pendante“, de´finie par contraste avec la tradition parisienne a` cause de l’absence, en elle, de certaines fautes caracte´ristiques de l’autre, tous 18
L’ensemble du dossier - c’est-a`-dire l’attribution a` Moerbeke des deux versions latines formant le ,Liber de bona fortuna‘, le proble`me de la constitution meˆme de l’opuscule comme compilation (dont on peut montrer qu’il a fut l’entreprise d’un latin plutoˆt que d’avoir e´te´ simplement traduit d’une compilation existante alors mais a` pre´sent perdue), les e´tapes de cette entreprise et leur datation probable au vu des formes de la premie`re circulation du texte et, enfin, la question du roˆle e´ventuellement joue´ par Thomas dans la cre´ation de ce „faux“ - est traite´ dans V. Cordonier, Sauver le Dieu du Philosophe: Albert le Grand, Thomas d’Aquin, Guillaume de Moerbeke et l’invention du ,Liber de bona fortuna‘ comme alternative autorise´e a` l’interpre´tation averroı¨ste de la doctrine aristote´licienne de la providence divine, en pre´paration pour: L. Bianchi (ed.), De Aristotile heretico facere catholicum: riletture cristiane dei testi aristotelici fra medioevo e rinascimento, Atti del convegno di Vercelli („Studia Artistarum“), Brepols.
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exemplaires confondus 19. Or, a` l’instar de quelques autres te´moins de son genre - copie´s au 14e`me sie`cle au Nord des Alpes -, le texte du ,Liber de bona fortuna‘ dans le codex de Melk se trouve remplir exactement les conditions donne´es par P.-M. Gils pour de´finir ce qu’est un texte inde´pendant de la tradition universitaire: tout en „charriant un lot de nouvelles fautes qui lui sont propres“, il a pour trait caracte´ristique de „combler les lacunes du texte de l’exemplar et fournir un certain pourcentage de bonnes lecX ons qui ne soient pas seulement des corrections plus ou moins faciles de lecX ons douteuses ou fautives“ 20. Car si les te´moins de la tradition universitaire offrent un bon texte, compre´hensible et peu accidente´ (sauf pour l’e´ventuel troisie`me exemplar, tre`s fautif), ils se distinguent tous par un certain nombre de lacunes ou de variantes communes qu’on ne peut identifier qu’en comparant le latin au texte d’Aristote, en des endroits ou` celui-ci est transmis sans aucune divergence dans la tradition grecque. Faisant cette comparaison pour l’ensemble du ,Liber de bona fortuna‘, il a e´te´ possible de mettre en e´vidence cinq modestes variantes faisant se profiler cependant, par contraste avec la tradition parisienne, non pas une „famille“ inde´pendante mais un groupe peu homoge`ne de te´moins ayant comme principal trait commun d’eˆtre exempts de fautes en ces endroits. Pour voir la place du codex de Melk au sein de cette tradition paralle`le, seront retenus en son sein une se´rie indicative et non pas exhaustive de te´moins. Dans la liste qui suit, leur cote est suivie de la datation et du style d’e´criture, tandis qu’entre crochets figure le nume´ro correspondant dans le catalogue de l’Aristote Latin, qui sera utilise´ pour noter les variantes ou, a` de´faut, sa cote provisoire. L’ordre de cette liste progresse des te´moins les plus riches en variantes „inde´pendantes“ vers ceux qui le sont moins et qui, a` la fin de la se´rie en tout cas, pourraient meˆme laisser penser a` une contamination avec la tradition universitaire: Madrid, Bibl. Nac. 10053, olim Tole`de, Bibl. Cap. 98-21, 38v-39v [= T], fin XIII e main ital. Paris, Bibl. Nat., Nlles acqu. lat. 633, 85v-86v [= AL 720], de´but XIV e main ital. Chantilly, Muse´e Conde´, 280 (1051), 195v-198v [= AL 462], XIII e-XIV e main ital. Florence, Laur., Conv. Sopp. 95, 202v-203r [= AL 1334], XIV e main ital. Padoue, Anton., Scaff. XVII, 370, 70v-72v [= AL 1503], de´but XIV e main ital. Florence, Bibl. Nat. Cent., Conv. Sopp. I, V, 7, 165r-176v [= AL 2154], XIV e main ital. Erfurt, Amplon., Qu. 220, 88r-90r [= AL 896], de´but XIV e main all. (?).
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Pour une pre´sentation des diffe´rences entre ces deux canaux de transmission, cf. A. Oliva, Les de´buts de l’enseignement de Thomas d’Aquin et sa conception de la sacra doctrina. Avec l’e´dition du prologue de son commentaire des Sentences (Bibliothe`que thomiste 58), Paris 2006, 19 sqq. P.-M. Gils, Pre´face, in: Thomae de Aquino Opera omnia, ed. Leon., vol. 23: Questiones disputatae de malo, Rome-Paris 1982, 29*. Voir aussi R.-A. Gauthier in: Thomae de Aquino Opera omnia, ed. Leon., vol. 45, 1: Sentencia libri De anima, Rome-Paris 1984, 89*. Ces deux textes sont cite´s par Oliva, Les de´buts (nt. 19), 21.
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Admont, Bibl. abbatiale, 608, 60v-62v [= AL 35E] 21, fin XIII e main all. Oxford, Bibl. Coll., 129, 153v-155v [= AL 282], XIII e-XIV e main ital. Assise, Bibl. Comm., 283, 275r-276r [= AL 1259], XIV e main ital. Vatican, Ottob. lat. 1236, 100v-102r [= AL 1757], XIV e main ital. Florence, Laur., Plut. LXXXIV, 12, 7v-8v [= AL 1324A] 22, de´but XIV e main ital. Melk, Bibl. abbatiale, 796, olim 732, n. 8, 152v-153v [= AL 62], 1308 main all. Admont, Bibl. abbatiale, 608, 23va-25ra [= AL 35], fin XIII e main all. Leipzig, Bibl. Univ., 1338, 163v-164r [= AL 963], de´but XIV e main all. Munich, Bibl. bavaria publica, Clm. 9676, pp. 53-56 [= AL 1043], de´but XIV e main all. Leipzig, Bibl. Univ., 1438, 187 v-194r [= AL 994], XV e e´criture cursive.
D’emble´e, insistons sur le caracte`re se´lectif de cette liste de te´moins inde´pendants. N’ont e´te´ ici retenus que 16 qui, en plus de la copie de Melk, offrent avec elle un point de comparaison et se situent pour la plupart (14 manuscrits) dans la pe´riode sur laquelle s’est focalise´ le colloque. Les deux premiers manuscrits de la liste sont a` retenir comme te´moins privile´gie´s du texte car, malgre´ le grand nombre de leurs fautes individuelles, ils offrent aussi le maximum de lecX ons inde´pendantes, ce qui n’a rien d’e´tonnant puisqu’ils se sont ave´re´s eˆtre aussi les meilleurs te´moins pour le fragment de l’,Ethique a` Eude`me‘. Figurent e´galement dans cette liste les deux copies du ,Liber de bona fortuna‘ contenues dans le ce´le`bre manuscrit d’Admont 608, rapporte´ par le be´ne´dictin Engelbert d’Admont apre`s son se´jour d’e´tudes en Italie: ce codex contient bien deux copies du traite´, la premie`re correspondant a` la version dite „Vulgata“ (foll. 23va-25ra ) 23, la seconde e´tant celle que Martin Grabmann avait nomme´e „Admontensis“ (foll. 60v-62v ) 24. Or la collation permet d’e´tablir de´finitivement que cette version n’est pas une nouvelle recensio du ,Liber de bona fortuna‘, mais une adaptation du latin, faite sans consulter le grec et sur la base de la „Vulgata“, mais lue dans 21
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La mention „E“ distingue, au sein du meˆme manuscrit d’Admont, la copie de l’opuscule remanie´e par Engelbert de celle qu’il s’est contente´ de rapporter d’Italie (cf. nt. 2 et nt. 89). La mention „A“ distingue la copie du ,Liber de bona fortuna‘ qu’on lit aux folios mentionne´s, de celle qu’on lit plus loin dans le meˆme codex et qui, pour sa part, rele`ve de la tradition parisienne (cf. nt. 2). Lacombe [e. a.], Aristoteles Latinus (nt. 2), vol. 1, 254 sq. (= AL 35) ont manifestement assimile´ cette œuvre a` une autre en l’absorbant soit dans les folios 11r-28r contenant un „De regimine Principum“, soit dans les folios 28v-42v que le catalogue re´sume sous le titre „Auctoritates et annotationes de Ethica Aristotilis“ . Pour une description plus de´taille´e du codex et la transcription d’une partie des sections, cf. G. B. Fowler, Manuscript Admont 608, in: Archives d’histoire ˆ ge 44 (1977), 149-242; 45 (1978), 225-306; 50 (1983), 195doctrinale et litte´raire du Moyen A 222. G. B. Fowler a toutefois, a` tort, traite´ les deux chapitres du ,Liber de bona fortuna‘ comme deux morceaux distincts, rapprochant le premier de la version des ,Magna moralia‘ par Barthe´le´my de Messine (cf. Appendice 81 ) et conside´rant le second comme un extrait ou comme un compendium de l’,Ethique a` Eude`me‘. Cf. M. Grabmann, Forschungen über die lateinischen Aristotelesübersetzungen des XIII. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 17, 5-6), Münster 1916, 219.
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un te´moin de la tradition inde´pendante 25. Cette nouvelle re´daction du texte a vraisemblablement e´te´ effectue´e par Engelbert lui-meˆme. Le parcours de ce dernier auteur et sa lecture du ,Liber de bona fortuna‘ seront touche´s plus bas: qu’il suffise ici de noter que sa re´daction offre comme les autres te´moins re´pertorie´s ici et comme aussi le manuscrit de Melk, un texte inde´pendant. Le texte du ,Liber de bona fortuna‘ offert par ces te´moins se distingue donc de celui copie´ sur les exemplaria parisiens par une se´rie de variantes plus fide`les au grec et pre´sente´es ci-dessous. Pour chaque variante est donne´e, apre`s la re´fe´rence au texte latin ainsi qu’aux lignes chez Bekker, d’abord la lecX on des te´moins inde´pendants avec, entre parenthe`ses, le grec correspondant, puis la liste des manuscrits contenant cette bonne lecX on: ces te´moins sont donne´s un a` un par ` cette bonne lecX on est oppose´e, de l’autre leur nume´ro dans l’Aristote Latin. A coˆte´ de l’unite´ critique, la variante offerte par les copies de l’exemplar parisien indique´es, sans distinction, comme „cett.“. De ce coˆte´ de l’unite´ critique apparaissent e´galement les nume´ros de quelques manuscrits inde´pendants offrant, pour la variante en question, une lecX on corrompue qui les fait rejoindre les te´moins universitaires: le „+“ vise donc a` de´marquer ces manuscrits-la` des te´moins de tradition universitaire, avec lesquels ils ne s’accordent ainsi qu’accidentellement. De tels accidents sont aise´ment imaginables au vu de la nature des variantes. Celles qui portent les nume´ros 2 et 3 en tout cas sont assez minimes et interviennent dans des contextes offrant les conditions mate´rielles d’un oubli par assimilation (ad adipiscendum en 2) ou par saut du meˆme au meˆme (oportet en 3) 26. Voici donc la liste des variantes du ,Liber de bona fortuna‘ ou` se de´marquent ces deux traditions principales du texte: 1. BF II, l. 110-111 (1248a31) existentes (oντε ) T, 720, 462, 1334, 1503, 2154, 896, 35E, 282, 1259, 1757, 1324A, 62, 35, 1043, 963, 994] existentis cett. 2. BF I, l. 63-64 (1207b16) ad T, 720, 462, 1334, 1503, 2154, 896, 35E, 282, 1259, 1757, 1043, 994] om. cett. + 1324A, 62, 35, 963 3. BF II, l. 65 (1247b24) et quod oportet (και` οy√ δεi˜) T, 720, 462, 1334, 1503, 2154, 282, 1259, pcm 1757] om. cett. + 896, 35E, 1324A, 62, 35, 1043, 963, 994 4. BF II, l. 71-72 (1247b31) male (κακv˜ ) T, 720, 462, 1334, 1503, 2154, 896, 35E, 1757, 1324A, 62, 35, pcsl. 1043, 963] om. cett. + 282, 1259, 994 25
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L’inscription de cette re´daction d’Admont dans la tradition inde´pendante explique la pre´sence de lecX ons plus proches du grec que la version parisienne, prise pour terme de comparaison par les auteurs du catalogue de l’Aristote Latin (cf. Lacombe [e. a.], Aristoteles Latinus [nt. 2], vol. 1, 160 sq., ou` le texte d’Admont est mis en paralle`le avec une version de la „Vulgata“ base´e sur le ms. du Vatican 2083 [= AL 1842], cf. ci-dessus nt. 22). Voila` pourquoi les auteurs du Catalogue avaient laisse´ ouverte la possibilite´ que la version d’Admont ait e´te´ faite sur la base du grec, e´ventualite´ dont on n’a de´sormais plus besoin. Prises isole´ment, toutes ces variantes ne sont pas aussi significatives: seuls les cas 1 et 5 ne peuvent, en tant que tels, s’expliquer que par la de´pendance envers un meˆme mode`le comportant aussi ces fautes - l’exemplar universitaire - tandis que les autres variantes pourraient par contre provenir d’un accident de copie. Dans le cas, cependant, d’un traite´ aussi bref que le ,Liber de bona fortuna‘, seul s’est ave´re´ probant le fait de recouper plusieurs variantes peu significatives: une fois celles-ci mises ensemble, elles produisent des re´sultats convergents et donc probants.
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5. BF II, l. 53 (1247b12) indeterminatis (αœ ορι´στων) T, 720, 462, 1334, 1503, 2154, 896, 35E, 282, pc (ab infinitis et indeterm-) 1259, 1324A, 62, 963, 994] determinatis cett. + 1757, 35, 1043
T
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AL1503
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AL 1324A
AL 62
AL 35
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Le nombre infime de ces variantes rend toute statistique de´risoire: l’e´chelle pour e´tudier la tradition du ,Liber de bona fortuna‘ est celle du microscope. La nature des variantes pourrait d’ailleurs, pour un texte plus long, les de´classer d’emble´e comme des cas philologiquement non significatifs: elle induit donc une haute fre´quence d’accidents dans les copies inde´pendantes (cf. les variantes pre´ce´de´es d’un „+“) comme dans celles de la tradition parisienne (de´tail qui n’apparaıˆt pas dans cette liste). Car certaines de ces fautes sont faciles a` repe´rer par un scribe attentif et ont donc pu eˆtre aise´ment corrige´es. Aussi, dans la tradition universitaire, plusieurs te´moins fautifs dans leur texte de base ont-ils e´te´ ame´liore´s ou comple´te´s dans leurs marges ou sur les lignes, soit que le copiste ait dispose´ de copies inde´pendantes du ,Liber de bona fortuna‘, soit qu’il ait e´te´ capable de corriger lui-meˆme la faute en tenant compte du contexte. On s’explique ainsi que Gilles de Rome, au moment de commenter le passage contenant la variante 5, affirme connaıˆtre deux lecX ons alternatives, „indeterminatis“ et „determinatis“: il les commente toutes deux et opte pour la bonne lecX on. Pour le pre´sent propos, retenons seulement qu’au nombre des te´moins inde´pendants (qui seuls importent ici), il en est de plus ou moins accidente´s, comblant dans une plus ou moins grande proportion les fautes de la famille parisienne: la pre´sentation synoptique qui suit permet de marquer, de ce point de vue-la`, le rang qu’occupe le codex de Melk (AL 62). Le manuscrit de Florence (AL 1324A), a` coˆte´ duquel il se place au vu de ces seules variantes, partage en outre avec lui un grand nombre d’e´carts qui les signalent comme e´tant issus d’une meˆme source commune, dont il sera question plus bas.
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Le´gende: 0: lecX on fautive; x: bonne lecX on, conforme au grec; pcsl: variantes (bonnes lecX ons) obtenues par correction ope´re´e par ajout sur la ligne; pcm: variante obtenue par insertion dans la marge; pc, variante obtenue par correction dans le texte; *: variante (faute) non relevante car intervenant dans un passage autrement corrompu.
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Vale´rie Cordonier
Meˆme si le stemma codicum n’est pas encore acheve´ dans tous ses recoins, ce premier re´sultat montre de´ja` l’inte´reˆt qu’il peut y avoir a` collationner non seulement les te´moins re´pute´s valables pour l’e´tablissement du texte, mais aussi ceux qui, tardifs et ge´ographiquement late´raux par rapport aux canaux de transmission suppose´s principaux, sugge`rent des voies moins soupcX onne´es de son influence 27: parce qu’e´diter un texte est davantage qu’œuvrer a` la conservation ou a` la restitution du patrimoine, certains te´moins a priori moins relevants d’un point de vue philologique dessinent dans l’histoire du texte des mouvements qui sont de´ja` ceux de sa re´ception. Pour le ,Liber de bona fortuna‘, l’un de ces mouvements conduit de l’Italie ou` s’origine le traite´, vers le Nord de l’Europe, la` ou` le texte est, tre`s toˆt non plus seulement copie´ mais aussi dige´re´ et adapte´. Un exemple en est le travail fait par Engelbert d’Admont qui, ne´ vers 1250 en Styrie et toˆt entre´ au monaste`re de sa re´gion, a ensuite e´tudie´ a` Prague la logique et la philosophie naturelle (1271-74) 28, puis a` Bologne et Padoue la me´decine et les sciences (1278-86/7), avant d’opter, finalement, pour la the´ologie enseigne´e chez les dominicains 29; une fois regagne´ son pays pour eˆtre abbe´ du cloıˆtre Saint-Pierre a` Salzbourg (1287-97), puis du monaste`re d’Admont pendant plus de trente ans (1297-1331) 30, Engelbert a pris soin d’e´tudier ces „originalia“ rapporte´s d’Italie, de les approfondir, calame en main, pour en offrir une nouvelle version: ces travaux ont e´te´ consigne´s dans le codex d’Admont 608 31. Des deux copies du ,Liber de bona fortuna‘ qui y sont contenues, l’une reproduit la „Vulgata“ mais dans un texte assez me´diocre affilie´ a` la tradition universitaire (AL 35), tandis que celle re´dige´e par Engelbert (AL 35E) corrige en tous les 27
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Le premier volume de l’Aristote Latin a` tenir compte de la quasi-totalite´ des te´moins conserve´s est celui de G. Vuillemin-Diem (ed.), Meteorologica. Translatio Guillelmi de Morbeka (Aristoteles Latinus X, 2, 1-2), Bruxelles 2008. Cf. K. Ubl, Engelbert von Admont. Ein Gelehrter im Spannungsfeld von Aristotelismus und christlicher Überlieferung (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 37), Vienne-Munich 2000, 12-16. Sauf autre indication, la suite des renseignements biographiques sur Engelbert sont tire´s de cet ouvrage. Cf. K. Ubl, Zur Entstehung der Fürstenspiegel Engelberts von Admont († 1331), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 55 (1999), 499-548, ici 499 sq. La date du de´part pour l’Italie n’est pas certaine, oscillant entre 1276 et 1278, mais il est assure´ que c’est au cours de 1287 qu’Engelbert a pris son poste a` Salzbourg, cf. Ubl, Zur Entstehung (nt. 29), 502-509, 534. Le terme d’originalia se lit chez Engelbert, Epistula ad Ulrichum (301) et De corpore Domini I, c. 1 (41, 101). Sur tout cela, cf. Ubl, Engelbert von Admont. Ein Gelehrter (nt. 28), 16; Ubl, Zur Entstehung (nt. 29), 509-513. Cf. aussi K. Ubl (ed.), Die Schriften des Alexander von Roes und des Engelbert von Admont, Teil 2: Engelbert von Admont, Speculum Virtutum (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores 10, 1, 2), Hannover 2004, 1-12. Selon Fowler, Manuscript Admont 608 (nt. 23), 44 (1977), 154-156, la main d’Engelbert se reconnaıˆtrait dans les trois dernie`res lignes de la „Vulgata“ (fol. 25a ); en 156 a` propos des rubriques de l’„Admontensis“, il distingue des „rubrics in script of Engelbert“ (foll. 60d-61r ) et les „rubrics in Engelbert’s handwriting“ (foll. 61b-62c ), sans qu’il soit possible de les distinguer pale´ographiquement. Plusieurs endroits de´clare´s comme autographes par Fowler ont e´te´ de´classe´s par Ubl, Zur Entstehung (nt. 29), 502, nt. 10, pour des raisons pale´ographiques.
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points le texte parisien 32. Au travail d’Engelbert est comparable, mutatis mutandis, celui du glossateur de Melk: meˆme s’il n’a ni la stature intellectuelle ni la notorie´te´ du moine be´ne´dictin, c’est a` un phe´nome`ne d’appropriation semblable qu’il nous fait assister, et c’est aussi une version particulie`re du ,Liber de bona fortuna‘ qu’il offre a` ses lecteurs. Il faut voir a` pre´sent comment. 3. Liens plus ´etroits de parente´ et forme litte´raire d’une re´daction particulie`re Du codex de Melk, viennent d’eˆtre e´nume´re´es les bonnes lecX ons qui, plus proches du texte grec et absentes de toute la tradition universitaire, le rangent ` l’inte´rieur de celle-ci il est possible de au sein de la tradition inde´pendante. A situer ce manuscrit plus pre´cise´ment encore, en investiguant ses liens de parente´ avec d’autres te´moins. Or une parente´ tre`s claire apparaıˆt graˆce a` une longue se´rie de variantes qui, absentes des autres te´moins de la tradition paralle`le, sont en revanche partage´es par le codex de Melk et le manuscrit de Florence, Laur., Plut. LXXXIV, 12, foll. 7v-8v (= AL 1324A). Dans les lignes qui suivent, ces deux copies seront de´signe´es par la premie`re lettre de leur lieu de conservation. Ainsi F, qui contient des textes issus de mains varie´es remontant toutes au de´but du 14e`me sie`cle, pre´sente de´ja` quelques nettes similitudes de corpus avec M 33. On y lit en effet d’abord une se´quence des ,Parva naturalia‘ qui, comme dans M, pre´ce`dent imme´diatement la copie du ,Liber de bona fortuna‘ (Longit., Iuvent., Resp., Morte, foll. 1-7r; cf. ms. de Melk 796, foll. 145r-150v ) 34: meˆme si ont disparu dans F, de part et d’autre de la liste, le ,De sensu et sensato‘ et le ,De memoria et reminiscentia‘ encadrant ces quatre petits traite´s dans M (foll. 140v144v; foll. 150v-152r ), leur ordre demeure´ le meˆme, ainsi que leur situation avant le ,Liber de bona fortuna‘ repre´sentent des traits communs aux deux te´moins, qui sugge`rent leur e´ventuelle parente´. Celle-ci paraıˆt d’autant plus probable e´tant donne´ la pre´sence, dans F, de deux œuvres non aristote´liciennes e´galement copie´es dans M, a` savoir le ,De unitate et uno‘ du Pseudo-Boe`ce (foll. 10r-11r ) et le ,De ente et essentia‘ de Thomas d’Aquin (copie´ seulement sous forme d’extrait au fol. 14v ) 35. Contrairement pourtant a` M, F comporte non pas une mais deux copies du ,Liber de bona fortuna‘: leur collation a re´ve´le´ que seule la premie`re des deux (foll. 7v-8v ) ressortit a` la tradition inde´pendante, 32
33 34 35
Il faut donc en de´duire qu’AL 35 n’a pu constituer la seule base de travail d’Engelbert au moment de remanier le texte du ,Liber de bona fortuna‘ pour donner lieu a` AL 35E (cf. nt. 2 et nt. 22). Cf. Lacombe [e. a.], Aristoteles Latinus (nt. 2), vol. 2, 915 sq. Cf. ci-dessus, I, 1. Alors que ces deux œuvres sont dans le manuscrit de Florence se´pare´es par une autre (foll. 11r-14v: Boe`ce, ,De duabus naturis et una persona‘), elles se suivaient directement dans le codex de Melk, foll. 134r-140r. En ge´ne´ral, ce type de re´currence quant a` la structure du corpus est, pour les te´moins de la tradition inde´pendante, un indicateur assez fiable de parente´. Celleci se confirmera d’ailleurs au vu du texte proprement dit.
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tandis que l’autre (foll. 23r-24v ) pre´sente toutes les fautes de la tradition universitaire 36. La parente´ entre M et F, seulement sugge´re´e par les traits communs de leurs corpus, se confirme aussi par le texte qu’ils offrent pour le ,Liber de bona fortuna‘. Celui-ci est reproduit ci-dessous dans l’Annexe, ou` apparaissent clairement cette se´rie de variantes importantes et communes par lesquelles il s’e´carte de la „Vulgata“, traditions universitaire et inde´pendante confondues: ces variantes, nombreuses et spe´cifiques, seront analyse´es en de´tail ci-dessous. Quant aux lecX ons propres a` l’un des deux manuscrits seulement, elles sont trop peu nombreuses et minimes pour permettre une conclusion de´finitive. Cependant, une e´ventualite´ semble assez facile a` e´carter: le nombre et la nature des fautes propres a` M (et en particulier la grosse interversion de BF II, 60-62) empeˆche qu’il ait servi de mode`le a` F 37, sauf a` imaginer que le copiste de F ait syste´matiquement corrige´ le texte lu dans M en se servant, simultane´ment, e´galement de la version „Vulgata“ qu’il pouvait lire dans le manuscrit meˆme ou` il e´crivait, quelques folios plus haut 38. En d’autres termes, le corollaire de l’hypothe`se que F soit copie´ sur M, serait que F repre´sente le produit d’une contamination syste´matique entre M et la version „Vulgata“ du ,Liber de bona fortuna‘: meˆme si ce cas de figure n’est a priori pas absolument impossible, il est peu probable, et offre une explication trop peu e´conomique. Quant a` l’hypothe`se inverse, faisant de F le mode`le utilise´ par le copiste de M, elle semble aussi pouvoir s’exclure, du fait de la pre´sence, en M, de quelques bonnes lecX ons absentes de F qu’on s’expliquerait difficilement si F e´tait le seul mode`le de M 39. Et d’ailleurs, meˆme si M avait copie´ F, il serait difficile d’expliquer qu’il ait inte´gre´ a` son texte une bonne partie seulement des corrections apporte´es par F sur la ligne, mais non pas toutes 40. Ainsi, parce qu’une telle hypothe`se ne serait plausible qu’en imaginant un copiste de Melk tre`s sagace et copiant sur deux mode`les en meˆme 36
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Ce cas de copie double du ,Liber de bona fortuna‘ dans le meˆme codex n’est pas unique: cf. les autres cas releve´s ci-dessus, nt. 2. Cf. les variantes de BF I, 30, 32, 36, 42, 55 et II, 26, 28, 30, 48, 78, 88, 107, 114 et, en particulier, l’importante corruption intervenue en BF II, 60-62: dans tous ces cas, M est bien moins bon que F. On serait tente´ de l’imaginer du fait des corrections introduites sur la ligne par F. Cf. BF I, 41: F donne la lecX on de la „Vulgata“ en corps de texte et lui substitue, sur la ligne, la variante propre au ms. de Melk. En BF II, 107, la correction sur la ligne, ope´re´e a` l’aide de petites croix, aboutit a` la meˆme lecX on que M mais dans un cas ou` celle-ci est identique a` celle de la „Vulgata“. Ayant vu le ms. de Florence sur place, il me semble que cette main pourrait eˆtre la meˆme que celle qui a copie´ le texte proprement dit. En effet, si BF I, 17 peut re´sulter d’une correction grammaticale aise´e a` imaginer, la variante de BF I, 1 s’explique difficilement ainsi. Bien suˆr, le phe´nome`ne de contamination invoque´ plus haut a` propos de l’e´ventualite´ inverse n’est pas non plus a` exclure dans celle ou` M aurait copie´ son texte sur F. En BF I, 23 et II, 93 par exemple, on lit en F des corrections supra-line´aires qui n’ont pas e´te´ reprises par le copiste de M. L’oubli de corrections supra-line´aires par un copiste n’est pas un argument probant comme tel, mais il me semble gagner en force une fois conjugue´ avec la remarque faite plus haut (nt. 39).
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temps, elle paraıˆt trop complique´e pour eˆtre retenue. Dans ces conditions, il semble plus vraisemblable que les similitudes constate´es entre M et F s’expliquent plutoˆt par leur de´pendance commune a` l’e´gard d’une meˆme source, perdue, dont F s’ave`re textuellement plus proche que M. Il faut a` pre´sent examiner plus avant les variantes qui, communes a` ces deux manuscrits, les de´marquent des autres te´moins inde´pendants. La fre´quence de ces variantes, leur importance mate´rielle mais surtout la nature de la plupart d’entre elles permet d’y voir non pas l’effet d’une copie fautive mais les traces d’un travail conscient de re´daction ope´re´ en vue de rendre le ,Liber de bona fortuna‘ plus digeste. Un premier type tre`s fre´quent de variantes, trouvant plus d’une trentaine d’occurrences sur l’ensemble du texte, consiste en l’ajout d’un verbe esse absent des passages correspondants dans la „Vulgata“, tantoˆt a` l’infinitif pour comple´ter une tournure attributive construite sur une forme conjugue´e de dicere (BF I, 30, 34, 34, 39) ou de ponere (BF II, 48) ou bien pour expliciter une proposition infinitive (BF II, 66; cf. I, 3), tantoˆt sous une forme conjugue´e dans des tournures ou` la „Vulgata“, servilement calque´e sur un grec elliptique crible´ de phrases nominales, les laissait seulement sous-entendus (BF I, 11, 15, 21, 27, 28, 45, 55, 57; II, 7, 15, 18, 34, 38, 39, 42, 43, 46, 52, 60, 68, 84, 105, 107, 107, 123). La re´currence et la syste´maticite´ de tels ajouts rele`ve clairement d’une tentative d’ame´liorer la lisibilite´ du texte en rendant sa grammaire plus fluide que celle sortie de l’atelier de Moerbeke, par endroits aussi rocailleuse que le grec d’Aristote. Le caracte`re de´libe´re´ de ces ame´nagements est encore plus net en des passages ou` cette re´daction modifie la „Vulgata“ par de petites pre´cisions apporte´es au plan syntaxique (BF II, 52: inquam idem; II, 103: respectu) ou se´mantique (BF II, 78: eos), voire surtout par l’ajout, plus conse´quent, de synonymes ou d’expressions entie`res et bien plus longues permettant d’assurer du passage en question une intelligence pre´cise et univoque (BF I, 11: que neque frequenter se habet et indeterminate; I, 62: tamen non est propria; II, 8: forcius ut). On note e´galement quelques ajouts, plus incidents, de conjonctions, de pre´positions voire de verbes conjugue´s (BF II, 25: utique; II, 37: aut; II, 85: et; II, 123: contingit) apparemment cense´s e´galement ame´liorer la lisibilite´ du texte. De ce meˆme registre des remaniements litte´raires rele`ve enfin, tout a` la fin du texte, l’omission de la mention „Et cetera“ qui, dans tous les autres manuscrits, cloˆt le second chapitre (BF II, 131) et marque, dans la tradition latine, le lien originel de cette section avec le chapitre contigu de l’,Ethique a` Eude`me‘ e´galement traduit par Moerbeke, mais abandonne´ au moment de former le ,Liber de bona fortuna‘ 41. Plus ambigue¨s sont, enfin, une se´rie de variantes aussi communes a` M et F mais vraisemblablement imputables moins au travail re´dactionnel qu’aux vicissitudes de la transmission: au lieu d’ame´liorer le texte original, ces variantes l’affec41
Aucun des manuscrits restants de la version „Vulgata“ n’omet cette mention finale, qui fait partie inte´grante du ,Liber de bona fortuna‘. Car si la re´daction „Admontensis“ est elle aussi exempte de cette mention „etc.“, c’est parce qu’elle omet en fait les trois dernie`res lignes du traite´ (BF II, 129-131): elle ne constitue donc pas une ve´ritable exception (cf. nt. 14).
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tent d’une manie`re fort peu heureuse (BF I, 3; II, 13) voire le mutilent le´ge`rement (BF I, 18) de facX on meˆme, en quelques cas, a` en changer notablement le sens (cf. l’omission du „non“ en BF I, 29 et 44); presque toutes pourtant pourraient bien s’expliquer par le contexte imme´diat du passage ou` elles interviennent 42. Il n’est donc pas tre`s vraisemblable qu’elles remontent au travail re´dactionnel originel: sauf a` imaginer que l’auteur de la re´daction euˆt a` sa disposition une assez mauvaise copie de la „Vulgata“ pour travailler le texte, ces variantes doivent eˆtre dues a` des accidents de copie survenus lors de la transmission du produit d’un tel travail; ce qu’on peut donc tenir pour des „fautes communes“ pointe de`s lors vers l’hypothe`se d’un meˆme mode`le dont descendraient F et M, vraisemblablement directement. Etant donne´ que ce mode`le commun est perdu, la prudence s’impose quant a` savoir dans quel contexte s’origine cette re´daction du ,Liber de bona fortuna‘. Le fait que F, d’e´criture italienne, offre de cette version une copie moins corrompue que M peut sugge´rer que la re´daction ait vu le jour plutoˆt au Sud qu’au Nord des Alpes, mais il ne s’agit que d’un indice, et non d’une preuve de´terminante. Le cas d’Engelbert d’Admont, rapportant d’Italie un texte qu’il re´vise une fois rentre´ chez lui, montre en effet que l’appropriation du ,Liber de bona fortuna‘ pouvait de´ja` se faire, durant la dernie`re de´cennie du 13e`me sie`cle, ailleurs que dans la re´gion ou` la compilation a vu le jour. Cependant, la de´pendance de F et M vis-a`-vis d’un anceˆtre commun exclut cate´goriquement que le copiste de Melk soit lui-meˆme l’auteur de cette re´daction du ,Liber de bona fortuna‘: il ne fait que reproduire une version qu’il lit ailleurs. Bref, son roˆle dans l’histoire de la re´ception du traite´ est celui d’un passeur: graˆce a` lui, une re´daction spe´cifique du petit texte trouve acce`s vers le Nord de l’Europe, en 1308 exactement. II. Les gloses du manuscrit de Melk et l’enjeu doctrinal du traite´ aristote´ licien 1. Aspects mate´riels et graphiques des gloses en marge du ,Liber de bona fortuna‘ Outre la situation stemmatique et les spe´cificite´s litte´raires du codex de Melk, l’aspect le plus inte´ressant de ce document tient aux gloses qui y sont appose´es en marge du ,Liber de bona fortuna‘. La pre´sence de gloses marginales n’est pas continue dans le codex, et se fait meˆme rare dans la section ou` s’inte`gre le traite´: a` part lui, seuls le ,De ente et essentia‘, le ,De unitate et uno‘ et le ,De longitudine 42
En effet, ce contexte offre les conditions mate´rielles soit de l’omission en question par saut du meˆme au meˆme (BF I, 18: dignis distribuat] distribuat; I, 29: non in] in; I, 44: malum non] malum), soit d’une me´lecture ope´re´e par une confusion graphique favorise´e, en outre, par le contexte (BF II, 13 hii ] albi, dans le voisinage de glauci ). Le cas de BF I, 55 est plus ambigu puisque, si la variante modifie notablement le texte de la „Vulgata“, elle offre un sens au moins envisageable et cohe´rent, donc e´galement imputable au projet du re´viseur.
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et brevitate vitae‘ en comportent, tandis que le reste des ,Parva Naturalia‘ en est exempt. Ce fait marque de´ja` en tant que tel une attention particulie`re porte´e au ,Liber de bona fortuna‘, qu’on note aussi, a` cette e´poque et dans cette re´gion, dans plusieurs autres te´moins: un codex conserve´ a` Munich et copie´ en Allemagne et datant du de´but du 14e`me sie`cle, pre´sente d’importantes gloses qui, au vu des premiers sondages, ne sont en tout cas pas directement ni entie`rement tire´es de la ,Sententia super de bona fortuna‘ de Gilles de Rome 43. C’est le cas e´galement pour les gloses du manuscrit de Melk, qui pre´sentent quelques re´miniscences d’ide´es de´ja` lues chez Gilles, mais qui contiennent aussi des notes a` caracte`re plus ponctuel et au contenu moins bien tracX able. Comme le texte meˆme du ,Liber de bona fortuna‘, elles ont vraisemblablement elles aussi e´te´ couche´es sur le parchemin en 1308 ou, a` tout le moins, fort peu apre`s cette anne´e-la`. Ce qui porte a` le croire, ce sont surtout les particularite´s de leur mise en page, ainsi que les traits de leur e´criture une fois compare´e avec celle du ,Liber de bona fortuna‘ proprement dit. Les lignes qui suivent ne pre´tendent pas donner une description pale´ographique ni codicologique de l’objet en question, mais pre´sentent le plus soigneusement possible la mise en page des textes et les caracte´ristiques de leur graphie. CommencX ons par le premier point. Mate´riellement, ces notes occupent une bonne part de l’espace laisse´ par le texte dans les marges et ce, tout au long du traite´, c’est-a`-dire sur trois folios - le dernier, occupe´ seulement par deux lignes de texte avant l’intitule´ de fin et la souscription date´e de 1308, est le seul a` eˆtre de´pourvu de gloses dans la grande part de parchemin laisse´e vide 44. Plusieurs d’entre elles sont quasiment illisibles parce que l’encre en est dilue´e a` l’extreˆme surtout dans la fin du traite´. C’est qu’en effet on note a` deux endroits de ces annotations marginales, un changement brusque de la qualite´ de l’encre, coı¨ncidant avec la se´paration entre une glose et une autre voire avec le passage d’un folio a` un autre. Une premie`re rupture de ce type intervient au passage entre le recto et le verso du folio 152: en-dessous du de´but du ,Liber de bona fortuna‘ proprement dit intervient, dans la marge infe´rieure du fol. 152r, une longue note e´crite avec la meˆme encre que le traite´ meˆme - tre`s concentre´e et donc d’un noir la rendant tre`s aise´e a` de´chiffrer - et qui occupe ainsi toute cette marge infe´rieure (elle a meˆme e´te´ un peu coupe´e a` la rognure); la meˆme e´criture se lit dans la marge supe´rieure du fol. 152v, mais dans une encre plus dilue´e, produisant toutefois encore assez de contraste entre le texte et le fond pour laisser lire le premier sans peine. Mais sur ce meˆme folio, l’encre dans laquelle sont re´dige´es 43
44
Le ms. Munich, Bibl. bavaria publica, Clm. 14147 (= AL 1053) ou` d’importantes gloses interviennent dans les marges du ,Liber de bona fortuna‘ et des ,Physionomiques‘; cf. Halm [e. a.], Catalogus codicum latinorum, vol. 2, pars 2 (nt. 4), 136. La transcription et l’analyse de ces gloses doit eˆtre laisse´e pour un e´ventuel travail ulte´rieur. Il est donc difficile de de´nombrer exactement les gloses parce que certaines, en particulier dans les marges late´rales, constituent des petits paragraphes se´pare´s par un espace mais unis par un lien the´matique ou par le fait de porter sur la meˆme partie de l’opuscule: certaines gloses prennent donc la forme de notules tre`s ponctuelles et mate´riellement limite´es.
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les gloses change subitement de consistance, devenant beaucoup plus dilue´e et tranchant, par le jeaunaˆtre un peu rouille´ vers lequel elle vire, aussi bien avec les premie`res gloses de la page qu’avec le texte aristote´licien proprement dit, qui pour sa part garde une encre de meˆme consistance jusqu’a` la fin de ce folio et des autres, aussi bien pour la partie e´crite en noir que pour les signes de paragraphe ou les lettrines - en rouge, comme les rubriques elles-meˆmes. En d’autres termes, tandis que le traite´ proprement dit semble avoir e´te´ re´dige´ d’une traite et avec une encre de meˆme dilution, il en va a` l’inverse pour les gloses. Du point de vue strictement pale´ographique en revanche, aucune caracte´ristique ne permet d’identifier dans le texte des marges un changement d’e´criture. En effet, meˆme si l’e´criture diminue un peu de taille et que le trait devient plus gras et plus ne´gligent au fur et a` mesure que la couleur de l’encre s’e´claircit, cette e´volution se fait sans solution de continuite´, tandis que le trace´ fondamental des lettres ne varie pas. Il s’agit, tout au long de l’annotation marginale, d’une e´criture de type cursive, d’allure tre`s courante de`s la fin du 13e`me sie`cle et donc assez difficile a` caracte´riser sans exemples visuels a` l’appui: re´gulie`re, elle ne penche ni a` droite ni a` gauche, a e´te´ fort peu corrige´e en cours de re´daction, mais pre´sente en revanche beaucoup d’abre´viations, e´galement courantes pour l’e´poque. Les caracte`res eux-meˆmes ne pre´sentent pas de particularite´ saillante, sauf peut-eˆtre la casse assez disproportionne´e qu’ont les ,a‘ (ouverts) et les ,s‘ en comparaison avec le corps des autres lettres, ainsi que la proximite´ graphique apparente des ,e‘ (ouverts) avec les ,c‘, a` la seule diffe´rence que l’arrondi des premiers est casse´ par un petit angle alors que les seconds gardent leur courbe dans la meˆme trajectoire; le trace´ des ,p‘, enfin, n’est pas constant: ils sont effectue´s parfois en deux temps et parfois en trois, les deux cas de figure se rencontrant aussi bien dans le texte que dans les gloses) 45. En outre et surtout, une analyse syste´matique de chaque lettre, dans les gloses ainsi que dans le texte proprement dit du ,Liber de bona fortuna‘, permet de faire correspondre a` chaque graphie repe´re´e dans les gloses une occurrence identique dans le traite´. Dans ces conditions, et meˆme si l’e´criture est tre`s commune pour l’e´poque et la re´gion, on peut estimer que c’est la meˆme main, caracte´rise´e par un meˆme ductus, qui a e´crit les gloses et le ,Liber de bona fortuna‘. De`s lors, et parce que l’encre utilise´e pour la premie`re glose est quasiment la meˆme que celle du traite´ 45
En plus des caracte´risations peut-eˆtre trop abstraites, voici quelques exemples documente´s de trace´s quasiment identiques: les ,d’, les ,p‘, les ,s‘, les ,v‘ et les ,x‘ du manuscrit de Melk sont tre`s proches de ceux du manuscrit reproduit chez A. Derolez, The Palaeography of Gothic Manuscripts Books: From the Twelth to the Early Sixteenth Century, Cambridge 2003, pl. 94. Les trace´s des ,a‘, des ,g‘ et des ,r‘ ont en revanche dans ce document des formes tre`s diffe´rentes de celles qu’on trouve dans le manuscrit de Melk: dans ce dernier, le trace´ de ces trois lettres sont par contre quasiment identiques a` celui qu’on trouve dans la pl. 81 du meˆme ouvrage. Je tiens a` remercier Adriano Oliva, qui m’a aide´e au moment de me familiariser avec le manuscrit et son e´criture, ainsi que Dragos Calma, Monica Calma, Gijs Coucke, Pieter De Leemans et Carlos Steel, qui m’ont aide´e ponctuellement au de´chiffrage de passages proble´matiques et a` l’analyse des graphies.
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(quoiqu’un peu plus noire), il est vraisemblable que la re´daction des gloses ait intervenu directement apre`s la copie du texte proprement dit, et soit issue d’une meˆme main: celle d’un copiste qu’on peut imaginer s’eˆtre re´alimente´ en encre avant de re´diger les gloses. Cet auteur serait donc, dans un tel sce´nario, responsable autant de la reproduction du texte que de son explicitation dans les marges, a` la diffe´rence qu’il aurait, en accomplissant la seconde taˆche, fini par manquer d’encre ou par diluer trop ce qui lui en restait 46. Il n’est pas exclu que l’acteur en question soit le proprie´taire du volume, Godefroid de Sulzpach dont le nom suit imme´diatement l’explicit du ,De ente et essentia‘ thomasien (fol. 139r ) 47. Mais puisqu’il est impossible de l’e´tablir certainement, les lignes qui suivent s’y re´fe`reront toujours comme a` un anonyme, en parlant selon les contextes de l’Anonyme ou bien du Glossateur de Melk. En conclusion de ces remarques touchant a` la pre´sentation des gloses du codex de Melk, disons que leur datation de 1308 rele`ve d’un sce´nario tre`s plausible au vu du mate´riel a` disposition, mais non pas de´montre´ absolument. Car si la datation de la copie du ,Liber de bona fortuna‘ dans ce codex est e´tablie fiablement graˆce a` la date donne´e par le copiste, celle de la re´daction des gloses ne peut eˆtre que suppose´e contemporaine a` cette e´poque, au vu d’une probabilite´ et d’une vraisemblance que sugge`rent fortement l’identite´ des deux graphies. Que ces gloses, enfin, soient bien l’œuvre du glossateur plutoˆt que copie´es par lui d’un autre document qu’on aurait ensuite perdu, ne peut pas non plus eˆtre de´montre´, mais rele`ve d’un sce´nario adopte´ pour des raisons d’e´conomie autant que de plausibilite´: la facture, l’agencement et le contenu meˆme des gloses donne l’impression de notes prises par le copiste lui-meˆme apre`s avoir reproduit le texte, c’est-a`-dire soit en le relisant, soit en l’e´tudiant a` des fins d’apprentissage personnel, soit meˆme pour le ,lire‘ (l’enseigner) a` d’autres. Dans les pages qui suivent, ce sce´nario ainsi que l’identite´ suppose´e entre le copiste et le glossateur, serviront donc d’hypothe`se de travail, voire de pre´texte historiographique pour entrer plus avant dans la question de savoir quelles formes pouvait prendre au de´but du 14e`me sie`cle la lecture du ,Liber de bona fortuna‘, chez le glossateur de Melk puis chez ses contemporains directs. Mais au pre´alable, les gloses donneront quelques renseignements e´pars sur le profil de leur auteur. 2. Indications tire´es des gloses quant au profil intellectuel et culturel de leur auteur En raison des caracte´ristiques mate´rielles dites plus haut et de la qualite´ toujours plus mauvaise de l’encre vers la fin du codex, les passages contenant des 46
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Dans cette hypothe`se, cette unique main aurait e´crit dans un premier temps le texte aristote´licien, dans une encre tre`s noire et hautement - i.e. normalement - concentre´e; dans la meˆme encre et peut-eˆtre directement apre`s avoir termine´ sa copie, l’e´crivain aurait inscrit les remarques dans les marges: d’abord avec la meˆme encre que celle avec laquelle il avait e´crit le traite´ (fol. 152r, marge infe´rieure); puis avec une encre un peu plus dilue´e (fol. 152v, marge supe´rieure) et, enfin, avec une encre beaucoup plus dilue´e (fol. 152v, marges de gauche et de droite, et foll. suivants jusqu’a` la fin). Ms. Melk 796, fol. 153r: „Liber est iste Gotefridi de Sulzpach“. Cf. Glassner (nt. 3), 326.
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indications e´ventuellement pre´cieuses pour connaıˆtre la culture du copiste sont aussi ceux qui se lisent le plus mal: il faudra donc presser au maximum les donne´es de´chiffrables pour de´finir le profil intellectuel du glossateur de Melk et ses options exe´ge´tiques 48. Quelques gloses, voire quelques passages de´chiffrables de celles-ci contiennent toutefois des e´le´ments utiles. Il y a, en premier lieu, l’e´cho d’un enseignement the´ologique, donne´ ou simplement suivi, que le copiste rappelle a` deux occasions. Une premie`re fois, il le fait en convoquant, dans une note relative a` la „concupiscencia recta“ de´bouchant pour Aristote sur la bonne fortune (BF II, 59-62; cf. 78-81), la figure biblique du roi concupiscent par excellence: „sicut legitur in theologia de Salomone, qui deceptus fuit (…) circa malas operaciones existunt.“ 49 Meˆme si elle ne se laisse pas de´chiffrer en entier, cette explication renvoie vraisemblablement au premier livre des Rois, ou` l’on apprend que le commerce du fils de David avec les femmes de nations impures et, a` travers elles, avec les idoles d’autres nations, lui a valu d’eˆtre destitue´ de son royaume par Dieu lui-meˆme, qui lui suscita des ennemis (1R 11,6-13). La seconde fois que le glossateur de Melk renvoie a` un cours the´ologique, c’est, dans la meˆme marge, pour e´clairer plus directement une distinction lue dans l’opuscule (BF II, 114-117) et qui oppose la fortune „issue de l’expe´rience“ („ab experiencia“) a` ` ce couple incident chez celle qui viendrait de l’habitude („a consuetudine“). A Aristote, l’Anonyme donne un contenu pre´cis: l’expe´rience vient d’une imitation de l’exemple recX u par les parents, tandis que l’habitude serait issue d’un enseignement moral recX u par un autre biais. Et c’est pour justifier cette seconde voie d’acquisition de la fortune qu’intervient le contenu d’une lecX on en the´ologie: „Fortuna aliquando est ab experiencia antiquorum, ut si aliquis ab ancestribus suis uidit bonam operacionem et recte operari et illam consapiatur, ille dicitur fortunatus esse ab experiencia. Fortuna eciam est a consuetudine, ut sunt scientie et uirtutes que sunt percepte, a quibus uirtus, et eciam boni actus [1 v.n.l.] scis [dub.], sicut legitur in theologya. Et *cum+ dicit Philosophus: ,Particulariter‘,
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Mais meˆme pour les gloses les moins lisibles dans leur ensemble (par lesquelles il faudra commencer), les bribes ici transcrites sans signe particulier ne font aucun doute pale´ographiquement; dans les cas contraires, cela est signale´ expresse´ment: toutes les parties de textes e´tant un tant soit peu douteuses sont signale´es par une mention ,dub.‘ donne´e entre des crochets droits ,[…]‘ place´s apre`s le mot douteux; les parties de texte e´tant entie`rement illisibles n’ont pas e´te´ reconstitue´es, mais sont signale´es, toujours entre crochets droits, par la mention ,v.n.l.‘ (verbum/verba non legitur/non leguntur), pre´ce´de´e d’un chiffre arabe correspondant au nombre de mots dans ce cas. La mention ,…‘ signale, quant a` elle, des passages saute´s par la transcription soit parce qu’illisibles soit parce que traite´s ailleurs, tandis que sont mises entre crochets pointus ,*…+‘ les parties de mots absentes du manuscrit mais comple´te´es en raison de la vraisemblance soit grammaticale soit se´mantique; lorsqu’il y a lieu, on place entre crochets droits les mots latins du manuscrit superflus ou geˆnants grammaticalement. Enfin, la ponctuation a e´te´ ajoute´e en fonction de conside´rations se´mantiques et d’une syntaxe latine moderne. Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge de droite: „Sicut dicitur inferius, [2 v.n.l.] est [1 v.n.l.] et [2 v.n.l.] faciunt sapientes a posteritate [dub.], sicut legitur in theologia de Salomone, qui deceptus fuit per mulierem [dub.] et filium ipsum uni*cum+ facie [2 v.n.l.] quia inebriarent [dub.] et circa malas operaciones existunt.“
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reducit hunc librum ad libros Ethicorum, idest ad maiores libros morales, quibus tractatus annexus est, quia sine rebus exterioribus nullum contingit esse felicem.“ 50
La fin de cette note montre, quant a` elle, la place que le glossateur donne au ,Liber de bona fortuna‘ dans le corpus e´thique (et non pas dans la se´quence des ,Parva naturalia‘ comme c’est pourtant le cas dans le manuscrit de Melk). Le lemme „particulariter“ ici rappele´ renvoie en effet a` la fin du traite´, ou` Aristote re´sume l’acquis de ses re´flexions sur la bonne fortune et les situe dans son e´tude plus ge´ne´rale des vertus (BF II, 128-131). Pour commenter ce passage, le glossateur propose sous une forme condense´e une re´flexion qu’on lit de´ja` dans le prologue de la ,Sententia super de bona fortuna‘ de Gilles de Rome, voulant qu’au sein du corpus e´thique d’Aristote, l’opuscule soit annexe´ soit a` l’,Ethique a` Nicomaque‘ soit aux ,Magna moralia‘ 51; au lieu pourtant de ces deux re´fe´rences donne´es par Gilles, le copiste mentionne en un bloc et sans titre les „livres d’e´thique“ („libri morales“), tre`s vraisemblablement parce qu’il ne connaıˆt pas les ,Magna moralia‘ comme telles. Cette ignorance de sa part n’aurait rien de tre`s surprenant a` cette e´poque. En effet, les meilleurs auteurs semblent alors ignorer comme lui tant le caracte`re compilatoire du traite´ et l’origine respective des deux morceaux, que le contenu - et parfois l’existence meˆme d’une œuvre aristote´licienne intitule´e ,Magna moralia‘. Meˆme Gilles de Rome ne 50 51
Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge de droite. Gilles de Rome, Sententia super de bona fortuna: „Hiis autem sic praelibatis, de levi patere potest cui parti philosophiae iste libellus obsequatur, et cui libro annecti debeat. Nam si bona fortuna est aliquid annexum felicitati, libellus iste annecti debet libro Ethicorum vel Magnis moralibus ubi de felicitate tractatur.“ Pour la datation de ce texte, entre 1275 et 1278, cf. S. Donati, Studi per una cronologia delle opere di Egidio Romano, I: Le opere prima del 1285. I commenti aristotelici (parte II), in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 1, 1 (1990), 1-111, en particulier 10, 23, 26 et surtout 71; ead., Studi per una cronologia delle opere di Egidio Romano I. Le opere prima del 1285 I commenti aristotelici, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 2, 1 (1991), 1-74, surtout 53 sq. Cette ,Sententia super de bona fortuna‘ a e´te´ conserve´e, entie`rement ou sous forme d’extraits, dans 32 manuscrits. Sera cite´e de ce texte une version provisoire, e´tablie sur la base d’une se´lection de huit te´moins qui se sont ave´re´s fiables sur quinze pre´alablement collationne´s sur cinq e´chantillons choisis au de´but, a` la fin et au fil du texte. Voici les huit te´moins ainsi retenus: Bruges, Bibl. de la ville, 496, 35v-47v (13e`me/14e`me s.); Oxford, Bodl. Libr., Digby 150, 114r-(132v ) (13e`me s.); Milan, Ambros., R. 36 Sup., 39r-54r (14e`me s.); Paris, Bibl. nat., lat. 14568, 26rb-37vb (de´but 14e`me s.); Paris, Bibl. nat., lat. 16158, 134va-145va (14e`me s.); Vatican, Barber. lat. 309, 61va-69va (14e`me s.); Vatican, Borgh. 114, 157va-164vb (13e`me/ 14e`me s.); Cambridge, Peterhouse, 82, foll. I-(13) (13e`me s.). Le manuscrit d’Oxford contient une autre re´daction que les autres, qui se distingue par une organisation syste´matiquement diffe´rente des renvois aux lemmes commente´s (ceux-ci y sont moins clairs que dans les autres manuscrits, qui explicitent davantage le plan, et qui font pre´ce´der chaque „lectio“ du de´but du lemme commente´), et par un style moins explicite et souvent moins clair; enfin, la pre´sence dans ce manuscrit d’Oxford d’une note savante mais un peu aberrante concernant un mot rare lu dans le second chapitre du ,Liber de bona fortuna‘ et qu’on ne lit pas dans les autres te´moins, laisse penser qu’il contient le texte sorti des mains de son auteur, avant qu’il n’ait e´te´ ame´nage´ et mis au point pour les besoins de l’e´dition ou de l’enseignement. Dans ces conditions et en attendant d’e´tudier plus en de´tail toute la tradition manuscrite, on cite ici le texte de la version police´e, la plus courante.
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connaıˆt, au moment de composer sa ,Sententia super de bona fortuna‘, que l’existence d’une ,Grande morale‘ aristote´licienne, et absolument pas son contenu: il ne la cite jamais au cours du commentaire proprement dit (qui fait par contre un large usage des autres œuvres du corpus e´thique), et n’en fait mention que dans le prologue, a` propos d’une rubrique introductive donnant comme c’e´tait le cas dans certains manuscrits parisiens - son origine dans les ,Magna moralia‘ 52. De cette indication, Gilles donne une interpre´tation doctrinale et non philologique: pour lui, elle n’implique pas pour le ,Liber de bona fortuna‘ une structure composite, mais dit que l’opuscule fut e´crit par Aristote pour eˆtre annexe´ aux ,Magna moralia‘, lesquels ne feraient que re´sumer le contenu des E´thiques 53. Cela semble donc indiquer qu’au moment de commenter l’opuscule, Gilles ne connaıˆt pas les ,Magna moralia‘ autrement que par ouı¨dire. ` l’e´poque du glossateur de Melk non plus, les ,Magna moralia‘ ne sont de A loin pas une œuvre-phare, mais apparaissent incidemment dans quelques the`mes consacre´s de la litte´rature the´ologique, comme on le note par exemple vers 1308 chez Jacques de The´rines 54. C’est que la traduction globale de cet ouvrage par Barthe´le´my de Messine a connu une diffusion moins massive et surtout une re´ception moins marquante que le ,Liber de bona fortuna‘: quoi qu’elle figuraˆt dans l’exemplar universitaire, euˆt e´te´ transmise via le syste`me de la pecia et fuˆt donc assez bien relaye´e (il en subsiste pre`s d’une cinquantaine de copies), son e´cho n’a pas e´te´ comparable a` celui de l’opuscule, qui semble l’avoir e´clipse´e de`s la fin des anne´es soixante. On pourrait donc difficilement attendre des auteurs poste´rieurs a` Gilles qu’ils soient mieux que lui renseigne´s sur l’origine et la structure du ,Liber de bona fortuna‘: l’ignorance du glossateur de Melk quant a` la nature du traite´ et a` l’origine de ses parties, est commune en son 52
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Gilles de Rome, Sententia super de bona fortuna (nt. 51): „Convenit huic libello rubrica quaedam praeposita, quod ,incipit liber de bona fortuna translatus vel acceptus de secundo libro Magnorum Moralium‘.“ Cette rubrique, Gilles la lit tre`s vraisemblablement dans un texte de tradition parisienne (cf. nt. 9). Gilles de Rome, Sententia super de bona fortuna (nt. 51): „Videntur enim Magna moralia esse recapitulatio quaedam eorum que traduntur in Ethicis.“ Cette appre´ciation est philologiquement moins pertinente que celle donne´e vers 1262 par Albert, In Ethic., l. I, tract. I, c. VII., ed. Borgnet, vol. 7, 16a = ed. J. Müller (Natürliche Moral und Philosophische Ethik bei Albertus Magnus, [Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelealter, Neue Folge Bd. 59], Münster: Aschendorff Verlag 2001), 357, 12-22: „Scripsit autem et librum qui dicitur Magna Moralia, non ideo quod scriptura plus contineat, sed quia de pluribus tractat, sicut de concordia, benignitate, bonitate, et quibusdam aliis, de quibus hic nullam facit mentionem. Sed de quibus hic tractat, perfectius determinat et prolixius quam in libro Magnorum Moralium.“ Jacques de The´rines, Quodlibet I, q. 9 (utrum prudentia praestituat finem virtutibus moralibus), in: Jacques de The´rines, Quodlibets I et II. Jean Lesage, Quodlibet I. Texte critique avec introducˆ ge 7), Paris 1958, 135tion, notes et tables, ed. P. Glorieux (Textes philosophiques du Moyen A 138. Ce moine cistercien que Glorieux qualifie de „sans grand relief“ est magister regens en the´ologie a` Paris de`s 1305-1306 et ses Quodlibets auraient e´te´ dispute´s de 1306 a` 1308 (cf. Glorieux, op. cit., 13). Sa souscription dans le proce`s des Templiers (25 mars 1308) et dans celui de Marguerite Porrette (11 avril 1309) montre qu’il e´tait encore la` a` cette date.
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temps. Qu’il ait connu le commentaire de Gilles est, en revanche, sugge´re´ non seulement par la note qu’on vient de lire (laquelle pourrait tout aussi bien relever d’une de´duction faite par le glossateur), mais aussi par la profusion, dans les gloses de Melk, d’e´le´ments de´ja` trouve´s chez Gilles et qui, pour leur part, ne pourraient eˆtre que difficilement preˆte´es a` l’inventivite´ du glossateur. Notons d’emble´e cependant qu’il s’agit bien plutoˆt de vagues re´miniscences d’ide´es lues dans la ,Sententia super de bona fortuna‘, et surtout qu’elles se meˆlent, dans les marges du codex de Melk, a` d’autres informations assez he´te´roge`nes dont l’ensemble refle`te en somme une culture tre`s ge´ne´rale, chariant des ide´es et des auctoritates assez classiques pour l’e´poque et sans doute recX ues via l’enseignement. De ce me´lange d’e´le´ments divers, un exemple concerne la notion de prudentia souvent e´voque´e dans le ,Liber de bona fortuna‘ en contraste avec la fortune. Pour l’expliquer, le glossateur appose deux petites notes ponctuelles se suivant de pre`s suite a` la glose e´tudie´e ci-dessus. La premie`re, touchant au de´but du second chapitre (BF II, 1-3) contient une explication assez remarquable de l’eupraxia. Lisant ce dernier mot dans l’opuscule e´galement, le glossateur y a manifestement lu non pas une translitte´ration du grec, mais un mot arabe, auquel il donne toutefois une explication correcte du point de vue e´tymologique: celle donne´e par Gilles au tout de´but de son Prologue en convoquant un paralle`le dans la ,Rhe´torique‘ 55. La note qui suit cela dans le codex de Melk exploite, quant a` elle et cette fois sans aucun lien avec Gilles, un lieu commun: „Seneca dicit: prudentes et sapientes sunt aliorum domini et rectores.“ 56 Ce moto rele`ve d’une conception commune encore au de´but du 14e`me sie`cle et voulant que seuls les sages soient dignes du pouvoir politique et d’avoir la supre´matie sur les autres: depuis les anne´es soixante du sie`cle pre´ce´dent et en particulier chez les artiens parisiens, cet e´litisme est non seulement courant 57, mais fre´quemment appuye´ par l’autorite´ de Se´ne`que 58. L’adage cite´ par le glossateur de Melk correspond 55
56 57
58
Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 152v, marge de gauche: „Eupraxia est bona operacio et est nomen arabicum, et dictum ab eo quod est bona, et praxis, quod est operacio, quoniam bona operacio.“ Cf. Gilles de Rome, Sentencia super de bona fortuna (nt. 51): „Quidam ordinavit in idem bonam fortunam felicitati, ut vult Philosophus primo Ethicorum, qui non omnino irrationabiliter locutus est, nam ut dicitur primo Rethoricae in tractatu de negotio deliberativo, ,felicitas est eupraxia‘ (idest bona operatio), cum virtute, vel est per se sufficientia vitae.“ Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 152v, marge de gauche. Cf., vers 1280, Jean de Dacie, Divisio scientie, in: Johannis Daci Opera, vol. 1, 1, ed A. Otto (Corpus Philosophorum Danicorum Medii Aevi 1), Haunia 1955, 3, 1-12: „Humana natura multipliciter est ancilla, ut scribitur primo Metaphysicae. Hoc autem contingit propter imperfectionem eius tam ex parte animae quam ex parte corporis. Et ad hanc imperfectionem advertens philosophus primo Politicorum dicit, quod homines vigentes intellectu et virtutibus intellectualibus naturaliter debent esse aliorum rectores et domini, qui vero bonis intellectualibus non vigent, sed robusti et fortes sunt corpore, hii debent aliorum esse servi et subditi. Et sicut aliquis non vigens intellectu propter sui imperfectionem naturaliter est servus, sic etiam propter imperfectionem et defectum a parte corporis, puta propter defectum divitiarum tam naturalium quam artificialium, multi servi fiunt et facti sunt.“ Cf. L. Bianchi, La felicita` intellettuale come professione nelle Parigi del Duecento, in: Rivista di Filosofia 78 (1987), 181-199, ici 190 sq.; id., Il vescovo e i filosofi. La condanna parigina del 1277 e l’evoluzione dell’aristotelismo scolastico, Bergamo 1990, 157, nt. 60.
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donc a` des ide´es fre´quemment lues chez cet auteur, meˆme si celles-ci sont tourne´es d’une facX on qui ne trouve aucun correspondant litte´ral dans l’œuvre meˆme de Se´ne`que 59. Vraisemblablement, la lettre de la citation doit eˆtre issue, e´ventuellement via une me´moire de´faillante ou de´formante, de quelque commentaire a` Aristote voire d’un manuel comme celui des ,Auctoritates Aristotelis‘ sous la rubrique consacre´e aux passages de la ,Politique‘ 60. De ce dernier texte, le glossateur n’a en tout cas pas une connaissance approfondie, car s’il l’avait fre´quente´ d’assez pre`s, il serait e´tonnant qu’il ne l’ait pas cite´ du tout dans sa note pourtant bien de´veloppe´e concernant les divers sens de la noblesse. Il s’agit la` d’une glose appose´e au passage du traite´ (BF I, 34-36) convoquant le „nobilis“ pour illustrer ce que sont les biens exte´rieurs issus de la fortune. Voici comment le glossateur distingue deux acceptions possibles de la noblesse: „Nobilis multis modis dicitur. Uno modo nobilis est qui ex nobili propagine, ut ille est ex nobili propagine, idest [1 v.n.l.]. Alio modo nobilis est qui ex subtili sanguine et semine [et] puro, idest qui est ex bonis moribus, ille dicitur habere subtilem sanguinem, et propterea ipsi rustici non sunt nobiles, idest subtilis non sunt sanguinis, in suis moribus et uirtutibus propter sanguinem ipsorum ingrossatum et inspissatum, et hec grossicies et spissitudo contingunt ex forti labore quem habent et sustinunt. Alio modo dicitur nobilis qui est ex antiquis diuiciis, ut si quis diuicias et multas possessiones filio suo relinquit, et magnam hereditatem tunc ipso filio illas possessiones possidente et sub sua potestate tenente, dicitur esse nobilis, idest ex antiquis diuitibus circumdatus.“ 61
La seconde signification du terme „nobilis“, associe´e a` des richesses anciennes recX ues des parents, remonte bien a` la ,Politique‘ d’Aristote, mais vraisemblablement pas directement 62. Et meˆme la mention pourtant expresse du ,De anima‘ 59
60
61 62
Un meˆme cas de citation faussement attribue´e a` Se´ne`que (en l’occurrence tire´e des ,Lettres‘ d’Ambroise de Milan) se lit dans l’introduction a` la philosophie ,Ut ait Tullius‘ (G. Dahan, Une introduction a` l’e´tude de la philosophie: Ut ait Tullius, in: Cl. Lafleur [ed.], L’enseignement de la philosophie au XIII e`me sie`cle. Autour du „Guide de l’e´tudiant“ du ms. Ripoll 109. Actes du colloque international e´dite´s, avec un comple´ment d’e´tudes et de textes, Turnhout 1997, 40 et nt. 33): „Quinto est [philosophia] appetenda, quia servum facit liberum, unde Seneca: omnis stultus *servus est+ et per oppositum omnis sapiens liber.“ Cf. J. Hamesse, Les „Auctoritates Aristotelis“. Un florile`ge me´die´val, e´tude historique et e´dition critique (Philosophes Me´die´vaux 17), Louvain-Paris 1974, 252: „Homines ratione ac intellectu vigentes naturaliter aliorum domini sunt et rectores.“ On trouve un usage de cette auctoritas dans Thomae Aquinatis In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio, ed. Marietti, Turin-Rome 1950, 1: „Sicut enim, ut in libro praedicto Philosophus dicit, homines intellectu vigentes, naturaliter aliorum rectores et domini sunt.“ Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 152v, marge supe´rieure. En oubliant de la de´finition aristote´licienne de la noblesse la virtus pour n’en retenir que la possession de richesses, le glossateur rejoint une tradition ancienne et refle´te´e notamment dans le commentaire du meˆme lemme propose´ par Gilles de Rome, Sentencia super de bona fortuna (nt. 51): „Nobilitas secundum unum modum accipiendi idem est quod antiquatae divitiae.“ Cf. Aristote, Politique, V. 2, 1301b1-5 (Aristotelis Politicorum libri octo cum vetusta translatione Guilelmi de Morbekka, ed. F. Susemihl, Leipzig 1872, 497, 3-7): „Sunt autem quidam, qui secundum genus excellentes non dignificant aequalibus se ipsos propter inaequalitatem hanc: nobiles enim esse videntur, quibus existunt progenitorum virtus et divitiae“; IV. 8, 1294a19-25 (ed. cit., 409, 8-410, 2): „ingenuitas enim est virtus et divitiae antiquae.“
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dans une glose ulte´rieure ne semble pas pre´supposer une lecture tre`s assidue du texte et en donne plutoˆt une paraphrase assez vague 63. Ainsi, la plupart des re´miniscences aristote´liciennes transpirant de ces notes de copiste ne sont vraisemblablement pas dues a` une lecture directe du corpus aristote´licien. Meˆme si le glossateur de Melk reste ,a` la page‘ en citant Aristote et Se´ne`que, sa culture est tre`s ge´ne´rale. Elle est, en somme, tout aussi inde´pendante par rapport au milieu universitaire parisien que s’est ave´re´e l’eˆtre la copie du ,Liber de bona fortuna‘ dans ce codex: rien dans ce qu’il de´verse dans les marges de ce texte ne semble devoir s’expliquer par une fre´quentation de la Rive Gauche de la Seine. Plus vraisemblablement, c’est dans le Nord de l’Europe qu’il a fait ses classes, dans un centre de formation du genre de ceux qu’on trouve, par exemple, le long du Rhin 64. Meˆme les re´miniscences possibles de la ,Sententia super de bona fortuna‘ de Gilles de Rome peuvent s’expliquer en dehors meˆme du cadre universitaire parisien, ou` ce texte a pourtant vu le jour. D’une part en effet, les ide´es issues de Gilles sur le ,Liber de bona fortuna‘ ont pu devenir au de´but du 14e`me sie`cle une monnaie courante, e´change´e comme autant de ,topoi ‘ ve´hicule´s soit par oral soit meˆme par e´crit. Par ce dernier canal, rien n’interdit de croire que le mode`le sur lequel l’Anonyme de Melk copie le ,Liber de bona fortuna‘ comportaˆt dans ses marges soit des extraits soit la totalite´ du commentaire de Gilles de Rome: on serait meˆme autorise´ a` le penser e´tant donne´ que le fre`re ou cousin du codex de Melk qu’est le manuscrit de Florence e´tudie´ plus haut (F), comporte dans les marges de l’une de ses copies de l’opuscule deux notes pour leur part directement calque´es sur des explications de Gilles, qui mettent l’accent sur la propension du Philosophe a` identifier la cause ultime de la bonne fortune a` la nature de l’eˆtre qui en be´ne´ficie 65. La 63 64
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Cf. nt. 84. Cf. A. Zumkeller, Das Kölner Augustinerkloster und sein Generalstudium im 14. Jahrhundert Eine Keimzelle der theologischen Fakultät der neuen Universität, in: A. Zimmermann/G. Vuillemin-Diem (eds.), Die Kölner Universität im Mittelalter. Geistige Wurzeln und Soziale Wirklichkeit (Miscellanea Mediaevalia 20), Berlin-New-York 1989, 357-365; W. Senner, Die Rheinischen ,Studia‘ der Dominikanern im Mittelalter: Alternative und Vorläufer der ,Universitates Studiorum‘, in: M. J. F. M. Hoenen/L. Cesalli/N. Germann (eds.), University, Council, City. Intellectual Culture on the Rhine (1300-1550). Acts of the XII th International colloquium of the Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale, Freiburg-im-Breisgau, 2729 October 2004 (Rencontres de philosophie me´die´vale 13), Tournai 2007, 3-45. Les marges du ms. Flor., Laur., Plut. LXXXIV, 12 (= AL 1324), fol. 23ra contiennent en effet, a` propos de BF I, 5-7, les deux notes que voici qu’on lit litte´ralement chez Gilles: „Notandum, quod philosophus hic loquitur dubitando, non veritatem determinando, nam ut infra patebit, Philosophus consentit bonam fortunam esse naturam quamdam, ubi ait quod bona fortuna est sine ratione natura. […] Vis huius rationis, s. bona fortuna vel est natura quaedam, vel benivolentia divina, vel ratio aut intellectus. Non est benivolentia divina nec ratio nec intellectus, ergo conuenientissimum est ipsam esse naturam quemdam. Venata est itaque una particula ponenda in diffinitione fortunae, videlicet quod sit natura quaedam.“ Noter cependant que ces gloses sont faites sur la seconde copie du ,Liber de bona fortuna‘ contenue par ce manuscrit (foll. 23r-24v ), affilie´e a` la tradition parisienne (cf. nt. 2). Dans ces folios, on lit en outre un autre type de notes, interline´aires et marginales, qui couvrent seulement la premie`re partie de l’opuscule (BF I, 1-53) et consistent en des ajouts a` caracte`re textuel, par lesquelles le copiste explicite certains termes du texte ou des passages a` la syntaxe ambigue¨.
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tendance naturaliste de l’interpre´tation donne´e par Gilles au ,Liber de bona fortuna‘ lui avait cependant valu, dans les anne´es quatre-vingt, les invectives de son colle`gue Henri de Gand: de ce diffe´rend qu’il resterait encore a` analyser dans le de´tail, le de´but du 14e`me sie`cle a conserve´ des traces tangibles, qu’on peut meˆme deviner dans les marges du codex de Melk. C’est ce qu’on pourra voir dans les lignes qui suivent, ou` les gloses de ce manuscrit, qui ont livre´ tout ce qu’elles pouvaient sur leur auteur, serviront de lorgnette pour analyser le ,Liber de bona fortuna‘, puis pour en repe´rer les lignes d’interpre´tation vers 1308. 3. L’enjeu du traite´ selon l’Anonyme: la fortune, intelligence, nature ou influx divin? La premie`re glose a` propos du ,Liber de bona fortuna‘ est celle qui, au bas du folio 152r, porte sur le de´but du traite´ ou`, une fois e´tablie l’importance de la bonne fortune pour l’acquisition de biens exte´rieurs re´pute´s ne´cessaires a` la vie bienheureuse en ce monde (BF I, 1-5), Aristote se fixe pour objet de de´terminer qui est le bien fortune´, en quoi il l’est et a` propos de quoi (BF I, 5-7). Cette partie du texte aristote´licien suscite de la part de l’Anonyme une ample remarque qui, meˆme si elle se laisse entie`rement de´chiffrer, sera ici cite´e d’abord seulement en son de´but, parce que celui-ci offre une excellente porte d’entre´e au contenu du ,Liber de bona fortuna‘: „Quidam dixerunt et dicunt quod bona fortuna sit natura; quidam autem dicunt quod sic ipsa non sit intellectus; quidam autem dicunt quod sit diuina causa […].“ 66 L’opuscule peut, en effet, se comprendre comme une investigation de ces trois candidatures au statut de cause de la bonne fortune, chacun des deux chapitres envisageant cette dernie`re tour a` tour comme e´tant le re´sultat possible de la nature, d’un acte pose´ par l’intelligence ou d’une inspiration divine. Parmi ces trois explications possibles de la fortune, le glossateur a bien compris que la deuxie`me e´tait la moins probable puisqu’il l’affecte d’emble´e d’une ne´gation („non sit intellectus“): c’est un fait qu’Aristote lui-meˆme la de´classe tre`s vite et ne la re´examine pas autant que les deux autres, qui seules conservent leur cre´dit tout au long du ,Liber de bona fortuna‘. Voyons alors comment se poursuit a` leur propos l’enqueˆte en question. Au de´but du traite´, l’hypothe`se envisage´e d’abord par Aristote pour expliquer la fortune consiste a` l’identifier a` la nature, comme le sugge`re une ide´e re´pandue voulant que certains soient, plus que d’autres, naturellement doue´s en bonne fortune (BF I, 7-12) 67. Mais loin d’examiner en de´tail cette ide´e courante, 66
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Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 152r, marge infe´rieure. La suite de la glose sera analyse´e ci-dessous, nt. 81. Cf. P.-L. Donini, L’Etica dei Magna Moralia, Torino 1965, 79 sqq., et, plus ancien mais toujours valable pour ses analyses doctrinales, R. Walzer, Magna Moralia und Aristotelische Ethik, Berlin 1929. L’e´tude fouille´e de Donini est tre`s convaincante, notamment s’agissant d’e´tablir avec beaucoup de probabilite´ un point qui a e´te´ discute´ depuis plus d’un sie`cle, a` savoir la non-authenticite´ aristote´licienne des ,Magna moralia‘. Une e´tude de´taille´e des premie`res attestations de ce traite´ dans la litte´rature impe´riale reste a` faire, tout comme d’ailleurs celle de sa re´ception au Moyen aˆge et a` la Renaissance.
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Aristote la refuse d’emble´e car, tandis que la nature est un principe d’ordre et de re´gularite´ rendant ses effets pre´visibles, la fortune doit provoquer des e´ve´nements impossibles a` anticiper car exceptionnels (BF I, 9-12); pour la meˆme raison, la fortune n’est pas identique a` l’intelligence ni cause´e par elle puisque, comme la nature, l’intelligence produit des effets re´guliers et constants, tandis que la fortune fonctionne en proportion inverse de l’intelligence de´ploye´e par l’homme pour e´valuer les re´sultats de son action (BF I, 12-15) 68. L’explication de la fortune par un principe soit naturel soit intellectuel ayant donc e´choue´, Aristote envisage une troisie`me ide´e: la bonne fortune ne serait-elle pas plutoˆt l’effet du soin qu’une divinite´ prendrait de nous (BF I, 16: „cura quedam Dei “)? Cette solution aussi se trouve assez toˆt abandonne´e: il serait indigne, expliquet-il, d’attribuer a` (un) dieu le souci de ces eˆtres abjects ou mauvais qui, parfois pourtant, s’ave`rent eˆtre bien fortune´s (BF I, 16-22). Ces trois alternatives ayant abouti de la sorte a` des conclusions inacceptables, on pourrait eˆtre tente´ d’en chercher une quatrie`me, mais la suite du texte insiste sur l’exhaustivite´ de la distinction initiale entre trois hypothe`ses, et sur la difficulte´ re´elle que pre´sentent les deux dernie`res (BF I, 22-27): dans ces conditions, Aristote propose alors de revenir au point de de´part pour examiner a` nouveaux frais la premie`re des trois, ramenant la fortune a` une causalite´ naturelle 69. Cette ide´e paraıˆt en effet vraisemblable du moment que la fortune semble concerner des choses qui ne de´pendent pas de nous et ne sont pas en notre pouvoir: car de fait, on ne dit jamais d’un juste qu’il est en cela fortune´, ni du vertueux non plus puisque l’un et l’autre ont le choix de de´velopper ou non ces qualite´s (BF I, 28-34) 70; on qualifie en revanche de fortune´ celui qui, pour des raisons qui ne de´pendent pas de lui, posse`de ces biens exte´rieurs re´pute´s ne´cessaires a` l’exercice de la vertu, comme par exemple cette condition sociale privile´gie´e qu’est la noblesse (BF I, 34-35). Mais, remarque Aristote, cette acception commune de la bonne fortune ne recouvre pas le sens principal et propre du terme, car ce qu’on veut ici de´finir, c’est la condition favorable issue non des circonstances exte´rieures mais provoque´e par l’action meˆme de celui qui obtient finalement un re´sultat heureux pour lui mais qu’il n’avait pas vise´ au de´part (BF I, 36-39). 68
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Cette ide´e d’une fortune e´tant fonction inverse a` l’intelligence de l’homme qui en be´ne´ficie est tre`s souvent signale´e par les copistes les plus anciens du traite´ par un nota bene appose´ dans la marge de ce passage. L’anonyme de Melk ne manque pas de la rappeler, dans un passage ici cite´ seulement en partie parce que le reste n’a pas pu eˆtre mieux de´chiffre´. Cf. Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge supe´rieure: „(…) Non est eciam sciencia secundum premeditaciones, que unum preuidunt. Quare? Quia uidemus aliquos esse scientes et prudentes, hoc autem non est fortuna, quia sciencia contingit ex preuisione, ipsa autem bona fortuna non, ut superius reprobatum est, quia: ,ubi plurimus intellectus, ibi minima fortuna, et ubi maxima fortuna, ibi minimus intellectus‘.“ Cf. Donini, L’Etica dei Magna Moralia (nt. 67), 82 sq. En cet endroit du texte, l’omission d’un non en BF I, 29 rend le passage assez peu cohe´rent puisque la version lue par l’anonyme de Melk contient ainsi a` cette ligne une assertion clairement contradictoire avec ce qui est dit plus loin. Cette faute, aussi pre´sente dans F, s’explique vraisemblablement par un accident de copie ayant eu lieu chez un anceˆtre commun de F et M (cf. nt. 42), mais qu’aucun des deux copistes ne semble pourtant avoir identifie´.
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Deux traits distinguent donc l’εyœτυχι´α de la τυχη´ : d’une part le fait que la premie`re re´sulte d’un acte pose´ par celui qui en be´ne´ficie tandis que l’autre re´sulte du seul concours des circonstances exte´rieures, d’autre part le fait que cet heureux hasard se produise de facX on re´currente en faveur du meˆme be´ne´ficiaire. Ce re´sultat provisoire aussi devra eˆtre nuance´ par Aristote, car il masque encore les ambiguı¨te´s d’une notion de bonne fortune que la suite du texte s’attache a` dissiper, en distinguant les cas ou` l’agent en question obtient un bien, de celui ou` il e´vite simplement un mal: ce dernier cas de figure rele`verait de la fortune par accident, alors que le fait d’obtenir un bien recouvre la fortune a` proprement parler (BF I, 40-45) 71. Mais au-dela` de cette nuance se´mantique occasionnant l’introduction du terme εyœτυ´ χημα (BF I, 44: „eufortunium“), la distinction la plus importante acquise dans cette partie du traite´ est celle entre la pure τυχη´ (fortuna = casus) et l’εyœτυχι´α (bona fortuna), la premie`re e´tant entendue au sens, courant, d’une cause exte´rieure, facteur d’inde´termination valant ponctuellement a` l’homme une se´rie de conditions favorables a` sa vie bonne, tandis que la seconde re´sulterait non d’une conjonction de facteurs exte´rieurs mais d’une action pose´e par l’homme lui-meˆme et de´bouchant, a` son insu, sur des conse´quences be´ne´fiques pour lui. Car la fortune dont le ,Liber de bona fortuna‘ fait sa spe´cialite´ consiste dans le fait, pour un homme, d’aboutir plusieurs fois a` des re´sultats qu’il n’avait pas attendus et que n’auraient pas laisse´ pre´voir une e´valuation rationnelle des conse´quences des actes pour lesquels il a opte´: c’est pre´cise´ment a` titre de fondement inte´rieur et subjectif d’une action de ce type que l’auteur des ,Magna moralia‘ fait valoir la „nature“ comme cause de l’e´ve´nement bien fortune´. Ce faisant, il fait e´chapper cette fortune a` la contingence de la fortune tout court (celle qui revient a` un casus); tandis que la nature dont elle re´sulte a, elle aussi, ceci de propre que, contrairement a` la nature tout court (celle qui meut les re´alite´s exte´rieures), elle cause des re´sultats moins re´guliers et moins pre´visibles car ne se re´alisant que souvent voire quelquefois 72. Bref, la bonne fortune n’est ni cette pure contingence du casus, ni la ne´cessite´ qu’on voit pointer derrie`re la natura, mais recouvre un type particulier de re´gularite´ due a` certains traits propres a` l’individu qui en be´ne´ficie 73. 71
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Ici comme en BF I, 29 (cf. nt. 70), l’omission d’un non pre´sente autant dans M que dans F et vraisemblablement cause´e par un accident de copie rend la distinction en question assez peu intelligible. Cf. BF I, 57-62. Cette corruption n’ayant manifestement eu aucune incidence sur le contenu des gloses au manuscrit de Melk, l’exe´ge`se ici faite porte sur la version non fautive. Cf. P. Aubenque, La prudence chez Aristote, troisie`me e´dition, revue et augmente´e, Paris 1963, 72. Il est d’ailleurs a` cet e´gard tre`s significatif que la ,Physique‘ ne mette jamais en jeu ce concept-la` d’εyœτυχι´α mais se limite a` traiter de τυχη´ (le terme εyœτυχι´α intervient une fois, mais sans le contenu psychologique que lui donnent les deux ,Ethiques‘). Cf. aussi K. Johnson, Luck and Good Fortune in the Eudemian Ethics, in: Ancient Philosophy 17 (1997), 85-102. Pour cette raison, elle n’est pas non plus assimilable a` la fortuna romaine, connue depuis longtemps des me´die´vaux graˆce a` Boe`ce. Cette fortune-la`, plus traditionnelle et populaire, rele`ve moins de la contingence que du destin et est souvent repre´sente´e comme une figure aveugle, irrationnelle et volatile, qui ferait alterner dans la carrie`re des hommes les phases heureuses et malheureuses. Cf. J. Wirth, L’iconographie me´die´vale de la roue de la fortune, in: Y. Foehr-
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Pour expliquer ce mode tre`s spe´cifique de re´gularite´ que repre´sente la bona fortuna, Aristote invoque dans le traite´ une „nature sans raison“ interne et propre a` l’homme qui en be´ne´ficie (BF I, 45-46: „sine racione natura“) et responsable, en lui, d’un mouvement irrationnel vers le bien (BF I, 46: „sine racione habens impetum ad bona“, cf. 48-49). Et qu’on vienne a` demander a` un tel homme pourquoi il agit de cette manie`re-la`, il ne pourra alors indiquer, en guise de re´ponse, que sa pre´fe´rence affective et spontane´e pour ce comportement (BF I, 49-51). Cette description quasi-phe´nome´nologique de l’e´tat propre au bien fortune´, qui marque une importante nouveaute´ de la doctrine du ,Liber de bona fortuna‘ par rapport aux autres textes e´thiques ou physiques d’Aristote, a tre`s vite constitue´ le point focal des discussions autour de l’opuscule 74. Les lecteurs me´die´vaux ont bien cerne´ que c’est dans cette e´tape de l’argumentation que s’instaure une tension conceptuelle qui marquera toute la suite du texte et qui fera discussion a` son propos: celle qui, a` l’inte´rieur d’une ide´e de natura sine ratione, fait jouer l’ide´e d’un dieu inspirateur. Certes, l’hypothe`se d’une inspiration divine, ici subtilement combine´e avec celle d’une bonne fortune naturelle, ne joue encore qu’en sourdine: si dans le second chapitre de l’opuscule, l’hypothe`se the´ologique finira par prendre le dessus, elle n’est encore introduite ici que comme terme de comparaison, en tant que le mode irrationnel sur lequel la fortune advient a` l’homme la rend semblable a` cet instinct naturel le portant spontane´ment vers son bien. Tel est l’e´tat, plutoˆt apore´tique, de la question, a` la fin du premier chapitre du ,Liber de bona fortuna‘ 75. Cette analyse de la figure du bene fortunatus laisserait le lecteur sur sa faim si ce chapitre n’e´tait comple´te´ par le second chapitre du ,Liber de bona fortuna‘,
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Janssens/E. Me´try (eds.), La fortune, the`mes, repre´sentations, discours (Publications de la Faculte´ des Lettres de Gene`ve 19), Gene`ve 2003, 105-128. Bref, la bonne fortune d’Aristote n’a pas grand chose a` voir avec la roue de la fortune, et si certains mansucrits du ,Liber de bona Fortuna‘ comportent, dans leurs initiales orne´es, des repre´sentations de telles roues, c’est par assimilation approximative. Cf. de´ja` Alberti Magni Opera omnia, ed. A. Borgnet, vol. 8: Commentarii in octo libros Politicorum Aristotelis, Paris 1891, 67a: „Et hujus causa est, sicut ipse dicit in VI Ethicorum, quod ,ars est factivum principium cum ratione‘: de fortuitis autem dicit in capitulo de fortuna, quod est pars Ethicae et pertinet ad primum Ethicorum, quod ,fortuna est natura praeter rationem faciens impetum.‘“ Cette mention ne peut pas s’expliquer autrement que par une connaissance, si ce n’est du ,Liber de bona fortuna‘, au moins de l’un des deux morceaux qui allaient le constituer (ou le constituaient de´ja`?); cf. BF I, 45-47: „bene fortunatus est enim sine racione habens impetum ad bona“; BF II, 6465: „bene nati sunt et sine racione impetum faciunt, secundum quod natura apta nata est, et concupiscunt et hoc et tunc et sic ut oportet et quod oportet “; BF II, 110-111: „bene fortunati uocantur qui si impetum faciant, dirigunt sine racione existentes, et consiliari non expedit ipsis.“ Les lignes qui suivent introduisent une se´rie de distinctions se´mantiques ne modifiant gue`re ce premier re´sultat: dans la fin du texte, Aristote distingue la fortune comme cause d’un effet donne´ et celle dont on parle pour en de´signer l’effet proprement dit, souvent confondu avec sa cause dans le langage ordinaire (BF I, 53-58); est ensuite rappele´e la distinction, de´ja` introduite plus haut, entre fortune par soi et fortune par accident, avant que ne soit souligne´e a` nouveau, comme au de´but du texte, l’importance de cette fortune dans l’acquisition de la fe´licite´ (BF I, 59-64). Ces distinctions n’apportent pas grand chose a` la discussion principale.
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une section paralle`le mais plus de´veloppe´e et tire´e, cette fois, de l’,Ethique a` Eude`me‘, judicieusement appose´e par le compilateur au texte des ,Magna moralia‘: c’est dans ce savant assemblage que s’installera, pour mieux se de´ployer, une tension entre l’hypothe`se de la fortune naturelle et celle de l’inspiration divine 76. L’argumentation de ce second chapitre e´tant plus complexe, il faut ici la re´sumer a` gros traits. Tout comme le premier chapitre, celui-ci s’organise en fonction de trois candidatures possibles au statut de cause de la bonne fortune: la nature, l’industrie humaine et l’inspiration divine. Mais Aristote approfondit ici davantage les chances de chacun de ces trois candidats, et brosse ainsi un portrait plus nuance´ de l’homme bien fortune´, qui donnera aux me´die´vaux plusieurs fils a` retordre. Une premie`re spe´cificite´ de ce chapitre est, en effet, qu’au lieu d’eˆtre traite´es distinctement, les trois hypothe`ses de´ja` envisage´es par le premier chapitre interviennent ici de manie`re plus libre au point parfois de s’entrechoquer, ou de jouer ensemble, sans qu’on voie toujours ou` Aristote veut en venir. Ensuite et surtout, dans ce chapitre plus que dans l’autre, l’explication de la fortune par une forme d’intelligence est e´limine´e avec d’autant plus d’assurance que l’irrationnalite´, reconnue comme un trait spe´cifique de l’action bien fortune´e, s’accentue jusqu’a` l’extreˆme: pour me´riter le titre de bene fortunatus il faut eˆtre, et dans le domaine meˆme ou` l’on re´ussit souvent, totalement imprudent, inexpe´rimente´ voire comple`tement stupide. Car la bonne fortune s’ave`re d’autant plus efficace lorsqu’elle intervient au terme d’actes pose´s par totale inadvertance dans des domaines ou`, justement, serait requise une technique (BF II, 6-8). Dans ces conditions, fait valoir Aristote, il semble pre´fe´rable d’expliquer la fortune de certains par une nature plutoˆt que par une aptitude acquise (BF II, 9-10). D’ou` la ne´cessite´, pour la suite du texte, d’expliciter encore un peu en quoi pourrait consister cette nature propre a` l’homme bien fortune´: on y apprend alors qu’il s’agirait d’une aptitude recX ue a` la naissance et qui nous rendrait plus ou moins doue´s en bonne fortune (BF II, 11-15). Dans cette hypothe`se, la bonne fortune serait de l’ordre des choses dues non pas aux qualite´s acquises par exercice ou par habitude, mais de celles qui, inne´es et donc force´ment mal distribue´es, permettent a` tel homme seul de re´ussir fre´quemment comme on aurait la vue percX ante a` cause de la couleur de´termine´e des yeux, bonne ou mauvaise vue: ceux qui ont la chance d’avoir ce don pour la fortune se montrent 76
En ceci, la combinaison des deux chapitres aristote´liciens par le compilateur a quelque chose de ge´nial: tout porte a` croire que le premier chapitre, issu des ,Magna moralia‘ et de facture plus sche´matique et scolaire que le second, ait e´te´ place´ la` pour introduire les notions principales qui seront travaille´es plus a` fond et de facX on plus complexe dans le second chapitre, tire´ d’un passage de l’,Ethique a` Eude`me‘. On peut meˆme imaginer Moerbeke, rebute´ par un grec engageant ses lecteurs sur le terrain non pas des conjectures mais de la divination - cf. D. Harlfinger, Die Uberlieferungsgeschichte der Eudemischen Ethik, in: D. Harlfinger (ed.), Untersuchungen zur Eudemischen Ethik, Berlin 1971, 29: „Die Hauptarbeit bei der constitutio textus dieser so korrupten Schrift obliegt letzten Endes doch der divinatio“! -, ait cherche´ dans le passage paralle`le et plus compre´hensible des ,Magna moralia‘ de quoi „exercer“ ses lecteurs a` la doctrine aristote´licienne de la fortune afin de mieux comprendre l’autre extrait.
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donc, contrairement aux prudents, incapables de donner raison de leurs choix pourtant ave´re´s finalement judicieux (BF II, 15-17) 77. Et, poursuit Aristote, cette compe´tence en matie`re de fortune sera force´ment spe´cifique, circonscrite a` un domaine pre´cis comme l’e´tait, pour Hippocrate, sa capacite´ pour les sciences, inutile cependant pour l’aider a` prote´ger ses biens en haute mer; aussi, et malgre´ son injustice criarde, l’apparente mauvaise distribution des biens de cette fortune-la` n’est-elle pas due a` une pure contingence, car elle n’est pas plus hasardeuse que ne l’est la victoire re´gulie`re de tel joueur fre´quemment favorise´ par le sort graˆce a` une certaine nature le pre´disposant a` gagner la partie (BF II, 18-23). Contrairement a` ce qui se passe dans les ,Magna moralia‘, il faut voir ici la peine d’Aristote a` maintenir seule l’hypothe`se d’une nature sans la combiner d’emble´e avec celle d’une inspiration divine. Car meˆme si l’hypothe`se d’une fortune naturelle a e´te´ pose´e d’abord comme exclusive des autres explications (BF II, 4-5), dans ce chapitre du ,Liber de bona fortuna‘ plus encore que dans le premier, la perspective the´ologique vient comple´ter l’e´quation entre bene fortunatus et bene natus, d’emble´e percX ue comme insuffisante 78. La suite du chapitre insiste en effet, a` partir de l’exemple de la navigation conjugue´ a` celui du jeu de de´s, sur l’insuffisance des compe´tences acquises en ces domaines ou` peut eˆtre de´terminante non seulement la part joue´e par le hasard, mais plus encore et comme derrie`re lui, celle d’une main invisible et divine orientant les choix de l’homme (BF II, 23-29) 79. Comme dans le premier chapitre du ,Liber de bona fortuna‘, l’hypothe`se the´ologique ici ajoute´e a` l’explication naturaliste est vite confronte´e aux difficulte´s qu’elle induit quant a` notre facX on de penser Dieu: puisqu’il n’est pas convenable („inconueniens“) de lui preˆter l’injustice consistant a` favoriser les me´chants, il semble pre´fe´rable de le laisser en dehors de cela et d’imputer la bonne fortune de certains hommes a` leur seule nature (BF II, 29` la diffe´rence, pourtant, de ce qui se produisait dans le premier chapitre, 33). A le mode`le d’une possession du bien fortune´ par un dieu inspirateur n’est plus introduit comme simple terme de comparaison ni comme hypothe`se effleure´e au passage, mais comme une autre explication possible de la bonne fortune, valable de plein droit et comme alternative a` l’explication de la fortune par la nature seule. Et de fait, cette explication the´ologique aura pratiquement le dernier mot a` la fin du traite´ ou` Aristote, re´sumant ce second chapitre, distinguera 77
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Cette remarque est le pendant d’un passage explique´, dans les ,Magna moralia‘, de manie`re encore plus didactique par ce fameux dialogue rapporte´ en nt. 74. Cf. W. J. Verdenius, Human Reason and God in the Eudemian Ethics, in: D. Harlfinger (ed.), Untersuchungen zur Eudemischen Ethik, Berlin 1971, 285-299; J. Dudley, The Love of God in Aristotle’s Ethics, in: Neue Zeitschrift für systematische Theologie und Religionsphilosophie 25 (1983), 131-133. En cela e´galement, la combinaison ope´re´e par le compilateur entre les deux morceaux est excellente. L’omission du „a deo“ en BF II, 26, pre´sente seulement en M et pas en F, enle`ve au texte lu par l’Anonyme de Melk une indication essentielle, qui ne l’empeˆche pas pourtant, comme on le verra, de donner constamment sa pre´fe´rence a` l’hypothe`se the´ologique.
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deux types de fortunes, l’une e´tant naturelle tandis que l’autre, tout aussi irrationnelle que l’autre, s’obtient par une inspiration divine et se re´ve`le avoir e´te´ le point de mire de toute la re´flexion qui pre´ce`de (BF II, 123-127). On voit donc mieux pourquoi cet opuscule a fascine´ les me´die´vaux. Il reste a` voir comment. III. Le manuscrit de Melk dans le contexte de la re´ ce ption du ,Liber de bona for tuna‘ 1. ,Deus sive natura‘: les options du glossateur de Melk et d’Engelbert d’Admont Pour les lecteurs du ,Liber de bona fortuna‘, le principal proble`me a consiste´ depuis Thomas d’Aquin a` pre´ciser les relations entre la fortune naturelle et celle issue d’une inspiration divine: l’hypothe`se the´ologique recouvre-t-elle un mode`le explicatif alternatif entrant en concurrence avec l’ide´e d’une bonne fortune naturelle? Ne peut-elle pas eˆtre, au contraire, combine´e avec l’explication de la fortune par des qualite´s naturellement inhe´rentes au sujet qui en be´ne´ficie? Si oui, comment articuler sans contradiction les deux explications, et quel poids donner ` a` chacune? L’enjeu exe´ge´tique du ,Liber de bona fortuna‘ tient a` ces questions. A e`me celles-ci s’est ajoute´e, de`s les anne´es quatre-vingt du 13 sie`cle, une alternative introduite par Thomas d’Aquin dans la ,Somme contre les Gentils‘ mais laisse´e en suspens, avant de constituer le cheval de bataille d’Henri de Gand contre Gilles de Rome: le ,Deus ex machina‘ invoque´ au second chapitre apporte-t-il au bien fortune´ cet instinct divin via des me´canismes naturels, ou bien le communique-il imme´diatement, c’est-a`-dire sans passer par les me´diations causales habituelles 80 ? Re´pondre a` ces questions suppose, pour un lecteur me´die´val du ,Liber de bona fortuna‘, d’ope´rer au sein des e´nonce´s de ce traite´ si ce n’est un choix exclusif, au moins une hie´rarchisation consciente. Cela suppose aussi, a` l’arrie`replan, une certaine ide´e de ce qu’un philosophe (le Philosophe) est capable d’entrevoir de la divinite´. Or, en 1308 et aux environs, on note des options tre`s diverses. Le glossateur de Melk n’entre pas de plain-pied dans les subtiles pole´miques qui ont hante´ ses devanciers et ne formule aucune determinatio expresse quant au sens a` donner a` l’opuscule. Mais les accents qu’il porte a` plusieurs passages du texte montrent qu’il tend a` privile´gier l’inspiration divine au de´triment d’une lecture naturaliste dont on va voir qu’elle est de fait toujours menacX ante en son temps. Les options principales du glossateur se voient dans la facX on dont il 80
Cf. Henrici de Gandavo Quodlibet VI, ed. G. A. Wilson (Opera omnia 10), Leuven 1987, 87127. Cette excellente e´dition passe pourtant sous silence tout le de´bat d’Henri avec Gilles de Rome, de´cisif pour la lecture que le premier propose du ,Liber de bona fortuna‘ et pour la critique qu’il lui adresse. Cf. V. Cordonier, Henri de Gand lecteur du ,Liber de bona fortuna‘: aspects textuels, litte´raires et doctrinaux d’une exe´ge`se en dialogue avec Gilles de Rome et Thomas d’Aquin (Quodlibet VI, 10), en pre´paration.
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expose le second chapitre et, plus particulie`rement, dans le sens qu’il donne a` un passage ou` Aristote re´envisage l’e´quation entre fortune et nature. Pour voir ce qu’en fait l’Anonyme, re´sumons ce passage particulie`rement tortueux et donc susceptible d’interpre´tations tre`s variables. D’abord, dit Aristote, la nature est cause de ce qui se pre´sente de la meˆme facX on toujours, ou au moins la plupart du temps tandis que pour la fortune, il en va autrement (BF II, 37-40); ensuite et de ce fait, dire qu’on est fortune´ par nature semble contradictoire puisque, si c’est la nature qui causait la fortune, il vaudrait mieux appeler un tel homme ` ce stade de la „bien ne´“ plutoˆt que de le dire „bien fortune´“ (BF II, 35-37). A re´flexion, l’hypothe`se d’une fortune issue de la bonne nature de l’homme qui en be´ne´ficie semble donc se´rieusement compromise: cette e´tape de la re´flexion se solde par une conclusion proˆnant l’abandon de l’e´quation entre fortune et ` cette conclusion, le glossateur de Melk donne une nature (BF II, 40-42). A porte´e radicale et de´finitive. De ces difficulte´s provisoirement implique´es par l’identification hypothe´tique entre fortune et nature, il se pre´vaut pour en de´duire, une fois pour toutes, l’impossibilite´ d’une telle hypothe`se. Aussi introduitil, directement a` la suite du sommaire doxographique cite´ plus haut, un de´veloppement aboutissant moins a` une modalisation de l’e´quation entre fortune et nature qu’a` sa ruine de´finitive: „Ad cuius ueritatem, racionem Philosophus dicit infra, et eciam secundo Physicorum, quod natura sit ut semper et ut frequenter, quia in omnibus rebus generabilibus natura habet se frequenter et semper, ut si in yndya uel in aliis omnibus partibus homo generetur, tunc ibi generatur simili modo sicut et apud nos, quia homo generat hominem et sol, et sic ipsa natura recipitur in diuersis et ut in pluribus eodem modo; fortuna autem non recipitur in pluribus et in diuersis, sed recipitur inquantum in paucioribus, quia si recipiretur uniformiter, tunc omnes homines essent fortunati, sicut natura in diuersis inuenitur. Ipsa fortuna non est eciam racio neque intellectus. Quare? Quia racio et intellectus ordinate et determinate habent se ad unumquodque, ipsa autem fortuna indeterminate et inordinate habet se ut (…).“ 81
Concentrons-nous sur la premie`re partie de l’argument, la seule pre´serve´e entie`re par la rognure du manuscrit et qui concerne l’e´quation entre fortune et nature. La difficulte´ que le glossateur rele`ve a` son propos a e´te´ identifie´e depuis Thomas d’Aquin de´ja` et avait suscite´ chez lui puis chez les the´ologiens ulte´rieurs des distinctions soigneuses entre diverses acceptions du mot nature suivant qu’on y entend ce qui est propre a` tel individu ou bien commun a` tous les membres de l’espe`ce. Prenant le contrepied de ces tentatives de rendre l’e´quation 81
Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 152r, marge infe´rieure, c’est la ` l’endroit ou` la transcription indique des parenthe`ses, le texte suite du texte donne´ en nt. 66. A continuait dans le codex, mais la rognure du folio en a coupe´ une partie. Le nerf de cette paraphrase - sauf bien suˆr l’exemple trivial des modalite´s de la ge´ne´ration humaine - est topique et la re´fe´rence au second livre de la ,Physique‘ e´galement. Cf. Richard de Mediavilla, Quodl. III, q. 7, ed. Brescia 1591, 94B: „Contra, Phylosophus 2 Physicorum: ,Que a natura sunt in pluribus sunt, que autem a fortuna in paucioribus‘.“ Ce qui est par contre spe´cifique a` l’approche du glossateur est la porte´e radicale qu’il donne a` l’opposition entre nature et fortune et l’acception fixiste qu’il associe a` la premie`re.
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entre nature et fortune compatible avec la contingence associe´e a` la seconde de ces notions, le glossateur de Melk ne retient au contraire que le sens collectif et de´terministe de la nature, pour en de´duire qu’elle pre´sente un mode d’action diame´tralement oppose´ a` ce qu’on entend habituellement par la ,fortune‘. Pour e´viter la conse´quence que les hommes bien fortune´s le soient sans exception, il juge donc requis d’abandonner l’e´quation entre nature et fortune. Nulle place de`s lors, dans son texte, pour une acception plus restreinte et plus nuance´e du terme natura, comme le sugge`re pourtant Aristote dans la suite de son investigation. Du second chapitre, le glossateur ne retiendra en conse´quence que les indications plaidant pour l’abandon de l’e´quation entre fortune et nature, tandis que des passages ou` Aristote semble redonner sa place a` la nature comme cause de la bonne fortune, il propose une lecture tre`s oriente´e. En effet Aristote, apre`s un de´tour tortueux au plan grammatical aussi bien que logique (BF II, 43-38), reprend l’e´quation mais en la traduisant cette fois par le biais d’un concept d’impetus rendant l’hypothe`se en question a` la fois plus claire et plus acceptable: n’y a-t-il pas, dit-il, dans l’aˆme deux sortes d’impulsions, les unes issues de la raison et les autres venues de l’appe´tit seul (BF II, 59-61) 82? Et, poursuit Aristote, puisque l’appe´tit porte l’homme vers son bien sans qu’intervienne un quelconque raisonnement, n’est-ce donc pas la cle´ de la solution recherche´e? La ve´ritable cause de la bonne fortune pourrait eˆtre, en effet, ce don naturel recX u a` sa naissance par celui qui, e´tant bien ne´ (BF II, 63: „bene natus“) pour discerner ce qui convient, de´sirerait alors au moment ade´quat ce qu’il faut de´sirer et le ferait exactement comme il le faut (BF II, 62-69). Si la suite du ,Liber de bona fortuna‘ s’attache a` distinguer diffe´rents sens de la fortune parmi lesquels la nature aura toute sa place (BF II, 69: Aut multipliciter dicitur bona fortuna), le glossateur de Melk ne´glige ces explications, pour s’en tenir aux apories rencontre´es juste avant par l’hypothe`se d’une nature bien fortune´e. En lisant ce passage, il fait en sorte d’e´liminer de´finitivement toute e´quation possible entre fortune et nature: en marge du texte, il propose du re´sultat en question une traduction tre`s apore´tique qui neutralise la notion aristote´licienne de nature et e´vacue la figure du „bene natus“. On peut s’interroger, explique-til en effet, sur la nature de cet appe´tit invoque´ par Aristote pour expliquer la bonne fortune (BF II, 59-61). Dans le ,De anima‘, le Philosophe distingue deux types d’appe´tit, sensitifs et intellectifs, dont la candidature s’impose donc au statut de cause naturelle et interne de la bonne fortune. Or, fait valoir ici l’Anonyme, il suffit d’investiguer plus avant chacune de ces deux significations du terme appetitus pour voir que toutes deux entraıˆnent en re´alite´ une conse´quence inacceptable. Comprendre en effet la bonne fortune comme l’effet d’un appe´tit sensitif est intenable, puisque on la rame`nerait alors a` la nature, conse´82
Toute cette partie du second chapitre doit eˆtre lue en paralle`le avec le passage correspondant du premier chapitre, qui pre´sente les meˆmes arguments mais d’une manie`re plus scolaire et sche´matique, cf. BF I, 45-51.
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quence pre´ce´demment juge´e impossible 83. Mais d’autre part e´galement, cet appetitus n’est pas non plus celui d’une faculte´ intellectuelle puisqu’autant l’activite´ raisonnante („raciocinacio“) que la faculte´ meˆme de vouloir („uoluntas“) anticipent, chacune a` sa facX on, les effets qu’elles visent, alors qu’au contraire on attend du bien fortune´ qu’il ignore l’issue heureuse de son entreprise 84. Cette glose impose donc d’oublier l’hypothe`se d’une fortune atteinte par notre appe´tit naturel puisque la bonne fortune ne saurait eˆtre cause´e par aucune des faculte´s proprement humaines de celui qui en be´ne´ficie. Bref, pour l’Anonyme, la nature de l’homme n’aurait aucune part dans le me´canisme rendant un tel plus fortune´ qu’un autre. Aussi, seule la troisie`me explication envisage´e par Aristote s’ave`re-t-elle finalement valable, celle qui invoque l’initiative d’une cause divine intervenant de l’exte´rieur en faveur de l’homme qui be´ne´ficiera de ce privile`ge: „Fortuna que est sine racione est inmissa a diuino instinctu, et hec fortuna dicitur esse continua. Alia est fortuna sine racione, et est discontinua.“ 85 Cette opposition entre fortune continue et discontinue est classique: les lecteurs du traite´ en discutent au moins depuis Gilles de Rome, a` la suite d’Aristote lui-meˆme qui l’a formule´e a` la fin du texte (BF II, 123-127), pour distinguer de´finitivement l’εyœτυχι´α (bona fortuna), propre a` l’opuscule, de la simple τυχη´ (fortuna/casus) traite´e aussi dans la ,Physique‘. L’expression d’„instinctus diuinus“ non plus, n’est pas une invention du glossateur, puisqu’elle se lit dans la version de Moerbeke pour traduire l’eœνθουσιασμο´ ν introduit par Aristote pour de´crire l’e´tat particulier de ces personnes agissant sous une impulsion irrationnelle semblant relever d’une cause divine (BF II, 112-119) donnant a` l’aˆme le principe meˆme de son mouvement (BF II, 104-105). Mais aux alentours de 1308, cette notion d’instinct peut justement eˆtre interpre´te´e de facX ons tre`s diverses. Depuis plusieurs de´cennies en effet, le ,Liber de bona fortuna‘ a fait son chemin non seulement chez les the´ologiens mais e´galement en faculte´ des arts, ou` les spe´cialistes de la nature ont retenu surtout de ce passage l’e´vocation des pratiques divinatoires (BF II, 115 et 120): c’est en rapport avec ces dernie`res que vers 1290, un artien comme Jean Vath invoque l’instinctus pour expliquer comment les coqs plus que les hommes anticipent l’arrive´e du matin ou bien, plus largement, pourquoi les entrailles des volatiles portent les signes interpre´tables d’e´ve´ne83
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Il est ici vraisemblablement fait re´fe´rence a` la glose qu’on vient de lire (cf. nt. 81); cf. aussi Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge supe´rieure. Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge de gauche: „Dubitatur utrum bona fortuna sit appetitus sensitiuus aut intellectiuus. Non est sensitiuus, quia per ipsum appetitum sensitiuum apprehendimus incontinenciam, et elec*ciones+ et alia similia peccata multa perpetramus que sunt secundum naturam, bona autem fortuna non fit a natura, ut prius sepe probatum est, ergo etc. Non est eciam appetitus intellectiuus, siue uoluntas, siue raciocinacio, que omnia unum *preui+dunt, quia uidemus quod preter omnem racionem et scienciam aliquos fortunate agere [sic], ergo etc. Et ergo dicitur in 3∞de Anima quod duplex est appetitus, alius sensitiuus et alius speculatiuus siue intellectualis, ut iam uisum est.“ Cf. Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge supe´rieure. Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge infe´rieure.
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ments futurs 86. Un tel usage du ,Liber de bona fortuna‘ dans le contexte des re´flexions sur la divination et les pratiques occultes, inaugure´ par l’usage de l’opuscule dans le ,De sortibus‘ de Thomas d’Aquin, perdurera jusqu’a` l’e´poque d’Oresme au moins 87. Si on ne lit aucune re´flexion de ce type chez le glossateur de Melk, ce n’est pas qu’il ait ne´glige´ le passage en question (BF II, 114-123): la suite de la glose cite´e pre´ce´demment montre au contraire qu’il l’a lu attentivement. Simplement, il en de´gage bien autre chose que les artiens: laissant tomber le proble`me de la divination, il se concentre sur la question plus prosaı¨que et moins pe´rilleuse the´ologiquement, consistant a` savoir pourquoi les aveugles ont une me´moire plus vigoureuse que ceux qui voient 88. Ainsi, dans cette glose pas davantage que dans les autres, le manuscrit de Melk ne semble contenir aucune trace des spe´culations artiennes sur la divination ou sur l’influence des astres sur la constitution des vivants. Pour le glossateur, les explications d’Aristote sur la me´moire n’ont aucun lien direct avec la question principale du traite´: elles repre´sentent un excursus, traitant une question plutoˆt incidente de philosophie naturelle, de´86
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Iohannes Vath, Quest. Quodlib., Paris, Bibl. nat., lat. 16089, fol. 54rb: „Alia questio habet locum supra librum De animalibus: est questio quare aliqua animalia sicut gallus etc. magis percipiunt horas diei uel noctis quam homo. Hoc enim supponunt astronomi et magi, qui de talibus futuris pronosticant, et causa huius est, [quia] sicut dicitur in libro de bona fortuna, quod ista animalia recipiunt aliquos instinctus a corporibus celestibus et sic alterantur. Unde bene percipiunt alteraciones istas, quia non mouentur aliis multis operacionibus nobilioribus, sc. uelle et intelligere, et per has occupatus non potest percipere illas alteraciones modicas in horis.“ Cette transcription est mienne et diffe`re sensiblement de celle que proposait M. Grabmann, Die Aristoteleskommentare des Heinrich von Brüssel und der Einfluß Alberts des Großen auf die mittelalterliche Aristoteleserklärung (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Abteilung 1943, 10), München 1944, 17-28. Cf., re´cemment, L. Cova, Le questioni de Giovanni Vath sul ,De generatione animalium‘, in: Archives ˆ ge 59 (1992), 200-287. d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen A Cf. Thomas d’Aquin, De sortibus, c. 4, e´d. le´on. t. XLIII, p. 235, l. 259-260: „Aristoteles enim in libro de bona fortuna sic dicit: rationis principium non ratio, sed aliquid melius. Quid igitur erit melius scientia et intellectu, nisi Deus?“ Il faut noter que ce passage est le seul ou` Thomas fait re´fe´rence a` un ,Liber de bona fortuna‘, les autres citations se pre´sentant comme tire´es d’un „chapitre de l’,Ethique a` Eude`me‘“ ou d’un „chapitre sur la bonne fortune“. De`s lors, et tandis que d’autres citations artiennes adoptent ces dernie`res e´tiquettes (cf. nt. 120), le fait que Vath parle du ,Liber de bona fortuna‘ pourrait indiquer que la source de sa citation est le traite´ de Thomas sur les sorts plutoˆt que l’opuscule meˆme. Un tel usage se prolongue jusque chez Nicole Oresme, Livre de Divinacions, c. 10 (G. W. Coopland [ed.], Nicole Oresme and the Astrologers. A Study of his ,Livre de Divinacions‘, Liverpool 1952, 80-84): „Car selon Aristote, fortune est une inclinacion naturelle a bonnes avantures qui aviennent sans conseil si ce est bonne fortune, ou au contraire se c’est male fortune. Et ceste inclinacion ne pouons nous savoir avant les effects. Et pose que elle fust sceue, si ne puet on savoir les particuliers effects avenir. […] Or dit Aristote en Ethiques que se les autres choses sont pareille, la ou il a plus de passions il y a mains de raisons [sic]; et il dit ou livre de Bonne Fortune que la ou il a mains de raison il a plus de fortune, et la ou il a plus de fortune, la ou raison deust estre, il y a plus de peril et de male fortune, sicomme il appert du gouvernement d’une nefs.“ Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 153r, marge infe´rieure: „Quare ipsi ceci magis memorati sunt quam uisiuis [sic]? Quia (…) Et propterea meliorem memoriam habent ceci quam uisiui.“
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veloppe´e ici pour donner un cas seulement lointainement analogue a` celui de la bonne fortune, sans lien essentiel avec elle. Car cette dernie`re s’explique, pour sa part, par une inspiration divine, interpre´te´e dans un sens the´ologique et non naturaliste, comme si l’action de Dieu pouvait intervenir imme´diatement en faveur de n’importe quel homme, qu’il soit bien ne´ ou pas, c’est-a`-dire favorise´ des astres ou non. L’option du glossateur de Melk n’est pas la seule possible vers 1308, meˆme pour un the´ologien. Bien au contraire, en ces anne´es-la` meˆme, l’histoire a conserve´ les traces d’une lecture tre`s diffe´rente de l’opuscule, pratique´e par un moine assez singulier: il s’agit du be´ne´dictin Engelbert d’Admont, qui cite l’opuscule dans un texte a` peu pre`s contemporain, le ,Speculum virtutum‘ 89. Dans cette œuvre d’e´thique ge´ne´rale entame´e au de´but du sie`cle et vraisemblablement acheve´e en 1310 90, Engelbert propose du traite´ aristote´licien une lecture re´solument naturaliste, conse´quente avec la formation me´dicale acquise dans sa jeunesse en Italie 91. Il convoque en effet le ,Liber de bona fortuna‘ a` propos du proble`me de l’origine des changements physiques intervenant chez les diffe´rentes espe`ces animales ou ve´ge´tales pour leur faire exhiber des mœurs autres que celles que laisserait attendre leur aˆge: apre`s avoir montre´ dans un chapitre entier comment un tel comportement spe´cial indique, chez les individus, une plus ou moins grande longe´vite´ („De mutationibus morum et anticipationibus eorum“) 92, Engelbert de´veloppe au chapitre suivant toutes les conse´quences de cette the`se en pre´sentant ces changements de mœurs comme e´tant, pour les jeunes, non seulement signes mais aussi causes de fortunes diverses („Quod mutationes morum sunt causae et signa fortunarum circa iuvenes“), conforme´ment a` ce qu’indiquerait, ditil, le Philosophe dans le ,Liber de bona fortuna‘: „Similiter tales fortunam habebunt vel multum prosperam vel multum adversam, quod sic patet, quia secundum Philosophum in libro De bona fortuna duplex est fortuna. Est enim fortuna, quae adtenditur in successu bono vel malo ex hiis, quae aguntur a nobis, ita quod eorum principium est in nobis; et haec fortuna consequitur impetum seu habitum quendam naturae nobis innatum a principiis generationis, secundum quem modum plures hominum habent bonos vel malos successus in hiis, que sine ratiocinatione agunt a proposito, eo quod inest eis naturalis impetus ad bonum plus et frequentius quam ad malum vel econuerso; sicut taxillus frequentius cadit super longius latus suum, licet etiam aliquando cadat super obpositum. Et huius fortunae bonae uel malae causa est natura a principiis nativitatis hominum sic disposita secundum illud Oratii: „Format enim natura prius nos intus ad omnem fortunarum habitum“. Dicitur etiam fortuna alio modo, scilicet que adtenditur in eventu bono vel malo circa ea, quae nobis extra accidentaliter occurrunt; que consideratur magis circa ea, que patimur extra, quam que agimus. Et haec fortuna bona vel mala consistit in solo casu.“ 93 89
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Cet auteur connaıˆt bien le ,Liber de bona fortuna‘ puisqu’a` partir du texte qu’il a connu et copie´ en Italie, il a fait une nouvelle re´daction qui n’est autre que le texte re´pertorie´, depuis Martin Grabmann, comme „recensio Admontensis“. Ce dossier-la`, ainsi que la spe´cificite´ de l’usage que fait Engelbert de l’opuscule, sont traite´s dans une e´tude a` part; cf. nt. 2, 22, 23 et 25. Ubl, Engelbert von Admont. Ein Gelehrter (nt. 28), 22 sq. Cf. Ubl, Zur Entstehung (nt. 29), 499-500 et ci-dessus, nt. 29-33. Cf. Engelbert d’Admont, Speculum virtutum, II, 7, in: Ubl, Die Schriften (nt. 31), 126 sq. Engelbert d’Admont, Speculum virtutum, II, 8, in: op. cit., 127 sq.
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Meˆme si les adjectifs continua et discontinua lisibles dans les gloses de Melk et dans le ,Liber de bona fortuna‘ (BF II, 123-127) sont ici absents, ce sont eux que recouvre la distinction ici pose´e par Engelbert entre deux types de fortune (duplex fortuna): la premie`re, e´quivalente a` celle qu’Aristote dit continue, rele`verait d’un principe inte´rieur a` l’homme tandis que l’autre, discontinue et assimilable au pur hasard (casus) traite´ dans la ,Physique‘, rele`ve d’une cause exte´rieure et purement accidentelle. Cette distinction en tant que telle, traditionnelle depuis Gilles de Rome, est commune a` Engelbert et au glossateur de Melk. Leurs options divergent cependant lorsqu’il s’agit de pre´ciser l’origine du premier type de fortune, spe´cifique au ,Liber de bona fortuna‘. Si le glossateur y voit l’effet d’une intervention divine seulement, le moine be´ne´dictin la rattache en revanche, mais avec la meˆme exclusivite´, a` une causalite´ naturelle ou plus pre´cise´ment astrale. Reprenant a` son compte une analogie e´tablie par Gilles entre le tempe´rament physique recX u a` la naissance et la configuration d’un de´ dont une face, plus large que les autres, le ferait tomber plus fre´quemment sur celle-ci 94, Engelbert fait de ce mode`le le dernier mot de la bonne fortune propre a` l’opuscule: celle-ci s’alignerait sur une certaine disposition naturelle recX ue a` la naissance et donnant, a` qui en be´ne´ficie, l’aptitude a` opter pour des comportements qui, au cours de l’existence, de´bouchent plus fre´quemment et davantage sur des re´sultats be´ne´fiques ou, dans le cas d’une mala fortuna, sur des effets ne´fastes. Suivant le be´ne´dictin, la doctrine du ,Liber de bona fortuna‘ concerne donc tous les vivants, beˆtes comprises, et ne doit rien de particulier a` la providence accorde´e par le Dieu bienveillant des catholiques ou le premier moteur aristote´licien: la fortune se calculera plutoˆt en stricte fonction de la nature propre impartie a` chacun a` la naissance. Ainsi, suivant une tradition encore bien vivante au 14e`me sie`cle et qui remonte a` Thomas d’Aquin et Albert de Cologne 95, Engelbert interpre`te l’appetitus et 94
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Cf. Gilles de Rome, Sententia super de bona fortuna (nt. 51): „Sed ut dictum est, quasi simile est de fortuna sicut de casu taxillorum. Nam etsi aliqui taxillii de se sunt apti ut magis cadant in uno puncto quam in alio, tamen - quia illa aptitudo non sufficit ad hoc quod semper veniat ille punctus, sed oportet ibi concurrere determinatus situs taxilli et determinatus impulsus - cum huiusmodi impulsus sit per accidens, casus taxillorum (nisi quis maliciose ludat) est casualis et a fortuna. Sic quia non sufficit motus naturalis quod habemus ad bonum ad hoc quod consequamus bonum et simus bene fortunati - sed oportet percipere illum impetum et agere secundum ipsum - et quia omnia hic concurrere, ut dicebatur supra, est a fortuna, ideo boni fortunii fortuna est causa, et bene fortunatus, secundum quod huiusmodi, magis debet dici bene fortunatus quam bene naturatus.“ Cf. Albert, In Ethic. (nt. 53), 116a: „Adhuc autem diversae in quolibet circulo sunt partes fortunae: propter quae omnia necesse est fortunam esse valde variabilem. Sicut enim diximus, fortuna est qualitas adhaerens nato ex omni causarum incomplexione a proprio movente usque ad ultimum moti. […] Et hoc modo accepta fortuna quidam sub fortuna felicitatem esse ponebant: et ideo dicebant fortunam esse trahentem, sed necessitatem non imponere animis.“ Ibid., 130b: „Sic igitur differentiae fortunarum sunt multae et infinitae et omnimodae ad omnes homines relatae, de quibus omnibus tractare longum esset. Sed de his tractare habet astronomus secundum eam partem quae scientia nativitatum vocatur.“ Il peut eˆtre inte´ressant de noter que la pre´gnance de l’acception astrologique de la fortuna est bien plus forte dans ce commentaire tardif (per modum scripti) que dans celui, ante´rieur, de´ja` e´dite´ a` Cologne (per modum commenti). Or ce n’est que dans le second texte qu’Albert commence a` utiliser les textes a` partir desquels a e´te´ (ensuite) forme´ le ,Liber de bona fortuna‘.
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l’impetus de l’anthropologie aristote´licienne a` partir de doctrines astrologiques faisant de telles dispositions le produit de la conjonction particulie`re qu’avait le ciel au moment ou` est ne´ (ou a e´te´ forme´) le vivant conside´re´ - c’est d’ailleurs un sens du mot , fortuna‘ courant au moins depuis Michel Scot 96. Sur cet arrie`refond, l’originalite´ du moine tient au primat qu’il accorde a` ce conditionnement astrologique ainsi qu’a` l’absence de toute e´vocation de la providence ou de la graˆce dans son exe´ge`se du ,Liber de bona fortuna‘ 97. Pour Engelbert d’Admont, la bonne fortune n’a donc rien a` voir avec l’influx divin qu’e´voquait le glossateur de Melk en commentant le meˆme traite´, mais est l’effet de causes naturelles qu’il faut investiguer en physicien. Le moine ne donne aucune place a` l’intervention directe de Dieu, et analyse la fortune en la placX ant du coˆte´ de la seule natura, investigue´e sans le recours a` des causes divines autres que les corps ce´lestes: ceux-ci impriment a` la naissance la destine´e des organismes qu’ils de´terminent alors une fois pour toutes. Bref, tout comme le glossateur de Melk, Engelbert dissocie nettement l’explication de la fortune par la nature et celle qui ferait intervenir (un) dieu. Comme lui e´galement, il concX oit la nature comme une puissance de´terminante imposant a` l’homme et au monde des lois ine´luctables. Mais sur la base d’une se´paration me´thodique des disciplines a` laquelle ils tiennent tous deux, chacun utilise le ,Liber de bona fortuna‘ dans un champ limite´ du savoir, pour y faire jouer une conclusion pre´cise: au ,Deus sine natura‘ de l’Anonyme fait donc e´cho, mais en inversant les deux termes du couple exclusif, le choix d’Engelbert pour une ,natura‘ envisageable ,sine Deo‘. 2. Fortune, nature et aristote´lisme chez le dernier Duns Scot Entre les options extreˆmes et exclusives d’Engelbert d’Admont et du glossateur de Melk face au ,Liber de bona fortuna‘, il y a place encore, vers l’an 1308, pour une interpre´tation plus conciliante des deux explications finalement admises par Aristote, the´ologique et naturelle. De´ja` Thomas d’Aquin avait cherche´, au moment de citer pour la premie`re fois l’opuscule au cours du troisie`me livre de la ,Somme contre les Gentils‘, a` rendre compte tout a` la fois des conditionnements naturels de la bonne fortune et de l’intervention divine sans laquelle elle ne saurait se re´aliser. C’est ainsi qu’il avait distingue´, pour expliquer comment on est bien fortune´, trois niveaux de causalite´, articule´s dans une vision cohe´96
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Engelbert d’Admont, Speculum virtutum, II, 8, in: Ubl, Die Schriften (nt. 31), 128: „Natura igitur bene disponens hominem ex ipsis principiis generationis et nativitatis suae, ut dicitur in scientia astrologiae et ut habetur in scientia naturali de causis et signis phisionomiae, est causa bonae fortunae in hiis, quae agimus a proposito sine ratiocinatione, quia ratiocinatio aliquando persuadet contrarium motui et impetui naturae; natura vero male disposita secundum principia generationis et nativitatis est causa malae fortunae.“ On ne trouve en tout cas aucune re´fe´rence a` l’opuscule dans le pourtant monumental ,De providencia Dei‘ , cf. Engelbert d’Admont, De providencia Dei, in: Bernardi Pezii… Bibliotheca ascetica antiquo-nova, vol. 6, Regensburg 1724, 50-150; pour la datation de ce traite´, vers 1313, cf. Ubl, Engelbert von Admont. Ein Gelehrter (nt. 28), 24.
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rente ou` Dieu interviendrait sur les destine´es individuelles par trois voies diffe´rentes selon les aspects de la ,personnalite´‘ qu’il touche via des me´diations bien distinctes: l’homme e´tant ordonne´ par son corps aux sphe`res et aux astres ce´lestes, par son intellect aux anges et par sa volonte´ a` Dieu lui-meˆme („ordinatus secundum corpus sub corporibus caelestibus, secundum intellectum vero sub angelis, secundum voluntatem autem sub Deo“), il peut lui arriver quelque chose qui, inde´pendant de sa volonte´ propre, suive la de´termination qui lui est impartie par l’un des trois principes moteurs ici distingue´s (lesquels peuvent certes ope´rer inde´pendamment les uns des autres, mais visent ultimement des objectifs force´ment convergents, du moment qu’ils rele`vent tous les trois d’un seul et meˆme ordre providentiel). Et bien que parmi ces trois facteurs, Dieu seul est capable de mouvoir directement la volonte´ humaine, l’ange peut orienter son choix en e´clairant et „persuadant“ son intelligence, tandis que le corps ce´leste, en imprimant dans l’organisme a` la naissance une disposition plus ou moins favorable, inscrit de`s sa naissance dans tel homme une tendance a` telle ou telle option („corporales impressiones caelestium corporum in corpora nostra disponunt ad aliquas electiones“) 98. C’est dans la continuite´ d’une telle approche que s’inscrit Jean Duns Scot lorsqu’il aborde le ,Liber de bona fortuna‘ dans la dernie`re des questions formant son unique ,Quodlibet‘, dispute´ a` Paris a` Noe¨l 1306 ou a` Paˆques 1307 99. Ce texte, entie`rement consacre´ a` l’opuscule aristote´licien, est suscite´ par une question qu’avait souleve´e Henri de Gand a` son propos: „utrum ponens mundi aeternitatem possit sustinere aliquem esse universaliter bene fortunatum.“ 100 Le principal obstacle qu’Henri avait vu dans la conciliation entre la doctrine du ,Liber de bona fortuna‘ et celle du huitie`me livre de la ,Physique‘ e´tait que, tandis que suivant ce dernier texte le Premier moteur n’est cense´ agir que par le truchement d’interme´diaires causaux, l’opuscule au contraire semble impliquer, pour le Dieu inspirateur finalement responsable de la fortune, la possiblite´ d’agir directement sur l’aˆme de tel homme, sans passer par aucun interme´diaire; or pour Henri, cette dernie`re ide´e va a` l’encontre du ne´cessitarisme toujours me´diatise´ de type 98
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Thomae Aquinatis Opera omnia, ed. Leon., vol. 14, 3: Summa contra Gentiles, Liber tertius, Rome 1926, 279 (c. 92). Cf. F. Alluntis/A. B. Wolter, John Duns Scotus, God and Creatures. The Quodlibetal Questions, Princeton-London 1975, xxiv-xxxi; T. B. Noone/H. Francie Roberts, John Duns Scotus’ Quodlibet. A Brief Study of the Manuscripts and an edition of question 16, in: C. Schabel (ed.), Theological Quodlibeta in the Middle Ages. The Fourteenth Century (Brill’s Companions to the Christian Tradition 7), Leiden-Boston 2007, 131-159. De cette ultime question, le texte re´vise´ par l’auteur n’a e´te´ conserve´ qu’au de´but, le reste ayant e´te´ transmis a` partir d’une reportatio, comme l’indique le ms. Munich, Bibl. bavaria publica, Clm. 8717, fol. 85vb: „Finis. Quodlibet repertum in suis quaternis. Quod sequitur est de reportatione“; cf. F. Alluntis, Cuestiones cuodlibetales (Obras del Doctor Sutil Juan Duns Escoto, edicion bilingüe), Madrid 1968, xiv-xviii; Alluntis/ Wolter, John Duns Scotus, xxxi-xxxiii. Cf. Henrici de Gandavo Quodlibet VI (nt. 80), 87-127. De Scot, sera ici cite´e l’e´dition d’Alluntis, Cuestiones cuodlibetales (nt. 99), 748-767, reprise de Wadding (cf. ed. Vive`s, Paris 189195, voll. 25 et 26), avec les nume´ros de Wadding. Une traduction anglaise le´ge`rement annote´e de ce ,Quodlibet‘ est donne´e par Alluntis/Wolter, John Duns Scotus (nt. 99), 469-484.
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avice´nien auquel il s’e´vertue a` re´duire la doctrine aristote´licienne 101. Afin de lever cette contradiction souleve´e par Henri en faisant jouer contre Aristote la distinction he´rite´e de Thomas entre action me´diate et imme´diate de Dieu, Scot prend a` son compte les deux lectures du traite´ distingue´es par Henri mais pour montrer, contrairement a` lui, qu’elles sont de´fendables et possibles toutes deux du point de vue de l’aristote´lisme meˆme: la premie`re, disant que la fortune divine est communique´e par Dieu via la me´diation des astres, ne pose e´videmment aucun proble`me tandis que la seconde, admettant la possiblite´ pour lui d’agir sans leur concours et de communiquer directement son influx a` l’aˆme d’un tel bien fortune´, n’a rien d’absolument contraire a` l’aristote´lisme puisque le Philosophe lui-meˆme admet, de par sa doctrine de la ge´ne´ration de l’aˆme survenue sur un compose´ vivant (cf. De generatione animalium, II. 3, 736b28), que Dieu cre´e ainsi et imme´diatement un effet nouveau dans le temps 102. Or une fois admise cette de´pendance directe de notre intellect a` l’e´gard du principe divin, il n’y a plus d’obstacle a` accepter la possibilite´ d’une inspiration divine communique´e au cours de l’existence. Ainsi, l’ensemble du dernier ,Quodlibet‘ de Duns Scot vise a` soutenir la compatibilite´ possible entre le principe „pe´ripate´ticien“ d’une action divine toujours me´diatise´e par des relais causaux subalternes, et la doctrine spe´cifique a` l’opuscule, suivant laquelle Dieu pourrait intervenir dans le destin des hommes imme´diatement pour y cre´er, sans interme´diaire aucun, des effets nouveaux dans le temps. Ce dossier des rapports entre Henri et Duns Scot, de´ja` balise´ par Wilson, me´riterait une attention plus soigneuse aux pre´suppose´s e´piste´miques informant ces deux lectures oppose´es du traite´ 103. Car en-decX a` des deux re´ponses, oppose´es, donne´es par Henri et Duns Scot a` la question de la cohe´rence du syste`me aristote´licien, c’est leur lecture du ,Liber de bona fortuna‘ qui s’ave`re en dernie`re analyse irre´ductible et, en-decX a`, leur appre´ciation respective des limites de l’aristote´lisme. Tandis que le se´culier finit par re´duire le contenu du petit traite´ au naturalisme impre´gnant son chapitre premier et pointant encore dans le second, le franciscain s’attache, de`s le de´but de son ,Quodlibet‘, a` articuler l’un a` l’autre deux niveaux d’explication que son devancier avait syste´matiquement oppose´s: pour Scot, la de´finition que donne Aristote de la bonne fortune ne se limite pas a` cette notion d’impetus ni meˆme, avec lui, a` cette ide´e d’un attrait naturel pour le bien; elle appelle surtout non seulement l’action d’un Dieu des philosophes 101
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L’essentiel de l’argument d’Henri est re´sume´ dans l’unique sed contra de Duns Scot, Quodl. I, 21, ed. Alluntis, Cuestiones cuodlibetales (nt. 99), no. 2, 748 sq.: „Contra: ponens mundi aeternitatem negat Deum posse aliquid immediate influere in animas nostras […]. Sed ponens bonam fortunam habet ponere Deum immediate in animas nostras influere […]. Vult ibi expresse quod isti immediate moventur a Deo.“ Duns Scot, Quodl. I, 21, ed. Alluntis, Cuestiones cuodlibetales (nt. 99), no. 45, 765 sq. Cf. G. A. Wilson, Good Fortune and the Eternity of the World: Henry of Ghent and John Duns Scotus, in: Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales 65 (1998), 40-51, ici 49 sqq.; id., Henry of Ghent’s Critique of Aristotle’s Conception of Good Fortune, in: Franziskanische Studien 65 (1983), 241-251; R. Macken, Heinrich von Gent im Gespräch mit seinen Zeitgenossen über die menschliche Freiheit, in: Franziskanische Studien 59 (1977), 125-182.
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venant organiser le concours des causes exte´rieures pour placer un tel homme dans une position favorable, mais aussi - chose que refusait Henri - l’intervention d’un Dieu capable d’agir imme´diatement sur ses faculte´s pour orienter son choix vers l’option qui le rendra bien fortune´. Bref, tandis qu’Henri n’admettait la notion d’instinctus divinus et l’hypothe`se d’une action directe de Dieu que pour mieux faire jouer Aristote contre lui-meˆme et montrer son incohe´rence, Duns Scot conce`de au Philosophe l’ide´e d’une inspiration par laquelle un Dieu provident interviendrait directement dans le cours meˆme des vies pour pousser tel homme en particulier vers sa bonne fortune. Ce faisant, le Docteur Subtil re´articule les deux poˆles caracte´ristiques du ,Liber de bona fortuna‘ - naturaliste et the´ologique - dissocie´s par Henri a` des fins pole´miques. Le mode de cette articulation ne sera ici que re´sume´ a` tre`s gros traits 104. Comme Thomas d’Aquin, comme Gilles de Rome et comme Henri de Gand lui-meˆme, Duns Scot distingue pour expliquer la bonne fortune des causes extrinse`ques et intrinse`ques. Du premier point de vue, ce phe´nome`ne provient, pour lui comme pour ses devanciers, de l’intervention providente d’un Dieu omniscient capable d’organiser diffe´rentes se´ries causales en la faveur d’un tel („hoc accidit sibi ex concursu causarum extrinsecarum, qui potest esse ex Deo disponente“) 105. Comme eux aussi, Scot insiste sur la ne´cessite´ d’expliquer que c’est un tel homme et non un autre qui trouve en creusant son trou l’or cache´ la`; or pour qu’un tel trouve un tre´sor tandis qu’un autre tombe sur un serpent, il faut croire que le premier a e´te´, davantage que le second, re´ceptif a` l’influence, pourtant uniforme´ment communique´e, de la cause universelle: „ipse est magis dispositus ut causa universalis moveat ipsum ad hunc locum magis quam ad alium.“ 106 Intervient alors ce qui - au vu du moins des textes connus jusqu’a` pre´sent - apparaıˆt comme une innovation: „ergo illud intrinsecum est impetus a natura proveniens; ideo dicit bene fortunatum bene natum, quia in eo est dispositio qua a superiore motore impellitur ad propositum, secundum quod eveniunt sibi commoda.“ 107 Chez Scot, la bona nativitas devient donc la condition requise pour que tel homme soit plus re´ceptif que d’autres aux impulsions be´ne´fiques venues d’en haut. Meˆme un Gilles de Rome n’a pas ose´ donner a` l’idiosyncrasie cause´e dans l’organisme a` la naissance par l’e´tat du ciel un contenu aussi pre´cis et une charge aussi „naturaliste“: ce que Duns Scot pre´sente ici comme l’effet de la bona nativitas des individus, Gilles en faisait plutoˆt le re´sultat d’une de´marche asce´tique rendant certains hommes d’autant plus re´ceptifs a` l’influx divin qu’ils se seraient, 104
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Plus de de´tail est donne´ dans une e´tude a` paraıˆtre in: A. A. Robiglio (ed.), The Question of Nobility. Aspects of the Medieval and Renaissance Conceptualization of Man (Studies on the Interaction of Art, Thought and Power 5), Leiden-New York. Duns Scot, Quodl. I, 21, ed. Alluntis, Cuestiones cuodlibetales (nt. 99), no. 20, 757. Op. cit., no. 20, 757: „sicut si aurum sit ibi et aliquis intendens fodere ipsum inueniat, hoc est [es Alluntis] ex concursu causarum extrinsecarum, et non est alia causa nisi ipse est magis dispositus ut causa uniuersalis moueat ipsum ad hunc locum magis quam ad alium.“ Op. cit., no. 23, 758; cf. Wilson, Good Fortune (nt. 103), 48.
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par elle, e´loigne´s des perceptions sensorielles 108. L’analyse du de´bat entre Gilles de Rome et Henri de Gand re´ve`le que c’est en fait chez ce dernier que Scot reprend l’ide´e de donner cette fonction au bon tempe´rament, mais qu’il le fait dans le cadre d’une appre´ciation autrement positive de l’aristote´lisme, qui le rapproche plutoˆt de Thomas. Contentons-nous de souligner ici que le fait de voir dans la figure aristote´licienne du bene natus un digne candidat a` recevoir cet instinct divin communicable par Dieu imme´diatement, semble eˆtre une nouveaute´ due a` Duns Scot. Mais bien e´videmment, on se me´prendrait a` voir dans cette innovation le trait d’une lecture plus ,naturaliste‘ du ,Liber de bona fortuna‘. Car si le Docteur Subtil peut se permettre d’accentuer autant le naturalisme aristote´licien latent dans le traite´, c’est parce qu’il a enfin de quoi le de´passer autrement qu’en le rejettant d’un bloc: son Dieu a` lui, qu’ont meˆme parfois entrevu les philosophes de la tradition pe´ripate´ticienne, n’a rien a` craindre d’une nature donne´e a` l’homme a` la naissance via les astres, puisqu’il peut en tout temps en modifier les lois et y intervenir comme il l’entend, c’est-a`-dire selon sa volonte´.
3. Avant et apre`s Scot: d’Henri Bate de Malines a` Francesco Caracciolo L’innovation de Scot n’est pas passe´e inapercX ue de ses premiers lecteurs. En effet, l’ide´e qu’on vient de voir articule´e chez lui quant au roˆle que joue la bona nativitas se lit dans un texte de peu poste´rieur a` ce ,Quodlibet‘, les ,Quaestiones de bona fortuna‘, traditionnellement e´dite´es a` la suite des questions sur les ,Parva naturalia‘ de Jean de Jandun 109, mais plus vraisemblablement attribuables a` Francesco Caracciolo de Naples, comme invite a` l’admettre la souscription donne´e par l’un des deux te´moins manuscrits conserve´s outre les e´ditions renaissantes: „Expliciunt questiones supra libris de motibus animalium. Incipiunt questiones de bona fortuna domini Francisci de Neapoli.“ 110 Pour le pre´sent propos, il suffira de dire que ces ,Quaestiones‘, qu’elles soient de Jean de Jandun ou de ce maıˆtre italien 108
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Gilles de Rome, Super Rhet., ed. Venise 1515, fol. 23a: „Nullus est ergo bene fortunatus simpliciter, nisi habeat deum ductorem sui, et tanto magis huiusmodi influxum divinum percipimus, quanto magis sumus a sensibilibus remoti.“ Cf. Iohanni Gandavensis, Philosophi Acutissimi Quaestiones Super Parvis naturalibus, cum Marci Antonii Zimarae de Movente et moto, ad Aristotelis et Averrois intentionem, absolutissima quaestione, apud H. Scotum, Venise 1570, foll. 132r-150r; Ioannis de Ianduno Philosophi acutissimi Quaestiones Super Parvis naturalibus, cum Marci Antonii Zimarae de Movente et moto, ad Aristotelis et Averrois intentionem, absolutissima quaestione, Venise 1589, foll. 71v79v. Ms. Sevilla, Bibl. Colomb., 7-7-19, fol. 145v (les ,Quaestiones de bona fortuna‘ se lisent aux foll. 145v-160r ). Cf. P. O. Kristeller, Iter Italicum. Accedunt alia itinera. A Finding List of Uncatalogued or Incompletely Catalogued Humanistic Manuscripts of the Renaissance in Italian and Other Librairies, vol. 4: Great Britain to Spain, Leiden 1989, 629. La question de l’attribution devra eˆtre discute´e dans une autre e´tude.
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venu a` Paris vers 1300 pour ses e´tudes et mort en 1316 111 apre`s avoir acquis en 1308 sa venia legendi en the´ologie 112, doivent en tous les cas remonter aux alentours de cette anne´e puisque - certainement poste´rieures au ,Quodlibet‘ de Scot auquel elles font clairement re´fe´rence - leur attribution a` ce maıˆtre en the´ologie les placerait en ces anne´es-la` tandis que celle a` Jean de Jandun les situerait a` la meˆme e´poque, e´tant donne´ que de la` dateraient ses ,Quaestiones super Parva naturalia‘ transmises avec celles sur ,Liber de bona fortuna‘ 113. Or s’agissant de de´finir l’impetus poussant tel homme a` des choix be´ne´fiques, l’auteur pre´cise qu’un tel appe´tit n’est pas naturel mais divin, meˆme s’il faut, pour y eˆtre re´ceptif, une bonne disposition physique „qui n’est autre, peut-eˆtre, que la bona nativitas“: „Sed quia bona fortuna, ut credo, non est ille impetus, ut in sequentibus apparebit, neque impetus qui ad bonam fortunam concurrit est naturalis, sed a Deo immissus potius, ut plane dicit Philosophus - licet ad huius impetus immissi perceptionem requiratur naturalis quaedam dispositio ex parte subjecti consequens corporis compositionem, quae forte non est aliud nisi bona naturalitas -, dico quod scientia de bona fortuna est practica simpliciter et non speculativa, ut magis ex sequenti quaestione patebit, quia scientia moralis est de ipsa, que practica est, licet de ipsa sit non tanquam de aliquo per se intento.“ 114
D’autres pages de ces ,Quaestiones de bona fortuna‘ qu’on traitera ailleurs attestent que l’auteur connaıˆt le dernier ,Quodlibet‘ de Scot, ainsi que son de´bat avec Henri quant au sens a` donner au ,Liber de bona fortuna‘: a` deux endroits au moins, il met en sce`ne leur opposition a` ce sujet. C’est donc tre`s vraisemblablement de son devancier le plus proche qu’il reprend cette interpre´tation novatrice du roˆle et du statut de la bona nativitas. Une telle strate´gie pour conjuguer l’apport naturaliste et the´ologique de l’opuscule les oppose tous deux au glossateur de Melk qui, pour sa part, laissait a` l’abandon la question des conditionnements naturels de la bonne fortune et, sans souffler mot de la bona nativitas, 111
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ˆ ge. Bio-bibliographie, vol. 1, En fait U. Chevalier, Re´pertoire des sources historiques du Moyen A Paris 1905 [re´impression: New-York 1960], 1575, mentionne trois personnages sous le nom de „Franciscus de Neapoli“ au 14e`me sie`cle, le premier e´tant celui dont parle Glorieux et les deux autres ayant e´te´, respectivement, un secre´taire pontifical et un franciscain (mort en 1358). Il n’est pas absolument exclu que le FrancX ois en question soit l’un de ceux-ci; mais la premie`re candidature semble plus probable. Voir encore G. Gröber, Übersicht über die lateinische Literatur von der Mitte des VI. Jahrhundert bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts (Grundriß der romanischen Philologie 2), Neue Ausgabe, München 1963, 207. Cf. P. Glorieux, FrancX ois Caracciolo, chancelier de l’Universite´ de Paris, in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 33 (1966), 115-138, ici 122 sq. Cf. ms. Vatican, lat. 6768, fol. 147ra: „Expliciunt questiones supra librum de sompno et uigilia scripte per Johannem de Ganduno et ad hunc ordinem quem habent reducte anno Christi 1309“, cf. P. O. Kristeller, Iter Italicum. Accedunt alia itinera. A Finding List of Uncatalogued or Incompletely Catalogued Humanistic Manuscripts of the Renaissance in Italien and other Librairies, vol. 2: Italy, Orvieto to Volterra, Leiden 1967, 381. Cette souscription pose des proble`mes d’interpre´tation qu’il faudrait e´tudier ailleurs. Francesco Caracciolo (?), Quaestiones de bona fortuna, ed. Venise 1570, fol.147vB. Cette e´dition fera ici foi de pre´fe´rence aux te´moins manuscrits, du moment qu’une collation de trois e´chantillons repre´sentatifs a montre´ qu’ils sont textuellement bien infe´rieurs a` la version imprime´e.
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misait tout sur l’intervention divine, comme si celle-ci suffisait a` pallier entie`rement aux de´fauts de la nature. Mais n’est-ce pas la` une interpre´tation le´gitime de la notion de graˆce? Le glossateur de Melk n’est en tout cas pas seul sur cette voie en 1308. Quelques anne´es auparavant (entre fin 1302 et 1305), on la trouve esquisse´e dans le ,Speculum divinorum‘ compose´ par Henri Bate de Malines a` la demande d’un de ses anciens e´le`ves du nom de Guy d’Avesnes et re´cemment promu au sie`ge e´piscopal d’Utrecht 115. En re´fe´rence aux meˆmes passages que Scot, Thomas et Henri de Gand, son ,Speculum‘ fait en effet intervenir tant les formulations explicitement providentialistes du second chapitre du ,Liber de bona fortuna‘ 116, que la de´finition naturaliste de la bonne fortune comme impetus dans le premier chapitre 117. Mais ce faisant, Bate a soin d’insister sur le fait que la nature en question dans le ,Liber‘ n’est pas en notre pouvoir et ne rele`ve meˆme pas des caracte`res spe´cifiques, mais est issue de l’initiative divine, qui rend un tel bien fortune´ comme en de´pit des possibilite´s de sa nature 118: au lieu, donc, de refuser celle-ci au profit de la seule initiative divine comme le fait le glossateur, Bate suppose Dieu capable de nous donner une seconde nature. Bref, le souci de concilier l’apport naturaliste et la solution plus the´ologique du ,Liber de bona fortuna‘ est pre´sent chez lui autant que chez Duns Scot. Mais loin de de´boucher, comme chez le Docteur Subtil, sur une valorisation de la bona nativitas comme capacite´ a` percevoir l’influx divin, il se fait chez Bate simplement sur le mode d’une connexion directe entre cette nature individuelle et l’initiative du cre´ateur, dont il lui importe apparemment fort peu de savoir s’il agit me´diatement ou imme´diatement. C’est que, tre`s vraisemblablement, Bate lit le traite´ aristote´licien moins sous l’angle des distinctions pointilleuses he´rite´es d’Henri de Gand qu’a` travers la lorgnette thomasienne, c’est-a`-dire dans un cadre unificateur cense´ rallier, par principe, tant la doctrine catholique de Dieu que les approches des philosophes, Aristote et Platon en teˆte. Un autre point souleve´ par Henri Bate refle`te en revanche directement les de´bats universitaires entourant l’opuscule depuis quelques de´cennies, et permet en outre de pre´ciser un autre trait original de Scot: c’est l’accent fort que porte le ,Speculum‘ sur le caracte`re volontaire des actions ,inspire´es‘ par le Dieu dispensateur de bonne fortune. Au moment, en effet, de citer le ce´le`bre passage 115
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Pour une pre´sentation de l’œuvre, cf. Henricus Bate, Speculum divinorum et quorundam naturalium, vol. 1: Introduction, Littera dedicatoria, tabula capitulorum, Prooemium, Pars I, ed. E. Van de Vyver, Leuven-Paris 1960, xii-xxv. Henricus Bate, Speculum divinorum et quorundam naturalium, Pars XIII-XVI: On Thinking and Happiness, ed. G. Guldentops (Ancient and Medieval Philosophy 21), Leuven 2002, 264, ll. 122-126 cite BF II, 104-109. La meˆme citation se lit aussi dans le chapitre „De legibus et iuribus fatalibus“ de la Pars XI-XII: Henricus Bate, Speculum divinorum et quorundam naturalium, Pars XI-XII: On Platonic Philosophy, ed. H. Boese (Ancient and Medieval Philosophy 12), Leuven 1990, 214, ll. 39-43, inse´re´e entre des textes de Platon, Calcidius, Philopon et Avicenne. Henricus Bate, Speculum, Pars XIII-XVI (nt. 116), 272, ll. 94-102, qui cite BF I, 45-51. Ibid., ll. 92-94: „non in nobis existit, secundum communem scilicet hominis naturam, sed per aliquam divinam causam, ut vere bene fortunatus existit.“
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final du ,Liber de bona fortuna‘ sur l’instinct he´rite´ de Dieu, Bate insiste plusieurs fois sur le fait que l’influence divine se fait sans pre´judice pour le caracte`re volontaire des actes humains 119. Cet accent fait e´cho aux de´bats qu’avaient suscite´s au sie`cle pre´ce´dent tant la lecture thomasienne du ,Liber de bona fortuna‘ que sa reprise en faculte´ des arts. En effet cette ide´e d’une influence de Dieu sur les choix humains avait e´te´ mise au point par Thomas et rappele´e fre´quemment durant son second se´jour parisien pour exprimer rien moins que le concept de graˆce infuse; toˆt relaye´e chez les artiens 120, la the`se avait retenu l’attention d’Henri de Gand au de´tour d’un autre ,Quodlibet‘: „Et dicunt aliqui, secundum quod determinat Anselmus et videtur sentire Philosophus in De bona fortuna, quod primus motus voluntatis non potest esse a seipsa, sed a Deo.“ 121 Aussi, le fait que Scot et Bate admettent, et au nom meˆme de l’aristote´lisme, la possibilite´ d’une influence divine exerce´e imme´diatement sur les choix ponctuels du bien fortune´ et sans annihiler pourtant le libre arbitre, apparaıˆt-il aussi comme une facX on de renouer avec un motif thomasien en-decX a` meˆme de sa critique par Henri de Gand. Certes, pour Scot autant que pour Bate, l’ide´e d’une influence directe de Dieu sur nos choix comporte le danger de ruiner l’autonomie de la volonte´ 122. Mais en restituant cette ide´e a` Aristote sans le re´duire pour autant au de´terminisme, ils de´gagent l’aristote´lisme de la grille ne´cessitariste dans laquelle l’avaient enfer119 120
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Op. cit., 261, ll. 30 sq.: „utique voluntarium est“; 263, l. 102: „utique uoluntarie sunt.“ La the`se se lit par exemple dans la re´ponse a` la 20e`me question („Utrum habens habitum scientiae consideret cum voluerit“) du commentaire anonyme sur le ,Traite´ de l’aˆme‘, dit ,de Giele‘, portant sur la question du fondement de la volonte´ (M. Giele/F. Van Steenberghen/B. Baza´n, Trois commentaires anonymes sur le Traite´ de l’aˆme d’Aristote [Philosophes me´die´vaux 11], Louvain-Paris 1971, 232): „Unde Aristoteles, capitulo De bona fortuna, actionem voluntatis reducit in aliquem intellectu primo“. Attribue´e a` Siger, a` Boe`ce ou a` un autre artien anonyme, cette se´rie de questions devrait eˆtre date´e d’apre`s 1269 selon Van Steenberghen (op. cit., „Introduction“, 128-132); mais d’autres crite`res - montre´s par C. Luna, Quelques pre´cisions chronologiques a` propos de la controverse sur l’unite´ de l’intellect, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 83 (1999), 649-684 - invitent a` les situer avant la fin de 1270. La meˆme the`se se lit aussi dans la 27e`me des questions anonymes sur la ,Physique‘, jadis attribue´es a` Siger de Brabant par F. Van Steenberghen, Siger de Brabant d’apre`s ses œuvres ine´dites, 2 vols. (Les Philosophes Belges. Textes et e´tudes 12), Louvain 1931-1932, ainsi que par leur e´diteur Ph. Delhaye, Siger de Brabant. Questions sur la Physique d’Aristote (Les Philosophes Belges. Textes et e´tudes 15), Louvain 1941, cf. ibid. 120 (q. 22): „Et quid movet tunc istam voluntatem ad hoc volendum? Non videtur nisi intellectus, et istum intellectum alia voluntas, et fit processus in infinitum, quousque fiat deventus ad intellectum primum, qui primo moveat, ut dicit Aristoteles in Capitulo de Bona Fortuna.“ La paternite´ sige´rienne de ces questions a e´te´ remise en question, au profit de l’autorite´ de Pierre d’Auvergne, cf. W. Dunphy, The Similarity between Certain Questions of Peter of Auvergne’s Commentary on the Metaphysics and the Anonymous Commentary on the Physics Attributed to Siger of Brabant, in: Medieval Studies 15 (1953), 159-168. Henrici de Gandavo Quodlibet IX, ed. R. Macken (Opera omnia 13), Leuven 1983, 120, 1416 (q. 5). Cette dispute aurait eu lieu au temps de Paˆques 1286, cf. R. J. Teske, Henry of Ghent, Quodlibetal Questions on Free Will, Translated from Latin, Marquette 1993, 9-18. Wilson, Henry of Ghent’s Critique (nt. 103), 243-246 et id., Good Fortune (nt. 103), 40-41 insiste e´norme´ment sur ce point, au de´triment de questions the´ologiques a` mon avis plus cruciales dans ce de´bat.
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me´e en 1277 l’e´veˆque et le se´culier et, levant ainsi l’hypothe`que jete´e sur la the´ologie du ,Liber de bona fortuna‘, ils renouent avec l’une des intuitions les plus fondamentales de la pense´e thomasienne, celle d’une „immanence de la causalite´ divine dans les e´ve´nements humains“ (Cornelio Fabro) 123. Comme Thomas, Duns Scot accentue donc ce qui, dans le ,Liber de bona fortuna‘, irait dans le sens de la foi catholique. Ce n’est alors pas par inadvertance que la notion meˆme de „miraculum“, pourtant re´serve´e par l’,Ordinatio‘ au Dieu de la the´ologie re´ve´le´e, se voit utilise´e par le Docteur Subtil au moment d’exposer, dans son ,Quodlibet‘, le contenu de l’opuscule aristote´licien 124: admettre, avec le second chapitre de l’opuscule, un Dieu capable d’ope´rer sans l’interme´diaire des causes secondes une action qui normalement les requiert pour eˆtre accomplie, ne revient en effet rien moins qu’a` accorder a` Aristote la capacite´ de rendre compte des miracles. Bref, l’exe´ge`se que Scot re´serve au Philosophe dans son dernier ,Quodlibet‘ s’ave`re en somme plus ge´ne´reuse qu’elle ne l’e´tait dans son ,Ordinatio‘. Avec lui, on est tre`s loin du naturalisme d’Engelbert et de l’option exclusivement the´ologique prise par le glossateur de Melk: sa lecture de l’opuscule se situe plutoˆt a` mi-chemin entre ces deux extreˆmes, dans cette perspective autrement ambitieuse du fait de n’introduire aucune opposition foncie`re la` ou` les choses peuvent encore eˆtre concilie´es 125. Cela montre que, vers 1308, l’affrontement entre la the´ologie re´ve´le´e et celle d’Aristote n’est plus aussi tranche´ qu’il ne l’e´tait dans les dernie`res de´cennies du sie`cle pre´ce´dent, ou` pre´valait encore largement, dans l’exe´ge`se du Philosophe, la stricte distinction de points de vue qu’avait prescrite Albert entre philosophie et the´ologie re´ve´le´e. Un tre`s discret indice de ce changement se laisse encore repe´rer au de´tour d’une question apparemment anodine traite´e dans les gloses de Melk. Il s’agit d’un passage ou`, rebondissant sur les endroits du ,Liber de bona fortuna‘ ou` Aristote rappelle l’importance des biens exte´rieurs pour la felicitas, le copiste distingue deux acceptions possibles de cette dernie`re notion, suivant le type de vertus qu’elle couronne: „Duplices sunt in nobis felicitates siue uirtutes. Una felicitas est que uersatur circa uirtutes morales et politicas, ut qui scit bene cumsiliari et operari bene circa res exteriores, et ille attingit summam 123
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C. Fabro, Le Liber de bona fortuna de l’Ethique a` Eude`me d’Aristote et la dialectique de la divine providence chez saint Thomas, in: Revue thomiste 88 (1988), 556-572, ici 559. Duns Scot, Quodl. I, 21, ed. Alluntis, Cuestiones cuodlibetales (nt. 99), no. 15-17, 754 sq.: „[…] neutrum enim istorum semper accidit sine miraculo speciali; et hoc non solum intelligendo universaliter absolute, verum etiam in tali actu puta militari vel negotiativo, et hoc sive de bono eventu simili, puta victoria vel lucro, sive dissimili, puta hoc vel illo annexo casualiter; nullo quidem istorum modorum diceret Philosophus aliquem esse bene fortunatum, sicut nec ratio probabilis persuadet. […] Et credo quod neutro modo aliquis dicitur universaliter bene fortunatus sine miraculo speciali […], nisi Deus faceret ex miraculo concursum causarum specialem ad hoc.“ ` ce titre, la de´claration d’intention place´e en exergue du pre´sent article a quelque chose de A programmatique, tire´e de Duns Scot, Ordin. I, dist. 8, pars 2, q. unica, in: Doctoris subtilis et mariani Ioannis Duns Scoti Opera omnia, iussu et auctoritate A. Se´pinski, studio et cura commissionis scotisticae ad fidem codicum edita, praeside C. Balic´, vol. 4, Rome 1956, no. 250, 294, ll. 5-8.
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uirtutem moralium que est prudencia, et hec est felicitas politica et moralis. Alia est felicitas speculatiua et intellectiua, ut qui sibi soli est, et non habet communitatem nec polliciam cum aliis, sed speculatur et contemplatur semper ipsum deum et substancias separatas, et ille attingit supremam felicitatem intellectualem et speculatiuam.“ 126
Comme beaucoup d’explications dans le codex de Melk, cette distinction entre deux types distincts de fe´licite´ est un topos de la litte´rature e´thique me´die´vale. Elle fut mise en place chez les lecteurs de l’,Ethique a` Nicomaque‘ et surtout chez Albert qui, plus de´cide´ment que ses devanciers, avait rapporte´ la formule aristote´licienne de´finissant le bonheur humain comme „activite´ de l’aˆme suivant la vertu“ (1098a16-18) a` la fe´licite´ civile et morale plutoˆt qu’a` la fe´licite´ intellectuelle 127. Dans cette veine, Gilles de Rome aussi avait rappele´ cette distinction en lisant le ,Liber de bona fortuna‘: il y a, d’une part, la „ felicitas politica“ qui, tributaire de la re´alisation des biens exte´rieurs et de´pendante du „bon conseil“, s’accomplit dans la vertu de prudence („esse prudentem et scire consiliari “) tandis que, d’autre part, la „ felicitas speculativa“ culminerait, pour l’homme reste´ a` l’e´cart de la cite´ et sur son quant-a`-soi, dans une activite´ intellective n’engageant rien que lui 128. Or, contrairement au glossateur qui s’en tient a` ces deux types de fe´licite´, Gilles en introduisait un troisie`me, „incomparablement plus e´leve´e que les deux autres“ („incomparabiliter excellentior istis“), et consistant en l’amour de Dieu, dont les philosophes n’ont touche´ mot puisqu’ils se sont limite´s aux deux autres types de bonheur 129. L’absence de ce troisie`me type de fe´licite´ chez le glossateur de Melk ne vient ni d’une ne´gligence ni meˆme d’un souci de lire le Philosophe sans renvoi a` la foi: elle semble eˆtre bien plutoˆt due au fait que, de 126
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Anonyme, Gloses au Liber de bona fortuna, ms. Melk 796, fol. 152v, marge de gauche. C’est dans le passage a` cette glose que l’encre, auparavant plus noire sur le meˆme folio, devient plus dilue´e pour le rester jusqu’a` la fin du texte (cf. nt. 46). Cf. J. Müller, Felicitas civilis und felicitas contemplativa: Zur Verhältnisbestimmung der beiden aristotelischen Glücksformen in den Ethikkommentaren des Albertus Magnus, in: L. Honnefelder/H. Möhle/S. Bullido del Barrio (ed.), Via Alberti, Texte-Quellen-Interpretationen (Subsidia Albertina 2), Münster 2009, 296-322. Gilles de Rome, Sententia super de bona fortuna (nt. 51): „Dicendum est quod felicitas est operatio animae secundum virtutem perfectam, ut vult philosophus primo Ethicorum. In omni enim genere virtutum est dare aliquam virtutem excellenciorem et perfectam, in cuius operatione philosophi posuerunt esse felicitatem. Quare cum duplex sit virtus - hoc quidem moralis, hoc quidem intellectualis - ut dicitur secundo Ethicorum, tam in genere virtutum moralium quam in genere intellectualium est dare aliquam virtutem excellenciorem aliis, ut respectu virtutum moralium est dare prudentiam quae dirigit omnes illas, in cuius operatione consistit felicitas politica. Nam secundum philosophorum sententiam, nihil aliud esse felicem politice, nisi esse prudentem et scire consiliari et providere bona sibi et aliis. Sic etiam inter scientias philosophicas quas philosophi appellaverunt virtutes speculativas, est dare unam excellentiorem aliis, ut sapientiam vel methaphysicam, in cuius operatione secundum philosophos consistit felicitas speculativa. Nam secundum ipsum esse felicem speculative nihil est aliud quam scire bene considerare, et bene speculari secundum sapientiam siue secundum methaphysicam.“ Gilles de Rome, Sententia super de bona fortuna (nt. 51): „Est autem alia felicitas incomparabiliter excellentior istis, quae principaliter consistit in dei dilectione, sed de hac philosophi nihil aliquid modicum tractaverunt, praedictae autem felicitates a philosophis positae, quarum una dicitur politica - consistens in actu prudentiae -, et alia speculativa - consistens in consideratione sapientiae et in speculatione causarum -, quae tunc fiunt famosae apud eos ut et poetae in suis versibus de hiis duabus felicitatibus mentionem facerent.“
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son point de vue, la fe´licite´ chre´tienne est de´ja` contenue dans le second type distingue´ a` partir d’Aristote, c’est-a`-dire dans ce bonheur intellectuel „supreˆme“ puisqu’il nous fait contempler Dieu lui-meˆme e´ternellement (contemplatur semper ipsum Deum). Bref, a` l’inverse de Gilles et des autres he´ritiers d’Albert sur ce point-la`, le glossateur de Melk ne semble avoir aucun proble`me a` admettre que le Philosophe ait parle´ d’une be´atitude cadrant avec celle qu’annonce l’Evangile: pour lui comme nague`re pour Thomas et comme aussi pour le dernier Duns Scot, il n’y a pas d’opposition insurmontable entre le donne´ de la foi et la doctrine d’Aristote. IV. Conclusion: lire le ,Liber de bona for tuna‘ en l’an 1308 La pre´sence d’un „Liber de bona fortuna Aristotilis“ dans la partie du codex de Melk copie´e en 1308 ainsi que, plus encore, le contenu des gloses appose´es en marge du texte par le copiste, sont significatives d’un moment tre`s riche dans l’histoire de la re´ception de ce traite´. Elles indiquent d’abord, comme d’autres copies de ce temps et de ce milieu, l’existence d’un transfert de savoirs et de textes ope´re´ depuis l’Italie vers le Nord des Alpes sans passer par Paris. Car meˆme si le copiste du manuscrit de Melk n’est pas l’auteur de cette re´daction du ,Liber de bona fortuna‘ mais ne fait que la copier, il tient lieu de passeur pour sa diffusion, et montre ainsi a` l’historien l’inte´reˆt qu’il peut y avoir, dans la perspective d’une e´tude de la re´ception d’un texte, a` collationner tous les te´moins conserve´s: cette option a permis de de´celer, dans le manuscrit de Melk et dans son parent de Florence, les copies d’une „version“ jusqu’ici inconnue de l’opuscule. Quant aux gloses, elles indiquent les points d’impact d’un traite´ minuscule qui, a` l’aube du 14e`me sie`cle, noue a` lui seul une se´rie de difficulte´s majeures touchant a` quasiment tous les domaines du nouvel aristote´lisme, depuis le proble`me, e´thique, du statut et de l’importance des biens exte´rieurs pour l’accomplissement de la vie morale et l’acce`s a` la fe´licite´, jusqu’a` celui, psychologique, du fondement ultime des actes volontaires ou non, en passant par les graves questions, the´ologiques, concernant le degre´ d’autonomie du cre´e´ et le mode d’intervention de Dieu dans un univers qu’il est cense´, aux yeux d’un catholique, re´gir et conserver autant qu’il lui a donne´ l’eˆtre. Bref, le ,Liber de bona fortuna‘ non seulement travaille la plupart des the`mes a` propos desquels E´tienne Tempier et sa commission ont en 1270 et 1277 mis l’aristote´lisme en cause, mais il articule surtout le proble`me the´ologique qui e´tait au cœur de cette interdiction et qui concernait les me´diations de l’action divine „ad extra“. Si dans la configuration the´orique trace´e par le ,Liber de bona fortuna‘ chaque auteur e´lit des questions et choisit une approche conforme a` ses pre´occupations, une premie`re interrogation se retrouve chez tous les lecteurs du traite´ au de´but du 14e`me sie`cle, qu’avait inaugure´e Thomas d’Aquin: comment y interpre´ter la quasi-de´finition de la bonne fortune comme ,nature sans raison‘ (natura sine ratione) et quelle place donner, en somme, a` cette solution? Derrie`re cette for-
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mule, tous les auteurs s’accordent a` reconnaıˆtre un processus particulier, constate´ seulement dans le cas d’actions pose´es dans un but pre´cis finalement manque´ et remplace´ par un effet inattendu mais be´ne´fique et donc „bien fortune´“: en caracte´risant cette fortune comme „nature sans raison“, Aristote fait de´pendre ce processus d’un mouvement irrationnel de l’aˆme (impetus) qui pousserait tels agents a` accomplir, de manie`re re´pe´te´e quoique sans re´flexion pre´alable, des actions de´bouchant avec une certaine constance sur des effets heureux non vise´s au de´part. Si cette compre´hension du me´canisme de la bonne fortune est le de´nominateur commun a` tous les auteurs, diffe´rentes options se dessinent lorsqu’il s’agit de pre´ciser l’origine de cet impetus et sa place dans l’e´conomie des faculte´s du vivant, son statut causal exact et, surtout, les limites de son application, c’est-a`-dire le roˆle que joue ce facteur dans l’ensemble du processus a` l’origine de la bonne fortune et la facX on dont il s’inscrit au sein des faculte´s humaines autant que dans les rouages du cosmos et dans ceux, plus myste´rieux encore, de l’agir divin. Parce que ces questions touchent a` des domaines aussi divers que la the´ologie naturelle ou re´ve´le´e, la the´orie des actes du vivant et la philosophie naturelle en ses parties me´dicale, astrologique et bien suˆr cosmologique, la re´ponse qu’on leur donnera implique force´ment une repre´sentation donne´e des relations qu’ont entre eux tous ces savoirs. Dans le ,Speculum divinorum‘ d’Henri Bate, ou` ces disciplines coexistent sans heurt, se trouve convoque´e autant la de´finition naturaliste de la bonne fortune comme impetus que les formulations plus explicitement providentialistes du ,Liber de bona fortuna‘ expliquant la fortune par l’initiative d’un moteur divin et primordial animant les actions humaines jusqu’a` informer nos actes meˆmes de volonte´, sans que ces passages du traite´ ne soient jamais percX us comme incompatibles ou en tension; de fait, meˆme la question de savoir si le Dieu d’Aristote agit uniquement par des interme´diaires ou s’il est e´galement capable d’inspirer directement son instinctus a` l’homme, n’est pas pose´e. Car sans expresse´ment articuler graˆce et nature, Bate les suppose de´ja` harmonise´es et, savant compilateur plus que the´ologien spe´culatif, il se contente d’activer dans des contextes et a` propos de proble´matiques idoines les passages du traite´ aristote´licien plutoˆt que d’en produire une interpre´tation globale. Cet e´clectisme de type encyclope´dique se situe donc, sur ce point pre´cis, un peu en retrait par rapport aux de´bats opposant les the´ologiens du de´but du 14e`me sie`cle a` propos du ,Liber de bona fortuna‘ et prolongeant un diffe´rend qui s’est fait jour entre Henri de Gand et Gilles de Rome. Car en 1308, meˆme des gloses aussi modestes que celles de l’Anonyme du Melk montrent assez bien qu’alors, un the´ologien ne peut pas, sans justification et sans e´laboration the´orique de´taille´e, soutenir ensemble l’hypothe`se d’une bonne fortune naturelle et celle d’une inspiration communique´e par un instinctus divinus. C’est que, depuis l’e´poque des interdictions promulgue´es par l’e´veˆque Tempier, le ,Liber de bona fortuna‘ avait e´te´ leste´ d’une charge ne´cessitariste qui avait durablement infle´chi sa trajectoire: cette lecture pre´valente chez Gilles de Rome avait conduit Henri de Gand a` rejeter en bloc la doctrine de l’opuscule
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au nom du de´calage entre l’ordre de la graˆce et celui de la nature, ne laissant au Philosophe que le plus strict naturalisme et, avec lui, un ine´vitable de´terminisme vidant la notion meˆme de „fortune“ de toute signification possible. Telle est, en somme et paradoxalement, l’option que prennent certains artiens qui, a` la fin du 13e`me sie`cle, mobilisent le concept d’impetus naturalis pour expliciter leurs spe´culations sur la divination (tel un Jean Vath); c’est aussi celle d’un Engelbert d’Admont qui, de retour d’Italie ou` il a e´tudie´ de pre`s le ,Liber de bona fortuna‘, ne semble en avoir retenu que l’ide´e me´dico-astrologique de fortune, indissociable de cette bona nativitas re´pute´e par la plupart des the´ologiens ne´cessaire mais non suffisante a` la bonne fortune, tandis qu’elle est juge´e, par le be´ne´dictin, satisfaisante pour expliquer cette fortune particulie`re qu’est la longe´vite´. Aucune trace donc, chez ce partisan d’une se´paration nette des disciplines, de cette fortune englobe´e par une providence bienveillante, et encore moins d’un Dieu informant la volition. Ou en tout cas n’est-il pour Engelbert pas interdit d’analyser les causes propres et intrinse`ques d’une nature dont on reconnaıˆt certes, par principe, qu’elle est produite et gouverne´e par Dieu, mais qu’on peut bien envisager en faisant abstraction d’une telle influence et qui, de`s lors, re´pondra a` des lois de´termine´es voire de´terministes. Au-dela` cependant des options exclusives d’Engelbert et de l’Anonyme de Melk, Duns Scot de´fend une lecture e´quilibre´e du traite´, ou` s’articulent, autour de la notion d’impetus pre´cise´ment, l’explication the´ologique de la bonne fortune et la ne´cessite´, pour que celle-ci se re´alise, de conditionnements naturels de la part du sujet qui en be´ne´ficiera. Sans du tout re´primer le potentiel naturaliste du ,Liber de bona fortuna‘, Scot au contraire l’exprime de facX on a` l’inte´grer, comme Thomas d’Aquin, a` une conception ambitieuse de la providence divine de´veloppe´e non pas contre Aristote, mais avec son appui, meˆme si le Philosophe n’a pu entrevoir qu’indistinctement le Dieu des catholiques. Par souci d’exploiter toutes les ressources de l’aristote´licisme et, en l’occurrence, de le´gitimer les deux lectures possibles de l’opuscule, Scot de´montre, contre Henri de Gand, le bienfonde´ d’une interpre´tation ou` le dieu d’Aristote viendrait informer directement les choix de l’homme bien fortune´; cependant, et afin d’e´viter que cette vue enle`ve a` la fortune son caracte`re de contingence, Scot insiste sur l’e´tanche´ite´ radicale de la volition tandis que, par ailleurs, il valorise encore davantage que ses devanciers la notion de bona nativitas, qui devient avec lui expresse´ment une capacite´, plus ou moins grande selon les individus, a` percevoir l’influence issue directement de Dieu. Ainsi pour le Docteur Subtil comme pour l’auteur des ,Quaestiones de bona fortuna‘ re´dige´es a` Paris quelques anne´es apre`s son ,Quodlibet‘, les qualite´s recX ues par l’organisme a` la naissance rendent tel ou tel homme plus re´ceptif a` l’instinctus divinus, c’est-a`-dire a` ce que Thomas n’avait pas he´site´ a` assimiler a` la graˆce infuse: on n’aurait pu mieux faire pour redonner a` Aristote le cre´dit the´ologique perdu quelques de´cennies auparavant. Pour les auteurs du de´but du 14e`me sie`cle, le ,Liber de bona fortuna‘ est donc moins un ouvrage e´thique qu’un traite´ de the´ologie mettant en œuvre une difficulte´ qui avait occupe´ les chre´tiens depuis l’e´poque patristique mais qui, de`s la
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seconde partie du 13e`me sie`cle, a trouve´ dans cet opuscule une formulation ine´dite: elle concerne le mode d’articulation entre le re´gime propre a` l’action divine et la re´gularite´ de l’ordre naturel ou bien, pour le dire en des termes plus aristote´liciens, les modalite´s d’application de l’action du premier moteur dans l’univers sublunaire et son rapport aux autres types de causalite´, subordonne´s a` la puissance divine d’une facX on qu’il fallait pre´ciser. Contrairement au proble`me des biens exte´rieurs ou des principes de l’action humaine, cette difficulte´ a e´te´ moins aiguise´e ou re´veille´e par le ,Liber de bona fortuna‘ que ve´ritablement suscite´e par ce traite´, dans la mesure ou` il articulait, en des termes pour la premie`re fois spe´cifiquement „aristote´liciens“, un proble`me qui venait d’eˆtre de´battu par Avicenne et Averroe`s face aux the´ologiens du kala¯m mais dans le cadre de discussions que les Latins avaient presqu’inte´gralement manque´es - a` l’exception notable de Thomas d’Aquin dans sa ,Somme contre les Gentils‘ -. Ce fut donc sous le signe d’une exe´ge`se d’Aristote faite du point de vue de la cohe´rence interne de ce syste`me autant que de celui de sa compatibilite´ avec les notions chre´tiennes de providence et de graˆce divines que le de´bat a e´te´ repris par les the´ologiens latins, sans re´fe´rence aucune aux discussions ,arabes‘ a` ce sujet. Parce que, malgre´ ses dimensions modestes, le ,Liber de bona fortuna‘ mettait en perspective des propositions pouvant alimenter le plus irre´ductible pe´lagianisme (dans le premier chapitre) ou semblant, au contraire, avoir e´te´ e´crites par Augustin meˆme (a` la fin du second chapitre), il a pu servir de matrice a` la re´activation mais aussi a` la transformation de de´bats the´ologiques anciens et jouer, sur ce mode, un roˆle de´cisif dans les de´veloppements qui, a` Paris et ailleurs, auront contribue´ a` forger une nouvelle ide´e de la nature et de ses rap` ce titre-la` au moins, et parce qu’il a ainsi œuvre´ a` ports avec le ,surnaturel‘. A la formidable mise sous tension d’un syste`me aristote´licien qui a fini par imploser, le ,Liber de bona fortuna‘ me´rite de´sormais une place de choix dans les histoires de la pense´e me´die´vale autant qu’il en me´ritait une dans celle des de´bats qui ont marque´ les environs de l’an 1308.
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Annexe: le texte du ,Liber de bona fortuna‘ dans le ms. de Melk 796 La premie`re ligne donne le ,Liber de bona fortuna‘ lu dans le ms. de Melk, Bibl. abb., 796, foll. 152v-153v (= AL 62). Il est a` noter que la ponctuation y a un roˆle syntaxique pre´cis, le point ayant une fonction diffe´rente selon qu’il est ou non suivi, dans le de´but de la pe´riode suivante, par un signe lunaire rouge du type de celui qu’utilisent les manuscrits du 13e`me sie`cle pour marquer les de´buts de paragraphes: la transcription marque cette diffe´rence en traduisant le dernier cas de figure par un point final tandis que le simple point est rendu par une virgule. Les seules exceptions a` ce syste`me sont les cas ou` un enim oblige a` introduire dans la transcription une ponctuation forte la` ou` le manuscrit n’en introduit soit pas du tout, soit une faible (sans signe lunaire); pour des raisons analogues, la pre´sence d’un autem conduit dans certains cas a` introduire une virgule absente dans le document. Sinon, la ponctuation est toujours reproduite telle quelle. L’orthographe e´galement respecte autant que possible les graphies lues dans le manuscrit, c’est-a`-dire qu’elle utilise des ,u‘ de pre´fe´rence aux ,v‘, meˆme si elle uniformise en ,-cio‘ les terminaisons en ,-tio‘. En revanche, ne sont bien suˆr pas maintenues telles quelles les abre´viations: elles sont ici toujours explicite´es, sauf dans quelques cas ou` leur graphie e´tait ambigue¨ et pouvait donc preˆter a` des variantes important pour la collation (ces cas sont signale´s dans l’apparat en notes). Les seuls cas ou` l’ambiguı¨te´ possible d’une abre´viation n’a pas e´te´ prise en compte sont, dans le ms. de Florence, Laur., Plut. LXXXIV, 12, foll. 7v-8v (= AL 1324A), les occurrences d’une graphie pouvant eˆtre lue tant comme autem que comme aut: toutes ces occurrences ont e´te´ interpre´te´es suivant la lecX on du ms. de Melk, plus syste´matique sur ce point. Toutes les autres variantes du ms. de Florence sont donne´es dans les notes, suivant un syste`me dont voici la le´gende: abbr. add. cett. corr.
= = = =
codd. coni. fort. in mg. om. p. c. s. l.
= = = = = = =
abbreviat, abbreviant addit, addunt ceteri codices corrigit, corrigunt (la lecX on pre´ce´dant la mention est celle introduite par correction) codices conieci fortasse in margine habet omittit, omittunt post correctionem supra lineam
La seconde ligne de texte offre, comme point de comparaison avec cette re´daction de Melk-Florence, la recension dite „Vulgata“, ici donne´e suivant une copie du premier exemplar parisien, lue dans le ms. Vatican, lat. 2083, foll. 300v302r (= AL 1842), mais reproduite avec ponctuation moderne. La supe´riorite´ ponctuelle des manuscrits de Melk et de Florence, inde´pendants, sur cette ver-
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sion parisienne, est mise en e´vidence par l’usage de capitales pour les cinq lecX ons ou` la tradition paralle`le est meilleure que la tradition universitaire (pour cela, cf. point I, 2). Ne sont pas reproduits les intitule´s de de´but, de fin, ni de transition entre les deux chapitres du traite´: absents du codex de Florence et particuliers dans le codex de Melk, ils sont commente´s ci-dessus (au point I, 1). La nume´rotation des lignes permet de renvoyer plus aise´ment, dans l’article proprement dit, aux passages discute´s du traite´; elle respecte a` quelques mots pre`s l’organisation des lignes du grec correspondant chez Bekker, si bien que le lecteur pourra s’y retrouver sans peine. Voici enfin le syste`me de sigles: F M
= Florence, Laur., Plut. LXXXIV, 12, foll. 7v-8 v, date´ de 1308 (AL 1324A) = Melk, Bibl. abbatiale, 796, foll. 152v-153v, de´but du 14e`me sie`cle (AL 62)
(BF I) 1. Habitum est autem dicere utique hiis, quoniam de felicitate Habitum autem utique erit hiis dicere, quoniam de felicitate 2. est sermo, de bona fortuna. Putant enim multi est sermo, de bona fortuna. Putant enim multi 3. felicem uitam eam que bona fortuna est aut non sine bona fortuna esse. felicem uitam eam que bona fortuna esse aut non sine bona fortuna, 4. Et recte forte. Sine enim hiis 130 bonis exterioribus quorum et recte forte. Sine enim exterioribus bonis, quorum 5. fortuna est domina non contingit hominem esse felicem. Determinandum igitur fortuna est domina, non contingit felicem esse. Determinandum igitur 6. de bona et simpliciter fortunatus quis est et de bona fortuna, et simpliciter bene fortunatus quis est et 7. quibus et circa quid. Primum quidem super hec aliquis adueniens quibus et circa quid. Primum quidem igitur super hec utique quis ueniens 8. et considerans dubitabit, neque utique dicet quis fortunam 131 et considerans dubitabit. Neque enim utique dicet quis fortunam quod est 9. natura. Natura enim cuius est causa huiusmodi natura. Natura enim semper cuius est causa, huius 10. ut in pluribus aut simpliciter 132 factiua, fortuna autem numquam sed inordinate et ut accidit, ut in pluribus aut similiter factiua est, fortuna autem numquam sed inordinate et ut accidit. 11. propter quod fortuna in talibus est, que neque frequenter se habent et indeterminate. Propter quod fortuna in talibus. 12. Neque enim utique intellectum quendam aut racionem. Et Neque utique intellectum quendam aut racionem rectam. Et 130 131 132
Hiis M] om. F. Fortunam M] quod est add. F. Simpliciter M] est add. F.
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13. enim hic non minus est ordinatum et quod sic similiter 133, enim hic non minus est ordinatum et quod semper similiter, 14. fortuna autem non, propter quod et ubi plurimus intellectus et racio ibi fortuna autem non. Propter quod et ubi plurimus intellectus et racio, ibi 15. minima fortuna, ubi autem est plurima fortuna, ibi minimus intellectus. minima fortuna, ubi autem plurima fortuna, ibi minimus intellectus. 16. Sed forte quidem bona fortuna ut cura quedam dei, aut hoc Sed forte quidem bona fortuna est ut cura quedam dei. Aut hoc 17. utique non uidebitur. 152v Deum enim dignificamus dominum existentem talem 134 non utique uidebitur. Deum enim dignificamus dominum existentem talium 18. ut distribuat bona et mala, ut dignis distribuat et bona et mala, 19. fortuna autem et que a fortuna ut uere uelud utique contingit fiunt. fortuna autem et que a fortuna ut uere uelut utique contingit fiunt 20. Si autem deo tale quidem attribuimus ipsum quidem prauum Si autem deo tale attribuimus, prauum ipsum 21. iudicem faciemus uel 135 non iustum est 136 et hoc conueniens non est iudicem faciemus uel non iustum. Et hoc non conueniens est 22. deo. Sed quidem tamen extra hoc in nichil aliud utique quis fortunam deo. Sed tamen extra quidem hoc in nichil aliud fortunam utique quis 23. iudicabit 137. Itaque manifestum quod utique bonum aliquid erit. Intellectus utique 138 et ordinabit. Itaque manifestum quod horum utique aliquid erit. Intellectus quidem utique et 24. racio et sciencia extraneum aliquid uidetur esse omnino. racio et scientia omnino extraneum quid uidetur esse. 25. At uero neque cura neque beniuolencia que a deo At uero neque cura et beniuolentia que a deo 26. utique uidebitur bonum esse 139. Fortuna eo quod prauis eueniat. uidebitur utique esse bona fortuna eo quod prauis eueniat. 27. Deum enim prauorum non uerisimile est curam habere. Restat Deum enim prauorum non uerisimile curam habere. Restat 28. igitur et conueniencissimum est bone fortune esse quemdam naturam. Est autem igitur et conuenientissimum bone fortune est natura. Est autem 29. bona fortuna et sciencia 140 in hiis que in nobis existunt. Non autem quorum bona fortuna et fortuna in hiis que non in nobis existunt, non autem quorum 133 134 135 136 137 138 139 140
Similiter M] si abbr. F. Talem M] tale F. Uel M] ut F. Est M] om. F. Iudicabit M] ordinabit corr. s. l. F. Utique M] om. F. Bonum esse M] esse bona cum signo post F. Scientia M] add. s. l. F.
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30. ipsi enim 141 sumus et potentes operari, propter quod iustum, secundum quod ipsi domini sumus et potentes operari. Propter quod iustum, secundum quod 31. iustum nullus dicet esse bene fortunatum, neque fortem 142 neque totaliter eorum iustum, nullus dicet bene fortunatum, neque fortem, neque totaliter eorum 32. que secundum uirtutem nullas. In nobis est enim 143 hec habere et qui secundum uirtutem nullum. In nobis enim est hec et habere et 33. non habere. Sed iam et in talibus conuenientissime fortunam sumus dicere. non habere. Sed iam et in talibus conuenientissime bonam fortunam 34. Dicemus enim nobilem bene fortunatum esse dicemus. Nobilem enim bene fortunatum dicimus, et totaliter 35. cui bonorum talia existunt quorum non ipse dominus cui talia bonorum existunt, quorum non ipse dominus 36. est. Sed tamen neque utique hic principaliter bonam fortunam 144 esse dicetur. est. Sed tamen neque hic utique principaliter bona fortuna dicetur. 37. Est enim et multipliciter bene fortunatus dictus. Et enim cui 145 preter Est autem et multipliciter bene fortunatus dictus. Et enim cui preter 38. cogitacionem suam accideret aliquod bonum operari, bene fortunatum cogitacionem suam acciderit aliquod bonum operari, bene fortunatum 39. esse dicemus. aimus. 40. Est ergo bona fortuna in eo quod bonum Est igitur bona fortuna in eo quod bonum 41. aliquod existit preter cogitacionem 146, et eciam in eo quod est malum non sumere talem 147. aliquod existit preter racionem et in eo quod est malum non sumere racionabile. 42. Sed magis et conueniencius bona fortuna utique uidebitur 148 Sed magis et conuenientius bona fortuna utique uidebitur esse 43. in eo quod est bonum sumere in eo quod in eo quod est bonum sumere. Quod 44. secundum se ipsum uidebitur esse eufortunium. In eo autem quod est malum sumere et secundum se ipsum uidetur eufortunium esse. In eo autem quod est malum non sumere 45. per accidens est eufortunium. Est igitur bona fortuna sine racione per accidens eufortunium. Est igitur bona fortuna sine racione 46. natura et enim bene fortunatus sine racione habens impetus 149 ad bona natura. Bene fortunatus est enim sine racione habens impetum 141 142 143 144 145 146 147 148 149
Enim fort. M] domini fort. F. fortem] fortutem M, fortem F. Est enim M] ..n. est F. Bonam fortunam M] bona fortuna abbr. F. Cui F] cuio M. Cogitationem M] rationem, sed cogitationem corr. s. l. F. Talem M] ronle F. Videbitur M] esse add. F. Impetus M] inclinacionem add. s. l. F.
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47. et hec bona 150 adipiscens, hoc autem est natura. ad bona, et hec adipiscens, hoc autem est nature. 48. In anima enim natura est tale quo impetu ferimur sine racione In anima enim inest natura tale quoø impetu ferimur sine racione 49. ad que utique bene habebimus. Et si quis interroget sic ad que utique bene habebimus. Et si quis interroget sic 50. habentem propter quid hoc placet nescio inquid habentem, propter quid hoc placet tibi operari. - Nescio, inquid, 51. sed placet michi. Simile autem 151 paciens hiis que a deo aguntur. sed placet michi, simile patiens hiis qui a deo aguntur. 52. Et enim a deo uecti sine racione impetum habent ad Et enim a deo uecti sine racione impetum habent ad 53. bene operari aliquid, bonam autem fortunam non habemus conuenienti et proprio operari aliquid. Bonam autem fortunam non habemus conuenienti et proprio 54. nomine appellare sed causam frequenter nomine appellare, sed causam frequenter aimus esse 55. ipsam alius 152. Causa enim alienum est ab effectu. Causa enim et ipsam. Causa autem alienum a nomine: causa enim et 56. cuius est causa aliud est. Et sine impetu adipiscente cuius est causa aliud est, et sine impetu adipiscente 57. bona causa est dicta puta aut malum non sumendi bona causa dicta, puta aut malum non sumendi 58. aut iterum existimans bonum non accipere contingit 153 bonum sumere aut iterum non existimans bonum accipere bonum sumere. 59. est ergo talis bona fortuna differens ab illa. Et uidetur Est igitur talis bona fortuna differens ab illa, et uidetur 60. hoc ex rerum euentu fieri et hoc ex rerum euentu fieri, et 61. secundum accidens bona fortuna, itaque et si talis est secundum accidens bona fortuna. Itaque et si talis est 62. bona fortuna tamen non est propria sed ad felicitatem utique bona fortuna, sed ad felicitatem talis utique 63. erit talis magis propria in proprio cuius principium est impetus erit bona fortuna magis propria, cuius in ipso principium impetus est 64. adipiscendum bona. Quoniam ergo felicitas non est adipiscendum bona. Quoniam igitur est felicitas non 65. sine exterioribus bonis, hec autem ex bona fortuna fiunt sine exterioribus bonis, hec autem fiunt ex bona fortuna, 66. sicut diximus, cooperatiua utique erit felicitas, sicut satis diximus, cooperatiua utique erit felicitati. 150 151 152 153
Bona M] add. s. l. F. Autem M] om. F. Alius M] ai’ F. Contingit M] cot M, ct abbr. F.
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67. de bona fortuna quidem hec dicta sunt. De bona quidem igitur fortuna dicta sunt hec. (BF II) 1. Quoniam autem non solum prudentia facit eupraxiam et Quoniam autem non solum prudentia facit eupragiam et 2. uirtutem sed dicimus etiam bene fortunatos bene operari tamquam uirtutem, sed dicimus et bene fortunatos bene operari tamquam 3. bona fortuna bene faciente eupraxiam et eadem sciencie. fortuna bene faciente eupragiam et eadem scientie, 4. Considerandum est nunc utrum natura hic quidem bene fortunatus hic autem infortunatus considerandum est utrum est natura hic quidem bene fortunatus, hic autem infortunatus, 5. an non et quomodo se habet de hiis. Quod quidem sunt autem non, et quomodo se habet de hiis. Quod quidem enim sunt 6. quidam bene fortunati. Insipientes enim existentes uidemus quia multa dirigunt bene quidam bene fortunati, uidemus: insipientes enim existentes dirigunt multa, 7. in quibus bona fortuna est domina. Si autem et in quibus ars est multo in quibus fortuna domina. Si autem et in quibus ars est, multo 8. forcius ut magis inerit fortuna puta militari et in gubernatiua. magis et fortuna inerit, puta in militari et gubernatiua, 9. Utrum igitur ab aliquo habitu isti sunt, aut a natura quod utrum igitur ab aliquo habitu isti sunt, aut non eo quod 10. ipsi 154 eo quales dicunt operacionem eorum que bone fortune. ipsi quales quidam sunt operatiui sunt eorum que bone fortune? 11. Nunc quidam 155 quidem enim sic putant quod natura quibusdam existentibus. Nunc quidem enim sic putant ut, natura quibusdam existentibus, 12. Natura autem quales quosdam facit et confestim a natiuitate differunt natura autem quales quosdam facit, et confestim a natiuitate differunt, 13. quemadmodum albi quidem et glauci hii autem nigrorum oculorum eo quod quemadmodum hii quidem glauci, hii autem nigrorum oculorum eo quod 14. tale secundum esse tale oportet habere si etiam bene fortunati et infortunati tale secundum esse tale oportet et habere, sic et bene fortunati et infortunati. 15. quod quidem enim non prudentia dirigunt manifestum est. Non enim sine racione est Quod quidem enim non prudentia dirigunt, manifestum: non enim sine racione 16. prudentia sed habet racionem propter quid suscipere, hii autem prudentia, sed habet racionem propter quid sic operetur, hii autem 17. non habebunt dicere utique propter quid dirigunt. Artis enim utique est dirigere. Amplius non habebunt utique dicere propter quid dirigunt (ars enim utique esset). Amplius 154 155
Quod ipsi M] add. s. l. , sed inter eo et quales transpos. F. Quidam M] in mg. F
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18. enim insipientes existentes est manifestum non quia circa omnia sed circa aliqua hoc quidem enim manifestum insipientes existentes, non quia circa alia - hoc quidem enim 19. nichil inconueniens uelud ypocras geometricus existens. Sed circa alia nichil inconueniens (uelut ipocras geometricus existens, sed circa alia 20. negligens et insipiens erat et multum aurum negligens et insipiens erat, et multum aurum 21. nauigans perdidit ab hiis qui in bisanico 156 quingentorum talentorum nauigans perdidit ab hiis qui in bisancio quingentorum talentorum 22. per stultitiam ut dixerunt sed quidam in quibus fortunate agunt propter stultitiam, ut dixerunt) - sed quod et in quibus fortunate agunt 23. insipientes, circa naucleriam enim non maxime industrii sunt insipientes. Circa naucleriam enim non maxime industrii 24. bene fortunati. Sed quemadmodum in taxillorum casu hic quidem nichil, alius bene fortunati, sed quemadmodum in taxillorum casu hic quidem nichil, alius 25. autem utique iacit ex eo quod naturam habet fortunatam. Aut eo quod ametur autem iacit ex eo quod naturam habet bene fortunatam, aut eo quod ametur, 26. ut aiunt quidam 157 et extrinsecum aliquid sit dirigens ut aiunt, a deo, et extrinsecum aliquid sit dirigens 27. ut puta nauis male regibilis melius frequenter (ut puta nauis male regibilis melius frequenter 28. nauigat, sed non propter se ipsam, sed quia habet gubernatorem bonum 158 nauigat, sed non propter se ipsam, sed quia habet gubernatorem bonum), sed 29. sic quod bene fortunatum deydamonem habet gubernatorem, sic quod bene fortunatum daimonem habet gubernatorem 30. Sed inconueniens est deum aut deydamona 159 diligere talem, Sed inconueniens deum aut daimona diligere talem, 31. sed non optimum et prudentissimum. Si itaque necesse aut sed non optimum et prudentissimum. Si itaque necesse aut 32. natura aut intellectum aut cura quadam dirigentia, AUT non natura aut intellectu aut cura quadam dirigentia aut non 33. sic. Natura itaque erunt fortunati, at uero natura sunt, natura utique erunt bene fortunati. At uero natura quidem 34. causa eius aut quod est semper et similiter aut eius quod est ut in pluribus fortuna autem causa aut eius quod est semper similiter aut eius quod ut in pluribus, fortuna autem 35. contrarium. Siquidem igitur quod preter racionem 160 adipiscitur fortune contrarium. Si quidem igitur quod preter racionem adipiscitur fortune 36. uidetur esse. Quia autem propter fortunam bene fortunatus, non uidebitur talis uidetur esse (qui autem propter fortunam bene fortunatus), non utique uidebitur talis 156 157 158 159 160
Bisanico M] bisancio F. Quidam M] quidam s. l. F a deo add. F Bonum M] sed add. F. Deydamona] deydamona abbr. M, F. Rationem M] rationem s. l. p. c. F.
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37. causa esse semper eiusdem aut in pluribus. Adhuc autem esse causa semper eiusdem aut ut in pluribus. Adhuc 38. si quia talis est oportet hoc accidere sicut quia glaucus si, quia talis, oportet accidere sicut, quia glaucus, 39. non acute uidet non fortuna causa est, sed natura. Non ergo bene fortunatus non acute, non fortuna causa, sed natura; non igitur est bene fortunatus, 40. sed bene naturatus. Quare hoc utique erit dicendum quia quos dicimus sed uelut bene naturatus. Quare hoc utique erit dicendum, quia quos dicimus 41. bene fortunatos non propter naturam sunt, nec igitur bene sunt fortunati bene fortunatos, non propter fortunam sunt. Non igitur sunt bene fortunati. 42. quorumcumque causa est natura bonorum. Fortunati enim, quorumcumque causa fortuna bona bonorum. 43. Si autem sic est utrum aut erit omnino fortuna bona fol. 153r aut erit quidem, sed non Si autem sic, utrum aut erit fortuna omnino, aut erit quidem, sed non 44. amplius. Sed necesse est esse et causam esse, erit ergo autem amplius. Sed necesse et esse, et causam esse. Erit igitur et 45. bonorum aliquibus causa aut malorum. Si autem omnino segregandum et nec bonorum aliquibus causa, aut malorum. Si autem omnino segregandum et nichil 46. a fortuna dicendum est fieri. Sed nos alia existente causa et a fortuna dicendum fieri, sed nos, alia existente causa, 47. propter non uidere fortunam esse aimus propter quod et ipsi diffinientes propter non uidere fortunam esse aimus causam - propter quod et diffinientes 48. fortunam ponunt esse causam sine racione humanae racioni 161 fortunam ponunt causam sine racione humanae raciocinacioni, 49. tamquam existente quadam natura. Hoc quidem ergo ad problema tamquam existente quadam natura -, hoc quidem igitur aliud problema 50. erit utique, quoniam autem uidemus quosdam semel bene fortunate agentes propter utique erit. Quoniam autem uidemus quosdam semel bene fortunate agentes, propter 51. quid et non iterum. quid non et iterum? Sed propter idem dirigere unum, et iterum 52. Eiusdem enim inquam idem eadem est causa. Natura igitur erit fortune hoc sed eiusdem enim eadem causa -. Non igitur erit fortune hoc, sed 53. cum idem euenerit ab infinitis et INdeterminatis erit quidem cum idem euenerit ab infinitis et determinatis, erit quidem 54. aut bonum aut malum. Scientia autem non erit ipsius, aut propter experientiam quod bonum aut malum, scientia autem non erit ipsius; aut propter experientiam 55. quia didicissent utique bene fortunati aut etiam omnes (quoniam didicissent utique quidam bene fortunati), aut et utique omnes 56. scientie quemadmodum Socrates ait eufortunaciones essent. Quid igitur scientie, quemadmodum inquit Socrates, eufortunacio essent. Quid igitur 57. prohibet alicui accidere talia deinceps multotiens non prohibet accidere alicui deinceps talia multotiens, non 161
Rationi M] ratiocinationi F.
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58. quia oportet hos sed quale utique erit tubos semper longa iacere. quia hos oportet, sed quale utique erit tubos semper longa iacere. 59. Numquid igitur non sunt impetus in anima, hii quidem Numquid, igitur non sunt impetus in anima, hii quidem 60. a racione, hii autem ab appetitu sunt a raciocinacione, hii autem ab appetitu, et primi ipsi sunt 61. natura quidem si propter concupiscientiam delectat et appetitus. natura quidem? Si propter concupiscientiam delectabilis et appetitus, 62. Natura quidem 162 et primum primi ipsi 163 ad bonum 164 tendet semper. Si itaque quidam natura quidem ad bonum tendet semper. Si itaque quidam 63. bene sunt nati quemadmodum indocti non scientes que oportet quia sic sunt bene nati (quemadmodum indocti non scientes que oportet), sic 64. bene nati sunt, et sine racione impetum faciunt secundum quod natura apta nata est, et bene nati sunt et sine racione impetum faciunt, secundum quod natura apta nata est, et 65. concupiscunt ex hoc et tunc et sic et ut oportet concupiscunt et hoc et tunc et sic ut oportet 66. ut isti dirigunt et si contingit insipientes esse existentes, et sine racione et quando isti dirigent, et si contingat insipientes existentes et sine racione 67. quemadmodum et bene erunt non dociles existentes. Tales autem (quemadmodum et bene erunt non docibiles existentes), tales autem 68. bene fortunati sunt quicumque sine racione dirigunt ut in bene fortunati, quicumque sine racione dirigunt ut in 69. pluribus. Natura igitur bene fortunati erunt utique. Aut multipliciter dicitur pluribus. Natura igitur bene fortunati erunt utique. Aut multipliciter dicitur 70. bona fortuna hec quidem enim operantur ab impetu bona fortuna: hec quidem enim operantur ab impetu 71. et preeligentibus operari, hec autem non sed contrarie. Et in et preeligentibus operari, hec autem non, sed contrarie. Et in 72. illis in quibus male raciocinasse uidentur dirigunt et illis, in quibus raciocinasse uidentur, dirigunt et 73. bene fortunate egisse aimus. Et iterum in hiis si uoluissent utique secundum quod bene fortunate egisse aimus, et iterum in hiis, si uoluissent utique secundum quod 74. minus sumpsissent bonum illos quidem igitur fortunate agere propter minus sumpsissent bonum -, illos quidem igitur bene fortunate agere propter 75. naturam contingit. Impetus enim existens cuius oportet naturam contingit (impetus enim et appetitus existens cuius oportet 76. dirigunt 165. Raciocinacio autem insipiens et eos quidem qui hic direxit, raciocinacio autem insipiens), et eos quidem qui hic, 162 163 164 165
Natura quidem M] quidem natura F. Et primum primi ipsi M] recte in BF II, 60 post sunt transpos. F. Bonum fort.] hom abbr. M, F. Dirigunt] ro add. M.
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77. quando quidem raciocinacio non recta est uisa fortuna autem quando quidem raciocinacio non uisa recta esse, fortuna autem 78. ipsius causa existens et concupiscentia ipsa recte 166 existente saluauit eos. Sed si propter ipsius causa existens, concupiscentia ipsa recta existente saluauit. Sed est quando propter 79. concupiscentiam quando raciocinatus uerumtamen et infortunate egit. In concupiscentiam raciocinatus est, uerumtamen sic et infortunate egit. In 80. aliis itaque quomodo erit bona fortuna secundum eufiam appetitus et aliis itaque quomodo erit bona fortuna secundum eufyam appetitus et 81. concupiscencie. At uero si hic bona fortuna et fortuna duplex, bona concupiscentie? At uero si hic bona fortuna, et fortuna duplex, 82. et ibi eadem aut plures sunt bone fortune. Quoniam autem uidemus et ibi eadem, aut plures bone fortune. Quoniam autem uidemus 83. preter omnem racionem et scienciam recte preter omnem scientiam et raciocinacionem recte 84. bene fortunate agentes quosdam manifestum est quia altera erit utique causa aliqua bene fortunate agentes quosdam, manifestum quia altera utique aliqua erit causa 85. bone fortune, illa autem utrum bona fortuna, aut non est aut que concupiscit bone fortune. Illa autem utrum bona fortuna est aut non est, que concupiuit 86. que oportuit et quando oportuit. Racio quidem humana non que oportuit et quando oportuit (raciocinacio quidem humana non 87. huius quidem erit causa. Non enim omnino sine racione, neque naturalis utique huius erit causa)? Non enim utique omnino sine racione hoc, neque naturalis 88. concupiscentia, si concupiscencia corrumpitur ab aliquo bene fortunate. Videtur igitur 167 agere est concupiscentia, sed corrumpitur ab aliquo. Bene fortunate quidem igitur agere uidetur, 89. fortuna, que preter racionem causa, quia fortuna eorum que preter racionem causa, 90. hoc autem preter racionem et scientiam, et quod hoc autem preter racionem (preter scientiam enim et quod 91. uniuersaliter, aliter uidetur autem et 168 non a fortuna, sed tamen uidetur propter uniuersaliter). Aliter uidetur non a fortuna, sed uidetur propter 92. hoc. Itaque iste sermo non ostendit quod natura bene fortunate agatur, hoc. Itaque iste quidem sermo non ostendit quod natura bene fortunate agatur, 93. sed quod non omnes qui uidentur bene fortunate agere dirigunt 169 propter fortunam. sed quod non omnes qui uidentur bene fortunate agere propter fortunam dirigunt 166 167 168 169
Recte M] recta F. Videtur igitur M] igitur videtur F. Autem et] fort. M, F. Dirigunt M] agunt add. s. l. F.
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94. Sed etiam propter naturam neque quod sit fortuna causa sed propter naturam; neque quod non sit fortuna causa 95. nullius est 170. Sed non omnia quorum uidetur. Hoc quidem nullius ostendit, sed non omnium quorum uidetur. Hoc quidem 96. utique aliquis dubitabit utrum fortuna sit causa illius quod concupiscere utique dubitabit aliquis, utrum fortuna causa huius istius quod est concupiscere 97. quod oportet quomodo 171 et quando oportet. Aut siquidem omnium erit causa et quod oportet et quando oportet. Aut sic quidem omnium erit? Et enim 98. eius quod est intelligere et consiliari? Non enim consiliabatur consilians eius quod est intelligere et consiliari? Non enim consiliabatur consilians 99. antequam consiliaretur sed est principium aliud quoddam et antequam consiliaretur, sed est principium quoddam, 100. neque intellexit intellectum prius quam intelligeret et hoc in infinitum. Nec neque intellexit intelligens priusquam intelligeret, et hoc in infinitum. Non 101. igitur eius quod est intelligere intellectus principium neque consiliandi consilium. igitur eius quod est intelligere intellectus principium, neque consiliandi consilium. 102. Quare ergo aliud quam fortuna, itaque omnia a fortuna sunt. Aut Quid igitur aliud quam fortuna? Itaque a fortuna omnia sunt. Aut 103. est principium quidem aliquod respectu cuius non est aliud extra ipsum quod est aliquod principium cuius non est aliud extra, ipsum autem quia 104. tale secundum esse tale potest facere. Quod autem queritur tale secundum esse tale potest facere. Quod autem queritur 105. hoc est quid igitur motus principium est in anima palam hoc est, quid motus principium in anima. Palam 106. quemadmodum in toto deus et omne illud. Mouet enim etiam aliquo quemadmodum in toto deus, et omne illud: mouet enim aliquo 107. modo natura 172 quod in nobis est diuinum. Racionis autem 173 principum non est racio modo omnia quod in nobis diuinum. Racionis autem principum non racio, 108. sed aliquid melius, quid ergo erit melius et scientia et sed aliquid melius. Quid igitur utique erit melius et scientia et 109. intellectu nisi deus. Uirtus enim intellectiua organum. Et propter hoc intellectu nisi deus? Uirtus enim intellectus organum. Et propter hoc, 110. quod olim dicebatur bene fortunati uocantur qui si impetum faciant dirigunt quod olim dicebatur, bene fortunati uocantur qui si impetum faciant, dirigunt 111. sine racione existentES, et consiliari non expedit ipsis. sine racione existentis, et consiliari non expedit ipsis: 112. Habent enim principium tale quod melius intellectu et consilio. habent enim principium tale quod melius intellectu et consilio 170 171 172 173
Est] et abbr. M, F. Quomodo] qo abbr. M, ppo abbr. F. Natura M] omnia F. Rationis autem] autem rationis F primo, sed deinde cum crucibus intervertit F.
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113. Qui autem racionem, hoc autem non habent sed neque diuinos instinctus hoc (qui autem racionem, hoc autem non habent) neque diuinos instinctus, hoc 114. non possunt. Sine autem 174 racione existentes adipiscuntur et horum non possunt. Sine racione enim existentes adipiscuntur. Et horum 115. prudentium et sapientium uelocem diuinacionem, et prudentium et sapientium uelocem esse diuinatiuam, et 116. solorum non enim causam oportet que a racione suscipere, alii quidem propter solorum non eam que a racione oportet suscipere, alii quidem propter 117. experientiam hii autem per consuetudinem in considerando uti. experientiam, hii autem propter consuetudinem in considerando uti 118. Deo autem per se hoc et bene uidet et futurum et deo autem per se. Hoc et bene uidet et futurum et 119. presens et quorum racio periit, propter quod melancolici presens, et quorum periit racio sic. Propter quod melancolici 120. et racione diuinantes. Uidetur enim principium amissa et recte diuinantes (uidetur enim principium, amissa 121. racione ualere magis et quemadmodum ceci memorantur racione, ualere magis) et quemadmodum ceci memorantur 122. magis amissis hiis qui ad uisibilia et uirtuosius esse magis amissis que hiis qui ad uisibilia, uirtuosius esse 123. contingit quod memoratur, manifestum itaque est. Quoniam due sunt species bone fortune quod memoratur. Manifestum itaque quoniam due sunt species bone fortune, 124. et hec quidem diuina propter quod uidentur bene fortunati dirigere propter deum. hec quidem diuina (propter quod et uidentur bene fortunati propter deum dirigere). 125. Ille autem est qui secundum impetum directiuus, alius autem qui Iste autem est qui secundum impetum directiuus, alius autem qui 126. preter impetum et sine racione quidem ambo, et hec quidem bona preter impetum; sine racione autem ambo. Et hec quidem continua bona 127. fortuna continua magis hec autem non continua. fortuna magis, hec autem non continua. 128. Particulariter quidem ergo de unaquaque fol. 153v uirtute dictum est prius. Particulariter quidem igitur de unaquaque uirtute dictum est prius; 129. Quoniam autem segregare uolumus et potencias ipsarum, et de quoniam autem segregare uoluimus potentiam ipsarum, et de 130. uirtute articulatim tractando ea que ex hiis quam uocamus uirtute articulatim tractandum ea que ex hiis, quam uocamus 131. kalocathyam 175. kalokagathiam. Et cetera.
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Autem M] enim F. Kalocathyam M] kalocathia F.
Böhmen
„Nepos vindicabit avum.“ Die Ermordung Albrechts I. am 1. Mai 1308 im Bewußtsein der böhmischen Gesellschaft des 14. Jahrhunderts Marie Bla´ hova´ (Prag) I. Anfang Mai 1308 verbreitete sich in Europa eine schockierende Nachricht: Am 1. Mai war der römisch-deutsche König Albrecht I. von Habsburg bei der Querung des Flusses Reuss unweit der Familienburg Habichtsburg, wo er Truppen ausgehoben hatte, um mit ihrer Hilfe seinem Sohn Friedrich den böhmischen Thron zu sicheren, heimtückisch von seinem Neffen Johann und einigen weiteren Verschwörern ermordet worden. Die Habsburgermacht im Heiligen Römischen Reich brach mit Albrechts Tod zusammen: Seinem Sohn Friedrich gelang es nicht, die Gunst der Kurfürsten zu erringen, die dann den Luxemburger Grafen Heinrich (VII.) zum römisch-deutschen König wählten 1. Die antihabsburgische Opposition in Böhmen empfing die Nachricht von Albrechts Tod mit Erleichterung. Nach dem gewaltsamen Tod des letzten Prˇemysliden Wenzel III. am 4. August 1306, als Böhmen sich zum ersten Mal in seiner Geschichte vor die Aufgabe gestellt sah, einen König zu finden, der nicht aus einer einheimischen Herrscherdynastie stammte, war es zu scharfen Konflikten innerhalb des Landes und in der Beziehung zum römisch-deutschen König Albrecht I. von Habsburg gekommen. Der böhmische Adel hatte nämlich seinen in der ,Goldenen sizilischen Bulle‘ Friedrichs II. von 1212 kodifizierten Rechten entsprechend 2 - nach Wenzels Tod Heinrich von Kärnten zum König 1
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Cf. K.-F. Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., StuttgartBerlin-Köln 1994, 110 sq.; A. Niederstätter, Die Herrschaft Österreichs. Fürst und Land im Spätmittelalter (Österreichische Geschichte 1278-1310, ed. H. Wolfram), Wien 2001, 110 sq. Die Studie entstand im Rahmen des Forschungsprojektes der Tschechischen Republik 404/07/ 0002: „Die Bildung im mittelalterlichen Böhmen bis zur Gründung der Prager Universität.“ Cf. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, vol. 2, ed. G. Friedrich, Prag 1912, no. 96, 93: „[…] volentes, ut quicumque ab ipsis in regem electus fuerit, ad nos vel successores nostros accedat, regalia debito modo recepturus.“ Zur Bedeutung dieser Urkunde für die Stellung Böhmens cf. vor allem V. Novotny´, Cˇeske´ deˇjiny I, 3. Cˇechy kra´lovske´ za Prˇemysla I. a Va´clava I. (1107-1253) [Böhmische Geschichte I, 3. Das königliche Böhmen unter Prˇemysl I. und Wenzel I. (11071253)], Prag 1928, 304 sqq.; J. Zˇemlicˇka, Zlata´ bula Sicilska´ [Die Goldene sizilische Bulle] (Slovo k historii 11), Prag 1987; id., Prˇemysl Otakar I. Panovnı´k, sta´t a cˇeska´ spolecˇnost na prahu vrcholne´ho feudalismu [Prˇemysl Ottokar I. Herrscher, Staat und böhmische Gesellschaft an der Schwelle des Hochfeudalismus], Prag 1990, 116 sq., id., Pocˇa´tky Cˇech kra´lovsky´ch 1198-1253.
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gewählt, den Gemahl von Wenzels Schwester Anna. Dieser hielt sich zudem als Stellvertreter Wenzels III. in Abwesenheit des Königs gerade in Prag auf. Der römisch-deutsche König Albrecht I. ignorierte sowohl das Privileg Friedrichs II., das dem böhmischen Adel im Fall des Aussterbens des regierenden Geschlechts die freie Herrscherwahl garantierte, als auch weitere Privilegien einschließlich seiner eigenen Urkunde, in der er versprochen hatte, die älteren Privilegien zu bestätigen und Wenzel II. und dessen Erben und Nachfolger praktisch von allen Pflichten gegenüber dem Reich zu befreien für den Fall, daß er mit Wenzels Unterstützung zum König im Reich gewählt werde, was auch wirklich geschehen war 3. Statt dessen bemühte sich Albrecht, als König in Böhmen - das er als freigewordenes Reichslehen bezeichnete - seinen Sohn Rudolf durchzusetzen. Schließlich konnte er mit einem einflußreichen Teil der böhmischen politischen Repräsentation, der auf seine Seite übergegangen war und dem er die Anerkennung der Privilegien Friedrichs II. versprach (zugleich aber bei Aufhebung aller jüngeren Privilegien einschließlich seiner eigenen), die Wahl Rudolfs aushandeln. Diese fand am 16. Oktober 1306 statt, und anschließend erteilte Albrecht Rudolf Böhmen zu Lehen. Drei Monate später, im Januar 1307, leugnete Albrecht allerdings auch die bis dahin respektierten Rechte des böhmischen Adels und erteilte Böhmen erneut zu Lehen - aber nicht nur Rudolf, sondern zugleich auch dessen Brüdern, die im Fall von Rudolfs Tod ohne Wahl auf den böhmischen Thron gelangen sollten (18. Januar 1307) 4. Um seine Ansprüche auf den böhmischen Thron zu stärken, heiratete Rudolf Elisabeth Rycheza, die Witwe des vorletzten böhmischen Königs Wenzel II. Elisabeth gab Albrecht I. aus dem Kreis der bisher unverheirateten Prˇemyslidinnen wohl deshalb den Vorzug, weil im Fall einer Eheschließung mit der anderen Elisabeth, der Tochter Wenzels II. und Gutas von Habsburg, ein zeitaufwendiger päpstlicher Dispens hätte eingeholt werden müssen, da sie Rudolfs Cousine war, und die junge Agnes, die Tochter Wenzels II. und Elisabeth Rychezas, war damals erst gut ein Jahr alt. Die junge Witwe war zudem eine Tochter des ermordeten polnischen Königs Przemysl II. von Großpolen, so daß über ihre Person auch Ansprüche auf die polnische Krone erhoben werden konnten.
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Promeˇna sta´tu a spolecˇnosti [Die Anfänge der Königsherrschaft in Böhmen 1198-1253. Der Wandel von Staat und Gesellschaft], Prag 2002, 103-111; V. Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny zemı´ Koruny cˇeske´ II [Große Geschichte der Länder der Böhmischen Krone II], 1197-1250, Prag-Litomysˇl 2002, 107 sq.; M. Wihoda, Zlata´ bula sicilska´. Podivuhodny´ prˇ´ıbeˇh ve vrstva´ch pameˇti [Die Goldene sizilische Bulle. Ein bemerkenswertes Ereignis in den Schichten der Erinnerung], Prag 2005, passim; die Bedeutung dieser Urkunde zweifelte der Verfasser allerdings ohne beweiskräftige Gründe an. Dazu cf. vor allem die Rezension von J. Zˇemlicˇka in: Cˇesky´ cˇasopis historicky´ 104 (2006), 434 sq. Cf. Albrechts Urkunde vom 14. März 1298 in: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, vol. 4, ed. J. Schwalm (Monumenta Germaniae Historica. Leges), Hannover-Leipzig 1906, no. 3, 3 sq. Dazu: J. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1. Soumrak Prˇemyslovcu˚ a jejich deˇdictvı´ [Böhmische Geschichte II, 1. Die Abenddämmerung der Prˇemysliden und ihr Vermächtnis], Prag 1935, 474 sq. Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 698-708; Niederstätter, Die Herrschaft (nt. 1), 109.
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Als der ungefähr fünfundzwanzigjährige, aber nicht ganz gesunde Rudolf nach knapp neun Monaten am 3. Juli 1307 starb, bevorzugte der böhmische Adel gegenüber seinem jüngeren Bruder Friedrich den bereits einmal gewählten Heinrich von Kärnten. Dieser wurde am 15. August 1307 installiert und mit der Mitra des Abts von Brˇevnov ,gekrönt‘ 5 - natürlich in Abwesenheit und ohne Auftrag des Mainzer Erzbischofs, der als einziger das Recht besaß, den böhmischen König zu krönen. Die folgenden Kämpfe zwischen Heinrich von Kärnten und seinen Verbündeten und Albrecht I., der die Kandidatur Friedrichs nicht aufgeben wollte, verheerten bis zum Herbst das Land. Im Oktober setzten die Habsburger Militärbesatzungen in Städten und Burgen ein und verließen Böhmen. Der römisch-deutsche König Albrecht widmete sich politischen Verhandlungen, Kämpfen mit der Opposition im Reich und der Vorbereitung eines Feldzugs gegen die Wettiner und weiter gegen Böhmen im Frühjahr des folgenden Jahres 6. Während dieser Vorbereitungen wurde er ermordet: „Jesˇek […] syn sestry kra´le cˇeske´ho […] zbavil Cˇechy vraha nemilostive´ho.“ - „[…] von des konigiz swester […] was derselb Jesk geborn, […] vnd dovon er ledigt Behem von dron.“ 7 II. Johann, von nun an ,Parricida‘ (Onkelmörder) genannt 8, war ein Sohn Herzog Rudolfs II. (des Jüngeren) von Habsburg - Sohn des römisch-deutschen Königs Rudolfs I. und Bruder König Albrechts - und der Agnes von Böhmen, Tochter des böhmischen Königs Prˇemysl Ottokar II. und Schwester des böhmischen Königs Wenzel II. Er war der einzige Nachkomme aus dieser Ehe, die auf Grund des Vertrags zwischen dem römisch-deutschen König Rudolf I. von Habsburg und dem böhmischen König Prˇemysl Ottokar II. vom 21. November 1276 geschlossen worden war. Diesen Absprachen zufolge, mit denen die Streitigkeiten zwischen Rudolf von Habsburg und Prˇemysl Ottokar II. um die österreichischen Länder ein Ende finden sollten, hatte eine ungenannte Tochter Rudolfs Prˇemysls Sohn Wenzel und dessen Tochter Kunigunde Rudolfs zweitgeborenen Sohn Hartmann zu heiraten. Auf die Eheschließung zwischen Kunigunde und Hartmann wurde verzichtet, nachdem König Rudolf mit dem englischen Hof wegen einer Braut für Hartmann zu verhandeln begann und Kuni5 6
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Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 722 sq. Cf. ibid., 742 sqq.; Krieger, Die Habsburger (nt. 1), 107 sq.; Niederstätter, Die Herrschaft (nt. 1), 110. Starocˇeska´ kronika tak rˇecˇene´ho Dalimila [Die Alttschechische Chronik des sogenannten Dalimil], edd. J. Danˇhelka/K. Ha´dek/B. Havra´nek/N. Kvı´tkova´, 2 vols., Prag 1988, cap. 97, 17 sq; Di tutsch kronik von Behemlant, ed. J. Jirecˇek (Fontes rerum Bohemicarum 3), Prag 1882, CI, 31-34, 213. Johann Parricida besaß keinen Bruder und der „König“ war nicht sein Onkel mütterlicherseits („ujec“), sondern sein Großvater. Die Cerroni-Handschrift führt im Vers 19 korrekt „stry´c“ (Onkel) auf.
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gunde etwas später, am 8. September 1277, in ein Kloster eintrat. Hartmann starb im Dezember 1281 bei einem Schiffsunglück auf dem Rhein bei Rheinau. Der Vertrag über die gegenseitigen Eheschließungen wurde erst nach dem Tode Prˇemysl Ottokars II. im Jahr 1278 mit den Ehen zwischen Prˇemysls Sohn Wenzel und Rudolfs Tochter Guta und Rudolfs Sohn Rudolf dem Jüngeren und Prˇemysls Tochter Agnes erfüllt 9. Kurz vor Weihnachten 1282 erteilte König Rudolf seinen beiden damals lebenden Söhnen, Albrecht und Rudolf dem Jüngeren, die österreichischen Länder zu Lehen. Die gemeinsame Herrschaft der beiden Brüder stieß aber auf den Widerstand des Adels in den österreichischen Ländern, der Angst vor einem Erbfolgestreit hatte. Auf seinen Druck erließ Rudolf I. also am 1. Juni 1283 in Rheinfelden eine Hausordnung, wonach Albrecht allein regieren und Rudolf innerhalb von vier Jahren ein König- oder Fürstentum erhalten sollte. Falls dies nicht gelänge, hatte Albrecht Rudolf oder dessen Erben finanziell zu entschädigen 10. Rudolf der Jüngere war allerdings bis zu seinem Tod nicht entschädigt worden 11. Sein Sohn Johann, der einige Monate nach dem Tod des Vaters zur Welt kam, wurde bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr am böhmischen Königshof erzogen. 1304 wurde er an den Hof von König Albrecht gebracht, von dem er ebenfalls vergeblich sein Erbe forderte. Weder Albrecht noch die böhmischen Anhänger der Habsburger rechneten bei der Lösung der Nachfolgefrage in Böhmen nach dem Tod Wenzels III. mit ihm, obwohl Johann als Habsburger und zudem als Sohn einer böhmischen Prinzessin und Enkel des böhmischen Königs Prˇemysl Ottokar II. vielleicht sogar als der am besten geeignete Kandidat für den böhmischen Thron gelten durfte, denn nach den zeitgenössischen Quellen (regno Bohemiae) „unde proximior exstitit heres“ 12. 1307 ernannte Albrecht Johann zwar zum Mitregenten in den habsburgischen Vorlanden, gab ihm aber trotz Johanns Drängen keinen eigenen Besitz. Die Situation spitzte sich dann im Frühjahr 1308 zu. Am 1. Mai forderte Johann vormittags auf Schloß Baden - dem Habsburger Verwaltungszentrum des Aargaus - vom Onkel erneut das Erbe seines Vaters. Albrecht lehnte dies unter dem Vorwand der Vorbereitungen auf den Krieg in Böhmen ab und verwies 9
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Cf. O. Redlich, Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergang des alten Kaisertums, Innsbruck 1903, 283 sq., 287 sq.; Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 227 sq., 236, 244, 296; Krieger, Die Habsburger (nt. 1), 44, 51. Cf. Redlich, Rudolf von Habsburg (nt. 9), 380 sqq.; Krieger, Die Habsburger (nt. 1), 54; Niederstätter, Die Herrschaft (nt. 1), 85 sq.; C. Helbling, Die Habsburgischen Hausnormen im Mittelalter in rechtlicher Sicht, in: N. Grass/W. Ogris (eds.), Festschrift Hans Lentze zum 60. Geburtstag, München 1969, 298-301. Rudolf starb unerwartet am 10. Mai 1290 in Prag, wohin ihn sein Vater mit einem Heer als Hilfe für Wenzel II. in seinem Kampf gegen den aufständischen Adel gesandt hatte, cf. Petra Zˇitavske´ho kronika zbraslavska´ [Die Königsaaler Chronik des Peter von Zittau], ed. J. Emler (Fontes rerum Bohemicarum 4), Prag 1884, I, 34, 43 sq. Cf. Redlich, Rudolf von Habsburg (nt. 9), 719; Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 410. Continuationes chronici Martini Opaviensis, Continuatio Brabantina, ed. L. Weiland (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores 24), Hannover 1879, 265. Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 743 sq.
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ihn auf einen späteren Zeitpunkt. Daraufhin beschloß Johann wohl, zu extremen Mitteln zu greifen. Als der König am Nachmittag aufbrach, um seine aus Rheinfelden anreisende Gemahlin zu treffen, trennten sich Johann und seine Freunde, die sich durch Albrechts Politik ebenfalls existentiell bedroht fühlten, bei der Querung der Reuss vom Gefolge, so daß sie gemeinsam mit dem König als erste über den Fluß setzten; am anderen Ufer attackierten sie dann den nichtsahnenden König in Sichtweite des Hofes. Albrecht erlag kurz darauf seinen Verletzungen. Die Angreifer hatten nach ihrer Tat die Flucht ergriffen. Johann versteckte sich einige Zeit in den Wäldern und fand später nach kurzer Haft Zuflucht im Benediktinerkloster San Niccolo` in Pisa, wo er vermutlich 1313 starb. Seine Mittäter, die Freiherren Rudolf von Wart, Rudolf von Balm und Walter von Eschenbach sowie der Ritter Konrad von Tegerfeld, wurden hart bestraft 13. Der Mord bedeutete nicht nur einen tiefen Einschnitt für die Geschichte des Reiches 14. Er bewirkte auch unerwartete Veränderungen in Böhmen. Nach Albrechts Tod schätzten seine Söhne, die österreichischen Herzöge - vor allem die beiden Ältesten Friedrich und Leopold -, die Situation realistisch ein, beendeten den Krieg in Böhmen und Mähren und verzichteten gegen eine beachtliche Entschädigung auf alle Rechte in den böhmischen Ländern 15. Aber auch Heinrich von Kärnten konnte seine Stellung in Böhmen nicht auf Dauer halten. Der schwache Herrscher, der nicht über die notwendigen wirtschaftlichen Ressourcen in eigenen Territorien und über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügte, war auf seine konkurrierenden, für ihre Unterstützung immer neue Belohnung fordernden Wähler 16 und auf angemietete Söldner angewiesen, die sich vor allem um reiche Beute kümmerten; diese Situation verstärkte in den böhmischen Ländern die Opposition gegen den Kärntner, die dann nach komplizierten Verhandlungen den Sohn des römisch-deutschen Königs Heinrich VII., Johann von Luxemburg, auf dem böhmischen Thron durchsetzte 17. III. Die Nachricht vom Tod Albrechts I. beschwor in Böhmen allerdings Erinnerungen an ein anderes Ereignis herauf: Am 26. August 1278 war in der verlore13
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Zum Mord cf. Krieger, Die Habsburger (nt. 1), 107 sq.; Niederstätter, Die Herrschaft (nt. 1), 110 sq. Cf. Krieger, Die Habsburger (nt. 1), 108. Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 749 sq.; J. Zˇemlicˇka, Stoletı´ poslednı´ch Prˇemyslovcu˚ [Das Jahrhundert der letzten Prˇemysliden], Prag 21998, 370 sq. Die Verhältnisse im Land beschreibt treffend J. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 2. Kra´l cizinec [Böhmische Geschichte II, 2. Der fremde König], Prag 1939, 3-53. Cf. ibid., 87-149; J. Speˇva´cˇek, Jan Lucembursky´ a jeho doba, 1296-1346. K prvnı´mu vstupu cˇesky´ch zemı´ do svazku se za´padnı´ Evropou [ Johann von Luxemburg und seine Zeit, 12961346. Zum ersten Aufstieg der böhmischen Länder in den Bund mit Westeuropa], Prag 1994, 114-161; L. Bobkova´, Velke´ deˇjiny zemı´ Koruny cˇeske´ IV.a (1310-1402) [Große Geschichte der Länder der Böhmischen Krone IV.a (1310-1402)], Prag-Litomysˇl 2003, 22-25.
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nen Schlacht auf dem Marchfeld der böhmische König Prˇemysl Ottokar II., der Großvater mütterlicherseits des Mörders, getötet worden - in einer Schlacht gegen den römischen König Rudolf von Habsburg, den Vater von Albrecht 18. Prˇemysls Tod war für die Gesellschaft in Böhmen damals gleichbedeutend mit einer tiefen Erschütterung: Im Land brach Anarchie aus. Der einzige lebende Königssohn, der siebenjährige Wenzel, war nicht regierungsfähig 19. Rudolf von Habsburg besetzte sofort Mähren und zog weiter nach Böhmen. Während er mit der Königinwitwe über die Verwaltung Böhmens verhandelte, nahmen die Prager und der böhmische Adel Prˇemysls Schwager, den Brandenburger Markgrafen Otto den Langen, als Vormund von Prˇemysls Kindern an. Ansprüche auf die Vormundschaft erhob auch Heinrich IV. von Breslau, der aber mit der Verwaltung des Glatzer Landes abgefunden wurde 20. Obwohl König Rudolf und Markgraf Otto sich mit dem böhmischen und mährischen Adel auf eine fünfjährige Verwaltung Böhmens durch Otto und Mährens durch Rudolf einigten, kam das Land nicht zur Ruhe. Den Thronfolger hielt Otto von Brandenburg zunächst auf Burg Bezdeˇz (Nordböhmen) fest, bevor er ihn an seinen eigenen Hof brachte. Die Brandenburger verwüsteten das Land, raubten Schätze und plünderten Klöster, und der böhmische Adel stand ihnen in nichts nach. Die Situation wurde auch von kriminellen Elementen ausgenutzt. Die Streitigkeiten zwischen dem böhmischen Adel, die Kämpfe mit Truppen Ottos von Brandenburg, die Verwüstung des Landes durch eigene und fremde Heere und durch Räuberbanden lösten in Böhmen einen katastrophalen Lebensmittelmangel aus, der zu Epidemien und schließlich zur Hungersnot führte 21. Erst nach fast fünf 18
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Zur Schlacht auf dem Marchfeld cf. Redlich, Rudolf von Habsburg (nt. 9), 320-325; A. Kusternig, Die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278, in: M. Bla´hova´/I. Hlava´cˇek (eds.), Böhmisch-österreichische Beziehungen im 13. Jahrhundert, Prag 1998, 185-215; V. Dopsch, Österreichische Geschichte 1121-1278. Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter, Wien 1999, 476-481. Zu den Verhältnissen in Böhmen nach Prˇemysls Tod cf. F. Graebner, Böhmische Politik vom Tode Otokars II. bis zum Aussterben der Prˇemysliden, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 41 (1903), 313-344, 580-606; 42 (1904), 1-43, 117-168; dazu: J. B. Nova´k, K nove´ literaturˇe a noveˇ nalezeny´m pramenu˚m o Va´clavovi II. [Zu neuer Literatur und neu gefundenen Quellen über Wenzel II.], Cˇesky´ cˇasopis historicky´ 12 (1906), 44-58, 149-169, 261-273, 397-406; Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 285-319; Zˇemlicˇka, Stoletı´ (nt. 15), 207-216; V. Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny zemı´ Koruny cˇeske´ III [Große Geschichte der Länder der Böhmischen Krone III], 1259-1310, Prag-Litomysˇl 2002, 359-386; M. Bla´hova´, Böhmen in der Politik Rudolfs von Habsburg, in: Rudolf von Habsburg 1273-1291, in: E. Boshof/F.-R. Erkens (eds), Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel (Passauer historische Forschungen 9), Köln-Weimar-Wien 1993, 59-78. Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 294, 296; Krieger, Die Habsburger (nt. 1), 50 sq. Eine farbige Beschreibung der Situation liefert die zweite Fortsetzung der Cosmas-Chronik. Cf. Vypravova´nı´ o zly´ch le´tech po smrti kra´le Prˇemysla Otakara II. [Erzählung von den schlimmen Jahren nach dem Tode König Prˇemysl Ottokars II.], ed. J. Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2), Prag 1874, 335-368. Cf. M. Bla´hova´, Hladomor v Cˇecha´ch roku 1282 a jeho reflexe v cˇeske´ strˇedoveˇke´ historiografii [Die Hungersnot in Böhmen im Jahr 1282 und ihre Reflexionen in der böhmischen mittelalterlichen Historiographie], in: Ponı´zˇenı´ a odstrcˇenı´. Meˇsta versus katastrofy (Documenta Pragensia 16), Prag 1998, 161-170.
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Jahren konnten sich die Vertreter des politischen Lebens auf eine Ordnung der Verhältnisse in Böhmen einigen, die Rückkehr des jungen Königs ins Land aushandeln (Wenzel kehrte im Mai 1283 zurück) und dieses unter harten Bedingungen von den fremden Besatzungen befreien 22. Im aufgeregten Umfeld der Thronkämpfe nach dem Tod des letzten Prˇemysliden ein Vierteljahrhundert später besaßen die Habsburger nicht gerade die Sympathien der meisten Einwohner Böhmens. Die Schlacht auf dem Marchfeld und die Ereignisse in Böhmen nach dem Tod Prˇemysl Ottokars II. einschließlich der Eingriffe Rudolfs von Habsburg in das Geschehen in den böhmischen Ländern waren bei weitem nicht vergessen. Ein großer Teil des böhmischen Adels hatte auch den Einfluß Rudolfs von Habsburg auf die böhmische Politik unter Wenzel II. nicht gerade mit Begeisterung verfolgt 23. Die unlängst gestellten politischen und finanziellen Forderungen von Rudolfs Sohn, des römisch-deutschen Königs Albrecht von Habsburg, die über den böhmischen König verhängte Reichsacht und der Einfall des von Albrecht und seinem Sohn Rudolf geführten österreichischen und ungarischen Heers in die böhmischen Länder (1304) hatten alle Einwohner Böhmens und Mährens in lebhafter Erinnerung 24. Albrechts stetes Ignorieren der Rechte des böhmischen Adels und das offensichtliche Bestreben, diese Rechte ganz zu beseitigen, wie es bei den Verhandlungen um den Herrschaftsantritt von Albrechts Sohn Rudolf in Böhmen deutlich wurde, konnte im Land ebenfalls keine Sympathien wecken. Ungute Erfahrungen hatte die Bevölkerung Böhmens auch mit Rudolf selbst gemacht 25. Dies alles gipfelte in den Ereignissen des Winters 1307/08, als die von Albrecht in Böhmen zurückgelassenen Besatzungen ständige Scharmützel hervorriefen und Raubzüge in die Umgebung unternahmen 26. In Böhmen verbreiteten sich Gerüchte, wonach „Na le´to vrah cˇesky´ Albrecht do Cˇech pocˇeˇ jı´ti, chteˇ prˇeˇkotem cˇesky´ jazyk zahladiti. Chlapi s kosami s nı´m jdiechu, ti vsˇeˇ obile´ sieci chtiechu, aby Cˇechy hladem seˇ rozlezli a Sˇva´bi by u pustu´ zemi vesˇli […].“ 22 23
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Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 327-329; Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny III (nt. 19), 383-386. Zur Beeinflussung von Wenzels Politik durch Rudolf von Habsburg cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 342-420; Bla´hova´, Böhmen (nt. 19), 65-78. Cf. Petra Zˇitavske´ho kronika zbraslavska´ (nt. 11), I, 71, 87-91; Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 91 sq. Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 627-650; Zˇemlicˇka, Stoletı´ (nt. 15), 350-357; Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny III (nt. 19), 469-475. Cf. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), cap. 94, 1-5: „Co pak Cˇechy ucˇinichu / Sve´ho vraha sobeˇ za kneˇz zvolichu, / Rudolta, ve´vodu raku´ske´ho, / Albrechtova syna, kra´le rˇ´ısˇske´ho. / Vrah dobrˇe nemo´zˇ ucˇiniti!“ Cf. Di tutsch kronik (nt. 7), XCIX, 1-10, 208: „Sich, waz dy Behem mit iren stetin /darnach wundirlichin tetin! / Irn vient si wurden durstin / vnd kurn in czu irm vurstin/ hi czu Behem rich: / herczog Rudolf von Ostrirrich, / konig Albrechtiz sun, / dez Romischin zcu der stund. / Abir wer vient ist iczund, / der mag nimer wol getan.“ Zu den Verhältnissen in Böhmen während Rudolfs kurzer Regierung cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 691-718. Cf. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), cap. 96.
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„In dem andirn iar der Romisch kam gein Behem zcwar. er wolt bi allin heilgin di bemisch zcung al virtilgin. Di gebur iensit daz Rens chomen mit im, dy hettin sens. Si hettin daz vil stillin in irm bosin willin, als getreid ab zcu men, dovon dy Behem soltin lebin, daz si dovon hungirs starbin vnd iemirlich also virdurbin, vnd dy Swabin alzcu hant quomen in daz wuste lant, […].“ 27
In dieser Atmosphäre kann es nicht verwundern, daß bald nach Albrechts Tod der Gedanke auftauchte, daß Albrechts Tod die Rache für den Tod Prˇemysls sei und daß so „der Enkel den Großvater gerächt“ habe. Der Enkel von Prˇemysl Ottokar II. rächte dieser Ansicht nach seinen Großvater durch die Ermordung des Sohns von Prˇemysls „Mörder“. Die persönliche Rache wurde zum politischen Akt, die schreckliche Tat des Verwandtenmordes war damit in den Augen der böhmischen Öffentlichkeit gerechtfertigt. Dabei ließen die Verbreiter dieser Vorstellung offensichtlich die Tatsache außer Betracht, daß Albrechts Mörder nicht nur ein Enkel Prˇemysl Ottokars II., sondern zugleich auch ein Enkel von Prˇemysls „Mörder“ Rudolf von Habsburg war. Die Idee einer Rache für den „Großvater“ wurde vom Sprecher der politischen Repräsentation in Böhmen eindeutig formuliert, nämlich vom unbekannten Autor der ältesten in tschechischer Sprache geschriebenen Geschichte des böhmischen Staates, der seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Dalimil bezeichnet wird 28. Als er einige Jahre nach Albrechts Ermordung, kurz vor dem Regierungsantritt Johanns von Luxemburg in Böhmen, seine staatsnationale ,Alttschechische Chronik‘ verfaßte 29, transformierte er dieses Geschehen zu einem für Böhmen schicksalhaften Ereignis. Bereits in den Anfängen der Geschichte des böhmischen Staates, bei der Interpretation der Berufung des ersten böhmischen Herzogs Prˇemysl des Pflügers auf den böhmischen Thron, prophezeit der Ahnherr der Prˇemyslidendynastie vor den Boten der Fürstin Libussa, die ihm seine Wahl verkündet hatten, in Dalimils Version drohenden Durst und häufigen Hunger, was die Boten mit ihrer allzu frühen Ankunft bewirkt hätten, weiter die künftige Erhebung des Prˇemyslidengeschlechts zur Königsdynastie 27 28
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Cf. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 97, 1-6; Di tutsch kronik (nt. 7), CI, 1-14, 213. Zur Persönlichkeit des Chronisten cf. M. Bla´hova´, Starocˇeska´ kronika tak rˇecˇene´ho Dalimila 3 [Die Alttschechische Chronik des sogenannten Dalimil 3], Prag 1995, 281-301. Die Genese der Hypothese zum Autor und ein Überblick über die Ansichten zu dieser Frage sind übersichtlich aufgeführt in: ead., Kronika tak rˇecˇene´ho Dalimila [Die Chronik des sogenannten Dalimil], Prag-Litomysˇl 2005, 194-201. Starocˇeska´ kronika (nt. 7). Cf. Bla´hova´, Starocˇeska´ kronika 3 (nt. 28), passim.
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und schließlich nach Aussterben seines Geschlechts das Auftreten des seinen Großvater rächenden Enkels: „Azˇ seˇ jemu kdy podejde, avsˇak toho cˇasa dojde, zˇe vnuk pomstı´ sve´ho deˇda, jeho vraho´m naposledy beˇda.“ „Es wird also gemeldit, das daz einykil mid dem swert seini anherren rechunt wirt, das er seinen vynden czu der stund das ewich we wirt sprechunt.“ 30
Bei der Auslegung des Ereignisses, als Johann seinen Onkel tötete und den König rächte, interpretierte der sogenannte Dalimil allerdings zum einen die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dem Mörder und dem gerächten König nicht korrekt und äußerte zudem - obwohl er den „edlen Jüngling“ für seine Tat pries und mit Erleichterung konstatierte, daß Johann Böhmen von einem „unbarmherzigen Mörder“ befreit habe - Vorbehalte gegenüber Johanns Tat: „Jda do Cˇech, kdyzˇ se prˇes Ry´n poveze, Jesˇek, jeho synovec, na stry´ci se sveze. Ten jinoch sˇlechetny´ zabi tu stry´ceˇ sve´ho a tiem i pomsti kra´le, ujceˇ bratra sve´ho. Ten Jesˇek ,byl ‘ z sestry kra´le cˇeske´ho, a protozˇ i zbavi Cˇechy vraha nemilostive´ho. A take´ zˇe neslusˇalo, jedno ot sve´ho snı´ti, jenzˇ tak neveˇrneˇ smeˇl sve´ho sestrˇˇence zabiti.“ „Do er vbir Rin gein Behem gink, er als komen wolt mit notin, sin nebe Iohannes gern rach sich an dem vettern vmb den konig, sin ohim, vnd vmb sin brudir som. Von des konigiz swester, wil tu horn, waz derselb Jesk geborn, hi von Behem, vnd dovon er ledigt Behem von dron. Dem vngenedigin vient czam nit zcu lebin sint. Er solt also sterbin vnd von den sin nur virderbin. Der freuel iung in do virderbt, sin vettern, vf den er erbt, der sin nefin zcu Behem sterbin wolt vnd vatrwlich verderbin.“ 31 30 31
Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 8, 19-22; Di tutsch kronik (nt. 7), 35-43, 16. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 97, 13-20; Di tutsch kronik (nt. 7), CI, 25-42, 213 sq.
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IV. Als der Königsaaler Abt Peter von Zittau nicht lange nach Vollendung der ,Alttschechischen Chronik‘ die Klosterchronik seines Vorgängers Otto von Thüringen zu einer breit konzipierten Geschichte des böhmischen Staates ausarbeitete 32, konstatierte er im Zusammenhang mit Albrechts Ermordung nur, daß „Albrecht nicht derjenige war, durch den der Herr in Böhmen Frieden veranstalten wollte, sondern er beschloß, dies einem anderen zu überlassen“ 33. Albrechts Ermordung brachte Peter von Zittau nicht mit dem Tod Prˇemysl Ottokars II. in Verbindung und sah darin auch keine Rache für dessen Tod. Seiner Ansicht nach hatte Albrechts Neffe Johann den Mord begangen, weil er beim König erfolglos die Übergabe seines Landes gefordert hatte, denn „er war Erbe Österreichs und hatte durch Bestimmung soviel Recht und Gerechtigkeit wie die Söhne König Albrechts erhalten, aber ein anderer hielt seine Herrschaft, und er selbst hatte nichts“ 34. Falls in der Präsentation des Peter von Zittau jemand durch Albrechts Tod gerächt werden sollte, dann war es nicht Prˇemysl Ottokar II., sondern der römisch-deutsche König Adolf, Albrechts Vorgänger auf dem Thron des Reichs: „König Albrecht, der in der Feldschlacht seinen Vorgänger Adolf, den römischen König, getötet hatte, war dann im zehnten Jahr seiner Herrschaft, als er - nichts Böses ahnend - von demjenigen getötet wurde, mit dem er süße Speisen zu essen pflegte.“ 35 Statt über Sinn und Bedeutung des Mordes nachzudenken, widmete Peter von Zittau seine Aufmerksamkeit lieber dem Schicksal von Albrechts Besatzungen in Böhmen, der Freude Heinrichs von Kärnten über den Fall des Konkurrenten, dem Jubel des einfachen Volkes und der Nation, „die Schläge verdient hätte, 32
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´ vod [Einleitung], in: Petra Zˇitavske´ho kronika Zbraslavska´ (nt. 11), 1-337. Cf. V. Novotny´, U Kronika zbraslavska´ [Die Königsaaler Chronik], transl. J. V. Nova´k, Prag 1905, VII-LXXII; O Kronice zbraslavske´ a jejı´ch autorech [Über die Königsaaler Chronik und ihre Autoren], in: Zbraslavska´ kronika [Die Königsaaler Chronik], Prag 1976, 5-19; Bla´hova´, Starocˇeska´ kronika 3 (nt. 28), 118 sq.; ead., Dı´lna strˇedoveˇke´ho historika. (Zpu˚sob pra´ce Petra Zˇitavske´ho) [Die Werkstatt eines mittelalterlichen Historikers. (Über die Arbeitsweise des Peter von Zittau)], in: A. Barciak/W. Iwan´czak (eds.), Pis´miennictwo Czech i Polski w s´redniowieczu i we wczesnej epoce nowoz˙ytnej, Katowice 2006, 11-33; K. Charva´tova´, Petr Zˇitavsky´, opat zbraslavske´ho kla´sˇtera 1316-1369 [Peter von Zittau, Abt des Klosters Königsaal 1316-1369], Sbornı´k Spolecˇnosti prˇa´tel starozˇitnostı´ 2 (1991), 87-107; J. Nechutova´, Die lateinische Literatur des Mittelalters in Böhmen, Köln-Weimar-Wien 2007, 154-160. Der Autor der ,Alttschechischen Chronik‘ beendete seinen Text im Jahr 1314, Peter von Zittau begann mit den Arbeiten an der ,Königsaaler Chronik‘ irgendwann nach März 1314 und vollendete das erste Buch in der ersten ´ vod, LIX; Hälfte des Jahres 1317. Cf. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 103, 34 R, 2, 548; Novotny´, U Bla´hova´, Starocˇeska´ kronika (nt. 28), 280 sq. Petra Zˇitavske´ho kronika zbraslavska´ (nt. 11), I, 86, 113: „[…] Nec utique Albertus rex ille fuit, per quem Dominus pacem in Bohemia voluerit ordinari, sed hoc alteri disposuerat reservari […].“ Petra Zˇitavske´ho kronika zbraslavska´ (nt. 11), I, 86, 113: „[…] Johannes, cum esset heres Austrie et tantum in Austria sortiretur iuris et iusticie sicut filii regis Alberti, alius tamen dominium possideret, ipseque nichil haberet, […].“ Ibid.
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[…] weil sie annahm, sie würde unter dem Kärntner Herzog sicher und glücklich sein“, sowie den unerfreulichen Verhältnissen im Königreich während Heinrichs Regierung, als „Ungerechtigkeit herrscht, Gericht und Gerechtigkeit aus dem Vaterland verjagt werden, Kirchen beraubt, Klöster beschwert sind, die irdischen Güter ihnen abgenommen werden, Willkür das Gesetz aller ist, Raub zunimmt, den Klagen der Witwen und Waisen keine Hilfe gewährt wird […]“. Mit der farbigen Schilderung der unseligen Verhältnisse in Böhmen 36 bereitete Peter von Zittau den Boden für Überlegungen zur Notwendigkeit einer Veränderung und für die Interpretation der Verhandlungen und der Annahme Johanns von Luxemburg, Sohn des neuen römisch-deutschen Königs Heinrich VII., als böhmischer König. Die katastrophale Situation im Land rechtfertigte so den politischen Putsch, der Johann von Luxemburg auf den Thron brachte. Eine überzeugende Begründung war um so wichtiger, als sich - nach Peter von Zittau in führender Position - unter den Initiatoren des Putsches angeblich auf Anregung der Prinzessin Elisabeth, Tochter des vorletzten Prˇemyslidenkönigs Wenzel II., die Äbte der Zisterzienserklöster in Böhmen mit dem Königsaaler Abt Konrad an der Spitze befanden 37. Dem Grundsatz folgend, wonach die Geschichte von den Siegern geschrieben wird, überging also Peter von Zittau, der keine wesentlichen Einwände gegen Friedrich von Habsburg hatte und von dem geplanten Eingriff König Albrechts eine Friedensgarantie zumindest für die Anhänger der Habsburger erwartete, zu denen damals die meisten Orden einschließlich der Zisterzienser zählten 38, die Ermordung Albrechts mit dem Verweis auf die göttliche Ordnung: „Deus vero, qui in celis est, cuius iudicia abyssus multa, quod sibi placitum est, disponit et ordinat.“ 39 An den Folgen des Mordes nahm er keinen Anstoß. Er konstatierte nur, „daß sich wegen der Sünden der Menschen Gottes Jähzorn noch nicht so von Böhmen abgewendet hat, daß hier Frieden herrschen darf“ 40. Weiter erwähnte er die Kämpfe in Böhmen nach Albrechts Tod, den Abzug der österreichischen Soldaten, die Freude Heinrichs von Kärnten und den unerfreulichen Zustand des Landes 41, bevor er eine begeisterte Darstellung der mit der Annahme Johanns von Luxemburg verbundenen Ereignisse lieferte. Er dankte für den Abgang Heinrichs von Kärnten, bat um göttlichen Segen für den jungen Johann und schilderte dessen begeisterten Empfang in Prag und die feierliche Krönung 42. Obwohl also die Ermordung Albrechts von Habsburg wesentliche 36 37 38
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Cf. ibid., I, 86 (konec)-88, 113-116, 122 sq., I, 105 sq., 157-165. Cf. ibid., I, 88-105, 122-160, I, 108 sq., 170-180. Cf. Petra Zˇitavske´ho kronika zbraslavska´ (nt. 11), I, 86, 113: „[…] Cogitaverat autem et pacto firmaverat rex Albertus estatis future tempore in manu forti et in multitudine populi in Bohemiam redire ipsamque sibi totaliter subicere, adversantes contenere et pacem sibi consencientibus procurare […].“ Ibid. Ibid.: „[…] Puta namque, quod propter peccata populi nondum furor Domini aversus fuerit de Bohemia, ut pax deberet esse in ea […].“ Cf. ibid., I, 86 sq., 113-115. Cf. ibid., I, 88-109, 122-180.
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Veränderungen in der Geschichte des böhmischen Staates einläutete, präsentierte sie Peter von Zittau nicht als schicksalhaftes Ereignis der böhmischen Geschichte und sprach ihr keine fatale Bedeutung zu. V. Auch andere Historiker des 14. Jahrhunderts, die von den Informationen der ,Königsaaler Chronik‘ ausgingen, nahmen an diesem Ereignis keinen Anstoß. Zu Beginn der vierziger Jahre des 14. Jahrhunderts schrieb auf Befehl des Bischofs Johann IV. von Drazˇice dessen Pönitentiar Franz von Prag eine böhmische Geschichte, die von der Regierung Wenzels I. (1230-1253) bis in die damalige Gegenwart reichte 43, und in der er ausgehend von der ,Königsaaler Chronik‘ die Kämpfe um den böhmischen Thron nach dem Tod Wenzels III. knapp schilderte 44. Was die Ermordung Albrechts von Habsburg anbelangt, führte er im Unterschied zur ,Königsaaler Chronik‘ nur an, daß König Albrecht von seinem Neffen Johann und einem Ritter, dem er viel Übles getan habe, ermordet worden sei 45. Die angeführte Tatsache kommentierte Franz von Prag nicht weiter. Der Prager Kanoniker und Baudirektor der Prager Kathedrale Benesch Krabice von Weitmühl verfaßte in der ersten Hälfte der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts eine Chronik der Prager Kirche 46, mit der er an die ,Prager Chronik‘ anknüpfte, also an die über mehrere Jahrhunderte beim Prager Kapitel kompilierte und mit der zweiten Fortsetzung des Cosmas zu Beginn der achtziger 43
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Chronicon Francisci Pragensis, ed. J. Zachova´ (Fontes rerum Bohemicarum. Series nova 1), Prag 1997. Cf. J. Zachova´, Die Chronik des Franz von Prag. Inhaltliche und stilistische Analyse, Prag 1974; M. Bla´hova´, Kronika Frantisˇka Prazˇske´ho [Die Chronik des Franz von Prag], in: ead. (ed.), Kroniky doby Karla IV., Prag 1985, 564-567; Nechutova´, Die lateinische Literatur (nt. 32), 162 sq. Chronicon Francisci Pragensis (nt. 43), I, 19 sq., 50-53. Cf. Chronicon Francisci Pragensis (nt. 43), I, 20, 52: „[…] per Johannem nepotem et per quendam suum militem, cui multa mala fecerat, est occisus.“ Kronika Benesˇe z Weitmile [Die Chronik des Benesch von Weitmühl], ed. J. Emler (Fontes rerum Bohemicarum 4), Prag 1884, 457-548. Zu dieser Schrift und ihrem Autor cf. Z. Fiala, O vza´jemne´m pomeˇru kroniky Benesˇe Krabice z Weitmile a vlastnı´ho zˇivotopisu Karla IV. [Zur Wechselbeziehung der Chronik des Benesch Krabice von Weitmühl und der Autobiographie Karls IV.], in: Cˇeskoslovensky´ cˇasopis historicky´ 17 (1969), 225-235; R. Gładkiewicz, Zarys problematiky badan´ nad kronika˛ Benesˇ Krabice z Weitmile [Überblick über die Forschung zur Chronik des Benesch Krabice von Weitmühl], in: Acta Universitatis Wratislaviensis, Historia 19 (1970), 21-43; id., „Brneˇnska´ le´ta“ Benesˇe Krabice z Weitmile [„Die Brünner Jahre“ des Benesch Krabice von Weitmühl], Cˇasopis Matice moravske´ 92 (1973), 43-61; M. Sovadina, Benesˇ Krabice z Weitmile a jeho vztah k Cˇecke´ Lı´peˇ [Benesch Krabice von Weitmühl und seine Beziehung zu Cˇeska´ Lı´pa], Cˇeskolipsko litera´rnı´ 2 (1976), 15-25; M. Bla´hova´, Benesˇ Krabice z Weitmile, Kronika Prazˇske´ho kostela [Benesch Krabice von Weitmühl, Die Chronik der Prager Kirche], in: Kroniky doby Karla IV. (nt. 43), 567-571; Nechutova´, Die lateinische Literatur (nt. 32), 163 sq.
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Jahre des 13. Jahrhunderts endende böhmische Geschichte 47, und führte die Erzählung bis in seine Gegenwart fort; bei der Schilderung dieser Ereignisse hielt er sich an Franz von Prag, dessen Chronik die Hauptquelle des Benesch Krabice von Weitmühl für den Bericht über die vergangenen Geschehnisse darstellt 48. Die ein Trauma der böhmischen politischen Repräsentation belegende Interpretation von Albrechts Ermordung war jedoch nicht vergessen; die Vertreter des Landes sahen sich Vorwürfen ausgesetzt, wonach sie „die eigene Könige ermorden, keine Treue kennen“ 49. Zu einem Meilenstein der böhmischen Geschichte wurde der Mord im Gegenteil in der offiziellen Geschichte des böhmischen Staates, die auf Befehl Karls IV. und seinen Intentionen folgend in der ,Böhmischen Chronik‘ des Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n dargeboten wurde 50. Magister Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n (gest. 1380), Direktor der Schule beim Kollegiatkapitel St. Aegidius in Prag und ab 1374 Pfarrer im westböhmischen Chudenice, hielt in seiner böhmischen Staatsvolkschronik die Sicht Karls IV. auf die böhmische Geschichte fest. Danach sollte die Chronik historische Argumente für die prominente Stellung des böhmischen Staates in Mitteleuropa und für die Position der Luxemburger Dynastie auf dem böhmischen Thron liefern und zugleich Karls Politik einschließlich der erfolgreich durchgesetzten Luxemburger Territorialansprüche ideologisch begründen. - Argumente dafür, daß Karl IV. berechtigt war, das Amt des römischen Kaisers anzustreben, blieben dagegen der Universalchronik des Johann Marignola aus Florenz vorbehalten 51. - Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n arbeitete an seiner ,Böhmischen Chronik‘ 47 48 49
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Cf. Kronika Benesˇe z Weitmile (nt. 46), 512. Cf. Bla´hova´, Benesˇ Krabice z Weitmile (nt. 46), 569 sq. Petra Zˇitavske´ho kronika zbraslavska´ (nt. 11), I, 100, 147: „[…] Populus iste Bohemicus proprios reges occidit, fidem nescit […]“; Chronicon Francisci Pragensis (nt. 43), I, 21, 55: „[…] incole Boemie suum regem male conservantes nostris temporibus perdiderunt […]“; Kronika xia˛z˙a˛t polskich (Chronica principum Poloniae), ed. Z. We˛clewski (Monumenta Poloniae Historica 3), Lwo´w 1878 [Nachdruck Warschau 1961], 542: „[…] nec non filio eius, eciam nomine Wenceslao, per proprios nobiles in Olomuncz interfecto […].“ Cf. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II, 1 (nt. 3), 687; II, 2 (nt. 16), 117. Kronika Pulkavova [Die Chronik des Pulkava], edd. J. Emler/J. Gebauer (Fontes rerum Bohemicarum 5), Prag 1893, 1-326. Cf. M. Bla´hova´, Prˇibı´ka Pulkavy z Radenı´na Kronika cˇeska´ [Die Böhmische Chronik des Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n], in: Kroniky doby Karla IV. (nt. 43), 572-580, 590-593; ead., Offizielle Geschichtsschreibung in den mittelalterlichen böhmischen Ländern, in: J. Wenta (ed.), Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa (Subsidia Historiographica 1), Toru´n 1999, 21-40; ead., Die Hofgeschichtsschreibung am böhmischen Herrscherhof im Mittelalter, in: R. Schieffer/J. Wenta (eds.), Die Hofgeschichtsschreibung im mittelalterlichen Europa (Subsidia historiographica 3), Toru´n 2006, 51-73; M. Svobodova´, Neˇkolik pozna´mek k obsahu a osudu˚m znovunalezene´ho litomeˇrˇicke´ho rukopisu Pulkavovy kroniky [Einige Anmerkungen zu Inhalt und Schicksal der neu entdeckten Leitmeritzer Handschrift der Chronik des Pulkava], Miscellanea 16 (1999-2000) [2002], 93-117; Nechutova´, Die lateinische Literatur (nt. 32), 166 sq. Kronika Jana z Marignoly [Die Chronik des Johann von Marignola], ed. J. Emler (Fontes rerum Bohemicarum 3), Prag 1882, 485-604. Cf. A.-D. von den Brincken, Die universalhistorischen Vorstellungen des Johann von Marignola OFM. Der einzige mittelalterliche Weltchronist mit Fernostkenntnis, in: Archiv für Kulturgeschichte 49 (1967), 297-339; K. Engstova´, Marignolova kronika jako obraz prˇedstav o moci a postavenı´ cˇeske´ho kra´le [Die Marignola-Chronik als Bild
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vermutlich in der zweiten Hälfte der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts (zwischen 1364 und 1374) auf Befehl des „römischen Kaisers und böhmischen Königs“ Karl IV. 52 Karl IV. stellte für die Kompilation des Werks auch Quellen zur Verfügung, die er zuvor sorgfältig gelesen hatte, und gab Instruktionen, wie der Autor mit ihnen zu verfahren hatte. Den bereits geschriebenen Text überarbeitete Prˇibı´k Pulkava mehrfach, ließ zweifelhafte Informationen aus, die aus unzuverlässigen Quellen besonders in die erste Rezension des Werks gelangt waren 53, und ergänzte Nachrichten aus neu aufgefundenen Quellen, die ihm von Karl IV. zur Verfügung gestellt wurden. Allmählich entstanden sechs Rezensionen der Chronik, die sich in den verwendeten Quellen, dem Inhalt, der zeitlichen Dimension und der Anordnung des Werks unterscheiden. In der umfangreichsten Rezension reicht die Chronik von den Anfängen der böhmischen Geschichte bis zum Jahr 1330. Ungefähr Mitte 1374 wurde die fünfte Rezension des Werks vollendet und in eine für den Thronfolger bestimmte repräsentative Handschrift geschrieben 54. Nach der Rückkehr Karls IV. aus Brandenburg im August 1374 wurde auf die freien Ränder der einzelnen Blätter der Handschrift noch die Geschichte Brandenburgs nach der ,Brandenburger Chronik‘ hinzugefügt, die Karl IV. nach Prag hatte bringen lassen 55. Bereits in der ersten Redaktion erwähnte der Autor nach der ,Alttschechischen Chronik‘, einer seiner Hauptquellen bereits bei der Abfassung der ersten Rezension des Werks, die Prophezeiung von Prˇemysl dem Pflüger. Ähnlich wie bei dem sogenannten Dalimil konstatiert Prˇemysl der Pflüger in der Chronik Pulkavas, daß Libussas Boten allzu früh gekommen seien. Weiter unterscheidet sich die Erzählung jedoch. Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n verband die frühe Ankunft der Boten nicht mit Durst und Hunger, wie dies der Autor der ,Alttschechischen Chronik‘ getan hatte 56. In seiner Version hätten die männlichen Nachfahren Prˇemysls - sofern die Boten später gekommen wären - auf Dauer im Land geherrscht. Da die Boten aber zu früh gekommen seien, werde seine
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der Vorstellungen von Macht und Position des böhmischen Königs], Mediaevalia historica Bohemica 6 (1999), 77-94; M. Bla´hova´, Setka´nı´ civilizacı´. Asie ocˇima evropske´ho intelektua´la 14. stoletı´ [Die Begegnung von Zivilisationen. Asien durch die Brille eines europäischen Intellektuellen des 14. Jahrhunderts gesehen], in: Mundus hominis - Cywilizacja, kultura, natura. Woko´ł interdyscyplinarnos´ci badan´ historycznych (Acta Universitatis Wratislaviensis, no. 2966), 124144; ead., Herrschergenealogie als Modell von Dauer des ,politischen Körpers‘ des Herrschers im mittelalterlichen Böhmen, in: A. Speer/D. Wirmer, Das Sein der Dauer (Miscellanea Mediaevalia 34), Berlin-New York 2008, 380-397, hier 391 sq. Cf. Kronika Pulkavova (nt. 50), 207. Vor allem die Adalbert-Erzählung aus Brˇevnov in der ersten Rezension des Werks. Cf. Bla´hova´, Prˇibı´ka Pulkavy z Radenı´na Kronika cˇeska´ (nt. 50), 575. Die Handschrift befindet sich heute in der Czartoryski-Bibliothek in Krakau (Biblioteka Czartoryskich, cod. 1414). Zur ,Brandenburger Chronik‘ cf. U. Hohensee, Solus Woldemarus sine herede mansit superstes - Brandenburgische Geschichte in der Sicht Pulkawas, in: O. B. Rader (ed.), Turbata per equora mundi. Dankesgabe an Eckhard Müller-Mertens (Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte 29), Hannover 2001, 115-129. Cf. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 6, 17-24.
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männliche Nachkommenschaft aussterben. Und sobald sein Geschlecht auf diese Art untergegangen sei, werde der Enkel den Großvater rächen: „Postquam genealogia mea masculis defecerit, nepos vindicabit avum.“ 57 Beim sogenannten Dalimil rächt der Enkel zwar ebenfalls den Großvater, wenn Prˇemysls Geschlecht ausgestorben ist, aber in der Prophezeiung wird kein Zusammenhang zwischen der frühen Ankunft der Boten und dem Ende der Prˇemyslidendynastie beziehungsweise der anschließenden Rache hergestellt. Im Bericht über Albrechts Tod im Jahr 1308 hielt zwar der Dalimil fest, daß Johann seinen Onkel ermordet und damit den König gerächt habe, aber keineswegs den Großvater, wie derselbe Autor bei der Interpretation der Erhebung Prˇemysls des Pflügers auf den Fürstenthron am Anfang der Chronik vorhergesagt hatte, sondern „ujceˇ bratra sve´ho [den Onkel mütterlicherseits seines Bruders]“ 58. Die Erfüllung der Prophezeiung, die er Prˇemysl zu Beginn der Chronik in den Mund gelegt hatte, erwähnt er nicht. Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n verknüpfte die Auslegung konsequenter und ergänzte die Nachricht von der Ermordung und ihrer Ursache, indem er die Prophezeiung des ersten böhmischen Herzogs Prˇemysl unter Verweis auf das Kapitel über dessen Erhebung erwähnte und die Erfüllung dieser Prophezeiung konstatierte 59. Dabei wiederholte er die Prophezeiung: „Cum generatio mea masculina deficiet, nepos vindicabit avum.“ 60 Er fügte zudem eine Auslegung der genealogischen Beziehungen hinzu, womit er die Tatsache erläuterte, daß der „Enkel, indem er den Großvater rächte, den Onkel tötete“ - „Nepos avum vindicando avunculum interfecit et sic quoad masculinum genus cessavit generatio principum et regum Boemie de lumbis Prziemysl, primi Boemie principis, descendens secundum lineam paternalem“ 61. Irrtümlich behauptete er dabei jedoch, daß Johanns Vater, den er fälschlicherweise ebenfalls Johann nennt, älter gewesen sei als Albrecht. In späteren Rezensionen sind die genealogischen Beziehungen zwischen Johann Parricida und Prˇemysl Ottokar II. sowie Albrecht I. konsequent näher ausgeführt. Der Name des Vaters von Johann Parricida wird nun korrekt angegeben 62. In der fünften Redaktion der ,Böhmischen Chronik‘ des Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n, die - wie bereits angedeutet wurde - die offizielle Version des Werks darstellt, war die Chronik neu geordnet und aus der Geschichte der Prˇemyslidenzeit das erste Buch gemacht worden. Ähnlich wie in der ersten Rezension wurden hier Anfang und Ende der Prˇemyslidenherrscher mit der Prophezeiung Prˇemysls des Pflügers und deren Erfüllung in Verbindung gebracht. Der Abschluß des ersten Buchs wird ausdrücklich mit der Erfüllung der Prophezeiung 57 58
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Kronika Pulkavova (nt. 50), cap. 3, 7. Starocˇeska´ kronika (nt. 7), 97, 15. In der deutschen Übersetzung steht: „[…] vnd vmb sin brudir som.“ Cf. Di tutsch kronik (nt. 7), CI, 30, 213. Cf. Kronika Pulkavova (nt. 50), Rezension A, cap. 90, 190: „Unde impleta est prophecia primi ducis Prziemisl, de quo superius fit mencio.“ Ibid., Rezension B. Ibid. Cf. ibid., Rezension A.
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begründet: „Hic finis est primi libri huius cronice, quoniam presagium Prziemysl, primi ducis Boemie, sicut supra dicitur, est impletum.“ 63 Die Prˇemyslidenära der böhmischen Geschichte endet in Pulkavas Chronik also nicht mit dem gewaltsamen Tod des letzten Prˇemysliden Wenzel III., wie man annehmen dürfte, sondern gerade erst in dem Augenblick, in dem „der Enkel den Großvater rächt“ - durch die Ermordung Albrechts von Habsburg. In der nächsten - und letzten - Rezension knüpfte ein zweites Buch an das erste an. Hier wurde die Erzählung nach den älteren Rezensionen mit der Herrschaft Heinrichs von Kärnten, der Annahme Johanns von Luxemburgs zum böhmischen König, mit dessen Herrschaft und weiteren Ereignissen bis 1330 fortgesetzt 64. VI. Die Einrahmung der offiziellen Version von Pulkavas Chronik gerade durch Prˇemysls Prophezeiung und ihre Erfüllung wirft Fragen nach der Funktion dieses Motivs in Pulkavas Text beziehungsweise in Karls Auffassung der böhmischen Geschichte auf. Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n erwähnte zwar mit keinem Wort, daß gerade die Ermordung Albrechts von Habsburg dem Aufstieg der Luxemburger behilflich war und eine Situation schuf, in der der Luxemburger Graf Heinrich zum römisch-deutschen König und später auch zum Kaiser werden konnte, sein Sohn Johann den böhmischen Thron erhielt und sein Enkel Karl im Reich und in Böhmen regieren sollte. Trotzdem wurde in der offiziellen Chronik von Karls Hof der gerade erwähnten Prophezeiung und Albrechts Ermordung außerordentliche Bedeutung beigemessen. In welchem Ausmaß diese Interpretation auf den Autor der Chronik, die Ideologen an Karls Hof oder den Kaiser selbst zurückgeht, läßt sich nicht feststellen. Ebenso ist nicht eindeutig, ob die Anregung zu dieser Interpretation von Albrechts Ermordung aus der ,Alttschechischen Chronik‘ des Dalimil stammt und von Prˇibı´k Pulkava von Radenı´n nur ergänzt und vertieft wurde oder ob sich Karl IV. und sein Umfeld der Bedeutung des Mordes für die Luxemburger Dynastie und für die Geschichte des böhmischen Staates bewußt waren und Karl IV. deshalb Prˇibik Pulkava den Befehl erteilte, in der offiziellen Chronik den älteren, unbestimmt angedeuteten Gedanken zu betonen und zu erweitern, die Prˇemyslidenzeit mit Albrechts Ermordung enden zu lassen und aus ihr einen Wendepunkt der böhmischen Geschichte zu machen. Das Trauma des Marchfeldes, das sich in der ,Alttschechischen Chronik‘ spüren läßt, verband sich nach fünfzig Jahren mit dem Impuls zum Aufstieg der Luxemburger Dynastie. Der Tod Albrechts von Habsburg durch die Hand von Prˇemysls Nachfahren erhielt zugleich eine symbolische Bedeutung für die böhmische Geschichte. 63 64
Ibid., 193. Die sechste Rezension der Chronik ist in der Handschrift der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik mit der Signatur I D 10 aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts überliefert.
Eine entscheidende Wende, die nicht entscheidend schien. Die Zeit des Niedergangs Böhmens um das Jahr 1308 als Voraussetzung für einen neuen Aufstieg des Landes Ivan Hlava´ cˇ ek (Prag) Die Bühne der politischen Geschichte hat jederzeit viele Schauspieler *. Die meisten sind jedoch nur Nebenfiguren, obwohl sie sich von Zeit zu Zeit unerwarteterweise an die Vorbühne neben die Protagonisten durchkämpfen, um ihre Rolle zu übernehmen. Meist sind sie zwar der Sache nicht gewachsen, doch können sie sich durchsetzen, wenn ihnen das Schicksal in die Hände spielt. Eine Rechtfertigung am Anfang. Das angesprochene Thema, nämlich der Übergang des böhmischen Königreichs aus der Hand des ausgestorbenen Prˇemyslidengeschlechts (freilich eher in Gestalt des jungen Wenzel III.) über zwei ephemere Quasiregierungen an die aus der Ferne kommende luxemburgische Dynastie, ist ein sehr dynamisches Drama mit mehreren Peripetien gewesen. Dies weckt immer das Interesse sowohl der breiteren Öffentlichkeit als auch der Historiker selbst und spornt ständig zu neuen Interpretationen an. Zu den alten Fragen gesellen sich neue hinzu. Mit anderen Worten, es handelt sich um eines der schicksalhaften Ereignisse Mitteleuropas, die stets wieder neu thematisiert werden, obwohl man kaum mit bedeutenden neuen Fakten arbeiten kann 1. Für *
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Diese Studie entstand in Rahmen des Forschungsvorhabens MSM 0021620827 - Die Böhmischen Länder inmitten Europas in der Vergangenheit und heute, dessen Träger die Philosophische Fakultät der Karlsuniversität ist. Für die sprachliche Durchsicht bin ich Frau Karin Polı´vkova´ Warta und Herrn David Wirmer für sprachliche Hilfe sowie sachliche Impulse zu aufrichtigem Dank verbunden. Allein die grundlegende und neuere deutsche und polnische, besonders jedoch tschechische Literatur zu dieser Umbruchszeit könnte mehrere Petitdruckseiten füllen. Deshalb wird hier nur die repräsentative Auswahl der maßgeblichen beziehungsweise neuen Literatur geboten, die auch weiterführende bibliographische Angaben bringt: J. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II. 1, 2, Prag 19351939; J. Zˇemlicˇka, Prˇemyslovci. Jak zˇili, vla´dli, umı´rali, Prag 2005, besonders 346 sqq.; id., Stoletı´ poslednı´ch Prˇemyslovcu˚, Prag 21998; V. Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny zemı´ Koruny cˇeske´ 3, PragLitomysˇl 2002; cf. dazu die Rezension von R. Antonı´n in: Cˇasopis Matice moravske´ 122 (2003), 239-247; L. Bobkova´, Velke´ deˇjiny zemı´ Koruny cˇeske´ 4a, Prag-Litomysˇl 2003; K. Bosl (ed.), Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, vol. 1, Stuttgart 1967; F. Prinz, Böhmen im mittelalterlichen Europa, München 1984; J. K. Hoensch, Geschichte Böhmens, München 21997; B. Nowacki, Czeskie roszczenia do korony w Polsce 1290-1335, Poznan´ 1987; A. Barciak, Czechy a ziemie południowej Polski w XIII oraz w pocza˛tkach XIV wieku, Kattowitz 1992. Ausdrücklich ist auf die Portraits der hier in Betracht kommenden böhmischen Könige in M. Ryantova´/P. Vorel (eds.), Cˇesˇtı´ kra´love´, Prag-Litomysˇl 2008 hinzuweisen, nämlich Wenzel II. (Beitrag von K. Charva´tova´, 117-129), Wenzel III. (Beitrag von K. Mara´z, 131-143), Rudolf I.
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die angeführte Zeit ist es kaum möglich, neue relevante Sachverhalte zu entdekken, weshalb im Folgenden mit der Darstellung der maßgeblichen Fakten eher gespart werden soll, ja gespart werden muß, um nicht das allgemein Bekannte unnütz zu wiederholen. Doch kann man der elementaren Faktographie nicht völlig ausweichen. Ob es im folgenden Versuch gelingt, eine vielleicht ein wenig differenziertere Sicht auf die Zusammenhänge zu gewinnen und auf diese Weise andere Akzente zu setzen, als sie in der Historiographie bisher verbreitet sind, wage ich nicht zu entscheiden. Der Untertitel der folgenden Überlegungen könnte auch - und vielleicht überzeugend dramatischer - heißen: Von der mitteleuropäischen Großmacht der letzten Prˇemysliden durch politischen und wirtschaftlichen Verfall des Landes zum wichtigen und zugleich dynamischen gesamteuropäischen Phänomen. Denn die Ereignisse dieser Jahre haben in ihren Konsequenzen zur jahrhundertelangen Personalunion - freilich mit gewissen Unterbrechungen - des Böhmischen Königreichs und des Römischen Reiches geführt. Diese Formulierung scheint zwar auf den ersten Blick in einem gewissen Widerspruch zum Untertitel dieses Beitrags zu stehen, doch wird sich hoffentlich zeigen, daß dieser nur scheinbar besteht. Dieser Klärung und Interpretation sollen folgende Zeilen gelten.
I. Quellenlag e Die heimische böhmische spätmittelalterliche Historiographie besitzt für die hier interessierende Zeit zwei ganz hervorragende Werke, deren Autoren die miterlebte Zeitgeschichte beschrieben, kommentiert, ja zum Teil mitgestaltet haben. Beide reflektieren in ihren Werken die kritischen Jahre des beginnenden 14. Jahrhunderts als engagierte Zeitzeugen unterschiedlicher sozialer Stellungen und - sit venia verbo - noch unterschiedlicherer Weltanschauungen. Der erste schrieb wohl im zweiten Jahrzehnt, der andere, jedoch hoch betagt, kontinuierlich im Laufe des ersten Drittels des 14. Jahrhunderts. Der erste ist der anonyme, vielleicht laikaler Verfasser eines gereimten alttschechischen Werkes von mehr als hundert Kapiteln, der durch ein Versehen des frühbarocken Herausgebers den Namen ,Dalimil‘ erhalten hat. Mit gewisser Beharrlichkeit wird er unter diesem Namen (meist mit der Bezeichnung „sogenannt“, jedoch öfter auch ohne) in der Geschichtsforschung und mehr noch in der tschechischen Literavon Habsburg (Beitrag von R. Antonı´n, 147-153) und Heinrich von Kärnten (Beitrag von R. Antonı´n, 155-168), stets mit orientierender Grundbibliographie am Schluß des Bandes (575 sqq.). Siehe auch die entsprechenden Stellen der Dynastien-„Biographien“ von F. Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart 21994 und J. K. Hoensch, Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437, Stuttgart 2000.
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turgeschichte traktiert 2. Der zweite hingegen war Petrus von Zittau, ein hochgebildeter Geistlicher und zisterziensischer Mönch, der von einem niederen Posten nicht nur zum Abt des vornehmen Zisterzienserklosters Königsaal (Zbraslav) in der Nähe von Prag avancierte, sondern trotz eines dreimaligen Thronwechsels jahrelang auch zu den vertrautesten geistlichen Beratern der böhmischen Regierungsspitze gehörte 3. Das von seinem Vorgänger, dem Königsaaler Abt Otto, begonnene Werk hat erst er zur berühmten ,Königsaaler Chronik‘ mit 179 Kapiteln in drei Büchern ausgebaut. So entstand ein Werk, das für die gesamte mitteleuropäische Geschichte eminente Bedeutung besitzt. Die böhmischen Ereignisse dieser Zeit sind wegen ihrer Wichtigkeit und ihres grenzübergreifenden Kontextes freilich auch Gegenstand des Interesses der zeitgleichen Chronistik so gut wie aller Nachbarländer gewesen. Diese bringt jedoch kaum eine nennenswertere Faktographie, sondern eher Vermutungen, Gerüchte und subjektive Stellungnahmen aus ihrem jeweiligen Blickwinkel. Doch sollen alle diese Werke - heimisch oder fremd - mit ihrem unterschiedlichen Informationswert und der Einschätzung des Geschehens in Böhmen nicht im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen stehen, wohl aber, sofern relevant, stets mitreflektiert werden, da sie als gewisses Memento für das Jahr 1308 und sein zeitliches Umfeld Bedeutung haben. Dasselbe soll auch für das wohl noch wichtigere diplomatische Material gelten. Auch ist hier kein Platz für umfassendere quellenkundliche Forschungen, so daß ich nur die unmittelbaren urkundlichen Aktivitäten der in Betracht kommenden Herrscher kurz zusammenfasse, da eben diese Zahlen und das inhaltliche Profil dieser Gattung nicht ohne Belang sind. Für die folgende statistische und den Rechtsinhalt betreffende Auswertung dieses Materials mit dem Ziel, erste charakteristische Merkmale sichtbar zu machen und vorläufige Schlüsse zu ermöglichen, soll zum Vergleich auch Wenzel II. mit berücksichtigt werden 4. Damit kommt Urkundengut der beiden letzten Prˇemysliden (Wenzel II. 12831305 und Wenzel III. 1305-1306), des Habsburgers Rudolf I. (1306-1307) und des Kärntners Heinrich (1306/1307-1310) in Betracht. Die Urkunden Johanns von Luxemburg (1310-1346) liegen - mit einer einzigen Ausnahme schon jenseits des Horizonts unseres Interesses 5. 2
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Eine kritische Edition liegt vor: J. Danˇhelka [e. a.] (eds.), Starocˇeska´ kronika tak rˇecˇene´ho Dalimila, 2 vols., Prag 1988; cf. auch den abschließenden umfangreichen Kommentar und historiographischen Abriß von M. Bla´hova´ in vol. 3, Prag 1995. Der Wichtigkeit des Werkes entspricht auch die ausgedehnte Literatur. Hier genügt der Hinweis auf den neuesten Titel: K. Charva´tova´, Chronicon Aulae Regiae jako kla´sˇternı´ kronika, in: Marginalia historica 5 (2002), 307-355. Zu seiner Persönlichkeit cf. Petr Zˇitavsky´, Opat zbraslavske´ho kla´sˇtera (1316-1339), in: Sbornı´k Spolecˇnosti prˇa´tel starozˇitnostı´ 2 (1991), 87-107. Zu Wenzel II. und Wenzel III. ist der Anhang des Aufsatzes von M. Pojsl/I. Rˇeholka/L. Sulitkova´, Panovnicka´ kancela´rˇ poslednı´ch Prˇemyslovcu˚ Va´clava II. a Va´clava III, in: Sbornı´k archivnı´ch pracı´ 24 (1974), 352-365, 362 sqq. benutzt worden, für Heinrich dann der Anhang zu A. Haas, Cˇeska´ kra´lovska´ kancela´rˇ za Jindrˇicha Korutanske´ho (Zpra´vy Cˇeske´ho zemske´ho archivu 9), Prag 1947, 36 sqq. (zitiert nach dem Sonderdruck). Es handelt sich um die Urkunde Johanns vom 6. Dezember 1311 (Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae, ed. J. Emler, vol. 3, Prag 1890, no. 49), in der steht, daß er
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Aus dem letzten Lustrum der Regierungszeit Wenzels II. gibt es 57 bekannte Urkunden 6, also im Durchschnitt etwa zwölf Texte pro Jahr (meist für Böhmen, ab 1301 zum gewissen Teil auch für Polen), bei seinem Sohn während der ihm gegönnten dreizehn Monate um 27 Stück; im Durchschnitt sind es also 25 pro Jahr. Von Heinrich von Kärnten liegen aus drei Jahren 35 Urkunden vor, also ziemlich genau elf pro Jahr, wobei im Jahr 1308 bloß sieben Stück zu verzeichnen sind 7. Die Lage bei Rudolf ist undeutlich. Eigentlich sind aus seiner böhmischen Regierungszeit außer zwei erhaltenen und einem erschlossenen Stück nur ein paar mehr oder weniger deutliche Anspielungen auf Güterschenkungen an etliche böhmische Adelige bekannt, die sich kaum quantifizieren lassen. So scheint es, daß unter Heinrich eine relativ große Zahl von Urkunden ausgestellt wurde, doch bei näherer Betrachtung, muß man von dieser Annahme Abstand nehmen. Denn sechs Urkunden sind für auswärtige Dynasten bestimmt, acht gelten fremden Adeligen, zwei betreffen das Tiroler Prämonstratenserstift Wilten und eines den Deutschritterorden. Die Zahl von sieben Urkunden für die heimischen Städte trügt, denn die meisten (vier Stück) betreffen Znaim, Stadt und Pfarrkirche. Bei näherer Analyse zeigt sich, daß drei der Urkunden eigentlich bei einem einzigen Aufenthalt in der Stadt beziehungsweise in Iglau ausgestellt wurden, wobei zu ihnen auch die Urkunde Raimunds von Lichtenburg zu rechnen ist, die im Namen Heinrichs der Stadt Znaim nur ein paar Tage vor der eben erwähnten Gruppe und sicher
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„post introitum civitatis Pragensis primum publico judicio […] presentibus domino Petro, Maguntino archiepiscopo et […] domino Bertholdo de Hennenberch“ und vielen anderen „presedisset […] sentenciavit, ut omnia privilegia, instrumenta et litere, que regnante predicto principe domino Heynrico, duce Karinthie, in Boemia confecte, scripte et sigillis quibuscunque sigillate seu roborate fuerunt, casse, irrite et vane esse debeant de cetero et nullius vigoris penitus seu valoris“. Obwohl dies sicher nicht im vollen Umfang gemeint war (man spricht nämlich in der Narration darüber, daß dieser Erlaß aufgrund „de hiis, qui marchionem Misnensem cum sua potenti comitiva Pragensem civitatem sub tempore […] domini Heynrici, ducis Karinthie, immiserant in grande et graue civitatis nostre predicte dispendium preiudicium et gravamen“ verkündet wurde), kann dies heißen, daß mehr diplomatisches Material als sonst verloren ging beziehungsweise kassiert wurde. Da der Text nur im Prager Stadtbuch und nicht in einer Urkundenform vorkommt, ist es möglich, daß diese ganz allgemeine Formulierung nicht völlig authentisch ist. Nichtsdestoweniger haben wir in einer der Znaimer Urkunden Heinrichs einen Beleg dafür, daß es auch in der Praxis der Fall war. Es heißt dort buchstäblich (Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae, ed. J. Emler, vol. 2, Prag 1882, no. 2158), daß „cives ipsos et civitatem Znoymensem eisdem et similibus iuribus, graciis et libertatibus quale […] per nos civibus et civitati nostre Pragensi sunt concesse“, über die sonst keine Spur zu finden ist. Von diesen sollte man eigentlich neun Texte abziehen, die sich auf Wenzels Regierungszeit als König von Polen beziehen, so daß die Durchschnittzahl auf zehn sinkt. Auch hier sollte rund ein Drittel der Texte abgerechnet werden, da es sich nicht nur um fremde Empfänger, sondern um Rechtsakte handelt, die nicht aus Heinrichs böhmisch-königlicher Kompetenz abzuleiten sind. Dazu ist jedoch anzumerken, daß Johann von Luxemburg nach seinem Antritt in Böhmen alle Urkunden und Briefe aus der Regierungszeit Heinrichs von Kärnten für nichtig deklariert hat, was sicher dazu beigetragen hat, daß insbesondere Heinrichs Urkunden bei den Empfängern für nicht aufbewahrungswürdig befunden wurden (cf. Regesta diplomatica, vol. 3 [nt. 5], no. 49). Der Interpretation dieses interessanten Textes möchte ich mich an anderer Stelle widmen.
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bei gleicher Gelegenheit ausgestellt wurde 8. Ansonsten weiß man über je eine Urkunde für die Pfarrkirche in Cˇa´slav und die Städte Leitmeritz und Pisek (Privilegien und Schutzerklärung), während die Mehrzahl der Städte, wohl aus dem oben angeführten Grund, unerwähnt bleibt, so daß die tatsächliche Zahl der für das Königreich bestimmten Stücke ein wenig größer sein könnte. Das Gesamturteil kann dies jedoch kaum ändern. Auch der heimische Adel wird selten erwähnt: Zweimal ist Raimund von Lichtenburg und einmal Heinrich von Rosenberg vertreten. In beiden Fällen handelt es sich um Burgschenkungen beziehungsweise bei Raimund zusätzlich um eine Geldüberweisung. Zwei Urkunden über die Versetzung finanzieller Unterstützungen gelten dann den Prager Bürgern. Der in doppelter Ausfertigung ausgestellte Schadensersatz an den Prager Bischof Johann IV. von Draschitz und das Kapitel ist neben dem Befehl an Johanns Olmützer Kollegen, Bischof Johann VI., eine bestimmte Streitlösung bis zu seinem Einzug nach Mähren zu verschieben, sind die einzigen Zeugnisse für den Kontakt mit der heimischen Hierarchie. Die böhmischen Ordensniederlassungen kommen nur zweimal zu Wort: Für das zisterziensische Sedletz ist es eine königliche Protektion, im Falle des Klosters Sderas handelt es sich um die Bestätigung einer Gütertransaktion. In jedem Fall ist also auf den ersten Blick zu sehen, daß die böhmischen Urkunden Heinrichs nur knapp die Hälfte der Texte darstellen, wobei ihre Inhalte meist von der schweren ökonomischen Lage des Herrschers zeugen. Mit anderen Worten, sie sind keine Zeugnisse seiner systematischen, ja auch nur ein wenig systematischeren Regierungsaktivität 9, wenngleich man das oben erwähnte Mandat Johanns und dessen Nichtigkeitserklärung bezüglich der Urkunden Heinrichs zu Beginn seiner Regierungszeit nicht vergessen darf 10. Doch müssen zwei ,Neuerungen‘ in Heinrichs Kanzlei erwähnt werden: einerseits hinsichtlich der in der Kanzlei benutzten Sprachen, vornehmlich freilich bei der Abfassung des ausgelieferten Schriftgutes, andererseits Neuerungen in bezug auf die innere Ordnung der Kanzlei. Beide Phänomene müssen kurz besprochen werden. Auf den ersten Blick sagen sie nur wenig über die in den Jahren nach dem Tode Wenzels II. herrschende Unsicherheit im Lande aus. Auf der anderen Seite können sie als Ausdruck von Veränderungen in der zentralen Verwaltungseinrichtung des Landes angesehen werden, besonders was das relativ massive Eindringen der Nationalsprache (deutsch) sowie Anläufe zur Aktenführung in der Königskanzlei Heinrichs betrifft. Inwiefern bedeuten diese Momente einen Fortschritt für die böhmische Königskanzlei als solche 11? 8
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Regesta diplomatica, vol. 2 (nt. 5), no. 2154. Haas bezieht in seiner Arbeit diese Urkunde, wie auch das Deperditum Heinrichs für Prag nicht mit ein. Diese Urkundengruppe verdient eine nähere Untersuchung. Diese Einsicht fehlt bei Haas, Cˇeska´ kra´lovska´ kancela´rˇ (nt. 4), 27. Cf. nt. 5. Cf. Haas, Cˇeska´ kra´lovska´ kancela´rˇ (nt. 4); J Gebauer, Neˇktera´ akta z kancela´rˇe Jindrˇicha Korutanske´ho, in: Veˇstnı´k Kra´lovske´ cˇeske´ spolecˇnosti na´uk, Trˇ´ıda historicka´, Prag 1908.
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In der Prˇemyslidenzeit wurde in Böhmen - mit ganz wenigen und vereinzelten Ausnahmen im Bereich der Adelsurkunde - nur die lateinische Sprache benutzt 12. In der Herrscherkanzlei gilt heute als erstes deutschsprachiges Stück die mehr als nur verdächtige Urkunde Rudolfs I. vom Tag nach seinem Tod 13. Da in der Kanzlei Johanns von Luxemburg die deutsche Sprache bald, ja von Anfang an eine ziemlich große Verbreitung fand, könnte man meinen, daß hier Heinrichs Kanzlei wenigstens in gewissem Sinne als Vorbild beziehungsweise als Vermittler fungiert hat. Dies scheint jedoch auf Grund des oben Gesagten wenig wahrscheinlich, da die nationalsprachigen Beurkundungen im Westen des Reiches, wo Johann herkam, bereits weit verbreitet waren 14 und die Verwendung der deutschen Sprache daher eher auf diese Einflüsse zurückgeführt werden kann. Auch im Hinblick auf die Frage nach der Einführung von internen Neuerungen in die Kanzlei Johanns ist eine Vermittlerfunktion der Kanzlei Heinrichs eher als unwahrscheinlich anzusehen. Denn eigene Register sind in ihr nicht belegt, und Akten des internen Kanzleiumlaufs sind wenigstens zum Teil schon unter den letzten Prˇemysliden zu suchen, vornehmlich was das Rechnungswesen betrifft 15. Auf der anderen Seite war die Registerführung im Rheinland in dieser Zeit ebenfalls kein ,böhmisches Dorf‘, so daß das Kammerregister Johanns vom Anfang seiner Regierung (1312), das als Fragment erhalten ist, keineswegs durch Heinrich inspiriert werden mußte 16. Auch was die Kontinuität des Kanzleipersonals betrifft, darf man den Spitzenleuten in diesem Kontext keine allzu große Bedeutung beimessen, da die meiste Arbeit von den aus den alpinen Landen stammenden Notaren geleistet wurde. Man kann also diesen kleinen Exkurs so zusammenfassen, daß es sich im Fall der Kanzlei Heinrichs um keinen stabilisierenden Faktor der böhmischen Landesverwaltung gehandelt hat, ja nicht handeln konnte. Übrigens galt diese Zeit, wenigstens in Mitteleuropa, in gewissem Sinne als eine Umbruchszeit, in der die Verschriftlichung verschiedener Rechts- und Verwaltungsakte auf allen gesellschaftlichen Ebenen rapide zunahm 17. 12
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Diesbezüglich ist vornehmlich auf meine Zusammenfassung hinzuweisen: I. Hlava´cˇek, Dreisprachigkeit im Bereich der Böhmischen Krone: Zum Phänomen der Sprachbenutzung im böhmischen diplomatischen Material bis zur hussitischen Revolution, in: A. Adamska/M. Mostert (eds.), The Development of Literate Mentalities in East Central Europe (Utrecht Studies in Medieval Literacy 9), Turnhout 2004, 289-310, besonders 296 sqq. Ibid. 297. Neben mehreren Aufsätzen in den ersten Jahrgängen des Archivs für Diplomatik, die in meiner Studie (nt. 12) erwähnt werden cf. K. Gärtner (ed.), Skripta, Schreiblandschaften und Standardisierungstendenzen. Urkundensprachen im Grenzbereich von Germania und Romania im 13. und 14. Jahrhundert (Trierer Historische Forschungen 47), Trier 2001. Es ist überraschend, daß dieses Phänomen in der Arbeit von Pojsl/Rˇeholka/Sulitkova´, Panovnicka´ kancela´rˇ (nt. 4) nicht nur nicht besprochen, sondern gar nicht berührt wurde. Cf. zusammenfassend V. Vojtı´sˇek, Prazˇsky´ zlomek komornı´ho registra kra´le Jana z roku 1312, in: id. (ed.), Vy´bor rozprav a studiı´, Prag 1953 [Erstveröffentlichung 1931], 367 sqq. Es genügt der Hinweis auf den wichtigen Aufsatz von H. Patze, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in: id. (ed.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, vol. 1 (Vorträge und Forschungen 13), Sigmaringen 1970, 9-64.
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Man kann als eine Art Lackmuspapier für die überregionalen Kontakte auch das kuriale Material hinzuziehen, das nun in moderner Bearbeitung (bisher leider nur für die Zeit ab 1305/1306) zur Verfügung steht. Da lohnt es sich zu konstatieren, daß für unser Lustrum, also für die Jahre 1306 bis Anfang Dezember 1310, 45 päpstliche Texte von und über Böhmen existieren. Von diesen waren 23 entweder direkt für böhmische Empfänger bestimmt oder haben von böhmischen Präbenden gehandelt. Die übrigen betreffen Gehälter aus Böhmen und verschiedene Silesiaca. Für das Jahr 1308 registriert man neun Stück. Unter ihnen sind nur vier für böhmische Empfänger bestimmt; sie sind jedoch von großer Bedeutung, da unter ihnen zwei Bullen sind, in denen unter anderem dem Prager Bischof (jedoch unverständlicherweise nicht dem Olmützer) befohlen wird, die Mitglieder des Templerordens zu verhören, und die Beschlagnahme der Güter der Templer angeordnet wird 18. Zwei weitere Mandate gelten als Einladungen zum Konzil in Vienne, wo die Templerfrage gelöst werden sollte 19. Die erste von ihnen ist aus unserer Sicht wichtig, da sie sich an den böhmischen König wendet. Dieser wird aber im kurialen Registereintrag im Unterschied zu vielen anderen eingeladenen Königen, die mit Namen genannt werden, ähnlich wie die skandinavischen Könige bloß mit seinem Titel bezeichnet. Das heißt wohl, daß man über die böhmischen Verhältnisse an der Kurie keine genaue Vorstellung besaß. Auf der anderen Seite ist es fraglich, ob diese Einladung überhaupt am königlichen Hof eintraf. So machten etwa auch die an den Prager Bischof dies war damals Johann IV. von Draschitz - gerichteten Papsturkunden verschiedene Umwege: Sie sind weder im zuständigen Archiv vorhanden, noch werden sie in der sonst sehr gut informierten ,Königsaaler Chronik‘ erwähnt 20. Das deutet darauf hin, daß der in Frankreich gestartete Prozeß vorläufig, das heißt im Jahr 1308 und wohl mindestens noch am Anfang des folgenden Jahres, in Böhmen wenig Nachhall fand; was auch das Schweigen heimischer narrativer Quellen beweist 21. So fügt Petrus von Zittau erst die Auflösungsbulle des Templerordens von 1312 in sein Werk ein. An einer anderen Stelle, die erst in die Regierungszeit Johanns gehört, äußert er sich dann eindeutig und kompromißlos gegen das päpstliche Urteil und über die schmutzigen Gründe der Aufhebung des Ordens. Der sogenannte Dalimil erwähnt die Templer überhaupt nicht, wobei jedoch angemerkt werden muß, daß er den kirchlichen Verhältnissen überhaupt nur wenig Aufmerksamkeit widmet. Darüber hinaus existiert noch eine 18
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Monumenta Vaticana res gestas Bohemicas illustrantia. Tomus prodromus, ed. Z. Hledı´kova´, Prag 2002, nos. 26 sq. Ibid., nos. 28 sq. No. 28 findet sich mit Hinweis auf einen älteren Druck unter anderem schon bei B. Dudı´k, Iter Romanum, vol. 2, Wien 1855, 82. Das überrascht um so mehr, da Petrus von Zittau das diplomatische Material mit großem Vergnügen in seine Chronik aufnahm. Cf. dazu I. Hlava´cˇek, Kronika zbraslavska´, listiny a diplomatika, in: Proble´my deˇjin historiografie I. Acta Universitatis Carolinae. Philosophica et historica 2 (Studia historica 21), Prag 1981, 125-142. Die bisherige Literatur- und Quellenlage findet sich verläßlich zusammengefaßt bei L. Jan, Cˇejkovice 1248-1998, Cˇejkovice 1998, 33-60.
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Urkunde vom 24. Februar 1309, in der ein böhmisch-mährisch-österreichischer Komtur namens Ekko augenscheinlich noch als Ordensfunktionär über die Ordensgüter in Österreich disponiert 22. Deshalb läßt sich wohl zusammenfassend sagen, daß die päpstlich-französischen Maßnahmen gegen die Templer zuerst nur geringen Widerhall fanden und die Ordensmemoria im böhmischen Königreich im allgemeinen wahrscheinlich relativ schwach waren. Das Vermögen des Ordens ging dann ziemlich fließend an die Johanniter über, obwohl sich auch in Prag selbst eine wichtige Ordenskommende befand. II. Die Lag e in Böhmen 1308 Aber zurück zur Sache, das heißt zur Schilderung der Schlüsselereignisse des Jahres 1308. Zuerst eine Bemerkung zur römischen Königswahl dieses Jahres, deren Wichtigkeit für das Königreich Böhmen aus ihrer faktischen historischen Unbewußtheit gehoben werden soll. Sie wird nämlich in den historischen Handbüchern wie auch im Gemeinbewußtsein in gewissem Sinne - und auf den ersten Blick auch verständlicherweise - durch die ,lesbaren‘ schicksalhaften Ereignisse der Jahre 1306 und 1310 verdrängt. Nach der Ermordung des römischen Königs Albrecht I. durch seinen Neffen Johann am 1. Mai 1308 verging gut ein halbes Jahr, bis es zur neuen Königswahl kam 23. In diesem Fall weitete sich eine private, ja familiäre Angelegenheit zu einer mehr oder weniger schicksalhaften Affäre für das gesamte Reich aus. Die genauen Umstände brauchen hier nicht skizziert zu werden, da diesbezüglich auf die allgemeine Literatur sowie auf etliche Beiträge dieses Bandes verwiesen werden kann 24. Unsere Aufmerksamkeit gilt im folgenden nur den böhmischen Konnotationen, die den Tätern freilich überhaupt nicht in den Sinn kamen, die für das böhmische Königreich jedoch in kurzer Zeit verhängnisvoll werden soll22
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Ibid. 55; L. Jan, Templa´rˇi v Cˇejkovicı´ch, in: Sbornı´k pracı´ Filozoficke´ fakulty Brneˇnske´ univerzity, Reihe C, vol. 47 (2000), 47-69; id., Pu˚sobenı´ a struktura templa´rˇske´ho rˇa´du v Cˇecha´ch a na Moraveˇ, in: J. Mita´cˇek (ed.), Ad musealem laborem. PhDr. Slavomı´ru Brodesserovi k sˇedesa´ty´m pa´ty´m narozenina´m, Brno 2005, 23-29. Die großen und grundlegenden Werke, wie Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II. 1 (nt. 1) und Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny (nt. 1) beinhalten nur ganz knappe Informationen. Zum Problem der Ermordung des Herrschers in Europa cf. R. von Friedeburg (ed.), Murder and Monarchy. Regicide in European History, 1300-1800, New York 2004, obwohl dort der Prˇemyslide überhaupt nicht und Albrecht I. nur mit einem Wort erwähnt wird; M. Kintzinger/ J. Rogge (eds.), Königliche Gewalt - Gewalt gegen Könige. Macht und Mord im spätmittelalterlichen Europa (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 33), Berlin 2004, insbesondere den Aufsatz von J. Rogge; A. Hessel (ed.), Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Albrecht I. von Habsburg, vol. 1, München 1931. Cf. nt. 1 und M. Heidemann, Heinrich VII. (1308-1313). Kaiseridee im Spannungsfeld von staufischer Universalherrschaft und frühneuzeitlicher Partikularautonomie (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 11), Warendorf 2008, wo jedoch die politischen Ereignisse nur in den Einführungskapiteln knapp behandelt werden. Ansonsten cf. vornehmlich die Beiträge von B. Kurmann und M. Bla´hova´ in diesem Band.
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ten. Niemand war im Stande, die Reichweite der Auswirkungen abzuschätzen, wenngleich in Böhmen sofort ein gewisses Aufatmen zu verzeichnen war. Denn Albrechts Garnisonen im Lande, die den Habsburgern nach Rudolfs Tod den böhmischen Thron erkämpfen sollten, wurden zuerst verunsichert und waren schließlich gezwungen, mit Schande das Land zu verlassen. Die weiteren Folgen von Albrechts Tod für das böhmische Königreich hat aber niemand geahnt und auch nicht ahnen können. Die internationale Stellung König Heinrichs (man könnte eher über einen Scheinkönig sprechen) und folglich auch des Landes selbst charakterisiert wohl nichts besser als die Tatsache, daß er an der Wahl des neuen römischen Königs nicht teilnahm, obwohl er als Kurfürst, also als einer der sieben höchsten Würdenträger des Reiches und damit als Königswähler, theoretisch dazu verpflichtet war. Sein Nichterscheinen wird für seine mehr als schwache innenpolitische Stellung um so symptomatischer, wenn wir wissen, daß er in der Vorbereitungsphase dieser Wahl vom französischen König mit einem vom 9. Juni datierten Brief um Unterstützung für die Kandidatur Karls von Valois gebeten worden war. Freilich spielten noch viele Nebenmotive eine Rolle, sowohl objektive (es fehlte ihm die Königskrönung) als auch subjektive (unter anderem eine Verabredung mit Friedrich von Habsburg), doch scheint mir die Schwäche seiner außenpolitischen Stellung das wichtigste zu sein 25. Was die beiden obenerwähnten Chroniken betrifft, die einzigen böhmischen Berichte dieser Tat, die wir besitzen, so ist zu sagen, daß der sogenannte Dalimil Albrechts Ermordung lobt, da er seinen böhmischen Raubfeldzug verdammt 26. Allgemeinere Zusammenhänge interessieren ihn nicht. Im Unterschied zu dieser emotionalen, obgleich wortkargen Schilderung beschreibt Petrus von Zittau die Tat und ihre Folgen bedeutend ausführlicher und - schon mit gewissem zeitlichem Abstand - im Hinblick auf die breiteren politisch-militärischen Konsequenzen, doch weitgehend sine ira et studio, obwohl er die Schattenseiten der Regierung Heinrichs von Kärnten schon von Anfang an gut kannte und düster beschrieb 27. Es lohnt sich, eine aus seiner Chronik entnommene Episode wiederzugeben, da sie zugleich die Unsicherheit und Anarchie, ja den Verfall des Landes an einer alltäglichen Geschichte eben aus dem zweiten Lustrum des 14. Jahrhunderts anschaulich demonstriert. Auf diese Weise verdeutlicht sie mehr als große Analysen und statistische Auswertungen des Materials das oben angedeutete Bild und zeugt zugleich scharf und deutlich von den rohen Verhältnissen des Alltagslebens während des zwar nicht formellen, jedoch tatsächlich bestehenden Interregnums. Die Chronik beschreibt die Besatzung von Peters 25 26
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Dazu besonders treffend Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II. 2 (nt. 1), 67 sqq. Das Kapitel 101 trägt die Überschrift: „Über den römischen König Albrecht, den Feind (beziehunsgweise Mörder) der Tschechen.“ Königsaaler Chronik I. 86, in: Fontes rerum Bohemicarum, vol. 4, ed. J. Emler, Prag 1874. Man darf jedoch nicht vergessen, daß beide Autoren erst post festum, das heißt nach der Installierung der luxemburgischen Dynastie in Böhmen, geschrieben haben und möglicherweise von diesem Umstand beeinflußt worden sind.
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Kloster Königsaal durch die Truppen eines böhmischen hochadeligen Kondottiere und später wichtigen Landesbeamten namens Wilhelm Hase von Waldeck während des Interregnums und zitiert die folgende ,direkte‘ Rede eines von Wilhelms „Halunken“ (quidam predo pessimus). Ihr Wortlaut stammt zwar mit Sicherheit aus der Feder des Chronisten selbst, jedoch ist sie ebenso gewiß symptomatisch für die mehr als chaotischen, ja dem Verfall entgegen galoppierenden Verhältnisse im Lande nach dem gewaltsamen Tode des letzten Prˇemyslidenkönigs Wenzel III. und nach der mehr oder weniger bloß scheinbaren Regierungszeit Rudolfs. Vor dem Grab König Wenzels II. solle dieser Mann nämlich gesagt haben: „Während deines Lebens, o König, haben wir keinen Raub gewagt, jetzt dagegen können wir alles tun, was uns gefällt.“ 28 Solche Episoden ereigneten sich im damaligen Böhmen sicher am laufenden Band und nahmen auch Formen an, die direkt die höchste staatliche Ebene betrafen, wie der bisher kaum vorstellbare Zusammenstoß der Prag-Kuttenberger Patrizier mit dem heimischen Hochadel 29. Durch sie wurde das Land zunehmend auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens ruiniert, da die schwache Raubherrschaft Heinrichs von Kärnten - den zaghaften (und freilich gescheiterten) Versuchen um eine gewisse Beruhigung des Landes zum Trotz - nicht imstande war, der waltenden Misere ein Ende zu machen. Aber eben dies war Anstoß zum Wandel. III. Die inter nationale Stellung Böhmens vor und im Jahr 1308 Ein Exkurs in eine frühere, aber nur scheinbar entfernte Zeit kann Vergleichsmaterial dafür an die Hand geben, sich eine konkretere Vorstellung von der Situation zu machen, die nach dem Aussterben der Prˇemysliden entstanden war. Wir müssen also etliche Jahrzehnte zurückgehen 30. Nach der vernichtenden Niederlage Prˇemysls II. bei Dürrnkrut und Jedenspeigen verfiel sein Königreich in ein Chaos, das durch die folgende große Hungersnot noch um ein Vielfaches 28
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Königsaaler Chronik I. 83, in: Fontes rerum Bohemicarum (nt. 27), 105: „Te, o rex, vivente nullum ausi fuimus spolium committere, nullum ledere, nulli iniuriam presumpsimus inferre, nunc ecce, in pulvere doris, nunc putrescis, et nos vivimus et facimus, quod cuiuslibet eligit appetitu.“ Cf. auch J. Sˇusta, Cˇeske´ deˇjiny II. 1, Prag 1935, 662 (wo das Datum 1307 auf 1308 zu korrigieren ist) und 692. Dieser Streit ist mehrmals Gegenstand der Untersuchung gewesen; cf. neuerdings Vanı´cˇek, Velke´ deˇjiny zemı´ Koruny cˇeske´ 3. (nt. 1), 499 sq. Zusätzlich zur in nt. 1 angeführten Literatur cf. noch zwei völlig unterschiedlich konzipierte Werke: K. Charva´tova´, Va´clav II., kra´l cˇesky´ a polsky´, Prag 2007; L. Jan, Va´clav II. a struktury panovnicke´ moci, Brno 2006, dessen Buch heftige, ja erregte Polemik zwischen ihm und D. Trˇesˇtı´k/J. Zˇemlicˇka, in: Cˇesky´ cˇasopis historicky´ 105 (2007), 122-164 und 873-902 hervorgerufen hat, wo auch umfangreiche ältere Literatur zusammengefaßt ist. Die tschechischen Ansichten der deutschen Geschichtswissenschaft zu vermitteln versucht, nicht immer ganz ausgewogen, P. Rychterova´, Aufstieg und Fall des Prˇemyslidenreiches. Erforschung des böhmischen Früh- und Hochmittelalters in der gegenwärtgen tschechischen Mediävistik, in: Zeitschrift für historische Forschung 34 (2007), 629-647.
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verstärkt wurde. Das Land hatte keine Regierung, Prˇemysls unmündiger Nachfolger Wenzel II. wurde in Brandenburg interniert und konnte erst nach fünf Jahren wieder nach Hause zurückkehren. Allein durch sein Charisma als künftiger König konnte er das Land beruhigen und auf diese Weise die Verhältnisse allmählich in friedliche Bahnen lenken. Obwohl er kein Feldherr war 31, ist es ihm dennoch gelungen, seinen politischen Einfluß im gesamten ostmitteleuropäischen Raum durchzusetzen, und zwar zu Beginn insbesondere dank seines engen Kontakts zu Rudolf von Habsburg, dem Bezwinger seines Vaters, und anschließend zu dessen Sohn, dem römischen König Albrecht, der später gar zu seinem Schwager wurde. Dabei standen ihm nicht nur die neu entdeckten Silbergruben, sondern auch die fremden, lombardischen Fachleute zur Seite beides hing natürlich eng zusammen. Denn diese Spezialisten haben in seinem Namen nicht nur eine große Münzreform durchgeführt, sondern diese zudem im berühmten ,Ius regale montanorum‘ verankert. So konnte sich das Land wirtschaftlich und zum guten Teil auch politisch in überraschend kurzer Zeit stabilisieren 32. Hand in Hand damit gingen auch die Verwaltungsreformen und die Festigung der Zentralmacht, an der auch vornehme Geistliche des Reiches regen Anteil nahmen wie etwa Peter von Aspelt, der auch später eine wichtige Rolle spielen sollte. Des weiteren hat das Landgericht begonnen, systematischer zu amtieren. Darüber hinaus hat Wenzel die Entfaltung der kulturellen und kirchlichen Aktivitäten unterstützt und wollte gar in Prag eine Universität gründen. Was diesen letztgenannten Plan betrifft, konnte er jedoch die ablehnende Haltung des böhmischen Adels nicht überwinden, der sonst bisher nicht all zu deutlich (die Witigonen ausgenommen) als Gegenpol der Königsmacht hervorgetreten war 33. Es mag überraschen, daß das Land in relativ kurzer Zeit einen Ausweg aus der fatalen Lage fand. Das zeugt einerseits deutlich von der Stabilität der Grundstrukturen des Königreichs Böhmen. Genealogische Bindungen, die wirtschaftliche Kraft von Wenzels Königreich, der Zerfall der zentralen Macht in Polen, das Aussterben des ungarischen Arpa´denhauses im Jahre 1301, die verworrenen Verhältnisse in Teilen des Reiches und freilich auch die immanente Expansionslust - all das hat im Rahmen der großen Politik der Zeit mitgespielt. Zwar war dieses Expansionsstreben zur Zeit der Konstituierung der ostmitteleuropäischen Staatsgebilde um das Jahr 1000 in gewisser Hinsicht eine der wichtigsten Vorbedingungen ihrer Existenz, zur Zeit 31
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Der krasse Unterschied zwischen ihm und seinem Vater, den wir pointiert in Dantes ,Divina commedia‘ finden können, ist freilich mit großem Abstand zu betrachten. Cf. dazu K. Vra´tny´, Dante a Cˇechy, in: Dante a Cˇesˇi, Olomouc 1921, 124 sqq.; Z. Kalista, Rˇ´ısˇe prˇemyslovska´ v Dantoveˇ Bozˇske´ komedii, in: Strahovska´ knihovna 3 (1968), 61-80. G. Ch. Pfeiffer, Ius regale montanorum. Ein Beitrag zur spätmittelalterlichen Rezeptionsgeschichte des römischen Rechts in Mitteleuropa, Ebelsbach 2002. Über die entsprechenden Kontexte cf. die in nt. 1 angeführte Literatur. Es sei diesbezüglich auf den annähernd parallelen Fall Karls IV. um die Mitte des 14. Jahrhunderts hingewiesen, nämlich seine zurückgewiesene ,Maiestas Carolina‘ und die gelungene Universitätsgründung, wobei im Vergleich zu Wenzel allerdings die Vorzeichen wechseln.
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Wenzels II. aber kam ihm keine so große Bedeutung mehr zu. Doch zum Ehrgeiz und Splendor wohl jedes Monarchen gehörte es nach wie vor. Das polnische und ungarische ,Angebot des Jahrhunderts‘ gab Wenzel, obwohl er zugleich Minnesänger und Liebhaber subtiler theologischer Disputationen war 34, die willkommene, ja einmalige Chance, sich auf breiterem Feld durchzusetzen und auf diese Weise auch den Ruhm des Prˇemyslidenstammes zu erhöhen und dies sowohl im Römischen Reich als auch außerhalb seiner Grenzen. Anders formuliert, Wenzel konnte sich mit Anspruch auf Erfolg in die Verhältnisse dieser beiden erschütterten ostmitteleuropäischen Großmächte nicht nur einmischen, sondern sich dort zum Teil auch direkt als ein von der dortigen Führungsschicht berufener Friedensstifter etablieren. Die Folgen dieser allzu anstrengenden Großmachtpolitik ließen jedoch nicht lange auf sich warten, ja sie haben das Prˇemyslidenreich und seinen Herrscher vor ungeheure, so gut wie unlösbare Probleme gestellt und das Land als Ganzes letzten Endes in seiner Stabilität erschüttert. Die Lage im geteilten und lange Zeit geschwächten Polen konnte aus der Sicht jedes großen Machthabers der Zeit verführerisch und lockend erscheinen, so daß auch Wenzel diese Chance gerne wahrnehmen wollte 35. So nahm er den Ruf eines Teils des polnischen Adels an und wurde ab Anfang der neunziger Jahre Herzog von Krakau. Als dann der Namensvetter seines Vaters, Prˇemysl II. von Polen, im Jahre 1296 ermordet wurde, setzte sich Wenzel gar als polnischer König durch (Krönung 1300 in Gnesen), auch ohne ganz einhellig vom dortigen Adel auserkoren worden zu sein. Die Bemühungen, sich in ganz Polen durchzusetzen, hatten dann zur Folge, daß die unerschöpflich scheinenden Mittel von Wenzels Königreich sich doch relativ bald erschöpften. Dies um so mehr, als Wenzel seine kühne simultane Schachpartie in Ostmitteleuropa noch um ein Spiel auf dem ungarischen Schachbrett erweitert hatte. Dort operierte er auch im Namen seines Sohnes Wenzel III. Dieses Spiel gegen mehrere gleich- und höherrangige Gegner einschließlich des Papstes überstieg jedoch seine Kräfte. So ist es kaum verwunderlich, daß Wenzel sein großes mitteleuropäisches Spiel verlor und, als er inmitten dieser Probleme in recht jungem Alter verstarb, seinem Sohn ein schweres Erbe hinterließ. Äußeres Zeichen dessen war sein bürgerliches Sterbebett im Haus eines in der Prager Altstadt ansässigen Patriziers. 34
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Dazu besonders H.-J. Behr, Literatur als Machtlegitimation. Studien zur Funktion der deutschsprachigen Dichtung am böhmischen Königshof im 13. Jahrhundert, München 1989; V. Bok, Zu dichterischen Aufgaben und Intentionen mittelhochdeutscher Autoren im Dienst der letzten Prˇemyslidenkönige, mit weiterführender Literatur [im Druck]. Aus der modernen polnischen Literatur zu diesem Themenbeeich seien neben den schon genannten zumindest folgende Arbeiten angeführt: A. Barciak, Polityka czeska wobec ziem polskich za panowania ostatnich Przemys´lido´w i Jana Luksemburskiego, in: W. Fałkowski (ed.), Polska około roku 1300, Warschau 2003, 225-246; T. Jurek, Polska pod władza˛ obcego kro´la. Rza˛dy czeskie w latach 1291-1306, in: A. Marec/M. Wilamowski (eds.), Kro´l w Polsce XIV i XV wieku (Maiestas - Potestas - Communitas 1), Krakau 2006, 187-220; im gesamtpolnischen Kontext dann S. Szczur, Historia Polski. S´redniowiecze, Krakau 2006.
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Die durch Feuersbrunst um 1303 verwüstete Prager Burg blieb damals nämlich, zweifellos aus finanziellen Gründen, unrestauriert und jahrzehntelang bis zu den Bemühungen des jungen Karl IV. fast unbewohnbar, wobei sie als Zufluchtstätte in äußerster Not zwar benutzbar blieb, als Residenz eines Königs jedoch unwürdig war (das war das Patrizierhaus freilich auch). Jedenfalls war damit der erste Akt des dramatischen staatlichen Niedergangs Böhmens zu Ende. Der zweite, nicht weniger dramatisch, ließ nicht allzulange auf sich warten. Wenzels gleichnamiger Sohn, noch lange nicht zwanzig, trat zwar unangefochten die Thronfolge in Böhmen an, doch galt vornehmlich die außenpolitische Erbschaft seines Vaters als allzu schwer. Darüber hinaus fehlten dem jungen König Lebensweisheit und -erfahrung, so daß die Wenzel III. vom Schicksal zugemessenen rund dreizehn Monate selbständiger Regierung nicht eben glänzend ausfielen 36. Die über Böhmen hinausgreifende Politik des Vaters, in die er intensiv involviert worden war, konnte und wollte er nicht ganz aufgeben. Die Ansprüche auf Ungarn hatte zwar schon sein Vater aufgegeben, Polen jedoch wollte Wenzel III. gegen Władisław Łokietek für das Königreich beziehungsweise eher für die Prˇemyslidendynastie retten. Dies ging nur mit militärischer Macht. Der Ausgang des Versuches ist wohlbekannt. Mit Wenzels gewaltsamem Tod in Olmütz am 4. August 1306 zerfiel nicht nur der geplante und eben beginnende Heereszug, sondern bald darauf weitgehend auch die sonst funktionsfähige Staatsverwaltung des eigenen Landes. Die polnische Krone zu verteidigen, davon konnte man jetzt nur noch träumen, obwohl es erst Johann von Luxemburg war, der diesen Titel in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts gegen polnische Zugeständnisse aufgab 37. Der Tod des kinderlosen Prˇemysliden hat den Kampf um das Königreich Böhmen in Gang gesetzt. Die Situation ähnelte derjenigen ein Vierteljahrhundert zuvor, wobei sich diesmal kein unangefochtener Kandidat präsentierte. Der Tod des böhmischen Herrschers im Jahre 1306 bedeutete darüber hinaus das Erlöschen der seit mehr als 400 Jahre regierenden Prˇemyslidensippe im Mannesstamme. So etwas bedeutete im mittelalterlichen Staatsdenken stets einen Bruch. Zwar hinterließ Wenzel II. eine zweistellige Zahl von Kindern, doch haben ihn aus seiner ehelichen Verbindung neben Wenzel III. nur drei Töchter überlebt, die nach Wenzels III. Tod als Noterbinnen des Königreichs das Roulette der böhmischen Thronfolge in Gang gebracht haben. Das Gesagte genügt, um die zweite Stufe des allgemeinen Niedergangs des Staatsgebildes zusammenzufassen. Der Vorhang des zweiten Aktes des dramati36
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Neben den oben erwähnten Arbeiten cf. C. Ha´dek, Konec Prˇemyslovcu˚ v Cˇecha´ch, Prag 2006; K. Mara´z, Va´clav III., Prag 2007; M. Sovadina, Rok vla´dy Va´clava III., in: K. Smutna´ (ed.), Sto let od narozenı´ profesora Jindrˇicha Sˇeba´nka, Brno 2000, 155-167. Cf. J. Speˇva´cˇek, Jan Lucembursky´ a jeho doba 1206-1346, Prag 1994, 522 sq., der auch zu den anderen Ereignissen der Zeit hinzugezogen werden kann, wenngleich das Buch mit gewisser Vorsicht zu lesen ist.
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schen Trauerspiels fällt. Was wäre, wenn Wenzel III. genesen wäre? Das ist zwar eine recht verführerische Frage, sie ist aber dem Historiker nicht erlaubt 38. Der Tod des Königs kann verschiedene Konnotationen sowohl subjektiven als auch objektiven Charakters haben. In diesem Fall haben sich aber die Negativa beider Aspekte exponentiell verknüpft. Denn die mehr oder weniger allgemein geltende Parole ,Le roi est mort, vive le roi‘ hat damals in Böhmen nur ganz kurze Zeit gegolten, da auch dem teils gewählten, teils oktroyierten neuen König 39, dem Habsburger Rudolf I., nur ein paar Monate vergönnt waren, bevor ihn seine Krankheit von dem Thron gerissen hat, den sich die Habsburgersippe so sehr erträumte. Es handelt sich hierbei um die dritte Stufe auf der imaginären Skala der böhmischen Staatlichkeit, die sich beschleunigt und deshalb deutlich absteigt. Das Trauerspiel spitzt sich also zu, und zur Abwechslung erscheint auf der Bühne für kurze Zeit noch ein Taugenichts in der Hauptrolle: Heinrich von Kärnten, Gatte von Anna, der ältesten Tochter Wenzels II., dem schon oben Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Drei mehr oder weniger unerwartete Todesfälle im Abstand von jeweils einem Jahr haben fast zwangsläufig eine allgemeine Unsicherheit mit sich gebracht. Der bereits erwähnte vierte und ähnlich unerwartete Todesfall folgte bald danach. Daß die ersten drei Todesfälle innerhalb des Landes bedeutungsvoll waren, kann nicht bestritten werden. Aber der vierte, eben im Jahre 1308, hat, obgleich er außerhalb des Landes geschah und eine fremde Sippe betraf, für die Geschichte des Königreichs Böhmen wohl noch schicksalhaftere Folgen gehabt als die drei vorhergehenden - wenn auch mit gewissem Abstand und auf Umwegen. Denn der damit unmittelbar initiierte Dynastienwechsel auf dem römischen Thron hatte für das böhmische Königreich schwerwiegende Folgen. Andernfalls hätte sicher der andere Sohn Albrechts I. den böhmischen Thron bestiegen, und die Bedeutung des luxemburgischen Grafenhauses wäre auf sein engeres Umland beschränkt geblieben. Die Wahl Heinrichs VII. und der Weg seines Sohnes Johann auf den böhmischen Thron hat die Weichen anders gestellt 40, obwohl die das Land zerrüttenden Folgen erst in der zweiten Generation, bei Karl IV., deutlich hervorgetreten sind. Denn erst mit ihm wurde durch die Vereinigung der römischen und böhmischen Königswürde in einer Hand bezie38
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M. Nodl gibt eine charmante Schilderung solch einer imaginären Geschichte: M. Nodl, Va´clav III. cı´sarˇ z bozˇ´ı milosti, in: E. Dolezˇalova´/R. Sˇimu˚nek (eds.), Od knı´zˇat ke kra´lu˚m. Sbornı´k u prˇ´ılezˇitosti 60. narozenin Josefa Zˇemlicˇky, Prag 2007, 561-565. Von dieser alternativen Geschichte soll jedoch Abstand genommen werden, obwohl sie auf bestimmte reale Aspekte hinzuweisen vermag. Dies ist so zu verstehen, daß Rudolf die Krone sowohl dem Druck des römischen Königs als auch dem Entgegenkommen beziehungsweise der Wahl der freien Tschechen verdankte, obwohl er die Kontinuität des Prˇemyslidenstammes in weiblicher Linie unterbrochen hat. Auch hier genügt es, auf die anfangs und in nt. 37 angeführte Literatur hinzuweisen, obwohl besonders den Verhandlungen der böhmischen Partei mit dem neuen römischen König um die böhmische Königswürde auf verschiedene Weise Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
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hungsweise in einem genialen Kopf die böhmische Krone in den Vordergrund nicht nur der mitteleuropäischen Geschichte gerückt. Johann Parricida hat mit seiner Tat die Geschichte Böhmens unbewußt aber nachhaltig beeinflußt.
IV. Erg ebnisse Die Frage, ob die dargelegten Schilderungen den Schluß zulassen, daß ohne die Luxemburgerdynastie das böhmische Königreich an der Peripherie geblieben wäre, wie es manchmal vorausgesetzt wird (und dies mit der stillschweigenden Voraussetzung, die Prˇemysliden seien doch regional gebunden gewesen), wage ich nicht zu entscheiden. Ich bin eher skeptisch, denn die Grundlagen für einen Aufstieg Böhmens wurden eben schon unter den letzten Prˇemysliden gelegt 41. Das Land hat sich, wie gezeigt, aus dem Zusammenbruch nach Prˇemysls II. Niederlage ziemlich bald wieder erholt. In vergleichbarer Weise muß auch die Zeit des Verfalls und des faktischen Interregnums um das Jahr 1308 bloß als eine Übergangszeit angesehen werden, in der das böhmische Staatsgebilde in seinen Grundstrukturen zwar kurzzeitig erschüttert, in seinem Wesen jedoch kaum angetastet wurde. Überraschenderweise dauerte diese Phase in beiden Fällen die Zeitspanne eines Lustrums. Nicht allein die Herrscher und ihre Umgebung haben die Geschicke und mit anderen Worten die ,hohe Geschichte‘ gestaltet. Wichtiger waren vielmehr die Grundstrukturen des Landes, die trotz der Lähmung durch die äußeren Begebenheiten bereits stark genug waren, um sich auf die neue Situation einzustellen und die Zerfallstendenzen zu überbrücken. Freilich ist dabei die Rolle der Verhandlungs- und Vermittlungsleute, in diesem Fall besonders der Geistlichen, unter denen auch der Königsaaler Chronist seine Rolle spielte, nicht zu unterschätzen. Man könnte meinen, daß ich mir widerspreche. Ich hoffe jedoch, daß dieser Schein trügt. Es ist zwar richtig, daß die Luxemburger Böhmen in den Bann des Westens gezogen haben, jedoch war dies nicht von vornherein zu erwarten. Andererseits kann man sich ziemlich gut vorstellen, und viele Einzelheiten bezeugen dies, daß sich auch Wenzel II. des Einflusses und der Wichtigkeit des Westens sehr wohl bewußt war und auf die entsprechenden Kontakte Wert gelegt hat, freilich aber kaum Einfluß auf den Papst besaß. Der Unterschied zwischen Böhmen und dem Westen Europas war im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert ein ganz anderer als derjenige, den wir in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beobachten können. Obwohl nach wie vor ein Abstand zu
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Es genügt, nur an die monumentalen gotischen Bauten zu erinnern, die im 13. Jahrhundert im Lande gewachsen sind, wie es in den letzten Jahrzehnten besonders die zahlreichen Arbeiten von J. Kuthan sehr deutlich gezeigt haben, e. g. J. Kuthan, Cˇeska´ architektura v dobeˇ poslednı´ch Prˇemyslovcu˚, Vimperk 1994.
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beobachten ist, hatten sich die Verhältnisse doch deutlich angenähert 42. Trotzdem kann die Zeit der Jahre 1306 bis 1310 und besonders das Jahr 1308 aus der Sicht der böhmischen Geschichte als eine gewisse Katharsis gelten, als eine Katharsis, die fast zwingend zur Glanzzeit der Epoche der Luxemburger führte, jedoch zugleich fast ähnlich ,gesetzmäßig‘ in eine andere Katharsis - die der hussitischen Revolution - mündete. Was hier dargelegt wurde, sollte eine bekannte Tatsache am konkreten Beispiel Böhmens veranschaulichen, nämlich daß Dynastiewechsel für die mittelalterliche Geschichte sicher von Bedeutung, manchmal gar von großer Bedeutung waren, daß die konkrete Persönlichkeit des Herrschers und seine individuelle Politik jedoch eine noch wichtigere Rolle spielten. Die Unterschiede waren groß und hingen vom Verstand des Herrschers ab und von seinem Geschick, die maßgeblichen weltlichen und geistlichen Kreise des Landes einzubeziehen. Wir werden freilich niemals wissen, wie sich die Regierung des letzten Sprosses der Prˇemysliden entfalten hätte und ob er sich in Polen hätte durchsetzen können, doch auf Grund der weiteren Entwicklung kann man konstatieren, daß die Nachfolge der Luxemburger wohl mehr als einen vollen Ersatz bedeutete. In dem hier verfolgten Kontext handelt es sich um die Zeit großer politischmilitärischer Auseinandersetzungen, die deutlich in der politischen Entwicklung der vorangegangenen Zeit wurzeln. Der ,von unten‘ beginnenden Anarchie im Lande, die durch einen guten Teil vornehmlich des Hochadels mit zunehmender Intensität ,genossen‘ wurde, kam eine solche ,von oben‘ entgegen. Hierfür ist die oben erwähnte Episode, die Petrus von Zittau in seiner Chronik zum Jahr 1308 schildert, mehr als symptomatisch, wenn dabei auch freilich sein subjektiver Akzent nicht vergessen werden darf. Nicht minder symptomatisch ist es, daß der sogenannte Dalimil, der manchmal als Sprachrohr des erwachenden tschechischen Nationalismus bezeichnet wird, diese Umstände in seinem Werk nicht reflektiert. Wenn man von Ereignissen wie der Gefangennahme der Vertreter des böhmischen Adels durch einen Flügel deutscher Prag-Kuttenberger Patrizier absieht 43, hat die Situation zu einer Katharsis geführt. Diese konnte jedoch nicht innenpolitisch beziehungsweise nicht nur innenpolitisch gelöst werden. Dazu war Böhmen in Mitteleuropa von zu großer Bedeutung. Die Sache mußte vielmehr durch die Zusammenarbeit der innen- und außenpolitischen Kräfte gelöst werden, das heißt durch Verhandlungen zwischen den Repräsentanten Böhmens und denen des Reiches. 42
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Es sei vor allem auf das Buch von J. Kla´psˇteˇ, Promeˇna cˇesky´ch zemı´ ve strˇedoveˇku, Prag 2005 hingewiesen, das freilich in erster Linie eine Analyse der materiellen Kultur beinhaltet. Im breiteren Rahmen cf. auch P. Moraw, Über Entwicklungsunterschiede und Entwicklungsausgleich im deutschen und europaı¨schen Mittelalter. Ein Versuch, in: U. Bestmann (ed.), Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. Festschrift für Wolfgang von Stromer, vol. 2, Trier 1987, 583622. Es genügt, hierbei auf die allgemeine in nt. 1 zitierte Literatur hinzuweisen. Cf. auch nt. 29.
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Dort hatten die Habsburger für eine gewisse Zeit ihre führende Rolle verspielt, und aus der Königswahl des Jahres 1308 ging Heinrich aus dem Hause Luxemburg hervor, dem die Verhältnisse im Osten des Reiches, wenigstens in seinen allerersten Anfängen, sicherlich völlig fremd waren und ihn auch kaum interessiert haben dürften 44, wenngleich das Land aus seiner Sicht als freies Lehen schon eine gewisse Anziehungskraft gehabt haben könnte. Für die böhmische Seite, wo im Laufe der Zeit das Streben nach Wandel, das heißt nach einer sinnvollen Lösung der Verhältnisse, immer stärker wurde, kann jedoch nicht dasselbe gesagt werden. Doch es brauchte noch Zeit, bis sich Heinrich von Kärnten völlig diskreditiert hatte. Der Verlauf der Dinge ist bekannt, deshalb kann ihre Rekapitulation an dieser Stelle eher knapp ausfallen. Die ehelichen Töchter Wenzels II. hielt man freilich für Noterbinnen des Königreichs. Da sie aber selbst nicht den Thron besteigen konnten und die Erfahrung mit Heinrich von Kärnten, dem Gatten einer der Töchter, mehr als tragisch war, konzentrierte man sich auf die jüngste der prˇemyslidischen Prinzessinnen, die ledige Elisabeth 45. Es wurde ein für beide Seiten kompliziertes diplomatisches Spiel auf höchster Ebene eröffnet, in das auch der neu kreierte römische König einbezogen wurde. Diese Verhandlungen - aber das war damals freilich üblich - können gleichsam als Lizitation bezeichnet werden. Das Ergebnis ist bekannt: Zu Beginn der Verhandlungen wollte Heinrich VII. Böhmen widerspruchslos für erledigtes Reichslehen halten und über das Land frei verfügen. Die böhmische Partei dagegen berief sich auf die Goldene Bulle Friedrichs II., welche den freien Tschechen das Recht zusprach, ihren König selbst zu wählen. Man hat sich auf halbem Wege getroffen. Die Vertreter Böhmens haben den Bruder Heinrichs VII., Walram, als Kandidaten und Gatten Elisabeths zurückgewiesen und statt dessen seinen Sohn, den jungen Johann, sonst bekannt als Johann von Luxemburg, akzeptiert. Damit könnte die Geschichte der Bedeutung des Jahres 1308 für das böhmische Königreich abgeschlossen sein, in dem mehrere Zufallsereignisse zusammentrafen, die dann die Geschicke des Landes auf lange Sicht beeinflußten. Man spricht davon, daß sich das Land von nun an vollends dem Westen geöffnet hat und - freilich ein wenig zugespitzt - aus der Peripherie des lateinischen Kosmos mit einem Schlag einen direkten Zugang zum fortgeschritteneren Westen Europas gewann, wodurch ihm die Möglichkeit zur völligen Entfaltung gegeben war. Aber ist es wirklich so einfach? Waren die Dinge nicht bedeutend komplizierter und hat dabei die nicht undefinierbare longue dure´e massiv mitgespielt? Schon die knappe Gegenüberstellung Johanns und Wenzels II. ist imstande, manches anzudeuten. Diese Idee weiter zu entfalten ist hier nicht möglich, doch möchte ich zum Schluß anmerken, daß weder das Jahr 1308, noch 44
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Auch diesbezüglich reicht es für die Zwecke dieser Skizze aus, auf die in nt. 1 zitierte Literatur hinzuweisen. Cf. die Biographie von B. Kopicˇkova´, Elisˇka Prˇemyslovna, kra´lovna cˇeska´ 1292-1330, Prag 2003.
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1306 und 1310 an und für sich eine Wende bedeuten können, wenngleich sich diese Jahre gemeinsam mit fetten Ziffern in die mittelalterliche Geschichte Böhmens eingeschrieben haben und viribus unitis einen merklichen Einschnitt gegenüber der älteren Epoche bedeuteten. Es ist zu resümieren, daß zwar das Königreich Böhmen neue Impulse bekam, die später besonders Karl IV. zu entfalten wußte. Doch zu sagen, Böhmen hätte damals seinen Weg aus der kulturellen Peripherie ins Zentrum gefunden, ist als große Vereinfachung zu bezeichnen.
Bulgarien
unum imperium magnum per se - Bulgarien 1308 Daniel Ziemann (Köln) I. Das Jahr 1308 Das Jahr 1308 in den Mittelpunkt eines Aufsatzes zur bulgarischen Geschichte zu rücken, stellt zunächst kein allzu leichtes Unterfangen dar. Die Quellen- und Informationsdichte zu Bulgarien ist in jener Zeit keineswegs so groß wie für West- und Zentraleuropa oder das Byzantinische Reich und die muslimische Welt. Das bedeutet zugleich, daß 1308 weder im Rahmen einer Biographie bedeutender Persönlichkeiten noch als Fixpunkt für gesellschaftliche Veränderungen herangezogen werden kann. Immerhin fällt jedoch vermutlich genau in dieses Jahr ein politisch bedeutendes Ereignis, die Hochzeit des bulgarischen Zaren Theodor Svetoslav 1 mit Theodora Palaiologina 2, der Enkelin des byzantinischen Kaisers Andronikos II. Palaiologos 3, mit der zugleich der Frieden zwischen dem Bulgarischen Zarenreich und Byzanz bekräftigt wurde 4. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei lediglich um eine weitere Spielart der ohnehin ständig wechselnden Bündnissysteme des südöstlichen Balkanraums. Doch eine genauere Analyse der Zeit um 1308 läßt einige interessante Formationen erkennen, die aus dem üblichen Rahmen des politischen Geschehens jener Jahre herausfallen. Tatsächlich scheint sich im Jahr 1308 mehr als nur ein
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Cf. Prosopographisches Lexikon der Palaiologenzeit (PLP), erstellt von E. Trapp unter Mitarbeit von R. Walther/H.-V. Beyer/K. Sturm-Schnabl/E. Kislinger/S. Kaplaneres/I. Leontiadis, 12 vols., Wien 1980-1995, no. 27251; Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, vol. 4, edd. M. Benrath/F. V. Schroeder (Südosteuropäische Arbeiten 75), München 1981, 336 sq.; V. Gjuzelev, Art. ,Th. Svetoslav‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 8, München 1997, 627. Cf. PLP (nt. 1), no. 21379; P. Pavlov, Търовки царици, Veliko Taˇrnovo 2006, 39 sq.; F. Dölger, Einiges über Theodora, die Griechin, Zarin der Bulgaren (1308-1330), in: Annuaire de l’Institut de Philologie et d’Histoire Orientales et Slaves 9 (1949), 211-221; id., Paraspora. 30 Aufsätze zur Geschichte, Kultur und Sprache des byzantinischen Reiches, Ettal 1961, 222-230. Zu Andronikos II. cf. A. E. Laiou, Constantinople and the Latins. The Foreign Policy of Andronicus II, 1282-1328, Cambridge (Mass.) 1972; E. Fryde, The Early Palaeologan Renaissance (1261-c. 1360), Leiden-Boston-Köln 2000, 91-102. Cf. V. Gjuzelev/L. Joncˇev, in: S. Lisˇev/V. Gjuzelev/P. Tivcˇev/G. Cankova-Petkova (eds.), Итория а България III. Втора българка държава, Sofia 1982, 299; I. Bozˇilov/V. Gjuzelev, Итория а България в три тоа, I, Итория а рдовкова България VII-XIV вк, Sofia 1999, 550.
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neues Kurzzeitbündnis formiert zu haben, vielmehr deuten mehrere Elemente auf eine radikale Neuorientierung der politischen Fronten, welche die Geschehnisse der kommenden Jahrzehnte bestimmen sollte. II. Tendenzen der Forschung Die Zeit Theodors Svetoslavs, der von 1300 bis 1322 als bulgarischer Zar regierte, hat in der bulgarischen Geschichtswissenschaft bisher nur begrenzte Aufmerksamkeit gefunden. Die Ursachen hierfür liegen neben dem zumindest für Bulgarien eher reduzierten Quellenmaterial natürlich auch darin, daß die Periode in politischer Hinsicht insgesamt gesehen als Schwächephase eingeordnet wird. Ein bulgarisches Handbuch aus dem Jahre 2003 überschreibt die Epoche Theodor Svetoslavs mit der Überschrift „Bulgarien am Vorabend der osmanischen Herrschaft“ 5. Die im kollektiven Gedächtnis auch des heutigen Bulgarien als Katastrophe wahrgenommene fünfhundertjährige Osmanenherrschaft, die mit der Eroberung der verschiedenen bulgarischen Teilreiche am Ende des 14. Jahrhunderts ihren Anfang nahm, wirft ihre Schatten auch auf die Beurteilung der Situation am Anfang des 14. Jahrhunderts und damit auch auf das Jahr 1308 voraus. Hinzu kommt, daß die grundlegende Pionierleistung der bulgarischen Mediävistik, die ,Geschichte des bulgarischen Staates im Mittelalter‘ des bedeutenden bulgarischen Historikers Vasil Zlatarski, die für andere Epochen oft die Grundlage neuer Fragestellungen und Forschungsdiskussionen lieferte, bedingt durch seinen Tod 1935 im Jahre 1280 endet 6. Die bulgarische Forschung sieht vor allem in der politischen Zersplitterung und den zentrifugalen Kräften der Bojaren, also der adeligen Herrschaftsträgerschicht, welche die Ausbildung einer starken Zentralmacht nicht erlaubt habe, die Hauptursachen für eine politische Instabilität, welche letztlich der Entstehung der Osmanenherrschaft förderlich gewesen sei 7. Die Zeit Theodor Svetoslavs wird vor dem Hintergrund dieser Schemata meist als zwischenzeitliche Erholungsphase innerhalb einer sonst eher durch Verfallserscheinungen beherrschten Epoche wahrgenommen, die vor allem auch durch eine stärkere Zentralisierung im Inneren und eine größere politische Handlungsfreiheit im Äußeren gekennzeichnet gewesen sei 8. Teilweise werden aber auch ganz andere 5
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„България в авчрито а оакото авладява“ (Petaˇr Angelov), in: Итория а българит I: От дрвотта до края а XVI вк, ed. G. Bakalov, Sofia 2003, 364. V. Zlatarski, Итория а българката държава р рдит вков, то III: Второ българко цартво. България ри Авци (1187-1280), Sofia 1940 [Neudruck 1994]. Die Zarengewalt als „progressives Element“ gegenüber den inneren Unruhen der Bojaren, so Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4) 301; ähnlich Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 543; Angelov, in: Ит. а българит (nt. 5), 364. Diese Interpretation der Regierung Theodor Svetoslavs wird bereits durch die Kapitelüberschriften beziehungsweise Teilüberschriften in den einschlägigen Handbüchern durch die Stichwörter „Stabilisierung“ oder „Zentralisierung“ deutlich: „Uкрва а цар Тодор втолав а ртола и цтралиация а държавата влат“, in: Ит. Бълг. III (nt. 5), 299; „табилиира а Българкото цартво лд криата: Тодор втолав (1300-1322) и Горги Тртр (1322-
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Thesen formuliert, die gleichfalls die Ereignisse am Ende des 14. Jahrhunderts schon mitdenken, aber umgekehrt gerade in der wachsenden Unabhängigkeit, vor allem von den Tataren, eine der Ursachen für die später erfolgende osmanische Expansion sehen, da allein die Tataren die militärische Potenz besessen hätten, den osmanischen Vormarsch auf dem Balkan aufzuhalten 9. An dieser Stelle soll aber die Aufmerksamkeit aus dem Schatten des Zukünftigen gelöst und ganz auf das Jahr 1308 beziehungsweise sein unmittelbares zeitliches Umfeld gerichtet werden. Ein Osmanisches Reich gab es um 1308 noch nicht einmal in Kleinasien und das osmanische Fürstentum, das erst 1352 die erste Festung auf dem Balkan einnehmen sollte, war für Bulgarien noch kein politischer Faktor 10. Statt dessen bewegte sich der Handlungshorizont Bulgariens zwischen den Mächten des Balkanraumes, also dem Tatarenreich im Nordosten, Serbien und Ungarn im Nordwesten, Byzanz und den selbstständig agierenden katalanischen Söldnern, der sogenannten Katalanischen Kompanie, im Süden 11. Um die Perspektive des Jahres 1308 zu erhellen, soll daher im Rahmen der allgemeinen Situation des südöstlichen Balkanraumes ein konzentrierter Blick auf das wichtigste politische Ereignis Bulgariens in diesem Jahr geworfen werden, nämlich die besagte Hochzeit zwischen Theodor Svetoslav und Theodora. 1323)“, in: Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 542; „табилиация а българката държава. Цар Тодор втолав (1300-1321)“ als Teilüberschrift unter der schon angesprochenen Kapitelüberschrift „България в авчрито а оакото авладява“, in: Ит. а българит 9
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(nt. 5), 364. J. V. A. Fine, The Late Medieval Balkans. A Critical Survey from the Late Twelfth Century to the Ottoman Conquest, Ann Arbor 1987, 229. Zum osmanischen Reich zusammenfassend J. Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte 4., bibliogr. erg. Aufl., Darmstadt 2006; S. Faroqhi, The Ottoman Empire. A Short History, transl. S. Frisch, Princeton 2008; P. Wittek, The Rise of the Ottoman Empire. Studies on the History of Turkey, 13th-15th Centuries, ed. C. Heywood, Richmond 2008. Zur Katalanischen Kompanie cf. Laiou, Constantinople (nt. 3), 127-242; K. M. Setton, Catalan Domination of Athens: 1311-1388, London 1975; R. I. Burns, The Catalan Company and the European Powers 1305-1311, in: Speculum 29 (1954), 751-771; zur allgemeinen Situation cf. Fine, Balkans (nt. 9), 217-285; Quellen: Diplomatari de l’Orient catala` (1301-1409). Colleccio´ de documents per la histo`ria de l’expedicio´ catalana a orient i dels ducats d’Atenes i Neopa`tria. Edicio´ a cura d’Antoni Rubio´ i Lluch, edicio´ facsı´mil amb pro`leg de Maria Teresa Ferrer i Mallol (Memo`ries de la Seccio´ Histo`rico-Arqueolo`gica de l’Institut d’Estudis Catalans 56), Barcelona 2001; weitere Literatur: S. Tramontana, Per la storia della „Compagnia catalana“ in oriente, in: Nuova rivista storica 46 (1962), 58-95; L. Nicolau d’Olwer, L’expansio´ de Catalunya en la mediterra`nia oriental, Barcelona 31974 (zuerst Barcelona 1926); J. Lalinde Abadia, La corona de Arago´n en el mediterra´neo medieval (1229-1479), Saragossa 1979; D. Jacoby, Catalans, Turcs et Ve´nitiens en Romanie (1305-1332). Un nouveau te´moignage de Marino Sanudo Torsello, in: Studi medievali, 3 ser. 15 (1974), 217-261 (Wiederabdruck in: id., Recherches sur la Me´diterrane´e orientale du XII e au XIV e sie`cles. Peuples, socie´te´s, e´conomies, London 1979, no. V); E. A. Zachariadou, The Catalans of Athens and the Beginning of the Turkish Expansion in the Aegean Area, in: Studi medievali, 3. ser. 21 (1980), 821-838 (Wiederabdruck in: id., Romania and the Turks [c. 1300-1500], London 1985, no. V); A. Kiesewetter, Art. ,Flor, Ruggiero di‘, in: Dizionario biografico degli Italiani, vol. 48, Rom 1997, 302-306.
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Interessanterweise ist aus jener Zeit kaum ein einheimisches, also bulgarisches Geschichtswerk überliefert 12. Die fast ausschließlich in den Klöstern gepflegte altbulgarische Literatur konzentrierte sich überwiegend auf religiöse Werke, wobei natürlich durch die mehrhundertjährige Fremdherrschaft mit Verlusten zu rechnen ist 13. Daher ist es in diesem Fall vor allem die byzantinische Historiographie, der man relativ gute, aber natürlich aus einem spezifischen Blickwinkel geschriebene Informationen zu Bulgarien verdankt 14. Eine der Hauptquellen für den hier im Zentrum stehenden Zeitraum ist der auch durch seine philosophischen Werke gut bekannte Georgios Pachymeres (1242-1310). Er wurde 1242 in Nikaia geboren, bekleidete ab 1261 hohe kirchliche und staatliche Ämter in Konstantinopel und stieg dabei bis zum Protekdikos und Dikaiophylax auf. Neben rhetorischen und philosophischen Werken, zum Beispiel einem Quadrivium, sowie Dichtungen und Briefen schrieb er auch ein großes geschichtliches Werk, die ,Συγγραφικαι´ i«στορι´αι‘, welche die Zeit von 1261-1308 behandeln. So ist es vor allem Georgios Pachymeres, der ausführlichere Informationen zur bulgarischen Geschichte jener Zeit liefert 15. III. Das Zarenreich von Taˇ r novo Die größte und politisch mächtigste Einheit des in mehrere Teilreiche unterteilten Bulgarien bildete zu jener Zeit das Bulgarische Zarenreich mit der Hauptstadt Taˇrnovo, einer Stadt, deren Bedeutung im Mittelalter auch heute noch deutlich zu erkennen ist 16. 12
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G. Podskalsky, Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien 865-1459, München 2000, 471 sq. Op. cit., 472, nt. 2049 sq.; zur bulgarischen Historiographie allgemein cf. M. Kajmakamova, Българка рдовкова иториои от края а VII до ървата чтвърт а XV в., Sofia 1990. Zur byzantinischen Chronistik jener Epoche: H. Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur, vol. 1, München 1978, 447-465; J. Karayannopulos/G. Weiß, Quellenkunde zur Geschichte von Byzanz (324-1452), 2 vols., Wiesbaden 1982, 491-516. Zu Georgios Pachymeres cf. PLP (nt. 1), vol. 9, no. 22186; The Oxford Dictionary of Byzantium, vol. 3, Oxford 1991, 1550 (A.-M. Talbot); zu seiner Geschichte in 13 Büchern cf. Georges Pachyme´re`s, Relations historiques I. Livres I-III, e´dition, introduction et notes par A. Failler, traduction francX aise par V. Laurent (Corpus Fontium Historiae Byzantinae 24, 1, Series Parisiensis), Paris 1984, XIX-XXXVI; S. Lampake¯s, Γεω´ ργιο Παχυμε´ ρη. Πρωτε´ κδικο και δικαιοφυ´ λαξ: Eισαγωγικο´ δοκι´μιο, Athen 2004; zu den Ämtern cf. J. Darrouze`s, Recherches sur les ophphikia de l’E´glise byzantine (Archives de l’orient chretien 11), Paris 1970, 109-111, 232-233. Zu Taˇrnovo zusammenfassend mit weiterer Literatur cf. рдовково Търово: K. Totev [e. a.] (eds.), Ар!ологички роuчваия. Юбил борик о лuча# тридт годии от ъдавато а филиала а Ар!ологичкия Ититuт Мu# ри Българката Акадия а Наuкит, Влико Търово 1974-2004, Veliko Taˇrnovo 2004; zu Taˇrnovo als Hauptstadt cf. D. Kosev [e. a.] (eds.), Итория а Влико Търово в 3 т., vol. 1, Sofia 1986; I. Dujcev, Търово като олитички и дu!ов цтър р къото рдовкови, in: id., Българко рдовкови. 'роuчваия вър!u олитичката и кuлтuрата итория а рдовкова България, Sofia 1972, 413-431; zu den Hauptstädten im mittelalterlichen Bulgarien cf. R. Panova, толичият град в кuлтuрата а рдовкова България, Sofia 1995.
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Bulgarien war zu jener Zeit nach wie vor durch die Folgen des Tatareneinfalls nach Europa geprägt 17. Hatte sich das bulgarische Zarenreich einst unter Ivan II. Asen (1218-1241) zu einem politischen Schwergewicht Südosteuropas entwickelt, so lösten die Einfälle der Tataren eine Phase der politischen und ökonomischen Krisen aus, die bis in das 14. Jahrhundert hineinwirkten 18. Auch Theodor Svetoslav mußte noch die Oberhoheit des Mongolenkhans Tokta, der bis 1312 regierte, anerkennen und ihm höchstwahrscheinlich auch Tribut entrichten 19.
IV. T heodor Svetoslav Schon Theodor Svetoslavs Vater Georg Terter hatte in der Zeit von 12801292 als bulgarischer Zar regiert, wobei er jedoch in deutlicher Abhängigkeit von den Tataren stand 20. Die Familie Theodor Svetoslavs war kumanischer Herkunft. Die Kumanen, ein reiternomadisches Turkvolk, hatten sich im Zuge des Mongolensturms im 13. Jahrhundert unter anderem auch in Bulgarien angesiedelt 21. 1285 mußte Georg Terter seinen Sohn Theodor Svetoslav als Geisel an den Hof Nogajs, des Emirs der sogenannten Goldenen Horde, schicken, während er seine Tochter mit Cˇaka, dem Sohn Nogajs, vermählte 22. Erst ein Jahr
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I. Va´sa´ry, Cumans and Tatars. Oriental Military in the Pre-Ottoman Balkans, 1185-1365, Cambridge 2005, 69-98; B. Spuler, Die Goldene Horde. Die Mongolen in Rußland 1223-1502, Wiesbaden 21965, 24, 61, 64 sq.; F. Curta, Southeastern Europe in the Middle Ages, Cambridge 2006, 412-414; P. Pavlov/G. Atanasov, 'риавато а татарката ария р България (1241-1242), in: Вооиторички борик 63 (1994), 5-20. Zu Ivan II. Asen cf. I. Bozˇilov, Фаилията а Авци (1186-1460), Галогия и рооография, Sofia 1985, 77-92; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 162-179; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 501-526. Fine, Balkans (nt. 9); eine stärkere Unabhängigkeit Bulgariens betonen hingegen Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 299; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 543 sq. Zu Georg Terter cf. Fine, Balkans (nt. 9), 224-226; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 294-299; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 536-540. Zu den Kumanen in Bulgarien cf. Va´sa´ry, Cumans and Tatars (nt. 17), 13-68, eine kleine Bibliographie bei F. Curta (ed.), The Other Europe in the Middle Ages. Avars, Bulgars, Khazars and Cumans, Leiden-Boston 2008, 482. Georges Pachyme´re`s, Relations historiques III. Livres VII-IX, e´dition, introduction et notes par A. Failler, traduction francX aise par V. Laurent (Corpus Fontium Historiae Byzantinae 24, 3, Series Parisiensis), Paris 1999, IX, cap. 26, 291, 18-22; Fine, Balkans (nt. 9), 225; Gjuzelev/ Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 298; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 539; P. Pavlov, Цар Тодор втолав, !а Нога# и търовцът 'адоло, in: Иторико-ар!ологички илдваия (в ат а роф. тачо Ваклиов), Veliko Taˇrnovo 1994, 177-186; id., Татарит а Нога#, България и Виатия (около 1270-1302 г.), in: Българит в врото 'ричроори, vol. 4, Veliko Taˇrnovo 1995, 121-130; zu Cˇaka cf. PLP (nt. 1), no. 27696; zu Theodor Svetoslavs vorheriger Frau cf. A. Failler, Euphrosyne l’e´pouse du tsar The´odore Svetoslav, in: Byzantinische Zeitschrift 78 (1985), 92 sq.; zu Nogaj cf. Spuler, Horde (nt. 17), 59-77.
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zuvor war eben jener Theodor Svetoslav aus dem Byzantinischen Reich zurückgekehrt, wo er ebenfalls als Geisel gelebt hatte 23. 1292 ist jedoch ein Bruch im bis dahin offensichtlich spannungsfreien Verhältnis mit den Tataren festzustellen. Georg Terter mußte noch im gleichen Jahr den bulgarischen Thron aufgeben und nach Byzanz fliehen, wo er bis zu seiner Rückkehr 1301 lebte 24. Die Gründe hierfür sind nicht ganz klar, bisweilen wurde die Opposition der Bojaren als der entscheidende Faktor für diese Entwicklung vermutet 25. Nogaj, an dessen Hof sich Theodor Svetoslav nach wie vor befand, installierte statt dessen in der Zeit zwischen 1292-1298 einen gewissen Smilec als bulgarischen Zar in Taˇrnovo, dessen Regierung von der bulgarischen Geschichtswissenschaft meist sehr kritisch gesehen wird 26. Ab 1297 brachen Machtkämpfe innerhalb des Tatarenreiches aus. Nogaj führte Krieg gegen Tokta Khan (andere Formen: Tokhta, Tokhtu, Tuqta’a), dem neuen Anführer der Goldenen Horde, während in Taˇrnovo nach dem Tod des Smilec dessen Witwe, eine byzantinische Prinzessin, versuchte, durch Bündnisse mit den Nachbarn die Macht in ihren Händen zu behalten. Offensichtlich hatte sie mit Smilec sogar einen Sohn 27. 1299 erlitt Nogaj schließlich in einer entscheidenden Schlacht gegen Tokta eine vernichtende Niederlage, wobei er auch selbst den Tod fand. Seine Gefolgschaft verteilte sich nun über die Steppe, wobei eine größere Anzahl der Truppen zusammen mit Nogajs Sohn Cˇaka über die Donau nach Bulgarien floh. In ihrem Gefolge kehrte auch die Geisel Theodor Svetoslav nach Bulgarien zurück. Zunächst hing er noch völlig von den Truppen Cˇakas ab und blieb daher vorerst ein geduldiger Gefolgsmann des Tataren. So scheint er mit den Bojaren von Taˇrnovo zunächst den freien Einzug Cˇakas in die Hauptstadt ausgehandelt zu haben. Smilec’ Witwe und ihr Sohn mußten nach Konstantinopel fliehen, während Cˇaka in Taˇrnovo den Thron bestieg. Bald darauf sah Theodor Svetoslav jedoch seine Chance gekommen, um eine Verschwörung gegen Cˇaka anzuzetteln. Cˇaka wurde abgesetzt, ins Gefängnis geworfen und dort ermordet. Das gleiche Schicksal erfuhr auch Joachim, der Patriarch von
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Fine, Balkans (nt. 9), 225; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 296; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 537 sq. Fine, Balkans (nt. 9), 226; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 298; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 540. P. Nikov, Татаро-българки отошия ръ рдит вков ъ оглдъ къъ царuвато а илца, in: Годишик а офи#кия uивритт (Иторико-филологички факuлтт) 1516 (1919-1920). Zu Smilec cf. PLP (nt. 1), no. 26266; Fine, Balkans (nt. 9), 226 sq.; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 298; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 540 sq., bezeichnen ihn als Statisten und bemerken, daß es in der bulgarischen Geschichte wohl kaum eine derartig gesichtslose Herrschaft gegeben habe. I. Bozˇilov, Блжки вър!u Българката итория р XIII вк, in: Българко рдовкови. Българо-ъвтки борик в чт а 70-годишиата а роф. Ива Дu#чв, Sofia 1980, 7881.
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Taˇrnovo, dem man Konspiration mit den Tataren vorwarf. Theodor Svetoslav übernahm auf diese Weise selbst den bulgarischen Zarenthron 28. Ziemlich bald nach seiner Machtübernahme hatte Theodor Svetoslav auch Frieden mit seinem Onkel Eltimir geschlossen, dem er als unabhängigen Herrschaftsbereich die sogenannte Kraˇn-Provinz restituierte. Ein anderer autonomer Bereich wurde dem Zarenreich indessen einverleibt, es handelt sich um die sogenannte Sredna Gora, in der Radoslav und Vojsil, die Brüder des Smilec, geherrscht hatten. Die beiden Brüder waren nach Konstantinopel geflohen und versuchten in der Folge vergeblich, mit byzantinischen Truppen Bulgarien zu erobern 29.
V. Die Politik bis 1308 Theodor Svetoslav kam im Jahre 1300 zu einem günstigen Zeitpunkt an die Macht, denn er konnte auf die Duldung Toktas zählen. Schließlich hatte er mit Cˇaka den Sohn des einstigen Widersachers Toktas vom Thron gestürzt. Dementsprechend unterwarf sich Theodor Svetoslav Tokta und bekam dadurch freie Hand für die Festigung seiner Macht in Bulgarien. Theodor Svetoslav zögerte nicht lange und ließ Cˇaka umbringen 30. Die Ermordung Cˇakas kann dabei wohl nur unter ausdrücklichem Einverständnis Toktas geschehen sein 31. Die Tataren scheinen darüber hinaus sogar die Expansion Bulgariens gefördert zu haben, denn 1314 vermochte Theodor Svetoslav seinen Machtbereich auf die ehemaligen Gebiete Nogajs in Südbessarabien bis nach Akkerman (Cetatea Alba, das frühere Maurokastron) am Dnjestr auszudehnen. Doch erst nach 1342, als sich das Khanat der Goldenen Horde im Niedergang befand, scheint Bulgarien wirklich unabhängig geworden zu sein 32. Die Tatareneinfälle ließen indessen nicht völlig nach, immerhin scheinen sie sich deutlich verringert zu haben und konzentrierten sich stärker auf Plünderungen denn auf politischen Einfluß 33. Zugleich ist zur Zeit Theodor Svetoslavs auch eine rege Besiedlung vor allem der Donaugebiete mit tatarischen Gruppen zu beobachten 34. 28
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Pachyme´re`s (nt. 22), IX, cap. 26, 289-293; Fine, Balkans (nt. 9), 226-228; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 299 sq.; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 541-543; Spuler, Horde (nt. 17), 73-77; zu Joachim cf. PLP (nt. 1), no. 8384. Fine, Balkans (nt. 9), 229; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 300 sq.; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 544 sq.; zu Eltimir cf. PLP (nt. 1), no. 6025, zu Radoslav ibid. no. 24018. Pachyme´re`s (nt. 22), IX, cap. 26, 293, 2-6; Va´sa´ry, Cumans and Tatars (nt. 17), 96, nt. 41; Fine, Balkans (nt. 9), 228. Fine, Balkans (nt. 9), 228 sq. Fine, Balkans (nt. 9), 229; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 299; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 543. Fine, Balkans (nt. 9), 229. Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 544.
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VI. Konf likte mit Byzanz Was das Jahr 1308 angeht, so besteht die Besonderheit dieses Zeitraumes in dem radikalen Wandel der politischen Konstellationen, der in diesem beziehungsweise dem vorangegangenen Jahr zu beobachten ist. Während die Goldene Horde Toktas dem Bulgarenherrscher wohlgesinnt war, dominierten bis 1307 die Auseinandersetzungen mit Byzanz das politische Geschehen. Seit Beginn der Machtübernahme Theodor Svetoslavs war das Verhältnis der beiden Nachbarn durch eine fast ununterbrochene Konfrontation gekennzeichnet. Einige Stationen dieses Konflikts seien hier kurz präsentiert, da sie als Rahmen für die Hochzeit von 1308 und den damit verbundenen Veränderungen eine wichtige Rolle spielen. Sofort nach der Thronbesteigung Theodor Svetoslavs bis zum Jahr 1308 scheint ein Hauptziel der byzantinischen Politik in der Beseitigung dieses Herrschers gelegen zu haben. Ein erster Versuch des Kaisers Andronikos II. Palaiologos, Michael, den Sohn des ehemaligen, von 1257 bis 1277 regierenden Bulgarenherrschers Konstantin Tih Asen (1257-1277) 35 und seiner Frau Maria Kantakouzene 36 in Bulgarien zu installieren, scheiterte wohl schon im Jahre 1300, ohne daß Details bekannt wären. Nach den Worten des byzantinischen Chronisten Georgios Pachymeres war jener Michael bald gezwungen, außerhalb von Taˇrnovo umherzulaufen und das Leben eines gewöhnlichen Menschen zu führen 37. Kaiser Andronikos II. setzte indessen seine Versuche zur Beseitigung Theodor Svetoslavs fort. Ebenfalls noch im Jahre 1300 ernannte er Radoslav, den Bruder des entmachteten Smilec zum Sebastokrator 38. Nach 1301 zog Radoslav von Thessaloniki aus mit einem byzantinischen Heer gegen Bulgarien, genauer gesagt gegen den unabhängigen Herrschaftsbereich Eltimirs, des Onkels Theodor Svetoslavs, in der Kraˇnska Hora, wohl um diesen auf die Seite der Byzantiner zu ziehen. Eltimir blieb jedoch gegenüber seinem Neffen loyal, besiegte Radoslavs Heer, blendete ihn und sandte ihn so zum Kaiser zurück. Dreizehn gefangene byzantinische Archonten jedoch schickte er zu seinem Neffen nach Taˇrnovo, der sie gegen seinen immer noch in Konstantinopel befindlichen Vater, 35
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I. Bozˇilov, Art. ,Konstantin Tich Asen‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 5, München-Zürich 1991, 1379; Bozˇilov, Авци (nt. 18), no. 24, 115-118; P. Petrov in: Ит. Бълг. III (nt. 4), 270-282; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 509-517. Pavlov, Търовкит царици (nt. 2), 26-29; D. M. Nicol, The Byzantine Family of Kantakouzenos (Cantacuzenus), ca. 1100-1460, a Genealogical and Prosopographical Study (Dumbarton Oaks Studies 11), Washington (DC) 1968, 19 sq., nt. 15. Pachyme´re`s (nt. 22) IX, cap. 26, 293, 7-13; zu Michael cf. PLP (nt. 1), no. 19067; Bozˇilov, Авци (nt. 18), no. 26; id., Българит във Виати#ката ирия, Sofia 1995, 70 sq., no. 9, 197 sq.; Fine, Balkans (nt. 9), 229; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 300; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 544 sq.; zu den bulgarisch-byzantinischen Beziehungen allgemein cf. Z. Pljakov, Българо-виати#ки отошия ри Тодор втолав 1305-1321 г., in: Palaeobulgarica 16 (1992), 93-108. Pachyme´re`s (nt. 22), IX, cap. 26, 293, 14-23; Bozˇilov, Българит (nt. 37), no. 439, 349; PLP (nt. 1), no. 24018.
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den ehemaligen Zaren Georg Terter, eintauschte, der auf diese Weise seine letzten Lebensjahre bis 1308/1309 in Bulgarien verbringen durfte 39. Nur am Rande sei erwähnt, daß laut Georgios Pachymeres Svetoslav seinen Vater in einer Stadt eingeschlossen habe, wo er in Luxus und Einsamkeit habe leben dürfen 40. Einige Inschriften in einem Felsenkloster in der Nähe der Ortschaft Ivanovo haben die Forschung zu der Annahme verleitet, daß Georg Terter mit der Verwaltung der Stadt Cˇerven, 30 km südlich von Ruse an der Donau, beauftragt worden sein könnte und die Zeit vor seinem Tode in einem der dort vorhandenen Felsenklöster verbracht habe 41. 1304 wagte Theodor Svetoslav es schließlich von sich aus, in byzantinisches Gebiet einzufallen, wobei er eine Anzahl Festungen südlich des Balkangebirges wie beispielsweise Ktenija (beim heutigen Lozarovo) und Rusokastron zu erobern vermochte. Andronikos II. reagierte, indem er versuchte, Eltimir, den schon erwähnten Onkel Theodor Svetoslavs, auf seine Seite zu ziehen 42. Eltimir blieb jedoch zunächst auf Seiten Theodor Svetoslavs, von dem er zwei der neu erworbenen Festungen, Jambol und Lardeja, das heutige Karnobad, erhalten hatte 43. Auf byzantinischer Seite wurde der Thronfolger und Mitkaiser Michael IX. Palaiologos (1294-1320) mit den kriegerischen Aktionen gegen die Bulgaren beauftragt. Als letztere in der Nähe von Sozopol auftauchten, wurde ein byzantinisches Heer unter der Führung von Vojsil, einem weiteren Bruder des einstigen Zaren Smilec, gegen die Bulgaren entsandt 44. Bei Skafida erlitten die Byzantiner im Juni oder Juli 1304 eine empfindliche Niederlage. In der Folge drangen die Bulgaren bis nach Adrianopel vor 45. Eventuell wurde dabei auch die Hafenstadt Sozopol erobert, wobei Ioannes XII. Kosmas, der einstige Patriarch von Konstantinopel, in Gefangenschaft geriet 46. 39
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Pachyme´re`s (nt. 22), IX, cap. 26, 293, 23-29; Laiou, Constantinople (nt. 3), 100 sq.; Fine, Balkans (nt. 9), 228; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 300; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 545, zu Eltimir cf. PLP (nt. 1), no. 6025; zur Kraˇn cf. P. Nikov, Die Stadt und das Gebiet von Krn-Krounos in den byzantinisch-bulgarischen Beziehungen, in: Studi bizantini e neoellenici 5 (1939), 229-238. Pachyme´re`s (nt. 22), IX, cap. 26, 293, 29-295, 4. Gjuzelev/Joncˇev in: Ит. Бълг. III (nt. 4), 301; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 545; J. Andreev, Надиит ри ло Иваово, Рuко, и олдит годии от живота а цар Горги Тртр I., in: Вков IV, 3 (1975), 77-84. Georges Pachyme´re`s, Relations historiques IV. Livres X-XIII, e´dition, traduction francX aise et notes par A. Failler (Corpus Fontium Historiae Byzantinae 24, 4, Series Parisiensis), Paris 1999, XI, cap. 18, 445-447; Eltimir war mit Maria (cf. PLP [nt. 1], no. 94078), einer Tocher des ehemaligen Zaren Smilec, verheiratet. Pachyme´re`s (nt. 42), XII, cap. 35, 611, 1-7; Fine, Balkans (nt. 9), 229 sq.; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 302; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 546. Pachyme´re`s (nt. 42), XI, cap. 28, 489; zu Vojsil cf. Bozˇilov, Българит (nt. 37), no. 208, 264 sq.; A. Failler, Une dernie`re mention du Bulgare Vojsil dans l’Histoire de Pachyme´re`s, in: Revue des e´tudes byzantines 43 (1985), 227-230; zu Michael IX. Palaiologos cf. PLP (nt. 1), no. 21529. Pachyme´re`s (nt. 42), XI, cap. 28, 489-491; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 302; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 547. Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 547; V. Laurent, La chronologie des patriarches de Constantinople de la premie`re moitie´ du XIV e sie`cle, in: Revue des e´tudes byzantines 7 (1949),
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Die Lage des Byzantinischen Reiches war ernst. Michael IX. soll seine eigenen und die Wertsachen seiner Frau zu Geld gemacht haben, um sein Heer zu bezahlen 47. Zur selben Zeit, im Sommer 1304, wurden auch die im byzantinischen Auftrag in Kleinasien kämpfenden katalanischen Söldner Rogers de Flor, die sogenannte Katalanische Kompanie, auf Wunsch des Kaisers zurück nach Thrakien verschifft 48. Am 23. August 1304 brach Michael IX. in Richtung Romania, das heißt in das Gebiet von Zagora, auf und verheerte die Gebiete von Rjachova (dem heutigen Rjachovica) bis Sliven und Kopsis, also die Gebiete Eltimirs, der wohl schließlich dem byzantinischen Druck nachgab und auf die Seite der Byzantiner wechselte 49. In zwei Briefen rühmte der Patriarch von Konstantinopel, Athanasios I. (1289-1293 und 1303-1309) die „Siege über die uns hassenden Bulgaren“ 50. Die katalanischen Söldner Rogers de Flor, die eigentlich gegen das Balkangebirge und damit gegen Bulgarien ziehen sollten, waren jedoch mit der Bezahlung unzufrieden und eroberten - statt auf seiten des Kaisers zu kämpfen - im Jahre 1304 die byzantinische Festung Gallipoli und besetzten die ganze Halbinsel gleichen Namens 51. Die Katalanen drohten sogar, ganz auf die Seite der Bulgaren zu wechseln, um bald darauf tatsächlich zu erbitterten Gegnern der Byzantiner zu werden. Das ausschlaggebende Ereignis stellte der wohl auf Betreiben Michaels IX. begangene Mord an Roger de Flor in Adrianopel am 30. April 1305 dar. Er hatte verheerende Konsequenzen für die Byzantiner, denn das Söldnerheer rächte sich in grausamer Weise an der griechischen Bevölkerung und brachte den Byzantinern einige militärische Niederlagen bei, so beispielsweise am 10. Juli 1305 bei Apros 52. Theodor Svestoslav nutzte die Situation und verleibte sich die Gebiete des inzwischen ja auf die Seite der Byzantiner gewechselten Eltimir ein, darunter
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147 sq.; P. Schreiner, Die byzantinischen Kleinchroniken. 1. Teil: Einleitung und Text (Corpus Fontium Historiae Byzantinae 12, 1), Wien 1975, 76, no. 10; Ephraemius [Chronicon] ex recognitione Immanuelis Bekkeri (Corpus scriptorum historiae Byzantinae [12]), Ephraemii monachi imperatorum et patriarcharum recensus interprete A. Maio, Bonn 1840, 415, vv. 10351-10364; V. Gjuzelev, аият Търовград щ ратръби обдит, рдовкови оти а България, Атология, Sofia 1981, 96. Pachyme´re`s (nt. 42), XI, cap. 28, 491, 10-17. Pachyme´re`s (nt. 42), XI, cap. 31, 497, 7-10; XII, cap. 3, 527-531; F. Dölger, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches, 5 vols. (Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters und der neueren Zeit A. I), Teil 4. Regesten von 1282-1341, München 1960, no. 2268; Ramon Muntaner ( Jaume I, Bernat Desclot, Ramon Muntaner, Pere III, Les quatre grans cro`niques, revisio´ del text, pro`legs i notes per Ferran Soldevila, Barcelona 1971; dt. Übers.: Chronik des edlen En Ramon Muntaner. Aus dem Catalanischen des 14. Jh. übersetzt von K. Fr. W. Lenz, Leipzig 1842), cap. 208 sq.; Laiou, Constantinople (nt. 3) 137, 152. Pachyme´re`s (nt. 42), XI, cap. 28, 491, 19-25; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 547. Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 547; The Correspondence of Athanasius I, Patriarch of Constantinople, transl. A.-M. Talbot, Washington (DC) 1975, 30-32, 72; P. Lamma, Un discorso inedito per l’incoronazione di Michele IX Paleologo, in: Aevum 29 (1955), 49-69, 55 sq. Muntaner (nt. 48), cap. 210, Pachyme´re`s (nt. 42), XII, cap. 3, 527-531. Pachyme´re`s (nt. 42), XII, cap. 3-19, 527-563; XII, cap. 22-32, 581-605; Muntaner (nt. 48), cap. 215-221; Laiou, Constantinople (nt. 3), 136-163.
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auch die Festungen Diampolis ( Jambol) und Lardeja 53. Eltimir selbst könnte nach Meinung der jüngeren Forschung nach Serbien geflohen sein, ansonsten fehlen Nachrichten über sein weiteres Schicksal 54. Eventuell war Theodor Svetoslav zudem in die Verschwörung des Ioannes Drimis gegen den Kaiser Andronikos verwickelt 55. Darüber hinaus eroberten die Bulgaren Nesebaˇr, Anchialos und Achtopol, womit für Byzanz ein großer Teil der Schwarzmeerküste verlorenging 56. Auch die einst als byzantinische Söldner gegen die Bulgaren engagierten Alanen lösten sich nun vom Kaiser und suchten die Unterstützung Theodor Svetoslavs, von dem sie zu ihrem Schutz Truppen anforderten und erhielten. Bald verwüsteten sie Teile Thrakiens, bevor sie sich mit ihren Familien vielleicht im Gebiet von Jambol ansiedelten 57. Nach einer gewissen Zeit jedoch wurden sie im Frühling 1306 von den Katalanen überfallen, wobei viele von ihnen den Tod fanden, während ihre Frauen und Kinder verschleppt wurden 58. Theodor Svetoslav wandte sich jedoch nicht gegen die Katalanen, sondern versuchte umgekehrt, letztere als Bündnispartner gegen den byzantinischen Kaiser zu gewinnen. Als die mit dem Rücken zur Wand stehenden byzantinischen Gesandten den neuen katalanischen Führer Bernard de Rocafort für ein Ehebündnis mit einer byzantinischen Prinzessin gewinnen wollten, trafen sie dort Gesandte Theodor Svetoslavs mit der gleichen Absicht. Theodor wollte seinerseits die eigene Schwester und Witwe des ehemaligen Bulgarenherrschers Cˇaka mit Bernard vermählen 59. Leider fehlen Informationen über das weitere Schicksal dieses Plans, jedoch scheint am Ende das Bündnis - falls es überhaupt zustande gekommen ist - nur von kurzer Dauer gewesen zu sein. Eine dauerhafte katalanisch-bulgarische Allianz hätte zweifellos die schon jetzt äußerst prekäre Situation der Byzantiner noch weiter verschärft. VII. Der Umschwung Doch urplötzlich scheint es zu einer Kehrtwende gekommen zu sein. Die Hauptquelle ist auch in diesem Fall Georgios Pachymeres. Svetoslav habe, so 53 54
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Pachyme´re`s (nt. 42), XII, cap. 35, 611; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 304. Ch. Matanov, Нови вдия а родтвици а дот .лтиир (Алдиир), in: Годишик а офи#кия uивритт, Наuч цтър а лавяо-виати#ки роuчваия „Ива Дu#чв“ I (1990), 107-113. Pachyme´re`s (nt. 42), XIII, cap. 15 sq., 653-655; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 548; zu Ioannes Drimis cf. PLP (nt. 1), nos. 830 und 91690; Talbot, Correspondence (nt. 50), 210; A. Failler, Le complot antidynastique de Jean Drimys, in: Re´vue d’e´tudes byzantines 54 (1996), 235-244. Pachyme´re`s (nt. 42), XIII, cap. 18, 661, 23-25; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 302; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 548. Pachyme´re`s (nt. 42), XIII, cap. 14, 649; XIII, cap. 18, 661-663; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 305; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 549. Pachyme´re`s (nt. 42), XIII, cap. 19, 663, 22 - 665, 4; Muntaner (nt. 48), cap. 226. Pachyme´re`s (nt. 42), XIII, cap. 21, 667-669; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 305; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 549.
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schreibt er, nach Frieden gestrebt und sich deshalb mit dem Kaiserhaus familiär zu verbinden gesucht. Zu diesem Zweck habe er den in bulgarischer Gefangenschaft befindlichen Patriarchen Ioannes XII. Kosmas (Patriarch von 12941303) zum Kaiser geschickt. Der Kaiser habe zunächst gezögert, dann jedoch in das Notwendige eingewilligt und dem Frieden nach den Wünschen des Zaren zugestimmt. Dieser habe eine der Töchter des Mitkaisers Michael IX., des Sohnes Andronikos’ II., begehrt. Die von ihm eingenommenen Städte habe er jedoch nicht befreit, sondern sie natürlich für seine Kinder und seine Freunde im Besitz gehalten. Der auf weitere Zugeständnisse hoffende Kaiser habe die Übereinkunft zunächst hinausgezögert. Inzwischen sei jedoch mit Erlaubnis des Zaren dringend notwendiges Getreide auf Schiffen nach Konstantinopel transportiert worden, so daß die Rhomäer endlich über ein Mittel gegen den Hunger verfügt hätten 60. Bald darauf im Jahr 1308 kam es schließlich zu besagter Hochzeit zwischen Theodor Svestoslav und Theodora 61. Die Forschung datiert die Nahrungsmittelknappheit in Konstantinopel meist in den Winter 1306/1307 62. Die zuvor an Bulgarien verlorenen Seestädte der Schwarzmeerküste hatten eine wichtige Rolle für die Versorgung der Kaiserstadt gespielt, ihr Verlust bedeutete für Konstantinopel eine schwere Beeinträchtigung der von außen erfolgenden Versorgung der immer noch relativ zahlreichen Bevölkerung der Kaiserstadt 63. Während der Friede bald darauf - wohl schon im Jahr 1307 - abgeschlossen wurde, datiert man die Hochzeit meist in das Jahr 1308 64. Der Friede war durchaus von Dauer. Theodora scheint in der Folge tatsächlich freundschaftliche Beziehungen mit Byzanz garantiert zu haben. In einer Prostagma ihres Vaters, des Kaisers Michael IX. Palaiologos, vom September 1318 interveniert sie beispielsweise für die Restituierung von Gütern des bulgarischen Athosklosters „Zograph“ 65. 60 61
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Pachyme´re`s (nt. 42) XIII, cap. 27, 691, 16-29. Nicephori Gregorae Byzantina historia, vol. 1-2, ed. L. Schopen, Bonn 1829-1830; vol. 3, ed. I. Bekker, Bonn 1855; hier vol. 1, 283; dt. Übers. u. Kommentar: Nikephoros Gregoras Rhomäische Geschichte, übersetzt u. erläutert v. J. L. van Dieten, II, 1 (Bibliothek der griechischen Literatur 8), Stuttgart 1979, 21; zur Anfrage cf. Dölger, Regesten (nt. 48), no. 2303. Laiou, Constantinople (nt. 3), 181-183; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 306 sq.; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 548. G. I. Bratianu, La question de l’approvisionnement de Constantinople a l’e´poque byzantine et ottomane, in: Byzantion 5 (1929/1930), 83-107, hier 101 sq.; id., Nouvelles contributions a l’e´tude de l’approvisionnement de Constantinople sous les Pale´ologues et les empereurs ottomans, in: Byzantion 6 (1931), 641-656, hier 642 sq.; A. E. Laiou, The Provisoning of Constantinople during the Winter of 1306-1307, in: Byzantion 37 (1967), 91-113; id., Constantinople (nt. 3), 195 sq. Pachyme´re`s (nt. 42), XIII, cap. 27, 691; Ioannis Cantacuzeni Eximperatoris historiarum libri IV, graece et latine, ed. L. Schopen, vol. 1, Bonn 1828, 13; dt. Übers. u. Kommentar: Johannes Kantakuzenos, Geschichte, übers. u. erläutert v. G. Fatouros/T. Krischer, 1. Teil (Bibliothek der griechischen Literatur 17), Stuttgart 1982, 19, 213; Nikephori Gregorae Byzantina historia (nt. 61), vol. 1, 283; Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 306; Bozˇilov/Gjuzelev, Ит. Бълг. (nt. 4), 550; Dölger, Einiges über Theodora (nt. 2), 211-221. N. Oikonomides, Theodora Palaiologina in der Prostagma von Michael IX. (Sept. 1318), in: Byzantine Studies 5 (1978), 201-211; zu Zograph cf. втогорка обитл /ограф, ed. V. Gjuzelev, 3 vols., Sofia 1995-1999.
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Die Jahre 1307/1308 bedeuteten somit eine komplette Kehrtwende sowohl der bulgarischen als auch der byzantinischen Politik, welche bis dahin stets auf gegenseitige Konfrontation ausgerichtet gewesen waren. Doch was steckt hinter diesem Umschwung? Tatsächlich scheint die Initiative für den Frieden eher von Theodor Svetoslav und nicht, wie angesichts der sich formierenden und dabei durchaus die Existenz des Byzantinischen Kaiserreichs bedrohenden Koalitionen zu erwarten, von Kaiser Andronikos II. ausgegangen zu sein. Die byzantinisch dominierte Geschichtsschreibung könnte in diesem Fall aber vielleicht auch ganz bewußt versucht haben, den Bulgarenherrscher als Bittsteller darzustellen.
VIII. Die Gr ünde Offensichtlich war - wie erwähnt - kurz vorher die geplante Verbindung mit den Katalanen gescheitert 66. Diese hatten sich zugleich neu orientiert, in eine Richtung, welche das ganze politische Gefüge des Balkanraums ins Wanken bringen konnte. Ihr Blick richtete sich nach Westen. Dort hatte Karl von Valois, der Bruder des französischen Königs Philipp des Schönen (1285-1314) den Plan gefaßt, das lateinische Kaiserreich wiederherzustellen 67. Karl von Valois war eine der interessantesten Persönlichkeiten jener Zeit. Er spielte von 1290 bis 1300 am Hofe seines Bruders eine wichtige Rolle und diente als Heerführer in den Kriegen gegen England und Flandern. Danach nahm er auf Wunsch des Papstes Bonifaz VIII. in Sizilien den Kampf gegen Friedrich von Aragon auf. Im Jahr 1308 bewarb sich Karl von Valois nach der Ermordung König Albrechts am 1. Mai 1308 vergeblich um die römisch-deutsche Königskrone 68. Durch die Heirat mit Katharina von Courtenay im Jahre 1301, der Tochter des letzten lateinischen Kaisers von Konstantinopel, erwarb Karl von Valois den Anspruch auf den byzantinischen Kaiserthron. Katharina starb zwar schon 1307, der Anspruch jedoch blieb 69. Bis zum Jahr 1308 war bereits ein breites Bündnisgeflecht entwickelt worden. 1306 hatte er die Unterstützung der Venezianer erreicht, 1308 die des Serbenkönigs Stephan Urosˇ II. Milutin, im Jahr 1307 hatten die Katalanen Thibaut de Cheproy, einem Abgesandten Karls von Valois, den Gefolgschaftseid geleistet 70. Die Pläne klammerten dabei offensicht66 67 68 69
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Laiou, Constantinople (nt. 3), 170. Hierzu ausführlich Laiou, Constantinople (nt. 3), 200-242. Zu Charles von Valois cf. J. Petit, Charles de Valois (1270-1325), Paris 1900. Laiou, Constantinople (nt. 3), 233 sq.; zum Thema allgemein E. Dade, Versuche zur Wiedererrichtung der lateinischen Herrschaft in Konstantinopel im Rahmen der abendländischen Politik: 1261 bis etwa 1310, Würzburg 1937. Laiou, Constantinople (nt. 3), 200-233, zum Gefolgschaftseid und dem Bündnis mit Stefan Urosˇ II. Milutin 208 sq.
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lich Bulgarien aus oder betrachteten es gar als Gegner 71. Bei Theodor Svetoslav, der noch kurze Zeit vorher Bündnispläne mit den Katalanen geschmiedet hatte, könnte indessen genau jene Mißachtung zu einer radikalen Kehrtwende geführt haben. Dieser Zusammenhang wird aus einer auf den ersten Blick unerwarteten Richtung bestätigt, nämlich von einer interessanten Schrift, die wohl ausgerechnet im Jahr 1308 für Karl von Valois abgefaßt wurde. IX. Die ,Descriptio Europae Orientalis‘ Es handelt sich dabei um die ,Descriptio Europae Orientalis‘, eine geographisch-politische Beschreibung der Länder und Völker Südost- und Osteuropas, in die auch detaillierte Informationen über Bulgarien eingebettet sind. Das Werk richtet sich direkt an Karl von Valois 72. Die ,Descriptio Europae Orientalis‘ scheint in einem offensichtlichen Zusammenhang mit den durch die Ehe mit Katharina von Courtenay erworbenen Ansprüchen auf den byzantinischen Kaiserthron zu stehen. Dort manifestieren sich die Pläne Karls von Valois für einen Kreuzzug beziehungsweise für eine Eroberung von Konstantinopel, die er durch ein umfassendes Bündnis mit Ungarn, Serbien und Venedig zu realisieren suchte. Die Schrift liefert grundsätzliche Informationen aus den Bereichen Politik, Geographie, Wirtschaft und Bevölkerung der behandelten Gebiete und ergänzt diese mitunter mit konkreten Ratschlägen zu politischen Handlungsoptionen. Große Teile der Schrift sind naturgemäß dem Byzantinischen Reich gewidmet, im Anschluß daran werden Albanien und Serbien vorgestellt, dann erst folgt Bulgarien. „Bulgaria est unum imperium magnum per se“, so heißt es zu Beginn des Abschnitts. Darauf folgt jedoch der Satz: „Sedes autem imperii dicti est apud budinium civitatem magnam.“ 73 Mit budinium ist die im heutigen Nordwestbulgarien gelegene Stadt Vidin gemeint, 1308 das Zentrum eines unabhängigen Fürstentums Vidin. Die imperatores des Reiches würden laut der Schrift alle Cysmani, also Sˇisˇman, heißen 74. Zu jener Zeit regierte in Vidin tatsächlich ein Sˇisˇman, womit entweder Sˇisˇman oder Michael Sˇisˇman, der spätere Zar Bulgariens, gemeint ist. Seine Familie war ebenso kumanischer Abstammung wie die Theodor Svetoslavs. Seit 1292 war Michael Sˇisˇman mit Anna, der Tochter des serbischen Königs Stephan Urosˇ II. Milutin, vermählt 75. Sein Machtbereich umfaßte den Nordwesten Bul71 72
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Laiou, Constantinople (nt. 3), 211. Anonymi Descriptio Europae orientalis imperium Constantinopolitanum, Albania, Serbia, Bulgaria, Ruthenia, Ungaria, Polonia, Bohemia anno MCCCVIII exarata, ed. O. Go´rka, Krakau 1916, Praefatio. Descriptio (nt. 72), 38. Ibid. Zu Stephan II. Orosˇ Milutin cf. L. Mavromatis, La fondation de l’empire serbe: le kralj Milutin, Thessaloniki 1978; L. Maksimovic/S. C´irkovic´, in: Иториjа рког арода, vol. 1, Belgrad 1981, 437-475; S. C´irkovic´, рби u рдnj вкu, Belgrad 1995.
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gariens und reichte bis zum sogenannten Eisernen Tor in den südlichen Karpaten. Irgendwann vor 1312 trat Michael Sˇisˇman die Nachfolge seines Vaters an 76. Der Titel imperator wird den Herrschern des Fürstentums in der ,Descriptio‘ jedoch fälschlicherweise zugewiesen, da sie sonst nur unter dem Titel despote¯s in Erscheinung treten 77. Damit ist jedoch klar, daß in der ,Descriptio‘ gar nicht das eigentliche Kernbulgarien, also das bulgarische Zarenreich mit der Hauptstadt Taˇrnovo, thematisiert wird, sondern lediglich das Fürstentum Vidin 78. In der ,Descriptio‘ heißt es weiterhin, daß Bulgarien ein weites, geräumiges und reizvolles Land sei. Im folgenden werden die Flüsse und die Landschaft beschrieben sowie der Reichtum an Brot, Fleisch, Fischen, Silber, Gold, Wachs und Seidenstoffen. Von Flüssen, aus denen Gold ausgewaschen würde, ist die Rede. In der Mitte des Reiches fließe die Donau, die aus einer Menge von in sie mündenden Flüssen emporwachse. Einhörner, Tiger und Biber bewohnten das Land, das weder besonders bergig noch wirklich flach sei. Einst habe das imperium zum Kaiserreich von Konstantinopel gehört und auch jetzt müsse es dazu gehören, wenn der Kaiser entsprechend mächtig sei 79. Mit dieser Aussage wird auch deutlich, in welchem Kontext die Beschreibung Bulgariens liegt. Im Falle der Realisierung der Ansprüche Karls von Valois auf den byzantinischen Kaiserthron soll auch das hier beschriebene Bulgarien einen Teil des neu zu erwerbenden Reiches ausmachen. Die ,Descriptio‘ erwähnt zudem auch, daß sich das Gebiet eine Zeit lang unter der Herrschaft des Ungarnkönigs Andreas befunden habe, bis die Tataren sich des Landes bemächtigt und es tributpflichtig gemacht hätten. Auch heute noch zahle das Reich Tribut an die Tataren. Die Menschen dort seien nicht sehr kriegerisch und nicht an den Gebrauch von Waffen gewöhnt 80. Es folgen Bemerkungen zu Ruthenien, das an das eben beschriebene Reich angrenze und womit wohl Galizien gemeint ist 81. Ferner weist der Verfasser noch auf die Einheitlichkeit der von den genannten Völkern gesprochenen slawischen Sprache hin und bemerkt, daß diese Völker alle Schismatiker seien 82. Der Autor empfiehlt Karl von Valois nach der Realisierung seiner Ansprüche auf den byzantinischen Kaiserthron ein Bündnis mit dem rechtgläubigen König Karl Robert von Ungarn (1308-1342), so daß Karl von Valois von der einen und Karl Robert von Ungarn von der anderen Seite das imperium und die genannten Völker leicht unterwerfen könnten 83. 76 77
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Zum Fürstentum Vidin cf. Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 291-294. Zu diesem Titel cf. I. Biljarski, Ититuциит а рдовкова България. Второ българко цартво (XII-XIV вк), Sofia 1998, 17-84, zu Michael Sˇisˇman op. cit. 59-62. Gjuzelev/Joncˇev, Ит. Бълг. III (nt. 4), 290-294. Descriptio (nt. 72), 38 sq. Descriptio (nt. 72), 39 sq. Descriptio (nt. 72), 40. Descriptio (nt. 72), 41. Descriptio (nt. 72), 42 sq.; zu Karl Robert von Ungarn cf. B. Ho´man, Gli Angioni di Napoli in Ungheria, Rom 1938.
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Das eigentliche bulgarische Zarenreich mit der Hauptstadt Taˇrnovo wird in der Schrift mit keinem Wort erwähnt. Inhaltlich wird aus der allgemein gehaltenen Beschreibung des Landes jedoch nicht deutlich, ob sie vielleicht trotzdem ganz Bulgarien umfassen soll. Die Aussparung des bulgarischen Zarenreichs ist in sofern erstaunlich, als die Beziehungen mit ihm auch für Byzanz viel intensiver und wichtiger waren als die mit dem Fürstentum Vidin. Olgierd Go´rka, der Herausgeber der Schrift, sah den Grund für die Fokussierung auf Vidin darin, daß die Informationen aus dem benachbarten Serbien oder gar aus Ungarn gekommen seien 84. Wie dem auch sei, der Kontext dieser Schrift ist deutlich: Es geht um Ansprüche und Informationen im Zusammenhang des großen Unternehmens Karls von Valois, das sich die Restituierung des lateinischen Kaiserreichs zum Ziel gesetzt hatte. Die diplomatischen Vorarbeiten, also die Bündnisse und Koalitionen unter anderem mit Serbien und den Katalanen, waren jedoch offensichtlich auch in Taˇrnovo zur Kenntnis genommen worden. Vielleicht waren sie es, die den radikalen Politikwechsel ausgelöst haben, von dem in den vorangegangenen Kapiteln die Rede war. Die Pläne Karls von Valois, die in der ,Descriptio‘ eine Beschreibung ihres konzeptionellen Hintergrunds und im Bündnis mit den Katalanen, Venedig und anderen ihre konkrete politische Ausgestaltung fanden, scheiterten letztlich beziehungsweise kamen kaum über das Stadium von Vorbereitungen hinaus 85. Die plötzliche Annäherung Bulgariens an Byzanz jedoch, die vielleicht durch die im Jahr 1307 von Karls Plänen ausgehende Bedrohung initiiert wurde, sollte zu einer relativ beständigen Allianz mit dem südlichen Nachbarn führen, deren sichtbarer Ausdruck die Hochzeit von 1308 war. X. Schluß Der fokussierte Blick auf das Jahr 1308 in Bulgarien konnte zeigen, daß sich bestimmte Ereignisse in einem anderen Licht darstellen können, als man dies aus den anderen Fragen nachgehenden Darstellungen gewohnt ist. Natürlich ist es unmöglich, dem Modell der linearen Geschichtserzählung zu entkommen, jedoch vermag die Konzentration auf ein eng gefaßtes Raster, die Ereignisse von einer anderen Seite zu beleuchten und Aspekte zu erschließen, die vorher verborgen blieben. Die radikale Neuorientierung der bulgarisch-byzantinischen Politik ab 1307/ 1308, die innerhalb eines größeren Erzählrahmens lediglich als Teil eines sich wellenförmig vollziehenden Bündniswechsels mal mit der einen mal mit der anderen Seite zu beschreiben ist, erscheint aus der auf ein Jahr zugespitzten Beobachtung in einem neuen Licht. Die Pläne Karls von Valois sind dabei natürlich nur eines von mehreren möglichen Erklärungsmodellen für den radikalen 84 85
Descriptio (nt. 72), XXVII. Laiou, Constantinople (nt. 3), 212-226 und 233-237.
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Politikwechsel der Bulgaren. Jedoch spricht vieles dafür, daß die mit der Region nur oberflächlich vertrauten Kenntnisse das Bündnisprofil Karls von Valois geprägt haben. Sein Eingreifen über die Katalanische Kompanie scheint Bulgarien ausgeklammert und damit in die Arme von Byzanz getrieben zu haben, dessen Fortbestand bei einer konzertierten militärischen Aktion Karls von Valois, der Katalanischen Kompanie und Bulgariens extrem gefährdet gewesen wäre. Diese These erhebt keineswegs den Anspruch, den politischen Wechsel monokausal zu erklären. Viele weitere Zusammenhänge sind vorauszusetzen, entziehen sich aber unserer Kenntnis, zumal die Komplexität politischer Konstellationen von der historischen Forschung immer nur stark reduziert wahrgenommen werden kann. Immerhin konnte das Beispiel zeigen, daß sich ein methodischer Zugriff über ein konkretes Jahr schon allein deshalb lohnt, weil er auf die Einbeziehung des Kommenden zu verzichten versucht. Bulgarien 1308 löst sich auf diese Weise aus dem Schatten der zukünftigen und für die Zeitgenossen natürlich nicht zu ahnenden osmanischen Eroberung. Bulgarien 1308 befindet sich damit eben nicht am Vorabend der Osmanenherrschaft, sondern ist - um mit den Worten des anonymen Autoren zu sprechen - ein imperium magnum per se.
Byzanz
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List of Thomas Aquinas’ Writings and the Historical Roots of Byzantine Thomism John A. Demetracopoulos (Patras) I. Introduction 1. Bernardus de Gailhac, Bernardus Guidonis, and the Dominicans of Pera: the Channel of Transmission of Aquinas’ Works in Byzantium Byzantine Thomism 1, that is the Greek translation, spread and influence of several important writings of Thomas Aquinas (1225-1274) on Late Byzantine philosophical and theological thought (14th-15th century), has recently been divided into three phases 2. The first 3, from the beginnings of the Byzantines’ acquaintance with Aquinas’ works (ca. 1300) up to the date (1354) of Demetrios Cydones’ translation of the ,Summa contra Gentiles‘, is rather obscure, because of the scarcity of the relevant evidence 4. Some light on this phase may be shed by a hitherto unedited translation by Demetrios Cydones, that of Bernardus Guidonis or Bernard Gui or Bernard Guion’s (ca. 1261-1331) list of Thomas Aquinas’ writings (ch. 53-54 of Bernardus’ ,Legenda S. Thomae de Aquino de ortu, vita et obitu ac gestis ejus‘; post August 1323, ante June 1326) 5. To begin with what is already known, the origins of Byzantine Thomism are directly (if not exclusively) connected with the history of the missionary activity of the Dominican friars in Byzantium from the last decades of the 13th century 1
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I am grateful to Prof. Antonis Fyrigos (Rome), Prof. John Monfasani (New York), Dr. Michele Trizio (Cologne) and Dimitris Kasapides (Xanthi), who spent much of their valuable time to find out several of my desiderata as well as to discuss with me particular points of this article. A. Fyrigos, Tomismo e anti-Tomismo a Bisanzio (con una nota sulla „Defensio S. Thomae adversus Nilum Cabasilam“ di Demetrio Cidone), in: A. Molle (ed.), Tommaso d’Aquino e il mondo bizantino, Venafro 2004, 27-72. Fyrigos, Tomismo e anti-Tomismo a Bisanzio (nt. 2), 27-31. The second one extends from 1354 to the end of the 14th century (Fyrigos, Tomismo e antiTomismo a Bisanzio [nt. 2], 32-50), and the third from the beginnings of the 15th century to the end of Byzantium (op. cit., 50-59). On the date see D. M. Prümmer (ed.), Fontes vitae S. Thomae Aquinatis notis historicis et criticis illustrati. Fasciculus 3: Vita S. Thomae Aquinatis auctore Bernardo Guidonis (Documents ine´dits publie´s par la Revue Thomiste 3), Tolosa 1928, 163-164.
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John A. Demetracopoulos
onwards 6. In late 1299, the Dominican Guillaume Bernard de Gaillac (late 13thearly 14th century), who had from 1284 served his order in various places of Europe and in various offices, arrived in Constantinople, where he learnt Greek in order to combat, through discussing, writing and translating, the dogmatic ,errors‘ of the ,dissident‘ Greeks. According to Bernardus Guidonis, Guillaume „profecit […] in lingua Graeca ita quod eam plene scivit et libros Latinos fratris Thomae in Graecam transtulit, sicut audivi a sociis suis, qui ibidem eum fuerunt conversati, quos ego postmodum vidi […].“ 7
This is the earliest known evidence for an elaboration of some sort of translation of some of Thomas Aquinas’ writings into Greek 8. As this information 6
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A general survey of this history (which officially starts from 1228, when the general assembly of the Order founded the „provincia Graeciae“) is offered by G. Cioffari, Domenicani nella storia. Breve storia dell’Ordine attraverso i suoi protagonisti. I: Il Medioevo (Memorie e Documenti 27), Bari 2005, 261-289. A detailed exposition is to be found in two excellent recent monographs: T. M. Violante, La provincia domenicana in Grecia (Dissertationes historicae 25), Rome 1999; C. Delacroix-Besnier, Les dominicains et la chre´tiente´ grecque aux XIV e et XV e sie`cles (Collection de l’E´cole francX aise de Rome 237), Rome 1997. Most of the previous important contributions to the study of the missionary activity of the Dominicans in Byzantium, especially those by R.-J. Loenertz and A. Dondaine, are cited in Fyrigos, Tomismo e anti-Tomismo a Bisanzio (nt. 2), 27-29. Cf. H.-J. Sieben, Die früh- und hochmittelalterliche Konzilsidee im Kontext der ,Filioque‘-Kontroverse, in: Traditio 35 (1979), 173-207, especially 191-196. Bernardus Guidonis, Compilatio historica Ordinis Praedicatorum, in: R.-J. Loenertz, Les missions dominicaines en Orient au XIV e sie`cle et la Socie´te´ des Fre`res Pe´re´grinants pour le Christ, in: Archivum fratrum praedicatorum 2 (1932), 1-83, especially 66 (Appendix I). The text had been earlier edited by C. Douais, Les fre`res preˆcheurs en Gascogne au XIII e et XIV e sie`cles. Chapitres, couvents et notices, Paris-Auch 1885, 414-415, and by E. Marte`ne/U. Durand, Veterum scriptorum et monumentorum … amplissima collectio, vol. 6, Paris 1729, 516-517. Cf. J. Quetif/J. Echard, Scriptores Ordinis Praedicatorum recensiti notisque historicis illustrati, vol. 1, Lutetiae Parisiorum 1719, 460; D.-A. Mortier, Histoire des Maıˆtres Ge´ne´raux de l’Ordre des fre`res Preˆcheurs, vol. 2, Paris 1905, 501, no. 4; T. Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. Vol. 2: G-I, Rome 1975, 91 (s. v. „Guillelmus Bernardi Galliacensis“). „Some of the Latin works of the friar Thomas“ is obviously the correct rendering of „libros Latinos fratris Thomae“, cf. e. g. B. Palazzo, L’Arap-Djami ou E´glise Saint-Paul a` Galata, pre´face par E. Mamboury, Istanbul 1946, 66; G. Cioffari, Domenicani nella storia (nt. 6), 265; M.-H. Congourdeau, Fre`re Simon le Constantinopolitaine, O. P. (1235?-1325?), in: Re´vue des e´tudes byzantines 45 (1987), 165-181, especially 167, nt. 10; 176; B. Byde`n, „Strangle Them with These Meshes of Syllogisms!“: Latin Philosophy in Greek Translations of the Thirteenth Century, in: J. O. Rosenquist (ed.), Interaction and Isolation in Late Byzantine Culture (Transactions of the Swedish Research Institute in Istanbul 13), Stockholm 2004, 133-157, especially 136. I dare guess that Bernardus Guidonis, instead of writing in clearer Latin ,libros quosdam transtulit‘, omitted the indefinite pronoun because he was subconsciously thinking in French, as follows: „il traduisit des livres latins de fr. Thomas“ and left the indefinite article unrendered because of the lack of articles in Latin. Construing this ambiguous Latin phrase as meaning that Guillaume translated all the writings of Aquinas (cf. e. g. Anonymous, L’ordine di S. Domenico a Costantinopoli, in: Bessarione 4 (1898-99), 413-424, especially 415: „le opere di S. Tommaso d’Aquino“) would be an absurdity. Even translating this phrase as „plusieurs ouvrages“ (R.-J. Loenertz, Les missions dominicaines [nt. 7], 7) implies more than what is actually contained in the text. By the way, let us examine the following statement by the bitter anti-Thomist Matthaeos Angelos Panaretos (2nd half of the 14th century), which had caused the surprise of G. Mercati: „[Aquinas’ writings]… aγνωστα τñ˜ eœκκλησι´á τη˜ νε´ α ¤Rω´ μη eœτυ´ γχανον και` πa˜ σι τοi˜ oœρθοδο´ ξοι eÕω τη˜ βασι-
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came to the reporter ex auditu and no remnants of these translations are extant at all, we do not know which work or works (or parts of work or works) were translated 9. This silentium may indicate these translations did not spread outside the small Catholic circles in Byzantium 10. If we press the question of the identity of these Thomistic works, Guillaume’s missionary zeal ,contra errores Graecorum‘ can be regarded as an indication that the texts translated referred to the Filioque and the Greeks’ rejection of it 11. This suggests that these texts may in principle have been ,Summa theologiae‘ I, q. 36, a. 2-4 and Summa contra Gentiles IV, 24-25. This guess is somewhat reinforced by the fact the Guillaume, some time after 1307, wrote a polemical ,Tractatus de objectionibus Graecorum contra processionem Spiritus sancti a Filio‘ 12. Furthermore, what is more important, I. D. Polemis put forward some evidence for the content of these translations. In the Introduction to his editio princeps of Manuel Moschopoulos’ (ca. 1265-ca. 1316) ,Contra Latinos‘ 13 he points out that one of the Latin arguments for the Filioque reported by Moschopoulos sounds very much like a Scholastic one produced by the Dominicans of Pera, for example by Simon of Constantinople 14. In this context, Polemis edited a small part of one of Simon’s Greek treatises, which is very close to the 1st paragraph of Moschopoulos’ polemical writing 15. It may have been the case that Simon’s passage was an elaboration of the following passage from the long „Respondeo“ of Aquinas’ ,Summa theologiae‘ I, q. 36, a. 2: „Dictum enim est supra quod Filius procedit per modum intellectus, ut verbum; Spiritus sanctus autem per modum voluntatis, ut amor. Necesse est autem quod amor a verbo procedat; non enim
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λει´α του˜ εyœσεβεστα´ του ÅIωα´ ννου του˜ Kαντακουζηνου˜ “; „κατα` το` τε´ λο τη˜ βασιλει´α“, however, „Θεσσαλονικευ´ τι Kυδω´ νι το` eœπω´ νυμον“ translated „πα´ ντα τα` βιβλι´α eœκει´νου“ (G. Mercati, Notizie di Procoro e Demetrio Cidone, Manuele Caleca e Teodoro Meliteniota ed altri appunti per la storia della teologia e della letteratura bizantina del secolo XIV (Studi e Testi 56), Vatican City 1931, 11, nt 4). Mercati, if he knew of Cydones’ translation of Bernardus Guidonis’ list of Thomas’ writings, may have thought of the hypothesis that Panaretos was not referring to an alleged translation of the entire bulky corpus of Aquinas’ works by Demetrios Cydones but just to a translation of a catalogue of these works, namely that attached by Bernardus to his biography of Thomas Aquinas. Cf. Quetif/Echard, Scriptores Ordinis Praedicatorum (nt. 7), 460: „Quinan vero illi libri [fratris Thomae de Aquino] [Bernardus Guidonis] non indicat.“ Cf. e. g., Mercati, Notizie di Procoro e Demetrio Cidone (nt. 8), 11, nt. 4; Palazzo, L’Arap-Djami (nt. 8), 76; Fyrigos, Tomismo e anti-Tomismo a Bisanzio (nt. 2), 29. Cf. Violante, La provincia domenicana (nt. 6), 122: „Fra Guglielmo Bernardo di Gaillac […] fu il primo a tradurre in greco le [melius: ,alcuni‘] opere di Tommaso d’Aquino ad uso dei frati, probabilmente per l’utilizzo sia nella predicazione sia nei dibattiti teologici.“ Edition: F. Stegmüller, Ein lateinischer Kontroverstraktat gegen die Griechen, in: Kyrkohistorisk a˚rsskrift (1954), 123-150. I. D. Polemis, An Unpublished Anti-Latin Treatise of Manuel Moschopoulos, in: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 46 (1996), 251-264, especially 253-254; cf. id., Theophanes of Nicaea. His Life and Works, Wien 1996, 88-89. On Simon cf. infra, 834. Polemis, An Unpublished Anti-Latin Treatise (nt. 13), 255, 1-9.
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aliquid amamus, nisi secundum quod conceptione mentis apprehendimus. Unde et secundum hoc manifestum est quod Spiritus sanctus procedit a Filio.“
Let us see Demetrios Cydones’ translation of this passage: „Προαποδε´ δεικται γα` ρ κατα` με` ν το` ν του˜ νου˜ τρο´ πον, v« λο´ γον, το` ν Yi«ο` ν προι¨ε´ ναι, το` δε` Πνευ˜ μα το` aÕγιον κατα` το` ν τη˜ θελη´ σεω, v« αœ γα´ πην. ÅAνα´ γκη δε` τη` ν αœ γα´ πην eœκ του˜ λο´ γου προι¨ε´ ναι∑ οyœδε` ν γα` ρ αœ γαπv˜ μεν εiœ μη` του˜ θÅ οy√περ αœ ντιλαμβανο´ μεθα τñ˜ συλλη´ ψει του˜ νου˜ . −Oθεν καœ κ του´ του φαμε` ν και` eœκ του˜ Yi«ου˜ eœκπορευ´ εσθαι το` Πνευ˜ μα το` aÕγιον.“ 16
In addition, in Simon’s polemical piece the power through which the Holy Spirit proceeds from the Son is called „πνευστικη` δυ´ ναμι“ 17. This is hardly Classical or Byzantine Greek; the word „πνευστικο´ “ occurs no more than a dozen of times in the entire Greek literature accessible in the TLG (version E). This phrase is to be found in the next article of Aquinas’ ,Summa theologiae‘ (I, q. 36, a. 3 ad 2), where (nil mirum!) the core of Simon’s passage occurs: „Ad secundum dicendum quod, si Filius acciperet a Patre aliam virtutem numero ad spirandum Spiritum sanctum, sequeretur quod esset sicut causa secunda et instrumentalis, et sic magis procederet a Patre quam a Filio. Sed una et eadem numero virtus spirativa est in Patre et Filio, et ideo aequaliter procedit ab utroque. Licet aliquando dicatur principaliter vel proprie procedere de Patre, propter hoc quod Filius habet hanc virtutem a Patre.“
In Cydones’ translation: „Eiœ o« Yi«ο` eœλα´ μβανεν eœκ του˜ Πατρο` aλλην τì˜ αœ ριθμì˜ δυ´ ναμιν του˜ προβα´ λλειν το` Πνευ˜ μα το` aÕγιον, εiÕπετο aν του˜ τον vÕσπερ δευτε´ ραν εiÓναι αiœτι´αν και` oœργανικη´ ν, και` οyÕτω μa˜ λλον aν eœκ του˜ Πατρο` eœξεπορευ´ ετο h eœκ του˜ Yi«ου˜ . ÅAλλÅ h« αyœτη` και` μι´α προβλητικη` δυ´ ναμι eœστι`ν eœν Πατρι` και` Yi«ì˜ , και` δια` του˜ το eœπι´ση παρÅ e«κατε´ ρου προ´ εισι, εiœ και` eœνι´οτε λε´ γοιτο αœ ρχοειδv˜ h κυρι´ω προι¨ε´ ναι eœκ του˜ Πατρο´ , δια` το` το` ν Yi«ο` ν eœκ του˜ Πατρο` eχειν τη` ν δυ´ ναμιν ταυ´ την.“ 18
Therefore Simon’s and Moschopoulos’ texts tend to verify Guidonis’ report that some Thomistic translations into Greek were produced by Guillaume Bernard de Gaillac in the late 13th century, at least of some parts of the articuli of the ,Summa theologiae‘ that touch upon the Filioque 19. According to the approximate but plausible estimation by A. Fyrigos 20, Guillaume Bernard de Gaillac produced his Thomistic translations no earlier than 1305 21. 16 17 18
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Ms. Vat. gr. 609 (an autograph of Cydones), f. 58r14-16. Polemis, An Unpublished Anti-Latin Treatise (nt. 13), 254. Ms. Vat. gr. 609, f. 58v14-16. Cydones apparently avoided the non-Classical „πνευστικο´ “ and rendered „virtus spirativa“ with the roughly-synonymous phrase „προβλητικη` δυ´ ναμι“. The relevant passage from Aquinas’ ,Summa contra Gentiles‘, i. e. IV, 24, 12-13, does not bear any verbal similarity with Simon’s and Moschopoulos’ passages, at least with those brought to light by Polemis, An Unpublished Anti-Latin Treatise (nt. 13). Fyrigos, Tomismo e anti-Tomismo a Bisanzio (nt. 2), 29. Incidentally, this means that Moschopoulos’ piece against the Latins should be placed after that date.
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According to Georgios Pachymeres 22, in 1307, the emperor Andronicos II (1282-1328), under pressure from the patriarch Athanasios I (1304-1310), who regarded Guillaume and his Dominicans as a threat to the integrity of the religious convictions of the Greek Orthodox populace of the capital city 23, expelled them. Guillaume and his company moved to Pera, by then a Genovese colony (modern Taksim, in Istanbul), where they installed themselves with more stability 24. As a result, „the convent of Pera soon became not only a center of studies but also a channel through which Scholastic theology, especially that of Aquinas, was transmitted in Greece.“ 25 To detect, however, a concrete route of this transmission by finding the links that connect Guillaume, who was the first to have ever brought some of Thomas’ writings to Byzantium and translated some of them, with Demetrios Cydones, whose translative œuvre as well as philosophical and theological thought is the first instance of Byzantine Thomism proper, we have to move to another Dominican, Bernardus Guidonis. Bernardus was a famous Dominican friar, due, on the one hand, to his important historical literary production and, on the other, to his intensive inquisitorial activity 26. Leaving aside the remaining biographical elements 27, what is important for our investigation is that Bernardus met with the „socii“ of Guillaume in Pera 28, who told him about the translation of some of Aquinas’ writings into Greek by their spiritual guide. Now it can be reasonably well assumed that Bernardus, as a biographer of the glory of the 22
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Georgius Pachymeres, De Andronico Palaiologo VI, 28, in: I. Bekker, Georgii Pachymeris de Michaele et Andronico Palaeologis libri tredecim, vol. 2 (Corpus scriptorum historiae Byzantinae), Bonn 1835, 536, 15-539, 2 (= Patrologia Graeca 144, 589-596). Cf. Anonymous, L’ordine di S. Domenico (nt. 8), 414-415. Cf. Bekker, Georgii Pachymeris (nt. 22), 537, 2-3: „[…] δια` το` τη˜ αœ κριβου˜ θρησκει´α ζηλωτικο´ ν“. Cf. the testimony of Bernardus Guidonis (Loenertz, Les missions dominicaines (nt. 7), 66): „De Constantinopoli vero transivit ultra in villam, quae vocatur ,Pera‘, ubi similiter locum habuit ad habitandum cum fratribus XII conventualiter verbum Domini praedicans et disputans contra errores Graecorum […]“; cf. also the comments by Loenertz, op. cit., 7-8. Violante, La provincia domenicana (nt. 6), 151. Cf. A.-M. Lamarrigue, Bernard Gui (1261-1331): un historien et sa me´thode, Paris 2000; G. Mollat (ed.), Bernard Gui. Manuel de l’Inquisiteur, 2 voll. (Les classiques de l’histoire de ˆ ge 8-9), Paris 1964; A. Pales-Gobilliard (ed.), Le Livre des sentences de France au Moyen A l’inquisiteur Bernard Gui: 1308-1323, 2 voll. (Sources d’histoire me´die´vale publie´es par l’Institut de Recherche et d’Histoire des Textes 30), Paris 2002. Bernard, in fifteen years of interrogating people accused of heresy in Toulouse, out of over seven hundred cases of guilty verdicts sentenced to death forty-two. A succinct biography of Bernardus is offered (along with essential bibliography) in Cioffari, Domenicani nella storia (nt. 6), 194-196. A vast amount of biographical evidence is contained in the Cahiers de Fanjeaux 16 („Bernard de Gui et son monde“), Toulouse 1981. Cf. also the old but useful work by A. Thomas, Histoire litte´raire de la France, vol. 35, Paris 1921, 139232. I cannot share the estimation of Palazzo, L’Arap-Djami (nt. 8), 66, adopted by Violante, La provincia domenicana (nt. 6), 152, that Bernardus „connut personellement Guillaume de Gaillac“. On the contrary, Bernardus states that his information is second-hand („sicut audivi a sociis suis, qui ibidem eum fuerunt conversati, quos ego postmodum vidi“).
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Dominicans 29, when hearing Aquinas’ name being mentioned along with the information that a holy man such as Guillaume tried to make some of the works of the doctor angelicus accessible to the ,schismatic‘ or ,dissident‘ Greeks, thought it advisable to pass to the company of the late 30 Guillaume his own list of Aquinas’ works, that is chapter 53 („De numero et nominibus librorum et tractatuum sancti Thomae doctoris“) and chapter 54 („Sequitur de opusculis sancti Thomae doctoris“) of his biography of Thomas Aquinas, thus offering them the opportunity to translate this list into Greek and show in a visible way to the Greeks the importance of the Dominican intellectual figure whose arguments for the Filioque the Greeks used to despise contemptuously. Is this a mere conjecture or something to be taken for more or less certain? To judge, let us reconstruct the chain of some important Latin figures in Pera after Guillaume. Friar Simon of Constantinople 31, a Catholic of the first generation after the conquest of Constantinople in 1204, after coming back from Montenegro, where he was exiled from 1261 onwards, is attested to have joined the convent of Pera in 1299 32. Since he lived as late as ca. 1325 (he died in the aube of his tenth decade), it is highly probable that he had been among Guillaume’s comrades whom Bernardus says he met personally. Simon, being expert both in Greek and Latin, wrote numerous treatises on behalf of the Filioque. The missionary zeal of Simon of Constantinople and the textual material he had at his disposal were passed on to our last missing link, Philip de Bindo Incontri (or Philip of Pera) 33, who, according to his own words, when Simon 29
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Prümmer (ed.), Fontes vitae S. Thomae (nt. 5), 168-256; Guidonis’ list of Aquinas’ works is in 217, 7-222, 6 as well as in 260, 3-263, 20. The text of this edition was reproduced by A. Ferrua, S. Thomae Aquinatis vitae fontes precipuae, Alba 1968, 125-195; list of works in 189, 7-195, 18. Cf. the old edition of Bernardus’ biography by C. Oudinus, Commentarius de scriptoribus Ecclesiae antiquis…, Lipsiae 1722, coll. 272-276. Prümmer’s edition is also available on the internet, URL: http://www.corpusthomisticum.org/lbgui/html. Cf. Guidonis’ brief description of Aquinas’ figure in his writing ,Fratres viri illustres in scriptis et doctrinis‘, 8 (H.-D. Simonin, Notes de bibliographie dominicaine, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 9 [1939], 192-203, here 202): „Frater Thomas de Aquino, Apulus, doctor egregius et famosus in orbe, quam plurima scripsit. Cujus doctrinam sanam et lucidam totus Oriens et Occidens sine invidia judicando amplectitur et miratur et eam habere se gaudet et gloriatur. Ipsa namque tamquam lux splendens procedit et crescit usque ad perfectam diem, donec lucifer oriatur. Indeque hauriunt universi etiam obtrectatores et aemuli in occulto. Cujus librorum numerus [a hint at the title of chapter 53 of his ,Legenda S. Thomae‘: „De numero et nominibus librorum et tractatuum sancti Thomae doctoris“] magnus et multus fere ubique est notus; ideo non ponitur hic“. Cf. „postmodum vidi“ (cf. nt. 7 and nt. 28). See A. Dondaine, „Contra Graecos“. Premiers e´crits pole´miques des Dominicains d’Orient, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 21 (1951), 320-446, especially 405-406; Delacroix-Besnier, Les dominicains et la chre´tiente´ grecque (nt. 6), 212; Congourdeau, Fre`re Simon le Constantinopolitaine (nt. 8). Cf. nt. 24. Cf. R.-J. Loenertz, Fr. Philippe de Bindo Incontri O.P. du couvent de Pera, Inquisiteur en Orient, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 18 (1948), 265-280; Quetif/Echard, Scriptores Ordinis Praedicatorum (nt. 7), 646.
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was ninety, was a young novice under the patronage of this aged Dominican friar (even though he was also a member of the Peregrinant Friars) and was inspired by his spiritual guide to polemicise against the Greeks 34. Philip (d. after 1362), an inquisitor of the „Contrata Romaniae“ 35, was all too naturally interested in a writing by another inquisitor, Bernardus Guidonis, about whom he would presumably have heard from Simon. And, to put the last ring in the chain, it is highly probable that Philip was the Dominican priest about whom Cydones, the translator of the text under discussion, that is Bernardus Guidonis’ list of Thomas Aquinas’ writings, says that he taught him Latin 36. That Philip would have passed to Demetrios’ hands Bernardus’ list of Aquinas’ works is highly probable, since, according to the information offered by Cydones 37, Philip in
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Violante, La provincia domenicana (nt. 6), 152. Loenertz, Les missions dominicaines (nt. 7), 78-79: „Fr. Simon Constantinopolitanus ordinis Praedicatorum, qui satis erat imbutus scientia Graeca magis quam Latina, quem vidi nonagenarium existentem, qui multa scripta dimisit contra Graecos, ex cujus scriptis et libris initium habui contra Graecos disputandi […]“; cf. T. Kaeppeli, Deux nouveaux ouvrages de Philippe Incontri de Pe´ra, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 23 (1953), 163-183, especially 172, nt. 44. Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 361, 63-74; 362, 98-100; 362, 6-363, 9. That Philip of Pera was the teacher of Demetrios was suggested by G. Mercati (op. cit., 514, „aggiunta“ to 361): „Piu` volte m’e` venuto il pensiero che quel domenicano sia stato fra Philippo da Pera, il quale appunto fioriva alla meta` del secolo XIV e volentieri disputava coi Greci, com’egli stesso ricorda ne’ suoi scritti.“ His suggestion was accepted as plausible by most scholars; cf., inter alios, B. Altaner, Die Kenntnis des Griechischen in den Missionsorden während des 13. und 14. Jarhunderts, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 53 (1934), 436-493, especially 476; R.-J. Loenertz, La Socie´te´ des Fre`res Pe´re´grinants (Dissertationes historicae 7), Rome 1937, 81-82; id., Fr. Philippe de Bindo Incontri (nt. 33), 271-272; A. Kern, Der Libellus de notitia orbis Johannes’ III. (de Galonifontibus?) O. P. Erzbischofs von Sultanyeh, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 8 (1938), 82-123, especially 101 (Cydones is alluded to in John III’s ,Libellus de notitia orbis’ 3, 10-14); Palazzo, L’Arap-Djami (nt. 8), 80, nt. 1; S. G. Papadopoulos, ¤Eλληνικαι` μεταφρα´ σει θωμιστικv˜ ν eργων: φιλοθωμισται` και` αœ ντιθωμισται` eœν Bυζαντι´ì. Συμβολη` εiœ τη` ν i«στορι´αν τη˜ βυζαντινη˜ θεολογι´α (Bιβλιοθη´ κη τη˜ eœν ÅAθη´ ναι Φιλεκπαιδευτικη˜ ¤Eταιρει´α 47),
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Athens 1967, 27; F. Tinnefeld, Demetrios Kydones. Briefe. Übersetzt und Erläutert. Erster Teil, erster Halbband: Einleitung und 47 Briefe (Bibliothek der griechischen Literatur 12), Stuttgart 1981, 12, nt. 58 (with some reservation); F. Kianka, The Letters of Demetrios Kydones to Empress Helena Kantakouzene Palaiologina, in: Dumbarton Oaks Papers 46 (1992) (= A. Cutler/S. Franklin [eds.], Homo Byzantinus. Papers in Honor of Alexander Kazdhan), 155164, especially 158; Delacroix-Besnier, Les dominicains et la chre´tiente´ grecque (nt. 6), 190; 444, s. v. „Philippe de Bindo Incontri alias de Pe´ra“; id., Philip de Pe´ra O.P. et Demetrios Kydone`s, in: Nicolaus 30 (2003), 339-345, especially 343 (with some reservations). Mercati’s suggestion fits perfectly in the picture of the development of Byzantine Thomism in Pera presented here. R.-J. Loenertz, Manuel Pale´ologue et De´me´trius Cydone`s. Remarque sur leur correspondance (deuxie`me partie), in: E´chos d’Orient 37 (1938), 107-124, especially 110, nt. 3, and id., Fr. Philippe de Bindo Incontri (nt. 33), 272-280 suggested that an unqualified „Φι´λιππο“ mentioned in two of Demetrios’ epistles (Epistle 31, l. 58; Epistle 110, l. 53, in: R.-J. Loenertz (ed.), De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 [Studi e testi 186], Vatican City 1956, 62; 149) should be identified with Philip of Pera. A new indication on behalf of this identification is offered below in nt. 55. Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 362, 99-100.
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his teaching used as a means of practicing translation from Latin into Greek Aquinas’ ,Summa contra Gentiles‘ 38. This suggestion is reinforced by the close similarity of the way Demetrios depicts Aquinas in the context of his narration of how he was initiated into the study of Latin and started translating Aquinas into Greek as well as of the close connection of the translation of Guidonis’ list with the translation of the ,Summa contra Gentiles‘. Let us see the relevant evidence in detail. 2. Demetrios Cydones’ translation of Bernardus Guidonis’ ,Legenda S. Thomae de Aquino de ortu, vita et obitu ac gestis ejus‘, chapters 53-54 2.1. The authorship of the translation Among the works of Demetrius Cydones listed around three centuries ago by J. A. Fabricius one reads: „Liber de vita, doctrina et miraculis Thomae Aquinatis.“ 39 Strangely enough, Fabricius did not list this piece among Cydones’ translations; further, more is the pity, he did not mention his sources at all. Yet the strong similarity of the title of this enigmatic piece to the title of Guidonis’ biography of Aquinas makes it probable that this notice by Fabricius represents an oddment of some information with regard to Cydones’ translation under discussion. To my knowledge, A. Turyn was the first modern scholar to identify the content of the foll. 117vb5-118vb46 of Ms. Marc. gr. II, 2 (1012) as a Greek translation of chapter 53-54 of Bernardus’ ,Legenda‘ 40. Turyn, having focused on this codex because of its being explicitly dated on fol. 117v and thus fitting the scope of his research task, was not principally interested either in the identity of the manus of these folios or in the authorship of the translation.
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Let us recall that Philip’s ,Libellus qualiter Graeci recesserunt ab oboedientia Ecclesiae Romanae‘ (Kaeppeli, Deux nouveaux ouvrages [nt. 35], 170) is the earliest known testimony (1357) for Demetrius Cydones’ conversion to Catholicism; cf. F. Kianka, Demetrius Cydones (c. 1324-c. 1397): Intellectual and Diplomatic Relations between Byzantium and the West in the 14th Century, Diss. Fordham University 1981, 155-156; C. Delacroix-Besnier, Conversions constantinoˆ ge 105 (1993), politaines au XIV e sie`cle, in: Me´langes de l’E´cole francX aise de Rome: Moyen A 715-761, especially 737. A brief account of the history of the Dominicans of Pera as well as of Cydones’ relation with Philip de Pera is offered by Delacroix-Besnier, Philip de Pe´ra (nt. 36). J. A. Fabricius, Bibliotheca Graeca sive notitia scriptorum veterum Graecorum … Editio nova … curante G. C. Harles, vol. 5, Hamburg 1808 [reprint: Darmstadt 1966], 404, no. 19. A. Turyn, Dated Greek Manuscripts of the Thirteenth and Fourtheenth Centuries in the Libraries of Italy, vol. 2: Plates, Urbana-Chicago 1972, 232. Cf. G. Podskalsky, Theologie und Philosophie in Byzanz. Der Streit um die theologische Methodik in der spätbyzantinischen Geistesgeschichte (14./15. Jh.), seine systematischen Grundlagen und seine historische Entwicklung, Munich 1977, 197, nt. 821.
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A decade later, E. Mioni, in his description of the Greek codices of the Marcian Library of Venice, did not add anything to the information offered by Turyn 41. As soon as he detected, however, that the manus of these folios is that of Demetrios Cydones, he notified privately the relevant evidence to F. Tinnefeld 42, who in the introduction to his commented translation of Demetrios Cydones’ ,Epistles‘ plausibly attributed the translation to Demetrios 43. True, the handwriting is a strong but not conclusive piece of evidence for ascribing the authorship of a text or translation to the scribe. In our case, however, this evidence is accompanied by the following fact. The autograph folios which contain the translation of Guidonis’ list of Aquinas’ writings precede the folios 119r-304v, which contain the ,Summa contra Gentiles‘ 44. This is not a mere coincidence; for, in the former translation, where the ,Summa contra Gentiles‘ (Kατα` ¤Eλλη´ νων) is listed, Cydones inserted the following parenthetic sentence: „[…] oÕπερ [sc. βιβλι´ον ] eœστι` το` παρο´ ν.“ 45 This urges us to identify the author of the translation of the ,Summa contra Gentiles‘ with the author of the translation of Bernardus’ list of Aquinas’ writings. Furthermore, an examination of the list of the Latin manuscripts containing the ,Summa contra Gentiles‘ reveals that Aquinas’ apologetic masterpiece is
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E. Mioni, Codices graeci manuscripti bibliothecae divi Marci Venetiarum. Volumen I. Pars prior, Rome 1981, 87-88. Tinnefeld, Demetrios Kydones. Briefe (nt. 36), 71 (no. 2.11). A comparison of the folios of this translation with the specimen offered by Turyn, Dated Greek Manuscripts (nt. 40), plate 185, or with Ms. Vat. gr. 609, whose folios 8v-131r and 147r-172v come from Demetrios’ hand (cf. R. Devreesse, Codices Vaticani Graeci, vol. 3: Codices 604866, Vatican City 1960, 16), leaves no room for doubt at all. Incidentally, Cydones’ handwriting in these folios is characterized by extremely small letters, just like, e. g., the autograph Ms. Vat. gr. 609, where his translation of the Prima Pars of Thomas’ ,Summa theologiae‘ is extant (cf. e. g. the specimen from f. 23r available in tables 1 and 2c in Mercati, Notizie di Procoro [nt. 8]), and unlike the large letters he used, e. g., in Ms. Marc. gr. 1012, foll. 1-117, where a copy of Maximos Planudes’ translation of Augustine’s ,De Trinitate‘ partly by Demetrios and partly by another hand is extant; cf. Mioni, Codices graeci manuscripti (nt. 41), 88 (frust. I); G. Rigotti, Introduzione, in: M. Papathomopoulos/I. Tsavari/G. Rigotti (eds.), Ayœγουστι´νου Περι` Tρια´ δο βιβλι´α πεντεκαι´δεκα, aÕπερ eœκ τη˜ Λατι´νων διαλε´ κτου εiœ τη` ν ¤Eλλα´ δα μετη´ νεγκε Mα´ ξιμο o« Πλανου´ δη. Eiœσαγωγη´ , e«λληνικο` και` λατινικο` κει´μενο, γλωσσα´ ριο, vol. 1, Athens 1995, LXXXIII. Apparently, Cydones used extremely small letters when scribing extremely long texts such as Thomas’ summae and larger ones when transcribing texts of normal size. Mioni, Codices graeci manuscripti (nt. 41), 88. Cf. A. Turyn, Dated Greek Manuscripts of the Thirteenth and Fourtheenth Centuries in the Libraries of Italy, vol. 1: Text, Urbana-Chicago 1972, 232-233. I did not have the opportunity to find out the identity of the scriptura of these folia. If these folios came from Cydones’ hand, it goes without saying that Cydones prefaced his translation of the ,Summa contra Gentiles‘ by means of Guidonis’ list; if not, it is just as plausible that Cydones used a scribe to copy his translation of the ,Summa contra Gentiles‘, since the parenthetic sentence „[…] oÕπερ eœστι` το` παρο´ ν“ still proves that he was aware of which text would follow his translation of Guidonis’ list. Cf. paragraph 4/4 of the edition below.
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not prefaced by Bernardus’ list in any of them 46. This means that we can be almost certain that it was Demetrios’ own idea to do so 47. 2.2. Intention: Praefationis instar to the translation of the ,Summa contra Gentiles‘ The fact that Cydones placed Guidonis’ list just before Aquinas’ ,Kατα` ¤Eλλη´ νων‘ means that he intended to preface his first translation of a Thomistic work, that of the ,Summa contra Gentiles‘, which he regarded as „τv˜ ν [sc. βιβλι´ων ] eœκει´νου [sc. Aquinas] το` τελεω´ τατον και` τη˜ σοφι´α του˜ αœ νδρο` οi√ον aνθο“, by means of this list 48. This idea may have crossed Cydones’ mind for 46
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Cf. the description of the manuscript tradition of the ,Summa contra Gentiles‘ in the editio Leonina (Thomae Aquinatis … opera omnia iussu edita Leonis XIII, Tomus decimus tertius: Summa contra Gentiles … cum commentariis Francisci de Sylvestris Ferrariensis, Rome 1918, XII-XVI), where 101 codices are mentioned, with the description of the manuscript tradition of Bernardus Guidonis’ list of Aquinas’ writings by Prümmer, Fontes vitae S. Thomae (nt. 5), 163-167, where 12 codices are mentioned. It must be noted that Prümmer did not elaborate a full list of the manuscripts of the work he edited, because he was fortunate to base his edition on an autograph (cf. op. cit., 167). He did, however, insist on studying the most ancient manuscripts, those of the early and middle 14th century, that is the manuscripts belonging to a period practically identical with that in which Cydones produced his translation of Guidonis’ list. This bestows on his list a special value for the point that Cydones’ decision to preface his Greek version of the ,Summa contra Gentiles‘ by a Greek version of Guidonis’ list of Aquinas’ works was his own. In general, the short span between Bernardus’ elaboration of this list (1323/ 26; cf. nt. 5) and Cydones’ translation of it (1365) is too short to allow for the absolutely hypothetical and complicated scenario that a (thus far undiscovered) Latin codex was produced that contained both the ,Summa contra Gentiles‘ and Bernardus’ list and that that codex came into Cydones’ hand and offered him the idea of translating them both. The scenario that it was through the Dominicans of Pera (whom, as we saw, Guidonis had contacted) that Cydones was acquainted with Guidonis’ list is incomparably more plausible. By the way, since the codex which contains both translations (or, at least, its first item) dates from 1365 (Turyn, Dated Greek Manuscripts [n. 40]; Mioni, Codices Graeci manuscripti [nt. 41], 87), namely a decade later than the first redaction (1354) of Cydones’ translation of the ,Summa contra Gentiles‘ (cf. e. g. Papadopoulos, ¤Eλληνικαι` μεταφρα´ σει θωμιστικv˜ ν eργων [nt. 36], 2832), it is probable that the codex under discussion represents the last revision of this translation. Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 362, 5-6. Demetrios was extremely fascinated by this work, which he apparently regarded as the best Christian apologetic piece ever written (Demetrios Cydones, Epistle 33, ll. 72-76; ed. R.-J. Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance [nt. 37], 66): „[…] εiœ Πλα´ των και` οi« eœκ του˜ Περιπα´ του πα´ ντε παρη˜ σαν και` eδει Θωμa˜ ν προ` αυ` του` ,περι` τη˜ eœν h«μi˜ν eœλπι´δο‘ (I Petr. 3,15) διαγωνι´ζεσθαι, οyÕτω aν και` κατÅ αyœτου` του` λο´ γου h«ττη´ θησαν, v« Πλα´ τωνα aν καœ κει´νου εyœθυ` τη` ν ÅEκκλησι´αν αœ ντι` τη˜ ÅAκαδημι´α e«λε´ σθαι.“ Demetrios’ latent Scriptural citation („eÕτοιμοι αœ ει` προ` αœ πολογι´αν παντι` τì˜ αiœτου˜ ντι y«μa˜ λο´ γον περι` τη˜ eœν y«μi˜ν eœλπι´δο“) implies that he had in his mind especially Thomas’ apologetic masterpiece, i.e. the ,Summa contra Gentiles‘. This passage sheds light on a similar one in his Epistle 103, ll. 6566 (op. cit., 141): „… h« του´ των [sc. the Latins’] Mου˜ σα τη˜ ÅAριστοτε´ λου και` Πλα´ τωνο σεμνοτε´ ρα … Tο` δÅ eœπÅ eœκει´νου [sc. the Latins’] eÕλκον [him] h« τv˜ ν θει´ων eœστι`ν eœπιστη´ μη και` το` πανταχου˜ μετα` τv˜ ν εiœκο´ των λο´ γων eœπι` τα` διαλε´ ξει χωρεi˜ν, του˜ το δη` το` του` νου˜ ν eχοντα πα´ ντα eœκπλη˜ ττον και` αœ ηδη˜ τη` ν περι` τα` aλλα h«δονα` σπουδη` ν αœ ποφαi˜νον“ (cf. Epistle 33, ll. 58-59, op. cit., 65). „ÅEκπλη˜ ττον“
may entitle us to describe Cydones’ attitude towards the Latins (especially towards Thomas
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the following reasons. First of all, a precedent was available to him. Maximos Planudes, who in 1286 translated Boethius’ ,Consolatio philosophiae‘ (Περι` παραμυθι´α τη˜ φιλοσοφι´α ) translated also (with some slight adaptations and additions) a short ,Vita Boethii‘ as an introduction to his translation of Boethius’ masterpiece. To judge from the content of this ,Life‘, Planudes thought it necessary to produce a Greek version of it, not only to offer the Greek-speaking reader the opportunity to realize the close connection of the very production of the ,Consolatio philosophiae‘ with the dramatic circumstances of the author’s life (which are expounded in § 3) and enable him to evaluate the ,Consolatio philosophiae‘ in a better way but also to inform the Greek-speaking readership about Boethius’ literary production by means of the short list of Boethius’ works contained in the ,Life‘ (§ 2) 49. Cydones, on his part, who definitely knew of Boethius’ translation 50, also thought it useful to have recourse to a biography of the author of the work he translated. Apparently, however, he realized that the most important feature of Aquinas’ biography was the very fact of his being an author - one of the most outstanding authors in the entire history of Christian literature. He decided, therefore, to focus on Guidonis’ list of Aquinas’ writings. Such a list was the most eloquent evidence of the superiority of a Westerner, Thomas Aquinas, to any Byzantine theologian and philosopher. Cydones declares explicitly that showing this superiority was the main purpose of his producing translations of
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Aquinas) as the result of a „culture shock“. Cf. Cydones’ well-known description of the first reaction of his teacher, Neilos Cabasilas, after his acquaintance with the translation of the ,Summa contra Gentiles‘ (Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro [nt. 8], 391, 27-31): „[…] τη˜ Λατι´νων σοφι´α eœγκω´ μια πλεi˜στα διñ¬ει· τv˜ ν γα` ρ του˜ Θωμa˜ βιβλι´ων μανικο` hÓν eœραστη` και` τv˜ ν eœκει´νου λο´ γων eœψηφι´ζετο πολλì˜ του` τv˜ ν aλλων διδασκα´ λων h«ττa˜ σθαι, δη˜ λο´ τε hÓν περι` το` ν aνδρα πεπονθω` oÕπερ καœ γω´ […].“ Cf. my remarks on the occasion of detecting some Thomistic influence on Demetrios Cydones’ close friend, Nicholas Cabasilas: J. A. Demetracopoulos, Nικολα´ ου Kαβα´ σιλα „Kατα` Πυ´ ρρωνο“. Πλατωνικο` φιλοσκεπτικισμο` και` αœ ριστοτελικο` αœ ντισκεπτικισμο` στη` βυζαντινη` διανο´ ηση του˜ 14ου αiœv˜ να [with an English summary: Nicholas Cabasilas’ „Contra Pyrrhonem“. Introduction, Critical Edition, Modern Greek Translation, Philosophical Analysis, and Historical Context], Athens 1999, 156, nt. 34. M. Papathomopoulos, ÅAννιτι´ου Mαλλι´ου Σεβηρι´νου Bοηθου˜ βι´βλο Περι` παραμυθι´α τη˜ φιλοσοφι´α, ´ dition hÀν μετη´ νεγκεν eœκ τη˜ Λατι´νων φωνη˜ εiœ τη` ν e«λλα´ δα δια´ λεκτον Mα´ ξιμο μοναχο` o« Πλανου´ δη . E critique du texte grec, avec une introduction, le texte latin, les scholies et des index (Corpus philosophorum Medii Aevi. Philosophi Byzantini 9), Athens-Leiden 1999, lxxvi (,Vita Boethii‘) and lxxvi (,Bοη´ θου βι´ο‘). Both for the general reason that this translation was widespread in Late Byzantium and for the special reason that it is just as natural for a Byzantine who was converted to Catholicism and devoted a large part of his energies to transmitting the philosophical and theological thought of the Latin West to his own country to show a special interest for Latin works translated into Greek before him. Even more, one of the copies of Planudes’ translation of Boethius’ ,Consolatio philosophiae‘, namely Ms. Vat. gr. 706, foll. 23-78, was in all probability made by Demetrios Cydones with the collaboration of the scribe Isidoros; cf. Devreesse, Codices Vaticani Graeci (nt. 43), 188-191; Papathomopoulos, ÅAννιτι´ου Mαλλι´ου Σεβηρι´νου Bοηθου˜ (nt. 49), LVII, no. 32.
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Thomistic works from 1354 onwards 51. To serve such a purpose, putting such a list first (just as in modern books a list entitled „By the same author“ and put in a place easily discernible to anybody’s eyes is offered to the reader as a sort of advertisement) was a very good idea. Further, in this list, which formed part of a full biography of Aquinas 52, explicit praise of his intellectual abilities is contained 53. Furthermore, Guidonis offered some information 54 about the way of the composition of the ,Kατα` ¤Eλλη´ νων‘ (,Summa contra Gentiles‘) which was highly flattering for Aquinas and impressed Cydones so much that he reproduced it: „−Oπερ [sc. the ,Summa contra Gentiles’] συντα´ ττων συνεχv˜ τv˜ ν eξωθεν αiœσθη´ σεων οyÕτω h«ρπα´ ζετο, vÕστε δοκεi˜ν παντα´ πασι τοi˜ θει´οι σχολα´ ζειν.“ This praise is close to that of Demetrios himself, in whose ,Apologia I‘ we read: „Πα´ ντω δε` hδη το` ν Θωμa˜ ν οyœδει` αœ γνοεi˜,
και` τì˜ πλη´ θει τv˜ ν συγγραμμα´ των και` τì˜ τv˜ ν eœννοιv˜ ν μετεω´ ρì και` τñ˜ τv˜ ν συλλογισμv˜ ν αœ να´ γκñ, μεθÅ h√ πα´ ντα eπεισι, και` τοi˜ eξω Στηλv˜ ν οiœκου˜ σι γνω´ ριμον oντα.“ 55
That Aquinas was an extraordinarily prolific writer goes without saying for any reader of Bernardus Guidonis’ list. And describing Thomas’ thoughts („eννοιαι “) as „μετε´ ωροι “ is just a monolectic reproduction of Bernardus’ report that Aquinas, when composing the ,Summa contra Gentiles‘, was so absorbed 51
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Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 364, 33-48; 365, 80-366, 99; cf. F. Kianka, Demetrios Cydones and Thomas Aquinas, in: Byzantion 52 (1982), 264-286; id., Demetrius Cydones (nt. 38), 129-136. Cf. nt. 5. Cf. paragraph 3/3 and 4/4 of the edition below. Cf. below, 852. Bernardus alludes to some amusing events reported in his ,Legenda‘ (chapter 96: „Qualiter ipse orans vel meditans saepius visus est quasi in extasi positus mente raptus“), one of whose took place during the period Aquinas was writing the ,Summa contra Gentiles‘ (Ferrua, S. Thomae Aquinatis vitae [nt. 30], 157-159): „Erat autem mirabile videre hominem utentem sensibus et cum sensibilibus conversari subito rapi et mente abstrahi et quasi ab hominibus separari et ad caelestia elevari quasi non esset ubi corporaliter inhaereret. […] ,Domine, non miremini, quia frequenter sic abstrahitur [sc. Thomas], ut cum quibuscumque personis fuerit, non loquatur‘. […] ,Parcatis mihi, domine, quia credebam esse in studio et occurrit mihi una pulchra ratio ad propositum super illo opere, quod nunc scribo, quae mihi valde placuit et de qua mirabiliter sum gavisus‘. Scribebat autem tunc temporis ,Summam contra Gentiles‘.“ Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 362, 2-5. Cf. Cydones’ defence of Aquinas’ wisdom in Epistle 97, ll. 59-61 (Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance [nt. 36], 134): „ÅAρκου˜ σι γα` ρ αyœτì˜ [sc. Aquinas] οi« Γαδει´ρων eξω και` με´ χρι Στηλv˜ ν ¤Hρακλε´ ου οiœκου˜ ντε, οy√ τη˜ σοφι´α του` oÕρου οyœδει` οi√ο´ τε γε´ γονεν y«περβη˜ ναι“. Obviously, this reference to „Γα´ δειρα“ serves the purpose of emphasizing the universal recognition of Aquinas’ wisdom. Would it be, however, too much to construe this double reference of Cydones to the extreme Western borders of the then regarded as the only inhabited zone of the earth as an additional indication for Mercati’s suggestion (nt. 26) that Cydones’ teacher of Latin and initiator to Thomism was Philip de Bindo Incontri, who was a Dominican of Spanish origins? Cf. the strikingly similar way in which Cydones describes, within a different context, the Spanish origins of some other Dominican friars (Demetrios Cydones, Epistle 185, ll. 1 and 15-16, in: R.-J. Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 2 (Studi e testi 208), Vatican City 1960, 57): „Oi« eœξ ¤Iσπανι´α φρε´ ριοι […] αœ πο` Γαδει´ρων παρÅ h«μa˜ τινα hÕκειν […].“ The nationality of Philip is known from the ,Libellus de notitia orbis‘ of Johannes de Sultaniyeh; Kern, Der „Libellus de notitia orbis“ [nt. 37], 101, 11-12; cf. Delacroix-Besnier, Les dominicains et la chre´tiente´ grecque (nt. 6), 190.
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in his thoughts that he was very often losing contact with reality. These qualities, Cydones adds, are most obvious in the ,Summa contra Gentiles‘ 56. This addition reflects the fact that Bernardus expounds these qualities on the occasion of mentioning the ,Summa contra Gentiles‘ in his list. Moreover, Cydones reproduces further praise of Aquinas by Bernardus. Bernardus, when referring to the ,Summa theologiae‘ (in Cydones’ translation ,Συ´ νταγμα τη˜ oÕλη θεολογι´α ), writes that Thomas „[…] το` ν eœπιτομω´ τατον τρο´ πον [1] αœ γνοου´ μενον το˜i προ´ τερον [2] eœξευ˜ ρε και` παραδε´ δωκεν, οyœκ aνευ θει´α χα´ ριτο iœδι´ω eœπελθου´ ση αyœτì˜ .“ 57. Likewise, Cydones, in his ,Epistle 333‘, ascribes to Aquinas the qualification of originality with regard to the same quality in similar terms: „ÀO δÅ aν τι iœδιαι´τερον εiœπω` ν εiÓναι τv˜ ν αyœτου˜ λο´ γων οyœκ aν a«μα´ ρτοι, oÕτι και` του` τì˜ ζητη´ ματι μαχομε´ νου λογισμου´ , v« aν παρα` τv˜ ν eœναντι´ων r«ηθεi˜εν, προτι´θησιν∑ και` του´ του οyœχ v« eτυχε λυ´ σα, αœ λλÅ vÕστε μηδÅ eœκει´νου λοιπο` ν eχειν oÕ, τι αœ ντει´ποιεν, οyÕτω πανταχο´ θεν ταi˜ αœ ποδει´ξεσι καταδεi˜ το` ζητου´ μενον […]. Vι τρο´ πì [1] διδασκαλι´α οyœδε´ να τv˜ ν προ` αyœτου˜ [2] χρησα´ μενον iσμεν. Tο` γα` ρ τοi˜ κατασκευα´ ζουσι το` προκει´μενον λο´ γοι προστιθε´ ναι και` του` αœ νασκευα´ ζειν αyœτο` πειρωμε´ νου και` του´ του οyœδε` ν προ` eπο oντα eœλε´ γχειν, του˜ τÅ εiÓναι το` κρα´ τιστον τη˜ eœπιστη´ μη οi« περι` τα` αœ ποδει´ξει φασι´ν 58, μηδενο` καταλειπομε´ νου λοιπο´ ν, oÀ φαινο´ μενον eœξαι´φνη vÕσπερ λñστη` τη` ν αœ λη´ θειαν hÀν eœδοκου˜ μεν eχειν δυ´ ναιτÅ aν h«μv˜ ν αœ φελε´ σθαι και` γυμνου` αyœτη˜ αœ ποπε´ μψαι.“ 59
What does „eœπιτομω´ τατο “ („compendiosus“) mean? For sure, it does not mean „brief“, „abridging“, „synoptic“ 60; for it would be utterly absurd to state that Aquinas was the inventor of the theological genre of compendium 61. Besides, it would be pointless to classify under this genre his voluminous ,Summa theologiae‘, to which Guidonis refers. In fact, the true meaning of the word can be sought in the prologue of the II a II ae of this work as well as in the prologue of the ,De articulis fidei et Ecclesiae sacramentis ad archiepiscopum Panormitanum‘, both of which were translated by Demetrios Cydones. In the former 56 57 58
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Apologia I, in: Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 362, 5-6. Cf. paragraph 3/3 of the edition below. Cf. Aristotle, Nicomachean Ethics, VII. 14, 1154a22-26: „ÅEπει` δ’ οyœ μο´ νον δεi˜ ταœ ληθε` εiœπεi˜ν αœ λλα` και` το` αiτιον του˜ ψευ´ δου· του˜ το γα` ρ συμβα´ λλεται προ` τη` ν πι´στιν· oÕταν γα` ρ εyλογον φανñ˜ το` δια` τι´ φαι´νεται αœ ληθε` οyœκ oν αœ ληθε´ , πιστευ´ ειν ποιεi˜ τì˜ αœ ληθεi˜ μa˜ λλον“; cf. also Kianka, Demetrius Cydones (nt. 38), 274 and 285. Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 2 (nt. 55), 267, 13-26. For the full range of meanings of ,compendiosus‘ see: Thesaurus linguae Latinae editus auctoritate et consilio Academiarum quinque Germanicarum Berolinensis, Gottingensis, Lipsiensis, Monacensis, Vindobonensis, vol. 3, 2, Leipzig 1900, coll. 2036-2037 (s. v.); A. Forcellini [e. a.], Lexicon totius Latinitatis, vol. 1, Bologna-Pavia 1965, 726-727 (s. v.); P. G. W. Glare, Oxford Latin Dictionary, Oxford 1982, 374 (s. v.). Cf. Albertus’ Magnus explanation of the word: „[…] brevem quidem, sed tamen sufficientem“, thus quoted in: P. Lehmann/J. Stroux, Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, vol. 2 C, ed. O. Prinz/J. Schneider/T. Payr/ P. Dinter, München 1999, coll. 1046, 38-39. „Concise“ is an accurate translation, even though it does not reveal the full meaning of the term, cf. C. Le Brun Gouanvic, L’histoire de saint Thomas d’Aquin de Guillaume de Tocco. Traduction francX aise du dernier e´tat du text (1323) avec introduction et notes, Paris 2005, 53.
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Aquinas says: „Erit igitur compendiosior et expeditior considerationis via, si simul sub eodem tractatu consideratio procedit de virtute et dono sibi correspondente, et vitiis oppositis, et praeceptis affirmativis vel negativis.“ 62 Apparently, in this context „compendiosior“ means „more profitable“, „more suitable.“ What, however, does this „profit“ consist in? Aquinas decided to follow a certain way of treating the vast issue of virtues and vices because of a principal merit of this way; thanks to it, repetition was eliminated at no cost with regard to the integrity of the content. And the literary result of using this method was no shorter than several hundred dense pages. In the latter, Aquinas writes: „Postulat a me vestra dilectio ut de articulis fidei et Ecclesiae sacramentis aliqua vobis compendiose pro memoriali transcriberem, cum dubitationibus quae circa haec moveri possent.“ Obviously, in the case of an apologetic work, „compendiose“ means refuting the objections of the opponents of faith and including the objections themselves. In other words, „compendiose“ means covering a subject-matter in the fullest possible way, the counter-arguments included, without spending superfluous words and space. What the Scholastics of the 13th century onwards wanted to avoid was composing long treatises which, though prima facie fully covering a topic, would fall short of that task because of lack of method. This is exactly the way Demetrios Cydones explained Guidonis’ passage in his ,Epistle 333‘. As a point of fact, as M. Jugie has remarked 63, it is not entirely true that Aquinas was the inventor of the method pro and contra 64. The theological literary genre of summa and the ,dialectical‘ approach of the various matters (arguments contra; arguments pro; responsio; refutation of the arguments contra) as a means of constructing the ,articuli ‘ of a ,summa‘ was not coined by Aquinas; having its roots in Aristotle’s dialectic, it had a long history in Western Medieval jurisprudence 62
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In Cydones’ translation (non-critical edition by G. Leontsinis/A. Glycophrydi-Leontsini, Δημητρι´ου Kυδω´ νη, Θωμa˜ ÅAκυινα´ του Σου´ μμα θεολογικη` eœξελληνισθεi˜σα, Athens 1976, 28, 1-5): „ÔEστι (melius eσται) τοι´νυν βραχυτε´ρα και` r«á¬ων o«δο` θεωρι´α εiπερ o«μου˜ κατα` τη` ν αyœτη` ν πραγματει´αν h« θεωρι´α προiÏοι περι´ τε τη˜ αœ ρετη˜ και` του˜ ταυ´ τñ αœ νταποκρινομε´ νου χαρι´σματο και` τv˜ ν αœ ντικειμε´ νων παθv˜ ν και` τv˜ ν καταφατικv˜ ν h αœ ποφατικv˜ ν eœντολv˜ ν“. For the few other occurrences of the lexeme ,compendiosus‘ in Aquinas cf. R. J. Deferrari/M. I. Barry/I. McGuiness, A Lexicon of St. Thomas Aquinas Based on the „Summa Theologica“ and Selected Passages of His Other Works, Washington (DC) 1948, 184 (s. v.); R. J. Deferrari/M. I. Barry, A Complete Index of the „Summa Theologica“ of St. Thomas Aquinas, Washington (DC) 1956, 58 (s. v.). M. Jugie, De´me´trius Cydone`s et la the´ologie latine a` Byzance aux XIV e et XV e sie`cles, in: E´chos d’Orient 27 (1928), 385-402, especially 394, nt. 1. Actually, Bernardus Guidonis relied upon Tolomeo da Tocco’s relevant reference (Historia sancti Thomae de Aquino 18): „[…] propter modum docendi compendiosum, apertum et facilem; qui, pro eo quod fuit insolitus, simul cum ejus scientia creditur ei fuisse divinitus inspiratus“, in: C. Le Brun Gouanvic, Ystoria sancti Thomae de Aquino de Guillaume de Tocco (1323). E´dition critique, introduction et notes (Studies and Texts 127), Toronto 1996, 129; Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum (nt. 7), 166; D. M. Prümmer, Fontes vitae S. Thomae Aquinatis notis historicis et criticis illustrati. Fasciculus 3: Vita S. Thomae Aquinatis auctore Bernardo Guidonis (Documents ine´dits publie´s par la Revue Thomiste 3), Tolosa 1928, 86, 13-15; Ferrua, S. Thomae Aquinatis vitae (nt. 29), 54, 25-28. Guillelmus’ „insolitus“ was extremized by Guidonis as „prius ignotus“.
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as well as Scholastic theology from the early 12th century onwards 65. Cydones’ dependence on Bernardus Guidonis, however, even with regard to a rather erroneous historical assertion stands as an indicator of the importance ascribed by the initiator of Byzantine Thomism to Guidonis’ list of Aquinas’ writings 66. Demetrios Cydones’ motive for making the translation under discussion having been detected, a conjecture with regard to its occasion may by added. In the summer of 1365 Cydones received a letter from a friend, George the Philosopher, in which Aquinas was attacked as „ignorant“ and the addressee was advised „not to waste his time studying him.“ 67 This was presumably too much for Demetrios to remain silent. He replied to George calmly but clearly that Aquinas has no need of defence; his fame has spread in all over the world 68. The fact, however, that the exchange of these letters took place, as we will see in the next paragraph, in the same year as Cydones’ elaboration of the translation under discussion may suggest that it was George’s blatant ignorance of Aquinas’ value and world-wide reputation that stimulated Demetrios to produce such a translation for the monolingual Greeks who had not as yet realised the highest place of Thomas Aquinas in the history of Christian theological thought. 2.3. Dating the translation As we saw, in Ms. Marc. gr. II, 2 (1012) Guidonis’ list of Aquinas’ works comes immediately after Maximus Planudes’ Greek translation of Augustine’s ,De Trinitate‘ (foll. 1r-117v ) reproduced for the most part by Demetrios Cydones. At the end of Planudes’ translation (fol. 117v4), as A. Turyn has noticed, Cydones wrote: „ÅEτελειω´ θη h« βι´βλο hδε κατα` το` ωογ⬘ “ (AM 6873, i.e. AD ⬘ 1364-65) 69. 65
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Cf. e. g., J. W. Baldwin, The Scholastic Culture of the Middle Ages: 1000-1300, Lexington (Mass.) 1971, 73-76; B. Price, Medieval Thought. An Introduction, Cambridge 1992, 137-138; G. Makdisi, The Scholastic Method in Medieval Education. An Inquiry into its Origins in Law and Theology, in: Speculum 49 (1974), 640-661. On particular Summae of the 12th and 13th centuries as sources of Aquinas’ ,Summa theologiae‘ see the interesting article of L. E. Boyle, The Setting of the „Summa theologiae“ of Thomas Aquinas, in the collection of his own studies: Facing History: a Different Thomas Aquinas. With an Introduction by J.-P. Torrell (Textes et ˆ ge 13), Louvain-la-Neuve 2000, 65-91 (first publication as vol. 5 of the e´tudes du Moyen A E´tienne Gilson Series, edited by the Pontifical Institute of Mediaeval Studies, Toronto 1982), especially 78 sqq. Still what does hold true is that Aquinas’ ,Summa theologiae‘ is an outstanding instance of programmatically tackling any issue this way. On the way of composition of this list by Bernardus cf. G. F. Rossi, Gli opuscoli di San Tommaso d’Aquino (continuazione e fine), in: Divus Thomas 55 (1953), 211-236; id., II: Dipendenza del catalogo di Bernardo Guidonis dal ms. Vat. Lat. 807, in: Divus Thomas 56 (1954), 362-371. Demetrios Cydones, Epistle 97, ll. 54-57, in: Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 (nt. 36), 134; cf. Kianka, Demetrios Cydones and Thomas Aquinas (nt. 51), 276. Cf. nt. 55. Cf. nt. 41.
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This suggests that the translation that follows the ,De Trinitate‘ either dates from 1365 or was elaborated shortly afterwards 70. An earlier chronology cannot, of course, be excluded in principle. As we have seen, however, in part 2.1., Guidonis’ list of Aquinas’ works was placed by Demetrios at the head of his translation of the ,Summa contra Gentiles‘. Since Demetrios’ translation of Guidonis’ list is not extant in any of the fourteen codices containing Demetrios’ translation of the ,Summa contra Gentiles‘ either in toto or in parte 71, except for Ms. Marc. gr. II, 2 (1012), in which both translations were written by Cydones himself, the conclusion may be drawn that Cydones conceived of the idea of prefacing his translation of the ,Summa contra Gentiles‘ by means of Bernardus’ list not in 1354, when he finished the translation of the ,Summa contra Gentiles‘, but later, in all probability in 1365. This dating has an interesting corollary regarding the date of composition of Cydones’ ,Apologia I.‘ According to the evidence thus far brought forward, this work was written after 1362/63 72. Now, as we saw in part 2.1., in the ,Apologia I‘ of Demetrios Cydones some echoes of the Greek version of Guidonis’ text are discernible. If, therefore, 1365 is indeed the date of Cydones’ translation of chapters 53-54 of Guidonis’ ,Legenda S. Thomae‘, the ,Apologia I‘ should be placed in 1365 or shortly afterwards - and, obviously, not later than 1368, since the official condemnation of Demetrios’ beloved brother Prochoros by the Orthodox Byzantine Church is not mentioned or suggested at all, in spite of the fact that many occassions for such a reference existed 73. Consequently, ,Apologia I‘ can be regarded with much certainty as having been written between 1365 and 1368. Another latent use of Guidonis’ list of Aquinas’ writings occurs in Cydones’ ,Epistle 333‘ (ll. 1-13), which dates from 1386-87, to Maximos Chrysoberges (d. 1410/29) 74. There Cydones praises his addressee for eagerly studying some of his own Greek translations of Thomas Aquinas’ works by means of these words: 70
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Turyn, Dated Greek Manuscripts, vol. 1 (nt. 44), 233 remarks that, „strictly speaking, this subscription [i. e. the subscription of the date] covers only the preceding part of the volume“ (i. e. the folia containing Augustine’s ,De Trinitate‘). As we will see, however, assuming that this dating covers the following part as well fits pretty well with the remaining evidence. Cf. the list of manuscripts offered by Papadopoulos, ¤Eλληνικαι` μεταφρα´ σει θωμιστικv˜ ν eργων (nt. 36), 35-43. Cf. Tinnefeld, Demetrios Kydones. Briefe (nt. 27), 66 (no. 1.6.1); cf. Mercati, Notizie di Procoro (nt. 8), 138. This is inferred from the fact that in this work Neilos Cabasilas (ca. 1295-1362/ 63) is mentioned in a way implying that he was no more alive. A. Rigo, Il monte Athos e la controversia palamitica del concilio del 1351 ad Tomo sinodale del 1368: Giacomo Trikanas, Procoro Cidone e Filoteo Kokkinos, in: id. (ed.), Gregorio Palamas e oltre. Studi e documenti sulle controversie teologiche del XIV secolo bizantino (Orientalia Venetiana 16), Firenze 2004, 1-177, especially 99-134. According to F. Tinnefeld’s suggestion, accepted e. g. by N. Russell, Palamism and the Circle of Demetrios Cydones, in: C. Dendrinos [e. a.] (eds.), Porphyrogenita. Essays on the History and Literature of Byzantium and the Latin East in Honour of J. Chrysostomides, Aldershot-Burlington (VT) 2003, 153-174, especially 169.
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„Kαλv˜ ποιεi˜ τοi˜ του˜ μακαρι´ου Θωμa˜ λο´ γοι προσκει´μενο. […] OyÕτω γα` ρ αyœτο´ τε το` ν θε˜iον λο´ γον [1] πλουσιω´ τερον eÕξει eœνοικου˜ ντα σου τñ˜ ψυχñ˜ και` τοi˜ aλλοι αœ φθο´ νω v√ν του´ του δε´ ονται χορηγη´ σει, ,καινα` και` παλαια´ ‘ [Mt 13:52] [2a] δυνα´ μενο eœκφε´ρειν [2b] αœ πο` σαυτου˜ κατα` το` ν Eyœαγγελικο` ν ,γραμματε´ α ‘ [Mt 13:52]. ÅAτεχνv˜ γα` ρ πολυ` o« τv˜ ν θει´ων [3] νοημα´ των ,θησαυρο´ ‘ [Mt 13:52] [4] παρα` τì˜ αœ νδρι´, και` χαλεπο` ν oÕ τι τv˜ ν εyœσεβv˜ ν δογμα´ των οyœκ aν εyÕροι eœν τοi˜ του´ του συγγρα´ μμασιν [5], h καθÅ αy«το` ζητου´ μενον, h διÅ v√ν aλλοθι aλλα ζητεi˜ h και` λυ´ ει, αyœτο` συναναφαινο´ μενον.“ 75
This way of exalting the exceptional importance of Aquinas’ œuvre looks like a paraphrase of the introductory paragraph of Bernardus Guidonis’ list of Aquinas’ works, which Cydones, wishing to transfer into Greek only a bare list of Aquinas’ works, skipped and left untranslated: „Donum autem scientiae et intelligentiae collatum divinitus [3] sancto Thomae evidentius declaratur in multiplici ejus opere scripturarum [5]. Qui ut ,scriba doctissimus‘ [Mt 13:52] ,de thesauro [4] suo protulit [2b] nova et vetera‘ [Mt 13:52] [2a], de Novo scilicet et Veteri Testamento 76, [1] et abscondita diversarum scientiarum produxit in lucem. Numerus autem librorum ac tractatuum ac operum ejus quae ad Dei laudem et fidei dilatationem eruditionemque studentium tam in philosophicis quam in divinis ipse conscripsit [5] in sequentibus conscribuntur.“ 77
As is apparent from the remark „κατα` το` ν Eyœαγγελικο` ν γραμματε´ α“ (sc. according to the ideal religious personality called by Mathew „γραμματευ´ “/ „scriba“), Demetrios noticed that Bernardus used Mt 13:52 („πa˜ γραμματευ` μαθητευθει` τñ˜ βασιλει´á τv˜ ν οyœρανv˜ ν oÕμοιο´ eœστιν αœ νθρω´ πì οiœκοδεσπο´ τñ, oÕστι eœκβα´ λλει eœκ του˜ θησαυρου˜ αyœτου˜ καινα` και` παλαια´ “, „omnis scriba doctus in regno caelorum similis est homini patri familias, qui profert de thesauro suo nova et vetera“) 78. Yet he did not reproduce the Scriptural passage in its Greek version; as his intention was the same as Guidonis’, that is praising Aquinas as an exceptional Christian author, he inserted into his epistle the passage in the version in which it occured in Guidonis’ text. Thus, instead of the ambiguous (as well as Attically awkward) „eœκβα´ λλει “ he wrote „eœκφε´ ρειν “, which corresponds exactly to Guidonis’ (and Vulgate’s) „profert“, and one of the meanings of which is ,producing a writing.‘ And, as we saw, immediately afterwards (Epistle 333, ll. 13 sqq.), Cydones reproduced Guidonis’ estimation that Aquinas was the first to introduce an all-embracing method of investigating any issue by integrating into his writ75 76
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Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 2 (nt. 55), 266-267. This is a commonplace of the Patristic exegetical tradition; to confine myself to the greatest Latin authority, see Augustine’s ,Quaestiones XVI in Evangelium secundum Matthaeum‘, 15, in: A. Mutzenbecher, Sancti Aurelii Augustini quaestiones evangeliorum cum appendice quaestionum XVI in Matthaeum (CSEL 44B), Turnhout 1980, 138-139 (= PL 35, 1374); ,De civitate Dei‘ XX, 4, in: B. Dombart/A. Kalb (eds.), Sancti Aurelii Augustini De civitate Dei libri XIXXII (CSEL 48), Turnhout 1955, 703 (= PL 41, 662); ,Contra Faustum Manichaeum‘ XV, 2, in: J. Zycha (ed.), Sancti Aurelii Augustini De utilitate credendi, De duabus animabus, Contra Fortunatum Manichaeum, Contra Adimantum, Contra epistulam Fundamenti, Contra Faustum Manichaeum (CSEL 25), Prague/Vienna/Leipzig 1896, 418, 19-419, 2 (= PL 42, 304). Prümmer (ed.), Fontes vitae S. Thomae (nt. 5), 217, 1-3. This is also attested to by the fact the he uses the Scriptural „γραμματευ´ “ to denote Mathew as the author of his Gospel.
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ings and thoroughly discussing not only the arguments pro but also the arguments contra 79. There is, however, one more case of using Guidonis’ ,Legenda‘, chapters 5354 by Cydones. In his ,Epistle 25‘, through which he dedicates his translation of Pseudo-Augustine’s ,Soliloquia‘ to the empress Helena Kantacouzene Palaiologina 80, he praises Augustine as follows: „¤O δε` [sc. Augustine] […] αœ νη´ ρ eœστι ,γραμματευ´ , μαθητευθει´‘ με` ν ,εiœ τη` ν τv˜ ν οyœρανv˜ ν βασιλει´αν‘, δυνα´ μενο δÅ eœξ v√ν πλουτεi˜ ,καινα´ ‘ προφε´ ρειν ,και` παλαια´ ‘ [Mt 13:52].“ 81 This way of using Mt 13:52 is obviously an application of Bernardus Guidonis’ eulogy of Aquinas to the case of Augustine 82. From the fact that one of the sources of Demetrios’ ,Epistle 25‘ (1371-74) and ,Epistle 333‘ (1386-87) is Guidonis’ ,Legenda‘, chapters 53-54 there results that Demetrios’ translation of Guidonis’ list of Aquinas’ works is anterior to the earlier of these epistles, that is anterior to 1372-73 83. Of course, this evidence for the date of the translation under discussion is less precise than Cydones’ explicit dating of it in 1365; it is, however, important to the extent that it accords with the approximate dating of ,Epistle 25‘ by R.-J. Loenertz. A highly accurate dating, however, may be provided by the following evidence. As we saw, Cydones, in the middle of the summer (i. e. July) of 1365, defended Aquinas against the vague and arbitrary accusations formulated against him by George the Philosopher. In this defence no mention or allusion is made 79
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Compare also Cydones’ Epistle 333, l. 1 (Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 (nt. 36), 266: „[…] του˜ μακαρι´ου Θωμa˜ […]“ with his translation of Bernardus Guidonis’ brief introduction to the second part of his list of Aquinas’ works: „o« μακα´ ριο οy√το […]“ (cf. below, 855). Rebus sic stantibus the date of Cydones’ ,Epistle 333‘ would in principle stand as a terminus ante quem for the translation of Bernardus Guidonis’ list - or, vice versa, the date of the translation would stand as a terminus post quem for the epistle. This, however, proves hardly illuminating, since in the epistle (l. 1, op. cit., 266) the existence of more than one Thomistic works translated into Greek is attested („τοi˜ του˜ μακαρι´ου Θωμa˜ λο´ γοι“) and (ll. 37-38, op. cit., 267) the addresser informs us that he translated these works when still „too young“, that is many-many years ago. Likewise, granted that the translation of Guidonis’ list was carried out, according to the date of the relevant manuscript, in 1365, this date is a terminus post quem for the epistle. Cydones’ statement, however, that he was very young when translating Aquinas’ writing(s) by then studied by Chrysoberges makes it plausible to place the epistle much later than this year. Cf. J. A. Demetracopoulos, The Sitz im Leben of Demetrius Cydones’ Translation of pseudoAugustine’s „Soliloquia“. Remarks on a Recent Edition, in: Quaestio 6 (2006), 191-268, especially 222-225, where the question of the identity of the translated Latin work is re-examined and F. Tinnefeld’s suggestion for the pseudo-,Soliloquia‘ is reinforced. Epistle 25, ll. 16-18, in: Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 (nt. 36), 54. Cf. Cydones’ lateral defence of the „σοφω´ τατο“ Augustine on the occasion of his systematic defence of Aquinas in his unedited ,Defensio S. Thomae de processione Spiritus sancti adversus Nilum Cabasilam‘ (Ms. Vat. gr. 614, fol. 124r; Ms. Vat. gr. 1103, fol. 43r ): „Kαι` aλλα δÅ aν τι aν εiποι y«πε` ρ Ayœγουστι´νου και` Θωμa˜ παραιτου´ μενο , v« οyœ δικαι´ω κακv˜ αœ κουσα´ ντων“; cf. M. Rackl, Die Ungedruckte Verteidigungsschrift des Demetrios Kydones für Thomas von Aquin gegen Neilos Kabasilas, in: Divus Thomas 22 (1920), 303-317, especially 316. Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 (nt. 36), 54.
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to Guidonis’ list of Aquinas’ writings, in spite of the fact that such a reference, if possible, would be imperative for a defender of Aquinas who would happen to be the translator of this list. On the contrary, as I suggested, Demetrios was probably motivated by these accusations to make this translation. To the extent, therefore, that this may correspond to the facts, it can be said that Demetrios translated this text after July 1365 and, probably, before September of the same year (since the last month of the Byzantine calendar is August). This amounts to saying that Demetrios Cydones probably translated Bernardus Guidonis’ ,Legenda‘, chapters 53-54 in August 1365. 2.4. A Case of Influence of Cydones’ Translation: Georgios Scholarios - Gennadios II Apart from the translator himself 84, a century later, the most fervent Byzantine Thomist, Georgios Scholarios - Gennadios II 85, in the Preface to his ,Compendia‘ of the ,Summa contra Gentiles‘ and the Prima Pars of the ,Summa theologiae‘, when composing a brief but well-known eulogy of Aquinas as a writer, theologian, and philosopher, wrote: „[Thomas …] πλεi˜στα με` ν εiœ τη` ν ÅAριστοτελικη` ν φιλοσοφι´αν, πλεi˜στα δε` εiœ τη` ν Παλαια` ν και` Nε´αν Γραφη` ν συνεγρα´ ψατο eœξηγου´ μενο, πλει´στων δε` y«ποθε´σεων h«γεμω` ν eœν iœδι´οι vφθη βιβλι´οι, τv˜ ν με` ν εiœ τη` ν i«ερα` ν θεολογι´αν, τv˜ ν δε` εiœ τη` ν ÅAριστοτελικη` ν φιλοσοφι´αν αœ ναγομε´ νων. Oi√ πa˜ σι σχεδο` ν h«μεi˜ eœνετυ´ χομεν, oœλι´γοι με` ν τοi˜ e«ρμηνευθεi˜σιν y«πÅ aλλων [sc. Demetrios and Prochoros Cydones] προ´ τερον εiœ τη` ν ¤Eλλη´ νων φωνη´ ν, eœν οi√ και` τα` eœνταυ˜ θα eœπιτετμημε´ να βιβλι´α εiœσι´, τοi˜ συ´ μπασι δε` eœν τοi˜ Λατινικοi˜ πρωτοτυ´ ποι, v√ν eνια και` h«μεi˜ εiœ τη` ν h«μετε´ ραν φωνη` ν h«ρμηνευ´ σαμεν.“ 86
Scholarios’ explicit statement that he somewhere saw an almost complete series of Aquinas’ works does not leave room for seeing in his phrase „Oi√ πa˜ σι σχεδο` ν h«μεi˜ eœνετυ´ χομεν“ a hint at the translation of Bernardus Guidonis’ list, as the case may be with Panaretos’ statement 87. There are, however, several parallels between his general description of Aquinas’ literary production and Cydones’ translation of Guidonis’ list as well as between Scholarios’ specific 84 85
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Cf. section 2.2. and 2.3. On Scholarios’ Thomism, cf. J. A. Demetracopoulos, Plethon and Thomas Aquinas (in Modern Greek: Πλη´ θων και` Θωμa˜ ÅAκυινα´ τη: αœ πο` τη` ν i«στορι´α του˜ βυζαντινου˜ θωμισμου˜ ; with Four Appendices, including a critical editio princeps of Plethon’s Extracta Thomistica (Greek Byzantium and the Latin West: Philosophy - Studies 2), Athens 2004, 72-79, 127-135 and 169-170, where the full bibliography on this topic is used and some new evidence is produced. An extensive English abridgment of this monograph under the title: Georgios Gemistos-Plethon’s Dependence on Thomas Aquinas’ „Summa contra Gentiles“ and „Summa Theologiae“, was published in: Archiv für mittelalterliche Philosophie und Kultur 12 (2006), 276-341. L. Petit/X. A. Side´ride`s/M. Jugie (eds.), Γενναδι´ου του˜ Σχολαρι´ου aÕπαντα τα` εy«ρισκο´ μενα. Œuvres comple`tes de Gennade Scholarios, vol. 5: Re´sume´ de la „Somme contre les Gentils“ et de la premie`re partie de la „Somme the´ologique“ de saint Thomas d’Aquin, Paris 1931, 1, 19-2, 6. Cf. nt. 8.
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description of the ,Summae‘ and Guidonis’ way of praising these Thomistic masterpieces. (1) Scholarios, when referring to Aquinas’ commentaries on various Aristotelian works, writes twice: „εiœ τη` ν ÅAριστοτελικη` ν φιλοσοφι´αν“, just as Bernardus wrote that Aquinas „*scripsit etiam+ Eiœ τη` ν ÅAριστοτε´ λου φιλοσοφι´αν.“ 88 (2) Scholarios’ reference to Aquinas’ commentaries „εiœ τη` ν Παλαια` ν και` Nε´ αν Γραφη´ ν“ sounds like an echo of Guidonis’ declaration that Aquinas „de thesauro suo protulit nova et vetera, de Novo scilicet et Veteri Testamento“. (3) Furthermore, Scholarios, intending to inform his reader about Aquinas’ treatises, writes: „πλει´στων δε` y«ποθε´ σεων h«γεμω` ν eœν iœδι´οι vφθη βιβλι´οι “, just as Bernardus wrote that Aquinas „οyœκ oœλι´γα πραγματει´α ζητημα´ των συνε´ γραψε περι` διαφο´ ρων y«ποθε´ σεων.“ 89 (4) In addition, Scholarios’ depiction of the qualities of Aquinas’ two ,Summae‘ is very close to Bernardus’ description of the same thing in Cydones’ translation: Scholarios: „[…] δια´ τε πλη˜ θο [1] και` με´ γεθο τv˜ ν eœν αyœτοi˜ κεφαλαι´ων και` eœπιχειρημα´ των [2] και` το` πλα´ το [3] τη˜ eœν αyœτοi˜ αœ κριβολογι´α [4] […].“ 90 Bernardus Guidonis: „[…] Συ´ νταγμα τη˜ oÕλη θεολογι´α“ *scripsit+, hÀν πλει´οσιν [1] eœπιχειρη´ μασιν [2] eœξη´ πλωσεν [3] … κατα` ζητη´ ματα και` eœπιχειρη´ ματα [2] διακεκριμε´ νοι και` λεπτοτε´ροι λο´ γοι [4] […].“ 91
2.5. The Quality of Cydones’ Translation What about the quality of Cydones’ translation? Though it would be an exaggeration to say that it is a perfect translation, it does hold true that it is a good one as well as that the translator has many excuses for the faults detected and the lacunae left out (cf. the critical apparatus). First of all, the excuse he appeals to for the problematic points of his translation of the ,Summa contra Gentiles‘ applies to the translation under discussion, too: „[…] aν τι αiœτια´ σαιτο τη` ν τv˜ ν βιβλι´ων σπα´ νιν. Mο´ λι γα` ρ e«νο` εyœπορου˜ μεν, oÕθεν eœχρη˜ ν μεταφε´ ρειν, vÕστε τη` ν eœκει´νου φθορα` ν οyœκ hÓν r«áδι´ω φωρa˜ σαι h διορθω´ σασθαι, οyœκ oντο 88 89 90 91
Cf. below, 854. Cf. below, 854. Petit/Side´ride`s/Jugie (eds.), Γενναδι´ου του˜ Σχολαρι´ου (nt. 86), 1, 7-9. Cf. paragraph 3/3 of the edition below. If Scholarios’ dependence on Cydones’ translation of Guidonis’ ,Legenda S. Thomae‘, 53-54 is to be taken for granted, one may infer that Scholarios elaborated his ,Compendium Summae contra Gentiles‘ by using Ms. Marc. gr. II,2 (1012), ff. 119r-304v, which is, after all (to judge, at least, from the list of manuscripts elaborated by S. G. Papadopoulos in his dissertation: ¤Eλληνικαι` μεταφρα´ σει θωμιστικv˜ ν eργων [nt. 37], 35-43; Ms. Marc. gr. II,2 (1012) is missing), the only 14th century codex containing the ,Kατα` ¤Eλλη´ νων‘ almost in toto.
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e«τε´ ρου ì√ το` eÀν eœκεi˜νο´ τι παραβα´ λλων hœδυ´ νατÅ aν μa˜ λλον τη˜ αœ ληθει´α στοχα´ σασθαι. Λατινικv˜ ν γα` ρ βιβλι´ων οyœκ hÓν παρÅ h«μi˜ν ταμιεi˜ον, αœ λλÅ eδει τοi˜ v« eτυχεν εy«ρισκομε´ νοι αœ ρκεi˜σθαι.“ 92
On the basis of the hypothesis that Bernardus’ list reached Cydones’ hands through Philip de Bindo Incontri, who was provided with it by the few Dominicans of Pera, it is not so plausible to suppose that the availability of many copies of this list had been amongst the priorities of those Dominicans. Demetrios’ second excuse for the awkward points of his translation of the ,Summae‘, that is, his inexperience, which was due to his youth as well as to his lack of time 93, can hardly be applied to the translation under discussion, not only because Bernardus’ text is short as well as easy enough to translate but also because this translation was carried out after the completion of the translation of the two incomparably longer and more difficult ,Summae‘ 94. Indeed, the use of a defective or a not so clearly written Latin manuscript is probably the only way to explain, e. g., the three extensive lacunae 95 or Cydones’ rendering „in Lucanis“ as „eœν Πακα´ νοι.“ 96 One should not, however, exclude the possibility that Cydones was not as trained in reading Latin manuscripts as he needed for decoding some Latin abbreviations of the ends of the words, which confused him several times. A study, though, of the manuscript tradition and the status textus of the list of Guidonis should take into account Cydones’ translation. For example, some incipits of Aquinas’ works are longer in this translation than in the modern edition of the Latin text 97. Furthermore, there are some words and phrases 92
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Demetrius Cydones, Epistle 333, ll. 42-46, in: Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 2 (nt. 55), 268. Ibid., ll. 37-42, 267 sq.: „Πα´ νυ γα` ρ νε´ ο τη˜ e«ρμηνει´α τv˜ ν του˜ Θωμa˜ λο´ γων h«ψα´ μην, oÕτÅ οyπω τη˜ ÅIταλη˜ γλω´ σση oÕσον eœβουλο´ μην συνελεξα´ μην. ÅAλλα` και` αi« τv˜ ν κοινv˜ ν φροντι´δε και` αœ σχολι´αι, αi√ με βασιλευ` το´ τε φε´ ρων προσε´ δησε, και` το` δεi˜ν τα` πα´ ντων χρει´α μανθα´ νοντα δη´ λα eœκει´νì ποιεi˜ν, οyœ πα´ νυ τη` ν e«ρμηνει´αν αœ κριβου˜ ν συνεχω´ ρησεν.“ See also his Epistle 103, ll. 63 sq., in: Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 (nt. 36), 141: „ÅEμε` γα` ρ και` πα´ νυ νε´ ον oντα τη` ν ψυχη` ν του˜ συγγενε´ σθαι τοi˜ αœ νδρα´ σι [sc. the Latins] κατε´ σχεν eœπιθυμι´α, eœν oœλι´γοι οi√ οi√ο´ τÅ hÓν τη˜ φωνη˜ συνιε´ ναι, τη˜ eœκει´νων στοχαζο´ μενο διανοι´α […].“ Cydones’ self-criticism should not be construed as a mark of „characteristic modesty“, as, e. g., N. Russell, Palamism and the Circle of Demetrios Cydones (nt. 75), 169 estimates; to bring forward just a counter-example, Cydones translated the ,Summa contra Gentiles’ throughout without knowing the syntactical phenomenon of the attractio gerundiva, cf. J. A. Demetracopoulos, Georgios Gennadios II - Scholarios’ „Florilegium Thomisticum II (De fato)“ and its Anti-Plethonic Tenor, in: Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales 73 (2006), 301-376, especially 361, nt. 258. In 1371 Cydones declared himself to be only a little away from fully mastering Latin: Demetrios Cydones, Ad Johannem Palaiologum oratio; ed. R.-J. Loenertz, De´me´trius Cydone`s. Correspondance, vol. 1 (nt. 36), 22, 14 sq.: „[…] oœλι´γου ταυ´ τñ προ` το` τε´ λειον λειπομε´ νου […].“ On the date of these translations see a Forschungsbericht in: J. A. Demetracopoulos, Nικολα´ ου Kαβα´ σιλα „Kατα` Πυ´ ρρωνο“ (nt. 48), 155, nt. 30; 156, nt. 31. In paragraph 3/3 of the edition below, and -/70 as well as in the prooemium of ch. 54. In paragraph 2/2 of the edition below. Nos. 53/50, 61/58 (see the relevant notes on the Greek text).
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which obviously correspond to some Latin ones not to be found in the edition of the original writing based on the author’s autograph 98. In addition, there are two Thomistic works (nos. 15 and 16) which occur only in Cydones’ translation 99. Experts in the Latin tradition of Guidonis’ text may therefore find Cydones’ translation useful, if only for the manuscript tradition of the Latin text. 3. Sigla editionis For the present provisional edition, only the translator’s autograph is used. The translation is also preserved partially in cod. Mosqu. Syn. 332 (olim 259) (XVII s.), foll. 1r-7v, which does not seem to stem from Marc. Gr. II, 2 (1102). Research into the manuscript tradition of the translation of Guidonis’ list of Aquinas’ writings is currently carried out by the contributors of the „Thomas de Aquino Byzantinus“ project and might bring to light more evidence. For the reader’s convenience the following sigla are used: *α β γ+: literrae a Cydone omissae; *a b c+: voces tantum in textu originali lectae; [ α β γ ]: voces Graecae nihil eis correspondens in textu Latino habentes; [1, 2, 3 …/1, 2, 3 …]: numerus operis in Cydonis versione, quem numerus operis in catalogo Bernardi Guidonis sequitur.
Let me note here that the initial letters left unwritten by Cydones to be written later with red ink were added with special reference, the reason being that Cydones did this some dozen times in a relatively short space - both at the beginning of each paragraph and at the beginning of the title of each of Aquinas’ works. With regard to the apparatus: I avoided making two apparatuses, one strictly critical and one where the results of the comparison I made between the original and the translation would be offered, the reason for this being the unequal length of the former and the latter. Actually, since the edition is based exclusively on an autograph, the strictly critical remarks are quite few. At the same time, editing a Greek translation of a Latin text renders it imperative to focus on affording the reader as much evidence as possible regarding the way the translator worked. The two indices (Latino-graecus and Graeco-latinus) appended to the edition help the reader to grasp the lexical aspect of Cydones’ production.
98 99
Cf., e. g., nos. 1/1, 14/15, 18/16, 21/19 (see the relevant notes on the Greek text). Cf. nt. 144.
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II. Text *Bernardi Guidonis Legenda S. Thomae, 53. De numero et nominibus librorum et tractatuum sancti Thomae doctoris+ [1/1] *Scripsit enim+ ÅEπι` το˜i τε´σσαρσι βιβλι´οι τv˜ ν „ÅAποφα´ σεων“ βιβλι´α τε´σσαρα, πρv˜ τον δηλονο´ τι και` δευ´ τερον και` τρι´τον και` τε´ ταρτον, eργον καθαρο` ν με` ν τñ˜ φρα´ σει, βαθυ` δε` τñ˜ διανοι´á, σαφε` δε` eœν τñ˜ αœ ναγνω´ σει καινοi˜ τε eœπιχειρη´ μασι 100 πλατυνο´ μενον. [ Vν αi« αœ ρχαι´·] 101 [2/2] Mετα` δε` τριετι´αν eœν τì˜ διδασκαλικì˜ 102 θρο´ νì του˜ Παρισι´ου τελε´ σαι y«ποστρε´ φων εiœ ÅIταλι´αν eœπι` τv˜ ν του˜ πα´ πα Oyœρβανου˜ χρο´ νων, eœν ¤Rω´ μñ διατρι´βων ´ τì τv˜ ν ÅAποφα´ σεων, vÕσπερ eœν τοi˜ Xρονικοi˜ eÕτερον 103 συν*ε´ γραψε+ 104 ÅEπι` τì˜ πρω αyœτου˜ o« *dominus+ αœ δελφο` Πτολεμαi˜ο μαρτυρεi˜ o« τη˜ Tολλε´ τα eœπι´σκοπο,
μαθητη` και` αœ κροατη` του´ του γενο´ μενο και` iœσχυριζο´ μενο iœδεi˜ν αyœτο` ν 105 eœν τì˜ κοινοβι´ì τì˜ eœν Πακα´ νοι 106. Eiœ δε` 107 νυ˜ ν οyœχ εy«ρι´σκεται, λα´ θρα δε` y«φαιρεθη˜ ναι πιστευ´ εται, vÕστε μη` δημοσιευθη˜ ναι 108 eœκ του´ του. [3/3] ÔEτι, Συ´ νταγμα τη˜ oÕλη θεολογι´α *scripsit+, hÀν 109 πλει´οσιν eœπιχειρη´ μασιν 110 eœξη´ πλωσεν *et+ aλλω παρα` τα` προ´ τερον αyœτου˜ πραγματει´α, καθω` h« θεολογικη` yÕλη αœ πñ¬τει, θαυμαστñ˜ και` προσηκου´ σñ τα´ ξει κατα` ζητη´ ματα και` eœπιχειρη´ ματα 111 διακεκριμε´ νοι και` 112 λεπτοτε´ ροι λο´ γοι αœ φοριζομε´ νοι 113 ταυ˜ τα, aÀ μετα` του˜ το και` τοi˜ τv˜ ν aλλων 114 διδασκα´ λων r«ητοi˜ hœσφαλι´ζετο. ÅEν ì√ Συντα´ γματι *cunctis+ τοi˜ eœπιθυμου˜ σιν εiœδε´ ναι τη` ν θεολογικη` ν eœπιστη´ μην οyÕτω vœφελι´μω ταυ´ την eœξε´ θετο, vÕστε iœδεi˜ν eœπιστη´ μην και` νοη´ σεω και` καταλη´ ψεω r«áδι´αν. ÔEτι, το` ν eœπιτομω´ τατον 115 τρο´ πον αœ γνοου´ μενον τοi˜ προ´ τερον 116 eœξευ˜ ρε και` παραδε´ δωκεν 117, οyœκ aνευ θει´α 118 χα´ ριτο iœδι´ω eœπελθου´ ση αyœτì˜ . Tου˜ το δε` το` Συ´ νταγμα 100 101 102 103 104
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Pro „articulis“, quod in textu Latino critico legitur, Cydones forsitan ,argumentis‘ legebat. Post αœ ρχαι´ lacuna invenitur. Ex cod. διδασκαλισκì˜ correxi. In textu originali „iterum“ jacet. E textu Latino („scripsit“) conjeci. Συν in fine lineae scriptum esse contigit; quam ob rem Cydones finem lineae finem quoque vocis, quam eo scripsit, esse existimavit. Sic („illud“). Nomen proprium in textu Latino „Lucano“ est. Cydones pro „quod“ ,quodsi‘ legisse videtur. In textu Latino „fuit multiplicatum“ legis; Cydones vero forsitan ,fuit publicatum‘ legebat. Sic pro oÀ, scilicet Συ´ νταγμα; Cydones a genere nominis Latini („Summam“), quod a genere nominis Graeci, „Συ´ νταγμα“, cum quo nomen Latinum transtulit, attractus est. In textu originali „articulis“ legitur; Cydones tamen forsitan ,argumentis‘ legebat. In textu Latino „articulos“ legis. Cydones ,distinctis et‘ legebat. In textu originali „determinans et declarans“ legitur. Ibi versio Graeca sensum non facit. Sic („sanctorum“). In textu Latino „compendiosum“ legis; Cydones vero forsitan ,compendiosissimum‘ legit. Cydones forsitan pro „prius“ ,prioribus‘ legebat. Textus Latinus sic habet: „… sic utiliter laboravit, quod viam sciendi, intelligendi et comprehendendi facilem modum atque compendiosum prius ignotum invenit et tradidit“. Cydones forsitan ,divinae‘ pro „donis“ legebat.
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εiœ τρι´α διεi˜λε με´ ρη, εiœ φυσικο` ν δηλονο´ τι, hœθικο` ν και` μυστηριv˜ δε. Vν eœν με` ν τì˜ πρω´ τì διαλε´ γεται 119 περι` τη˜ τv˜ ν πραγμα´ των φυ´ σεω 120, και` πρv˜ τον περι` τv˜ ν θει´ων, δευ´ τερον περι` τv˜ ν κτισμα´ των, eœπιγρα´ φεται δε` Πρv˜ τον με´ρο του˜ Συντα´ γματο. Tο` δε` Δευ´ τερον με´ρο, το` hœθικο` ν δηλονο´ τι, εiœ δυ´ ο βιβλι´α διεi˜λεν. Vν eœν με` ν τì˜ προτε´ ρì *agit et+ διορι´ζεται περι` αœ ρετv˜ ν και` παθv˜ ν καθο´ λου· oÀ eœπιγε´ γραπται· Προ´ τερον του˜ δευτε´ρου. *In secundo vero volumine agit et determinat descen-
dendo ad materias virtutum et etiam vitiorum in speciali; et intitulatur Secunda secundae+ 121, v« τη` ν αyœτη` ν yÕλην eχον τì˜ 122 προ` αyœτου˜ . ÔEστι δε` v«ραι¨σμε´ νον φιλοσο´ φων λο´ γοι και` eœπιχειρη´ μασι και` a«γι´ων χρη´ σεσι κατησφαλισμε´ νον. Tο` δε` τρι´τον με´ ρο του˜ [ oÕλου Θεολογικου˜ ] συντα´ γματο τε´ ταρτο´ ν eœστι βιβλι´ον 123· oÀ διατου˜ το „μυστηριv˜ δε “ καλεi˜ται, oÕτι eœν αyœτì˜ περι` τv˜ ν μυστηρι´ων του˜ Xριστου˜ πραγματευ´ εται [118r, col. a] και` τη˜ eœκκλησι´α και` περι` oÕλου του˜ μυστηρι´ου τη˜ Σαρκω´ σεω του˜ Yi«ου˜ του˜ Θεου˜ . Kαι` eœπιγρα´ φεται του˜ το Tελευταi˜ον με´ρο τη˜ oÕλη θεολογικη˜ πραγματει´α, oÕτι τv˜ ν aλλων τε´ λο eœστι` και` τελευταi˜ον αyœτì˜ πεπραγμα´ τευται. ÀO γρα´ φων eœτελευ´ τησε και` το` ν βι´ον και` φθα´ σαντο αyœτο` ν του˜ θανα´ του αœ τελε` καταλε´ λοιπεν. [4/4] ÔEτι, συνε´ θηκεν aλλο βιβλι´ον eœπιγραφο´ μενον Kατα` ¤Eλλη´ νων, εiœ τε´ σσαρα τμη´ ματα διñρημε´ νον· oÕπερ eœστι` το` παρο´ ν 124. ÔEστι δε` eργον τñ˜ με` ν φρα´ σει διακεκριμε´ νον 125, καινο´ τητι´ τε λο´ γων και` λεπτο´ τητι βαθυ´ . −Oπερ *praecipue+ συντα´ ττων συνεχv˜ τv˜ ν eξωθεν αiœσθη´ σεων οyÕτω h«ρπα´ ζετο, vÕστε δοκεi˜ν παντα´ πασι τοi˜ θει´οι σχολα´ ζειν. Oyœδαμv˜ δÅ aν παρα´ λογον *alicui+ δο´ ξειεν, εiœ o« προειρημε´ νο διδα´ σκαλο και` eœν ταi˜ γραφαi˜ αyœτου˜ καœ ν τñ˜ Θεολογι´á πολλα´ κι, oÕπου δεi˜ *ad propositum+, ταi˜ κοσμικαi˜ και` αœ νθρωπι´ναι τv˜ ν φιλοσο´ φων *et ethnicorum+ eœπιστη´ μαι χρη˜ ται· τα` γα` ρ y«ποκει´μενα πασv˜ ν τv˜ ν eœπιστημv˜ ν eœκ του˜ *eodem+ θει´ου προiÏασι νου˜ , eœξ οy√ h« αœ λη´ θεια 126 τη˜ θει´α σοφι´α προε´ ρχεται 127, ñ√περ εyœλο´ γω αi« eœπιστη˜ μαι πa˜ σαι δουλευ´ ουσιν v« θερα´ παιναι 128. [5/5] ÔEτι, γε´ γραφε προστα´ ξαντο του˜ *domini+ πα´ πα Oyœρβανου˜ ÅEπι` τοi˜ τε´σσαρσιν Eyœαγγελι´οι eργον *insigne+ θαυμαστv˜ συνυφασμε´ νον τοi˜ τv˜ ν a«γι´ων r«ητοi˜ *et auctoritatibus+ [ τv˜ ν τε ¤Rωμαι´ων και` τv˜ ν Γραικv˜ ν ]· eœξ v√ν οyÕτω συνεχη˜ 119 120 121 122 123
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In textu Latino „agit et definit“ legis. In textu originali pluralis („naturis“) invenitur. Istae lineae a Cydone propter homoioteleuton omissae sunt. Ex cod. του˜ correxi. Cydones recte, ut videtur, ,est‘ pro „et“ legebat („Tertia autem pars Summae e*s+t quartum volumen ejusdem …“). Haec sententia deliberate a Cydone addita est; quod indicat hanc versionem praefationi ad translationem Summae contra Gentiles, quae versionem catalogi Bernardi in eodem codice sequitur (ff. 119r-306v; cf. Mioni, Codices Graeci manuscripti, vol. 1 [nt. 41], 88, no. 3), a Cydone intendi esse. In textu Latino „disertum“ legis. Cydones forsitan ,distinctum‘ legit. In textu originali pluralem („veritates“) legis. In textu Latino pluralis („emanant“) legitur. Haec doctrina in Summa contra Gentiles I,7,3 exponitur. Cf. Summam theologiae I,1,5 ad 2.
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πεποι´ηκε τη` ν τv˜ ν Eyœαγγελι´ων 129 eœξη´ γησιν, vÕσθ’ e«νο` δοκεi˜ν διδασκα´ λου 130 *esse+ γραφη´ ν. [6/6] ÔEγραψε 131 δε` και` *Expositionem+ eœπι` τοi˜ Eyœαγγελι´οι τv˜ ν Kυριακv˜ ν *totius anni+· oÀ σπανι´ω 132 εy«ρι´σκεται. [7/7] ÔEτι δε` του˜ εiœρημε´ νου *domino+ Oyœρβανου˜ πα´ πα προστεταχο´ το συνε´ ´ ματο του˜ Xριστου˜ , τη´ ν τε ταξε 133 τη` ν oÕλην ÅAκολουθι´αν 134 τη` ν eœπι` τñ˜ e«ορτñ˜ του˜ σω ` ´ ` ` ` ` ` ˜ h«μερινην δηλονοτι και την νυκτερινην και την τη λειτουργι´α. [8/8] ÔEτι ÅEξη´ γησιν εiœ το` Kατα` ÅIωα´ ννην *scripsit+, μα´ λιστα eœπι` τοi˜ πε´ ντε κεφαλαι´οι, iœδιο´ χειρον· το` δ’ y«πο´ *λοιπον+ 135 λε´ γεται o« φρα` ¤Rαι¨να´ λδο o« του´ του e«ταi˜ρο συγγρα´ ψαι 136, του˜ πατρο` 137 y«παγορευ´ οντο, oÀ μετα` ταυ˜ τα πα´ λιν *doctor+ αyœτο` διορθωσα´ μενο eœνε´ κρινεν. [9/9] *Scripsit etiam+ÅEξη´ γησιν 138 εiœ τη` ν *Epistulam Pauli+ προ` ¤Rωμαι´ου. [10/10] *Item+, Eiœ τα` Προ` Kορινθι´ου 139. [11/11] *Item+, Eiœ τη` ν *Epistulam Pauli+ προ` ¤Eβραι´ου με´ χρι του˜ e«νδεκα´ του κεφαλαι´ου. [12/12] Tο` δ’ eœντευ˜ θεν και` εiœ τα` aλλα ÅEπιστολα` *Pauli + συνε´ γραψεν o« r«ηθει` ¤Rαι¨να´ λδο, πα´ λιν του˜ πατρο` y«παγορευ´ οντο και` yÕστερον διορθωσαμε´ νου 140. [13/13] *Scripsit etiam+ ÅEξη´ γησιν εiœ ÅHσαÏiαν 141 το` ν προφη´ την · hÀν δα´ κρυσι και` προσευχαi˜ και` τñ˜ τv˜ ν μακαρι´ων 142 αœ ποστο´ λων Πε´ τρου και` Παυ´ λου eœπιστασι´á μa˜ λλον h αœ νθρωπι´νñ σπουδñ˜ συνεγρα´ ψατο 143. [14/15] ¤Oμοι´ω δε` και` Eiœ ¤Iερεμι´αν [ το` ν προφη´ την ] *scripsit+, [15/-] το` ν ¤Iεζεκιη` λ
129 130 131 132 133 134 135
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In textu originali „uniuscujusque Evangelistarum quattuor“ legis. In textu originali „auctoris“ legis. Forsitan Cydones ,doctoris‘ legebat. In textu Latino „Fertur scripsisse“ legis. In textu originali „vix aut rarissime“ jacet. In textu Latino „dictavit et ordinavit“ legitur. In textu Latino „officium ecclesiasticum“ legis. E textu originali („residuum“) conjeci atque integravi. Vox imperfecta in fine lineae iterum (nt. 85) jacuisse contingit. In cursu lineae συγγρα´ ψα jacet, cum συγγρα´ ψαι superscriptum est. Versio verbi superscripta magis eligenda esse mihi videtur, quia in 22/20, ubi casus quidam similis occurrit, Cydones infinitivo usus est. In textu Latino „ipso“ legitur. In textu Bernardi „postillas“ legis. „Epistulam“. Re vera Thomas super utrisque Epistulis ad Corinthios commentarium composuit; quod Cydones certe intellexit, cum τα` scriberet, quod eum in textu Latino ,Epistulas‘ legisse implicat. Textus Latinus sic habet: „Ab inde vero sunt postillae ejus super sequentes Epistulas Pauli reportatae per praedictum socium suum post ipsum legentem, quod idem doctor fertur postmodum correxisse“. Ex ¤HσαiÏαν correxi. In textu Bernardi „sanctorum“ jacet. Hoc frustulum omnino perperam translatum est; nam in textu Latino haec legis: „Scripsit etiam Super Esaiam postillam, quae raro invenitur. In cujus passu quodam textus difficili post orationes et lacrymas ejus sanctorum apostolorum Petri et Pauli, qui ipsum instruxerunt, habuit visionem“.
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John A. Demetracopoulos
[16/-] και` το` ν Δανιη´ λ 144. [17/14] Eiœ το` γρα´ μμα του˜ ÅIω´ β, δια` το` μηδε´ να τv˜ ν διδασκα´ λων τη˜ του˜ γρα´ μματο συνεχει´α φροντι´σαι. [18/16] ÔIδιον 145 Eiœ του` Θρη´ νου [ ¤Iερεμι´ου ]. [19/17] Eiœ το` ×Aισμα τv˜ ν ÅAισμα´ των, [ aλλο ]. [20/18] −Eτερον, Eiœ τα` τρι´α eÕβδομα του˜ Ψαλτηρι´ου, hτοι αœ πο` του˜ πρω´ του Ψαλμου˜ με´ χρι του˜ … 146. [21/19] Eiœ το` πρv˜ τον βιβλι´ον του˜ Περι` ψυχη˜ [ ÅAριστοτε´λου ]. 147 [22/20] Tο` y«πο´ λοιπον του˜ Kατα` Mατθα˜iον o« φρε` Πε´ τρο ντε` ÅAντρι´α λε´ γεται γρα´ ψαι eœκει´νου y«παγορευ´ οντο. [23/21] ¤O r«ηθει` διδα´ σκαλο οyœκ oœλι´γα 148 πραγματει´α ζητημα´ των συνε´ γραψε περι` διαφο´ ρων y«ποθε´ σεων, διαφο´ ροι eœπιχειρη´ μασιν 149 [ αyœτα` ] διακρι´νων *et prosequens+ και` διασαφv˜ ν τη` ν [118r, col. b] αœ λη´ θειαν, aÕπερ 150 eœπιγρα´ φονται· Zητη´ ματα περι` αœ ληθει´α. [24/22] ÔEτι, Zητη´ ματα περι` τη˜ του˜ Θεου˜ δυνα´ μεω. [25/23] *Item+, Zητη´ ματα περι` ψυχη˜ . [26/24] *Item+, Zητη´ ματα περι` αœ ρετv˜ ν. [27/25] *Item+, Zητη´ ματα περι` κακου˜ . [28/26] *Item+, Zητη´ ματα περι` τv˜ ν αœ σωμα´ των κτισμα´ των. [29/27] ÔAλλο με´ γα βιβλι´ον, *XI+ προβλη´ ματα διειλεγμε´να 151. *Scripsit etiam+ εiœ τη` ν ÅAριστοτε´ λου φιλοσοφι´αν· [30/28] Eiœ το` βιβλι´ον τv˜ ν Φυσικv˜ ν· [31/29] Eiœ το` Mετα` τα` Φυσικα´ · [32/30] Eiœ τα` Περι` οyœρανου˜ τρι´α βιβλι´α· [33/31] Eiœ το` Περι` γενε´σεω και` φθορa˜ · [34/32] Eiœ τα` δυ´ ο τv˜ ν Mετεω´ ρων· [35/33] Eiœ το` δευ´ τερον και` τρι´τον του˜ Περι` ψυχη˜ · [36/34] Eiœ το` Περι` αiœσθη´ σεω και` αiœσθητv˜ ν· [37/35] Eiœ το` Περι` μνη´ μη και` αœ ναμνη´ σεω· [38/36] Eiœ τα` ÅHθικα´ · [39/37] Eiœ τα` τε´σσαρα τv˜ ν Πολιτικv˜ ν· [40/38a] Eiœ το` Περι` αiœτιv˜ ν και` [41/38b] Eiœ τα` Προ´ κλου Προτα´ σει· 144 145 146
147
148 149 150 151
Tituli 15 et 16 in textum originalem addi possunt. in textu originali „Idem“ invenis. Hic lacuna invenitur. Frustulum sic habet: „Frater vero Raynaldus socius ejus dicitur reportasse postillam Super tres nocturnos Psalterii, ipso legente, quae incipit: ,in omni opere suo dedit confessionem sancto‘“. In textu Latino haec legis: „Item, idem frater Raynaldus reportavit Super primum librum ,De anima‘“. Sic („parvas“). Sic Cydones „articulos“ reddit. Sic pro ,αiÕπερ‘ (sc. πραγματεi˜αι). In textu originali haec leguntur: „Item scripsit XI quodlibeta disputata“.
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[42/39] Eiœ το` πρv˜ τον και` δευ´ τερον τv˜ ν ¤Yστε´ρων αœ ναλυτικv˜ ν· [43/40] Eiœ το` Περι` e«ρμηνει´α. *54. Sequitur de opusculis sancti Thomae doctoris+ ÅAλλα` και` μικρα` 152 πραγματει´α *et libellos ad instantiam diversarum personarum+ o« μακα´ ριο οy√το 153 συνε´ θηκε, τα` αœ φÅ 154 e«κα´ στων πεμπο´ μενα αœ μφι´βολα διαλυ´ ων ταi˜ τη˜ αœ ληθει´α αœ ποκρι´σεσιν. *Qui tractatus collecti in unius voluminis
corpore ipsum efficiunt satis magnum. Et intitulantur communiter Opuscula sancti Thomae. Et possunt coordinari in uno volumine ad beneplacitum ordinantis, quia unus ab alio non dependit.+ Eiœσι` δε` αœ ριθμì˜ περι` τα` 155 τεσσαρα´ κοντα, oœλι´γì πλει´ω h eœλα´ ττω· v√ν τα` oœνο´ ματα και` αi« αœ ρχαι` eœφεξη˜ παρα´ κεινται, *videlicet+· [44/41] Πραγματει´α περι` τv˜ ν τη˜ φυ´ σεω αœ ρχv˜ ν, προ` το` ν φρε` Σι´λβεστρον. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` δυ´ ναται´ τι εiÓναι, εiœ και` μη` εiη“. [45/42] ÔAλλο· Περι` τη˜ φυ´ σεω τη˜ yÕλη 156. H h« αœ ρχη´ · „*ÅE+πει` περι` τv˜ ν αœ ρχv˜ ν δεi˜ λο´ γον λαβεi˜ν“. [46/43] ÔAλλη· Περι` τv˜ ν τεσσα´ ρων αœ ντικειμε´νων. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπειδη` τε´ σσαραι´ εiœσιν αi« αœ ντιθε´ σει “. [47/44] ÔAλλη· Περι` τη˜ αœ ρχη˜ τη˜ αœ τομο´ τητο. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` δυ´ ο εiœσι` γνωστικαι` δυνα´ μει eœν τì˜ αœ νθρω´ πì“. [48/45] ÔAλλη· Περι` τη˜ φυ´ σεω του˜ αœ καριαι´ου *seu de instantibus+. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` πα´ σñ διαμονñ˜ συ´ νεστι το` αœ καριαi˜ον“. [49/46] ÔAλλη· Περι` του˜ λο´ γου h τη˜ φυ´ σεω του˜ λο´ γου. H h« αœ ρχη´ · „Προ` τη` ν του˜ oœνο´ ματο του´ του κατανο´ ησιν, hγουν του˜ ,λο´ γου‘“. [50/47] ÔAλλη· Περι` τη˜ φυ´ σεω του˜ eœν τì˜ νì˜ λο´ γου. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` περι` τη` ν φυ´ σιν του˜ eœν τì˜ νì˜ λο´ γου, οy√ aνευ h« τη˜ Tρια´ δο εiœκω` ν οyœχ εy«ρι´σκεται παραδεδομε´ νη 157 eœν τì˜ αœ νθρω´ πì“. [51/48] ÔAλλη· Περι` τv˜ ν φυσικv˜ ν κινη´ σεων τη˜ καρδι´α 158 h περι` τv˜ ν αœ φανv˜ ν τη˜ ´ την eœπε´κεινα τv˜ ν ÔAλπεων διατρι´βοντα. H h« αœ ρχη´ · φυ´ σεω eœνεργειv˜ ν, προ´ τινα στρατιω ` ´ „ÅEπει eν τισι τv˜ ν φυσικv˜ ν σωματων“. [52/49] ÔAλλη· Περι` τη˜ κινη´ σεω τη˜ καρδι´α, προ` το` ν μαÏiστωρα Φι´λιππον το` ν eœκ του˜ Oyœρανι´ου Kα´ στρου. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` πa˜ ν το` κινου´ μενον“.
152 153 154 155 156
157 158
In textu Latino „diversos“ legis. In textu originali „sanctus Thomas doctor“ jacet. E codicis eœφÅ correxi. Tα` (sc. πραγματει´α ) expectares. In textu Latino „Tractatus de natura materiae“ legis. Vox „Tractatus“, quae omnium titulorum sequentium initium est, a Cydone innoxie omissa est. In textu originali „expressa“ legitur. Titulus in textu Latino „De motibus corporis“ est. Cydones e lapsu oculi titulum operis sequentis animadvertit et in Latinum vertit aut pro „corporis“ ,cordis‘ perperam legit.
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John A. Demetracopoulos
[53/50] ÔAλλη· Περι` τη˜ οyœσι´α τv˜ ν oντων h περι` του˜ oντο και` τη˜ οyœσι´α, προ` του` αœ δελφου` και` e«ται´ρου. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` h« μικρα` περι` τη` ν αœ ρχη` ν πλα´ νη [προι¨ου˜ σι γι´νεται μει´ζων] 159“. [54/51] ÔAλλη· Περι` αœ ποδει´ξεω. H h« αœ ρχη´ · „Προ` το` γνv˜ σιν eχειν“. [55/52] ÔAλλη· Περι` σοφισμα´ των, προ´ τινα eœνδο´ ξου σοφιστα´ 160. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` h« Λογικη` λογικη´ eœστιν eœπιστη´ μη“. [56/53] ÔAλλη· Περι` αœ γγε´λων h τv˜ ν χωριστv˜ ν οyœσιv˜ ν, προ` το` ν φρε` ¤Rαι¨να´ λδον. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` ταi˜ i«εραi˜ τv˜ ν αœ γγε´ λων λαμπρο´ τησι“. [57/54] ÔAλλη· Προ` τα` αi«ρε´σει 161 τv˜ ν ÅAβεροι¨στv˜ ν περι` τη˜ αœ ληθει´α 162 του˜ νου˜ . H h« αœ ρχη´ · „−Vσπερ ,πα´ ντε οi« aνθρωποι φυ´ σει eœφι´ενται του˜ εiœδε´ ναι‘“ 163. [58/55] ÔAλλη· Περι` κλη´ ρων, εiœ δεi˜ 164 του´ τοι χρη˜ σθαι, προ` *dominum+ ÅIα´ κωβον το` ν αœ πο` του˜ Mπου´ ργου. H h« αœ ρχη´ · „ÅHιτη´ σατο παρÅ h«μv˜ ν h« ση` αœ γα´ πη“. [59/56] Περι` τv˜ ν κρι´σεων 165 τv˜ ν aστρων, εiœ eξεστι του´ τοι χρη˜ σθαι, προ` το` ν φρε` ¤Rαι¨να´ λδον. H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` eœζη´ τησα iÕνα σοι γρα´ ψω“. [60/57] Περι` του˜ πv˜ δεi˜ aρχειν τv˜ ν ÅIουδαι´ων, προ` τη` ν δου´ καιναν Mπαρμπατι´α. H h« αœ ρχη´ · „Tα` γρα´ μματα *recepi+ τη˜ ση˜ λαμπρο´ τητο“. [61/58] ÅAπολογι´α eœπι` τοi˜ τεσσαρακοντατρεi˜ 166 κεφαλαι´οι, προ` το` ν μαÏiστωρα τη˜ (118v, col. a) τα´ ξεω. H h« αœ ρχη´ · „Tì˜ αiœδεσιμωτα´ τì eœν Xριστì˜ πατρι` [ και` μαiÏστωρι τη˜ a«γι´α h«μv˜ ν τα´ ξεω Θωμa˜ o« σο` ταπεινο` δου˜ λο ]“. [62/60] ÅAπολογι´α eœπι` το˜i τρια´ κοντα eÀξ κεφαλαι´οι, προ` το` ν τv˜ ν Bενετικv˜ ν 167 ´ στην. H h« αœ ρχη´ · „ÅAναγνωσθε´ ντων τv˜ ν σv˜ ν γραμμα´ των εyÕρομεν, [ αœ δελφε` αœ ναγνω τιμιω´ τατε ]“. [63/59] ÅAπολογι´α eœπι` πολλοi˜ κεφαλαι´οι 168, προ` το` ν μαiÏστωρα Γερα´ λδον το` ν ´ στην 169. H h« αœ ρχη´ · „Tì˜ φιλτα´ τì *sibi+ eœν Xριστì˜ πατρι´“. Πεζουντi˜νον αœ ναγνω [64/61] Πραγματει´α προ` το` ν πα´ παν Oyœρβανο` ν προ` τα` τv˜ ν Γραικv˜ ν αi«ρε´σει 170. H h« αœ ρχη´ · „Tο` βιβλι´ον τη˜ ση˜ a«γι´α y«περοχη˜ δοθε´ ν μοι“. [65/62] Περι` βασιλει´α *principum+, προ` το` ν r«η´ γα Kυ´ πρου. H h« αœ ρχη´ · „Λογιζομε´ νì μοι τι´ με δεi˜ τñ˜ βασιλικñ˜ μεγαλειο´ τητι προσενεγκεi˜ν aξιον“. [66/63] Περι` τv˜ ν μετα` τρο´ που προτα´ σεων. Oy√ h« αœ ρχη´ · „ÅEπει` h« μετα` τρο´ που προ´ τασι“. 159
Ex Aristotelis De caelo et mundo I, 271b8-9: „και` το` μικρο` ν παραβη˜ ναι τη˜ αœ ληθει´α αœ φισταμε´ νοι γι´νεται πο´ ρρω μυριοπλα´ σιον“.
160 161 162 163 164 165
166 167 168 169 170
Sic („artistas“). In textu Latino „errorem“ legis. Cydones ,veritate‘ pro „unitate“ omnino perperam legit. Aristoteles, Metaphysica I,1,1 (980a21): „'α´ ντε aνθρωποι του˜ εiœδε´ ναι oœρε´ γονται φυ´ σει“. In textu originali „licet“ legis. Cydones „iudiciis“ pro „indiciis“ legit. Quod cum editione textus Bernardi discordat (cf. editionem Prümmeri, 220,33, necnon Ferruae, 194,1: „Tractatus de iudiciis astrorum …“), etiamsi cum editione Leonina ejus operis (ed. A. Dondaine, Sancti Thomae de Aquino opera omnia jussu Leonis XIII P.M. edita, tomus XLIII, Romae 1976, 187) accordet. Sic (τεσσαρα´ κοντα τρισι´ expectares). Sic („Venetum“ accusativus singularis, non genitivus pluralis est). In textu originali „articulos“ legis. Cydones „lectorem“ pro „lectorum“ legisse videtur. In textu Latino „errores“ jacet.
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[67/64] Πραγματει´α περι` τη˜ του˜ κο´ σμου αœ ¨ιδιο´ τητο, *utrum possit esse ab aeterno+. H h« αœ ρχη´ · „¤Yποκειμε´ νου κατα` τη` ν καθολικη` ν πι´στιν“. [68/65] ÔAλλη, περιε´ χουσα τη` ν του˜ a«γι´ου Συμβο´ λου ÅEξη´ γησιν. H h« αœ ρχη´ · „Tο` πρv˜ τον και` 171 αœ ναγκαi˜ον Xριστιανì˜ “. [69/66] ÔAλλη, περιε´ χουσα ÅEξη´ γησιν του˜ αœ γγελικου˜ αœ σπασμου˜ *„Ave gratia plena“+ 172. H h« αœ ρχη´ · „Tρι´α περιε´ χονται eœν τì˜ αœ σπασμì˜ του´ τì“. [70/67] ÔAλλη, περιε´ χουσα ÅEξη´ γησιν τη˜ Kυριακη˜ προσευχη˜ , τη˜ „Πα´ τερ h«μv˜ ν.“ 173 H h« αœ ρχη´ · „Tv˜ ν aλλων προσευχv˜ ν h« Kυριακη` προσευχη` αœ ρχοειδεστε´ ρα eœστι´ν“. [71/68] ÔAλλη, Περι` τv˜ ν αœ ρχv˜ ν 174 τη˜ πι´στεω και` περι` τv˜ ν μυστηρι´ων τη˜ eœκκλησι´α, προ` το` ν αœ ρχιεπι´σκοπον Πανορμιτα´ ριον. H h« αœ ρχη´ · „ÅEζη´ τησε παρÅ eœμου˜ h« αœ γα´ πη σου, iÕνα περι` τv˜ ν τη˜ πι´στεω αœ ρχv˜ ν τε και` τv˜ ν τη˜ eœκκλησι´α μυστηρι´ων“. [72/69] ÔAλλη, eœν ñ√ περιε´ χεται Mετρι´α 175 σαφη´ νεια τινv˜ ν αœ ρχv˜ ν τη˜ πι´στεω, v√ν τα˜i με`ν eœναντιου˜ νται Γραικοι´, ταi˜ δε` ÅAρμε´νιοι, ταi˜ δε` Σαρακηνοι´, προ´ τινα ψα´ λτην ÅAντιοχε´α. H h« αœ ρχη´ · „¤O μακα´ ριο αœ πο´ στολο Πε´ τρο“.
[-/70] *Tractatus continens Expositionem primae Decretalis de summa Trinitate „Firmiter credimus“; qui incipit: „Salvator noster“.+ [73/71] ÔAλλη, περιε´ χουσα ÅEξη´ γησιν του˜ δευτε´ρου με´ρου τv˜ ν Kανο´ νων, του˜ λε´γοντο· „Kαταδικα´ ζομεν και` αœ ποδοκιμα´ ζομεν “. H h« αœ ρχη´ · „ÅEκτεθειμε´ νου του˜ τυ´ που τη˜ καθολικη˜ πι´στεω“. [74/-] ÔAλλη, Περι` τη˜ τελειο´ τητο τη˜ πνευματικη˜ ζìη˜ . H h« αœ ρχη´ · „ÅEπει´ τινε τη` ν τελειο´ τητα αœ γνοου˜ ντε “. [75/72] ÔAλλη, Περι` του˜ τυ´ που τη˜ μυστηριω´ δου αœ φε´σεω, προ` το` ν μαÏiστωρα τη˜ τα´ ξεω . H h« αœ ρχη´ · „ÅAναγνωσθε´ ντο του˜ βιβλι´ου“. [76/73] ÔAλλη, Περι` τη˜ τv˜ ν στοιχει´ων μι´ξεω, *qualiter sunt in mixto+, προ` το` ν μαÏiστωρα Φι´λιππον. H h« αœ ρχη´ · „ÅAμφισβητη´ σιμον παρα` τοi˜ πολλοi˜ εiωθεν εiÓναι“. [77/74] ÔAλλη, περιε´ χουσα ÅEξη´ γησιν εiœ το` Περι` e«βδομα´ δων του˜ Bοητι´ου. H h« αœ ρχη´ · „,Προ´ σδραμε πρv˜ το τì˜ οiκì σου‘“. 176 [78/75] ÔAλλη, Eiœ το` Περι` Tρια´ δο του˜ αyœτου˜ . H h« αœ ρχη´ · „,ÅEξ αœ ρχη˜ τη˜ γεννη´ σεω´ μου eœξιχνια´ σω‘“. 177 [79/76] ÔAλλη, περιε´ χουσα ÅEξη´ γησιν τv˜ ν του˜ Διονυσι´ου βιβλι´ων του˜ Περι` θει´ων oœνομα´ των. [80/77] ÔAλλη, Περι` τελειο´ τητο τη˜ χριστιανικη˜ εyœσεβει´α. H h« αœ ρχη´ · „Tη˜ χριστιανικη˜ εyœσεβει´α προ´ θεσι“.
171 172 173 174 175 176 177
In textu Latino „quod est“ legitur. Lc 1,28: „ave, gratia plena“/„Xαi˜ρε, κεχαριτωμε´ νη“. Mt 6,9: „Pater noster“/Πα´ τερ h«μv˜ ν“. Textus originalis „articulis“ habet. In textu Latino „brevis“ legis. Eccles. 32,11: „praecurre autem prior in domum tuam“/„αœ πο´ τρεχε εiœ οiÓκον“. Sap. 6,22: „ab initio nativitatis investigabo“/„αœ π’ αœ ρχη˜ γενε´ σεω eœξιχνια´ σω“.
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John A. Demetracopoulos
[81/78] ÔAλλη, Kατα` τv˜ ν μαχομε´νων ταi˜ τα´ ξεσι 178, τουτε´στι κατα` Γουλιε´λμου ντε` Σα´ ντο ÅAμο´ ρε και` τv˜ ν e«πομε´νων αyœτì˜ . H h« αœ ρχη´ · „,−Oτι *ecce+ οi« eœχθροι´ σου hχησαν‘“. 179 [82/79] ÔAλλη, eœπιγραφομε´ νη Συ´ νοψι θεολογι´α, προ` το` ν φρε` ¤Rαι¨να´ λδον. H h« αœ ρχη´ · „¤O του˜ αœ ¨ιδι´ου Πατρο` [ Λο´ γο ]“. [83/80] ÔAλλη, Περι` τv˜ ν eœντολv˜ ν, oÕτι o« τη˜ αœ γα´ πη νο´ μο αœ ναγκαi˜ο´ eœστι 180 τì˜ ´ πì. H h« αœ ρχη´ · „Tρι´α εiœσι`ν αœ ναγκαi˜α παντι` αœ νθρω´ πì“. αœ νθρω [84/81] ÔAλλη, Περι` εi«μαρμε´νη. H h« αœ ρχη´ · „Zητεi˜ται 181 περι` εi«μαρμε´ νη, εiœ eστι“.
III. Indices 1. Index Latino-graecus 182 abinde το` eœντευ˜ θεν 12, 1 (218, 35) [191, 22] absolutio aφεσι 72, 1 (221, 26) [195, 2] abstraho a«ρπα´ ζειν 4, 5 (218, 13) [190, 30] absurdus παρα´ λογο 4, 6 (218, 14) [190, 31] actio eœνε´ ργεια 48, 1 (220, 17) [193, 16] (actio et operatio) aeternitas αœ ι¨διο´ τη 64, 1 (221, 9-10) [194, 17] aeternus αœ iÏδιο 79, 2 (222, 4) [195, 16] ago διαλε´ γεσθαι 3, 14 (217, 32) [190, 14] / -itur πραγματευ´ εσθαι 3, 20 (218, 14) [190, 21] aliter aλλω 3, 2 (217, 19) [189, 29] alius aλλο 3, 22; 67, 2 (218, 6; 221, 15) [190, 23; 194, 22] amor αœ γα´ πη 80, 1 (222, 5) [195, 17] amplio eœξαπλου˜ ν 3, 2 (217, 19) [189, 29] angelicus αœ γγελικο` 66, 1 (221, 12) [194, 19] angelus aγγελο 53, 1; 53, 2 (220, 26; 220, 28) [194, 19 bis] 178 179 180 181 182
In textu originali „religionem“ legitur, quod Cydonem „religiones“ legisse suggerit. Ps. 82,3: „ecce inimici tui sonaverunt“/„iœδου` οi« eœχθροι´ σου hχησαν“. In textu Latino „fuit“ legis. Mioni (Codices Graeci manuscripti … Volumen I … (nt. 32), 88) perperam „ñτηται“ legit. The first numbers indicate the number of work and the line in the electronic edition by E. Alarco´n, URL: http://www.corpusthomisticum.org/lbgui/html. The numbers in parentheses correspond to the page and line numbers of Prümmer’s edition, Fontes vitae S. Thomae Aquinatis notis historicis et criticis illustrati. Fasciculus 3: Vita S. Thomae Aquinatis auctore Bernardo Guidonis (Documents ine´dits publie´s par la Revue Thomiste 3), Tolosa 1928, 217, 7-222, 6; 260, 3-263, 20 ), and the numbers in square brackets refer to the page and line number of the reprint of this text by A. Ferrua, S. Thomae Aquinatis vitae fontes precipuae, Edizioni Domenicane, Alba 1968, 189, 7-195, 18, who, let it be noted, omitted the work no. 65 of Bernardus’ list.
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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anima ψυχη` 19, 2; 23, 1; 33, 1 (219, 10; 219, 16; 219, 22) [192, 4; 192, 10; 192, 17] ancilla θερα´ παινα 4, 11 (218, 19) [191, 6] Andria ÅAντρι´α 20, 1 (219, 11) [192, 6] Antiochenus ÅAντιοχευ` 69, 3 (221, 21) [194, 28] apostolus αœ πο´ στολο 13, 3; 69, 3 (219, 2; 221, 21) [191, 27; 194, 29] approbo eœγκρι´νειν 8, 4 (218, 32) [191, 19] archiepiscopus αœ ρχιεπι´σκοπο 68, 2 (221, 16-17) [194, 24] Aristoteles ÅAριστοτε´ λη 27, 2 (219, 19) [192, 13] Armenius ÅAρμε´ νιο 69, 2 (221, 20) [194, 27] articulus eœπιχει´ρημα 1, 4; 3, 1; 3, 4; 21, 2 (217, 10; 217, 18; 217, 21; 219, 13) [189, 20-21; 189, 29; 190, 2; 192, 8] / κεφα´ λαιον 58, 1; 59, 2 (220, 37; 221, 1) [194, 5; 194, 7] / αœ ρχη` 68, 1; 68, 3; 69, 1 (221, 16; 221, 18; 221, 19) [194, 23; 194, 25; 194, 27] artista σοφιστη` (sic) 52, 1 (220, 25) [193, 25] assero iœσχυρι´ζεσθαι 2, 5 (217, 5) [189, 25] astrum aστρον 56, 1 (220, 33) [194, 1] attempto φροντι´ζειν 14, 2 (219, 5) [191, 30] auctoritas r«ητο` ν 3, 5 (217, 22) [190, 4] / χρη˜ σι 3, 19 (218, 2) [190, 19] auditor αœ κροατη` 2, 4 (217, 15) [189, 25] Averroista ÅAβεροι¨στη` 54, 1 (220, 29) [193, 28] beatus μακα´ ριο 69, 3 (221, 21) [194, 28] Bisuntinus Πεζουντi˜νο 59, 2 (221, 1-2) [194, 8] Boethius Bοη´ τιο 74, 1 (221, 30) [195, 7] Brabantia Mπραμπατι´α 57, 1 (220, 35) [194, 4] brevis με´ τριο 69, 1 (221, 19) [194, 26] caelum οyœρανο` (tit. De caelo et mundo: Περι` οyœρανου˜ 30, 1 (219, 20) [192, 15] canticum áÓσμα 17, 1 bis (219, 6 bis) [191, 31 bis] cantor ψα´ λτη 69, 3 (221, 20-21) [194, 28] capitulum κεφα´ λαιον 8, 2; 11, 2 (218, 30; 218, 35) [191, 16; 191, 22] carus φι´λο 59, 3 (221, 2) [194, 8-9] castrum κα´ στρον 49, 1 (220, 20) [193, 20] Catholicus καθολικο` 64, 2 (221, 11) [194, 18] causa αiœτι´α 38a, 1 (219, 25) [192, 20] celsitudo μεγαλειο´ τη 62, 2 (221, 8) [194, 15] Christianus χριστιανο` 65, 2; 77, 1; 77, 2 (221, n. 1 et 262, 25; 221, 35; 265, 13) [-; 195, 11; -] Christus Xριστο` 3, 21; 7, 2; 58, 2; 59, 3 (218, 5; 218, 28; 220, 38; 221, 2) [190, 22; 191, 14; 194, 6; 194, 9] chronicon χρονικο` ν 2, 3 (217, 13) [189, 24] clam λα´ θρα 2, 6 (217, 16) [189, 27] clarus σαφη` 1, 3 (217, 10) [189, 20]
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John A. Demetracopoulos
cogito λογι´ζεσθαι 62, 2 (221, 7) [194, 14] cognitio γνv˜ σι 51, 2 (220, 24) [193, 24] cognoscitivus γνωστικο` 44, 2 (220, 10) [193, 9] communis, in -i καθο´ λου 3, 14 (217, 33) [190, 14] compendiosus eœπι´τομο 3, 8 (217, 25) [190, 7] compendium συ´ νοψι 79, 1 (222, 3) [195, 15] concomitor συνεi˜ναι 45, 2 (220, 12) [193, 11] contego συνυφαι´νειν 5, 2 (218, 21) [191, 7-8] contineo περιε´ χειν 65, 1; 66, 1; 66, 2; 67, 1; 69, 1; 71, 1 (221, n. 1 et 262, 23-24; 221, 11; 221, 13 bis; 221, 19; 221, 24) [-; 194, 18; 194, 20; 194, 2021; 194, 26; 194, 31] continuo συνεχη˜ ποιεi˜ν 5, 4 (218, 23) [191, 9] convenio προση´ κειν 3, 3 (217, 20) [190, 1-2] / convenit δεi˜ 4, 7 (218, 15) [191, 2] conventus κοινο´ βιον 2, 5 (217, 16) [189, 26] cor καρδι´α 49, 1 (220, 20) [193, 19] Corinthius Kορι´νθιο 10, 1 (218, 34) [191, 20] corpus σv˜ μα 7, 2; 48, 3 (218, 28; 220, 19) [191, 14; 193, 18-19] corrigo διορθου˜ ν 8, 4; 12, 3 (218, 32; 218, 38) [191, 19; 191, 24-25] corruptio φθορα` 31, 1 (219, 21) [192, 16] creatura κτι´σμα 26, 1 (219, 17) [192, 12] credo πιστευ´ ειν 2, 6 (217, 17) [189, 27] Cyprus Kυ´ προ 62, 1 (221, 7) [194, 14] damno καταδικα´ ζειν 71, 2 (221, 24) [195, 1] declaratio σαφη´ νεια 69, 1 (221, 19) [194, 26] Decretalis Kανω` ν 71, 1 (221, 24) [195, 1] definio διορι´ζεσθαι 3, 14 (217, 32) [190, 14] demonstratio αœ πο´ δειξι 51, 1 (220, 24) [193, 23] desidero eœπιθυμεi˜ν 3, 6 (217, 23) [190, 5] / eœφι´εσθαι 54, 2 (220, 30) [193, 28-29] determino αœ φορι´ζεσθαι 3, 4 (217, 21-22) [190, 3] Deus Θεο` 3, 22; 22, 1 (218, 16; 219, 15) [190, 22; 192, 10] dico λε´ γειν 8, 2; 20, 2 (218, 31; 219, 11-12) [191, 17; 192, 6]; dictum λο´ γο 3, 18 (221, 8) [190, 18] / r«ητο` ν 5, 2 (218, 22) [191, 8] dignus aξιο 62, 2 (221, 8) [194, 15] dilato πλατυ´ νειν 1, 4 (217, 10) [189, 21] dilectio αœ γα´ πη 55, 2; 68, 3 (220, 32; 221, 17-18) [194, 1; 194, 25] Dionysius Διονυ´ σιο 76, 1 (221, 34) [195, 10] discipulus μαθητη` 2, 4 (217, 15) [189, 25] disertus καθαρο` 1, 3; 4, 2 (217, 9; 218, 10) [189, 19-20; 190, 27] disputo διαλε´ γεσθαι 27, 1 (219, 18) [192, 13] distinguo διακρι´νειν 3, 4 (217, 21) [190, 2] / διαιρεi˜ν 3, 10; 4, 2; 21, 2 (217, 27; 218, 10; 219, 13-14) [190, 9; 190, 27; 192, 8]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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diurnus h«μερινο` 7, 2 (218, 28) [191, 14] diversus δια´ φορο 21, 2 (219, 13) [192, 7-8] divido διαιρεi˜ν 3, 13 (217, 31) [190, 13] divinus θεi˜ο 3, 12; 4, 5; 4, 9; 4, 10; 76, 1 (217, 29; 218, 13; 218, 17; 218, 18; 221, 34) [190, 11; 190, 30; 191, 4; 191, 5; 195, 10] doctor διδα´ σκαλο 3, 5; 4, 6; 5, 4; 14, 1; 21, 1 (219, 4; 219, 12; 217, 22; 218, 14; 218, 24) [190, 4; 191, 1; 191, 10; 191, 29; 192, 6] Dominicalis (vel Dominicus) τv˜ ν Kυριακv˜ ν 6, 2 (218, 25) [191, 11] / Kυριακο` 67, 1; 67, 2 (221, 14; 221, 15) [194, 21; 194, 22] domus οiÓκο 74, 2 (221, 31) [195, 8] dubius αœ μφισβητη´ σιμο 73, 2 (221, 29) [195, 5] ducissa δου´ καινα 57, 1 (220, 35) [194, 3-4] duo δυ´ ο 3, 13; 44, 1 (217, 31; 220, 10) [190, 13; 193, 9] duratio διαμονη` 45, 2 (220, 12) [193, 11] ecclesia eœκκλησι´α 3, 21; 68, 1; 68, 3 (218, 5; 221, 16; 221, 18) [190, 22; 194, 23; 194, 25] ego eœγω` 55, 2; 56, 2; 62, 2; 68, 2 (220, 32; 220, 34; 221, 7; 221, 17) [194, 1; 194, 3; 194, 14; 194, 25] elementum στοιχεi˜ον 73, 1 (221, 28) [195, 4] elucido διασαφεi˜ν 21, 3 (219, 14) [192, 8] emano προε´ ρχεσθαι 4, 10 (218, 19) [191, 5] ens oν 50, 1 (220, 22) [193, 21] episcopus eœπι´σκοπο 2, 4 (217, 14) [189, 24-25] epistula eœπιστολη` 9, 1 12, 1 (218, 33; 218, 36) [191, 19-20; 191, 23] error πλα´ νη 50, 2 (220, 23) [193, 2] / αiÕρεσι 54, 1; 61, 1 (220, 28; 221, 5) [193, 28; 194, 12] essentia οyœσι´α 50, 1 (220, 22) [193, 21] ethicus hœθικο` 36, 1 (219, 24) [192, 19] etiam eτι 4, 1; 5, 1 (218, 8; 218, 20) [190, 25; 191, 6] / o«μοι´ω 15, 1 (219, 5) [191, 30] evangelium εyœαγγε´ λιον 5, 2; 6, 2; 8, 1 (218, 21; 218, 25; 218, 29) [191, 7; 191, 11; 191, 16] excellentia λαμπρο´ τη 57, 2 (220, 35-36) [194, 4] / y«περοχη` 61, 2 (221, 6) [194, 12-13] exhibeo διδο´ ναι 61, 2 (221, 6) [194, 13] existo διατρι´βειν 2, 2 (217, 12) [189, 22] expositio eœξη´ γησι 65, 1; 66, 1; 67, 1; 71, 1 (221, n. 1 et 262, 24; 221, 1112; 221, 13-14; 221, 24) [-; 194, 19; 194, 21; 194, 31] exterior o« eξωθεν 4, 4 (218, 12) [190, 30] facilis r«á¬διο 3, 7 (217, 25) [190, 6] fallacia σο´ φισμα 52, 1 (220, 25) [193, 24] fatum εi«μαρμε´ νη 81, 1 (222, 6) [195, 17]
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John A. Demetracopoulos
fides πι´στι 64, 2; 68, 1; 68, 3; 69, 1 (221, 11; 221, 16; 221, 18; 221, 20) [194, 18; 194, 23; 194, 25; 194, 27] Filius Yi«ο` 3, 21 (218, 5) [190, 22] finis τε´ λο 3, 22; 3, 23 (218, 6; 218, 7) [190, 3; 190, 4] fio πραγματευ´ εσθαι 3, 23 (218, 7) [190, 24] forma τυ´ πο 72, 1 (221, 26) [195, 2] frater αœ δελφο` 2, 3; 50, 1 (217, 14; 220, 22) [189, 24; 193, 22] / φρα` 8, 3 (218, 31) [191, 18] / φρε` 20, 1; 41, 1; 53, 1; 56, 1; 79, 1 (219, 11; 220, 5; 220, 27; 220, 23; 222, 4) [192, 5; 193, 3; 193, 26; 194, 22; 195, 15] frequenter συνεχv˜ 4, 4 (218, 12) [190, 29] generatio γε´ νεσι 31, 1 (219, 21) [192, 15] gentilis −Eλλην 4, 1 (218, 9) [190, 26] Gerardus Γερα´ ρδο 59, 2 (221, 1) [194, 8] Graecus Γραικο` 61, 1; 69, 2 (221, 5; 221, 20) [194, 12; 194, 27] gratia χα´ ρι 3, 9 (217, 26) [190, 8] Guillermus de Sancto Amore Γουλιε´ λμο ντε` Σα´ ντο ÅAμο´ ρε 78, 2 (222, 1-2) [195, 3] habeo eχειν 51, 1 (220, 24) [193, 23-24] hebdomas e«βδομα` 74, 2 (221, 30-31) [195, 7] Hebraeus ¤Eβραi˜ο 11, 1 (218, 34) [191, 21] hermeneia e«ρμηνει´α 40, 1 (219, 27) [192, 21] hic οy√το 46, 2 (220, 13) [193, 22] Hieremias ¤Iερεμι´α 15, 1 (219, 6) [190, 30-31] homo aνθρωπο 44, 2; 47, 3; 54, 2; 80, 1 (220, 10; 220, 16; 220, 30; 222, 5) [193, 9; 193, 15; 193, 29; 195, 17] humanus αœ νθρω´ πινο 4, 8 (218, 16) [191, 2-3] idem o« αyœτο` 3, 17 (218, 1) [190, 18] / αyœτο` 8, 4 (218, 32) [191, 8] / o« r«ηθει` 21, 1 (219, 12) [192, 6] ideo διατου˜ το 3, 20 (218, 4) [190, 20] ignarus αœ γνοv˜ ν (part. rel. adj.) 71, 3 (221, 26) [195, 2] ille αyœτο` 2, 5 (217, 15) [189, 26] imago εiœκω` ν 47, 2 (220, 16) [193, 15] impugno eœναντιου˜ σθαι 69, 2 (221, 20) [194, 27] / μα´ χεσθαι 78, 1 (221, 35222, 1) [195, 12] incarnatio σα´ ρκωσι 3, 21 (218, 5) [190, 22] incompletus αœ τελη` 3, 24 (218, 8) [190, 25] individuatio αœ τομο´ τη 44, 1 (220, 9) [193, 8] inimicus eœχθρο` 78, 3 (222, 2) [195, 14] initium αœ ρχη` 75, 1 (221, 32) [195, 9] instans το` αœ καριαi˜ον 45, 1; 45, 2 (220, 11 primum; 220, 12) [193, 10; 193, 11]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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intellectus δια´ νοια 1, 3 (217, 9) [189, 20] / νου˜ 4, 9; 47, 1; 47, 2; 54, 1 (218, 7; 220, 14-15; 220, 15; 220, 29) [191, 34; 193, 13; 193, 14] / κατανο´ ησι 46, 2 (220, 13) [193, 12] intelligentia αœ να´ γνωσι 1, 3 (217, 10) [189, 20] intendo σχολα´ ζειν 4, 5 (218, 13) [190, 30-31] intitulo eœπιγρα´ φειν 3, 12; 3, 22; 4, 1; 21, 3; 79, 1 (217, 30; 218, 7; 218, 9; 219, 14; 222, 3) [190, 12; 190, 22; 190, 26; 192, 9; 195, 15] / eœπιγεγραφε´ ναι 3, 15 (217, 35) [190, 15] invenio εy«ρι´σκειν 2, 5; 47, 2; 60, 2 (217, 16; 220, 16; 221, 4) [189, 26-27; 193, 15; 194, 11] / eœξευρι´σκειν 3, 8 (217, 26) [190, 7] / εiÓναι 67, 3 (221, 15) [194, 22-23] investigo eœξιχνια´ ζειν 75, 2 (221, 33) [195, 9] ipse οy√το 3, 4 (217, 21) [190, 3] is αyœτο` 3, 20; 78, 2 (218, 4; 222, 2) [190, 21; 195, 13] / οy√το 56, 1 (220, 33) [194, 2] Isaias ÅHσαiÏα 13, 1 (218, 38) [191, 25] iste οy√το 66, 2 (221, 13) [194, 20] Italia ÅIταλι´α 2, 1 (217, 11) [189, 22) item eτι 7, 1; 22, 1 (218, 16; 219, 15) [191, 12; 192, 9] Jacobus de Burgos ÅIα´ κωβο o« αœ πο` του˜ Mπου´ ργου 55, 2 (220, 31) [193, 31] Job ÅIω` β 14, 1 (219, 4) [191, 29] Johannes ÅIωα´ ννη 8, 1 (218, 29) [191, 6] Judaeus ÅIουδαi˜ο 57, 1 (220, 35) [194, 3] judicium κρι´σι 56, 1 (220, 33) [194, 1] jure εyœλο´ γω 4, 11 (218, 19) [191, 5] laboro eœκτι´θεσθαι 3, 7 (217, 24) [190, 5] lacryma δα´ κρυ 13, 2 (219, 2) [191, 27] lector αœ ναγνω´ στη 59, 2; 60, 2 (221, 1; 221, 3) [194, 8; 194, 10] lectura γραφη` 5, 5 (218, 24) [191, 10] lego y«παγορευ´ ειν 8, 3; 12, 2 (218, 31; 218, 37) [191, 7; 191, 24] / αœ ναγινω´ σκειν (221, 4) 60, 2 [194, 11] lex νο´ μο 80, 1 (222, 5) [195, 16] libellus βιβλι´ον 61, 2; 72, 2 (221, 5; 221, 27) [194, 12; 195, 4] liber βιβλι´ον 1, 1; 4, 1; 19, 1; 28, 1; 30, 1; 76, 1 (217, 7; 218, 7; 219, 10; 219, 19; 219, 20; 221, 34) [189, 18; 190, 25-26; 192, 4; 192, 14; 192, 15; 195, 10] / τμη˜ μα 4, 2 (218, 9) [190, 7] littera γρα´ μμα 14, 1 (219, 4) [191, 29] / -ae γρα´ μματα 57, 2; 60, 2 (220, 36; 221, 4) [194, 3-4; 194, 11] logica λογικη` 52, 2 (220, 26) [193, 25] Lucanus o« eœν Πακα´ νοι (!) 2, 5 (217, 16) [189, 26]
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John A. Demetracopoulos
magister μαiÏστωρ 49, 1; 58, 2; 72, 1; 73, 2 (220, 20; 220, 37; 221, 27; 221, 28) [193, 19; 194, 6; 195, 3; 195, 5] magisterium διδασκαλικο` θρο´ νο 2, 1 (217, 11) [189, 21] magnopere μα´ λα 8, 1 (218, 30) [191, 16] malum κακο` ν 25, 1 (219, 17) [192, 11] materia yÕλη 3, 3; 3, 17 (217, 20; 217, 34) [190, 1; 190, 16] / y«πο´ θεσι 21, 2 (219, 13) [192, 7] Matthaeus Mατθαi˜ο 20, 1 (219, 11) [192, 5] memoria μνη´ μη 35, 1 (219, 23) [192, 18] Metaphysica (tit.) Mετα` τα` φυσικα` 29, 1 (219, 20) [192, 14] Meteora (tit.) Mετε´ωρα 32, 1 (219, 22) [192, 16] meus eœμο` 2, 4; 55, 2; 57, 2; 60, 2; 61, 2; 67, 2; 68, 2; 74, 2; 75, 2; 78, 3 (217, 13; 220, 32; 220, 36; 221, 4; 221, 6; 221, 14; 221, 17; 221, 31; 221, 33; 222, 2) [189, 24; 194, 1; 194, 4; 194, 11; 194, 13; 194, 21; 194, 25; 195, 8; 195, 9; 195, 14] miles στρατιω´ τη 48, 2 (220, 18) [193, 17] mirus θαυμαστο` 3, 3 (217, 20) [190, 1] missa λειτουργι´α 7, 3 (218, 19) [191, 15] mixtio μι´ξι 73, 1 (221, 28) [195, 4] modalis μετα` τρο´ που 63, 1; 63, 2 (221, 8-9; 221, 9) [194, 15-16; 195, 16] modus τρο´ πο 3, 8 (217, 25) [190, 7] moralis hœθικο` 3, 10; 3, 13 (217, 28; 217, 31) [190, 10; 190, 13] mors θα´ νατο 3, 23 (218, 8) [190, 25] motus κι´νησι 48, 1; 49, 1 (220, 17; 220, 20) [193, 16; 193, 19] moveo κινεi˜ν 49, 2 (220, 21) [193, 20] multus πολυ` 3, 1; 59, 1; 73, 2 (217, 18; 221, 1; 221, 29) [194, 7; 195, 6; 189, 29] mundus κο´ σμο 64, 1 (221, 10) [194, 17] mysterium μυστη´ ριον 3, 21 (218, 5) [190, 22] nativitas γε´ ννησι 75, 2 (221, 32-33) [195, 9] natura φυ´ σι 3, 11; 41, 1; 42, 1; 45, 1; 46, 1; 47, 1; 47, 2; 48, 2 (217, 29; 220, 5; 220, 6; 220, 11; 220, 13; 220, 14; 220, 15; 220, 18) [190, 11; 193, 3; 193, 5; 193, 9-10; 193, 12; 193, 13; 193, 4; 193, 17] naturalis φυσικο` 3, 10; 48, 3 (217, 28; 220, 19) [190, 9-10; 193, 18] naturaliter φυ´ σει 54, 2 (220, 30) [193, 29] necessarius αœ ναγκαi˜ο 65, 2; 80, 1 (221, n. 1 et 262, 25; 222, 5) [-; 195, 17] nobilis eνδοξο 52, 1 (220, 25) [193, 24] nocturnus νυκτερινο` 7, 3 (218, 28) [191, 15] nomen oνομα 46, 2; 76, 1 (220, 14; 221, 34) [193, 12; 195, 10-11] novitas καινο´ τη 4, 3 (218, 10) [190, 28] novus καινο` 1, 3 (217, 10) [189, 20] nullus μηδει` 14, 1 (219, 4) [191, 29] nunc νυ˜ ν 2, 5 (217, 16) [189, 26]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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occultus αœ φανη` 48, 2 (220, 18) [193, 17] offero προσφε´ ρειν 62, 2 (221, 7) [194, 14] officium (ecclesiasticum) αœ κολουθι´α 7, 2 (218, 27) [191, 13-14] omnis πa˜ 4, 9; 4, 10; 45, 2; 49, 2; 54, 2 (218, 18; 218, 19; 220, 12; 220, 21; 220, 29) [191, 4; 191, 5; 193, 10; 193, 20; 193, 29] operatio eœνε´ ργεια 48, 1 (220, 17-18) [193, 16-17] (actio et operatio); v. etiam vocem „actio“ oppositio αœ ντι´θεσι 43, 2 (220, 9) [193, 7] oppositus αœ ντικει´μενο 43, 1 (220, 8) [193, 6-7] opus eργον 1, 2; 4, 2; 5, 2 (217, 9; 218, 10; 218, 21) [189, 19; 190, 27; 191, 7] / συ´ νταγμα 3, 6 (217, 23) [190, 4] oratio προσευχη` 13, 2; 67, 1; 67, 2 (219, 2; 221, 14; 221, 15) [191, 26-27; 194, 21; 194, 22] ordo τα´ ξι 3, 3; 58, 2; 72, 2 (217, 20; 220, 37; 221, 27) [190, 2; 194, 6; 195, 3] orno v«ραiÏζειν 3, 18 (218, 1) [190, 18] papa πα´ πα 2, 2; 5, 1; 7, 1; 61, 1 (217, 12; 218, 20; 218, 27; 221, 5) [189, 22; 191, 7; 191, 13; 194, 11] pars με´ ρο 3, 10; 3, 13; 3, 19; 3, 22 (217, 27; 217, 31; 218, 3; 218, 6) [190, 9; 190, 13; 190, 22; 190, 23] parvus oœλι´γο 21, 1 (219, 12) [192, 7] / μικρο` 50, 2 (220, 23) [193, 22] pater πατη` ρ 58, 3 (220, 38) [194, 6] / Pater Πατη` ρ 67, 1; 79, 2 (221, 14; 222, 4) [194, 21; 195, 16] Paulus Παυ˜ λο 9, 1; 13, 3 (218, 33; 219, 3) [191, 20; 191, 27] perfectio τελειο´ τη 71, 3; 77, 1 (221, 25; 221, 34-35) [195, 2; 195, 11] perlego αœ ναγινω´ σκειν 72, 2 (221, 27) [195, 3] peto ζητεi˜ν 56, 2 (220, 34) [194, 2] Petrus Πε´ τρο 13, 3; 20, 1; 69, 3 (219, 2; 219, 11; 221, 21) [191, 27; 192, 5; 194, 29] Philippus Φι´λιππο 49, 1; 73, 2 (220, 20; 221, 29) [193, 19; 195, 5] philosophia φιλοσοφι´α 27, 2 (219, 19) [192, 13] philosophus φιλο´ σοφο 3, 18; 4, 8 (218, 1-2; 218, 16-17) [190, 18; 191, 3] physicus φυσικο` 28, 1 (219, 19) [192, 14] politicus πολιτικο` 37, 1 (219, 24-25) [192, 19] possum δυ´ νασθαι 41, 2 (220, 6) [193, 4] posterior yÕστερο 39, 1 (219, 26) [192, 21] postilla eœξη´ γησι 8, 1; 9, 1; 13, 1 (218, 29; 218, 33; 218, 38) [191, 15; 191, 19; 191, 25] postmodum μετα` ταυ˜ τα 8, 4; 12, 3 (218, 32; 218, 38) [191, 18; 191, 24] postulo αiœτεi˜σθαι 55, 2 (220, 32;) [193, 31] / ζητεi˜ν 68, 2 (221, 17) [194, 24] potentia δυ´ ναμι 22, 1; 44, 2 (219, 15; 220, 10) [192, 10; 193, 9] praeceptum eœντολη` 80, 1 (222, 5) [195, 16] praecurro προθε´ ειν 74, 2 (221, 31) [195, 7]
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John A. Demetracopoulos
praedictus οy√το 3, 9 (217, 27) [190, 9] / o« r«ηθει` 12, 2 (218, 36) [193, 9] praefatus προειρημε´ νο 4, 6 (218, 14) [190, 31] primo πρv˜ τον 3, 12 (217, 19) [190, 14] principalis αœ ρχοειδη` 67, 2 (221, 15) [194, 22] principium αœ ρχη` 41, 1; 42, 1; 44, 1; 50, 2 (220, 5; 220, 7; 220, 9; 220, 23) [193, 3; 193, 6; 193, 8; 193, 22-23] prior o« προ´ τερον 3, 2 (217, 19) [190, 1] / πρv˜ το 74, 2 (221, 31) [195, 7]; primus (superlat.) πρv˜ το 1, 2; 2, 2; 3, 11; 3, 12; 19, 1; 39, 1; 65, 2 (217, 8; 217, 13; 217, 29; 217, 30; 219, 10; 219, 26; 221, n. 1 et 262, 24) [189, 18; 189, 23; 190, 10; 190, 14; 192, 4; 192, 20; -] / προ´ τερο 3, 14; 3, 15 (217, 32; 217, 33) [190, 11; 190, 12] prius (adv.) προ´ τερον 3, 8 (217, 25) [190, 7] Proclus Προ´ κλο 38b, 1 (219, 25-26) [192, 20] prodeo προι¨ε´ ναι 4, 10 (218, 18) [191, 4] profundus βαθυ` 1, 3; 4, 3 (217, 10; 218, 11) [189, 20; 190, 28] propositio προ´ τασι 38b, 1; 63, 1; 63, 2 (219, 25; 221, 8; 221, 9) [192, 20; 194, 15; 194, 16] propositum προ´ θεσι 77, 2 (221, 35) [195, 11-12] Psalterium Ψαλτη´ ριον 18, 2 (219, 8) [192, 2] Ptolemaeus Πτολεμαi˜ο 2, 4 (217, 14) [189, 24] publico* (pro „multiplico“?) δημοσιευ´ ειν 2, 6-7 (217, 17) [189, 28] quadraginta τεσσαρα´ κοντα 58, 1 (220, 36-37) [194, 5] quaero ζητεi˜ν 81, 1 (222, 6) [195, 18] quaestio ζη´ τημα 3, 3; 21, 1; 21, 3; 22, 1; 23, 1; 24, 1; 25, 1; 26, 1 (217, 2021; 219, 13; 219, 15 bis; 219, 6; 219, 16; 219, 17 bis) [190, 2; 192, 7; 192, 9; 192, 9-10; 192, 10; 192, 10-11; 192, 11; 192, 11-12] quartus τε´ ταρτο 3, 19 (218, 3) [190, 20] quattuor τε´ σσαροι 1, 1; 4, 2; 5, 1; 43, 1 (217, 7; 218, 9; 218, 21; 220, 8) [189, 17; 190, 26; 191, 27; 193, 6] qui oÀ 2, 4; 3, 1; 3, 5; 3, 6; 3, 11; 3, 14; 3, 20; 3, 23; 4, 10 primum; 5, 3; 6, 2; 8, 3; 41, 1; 42, 1; 43, 1; 44, 1; 45, 1; 46, 1; 47, 1; 48, 2; 49, 2; 50, 2; 51, 1; 52, 1; 53, 1; 54, 2; 55, 2; 56, 2; 57, 1; 58, 2; 59, 1; 59, 2; 60, 2; 61, 1; 62, 1; 63, 1; 64, 1; 65, 1; 66, 2; 67, 2; 68, 2; 69, 1; 69, 2; 69, 3; 70, 2; 71, 2; 72, 2; 73, 1; 74, 2; 75, 1; 77, 1; 78, 2; 79, 1; 79, 2; 81, 1 (217, 14; 217, 18; 217, 22; 217, 28; 217, 32; 218, 4; 218, 7; 218, 18; 218, 22; 218, 25; 218, 32; 220, 5; 220, 7; 220, 8; 220, 9; 220, 11; 220, 13; 220, 15; 220, 18; 220, 21; 220, 22; 220, 24; 220, 25; 220, 27; 220, 29; 220, 32; 220, 34; 220, 35; 220, 37; 220, 38; 221, 2 bis; 221, 4; 221, 5; 221, 7; 221, 9; 221, 10; 221, nota 1 atque 262, 24; 221, 12; 221, 14; 221, 17; 221, 19; 221, 20; 221, 21; 221, 23; 221, 25; 221, 27; 221, 29; 221, 31; 221, 32; 263, 13; 222, 2; 222, 3; 222, 4; 222, 6) [189, 25; 189, 29; 190, 3; 190, 4; 190, 10; 190, 13; 193, 20; 190, 24; 191, 4; 191, 9; 191, 12; 191, 18; 192, 24; 193, 5; 193, 7; 193, 8; 193, 10; 193, 12; 193, 13; 193, 14; 193, 15; 193, 18; 193, 20; 193, 22; 193, 25; 193, 27; 193, 29; 193, 31; 194, 2; 194, 4;
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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194, 6; 194, 7; 194, 8; 194, 9; 194, 10; 194, 12; 194, 14; 194, 16; 194, 17; 194, 19; 194, 21; 194, 24; 194, 26; 194, 27; 194, 30; 195, 1; 195, 3; 195, 5; 195, 9; 195, 13; 195, 14; 195, 15; 195, 17] / oÕσπερ 4, 3; 4, 10 alterum; 21, 3 (218, 11; 218, 18; 219, 14) [190, 28; 191, 5; 192, 9] quidam τι` 41, 2; 48, 2; 48, 3; 52, 1; 69, 1; 71, 2 (220, 6; 220, 18; 220, 19; 220, 25; 221, 19; 221, 25) [193, 4; 193, 17; 193, 18; 193, 24; 194, 26-27; 195, 2] quidditas οyœσι´α 50, 1 (220, 21-22) [193, 21] quinque πε´ ντε 8, 2 (218, 30) [191, 16] quis (interr.) τι´ 62, 2 (221, 7) [194, 14] quoque eτι 8, 1 (218, 29) [191, 15] ratio λο´ γο 3, 4; 4, 2 (217, 21; 218, 10) [190, 3; 190, 27] / eœπιχει´ρημα 3, 18 (218, 2) [190, 19] rationalis λογικο` 52, 2 (220, 26) [193, 25] Raynaldus ¤Rαι¨να´ λδο 8, 3; 53, 2; 56, 2; 79, 2 (218, 31; 220, 27; 220, 33; 220, 4) [191, 18; 193, 27; 194, 2; 195, 15] redeo y«ποστρε´ φειν 2, 1 (217, 11) [189, 22] regimen βασιλει´α 62, 1 (221, 6) [194, 13] regius βασιλικο` 62, 2 (221, 8) [194, 15] religio εyœσε´ βεια 77, 1; 77, 2 (221, 35; 263, 13) [195, 11; -] / τα´ ξι (sc. ordo religiosus) 78, 1 (222, 1) [195, 12] relinquo καταλει´πειν 3, 24 (218, 8) [190, 25] reminiscentia αœ να´ μνησι 35, 1 (219, 23-24) [192, 18] reperio εy«ρι´σκειν 6, 2 (218, 26) [191, 12] reporto συγγρα´ φειν 8, 3; 12, 2 (218, 31; 218, 36) [191, 17; 191, 23] / γρα´ φειν (τινo¡ ) y«παγορευ´ οντο 20, 2 (219, 12) [192, 6] reprobo αœ ποδοκιμα´ ζειν 71, 2 (221, 25) [195, 1] res πρa˜ γμα 3, 11 (217, 29) [190, 11] / res creata κτι´σμα 3, 12 (217, 30) [190, 12] residuus y«πο´ λοιπο 8, 2 (218, 30) [191, 17] responsio αœ πολογι´α 58, 1; 59, 1; 60, 1 (220, 36; 220, 38-221, 1; 221, 3) [194, 5; 194, 7; 194, 9] reverendus αiœδεσιμω´ τατο 58, 2 (220, 38) [194, 6] rex r«η` ξ 62, 1 (221, 7) [194, 14] roboro αœ σφαλι´ζεσθαι 3, 5 (217, 23) [190, 4] / κατασφαλι´ζεσθαι 3, 19 (218, 2-3) [190, 19] Roma ¤Rω´ μη 2, 2 (217, 12) [189, 22] Romanus ¤Rωμαi˜ο 9, 1 (218, 33) [191, 20] sacer i«ερο` 53, 2 (220, 28) [193, 27] sacramentalis μυστηριω´ δη 3, 11; 3, 20; 72, 1 (217, 28; 218, 4; 221, 26) [190, 11; 190, 21; 195, 3]
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John A. Demetracopoulos
sacramentum μυστη´ ριον 3, 21; 68, 1; 68, 3 (218, 4-5; 221, 16; 221, 18) [191, 21; 194, 23; 194, 25-26] saecularis κοσμικο` 4, 8 (218, 16) [191, 2] saepius πολλα´ κι 4, 7 (218, 15) [191, 1] salutatio αœ σπασμο` 66, 1; 66, 2 (221, 12; 221, 13) [194, 19; 194, 20] sanctus aÕγιο 3, 18; 5, 3 (218, 2; 218, 22) [190, 19; 191, 8] / μακα´ ριο 13, 3 (219, 2) [191, 27] sapientia σοφι´α 4, 10 (218, 18) [191, 5] Sarracenus Σαρακηνο` 69, 2 (221, 20) [194, 28] scientia eœπιστη´ μη 4, 8; 4, 9; 4, 11; 52, 2 (218, 16; 218, 18; 218, 19; 220, 26) [191, 4; 191, 5; 191, 6; 193, 25] scio εiœδε´ ναι 3, 6; 54, 2 (217, 23; 220, 30) [190, 6; 193, 29] scribo γρα´ φειν 1, 1; 3, 23; 5, 1; 6, 1; 56, 2 (217, 7; 218, 7; 218, 20; 218, 24; 220, 34) [189, 17; 190, 24; 191, 6; 191, 11; 194, 3] / συγγρα´ φειν 2, 2; 21, 1 (217, 12; 219, 12) [189, 23; 192, 6] / συντα´ ττειν 4, 4 [190, 29] / συντιθε´ ναι 4, 1 (218, 7) [190, 25]; scriptum βιβλι´ον 1, 1; 2, 2 (217, 7; 217, 12) [189, 18; 189, 23] / πραγματει´α 3, 2 (217, 19) [189, 29] / γραφη` 4, 6 (218, 14) [191, 1] secundo δευ´ τερον 3, 12 (217, 30) [190, 11] secundus δευ´ τερο 1, 2; 3, 13; 3, 15; 33, 1; 39, 1; 71, 1 (217, 8; 217, 31; 217, 33; 219, 22; 219, 26; 221, 24) [189, 19; 190, 12; 190, 15; 192, 16-17; 192, 21; 194, 31] sensatus αiœσθητο` (De sensu et sensato, tit.: Περι` αiœσθη´ σεω και` αiœσθητv˜ ν) 34, 1 (219, 23) [192, 17-18] sensus αiσθησι 4, 4; 34, 1 (218, 12; 219, 23) [190, 29; 192, 17] sententia (in tit.) αœ πο´ φασι 1, 1; 2, 3 (217, 7-8; 217, 13) [189, 18; 189, 23] separatus χωριστο` 53, 1 (220, 27) [193, 26] sequax o« e«πο´ μενο 78, 1 (222, 2) [195, 13] sequens o« aλλο 12, 1 (218, 36) [191, 22] sermo λο´ γο 42, 2 (220, 7) [193, 6] seu h 46, 1 (220, 13) [193, 11] sex eÀξ 60, 1 (221, 3) [194, 10] sic οyÕτω 3, 6; 4, 4; 5, 3 (217, 24; 218, 12; 218, 22) [190, 5; 190, 30; 191, 9] sicut vÕσπερ 2, 3; 54, 2 (217, 13; 220, 22) [189, 23; 193, 29] Silvester Σι´λβεστρο 41, 1 (220, 5) [193, 4] socius e«ταi˜ρο 8, 3; 50, 2 (218, 31; 220, 22) [191, 18; 193, 22] solemnium λαμπρο´ τη 53, 2 (220, 28) [193, 27] soleo, -et εiωθε 73, 2 (221, 29) [195, 6] sono hœχεi˜ν 78, 3 (222, 3) [195, 14] sors κλη˜ ρο 55, 1 (220, 30) [193, 30] spiritualis αœ σω´ ματο 26, 1 (219, 17) [192, 12] stilum φρα´ σι 1, 3; 4, 2 (217, 9; 218, 10) [189, 19; 190, 27] / proprio stilo iœδιο´ χειρον 8, 2 (218, 30) [191, 17] subfero y«φαιρεi˜ν 2, 6 (217, 16-17) [189, 27]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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subjectum y«ποκει´μενον 4, 9 (218, 17) [191, 4] subservio δουλευ´ ειν 4, 11 (218, 19) [191, 6] substantia οyœσι´α 53, 1 (220, 27) [193, 26] subtilis λεπτο` 3, 4 (217, 21) [190, 2-3] subtilitas λεπτο´ τη 4, 3 (218, 11) [190, 28] sum εiÓναι 2, 4; 3, 18; 3, 19; 3, 22; 4, 2; 41, 2 bis; 43, 2; 73, 2; 80, 1; 81, 1 (217, 15; 218, 1; 218, 3; 218, 6; 218, 10; 220, 6 bis; 220, 8; 221, 28; 222, 5; 222, 6) [189, 25; 190, 18; 190, 20; 190, 23; 190, 27; 193, 4; 193, 5; 193, 7; 195, 4; 195, 6; 195, 18] (vide etiam v. „ens“) summa συ´ νταγμα 3, 1; 3, 13; 3, 19; 3, 22 (217, 18; 217, 27; 218, 3; 218, 6) [189, 28; 190, 12; 190, 20; 190, 23] / Θεολογι´α (tit.) 4, 7 (218, 15) [191, 1] suppono y«ποτι´θεσθαι 64, 2 (221, 10-11) [194, 18] Symbolum Συ´ μβολον 65, 1 (221, n. 1 et 262, 24) [-] tam … quam και` … και` 4, 6-7 (218, 14-15) [191, 1] / τε … και` 7, 2-3 (218, 28) [191, 4-5] tempus χρο´ νοι 2, 1 (217, 12) [189, 22] tertius τρι´το 1, 2; 3, 19; 33, 1 (217, 9; 218, 3; 219, 22) [189, 19; 190, 19; 192, 17] testor μαρτυρεi˜ν 2, 3 (217, 13) [189, 24] theologia θεολογι´α 3, 1; 3, 6; 79, 1 (217, 18; 217, 23; 222, 3) [189, 28; 190, 5; 195, 15] Threni (tit.) Θρη˜ νοι 16, 1 (219, 6) [191, 31] Torsellanus o« τη˜ Tολλε´ τα 2, 4 (17, 14) [189, 25] totaliter παντα´ πασι 4, 5 (218, 13) [190, 30] totus oÕλο 3, 1; 3, 21 (217, 18; 218, 5) [189, 28; 190, 22] / o« oÕλο 7, 2 (218, 27) [191, 13] tractatus πραγματει´α 44, 1 (220, 9) [193, 8] trado παραδιδο´ ναι 3, 8 (217, 26) [190, 7-8] tres τρεi˜ 3, 10; 58, 1; 66, 2 (217, 27; 220, 37; 221, 13) [190, 9; 194, 5; 194, 20] / tres nocturni Psalterii τρι´α eÕβδομα του˜ Ψαλτηρι´ου 18, 2 (219, 8) [192, 2] triginta τρια´ κοντα 60, 1 (221, 3) [194, 10] Trinitas Tρια` 47, 2; 75, 1 (220, 16; 221, 32) [193, 15; 195, 8] ubi oÕπου 4, 7 (218, 5) [191, 1] ultimus τελευταi˜ο 3, 22; 3, 23 (218, 6; 218, 7) [190, 23; 190, 24] ultramontanus eœπε´ κεινα τv˜ ν ÔAλπεων διατρι´βων 48, 2 (220, 18) [193, 17-18] undecimus e«νδε´ κατο 11, 1 (218, 35) [191, 21] unus εi√ 5, 4 (218, 24) [191, 10] Urbanus Oyœρβανο` 2, 2; 5, 1; 7, 1; 61, 1 (217, 12; 218, 20; 218, 26; 221, 45) [189, 22; 191, 7; 191, 13; 194, 11] ut (adv.) v« 4, 11 (218, 19) [191, 6] utiliter vœφελι´μω 3, 6 (217, 24) [190, 5]
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John A. Demetracopoulos
utor χρη˜ σθαι 4, 7; 55, 1; 56, 1 (218, 16; 220, 31; 220, 33) [191, 2; 193, 30; 194, 2] verbum λο´ γο 46, 1; 46, 2; 47, 1; 47, 2 (220, 13 bis; 220, 14; 220, 15) [193, 11; 193, 12; 193, 13; 193, 14] veritas αœ λη´ θεια 4, 10; 21, 3 (218, 18-19; 219, 4) [191, 5; 192, 8-9] videlicet δηλονο´ τι 1, 2; 3, 10 (217, 8; 217, 28) [189, 18; 190, 9] / τουτε´ στι 78, 1 (222, 1) [195, 12] video o«ρa˜ ν 2, 5 (217, 5) [189, 26] / -or δοκεi˜ν 4, 5; 4, 6; 5, 5 (218, 13; 218, 14; 218, 24) [190, 30; 190, 31; 191, 10] virtus αœ ρετη` 3, 14; 24, 1 (217, 32; 219, 16) [190, 14; 192, 11] vita βι´ο 3, 23 (218, 7) [190, 24] vitium κακι´α 3, 14 (217, 32) [190, 14] voco καλεi˜ν 3, 20 (218, 4) [190, 21] volumen βιβλι´ον 3, 13; 3, 20; 21, 1 (217, 31; 218, 3; 219, 12) [190, 13; 190, 20; 192, 7] 2. Index Graeco-latinus ÅAβεροι¨στη` Averroista 54, 1 (220, 29) [193, 28] αœ γα´ πη amor 80, 1 (222, 5) [195, 17] / dilectio
55, 2; 68, 3 (220, 32; 221, 17-18) [194, 1; 194, 25] αœ γγελικο` angelicus 66, 1 (221, 12) [194, 19] aγγελο angelus 53, 1; 53, 2 (220, 26; 220, 28) [194, 19 bis] aÕγιο sanctus 3, 18; 5, 3 (218, 2; 218, 22) [190, 19; 191, 8] αœ γνοεi˜ν, - v˜ ν (part. rel. adj.) ignarus 71, 3 (221, 26) [195, 2] αœ δελφο` frater 2, 3; 50, 1 (217, 14; 220, 22) [189, 24; 193, 22] αiœδε´ σιμο; - ω´ τατο reverendus 58, 2 (220, 38) [194, 6] αœ iÏδιο aeternus 79, 2 (222, 4) [195, 16] αœ ι¨διο´ τη aeternitas 64, 1 (221, 9-10) [194, 17] αiσθησι sensus 4, 4; 34, 1 (218, 12; 219, 23) [190, 29; 192, 17] αiœσθητο` sensatus (De sensu et sensato, tit.: Περι` αœiσθη´ σεω και` αœiσθητv˜ ν) 34, 1 (219, 23) [192, 17-18] αiœτεi˜σθαι postulo 55, 2 (220, 32;) [193, 31] αiœτι´α causa 38a, 1 (219, 25) [192, 20] αœ καριαi˜ον, το` instans 45, 1; 45, 2 (220, 11 primum; 220, 12) [193, 10; 193, 11] αœ κολουθι´α officium ecclesiasticum 7, 2 (218, 27) [191, 13-14] αœ κροατη` auditor 2, 4 (217, 15) [189, 25] αœ λη´ θεια veritas 4, 10; 21, 3 (218, 18-19; 219, 4) [191, 5; 192, 8-9] aλλο alius 3, 22; 67, 2 (218, 6; 221, 15) [190, 23; 194, 22]; -ο, o« sequens 12, 1 (218, 36) [191, 22] aλλω aliter 3, 2 (217, 19) [189, 29] αœ μφισβητη´ σιμο dubium 73, 2 (221, 29) [195, 5]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
871
αœ ναγινω´ σκειν lego (221, 4) 60, 2 [194, 11] / perlego 72, 2 (221, 27) [195, 3] αœ ναγκαi˜ο necessarius 65, 2; 80, 1 (221, n. 1 et 262, 25; 222, 5) [-; 195, 17] αœ να´ γνωσι intelligentia 1, 3 (217, 10) [189, 20] αœ ναγνω´ στη lector 59, 2; 60, 2 (221, 1; 221, 3) [194, 8; 194, 10] αœ να´ μνησι reminiscentia 35, 1 (219, 23-24) [192, 18] αœ νθρω´ πινο humanus 4, 8 (218, 16) [191, 2-3] aνθρωπο homo 44, 2; 47, 3; 54, 2; 80, 1 (220, 10; 220, 16; 220, 30; 222, 5)
[193, 9; 193, 15; 193, 29; 195, 17] αœ ντι´θεσι oppositio 43, 2 (220, 9) [193, 7] αœ ντικει´μενο oppositus 43, 1 (220, 8) [193, 6-7] ÅAντιοχευ` Antiochenus 69, 3 (221, 21) [194, 28] ÅAντρι´α Andria 20, 1 (219, 11) [192, 6] aξιο dignus 62, 2 (221, 8) [194, 15] αœ πο´ δειξι demonstratio 51, 1 (220, 24) [193, 23] αœ ποδοκιμα´ ζειν reprobo 71, 2 (221, 25) [195, 1] αœ πολογι´α responsio 58, 1; 59, 1; 60, 1 (220, 36; 220, 38-221, 1; 221, 3) [194,
5; 194, 7; 194, 9] αœ πο´ στολο apostolus 13, 3; 69, 3 (219, 2; 221, 21) [191, 27; 194, 29] αœ πο´ φασι sententia (in tit.) 1, 1; 2, 3 (217, 7-8; 217, 13) [189, 18; 189, 23] αœ ρετη` virtus 3, 14; 24, 1 (217, 32; 219, 16) [190, 14; 192, 11] ÅAριστοτε´ λη Aristoteles 27, 2 (219, 19) [192, 13] ÅAρμε´ νιο Armenius 69, 2 (221, 20) [194, 27] a«ρπα´ ζειν abstraho 4, 5 (218, 13) [190, 30] αœ ρχη` articulus 68, 1; 68, 3; 69, 1 (221, 16; 221, 18; 221, 19) [194, 23; 194, 25;
194, 27] / initium 75, 1 (221, 32) [195, 9] / principium 41, 1; 42, 1; 44, 1; 50, 2 (220, 5; 220, 7; 220, 9; 220, 23) [193, 3; 193, 6; 193, 8; 193, 22-23] αœ ρχιεπι´σκοπο archiepiscopus 68, 2 (221, 16-17) [194, 24] αœ ρχοειδη` principalis 67, 2 (221, 15) [194, 22] áÓσμα canticum 17, 1 bis (219, 6 bis) [191, 31 bis] αœ σπασμο` salutatio 66, 1; 66, 2 (221, 12; 221, 13) [194, 19; 194, 20] aστρον astrum 56, 1 (220, 33) [194, 1] αœ σφαλι´ζεσθαι roboro 3, 5 (217, 23) [190, 4] αœ σω´ ματο spiritualis 26, 1 (219, 17) [192, 12] αœ τελη` incompletus 3, 24 (218, 8) [190, 25] αœ τομο´ τη individuatio 44, 1 (220, 9) [193, 8] αyœτο` idem 8, 4 (218, 32) [191, 8] / ille 2, 5 (217, 15) [189, 26]; αyœτο´ , o« idem 3, 17 (218, 1) [190, 18] / is 3, 20; 78, 2 (218, 4; 222, 2) [190, 21; 195, 13] / iste 66, 2 (221, 13) [194, 20] αœ φανη` occultus 48, 2 (220, 18) [193, 17] aφεσι absolutio 72, 1 (221, 26) [195, 2] αœ φορι´ζεσθαι determino 3, 4 (217, 21-22) [190, 3] βαθυ` profundus 1, 3; 4, 3 (217, 10; 218, 11) [189, 20; 190, 28] βασιλει´α regimen 62, 1 (221, 6) [194, 13]
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John A. Demetracopoulos
βασιλικο` regius 62, 2 (221, 8) [194, 15] βιβλι´ον liber 1, 1; 4, 1; 19, 1; 28, 1; 30, 1; 76, 1 (217, 7; 218, 7; 219, 10; 219,
19; 219, 20; 221, 34) [189, 18; 190, 25-26; 192, 4; 192, 14; 192, 15; 195, 10] / libellus 61, 2; 72, 2 (221, 5; 221, 27) [194, 12; 195, 4] / scriptum 1, 1; 2, 2 (217, 7; 217, 12) [189, 18; 189, 23] / volumen 3, 13; 3, 20; 21, 1 (217, 31; 218, 3; 219, 12) [190, 13; 190, 20; 192, 7] βι´ο vita 3, 23 (218, 7) [190, 24] Bοη´ τιο Boethius 74, 1 (221, 30) [195, 7] γε´ νεσι generatio 31, 1 (219, 21) [192, 15] γε´ ννησι nativitas 75, 2 (221, 32-33) [195, 9] Γερα´ ρδο Gerardus 59, 2 (221, 1) [194, 8] γνv˜ σι cognitio 51, 2 (220, 24) [193, 24] γνωστικο` cognoscitivus 44, 2 (220, 10) [193, 9] Γουλιε´ λμο ντε` Σα´ ντο ÅAμο´ ρε Guillermus de Sancto Amore 78, 2 (222, 1-2)
[195, 3] Γραικο` Graecus 61, 1; 69, 2 (221, 5; 221, 20) [194, 12; 194, 27] γρα´ μμα littera 14, 1 (219, 4) [191, 29]; γρα´ μματα litterae 57, 2; 60, 2 (220,
36; 221, 4) [194, 3-4; 194, 11] scribo 1, 1; 3, 23; 5, 1; 6, 1; 56, 2 (217, 7; 218, 7; 218, 20; 218, 24; 220, 34) [189, 17; 190, 24; 191, 6; 191, 11; 194, 3]; γρα´ φειν (τινo¡ ) y«παγορευ´ οντο reporto 20, 2 (219, 12) [192, 6] γραφη` lectura 5, 5 (218, 24) [191, 10] / scriptum 4, 6 (218, 14) [191, 1] γρα´ φειν
δα´ κρυ lacryma 13, 2 (219, 2) [191, 27] δευ´ τερον (adv.) secundo 3, 12 (217, 30) [190, 11] δευ´ τερο secundus 1, 2; 3, 13; 3, 15; 33, 1; 39, 1; 71, 1 (217, 8; 217, 31; 217,
33; 219, 22; 219, 26; 221, 24) [189, 19; 190, 12; 190, 15; 192, 16-17; 192, 21; 194, 31] δηλονο´ τι videlicet 1, 2; 3, 10 (217, 8; 217, 28) [189, 18; 190, 9] / τουτε´ στι 78, 1 (222, 1) [195, 12] δημοσιευ´ ειν publico* (pro „multiplico“?) 2, 6-7 (217, 17) [189, 28] διαιρεi˜ν distinguo 3, 10; 4, 2; 21, 2 (217, 27; 218, 10; 219, 13-14) [190, 9; 190, 27; 192, 8] / divido 3, 13 (217, 31) [190, 13] διακρι´νειν distinguo 3, 4 (217, 21) [190, 2] διαλε´ γεσθαι ago 3, 14 (217, 32) [190, 14] / disputo 27, 1 (219, 18) [192, 13] διαμονη` duratio 45, 2 (220, 12) [193, 11] δια´ νοια 1, 3 intellectus (217, 9) [189, 20] διασαφεi˜ν elucido 21, 3 (219, 14) [192, 8] διατου˜ το ideo 3, 20 (218, 4) [190, 20] διατρι´βειν existo 2, 2 (217, 12) [189, 22] δια´ φορο diversus 21, 2 (219, 13) [192, 7-8] διδα´ σκαλο doctor 3, 5; 4, 6; 5, 4; 14, 1; 21, 1 (219, 4; 219, 12; 217, 22; 218, 14; 218, 24) [190, 4; 191, 1; 191, 10; 191, 29; 192, 6]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
873
διδο´ ναι exhibeo 61, 2 (221, 6) [194, 13] Διονυ´ σιο Dionysius 76, 1 (221, 34) [195, 10] διορθου˜ ν corrigo 8, 4; 12, 3 (218, 32; 218, 38) [191, 19; 191, 24-25] διορι´ζεσθαι definio 3, 14 (217, 32) [190, 14] δοκεi˜ν videor 4, 5; 4, 6; 5, 5 (218, 13; 218, 14; 218, 24) [190, 30; 190, 31; 191,
10] δου´ καινα ducissa 57, 1 (220, 35) [194, 3-4] δουλευ´ ειν subservio 4, 11 (218, 19) [191, 6] δυ´ ναμι potentia 22, 1; 44, 2 (219, 15; 220, 10) [192, 10; 193, 9] δυ´ νασθαι possum 41, 2 (220, 6) [193, 4] δυ´ ο duo 3, 13; 44, 1 (217, 31; 220, 10) [190, 13; 193, 9] e«βδομα` hebdomas 74, 2 (221, 30-31) [195, 7] ¤Eβραi˜ο Hebraeus 11, 1 (218, 34) [191, 21] eœγκρι´νειν approbo 8, 4 (218, 32) [191, 19] eœγω` ego 55, 2; 56, 2; 62, 2; 68, 2 (220, 32; 220, 34; 221, 7; 221, 17) [194, 1;
194, 3; 194, 14; 194, 25] εiœδε´ ναι scio 3, 6; 54, 2 (217, 23; 220, 30) [190, 6; 193, 29] εiœκω` ν imago 47, 2 (220, 16) [193, 15] εi«μαρμε´ νη fatum 81, 1 (222, 6) [195, 17] εiÓναι sum 2, 4; 3, 18; 3, 19; 3, 22; 4, 2; 41, 2 bis; 43, 2; 73, 2; 80, 1; 81, 1
(217, 15; 218, 1; 218, 3; 218, 6; 218, 10; 220, 6 bis; 220, 8; 221, 28; 222, 5; 222, 6) [189, 25; 190, 18; 190, 20; 190, 23; 190, 27; 193, 4; 193, 5; 193, 7; 195, 4; 195, 6; 195, 18] (vide etiam vocem „ens“) / invenio 67, 3 (221, 15) [194, 22-23] εi√ unus 5, 4 (218, 24) [191, 10] εiωθε solet 73, 2 (221, 29) [195, 6] eœκκλησι´α ecclesia 3, 21; 68, 1; 68, 3 (218, 5; 221, 16; 221, 18) [190, 22; 194, 23; 194, 25] eœκτι´θεσθαι laboro 3, 7 (217, 24) [190, 5] −Eλλην gentilis 4, 1 (218, 9) [190, 26] eœμο` meus 2, 4; 55, 2; 57, 2; 60, 2; 61, 2; 67, 2; 68, 2; 74, 2; 75, 2; 78, 3 (217, 13; 220, 32; 220, 36; 221, 4; 221, 6; 221, 14; 221, 17; 221, 31; 221, 33; 222, 2) [189, 24; 194, 1; 194, 4; 194, 11; 194, 13; 194, 21; 194, 25; 195, 8; 195, 9; 195, 14] eœναντιου˜ σθαι impugno 69, 2 (221, 20) [194, 27] e«νδε´ κατο undecimus 11, 1 (218, 35) [191, 21] eνδοξο nobilis 52, 1 (220, 25) [193, 24] eœνε´ ργεια actio 48, 1 (220, 17) [193, 16] (actio et operatio) / operatio 48, 1 (220, 17-18) [193, 16-17] (actio et operatio); v. etiam vocem „actio“ eœντευ˜ θεν, το` abinde 12, 1 (218, 35) [191, 22] eœντολη` praeceptum 80, 1 (222, 5) [195, 16] eÀξ sex 60, 1 (221, 3) [194, 10] eœξαπλου˜ ν amplio 3, 2 (217, 19) [189, 29]
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John A. Demetracopoulos
eœξευρι´σκειν invenio 3, 8 (217, 26) [190, 7] eœξη´ γησι expositio 65, 1; 66, 1; 67, 1; 71, 1 (221, n. 1 et 262, 24; 221, 11-
12; 221, 13-14; 221, 24) [-; 194, 19; 194, 21; 194, 31] / postilla 8, 1; 9, 1; 13, 1 (218, 29; 218, 33; 218, 38) [191, 15; 191, 19; 191, 25] eœξιχνια´ ζειν investigo 75, 2 (221, 33) [195, 9] eξωθεν, o« exterior 4, 4 (218, 12) [190, 30] eœπε´ κεινα τv˜ ν ÔAλπεων διατρι´βων ultramontanus 48, 2 (220, 18) [193, 17-18] eÕπεσθαι, o« -ο´ μενο sequax 78, 1 (222, 2) [195, 13] eœπιγρα´ φειν intitulo 3, 12; 3, 22; 4, 1; 21, 3; 79, 1 (217, 30; 218, 7; 218, 9; 219, 14; 222, 3) [190, 12; 190, 22; 190, 26; 192, 9; 195, 15]; eœπιγεγραφε´ ναι 3, 15 (217, 35) [190, 15] eœπιθυμεi˜ν desidero 3, 6 (217, 23) [190, 5] eœπι´σκοπο episcopus 2, 4 (217, 14) [189, 24-25] eœπιστη´ μη scientia 4, 8; 4, 9; 4, 11; 52, 2 (218, 16; 218, 18; 218, 19; 220, 26) [191, 4; 191, 5; 191, 6; 193, 25] eœπιστολη` epistula 9, 1 12, 1 (218, 33; 218, 36) [191, 19-20; 191, 23] eœπι´τομο compendiosus 3, 8 (217, 25) [190, 7] eœπιχει´ρημα articulus 1, 4; 3, 1; 3, 4; 21, 2 (217, 10; 217, 18; 217, 21; 219, 13) [189, 20-21; 189, 29; 190, 2; 192, 8] / ratio 3, 18 (218, 2) [190, 19] eργον opus 1, 2; 4, 2; 5, 2 (217, 9; 218, 10; 218, 21) [189, 19; 190, 27; 191, 7] e«ρμηνει´α hermeneia (in tit.) 40, 1 (219, 27) [192, 21] e«ταi˜ρο socius 8, 3; 50, 2 (218, 31; 220, 22) [191, 18; 193, 22] eτι etiam 4, 1; 5, 1 (218, 8; 218, 20) [190, 25; 191, 6] / item 7, 1; 22, 1 (218, 16; 219, 15) [191, 12; 192, 9] / quoque 8, 1 (218, 29) [191, 15] εyœαγγε´ λιον evangelium 5, 2; 6, 2; 8, 1 (218, 21; 218, 25; 218, 29) [191, 7; 191, 11; 191, 16] εyœλο´ γω jure 4, 11 (218, 19) [191, 5] εy«ρι´σκειν invenio 2, 5; 47, 2; 60, 2 (217, 16; 220, 16; 221, 4) [189, 26-27; 193, 15; 194, 11] / reperio 6, 2 (218, 26) [191, 12] εyœσε´ βεια religio 77, 1; 77, 2 (221, 35; 263, 13) [195, 11; -] eœφι´εσθαι desidero 54, 2 (220, 30) [193, 28-29] eχειν habeo 51, 1 (220, 24) [193, 23-24] eœχθρο` inimicus 78, 3 (222, 2) [195, 14] ζητεi˜ν
peto 56, 2 (220, 34) [194, 2] / postulo 68, 2 (221, 17) [194, 24] / quaero 81, 1 (222, 6) [195, 18] ζη´ τημα quaestio 3, 3; 21, 1; 21, 3; 22, 1; 23, 1; 24, 1; 25, 1; 26, 1 (217, 2021; 219, 13; 219, 15 bis; 219, 6; 219, 16; 219, 17 bis) [190, 2; 192, 7; 192, 9; 192, 9-10; 192, 10; 192, 10-11; 192, 11; 192, 11-12] h seu 46, 1 (220, 13) [193, 11] hœθικο` ethicus 36, 1 (219, 24) [192, 19] / moralis
31) [190, 10; 190, 13] h«μερινο` diurnus 7, 2 (218, 28) [191, 14]
3, 10; 3, 13 (217, 28; 217,
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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ÅHσαiÏα Isaias 13, 1 (218, 38) [191, 25] hœχεi˜ν sono 78, 3 (222, 3) [195, 14] θα´ νατο mors 3, 23 (218, 8) [190, 25] θαυμαστο` mirus 3, 3 (217, 20) [190, 1] θεi˜ο divinus 3, 12; 4, 5; 4, 9; 4, 10; 76, 1 (217, 29; 218, 13; 218, 17; 218, 18;
221, 34) [190, 11; 190, 30; 191, 4; 191, 5; 195, 10] θεολογι´α theologia 3, 1; 3, 6; 79, 1 (217, 18; 217, 23; 222, 3) [189, 28; 190, 5; 195, 15]; Θεολογι´α (tit.) Summa 4, 7 (218, 15) [191, 1] Θεο` Deus 3, 22; 22, 1 (218, 16; 219, 15) [190, 22; 192, 10] θερα´ παινα ancilla 4, 11 (218, 19) [191, 6] Θρη˜ νοι Threni (tit.) 16, 1 (219, 6) [191, 31] θρο´ νο, διδασκαλικο` magisterium 2, 1 (217, 11) [189, 21] ÅIα´ κωβο o« αœ πο` του˜ Mπου´ ργου Jacobus de Burgos 55, 2 (220, 31) [193, 31] iœδιο´ χειρον proprio stilo 8, 2 (218, 30) [191, 17] ¤Iερεμι´α Hieremias 15, 1 (219, 6) [190, 30-31] «iερο` sacer 53, 2 (220, 28) [193, 27] ÅIουδαi˜ο Judaeus 57, 1 (220, 35) [194, 3] iœσχυρι´ζεσθαι assero 2, 5 (217, 5) [189, 25] ÅIταλι´α Italia 2, 1 (217, 11) [189, 22) ÅIωα´ ννη Johannes 8, 1 (218, 29) [191, 6] ÅIω` β Job 14, 1 (219, 4) [191, 29] καθαρο` disertus 1, 3; 4, 2 (217, 9; 218, 10) [189, 19-20; 190, 27] καθολικο` Catholicus 64, 2 (221, 11) [194, 18] καθο´ λου communis, in -i 14 (217, 33) [190, 14] και` … και` tam … quam 4, 6-7 (218, 14-15) [191, 1] καινο` novus 1, 3 (217, 10) [189, 20] καινο´ τη novitas 4, 3 (218, 10) [190, 28] κακι´α vitium 3, 14 (217, 32) [190, 14] κακο` ν (subst.) malum 25, 1 (219, 17) [192, 11] καλεi˜ν voco 3, 20 (218, 4) [190, 21] Kανω` ν Decretalis 71, 1 (221, 24) [195, 1] καρδι´α cor 49, 1 (220, 20) [193, 19] κα´ στρον castrum 49, 1 (220, 20) [193, 20] καταδικα´ ζειν damno 71, 2 (221, 24) [195, 1] καταλει´πειν relinquo 3, 24 (218, 8) [190, 25] κατανο´ ησι intellectus 46, 2 (220, 13) [193, 12] κατασφαλι´ζεσθαι roboro 3, 19 (218, 2-3) [190, 19] κεφα´ λαιον articulus 58, 1; 59, 2 (220, 37; 221, 1) [194, 5; 194, 7] / capitulum
8, 2; 11, 2 (218, 30; 218, 35) [191, 16; 191, 22] κινεi˜ν moveo 49, 2 (220, 21) [193, 20] κι´νησι motus 48, 1; 49, 1 (220, 17; 220, 20) [193, 16; 193, 19]
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John A. Demetracopoulos
κλη˜ ρο sors 55, 1 (220, 30) [193, 30] κοινο´ βιον conventus 2, 5 (217, 16) [189, 26] Kορι´νθιο Corinthius 10, 1 (218, 34) [191, 20] κοσμικο` saecularis 4, 8 (218, 16) [191, 2] κο´ σμο mundus 64, 1 (221, 10) [194, 17] κρι´σι judicium 56, 1 (220, 33) [194, 1] κτι´σμα creatura 26, 1 (219, 17) [192, 12] / res creata
3, 12 (217, 30) [190,
12] Kυ´ προ Cyprus 62, 1 (221, 7) [194, 14] Kυριακο` Dominicalis (vel Dominicus) 67, 1; 67, 2 (221, 14; 221, 15) [194, 21; 194, 22] / τv˜ ν Kυριακv˜ ν Dominicalis (vel Dominicus) 6, 2 (218, 25)
[191, 11] λα´ θρα clam 2, 6 (217, 16) [189, 27] λαμπρο´ τη excellentia 57, 2 (220, 35-36) [194, 4] / y«περοχη`
61, 2 (221, 6) [194, 12-13] / solemnium 53, 2 (220, 28) [193, 27] λε´ γειν dico 8, 2; 20, 2 (218, 31; 219, 11-12) [191, 17; 192, 6]; o« r«ηθει` idem 21, 1 (219, 12) [192, 6] / praedictus 12, 2 (218, 36) [193, 9] λειτουργι´α missa 7, 3 (218, 19) [191, 15] λεπτο` subtilis 3, 4 (217, 21) [190, 2-3] λεπτο´ τη subtilitas 4, 3 (218, 11) [190, 28] λογι´ζεσθαι cogito 62, 2 (221, 7) [194, 14] λογικη` logica 52, 2 (220, 26) [193, 25] λογικο` rationalis 52, 2 (220, 26) [193, 25] λο´ γο dictum 3, 18 (221, 8) [190, 18] / ratio 3, 4; 4, 2 (217, 21; 218, 10) [190, 3; 190, 27] / sermo 42, 2 (220, 7) [193, 6] / verbum 46, 1; 46, 2; 47, 1; 47, 2 (220, 13 bis; 220, 14; 220, 15) [193, 11; 193, 12; 193, 13; 193, 14] μαθητη` discipulus 2, 4 (217, 15) [189, 25] μαiÏστωρ magister 49, 1; 58, 2; 72, 1; 73, 2 (220, 20; 220, 37; 221, 27; 221, 28)
[193, 19; 194, 6; 195, 3; 195, 5] μακα´ ριο beatus 69, 3 (221, 21) [194, 28] / sanctus 13, 3 (219, 2) [191, 27] μα´ λα magnopere 8, 1 (218, 30) [191, 16] μαρτυρεi˜ν testor 2, 3 (217, 13) [189, 24] Mατθαi˜ο Matthaeus 20, 1 (219, 11) [192, 5] μα´ χεσθαι impugno 78, 1 (221, 35-222, 1) [195, 12] μεγαλειο´ τη celsitudo 62, 2 (221, 8) [194, 15] με´ ρο pars 3, 10; 3, 13; 3, 19; 3, 22 (217, 27; 217, 31; 218, 3; 218, 6) [190, 9;
190, 13; 190, 22; 190, 23] Mετα` τα` φυσικα` Metaphysica (tit.) 29, 1 (219, 20) [192, 14] Mετε´ωρα Meteora (tit.) 32, 1 (219, 22) [192, 16] με´ τριο brevis 69, 1 (221, 19) [194, 26] μηδει` nullus 14, 1 (219, 4) [191, 29] μικρο` parvus 50, 2 (220, 23) [193, 22]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
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μι´ξι mixtio 73, 1 (221, 28) [195, 4] μνη´ μη memoria 35, 1 (219, 23) [192, 18] Mπραμπατι´α Brabantia 57, 1 (220, 35) [194, 4] μυστη´ ριον mysterium 3, 21 (218, 5) [190, 22] / sacramentum
3, 21; 68, 1; 68, 3 (218, 4-5; 221, 16; 221, 18) [191, 21; 194, 23; 194, 25-26] μυστηριω´ δη sacramentalis 3, 11; 3, 20; 72, 1 (217, 28; 218, 4; 221, 26) [190, 11; 190, 21; 195, 3] νο´ μο lex 80, 1 (222, 5) [195, 16] νου˜ intellectus 4, 9; 47, 1; 47, 2; 54, 1 (218, 7; 220, 14-15; 220, 15; 220, 29)
[191, 34; 193, 13; 193, 14] νυκτερινο` nocturnus 7, 3 (218, 28) [191, 15] νυ˜ ν nunc 2, 5 (217, 16) [189, 26] οiÓκο domus 74, 2 (221, 31) [195, 8] oœλι´γο parvus 21, 1 (219, 12) [192, 7] oÕλο totus 3, 1; 3, 21 (217, 18; 218, 5) [189, 28; 190, 22]; o« oÕλο totus 7, 2
(218, 27) [191, 13] o«μοι´ω etiam 15, 1 (219, 5) [191, 30] oν ens 50, 1 (220, 22) [193, 21] oνομα nomen 46, 2; 76, 1 (220, 14; 221, 34) [193, 12; 195, 10-11] oÕπου ubi 4, 7 (218, 5) [191, 1] o«ρa˜ ν video 2, 5 (217, 5) [189, 26] oÀ qui 2, 4; 3, 1; 3, 5; 3, 6; 3, 11; 3, 14; 3, 20; 3, 23; 4, 10 primum; 5, 3; 6, 2;
8, 3; 41, 1; 42, 1; 43, 1; 44, 1; 45, 1; 46, 1; 47, 1; 48, 2; 49, 2; 50, 2; 51, 1; 52, 1; 53, 1; 54, 2; 55, 2; 56, 2; 57, 1; 58, 2; 59, 1; 59, 2; 60, 2; 61, 1; 62, 1; 63, 1; 64, 1; 65, 1; 66, 2; 67, 2; 68, 2; 69, 1; 69, 2; 69, 3; 70, 2; 71, 2; 72, 2; 73, 1; 74, 2; 75, 1; 77, 1; 78, 2; 79, 1; 79, 2; 81, 1 (217, 14; 217, 18; 217, 22; 217, 28; 217, 32; 218, 4; 218, 7; 218, 18; 218, 22; 218, 25; 218, 32; 220, 5; 220, 7; 220, 8; 220, 9; 220, 11; 220, 13; 220, 15; 220, 18; 220, 21; 220, 22; 220, 24; 220, 25; 220, 27; 220, 29; 220, 32; 220, 34; 220, 35; 220, 37; 220, 38; 221, 2 bis; 221, 4; 221, 5; 221, 7; 221, 9; 221, 10; 221, nota 1 atque 262, 24; 221, 12; 221, 14; 221, 17; 221, 19; 221, 20; 221, 21; 221, 23; 221, 25; 221, 27; 221, 29; 221, 31; 221, 32; 263, 13; 222, 2; 222, 3; 222, 4; 222, 6) [189, 25; 189, 29; 190, 3; 190, 4; 190, 10; 190, 13; 193, 20; 190, 24; 191, 4; 191, 9; 191, 12; 191, 18; 192, 24; 193, 5; 193, 7; 193, 8; 193, 10; 193, 12; 193, 13; 193, 14; 193, 15; 193, 18; 193, 20; 193, 22; 193, 25; 193, 27; 193, 29; 193, 31; 194, 2; 194, 4; 194, 6; 194, 7; 194, 8; 194, 9; 194, 10; 194, 12; 194, 14; 194, 16; 194, 17; 194, 19; 194, 21; 194, 24; 194, 26; 194, 27; 194, 30; 195, 1; 195, 3; 195, 5; 195, 9; 195, 13; 195, 14; 195, 15; 195, 17] oÕσπερ qui 4, 3; 4, 10 alterum; 21, 3 (218, 11; 218, 18; 219, 14) [190, 28; 191, 5; 192, 9] οyœρανο` caelum (tit. De caelo et mundo Περι` οyœρανου˜ ) 30, 1 (219, 20) [192, 15]
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John A. Demetracopoulos
Oyœρβανο`
Urbanus 2, 2; 5, 1; 7, 1; 61, 1 (217, 12; 218, 20; 218, 26; 221, 45) [189, 22; 191, 7; 191, 13; 194, 11] οyœσι´α essentia 50, 1 (220, 22) [193, 21] / quidditas 50, 1 (220, 21-22) [193, 21] / substantia 53, 1 (220, 27) [193, 26] οy√το hic 46, 2 (220, 13) [193, 22] / ipse 3, 4 (217, 21) [190, 3] / is 56, 1 (220, 33) [194, 2]; μετα` ταυ˜ τα postmodum 8, 4; 12, 3 (218, 32; 218, 38) [191, 18; 191, 24] / praedictus 3, 9 (217, 27) [190, 9] (cf. etiam v. διατου˜ το) οyÕτω sic 3, 6; 4, 4; 5, 3 (217, 24; 218, 12; 218, 22) [190, 5; 190, 30; 191, 9] Πακα´ νοι , o« eœν Lucanus (!) 2, 5 (217, 16) [189, 26] παντα´ πασι totaliter 4, 5 (218, 13) [190, 30] πα´ πα papa 2, 2; 5, 1; 7, 1; 61, 1 (217, 12; 218, 20; 218, 27; 221, 5) [189, 22;
191, 7; 191, 13; 194, 11] παραδιδο´ ναι trado 3, 8 (217, 26) [190, 7-8] παρα´ λογο absurdus 4, 6 (218, 14) [190, 31] πa˜ omnis 4, 9; 4, 10; 45, 2; 49, 2; 54, 2 (218, 18; 218, 19; 220, 12; 220, 21;
220, 29) [191, 4; 191, 5; 193, 10; 193, 20; 193, 29] πατη` ρ pater 58, 3 (220, 38) [194, 6]; Πατη` ρ Pater 67, 1; 79, 2 (221, 14; 222,
4) [194, 21; 195, 16] Παυ˜ λο Paulus 9, 1; 13, 3 (218, 33; 219, 3) [191, 20; 191, 27] Πεζουντi˜νο Bisuntinus 59, 2 (221, 1-2) [194, 8] πε´ ντε quinque 8, 2 (218, 30) [191, 16] περιε´ χειν contineo 65, 1; 66, 1; 66, 2; 67, 1; 69, 1; 71, 1 (221, n. 1 et 262,
23-24; 221, 11; 221, 13 bis; 221, 19; 221, 24) [-; 194, 18; 194, 20; 194, 2021; 194, 26; 194, 31] Πε´ τρο Petrus 13, 3; 20, 1; 69, 3 (219, 2; 219, 11; 221, 21) [191, 27; 192, 5; 194, 29] πιστευ´ ειν credo 2, 6 (217, 17) [189, 27] πι´στι fides 64, 2; 68, 1; 68, 3; 69, 1 (221, 11; 221, 16; 221, 18; 221, 20) [194, 18; 194, 23; 194, 25; 194, 27] πλα´ νη error 50, 2 (220, 23) [193, 2] / αiÕρεσι 54, 1; 61, 1 (220, 28; 221, 5) [193, 28; 194, 12] πλατυ´ νειν dilato 1, 4 (217, 10) [189, 21] πολιτικο` politicus 37, 1 (219, 24-25) [192, 19] πολλα´ κι saepius 4, 7 (218, 15) [191, 1] πολυ` multus 3, 1; 59, 1; 73, 2 (217, 18; 221, 1; 221, 29) [194, 7; 195, 6; 189, 29] πρa˜ γμα res 3, 11 (217, 29) [190, 11] πραγματει´α scriptum 3, 2 (217, 19) [189, 29] / tractatus 44, 1 (220, 9) [193, 8] πραγματευ´ εσθαι agitur 3, 20 (218, 14) [190, 21] / fio 3, 23 (218, 7) [190, 24] προειρημε´ νο praefatus 4, 6 (218, 14) [190, 31] προε´ ρχεσθαι emano 4, 10 (218, 19) [191, 5] προθε´ ειν praecurro 74, 2 (221, 31) [195, 7]
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
879
προ´ θεσι propositum 77, 2 (221, 35) [195, 11-12] προι¨ε´ ναι prodeo 4, 10 (218, 18) [191, 4] Προ´ κλο Proclus 38b, 1 (219, 25-26) [192, 20] προσευχη` oratio 13, 2; 67, 1; 67, 2 (219, 2; 221, 14; 221, 15) [191, 26-27;
194, 21; 194, 22] προση´ κειν convenio 3, 3 (217, 20) [190, 1-2] / convenit δεi˜ 4, 7 (218, 15)
[191, 2] προσφε´ ρειν offero 62, 2 (221, 7) [194, 14] προ´ τασι propositio 38b, 1; 63, 1; 63, 2 (219, 25; 221, 8; 221, 9) [192, 20; 194,
15; 194, 16] προ´ τερον (adv.) prius [190, 14]; προ´ τερον, προ´ τερο primus 3,
3, 8 (217, 25) [190, 7]; πρv˜ τον primo 3, 12 (217, 19) o« prior 3, 2 (217, 19) [190, 1] 14; 3, 15 (217, 32; 217, 33) [190, 11; 190, 12]; πρv˜ το
prior 74, 2 (221, 31) [195, 7] / primus 1, 2; 2, 2; 3, 11; 3, 12; 19, 1; 39, 1; 65, 2 (217, 8; 217, 13; 217, 29; 217, 30; 219, 10; 219, 26; 221, n. 1 et 262, 24) [189, 18; 189, 23; 190, 10; 190, 14; 192, 4; 192, 20; -] Πτολεμαi˜ο Ptolemaeus 2, 4 (217, 14) [189, 24] r«á¬διο facilis 3, 7 (217, 25) [190, 6] ¤Rαι¨να´ λδο Raynaldus 8, 3; 53, 2; 56, 2; 79, 2 (218, 31; 220, 27; 220, 33; 220,
4) [191, 18; 193, 27; 194, 2; 195, 15] r«η` ξ rex 62, 1 (221, 7) [194, 14] r«ητο` ν auctoritas 3, 5 (217, 22) [190, 4] / dictum 5, 2 (218, 22) [191, 8] ¤Rωμαi˜ο Romanus 9, 1 (218, 33) [191, 20] ¤Rω´ μη Roma 2, 2 (217, 12) [189, 22] Σαρακηνο` Sarracenus 69, 2 (221, 20) [194, 28] σα´ ρκωσι incarnatio 3, 21 (218, 5) [190, 22] σαφη´ νεια declaratio 69, 1 (221, 19) [194, 26] σαφη` clarus 1, 3 (217, 10) [189, 20] Σι´λβεστρο Silvester 41, 1 (220, 5) [193, 4] σοφι´α sapientia 4, 10 (218, 18) [191, 5] σο´ φισμα fallacia 52, 1 (220, 25) [193, 24] σοφιστη` artista (sic) 52, 1 (220, 25) [193, 25] στοιχεi˜ον elementum 73, 1 (221, 28) [195, 4] στρατιω´ τη miles 48, 2 (220, 18) [193, 17] συγγρα´ φειν reporto 8, 3; 12, 2 (218, 31; 218, 36) [191, 17; 191, 23] / scribo
2, 2; 21, 1 (217, 12; 219, 12) [189, 23; 192, 6] Συ´ μβολον Symbolum 65, 1 (221, n. 1 et 262, 24) [-] συνεi˜ναι concomitor 45, 2 (220, 12) [193, 11] συνεχη´ , -η˜ ποιεi˜ν continuo 5, 4 (218, 23) [191, 9] συνεχv˜ frequenter 4, 4 (218, 12) [190, 29] συ´ νοψι compendium 79, 1 (222, 3) [195, 15]
880
John A. Demetracopoulos
συ´ νταγμα opus 3, 6 (217, 23) [190, 4] / summa 3, 1; 3, 13; 3, 19; 3, 22 (217,
18; 217, 27; 218, 3; 218, 6) [189, 28; 190, 12; 190, 20; 190, 23] συντα´ ττειν scribo 4, 4 [190, 29] συντιθε´ ναι scribo 4, 1 (218, 7) [190, 25] συνυφαι´νειν contego 5, 2 (218, 21) [191, 7-8] σχολα´ ζειν intendo 4, 5 (218, 13) [190, 30-31] σv˜ μα corpus 7, 2; 48, 3 (218, 28; 220, 19) [191, 14; 193, 18-19] τα´ ξι
ordo 3, 3; 58, 2; 72, 2 (217, 20; 220, 37; 221, 27) [190, 2; 194, 6; 195, 3] / religio (sc. ordo religiosus) 78, 1 (222, 1) [195, 12] τε … και` tam … quam 7, 2-3 (218, 28) [191, 4-5] τελειο´ τη perfectio 71, 3; 77, 1 (221, 25; 221, 34-35) [195, 2; 195, 11] τελευταi˜ο ultimus 3, 22; 3, 23 (218, 6; 218, 7) [190, 23; 190, 24] τε´ λο finis 3, 22; 3, 23 (218, 6; 218, 7) [190, 3; 190, 4] τεσσαρα´ κοντα quadraginta 58, 1 (220, 36-37) [194, 5] τε´ σσαροι quattuor 1, 1; 4, 2; 5, 1; 43, 1 (217, 7; 218, 9; 218, 21; 220, 8) [189, 17; 190, 26; 191, 27; 193, 6] τε´ ταρτο quartus 3, 19 (218, 3) [190, 20] τι` quidam 41, 2; 48, 2; 48, 3; 52, 1; 69, 1; 71, 2 (220, 6; 220, 18; 220, 19; 220, 25; 221, 19; 221, 25) [193, 4; 193, 17; 193, 18; 193, 24; 194, 26-27; 195, 2] τι´ quis (interr.) 62, 2 (221, 7) [194, 14] τμη˜ μα liber 4, 2 (218, 9) [190, 7] Tολλε´ τα, o« τη˜ Torsellanus 2, 4 (17, 14) [189, 25] τρεi˜ tres 3, 10; 58, 1; 66, 2 (217, 27; 220, 37; 221, 13) [190, 9; 194, 5; 194, 20]; τρι´α eÕβδομα του˜ Ψαλτηρι´ου tres nocturni Psalterii 18, 2 (219, 8) [192, 2] τρια´ κοντα triginta 60, 1 (221, 3) [194, 10] Tρια` Trinitas 47, 2; 75, 1 (220, 16; 221, 32) [193, 15; 195, 8] τρι´το tertius 1, 2; 3, 19; 33, 1 (217, 9; 218, 3; 219, 22) [189, 19; 190, 19; 192, 17] τρο´ πο modus 3, 8 (217, 25) [190, 7]; μετα` -ου modalis 63, 1; 63, 2 (221, 8-9; 221, 9) [194, 15-16; 195, 16] ´ τυπο forma 72, 1 (221, 26) [195, 2] Yi«ο` Filius 3, 21 (218, 5) [190, 22] yÕλη materia 3, 3; 3, 17 (217, 20; 217, 34) [190, 1; 190, 16] / y«πο´ θεσι 21, 2
(219, 13) [192, 7] y«παγορευ´ ειν lego 8, 3; 12, 2 (218, 31; 218, 37) [191, 7; 191, 24] y«πο´ λοιπο residuus 8, 2 (218, 30) [191, 17] y«ποστρε´ φειν redeo 2, 1 (217, 11) [189, 22] y«ποτι´θεσθαι suppono 64, 2 (221, 10-11) [194, 18]; y«ποκει´μενον
4, 9 (218, 17) [191, 4]
subjectum
Demetrius Cydones’ Translation of Bernardus Guidonis’ List
881
yÕστερο posterior 39, 1 (219, 26) [192, 21] y«φαιρεi˜ν subfero 2, 6 (217, 16-17) [189, 27] φθορα` corruptio 31, 1 (219, 21) [192, 16] Φι´λιππο Philippus 49, 1; 73, 2 (220, 20; 221, 29) [193, 19; 195, 5] φι´λο carus 59, 3 (221, 2) [194, 8-9] φιλοσοφι´α philosophia 27, 2 (219, 19) [192, 13] φιλο´ σοφο philosophus 3, 18; 4, 8 (218, 1-2; 218, 16-17) [190, 18; 191, 3] φυσικο` physicus 28, 1 (219, 19) [192, 14] φρα` frater 8, 3 (218, 31) [191, 18] φρα´ σι stilum 1, 3; 4, 2 (217, 9; 218, 10) [189, 19; 190, 27] φρε` frater 20, 1; 41, 1; 53, 1; 56, 1; 79, 1 (219, 11; 220, 5; 220, 27; 220, 23;
222, 4) [192, 5; 193, 3; 193, 26; 194, 22; 195, 15] φροντι´ζειν attempto 14, 2 (219, 5) [191, 30] φυσικο` naturalis 3, 10; 48, 3 (217, 28; 220, 19) [190, 9-10; 193, 18] φυ´ σι natura 3, 11; 41, 1; 42, 1; 45, 1; 46, 1; 47, 1; 47, 2; 48, 2 (217, 29; 220,
5; 220, 6; 220, 11; 220, 13; 220, 14; 220, 15; 220, 18) [190, 11; 193, 3; 193, 5; 193, 9-10; 193, 12; 193, 13; 193, 4; 193, 17]; -ει naturaliter 54, 2 (220, 30) [193, 29] χα´ ρι gratia 3, 9 (217, 26) [190, 8] χρη˜ σθαι utor 4, 7; 55, 1; 56, 1 (218, 16; 220, 31; 220, 33) [191, 2; 193, 30;
194, 2] χρη˜ σι auctoritas 3, 19 (218, 2) [190, 19] χριστιανο` Christianus 65, 2; 77, 1; 77, 2 (221, n. 1 et 262, 25; 221, 35; 265,
13) [-; 195, 11; -] Christus 3, 21; 7, 2; 58, 2; 59, 3 (218, 5; 218, 28; 220, 38; 221, 2) [190, 22; 191, 14; 194, 6; 194, 9] χρονικο` ν chronicon 2, 3 (217, 13) [189, 24] χρο´ νο, -οι tempus 2, 1 (217, 12) [189, 22] χωριστο` separatus 53, 1 (220, 27) [193, 26] Xριστο`
Ψαλτη´ ριον Psalterium 18, 2 (219, 8) [192, 2] ψα´ λτη cantor 69, 3 (221, 20-21) [194, 28] ψυχη` anima 19, 2; 23, 1; 33, 1 (219, 10; 219, 16; 219, 22) [192, 4; 192, 10;
192, 17] v«ραiÏζειν orno 3, 18 (218, 1) [190, 18] v« ut (adv.) 4, 11 (218, 19) [191, 6] vÕσπερ sicut 2, 3; 54, 2 (217, 13; 220, 22) [189, 23; 193, 29] vœφελι´μω utiliter 3, 6 (217, 24) [190, 5]
Rhodos
Die richtungweisende Eroberung der Insel Rhodos durch den Johanniterorden um das Jahr 1308 Bodo Hechelhammer (Berlin) I. Als mit Akkon der letzte wichtige christliche Stützpunkt im Heiligen Land im Mai 1291 verloren ging, fielen als Folge die Reste fränkischer Herrschaft in Tyrus, Sidon, Beirut, Haifa, Tortosa und Athlit kartenhausartig in sich zusammen. Einzig die Templer hielten mit der wasserlosen Insel Ruad vor Tortosa noch einen letzten Stützpunkt, den sie jedoch 1303 räumen mußten. Der Johanniterorden zog sich auf Zypern zurück, wo er über eigene Besitzungen verfügte, und versuchte dort einen Neubeginn 1. Das Königreich lag in unmittelbarer Nähe zum Heiligen Land, war als Kreuzfahrerstaat das letzte christliche Bollwerk in der Levante und Rückzugsgebiet der Flüchtlinge von Akkon. Zudem war der zypriotische König, Heinrich II. von Lusignan (1285-1324), mit dem Heiligen Land eng verbunden, führte er doch in Personalunion den Titel des Königs von Jerusalem (1291-1324). Der Rückzug der Johanniter aus dem Heiligen Land bedeutete für den Orden neben der schmerzlichen militärischen Niederlage und dem Verlust der umfangreichen Besitzungen in Palästina und Syrien vor allem den weitgehenden Wegfall ihrer Legitimationsgrundlage. Zwar entstand der Johanniterorden aus einer Hospitalbruderschaft, deren karitative Tätigkeiten, die Betreuung von Pilgern, die Krankenpflege und Armensorge, weiterhin ausgeübt werden konnten, jedoch waren dem Ordo militiae Sancti Johannis Baptistae hospitalis Hierosolymitani seine legitimationsstiftenden geographischen Wurzeln gekappt worden 2. Zudem hatte er im Rahmen der Kreuzzugsbewegung seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhun1
2
Cf. G. Hill, A History of Cyprus, 4 vols., Cambridge 1948-1952, hier vol. 2, 192 sqq.; A. Luttrell, The Hospitallers in Cyprus, Rhodes, Greece and the West, 1291-1440 (Collected Studies Series), London 1978. Cf. J. Riley-Smith, The Knights of St. John in Jerusalem and Cyprus, c. 1050-1310, London 1967, 32-59; A. Luttrell, The Hospitallers’ Medical Tradition: 1291-1530, in: M. Barber (ed.), The Military Orders. Fighting for the Faith and Caring for the Sick, Aldershot 1994, 64-81; J. Sarnowsky, Identität und Selbstgefühl der geistlichen Ritterorden, in: S. Kwiatkowski/J. Mallek (eds.), Ständische und religiöse Identitäten in Mittelalter und früher Neuzeit, Torun´ 1998, 105126; J. Sarnowsky, Der Johanniterorden und die Kreuzzüge, in: F. J. Felten/N. Jaspert (eds.), Vita Religiosa im Mittelalter. Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag (Berliner Historische Studien 31), Berlin 1999, 345-367, hier 346-351.
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Bodo Hechelhammer
derts immer stärker an militärischer Bedeutung gewonnen und spielte neben den Templern eine zentrale Rolle bei der Verteidigung der Kreuzfahrerstaaten, weshalb seine Funktion als Verteidiger des Heiligen Landes bis zum Verlust von Akkon in den Vordergrund des Selbstverständnisses des Ordens gerückt war 3. Durch das Versagen bei der Verteidigung der heiligen Stätten der Christen gegen die Muslime wurden die Johanniter vor allem in ihrer Legitimation und Glaubwürdigkeit als Ritterorden fundamental erschüttert. Der endgültige Verlust des Königreichs Jerusalem hatte sich aufgrund der immer weiter voranschreitenden Verluste christlicher Stützpunkte im Heiligen Land abgezeichnet. Dennoch konsternierte der Fall Akkons die gesamte Christenheit und versetzte sie in eine emotionale Erschütterung, wenn diese auch nicht mit dem Schockzustand infolge der Eroberung Jerusalems von 1187 vergleichbar war 4. Auf der Suche nach Schuldigen wurden schnell die Ritterorden ausgemacht und verantwortlich gemacht. Ihre bestehende Rivalität bot einen geeigneten Nährboden, um eine Begründung zu finden, warum das Heilige Land letztendlich für die Christen verloren gegangen war 5. So verwundert es kaum, daß lang gehegte Vorbehalte, Einwände und Proteste gegenüber den Ritterorden mit zunehmender Schärfe formuliert und in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert wurden. Der Gedanke der Vereinigung der Ritterorden zur Steigerung ihrer Effizienz, bereits durch Papst Gregor X. (1271-1276) zur Zeit des Zweiten Lyoner Konzils von 1274 erwogen, fand zwar immer stärkeren Widerhall, blieb jedoch ohne Konsequenzen 6. So forderte etwa Papst Nikolaus IV. (1288-1292) im August 1291 dazu auf, sich über die Zusammenlegung von Johannitern und Templern in der Christenheit zu beraten 7. Der Fall von Akkon bewirkte, daß 3
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6
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Cf. Riley-Smith, Knights (nt. 2), 52-64; J. Prawer, Military Orders and Crusader Politics in the Second Half of the XIIIth Century, in: J. Fleckenstein/M. Hellmann (eds.), Die geistlichen Ritterorden Europas (Vorträge und Forschung 26), Sigmaringen 1980, 217-229; A. Forey, The Military Orders in the Crusading Proposals of the Late-Thirteenth and Early-Fourteenth Centuries, in: Traditio 36 (1980), 317-345; id., The Militarisation of the Hospital of St. John, in: Journal of Medieval History 10 (1984), 75-89; id., The Military Orders. From the Twelfth to the Early-Fourteenth Centuries, London 1992; H. Nicholson, Templars, Hospitalers and Teutonic Knights. Images of the Military Orders 1128-1291, Leicester-London-New York 1993. Cf. A. Luttrell, The Crusades in the Fourteenth Century, in: J. R. Hale/J. R. L. Highfield/B. Smalley (eds.), Europe in the Late Middle Ages, London 1965, 122-154, hier 124; E. Stickel, Der Fall von Akkon. Untersuchungen zum Abklingen des Kreuzzugsgedankens am Ende des 13. Jahrhunderts (Geist und Werk der Zeiten 45), Frankfurt a. M. 1975, 89-95; S. Schein, Fidelis Crucis: The Papacy, the West and the Recovery of the Holy Land 1274-1314, Oxford 1991, 181 sq.; N. Housley, The Later Crusades 1274-1580. From Lyons to Alcazar, Oxford 1992, 22. Cf. Annales Eberhardi Archidiaconi Ratisponensis, ed. J. Jaffe´ (Monumenta Germaniae Historica SS XVII), Hannover 1856, 594: „[…] et quia multorum erat opinio, quod si fratres domorum ibidem, scilicet Hospitalis, Templi et Teutonicorum et reliquum populum omnio concordasset, civitas capta non fuisse“; cf. Stickel, Der Fall von Akkon (nt. 4), 106 sq. Cf. M.-L. Bulst-Thiele, Sacrae domus militiae Templi Hierosolymitani magistri. Untersuchungen zur Geschichte des Templerordens 1118/19-1314 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 86), Göttingen 1974, 261-263; H. Nicholson, The Knights Hospitaller, Oxford 2001, 43; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 354. Cf. Riley-Smith, Knights (nt. 2), 203.
Die Eroberung der Insel Rhodos durch den Johanniterorden um das Jahr 1308
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diese Überlegungen immer mehr Widerhall fanden. Daher spielten in zahlreichen Kreuzzugsplänen jener Zeit die Zusammenlegung der Ritterorden eine Rolle, etwa in der Schrift ,Liber de fine‘ von Ramo´n Lull (1232-1316) aus dem Jahre 1305, in dem zwischen 1306 und 1308 entstandenen Traktat ,De recuperatione Terrae Sanctae‘ von Pierre Dubois (1235-1321) oder in der 1306/7 erschaffenen Kreuzzugsschrift ,Liber secretorum fidelium crucis‘ des Venezianers Marino Sanudo Torsello (1270-1334) 8. II. Der Verlust des Heiligen Landes zwang den Johanniterorden, seine Gemeinschaft zu reorganisieren und sich neuen legitimationsstiftenden Aufgaben zuzuwenden. Die Generalkapitel, die in den Jahren 1292/93 unter dem Großmeister Johann von Villers (1284-1294) auf Zypern stattfanden, zeugen von den Bemühungen, die Ordensstruktur neu zu bestimmen. Dabei wurde unter anderem beschlossen, auf Zypern vorläufig den Hauptsitz des Ordens einzurichten 9. Schließlich wurde auf dem am 28. Oktober 1302 abgehaltenen Generalkapitel zu Limassol festgelegt, daß „[…] sich diesseits des Meeres 80 Ordensritter aufzuhalten haben […]“ 10. Es bestand für den Ordenskonvent kein Zweifel daran, daß der Hauptsitz des Ordens nur in der Levante zu wählen sei und dieser dort schlagkräftig repräsentiert sein mußte, um von hier aus die Wiedereroberung des Heiligen Landes in Angriff nehmen zu können. Konsequenterweise ging mit dieser Überlegung die Notwendigkeit einer richtungweisenden strategischen Neuausrichtung des Ordens einher, nämlich des gezielten Ausbaus des Schiffsbestandes sowie der Marineorganisation 11. Die ordenseigene Flotte sollte in den nächsten Jahrhunderten zur wichtigsten Grundlage der souveränen Johanniterstaaten auf Rhodos (1309-1522) und auf Malta (1523-1798) werden. Es ist bekannt, daß der Orden spätestens seit 1165 eigene Schiffe besaß, denn in diesem Jahr beförderten sie Papst Alexander III. (1159-1181) von Montpel8
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Cf. P. Dubois, De recuperatione Terrae Sanctae, ed. A. Diotti, Florenz 1977; A. Magnocavallo, Marin Sanudo il vecchio e il suo progetto di crociata, Bergamo 1901; F. Heidelberger, Kreuzzugsversuche um die Wende des 13. Jahrhunderts, Berlin 1911; Ramon Lull, De fine, ed. A. Madre, Raimundi Lulli Opera Latina, vol. 9, Turnhout 1981, 233-291; E. A. Peers, Ramon Lull: A Biography, London 1929; L. Thier, Kreuzzugsbemühungen unter Papst Clemens V. (13051314) (Franziskanische Forschungen 24), Werl 1973, 18-32, 57-63; J. Hillgarth, Ramon Lull and Lullism in Forteenth-Century France, Oxford 1974, 64-107; C. J. Tyerman, Marino Sanudo Torsello and the Lost Crusade: Lobbying in the Fourteenth Century, in: Transactions of the Royal Historical Society 5/32 (1982), 57-73; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 354. Cf. A. Wienand, Der Orden auf Rhodos, in: id. (ed.), Der Johanniter-Orden. Der MalteserOrden. Der ritterliche Orden des hl. Johannes vom Spital zu Jerusalem. Seine Aufgabe, seine Geschichte, Köln 1970, 145-193, hier 146. Für die Übersetzung cf. ibid. Cf. U. Mori-Ubaldini, La marina del sovrano militare ordine di San Giovanni di Gerusalemme, di Rodi e di Malta, Rom 1971; R. L. Daubner, Die Marine des Johanniter-Malteser-Ritter-Ordens. 500 Jahre Seekrieg zur Verteidigung Europas, Graz 1989, 29, 75.
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Bodo Hechelhammer
lier nach Messina 12. Ebenso spielten Ordensschiffe zur Zeit der Kreuzzugsplanungen König Ludwigs IX. von Frankreich (1226-1270) im Jahre 1246 eine Rolle 13. Nicht zuletzt waren es beim Fall von Akkon 1291 auch Johanniter, die mit ihren Schiffen Flüchtlinge nach Zypern transportiert und die Nachhut gedeckt hatten. Um ihre originären Aufgaben weiterhin wahrnehmen zu können, gab Papst Nikolaus IV. (1288-1292) im Januar 1292 den Johannitern und Templern explizit den Auftrag, das Königreich Klein-Armenien beim Kampf gegen die Muslime mit ihren Schiffen zu unterstützen 14. Welchen rasanten Bedeutungszuwachs der maritime Zweig des Ordens bereits an der Wende zum 14. Jahrhundert erlebt haben muß, ist an der Einführung des Admiralsamtes abzulesen. Erstmals ist 1299 ein admiratus urkundlich dokumentiert, dessen Funktionen als Oberbefehlshaber über die bewaffneten Schiffe des Ordens im Kapitelbeschluß vom 5. November 1300 in Limassol detailliert beschrieben wurden. Bis zum Jahre 1312, also wenige Jahre nach der vollständigen Eroberung von Rhodos, kam zudem noch mit dem „General der Galeeren“ ein weiteres Marineamt hinzu 15. Der Ordensadmiral stieg sogleich zu den wichtigsten Ämtern im Konvent, zu den Konventualbaillis auf, und sein erster Amtsinhaber, Fulko von Villaret (gest. 1319), wurde bereits 1305 zum Großmeister des Ordens gewählt 16. Die Neustrukturierung des Ordens ermöglichte es den Johannitern Anfang des 14. Jahrhunderts, einzelne militärische Operationen gegen die Muslime mit Hilfe der eigenen Marine durchzuführen. So unterstütze Admiral Fulko von Villaret zwischen 1300 und 1305 das Königreich von Klein-Armenien durch zwei maritime Expeditionen 17. Die Aktivitäten der Johanniter auf Zypern erregten jedoch zunehmend den Unwillen des zypriotischen Königs, der in der Anwesenheit des Ordens eine 12
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Die Ordensgaleeren mußten sich mit Gewalt ihren Weg durch die Reihen der Pisaner erzwingen, welche sich im Sold Kaiser Friedrichs I. befanden; cf. Daubner, Marine (nt. 11), 27, 112. Cf. op. cit., 28; D. Reitz, Die Kreuzzüge Ludwigs IX. von Frankreich 1248/1270 (Neue Aspekte der europäischen Mittelalterforschung 3), Münster [e. a.] 2005, 57-179. Cf. Nicholson, Hospitaller (nt. 6), 44. Cf. Daubner, Marine (nt. 11), 83. Zu den älteren Konventualbaillis gehörten neben Großpräzeptor, Marschall, Hospitalar, Drapier und Thesaurar, auch der Prior der Konventskirche. Anfang des 14. Jahrhunderts kam neben dem Admiral auch der Turkopolier dazu. Cf. A. Luttrell, Notes on Foulques de Villaret, Master of the Hospital. 1305-1319, in: Guillaume de Villaret Ier Recteur du Comtat-Venaissin 1274, Grand Maıˆtre de l’Ordre des Hospitaliers de Saint Jean de Je´rusalem, Chypre 1296, Paris 1985, 73-90. Das Königreich von Klein-Armenien erstreckte sich von der syrischen Pforte, nördlich von Antiochien, bis über Adana und Tarsus und umfaßte ungefähr das alte Kilikien. Cf. J. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral de l’ordre des Hospitaliers de St Jean de Je´rusalem, 4 vols., Paris 1894-1906, hier vol. 3, no. 4515; vol. 4, no. 4549; H. Finke (ed.), Acta Aragonensia: Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II (1291-1327), 3 vols., Münster-Berlin 19081922, hier vol. 3, 146; A. Luttrell, The Hospitallers’ Interventions in Cilician Armenia, in: T. S. R. Boase (ed.), Cilician Kingdom of Armenia, Edinburgh 1978, 118-144; S. Menache, Clement V, Cambridge 1998, 102.
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Gefahr für seine eigene Herrschaft sah und nicht bereit war, eine von ihm unabhängige Macht auf der Insel zu dulden. Konsequenterweise versuchte er, die weitere Entwicklung des Ordens in seinem Königreich einzuschränken, verweigerte beispielsweise sein Recht zum Schiffsbau und zur Beschäftigung von Ausländern, wogegen der Orden beim Papst aber erfolgreich intervenieren konnte 18. Zusätzlich wurde die Position der Johanniter durch die ausbrechenden politischen Wirrungen auf Zypern erschwert, als am 26. April 1306 der Bruder des Königs, Amalrich von Lusignan (gest. 1310), die Macht ergriff, unter anderem mit Unterstützung der Templer 19. Zu diesem Zeitpunkt, am 6. Juni 1306, forderte Papst Clemens V. (1305-1314) die beiden Großmeister der Templer und Johanniter auf, zu Allerheiligen an der Kurie zu erscheinen, um zum Thema der Vereinigung der Ritterorden Stellung zu nehmen und ihre Vorstellungen für die Realisierung eines neuen Kreuzzuges zu präsentieren 20. Aufgrund einer Krebserkrankung des Papstes konnte das Treffen nicht stattfinden, weshalb die beiden Großmeister ihre Kreuzzugspläne schriftlich niederlegten und bis Ende 1306/Anfang 1307 an die Kurie sandten.
III. Der Templergroßmeister Jacques de Molay (1294-1314) sprach sich bei seinem Kreuzzugsplan für einen allgemeinen und großen Kreuzzug mit Ziel Palästina aus, ohne dabei konkret und detailliert auf Organisations- oder Finanzierungsfragen einzugehen. Die Führung des Unternehmens übertrug er dabei implizit dem französischen König, beschrieb die Rolle der Ritterorden weitgehend unscharf und beließ ihre Bedeutung für die Realisierung des Unternehmens eher im Hintergrund 21. Dagegen vertrat der Johannitergroßmeister Fulko von 18
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Cf. Regestum Clementis Papae V., editum cura et studio monarchorum ordinis Sancti Benedicti, 8 vols., Rom 1884-1892, no. 1247: „[…] ad resistendum contra insultus inimicorum fidei christiane vel impugnandum eodem, cum expedit et necessitas imminet vel cum pro aliis causis vobis oportunum existit […]“, no. 1248; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 82. Cf. P. Edbury, The Kingdom of Cyprus and the Crusades. 1191-1374, Cambridge 1991, 109121. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 1033; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 50-57; H. Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens, 2 vols., München 1907, hier vol. 2, 33-36; Menache, Clement V (nt. 17), 105. Das Kreuzzugsgutachten von Jacques de Molay ist publiziert unter dem Titel: Consilium Magistri Templi datum Clementi V. super Negotio Terre Sancte, et super unione Templariorum et Hospitaliorum. Vitae paparum Avenionensium, hoc est historia Pontificum Romanorum qui in Gallia sederunt ab anno Christi MCCCV usque ad annum MCCCXCIV, edd. S. Baluze/G. Mollat, vol. 3, Paris 1921, 145-149, hier 147: „De magno passagio generali faciendo omnio concordo pro destructione inimicorum fidei christiane et pro resauratione Terre Sancte Christi sanguine resperse.“ Cf. ibid., 148: „Sed si placet vobis et domino regi Francie, dicam secreto tot bonas et utiles causas quod credo vere quod acquiescetis consilio meo […]“; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 51-53; Housley, Crusades (nt. 4), 25.
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Villaret (1305-1314) ein anderes, weitaus pragmatischeres Kreuzzugskonzept 22. Er lehnte ein passagium generale ab und favorisierte statt dessen ein passagium particulare als Teil eines mehrstufigen Unternehmens, wie es seit dem Zweiten Lyoner Konzil immer weiter entwickelt worden war, mit einer deutlich größeren Verantwortlichkeit sämtlicher Ritterorden an dem Unternehmen 23. Neben konkreten Vorschlägen zur Finanzierung und Rekrutierung war ein wesentlicher Bestandteil seiner Planungen, daß zur Vorbereitung des eigentlichen großen Kreuzzuges zuerst eine Handelsblockade gegen Alexandria und Ägypten durchgesetzt und mit einer Flotte von 50-60 Schiffen die Küsten des mamlukischen Herrschaftsbereiches durch permanente kleinere Seeoperationen aus dem Westen unsicher gemacht werden sollten 24. Äußerst geschickt griff der Ordensmeister auf elementare Bestandteile der maßgeblichen Kreuzzugstheoretiker jener Zeit zurück, deren bereits oben erwähnte Schriften sowohl Papst Clemens V. als auch dem französischen König, Philipp IV. dem Schönen (1285-1314), bekannt waren, den entscheidenden Protagonisten in der Kreuzzugssache. So favorisierten auch Ramo´n Lull oder Pierre Dubois Teilkreuzzüge, und auch bei ihnen sollte eine Flotte zur Vorbereitung des eigentlichen Kreuzzuges eine Handelssperre gegen Ägypten durchsetzen und durch permanente Angriffe auf die mamlukischen Küsten deren Militärmacht mittelfristig schwächen 25. Insgesamt wies Fulko von Villaret den Johannitern wie auch den anderen Ritterorden eine zentrale Rolle in der Kreuzzugsorganisation zu und betonte dabei besonders die Notwendigkeit von Flottenrüstung und maritimen Operationen. Wohlüberlegt zeigte der ehemalige Admiral speziell seinem Orden insgesamt ein neues Tätigkeitsfeld auf, welches die Johanniter bereits erfolgreich für sich reklamieren konnten: Sie sollten von Westen aus verstärkt gegen den mamlukischen Herrschaftsbereich im Rahmen eines passagium particulare maritim operieren. Denn unmittelbar vor der päpstlichen Aufforderung an Templer und Johanniter zur Darlegung ihrer Kreuzzugspläne war es zwischen dem Genuesen Vignolo de Vignoli und Fulko von Villaret im Juni 1306 in Famagusta auf Zypern zu einem geheimen Abkommen gekommen, bei dem Pläne zur Eroberung der Inselgruppe des Dodekanes ausgearbeitet worden waren. Die unter dem Namen Dodekanes bekannte Inselgruppe der südlichen Sporaden, mit den bekanntesten Inseln Rhodos, Kos und Patmos erstreckt sich ent22
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Das Kreuzzugsgutachten von Fulko von Villaret ist publiziert unter dem Titel: Hec est informatio et instructio nostri magistri Hospitalis super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte, que erit breviter, divina gratia faciente, in: Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), 105-110; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 53-57; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 364-367. Cf. Housley, Crusades (nt. 4), 13 sqq.; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 365. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), 107: „[…] debeant ordinari et mitti ultra viginti quinque galee, armate bonis gentibus, que cum armamento, per illustrem regem Cipri, per Templum et nos faciendo, resistere poterunt quod vasa perversorum Christianorum bono modo Alexandriam aut terram Egipti ingredi non valebunt.“ Cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 18-32, 44.
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lang der Südwestküste Kleinasiens und umfaßt etwa zwölf größere und 40 kleinere Inseln. Ihre geostrategisch günstige Lage an der Südostpforte der Ägäis ermöglichte einer Flotte die Kontrolle der Hauptschiffahrtswege in der Levante und entlang der kleinasiatischen Küste. Die Verhandlungen mündeten am 27. Mai 1306 in einen Geheimvertrag, in dem Vignolo de Vignoli seine behaupteten Rechte über Kos, Leros und Rhodos dem Johanniterorden übertrug, aber Rechte über Lardos sowie über ein weiteres frei wählbares Landgut auf Rhodos behielt. Ferner wurde festgelegt, daß der Orden zwei Drittel aller Einkünfte, Erträge und Abgaben aller zu erwerbenden Inseln erhalten sollte, während das übrige Drittel für den genuesischen Vertragspartner bestimmt war 26. Das brisante an den Vereinbarungen war, daß der Johanniterorden seine Hände nach christlichem Besitz ausstreckte, denn Rhodos gehörte nominell zum Byzantinischen Reich. Allerdings dürften die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse dort sowie auf weiteren Dodekanes-Inseln um 1306 nicht eindeutig geklärt gewesen sein. Wohl gegen Ende des 13. Jahrhunderts hatten die aus Genua stammenden Brüder Andrea und Ludovico Moresco sowie ihr Onkel Vignolo de Vignoli die Inseln Kos, Leros und Rhodos als byzantinisches Lehen erhalten und betrachteten die Inseln als frei verfügbares Eigentum, auch wenn die zentralen Burgen der Inseln weiterhin von kaiserlichen Truppen gehalten wurden. Zudem dürften Teile von Rhodos und der gesamten Inselgruppe von Mameluken kontrolliert gewesen sein 27. Ebenso bemühte sich Venedig die Konkurrenz aus Genua vor Ort auszuboten und an Einfluß auf Kos und Nisyros zu gewinnen. Die offenbar unklaren Machtverhältnisse dürften für die Genuesen das wesentliche Motiv für eine Kooperation mit dem Orden gewesen sein, um mit seiner Hilfe die eigenen Machtansprüche auf die Dodekanes-Inseln durchsetzen zu können. In diesen Kontext fügen sich zahlreiche Überlieferungen ein, denen zufolge der Vorschlag zur Eroberung von Rhodos von genuesischer Seite ausging. Interessanterweise berichtet dagegen der ,Templer von Tyrus‘, der dritte Abschnitt der Anfang des 14. Jahrhunderts weitergeführten ,Gestes des Chiprois‘, daß die Initiative vom Johannitergroßmeister selbst ausgegangen sei 28. In dem Bericht beschreibt der Chronist zunächst die besondere geostrategische Lage von Rhodos, inmitten wichtiger Seerouten auf dem Weg nach Ägypten, 26
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Zudem behielt sich Vignolo die Rechte eines Statthalters auf den Inseln mit Ausnahme von Rhodos vor. Cf. Wienand, Rhodos (nt. 9), 149; A. Luttrell, The Hospitallers at Rhodes 13061421, in: K. M. Setton (ed.), History of the Crusades, vol. 3, Madison 1975, 278-313, hier 283 sq.; M. Losse, Der Johanniterstaat in der Ägäis (1309-1522). Aspekte der Burgen- und Festungspolitik des Johanniter-Ordens im Bereich des heutigen Griechenland und der Türkei (Schriftenreihe der Hessischen Genossenschaft des Johanniter-Ordens 19), Speyer 1993, 8. Cf. Luttrell, Rhodes (nt. 26), 283. Cf. Ludolf von Sudheim, De itinere Terre Sancte, ed. G. A Neumann, in: Archives de l’orient latin 2 (1884), 305-377, hier 333. Bei dem „Templer von Tyrus“ handelte es sich um einen zypriotischen Ritter, der dem Templer Wilhelm von Beaujeu als Arabischübersetzer diente. Cf. P. Crawford, The Templar of Tyre: Part III of Deeds of the Cypriots, Oxford 2003, 170; Luttrell, Rhodes (nt. 26), 284.
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nahe dem türkischen Festland und Zyperns, worüber der Handel mit Holz, Eisen und Sklaven mit den Muslimen erfolgte. Um diesen Handel zu unterbinden und um die Position der Muslime zu schwächen, habe sich der Großmeister gleich zu Beginn seiner Amtszeit entschieden, Rhodos in Besitz zu nehmen. Aus diesem Grunde hätte er den Genuesen Bonifacio Grimaldi nach Zypern gerufen, um mit ihm über die Aufstellung einer gemeinsamen Flotte zur Eroberung von Rhodos zu beraten, die von Vignolo de Vignoli angeführt werden sollte 29.
IV. Entgegen einer monokausalen Erklärung der Rhodosexpedition als Ergebnis jener genuesischen Offerte läßt sich die Planung auch als elementarer Bestandteil der Kreuzzugsvorbereitungen Fulkos von Villaret begreifen, also als eine vom Johanniterorden geplante strategische Eroberung, um die propagierten Ziele der Handelsblockade sowie der Destabilisierung des mamlukischen Herrschaftsbereichs durch Einsatz der ordenseigenen Flotte realisieren zu können. Befreit man sich von einem Denken post festum, welches von der späteren Existenz des souveränen Johanniterstaates in der Ägäis ausgeht, so zeigt sich, daß der Beginn der Expedition gegen Rhodos im Jahre 1306 vielmehr den Charakter einer singulären Militäroperation hatte, die auf das propagierte passagium particulare abzielte und nicht auf eine Eroberung in der Absicht einer Staatsbildung. Für diese Hypothese spricht, daß der Johanniterorden bereits einen Monat nach Vertragsabschluß offenbar eiligst mit der Überfahrt begann, ohne sämtliche Ressourcen einzusetzen. So ist es beispielsweise fraglich, ob der Orden überhaupt seine gesamten vor Ort verfügbaren Schiffe und Ritter zum Einsatz gebracht hat. Die Johanniter setzten bei der am 23. Juni 1306 begonnenen Eroberung von Rhodos, die sich letztlich aber noch über Jahre hinziehen sollte, zwei Galeeren, eine Fusta, ein rundes Schiff (ein größeres Transportschiff) sowie zwei Barchen (zwei kleinere Frachtschiffe) ein, die personell zudem eher notdürftig besetzt waren 30. In einem Schreiben an den französischen König vom 27. Januar 1308 erwähnt allerdings der Großmeister, daß die Johanniter vor Beginn der darin aufgeführten Schiffsrüstungen bereits über drei eigene Galeeren verfügten 31. Auch wurde in Limassol auf dem am 28. Oktober 1302 abgehaltenen Generalkapitel der Beschluß gefaßt, daß „[…] sich diesseits des Meeres 80 Ordensritter aufzuhalten haben, die aus verschiedenen Zungen abkomman29 30
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Cf. Crawford, The Templar of Tyre (nt. 28), 170. Cf. Daubner, Marine (nt. 11), 29; Nicholson, Hospitaller (nt. 6), 46; A. Luttrell, The Hospitaler State on Rhodes and its Western Provinces, Aldershot 1999; J. C. Poutiers, Rhodes et ses chevaliers, 1306-1523, Brüssel 1989; A. Demurger, Die Ritter des Herren. Geschichte der Geistlichen Ritterorden, München 2003, 254-279. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), no. 4841; cf. Wienand, Rhodos (nt. 9), 157.
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diert sind“ 32. Angesichts dieser verbindlichen Entscheidung, daß von 1302 an 80 Ordensritter sich diesseits des Meeres, also auf Zypern, aufhalten sollten, scheint der Orden bei der Eroberung von Rhodos weniger als die Hälfte seiner Ordensmacht eingesetzt zu haben, denn der Johanniterorden soll mit rund 35 Rittern, sechs Abteilungen Turkopolen und 500 Fußsoldaten von Limassol aus auf die Insel übergesetzt sein 33. Letztendlich dürfte der Johanniterorden nicht nur Kräfte zurückgehalten haben, sondern auch militärisch und taktisch nur unzureichend auf die Eroberung von Rhodos vorbereitet gewesen sein. Das läßt der Verlauf der militärischen Kampagne während der ersten Monate beziehungsweise Jahre vermuten. Zwar eroberte ein Kommandounternehmen der Johanniter in einem Überraschungsangriff die Burg von Kos, konnte diese jedoch gegen die byzantinischen Truppen nicht lange halten. Am 20. September 1306 gelang es ihnen schließlich, die an der Ostküste von Rhodos gelegene Festung Feraklos zu erobern, jedoch wurden sie bei ihrem Versuch, die befestigte Stadt Rhodos selbst einzunehmen, nach wenigen Tagen wieder zurückgeworfen. Nur durch Verrat konnten die Johanniter schließlich im November 1306 mit Filerimos noch eine zweite Schlüsselstellung auf der Insel besetzen 34. Obwohl die genuesischen Verbündeten die Expedition mit zwei Galeeren unterstützten, war es dem Orden aufgrund seiner materiell wie personell begrenzten Voraussetzungen nicht möglich, die gesamte Insel zu erobern, weshalb dieses Ziel nur mit fremder Hilfe, letztlich unter Mithilfe von Kreuzzugseinheiten, abgeschlossen werden konnte. V. Sogleich nach Beginn der Belagerung der Stadt Rhodos bemühte sich der Großmeister, die bisherigen Eroberungen für legitim erklären zu lassen, um für die militärische Hilfe, die zur erfolgreichen Beendigung der Unternehmung absolut notwendig war, werben zu können. Bereits im November 1306 verließ Fulko von Villaret das griechische Eiland, hielt ein Generalkapitel in Limassol ab und setzte, vermutlich im Frühjahr 1307, weiter auf das europäische Festland über 35. Spätestens im August 1307 erreichte er den päpstlichen Hof in Poitiers, wo er sich für die nächsten Monate aufhalten sollte 36. Parallel zu seinen Gesprä32
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Zur deutschen Übersetzung cf. Wienand, Rhodos (nt. 9), 146; J. Sarnowsky, Der Konvent auf Rhodos und die Zungen (lingue) im Johanniterorden (1421-1476), in: Z. H. Nowak (ed.), Ritterorden und Region - Politische, soziale und wirtschaftliche Verbindungen im Mittelalter (Ordines militares, Colloquia Torunensia Historica 8), Torun´ 1995, 43-65, hier 44. Cf. Luttrell, Rhodes (nt. 26), 195. Cf. op. cit., 284; E. Kollias, The City of Rhodes and the Palace of the Grand Master, Athen 1988, 16 sq. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), nos. 4734, 4635; cf. Luttrell, Rhodes (nt. 26), 285; Nicholson, Hospitaller (nt. 6), 47. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 2148; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 84; Menache, Clement V (nt. 17), 109.
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chen an der päpstlichen Kurie waren im März 1307 Gesandte zum byzantinischen Kaiser Andronikos II. Palaiologos (1282-1328) entsandt worden. Die Johanniter boten dem byzantinischen Kaiser an, Rhodos als Lehen von ihm zu nehmen, doch dieser lehnte die Offerte entschieden ab und entsandte im April 1307 eine Expedition nach Rhodos, um die Insel vom Orden zurückzuerobern. Jedoch schlug das byzantinische Unternehmen, ebenso wie eine im Sommer 1308 unternommene weitere Expedition, fehl 37. So hatte sich im Jahre 1308 eine militärische Pattsituation für die Johanniter auf Rhodos ergeben, welche sie nur noch mit fremder Hilfe in einen Vorteil umwandeln konnten. Am päpstlichen Hof gelang es Fulko von Villaret, den Papst von seinen Plänen zu überzeugen, indem er die ursprünglich alleine im Namen des Johanniterordens begonnene Eroberung von Rhodos geschickt in ein größeres Konzept zur recuperatio terrae sanctae integrierte. Darin entwarf der Großmeister einen mehrstufigen Fünfjahresplan zur Stärkung der christlichen Position im Nahen Osten in Form eines passagium particulare und zur Vorbereitung eines großen Kreuzzuges. Die Eckpunkte seines Kreuzzugkonzeptes waren dabei die Inbesitznahme von Rhodos, die Verteidigung der Königreiche von Zypern und Klein-Armenien gegen die Ungläubigen sowie die maritime Bekämpfung derjenigen Christen, die weiterhin mit den Muslimen unerlaubt Handel betrieben. Papst Clemens V. förderte die Eroberungsziele der Johanniter, exkommunizierte im Juni den byzantinischen Kaiser und legitimierte die Unternehmung am 5. September 1307 nachträglich, als er auf Bitten des Großmeisters dem Orden die Insel Rhodos zu dauerhaftem Besitz verlieh und den Kampf gegen einen Teil des christlichen Reiches rechtfertige, um „[…] die Insel Rhodos, die unter dem Joch der Ungläubigkeit der schismatischen Griechen gedrückt ist, mit Gottes Beistand zu erwerben […] und dort die Schismatiker wie überhaupt alle Ungläubigen zu vertreiben“ 38. Zwar hatten die Johanniter den Besitz von Rhodos sowie weiterer Inseln vom Papst bestätigt bekommen, erobert waren diese jedoch noch nicht. Eindrucksvoll bezeugt die Urkunde die herausgehobene päpstliche Gunst gegenüber dem Johanniterorden, der diesen damit gleichzeitig de facto, angesichts der zeitgleich eingeleiteten Zerschlagung der Templer, gegenüber dem französischen König in Schutz nahm. Angesichts des Prozesses gegen den Templerorden und der daraus resultierenden Bedrohungslage für die Ritterorden insgesamt, blieb Fulko von Villaret zunächst in der Nähe des Papstes und ver37 38
Cf. Acta Aragonensia (nt. 17), 147; cf. Nicholson, Hospitaller (nt. 6), 47. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), 106-110; Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 2988: „[…] pro illius modici residui, quod fidei predicte cultoribus in eadem Terra remanisse dinoscitur ac ipsorum Terre et regnorum defensione ac secura custodia et ad oportuna preparanda obstacula perfidis christianis, ne victualia et merces prohibitas eisdem deferant Sarracenis, et Sarracenos ipsos prout possibile fuerit impugnandum […] pontes et vias ad idem generale passagium preparando“; cf. Wienand, Rhodos (nt. 9), 155; B. Z. Kedar/S. Schein, Un projet de passage particulier propose´ par l’Ordre de l’Hoˆpital, in: Bibliothe´que de l’E´cole des chartes 8 (1982), 211-226, hier 220-226; Housley, Crusades (nt. 4), 27 sq.
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suchte, ihn für sein Kreuzzugskonzept weiter zu begeistern 39. Die diplomatischen Bemühungen Fulkos von Villaret waren schließlich von Erfolg gekrönt, denn Papst Clemens V. schenkte seinen Worten offenkundig viel Vertrauen. Es gelang dem Großmeister, den Papst dazu zu bewegen, daß er am 11. August 1308 die Christenheit zu einem neuen Kreuzzug aufrief 40. Bereits im Frühjahr 1309 sollte das Unternehmen beginnen, dessen Ziele weitgehend mit den Kreuzzugsplänen des Großmeisters der Johanniter identisch waren: Es sollte die orientalischen Christen bei der Verteidigung ihrer Länder unterstützen, in erster Linie die Königreiche Zypern und Klein-Armenien, deren Unterstützung der Papst bereits im Mai/Juni 1308 eingeleitet hatte, sowie den unerlaubten Handel mit den Muslimen unterbinden und den später folgenden allgemeinen Kreuzzug vorbereiten 41. Es war geplant, daß nach fünf Jahren der große Kreuzzug unter der Führung des französischen Königs folgen sollte 42. Insgesamt war ein Heer in der Größe von 1000 Rittern und 4000 Fußsoldaten angedacht und Fulko von Villaret ließ keine Zeit verstreichen, um die Streitmacht aufzustellen und die notwendigen Transportmittel dafür zu beschaffen 43. Dafür bereiste er in den folgenden Monaten die Seestädte Italiens und Südfrankreichs und erlangte partielle Unterstützung von den Königen Eduard II. von England (1307-1327) und Karl II. von Neapel (1285-1309) 44. Wie sehr der Papst den Plan des Großmeisters unterstützte, erkennt man auch daran, daß er ihm mit Peter von Pleigne Chassagne (gest. 1319), Bischof von Rodez, am 6. Februar 1309 einen päpstlichen Legaten zur Seite stellte und der Unternehmung der Johanniter damit die letzte kirchliche Sanktion erteilte. 39
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Als Philipp IV. von Frankreich und Clemens V. zwischen Mai und Juli 1308 in Poitiers zusammentrafen, besprachen sie nicht nur das weitere Vorgehen in der Templersache, sondern auch die Kreuzzugsangelegenheit. Cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 83; M. Bulst-Thiele, Sacrae Domus Militiae Templi Hierosolymitani Magistri: Untersuchungen zur Geschichte des Templerordens 1118/9-1314, Göttingen 1975, 313-346; J. Favier, Philippe le Bel, Paris 1978, 425-480; Menache, Clement V (nt. 17), 105; N. Housley, Pope Clement V and the Crusades of 1309-10, in: id. (ed.), Crusading and Warfare in Medieval and Renaissance Europe (Variorum Collected Studies Series), Aldershot 2001, 29-43, hier 31. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 2988-2990, 2992, 3010; Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 83 sq.; Menache, Clement V (nt. 17), 105; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 355; Housley, Crusades (nt. 4), 31 sq. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 2988: „[…] nosque timore gravissimo in mente perterriti, ne Cipri et Armenie regnorum nobilium, que crucis hostium premuntur incursibus et usque intrinsecus lacerantur […] vias et modos studiis diligentis indagationis exquirimus, quibus Terre ac regnis eisdem oportuni manum auxilii porrigere valeamus“; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 84 sq. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), 178-182; Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), nos. 2987 sq., 2992, 3010. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), no. 4841; Acta Aragonensia (nt. 17), 88; Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 3753; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 86; Menache, Clement V (nt. 17), 107; Housley, Pope Clement V (nt. 39), 31 sq. So weilte der Großmeister am 28. November sowie am 6. Dezember 1308 in Marseille, am 26. Januar 1309 in Florenz, am 27. Januar 1309 in Pisa, am 26. Juli 1309 in Avignon und am 5. September 1309 abermals in Marseille. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), nos. 4828, 4830, 4840 sq., 4871, 4879; Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 4862.
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Die Organisation und Führung waren zwar alleine in die Hände des Großmeisters gelegt, die enormen Kosten für die Schiffsrüstung und das Heer - entsprechend einem aragonesischen Bericht von August 1308 soll es sich dabei um die gewaltige Summe von 300 000 Florentinern gehandelt haben - sollten jedoch durch die päpstliche Kammer übernommen werden 45. Zudem wurden auch vom französischen König 100 000 Florentiner versprochen, der diese finanzielle Beteiligung aber niemals geleistet zu haben scheint 46. Zusätzlich forcierte der Papst den Ablaßhandel und forderte auch den Deutschen Orden und die Seehandelsstädte des Mittelmeerraumes auf, die Johanniter mit allen Mitteln zu unterstützen 47. So wurden nicht nur größere Geldsummen für das Zustandekommen des geplanten Unternehmens eingesammelt, sondern Tausende von Gläubigen nahmen das Kreuz und brachen aus England, Frankreich, den Niederlanden und den deutschen Gebieten in Richtung Mittelmeer auf 48. Dennoch verzögerte sich die Kreuzzugsrüstung, wodurch der anvisierte Aufbruchstermin nicht eingehalten werden konnte. Im Juni 1309 erließ der Papst erneut Kreuzzugsaufrufe, um die Unternehmung der Johanniter zu unterstützen 49. Aber noch bis September 1309 stockte die Kreuzzugssache, bevor Fulko von Villaret, wohl angesichts des nahenden Winters, eilig von Marseille aus mit dem Kreuzzugsheer in Richtung östliches Mittelmeer aufbrach. Allerdings dezimierte ein schwerer Sturm die Kreuzzugsflotte, und ungünstige Wetterbedingungen zwangen diese, den Winter in Süditalien zu verbringen. Zu Beginn des Jahres 1310 brachen der Großmeister sowie der päpstliche Legat mit bis zu 26 Galeeren, 300 Rittern sowie 3000 Fußsoldaten von Brindisi in Richtung Rhodos auf. Jedoch zwang schlechtes Wetter die Kreuzfahrer abermals zum Abbruch. Erst im Frühjahr konnte die Flotte ihre Fahrt wiederaufnehmen und begann mit der Belagerung der Stadt Rhodos 50. Obwohl weitaus weniger Kreuzfahrer als ursprünglich geplant die Fahrt nach Outremer unternommen hatten, gelang es dem Johanniterorden durch die bloße Anwesenheit der Kreuzzugs-
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Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), nos. 3753, 4392, 4459; cf. S. Schein, The West and the Crusade. Attitudes and Attempts, 1291-1312, Cambridge 1979, 219-242; Menache, Clement V (nt. 17), 107 sq.; Housley, Pope Clement V (nt. 39), 31. Am 27. Oktober 1309 zeigte Clemens V. dem französischen König an, daß er die versprochene finanzielle Unterstützung noch nicht geleistet hatte. Cf. Delaville Le Roulx (ed.), Cartulaire ge´neral (nt. 17), no. 4884; Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 3753; cf. Finke, Papsttum und Untergang (nt. 20), 92; Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 88; Menache, Clement V (nt. 17), 108. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), nos. 2986, 2996, 3218 sq., 3614, 3616; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 85; Housley, Pope Clement V (nt. 39), 32. Cf. Housley, Crusades (nt. 4), 27. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), nos. 4770 sq., 4773, 4923; cf. Thier, Kreuzzugsbemühungen (nt. 8), 88. Cf. Regestum Clementis Papae V. (nt. 18), no. 7227; cf. Luttrell, Rhodes (nt. 26), 285; RileySmith, Knights (nt. 2), 225; Housley, Crusades (nt. 4), 37.
Die Eroberung der Insel Rhodos durch den Johanniterorden um das Jahr 1308
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flotte, die Eroberung von Rhodos nach über drei Jahren erfolgreich abzuschließen 51. Rhodos wurde neuer Hauptsitz des Johanniterordens, und nach und nach gelang es ihm, die gesamte Inselgruppe des Dodekanes zu erobern 52. VI. Die Eroberung von Rhodos durch die Johanniter war weitaus mehr als nur eine militärische Expedition oder eine geographische Verlagerung ihres Interessenschwerpunktes. Sie zog in letzter Konsequenz eine unwiderrufliche Neuausrichtung der geographischen, militärischen sowie politischen Ordensstrukturen nach sich 53. Signifikanter Schlüssel dafür war der Ausbau der eigenen Ordensmarine, welche eine Verlagerung der aktiven Kriegsführung vom Lande zur See ermöglichte. Offensive Landkriegsführung sollte zukünftig für die Ordensritter nur noch im Rahmen einiger, wenn auch zum Teil großer amphibischer Operationen Bedeutung haben, bei denen dann die Flotte aber wieder die Basis bildete 54. Abgesehen von konkreten Plänen zur Befreiung Jerusalems durch ein passagium generale führte die als Kreuzzug deklarierte Unternehmung von 1309/10 de facto dazu, daß Rhodos durch den Johanniterorden vollständig erobert werden konnte 55. Fulko von Villaret vermochte durch die 1306 eingeleitete Eroberung von Rhodos, die Bedeutung des Johanniterordens für die Heidenbekämpfung neu zu definieren und entsprechend für die Zukunft zu besetzten. Es gelang ihm, Clemens V. von seinem Kreuzzugskonzept zu überzeugen, wodurch implizit die Rhodosexpedition legitimiert wurde und das in dem Aufruf zum Kreuzzug im Jahre 1308 gipfelte. So konnten die Johanniter auch nach dem Fall von Akkon eng mit der Kreuzzugsbewegung verbunden bleiben 56. Damit 51
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54 55
56
Die Stadt Rhodos wurde nicht durch die militärische Gewalt der Kreuzfahrer erobert, sondern aufgrund der Anwesenheit der Flotte, welche die Stadt von der Versorgung abschnitt, an die Johanniter übergeben. Von der Eroberung waren die Inseln Astypalea, Kasos und Karpathos, welche sich nur von 1315 bis 1317 im Besitz der Johanniter befanden, ausgenommen. Cf. Y. Karmon, Die Johanniter und Malteser. Ritter und Samariter. Die Grundlagen des Ordens vom Heiligen Johannes, München 1987, 92. Cf. Daubner, Marine (nt. 11), 65. So hatte sich im März 1309 explizit Jakob II. von Aragon geäußert, indem er den Johannitern vorwarf, den Kreuzzug nur für die vollständige Eroberung von Rhodos zu benutzen; Acta Aragonensia (nt. 17), 198: „[…] seria mester altre cap que no aquell, qui ordonat hi es, e altres gens, qui mils aquessen usades les guerres per mar e per terra, majorment con, segons que arem entes, los Espitallers la major cura, que auran, sera que pusquen conquerre la partida, que tenen los Turches en Rodes e les illes de Romania, los quals, segons que evem entes, lur son dades per lo senyor papa.“ Die Johanniter beteiligten sich an den Kreuzzugsplanungen und -unternehmungen im östlichen Mittelmeer 1332-1335, 1343-1347, 1350/51 und 1355-1360, an der Expedition König Peters I. von Zypern 1365 sowie am Kreuzzug nach Nikopolis 1396; sie rüsteten sich 1377/78 für eine eigene Expedition nach Griechenland, eroberten 1344 Smyrna und hielten es bis zum mongolischen Angriff im Jahre 1402. Cf. Housley, Crusades (nt. 4), 204-233; J. Sarnowsky, Die Johanniter und Smyrna (1344-1402), in: Römische Quartalschrift 86 (1991), 215-251; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 356 sq.
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Bodo Hechelhammer
vermochte Papst Clemens V., den Johanniterorden nicht nur für die Realisierung des Kreuzzugs unverzichtbar werden zu lassen, sondern dem Orden eine neue legitimationsstiftende und existenzschützende Aufgabe zuzuweisen. Dies war angesichts der parallel eingeleiteten Zerschlagung des Templerordens richtungweisend, ermöglichte es doch im Mai 1312 auch die Übergabe der Güter der Templer an die Johanniter und mündete in einer fast 500 Jahre dauernden Existenz des Johanniterordens als souveräner Staat im östlichen Mittelmeer 57.
57
Cf. B. Waldstein-Wartenberg, Die Vasallen Christi. Kulturgeschichte des Johanniterordens im Mittelmeer, Wien-Köln-Graz 1988, 46; Sarnowsky, Der Johanniterorden (nt. 2), 350.
Moskau
Die Einsetzung des Metropoliten Petr Moskovskij im Jahre 1308 als ein Momentum in der russischen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Historiographie Jukka Korpela ( Joensuu) I. Das Jahr 1308 und die Geschichte Rußlands Manchmal sprechen wir von einer einheitlichen moskauzentrischen Geschichte Rußlands, wenn wir die Vergangenheit des gesamten ostslawischen Raums meinen. Wir sprechen vom Kiever Rußland und denken an die mittelalterliche Geschichte Novgorods oder der Ukraine als russische Geschichte, obwohl diese Gebiete mit Rußland oder dem Russentum nichts zu tun haben. Ihre ehemaligen Bewohner haben bisweilen sogar zu den Feinden der Moskauer Fürsten gehört, und auch die heutigen Ukrainer möchten sich wohl kaum eine solche Vorstellung zu eigen machen. Die Moskauer Geschichtsschreibung lag bereits im 14. Jahrhundert in den Händen der Beichtväter der Großfürsten im Erlöserkloster des Moskauer Kremls. Obwohl in den Akzentsetzungen der Texte aus großfürstlichen, kirchlichen und aristokratischen Kreisen deutliche Unterschiede zu finden sind, propagierten die Moskauer Chronisten vor allem die Politik der Moskauer Fürsten als ein übergeschichtliches allrussisches Phänomen 1. Schon die ,Troickaja letopis’‘ aus dem frühen 15. Jahrhundert bringt eine solche Gesamtdarstellung der russischen Geschichte, in der die Moskauer Fürsten und ihre Vorfahren als Führer des späteren russischen Raums wirkten. Der Kern der Moskauer Mission war die Verteidigung der rechtgläubigen Christen gegen östliche Heiden und westliche Häretiker 2. Die politische Expansion Moskaus über die ostslawischen Gebiete erfolgte im 15. und 16. Jahrhundert und resultierte in der Herausbildung des Moskauer 1
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Cf. B. M. Kloss, Formirovanie ideologii Moskovskogo carstva. Ocˇerki po istorii russkoj agiografii XIV-XVI vekov, in: Izbrannye trudy, vol. 2, Moskau 2001, 143-172, hier 146 sqq., J. Korpela, The Christian Saints and the Integration of Muscovy, in: S. Bogatyrev (ed.), Russia Takes Shape. Patterns of Integration from the Middle Ages to the Present (Annales Academiae Scientiarum Fennicae 335), Helsinki 2005, 17-58, hier 29. Cf. Korpela, The Christian Saints (nt. 1), 17-43; Kloss, Formirovanie (nt. 1), 149 sq.; J. Korpela, Prince, Saint and Apostle - Prince Vladimir Svjatoslavicˇ of Kiev, his Posthumous Life, and the Religious Legitimization of the Russian Great Power (Veröffentlichungen des Osteuropa-Institutes München, Reihe: Geschichte 67), Stuttgart 2001, 190-192.
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Jukka Korpela
Kaisertums (Zartums) 3 und einer nationalen orthodoxen Kirche unter der Regierung von Ivan IV. Diese Moskauer Expansion hat zugleich auch eine Expansion der Geschichtsdarstellung des Moskauer Kremls nach sich gezogen 4. Metropolit Petr ist in der Geschichte als heiliger Petr Moskovskij bekannt. Er wurde vor 1275 geboren, lebte zuerst als Mönch und Igumen in einem Kloster in Wolhynien, wurde im Juni 1308 zum Metropoliten geweiht und starb am 20. Dezember 1326 in Moskau. Petr war ein Gegner der Fürsten von Tver und - herkömmlicher Forschung zufolge - ein Verbündeter der Moskauer Fürsten Jurij Danilovicˇ und Ivan Kalita. Er hatte auch Streitigkeiten mit der orthodoxen Kirche von Tver. Schließlich verlegte er den Metropolitensitz der Rus von Vladimir nach Moskau, was ungeachtet der geschichtlichen Faktizität der früheren Verbindungen und Motivationen auch den Anfang einer tatsächlichen Union zwischen den Metropoliten und den Moskauer Fürsten, zwischen der orthodoxen Kirche und dem Moskauer Fürstentum bedeutete. Diese Union war entscheidend für den Aufstieg Moskaus und für die russisch-moskowitische Staatsbildung und letztendlich auch für die heutige russische Identität, in der die orthodoxe Religion eine herausragende Rolle spielt. Die moderne Forschung hat die wirkliche Bedeutung Petrs zu mindern versucht, indem sie aufgezeigt hat, wie der Ruhm Petrs in vieler Hinsicht eigentlich nur posthumen literarischen Ursprungs ist, aber immerhin hat der Amtsantritt Petrs in der Geschichtsschreibung die Geburt der Moskauer orthodoxen Kirche markiert 5. Was ist eigentlich ein Momentum in der Geschichte? Ist es eine übergeschichtliche Wahrheit, die nur und gerade jetzt passiert; ist es eine jetztzeitige Analyse der Vergangenheit, die sich von Zeit zu Zeit verändert, oder ist es ein historisches Argument in einer politisch-gesellschaftlichen Diskussion, mit dem man nur heutige Vorgänge und Beschlüsse zu motivieren und zu berechtigen versucht? II. Die Perspektiven der Chroniken zwischen dem fr ühen 14. und dem 17. Jahrhunder t Im Jahre 1308 hat es in dem ostslawischen Raum viele politische Zentren gegeben. Der tatarische Ordensstaat bildete eine Oberstruktur, die zwar eine 3
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Herkömmlich spricht man von einem Zartum während der Moskauer Periode und vom Kaisertum erst seit Peter dem Großen. Eine solche kategorische Einteilung ist kaum begründet, weil die Einzigartigkeit Peters meist von seinem eigenen Personenkult abhängt. Das Zartum von Ivan IV. war ohne Zweifel auch ein christliches orthodoxes Kaisertum. Eher war das Kaisertum Peters schon in dem Sinne des Klassizismus eine Nachahmung des heidnischen römischen Kaisertums, das seinerseits dem mittelalterlichen Universalkaisertum fremd war. Cf. D. B. Miller, The Velikie Minei Chetii and the Stepennaia Kniga of Metropolitan Makarii and the Origins of Russian National Consciousness (Forschungen zur Osteuropäischen Geschichte 26), Berlin 1979, 294-369; Korpela, Prince (nt. 2), 173-206. Cf. R. A. Sedova, Svjatitel’ Petr mitropolit moskovskij v literature i isskustve Drevnej Rusi, Moskau 1993, 107-124; A. Poppe, Art. ,Petr‘, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 6, MünchenZürich 1993, col. 1944; J. Martin, Northeastern Russia and the Golden Horde (1246-1359), in:
Die Einsetzung des Metropoliten Petr Moskovskij im Jahre 1308
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Hegemonie ausübte und aus dem ungeheuer großen Gebiet Steuern einzog, die aber die ansonst selbständigen Fürstentümer der Rus untereinander kämpfen und konkurrieren ließ. Im Norden war der mächtige Handelsstaat von Novgorod das wichtigste Machtzentrum, das indes stark zum Baltikum und zum Westen hin orientiert war. In dem zentral gelegenen Gebiet bildeten Tver, Rostov und Vladimir-Suzdal die mächtigsten Fürstentümer. Im Westen waren Galizien und Litauen die wichtigsten Erben des ehemaligen Kiever Reiches. Moskau war 1308 noch ein kleines Fürstentum, aber das 14. Jahrhundert brachte den Aufstieg des Reiches mit sich. Laut dem Synodalmanuskript der ersten Novgoroder Chronik kam Großfürst Mihail Jaroslavicˇ, ein Enkel des großen Jaroslav Vsevolodovicˇ, in der Woche der 613 heiligen Väter von Chalkedon nach Novgorod. Im selben Winter ging Erzbischof Fektist von seinem Hofe fort, weil er krank geworden war; er segnete Novgorod und zog sich in das Gottesmutterkloster zurück. Die Novgoroder wählten mit den Igumenen und der gesamten Priesterschaft Fetkists Beichtvater Davyd von der Sofia-Kathedrale zum neuen Erzbischof. Fektist segnete die Wahl und sandte Davyd zum Metropoliten, damit dieser in das Amt eingesetzt würde. Im selben Jahr ließ Jakimov Stolbovicˇ am fürstlichen Hof eine Steinkirche zu Ehren der 318 heiligen Väter von Nicaea bauen. Das Vorjahr 6815 (1307) ist in der Chronik leer, und im darauffolgenden Jahr wird geschildert, wie der Metropolit Petr Davyd in sein Amt in Vladimir einsetzte und wie dieser nach Novgorod heimkehrte. Ein Satz ist auch der Einsetzung des neuen Posadniken (des Bürgermeisters) von Novgorod Mihailo Pavsˇinicˇ gewidmet 6. Der Teil des Synodalmanuskriptes stammt aus den 30er Jahren des 14. Jahrhunderts, und somit können wir sagen, daß die Geschichte des Jahres 1308 sich in den Augen der Novgoroder Zeitgenossen in etwa so ausnahm. Wichtig waren die Ankunft des Großfürsten, der Amtsantritt des Erzbischofs Davyd und ganz lokale Ereignisse 7. Die jüngere Fassung derselben Chronik stammt aus den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts, und sie ist nach A. G. Bobrov die am stärksten novgorodisch geprägte Chronik unter allen Chroniken der Rus 8. Die N1L(m) beschreibt die Ereignisse der Jahre 1307-09 auf dieselbe Weise wie N1L(s), datiert aber die Hauptgeschichte schon in das Jahr 1307 (6815) und die Heimkehr Davyds aus Vladimir in das Jahr 1309 (6817). Das Jahr 1308 (6816) ist in dieser Fassung leer 9.
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M. Perrie (ed.), The Cambridge History of Russia, I.: From Early Rus’ to 1689, Cambridge 2006, 127-157, hier 149-152. Cf. Novgorodskaja pervaja letopis’ (= N1L), starsˇego (= s) I mladsˇego (= m) izvodov. Polnoe sobranie russkih letopisej (= PSRL), III, Moskau 2000, N1L (s) 6816 (1308), 6817 (1309). Cf. B. M. Kloss, Letopis’ Novgorodskaja pervaja, in: Slovar’ Knizˇnikov i Knizˇnosti Drevnej Rusi (= SKKDR) I (XI-pervaja polovina XIV v), 1987, 245-246, hier 246. Cf. A. G. Bobrov, Novgorodskie letopisi XV veka, Sankt-Petersburg 2001, 66, 78-92. Cf. N1L(m) 6815 (1307), 6817 (1309).
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Jukka Korpela
Die Novgoroder ,Karamzinchronik‘ hat zwei Fassungen, die wahrscheinlich aus den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts stammen. Von unserem Standpunkt aus ähnelt die erste Fassung in ihren Hauptlinien der N1L(m), während die zweite Fassung den Tod des Fürsten Konstantin Borisovicˇ in Orda im Jahre 1307 und den Amtsantritt des Metropoliten Petr im Jahre 1308 mit einem kurzen Satz erwähnt. Überhaupt ist der Text sehr lakonisch 10. Die vierte Novgoroder Chronik stammt aus den 40er Jahren des 15. Jahrhunderts, und das älteste Manuskript stammt aus der Zeit vor der Moskauer Eroberung der Stadt im Jahre 1471. Der Text kann gewissermaßen als eine antimoskowitische Schrift angesehen werden, die eine überlokale Perspektive auf die Geschichte hat 11. Die Chronik erwähnt die Ankunft des Großfürsten Mihail Jaroslavicˇ, den Rücktritt von Fektist, die Wahl von Davyd und den Bau der Steinkirche der Väter von Nicaea, aber schon im Jahre 1307 auf dieselbe Weise wie die jüngere Fassung der ersten Chronik. Darüber hinaus berichtet der Text vom Tod des Rostower Fürsten Konstantin Borisovicˇ am Hofe des Tatarenkhans. Die Einsetzung von Davyd in Vladimir wird sehr kurz mit einem Satz im Jahre 1309 erwähnt. Die Erzählung des Jahres 1308 ist aber völlig neu und auf eine interessante Weise lakonisch: „Eingesetzt wurde Petr zum Metropoliten von Rus. Gott züchtigte die Menschheit in diesem Jahr: eine Pest befiel Menschen und Pferde, und Mäuse fraßen die Lebensmittel auf. Alles war teuer damals.“ 12 Die ältere Fassung der ersten Chronik von Sofia datiert die Ankunft des Großfürsten in Novgorod, den Tod des Fürsten Konstantin Borisovicˇ in Orda und den Amtswechsel von Fektist zu Davyd in das Jahr 1307. Das Jahr 1308 ist nur dem Amtsantritt des Metropoliten Petrs und der Einsetzung von Davyd gewidmet, die vom „Metropoliten Kievs und Aller Rus“ Petr in Vladimir vollzogen wurde. Pest und Hunger werden nicht erwähnt. Der Text stammt wohl aus der ersten Hälfe des 15. Jahrhunderts und das älteste Manuskript vom Ende des Jahrhunderts oder vom Anfang des nächsten 13. Die Fassung von ,Carskij‘ derselben Chronik stammt aus der Zeit kurz nach dem Jahre 1508. Der Text hat schon gewisse Veränderungen erfahren. Die Ankunft des Großfürsten Mihail sowie der Tod des Fürsten Konstantin Borisovicˇ sind für das Jahr 1307 erwähnt. Das Jahr 1308 ist das Jahr des Amtsantritts von Petr und Davyd - so wie in der älteren Fassung -, aber für das Jahr 1309 findet sich überraschend eine kurze Erwähnung der Ankunft Petrs in Rus (aus Konstantinopel) sowie von Pest und Hunger. Die Ergänzung ist der Erzählung der N4L ähnlich, aber ganz 10
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Cf. Novgorodskaja Karamzinskaja letopis’, PSRL XLII, Moskau 2002 (= NKL), pervaja i vtoraja vyborka, 6815 (1307), 6816 (1308); Ja. S. Lur’e, Predislovie, PSRL XLII, Moskau 2002, 813; Bobrov, Novgorodskie letopisi (nt. 8), 8, 93 sqq., 127 sq., 134, 164 sqq. Cf. Bobrov, op. cit., 8 sq., 167-172, 177-186, 192 sqq., 214-217. Novgorodskaja cˇetvertaja letopis’, PSRL IV, Moskau 2000 (= N4L), 6815 (1307), 6816 (1308), 6817 (1309). Cf. Sofijskaja pervaja letopis’ starsˇego izvoda, PSRL VI, 1, Moskau 2000, 6815 (1307), 6816 (1308), Ja. S. Lur’e, Letopis’ Sofijskaja I, SKKDR II, 2 (tvoraja polovina XIV-XVI v. L-JA), 1989, 57-60.
Die Einsetzung des Metropoliten Petr Moskovskij im Jahre 1308
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unlogisch im Jahre 1309, weil Petr schon im Jahr davor in Vladimir Davyd zum Erzbischof geweiht hatte 14. Die Berichte der dritten (N3L) und fünften (N5L) Novgoroder Chronik wirken wie eine Zusammenfassung der ersten und vierten Chronik. Der neue Großfürst sowie der Rücktritt Fektists und die Wahl Davyds werden für das Jahr 1307 (6815) genannt. Für 1308 (6816) werden der Amtsantritt Petrs, aber auch die Pest und die Mäuse erwähnt. Die dritte Chronik berichtet, daß die Einsetzung in Konstantinopel stattfand. Beide Texte nennen Petr den Metropoliten der Rus, also ohne die Betonung „von Kiev und Aller Rus“. Aus dem Jahre 1309 (6817) wird erzählt, wie Metropolit Petr in Vladmir Davyd zum Erzbischof von Novgorod eingesetzt hat. Die dritte Chronik bringt außerdem einige Details über die Amtszeiten der Bischöfe, die die anderen Texte nicht kennen 15. Die N5L, die wieder mehr eine Novgoroder Lokalchronik als die N4L ist, stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und das älteste Manuskript aus dem 16. Jahrhundert 16. Dagegen ist die N3L eine späte Fassung vom Ende des 17. Jahrhunderts 17. Eine Moskauer Auffassung von den Ereignissen des Jahres 1308 unterscheidet sich in beachtenswerter Weise von der Novgoroder Perspektive. Der eigentliche Laurentiustext, der aus dem Jahre 1377 stammt und die älteste Chronik aus der Region Vladimir-Suzdal-Moskau ist, endet leider mit dem Jahr 1305. Die Suzdaler Fortsetzung der Chronik erwähnt, daß Fürst Konstantin Borosovicˇ im Jahre 1307 in Orda starb. Im folgenden Jahr wurde Petr zum Metropoliten eingesetzt, und im Jahre 1310 wurde dem Fürsten Vasilij Konstantinovicˇ der Sohn Feodor geboren. Alle diese Erwähnungen sind nur knappe Feststellungen, und somit wird auch die Einsetzung des Metropoliten ohne Hinweise auf Konstantinopel oder Bestimmungen des Metropolitentitels mit Kiev, Rus oder „Aller Rus“ erwähnt 18. Die ,Troickaja letopis’‘ ist in den ersten Jahren des 15. Jahrhundert unter der Leitung des Metropoliten Kiprian Cˇamblak verfaßt worden und ist auch die erste moskauzentrische, allrussische Chronik 19. Diesem Text zufolge wurde der „allerheiligste Erzbischof“ Petr zum Metropoliten „Aller Rus“ im Jahre 6816 (1308) eingesetzt, wonach er aus Konstantinopel heimkehrte und sich in Kiev niederließ. Im selben Jahr griff der Großfürst von Tver, Mihail Jaroslavicˇ, mit 14
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Cf. Sofijskaja pervaja letopis’ po spisku I, ed. N. Carskogo, PSRL XXXIX, Moskau 1994, 6815 (1307), 6816 (1308), 6817 (1309) und Predislovie (V. I. Buganov, B. M. Kloss), 4. Cf. Novgorodskaja tret’ja letopis’, PSRL III, 4, Sankt-Petersburg 1841; Novgorodskaja pjataja letopis‘, PSRL IV, 2, Petrograd 1917, 6815 (1307), 6816 (1308), 6817 (1309). Cf. Bobrov, Novgorodskie letopisi (nt. 8), 8 sq., 218 sqq. Cf. ibid., 11; V. V. Jakovlev, Letopis’ Novgorodskaja III, SKKDR III, 2 (XVII v. I-O), 1993, 287 sqq. Cf. Suzdal’skaja letopis’. Prodolzˇenie po akademicˇeskomu spisku, PSRL I, Moskau 1962, 6815 (1307), 6816 (1308), 6818 (1310); E. Klug, Das Fürstentum Tver (1247-1485). Aufstieg, Selbstbehauptung und Niedergang (Osteuropa-Institut an der Freien Universität Berlin, Historische Veröffentlichungen 37), Berlin 1985, 16 sq. Cf. Kloss, Formirovanie (nt. 1), 149 sq.; Korpela, The Christian Saints (nt. 1), 39 sq.
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allen Kräften plötzlich Moskau an, und am Tage des Apostels Titus fand bei Moskau eine Schlacht statt. Fürst Mihail konnte aber die Stadt nicht erobern und mußte heimziehen. Noch im selben Jahr starb Fürst Aleksandr Danilovicˇ. Die Chronik erwähnt für das nächste Jahr die Pest, das Verderben der Speisen und die Übersiedlung des Metropoliten Petrs von Kiev nach Vladimir 20. Die Moskauer Chronikfassung vom Ende des 15. Jahrhunderts fügt noch die Amtseinsetzung des Novgoroder Erzbischofs Davyd in Vladimir und seine Heimkehr nach Novgorod im Jahre 1309 hinzu. Im Vergleich zu der ,Troickaja letopis’‘ und den frühen Novgoroder Texten (bis SIL) ist eine Erzählung über den Märtyrertod des Fürsten Mihail Jaroslavicˇ in Orda („Ub’en’e knjazja Mihaila Tver’skogo vo Orde ot carja Ozbjaka“) hier in das Jahr 1318 eingefügt. Die früheren Texte erwähnen nur das Ereignis. Die Moskauer Chronikfassung repräsentiert eine großfürstliche Geschichtsauffassung der Umgebung von Ivan III., der unter anderem Novgorod eroberte, die Novgoroder Aristokratie vernichtete und die Novgoroder Republik dem Moskauer Reich anschloß. Der Chronist hat für seine Fassung bereits Novgoroder Chroniken benutzt 21. Die ,L’vovskaja letopis’‘, die eine kirchliche und aristokratische Perspektive auf die Vorgänge hat, erwähnt die Ankunft von Mihail Jaroslavicˇ in Novgorod im Jahre 6815 (1307). Im nächsten Jahr (1308) werden die Einsetzung von Petr und seine Ankunft in Kiev mit einem Satz gestreift. Der Angriff des Fürsten Mihail auf Moskau wird im selben Jahr auch erwähnt. Im Jahre 6817 (1309) berichtet die Chronik, wie Petr nach Vladimir kam und Davyd zum Bischof von Novgorod einsetzte. In dasselbe Jahr ist die Geschichte über die Pest, die Mäuse und den Hunger eingefügt. Im Jahre 1318 wird zwar vom Märtyrertod des Großfürsten Mihail in Orda erzählt, aber nicht in der Form eines heiligen „Skazanie“ 22. Die ,Vologodsko-Permskaja letopis’‘ ist vom Standpunkt der frühen Kaiserideologie aus ein sehr interessanter Text. Nach B. M. Kloss ist sie nämlich wahrscheinlich von demselben Autor geschrieben, der das Vorwort zum Osterkanon vom Jahre 1492 verfaßt hat. Nun wird in diesem Text zum ersten Mal ganz eindeutig die Stellung Moskaus als die Hauptstadt der Christenheit, das heißt: als Rom, ausgesprochen 23. 20
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Cf. Troickaja letopis’. M. D. Priselkov, Troickaja letopis’. Rekonstrukcija teksta, 2-e izdanie. Russkaja biblioteka, Sankt-Petersburg 2002 (= TrL), 6816 (1308), 6817 (1309). Cf. Moskovskij letopisnyj svod konca XV veka, PSRL XXV, Moskau 2004, 6816 (1308), 6817 (1309), 6826 (1318), N1L(m) 6827 (1319), N4L, NKL, TrL 6826 (1318), 6827 (1319), S1L 6827 (1319); B. M. Kloss, Predislovie k izdaniju 2004 g., PSRL XXV, Moskau 2004, V-X; M. N. Tihomirov, Predislovie k izdaniju 1949 g, PSRL XXV, Moskau 2004, 3 sq., Ja. S. Lur’e, Letopisec ot 72-jazyk, SKKDR II, 2, 1989, 21 sq.; A. V. Sirenov, Moskovskij knizˇnik konca XV v. Petr i ego proizvedenija, in: Trudy Otdela drevnerusskoj literatury 52, 2001, 582-595, hier 585. Cf. L’vovskaja letopis’, PSRL XX, Moskau 2005 (= L’vL), 6815 (1307)-6817 (1309), 6826 (1318); Sirenov, Moskovskij knizˇnik konca (nt. 21), 585; Ja. S. Lur’e, Letopis’ L’vovskaja, SKKDR II, 2, 1989, 44 sq. Cf. Kloss, Formirovanie (nt. 1), 162, 165 sq.
Die Einsetzung des Metropoliten Petr Moskovskij im Jahre 1308
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Der Chroniktext ist ziemlich lakonisch und bringt keine besonderen Neuheiten. Es ist aber interessant, wie die Chronik über Mihail Jaroslavicˇ betont, daß er „den Thron“ in Novgorod im Jahre 1307 „bestieg“ („sede na stole“), während in den anderen Texten nie „eine solche fürstliche Oberherrschaft“ im „republikanischen“ Novgorod, sondern „eine Ankunft des Fürsten“ erwähnt wird. Es findet sich auch hier die heilige Märtyrergeschichte Mihails, während der Tod von Petr im Jahre 1326 kurz erwähnt wird. In derselben Weise streift die Erzählung des Jahres 1308 die Einsetzung Petrs „zum Metropoliten von Kiev und Aller Rus“ mit einem Satz 24. Der ,Russkij hronograf‘ des Jahres 1512 erzählt, wie Patriarch Afanasij im Jahre 6813 (1305) in Konstantinopel Petr zum Metropoliten eingesetzt hat und wie dieser dann nach Rus heimkehrte. Petr wird nur als Metropolit bezeichnet, und zwar ohne Präzisierungen wie ,Kiev‘ oder ,Aller Rus‘. Die Pest und der Hunger werden als Gottesstrafe erwähnt. Weder das Jahr 1308 noch der Metropolit Petr nehmen in diesem Text eine zentrale Stellung ein. Das ist deswegen wichtig, weil der ,hronograf‘ eine Art von Weltgeschichte ist, und sein Grundgedanke bestand gerade darin, den Platz von Moskau in der Weltgeschichte aufzuzeigen. Die Stellung des Jahres und Petrs in dem Text spiegelt ihre verhältnismäßige Wichtigkeit in den Augen des Verfassers und seiner Umgebung wider 25. Im 16. Jahrhundert wurde die Moskauer Staatsideologie stark weiterentwikkelt, und um die Mitte des Jahrhunderts war die Idee von einem römischen Kaisertum in Moskau schließlich etabliert. Als Universalkaiser war Ivan IV. ein Verteidiger aller Rechtgläubigen, der seine Ahnen seit Kaiser Augustus zählte. Diese Auffassung wurde auch in die Geschichtsschreibung mit aufgenommen. Gleichzeitig territorialisierte sich das Moskauer Reich auch in den Grenzgebieten und im Norden, und während dieses Prozesses wurden ehemalige Ereignisse in den Novgoroder nördlichen Gebieten auch vom Moskauer Gesichtspunkt aus wichtig. Während die früheren Verträge und Kriege in den älteren Chronikfassungen gar nicht erwähnt worden sind, wurden sie nun zu festen Bestandteilen der Moskauer Geschichtsschreibung seit dem Ende des 15. Jahrhunderts und spielten in dieser eine bisweilen sehr zentrale Rolle 26. Die ,Voskresenskaja letopis’‘, die zwischen dem März 1542 und dem Oktober 1544 verfaßt worden ist, repräsentiert eine Auffassung der Regentschaft - besonders die der Familie von Sˇuiskij - während der Minderjährigkeit von Ivan IV. Moskau ist für den Verfasser das Zentrum der Rus, aber eine kaiserliche Ideologie lag nicht im Interesse der Aristokratie. Vielleicht deswegen wiederholt 24
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Cf. Vologodsko-Permskaja letopis’, PSRL XXVI, Moskau 1959 (= VPL), 6815 (1307), 6816 (1308), 6827 (1319), 6834 (1326). Cf. Russkj hronograf. Hronograf redakcij 1512 goda, PSRL XXII, 1, Sankt-Petersburg 1911, 403 (gl. 197); Kloss, Formirovanie (nt. 1), 167. Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 263-267, 308-361; J. Korpela, North-Western „Others“ in Medieval Rus’ian Chronicles, in: Ucˇenie zapiski PetrGU, 2008, 42-55, hier 48, 50.
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die Chronik die Erzählung, die man auch in der Moskauer Chronikfassung vom Ende des 15. Jahrhunderts lesen kann 27. Die ,Chronik von Nikon‘ ist dagegen ein sehr merkwürdiger Text. Sie wurde unter der Regierung von Ivan IV. verfaßt und ist von der Kaiserideologie durchtränkt - wie auch die sogenannte ,Stepennaja Kniga‘, die eigentlich eine Weiterentwicklung der ,Nikonchronik‘ ist und die D. B. Miller als eine „Hybridenfrucht“ der Gelehrsamkeit des Metropoliten Makarij bezeichnet hat. Der Moskauer Metropolit Makarij war der Staatsideologe von Ivan IV. und der Architekt des Moskauer protonationalen orthodoxen Kaisertums 28. Die ,Chronik von Nikon‘ erzählt: „Im Jahre 6816 (1308) setzte Patriarch Afanasij Petr zum Metropoliten von Kiev und Aller Rus in Konstantinopel ein. Petr erhielt eine hohe Ehre vom Patriarchen und Kaiser. Im selben Jahre kam der allerheiligste Petr nach Kiev und Rus und ließ sich in Kiev nieder. Im selben Jahr herrschten Hunger und Pest. Im selben Jahr wurde Vasilij Konstantinovicˇ, Fürst von Rjazan, in Orda getötet und Tataren verwüsteten Rjazan. Im selben Jahr griff Großfürst Mihail Jaroslavicˇ, Enkel von Jaroslav und Großenkel von Vsevolod, plötzlich mit einem großen Heer Moskau an. Eine Schlacht fand bei Moskau am Tage des Apostels Titus statt. Nachdem er viel Böses getan hatte, aber ohne die Stadt erobern zu können, ging der Großfürst weg.“ 29 Die Chronik berichtet von dem Jahr davor, wie der Großfürst Mihail Jaroslavicˇ in Novogorod war, wie der alte Erzbischof Fektist von seinem Amt zurücktrat und wie Davyd zum neuen Erzbischof gewählt wurde. Die Erzählung des Jahres 1309 beginnt: „Der allerheiligste Petr, Metropolit von ,Kiev und Aller Rus‘, traf aus Kiev in Vladimir ein.“ Später setzt die Chronik, nachdem sie über den Tod von verschiedenen Fürsten beichtet hat, mit der Amtseinsetzung des Novgoroder Davyd fort: „Im selben Jahr setzte der allerheiligste Petr, Metropolit von ,Kiev und Aller Rus‘, in Vladimir Davyd zum Erzbischof von Novgorod ein.“ 30 Die ,Stepennaja Kniga‘, das ,Stufenbuch‘, widmet ihre zehnte ,Stufe‘ (das heißt das zehnte Kapitel) dem Fürstentum Ivan Kalitas und den Metropoliten Petr und Feognast’. Metropolit Petr wird als großer Wundertäter Moskaus hingestellt und seine Rolle als Einleiter der Moskauer Periode der russischen orthodoxen Kirche stark betont. Darüber hinaus besteht ein großer Teil des ganzen Kapitels aus seiner Heiligenvita, so daß man eigentlich Petr für die zentrale Figur der zehnten Stufe halten kann. Die einzigen genauen Jahre dieser Periode im Buch sind 6816 und 6834. Von 6816 (1308) wird berichtet, wie Petr in Konstantinopel zum Metropoliten von „Kiev und Aller Rus“ eingesetzt wurde 27
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Cf. VL 6816 (1308), 6817 (1309); S. A. Levina, Letopis’ Voskresenskaja, SKKDR II, 2, 1989, 40 sq. Cf. Kloss, Formirovanie (nt. 1), 167 sqq.; Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 313, 317-338, 361-365. NL 6816 (1308). NL 6815 (1307), 6817 (1309).
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und wie er dann heimkehrte. Im Jahre 6834 (1326) starb der Metropolit und wurde in Moskau in der Gottesmutterkirche beigesetzt. In der Heiligenvita spielt der Bericht von der Amtseinsetzung in Konstantinopel eine zentrale Rolle (Seiten 324-327). Der Angriff des Großfürsten Mihail Jaroslavicˇ auf Moskau wird nicht mehr direkt erwähnt 31. Der Chronist von Mazurin widmet eine außergewöhnlich lange, preisende Erzählung der Einsetzung Petrs zum Metropoliten „Kievs und Aller Rus“ in Konstantinopel und seiner wundertätigen Arbeit in Rus. Ganz am Ende wird auch die Gottesstrafe von der Pest und dem Hunger mit einem Satz erwähnt. Dagegen ist der Angriff des Großfürsten Mihail Jaroslavicˇ auf Moskau schon vergessen. Wieder findet sich im Jahre 1326 ein langer Bericht über den Tod und die Bestattung des heiligen Metropoliten Petr, der als „Svjatitel’“ von Moskau gepriesen wird. Der Verfasser des Textes Isidor Snazin arbeitete in einem Skriptorium des Moskauer Patriarchen und repräsentiert somit eine kanonisierte Meinung von den Ereignissen. Die Chronik ist eine ausführliche und hochkompetente Darstellung der Geschichte und stammt aus den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts 32. Die westlichen Chroniktexte haben auch ihre eigenen Perspektiven auf die Vorgänge. Die Pleskauer Chroniken interessieren sich nur für baltische Ereignisse zwischen 1293 und 1312 33. Die frühneuzeitlichen Chroniken aus Litauen, Belarus und Wolyn berichten gleichfalls nichts über die Vorgänge in Novgorod oder Moskau und kennen auch keinen Metropoliten Petr in diesen Jahren 34. Nur die ,Nikiforovskaja letopis’‘ und die ,Suprasl’skaja letopis’‘ erwähnen ganz beiläufig den Amtsantritt Petrs „zum Metropoliten der Ruskaja zemlja“, aber ohne Hinweise auf Konstantinopel, und sie datieren das Ereignis irrtümlich in das Jahr 1306 35. Die ,Gutynskaja letopis’‘ erzählt korrekt, wie Petr im Jahre 1308 vom Patriarchen Afanasij zum Metropoliten „Kievs“ eingesetzt wurde, erwähnt 31
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Cf. Kniga Stepennaja carskogo rodoslovija, PSRL XXI, Sankt-Petersburg 1908, desjataja stepen’, glava 1 (316), glava 2 (316-318), glava 3 (320-321), glava 4 (321-332). ,Stepennaja Kniga‘ reicht von der christlichen Taufe des Kiever Fürsten Vladimir Svjatoslavicˇ bis zum Kaisertum Ivans IV. Auf jeder der siebzehn Stufen wird die Geschichte eines Fürsten und seiner Metropoliten erzählt. Die Darstellung spiegelt einerseits die Rettungsgeschichte des russischen Volkes, andererseits die moskauzentrische Entwickung des russischen Reichs wider. Die gewählten siebzehn Fürsten und ihre Metropoliten sind von diesem Standpunkt aus die allerwichtigsten Figuren der Geschichte. Mehr dazu siehe bei Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 314-369; Kloss, Formirovanie (nt. 1), 168 sq.; N. N. Pokrovskij, Afanasij (v miru Andrej), SKKDR II, 1 (vtoraja polovina XIV-XVI v. A-K), 1988, 73-79, hier 74-78; A. S. Usacˇev, Stepennaja Kniga i drevnerusskaja knizˇnost’ vremeni mitropolita Makarija, Moskau 2009. Cf. Mazurinskij letopisec, PSRL XXXI, 1968, 6815 (1307), 6834 (1326), predislovie (V. I. Buganov), 3; A. P. Bogdanov, Isidor Snazin, SKKDR III, 2, 1993, 122 sqq. Cf. Pskovskaja 2-ja letopis’, PSRL V, 2, Moskau 2000, 6801 (1293)-6820 (1312). Cf. Hronika Litovskaja i Zˇmojtskaja, PSRL XXXII, Moskau 1975, 31-34; Volynskaja kratkaja letopis’, PSRL XXXV, Moskau 1980, 120; Russkij hronograf. Hronograf zapadno-russkoj redakcij, PSRL XXII, 2, Petrograd 1914, 262 sq. Cf. Nikiforovskaja letopis’, PSRL XXXV, Moskau 1980; Suprasl’skaja letopis’, PSRL XXXV, Moskau 1980, 6814 (1306).
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aber nicht direkt die Stadt Konstantinopel. Die Chronik berichtet auch vom Tod des heiligen Metropoliten und seiner Bestattung in der Gottesmutterkirche in Moskau, dies aber im Jahre 1324. Dies sind auch die einzigen Vorgänge in Rus, die die ,Gutynskaja-Chronik‘ kennt. Die Chronik besteht aus älteren Texten, erhielt aber ihre heutige Form im 18. Jahrhundert 36.
III. Die Elemente der Erzählung en Man kann acht Elemente aus den Erzählungen aussondern und einzeln betrachten. (1) Das leere Jahr 1308 (6816) in der jüngeren Fassung der ersten Novgoroder Chronik hängt von keinem Kalendersystem ab, weil die beiden Fassungen demselben Osterkalender folgen, sondern es muß etwas Besonderes bedeuten. Nun hat die vierte Novgoroder Chronik den Platz benutzt und eine neue, lakonische und etwas negativ gefärbte Erzählung über das Jahr 1308 eingefügt. (2) Davyd und Fektist waren Novgoroder Erzbischöfe und stellten deswegen wichtige Figuren für die Novgoroder Chronisten ihrer eigenen Zeit dar, was die detaillierten Darstellungen in den älteren Novgoroder Texten gut erklärt. In der allrussischen Geschichte waren Davyd und Fektist jedoch keine sehr wichtigen Personen, und darum hat man sie in die ,Troickaja letopis’‘ auch nicht mit aufgenommen. Dagegen wurden sie nach der Eroberung Novgorods auch zu einem Teil der Moskauer Geschichte, weswegen sie seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in Moskauer Texten erwähnt werden. Die Perspektive der ,Chronik von Nikon‘ ist aber schon eine andere. Während die Moskauer Chronikfassung vom Ende des 15. Jahrhunderts nur in einem Nebensatz erwähnt, wie der Metropolit den Erzbischof von „Groß-Novgorod“ am 5. Juni einsetzte und wie dieser danach am 20. Juli nach Novgorod kam, betont die ,Chronik von Nikon‘ klar die Rolle Petrs als eines Vorgesetzten im Akt, was seinerseits die Kaiserideologie Moskaus und das absolute kirchliche Primat des Metropoliten in ganz Rus unterstreicht. Das ist deswegen sehr wichtig, weil das mittelalterliche Novgorod nie eindeutig das kirchliche Primat Moskaus anerkannt, sondern dagegen angekämpft hat und zudem im Jahre 1393 bereit gewesen war, sich der römischen Kirche anzuschließen, um eine Moskauer Oberherrschaft zu vermeiden 37. In 36
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Cf. Gutynskaja letopis’, PSRL XL, Sankt-Petersburg 2003, 6816 (1308), 6832 (1324), predislovie (V. I. Buganov, B. A. Rybakov), 3-4. Cf. MLS 6817 (1309); Pamjatniki drevnerusskago kanonicˇeskogo prava I (Russkaja istoricˇeskaja biblioteka izdavaemaja imperatorskoju arheograficˇeskoju kommissieju. Tom sˇestoj izadanie vtoroe, prilozˇenija dopolnenija n:o 6), Sankt-Petersburg 1908, 425-430; J. Korpela, Stefan von Perm’, Heiliger Täufer im politischen Kontext, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 49 (2001), 481-499, hier 484.
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den neueren Novgoroder Texten haben sie ihren Platz bewahrt, und die dritte Chronik hat zudem die Amtszeiten der Bischöfe hinzugefügt, was auf ein lokalgeschichtliches Interesse hinweisen kann. (3) Pest und Hunger waren beständige Phänomene im Mittelalter und begegnen oft auch auf den Seiten rus’ischer Chroniken. Besonders im frühen 14. Jahrhundert waren solche Katastrophen sehr häufig, weil sich gerade damals im nördlichen Europa ein Klimawandel vollzog, als die sogenannte mittelalterliche Warmperiode endete. Deswegen ist sowohl eine beiläufige Erwähnung als auch ein Weglassen in den Chroniken gleich natürlich. Dagegen ist die Behandlungsweise der vierten Novgoroder Chronik augenfällig. Abweichend von der ersten Chronik und den anderen Texten, die die Ereignisse erwähnen, hat die vierte Chronik im Jahre 1308 eine Formulierung, worin die Amtseinsetzung des Metropoliten Petr und die Katastrophen lakonisch nebeneinander gesetzt sind. Das wirkt wie eine antimoskowitische Demonstration. Die Forschung hat auch allgemein die vierte Novgoroder Chronik als einen antimoskowitischen Text angesehen 38. Obwohl jüngere Moskauer Texte die Geschichte mit aufgenommen haben, verbinden sie die Ereignisse nicht mit einander. Zum Beispiel hat die ,L’vovskaja letopis’‘ die Einsetzung Petrs in das Jahr 1308, die Katastrophen aber erst in das Jahr 1309 datiert 39. (4) Mihail Jaroslavicˇ war Fürst von Tver und Großfürst von Rus, der seine Macht unter anderem mit Litauen und bisweilen auch mit Novgorod gegen die Tataren unterstützte. Jurij Danilovicˇ von Moskau war sein politischer Gegner, der schließlich den Kampf um die leitende Stellung in Rus mit Hilfe der Tataren gewann, und Mihail wurde in Orda hingerichtet. Der Metropolit Petr stand auch in einem ständigen Konflikt mit Mihail und den Prälaten von Tver 40. Die Novgoroder Texte behandeln die Ankunft Mihails in der Stadt als ein wichtiges Ereignis. Dagegen erwähnen die Moskauer Texte Mihail in diesem Jahr vor allem, weil er Moskau angriff. Die Novgoroder betrachteten Mihail als ihren westlich orientierten Verteidiger gegen die Moskauer Expansion, während die Moskauer Machthaber Mihail für ihren unzuverlässigen Rivalen hielten und mit Mihail im Zusammenhang mit Novgorod vielleicht auch einen westlichen Häretismus der Novgoroder betonen wollten. Eine allmähliche Veränderung in eine positive Richtung in der Gestalt von Mihail begann in der Geschichtsschreibung im späten 15. Jahrhundert. Während sein Tod in Orda im Jahre 1318/1319 zuvor nur erwähnt worden war, wurde seine heilige und lange Märtyrergeschichte jetzt in die Texte mit aufgenommen. Gleichzeitig betont die ,Vologodsko-Permskaja letopis’‘ schon seine fürstliche 38 39 40
Cf. Bobrov, Novgorodskie letopisi (nt. 8), 181 sqq. Cf. L’vL 6816 (1308), 6817 (1309). Cf. Martin, Northeastern Russia (nt. 5), 151 sq.; Poppe, Petr (nt. 5), 1944; Klug, Das Fürstentum (nt. 18), 16 sq., 82-101, 119 sq., 310 sq.
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Macht und Position in Novgorod, die einem Novgoroder Fürsten eigentlich erst nach der Moskauer Eroberung Novgorods und der Vernichtung der traditionellen Institutionen der Stadt in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts zukamen 41. Die ,Stepennaja Kniga‘ hat die heilige Märtyrergeschichte Mihails in den Text der zehnten Stufe mit aufgenommen, worin auch seine Verwandtschaft mit dem heiligen Aleksandr Nevskij und somit den Moskauer Fürsten hervorgehoben wird. Obwohl die ,Nikonchronik‘ noch die Bosheit Mihails im Zusammenhang mit dem Feldzug gegen Moskau erwähnt, wurde die Feldzugerzählung um die Mitte des 16. Jahrhunderts bald aus den Texten getilgt 42. In Wirklichkeit war die Position Mihails viel komplizierter, mußte er doch in den Jahren 1305 und 1308 zwei Feldzüge gegen Moskau unternehmen, um die tatarische Besteuerung zu verwirklichen, aber die Novgoroder waren nicht einstimmig seine Unterstützer. Obwohl sie seine Herrschaft im Jahre 1307 anerkannten, kamen nach einigen Jahren wieder Streitigkeiten auf 43. Im Prinzip hatte Mihail ursprünglich einen schlechten Ruf im Moskauer Kontext und einen guten Ruf im Novgoroder Kontext. Mit der zunehmenden Bedeutung des antitatarischen Kampfes in der Legitimierung der Moskauer Fürstenmacht und der Moskauer Kaiserideologie wurde auch Mihail in der Geschichtsschreibung neu bewertet, was im Jahre 1549 darin resultierte, daß er heiliggesprochen wurde, welches seinerseits zu einer weiteren Umbewertung seiner Rolle in der Geschichte führte 44. Eine völlig neue politische Bewertung mittelalterlicher Ereignisse ist ganz allgemein kein fremdes Phänomen in der Moskauer Geschichtsschreibung. Nach einer staatlichen und politischen Expansion machte sich Moskau alte Interessen der eroberten neuen Gebiete zu eigen, und bald wurden bis dahin unbekannte Ereignisse in die Moskauer Geschichte einverleibt und sogar eine frühe Rolle Moskaus darin erdichtet 45. (5) Die Einsetzung des Metropoliten Petr Moskovskij kommt in den Novgoroder Chroniken erst im 15. Jahrhundert ins Bild. Das Ereignis wird in der ersten Chronik nicht erwähnt, und zwar weder in der älteren noch in der jüngeren Fassung. Ganz allgemein galten die Vorgänge im Süden und Osten den zum Baltikum hin orientierten Novgorodern des 14. Jahrhundert bisweilen als unwichtig. Erst die „vtoraja vyborka“ (zweite Version) der ,Karamzinchronik‘ erwähnt das Ereignis. Die vierte Chronik beschreibt dann die Einsetzung, wie schon erwähnt, auf eine negative Weise. Die erste ,Sofiachronik‘ hat den Amtsantritt des Metropoliten und die Rolle des Metropoliten bei der Einsetzung 41 42 43
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VPL 6815 (1307), 6827 (1319); S1L 6827 (1319); MLS 6826 (1318). Cf. StKn, st. 10, gl. 6 (333-342); Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 330. Cf. P. Nitsche, Die Mongolenzeit und der Aufstieg Moskaus (1240-1538), in: M. Hellmann (ed.), Handbuch der Geschichte Rußlands I, Stuttgart 1981, 534-715, hier 583; Klug, Das Fürstentum (nt. 18), 88 sq. Cf. E. E. Golubinskij, Istorija kanonizacii svjatyh russkoj cerkvi. Izdanie vtoroe, ispravlennoe i dopolnennoe, Moskau 1903, 67, 104, 541 sq.; Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 330. Cf. Korpela, North-Western „Others“ (nt. 26), 50.
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des Novgoroder Erzbischofs als einen Höhepunkt des Jahres 1308 genommen. Vielleicht spielt eine nähere kirchliche Verbindung dieser Chronik bei der Bewertung eine Rolle. Jedenfalls war der heilige Petr Moskovskij in Novgorod damals keine persona non grata, sondern er hatte schon in der Stadt (am Hof des Erzbischofs) eine eigene Steinkirche 46. Während die Einsetzung des Metropoliten aus Novgoroder Perspektive zuerst als unwichtig erschien, war die Moskauer Ansicht eine ganz andere. Von der ,Troickaja letopis’‘ an stellen Moskauer Chronisten fest, wie Petr gerade in Konstantinopel als Metropolit eingesetzt wurde. Die Episode wurde zudem als das wichtigste Ereignis des Jahres betrachtet. Schließlich erwähnt die ,Nikonchronik‘, wie sowohl der Kaiser als auch der Patriarch von Konstantinopel Petr in hohen Ehren hielten. Die Chronik betont zudem die Stellung Petrs als Metropolit aller Rus. Diese Formulierung unterstreicht das historische Primat des Moskauer Metropoliten über den ganzen ostslawischen Raum, über das Novgoroder Land, aber auch über die Ukraine und Litauen, die zu jener Zeit zum polnisch-litauischen Reich gehörten. Die Auslegung der ,Stepennaja Kniga‘ fährt auf diesem Weg fort, da das Buch Petr für die Zentralfigur der Geschichte dieser Periode hält und seine Amtsperiode als die Anfangszeit des russischen Orthodoxismus beschreibt 47. Die Erzählung der ,Chronik von Nikon‘ ist auch deswegen wichtig, weil die Einsetzung jedes neuen Metropoliten nicht auf dieselbe Weise beschrieben worden ist 48. Man kann zumal die Beschreibung mit der Erzählung der sogenannten ,Nestorchronik‘ (PVL) über die Taufe und den Besuch der Kiever Großfürstin Olga am kaiserlichen Hof von Konstantinopel im Jahre 955 vergleichen, in der der Chronist auch die Ehre preist, die Olga am Hof zuteil wurde. Die heilige Olga war die Großmutter des heiligen Vladimir von Kiev und spielte ikonographisch die Rolle der Gottesmutter im Kult des heiligen Vladimir. Ihre Taufe 46 47 48
Cf. N1L (m); N4L 6924 (1416), 6945 (1437). Cf. Korpela, Prince (nt. 2), 173-206. Kirill (1250-1280) wird nur als Metropolit erwähnt (NL 6758 [1250]). Die Einsetzung des Griechen Maksim (1283-1305) wird mit einem Satz gestreift (NL 6791 [1283]). Ein Satz ist auch der Einsetzung von Feognast (1328-1353) zum Nachfolger Petrs in Konstantinopel vom Patriarchen Isaja gewidmet, und der Kaiser ist nicht erwähnt worden. Der Verfasser hat sich mehr für die Heimkehr von Feognast und seinen Besuch bei den heiligen Relikten von Petr interessiert (NL 6836 [1328]). Von 1354 wird erwähnt, wie der Patriarch von Konstantinopel zwei Metropoliten der Rus, Aleksej (1354-1378) und Roman (1354-1362, Bischofssitz in Wolhynien), einsetzte, wie diese heimkehrten, Aleksej nach Moskau, und wie das einen kirchlichen Streit verursachte (NL 6861 [1353], 6862 [1354]). Kirchlich-diplomatatische Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Einsetzungen von Mihail-Mitjaj (gest. 1378), Pimen (1378-1390) und Kiprian Cˇamblak (1376-1407, zuerst in Kiev und Litauen) sind genau, aber als geschichtliche Vorgänge ohne besondere ikonographische Betonungen beschrieben worden (NL 6884 [1376], 6886 [1378], 6888 [1380], 6897 [1389], 6898 [1390]). Kaiser Manuil und Patriarch Matheos werden im Zusammenhang mit der Einsetzung des Metropoliten Fotij (1409-1431) in Konstantinopel erwähnt, aber der Akt wird nur mit einem Satz gestreift (NL 6917 [1409]). Besonders augenfällig ist die Kargheit der Erzählung vom heiligen Aleksej Moskovskij, weil er ikonographisch Petr Moskovskij nahe steht.
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und ihren Besuch in Konstantinopel kann man als Anfang und Vorgeschichte des russischen Orthodoxismus, der russisch-byzantinischen Beziehungen und schließlich auch des russischen Kaisertums (Zartums) ansehen. Es ist besonders wichtig zu bemerken, daß gerade die ,Stepennaja Kniga‘ die überhistorische Figur von Olga hervorgehoben hat 49. Die historische Wichtigkeit der Amtseinsetzung Petrs kann man damit verteidigen, daß sie das einzige Ereignis dieser Jahre in der östlichen Rus war, das auch westliche, litauische und belorussische frühneuzeitliche Texte erwähnen. Natürlich hat die Entwicklung des Kultes des heiligen Petr in der Moskauer Kirche schon diese Texte beeinflussen können, aber die tatsächliche Einsetzung Petrs war auch an sich ein wichtiges Ereignis für Galizien, Litauen und die westliche Rus, weil er ursprünglich gerade mit der Unterstützung des Fürsten von Galizien eingesetzt wurde, um einen einheitlichen Kiever Metropolitensitz wiederherzustellen. Es ist eine völlig andere Sache, daß die geschichtliche Entwicklung dann zu einem ganz andersartigen Resultat führte 50. Die ikonographische Stellung Petrs verstärkte sich mit der Zeit erheblich. Schon im Jahre 1339 wurde er kanonisiert 51, und, weil sich an seinem Grab nach Golubinskij „seit der ersten Minute nach seiner Bestattung“, zumindest aber in den Jahren 1348 und 1351 Wunder ereigneten, wurde er seit dem Ende des 15. Jahrhunderts zudem ein Moskauer Wundertäter (cˇudotvorec) genannt. Nach der ,Troickaja‘ und ,L’vovksja letopis’‘ war er ein neuer Wundertäter („novyj cˇjudotvorec“) und laut der Moskauer Chronikfassung vom Ende des 15. Jahrhunderts ein großer Wundertäter („velikii cˇjudotvorec“) 52. Ein ,Wundertäter‘ ist kein alltäglicher Titel. Vor allem weist er auf den heiligen Nikolaus hin, der in der russischen Kirche ein sehr beliebter Heiliger ist. Der Titel hat auch andere Bezüge, vor allem geht es um das Wunder der Heiligung, und eine derartige Heiligungstätigkeit ist gerade auch mit Petr verbunden worden 53. Der heilige Petr nahm auch die Stellung des Moskauer Schutzpatrons ein, und zwar mit einem von seinen Nachfolgern, Aleksej (1354-1378), der auch eine politische Figur war; beide begannen in offiziellen Texten regelmäßig als Schutzpatrone der fürstlichen Macht aufzutreten 54. Mit der Entwicklung des 49
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Cf. Povest’ vremennyh let. Podgotovka teksta, perevod, stat’i i kommentarii D. S. Lihacˇeva, pod redakciej V. P. Adrianovoj - Peretc. Izdanie vtoroe ispravlennoe i dopolnennoe, Sankt-Petersburg 1996, 6463 (955); Korpela, Prince (nt. 2), 175; Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 315 sqq., 327 sq. Cf. Martin, Northeastern Russia (nt. 5), 149 sqq.; Klug, Das Fürstentum (nt. 18), 82 sqq. Cf. Pamjatniki Kulikovskogo cikla, Glavnyk redaktor B. A. Rybakov, redaktor V. A. Kucˇkin, Sankt-Petersburg 1998, 109; Martin, Northeastern Russia (nt. 5), 152 sq.; Golubinskij, Istorija kanonizacii (nt. 44), 67 sqq., 224. Cf. Pamjatniki kulikovskogo cikla (nt. 51), 207; Letopisec Rogozˇskij, PSRL XV, Petrograd 1922, 6856 (1348), 6859 (1351); N1L(m); N4L; TrL; L’vL; MLS 6834 (1326), Golubinskij, Istorija kanonizacii (nt. 44), 67. Cf. I. I. Sreznevskij, Materialy dlja Slovarja drevnerusskogo jazyka, vol. 3, r-ω i dopolnenija а-ja, Sankt-Petersburg 1903, 1549. Cf. Pamjatniki Kulikovskogo cikla (nt. 51), 103, 109; Martin, Northeastern Russia (nt. 5), 152 sq.
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Kultes von Petr wurde auch seine offizielle Heiligenfigur in den heiligen Texten untermauert, von denen der wichtigste die offizielle Vita (,Zˇitie Petra mitropolita‘) ist, die vom Metropoliten Kiprian Cˇamblak um das Jahr 1400 verfaßt worden ist. Der Metropolit Kiprian schrieb auch andere Kulttexte für Petr und baute somit dessen heilige Position stark aus 55. Die literarische Gestalt des Petr wurde in weiteren Texten noch entwickelt. Von diesem Standpunkt aus waren die Überführungen seiner Relikte aus dem Moskauer Kreml in die Gottesmutterkathedrale (Uspenie) wichtig, die in den Jahren 1472 und 1479 stattfanden. Jetzt wurde sein Name stark mit dem Apostel Petrus gleichgesetzt, was wohl darauf hinweist, daß der Name Petr für den Gründer des Metropolitensitzes des neuen Roms sehr gut paßte 56. Tatsächlich existierte im 14. Jahrhundert keine eindeutige kirchliche Union zwischen dem Moskauer Staat und der Kirche, sondern beide hatten untereinander auch strittige Interessen, und die Perspektive der Kirche war viel mehr allosteuropäisch als die begrenzten Interessen der Moskauer Fürsten. Darum betrachtet die moderne Forschung auch die Einsetzung Petrs nur als eine Amtseinsetzung unter anderen und möchte seine tatsächliche Rolle als politischer Verbündeter der Moskauer Fürsten reduzieren. Zudem gibt es aus dem Zeitraum zwischen den Jahren 1315 und 1325 keinen einzigen Hinweis auf eine gemeinsame Politik 57. Aber weil sich eine kirchlich-fürstliche Union seit dem Ende des 15. Jahrhunderts immer mehr abzeichnete und weil die hagiographische Gestalt Petrs jedenfalls bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts, als Kiprian Cˇamblak seine Heiligenvita verfaßte, in der Form in der Literatur etabliert worden war, daß gerade er den Metropolitensitz nach Moskau verlegte und eine politische Union mit den Moskauer Fürsten schloß, wurde er als historischer Einleiter des ideologischen Baus des Moskauer Reichs zu einer Großmacht beschrieben. Seine große historische Rolle lag darin, als Partisan des Moskauer Kirchenbaus zu fungieren, der das Kiever Erbe Moskaus gegen litauisch-galizisch-polnische Bestrebungen verteidigte. Die Akzentsetzungen der ,Nikonchronik‘ gehören zur Kaiserideologie des 16. Jahrhunderts und suchen zu beweisen, wie die Politik des Metropoliten Makarij und des Zaren Ivan IV. schon eine lange, logische und heilige Vorgeschichte hatte, zu der auch die Einsetzung Petrs im Jahre 1308 gehörte 58. 55
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Zˇitie i podvizi i malo spovedanie ot cˇjudes, izˇe vo svjatyh ot’ca nasˇego Petra arhiepiskopa Kievskago i vseja Rusija. Spisano Kiprijanom smirenym mnihom i mitropolitom Kievskim ja vseja Rusii. Kniga Stepennaja carskogo rodoslovija, desjataja stepen’, glava 4 (321-332); N. F. Droblenkova/G. M. Prohorov, Kiprian, SKKDR II, 1, 1988, 464-475, hier 466; Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 322. Cf. Sirenov, Moskovskij knizˇnik (nt. 21), 582-585, 590 sq., 593 sqq.; Sofijskaja vtoraja letopis’, PSRL VI, 2, Moskau 2001, 6980 (1472); L’vL, MLS 6980 (1472), 6987 (1479); Sedova, Svjatitel’ (nt. 5), 107-124, A. V. Sirenov, Petr, SKKDR III, 4 (XVII v. T-Ja; dopolnenija), Sankt-Petersburg 2004, 856 sqq. Cf. Martin, Northeastern Russia (nt. 5), 151-154; N. S. Borisov, Moskovskie knjaz’ja, Moskau 1986, 36. Cf. ibid., 149-152.
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Eine Besonderheit in der Gestalt Petrs und besonders im Vergleich zu Mihail Jaroslavicˇ in den Chroniken ist die, daß die Heiligengeschichte des erstgenannten später als die Märtyrergeschichte von Mihail Jaroslavicˇ in die Texte mit aufgenommen worden ist, obwohl von seinem Tod mit hoher Achtung und von ihm selbst als Wundertäter schon früh gesprochen worden ist. Tatsächlich erscheint die Geschichte von den Überführungen seiner Relikte in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts früher in den Chroniken als seine eigentliche Vita, die erst im 16. Jahrhundert mit aufgenommen wurde 59. (6) Konstantinopel und die Kaiser sind auch ein Teil der Moskauer Legitimierungsgeschichte, die seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts immer stärker wurde. Für die Novgoroder war es nicht wichtig, wo der Metropolit eingesetzt wurde. Weil aber die ,Troickaja letopis’‘ und vor allem die beinahe gleichzeitige TemirAksak-Legende Moskau bereits als heilige Stadt der Gottesmutter, das heißt als Rom, beschrieben, war eine Verbindung mit Konstantinopel von sehr großer Bedeutung 60. Eigentlich muß man in diesem Zusammenhang anmerken, wie stark die ,Stepennaja Kniga‘ die Rolle des Gottesmutterkultes in Verbindung mit dem Metropoliten Petr betont 61. Die Rom-Ideologie Moskaus wurde danach stark weiterentwickelt, was allerlei symbolische neue Verbindungen mit Rom, eine entwickelte Kaisersymbolik, die allgemeine Ausdehnung des Gottesmutterkultes und die zunehmende Betonung des Kultes auch in der Staatsideologie nach sich zog und in den alten Texten sogar in Interpolationen resultierte 62. (7) Orda und die Tatarenherrschaft sind komplizierte Fragen in der russischen Geschichte. Wie Charles J. Halperin gezeigt hat, hat man zuerst die ganze Eroberung verschwiegen, dann aber hat man die Mongolenperiode als einen russischen Freiheitskampf gegen das Tatarenjoch unter der Leitung Moskaus zu beschreiben versucht. In Wirklichkeit war die Tatarenherrschaft weder eine einheitliche Periode, noch waren die russischen Fürstentümer gegen die Eroberer und Herrscher einig 63. Die Entwicklung der Lehre kann man auch in den Erzählungen des Jahres 1308 gut sehen. Die Tataren waren den Novgoroder Texten kaum erwähnenswert. Die meisten Texte erwähnen nur beiläufig den Tod des Rostower Fürsten Konstantin Borisovicˇ am Hofe des Tatarenkhans. Der älteste Text spricht nicht einmal davon. 59
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Cf. VPL 6827 (1319); S1L 6827 (1319); MLS 6826 (1318); NL 6834 (1326); StKn. st. 10, gl. 4 (321-332). Cf. B. M. Kloss, Povest’ o Temir-Aksake, in: Izbrannye trudy, vol. 2, Moskau 2001, 63-141; Korpela, Prince (nt. 2), 191 sq.; Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 319. Cf. StKn. st. 10, gl. 2, 318; gl. 3, 324-326; Miller, The Velikie Minei Chetii (nt. 4), 322. Cf. Kloss, Formirovanie (nt. 1), 143-172; J. Korpela, Mikä ihmeen kolmas Rooma, in: Historiallinen Aikakauskirja 96 (1998), 206-214. Cf. Ch. J. Halperin, Russia and the Golden Horde. The Mongol Impact on Medieval Russian History, Bloomington 1985, 1-9, 61-74 et passim.
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Die ,Chronik von Nikon‘ erzählt davon, wie Tataren den Fürsten von Rjazan Vasilij Konstantinovicˇ in Orda töteten und Rjazan verwüsteten. Seit dem frühen 15. Jahrhundert, als die heilige Figur von Dmitrij Doskoj zum Sieger von Kulikovo Polje gestaltet und die sogenannte Temir-Aksak Legende verfaßt worden war, wurde die Geschichtsauffassung Moskaus antitatarisch. Diese Betonung war besonders klar nach dem Ende des Jahrhunderts, was zum Image des Befreierzaren Ivan IV., der Kazan’ und Astrahan besiegte, gut paßte. So stehen die Tatarendetails der ,Nikonchronik‘ wohl in einer Verbindung mit der Zeit der Abfassung des Textes 64. Das schlechte Image des Großfürsten Mihail Jaroslavicˇ von Tver in den frühen Moskauer Texten ist symptomatisch für den ganzen Charakter der Geschichtsschreibung. Heute wird der heilige Mihail Tverskij für die Moskauer Kirche und Rußland als ein Held und Märtyrer des antitatarischen Kampfes angesehen. Aber noch etwa 150 Jahre nach seinem Tode galt er den Moskauern als ein Feind. Die Neubewertung des Großfürsten fand aber in der Moskauer Historiographie gerade am Ende des 15. Jahrhunderts statt, als das Fürstentum auf dem Wege von einem Regionalstaat zum Universalkaisertum war. Dies zeigt in hervorragender Weise, wie die Geschichte vor allem und immer noch wieder in modernen Zusammenhängen neu geschaffen wird und wie nur die alten Ereignisse in dieser Prozedur neu bewertet wurden 65. Der Ruhm des Metropoliten Petr wurde schon im 15. Jahrhundert auch mit dem Moskauer antitatarischen Kampf verbunden, und dadurch wird Petr auch hier zu einer Schlüsselfigur. Er wurde schon in der Erzählung über die Schlacht von Kulikovo Pole 1380 zu der Gruppe von Heiligen gezählt, die den Sieg über die Tataren für Dmitrij Donskoj segneten 66. In dem weiteren Zyklus wuchs seine Rolle: Fürst Dimitrij Doskoj betete an seinen Relikten, und der heilige Metropolit mit allen anderen nationalen Heiligen segnete den Kampf der Russen gegen ihre gemeinsamen heidnischen Feinde 67. (8) Die Steinkirche der 318 heiligen Väter von Nicaea war eine Schenkung von Jakimov Stolbovicˇ an den Novgoroder Fürstenhof. Es gab Hunderte von Kirchen in Novgorod, und nicht alle waren besonders groß. Jedoch war ein Bau einer neuen Steinkirche ein wichtiges lokales Ereignis, das noch in der Novgoroder Geschichte im nächsten Jahrhundert einen Platz einnahm. Dagegen war dergleichen nicht wichtig für die Moskauer Texte und auch nicht für die jüngeren Novgoroder Texte, auch wenn sie sonst häufig neue Kirchen erwähnen. Die
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Cf. ibid., 88 sqq., 98-103; Korpela, The Christian Saints (nt. 1), 31. Cf. Korpela, The Christian Saints (nt. 1), 30 sqq. Cf. NL 6888 (1380). Cf. Pamjatniki Kulikovskogo cikla (nt. 51), 103, 109, 153 sq., 170, 183, 192, 207, 224, 233, 240, 248.
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Kirche brannte den Chroniken zufolge ab, stürzte ein und wurde wieder aufgebaut, aber vielleicht nicht mehr nach dem Großbrand des Jahres 1542, und deswegen war es nicht mehr wert, sie zu erwähnen 68. IV. Schlußfolg er ung en Man kann aus den Erzählungen des Jahres 1308 acht Elemente aussondern und einzeln betrachten. Das Resultat einer solchen Analyse zeigt im allgemeinen, wie sehr die Bewertungen über die Bedeutung des Jahres 1308 in der frühen Historiographie variiert haben. Wichtige Ereignisse für die damaligen Novgoroder waren die, als der Großfürst Mihail Jaroslavicˇ die Stadt besuchte, als der neue Erzbischof Davyd eingesetzt wurde und als eine neue Steinkirche gebaut wurde. Solche Jahre kommen indes in der Geschichte häufig vor, und deswegen kann man sagen, daß die zeitgenössischen Novgoroder höchstwahrscheinlich das Jahr 1308 als kein besonderes Jahr angesehen haben. Etwas mehr als einhundert Jahre später hatte sich die gesamte politische Situation in Osteuropa verändert, und im Zuge dieser Entwicklung war nun auch die historische Bedeutung des Jahres 1308 stark gewachsen. Der Moskauer Staat, der am Anfang des 14. Jahrhunderts kaum erst existierte, war nun auf dem Weg zum Kaisertum, und Novgorod war sein Gegner. Die Einsetzung des ersten Moskauer Metropoliten im Jahre 1308, die früher nicht wichtig genug gewesen war, erwähnt zu werden, war jetzt ein Symbol der heiligen Stellung Moskaus. Während die Moskauer das Ereignis priesen, haben die Novgoroder Chronisten es mit Pest und Hunger verknüpft. Noch einhundert Jahre, und das Jahr 1308 war das historische Momentum, als der römische Kaiser und der Patriarch von Konstantinopel dem neuen Metropoliten in der Kaiserstadt Konstantinopel, im Neuen Rom, eine große Ehre erwiesen und damit den Aufstieg des Moskauer Reiches zum Kaisertum segneten. Die Einsetzung war kein alltägliches offizielles Ereignis, sondern etwas, was man sogar mit der Taufe der Kiever Großfürstin Olga in Konstantinopel um die Mitte des 10. Jahrhunderts vergleichen konnte, die ihrerseits den Anfang der Christianisierung von Rus und den Beginn des griechisch-russischen Orthodoxismus markierte. Die Erzählung wurde auch durch eine Gottesmuttersymbolik ergänzt, die die Stellung Moskaus als eine Stadt der Gottesmutter betonte, was seinerseits die Stellung Moskaus als Neues Rom widerspiegelte. Als die Rolle Moskaus als das christliche Kaisertum, das alle rechtgläubigen Christen gegen die Häretiker und Heiden verteidigte, eindeutig geworden war und sich etabliert hatte, bekamen auch die Tatarengeschichten ihre kanonisierte Form in den Chroniken als das Böse, das das Christentum und die Christen bedrohte und die tapferen russischen Fürsten bekämpfte. Solche Geschichten 68
Cf. N1L(m), N4L 6927 (1419), 6937 (1429), 1439 (6938); N4L (spisok N. K. Nikol’skago) 7050 (1542).
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wurden auch in vielen Zusammenhängen den früheren Jahren der Chroniken im 15. und 16. Jahrhundert hinzugefügt, wo sie früher nicht erwähnt worden waren. Dies war auch der Fall mit dem Jahr 1308. Der Ruhm des Metropoliten Petr wurde nun auch mit dem Moskauer antitatarischen Kampf verbunden, und dadurch wurde Petr auch hier zu einer Schlüsselfigur, obwohl er historisch eher ein Verbündeter als ein Feind der Tatarenherrscher gewesen war. Schon in der Erzählung aus dem 15. Jahrhundert über die Schlacht von Kulikovo Pole 1380 wurde er zu der Gruppe der Heiligen gezählt, die den Sieg über die Tataren für Dmitrij Donskoj segneten. Die Figur des Großfürsten Mihail Jaroslavicˇ ist ein Sonderfall in den Chroniktexten. Die Novogoroder Texte erzählen positiv über die Ankunft des Großfürsten in der Stadt, während die Moskauer Texte bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts über seinen Feldzug gegen Moskau im Jahre 1308 berichten. Aus anderen Quellen wissen wir, daß geschichtlich sowohl der Moskauer Fürst Jurij Danilovicˇ als auch der Metropolit Petr politische Gegner des Großfürsten Mihail Jaroslavicˇ waren. Der Feldzug war an sich kein besonderes Ereignis, sondern es gab im Jahr regelmäßig verschiedene Feldzüge. Der Angriff endete auch ohne große Resultate. Vielleicht betonen die Moskauer Texte das Ereignis nur, um die Unzuverlässigkeit und den mangelnden Patriotismus Mihails hervorheben zu können. Tver war immerhin der mächtigste Gegner der Ausdehnung Moskaus im 14. und 15. Jahrhundert. Eine Umbewertung des Ruhms von Mihail begann am Ende des 15. Jahrhunderts, als er als Märtyrer im antitatarischen Kampf angesehen und schließlich im Jahre 1549 heiliggesprochen wurde, weil er in Orda hingerichtet worden war - wenn auch nicht ohne Einmischung des Moskauer Fürsten. Die heilige Märtyrergeschichte Mihails wurde in die Texte mit aufgenommen, wobei auch seine Verwandtschaft mit St. Aleksandr Nevskij und dadurch mit den Moskauer Fürsten hervorgehoben wurde. Er wurde also zu einer Referenz der Moskauer Mission, und deswegen geriet zum Schluß sein Feldzug und seine Politik gegen Moskau in Vergessenheit. Was ist nun eigentlich ein historisches Momentum in diesem Zusammenhang? Von allen Details, die die Texte erwähnen, haben sich seit dem 16. Jahrhundert in der Historiographie nur zwei Dinge etabliert. Diese sind die Einsetzung Petrs und die Tatarengeschichten. Die Tataren waren im Jahre 1308 keine Besonderheit, aber ihre Rolle als gemeinsame Feinde der Russen und als „Vorkämpfer des Teufels“ ist zu einem großen Teil späteren literarischen Ursprungs. Die Einsetzung des Metropoliten Petrs war vom zeitgenössischen Novgoroder Gesichtspunkt aus nicht einmal erwähnenswert. Der Symbolwert des Ereignisses wurde jedoch später neu interpretiert, als die politische Entwicklung dazu geführt hatte, daß Moskau alle anderen ostslawischen Fürstentümer unterworfen hatte und sich mit der Rolle des Kaisertums bekleidete. Damals erschien die Einsetzung Petrs als Anfang der kirchlich-politischen Allianz zwischen der orthodoxen Kirche und den Moskauer Herrschern, die noch heute stark weiterlebt.
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Das Momentum ist somit eine zeitgebundene Interpretation der Vergangenheit, die zu uns, zur Gegenwart und zur modernen Wahrheit zu führen scheint. Die Einsetzung Petrs wurde zu einem historischen Momentum und hat schon lange als ein solches gelebt, weil die politische Grundentscheidung Moskaus, die Allianz zwischen Dogma und Macht, sehr stabil und langlebig gewesen ist. Eigentlich ist ganz Rußland aus dieser Moskauer Indoktrinierung hervorgegangen, und auch die UdSSR konnte nicht ohne einen dogmatischen Russizismus, das heißt: ohne eine richtige Moskauer russische Geschichte, leben. Es war vielleicht eine Idee aus dem Kreise des Metropoliten Kiprian Cˇamblak im frühen 15. Jahrhundert, Petr zu einer Portalfigur der Allianz zu erheben und seinen Amtsantritt in der Geschichte so zu betonen.
Islamischer Osten
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive Anna Akasoy (Oxford) I Der syrische Geschichtsschreiber Ibn Kat߯ır (ca. 700/1300-774/1373) beginnt die Schilderung der Ereignisse im Jahr 707 der Hedschra mit folgenden Worten: „Das Jahr begann, die Herrscher waren dieselben wie im vorherigen Jahr, und Sˇaih˚ Taqı¯ al-Dı¯n Ibn Taimı¯ya war (noch immer) in der Zitadelle von Kairo inhaftiert.“ 1 Folgt man der weiteren Darstellung Ibn Kat߯ırs, gewinnt man den Eindruck eines äußerst turbulenten Jahres - für Kairo, aber auch für Ibn Taimı¯ya (661/1263-728/1328). Zunächst hatte es nicht so schlecht ausgesehen für den streitbaren hanbalitischen Gelehrten. Bereits am 14. Sø afar 707 (15. August 1307) hatte er Besuch von einem der obersten Richter erhalten, der nach einer langen Debatte erfolglos versuchte, Ibn Taimı¯ya zum Verlassen des Gefängnisses zu überreden. Dies gelang schließlich am 23. Rabı¯ a I 707 (22. September 1307) Muhanna¯ Ibn I¯sa¯, dem Anführer der Araber in Syrien. Muhanna¯ und Ibn Taimı¯ya begaben sich in den Palast des mamlukischen Vizekönigs Sala¯r, wo weitere Gelehrte warteten, die Ibn Taimı¯ya unterstützten. Die Richter jedoch ließen sich entschuldigen, manche aus Krankheitsgründen. Ibn Kat߯ır vermutet, sie hätten nicht mit Ibn Taimı¯yas Überlegenheit konfrontiert werden wollen. Der Geschichtsschreiber war ein Schüler Ibn Taimı¯yas, den er sehr verehrte wir müssen uns also nicht allzu sehr über seine Worte wundern. Man einigte sich darauf, daß Ibn Taimı¯ya freikommen, die Stadt allerdings nicht verlassen sollte, damit man in Kairo weiterhin von seinem Wissen profitieren könne. Im Sˇauwa¯l 707 - wir befinden uns im März 1308 - kam es jedoch zu einer Wende, als eine Ansammlung von Sufis, Anhänger der Lehre Ibn Arabı¯s, gegen Ibn Taimı¯ya protestierten 2. Der Gelehrte wurde erneut vor die Autoritäten zitiert 1
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Ibn Kat߯ır, al-Bida¯ya wa-l-niha¯ya, ed. Ahø mad Abu¯ Muslim, 14 vols., 2. Auflage, Beirut 1977, vol. 14, 44. Für Auseinandersetzungen zwischen Ibn Taimı¯ya und diesen Sufis siehe A. Knysh, Ibn Arabı¯ in the Later Islamic Tradition. The Making of a Polemical Image in Medieval Islam, New York 1999, 87-111. Zu dem Vorfall siehe auch L. S. Northrup, The Bahø rı¯ Mamlu¯k Sultanate, 12501390, in: C. F. Petry (ed.), The Cambridge History of Egypt, vol. 1, Cambridge 1998, 242-289, hier 267-271, und H. Q. Murad, Ibn Taymiyya on Trial. A Narrative Account of his Mihan, in: Islamic Studies (Islamabad) 18 (1979), 1-32, hier 14-17.
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und, nachdem er schon zur Verbannung in Richtung Damaskus geschickt, am nächsten Tag aber wieder zurückgebracht worden war, bot er nach langem Hin und Her schließlich freiwillig an, sich wieder in Haft zu begeben. Es war nicht das erste Mal, daß Ibn Taimı¯ya in solche Schwierigkeiten geraten war. Derartige Ereignisse ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Biographie 3. Warum aber sollte man sich bei einer Auseinandersetzung mit dem Jahr 1308 ausgerechnet mit einem Mann beschäftigen, der den größten Teil besagten Jahres im Gefängnis zugebracht hat? Zunächst einmal ist das Werk Ibn Taimı¯yas die Mühe wert, gerade aus philosophiehistorischer Sicht. Der Ruf Ibn Taimı¯yas, ein Gegner von Rationalismus und Philosophie gewesen zu sein, verdankt sich in hohem Maße der Rolle, die er für Muhø ammad Ibn Abd al-Wahha¯b (gest. 1791) gespielt hat, dem Begründer der Wahhabiten, die heute in Saudi-Arabien dominieren. Es ist aus vielen Gründen zu einfach, einen „schlechten“ reaktionären, rationalitätsfeindlichen Islam einem „guten“ progressiven, liberalen Islam gegenüberzustellen. Nicht zuletzt verdeutlicht Ibn Taimı¯ya, daß dies der Komplexität der Lage nicht gerecht wird. Daß er kein Unterstützer der Philosophie als autonomer Disziplin war 4, steht hier außer Frage, doch zeigt sein Werk eine unter Zeitgenossen ungewöhnliche Vertrautheit mit philosophischen Autoren wie Ibn Sı¯na¯ und Ibn Rusˇd und in vielen seiner Texte verwendet er Argumente aus der philosophischen Tradition. Sein mehrbändiges ,Das Vermeiden des Konflikts zwischen Vernunft und (religiöser) Tradition‘ (,Dar ta a¯rudø al- aql wa-lnaql‘) ist, wie aus den Arbeiten von Yahya Michot und Marc Geoffroy hervorgeht, eine wahre Goldgrube für eine Rekonstruktion der philosophischen Präsenz in der islamischen Welt des östlichen Mittelmeers im 14. Jahrhundert 5. Ironischerweise ist Ibn Taimı¯ya dabei selber zum Zielpunkt der Kritik geworden. Sˇams al-Dı¯n D ß ahabı¯ (1274-1348), ebenso wie Ibn Taimı¯ya ein konservativer Gelehrter, warf diesem vor, von einer philosophischen Auseinandersetzung mit religiösen Fragen geradezu besessen zu sein. Wer häufig das Gift der Philosophen zu sich nehme, so D ß ahabı¯, werde davon abhängig 6. 3
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Siehe etwa D. P. Little, The Historical and Historiographical Significance of the Detention of Ibn Taymiyya, in: International Journal of Middle East Studies 4 (1973), 311-327. Seine Kritik an der Philosophie hat Ibn Taimı¯ya deutlich in folgendem Werk zum Ausdruck gebracht: W. B. Hallaq, Ibn Taymiyya against the Greek Logicians, Oxford 1993. Y. J. Michot, A Mamlu¯k Theologian’s Commentary on Avicenna’s Risa¯la Adø hø awiyya: Being a Translation of a Part of the Dar al-ta a¯rudø of Ibn Taymiyya, with Introduction, Annotation, and Appendices, in: Journal of Islamic Studies 14, 2 (2003), 149-203 und 14, 3 (2003), 309363. Siehe auch Michots Beitrag zu Ibn Rusˇd und Ibn Taimı¯ya in den von Peter Adamson herausgegebenen Akten zu der Konferenz „Philosophy in the Age of Averroes“, die im Februar 2007 am Warburg Institute (London) stattgefunden hat. Siehe auch M. Geoffroy, Ibn Rushd et la the´ologie almohadiste. Une version inconnue du Kita¯b al-kasˇf an mana¯higˇ al-adilla dans deux manuscrits d’Istanbul, in: Medioevo 26 (2001), 327-352; J. Hoover, Perpetual Creativity in the Perfection of God: Ibn Taymiyya’s Hadith Commentary on God’s Creation of this World, in: Journal of Islamic Studies 15, 3 (2004), 287-329. D ß ahabı¯, al-Nasø¯ıhø a al-dß ahabı¯ya li-bn Taimı¯ya, in: id., Baya¯n zag˙al al- ilm, ed. M. Z. al-Kautßarı¯, Damaskus 1348h, 31-34, hier 33. Siehe auch D. P. Little, Did Ibn Taymiyya Have a Screw Loose, in: Studia Islamica 41 (1975), 93-111, hier 100-101.
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive
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Doch holen wir weiter aus. Ibn Taimı¯ya war kein gebürtiger Ägypter. Ursprünglich stammte er aus Mardin, was sich heute in der Türkei nicht unweit der syrischen Grenze befindet 7. 1269, Ibn Taimı¯ya war gerade sechs Jahre alt, verließ die Familie die Stadt auf der Flucht vor den anrückenden Mongolen und fand in Damaskus eine neue Heimat. Diese Erfahrung und die andauernde Bedrohung durch die Mongolen prägten Ibn Taimı¯ya nachhaltig 8. Die mongolische Präsenz war von größter Bedeutung für die in Syrien und Ägypten regierenden Mamluken und ihren Machtanspruch, der sich auf die Verteidigung der islamischen Herrschaft stützte. Schließlich waren es die Mamluken, ˇ a¯lu¯t aufgedie 1260 die bis dahin unbesiegbar scheinenden Mongolen bei Ain G halten hatten, und es waren die Mamluken, die in der Folge der Hinrichtung des abbasidischen Kalifen während der mongolischen Eroberung Bagdads 1258 einem Schattenkalifat eine neue Heimat gegeben hatten. 1308 hatte sich freilich eine entscheidende Änderung bei den mongolischen Herrschern Irans ergeben. ˙ a¯za¯n, wahrscheinlich unter dem Einfluß von Sufis, Bereits 1295 war der Ilkhan G zum Islam konvertiert, vermutlich um sich die Unterstützung seiner größtenteils muslimischen Truppen zu sichern 9. Zunächst einmal waren die Konsequenzen wahrscheinlich nicht besonders dramatisch - die Mongolen hatten schon lange islamische Herrschertitel angenommen und damit in der für sie typischen Weise verschiedene kulturelle und religiöse Traditionen miteinander verbunden 10. Eine Konsequenz, auf die Geschichtsschreiber der Mongolenzeit hinweisen, ist jedoch die Vertreibung der buddhistischen Mönche aus Iran, die sich gen Osten, in Richtung Kaschmirs absetzten 11. Daß diese Verbannung nicht sofort und durchgehend stattfand, kann man an dem Werk des vielseitigen Gelehrten und Staatsmanns Rasˇ¯ıd al-Dı¯n sehen, der sich in seiner Darstellung des Buddhismus auf die mündlichen Auskünfte eines Mönches aus Kaschmir mit dem Namen Kama¯la-s´rı¯ stützt. Ohnehin ist Rasˇ¯ıd al-Dı¯n eine bemerkenswerte Gestalt und hätte es ebenso wie Ibn Taimı¯ya verdient, das Jahr 1308 zu repräsentieren. Der 1249 oder 1250 geborene Sohn eines jüdischen Apothekers war zum Islam konvertiert und hatte einen rasanten Aufstieg am Hof der Ilkhane hinter sich gelegt. Seine privilegierte Position spiegelte sich in seiner Patronage. In dem nach ihm benannten Viertel in Tabriz brachte er Gelehrte, Künstler und Ärzte aus den 7
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Ibn Taimı¯ya, Muslims under Non-Muslim Rule, Einleitung und Übersetzung Y. Michot, Oxford 2006, 1-10 zu Mardin. Little, Did Ibn Taymiyya (nt. 6), für Überlegungen zu einem psychologischen Profil Ibn Taymı¯yas. C. Melville, Padshah-i Islam: the Conversion of Sultan Mahmud Ghazan Khan, in: id. (ed.), Persian and Islamic Studies in Honour of P. W. Avery, Cambridge 1990, 159-177. J. Pfeiffer, Reflections on a ,Double Rapprochement‘: Conversion to Islam among the Mongol Elite during the Early Ilkhanate, in: L. Komaroff (ed.), Beyond the Legacy of Genghis Khan, Leiden 2006, 369-389. B. Spuler, Die Mongolen in Iran: Politik, Verwaltung und Kultur der Ilchanzeit 1220-1350, Berlin 1968, 187.
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unterschiedlichsten Teilen des mongolischen Weltreichs zusammen 12. Der von Thomas Allsen eindrücklich beschriebene Austausch von Personen, Gütern und Ideen im Mongolenreich 13, das lange nach der Blütezeit der Seidenstraße China und Iran wieder miteinander verband, zeigt sich deutlich auch in Rasˇ¯ıd al-Dı¯ns Geschichtswerk, das außer Geschichten der Mongolen, Chinas und Indiens auch solche der Kinder Israels und der Franken umfaßt 14. Das Leben des Buddha in der Geschichte Indiens nebst weiteren Traktaten, in denen Rasˇ¯ıd al-Dı¯n die buddhistische Lehre der Seelenwanderung diskutiert, liefern ein einmaliges Zeugnis islamischer Auseinandersetzung mit dieser Religion 15. Rasˇ¯ıd al-Dı¯ns Schilderung ist unabhängig von der auch in christlichen Kreisen weitverbreiteten Fassung des ,Bilauhar wa-Budß a¯saf‘ und liefert gleichzeitig eine Darstellung, die ˙ a¯za¯ns kam buddhistischen Varianten wesentlich näher ist. Mit der Konversion G diese zweite buddhistische Präsenz in Westasien jedoch zu einem Ende, und Mitte der 1330er Jahre endete auch die Herrschaft der Ilkhane. Ibn Taimı¯ya war niemals von der neuen religiösen Identität der Mongolen überzeugt 16. Den Mamluken konnte die zweifelhafte Reputation ihrer Gegner nur recht sein, da sich ein Jihad, wie sie ihn sich auf die Fahnen geschrieben hatten, nur gegen Nichtmuslime führen ließ und da sie als späte Konvertiten zum Islam unter besonderem Druck standen, ihre religiöse Integrität unter Beweis zu stellen. Vertreter strenger religiöser Richtungen wie Ibn Taimı¯ya werden auch hier ihre Zweifel gehabt haben 17. In ihren Legitimationsbemühungen verwendeten die Mamluken ähnliche Strategien wie schon der Ayyubide Saladin. Zum einen war dies die militärische Verteidigung gegen Nichtmuslime, im Falle Saladins die Rückeroberung Jerusalems 1187, in dem der Mamluken der Sieg über die Mongolen und die Vertreibung der letzten Kreuzfahrer aus Akko 1292. Zudem bedienten sich beide eines orthodoxen Sunnitentums, indem sie entsprechende Lehreinrichtungen förderten und mitunter aktiv an der Wissensvermittlung be12
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Die Patronage Rasˇ¯ıd al-Dı¯ns ist von Birgitt Hoffmann in mehreren Veröffentlichungen untersucht worden, unter anderem in Waqf im mongolischen Iran: Rasˇ¯ıduddı¯ns Sorge um Nachruhm und Seelenheil, Stuttgart 2000. T. Allsen, Culture and Conquest in Mongol Eurasia, Cambridge 2001. Große Teile von Rasˇ¯ıd al-Dı¯ns Weltgeschichte sind von Karl Jahn ins Deutsche übersetzt worden. Für die Geschichte Indiens, deren zweiter Teil das Leben des Buddha ist, siehe K. Jahn, Die Indiengeschichte des Rasˇ¯ıd ad-Dı¯n, Wien 1980. K. Jahn, Kama¯lashrı¯ - Rashı¯d al-Dı¯n’s Life and Teaching of the Buddha. A Source for the Buddhism of the Mongol Period, in: Central Asiatic Journal 2 (1956), 81-128 und weitere Aufsätze in id., Rashı¯d al-Dı¯n’s History of India: Collected Essays, Den Haag 1965. Zu Rasˇ¯ıd al-Dı¯ns theologischen Ansichten siehe J. van Ess, Der Wesir und seine Gelehrten. Zu Inhalt und Entstehungsgeschichte der theologischen Schriften des Rasˇ¯ıduddı¯n Faz˙lulla¯h (gest. 718/ 1318), Wiesbaden 1981. Cf. die Einleitung von Yahya Michot in Ibn Taimı¯ya, Muslims (nt. 7), 26 und 50-53 mit weiteren bibliographischen Angaben. J. Berkey, The Mamluks as Muslims, in: T. Philipp/U. Haarmann (eds.), The Mamluks in Egyptian Politics and Society, Cambridge 1998, 163-173; R. Irwin, The Middle East in the Middle Ages. The Early Mamluk Sultanate 1250-1382, London-Sydney 1986, 96 sq.
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive
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teiligt waren 18. Im Falle Saladins zeigt sich die Verteidigung des Sunnitentums schon zu Beginn seiner Laufbahn, als er 1171 dem ismailitischen Fatimidenkalifat in Ägypten ein Ende bereitete. Mit ihrer Religionspolitik bestimmten beide Dynastien im hohen Maße mit, welche Ansichten und Personen als orthodox und welche als heterodox galten. Auch Ibn Taimı¯ya kam in begrenztem Maße in den Genuß dieser Förderung - wie sich aus der Schilderung Ibn Kat߯ırs zeigt, hatte er durchaus mächtige Unterstützer. Seine kontroverse Stellung zeigt aber, daß die Verhältnisse so einfach nicht waren, da die Gestalt jenes Sunnitentums umstritten war. Neben Ibn Taimı¯ya und Gleichgesinnten gab es weitere einflußreiche Gruppen. Eine große Rolle spielten die øtarı¯qas, die sogenannten Sufi-Bruderschaften, die sich ab dem dreizehnten Jahrhundert entwickelten und die oft als eine Folge des Mongoleneinfalls dargestellt werden 19. Zum einen, so das Argument, hätten die Brutalität der Eroberungen und die de facto-Abschaffung des abbasidischen Kalifats zu einer massiven spirituellen Verunsicherung beigetragen, zum anderen hätte die mongolische Herrschaft mehr Raum für „heterodoxe“ muslimische Bewegungen gelassen. Der sich institutionalisierende Sufismus muß allerdings auch unter der mongolischen Eroberung gelitten haben, die soziale und kulturelle Strukturen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte 20. Eine Reaktion auf die Institutionalisierung des Sufismus in Orden zeigte sich in den radikalasketischen Derwischen, die, ursprünglich aus dem iranischen Raum stammend, sich Anfang des vierzehnten Jahrhunderts auch in Syrien und Ägypten verbreiteten. 1308 etwa ist das Todesjahr von Baraq Baba, dessen Anhänger sich - wie viele andere Radikalasketen auch - durch ihre absonderliche Kleidung auszeichneten. Als Baraq Baba 1306 mit einer Gruppe von 100 Anhängern nach Syrien kam, hatte er lediglich ein rotes Tuch um die Hüften geschlungen, ergänzt durch einen gleichfalls roten Turban mit Büffelhörnern an beiden Seiten. Den Bart hatte er sich abrasiert, das Haupthaar und den Schnurrbart jedoch lang wachsen lassen. Wie er selbst, trugen auch seine Anhänger Musikinstrumente mit sich herum, auf denen sie spielten wo immer sie hinkamen, und Baraq Baba tanzte dazu wie ein Bär und sang wie ein Affe 21. Während diese Bewegung weitgehend auf Iraner beschränkt blieb und zwar in der arabischen Welt, aber kaum unter Arabern Anklang fand, verbreitete sich ein anderer radikaler Trend des Sufismus viel weiter. Die Radikalität lag hier zumindest im Vergleich - weniger in den Verhaltensweisen der Anhänger, sondern vielmehr in den Lehren. Merkwürdigerweise entwickelte sich keine Bruder18
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Berkey, Mamluks as Muslims (nt. 17), 167. Northrup, Bahø rı¯ Mamlu¯k Sultanate (nt. 2), 265-271 über religiöse Strömungen. Zu Saladin cf. M. C. Lyons/D. E. P. Jackson, Saladin. The Politics of Holy War, Cambridge 1982. Grundlegend zu den Sufibruderschaften ist J. S. Trimingham, The Sufi Orders in Islam, Oxford 1971. A. T. Karamustafa, God’s Unruly Friends. Dervish Groups in the Islamic Middle Period 12001550, Oxford 2006 [Erstveröffentlichung 1994], 86. Karamustafa, God’s Unruly Friends (nt. 20), 1.
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schaft, die nach dem Sufi benannt war, dessen Lehren Ibn Taimı¯ya am meisten intellektuell herausforderten - selbstverständlich verurteilte er auch die Radikalasketen, weil sie die religiösen Pflichten vernachlässigten 22. Ibn Arabı¯, 1165 im andalusischen Murcia geboren und 1240 in Damaskus verstorben, übte einen wohl einzigartigen Einfluß auf die Entwicklung des Sufismus aus. Wie gesehen, genoß er schon zu Lebzeiten große Verehrung, stieß aber auch auf harte Ablehnung. Einer der Protagonisten der pro-Ibn Arabı¯ Proteste gegen Ibn Taimı¯ya war Ibn Atøa¯ Alla¯h, einer der bedeutendsten Vertrerter der Sˇa¯dß ilı¯ya-Bruderschaft, der 1309 in Kairo starb. Ibn Taimı¯ya hatte Ibn Atøa¯ Alla¯h selbst unter anderem für die alleinige Verwendung von Gottes Namen in dß ikr-Ritualen kritisiert, eine ˙ aza¯lı¯ in Verbindung bringt 23. Praxis, die er mit al-G Ibn Arabı¯s Art der Mystik wird oft als philosophischer Sufismus beschrieben 24. Dabei war dies weniger die Art, in der Ibn Arabı¯ und andere Sufis ähnlicher Tendenz ihre eigenen Werke beschrieben, sondern vielmehr ein Konzept, das sich in der polemischen Literatur finden läßt, mehr in Form von Andeutungen denn in Gestalt einer systematischen Kritik. Ibn Taimı¯ya weist etwa darauf hin, Ibn Sab¯ın (ca. 1217-1270), ein jüngerer Landsmann Ibn Arabı¯s, habe das gleiche Konzept Gottes als absoluter Existenz (wug ˇu¯d mutølaq) vertreten wie Ibn Sı¯na¯ 25. Während wir bei letzterem vermuten können, daß hier die Beschreibung Gottes als necesse esse (wa¯ˇgib al-wugˇu¯d ) gemeint ist, wird Ibn Sab¯ın in der Regel vorgeworfen, er lehre die Existenzeinheit von Schöpfer und Schöpfung (wahø dat al-wugˇu¯d ), wobei diese jegliche Unterschiede - so auch den zwischen Gläubigem und Ungläubigem - irrelevant erscheinen läßt. Zudem habe Ibn Arabı¯, so Ibn Taimı¯ya an anderer Stelle, wie Ibn Sı¯na¯ und al-Fa¯ra¯bı¯ die Lehre von der Ewigkeit der Welt vertreten - eine logische Konsequenz aus der These der Existenzeinheit 26. Weiterhin kann diese These zu politischen Zwecken mißbraucht werden, da die Aufhebung einer klaren Trennung von göttlichem und geschaffenem Sein die Behauptung erlaubt, daß Gott in Personen in dieser Welt präsent ist. Ein Einfluß der avicennischen Metaphysik auf diese Sufis hat sich bislang nicht nachweisen lassen - es ist möglich, daß ihre Beschäftigung mit wugˇu¯d sie 22
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Karamustafa, God’s Unruly Friends (nt. 20), 54, zu Kritik an den Qalandars und M. U. Memon, Ibn Taimı¯ya’s Struggle against Popular Religion, Mouton 1976. Ibn Taimı¯ya, Magˇmu¯ at al-rasa¯ il wa-l-masa¯ il, 5 vols., Kairo 1341h-1349h, vol. 5, 86, nach G. Makdisi, Ibn Atøa¯ Alla¯h, in: Encyclopaedia of Islam, CD Rom Edition, Leiden 2001; Einleitung von Mary Ann Koury Danner zu ihrer Übersetzung Ibn Atøa¯ Alla¯h al-Iskandarı¯, The Key to Salvation. A Sufi Manual of Invocation, Cambridge 1996. Andere Bezeichnungen sind „Sufi Metaphysics“ (R. L. Nettler, Sufi Metaphysics and Qur a¯nic Prophets: Ibn Arabı¯’s Thought and Method in the Fusøu¯sø al-hø ikam, Cambridge 2003) oder „intellectual esoterism“ (S. M. Wasserstrom, Jewish-Muslim Relations in the Context of Andalusian Emigration, in: M. D. Meyerson/E. D. English [eds.], Christians, Muslims, and Jews in Medieval and Early Modern Spain, Notre Dame 2000, 69-87, hier 71). Diese These äußert er etwa in Dar ta a¯rudø al- aql wa-l-naql, ed. M. Rasˇa¯d Sa¯lim, 11 vols., Riyad 1979-1983, vol. 3, 438 und vol. 5, 20. Ibn Taimı¯ya, Dar ta a¯rudø (nt. 25), vol. 3, 273-276.
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive
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einem solchen Verdacht ausgesetzt hat 27. Ein weiterer Vorwurf in der polemischen Literatur, hier erneut gegen Ibn Sab¯ın gerichtet, ist der oft gegen al˙ aza¯lı¯ gerichteten Kritik ähnlich, nämlich Philosophie und Sufismus zu vermiG schen, was nicht nur unzulässig sei, da es sich um separate Systeme handele, sondern auch zu keinem sinnvollen Ergebnis führe 28. Ein letzter Vorwurf schließlich ist, daß diese Sufis unter dem Einfluß ismailitischer Ideen stehen, was in einer sehr allgemeinen neuplatonischen Tendenz zum Ausdruck kommen mag, aber auch in messianischen Erwartungen. Dies wird etwa von Ibn H ˚ aldu¯n (1332-1382) in seiner ,Muqaddima‘ ausgeführt 29. Schiitische Einflüsse waren jedoch aus der Sicht der Polemiker nicht das einzige Problem, auch die philosophische Tendenz der Sufis hatte gravierende Implikationen für ihr politischreligiöses Denken. Ibn Kat߯ır etwa berichtet, Ibn Sab¯ın habe ähnlich wie der Prophet in einer Höhle bei Mekka auf die Offenbarung gewartet, da diese sich seiner Erwartung nach wie eine Emanation auf den Intellekt ergießt, wenn dieser rein ist 30. Schiitischen, mystischen und philosophischen Konzepten der Prophetie ist gemein, daß sie gegenüber der orthodoxen sunnitischen Vorstellung vom Ende der Prophetie mit dem Tod Muhammads offenere Ansichten, insbesondere die Möglichkeit göttlich inspirierter Personen vertreten. Nach dem Eindruck ihrer Gegner vereinigten die „philosophischen Sufis“ alle drei Tendenzen. Die Kritik an den „philosophischen Sufis“ war keineswegs aus der Luft gegriffen, wobei betont werden muß, daß die unter Verdacht stehenden Autoren spekulative und mystische Tradition in jeweils sehr unterschiedlicher Weise verbunden haben. Ibn Arabı¯ war vermutlich in erster Linie ein sehr systematischer Denker, der sich auch philosophischen Vokabulars bediente, Ibn Sab¯ın schrieb separat über Philosophie und Mystik, während al-Qu¯nawı¯ (1207-1274) beide verband. Afı¯f al-Dı¯n al-Tilimsa¯nı¯ (1213-1291), der ebenfalls zu den üblichen Verdächtigen zählt, hatte möglicherweise einfach nur die falschen Freunde, ebenso vermutlich der syrisch-ägyptische Dichter Ibn al-Fa¯ridø (1181-1235), der unter den Teilnehmern an den Protesten gegen Ibn Taimı¯ya große Verehrung 27
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Ein ganzes Spektrum bislang zumeist mündlich geäußerter Meinungen läßt sich hier finden, von der Annahme, daß Ibn Arabı¯s Sufismus ohne eine Kenntnis von Ibn Sı¯na¯s Metaphysik nicht zu verstehen sei, über die, daß das System des Mystikers einfach nur von dieser philosophischen Metaphysik inspiriert war, bis hin zu der Annahme, Ibn Arabı¯s Sufismus sei unabhängig von philosophischen Betrachtungen. Für weitere Details zu den hier nur in Kürze angesprochenen mittelalterlichen Debatten siehe A. Akasoy, What is Philosophical Sufism?, in: Adamson (ed.), Arabic Philosophy in the Age of Averroes (nt. 5). al-Ba¯disı¯, al-Maqsøad al-sˇarı¯f fı¯ dß ikr søulahø a¯ al-Rı¯f, ed. Sa ¯ıd Ahø mad I ra¯b, Rabat 1402/1982, 32, 34-35 und 69 über Ibn Sab¯ın. Ibn H ˚ aldu¯n, The Muqaddimah. An Introduction to History, Translated from the Arabic by Franz Rosenthal, 3 vols., Princeton 21967, vol. 2, 186 sqq. Ibn Kat߯ır, al-Bida¯ya wa-l-niha¯ya (nt. 1), vol. 13, 261. Siehe auch A. Akasoy, The Muhø aqqiq as Mahdi? Ibn Sab¯ın and Mahdism among Andalusian Mystics in the 12th/13th Centuries, in: W. Brandes/F. Schmieder (eds.), Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen, Berlin-New York 2008, 313-337.
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genoß 31. Was dieses Phänomen des „philosophischen Sufismus“ und der Gegenreaktion unter Beweis stellt, ist die Lebendigkeit der philosophischen Tradition außerhalb des engeren Kreises der heute im Westen bekannten, weil im Mittelalter übersetzen Autoren, zudem nach Ibn Rusˇd und im islamischen Westen. Obwohl die Anhänger Ibn Arabı¯s im Vergleich zu denen Baraq Babas sich recht „anständig“ benahmen und die Kritik Ibn Taimı¯yas vor allem theoretisch klingen mag, hatte ihr Sufismus auch klar eine praktische Komponente, neben der üblichen Askese beispielsweise auch Tanzen und Singen 32. Ibn Taimı¯yas Reaktion können wir auch entnehmen, daß es die politische Dimension dieses Sufismus war, auf die er reagierte. Die Gefahr, daß jene Sufis in schiitischer Tradition die Endgültigkeit des Prophetentums in Frage stellten, war auch für ihn zentral und erklärt zumindest teilweise seinen Aktionismus. Die eingangs geschilderten Demonstrationen, die Ibn Taimı¯ya, wenn auch freiwillig, ins Gefängnis brachten, hatten eindeutig eine praktische Dimension. Ahmet Karamustafa hat die diesseitsgewandte Institutionalisierung des Sufismus in Orden beziehungsweise Bruderschaften als Allianz zwischen Sufismus und Sunnitentum beschrieben, gegen die die Radikalasketen rebellierten. Eine solche Allianz zeigt sich auch darin, daß George Makdisi etwa die Hypothese aufgestellt hat, daß Ibn Taimı¯ya selbst mit dem Orden der Qa¯dirı¯ya assoziiert war 33. Zwar ist diese Hypothese umstritten, absurd hingegen ist sie nicht - Ibn Taimı¯ya war kein Gegner des Sufismus, sondern nur bestimmter Erscheinungsformen, die verschiedene Zeitgenossen als philosophisch oder, wie Ibn H ˚ aldu¯n, als schiitisch beeinflußt darstellten. Sufismus bedeutete für Ibn Taimı¯ya, die Gesetze Gottes zu befolgen, nicht aber, seine Essenz zu verstehen, die für die beschränkten Fähigkeiten des menschlichen Geistes nicht zugänglich ist. Abgesehen von konzeptuellen, methodischen und terminologischen Ähnlichkeiten hatten jene „philosophischen Sufis“ noch etwas anderes gemein - sie stammten zumeist aus dem Westen der islamischen Welt, wie Ibn Arabı¯, Ibn Sab¯ın oder der Dichter Sˇusˇtarı¯ aus al-Andalus, oder wie Tilimsa¯nı¯ aus Nordafrika und hatten durch ihre Migration gen Osten ihre Ideen erfolgreich verbreitet. Verantwortlich für diese Wanderungen war auch die militärische Situation auf der Iberischen Halbinsel. Zwar waren Muslime schon seit der Zeit der Er31
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Über Ibn al-Fa¯ridø cf. T. E. Homerin, From Arab Poet to Muslim Saint. Ibn al-Fa¯ridø , his Verse, and his Shrine, Columbia (SC) 1994. Für sein Tanzen und Singen bekannt war beispielsweise ein Anhänger Ibn Sab¯ıns, der Dichter Sˇusˇtarı¯ (1212-1269). L. Massignon, Investigaciones sobre Sˇusˇtarı¯, poeta andaluz, enterrado en Damietta, in: al-Andalus 14 (1949), 29-57; L. M. Alvarez, The Mystical Language of Daily Life: Vernacular Sufi Poetry and the Songs of Abu¯ al-H ø asan al-Shushtarı¯, in: Exemplaria 17 (2005), 1-32; ead., Reading the Mystical Signs in the Songs of Abu¯ al-H ø asan al-Shushtarı¯, in: Muwashshahø a¯t. Proceedings of the International Conference on Arabic and Hebrew Strophic Poetry and its Romance Parallels, London 2006, 23-35. G. Makdisi, Ibn Taimı¯ya: a Sø u¯fi of the Qa¯diriya Order, in: American Journal of Arabic Studies 1 (1973), 118-129.
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive
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oberung im 8. Jahrhundert ins Kerngebiet der islamischen Welt gereist - nicht zuletzt der Pilgerfahrt wegen -, doch mit den fortschreitenden Erfolgen der „Reconquista“ seit dem Verlust Toledos 1085 geschah es zunehmend, daß Gelehrte ihre nun unter christlicher Herrschaft stehende Heimat verließen oder falls sie sich während der Eroberung auf einer Reise befanden - einfach nicht mehr in den Westen zurückkehrten 34. Die Berberdynastien des 11.-13. Jahrhunderts, die Almoraviden und Almohaden mit ihren strengen religiösen Lehren, hatten die Reconquista nicht dauerhaft aufhalten können. Damit war im wesentlichen auch ein Kapitel islamisch-christlicher Kontakte beendet, das für Philosophiehistoriker von großem Interesse ist, nämlich die Übersetzungen aus dem Arabischen ins Lateinische. Der Schwerpunkt der Begegnung verlagerte sich allmählich. Im westlichen Mittelmeerraum fanden interreligiöse Kontakte weiterhin statt, jedoch mit anderen Protagonisten, wobei umstritten ist, inwieweit tatsächlich neues Material rezipiert wurde. Der katalanische Missionar Raimundus Lullus (1232-1315) etwa, der 1308 Schiffbruch erlitt, ˙ aza¯lı¯s ,Maqa¯søid al-fala¯sifa‘, eine Proerstellte neue Fassungen der Logik aus al-G saversion auf Latein und eine Versversion auf Katalanisch. Der Text war bereits im Kreis von Gundissalinus (ca. 1110-1190) in Toledo ins Lateinische übersetzt worden, doch bediente Lullus sich in seinem Werk vermutlich weiterer, bis dahin im lateinischen Westen unbekannter arabischer Quellen, wobei eine mündliche Vermittlung hier nicht ausgeschlossen ist 35. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Dominikaner Ramo´n Martı´ (ca. 1220-ca. 1285), der in seinem ,Pugio fidei‘ verschiedene arabische Texte verwendete, von denen keine lateinischen Fassungen bekannt sind. Im östlichen Mittelmeerraum setzten sich langsam - auch wenn sich dies 1308 noch nicht klar abzeichnete - die Osmanen durch, die eine andere Art des Islam, zentralasiatischer, hanafitisch-schafiitischer Prägung, mitbrachten. Im Jahr 1308 erzielten sie bereits Erfolge gegen die Byzantiner im Nordwesten Kleinasiens, während sich auch im restlichen Anatolien das Ende der Seldschukenherrschaft abzeichnete, die durch mehrere Kleinfürstentümer abgelöst wurden. Die Gründung der Emirate der Aydın-og˘lu und der TekeOg˘ulları fallen beide in das Jahr 1308. Auch dies führte langfristig zu einer anderen Art der Begegnung mit dem europäischen Christentum. Die Konsequenzen der andalusisch-westlichen Migration zeigten sich auch an den Orten, an denen die Auswanderer eine neue Heimat fanden. Insbesondere Städte wie Damaskus, Medina und Alexandria beherbergten große Gemeinden 34
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M. Marı´n, Des migrations force´es: les ,ulama‘ d’al-Andalus face a` la conqueˆte chre´tienne, in: ˆ ge, Rabat 1995, M. Hammam (ed.), L’Occident musulman et l’Occident chre´tien au Moyen A 43-59. A. Akasoy/A. Fidora, Ibn Sab¯ın and Raimundus Lullus - The Question of the Arabic Sources of Lullus’ Logic Revisited, in: A. Akasoy/W. Raven (eds.), Islamic Thought in the Middle Ages: Studies in Text, Transmission and Translation, in Honour of Hans Daiber, Leiden 2008, 433´ . de la Cruz/M. M. M. Romano, 458. Zu Lullus und der arabischen Kultur siehe jetzt auch O The Human Realm, in: A. Fidora/J. E. Rubio (eds.), Raimundus Lullus. An Introduction to his Life, Works and Thought, Turnhout 2008, 363-459.
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westlicher Muslime - in Ägypten waren auch zahlreiche Juden darunter, Moses Maimonides ist nur das bekannteste Beispiel. Diese westliche Präsenz spiegelt sich im Werk Ibn Taimı¯yas. Seine Gefängnisaufenthalte und einige der mit seiner Person verbundenen Tumulte waren mit seiner Reaktion auf einen Sufismus andalusischer Prägung verbunden, aber er störte sich auch an anderen Trends, die aus dem Westen kamen. Besonders deutlich ist dies bei seinen Reaktionen auf den almohadischen Mahdi Ibn Tu¯mart (ca. 1080-1131). Im Jahr 709, von August 1309 bis März 1310, hielt Ibn Taimı¯ya sich laut Ibn Kat߯ır in Alexandria auf, wo er erneut in Schwierigkeiten mit den lokalen Anhängern Ibn Arabı¯s und Ibn Sab¯ıns, darunter wohl vielen Maghrebinern, geriet 36. Zeugnis der Begegnung ist hier eine Fatwa, in der Ibn Taimı¯ya die Lehren des almohadischen Mahdi Ibn Tu¯mart verurteilt, wobei er angibt, dieser habe dasselbe Konzept Gottes als absoluter Existenz vertreten wie Ibn Sab¯ın und Ibn Sı¯na¯ 37. Als Mahdi stand Ibn Tu¯mart zudem klar unter Schiismus-Verdacht. Auch hier wollte es die Ironie des Schicksals, daß Ibn Taimı¯ya selbst mit dem Begründer der Almohaden verglichen wurde 38. Nicht alle Trends aus Andalusien schafften den Weg in den Osten. Dies trifft auf den wohl bedeutendsten Philosophen der Region zu, Ibn Rusˇd. Seine Aristoteles-Kommentare sind vermutlich schon im Westen nur von einem kleinen Kreis rezipiert worden, und weder er selbst noch seine Schüler reisten in den Osten und verbreiteten die Lehren dort. Ausgerechnet der Sufi Ibn Sab¯ın könnte hier eine Ausnahme darstellen. Sein philosophisches Frühwerk, die ,Sizilianischen Fragen‘, enthalten auffällige Parallelen vor allem zu den Mittleren Kommentaren 39. Ibn H ˚ aldu¯n erwähnt noch kurz die Logikkommentare 40, und Ibn Taimı¯ya setzt sich mit Ibn Rusˇd an manchen Stellen in seinem Werk auseinander - insgesamt blieben die Reaktionen jedoch äußerst beschränkt. In der Geschichte der andalusischen Astronomie und Medizin ist bisweilen von andalusischen Revolten die Rede 41, umgekehrt sind syrisch-ägyptische Revolten gegen Andalusisches im Milieu von Ibn Taimı¯ya zu verorten, wobei nicht alles Andalusische eine Revolte erforderte. 36
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H. Laoust, Une fetwa` d’Ibn Taimı¯ya sur Ibn Tu¯mart, in: Bulletin de l’Institut FrancX ais d’Arche´ologie Orientale 59 (1960), 157-184. Laoust, Une fetwa` d’Ibn Taimı¯ya (nt. 36), 167 (arabischer Text), 178-179 (französische Übersetzung). Siehe nt. 25 für Parallelen in Ibn Taimı¯yas ,Dar ta a¯rudø ‘. Little, Historical and Historiographical Significance (nt. 3), 322. A. Akasoy, Ibn Sab¯ın’s Sicilian Questions: the Text, its Sources, and their Historical Context, in: al-Qantøara 29 (2008), 115-146. Ibn H ˚ aldu¯n, al-Ta rı¯f bi-bn H ˚ aldu¯n wa-rihø latihı¯ g˙arban wa-sˇarqan, ed. M. Ibn Ta¯wı¯t al-Tøangˇ¯ı, Beirut 1960, 63. A. Sabra, The Andalusian Revolt against Ptolemaic Astronomy: Averroes and al-Bitruˆjıˆ, in: E. Mendelsohn (ed.), Transformation and Tradition in the Sciences: Essays in Honor of I. Bernard Cohen, Cambridge 1984, 233-253; T. Langermann, Another Andalusian Revolt? Ibn Rushd’s Critique of al-Kindı¯’s Pharmacological Computus, in: J. P. Hogendijk/A. I. Sabra (eds.), The Enterprise of Science in Islam. New Perspectives, Cambridge 2003, 351-372.
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive
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II Um von dem Panoramaüberblick auf die methodischen Implikationen überzugehen - ist es überhaupt sinnvoll, das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive zu betrachten? Sehen wir einmal von der Tatsache ab, daß der aus islamischer Perspektive gewählte Zeitraum, also 700 Jahre vor September 2008, das Jahr 729h wäre, also der 5. November 1328 bis 24. Oktober 1329 - die scheinbare Willkür ist schließlich Bestandteil eines solchen historiographischen Experiments. Was für 1308 gilt, gilt auch für 707-708 ebenso wie für 729, daß es sich nämlich um scheinbar unscheinbare Jahre handelt. Ich würde die Themenstellung im folgenden gerne dazu nutzen, Überlegungen zum Konzept einer „islamischen Geschichte“ anzustellen. Der Orientalismusverdacht, das heißt das Herausstellen des angeblich prinzipiell „Anderen“ in der islamischen Geschichte ist offensichtlich, ebenso die Essentialisierungsgefahr: Eben weil wir es hier mit „islamischen“, von einer religiös geprägten kulturellen Essenz bestimmten sozialen und politische Strukturen zu tun haben, können Entwicklungen auch nur aus bestimmten Gründen in bestimmte Richtungen verlaufen beziehungsweise müssen auf eine bestimmte Art und Weise erklärt werden 42. Konzeptuelle und terminologische Alternativen sind bereits in den 1960er Jahren von dem Chicagoer Historiker Marshall Hodgson vorgebracht worden. In dem posthum veröffentlichten ,The Venture of Islam‘ finden sich die Begriffe Islamicate und Islamdom als Bezeichnungen einer Kultur, nicht primär der religiösen Gemeinschaft, und die Nil-Oxus-Region, die den Nahen Osten ersetzen sollte 43. Hodgsons Vision war es, eine Hemisphärengeschichte gleichzeitig als mehr als die Summe ihrer Einzelteile und aus einer stärker asiatischen Perspektive zu schreiben, in die sich die europäische Erfahrung sinnvoll einfügen läßt. Sein eigener religiöser Hintergrund - Hodgson gehörte der Gemeinschaft der Quäker an - zeigt sich in der positiven, verstehenden Herangehensweise und der Überzeugung von der Einheit der Menschheit. Hodgsons Ansatz, wenngleich nicht ohne Einfluß, hat sich nicht allgemein durchgesetzt. Nichtsdestotrotz haben viele Historiker inzwischen gelernt, islamische Geschichte nicht lediglich als Nebenfigur in einer Geschichte zu betrachten, die im Europa der Gegenwart endet, teleologischen Prinzipien untersteht und einem paradigmatischen Verlauf folgt, der durch die europäische Geschichte vorgegeben ist. 42
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Damit verbunden wohl auch der Vorwurf einer Überbetonung der islamischen Dimension bei Vernachlässigung soziologischer Untersuchung, vorgebracht etwa von Mohammed Arkoun, Religion and Society: The Example of Islam, in: D. Cohn-Cherbok (ed.), Islam in a World of Diverse Faiths, Basingstoke 1991, 134-177. Cf. auch die Orientalismuskritik von Muhsin Mahdi in seinem autobiographisch gefärbten Orientalism and the Study of Islamic Philosophy, in: Journal of Islamic Studies 1 (1990), 73-98. Für weitere Versuche, den Gegenstand „islamischer Geschichte“ spezifischer als islamische Zivilisation zu definieren, cf. E. Burke, III, Conclusion: Islamic History as World History: Marshall G. S. Hodgson and The Venture of Islam, in: M. G. S. Hodgson, Rethinking World History: Essays on Europe, Islam, and World History, Cambridge 1995, 327-328. Cf. auch Berkey, Mamluks as Muslims (nt. 17), 165.
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Der Fokus auf ein Jahr, das heißt die Ausblendung der diachronen Perspektive, hat den Vorteil, daß man sich einer anderen Dimension nähern kann, nämlich zum Beispiel der geographischen. Viele der Ereignisse, die ich im ersten Teil erwähnt habe, sind nur mittelbar miteinander verbunden, schon alleine deswegen, weil sie sich an den extremen Grenzen der islamischen Welt zugetragen haben. Die Tatsache etwa, daß Muslime während des 13. Jahrhunderts militärische Niederlagen gegen die Christen im Westen und gegen die Mongolen im Osten erlitten, hatte vermutlich Auswirkungen auf die Art, wie zumindest einige Muslime im Zentralgebiet den Zustand der Welt wahrgenommen haben, direkt miteinander verbunden waren sie jedoch nicht genug, als daß man dadurch ein ganzes Konzept allgemeiner politischer Geschichte als islamischer Geschichte rechtfertigen könnte. Deutlich wird dies auch, wenn man die Mikroperspektive verschärft, zum Beispiel wenn es um die Rivalität verschiedener muslimischer Fürstentümer in Kleinasien oder verschiedener Mamlukendynastien geht. Warum sollten solche Veränderungen unter das Stichwort „islamische Geschichte“ fallen, während die Ablösung der Staufer durch die Anjou etwa gemeinhin nicht unter die Kategorie „christliche Geschichte“ fällt - abgesehen von der religiösen Dimension politischer Sprache? Solche Ereignisse gerade eben nicht als Bestandteil einer islamischen Geschichte zu betrachten, erlaubt uns, sie nach dem Vorbild Hodgsons als Teil anderer Subsektionen der Weltgeschichte zu betrachten, als Teil einer asiatischen oder Mittelmeergeschichte zum Beispiel, oder kleinteiliger als Entwicklungen von Regionalgeschichten wie beispielsweise der Ägyptens. Die Identifizierung neuer geographischer Einheiten erlaubt es, andere Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den Blick zu nehmen. Reisende wie Ibn Batøøtu¯øta (1304-1368 oder 1377) eröffnen besonders gute Möglichkeiten, von Zeitgenossen empfundene regionale Unterschiede und Eigenheiten innerhalb der islamischen Welt nachzuvollziehen, aber auch Auswanderer und Vertreter der Aufnahmegesellschaften liefern aufschlußreiche Eindrücke. Diskontinuitäten erkennt man deutlich etwa in den unterschiedlichen intellektuellen Traditionen - wie am Beispiel Ibn Taimı¯yas und der Andalusier, aber auch, auf die Herkunftsregionen zurückkommend, an strukturellen Unterschieden. Das 14. Jahrhundert ist durch den Aufstieg der Madrasa gekennzeichnet, die durch die Mamluken, vor allem aber durch die Seldschuken und die Folgedynastien gefördert wurde. Im 13. Jahrhundert entstanden auf dem Gebiet der heutigen Türkei alleine 68 Medresen 44, 1331 wurde die erste osmanische Madrasa in Iznik gegründet 45. In al-Andalus hingegen setzte sich die Institution nicht durch. Möglicherweise weil die politische Einheit bereits zu klein war, als das Phänomen sich verbreitete, möglicherweise weil die regionale Struktur der Gelehrtenkultur durch ein engmaschiges Netz kleinerer Städte und lokaler Patronage geprägt war. Auch die radikalasketischen Sufiorden setzten sich im Westen nicht durch - möglicherweise, weil der Sufismus zu wenig institutionalisiert war, 44 45
K. Kreiser/C. K. Neumann, Kleine Geschichte der Türkei, Stuttgart 2003, 60. C. Kafadar, Between Two Worlds. The Construction of the Ottoman State, Berkeley 1995, 16.
6. Ragˇab 707-17. Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive
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als daß eine solche Gegenreaktion provoziert wurde, möglicherweise weil das im Osten so bedeutsame zentralasiatisch-iranische Element fehlte. Und dennoch: Personen wie Ibn Taimı¯ya erlauben es, diese unterschiedlichen Entwicklungen sinnvoll zu verknüpfen. Das hängt mit zweierlei Dingen zusammen. Zum einen weil Ibn Taimı¯ya ein Gelehrter war und wir es hier primär mit Geistes-, nicht Wirtschafts- oder Sozialgeschichte zu tun haben. Auch Hodgson hat in der Hochkultur eine geeignete Ebene gesehen, um die Entwicklungen in dem von ihm gewählten geographischen Raum zu verknüpfen. Eine Grenzziehung wie die Guadalquivir-Ganges-Region (an Stelle von Nil-Oxus) allerdings würde es erlauben, Ibn Arabı¯ und Rasˇ¯ıd al-Dı¯n derselben Sphäre zuzuordnen. Zweitens hielt Ibn Taimı¯ya sich im geographischen Zentrum der islamischen Welt auf. Ähnliche Verbindungen zu verschiedenen Entwicklungen in der islamischen Welt ließen sich wohl auch für einen Zeitgenossen in Damaskus oder Mekka aufzeigen, wenngleich beide Regionen die Bedeutung Ägyptens als Handelszentrum nicht genossen. Freilich ist diese Situation nicht nur für die im engeren Sinne islamische Geschichte relevant. Die Handelstätigkeiten der Familie Maimonides’ lassen es nur als logisch erscheinen, daß sie in Ägypten Zuflucht vor der almohadischen Verfolgung suchten - einer Region zudem, in der Maimonides’ Muttersprache, Arabisch, gesprochen wurde. Ein wichtiges Argument für das Konzept einer islamischen Geschichte ist schließlich, daß Ibn Taimı¯ya sich mit all jenen anderen Männern auseinandersetzt, weil es sich um Muslime handelt. Das Verhandeln der islamischen Identität, der Gestalt der sunnitischen Orthodoxie im Ägypten der Mamlukenzeit war nicht nur eine Angelegenheit der Theologen, die sich klar von einem durch externe Einflüsse „verunreinigten“ „Volksislam“ abgrenzen ließe 46. Ibn Arabı¯ und Baraq Baba mögen ihre Anhänger vor allem in den unteren Schichten gehabt haben, aber vor allem ersterer hatte solche auch in den oberen Schichten. Seine intellektuelle Esoterik war attraktiv für gebildete Kreise. Nicht wesentlich anders war dies bei Ibn Taimı¯ya. Daß über islamische Identitäten verhandelt wurde, war zwar auch in anderen Teilen der islamischen Welt und zu anderen Zeiten der Fall, aber die Entwicklungen im östlichen Mittelmeerraum in der frühen Mamlukenzeit waren entscheidend. Nicht nur wurden hier Trends aus vielen anderen Regionen der islamischen Welt aufgegriffen, sondern die Ergebnisse hatten langfristige Konsequenzen, nicht zuletzt wegen der fortschreitenden Institutionalisierung und der zentralen geographischen Position Ägyptens. In kultureller Hinsicht war die Mamlukenzeit zudem ausgesprochen produktiv. Einige der Klassiker theologischer und historiographischer Werke wie Ibn Kat߯ırs Geschichtswerk wurden hier verfaßt, und es überrascht kaum, daß heute Ibn Taimı¯ya und Ibn Arabı¯ zu den am besten bekannten Muslimen zählen.
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Für eine allgemeine Auseinandersetzung mit dem Thema siehe B. Shoshan, Popular Culture in Medieval Cairo, Cambridge 1993; Y. Frenkel, Popular Culture (Islam, Early and Middle Periods), in: Religion Compass 2 (2008), 195-225.
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Die Missionen des Franziskanischen Ordens um 1308 und Duns Scotus’ Franziskanismus Roberto Hofmeister Pich (Porto Alegre) I. Einführ ung Dieser Aufsatz charakterisiert die Zeit und das Denken des Johannes Duns Scotus aus einer ungewöhnlichen Perspektive, nämlich aus der Sicht der Missionsarbeit der Franziskaner um 1300 beziehungsweise aus der Perspektive der Selbstkonzeption des Franziskanischen Ordens. Sofern dieser Blickwinkel irgendwie ein bedeutsamer Vergleichspunkt sein kann, um Einsicht in die Lehre des Scotus zu gewinnen, werden Aspekte seines Verständnisses des Franziskanischen Ordens und der Bettelorden im allgemeinen beziehungsweise seiner Auffassung der Natur der Kirche hervorgehoben. Die Untersuchung beginnt mit der Darstellung der Entwicklung der katholischen Missionen in Europa und besonders im Fernen Osten am Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts, deren Charakterisierung ein bedeutendes Licht auf die Geschichte des mittelalterlichen Europa in dieser Zeit wirft (Abschnitt II). Danach werden die Berichte von zwei Figuren der Epoche, nämlich des Johannes von Montecorvino und des Odorico von Pordenone, diskutiert (Abschnitt III). Falls sich zeigen läßt, daß diese Berichte Beispiele eines „missionarischen Franziskanismus“ jener Zeit sind, versteht sich, daß im Anschluß das umstrittene und zeitweilig Scotus zugeschriebene Werk ,De perfectione statuum‘ zu analysieren ist - obwohl hier die Analyse ziemlich kurz ausfallen muß und auf keinen Fall erschöpfend ist (Abschnitt IV). Gleichgültig ob die in ,De perfectione‘ skizzierte Kirchenlehre theologisch fragwürdig und von zweifelhafter Authentizität ist, stellt sich die Frage, ob Scotus über die von den erwähnten Figuren und dem genannten Werk verteidigte oder zumindest übernommene missionarische Selbstkonzeption des Minoritenordens und der Kirche etwas zu sagen hatte (Abschnitt V).
II. Christentum und Missionen der Franziskaner im Fer nen Osten im 13. un 14. Jahrhunder t Die Geschichte Europas und des Franziskanischen Ordens im 13. und 14. Jahrhundert soll hier von den Hauptquellen der Untersuchung her erzählt
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und interpretiert werden 1. Die Rede ist von den Chroniken und Briefen von vier Minoritenbrüdern, die in diesen Jahrhunderten aus verschiedenen Zwecken den Fernen Orient besucht haben: Johannes von Piano del Carpine, Wilhelm von Rubruck, Johannes von Montecorvino und Odorico von Pordenone 2. Ihre Texte sind weder theologische noch philosophische Abhandlungen. Die Berichte des Johannes von Piano del Carpine, die sogenannte ,Historia Mongalorum‘, und Wilhelms von Rubruck, das sogenannte ,Itinerarium‘ 3, sind die ältesten Berichte von Abendländern im Herzen des Mongolischen Reiches, des damals größten Flächenstaats der Welt überhaupt. Es ist bekannt, daß das mongolische Reich mit Dschingis Khan (1167-1227), dem erfolgreichen Führer und Vereiniger der mannigfaltigen mongolischen Hirtenstämme, seinen Anfang nahm. Sein 1
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Zu diesem gesamten Abschnitt cf. R. H. Pich, Uma visita ao maravilhoso: ColecX a˜o Pensamento Franciscano oferece textos fundamentais de autores medievais em viagens ao Oriente, in: Cult Revista Brasileira de Cultura 7 (2004), no. 86, 30-32; id., Croˆnicas de Viagem, Franciscanos no Extremo Oriente antes de Marco Polo (1245-1330), in: Signum 8 (2006), 335-347. Zu Abschnitt II, III. 1 und III. 2 insgesamt cf. Historia Missionum Ordinis Fratrum Minorum, vol. 1, Rom 1967; A. C. Moule, Christians in China before the Year 1550, London 1930; C. Dawson (ed.), The Mongol Mission: Narratives and Letters of the Franciscan Missionaries in Mongolia and China in the Thirteenth and Fourteenth Centuries, London-New York 1955; C. CaryElwes, China and the Cross, New York 1957, 38-72. Zu Abschnitt III. 1 und III. 2 cf. auch B. Kloppenburg, As primeiras misso˜es entre os mongo´is, in: Revista Vozes (maio/junho 1945), 350 sqq. Berichte von Missionen im 13. Jahrhundert sind insgesamt wichtig für das Verständnis der Geschichte des franziskanischen Ordens und seiner Selbstkonzeption. Literatur- und kirchengeschichtlich gesehen betrifft dies zum Beispiel auch die Chroniken der Minderbrüder Jordan von Giano und Thomas von Eccleston in ihren Missionen nach Deutschland und England, cf. L. Hardick, Einführung, in: Jordan von Giano/Thomas Eccleston, Nach Deutschland und England. Die Chroniken der Minderbrüder Jordan von Giano und Thomas von Eccleston, eingeleitet und übersetzt von L. Hardick, Werl 1957, 17-35, wobei diese Berichte insgesamt etwa die Zeit von 1207-1262 umfassen. Die Missionsarbeit Jordans von Giano und Thomas Ecclestons ist natürlich etwas anderes als die Bewegung nach Osten und Palästina, welche die erste Phase der franziskanischen Missionen auszeichnet. Was die Arbeit Jordans von Giano besonders angeht, so wurde er hauptsächlich zur Mission, Verbreitung und Niederlassung des Ordens in deutsches Gebiet gesandt (Eisenach, Gotha, Nordhausen und Mühlhausen, auch Gera). In der Zeit von 1239-1241 soll er „Provinzvikar der [ungefähr 1239-1240] neu errichteten böhmischpolnischen Provinz“ geworden sein. Cf. auch die brasilianischen Ausgaben, Jorda˜o de Jano, Croˆnica de Frei Jorda˜o, in: Jorda˜o de Jano [e. a.], Croˆnicas Medievais Franciscanas, A expansa˜o dos frades pela Europa, traducX a˜o, introducX a˜o e notas de A. E. Pintarelli (ColecX a˜o Pensamento Franciscano 9), Porto Alegre-BragancX a Paulista 2008, 25-59; Toma´s de Eccleston, Livro da chegada dos frades menores a` Inglaterra, in: op. cit., 75-143. Für den Bericht des Johannes von Piano del Carpine benutze ich die von Enrico Menesto` besorgte kritische Ausgabe des lateinischen Originals: Giovani di Pian di Carpine, Storia dei mongoli, ed. E. Menesto`, Spoleto 1989. Die weiteren Quellen befinden sich in den von A. van den Wyngaert kritisch edierten Originalen in: Sinica Franciscana, Collectio documentorum ad historiam fratrum minorum in Sinis spectantium, Florenz 1929, vol. 1. Ich orientiere mich in der Regel an der sehr guten brasilianischen Ausgabe: Joa˜o de Pian del Carpine/Guilherme de Rubruc/Joa˜o de Montecorvino/Odorico de Pordenone, Croˆnicas de viagem. Franciscanos no Extremo Oriente antes de Marco Polo (1245-1330), IntroducX a˜o, traducX a˜o e notas de I. Silveira, revisa˜o por A. da Silva Moreira e A. Pintarelli (ColecX a˜o Pensamento Franciscano 7), Porto Alegre-BragancX a Paulista 2004, 29-97, 115-243, 253-265, 283-336.
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Sohn und 1229 gewählter Nachfolger Ögedei Khan erweiterte das Reich durch eine Welle von Eroberungen bis nach Osteuropa. Historiker reden von der Zeit des „großen Einfalls“ 4 - 1236 bis 1241 - als Rußland, Polen, Moravien, Schlesien und Ungarn überrannt wurden und über Österreich hinaus sogar Nordostitalien bedroht wurde 5. Ein Glück, daß der Großkhan Ögedei 1241 (in Karakorum) starb und 1242 die in Ungarn stationierten Heere in die Mongolei zurückkehrten! Dort sollte der neue Großkhan des Reiches - Güyük - gewählt werden, was aber erst 1246 in Anwesenheit ,internationaler Diplomaten‘ geschah. Die Berichte der Franziskaner entsprechen verschiedenen Phasen der Tätigkeiten des Ordens im mongolischen Fernen Osten. Die Chroniken des Johannes del Carpine umfassen seine gemeinsame Mongolenreise mit Benedikt von Polen von 1245 bis 1247. Die Reise erfolgte auf Befehl Innozenz’ IV. und war eine Art diplomatische Mission in das neue Reich. Johannes del Carpine war 1246 bei der Wahl des neuen Khans anwesend. Obwohl Marco Polos (1254-1324) ,Il Milione‘ 6 der Bestseller ist, der das Land „Cathai“ oder „China“ (am Ende 4
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Jahrzehntelang - zumindest bis zum Ende des 13. Jahrhunderts - war das Gefühl der Europäer gegenüber den Mongolen die typische - und in diesem Fall große - „Angst vor dem Anderen“. Die Angst, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts vor der Möglichkeit eines bevorstehenden Einfalls durch die alles zerstörenden wilden Horden der ,Tataren‘ erlebt wurde, überlebte lange Zeit als eine Vorstellung von Unruhe, cf. G. Duby, Ano 1000, ano 2000: na pista de nossos medos, Sa˜o Paulo 1999, 52 sqq. Auch der Minorite Jordan von Giano berichtet, als er 1239-1242 der höchste Obere der neuen böhmisch-polnischen Ordensprovinz war, daß die Tataren für das Abendland als Bedrohung empfunden wurden, cf. Jordan von Giano, Briefe des Bruders Jordan von Giano, in: Jordan von Giano/Thomas Eccleston, Nach Deutschland und England (nt. 2), 1. Brief, 108 sq.: „Die Predigerbrüder und unsere eigenen Brüder sowie die anderen Gläubigen sind vom Volk der Tataren, das dem Abgrund der Hölle entstammt, vertrieben worden.“ Gerade die böhmischpolnische Provinz wurde am stärksten von den Kriegshandlungen betroffen, cf. L. Hardick, Einführung, in: op. cit., 23. Cf. auch ibid., 27: „Die Briefe Jordans sind ein wertvolles Zeugnis der großen Gefahren, welche der abendländischen Christenheit seitens der Tataren drohten. Auch geben sie Aufschluß über das Schicksal der jungen böhmisch-polnischen Ordensprovinz und zum Leben Jordans selbst.“ Cf. Marco Polo, Milione, versione toscana del Trecento, ed. V. Bertolucci Pizzorusso, Mailand 1975. Der ,Il Milione‘ war das Ergebnis von siebzehn Jahren des Lebens und Dienstes Marco Polos am Hof des Großkhans Kubilai. In einer nüchternen Analyse brachte Marco Polos Bericht den Europäern seiner Zeit eine Ahnung des Fernen Orients, der in der Regel als bewundernswert und andersartig dargestellt wird. Nach 1368 wurden die Wege - etwa die „Seidenstraße“ für weitere Bekanntmachungen geschlossen, was eine gegenseitige Unkenntnis von einer Dauer von fast zwei Jahrhunderten verursachte. Weder war der ,Milione‘ das einzige schriftliche Zeugnis eines Europäers über das Wesen des asiatischen Kontinents, noch war er das erste oder gar einzige Zeugnis eines abendländischen Händlers aus dem Fernen Orient, wie etwa ,Die Stadt des Lichts‘ des jüdischen Händlers Jakob von Ancona zeigt, cf. Jacob d’Ancona, Cidade de luz, Muito antes de Marco Polo, Jacob D’ancona chegou a` China, ed. D. Selbourne, traducX a˜o da edicX a˜o brasileira de M. Santarrita, Rio de Janeiro 2001, 431 sq. Zum Thema der Reisen von Kaufleute aus Westeuropa nach China vom 13. bis zum 14. Jahrhundert cf. K. S. Latourette, Los chinos, su historia y su cultura, trad. de M. de Hernani, Buenos Aires 1949, 326 sqq. Dennoch ist es verständlich, daß das Werk mit einem so großen Register von Eindrücken und Auskünften in ganz Europa Aufsehen erregte und übersetzt wurde. Aber der ,Milione‘ - als
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des 13. Jahrhunderts unter der totalen Herrschaft der Mongolen der YuanDynastie) und über die phantasievolle und literaturinspirierende Vorstellung des Reichtums des mongolischen Khans Kubilai 7 hinaus die Europäer mit dem Fernen Osten bekannt gemacht hat 8, sind die Chroniken des Johannes del Carpine das älteste bekannte schriftliche Zeugnis eines Abendländers über den Fernen Orient. Seine Reise geht der Reise Marco Polos 25 Jahre voran und seine Chroniken entstanden etwa 50 Jahre vor dem Bericht Marco Polos. Tatsächlich sind bereits nach dem zweiten Konzil von Lyon, das eine strenge politische Agenda zeigte und sich vor allem mit Kreuzzügen in Palästina und der neuen Gefahr der mongolischen Macht beschäftigte, Dominikaner und Franziskaner in die Mongolei gesandt worden 9. Zunächst erreichten nur die Minoriten - Johannes del Carpine und Benedikt von Polen - das Ziel. Diplomatie war das beste remedium contra Tataros. Ein Kreuzzug gegen sie kam nicht in Frage: Der Gegner war zu stark und noch unbekannt; anscheinend gab es viele Christen unter den Mongolen und den von ihnen eroberten Völkern - es bestand die Vorstellung der Khanen als „Nachfolger des Priesterkönigs Johannes“ 10; und schließlich konnte die neue Macht ein Alliierter gegen den Islam sein 11.
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Titel ein Sinnbild der Übertreibung - wurde nie unter Historikern und Gelehrten als vertrauliche Quelle geschätzt. Es gibt sogar mehrere Forschungen, die ernste Zweifel daran äußern, daß Marco Polo überhaupt zu den ersten europäischen Besuchern in China zu zählen ist. Sein Werk zeigt große Ungenauigkeiten und bemerkenswerte Lücken wie zum Beispiel seine Nichterwähnung der Großen Mauer und des Teebrauchs, des chinesischen Schreibsystems und der gebundenen Füße der Frauen, cf. Frances Wood, Marco Polo foi a` China?, Rio de Janeiro 1997, 75112 und 141-147. Die Debatten gehen weiter. Es ist trotzdem sicher, daß der Bericht Marco Polos derjenige ist, der Europäer des 14. Jahrhunderts über China informiert hat. Leute wie Columbus und Vasco da Gama haben wahrscheinlich den Bericht gelesen; und wenn sie nirgends Menschen mit mehreren Köpfen fanden, so wäre es ihnen doch möglich gewesen, Brunnen zu sehen, aus denen ein schwarzes Öl floß… Insgesamt erreichten abendländische Seefahrer ab dem 15. Jahrhundert Ortschaften, die Marco Polo schon beschrieben hatte; nicht nur teilten die Seefahrer mit dem Venezianer Träume von fabelhaften Reichtümern, sondern sie benutzten auch geographische Angaben sowie Hinweise auf Handelszentren des Orients, die von Marco Polo mit ausreichendem Realismus beschrieben worden waren; cf. Art. ,Marco Polo (12541324)‘, in: Grandes personagens da Histo´ria Universal, vol. 2, Sa˜o Paulo 1972, 333-348. Kubilai Khan hatte China 1276-1279 vollkommen für die mongolische Herrschaft erobert. Zu der Zeit Marco Polos am Hof Kubilai-Khans cf. O esplendor do Oriente: as viagens de Marco Polo, in: Os grandes exploradores de todos os tempos, Lissabon 1980, 28-39. Zu Vorstellung von und Kenntnis der Europäer über Asien während des Mittelalters cf. F. Reichert, Begegnungen mit China. Die Entdeckung Ostasiens im Mittelalter, Sigmaringen 1992. Cf. J. Glazik, Die Mission der Bettelorden außerhalb Europas, in: H. Jedin (ed.), Handbuch der Kirchengeschichte, vol. 3, 2: Die mittelalterliche Kirche, Freiburg-Basel-Wien 1968, 483: „Zu dem Zweck sandte der Papst schon vor dem Ende des Konzils die Franziskaner Laurentius von Portugal und Johannes von Piano di Carpine zu den Mongolen. Die Sendung des Laurentius war rein missionarisch; sein Begleitschreiben enthielt nichts als eine katechetische Darlegung des christlichen Glaubens. Die übrigen Gesandschaften hatten überwiegend diplomatischen Charakter: Johannes sollte zum Frieden mahnen, die beiden Dominikaner Ascellin (oder Anselm) und Andreas von Longjumeau sollten das gewünschte Bündnis gegen die Muslime anbahnen.“ Cf. ibid., 480 sq. Cf. H. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais e das Cruzadas, Sa˜o Paulo 1993, 560. Eine Allianz haben später auch andere Gesandte und Königreiche mit weiteren politischen Figuren des mon-
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Das in neun Kapitel eingeteilte Werk des Johannes del Carpine erweist sich als Beschreibung der Geschichte und Kultur der Mongolen 12. Die wichtigsten überlieferten Informationen sind aber politischer Art. Er berichtet über die Militärmacht und die Machthierarchie der Mongolen. Den Sorgen der abendländlischen Königreiche entsprechend versucht Johannes del Carpine, die politischen Absichten der Mongolen herauszufinden und Vorschläge zu machen, wie das mongolische Heer bekämpft werden sollte 13. Im weniger bekannten Bericht Benedikts von Polen, der Johannes seit Bratislava begleitete, ist die Übertragung eines Briefs von Großkhan Güyük an Innozenz IV. zu lesen, der deutlich auf den wahren Zweck der Reise hinweist: Die gewünschte Information über die Macht der Mongolen wurde vom Khan selbst in einem Dokument bestätigt, in dem er zugleich konkret und naiv seine unüberwindliche Macht verkündet und Papst und Reich dazu ermahnt, seine weltliche Herrschaft anzuerkennen. Der Khan hält sich „dem göttlichen Recht nach“ für den „Herrn der ganzen Erde“ 14. Predigerbrüder, unter ihnen Andreas von Longjumeau, brachten 1251 Ludwig IX. in Zypern ähnliche Nachrichten. Der König erkundigte sich aber danach, ob Christen, vor allem Nestorianer 15, unter den Mongolen lebten, so daß es ihm treffender schien, echte Missionare nur mit einem Begleitschreiben zu den Mongolen zu senden. Diese Aufgabe unternahm als erster katholischer Missionar in der Mongolei, nicht bloß als Gesandter, der begabte Wilhelm von Rubruck 16.
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golischen imperium versucht, so etwa König Hethum I. von Armenien, der sich 1245 um eine Allianz mit den Mongolen gegen den Islam bemühte. Cf. I. Silveira, IntroducX a˜o a` Historia Mongalorum, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), 11-28. Cf. Joa˜o del Pian del Carpine, Histo´ria dos mongo´is, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), Kapitel VI sqq. Cf. Benedito da Poloˆnia, Relato´rio, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), 104. Zur Geschichte der Nestorianischen Kirche cf. W. Hage, Art. ,Nestorianische Kirche‘, in: G. Müller (ed.), Theologische Realenzyklopädie, vol. 24, Berlin-New York 2000, 264-276; L. R. Wickham, Art. ,Nestorius/Nestorischer Streit‘, in: op. cit., 276-286. Während des Mittelalters erlebte die Nestorianische Kirche eine merkwürdige Expansion in den Orient beziehungsweise nach Indien, Zentralasien und China. In China befanden sich die Nestorianer bereits im 7. Jahrhundert. Der Nestorianismus hatte gerade während der Mongolenherrschaft im 13. Jahrhundert seine Blütezeit in Asien. In gewissem Sinne war die Nestorianische Kirche eine wahre Missionskirche des Mittelalters. Die in der Regel abwertenden Bemerkungen Wilhelms von Rubruck über die nestorianischen Christen (siehe unten) verdienen eine eigene Untersuchung. Es gab viele Nestorianer im China der Mongolen: Das nestorianische Christentum war in Zentralasien und China weit verbreitet. Viele Ausländer, die ins China der Yuan-Dynastie kamen, waren nestorianischen Glaubens. Vor allem der Stamm der Keraı¨ten, die Nestorianer waren, steht in einer direkten Beziehung zu den Mongolen. So waren viele ,Beamte‘ und sogar die Mütter der Khane Mangu, Hülägü und Kubilai Keraı¨ten und damit auch Nestorianer. Die meisten Öngüt und Uiguren waren ebenfalls Nestorianer, cf. dazu Latourette, Los chinos (nt. 6), 328-331. Die Römisch-Katholische Kirche hegte während dieser Zeit der Missionen im Fernen Orient auch die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit der im mongolischen Reich reorganisierten nestorianischen Kirche, cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 485. Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 561 sq.
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Während viele der ersten Gesandten eher wie Diplomaten, Geographen und Ethnologen anmuten, handelt und schreibt Wilhelm von Rubruck als christlicher Missionar. Im ,Itinerarium‘ berichtet er über seine von Ludwig IX. unterstützte Reise von Palästina in die Hauptstadt des Mongolischen Reiches in den Jahren 1252 bis 1255 17. Das Werk gilt als anspruchsvolles und detailreiches Reisebuch. Sicherlich war die Mission auch politischer Art - König Ludwig IX. von Frankreich wünschte sich ein Bündnis mit den Mongolen gegen den Islam im Nahen Osten -, aber Wilhelm stellt unabhängig von seinem Auftrag explizit fest, daß seine Absicht von Anfang an sei, aus eigenem Antrieb im Orient dem letzten Kapitel der Franziskanischen ,Regula‘ zu folgen, das von jenen handelt, „die unter die Sarazenen oder andere Ungläubige gehen“ 18. Der Aufenthalt Wilhelms von Rubruck bei den Mongolen in der Hauptstadt Karakorum fand unter der Herrschaft von Mangu Khan statt. Wichtig ist auch, daß er in seinen Berichten das Ziel seiner Mission mit großer Ernsthaftigkeit im Blick hat. Wilhelm bemerkt etwas, das in gewisser Hinsicht die ganze Periode der katholischen Missionen im mongolischen Asien etwa bis 1368 charakterisiert, als die Chinesen die mongolische Yuan-Dynastie 19 (1279-1368) niederschlugen und die ,ausländerfeindliche‘ 20 einheimische Ming-Dynastie (13681644) begann 21: Mangu hatte, wie auch die anderen Khane, kein besonderes Interesse am Christentum oder zumindest kein größeres als an anderen Religionen 22. Für die Geschichte der Missionen, der Kirche und der Religionen erweist sich der Bericht Wilhelms als der ausführlichste in der Beschreibung der religiösen Bräuche der „Götzendiener“ (wahrscheinlich buddistischer Mönche), Muslime und Nestorianer bei den Mongolen 23. Der akademische Stil Wilhelms von Rubruck zeigt aber auch etwas, das zum missionarischen Geist der Zeit - vor allem der Dominikaner und Franziskaner an den Universitäten - gehörte: die Fähigkeit, den Ungläubigen die christliche Lehre darzustellen und sie durch Lehre und Predigt auf die Wahrheit der christlichen Botschaft vorzubereiten. Neben liturgischen Schriften und Gebetbüchern hatte Wilhelm Exemplare der 17
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Cf. dazu I. Silveira, Guilherme de Rubruc - Vida e obra, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), 107-114. Cf. H.-U. von Balthasar (ed.), Die großen Ordensregeln. Franciscus - Die Regeln des Franziskanischen Ersten Ordens (zweite und dritte Regel des heiligen Franciscus), übertragen und eingeleitet von L. Casutt, Einsiedeln-Zürich-Köln 1948, 266; cf. Guilherme de Rubruc, Itinera´rio, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), I. 6, 117 sq.; IX. 1, 132 sq.; XXXVI, 227. Cf. dazu Latourette, Los chinos (nt. 6), 313-336. Diese Feindschaft richtete sich auch gegen die fremden Religionen - mit Ausnahme des Buddhismus, der in China schon vor der mongolischen Zeit eine Geschichte und eine Entwicklung hatte, cf. op. cit., 314. Cf. dazu (wie zur Geschichte der Religionen in China insgesamt) W. Bauer, China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstellungen, München 1971, 323-330. Cf. Latourette, Los chinos (nt. 6), 337-365. Cf. Guilherme de Rubruc, Itinera´rio (nt. 18), XXVII-XXIX, 170-199. Cf. ibid., XXIV sq., 162-166.
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,Sentenzen‘ des Petrus Lombardus in die Mongolei mitgebracht. Er berichtet über eine von Mangu Khan initiierte theologische Debatte mit „Götzendienern“ und Muslimen, um die Überlegenheit der christlichen Religion darzustellen 24. Trotz seiner Enttäuschung über die Tatsache, daß Wilhelm kein Diplomat war, war Mangu Khan dem Franziskaner freundlich gesonnen und erlaubte ihm wiederzukommen, wenngleich sein gesamter Eindruck vom Christentum - vor allem wegen der bedauerlichen Sitten der Nestorianer, so Wilhelm von Rubruck - nicht positiv war 25. Innozenz IV. und nachfolgende Päpste haben in der Folgezeit ständig Prediger- und Minderbrüder zu direkten Missionsarbeiten ermutigt, die zuvor von den Zisterziensern übernommen worden waren: „Die Ordensbrüder selbst, die sich für die Missionsarbeit entschlossen, bildeten eigene Missionsgemeinschaften innerhalb ihrer Ordensfamilie“; die Missionsfelder der Franziskaner waren in sechs Vikarien - Ordensinstanzen und nicht kirchliche Instanzen - aufgeteilt, „von denen die Vikarien Tatariae Aquilonaris, Orientis und Cathai den Bereich der Mongolen umfaßten“ 26. Die Beziehungen zwischen Asien und dem Abendland hatten Kontinuität. So schrieb 1285 der Khan aus Persien einen Brief an Honorius IV. und schlug vor, die Kreuzzüge gegen die Muslime mit seiner Unterstützung - aus der Ferne - weiterzuführen. 1287 hat ein Khan aus China den nestorianischen Mönch Raban Sauma nach Paris und zu Nikolaus IV. gesandt. Asien war den Christen nicht verschlossen. Um 1295/1296 konnten alle Europäer von den Berichten der aus China zurückgekehrten Familie Polo hören. Aber noch vor der Rückkehr der berühmten Familie und höchstwahrscheinlich nachdem er sich bei Raban Sauma über den Einfluß des nestorianischen Christentums in Cathai und Mongolien erkundigt hatte, entschloß sich Nikolaus IV. im Jahre 1289, eine neue Mission in den Fernen Orient zu entsenden. Hier kommt der Franziskaner Johannes von Montecorvino ins Spiel 27. III. „Franziskanischer Missionarismus“: Der Fall Johannes von Montecor vino und Odorico von Pordenone 1. Johannes von Montecorvino Die Durchführung weiterer Missionen wurde durch die Toleranz der Mongolen gegenüber den verschiedenen Glaubensrichtungen erleichtert. Diese profitierten auch von den guten Verhältnissen zwischen mongolischem Khan, Papst 24 25 26 27
Cf. ibid., XXXIII-XXXIV, 211-220. Cf. auch Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 561 sq. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 484. Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 563; J. Moorman, A History of the Franciscan Order. From its Origins to the Year 1517, Chicago 1988 [Erstveröffentlichung Oxford 1968], 236 sqq. Cf. auch ibid., 607 für wichtige Literaturangaben zu den franziskanischen Missionen im Fernen Orient.
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und Kaiser - Verhältnisse, die sich zum großen Teil aus der päpstlichen Diplomatie ergaben. So hat beispielsweise Kubilai thaoistische und buddhistische Mönche, nestorianische Priester und Meister des Islams sogar finanziell unterstützt - wurden Gebete für den Khan gesprochen, so gewährte er den Religiösen Steuerfreiheit. Religiöse Toleranz, die auch bei den nachfolgenden Khanen herrschte, war eine politische Maßnahme: Sie unterstützte die Pax mongolica 28. Darüber hinaus hatten die Mongolen in der Zeit der Eroberung Chinas bedeutsame Kontakte mit anderen Völkern und Kulturen; Amtsträger waren vor allem Mongolen und Fremde - jedoch kaum Chinesen. Mit einer gewissen Freiheit und Sicherheit für Geschäfte kamen zahlreiche Händler aus Westeuropa, Arabien, Persien und Zentralasien ins Reich, wobei die Reisenden und im Ausland etablierte Kaufleute immer auch ihre Religion(en) mitbrachten - so auch das Christentum 29. Alte Handelstraßen und jetzt auch neue sicherere Seewege (an den Küsten Indiens und Chinas) wurden zunehmend benutzt. Vor seiner Arbeit in China war Johannes von Montecorvino (1247-1328) päpstlicher Gesandter in Persien und Äthiopien und diente für kurze Zeit als Missionar in Indien. Johannes kam mit einem Begleitschreiben des Papstes in der neuen Hauptstadt Khanbaliq an - während seiner Reise sollte er Patriarchen und Königen offizielle Dokumente übergeben 30. Von ihm sind heute drei Briefe erhalten. Johannes von Montecorvino war der erste Missionar, der 1293/1294 in „Cathai“ beziehungsweise in Peking angekommen ist - kurz nach dem Tod Kubilais, dessen Nachfolger Timur war, und zugleich während der Zeit des theologischen Studiums des Duns Scotus in Oxford 31. Johannes lebte 35 Jahre in China und ist nie nach Europa zurückgekehrt, er starb 1328 in Peking und wurde dort begraben. Der erste Brief (1292-1293) bezieht sich auf Indien, das Johannes vor seiner Ankunft in China besuchte. Er enthält keine Angaben zur Missionsarbeit und besteht aus einem kurzen Bericht über ein den Europäern damals unbekanntes Land 32. Der zweite Brief von 1305 und der dritte von 1306, 28
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Auch der Konfuzianismus wurde unterstützt; cf. zum Thema der religiösen Toleranz Latourette, Los chinos (nt. 6), 321 sq. Johannes von Montecorvino, Cartas, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), 2. Brief, 258, erzählt, daß der damalige Großkhan Mangu den Christen viele Wohltaten erwies. Cf. auch W. Hage, Der Weg nach Asien: Die ostsyrische Missionskirche, in: K. Schäferdiek (ed.), Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, vol. 2: Die Kirche des früheren Mittelalters, München 1978, 376 sq. (siehe hier auch nt. 83). Dies gilt insbesondere für das ostsyrische (nestorianische) Christentum, cf. Latourette, Los chinos (nt. 6), 324 sq., 328; id., A History of the Expansion of Christianity, vol. 1: The First Five Centuries, New York-London 1937, 171-238; vol. 2: The Thousand Years of Uncertainty, New York-London 1938, 283 sqq.; cf. vor allem Hage, Der Weg nach Asien (nt. 28), 360393. Zur Figur des Händlers im Mittelalter cf. A. J. Gorevich, The Merchant, in: J. Le Goff (ed.), The Medieval World, London 1997, 242-283. Cf. I. Silveira, ApresentacX a˜o de Joa˜o de Montecorvino - Cartas, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), 248. Cf. L. A. De Boni, Sobre a vida e a obra de Duns Scotus, in: Patristica et mediaevalia 27 (2006), 51-72. Cf. Silveira, ApresentacX a˜o, (nt. 30), 252.
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die an sich auch als wichtige Dokumente über die Chinesen und Mongolen des 13. bis 14. Jahrhunderts anzusehen sind, sind vor allem Zeugnisse der Verkündigung des Evangeliums 33. Der zweite Brief ist informativ, redet verstärkt vom missionarischen Geist, appelliert an die Unterstützung der Kirche und des Ordens und äußert persönliche Erlebnisse; der Stil erinnert an den des Apostels Paulus. 1305 war Johannes 58 Jahre und praktisch allein und ohne Beichte geblieben. 1294 hatte er mit seiner Arbeit unter den nestorianischen Öngüt im nördlichen Tenduk begonnen; er bewog dessen König Georg zu einer Union mit Rom und baute in der Hauptstadt des Königreichs Georgs eine Kirche 34, in der die lateinische Meßliturgie sowohl der Kanon als auch die Präfation - auf tatarisch gefeiert wurde 35. 1298 starb König Georg und wegen des heftigen Widerstandes der Nestorianer (und der Brüder des ehemaligen Königs) entschloß sich Johannes, „Khanbaliq […] aufzusuchen und dort mit der eigentlichen Missionsarbeit zu beginnen“ 36. 1303 kam Bruder Arnold aus der Provinz Köln - Arnold von Köln, der erste deutsche Chinamissionar - zu ihm 37. Außer von der Taufe von etwa sechstausend Personen 1305 und dem Aufbau einer Kirche in Khanbaliq berichtet Johannes über vierzig Kinder zwischen sieben und elf Jahren, die er von Heiden gekauft hat: Er hat sie getauft, sie Latein und den Ritus gelehrt und gründlich katechisiert. Johannes schrieb für sie ein Psalter mit dreißig Hymnen und zwei Breviere. Chor und Wochengebete befolgten die Kinder wie in einem Kloster 38. Er berichtet auch, daß Nestorianer ihn für fünf Jahre verfolgten und verleumdeten sie beabsichtigten, den Großkhan davon zu überzeugen, daß Johannes kein päpstlicher Gesandter, sondern ein Betrüger war. Mehrmals wurde Johannes vor Gericht gebracht, konnte am Ende aber seine Unschuld beweisen 39. Johannes klagt darüber, daß er - im Zustand einer solchen Isolation - nicht alle Umstände kontrollieren und sich in der Regel nicht weit vom Khan entfernen könne. Er warte auf andere Mitarbeiter und bitte um Brüder mit wahrem apostolischem Geist. Wichtiges Ziel und zentrale Erwartung ist natürlich auch die Bekehrung und die Taufe des Großkhans 40. Den Generalminister des Ordens bittet Johannes um ein Antiphonarium, die Legenden der Heiligen, das Graduale und einen Psalter mit Noten, das heißt Liturgiebücher. Er baue gerade noch eine weitere Kirche, wo seine Kinder die Verbreitung der christlichen Botschaft 33
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Die Briefe wurden durch einen Zeitgenossen des Johannes von Montecorvino, Bruder Elemosina, Historiograph des Heiligen Klosters von Assisi, bekanntgemacht und zum ersten Mal auf Lateinisch von Lucas Wadding, dem Verfasser der ,Annales Minorum‘, veröffentlicht. Cf. dazu ibid. Der Sohn des Königs Georg hieß zu Ehren des Johannes von Montecorvino „Johannes“, cf. Joa˜o de Montecorvino, Cartas (nt. 28), 2. Brief, 9, 262. Cf. ibid., 2. Brief, 4, 260 und 9, 261 sq. Cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 486. Cf. ibid. Cf. Joa˜o de Montecorvino, Cartas (nt. 28), 2. Brief, 2 sq., 259. Cf. ibid., 2. Brief, 1, 258 sq. Cf. ibid., 2. Brief, 5, 260.
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vorantreiben sollen, lerne die Sprache der Tataren und übersetze das Neue Testament und den Psalter; er befolge das Evangelium, lehre und predige öffentlich das Zeugnis des christlichen Gesetzes 41. Der dritte Brief, adressiert an den Generalminister der Franziskaner, den Meister der Dominikaner und die Brüder beider Orden, die sich in der Provinz Persien befinden, zeigt einen noch stärkeren Appell zum Auftrag der Missionen in China. Johannes klagt wieder, daß er allein bleibe, daß niemand seine Briefe erhalten und er nichts von den Brüdern gehört habe 42. Er wisse jedoch, daß der erste in die Provinz von Gazarien (Krim) gesandte Brief sein Ziel erreicht habe 43. Jetzt wird von einem neuen Wohnsitz berichtet, der dem Hof des Khans sehr nahe liegt. Das Landstück war das Geschenk eines christlichen Kaufmanns, Peter von Lucalongo, und im Jahr 1305 war es Johannes gelungen, eine Kirche für zweihundert Personen nahezu fertigzustellen 44; diese selbst war der Residenz des Khans sehr nah, die erste in Khanbaliq gebaute Kirche dagegen lag in der Mitte der Stadt. In beiden Kirchen rezitierten Kinder die Messe. Als päpstlicher Gesandter hatte Johannes einen festen Platz am Hof des Khans. Im dritten Brief plädiert Johannes für die Sendung von wohlvorbereiteten, „starken“ oder „festen“ Brüdern - womit auch deren Gesundheit gemeint war - nach Indien, wo er selber einhundert Personen getauft hatte 45. Gemäß der von Bruder Elemosina geschriebenen Ergänzung am Ende des dritten Briefes werden für Bekehrung und Lehre Prediger und Meister nach Indien und in den Orient verlangt - wahrscheinlich Dominikaner und Franziskaner, die in Persien und auf der Krim tätig waren 46. Der Hauptzweck der Briefe bestand darin, den Heiligen Stuhl von der Bedeutsamkeit zu überzeugen, Brüder, Priester und Bischöfe in den Fernen Osten zu entsenden. Durch Dokumente des Vatikans ist heute bekannt, daß Johannes von Montecorvino die China-Mission entscheidend vorangetrieben hat. 1307 in Scotus’ letztem Jahr als magister regens in Paris, kurz nach der Abfassung seiner ,Quodlibetales‘ und im Jahr seiner Ankunft in Köln 47 - gründete Clemens V. das Bischofsamt von Peking und nominierte Johannes für das Amt des Erzbischofs des ganzen Reiches. Auf päpstlichen Befehl an den Generalminister des Franziskanischen Ordens wurden sieben Brüder ausgewählt, um in China als Bischöfe zu dienen und Johannes von Montecorvino offiziell in sein Amt einzuführen. Drei von ihnen erreichten China zwischen 1309 und 1313, folgten dem Befehl und übernahmen Diözesen 48. Nach dreißig Jahren der Missionsarbeit in 41 42 43 44 45 46 47 48
Cf. ibid., 2. Brief, 9, 261. Cf. ibid., 3. Brief, 1, 262. Cf. ibid., 3. Brief, 1. 262 sq., es handelt sich hierbei bestimmt um Johannes’ zweiten Brief. Cf. ibid., 3. Brief, 2, 263. Cf. ibid., 3. Brief, 4, 5, 7, 264. Cf. ibid., 3. Brief, 8, 265. Cf. De Boni, Sobre a vida e a obra (nt. 31), 51-72. In wichtigen Städten wie Zaitun (Quanzhou), Hangzhou und Yangzhou, sowie in Khanbaliq, gab es Häuser des Franziskanischen Ordens, cf. Latourette, Los chinos (nt. 6), 328 sq.
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China gründete Johannes, ,der Apostel Chinas‘, sechs Bistümer 49. Zum Zeitpunkt seines Todes „zählte die katholische Christenheit in China rund 30.000 Gläubige, unter ihnen etwa 15.000 Alanen, die die Mongolen aus dem Kaukasus nach China verpflanzt hatten. (Das erste chinesische Plenarkonzil [der Katholischen Kirche] in Shanghai beantragte 1924 die Seligsprechung des Johannes von Montecorvino)“ 50. 2. Odorico von Pordenone Trotz seiner Übertreibungen werden die Beschreibungen Odoricos von Pordenone (ca. 1270-14. Januar 1331; seliggesprochen 1755) auch von Historikern geschätzt 51. Zu seiner Zeit haben die ,Relatio‘ oder das ,Itinerarium‘ das Publikum fasziniert; eine Faszination, die zum Teil auf die literarische Verwandschaft des Werks zu Marco Polos ,Il Milione‘ zurückzuführen ist. Odoricos Berichte von seinen Reisen nach Indien und China sind zugleich detailreich und von einer Tendenz zur Übertreibung gekennzeichnet 52. Als scharfsichtiger Beobachter hat er viele Notizen zur chinesischen Kultur und Geographie gemacht, die keine Parallelen im ,Il Milione‘ finden. Wenn es auch richtig ist, daß er der erste Europäer war, der über die Insel Sumatra berichtete und bis nach Borneo fuhr, der die Fischfangmethode der Taucher beschrieb und bemerkte, daß sich die Mädchen die Füße binden müssen 53 und die Mandarine lange, bogenförmige Fingernägel trugen 54, so trifft doch ebenso zu, daß er eine Neigung zum Herrli49
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Es gab mehrere Klöster wie das Kloster in Sultaniyah (gegründet um 1318-1320), in der Zeit als die mongolischen Ilkhane dort herrschten, cf. A. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone - Relato´rio, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), 271. Cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 486. Zum Leben Odoricos von Pordenone cf. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 275-278. Cf. ibid., 270. Charakteristisch ist auch, daß Odorico im Mittelpunkt seiner Erzählung steht: Es handelt sich um eine ,autobiographische‘ Erzählung; Odorico ist die einzige Hauptfigur seines Reisebuchs. Zugleich stellt er sich als direkten Zeugen der Ereignisse dar, was seiner Erzählung große Glaubwürdigkeit verleiht, cf. ibid., 272 sq. Cf. dazu Reichert, Begegnungen mit China (nt. 8), 165 sqq.; id., Odorico da Pordenone and the European Perception of Chinese Beauty in the Middle Ages, in: Journal of Medieval History 25 (1999), 339-355. Marco Polo, der die eigentliche chinesische Zivilisation aus der Ferne erlebte, hatte ein undeutliches (moralisches) Verständnis von dieser Mutilation des Körpers. Odorico von Pordenone hat die Tradition dieser Handlung bemerkt und wahrscheinlich nach den Gründen dafür gefragt. Unter dem Einfluß seines Berichts haben Europäer wie Pierre Bersuire von Avignon (gest. 1362) die Mutilation auf eine eigenartige Weise verstanden. Pierre Bersuire interpretierte den weiblichen Fuß als eine Metapher für die Genitalien; er hat die exotische Tradition, die Füße zu binden, als Modell für europäische Frauen und die moralischen Mißhandlungen seiner Zeit gedeutet. Cf. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 269. Zu den zwei letzten Gewohnheiten cf. Odorico de Pordenone, Relato´rio, in: Joa˜o de Pian del Carpine [e. a.], Croˆnicas de viagem (nt. 3), Kapitel 34, 2, 332. Cf. auch Odorico von Portenau, Die Reise des seligen Odorico von Portenau nach Indien und China (1314/18-1330), übersetzt, eingeleitet und erläutert von F. Reichert, Heidelberg 1985; Odoric of Pordenone, The Travels of Friar Odoric, translated by
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chen, Unglaublichen und Legendenumwobenen hatte. Odorico behauptete, daß es auf der Insel Nikobar Menschen mit Hundegesichtern gebe (cap. 16); daß es in der Nähe von Chilenfo Menschen gebe, die drei Handbreit hoch sind, und es in diesem Land einen Fluß gebe, der an der engsten Stelle sieben Meilen breit ist (cap. 24). Auf der Insel „Ceylan“ existiere zudem ein Berg voller Edelsteine (cap. 17); auch die Erzählung des ,Alten vom Berge‘ übernimmt und wiederholt er: Der alte Mann setze Gefangene in einem paradiesischen Garten fest, die schließlich auf seinen Rachebefehl hin zu Mördern würden, weil ihnen der befürchtete Verlust solcher Genüsse unerträglich sei (cap. 35) 55. Dies heißt auch, daß Teile des Werkes Raum für eine symbolische und hagiographische Auslegung geben. Die ,Relatio‘ wurde in ihrer Rezeptionsgeschichte auch als erbauliches Vorbild gelesen. Das Missionsziel „Cathai“ erscheint dort interessanterweise auch als idealisierter Ort: als Sinnbild für Herrlichkeit und Magnifizenz wie etwa der Wohnsitz des Khans in Khanbaliq und sein Palast 56. Die chinesische Welt stünde demnach für Stabilität, Wohlstand und Recht - anders als der Weg über das Abendland, Indien und Indonesien bis nach China 57. Von seiner und der anderen Brüder Tätigkeit am Hof des Khans erzählt Odorico wenig. Er erwähnt zum Beispiel, daß der Khan auf Anregung „unseres Bischofs“ - wahrscheinlich eine Verweis auf Johannes von Montecorvino, dessen Namen Odorico aber nicht erwähnt 58 - eine Verbeugung vor dem Kreuz machte; „unser Bischof“ streute mit einem Weihrauchfaß auch Weihrauch auf den Khan 59. „Barone“ oder „Freiherren“, die im Heer des Khans dienten, wurden von den Minderbrüdern zum katholischen Glauben bekehrt 60. Die wenigen Berichte beschreiben die großartige Arbeit der Missionare - auch in anderen Ländern wie „dem großen Tatarien“ oder „Persien“, wo viele Leute zu den Minoriten gebracht würden, damit diese Dämonen vertrieben und anschließend die Taufe vollzögen 61. Odorico betont insgesamt die Sympathie des Khans für
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H. Yule, Grand Rapids (Mich.)-Cambridge 2002. Cf. außerdem F. Reichert, Die Asienreise Odoricos da Pordenone und die Versionen seines Berichts. Mit Edition der ,Aufzeichnungen nach dem mündlichen Bericht des Reisenden‘, in: Chloe 43 (2003), 467-509. Doch leidet Odorico unter ,Münchhausensyndrom‘, das heißt „der Tendenz bei alten Reisenden, jede Lilie zu vergolden, jedes Ganze zu multiplizieren, und sich mit übermäßigem Mut zu wappnen“, cf. D. Selbourne, IntroducX a˜o, in: Jacob d’Ancona, Cidade de luz, Muito antes de Marco Polo, Jacob D’ancona chegou a` China, Rio de Janeiro 2001, 11-20, hier 13. Cf. Odorico de Pordenone, Relato´rio (nt. 54), Kapitel 26, 321-324. Cf. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 274 sq. Cf. Odorico de Pordenone, Relato´rio (nt. 54), Kapitel 38, 2, 335; Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 272. Nichtsdestotrotz hat Odorico sicherlich um oder ab 1324/1325 bei Johannes von Montecorvino gearbeitet, da er bis 1328 drei Jahre in Khanbaliq oder Peking lebte. Er berichtet über die Ankunft in Khanbaliq, „der Stadt des Khans“ oder „des Herren“, cf. Odorico de Pordenone, Relato´rio (nt. 54), Kapitel 25, 7, 321, und berichtet, daß die Stadt sehr alt sei, in der Provinz von Cathai liege und von den Tataren erobert werden würde. Cf. auch ibid., Kapitel 26, 8, 323. Cf. ibid., Kapitel 38, 2, 335. Cf. ibid., Kapitel 38, 5, 336. Cf. ibid., Kapitel 36, 1, 333 sq.
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die Minoriten und erzählt, daß es viele Christen und Bekehrte („Katholiken“) am Hof des Khans gebe 62. Der ,Relatio‘ nach wird auch deutlich, daß Odorico und die Missionare in der Regel nur Kontakte mit den mongolischen Herren und mit „se-mu-jen“, das heißt „Ausländern“, hatten - dies waren vor allem Leute aus türkischen oder iranischen Stämmen, die auf Armenisch, Persisch oder Türkisch miteinander kommunizierten 63. Das Ideal der Missionen sieht man am stärksten in der ausführlichen und grauenhaften Beschreibung des Märtyrertods von vier Minoriten auf der Insel Salseta (in Tanam) 64, während des zweiten Teils der Anreise Odoricos, veranschaulicht. Es handelt sich um den Märtyrertod des Thomas von Tolentino, Jakobs von Padua, Demeters von Armenien (vielleicht auch Demeters von Georgien) und Peters von Siena am 9. April 1321 65. Odorico ging erst nach dem Martyrium an Land, da er die Empörung muslimischer Autoritäten und die Reaktion der Gläubigen auf die Taten der Missionare fürchtete. Der Konflikt bestand vor allem mit den Muslimen, obwohl Odorico überall die Anwesenheit der Nestorianer 66 und, vor allem in China (Zaitun), das Vorkommen von Klöstern der „Götzendiener“ in großer Anzahl 67 bezeugt 68. Odoricos Bericht stellt auch eine Apologie des „missionarischen Franziskanismus“ dar. Als Franziskaner verbindet er mit der Mission im Fernen Osten eine enthusiastische Überzeugung und eine hemmungslose Hoffnung. Er versuchte, die kirchlichen Autoritäten in Europa davon zu überzeugen, daß die Missionen im Orient fruchtbar waren und eine Fortsetzung verdienten. Sein Werk bietet eine klare Darstellung der Evangelisationsarbeit in China unter der Yuan-Dynastie, und Odorico von Pordenone kann damit als wichtigster Historiograph der franziskanischen Missionen in China gelten 69. Seine erste Reise in den Orient begann 1296 - kurz bevor Scotus die ,Lectura‘ und die Kommentierung der ,Sentenzen‘ in Angriff nahm 70. Die zweite (und wichtigere) Reise aus Italien über die Küste Indiens und Indonesiens nach China bis nach Khanbaliq begann wahrscheinlich 1314 und dauerte etwa zehn bis zwölf Jahre. Die Rückkehr begann 1328 und führte möglicherweise über die alten Straßen auf dem Landweg. Odorico ist somit zweimal nach Europa zurückgereist - wo er 1331 starb -, um die päpstliche Unterstützung für die Missionen in China zu gewinnen. Alles 62
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Cf. ibid., Kapitel 26, 8, 323. Dort lebten auch Muslime und „Götzendiener“ (Buddhisten), die einen wichtigen Platz im mongolischen Reich einnahmen, da sie sich mit den Mongolen während der Eroberung Chinas vereinigt hatten. Cf. Odorico de Pordenone, Relato´rio (nt. 54), Kapitel 26, 8, 323, und nt. 93 (A. Pintarelli). Cf. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 282. Cf. Odorico de Pordenone, Relato´rio (nt. 54), Kapitel 8, 290-299. Cf. ibid., Kapitel 10, 6, 301; 19, 2, 312; 23, 2, 317; 25, 1, 320 et passim. Cf. ibid., Kapitel 21, 314. Odorico und seine Mitreisenden brachten die sterblichen Überreste der Märtyrer aus Indien nach China beziehungsweise nach Zaitun, wo die Minderbrüder zwei Klöster hatten und in dessen Bischofssitz die Märtyrer begraben wurden, cf. ibid., Kapitel 8, 24, 298 sq. Cf. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 269-272. Cf. De Boni, Sobre a vida e a obra (nt. 31), 51-72.
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spricht dafür, daß er 1330 plante, erneut mit fünfzig Brüdern nach China zurückzukehren 71. Der letzte katholische Missionar, der im Mittelalter noch über die franziskanischen Kirchenprovinzen in China berichtete, war der von Benedikt XII. zum Großkhan Usbek gesandte Johannes von Marignolli, „der von 1338 bis 1353 die gesamte Christenheit in Asien besuchte“ 72. Über den Landweg erreichte er 1342 die Hauptstadt Khanbaliq, blieb dort etwa drei bis vier Jahre und kehrte über das Meer nach Europa zurück, wo er sich 1353 in Avignon befand. Schon 1333 hatte Johannes XXII. dem zum Islam konvertierten Usbek einen Brief geschrieben, um seine Sorgen um die Christen mitzuteilen. Um 1350 sind die Missionsbemühungen bescheiden aber noch erfolgreich. Franziskaner hatten ihr Missionsfeld in China und den asiatischen Steppen, die Dominikaner konzentrierten mit ihrer Societas Peregrinorum propter Christum (1321) und danach mit den Fratres Unitores ihre Missionen auf Armenien und Persien 73. Nach der Wiedereroberung Chinas durch die Chinesen sahen sich die katholischen Missionen mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Wie Josef Glazik zusammenfaßt, spielten hierbei neben der chinesischen ,Ausländerfeindlichkeit‘ auch andere Faktoren eine Rolle: (1) „Die Pest, die 1348 fast alle Missionare in Persien dahinraffte, entvölkerte auf ihrem Zug nach Europa auch die Klöster der Heimat“; (2) „Hinzu kam die stets fortschreitende Islamisierung der Mongolen, die unter Temür Läng (1336-1405) zwangsweise vollendet wurde. Der religiösen Toleranz der Mongolen folgte der unduldsame sunnitische Fanatismus, der allen missionarischen Bemühungen feindlich gegenüberstand.“ 74 Christliche - auch nestorianische Gemeinden waren schon immer klein gewesen, ihre Mitglieder waren vor allem ausländische Kaufleute: Die Gemeinden hatten sich stets mit Ausländern zusammengetan, die aber während der Ming-Dynastie ziemlich unbeliebt waren 75. Urban V. hat noch 1370-1371 einen Erzbischof für Peking - einen Professor von der Universität Paris, nämlich Wilhelm von Prato 76 - und einen Gesandten nominiert 77. Aber sehr wenig ist von diesen Missionen übriggeblieben - die meisten Erinnerungen stammen aus Europa und nicht aus den Ruinen im chinesischen Boden. So faßt wieder J. Glazik zusammen: „Zwar tauchen bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts gelegentlich Nachrichten über das Christentum in China auf; aber dann scheinen die letzten Reste zugrunde gegangen zu sein. 1410 wurde das Erzbistum Sultaniyah mit Khanbaliq vereinigt, aber 1473 findet der Venezianer Contarini auch dort weder Kirchen noch Christen vor.“ 78 71 72 73 74 75 76 77 78
Cf. Pintarelli, IntroducX a˜o a Odorico de Pordenone (nt. 49), 276-280. Cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 487. Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 564. Cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 487 sq. Cf. dazu Bauer, China und die Hoffnung auf Glück (nt. 20), 323-330. Cf. Cary-Elwes, China and the Cross (nt. 1), 69 sq. Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 564. Nach 1368 erlebte der Nestorianismus in China ein ähnliches Schicksal. Zwischen China und Zentralasien trafen Nestorianer und Christen auf den Islam und den Buddhismus. Der Islam konnte sich im China der Yuan-Mongolen deutlich besser ausbreiten als das Christentum. Und der islamische Glaube hat auch die Ming-Dynastie sowohl an der Küste Chinas als auch in
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IV. ,De perfectione statuum‘ In der Analyse der ,Briefe‘ des Johannes von Montecorvino und der ,Relatio‘ Odoricos von Pordenone hat sich gezeigt, daß sich der Franziskanische Orden um 1308 - dem Todesjahr des Johannes Duns Scotus - doch stark als Missionsorden verstand; schließlich steht diese Selbstkonzeption in Übereinstimmung mit der Ordensregel. Die franziskanische Bewegung war von Anfang an eine missionarische Bewegung. Merkmale des Franziskanismus als christlicher beziehungsweise religiöser Bewegung sind sicherlich die Radikalität und buchstäbliche Deutung des ursprünglichen evangelischen Lebens - oder einfach der „Nachahmung Christi“ (imitatio Christi ) 79 - das als Liebe, Armut, Dienst und missionarischer Geist verstanden ist. Handelt es sich hierbei um ein typisches monastisches Ideal, so zeichnet den Franziskanismus zudem noch eine Bewegung von Predigt und Dienst nach außen aus: zum ,verhärteten‘ Christentum, zu den Menschen in Not, den Nichtchristen 80. So groß war die Sorge des Franz von Assisi im Blick auf die Wahrnehmung des evangelischen Geistes bei seinem Orden, daß er im ,Testamentum‘ oder ,Mandatum‘ - wie schon in den vorangehenden ,Admonitiones‘ - den Wunsch äußerte, daß die Mitbrüder keinen Besitz haben und die ,Regula‘ - nämlich die endgültige oder dritte formulierte ,Regula bullata‘ 81 - immer und unter allen Umständen (ohne weitere Interpretationen) einhalten sollten 82.
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Zentralasien überlebt, cf. Hage, Nestorianische Kirche (nt. 15), 264-276; id., Der Weg nach Asien (nt. 28), 360-393. So hat Franziskus die Textstelle Mt 10,7-10 bei einer Messe gehört, nach der das Evangelium ihm die konkrete Form gezeigt hat, wie die Nachfolge Christi oder das Christus-näher-sein zu verstehen ist: Penitenz, Diakonie und Armut (auf einer Seite Demut und Ablehnung von Besitz, auf der anderen Seite Arbeit und Bettelei). Cf. M. N. Dreher, A Igreja no mundo medieval, Sa˜o Leopoldo 1994, 104, 108 sq. Cf. auch K. Esser, Anfänge und ursprüngliche Zielsetzungen des Ordens der Minderbrüder, Leiden 1966, 209-281; S. da Campagnola, Francesco e francescanesimo nella societa` die secoli XIII-XIV, Assisi 1999, 1-34. Dies war auch ein Anliegen der Dominikaner: Dominik hat in Dänemark als Missionar gearbeitet und dem Papst danach sein Projekt vorgestellt, unter den Kumanen (zwischen den Karpaten und der Wolga) ab 1227 das Evangelium zu verkündigen. Die ,Regula‘ sollte grundsätzlich nur einen Hauptinhalt haben: die Regel Jesu Christi, das Leben Jesu Christi; von der ersten (verlorenen) bis zur dritten (erhaltenen) Formulierung der Regel bestand sie zum guten Teil aus Textstellen des Evangeliums, vor allem aus Worten Jesu Christi. So schreibt L. Casutt, Einführung, in: Balthasar (ed.), Die großen Ordensregeln (nt. 18), 221, über die ,Zweite Regel‘: „Franciscus hat nur eine große Sorge: Die Pflege des ,Lebens nach der Weisung des Evangeliums‘.“ Cf. op. cit., 2. Regel und 3. Regel, 235-266; cf. auch Franziskus von Assisi, Die Opuscula des Hl. Franziskus von Assisi, ed. K. Esser, zweite, erweiterte und verbesserte Auflage besorgt von E. Grau (Spicilegium Bonaventurianum 13), Rom 1989, Kapitel 1: ,Admonitiones‘, 65-121; Kapitel 21: ,Regula Bullata‘, 363-373; Kapitel 22: ,Regula non bullata‘, 373-404; Kapitel 26: ,Testamentum‘, 431-447. Cf. Franziskus von Assisi, Die Opuscula (nt. 81), Kapitel 26: ,Testamentum‘, 35-40, 443 sq. Cf. B. Roest, Franciscan Literature of Religious Instruction before the Council of Trent, LeidenBoston 2004, 125-140.
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Kapitel 16 der ,Zweiten Regel‘ (,Regula non bullata‘ von 1221) des Franziskanischen Ordens ist überschrieben mit: „Von jenen, die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen.“ Sein Inhalt besteht praktisch nur aus Briefen des Neuen Testaments und hauptsächlich aus Textstellen der Evangelien. Aus kirchlicher Sicht besteht die Aufgabe der Brüder darin, mit der „Erlaubnis ihres Ministers und Dieners dorthin“ zu gehen. Theologisch gesehen sollen die Brüder auf zweifache Weise unter den Ungläubigen wandeln: (1) Sie sollen nicht Streit und Zankereien hervorrufen (1 Petr 2,13) und damit bezeugen, daß sie Christen sind. (2) Die Brüder sollen zu den Ungläubigen gehen, wenn sie es als Gott wohlgefällig erkennen, „daß sie das Wort Gottes verkünden, damit die Ungläubigen glauben an den allmächtigen Gott“ beziehungsweise „damit sie sich taufen lassen und Christen werden“ 83. Dies heißt erstens, daß Nachfolge und Zeugnis eine missio rechtfertigen, und darüber hinaus zweitens, daß die Predigt und Taufe der Ungläubigen das ist, was eine missio beabsichtigt und realisiert. Die Buchstäblichkeit des Missionsgebots bedeutet - mystisch gesehen - auch die Möglichkeit der Verfolgung und des Martyriums: Das Leben und der Körper sind aus Liebe dem Herrn Jesus Christus geschenkt (Mk 8,35), wobei ein Leben, das für Christus geopfert wird, für das ewige Leben gerettet ist 84. Das zwölfte und letzte Kapitel der ,Dritten Regel‘ und endgültigen Gesetzgebung des Franziskanischen Ordens (1223) 85 ist wiederum überschrieben mit: „Von denen, die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen.“ Die Struktur der Regel ist verschieden 86: Für die Mission brauchen die Brüder die Erlaubnis ihrer Provinzialminister; die Minister sollen „nur jenen die Abreise gestatten, die sie für die Sendung geeignet erachten“. Die theologische Begründung fällt praktisch aus. Stärker betont wird erstens die Unterwerfung des Franziskanischen Ordens bei seiner Mission unter die Leitung der Kirche und die römische Kurie. Franziskus trägt „den Ministern im Gehorsam auf“, „sich vom Herrn 83 84 85
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Cf. Balthasar (ed.), Die großen Ordensregeln (nt. 18), 2. Regel, 249. Cf. ibid., 2. Regel, 250. Papst Honorius III. bestätigte die ,Dritte Regel‘ am 23. November 1223 feierlich mit der Bulle ,Solet annuere‘; cf. Casutt, Einführung (nt. 81), 222. Cf. auch J. Le Goff, Franz von Assisi, Stuttgart 2006 [Erstveröffentlichung Paris 1999], 78 sqq. Cf. Balthasar (ed.), Die großen Ordensregeln (nt. 18), 3. Regel, 266. Cf. auch Casutt, Einführung (nt. 81), 223: „Die R III weicht in ihrer äußern Form stark von der R II ab. Der Aufbau ist straffer. Durch Zusammenziehung sinnverwandter Verordnungen wurden die 24 Kapitel der R II auf 12 reduziert. Die Sprache ist nüchterner, aber nur selten von juridischer Prägung, wenngleich einige Klauseln eingefügt werden, um den Provinzobern eine sichere Amtsführung zu ermöglichen.“ In gewisser Hinsicht schwächte die ,Dritte Regel‘ die ursprünglichen Absichten des Ordensstifters ab; „trotzdem darf man nicht übersehen, daß sich gerade die zentralsten Elemente des franziskanischen Ideals - heroisch-tapfere, ritterlich-begeisterte Nachfolge Jesu in Armut und Demut - durch die R III […] durchaus gestärkt haben“ (ibid., 228). Zu dieser Diskussion cf. auch W. Bühlmann, Das Missionsverständnis bei Franziskus nach der Regula non bullata, in: A. Camps/G. W. Hunold (eds.), Erschaffe mir ein neues Volk. Franziskanische Kirchlichkeit und missionarische Kirche, Mettingen 1982, 19-27.
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Papste einen Kardinal der heiligen römischen Kirche zu erbitten, der diese Bruderschaft leitet, beschützt und zurechtweist“. Sofern die Franziskaner „im katholischen Glauben feststehen“, ist darüber hinaus zweitens das Beschützen der Kirche durch die Wahrnehmung von Armut und Demut und des Evangeliums geboten, welche die Franziskaner versprechen 87. Aber dies scheint gar nichts daran zu ändern, daß die Regel insgesamt als ,Lebensweise‘ („regula“ = „vita“) und nicht als Gesetzeswerk interpretiert werden soll 88. Von den verschiedenen Arten des Apostolats der Brüder „werden [in der ,Regula bullata‘] nur die Predigt und die Missionierung der Heiden [Ungläubigen] genannt“ 89. Die meisten Interpreten versuchen somit, die franziskanische Spiritualität als in der ,Dritten Regel‘ erhalten zu verstehen, wobei die Regel als ,Leben‘ zugleich „Heiligkeit, Gottverbundenheit, entstanden aus liebender Nachfolge Christi in heroischer Armut und Demut, heißen soll“ 90. Franziskus selber versuchte mehrmals, in die Länder der Ungläubigen zu gehen und auf diese Weise die imitatio Christi zu verfolgen beziehungsweise als Missionar andere für das Christentum zu gewinnen. Es war ihm 1219/20 gelungen, einigen an den Kreuzzügen beteiligten Muslimen und dem Sultan von Ägypten (al-Malik al-Ka¯mil), der Beziehungen zu Kaiser Friedrich II. unterhielt, zu predigen und ihnen die christliche Botschaft zu verkünden 91. Die Minderbrüder versuchten, seinem Vorbild zu folgen beziehungsweise das Gebot, die Botschaft Christi in der ganzen Welt zu verkünden, buchstäblich auszulegen. Die Entscheidung des Ordenskapitels von 1219, unter die Ungläubigen zu gehen, bezog sich vor allem auf die Missionierung der Muslime 92 - zunächst in Tunesien und Marokko 93, wo übrigens die ersten Märtyrer des Ordens starben. Neben der Gründung von Klöstern in Jerusalem und Konstantinopel haben sich die Minderbrüder (wie die Dominikaner) nach Alepo, Damascus, Bagdad, Armenien und Persien gewandt, wo auch neue Kontakte mit jakobitischen, nestorianischen und armenischen Christen aufgenommen wurden. Diese Missionen hatten somit auch die Einheit beziehungsweise die Wiedervereinigung mit schismati87 88
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Cf. Balthasar (ed.), Die großen Ordensregeln (nt. 18), 3. Regel, 266. Wobei auch für das zwölfte Kapitel gilt, daß das Leben Christi das Vorbild der Vollkommenheit ist; cf. Angelo Clareno, Expositio super Regulam Fratrum Minorum, ed. G. Boccali (Biblioteca Francescana Chiesa Nuova - Assisi 7), Assisi 1994, 704-715. Cf. auch Casutt, Einführung (nt. 81), 229. Dazu ist noch mit K. Esser, Das missionarische Anliegen des Heiligen Franziskus, in: Bruder aller Menschen. Der missionarische Aufbruch in Franziskus von Assisi, Werl 1976, 12, zu sagen: „So wurde Franziskus der erste Ordensgründer, der in seinen Regeln ausdrücklich von der Heidenmission spricht.“ Cf. auch Casutt, Einführung (nt. 81), 230. Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 557. Zu anderen Versuchen der Katholischen Kirche in bezug auf die Heidenmission und die Mission der Ungläubigen (Missionsbulle des Honorius III., ,Ne si secus‘) kurz vor dem Durchbruch des Dominikanischen und des Franziskanischen Ordens cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 480, mit weiteren Literaturangaben. Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 556 sq.; Moorman, A History of the Franciscan Order (nt. 27), 226-232.
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schen christlichen Gemeinden im Blick. So wurden zum Beispiel die Maroniten im Libanon - schon zuvor von Innozenz III. als unabhängige Gemeinde anerkannt - 1237 vom dominikanischen Prior von Jerusalem als Katholiken angenommen 94. Es trifft zu, daß parallel zu den Kreuzzügen auch die Geschichte der Reise christlicher Mönche in die Regionen der Mongolen begann. Aber zumindest in einer ersten Phase wurde die „Tätigkeit unter den schismatischen Christen“ „als Vorbereitung auf die Mission unter den Muslimen angesehen“ 95. Das missionarische Selbstverständnis des Ordens - trotz oder gerade aufgrund seiner zentralen Stellung - ist an sich nie ein umstrittenes theologisches Thema gewesen; Hauptthema der Auseinandersetzungen über die Selbstkonzeption des Ordens war die apostolische Armut 96. Indem Franziskus in der ,Regula‘ von 1223 den Brüdern jeglichen Besitz verbat und feststellte, daß die Armut nicht nur als individuelle, sondern auch als kollektive Armut zu verstehen war, lag im Verständnis dieses Hauptstücks der ,Regula‘ - und des ,Testamentum‘ - des Franziskus der Kern der Diskussionen über die Ordensidentität 97. Unabhängig von der scotischen Rezeption des franziskanischen theologischen und spirituellen Denkens läßt sich fragen, ob sich der Doctor subtilis zu den oben dargestellten Geschehnissen seiner Zeit und zum charakteristischen Missionsverständnis seines Ordens äußert 98. Diese Frage gewinnt an Bedeutung, 94 95 96 97
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Cf. Daniel-Rops, A Igreja das Catedrais (nt. 11), 558 sqq. Cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 481. Cf. nt. 114, 119, 124-128. Cf. Balthasar (ed.), Die großen Ordensregeln (nt. 18), 3. Regel, 6. Daß die Brüder nichts zu eigen haben dürfen. Von der Almosensammlung. Und von den kranken Brüdern, 263; cf. auch Franziskus von Assisi, Die Opuscula (nt. 81), Kapitel 26: ,Testamentum‘, 16-25, 439-441. Die Frömmigkeit und die Betonung der Liebe Gottes sind bei Scotus Formen der Vollkommenheit des Heiligen Franziskus, für den, so Papst Paul VI. im Brief ,Alma parens‘ - zum Anlaß des siebenhundertsten Geburtstag des Duns Scotus an die Bischöfe Großbritanniens addressiert, cf. Paulus PP. VI, Epistola Apostolica „Alma parens“, in: Acta Apostolicae Sedis LVIII (30. September 1966), 611 - das Wissen dem guten Leben untergeordnet bleibt; cf. B. de Armellada, Il beato Giovanni Duns Scoto nella spiritualita` francescana, in: Laurentianum 34 (1993), 1 sq., 8 sq. Als Hauptlinien einer franziskanischen Spiritualität zeichnen sich die Lehre der absoluten Prädestination Christi und der unbefleckten Empfängnis Marias oder auch die Lehre des ontologischen Strebens nach einer übernatürlichen Vollkommenheit aus; cf. ibid., 11 sqq. Dazu zeichnet sich die affektive und den Willen vervollkommnende Tugend der Liebe (caritas) dadurch aus, daß der Wille eine affectio iustitiae hat und die Liebe eine von Gott freiwillig und unmittelbar eingegossene Kraft ist; cf. John Duns Scotus, Duns Scotus on Will and Morality, ed. A. B. Wolter, Washington (DC) 1986, Text 25: „De virtute caritatis Dei infusae“ (Ordinatio III, suppl. dist. 27), 434-446; cf. de Armellada, Il beato 16-19. Im Hinblick auf die Tugendlehre und die Lehre de beatitudinibus et fructibus et donis kann man auch Scotus als jemanden lesen, der die Furcht Gottes als „Beginn der Weisheit“ (initium sapientiae) versteht, wobei „Furcht“ (timor) nichts anderes ist als „Demut“ (humilitas) - eine Art von temperantia: Furcht ist somit (als Demut) „das Prinzip aller Tugenden“ (principium virtutum), wobei auch die caritas sich durch den „Geist der Weisheit“ (spiritus sapientiae) durchsetzt; cf. op. cit., Text 23: „An virtutes, dona, beatitudines et fructus sunt idem habitus“ (Ordinatio III, suppl. dist. 34), 366-373. Wenn schließlich „Gerechtigkeit“ (iustitia) die „Liebe“ (caritas) zu etwas im Hinblick darauf ist, was ein Seiendes beziehungsweise Gott an sich ist, kann dies auch bedeuten, daß die Seligen diejenigen sind, die für die Gerechtigkeit Tod und „Verfolgung“ (persecutio) akzeptieren. Hierin zeigt sich eine Kontinuität zum Ideal der Demut, der Armut, des Nächstendienstes und damit zur Mission von Franz von Assisi; cf.
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wenn hypothetisch angenommen wird, daß ,De perfectione statuum‘ ein authentisches Werk des Scotus ist, beziehungsweise wenn der Text überhaupt in die Debatte einbezogen wird. Letztlich - so die These - kann ,De perfectione statuum‘ so gelesen werden, daß es in einer besonderen Weise die Zentralbedeutung der vita perfecta der Bettelmönche hervorhebt und damit für die ursprüngliche und ständige missionarische Identität der Franziskaner plädiert. Im Titel seiner gewichtigen Untersuchung von ,De perfectione‘ nennt Roberto Lambertini den Traktat eine „Apologie der franziskanischen Identität“ 99. Thematisch besteht das Werk zweifellos in der Verteidigung eines explizit franziskanischen Ideals. Aber schon zu Beginn ist zu betonen, daß „die [entscheidenden] äußerlichen Evidenzen“ (A. Vos) definitiv gegen die Zuschreibung des Werkes zu Scotus sprechen 100. In der von Lucas Wadding besorgten ersten vollständigen Ausgabe der scotischen Werke (Lyon 1639) ist die Abhandlung nicht enthalten. Die Ausgabe des Ludwig Vive`s (Paris 1891-1895) bringt zum ersten Mal in einer Sammlung scotischer Werke die Abhandlung ,De perfectione statuum‘ 101. A. Vos hat vor kurzem E. Longpre´s Urteil bestätigt, daß alle Handschriften, die als Basis für die Vive`s-Edition verwendet wurden, späten Datums sind - sie stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert 102. Übrigens spielt die Abhandlung - ob Scotus’ Werk oder nicht - keine Rolle in den Debatten über die Armut in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts 103. Textinterne Argumente für oder gegen die scotische Autorschaft betreffen die Hauptlinien der im Werk vorgenommenen Verteidigung der franziskanischen Identität. Dort wird thematisiert, ob der Stand einer Person, die die Schritte der Apostel streng verfolgt, dem Stand der Prälaten - das heißt der Bischöfe und Priester - in religöser Hinsicht überlegen ist 104. Meiner Kenntnis nach konzen-
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op. cit., 366-371 und 438-441. Cf. de Armellada, Il beato, 24 sq.; C. Balic´, Art. ,Duns Scot‘, in: Dictionnaire de spiritualite´ asce´tique et mystique, doctrine et histoire, vol. 3, Paris 1957, coll. 1805-1813; W. Dettloff, Art. ,Duns Scotus/Scotismus I.‘, in: G. Krause/G. Müller (eds.), Theologische Realenzyklopädie, vol. 9, Berlin 1982, 223-228; id., Die franziskanische Theologie des Johannes Duns Scotus, in: Wissenschaft und Weisheit 46 (1983), 81-91. Cf. R. Lambertini, Il „De perfectione statuum“ attribuito a Duns Scoto e la difesa dell’identita` francescana. Osservazioni e problemi, in: L. Sileo (ed.), Via Scoti - Methodologica ad mentem Joannis Duns Scoti, vol. 2, Rom 1995, 985-1010, hier zitiert nach id., La poverta` pensata. Evoluzione storica della definizione dell’identita` minorı´tica da Bonaventura ad Ockham, Modena 2000, cap. 6: „Teologia della perfezione ed ecclesiologia in uno scritto apologetico franciescano: osservazioni sul ,De perfectione statuum‘ “, 163-186. Cf. A. Vos, The Philosophy of John Duns Scotus, Edinburgh 2006, 115. Die Authentizität ist immer noch umstritten oder zumindest nicht entschieden, cf. Art. ,Duns Scotus‘, in: New Advent Catholic Encyclopedia, URL: http://www.newadvent.org/cathen/ 05194a.htm [aufgerufen am 21. Juli 2008]. Cambridge, University Library, Ms. 134, aus dem 15. Jh.; Cambridge, St. Benedict College Library, Codex 65, aus dem 16. Jh:, Oxford, Merton College, Ms. 1456; und noch ein florentinisches Fragment aus dem 14. Jh., cf. Vos, The Philosophy of John Duns Scotus (nt. 100), 115. Cf. ibid. Cf. ,De perfectione statuum‘, in: Ioannes Duns Scotus, Opera omnia, ed. L. Vive`s, Paris 18911895, vol. 26, 17, 513: „Tunc ex isto probo: Quod status praescriptus virorum apostolicorum perfectior est statu curatorum, arguitur sic: Quicumque status ratione sua ad eadem et ad plura bona opera obligatur quam
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trieren sich alle Argumente, die im Hinblick auf diese Lehre eine Evidenz, keine Gegenevidenz oder doch eine Gegenevidenz der scotischen Autorschaft gefunden haben, ausschließlich oder zumindest vornehmlich auf die Äußerungen zur Debatte um die Struktur der Kirche und zum Stand der Armut. Trotz einiger positiver Versuche 105 stehen die meisten Ergebnisse entweder für Gegenevidenzen 106 oder für den Mangel an relevanten Evidenzen und Gegenevidenzen 107. So stellt A. Vos fest, daß Scotus’ allgemeinem Hintergrund nach Bettelmönche in Übereinstimmung mit dem Rat Christi sowie in Armut und ohne Einnahmen und Besitze leben müssen 108. Anderes hätten auch weder Scotus noch das ,Pamphlet‘ ,De perfectione‘ über Minoriten lehren können. Doch verteidigt der Autor des Traktats mehrere originelle Positionen, die wir nach den scotischen Sentenzenkommentaren nicht erwarten würden. Sie betreffen, so R. Lambertini, (1) die Lehre der Vollkommenheit, (2) die Struktur der Kirche und (3) gerade das Verständnis des franziskanischen Ordens. (1) Im Traktat findet man - wie schon angedeutet - in bezug auf die Vollkommenheitslehre die These, daß der den Franziskanern typische status des Verzichts auf allen Besitz einen Grad von Vollkommenheit bringt, der demjenigen der Prälaten einschließlich der Bischöfe übergeordnet ist 109. Aber, so nochmals R. Lambertini, dies ist von der Position der Dominikaner und der Franziskaner wie Bonaventura und Peckham gänzlich verschieden: Die letzteren meinen, daß die status der Prälaten und der Bettelmönche nicht zu vergleichen sind, weil sie verschiedenen Gattungen angehören. (2) Somit behauptet der Verfasser von ,De perfectione‘ in bezug auf die Kirchenstruktur, daß es in der Kirche einen hierarchischen Vorsprung der Franziskaner gibt, insofern sie - als Voraussetzung für das kirchliche Leben - der Kirche wesentlicher sind als die Prälaten 110;
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alius, est eo perfectior; sed status virorum apostolicorum est huiusmodi, ut jam patet; ergo est perfectior statu curatorum.“ Im folgenden zitiert als ,De perf.‘. Cf. B. Innocenti, Il De perfectione statuum del B. Giovanni Duns Scoto (saggio storicocritico), in: Luce e amore 6 (1909), 498-508; G. Kirby, The Authenticity of the De perfectione statuum of Duns Scotus, in: The New Scholasticism 7 (1933), 134-152. E´. Longpre´ sieht, daß die Abhandlung inhaltlich die Beschlüsse des Ordens während des Pontifikats Johannes XXII. und nach der Verfassung ,Ad conditorem canonum‘ widerspiegelt; man findet im Traktat eine Kritik an dem Ausdruck „ne papa habet“, wo der Verfasser darauf verweisen möchte, daß Johannes XXII. bestreitet, daß der Papst die Habseligkeiten der Franziskaner besitzt, cf. E´. Longpre´, La philosophie du B. Duns Scot, Paris 1924, 20 sqq. So zum Beispiel C. Balic´, Duns Scot (nt. 98), col. 1804. Aber mit Sicherheit findet man in jenem Werk nicht die Hauptmerkmale des asketischen und mystischen Denkens des Duns Scotus. Danach hat C. Balic´ das Werk für nicht authentisch befunden, cf. C. Balic´, The Life and Works of John Duns Scotus, in: J. K. Ryan/B. M. Bonansea (eds.), John Duns Scotus. 1265-1965, Washington (DC) 1965, 1-27, hier 18. Diese Auffassung stieß auf Zustimmung von vielen Seiten. Cf. Vos, The Philosophy of John Duns Scotus (nt. 100), 114. Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 10, 508: „Ex istis sequuntur tres conclusiones, ex quibus plane sequitur quod status praelatorum ecclesiasticorum praesupponit gradum vel statum alium perfectiorem in seipso vel in alio existentem.“ Cf. ibid., 10, 509: „Ex quibus omnibus inferri potest quarta et principalis conclusio, quod status praelatorum statum praesupponit perfectiorem. Quia status patris generantis perfectior est et prior statu patris secundum quid generantis tantum, et curam de bona nutritione et conversatione habentis, et sponsam bono opere foecunditatis.“
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folglich stehen die Bettelmönche hierarchisch direkt unter dem Papst und vor Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen und Priestern 111. Franziskaner sind ohne Unterschied in vita perfecta - so heißt das neue kirchlich-hierarchische Kriterium - zeitgenössische Nachfolger der Apostel 112. (3) Mit Blick auf das Verständnis der franziskanischen Identität betont R. Lambertini, daß der Verfasser im Kontext des Themas der paupertas im weiteren Sinne, beziehungsweise in bezug auf den Besitz von Gütern, überraschend - und ohne weitere Erklärung - die Meinung äußert, daß Christus dominus immediatus und Peter nur dispensator [immediatus] sei 113, während die Franziskaner in der Regel behaupteten, daß Christus und die Apostel im totalen Verzicht lebten 114. Somit nimmt ,De perfectione‘ eine Verteidigungslinie der franziskanischen Identität ein, nämlich des apostolischen oder auch missionarischen Lebens in Punkt (2) und der Armut und des Verzichts auf Güter in Punkt (3), die ganz besonders in bezug auf die kirchliche Struktur in vielerlei Hinsicht eine Alternative zu den Meinungen anderer Figuren des Ordens darstellt 115. Der meiner Ansicht nach überzeugende Weg, den R. Lambertini nimmt, um die scotische Autorschaft des Werkes als sehr zweifelhaft zu erweisen, führt über die Betrachtung von einigen der dreißig Argumente, die der Autor von ,De perfectione‘ systematisch krisiert 116. Auch wenn in einigen Fällen nur vage lehrhafte und textuelle Verwandschaften zu rationes von Gottfried von Fontaines übrigens einem Autor anti-franziskanischer Literatur 117 - zu erkennen sind, so zeigen mehrere andere Argumente tatsächlich deutliche Ähnlichkeiten zu Texten Gottfrieds 118. Nach Lambertini finden sich keine anderen Werke, die eine grö-
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Ibid., 93, 559: „Quod autem status talis magis quam status praelatorum mundo sit necessarius, patet ex dictis.“ Cf. ibid., 71 sq., 545 sq. Cf. ibid., 39 sqq., 527 sq. Cf. ibid., 48, 533: „Ad tertium decimum, si tales non possunt nec volunt habere dominium, nec dans sibi retinet, nec Papa habet, ergo rea talibus datas quisque capere posset qui vellet. Dicendum loquendo de rebus talibus, respectu quarum dans non habet superiorem dominium, quia sic est propositum. Tunc dico quod si renuntiet dominio talium, de necessitate cedet in dominium Christi immediate, et per consequens ejus dispensatio solum pertinet immediate ad ejus vicarium, et sic nulli alteri licitum est eas accipere nec auferre, et non potest Papa manens Papa tali potestati renuntiare.“ Cf. ibid., 58, 537: „Ad vigesimum secundum, quando arguitur : […] Dicendum quod sicut Christus non potuit facere se non Deum, ita respectu rerum concessarum sibi ab illis, qui in illis non habuerint superiorem dominium, non potuit non esse immediatus dominus. Non sic beatus Petrus, sed sine dominio omnium rerum apostolis concessarum post Ascensionem Domini dispensationem habuit, quia Christus perfectus vicarius fuit.“ Cf. dazu A. Tabarroni, Paupertas Christi et Apostolorum. L’ideale francescano in discussione (1322-1324), Rom 1990, 33 sqq. Cf. für den ganzen Abschnitt Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 163-169. Wobei die Texte der Gegenargumente in den vorhandenen Manuskripten fehlen, cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 35-71, 525-545. Zur Struktur von ,De perfectione statuum‘ cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 169 sq. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 170-178. Zu erwähnen sind vor allem Quodlibet V, q. 16: „Utrum status religiosorum sit perfectior quam status praelatorum et specialiter sacerdotum parochialium“; Quodlibet XI, q. 8: „Utrum pura privatio possit aliquem constituere in statu perfectionis“; Quodlibet XII, q. 19: „Utrum status religiosorum nihil habentium in communi sit perfectior statu aliquid habentium.“
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ßere Verwandschaft zu den Gegenargumenten in ,De perfectione statuum‘ aufweisen als Gottfrieds ,Quodlibeta‘ 119, was dann aber auch für einen terminus post quem für die Datierung von ,De perfectione‘ liefert: nach Gottfrieds ,Quodlibeta‘ und besonders Quodlibet XII, beziehungsweise dem akademischen Jahr 129697 120. Für den Verfasser von ,De perfectione‘ besteht eine Hierachie von „partes essentiales“ innerhalb der Kirche, die ingesamt für die Verwirklichung des Zwecks der Kirche notwendig sind. Alle verschiedenen, den Bedürfnissen der Christen entsprechenden Funktionen und Ämter der Kirche wie Lehre, Seelsorge, das Spenden der Sakramente beziehungsweise alle „Gewalten“ („potestates“) gehen auf ein Prinzip, den Papst, zurück 121. Der Verfasser versucht jedoch, den Leser davon zu überzeugen, daß ein Prälat nicht als Prälat eine Vollkommenheit erreicht, sondern nur sofern er, wie alle Christen, durch vorbildliches Leben und Taten zeigt, daß die Welt mit all ihren Gütern zu verachten und das Leben als Pilgerschaft anzusehen ist 122. Demgemäß können Interpreten in bestimmten Textstellen einen Beleg dafür finden, daß der Gegner in ,De perfectione‘ wahrscheinlich ein mit Pfründen bedachter Prälat aus dem säkularen Klerus ist. Der Kern des Werkes liegt im Vergleich der Vollkommenheitsstände, eine Debatte die aber an sich und interessanterweise in der Zeit von Johannes XXII. - im Zusammenhang mit der Bulle ,Ad conditorem canonum‘ - nicht bedeutsam war 123. Die Betrachtung des für den Orden so charakteristischen Ideals der Armut durch den Unterschied zwischen usus und dominium (Besitz) von Gütern, ein Unterschied den Scotus deutlich hervorhebt 124 und der in ,De perfectione 119
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Vielleicht doch auch Heinrich von Gents Quodlibet VII, q. 29: „Utrum habere temporalia in communi diminuat de statu perfectionis.“ Zur quodlibetalen Literatur über Armut und Besitz, spezifisch von Heinrich von Gent und Gottfried von Fontaines, cf. V. Mäkinen, Property Rights in the Late Medieval Discussion on Franciscan Poverty, Leuven 2001, 103-139. Nach Gottfried von Fontaines ist das auf die Bulle ,Exiit qui seminat‘ (1279) von Nikolaus III. gegründete Argument der Franziskaner zugunsten ihres höheren Vollkommenheitsstandes gegenüber den Säkularen grundsätzlich ungültig, cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 175 sq. Cf. ,De Perf.‘ (nt. 104), 72-76, 546 sqq. Cf. R. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung (Studien zur Geschichte der Theologie und der Kirche 5), Leipzig 1900 [Nachdruck Aalen 1971], 477 sq. Cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 176 sqq., dort auch nt. 56 für weitere Sekundärliteratur zur Debatte um die Vollkommenheitsstände im Mittelalter, besonders K. Schleyer, Disputes scolastiques sur les e´tats de perfection, in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 10 (1938), 279-293; L. Hödl, Universale christliche Ethik und partikulares kirchliches Ethos im unterschiedlichen Verständnis der scholastischen Theologie von der „perfectio evangelica“, in: P. Wilpert (ed.), Universalismus und Partikularismus im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 5), Berlin 1968, 20-41. Cf. A. B. Wolter, Introduction, in: John Duns Scotus, Political and Economic Philosophy, ed. A. B. Wolter, St. Bonaventure (NY) 2001, 18 sqq.; cf. op. cit., Is a Penitent Thief Bound to Restitution (Utrum poenitens teneatur restituere), 48: „Contra istud obicitur per illud ,Extra de verborum significationibus: Exiit qui seminat‘, et est hodie in sexto libro, quod quarumdam rerum usus perpetuo separatur a dominio.“ Zur scotischen Lehre des dominium cf. auch R. Lambertini, Il consenso delle volonta`:
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statuum‘ zwar häufig aber völlig unsystematisch erscheint 125, kann kaum auf die im ,Ad conditorem‘ des Johannes XXII. geführten und auf diese folgenden spannenden und ausführlichen Diskussionen verweisen 126. Die paupertas als Bedingung und Zeichen apostolischer Vollkommenheit beziehungsweise des religiösen Standes der Bettelmönche ist in ,De Perfectione‘ deutlich verteidigt und soll auch vom Papst zugunsten der Franziskaner verteidigt werden 127. Wenn aber die entsprechenden Auseinandersetzungen auf mögliche Konflikte des Ordens mit dem Papst selbst oder auf einen möglichen Konflikt innerhalb des Ordens zwischen „conventuali“ und „spirituali“ in bezug auf den usus pauper beziehungsweise auf Konflikte mit Säkularen und Dominikanern hinsichtlich der Vollkommenheitsauffassung der Franziskaner verweisen, und wenn weiter die Hypothese von L. Parisoli über die Abhängigkeit der ,Summa astesana‘ von ,De perfectione‘ bestätigt würde, dann könnte man, so R. Lambertini, für den Traktat das Jahr 1317 als terminus ad quem feststellen 128. Sicher bleibt aber, daß die apostolische paupertas hier nicht als eigenes Diskussionsthema auftritt, sondern nachdrücklich und fast ausschließlich für die franziskanische Konzeption einer evangelischen und dann im Vergleich mit dem Klerus höheren Vollkommenheit beziehungsweise eines vollkommeneren Lebens in die Betrachtung einbezogen wird. Wenn somit die gegebene Chronologie die scotische Autorschaft des Traktats ,De perfectione‘ nicht widerlegt, so stellt sich die Frage, ob spezifische inhaltliche Schwerpunkte der Auseinandersetzung mit den kirchlich-religiösen Ständen - wenn auch bloß bescheidene - positive Ähnlichkeiten zu Scotus’ Ideen aufweisen? R. Lambertini hebt zum Beispiel hervor, daß laut ,De perfectione‘ in der Urgemeinde kaum ein Unterschied zwischen Priestern und Bischöfen (etwa zwischen discipuli und apostoli ) bestand; vielmehr hatten wohl („creditur probabiliter “) alle Nachfolger an sich ursprünglich dasselbe Leben apostolischer Vollkommenheit und wurden sogar zu Bischöfen geweiht 129. Und Scotus äußert
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Filippo, Bonifacio e il pensiero politico del Dottor Sottile, in: G. Lauriola (ed.), Antropologia ed Etica Politica, Bari 1995, 222-235. Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 57, 537; 62, 538 sq.; 63, 540; 64-70, 541-545. Cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 176: „Inoltre, la terminologia riguardante la separabilita` tra uso e dominio utilizzata nel ,De perfectione‘ pare del tutto ignara della discussione a questo proposito conessa alla ,Ad conditorem‘.“ Cf. ,De perf‘ (nt. 104), 95, 560: „Vicarius Christi igitur vitam praedictam ad suam complens, perfectam hierarchiam ecclesiasticam foveat et nutriat in puritate et perfectione perseverare faciat, sine diffamatione vel publica reprehensione corrigat, et contra columniatores defendat, per universum mundum eam tenentes mittat, ut quantum sibi possibile est ad omnes ad Christum convertat.“ So die These von Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 178, wobei aber, cf. ibid. (mit weiteren Literaturangaben), 179, nt. 62, das Konzil von Vienne 1311-1312 auch eine interessante Hypothese für einen terminus ad quem wäre, da das Konzil die Bulle ,Dudum ad apostolatus‘ (zum pastoralen Zustand der Bettelmönche) und ,Exivi de Paradiso‘ (mit Positionen zu der Auseinandersetzung innerhalb des Franziskanischen Ordens in bezug auf das Verständnis der Armutsgelübde) voraussetzt. Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 41, 528; 92, 558.
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in einer Diskussion über die Beichtpflicht des proprius sacerdos die auch sonst verbreitete Meinung - bei ihm ebenfalls als opinio probabilis -, daß es am Anfang der Kirche keinen echten Unterschied zwischen Parochien/Priestern und Diözesen/Bischöfen gab 130. Außerdem besteht nach dem Verfasser von ,De perfectione‘ aufgrund eines Angemessenheitsnexus die Möglichkeit, daß Gott einem anderen außer dem Priester die (dem Bußesakrament gehörende) potestas clavium geben kann 131, wobei Scotus „die wesentliche Einheit der Vorrechte [zu Eucharistie und Buße], die mit dem priesterlichen Charakter gegeben wird“, aufgrund der unter einer relatio rationis konzipierten Gewährung des priesterlichen Charakters, deutlich kritisiert (Ord. IV, d. 19, q. un., no. 9; IV, d. 24, q. un., no. 9; Rep. par. IV, d. 24, q. un., no. 11), insofern er sowohl de potentia Dei absoluta die mehrere potestates zu scheiden vermag als auch unter jenen nur einen Übereinstimmungsnexus (einen Nexus de congruo) findet (Ord. IV, d 19, q. un., nos. 9, 11) 132. Nach einer Fülle von Vergleichen, vor allem mit Scotus’ Ansätzen in ,Ordinatio‘ IV, stellt R. Lambertini angesichts der nur vagen inhaltlichen Evidenzen für die scotische Autorschaft von ,De perfectione‘ zusammenfassend fest, daß Scotus wahrscheinlich einer der aliqui magni sei, auf die sich der Autor von ,De perfectione‘ beruft, insbesondere zur Unterstützung seiner Position gegen die wesentliche Einheit der Vorrechte des Priesters im Blick auf gradus sacerdotalis und potestas solvendi (und hier im Unterschied zu Bonaventura und Thomas von Aquin) 133. Es ist somit viel einfacher, anzunehmen, daß der Autor dieses ,Pamphlets‘ zugunsten des Franziskanischen Ordens Scotus kannte und seine Werke benutzte. Man könnte sogar dafür plädieren, daß Scotus’ Lehrtätigkeit in Paris als terminus post quem von ,De perfectione‘ gelten kann 134. Zwar kommt die obige Darlegung zu dem unumstrittenen Ergebnis, daß der Autor von ,De perfectione‘ in den Aposteln eine Vollkommenheit finden will, 130
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Duns Scotus, Ordinatio IV, d. 7, q. 1; d. 16, q. un., no. 26; Reportatio parisiensis IV, d. 17, q. un., no. 26. Verweisungen auf Ordinatio IV folgen Ioannes Duns Scotus, Opera omnia, ed. L. Vive`s, vol. 17-26, Paris 1891-1895. Cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 180 sq. Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 20, 516 (die Verweisung von Lambertini, La poverta` pensata [nt. 99], 181, nt. 73 auf ,De perf.‘, 528 für den entsprechenden Text ist ein Fehler). Cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 181 sq. Cf. ibid., 183 sqq. Cf. auch ,De perf.‘ (nt. 104), 20, 516: „Non enim omnes, quibus conceditur gentem aliquam absolvere vel ligare, proprie dicuntur curam illius gentis habere. Similiter potuisset Deus, si voluisset, alteri quam sacerdoti potestatem absolvendi tradidissi; nec potestas talis necessario sequitur gradum sacerdotalem secundum aliquos magnos; sed est in potestate Papae talem potestatem concedere vel aufferre.“ Der Verfasser von ,De perfectione‘ verweist auf „magni“ auch in bezug auf die Verteidiger der These, daß die Apostel nur in Coena Domini als Priester instituiert wurden, eine These die auch von Scotus, Ordinatio IV, d. 19, q. un. und d. 24, q. un. angenommen wird. Cf. ,De perf.‘, 41, 528: „[…] secundum enim magnos apostolos suos fecit sacerdotes in Coena Domini et non ante; sic esset etiam modo et multo magis, quia praelati non tenent nec tenentur tenere illam vitam, quam Apostoli tenuerunt, sine qua tamen, ut superius probatum est, nec fidem in aliquo generare nec fideles ab amore mundi ad amorem vitae futurae, nec peccatores ad poenitentiam, nec imperfectos ad perfectionem possunt excitare, nec caetera multa quae debent populo praedicare, quia illa credant, facto ostendere, cum possint, sed magis oppositum.“ Cf. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 184, dort auch nt. 88.
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die diejenige der Prälaten übersteigt und die allein in der vita perfecta der Minderbrüder zu erreichen ist. Natürlich sind die Konflikte zwischen dem säkularen Klerus und dem Orden beziehungsweise die Konflikte um die paupertas evangelica der Interpretationsschlüssel für ,De perfectione‘ 135. Zu vermissen ist in der Literatur aber eine ausführlichere Darstellung (1) der vita perfecta der Mönche 136 und ihrer Bestimmungsfunktion sowohl mit Blick auf (2) die Struktur der Kirche als auch (3) mit Blick auf den mystischen Sinn der paupertas und das Verständnis der franziskanischen Identität. Hier kommt der missionarische Franziskanismus erneut in den Blick. Schließlich scheint die vita perfecta im Traktat als die Lebensweise verstanden zu werden, die die Tugend der Liebe beziehungsweise einen ordo caritatis voraussetzt und die durch apostolisches Leben diese Tugend intensiviert. Dementsprechend gehören zu ihr: (a) Armut, (b) Bereitschaft zum Märtyrertod, (c) der auch von Scotus 137 und anderen betonte Vorzug des status perfectionis acquirendae (der den Bettelmönchen eigentümlich ist) vor dem status perfectionis exercendae (der Prälaten) und (d) die vernünftige und willentliche Hingabe an den Nächsten 138. Unermüdlich versucht der Autor zu beweisen, daß diese vita perfecta die geeigneteste Weise ist, die Welt - beziehungsweise die infideles - von den Wahrheiten und dem geistli135
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Die Diskussion um die paupertas als Bedingung einer vita perfecta und die Überlegenheit der Religiösen vor den Prälaten umfaßt etwa ein Viertel des Werkes. Cf. das zehnte bis dreißigste Gegenargument in ,De perf.‘ (nt. 104), 47-71, 532-546; ibid., 47, 532: „Ad decimum, quod est contra istud quod perfectionis est non habere dominium rerum, sed tantum usum. […] Ideo sic debet argui: Non habere in communi est bonum, ergo nihil habere in communi est bonum, et hoc est verum. Quod probo sic: Privatio superflui ad pertranseundum vitam istam sicut peregrinationem est bona; sed carentia dominii rerum universalium est privatio solummodo superflui ad pertranseundum vitam istam tanquam peregrinationem; ergo carentia dominii est bona.“ Cf. ibid., 20, 515 und 35 sq., 525. Cf. ibid., 20, 515: „Ideo talis status [praelatorum] dicitur requirere hominem perfectum, non solum qui opera virtutum exerceat, sed qui prius recte vivebat; unde est status exercendae virtutis, non acquirendae proprie“; 36, 525: „Probatio minoris: Status praelationis est status exercendae virtutis, alius magis acquirendae virtutis […]. Et quando dicitur, alius status [status perfectionis acquirendae] non requirit hominem perfectum, sic dico quia talis status, videlicet mundum perfecte contemnentium et poenas acerbas assumentium, est labor et non honor, ideo non ita praeexigit hominem virtuosum, sicut status praelationis, quem consequuntur multa bona temporalia et exhibitio honoris. Dico tamen quod facit hominem magis virtuosum, et virtuosiora opera exercere“; 80, 550: „Confirmatur, quia secundum eos status praelatorum est status exercendae, non acquirendae virtutis; sed homo dicitur in statu perfectiori et magis meritorio solum propter aliam virtutem vel gradum perfectiorem virtutis.“ Duns Scotus (cf. John Duns Scotus, Duns Scotus on Will and Morality [nt. 98], Text 31: „De mendacio“ [Ordinatio III, suppl. d. 38], 490-493) erklärt, daß der status perfectionis exercendae auf Akte hinweist, die darauf abzielen, eine Funktion zu realisieren, die sich auf Lehren, Beurteilen, Predigen und auch Seelsorgen bezieht. Dagegen weist der status perfectionis acquirendae nicht auf Akte hin, die jene Art von Funktionen realisieren. Hier ist die Person nur den Dingen von Vollkommenheit verpflichtet, die ihre Weihe (als Bettelmönch) betreffen. Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 179 sq., erinnert daran, daß diese Lehre kein Beleg für eine scotische Autorschaft sein kann, da diese Unterscheidung in den damaligen Debatten sehr verbreitet war; darüber hinaus findet man nur beim Verfasser von ,De perfectione‘ die Meinung, daß ein Mensch durch den status perfectionis acquirendae vollkommener beziehungsweise tugendhafter sei als durch den status perfectionis exercendae. Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 1-46, 499-531.
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chen Ziel des Christentums zu überzeugen. Wenn die Erkenntnis von religiösen Wahrheiten und das Erreichen des letzten Ziels in patria neben der Sakramentenspendung und der Ernährung der Gläubigen durch Predigt und Lehre Aufgabe der Kirche ist, dann ist diese nur durch die Bettelmönche zu erfüllen 139. ,De perfectione statuum‘ stellt das Ideal der Minderbrüder als ein Ideal der perfectio dar, die sich auf die der Kirche wesentliche Aufgabe der conversio infidelium bezieht und in ihrer Wirkung als Überzeugungsmittel außer den miracula auch für die Ausbreitung des Glaubens eintreten muß 140. Als apostolus oder missus hat dann der Bettelmönch gegenüber den anderen Ständen einen Vorrang 141. Ist der Prälat in der Tat gleichsam der pater nutriens et curans der Christenheit, indem er die Gemeinde regiert, schützt und belehrt, so setzt er aber den eigentlichen pater generans voraus; schließlich sind all seine Tätigkeiten an die Voraussetzung der Existenz einer Gemeinde gebunden. Der Stand der Menschen des apostolischen Lebens ist der Stand, „der die Ungläubigen bekehrt, sowie in den Gemeinden wirkliches Leben anregt“ 142. Und zwar leitet der Autor, so R. Seeberg zu Recht, die Notwendigkeit eines Standes apostolischer Vollkommenheit (1) „aus der Aufgabe des Papstes“, (2) „aus dem wirklichen Zustand des Klerus“ und (3) „aus den Bedürfnissen der Christenheit und der Thätigkeit der Bettelorden“ ab 143. (1) Der Papst ist der vicarius Christi in einem weiten Sinne; im politischen Sinne ist er so wie Christus „totius mundi, tam fidelium quam infidelium, dominus“ 144. Dies muß aber heißen, daß die amtliche Stellung - und Hoheit - des Papstes eine Fülle von Pflichten in sich schließt 145. Wenn die Grundfunktionen, durch welche Christus und die Kirche Leben „verbreiten und erhalten“ - das heißt 139 140
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Cf. ibid., 17 sq., 514 sq.; 25 sq., 519; 30, 522; 86-91, 554-557. Anscheinend tritt die vita perfecta sogar an die Stelle der miracula, cf. ibid., 71, 545. Cf. auch 14, 511; 27, 520 sq.; 45, 531: „Dicendum ergo quod praedictus status et ex ordinatione divina et ex sui natura, est institutus ad bonum regimen universi; talis enim status ad regimen Ecclesiae infideles ad conversionem adducit, et fideles ad obediendum ex charitate inducit, peccatores ad confessionem et poenitentiam deducit, imperfectos ad perfectionem perducit, et perfectos in sua perfectione ad finem conducit, et caetera multa ad salutem animarum omnium et ad bonum reginem Ecclesiae facit.“ Cf. ibid., 40, 527: „Et quando dicitur, solum fuerunt duo illi status in Ecclesia in principio, dicendum quod apostoli et discipuli tenuerunt vitam praedicatam ratione cujus magis obtinuerunt nomen apostolorum quam ratione dignitatis. Apostolus dicitur missus, unde usque diem hodiernum illi qui missi sunt ad conversionem infidelium et convertunt eos, dicuntur apostoli eorum […]. In conversione autem infidelium magis requiritur et principalius vita quam dignitas episcopalis; ideo talis status non fuit adventitius, sed primus et magis essentialis, imo magis est adventitius status patris nutrientis et curantis quam status patris generantis.“ Cf. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus (nt. 122), 472. Im Traktat befindet sich sogar eine bestimmte Konzeption der Geschichte des Christentums. In der Anfangszeit, der Periode der Verfolgungen, seien Mönche als Bekehrer und Missionare unverzichtbar gewesen; in der Periode der Häresien genügten Menschen, die über die rechte Lehre verfügten, cf. ibid., 478 sq. Cf. ibid., 472 sq. Cf. ibid.; ,De perf.‘ (nt. 104), 46, 531. Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 71-85, 545-554.
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Lehre und Seelsorge des Bekehrten, die Spendung der Sakramente und die Einwirkung auf die Welt durch das christliche Vorbild - Aufgabe des Papstes sind, deren persönliche Durchführung ihm aber unmöglich ist, bedarf der vicarius Christi der verschiedenen Ämter der Kirche; und wenn wie in den meisten Fällen der Papst selbst und die Prälaten persönlich nicht in der Lage sind, die ursprüngliche und wesentliche Macht des christlichen Lebens zu repräsentieren, so bedarf der Papst der Unterstützung der apostolisch vollkommenen Religiösen 146. Sofern der dominus totius mundi auch „Herr der Nichtchristen ist“ und die Ungläubigen „nur durch die Mission“ erreicht, kann letztere Aufgabe wirkungsvoll nur durch die Bettelorden erfüllt werden 147. Die Bettelmönche, die die Päpste folgerichtig schützen und unterstützen sollen, sind, um das Werk Christi auf der Welt zu verbreiten, brauchbarer und notwendiger als die Prälaten 148. (2) Ich komme abschließend noch zum zweiten Punkt. Der Verfasser argumentiert mit Verweis auf Aristoteles’ ,Rhetorik‘, daß ein Stand, der eine solche vita perfecta pflegt, der Vernunft nach der einzige ist, der die infideles zum Leben erwecken und die fideles auf das versprochene Leben in patria hinweisen kann. Dies betrifft insbesondere Menschen und Lebenszusammenhänge, für die es nicht selbstverstädlich ist, daß das christliche Leben als das wahre erscheint. Schließlich müssen die auditores Predigten über Dinge zuhören, die ratione probari non possunt. In der ,Rhetorik‘ unterscheidet Aristoteles drei „künstliche Weisen“ - logos, pathos und ethos -, die bei den Zuhörern den Glauben an etwas erwecken 149: (a) entweder durch wahrscheinliche und anscheinende Gründe (rationem probabilem et apparentem); (b) oder durch die vorherige „Neigung“ (inclinationem) der Zuhörer zum Glauben an die entsprechenden Wahrheiten - so wie amantes und odientes das gleiche Ding auf verschiedene Weisen beurteilen; (c) oder durch die augenfälligen guten Sitten des Redners beziehungsweise die bonitas 146 147
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Cf. ibid., 15-20, 511-515; 72 sq., 546 sq.; 81, 551. Cf. ibid., 12, 510: „Item ille status, qui talem permittit vitam in eis qui in eo statu sunt, quam infideles pro beatitudine appeterent et nullam aliam affectarent, non solum non infideles, sed nec fideles excitat ad credendum vel ad cogitandum quod est vita alia nunc magis appetenda et alia bona quam mundana ista. Sed status praelatorum est talis status, quod permittit talem vitam in eis qui in eo sunt, quam infideles pro beatitudine appeterent et nullam aliam affectarent; ergo status praelatorum nec infideles nec fideles excitat ad credendum vel cogitandum quod est alia vita, nec alia magis appetenda bona quam mundana ista.“ Für den gesamten Abschnitt cf. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus (nt. 122), 472 sqq. und 474, nt. 1: „Die Mission erscheint also neben der Predigt als eine notwendige Funktion der Kirche.“ Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 14, 511: „Ex iis sequitur primo quod talis vita simpliciter mundo sit necessaria, secundo etiam ad hoc quod esset ecclesiastica Hierarchia“; 81, 551: „Item quod actus, quos exercent praedicti religiosi, sint multo utiliores quam sollicitudo omnium praelatorum simul, probatio: In tali comparatione debemus accipere praelatos sufficienter pro populi regimine, et ex alia parte de aliis sufficienter pro populi excitanda devotione. Tunc sic: Illi actus qui ratione actus per se et directe movent infideles et fideles ad fidem futurae vitae, […], tales actus sunt utiliores mundo quam illi actus qui sic non possunt facere; sed actus, quos tenentur exercere qui vitam tenent praescriptam, sunt hujusmodi, ut superius probatum est, et non actus, quos tenentur praelati exercere […].“ Cf. Aristoteles, Rhetorik, I. 2-3; II. 1.
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loquentis. Wahrheiten über die Dreieinigkeit und die Menschenwerdung Christi erfüllen die Kriterien (a) und (b) in keinem Fall, es sei denn daß miracula geschehen, was aber nicht in der Macht des Menschen steht. Die Leute finden über diese entweder nur argumenta insufficientia und indispositio und werden zum Glauben an diese ungewissen Dinge nur oder zumindest hauptsächlich durch die bonitas loquentis geführt 150. Angenommen, daß das versprochene Leben in patria die Liebe Gottes und die Verachtung dieser Welt und ihrer Güter impliziert und das Volk in den Prälaten hingegen nur Menschen sieht, die nach Ruhm, Macht und Geld streben und in Zeiten von Gefahr oder Verfolgung fliehen, so versteht sich, daß der Klerus durch sein Leben nie und nimmer den Ungläubigen den Weg zum ewigen Leben leuchten kann 151. Nun, „jedem Menschen wird aber der instinctus rectae rationis sagen, daß niemand Reichtum, Ehren und Freuden verachten, das Vaterland und die Freunde verlassen und sich ganz dem Willen eines anderen unterordnen, mit dem Notdürftigsten zufrieden sein wird“ 152. Durch das vorbildliche Leben der Mönche und „ihren sittlichen Ernst“ wird aber - vor allem gegenüber den Ungläubigen bei der Mission - „das Vertrauen zu ihrer Wahrhaftigkeit erzeugt“; dementspechend bewirkt die sittliche Kraft ihres apostolischen Lebens das Vertrauen zu ihrer der Vernunft und dem menschlichen ,Instinkt‘ nach undeutlichen Botschaft 153. Daher können die religiosi beziehungsweise die Minderbrüder für die wahren geistlichen Väter der Kirche gehalten werden, während die Prälaten sich nur durch äußere Mittel an der Erhaltung einer bereits erweckten vita beteiligen 154.
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Cf. ,De perf.‘ (nt. 104), 14, 510 sq.; 14, 511: „[…] sed ad fidem faciendam de Trinitate et Incarnatione et multis aliis, quae debet praedicans proponere, desunt argumenta sufficientia, et indispositio est in auditoribus; ergo ad fidem faciendam de Trinitate, citra miracula dico, et sic de caeteris aliis multis ad fidem pertinentibus, maxime valet bonitas loquentis.“ Cf. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus (nt. 122), 474 sq.; cf. auch ,De perf.‘ (nt. 104), 18, 521; 95, 560. Cf. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus (nt. 122), 476; ,De perf.‘ (nt. 104), 13, 510: „Hoc dictat omni homini instinctus rectae rationis, quod nullus sapiens honores quos habet vel habere potest, divitias, delicias, carnis voluptates perfecte contemneret; parentes, propinquo, amicos, patriam dimitteret; voluntati et ordinationi alterius se subderet […].“ Zum spannenden Thema der Überzeugungskraft des Handelns und des persönlichen Vorbilds beziehungsweise eines vollkommenen Lebens, das durch eine Übereinstimmung von Predigt und Taten charakterisiert wird, sowie zur Berufung auf Aristotelische Textstellen cf. etwa ,De perf.‘ (nt. 104), 25, 518: „Item exempla excitant ad consimilia, et bona operatio constans et permanens perfectos in bona operatione confirmat. Ista patent per Philosophum, 2 ∞ Politicae suae, in quo docet quomodo debemus per sermones eximiores movere homines ad detestationem vitiorum et amorem virtutum […]“; 25, 519: „Item secundum sententiam Christi, nisi poenitentiam egeritis, omnes simul peribitis; ergo oportet praedicare poenitentiam; ergo et facere, se debeat movere, ut patet per Philosophum 10. Ethicorum, ut superius allegatum est, et prius dicit sic sermones conformes operibus existentes creduntur, propter quod provocant intelligentes vivere secundum ipsos.“ Cf. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus (nt. 122), 477; cf. beispielsweise ,De perf.‘ (nt. 104), 94, 559 sq.
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V. Scotus, die Missionen und die franziskanische Identität: Schlußbemerkung en Nach diesem kurzen Blick auf die Struktur und den Inhalt von ,De perfectione statuum‘ scheint es treffender, Scotus’ bewußte Identifizierung mit einer Ansicht, die den Franziskanischen Orden als Orden am meisten prägt, eher im Rahmen seiner bescheidenen aber empfindlicheren Verteidigung der für den Orden charakteristischen paupertas evangelica zu suchen 155. Scotus kennt und erwähnt, besonders wegen ihrer Genehmigung der franziskanischen ,Regula‘, die päpstliche Verfassung ,Exiit qui seminat‘ 156. Dies wirkt bestimmt auf seine Auffassungen von Benutzung (usus), Besitz (dominium), ausgleichender Gerechtigkeit (iustitia commutativa) und auch auf seine artikulierte Haltung zur Theorie des Wuchers (usura) 157. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß er bezüglich der Gültigkeitsbereiche, der Gesetzgebung und der Eigentümlichkeiten, die den verschiedenen Ständen entsprechen, trotz ihrer argumentativen Bestimmung maßgeblich durch das ius ecclesiasticum positivum, am Ende eine konservative Position einnimmt 158. Nirgendwo in Scotus’ ,Ordinatio‘ oder den ,Reportationes‘ findet man die alternativen Thesen des Autors von ,De perfectione‘ zur Kirchenstruktur. Ihrerseits offenbart die Abhandlung ,De perfectione statuum‘ ein klares Ideal eines pastoralen und missionarischen Franziskanismus: Alle zentralen Thesen 155
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Cf. zum Beispiel Duns Scotus, Ordinatio IV (nt. 130), d. 3, q. 4, no. 5, ed. Vive`s, vol. 16, 343. Cf. R. Lambertini, Questioni etico-politiche e tradizione francescana in Giovanni Duns Scoto, in: id., La poverta` pensata (nt. 99), 139. Cf. Lambertini, Questioni etico-politiche (nt. 155), 134 sqq.; cf. etwa Duns Scotus, Ordinatio IV (nt. 130), d. 15, q. 2, no. 17, ed. Vive`s, vol. 18, 292 sq. Zu ,Exiit qui seminat‘ und ihrer Erläuterung der ,Regula‘ cf. M. D. Lambert, Franciscan Poverty, The Doctrine of the Absolute Poverty of Christ and the Apostles in the Franciscan Order 1210-1323, London 1961, 141-148. Cf. Wolter, Introduction (nt. 124), 17 sqq.; cf. John Duns Scotus, Is a Penitent Thief Bound to Restitution (nt. 124), a. 2, 54; a. 3, 63 sqq. Cf. Lambertini, Questioni etico-politiche (nt. 155), 135 sqq. Übrigens werden keinerlei päpstliche Verfassungen in ,De perfectione statuum‘ angeführt - auch die ,Regula‘ wird dort nicht explizit zitiert; eine andere Auffassungs vertritt hingegen Lambertini, La poverta` pensata (nt. 99), 185, nt. 97 in bezug auf ,De perf.‘ (nt. 104), 70, 545. Lambertini betont den Ausdruck „ibidem“ als Verweisungszeichen, aber interessanterweise zitiert er nicht den vorangehenden Text, wo der Audruck „regula“ tatsächlich erscheint, cf. ibid., 70, 544: „Dicitur, operatio requirit sollicitudinem; sed licitum est eis laborare pro se et suis fratribus corporis necessaria accipiendo, secundum quod dicitur in regula [sic!] talium.“ Cf. Franziskus von Assisi, Die Opuscula (nt. 81), Kapitel 21: Regula bullata, [Caput V] De modo laborandi, 368. Zur „konservativen“ Ekklesiologie des Duns Scotus cf. Balic´, Duns Scot (nt. 98), col. 1813. Seeberg, Die Theologie des Johannes Duns Scotus (nt. 122), 468 sq. identifiziert mehrere ziemlich verbreitete Definitionen der Kirche bei Scotus - als „universitas fidelium“ (Rep. par. IV, d. 24, q. 1, no. 5), „communio fidelium“ (Ord. IV, d. 19, q. un., no. 15), „congregatio fidelium“ und „communitas“ (Ord. IV, d. 21, q. 2, no. 10), wobei es nicht immer deutlich ist, ob „ fideles“ einen mystischen oder einen nur noch „statistischen“ Sinn hat. Cf. auch J. Finkenzeller, Offenbarung und Theologie nach der Lehre des Johannes Duns Scotus. Eine historische und systematische Untersuchung, Münster 1961, 49-60, 136-140; G. Lauriola, La chiesa in Duns Scoto, in: id. (ed.), Giovanni Duns Scoto, Bari 1992, 203-211; R. Cross, Duns Scotus, Oxford 1999, 7 sq.
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zum vollkommenen Leben, zur alternativen kirchlichen Struktur und zur franziskanischen Identität beziehungsweise zur evangelischen Armut beziehen sich auf die Fähigkeit und den Zweck des Standes der Minoriten, die infideles zum Glauben zu bringen und die fideles im Glauben zu bestärken. Und sehr deutlich soll der infidelis - wegen der Auffassung der Weisen, wie er überzeugt werden kann - eher als „Heide“ denn als bloßer „Ungläubiger“ beziehungsweise „Nichtchrist“ oder eben „Muslim“ verstanden werden 159. Die Betonung der missionarischen Identität der Bettelorden paßt sehr gut mit den Lebensidealen von Johannes von Montecorvino und Odorico von Pordenone zusammen. Gerade diese sachliche wie auch ideologische Übereinstimmung bestätigt die Kohärenz des letzten terminus post quem (Scotus’ Lehrtätigkeit in Paris) und des terminus ad quem (etwa 1317) der Schrift, wie sie von R. Lambertini verteidigt wurden. Nach dieser Darstellung der Konzeption der vollkommenen vita im Traktat ,De perfectione‘ scheint es noch schwieriger zu glauben, daß die Art und Weise, in der der Verfasser die franziskanische Identität schildert, die via Scoti sein kann. Zwar stellt Scotus ähnliche beziehungsweise keine gegensätzlichen Kennzeichnungen der religiösen Vollkommenheit dar, aber die Art, in der der Autor von ,De perfectione‘ gerade die perfectio völlig auf die praktische Ebene der religiösen Überzeugung durch ein apostolisches Leben verlagert, geht dem franziskanischen Universitätsmeister im Hinblick auf Modelle einer ,Mission‘ sicherlich zu weit. Die deutlichste und ausführlichste mir bekannte Äußerung des Scotus in bezug auf die kirchliche Aufgabe der Bekehrung der Ketzer und Ungläubigen, nämlich der zweite Teil des Prologs zur ,Ordinatio‘, bleibt auf der Ebene der intellektuellen apologetischen Traktate zugunsten des Christentums. Mir ist zwar nicht ganz klar, inwieweit im Mittelalter apologetische Literatur und religionsvergleichende Literatur beziehungsweise „Bekehrungsliteratur“ ähnliche literarische Gattungen sind, Scotus aber folgt mit Ord. prol. p. 2 jedenfalls einer theologischen Literatur und - so sage ich - ,wissenschaftlichen Missionsarbeit‘, die im akademischen Traktat oder in der überzeugenden Predigt nach außen für Dominikaner und Franziskaner kennzeichnend ist 160. Entsprechende Arbeiten finden wir zum Beispiel bei Dominikanern wie Wilhelm von Tripolis (,Tractatus de statu saracenorum‘, 1273), Ramo´n Martı´ (,Pugio fidei contra Mauros et Iudaeos‘, 1278), Ricoldo de Monte Croce (,Contra legem saracenorum‘, oder ,Confutatio Alcorani‘) und natürlich auch Thomas von Aquin (,Summa contra gentiles‘ und ,De rationibus fidei contra saracenos‘), wie auch
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„Sarazenen“ werden im Traktat nicht erwähnt. A. Camps, Das franziskanische Missionsverständnis im Laufe der Jahrhunderte, in: id./G. W. Hunold (eds.), Erschaffe mir ein neues Volk. Franziskanische Kirchlichkeit und missionarische Kirche, Mettingen 1982, 30-43, hier 30 sqq. und 35-38 unterscheidet in der Geschichte des Franziskanischen Ordens im Mittelalter drei Missionsverständnisse: die evangelische Mission des Hl. Franziskus, die wissenschaftlich-„philosophische“ Mission Roger Bacons und des Raimundus Lullus und die eschatologische Mission eines Petrus Johannes Olivi.
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bei Franziskanern wie Roger Bacon (,Opus maius‘ und ,Opus minus‘) und Raimundus Lullus (,Ars generalis‘) 161. Es ist nicht völlig klar, ob Thomas von Aquin und Duns Scotus in solchen akademischen Apologien echte Vorstellungen davon hatten, daß ,Heiden‘ existierten, denen das Evangelium schlechthin unbekannt und nie verkündet worden war, beziehungsweise wie denn solche Menschen von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen wären 162. Es ist aber nicht unmöglich - und auch nicht so unwahrscheinlich -, daß Scotus zumindest von der Tätigkeit seiner Brüder in der Mission (zumindest unter den Sarazenen) eine Ahnung hatte. Interessanterweise finden wir gerade auch in Ord. prol. p. 2 einen Hinweis darauf, daß Scotus über Ereignisse im Heiligen Land informiert war, insofern er um 1300 in Oxford höchstwahrscheinlich auf die Schlacht von Magˇma al-muru¯gˇ (= Wa¯dı¯ al-H ˚ azanda¯r) am 23. Dezember 1299 hinweist, in der die Türken, im Bund mit den Christen aus Georgien und Armenien, die muslimischen Araber besiegten 163. Damit würde Scotus auf gewisse Weise Bonaventura folgen, demzufolge es Aufgabe der Kirche ist, dafür zu sorgen, daß alle Völker tatsächlich mit der christlichen Botschaft bekanntgemacht werden. Bonaventura redet von drei Wegen, auf denen ein Mensch bona fide und ohne Wissen von der christlichen Botschaft erkennen könne, daß er eines Vermittlers beziehungsweise eines Erlösers bedarf 164: (a) zunächst „ex consideratione suae miseriae et curvitatis“ beziehunngsweise wegen seiner Sündhaftigkeit, wobei ein Mensch in diesem Fall auf die Notwendigkeit eines Vermittlers „ex dictamine naturae“ schließen würde; (b) danach durch die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auf die Lehre und das Vorbild der Menschen, die im Dienste Gottes leben, wobei ein Mensch hier „ex aliena instructione“ auf die Notwendigkeit eines Vermittlers schließen würde; und (c) schließlich durch die Gnade Gottes, wobei in diesem Fall der Schluß „ex Dei inspiratione“ zu erreichen wäre 165. 161
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Es fand im 13. Jahrhundert bei Dominikanern und Franziskanern - bei Raimundus Lullus auf Mallorca - eine ,wissenschaftliche‘ (oder: sprachliche und theologisch-philosophische) Vorbereitung für diese Tätigkeit unter Muslimen statt, etwa im Sinne einer „Missionsschule“, cf. Glazik, Die Mission der Bettelorden (nt. 9), 482; Roest, Franciscan Literature (nt. 82), 245 sq. T. Crowley, The Non Christians in a Scotist Setting, in: De doctrina Ioannis Duns Scoti, vol. 3, Rom 1968, 757-766, hier 760 sq. stellt - etwas übertreibend - fest, daß alle bei Thomas und Scotus betrachteten Situationen, in denen Personen bona fide geoffenbarte Wahrheiten ignorieren, als reine Hypothesen angesehen werden können. Cf. De Boni, Sobre a vida e a obra (nt. 31), 51-72. Das Zitat (cf. nt. 165) und die Bermerkung habe ich zuerst bei Crowley, The Non Christians (nt. 162), 759 sq. gefunden. Cf. Bonaventura, In Libros Sententiarum III, d. 25, a. 1 („De fidei sufficientia“), q. 2 („Utrum eis qui praecesserunt adventum Christi, suffecerit ad salutem credere ea tantum, quae spectant ad Divinitatem“), arg. 6 et ad 6, Florenz 1881-1901, vol. 3, 540: „Item, nullus tenetur operari illud, ad quod non potest se erigere virtus sua operativa: ergo nullus tenebatur credere iluud cuius notitiam non poterat acquirere nec per inventionem nec per doctrinam“; cf. ibid., 541: „Ad illud quod ultimo obiicitur, […]; iam patet responsio: quia divina gratia omnibus praesto erat, et natura ad hoc manuducere poterat ex consideratione suae miseriae et curvitatis et ex eruditione quadam generali, quam accipere poterant a viris, qui erant in cultu Dei famosi. Unde cum non esset tunc prophetia nec revelatio aperta; non tenebantur omnino ad fidem explicitam. Indubitanter tamen verum est, quod eis praesto erat notitia Mediatoris, quanta opportuna erat secundum exigentiam temporis,
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In einer freien - aber kohärenten - Auslegung und Anwendung des Wortes Bonaventuras fixiert sich Scotus in bezug auf die missionarische Identität des Franziskanischen Ordens auf den ersten Teil des zweiten Weges - die Lehre der Menschen im status religiosus. In bezug auf dieselbe Frage fokussiert der Verfasser von ,De perfectione‘ entscheidend den zweiten Teil des zweiten Weges - das ausgezeichnete Vorbild der Menschen im status religiosus. Wenn dies der Fall ist, so konnte doch eine relevante Gegenevidenz für die Hypothese gefunden werden, Scotus sei Verfasser von ,De perfectione‘. In Ord. prol. p. 2 - Beleg für die aufgestellte These - wird gefragt, ob die dem Menschen pro statu isto notwendigen Wahrheiten auf eine genügende Weise oder „sufficienter“ in der Heiligen Schrift überliefert werden. Der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Argumentation liegt sowohl in der doppelten Bedeutung von „sufficienter“ 166 als auch darin, daß hier nicht auf Theologen, sondern auf Ungläubige Bezug genommen wird 167. Ihnen muß die nicht-evidente Wahrheit, daß eine besondere Schrift alle notwendigen von Gott geoffenbarten Wahrheiten enthält, dadurch wahrscheinlicher oder glaubwürdiger gemacht werden, daß die Inhalte oder die Wahrheiten dieser Schrift als glaubwürdig beziehungsweise nicht unglaubwürdig oder für die Vernunft akzeptabel erwiesen werden. Ein Theologe muß dann im Blick auf das Nichtevidente - das heißt die christlichen Wahrheiten der Bibel - einem Ungläubigen Gründe zeigen, mit denen die Inhalte der Heiligen Schrift zwar nicht bewiesen, aber doch in Einklang mit der Vernunft gebracht werden können. Zu disem Zweck werden dann acht (oder zehn) viae rationabiliter convicendi entfaltet 168: (1) Die Schriften sind durch die Erfüllung der Prophezeiungen des Alten Testaments im Neuen Testament bestätigt; (2) die Schriften sind inhaltlich kohärent; (3) sie wurden von Autoritäten geschrieben; (4) sie wurden von einer berühmten und anständigen Gemeinde
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tum ex dictamine naturae tum ex aliena instructione tum etiam ex Dei inspiratione, qui se offert omnibus qui eum requirunt humiliter.“ Cf. dazu R. H. Pich, Duns Scotus sobre a credibilidade das doutrinas contidas nas Escrituras, in: L. A. De Boni (ed.), Joa˜o Duns Scotus 1308-2008 - Scotistas luso´fonos, Porto AlegreBragancX a Paulista 2008, 125-155; id., Duns Scotus on the Credibility of Christian Doctrines, in: Universality of Reason - Plurality of Philosophies in the Middle Ages. Proceedings of the XII International Congress of Medieval Philosophy, Palermo 16.-22. September 2007 [in Vorbereitung]. Scotus eigener Exposition der ,Wahrheit‘ der Heiligen Schrift gehen Mustervorwürfe voran, die von bestimmten „Ketzern“ stammen, nämlich aus Häresien oder aus anderen Religionen, die die Schrift entweder vollständig oder teilweise zurückweisen, cf. Duns Scotus, Ordinatio, prol. p. 2, q. un., no. 99, ed. Vaticana, Vatikan 1950, 60: „In ista quaestione sunt haereses innumerae damnantes sacram Scripturam, totam vel partes eius, sicut in libris Augustini et Damasceni ,De haeresibus‘ patet.“ Cf. Duns Scotus, Ordinatio, prol. p. 2, q. un., no. 100, 61: „Contra istas omnes in communi sunt octo viae eas rationabiliter convincendi, quae sunt: praenuntiatio prophetica, Scripturarum concordia, auctoritas scribentium, diligentia recipientium, rationabilitas contentorum et irrationabilitas singulorum errorum, Ecclesiae stabilitas, miraculorum limpiditas.“ Zwei andere Überzeugungsweisen finden sich in Ordinatio, prol. p. 2, q. un., nos. 118 sq., 83 sq.: „Nono quoque loco adduci potest testimonium eorum qui foris sunt. Iosephus in libro XVIII Antiquitatum pulcherrimum testimonium ponit de Christo […]“; „Decimo et ultimo potest addi quod Deus non deest quaerentibus toto corde salutem.“
Die Missionen des Franziskanischen Ordens um 1308
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überliefert; (5) die Inhalte der Schriften sind in höchstem Maße vernünftig; (6) es kann gezeigt werden, daß nichtchristliche religiöse Ansprüche nicht vernünftig sind; (7) es kann gezeigt werden, daß nichtchristliche Ansprüche ephemer sind; (8) die Schriften enthalten Berichte von Wundern, die von Gott bezeugt werden. In jeder via gibt es eine ähnliche Struktur dialektischer Argumentation, um einen überzeugenden und wahrscheinlichen Syllogismus zu bilden. So zum Beispiel in der fünften via, die die These der hohen Rationalität der biblischen Inhalte verteidigt: Wenn als Obersatz angenommen wird, daß eine Schrift und ihre Inhalte glaubwürdig sind, wenn all ihre praktisch-moralischen Prinzipien durch strenge Grundsätze oder Naturgesetzte strukturiert werden, und gezeigt werden kann, daß die moralischen Prinzipien der christlichen Heiligen Schrift durch das erste und zweite größte Gebot des Evangeliums (Mt 22,37-40) beziehungsweise durch ein strenges Naturgesetz und durch ein Naturgesetz gemäß einer rationalen Übereinstimmung (convenientia) strukturiert werden, dann folgt, daß die christliche Schrift und ihre Inhalte glaubwürdig sind. Wenn der Obersatz ein per se notum ist, wissen alle Theologen und Exegeten, daß der Untersatz höchstens Wahrscheilichkeit beanspruchen kann 169. All diese Wege, von der Wahrheit und Hinlänglichkeit der Schrift zu überzeugen, sind auf Leute ausgerichtet, die nicht daran glauben. Die Argumentation zielt darauf ab, sie auf den christlichen Glauben vorzubereiten, beziehungsweise darauf, daß sie die christlichen Glaubensartikel aus eigener rationaler Überzeugung von der Kirche annehmen. Konkret sind die Addressaten: (a) Leute, die nichts von der Bibel akzeptieren (vielleicht Heiden, vielleicht Gnostiker oder Anhänger der Religionen der Antike) 170; (b) Ketzer wie die Manichäer, die vor allem das Alte Testament zurückweisen; (c) Juden, die nur das Alte Testament für wahr halten 171; (d) Muslime, die beide Testamente ablehnen und eine neue 169 170
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Cf. Pich, Duns Scotus on the credibility (nt. 166). Cf. G. Sondag, Scolie, in: Jean Duns Scot, Prologue de l’Ordinatio, pre´sentation et traduction annote´e de G. Sondag, Paris 1999, 129. In einer Art, die sehr wenig dem Prinzip des apostolischen Vorbilds beziehungsweise der Betonung des apostolischen Lebens der Mönche als Missionsmethode und Bekehrungsmaßnahme der Ungläubigen in ,De perfectione statuum‘ ähnelt, befürwortet Duns Scotus - auch hier ohne Originalität - die Zwangsbekehrung und die Zwangstaufe zunächst der Kinder von Juden und anderer Ungläubiger gegen den Wunsch ihrer Eltern. Dies betrifft freilich nicht die Kirche an sich, sondern den Fürst beziehungsweise seine Untertanen. Bestimmt spielt hier die Art und Weise eine Rolle, wie Scotus die Gewalt eines Herrschers durch das positive Recht - aber doch in Übereinstimmung mit naturgesetzlichen Grundsätzen erster und zweiter Stufe - versteht. Cf. Duns Scotus, Ordinatio IV, d. 4, q. 9 („Utrum parvuli Judoeorum et infidelium sint invitis parentibus baptizandi“), no. 1, ed. Vive`s, vol. 16, 488: „[…] ergo maxime debet Princeps zelare pro dominio servando supremi Domini, scilicet Dei, et per consequens non solum licet, sed debet Princeps auferre parvulos a dominio parentum volentium eos educare contra cultum Dei, qui est supremus et honestissimus dominus, et debet eos applicare cultui divino.“ Aber auch an dieser Textstelle stellt Scotus fest, daß durch die Autorität eines christlichen Fürsten anscheinend Ungläubige doch „per minas et terrores“ zum neuen Glauben gezwungen werden dürfen, cf. ibid., 489: „Istud autem de parentibus infidelibus cogendis per minas et terrores, videtur probari, quia simile commendat illud Concilium Toletanum supra allegatum d. ,Qui pridem ad Christianitatem coacti sunt, sicut factum est temporibus religiosissimi principis Assebuci‘; ergo in hoc approbat
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Roberto Hofmeister Pich
Schrift für sich erfinden 172; (e) Leute, die zunächst Christen waren, dann aber entweder nur noch einen Teil der Heiligen Schrift akzeptiert oder sie auf eine von der Kirche abweichenden Weise interpretiert haben 173. Akademisch-apologetische Auseinandersetzungen zeichnen in Ord. prol. p. 2 den Weg aus, auf dem Scotus einen Blick auf die Nichtchristen wirft; die von ihm auf traditionelle Weise skizzierte vita perfecta und seine bescheidene ,wissenschaftliche Missionsarbeit‘ sprechen nicht für die Auffassung eines ,franziskanischen Missionarismus‘ beziehungsweise - anders als beim Autor von ,De perfectione‘ - nicht für die Betonung des missionarischen Verständnisses der franziskanischen Identität.
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eum tanquam principem religiosum, quid infideles coegit ad fidem.“ Dies ist bestimmt nicht die typische Situation einer Mission, sondern eher der wichtige Einzelfall, der beschreibt, wie Kinder von Ungläubigen beziehungsweise Ungläubige in einer christlichen Regierung zu behandeln sind. Scotus’ Worte gegen Mohammed in Ordinatio, prol., no. 99 sind besonders hart und offensiv; cf. dazu auch Sondag, Scolie (nt. 170), 129, nt. 2. Cf. Duns Scotus, Ordinatio, prol. p. 2, q. un., no. 99, 60 sq.: „Quidam tantum Vetus Testamentum recipiunt, ut iudaei. Quidam aliquid utriusque, ut saraceni, quibus immundus Mahometus miscuit alias immunditias innumeras. Quidam autem aliquid dictum in Novo Testamento, puta haeretici diversi, qui sententias diversas Scripturarum male intellectus habentes pro fundamentis, alias neglexerunt; verbi gratia ad Rom. 13: ,Qui infirmus est, olera manducet‘, et huiusmodi. Item, Iac. 5: ,Confitemini alterutrum peccata vestra‘, […].“ Cf. auch nt. 167.
Anhang
B. Kurmann-Schwarz
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Abb. 5: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Blick in den Chor (Photo, Aarau, Kantonale Denkmalpflege)
Abb. 6: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Langhausfenster n XI, 1a, ornamentale Scheibe mit Reichsschild, um 1314/16
976
B. Kurmann-Schwarz
Abb. 9: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Chor, Fenster n III, 8-10a-c, Enthauptung der heiligen Katharina (Photo Franz Jaeck, Aarau, Kantonale Denkmalpflege)
Abb. 10: Königsfelden, ehemalige Klosterkirche, Chor, Fenster I, 8-10a-c, Grablegung Christi (Photo Franz Jaeck, Aarau, Kantonale Denkmalpflege)
J. Zahlten
Abb. 3: Lippo Memmi, Maesta`, San Gimigniano Palazzo Comunale
Abb. 4: Ambrogio Lorenzetti, Maesta`, Massa Marittima, Palazzo del Podesta`
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A.-D. von den Brincken
Rekonstruktion der Ebstorfer Weltkarte
A.-D. von den Brincken
979
980
A.-D. von den Brincken
Portolankarte des Pietro Vesconte, Ms. Vat. Lat. 2972, foll. 112v-113r
A.-D. von den Brincken
981
Fig. 1: Istanbul, Hagia Sophia, South vestibule. Justinian (527-565) presenting Hagia Sophia and Constantine (280-337) presenting Constantinople to the Virgin and Child
982 A. Sahaydachny
A. Sahaydachny
983
Fig. 2: Siena, Museo dell’Opera del Duomo. Maestro di Tressa, Madonna degli occhi grossi
Fig. 3: Etschmiadsin Gospels, Ms. 2734, fol. 229r, Adoration of the Magi
984
A. Sahaydachny
Fig. 4: Sinai Painter Peter. Madonna and Child with Moses & Euthymios
Fig. 5: Siena, Duomo. Madonna del Voto
A. Sahaydachny
Fig. 7: Siena Duomo. Duccio di Buoninsegna, Stained Glass Oculus
985
986
A. Sahaydachny
Fig. 8: Siena, Duomo. Duccio di Buoninsegna, Stained Glass Oculus, Dtl. Assumption of the Blessed Virgin Mary
Fig. 9: Siena, Duomo. Duccio di Buoninsegna, Stained Glass Oculus, Dtl. Coronation
Fig. 14: Siena, Museo dell’Opera del Duomo. Duccio di Buoninsegna, Maesta`, Front Panel
A. Sahaydachny
987
988
A. Sahaydachny
Fig. 15: Duccio di Buoninsegna, Maesta`, Front Panel, Dtl. Virgin and Child Enthroned
A. Sahaydachny
989
Fig. 16: Icon from the Monastery of Saint Catherine, Mount Sinai. Virgin and Child Enthroned with Saints Theodore and George, with Angels
990
A. Sahaydachny
Fig. 17: Opera della Metropolitana di Siena. Duccio di Buoninsegna, Maesta`, Dtl. Front Predella: Flight into Egypt
Fig. 18: Opera della Metropolitana di Siena. Duccio di Buoninsegna, Maesta`, Dtl. Front Predella: Presentation in the Temple
Verzeichnis der Handschriften Aarau, Staatsarchiv AA/0428, Königsfelden, Kopialbuch I: 550 U.17, 0011a, 1310 VI 18, Avignon: 554 U.17, 0059b, 1318 III 9, Straßburg: 546 U.17, 0074, 1322, Königsfelden: 555 U.17, 0103, 1330 II 2, Königsfelden: 555 U.17, 0276a, 1357 VII 28, Königsfelden: 554 Admont, Stiftsbibliothek Ms. 608: 707, 715-718 Arras, Bibliothe`que municipale Ms. 78: 625 Assisi, Biblioteca Communale Ms. 137: 498 Ms. 283: 715-717 Barcelona, Archivo de la Corona de Arago´n Ms. Perg. 2481: 173 Ms. 2482: 173 Basel, Universitätsbibliothek B II 23: 360 Berlin, Staatsbibliothek Ms. Lat. Quart. 291: 566 Bern, Bürgerbibliothek Ms. 452: 568 Ms. 581: 568 Bratislava, Univerzitna´ knizˇnica Ms. I: 509
Cambrigde, Peterhouse College Ms. 82: 727 Ms. 192: 529 Cambridge, St. Benedict College Library Cod. 65: 957 Cambridge, St. John’s College Library D 25: 96 Cambridge, University Library Ms. 134: 957 Chantilly, Muse´e Conde´ Ms. 280 (1051): 714-717 F XIV 26: 199, 207 Dresden, Landesbibliothek F. 159: 564 Eichstätt, Universitätsbibliothek Cod. 698: 577, 582 Erfurt, Bibliotheca Amploniana Fol. 16: 709 Qu. 220: 714-717 Erlangen, Universitätsbibliothek B 256: 360 Etschmiadsin Ms. 2734: 981
Breslau, Universitätsbibliothek IV. F. 175: 568
Florenz, Biblioteca Laurentiana Conv. Sopp. 95: 714-717 Plut. LXXXIV, 12: 707, 715-717, 719-722, 731, 733, 759-770 S. Crucis, Plut. XV Sin. 9: 709
Brügge, Bibliothe`que de la ville Ms. 496: 727
Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale Conv. Sopp. I, V, 7: 714-717
Cambridge, Corpus Christi College Ms. 427: 566
Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek Carm. 9: 577
Cambridge, Gonville and Caius College Ms. 448/409: 101
Graz, Universitätsbibliothek III, 93: 710
992
Verzeichnis der Handschriften
Halle, Universitätsbibliothek Stolberg, Wernig Za 65: 568 Hannover, Landesbibliothek XIII 766: 568 Krakau, Biblioteka Jagiellon´ska Ms. 506: 710 Krakau, Biblioteka Czartoryskich Cod. 1414: 786 Cod. 1583: 568 Laon, Bibliothe`que municipale Ms. 434: 710 Leipzig, Universitätsbibliothek Ms. 1313: 568 Ms. 1338: 715-717 London, British Library Cod. add. 48178: 565 Cott. Calig. A: 568 London, British Museum Add. Ms. 15834: 424 Madrid, Biblioteca Nacional Ms. 1016: 500 Ms. 10053: 711, 714-717 Mailand, Biblioteca Ambrosiana H. 58 Inf.: 564 R. 36 Sup.: 727
Oxford, Bodleian Library Digby 150: 727 Lyell 17: 570 Oxford, College Library Ms. 129: 715-717 Oxford, Merton College Ms. 66: 498 Ms. 1456: 957 Padua, Pontifica Biblioteca Antoniana Scaff. XVII, 379: 714-717 Pamplona, Biblioteca de la Catedral Ms. 6: 490, 509 Paris, Archives nationales J 413 n. 22: 126 J 428 nr. 16: 172 J 428 nr. 15: 176 J 476 nr. 110: 186 JJ 28: 187 Paris, Bibliothe`que de l’Arsenal Cod. 972: 425 Paris, Bibliothe`que Mazarinea Ms. 1635: 568 Ms. 3459: 710
München, Bayerische Staatsbibliothek Clm. 340: 426 Clm. 3073: 428 Clm. 8003: 708 Clm. 8717: 493, 746 Clm. 9676: 708, 714-717 Clm. 13056: 708 Clm. 14147: 723
Paris, Bibliothe`que nationale de France Ms. francX. 193: 188 Ms. lat. 4939: 20 Ms. lat. 5024: 568 Ms. lat. 7131: 431 Ms. lat. 9328: 431 Ms. lat. 10919: 186, 187 Ms. lat. 14565: 178, 179 Ms. lat. 14568: 727 Ms. lat. 15355: 303 Ms. lat. 15372: 163, 165-168, 179 Ms. lat. 16089: 742 Ms. lat. 16096: 281 Ms. lat. 16158: 727 Ms. n. acq. lat. 633: 711, 714-717
Neapel, Biblioteca Nazionale VII.C.22: 320
Paris, Bibliothe`que de l’Universite´ Ms. 131: 425
Nürnberg, Stadtbibliothek Cent. III, 79: 350 Cent. IV, 1: 710
Prag, Na´rodnı´ knihovna I D 10: 788 X. C. 568
Melk, Stiftsbibliothek Ms. 234: 320 Ms. 796: 705-770 Ms. 945: 577
Verzeichnis der Frühdrucke Regensburg, Fürstlich Thurn und Taxis’sche Hofbibliothek Pap. 156: 578 Salamanca, Biblioteca de la Universidad Ms. 2705: 711 Schaffhausen, Bibliotheca Ferri sine num.: 709 Sevilla, Biblioteca Colombina Ms. 7.6.2: 711 Ms. 7.7.19: 749 Siena, Archivio di Stato Diplomatico, Opera della Metropolitana, Parchment 614: 670 Siena, Biblioteca Comunale Ms. A IV 5: 693 St. Petersburg Sig. 25 (174): 568 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. Theol. 2∞ 100: 571 Utrecht, Universiteitsbibliotheek Ms. 739: 568 Ms. 740: 568 Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Barb. lat. 309: 727 Barb. lat. 2326: 563, 568 Borgh. 114: 727 Borgh. 122: 344, 345, 354 Borgh. 126: 710 Borgh. 309: 707 Ottob. lat. 179: 107, 108, 110, 112, 113, 115 Ottob. lat. 761: 563, 568 Ottob. lat. 719: 563, 568 Ottob. lat. 1236: 715-717 Pal. lat. Vat. 1213: 424 Pal. lat. Vat. 1362A: 20 Vat. gr. 609: 832, 837
Vat. gr. 614: 846 Vat. gr. 706: 839 Vat. gr. 1130: 846 Vat. lat. 868: 412 Vat. lat. 889: 512 Vat. lat. 859: 517, 518, 526, 527, 530 Vat. lat. 985: 342-344, 349-351, 353, 357, 358, 360, 363-365 Vat. lat. 1106: 509 Vat. lat. 1113: 509 Vat. lat. 1960: 21 Vat. lat. 2042: 568 Vat. lat. 2083: 710, 716, 759-770 Vat. lat. 2091: 709 Vat. lat. 3847: 838 Vat. lat. 4353: 107-109, 115, 116, 119-121 Vat. lat. 6768: 750 Venedig, Biblioteca Marciana Ms. gr. II, 2 (1012): 836, 837, 843, 844, 848 Ms. lat. Z. 104 (=2004): 347-350, 352, 354, 358, 359, 365 Wien, Nationalbibliothek Cod. 8314*: 546, 551 Cod. lat. 2864: 426 Cod. lat. 5315: 427 Cod. Pal. 1229: 433 Cod. Pal. 5486: 434 Cod. Pal. lat. 1134: 433 Cvp. 384: 577 Cvp. 369: 570 Cvp. 494: 568 Cvp. 687: 565 Cvp. 3320: 559 Cvp. 3402: 566 Cvp. 3414: 576 Ms. s. n. 4844: 566 Winchester, Cathedral Library Ms. 9: 568 Wolfenbüttel, Herzog-August Bibliothek Cod. Extravag. 110: 557
Verzeichnis der Frühdrucke Basel 1536 Constantini Africani post Hippocratem et Galenum Opera: 600
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Basel 1585 Arnaldi de Villa Nova opera: 430
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Verzeichnis der Frühdrucke
Basel 1618 Abohaly Abenzoar de regime sanitatis continens sanitatis tuendae rationem secundum praecipuas humani corporis partes capitibus triginta duobus [sic] distinctus: 425 Bologna 1620 Matthaeus Ferchius, Apologia pro Ioanne Duns Scoto: 486 Brescia 1591 Richard, Super quatuor libros Sententiarum: 327 Brixen 1591 Ricardi de Mediavilla Super quatuor libros sententiarum Petri Lombardi quaestiones subtilissimae: 412, 739 Leipzig 1570 Bernhardi de Gordonio Excellentiss. Medici Tractatvs De Conservatione Vitæ Hvmanæ, a` die Natiuitatis vsque ad vltimam horam Mortis: 421, 426, 427 Lyon 1505 Maynus de Mayneriis, Regimen sanitatis: 431 Paris 1517 Petrus de Palude, Tertium scriptum super tertium sententiarum: 320, 324, 332, 337 Paris 1518 Quodlibeta Magistri Henrici Goethals a Gandauo: 390, 650 Paris 1647 Hervaei Natalis In quatuor libros sententiarium commentaria: 298, 409 Rom 1587 F. Nicolai Eymerici Directorium inquisitorum: 224 Rom 1605 Petri Aureoli Commentariorum in secundum librum Sententiarum: 397 Sevilla 1495 El tradado delos nin˜os y regimiento dela ama: 426
Venedig 1495 Antonii Andreae Quaestiones super duodecim libros Metaphysice: 512, 514 Venedig 1496 Guillelmus de Vorrilong, Super IV libros Sententiarum: 486 Venedig 1508 Avicennae Logica: 405 Venedig 1513 Hervaeus Natalis, Quaestiones de beatitudine: 342, 345, 346, 351, 360, 365, 366 Subtilissima Hervei Natalis Quolibeta: 410, 412 Venedig 1515 Rhetorica cum Egidii de Roma luculentissimis commentariis: 749 Venedig 1562 Aristotelis opera cum Averrois commentariis: 98, 329, 343, 644 Venedig 1570 Iohanni Gandavensis, Philosophi Acutissimi Quaestiones Super Parvis naturalibus, cum Marci Antonii Zimarae de Movente et moto, ad Aristotelis et Averrois intentionem, absolutissima quaestione, apud H. Scotum: 749, 750 Venedig 1571 Durandus v. St. PourcX ain, In Petri Lombardi Sententias Theologicas Commentariorum libri IIII: 320, 322, 323, 326-329, 332, 334, 335, 337, 338, 360, 371, 382-384 Venedig 1588 Nicolai Lyrani Postilla, Moralitatibus, Burgensis Additionibus, Thoringi Replicis: Biblia sacra cum glossis interlineari et ordinaria: 282 Venedig 1589 Ioannis de Ianduno Philosophi acutissime Quaestiones Super parvis naturalibus, cum Marci Antonii Zimarae de Movente et moto, ad Aristotelis et Averrois intentionem, absolutissima quaestione: 749
Namenregister Abba Mari v. Lunel 247, 275, 276 Abbo v. Fleury 7 Ab ß ner of Burgos 276 Abraham, bibl. 116, 275, 313 Abraham Maimonides 273 Abu ø ammu Mu¯sa¯ 74 ¯ H Abu ¯ l-Ala¯ Zuhr 420, 424, 425, 429, 432, 435 Abu ¯ l-Rabı¯ Sulaima¯n 63, 69, 71 Abu ¯ mir 71 ¯ Tßa¯bit A Abu ¯ Ya qu¯b Yu¯suf 71, 72 Abulafia, D. 27, 28, 30-33, 37-38, 41, 43, 70, 85, 271, 445 Ackerlind, S. R. 44 Adam, bibl. 7, 16, 383, 384, 421, 592, 595-597 Adam v. Bremen 17 Adamska, A. 794 Adamson, P. 924, 929 Ademar Amelii 441 Adolf v. Nassau, römischer König 462, 481, 554, 782 Adolf v. Reval 472 Adriaen, M. 331 Aegidius Romanus 100, 187, 192, 193, 278, 387, 389-391, 395, 401, 493, 522, 526, 654, 706, 711, 717, 723, 727-732, 738, 741, 744, 748, 749, 754-756 Aelred v. Rievaulx 599, 600 Aertsen, J. A. 93, 104, 162, 204, 286, 294, 301, 310, 412, 516, 519, 646, 653 Aethicus Ister 17 Afanasij 907, 908, 909 Afı¯f al-Dı¯n al-Tilimsa ¯ nı¯ 929 Agatha v. Catania 700 Agios, D. A. 75 Agnes, Heilige 687, 697 Agnes, Tochter Wenzels II. 774, 776 Agnes v. Böhmen 775, 776 Agnolo di Tura 684 Agostino Marcucci 685 Agrippa v. Nettesheim 622 Ah ø mad Abu¯ Muslim 923 Aimery de Villers-le-Duc 161 Akasoy, A. 7, 923-935 Alain de Lille 594-596 Alan 503 Albane´s, J. H. 441
Albe´ric de Reims 637 Alberigo, J. 283 Albert, K. 335 Albert, M.-D. 237 Albert v. Ebstorf 15 Albertus Magnus 98, 100, 281, 285, 341, 348, 352-354, 356, 357, 366, 530, 643-646, 657, 695, 712, 713, 735, 744, 753-755, 841 Albrecht I., römischer König 3, 46, 440, 462, 477, 481, 483, 541-556, 559, 564, 566-569, 570-575, 577, 581-583, 631, 773-788, 796-799, 802, 821 Albrecht II., Herzog 550 Albrecht VI., Herzog 28 Aldobrandino II d’Este 631 Aleidis v. Bonn 468 Aleksandr Danilovicˇ 906 Aleksandr Nevskij 912, 919 Aleksej Moskovskij 913, 914 Alexander III., Papst 887 Alexander IV., Papst 166 Alexander v. Alessandria 172, 174, 175, 486, 501, 503-505 Alexander v. Aphrodisias 97-99, 642 Alexander der Große 5 Alexander v. Hales 357, 495 Alexander v. San Elpidio 172, 173 Aleydis v. Westhoven 468 Alfons III., König v. Arago´n 45, 57, 58, 71, 75, 422 Alfons IV., König v. Arago´n 79 Alfons IV., König v. Portugal 30, 57 Alfons V., König v. Arago´n 27 Alfons X., König v. Kastilien 5, 30, 45, 58-60, 66, 71, 91 Alfons XI., König v. Kastilien 56, 61, 74 Alfonso de la Cerda 58-60 Alfonso de Valladolid 276 Alliney, G. 104, 489, 490, 500, 504-506 Allsen, T. 926 Alluntis, F. 746-748, 753 Almbladh, K. 476 Alonso de Espinosa 33 Alonso Guardo, A. 422 Altaner, B. 830 Altegradus v. Vicenza 446
996
Namenregister
Althoff, G. 575 Alvarez, L. M. 930 ´ lvarez Palenzuela, V. A. 41, 42, 58 A Amalrich v. Lusignan 889 Amalricus Augerius 558 Amargier, P. 127 Amari, M. 75 Ambrogio Lorenzetti 698-701, 975 Ambrosius v. Mailand 730 Amerigo Vespucci 32 Amor, myth. 588-593, 597, 600, 602 Amoro´s, L. 505, 509 Andre´ de Sense 710, 711 Andrea Moresco 891 Andreas III., König v. Ungarn 553, 823 Andreas Capellanus 592, 593, 598 Andreas v. Longjumeau 942, 943 Andreas v. Regensburg 576 Andreev, J. 817 Andrews, R. 305, 404, 407, 488, 511 Andronicus II., Kaiser 83, 86, 90, 809, 816, 817, 819, 821, 833, 894 Angelino Dalorto 19 Angelino Dulcert cf. Angelino Dalorto Angelov, P. 810 Angermann, N. 419, 420 Anna, bibl. 553, 675 Anna Prˇemyslovna 774, 802 Ansanus, Heiliger 679, 687, 697, 698 Anselm 473 Anselm v. Canterbury 252, 300, 301, 752 Anselm v. Laon 372 Antonelli, R. 601 Antonı´n, R. 789, 790 Antonio Menucci 34 Antonio de Roselli 34 Antonius Abbas 700 Antonius Andreae 487, 490, 501, 504, 505, 508-510, 512-515 Aphrodite, myth. 592, 604, 605 Apollionia, Heilige 700 Appuhn, H. 15 Arie´, R. 41, 71 Ardizzone, M. L. 600 Aristoteles 95-98, 100, 101, 280, 293, 294, 300, 305, 312, 314, 315, 322, 327-329, 342, 343, 352, 364, 374, 376, 385, 388, 393, 405, 421, 425, 427, 428, 433, 487, 489, 490, 494, 505, 511, 525-529, 576, 618-620, 641, 642, 644, 646, 649-651, 657, 675, 677, 705-708, 711, 714, 726-745, 747, 748, 750-758, 838, 841, 842, 848, 854, 856, 859, 871, 965, 966 Arkoun, M. 933 Arkush, A. 284
Armellad, B. 956 Armstrong, D. M. 402 Arnald de Villanova 51, 52, 60, 62, 64, 70, 77, 80, 81, 87, 280, 282, 419-435 Arnaud Novel 448 Arnold v. Köln 947 Arnulf v. Lisieux 599 Arnzen, R. 517 Arquillie`re, H.-X. 250, 251 Arribas Palau, A. 78 Artau, J. C. 280 Artus, myth. 120 Asaria, Z. 472 Ascellin v. Longjumeau 942 Asen, J. 465-468 Assebucus 971 Atanasov, G. 813 Athanasios I. 818, 833 Aubenque, P. 734 Auciello, M. 601 Auerbach, E. 634 Aufredo Gonteri Brito 501, 503-505, 508, 509 Augustinus 250, 251, 300, 301, 314, 323, 325, 330-332, 354, 372, 427, 428, 519, 520, 523, 598, 653, 700, 758, 837, 844-846, 970 Augustus, Kaiser 558, 907 Avempace 99 Avenzoar cf. Abu¯ l- Ala¯ Zuhr und Ibn Zuhr Averkorn, R. 41-92 Averroes 96-100, 329, 343, 376, 511, 512, 528, 530, 642-646, 648, 649, 651, 653, 655-657, 758, 924, 930, 932 Avicenna 97-99, 296, 300, 301, 390, 405, 424, 426-429, 431-433, 435, 511, 512, 600, 705, 708, 751, 758, 924, 928, 929, 932 Avneri, Z. 472 Ayala Martı´nez, C. 42, 58, 59 Aymeric Dusay 71, 72 Aznar, E. 27 Azzo VIII d’Este 631 Babel, R. 36 Babey, E. 393 Babinsky, E. 200, 203 Backman, C. R. 52, 64, 77, 79, 80 Badel, P.-Y. 594 Baethgen, F. 541, 573 Bagnoli, A. 671 Bague´, E. 43, 75 Baibars I., Sultan 127 Baibars II., Sultan 72 Bakalov, G. 810 Baker, D. 595 Bakker, P. 104, 396, 397
Namenregister Balcoyiannopoulou, I. 296, 364 Baldinger, A. 547 Baldissera, A. 398 Balduin II., Kaiser 77 Balic´, C. 488-491, 753, 957, 958, 967 Ballweg, J. 197 Balthasar, H.-U. v. 665, 944, 953-956 Baluze, E´. 131, 138, 144, 146, 889 Baluzius, S. 558 Balwin, J. W. 843 Banha de Andrade, A. A. 44 Baraq Baba 927, 930, 935 Barber, M. C. 48, 126, 128, 140, 142, 143, 145152, 154-156, 161, 164, 165, 557, 567, 568, 885 Barcham, W. 669 Barciak, A. 782, 789, 800 Barhebraeus 5 Barnel, C. 443 Baron, H. 31 Baron, S. W. 484 Barros Leite, F. 44 Barry, M. I. 842 Barthel, V. 200, 204 Barthe´lemi le Roux 450 Bartholomäus, Heiliger 679 Bartholomaeus v. Messina 708, 709, 712, 715, 728 Bartolome´ de las Casas 33 Bataillon, L. J. 709 Batllori, M. 52 Battenberg, F. 481, 482 Bauer, D. R. 200 Bauer, W. 944, 952 Baumann, A. 575 Baumgarten, P. M. 448 Bautier, R.-H. 189 Baza´n, B. 752 Beatrix, Tochter Karls II. 455 Beatrix v. Nazareth 204 Beatriz v. Kastilien 57, 58 Beccarisi, A. 516-537, 644 Beck, A. 47, 162 Beck, H.-G. 211 Beck, M. 549 Becker, H.-J. 196 Beckermann, A. 408 Becksmann, R. 551 Beda Venerabilis 6, 8-10 Be´dier, J. 245 Bedouelle, G. 319 Behr, H.-J. 800 Bekker, I. 818, 820, 833 Bela, Tochter v. Christian Pellifex 467
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Bela, Tochter v. Johannes de Poilheym 467 Bellosi, L. 664, 671 Belting, H. 664, 671, 672, 674, 686-688, 693, 695, 697 Belting-Ihm, C. 673, 688 Bertrand Sartiges 153 Bertrand v. Got cf. Clemens V. Benavides, A. 44 Benayahu, M. 476 Benedetto, M. 659 Benedetto Ceatani cf. Bonifaz VIII. Benedikt XI., Papst 133, 422 Benedikt XII., Papst 952 Benedikt v. Polen 941-943 Benesch Krabice v. Weitmühl 784, 785 Benrath, M. 809 Benvenuto v. Imola 604 Beonio Brocchieri Fumagalli, M. T. 358 Bercegol, P. de 559 Berend, N. 43 Berengar d’EntencX a 84, 85 Berengarius Bitteriensis 137 Be´renger Fre´dol 132, 133, 136, 142 Berg, D. 42, 45, 58, 544 Bergdolt, K. 474 Berkey, J. 926, 927, 933 Bernalt de Sarria` 66, 67, 71, 72, 82 Bernard de Gordon 419-435 Bernard Gui 167, 224, 226, 227, 277-279, 281, 285, 558, 562, 563, 568-570, 575, 583, 584, 829-881 Bernard de Saisset 156, 194 Bernardus Honofredi 420 Bernat Desclot 818 Bernat de Rocafort 84-89, 819 Bernhard v. Chartres 595 Bernhard v. Clairvaux 257, 428, 598, 599, 694, 701 Bernhard Silvestris 594-596 Berns, J. J. 578 Bertolucci Pizzorusso, V. 941 Bertram v. Ahlen 522 Bertrand, G.-M. 203 Bertrand de Ayguileriis 444 Bertrand II. Aymini 442 Bertrand de Baux 441 Bertrand Comarque 450 Bertrand de la Tour 176, 177 Bertrand v. Marseille 454 Bertrand de Montauban 446, 447 Bertrand Ricordus 444 Be´rube´, C. 401, 402, 501, 505 Bestmann, U. 804 Bettetini, M. 646
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Namenregister
Beullens, P. 709-711 Beumer, J. 654 Beyer, H.-V. 809 Bialloblotzky, C. H. F. 476 Bianchi, E. 127 Bianchi, L. 637, 646, 650, 713, 729 Biard, J. 104 Biffi, I. 647 Biljarski, I. 823 Bindus v. Siena 465 Bingham, C. 45 al-Biru¯ni, Abu¯ l-Raihø an Muhø ammad Ibn-Ahø mad 5 Bisson, T. N. 41, 42, 44 Bla´hova´, M. 773-788, 791, 796 Blanca, Tochter Sanchas v. Arago´n 51 Blanca v. Anjou, Königin v. Arago´n 47, 48, 50, 53, 59, 64, 74, 75, 77, 78, 85, 88 Blanca v. Frankreich 58, 239 Bloch, M. 241 Blumenberg, H. 37 Boase, T. S. R. 888 Bobkova´, L. 777, 789 Bobrov, A. G. 903, 904, 911 Boccarli, G. 955 Böhmer, J. F. 557 Boehner, P. 414 Böhringer, L. 467 Boese, H. 751 Boethius 314, 428, 532, 719, 734, 839, 859, 872 Boethius v. Dacien 530, 637, 752 Bogatyrev, S. 901 Bogdanov, A. P. 909 Bojcov, M. A. 559 Bok, V. 800 Bolz, N. W. 405 Bona Fortuna 600 Bonagratia da Bergamo 31 Bonansea, B. M. 958 Bonaventura 253, 326, 330, 331, 353, 494, 616, 695, 958, 962, 969, 970 Boner, G. 544, 545 Bonfil, R. 475 Bongars, J. 20, 21 Bonifacio Grimaldi 892 Bonifaz VIII., Papst 59, 76, 77, 128, 132, 137, 145, 156, 163, 174, 182-184, 186, 188, 190193, 196, 197, 233, 237, 239, 364, 420, 422, 442, 443, 446, 447, 450, 452, 503, 570, 821 Bonner, A. 284, 609-628 Bonner, E. 609 Borde, M.-B. 172 Borisov, N. S. 915 Bos, E. P. 121
Boshof, E. 778 Bosselmann-Cyran, K. 571 Bossier, F. 711 Bottin, F. 105 Boutaric, E. 187 Boutet, D. 241, 246 Bossuat, R. 593, 595 Boyle, L. 445, 446, 843 Boulnois, O. 405, 408 Bourgain, P. 188 Bozˇilov, I. 809-811, 813-820 Brambilla, F. 636 Brampton, C. K. 488 Brams, J. 711 Brance, J. 30 Branda˜o, F. 44, 61 Brandariz, F. 647 Brandes, W. 929 Brandmüller, W. 144 Bratianu, G. I. 820 Braun, J. 671 Braunfels, 669 Brener, A. 475 Bresc, H. 75, 444 Bresslau, H. 572 Brettle, S. 456 Breuer, M. 476, 477 Briguglia, G. 193 Brlek, M. 486, 491, 495 Browe, P. 480 Brown, S. 112, 413, 414, 502 Brugnoli, G. 635 Brun, C. 573 Brunner, M. 439-457 Bryant, G. 202 Buddha 926 Bühlmann, W. 954 Buganov, V. I. 905, 910 Bullido del Barrio, S. 643, 754 Bulst, N. 190 Bulst-Thiele, M.-L. 886, 895 Bunte, W. 281 Buonaguida Lucari 693 Burke, E. 933 Burns, I. 83, 89, 811 Burr, D. 452 Busa, R. 374 Busnelli, G. 639 Buytaert, E. 500, 506 Bychkov, O. 490 Byde`n, B. 830 Bynum, H. 424 Bynum, W. F. 424
Namenregister Cabestany, J. F. 83 Cadeddu, M. E. 43 Caemmerer, E. v. 190 Caggese, R. 45, 77 Caillois, R. 33 Cˇaka 813-815, 819 Caldas, C. de 77 Calcidius 751 Callebaut, A. 486-489, 496 Callus, D. A. 388 Calma, D. 724 Calma, M. 724 Campagnola, S. da 953 Campbell, T. 19, 21 Camps, A. 954, 968 Canellas Lo´pez, A. 43 Cangrande I. della Scala 635 Cankova-Petkova, G. 809 Cantarellas Camps, C. 70 Capitani, O. 631, 632 Caramello, P. 342, 347, 356 Carli, E. 670, 675, 679, 680 Caro, G. 76 Carolus Du Plessis d’Argentre 381 Carrasco Manchado, A. I. 41, 63, 71, 72, 74 Carskogo, N. 905 Cary-Elwes, C. 940 Casel, O. 690 Cassata, L. 602 Castellanus v. Treviso 447 Castillo Lara, R. J. 445 Casutt, L. 944, 953-955 Cathala, M.-R. 329, 343 Catherine de Courtenay 47, 48, 77, 82, 86, 821, 822 Cattaneo, G. 694 Cazenave, A. 166 Celano, A. 645 Cenci, C. 490 Cerbonius v. Populonia, Bischof 700 Cerrini, S. 130 Cesalli, L. 731 Cessario, R. 319, 330 Chaba´s, J. 420 Chagny-Se`ve, A.-M. 144, 148 Chance, J. 595 Charles de Secondat, Baron de Montesquieu 33 Charva´tova´, K. 782, 789, 791, 798 Chaˆtelain, E´. 164, 176, 362, 710 Chaˆtillon, F. 184 Chazan, R. 271, 272, 276 Cheetham, N. 422 Cheneval, F. 643 Chenu, M.-D. 355, 373
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Cherchi, P. 593 Chevalier, U. 441, 750 Chiamenti, M. 604 Chiappini, A. 506, 508 Chiavacci Leonardi, A. M. 635 Chlenova, L. 667 Chre´tien de Troyes 246 Christian Pellifex 467 Christiano de Spinola 70, 86 Christoph Columbus 942 Chrysostomus 428 Ciavolella, M. 600 Cimabue 694 Cioffari, G. 830, 833 Cioranescu, A. 33 C´irkovic´, S. 822 Cizek, A. 594 Clareno, A. 955 Classen, A. 36 Claudius Iulius Solinus 17 Clausberg, C. 692 Clemen, P. 464 Cle´mencet, S. 445 Clemens V., Papst 46, 47, 49-54, 68, 69, 80, 86, 125-139, 143-149, 152, 156, 157, 178, 181, 264, 422, 424, 443-448, 452, 465, 554, 558, 559, 565-570, 572, 574-576, 579, 581, 582, 631, 888, 890, 894-898, 948 Clemens VI., Papst 30, 33-34 Coelestin V., Papst 133, 138, 191, 192, 448 Cohen, J. 271, 273 Cohen, M. A. 475 Cohn-Cherbok, D. 933 Colberg, K. 27 Collard, F. 247, 259 Colledge, E. 201, 203, 207 Collins, K. M. 673 Colonna, P. 445 Comba, A. 127 Comba, F. 127 Combarieu du Gres, M. de 257 Congourdeau, M.-H. 830, 834 Constantinus Africanus 424-426, 429, 433, 600 Contamine, Ph. 190 Constanza v. Hohenstaufen 75 Constanza v. Portugal 57, 61, 64, 66 Constanza, Tochter Jakobs II. 60, 67, 68 Contamine, P. 444 Contarini 952 Contini, G.698 Cooperman, B. D. 476, 477 Coopland, G. W. 742 Coppo di Marcovaldo 693 Corbella, D. 27
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Namenregister
Cordonier, V. 705-770 Corrado Doria 78 Corral, J. L. 47 Corrie, R. W. 688 Corso Donati 631 Cortesi, A. 311 Corti, M. 601, 634 Cosmas v. Prag 784 Costa, M.-M. 60 Coste, J. 133, 186, 570 Coucke, G. 705, 724 Coulon, A. 445 Courtenay, W. J. 116, 162-164, 171-182, 197, 339, 361, 362, 488-492, 495, 498-500, 502, 503, 506 Cova, L. 742 Cove, L. 104 Craemer-Ruegenberg 698 Crawford, P. F. 164, 179, 891, 892 Crescentius, Heiliger 679, 687, 697, 698 Cristaldi, S. 631 Cristiano Spinola 125, 126 Cross, R. 967 Crossnoe, M. 172 Crowley, T. 969 ´ . de la 931 Cruz, O Curta, F. 813 Curzon, H. de 130 Cusato, M. F. 452 Cutler, A. 835 Cyprian 147 D’Accone, F. A. 686 Dade, E. 821 Dagenais, J. 29, 34 Dahan, G. 270, 281, 331, 730 Dales, R. C. 595 Daley, B. E. 679 Danˇhelka, J. 775, 791 Daniel-Rops, H. 942, 943, 945, 952, 955, 956 Dante Alighieri 601, 603-605, 631-659, 799 Danuser, H. 541, 542 Darms, G. 644 Darrouze`s, J. 812 Daubner, R. L. 887, 888, 897 Daumet, G. 42, 44, 59 David, bibl. 226, 726 David Gans 476-478 Davis, C. T. 453 Davyd, Bischof 903-906, 908, 910, 918 Dawson, C. 940 De Boni, L. A. 946, 948, 951, 969, 970 Decker, B. 338, 361, 362, 366 Decorte, J. 303
Dedeck-He´ry, V. L. 599 Deferrari, R. J. 842 Degler-Spengler, B. 545 Delaborde, H.-F. 186, 187 Delacroix-Besnier, C. 830, 834-836, 840 Delaville La Roulx, J. 888, 890, 892-893, 895896 De Leemans, P. 705, 709-712, 724 Del Estal, J. M. 43 Delhaye, Ph. 752 Delius, W. 694 Del Punta, F. 96 Del Valle Curieses, R. 44 Demaitre, L. 420-427, 429 Demange, D. 512 Deman, T. 712 Dembrowski, P. 590 Demeter v. Armenien 951 Demetracopoulos, J. A. 829-881 Demetrios Poliorketes 5 Demetrius Cydones 829-881 Demurger, A. 47, 128, 131, 140, 145, 146, 150, 151, 154, 155, 264, 892 Dendrinos, C. 844 Dendy, D. R. 678 Denifle, H. 164, 176, 232, 366, 533, 710 Denton, J. H. 132 Denziger, H. 234, 371, 389 D’Olwer, L. N. 811 Der Nersessian, S. 665, 677 De Robertis, D. 644 Derolez, A. 724 Destrez, P. 709 Dettloff, W. 173, 957 Deuchler, F. 664 Devreese, R. 837, 839 Dewan, L. 301 Dias Dinis, A. J. 27, 34 Dias Farinha, A. 44 Dia´z Martı´n, L. V. 42 Diepgen, P. 52 Dietmar, C. D. 559 Dietrich v. Freiberg 366, 516-537 Dietrich Roser 468 Digard, G. 192, 194, 442, 450, 454 Di Liscia, D. A. 105 Dinis I., König v. Portugal 44, 47, 49, 56-58, 60, 61, 66, 91 Dino Compagni 601 Dino del Garbo 602 Dinter, P. 841 Dinzelbacher, P. 200, 257 Diokletian, Kaiser 5 Dionysius Areopagita 861, 873
Namenregister Dionysius Exiguus 5-7 Diotti, A. 887 Dmitrij Doskoj 917, 919 Dölger, F. 667, 809, 818, 820 Doiron, M. 200, 203 Dolcino di Novara 568, 569, 575 Dolezˇalova´, E. 802 Dombart, B. 845 Dominguez, F. 283 Dominikus, Heiliger 953 Donati, S. 513, 529, 535, 727 Dondaine, A. 830, 834, 856 Donini, P.-L. 732, 733 Donneaud, H. 320, 325 Dopsch, V. 778 Dos Santos, E. 44 Douais, C. 167, 224, 830 Doucet, V. 355 Downey, G. 667 Doyle, J. 409 Dreher, M. N. 953 Dreves, G. M. 242 Dreyer, M. 488, 489 Dronke, P. 205, 594, 658 Droplenkova, N. F. 915 Drori, R. 270 Drouart la Vache 593 Druda 467 Druwe´, E. 252 Dschingis Khan 940 Duarte I., König v. Portugal 27 Duba, W. O. 173, 393, 504-507 Dubler, A.-M. 555 Dubreil-Arcin, A. 453 Duby, G. 941 Duccio di Buoninsegna 663-691, 692, 693698, 699, 701, 983-986, 988 Dudı´k, B. 795 Dudley, J. 737 Dümpelmann, L. 335 Düring, I. 343 Dufornet, J. 241, 246 Dufourcq, C. E. 41, 63, 67, 69, 71-74, 80, 82, 84 Dulieu, L. 420, 424, 433 Dumont, D. 121, 488, 489, 493, 496, 502, 504506, 514 Dunbabin, J. 99 Dunphy, W. 752 Duns Scotus cf. Johannes Duns Scotus Dupuy, P. 184, 187, 188, 195, 196 Durandellus 320, 321, 324, 332, 333, 337 Durand, U. 830
1001
Durandus v. St. PourcX ain 176, 177, 288-299, 302, 308, 309, 316, 318-341, 346-355, 357-361, 363-366, 370-387, 525 Durantus Curaterii 452 Dutton, B. 422, 426 Dutton, P. E. 595 Dyson, R. W. 184, 187, 193 Eastman, J. R. 192 Ebbersmeyer, S. 105 Eberhard, W. 58, 474 Eberhard v. d. Mark 575 Eberhard v. Württemberg 574 Eccard, J. G. 574 Echard, J. 830, 834 Edbury, P. 889 Edelmann, Z. H. 274 Edward I., König v. England 45, 46, 480 Edward II., König v. England 45, 46, 48, 51, 149, 445, 631, 895 Edward III., König v. England 106 Egeria 666 Ehebrecht, W. 573 Ehlert, J. 182 Ehrhardt, H. 557 Ehrle, F. 387 Eisermann, T. 602 Ekko 796 Elbogen, I. 472 Eleanor v. England 45 Elemosina 947, 948 Eleonore, Tochter Karls II. 77 Elia Capsalis 475 Elisabeth 467 Elisabeth, Tochter Wenzels II. 783 Elisabeth v. Kärnten 544, 545, 549, 553-555 Elisabeth v. Lothringen 549 Elisabeth Prˇemyslovna 805 Elisabeth Rycheza 774 Elisabeth v. Thüringen, Heilige 547 Eltimir 815-819 Elzean de Alamannone 452 Emden, A. B. 176 Emery, G. 319 Emery, K. Jr. 204, 320, 332, 339, 355, 519-522, 646, 647, 653 Emler, J. 776, 778, 784, 785, 791, 792, 797 Enders, M. 291 Engel, P. 45 Engelbert v. Admont 695, 706, 707, 715, 716, 718, 719, 722, 738, 743-745, 752, 757 Engelbert v. d. Mark 575 Engelhardt, P. 335 English, E. D. 928
1002
Namenregister
Engstova´, K. 785 Engurran de Marigny 190 Ennen, L. 471, 472 Ephraim v. Syrien, Heiliger 8, 683, 688 Erasmi, G. 669 Erkens, F.-R. 778 Erlande-Brandenburg, A. 545 Ernst v. Rennenberg 465, 469 Ertugˇ, A. 667 Esquiu v. Floyran 151 Esser, K. 953, 955 E´tienne v. Suisy 132, 136, 142 Etzkorn, G. I. 111, 389, 404, 407, 413, 415 Eubel, C. 132 Eubel, K. 453 Eugen IV., Papst 27, 34, 35 Eusebius v. Caesarea 8, 17 Eustratius v. Nicea 643 Euthymios v. Tarnowo 982 Eva, bibl. 16, 383, 384, 604, 701 Evans, G. R. 173 Evenus Phili 225 Everhard Gir 468 Fabricius, J. A. 836 Fabro, C. 753 Failler, A. 812, 813, 817, 819 Fałkowski, W. 800 Fallon, T. 298 al-Fa¯ra¯bı¯, 928 Faroqhi, S. 811 Fatouros, G. 820 Faucon, M. 192 Faure, M. 42, 166 Favati, G. 601 Favier, J. 45, 47, 48, 68, 77, 86, 88-90, 186, 190, 249, 263, 895 Favreau-Lilie, M. L. 128 Fay, P. B. 237 Fektist, Bischof 903-905, 908, 910 Feld, H. 209, 230 Felder, P. 549 Feldman, J. 272 Felipe, Infante v. Kastilien 55, 62 Felix Hemmerlin 27, 28, 32 Felix Malleolus cf. Felix Hemmerlin Felten, F. J. 885 Fenzi, E. 603 Feodor Konstanovicˇ 905, 913 Feognast 908 Ferckel, C. 433 Ferdinand III., König v. Kastilien 72, 91 Ferdinand IV., König v. Kastilien 44, 47, 5457, 59-62, 64-68, 72-74, 91
Ferna´ndez Garcı´a, M. 58, 390 Fernando de la Cerda 58 Fernando Ximenes d’Arenos 84, 85 Ferran, Infante v. Mallorca 84-86 Ferrer de Cortell 62, 63 Ferrer i Mallol, M. T. 811 Ferretus v. Vicenza 447 Ferrua, A. 834, 840, 842, 856, 858 Feyl, A. 432 Fiala, Z. 784 Fidora, A. 269, 283, 931 Field, S. L. 229 Fillet, L. 441 Fina, Heilige 699 Fine, J. V. A. 811, 814-817 Finke, H. 43-45, 47-49, 52-54, 60, 64, 70, 77, 79-81, 83-84, 87, 125, 126, 128, 133, 134, 137, 138, 142-145, 148, 150, 151, 153, 155, 164, 165, 173, 177, 888, 889, 896 Finkenzeller, J. 967 Finoli, A. M. 592 Fioravanti, G. 390, 645, 646, 657 Flasch, K. 378, 517, 520, 522, 528 Flavius Josephus 970 Fleckenstein, J. 886 Fleming, J. V. 590 Flood, D. 453 Flynn, T. R. 316 Foehr-Janssens, Y. 735 Foerster, W. 240, 589 Fößel, A. 544 Folco II d’ Este 631 Folger-Fonfara, S. 286 Fontanier II. v. Gourdon 421 Forbes, F. H. 98 Forcellini, A. 841 Forese Donati 631 Forey, A. J. 47, 49-54, 57, 150, 885 Forsyth, G. 666 Fortis 452 Fossi, G. 694 Fotij 913 Foucault, M. 316 Foulet, A. 245 Fournie´, M. 453 Fowler, G. B. 715, 718 Fraisse, O. 279 Frale, B. 47, 53, 125-147, 149, 151, 157, 162 Francesco da Buti 604 Francesco Caracciolo 706, 707, 749 Francesco Petrarca 28, 29, 31-34 Francie Roberts, H. 746 Franciscus de Maironis 495, 501, 507 Franciscus de Marchia 388-401, 501, 507
Namenregister Franke, M. E. 558, 567, 572, 573 Franklin, S. 835 Franko de Schonewedere 467 Franko vom Horn 468 Franz v. Assisi 546, 553, 953-956, 967 Franz v. Prag 784, 785 Fredericq, P. 311 Frenkel, Y. 935 Frenz, B. 470 Fresco 631 Frette´, S. E. 342 Fried, J. 143, 164, 190, 200, 578 Friedberg, A. 228 Friedberg, E. 166 Friedeburg, R. v. 796 Friedman, R. L. 173, 296, 364, 395, 398, 502, 507 Friedmann, L. J. 254 Friedrich, Abt v. Neresheim 577 Friedrich, G. 773 Friedrich I., Kaiser 888 Friedrich II., Kaiser 71, 75, 80, 183, 482, 569, 583, 773, 774, 805, 955 Friedrich II., König v. Sizilien 75, 76 Friedrich III., König v. Sizilien 64, 76, 77-89, 91, 422 Friedrich v. Arago`n 821 Friedrich der Schöne 773, 775, 777, 783 Friedrich v. Habsburg 797 Fries, A. 362 Frinta, M. S. 685 Frisch, S. 811 Frugoni, A. 635, 700 Frutolf v. Michelsberg 8 Fryde, E. 809 Führer, M. L. 356 Fuente, M. J. 44 Fugger, J. J. 546, 550 Fuguet Sans, J. 47 Fulko v. Villaret 88, 128, 888, 889, 892-897 Funkenstein, A. 270, 279 Fyrigos, A. 829, 830, 832 Gabriel, bibl. 255 Gärtner, K. 794 Gagliarde, A. 602 Gaibrois de Ballesteros, M. 44, 54, 55, 58, 59, 61, 65, 66, 73 Gaiser, K. 343 Galen 423, 424, 426-429, 433, 435 Ga´l, G. 112, 389, 395, 404, 407, 413, 414, 453 Galganus, Heiliger 701 Galhardus de Saumate 444 Galinsky, Y. D. 478
1003
Galvaneus Flamma 563 Gambatese, A. 413 Garcı´a-Ballester, L. 430 Gardner, J. 671 Garrigou-Lagrange, R. 355 Gauthier, R.-A. 497, 712, 714 Gautier Dalche´, P. 17, 18 Gaya, J. 283 ˙ aza¯lı¯ 618, 928, 929, 931 al-G ˙ a¯za¯n Khan 23, 925, 926 G Gebauer, J. 785, 793 Gelbart, G. I. 475 Gelber, H. 403 Geminianus, Heiliger 699 Gennadios II. cf. Georgios Scholarios Gensler, M. 95-103, 505, 508 Gentili, S. 658 Geoffroi de Beaulieu 238 Geoffroy, M. 924 Geoffroy III. 256 Geoffroy v. Charney 141 Geoffroy v. Gonneville 141 Georg, Heiliger 987 Georg, König v. Örgüt 947 Georgios Pachymeres 812, 813, 815-820, 833 Georgios Philosophos 843, 846 Georgios Scholarios 847, 848 Georg Terter, Zar v. Bulgarien 813, 814, 817 Ge´rard de Cauche 153 Ge´rard de Solo 433-435 Gerardus Odonis 395, 398 Gerardus de Pomerio 491 Ge´raud, H. 165 Gerbert, M. 544-546 Gerhard de Berry 600 Gerhard v. Bologna 171, 172, 174, 175, 299 Gerhard Cranz 468 Gerhard v. Cremona 431 Gerhard v. Lüttich 597-599 Gerhard Mulre 468 Gerhard v. St. Victor 172, 174 Gerlach 471 Germann, N. 7, 731 Gersonides 276 Gertrud (Anna) v. Hohenburg 541 Gervasius v. Ebsdorf 17 Gervasius v. Tilbury 8, 15, 17 Gescher, F. 464 Gessani, A. 604 Geuenich, D. 575 Geyer, B. 358, 363, 643 Ghisalberti, A. 517, 657 Giacomo De Nicola 679 Giacon, C. 105
1004
Namenregister
Giannini, C. 604 Giele, M. 752 Gilbert de Tournai 228 Gilbertus Romanus 8 Gillespie, M. A. 339 Gilmour-Bryson, A. 155 Gils, P.-M. 714 Gilson, E´. G. 289, 634 Gime´nez Soler, A. 43, 59-63, 67, 71-74 Giordano Bruno 622 Giorgi, A. 669 Giotto di Bondone 694, 698 Giovanna de Gallura 79 Giovanni Boccaccio 28-32, 34, 37, 632 Giovanni Pisano 674, 675, 690 Girard de Frachet 166 Giunta, F. 43, 70, 72, 77, 78, 81, 83-86, 88, 89 Given, J. B. 315 Gjuzelev, V. 809-811, 813-820, 823 Gładkiewicz, R. 784 Glare, P. G. W. 841 Glaser, R. 474 Glassner, C. 707, 725 Glauch, S. 13 Glazik, J. 942, 943, 945, 947, 949, 952, 955, 956, 969 Glick, T. 420, 421 Glorie, F. 323, 325 Glorieux, P. 171, 172, 349, 378, 654, 728, 750 Glycophrydi-Leontsini, A. 842 Gmelin, H. 604 Gobry, I. 162 Godelindis 467 Gössmann, E. 205, 325, 326, 334 Goetz, H.-W. 461, 544, 559 Goffen, R. 663 Goitheil 473 Goldschmidt Salamon, K. L. 476 Golubinskij, E. E. 912, 914 Gomes Eanes de Zurara 30, 33, 37 Go´mez Caffarena, J. 303 Gonza´lez Mı´nguez, C. 44, 54, 55, 61, 62, 64, 66, 67 Gonzalo Gracı´a 66, 67, 69 Goris, W. 286-318 Go´rka, O. 822, 824 Gottfried v. Fontaines 171, 210, 220, 229, 281, 303, 494, 522, 654-658, 959, 960 Gottfried Hardefust 469 Gottfried v. Sulzpach 725 Gottschall, D. 202 Gozzoli, M. C. 698 Grabmann, M. 500, 516, 524, 715, 742, 743 Gracia, J. J. E. 412, 413, 502, 506, 507
Graebner, F. 778 Graef, H. 694 Grass, N. 776 Grau, E. 953 Graus, F. 474, 484, 485, 579 Green, R. 404, 407 Greer, M. 29 Gregor I., Papst 331, 337 Gregor IX., Papst 238, 273 Gregor X., Papst 886 Gregorius 428, 433 Gregory, T. 633 Grellard, Ch. 104 Grimerius v. Bergamo 446 Gröber, G. 750 Gross, D. A. 476 Gross, J. 372 Grotefend, H. 3 Groten, M. 461-474, 484 Grübel, M. 473, 484 Gründer, K. 405 Gründwald, M. 476 Grundmann, H. 152, 154, 202, 204, 206, 225, 234 Guarnieri, R. 199, 201, 203-207, 231 Guda 467 Güntert, G. 605 Guerric v. St. Quentin 353 Guerrini, M. T. 475 Guerrini, R. 669, 670, 675 Guiard de Cressonessart 174, 201, 205, 206, 209-212, 214, 215, 218, 221, 225-227, 229, 230, 235, 236 Guichard v. Troyes 137, 138, 156, 248 Guido Cavalcanti 601, 602, 604 Guido della Torre 631 Guido v. Ferrara 446 Guido Guinizelli 601 Guido II. de la Roche, 89 Guido Parato 432 Guido da Siena 673, 693 Guigniaut, J.-D. 165 Guillabert de Sentellys 79 Guillaume d’Acris 444, 445 Guillaume Aimerici 153 Guillaume d’Arrablay 156 Guillaume Bernard de Gaillac 829-834, 842 Guillaume de Cadomo 441 Guillaume de Cardoni cf. Guillaume de Cadomo Guillaume de Chartres 238 Guillaume de Cornillon 452 Guillaume de De`ne 48 Guillaume d’Espinouse 455 Guillaume de Lorris 590, 591, 596, 597
Namenregister Guillaume de Nangis 206 Guillaume de Nogaret 209 Guillaume de Paris 125, 152, 173, 175, 204, 206, 209-212, 215-217, 219, 225, 227 Guillaume de Plaisians 53, 135, 190, 209 Guillaume de Saint-Parthus 237, 239 Guillaume de Sonnac 260, 261 Guillaume Veturlus 443 Guillelmus de Vorrilong 486 Guillaume de Ware 389, 395 Guillem d’EntencX a 85 Guillemain, B. 47, 446, 448, 450, 455 Guillemain, G. 128 Guillermus de Sancto Amore 862, 872 Guivanni Villani 632 Guldentops, G. 319-339, 705, 711, 751 Gumbert-Hepp, M. 319 Gundissalinus 708, 931 Gusta`, M. 43 Guta v. Habsburg 774, 776 Guy d’Avesnes 751 Guy de Colmieu 210, 211 Guy Terrena 177 Guyotjeannin, O. 444 Güyük Khan 941, 943 Haarmann, U. 926 Haas, A. 791, 793 Haas, R. 58 Haberkern, E. 75 Hacking, I. 316 Ha´dek, K. 775, 801 Hadewijch v. Brabant 202, 204 Hadot, I. 711 Hadwig 468 Häring, H. 205 Hage, W. 943, 946, 953 Hagemeyer, C. 432 Hager, H. 671 Haines, R. M. 45 Halbertal, M. 272, 275 Halbwachs, M. 690 Hale, J. R. 886 Hallaq, W. B. 924 Hallstein, W. 190 Halm, C. 708, 723 Halperin, C. J. 916 Haly Abbas 425, 427-429, 433 Hames, H. J. 276, 283, 284 Hamesse, J. 281, 644, 730 Hamilton, J. S. 45 Hammam, M. 931 Hammer-Purgstall, J. v. 150 Hanawalt, B. A. 672
1005
Hardick, L. 940, 941 Harf, L. 246 Harles, G. C. 836 Harley, J. B. 19 Harlfinger, D. 736, 737 Harshav, B. 270 Hartmann, W. 183 Hartmann v. Habsburg 755, 776 Hartzheim, J. 462, 465, 466, 469 Harvey, P. D. A. 14 Hasenohr, G. 238 Haskins, C. 311 Hasselhoff, G. 269, 278, 279, 281, 282 Haubst, R. 338, 362 Haug, W. 204 Hausmann, F. 28 Havra´nek, B. 775 Haxen, U. 476 Hazard, P. 245 Hechelhammer, B. 885-898 Hecht, J. L. 276 Hegel, E. 462 Heid, U. 200, 205, 209, 227, 229 Heidelberger, F. 887 Heidemann, M. 796 Heiduk, M. 140-157 Heimerl, Th. 201, 205, 214, 229 Heimo v. St. Jakob 7 Heinrich, Abt v. Neresheim 577, 578 Heinrich, Herzog 549 Heinrich II., König v. Zypern 78, 885 Heinrich III., König v. England 479 Heinrich IV., Kaiser 183, 482, 545 Heinrich VII., römischer König 4, 68, 79, 462464, 469, 473, 557, 559, 564-568, 570-577, 579, 581-583, 631, 634, 777, 783, 788, 802, 805 Heinrich van Beeck 462 Heinrich IV. v. Breslau 778 Heinrich der Seefahrer 27, 29, 30, 34 Heinrich v. Friemar 172, 174, 175 Heinrich v. Gent 291, 300, 303-305, 308, 309, 318, 387, 389-392, 398, 401, 406, 492, 494, 497, 502, 510, 518-526, 646-657, 659, 706, 731, 738, 746-752, 756, 757, 960 Heinrich. v. Harclay 413, 502, 176, 177 Heinrich v. Herford 575, 576 Heinrich v. Kärnten 773, 775, 777, 782, 783, 788, 790-794, 797, 798, 802, 805 Heinrich v. Lützelburg 582 Heinrich v. Mainz 17 Heinrich v. Rosenberg 793 Heinrich Taube von Seelbach 572
1006
Namenregister
Heinrich v. Virneburg, Bischof 464-469, 471, 472 Helbling, C. 776 Helena Kantacouzene Palaiologina 846 Helena, Kaiserin 666 Hellmann, M. 886, 912 Henniger, M. G. 176, 412, 502 Henri Bate 706, 707, 749, 751, 752, 756 Henri de Mondeville 431 Henricus Alamannus 504 Henricus de Segusia 31 Henry III., englischer König 256 Henry Amandi 171 Henry of Bethune 180 Herbers, K. 36, 41, 42 Herborn, W. 470 Hergemöller, B.-U. 156 Hermann 467 Hermann, genannt Albus 470 Hermann der Lange 570 Hermann v. Ederen 472 Hermann Gigas 562, 574, 581 Hermann Voilprume 473 Hernani, M. de 941 Herodes, bibl. 684, 689 Hervaeus Natalis 172, 174-176, 291, 298, 299, 302, 340-342, 345, 346, 348, 349, 351, 357, 360-364, 366, 302, 403, 408-412, 414-416 Herwich v. der Breite Straße 467 Herzig, A. 482 Hess, D. 546 Hessel, A. 796 Hethum I. v. Armenien 943 Hethum v. Korykos 20 Heyen, F.-J. 559 Heynck, V. 363, 365, 506 Heywood, C. 811 Hieronymus 8, 428 Hieronymus Münzer 36 Hiestand, R. 125 Highfield, J. R. L. 886 Hilarius v. Poitiers 301 Hilger Hardefust 467 Hilka, A. 592 Hill, G. 885 Hillaby, J. 478 Hillel II. ha-Nasi 9 Hillel v. Verona 273 Hillgarth, J. N. 41, 70, 410, 612, 887 Hills, P. 678, 686 Himbert v. Garda 501, 507 Hinojosa Montalvo, J. 43, 53, 54, 59, 64, 76, 81, 88 Hinten, W. v. 232
Hiob, bibl. 863, 875 Hippokrates 423, 426, 428, 429, 431, 433, 737 Hirschfelder, G. 472 Hirth, W. 432 Hissette, R. 378 Hitzfeld, K. L. 52, 75, 80 Hlava´cˇek, I. 778, 789-806 Hledı´kova´, Z. 795 Hodgson, M. G. S. 933-935 Hödl, L. 344, 349, 361-363, 496, 960 Hoegger, P. 544 Hoenen, M. J. F. M. 501, 731 Hoeniger, R. 473, 484 Hoensch, J. K. 789, 790 Hoeres, W. 416 Höroldt, U. 465 Hoffmann, B. 926 Hoffmann, J. 655 Hoffmann, T. 406 Hofmeister, A. 463, 541, 542 Hogendijk, J. P. 932 Hohensee, U. 786 Holder-Egger, O. 560 Holford-Strevens, L. 3 Hollander, R. 604 Hollywood, A. 203, 205 Holmström-Hintikka, G. 654 Holtzmann, R. 186 Ho´man, B. 45, 823 Homann, E. 193 Homburger, O. 555 Homerin, T. E. 930 Honnefelder, L. 405, 406, 408, 416, 488, 489, 501, 511, 643, 753 Honorius III., Papst 954, 955 Honorius Augustodunensis 17 Hooper, M. R. 506 Hoover, J. 924 Horaz 32 Hoßbach, A. 371 Hostiensis cf. Henricus de Segusia Hourihane, C. 671 Housley, N. 155, 445, 886, 889, 890, 894-897 Hoye, W. J. 356 Hoyle, M. 671 Huber, C. 594 Hudson, A. 118 Hübener, W. 405 Hülgägü Khan 943 Hünermann, P. 234 Hugo v. BesancX on 180, 209 Hugo v. Fleury 8 Hugo de Novo Castro 501, 505, 506 Hugo v. St. Viktor 7, 326, 428
Namenregister Hugues de Jouy 261 Hugues de Pairaud 141, 142 Hunger, H. 812 Hunold, G. W. 954, 968 Hyatt, V. L. 35 Iachme Doluga 52 Iacopo di Castello da Siena 679 Ibn Arabı¯ 923, 928-930, 932, 935 Ibn Atøa¯ Alla¯h 928 Ibn Batøøtu¯øta 934 Ibn Ezra 282 Ibn al-Fa¯ridø 929, 930 Ibn H ˚ aldu¯n 30-32, 929, 930, 932 Ibn Kat߯ır 923, 927, 929, 932, 935 Ibn Rusˇd cf. Averroes Ibn Sab¯ın 928-930, 932 Ibn Sı¯na¯ cf. Avicenna Ibn Taimı¯ya, Taqı¯ al-Dı¯n 295, 923, 924, 926, 927, 928, 932, 934, 935 Ibn Ta¯wı¯t al-Tøangˇ¯ı, M. 932 Ibn Tu¯mart 932 Ibn Zuhr 424 Idel, M. 283 Ignaz v. Döllinger 224, 226, 234, 235 Ikas, W. V. 562 Imbach, R. 355, 517, 518, 521, 527, 528, 530, 635 Innocenti, B. 958 Innozenz II., Papst 125 Innozenz III., Papst 956 Innozenz IV., Papst 31, 34, 941, 943, 945 Ioachimus Baudisius 421, 426, 428, 429 Ioannes Drimis 819 Ioannes XII. Kosmas 817, 820 Iribarren, I. 298, 364, 403 Irwin, R. 926 Isaac Israeli 423, 429, 433 Isabel, Tochter Jakobs II. v. Arago´n 53, 58, 65 Isabel, Tochter Sanchos IV. v. Kastilien 59, 65, 76 Isabel v. Arago´n 58, 61, 545 Isabelle, Tochter Ludwigs IX. 238 Isabelle v. Frankreich 45, 631 Isidor v. Sevilla 17, 331, 560 Isidor Snazin 909 Isnard Tacconi 446 Israe¨ls, M. 668 Ivan III. 906 Ivan IV. 902, 907-909, 915, 917 Ivan II. Asen, Zar v. Bulgarien 813 Ivan Kalita 902, 908 Iwan´czak, W. 782 Izquierdo, R. 47
1007
Jackson, D. E. P. 927 Jacobinus v. Modena 446 Jacobs, M. 475, 476 Jacobus de Burgos 863, 875 Jacobus Hebraeus 424 Jacobus de Virtuto 225 Jacoby, D. 811 Jacopo della Lana 604 Jacques de Dijon 176 Jacques Due´se cf. Johannes XXII., Papst Jacques Fournier 166 Jacques de Molay 48, 51, 126-130, 133, 136, 141, 143, 145, 150, 153, 163, 164, 174, 177, 889 Jacques de The´rines 172, 178, 728 Jaffe´, J. 886 Jäger, C. 546, 550 Jäschke, K.-U. 557, 564, 565, 567 Jaime, Infante v. Arago´n 65 Jakimov Stolbovicˇ 903 Jakob I., König v. Arago´n 75, 91, 419, 818 Jakob II., König v. Arago´n 43-46, 48-54, 56, 58-64, 66, 68-71, 73-83, 85, 86-88, 9092, 125, 126, 173, 422, 423, 430, 433, 571, 897 Jakob II., König v. Mallorca 84, 419 Jakob III., König v. Mallorca 419 Jakob v. Ancona 941 Jakob ben Makhir Ibn Tibbon 420, 424, 425, 429, 432 Jakob v. Metz 343, 344, 348, 354, 357, 361, 362, 364, 366 Jakob v. Padua 951 Jakob v. Viterbo 192, 348, 522 Jakobus, Apostel 566 Jakobus der Gerechte 677, 678 Jakovlev, V. V. 905 James of Ascoli 500, 501, 503-505 Jan, L. 795, 796, 798 Jansen, B. 399 Janssen, W. 464, 465, 467, 470 Jaroslav Vsevolodovicˇ 903, 908 Jaspert, N. 43-46, 69, 70, 77, 885 Jaumann, H. 187 Jauss, H. R. 588, 592 Jean, Sire d’Ancerville 256 Jean Bononiensis 424 Jean de Berry 431 Jean de Be´thencourt 27 Jean de Chaˆteauvillain 210, 217 Jean de Dacie 393, 729 Jean des Preis 228 Jean Froissard 590 Jean de Joinville 237-266
1008
Namenregister
Jean Lesage 177, 728 Jean de Meun 590, 596-598, 601 Jean d’Outremeuse cf. Jean des Preis Jean de Pouilly 161-171, 178, 179-181, 496 Jean Quidort 194, 197, 341, 378-382 Jean de Saint-Victor 165, 558 Jean de The´lus 180 Jean Trechsel 185 Jean de Trian 443 Jeanne de Navarre 239, 243, 245, 248, 264, 265 Jedin, H. 942 Jenkins, J. 100 Jephcott, E. 664 Jeremia, bibl. 875 Jesaia, bibl. 863, 875, 913 Jeschke, T. 340-369 Jesus Christus 4, 6-11, 16, 125, 134, 135, 142, 146, 150, 153, 154, 156, 184, 226, 241, 251, 255, 258, 264, 280, 312, 313, 335, 378-381, 383, 390-392, 466, 480, 481, 550, 553, 554, 561, 582, 589, 598, 664, 666, 667, 672-675, 677-680, 683, 684, 686-690, 693, 697, 698, 700, 701, 853, 856, 860, 953-956, 958, 959, 961, 964-966, 970, 974, 980, 982, 987 Jirecˇek, J. 775 Joachim, bibl. 675 Joachim, Patriarch v. Ta˘rnovo 814, 815 Joan Burgunyo´ 46, 52, 53 Joan de Llotger 49 Johann I., Bischof v. Straßburg 233 Johann IV., Bischof v. Drazˇice 784, 793, 795 Johann VI., Bischof v. Olmütz 793 Johann Hardefust 469 Johann Marignola 785, 952 Johann Overstolz vom Ufer 471 Johann Parricida 477, 541, 542, 566, 571-574, 577, 773, 775-777, 781, 782, 784, 787, 796, 803 Johann v. Schwaben cf. Johann Parricida Johann v. Villers 887 Johann Voilprume 473 Johann vom Horn 468 Johannes, Evangelist 6, 326, 697, 701, 863, 875 Johannes, Priesterkönig (myth.) 942 Johannes III., Bischof v. Sultaniyeh 835, 840 Johannes XXI., Papst 600 Johannes XXII., Papst 21, 31, 224, 439-457, 565, 579, 958, 960, 961 Johannes Andreae 577 Johannes v. Capua 424 Johannes v. Damaskus 970 Johannes del Plano Carpine 19, 940-943 Johannes der Täufer 4, 553, 666, 697, 701
Johannes Duns Scotus 3, 105, 109-112, 114122, 176, 197, 300, 305-309, 318, 332, 388, 390-392, 395, 397, 398, 400, 401, 403-412, 414-416, 463, 486-515, 583, 650, 659, 695, 705-707, 745, 746, 748-753, 755, 757, 939-972 Johannes Gerson 597 Johannes Hartmann 224, 234, 235 Johannes Herolt 577 Johannes v. Jandun 171, 175, 177, 706, 749, 750 Johannes Kantakuzenos 820 Johannes Kraus 557 Johannes v. Luxemburg 572, 576, 777, 780, 783, 788, 791-793, 801, 802, 805 Johannes Monachi 577 Johannes v. Montecorvino 939, 940, 945, 950, 953, 967 Johannes Picardi v. Lichtenberg 516-537 Johannes de Poilheym 467 Johannes v. Porto 448 Johannes v. Ripa 501 Johannes v. Schwaben cf. Johann Paricida Johannes Scottus Eriugena 284 Johannes Spiritus Sanctus 467 Johannes Tauler 234 Johannes v. Tilrode 481 Johannes Vath 741, 742, 757 Johannes v. Viktring 541, 543, 572 Johannes v. Winterthur 541, 573 Johannes v. Würzburg 17 Johannitius 423, 595 John, B. 671 John of Bassol 501, 505 John of Ghent cf. Johannes v. Jandun John of Mont-Saint-E´loi 172, 173 John of Reading 498 John Peckham 389, 401, 958 Johnson, K. 734 Johnston, M. D. 284 Joncˇev, L. 809, 810, 813-817, 819, 820, 823 Jones, L. E. 589 Jordan, M. D. 647 Jordan, W. C. 172, 174, 178, 201, 482 Jordan v. Giano 940, 941 Jordan de Turre 434 Joseph, bibl. 675, 684 Josias, bibl. 238 Jostkleigrewe, C. 559 Juan, Infante v. Arago´n 61, 63 Juan, Infante v. Kastilien 73 Juan de Abreu Galindo 33 Juan Manuel 60-63, 66, 67, 68, 73 Juan Nu´n˜ez de Lara 60, 61 Judas, bibl. 378
Namenregister Jugie, M. 679, 842, 847 Jung, E. 104-122 Jurek, T. 800 Jurij Danilovicˇ 902, 911, 919 Justinian, Kaiser 4, 666, 667, 980 Kaeppeli, T. 172, 830, 835, 836, 842 Kafadar, C. 934 Kajmakamova, M. 812 Kalb, A. 845 Kalista, Z. 799 Kallinger, E. 141 Kaluza, Z. 401, 501, 507 Kamal, Y. 21 Kama¯la-s´rı¯ 925 Kampmann, I. 202, 204, 233 Kantorowicz, E. H. 242 Kaplaneres, S. 809 Karahan, A. 672 Karamustafa, A. T. 927, 928, 930 Karayannopulos, J. 812 Karl II., König v. Neapel 45, 48, 62, 76-79, 82, 439, 441, 443-445, 449, 454-456, 895 Karl IV., König v. Frankreich 186, 243 Karl IV., römischer König 484, 582, 785, 786, 788, 799, 801, 802, 806 Karl V., Kaiser 10 Karl v. Anjou 631, 698 Karl v. Luxemburg cf. Karl IV., römischer König Karl Robert v. Anjou, König v. Ungarn 424, 631, 823 Karl v. Valois 47, 48, 68, 76, 77, 82, 83, 86-90, 797, 821-825 Karmon, Y. 897 Karnein, A. 592, 594 Karras, R. M. 164, 179 Kasapides, D. 829 Katharina v. Alexandrien, Heilige 554, 668, 697, 700, 974 Katz, B. D. 105 Kaufbold, M. 185, 192 al-Kautßarı¯, M. Z. 924 Kaye, J. 164, 179 Kedar, B. Z. 894 Keinz, F. 708 Kelley, F. E. 111, 403, 404, 413-416 Kelly, S. 45, 77, 456 Kempers, B. 672 Kendzierski, L. H. 616 Kenny, A. 96 Kern, A. 835, 840 Kessler, E. 105 Keussen, H. 465, 468, 471, 472 Kianka, F. 835, 836, 840, 841, 843
1009
Kibre, P. 433 Kiesewetter, A. 45, 48, 75, 76, 811 Kijewska, A. 104 Kimpel, D. 692 Kintzinger, M. 42, 45, 796 Kiprian Cˇamblak 905, 913, 915, 920 Kirby, G. 958 Kirill 913 Kisky, W. 149, 462, 484 Kislinger, E. 809 Kitzinger, E. 665, 667, 688 Kla´psˇteˇ, J. 804 Klara, Heilige 546, 553 Klein, A. 470 Klein, C. 559 Klein-Braslavy, S. 277 Kleine, U. 284 Klemperer, G. 476 Kloppenburg, B. 940 Kloss, B. M. 901, 903, 906-909, 916 Klüpfel, L. 75 Klug, E. 905, 911, 912, 914 Kluxen, W. 491 Knefelkamp, U. 571 Knipping, R. 473, 474 Knysh, A. 923 Kober, A. 472, 473 Kobusch, T. 291, 305, 406, 409, 411 Koch, J. 162, 163, 176, 278, 289, 299, 320, 324, 332, 340, 358, 361, 363, 366 Kocher, S. 203 Köhler, T. W. 362, 366, 388 König, B. 605 König-Pralong, C. 390, 517, 529, 531, 532 Könsgen, E. 599 Kohler, C. 20 Koller, H. 544 Kollias, E. 893 Kolmer, L. 312 Komaroff, L. 925 Konrad v. Eichstätt 432, 434 Konrad v. Erfurt 783 Konrad Kannler 235 Konrad v. Öttingen 574 Konrad v. Tegerfeld 777 Konstantin, Kaiser 666, 667, 980 Konstantin Borisovicˇ 904, 905, 916 Konstantin Tih Asen 816 Kopelke, W. 602 Kopicˇkova´, B. 805 Korpela, J. 901-920 Koselleck, R. 37 Kosev, D. 812 Koury Danner, M. A. 928
1010
Namenregister
Krause, G. 957 Kreiser, K. 933 Kretschmer, K. 20 Kretzenbacher, H. L. 195 Kretzmann, B. 104 Kretzmann, N. 96, 99, 104 Krey, P. 281 Krieger, K.-F. 541, 542, 549, 773, 775-778, 790 Krings, M. 200 Krischer, T. 820 Kristeller, P. O. 749, 750 Kroos, R. 15, 555 Krüger, A. 152-154, 156 Krüger, E. 193 Krüger, K. H. 461 Krüger, M. 666 Kruger, S. F. 272 Krynen, J. 164, 168, 179, 250 Kubilai Khan 941, 942, 944, 946 Kuchenbuch, L. 284 Kucˇkin, V. A. 914 Künne, W. 402 Kugler, H. 13-17 Kuiters, R. 187 Kunigunde, Tochter Wenzels II. 775, 776 Kunigunde de Wippervurde 468 Kunst, H.-J. 692 Kurland, S. 98 Kurmann, P. 549, 553 Kurmann-Schwarz, B. 541-556, 796, 973, 974 Kuschel, K.-J. 205 Kusternig, A. 778 Kuthan, J. 803 Kuttner, S. 190 Kvı´tkova, N. 775 Kwasniewski, P. A. 302 Kwiatkowski, S. 885 La Roncie`re, M. de 18 La Taille, M. de 356 Lacaita, J. P. 604 Lacombe, G. 707, 715, 716, 719 Lacomblet, Th. J. 473 Ladero Quesada, M. A. 41, 69, 71, 72, 74 Lafleur, Cl. 730 Laiou, A. E. 77, 83-90, 809, 811, 817, 818, 820-822, 824 Lalinde Abadı´a, J. 41, 811 Lamarrigue, A.-M. 563, 568, 833 Lambert, M. 204, 446, 452, 967 Lambertini, R. 507, 957-960, 962, 963, 967, 968 Lamma, P. 818 Lampake¯s, S. 812
Lampen, W. 487, 491 Lancelot Malocello 30 Landgraf, A. 516 Landner, G. 665 Landolfo Brancacci 132, 133, 136, 142 Landulfus Neapolitani 137 Landulphus Caracciolo 501, 506, 509 Langermann, T. 932 La˚ngfors, A. 589 Langlois, C. V. 176, 248 Lanhers, Y. 441, 444-449 Laoust, H. 932 Largier, N. 204, 516 Lassotta, F.-A. 470 Latourette, K. S. 941, 943, 944, 946, 948 Lattes, M. 476 Latze, T. 592 Lau, F. 467-471 Laum, D. 470 Laurence de Dreux 172, 174, 175 Laurence de Nantes 175, 176 Laurent, F. 247 Laurent, M.-H. 453 Laurent, V. 812, 813, 817 Laurent de Beaune 165 Laurentius, Heiliger 546 Laurentius v. Portugal 942 Lauriola, G. 961, 967 Lauro, B. 544, 545 Lavisse, E. 248 Lawson, C. M. 331 Lazarev, V. 673, 674, 684, 689 Lazarus Zetzner 622 Le Brun Gouanvic, C. 841, 842 Le Goff, J. 238, 246, 247, 946, 954 Lea, bibl. 603 Lea, H. C. 150, 152, 153, 166 Leclerq, J. 599 Lecompte, I. C. 590 Ledesma Rubio, M. L. 47 Ledoux, A. 496, 499, 508 Lehmann, P. 841 Leibniz, G. W. 622 Leicht, I. 200, 202, 203, 205-209, 214, 224, 226, 229 Leidinger, G. 576 Lennon, T. M. 339 Lenz, K. F. W. 818 Leo, U. 634 Leon Tello, P. 476 Le´onard, E. G. 45, 77 Leone, M. 652 Leonor, Tochter Ferdinands IV. 61, 63 Leonor v. Kastilien 45, 65, 68
Namenregister Leontiadis, I. 809 Leontsinis, G. 842 Leopold I. v. Habsburg 549, 777 Lerner, R. 174, 176, 200, 201, 204-207, 209, 210, 212, 214, 219-221, 226, 227, 233 Lethaby, W. R. 666 Letteris, M. 476 Leuschner, J. C. 575 Levina, S. A. 908 Lewicki, T. 22 Lhotsky, A. 541, 542, 544, 558 Liard, W. R. 105 Libera, A. de 402, 646 Libussa 780, 786 Lichtmann, M. 203 Liebertz-Grün, U. 544 Lippo Memmi 698, 699, 975 Lisˇev, S. 809 Little, D. P. 924, 925, 932 Livesey, S. 420, 421 Lize´rand, G. 126, 128 Lo Grasso, I. B. 192 Lock, P. 77, 83, 89 Loenertz, R.-J. 830, 833-835, 838, 840, 841, 843, 845-848 Lomax, D. W. 41 Longpre´, E. 489, 503, 504, 957, 958 Loppa 468 Lorenzoni, M. 674, 675 Losse, M. 891 Lotter, F. 480-482 Louis d’Evreux 86, 90 Louis de Navarre cf. Ludwig X. Lowe, E. A. 298 Lucifer, bibl. 421 Lucius III., Papst 166, 701 Luckscheiter, R. 200 Ludolf v. Sudheim 891 Ludovico Moresco 891 Ludwig IV., Kaiser 484, 576, 582 Ludwig IX., König v. Frankreich 18, 58, 237266, 888, 943, 944 Ludwig X., König v. Frankreich 239, 243, 245, 250, 251, 483 Ludwig d. Bayer cf. Ludwig IV. Ludwig v. Osnabrück 575 Ludwig v. Toulouse 439, 449-453, 456, 457 Luhmann, N. 170 Luis de la Cerda 30, 33 Lukas, Evangelist 6, 665, 667-669, 673, 674 Lukehart, P. 685 Luna, C. 193, 709, 752 Lundt, B. 544 Lur’e, Ja. S. 904, 906
1011
Lusini, V. 670, 686 Lusse, J. 247 Luttrell, A. 88, 885, 886, 888, 891-893, 896 Lutz, E. C. 549 Luzzatto, S. D. 476 Lyons, M. C. 927 McCormick, M. 461 McGinn, B. 199-201, 203, 232 McGuinnes, I. 842 MacKay, A. 41 McNab, B. 174, 201 McNabb, V. 663 McVaugh, M. 422, 423, 430 Macken, R. 303, 497, 518, 519, 654, 747, 752 Madre, A. 887 Madurell Marimo´n, J. M. 46, 53 Mäkinen, V. 960 Märtl, C. 43 Maestro di Tressa 981 Maginnis, H. B. J. 668, 669, 685 Magninus Mediolanensis 431, 432, 434 Mahdi, M. 933 Mahieu le Poirier 590 Maier, A. 192, 364, 365 Maieru, A. 104 Mailleux, R. G. 490 Maimon, A. 472 Maio, A. 818 Makarij 908, 915 Makdisi, G. 928, 930 Maksim 913 Maksimovic, L. 822 Malachi, bibl. 689 al-Malik al-Ka¯mil 955 Malik al-Na¯søir 72 Mallek, J. 885 Mamboury, E. 830 Mandonnet, P. 343, 347 Mandrella, I. 506 Manfred, König v. Sizilien 75, 89 Mango, C. 667 Mangu Khan 943, 945 Mann, F. A. 190 Manocavallo, A. 887 Manselli, R. 440, 505 Mansi, J. D. 224 Manuel Moschopoulos 831, 832 Manuil, Kaiser 913 Manzano Rodrı´guez, M. A. 41, 59, 71, 72, 74 Mara´z, K. 789, 801 Marc, P. 356 Marcil, G. 404 Marco Polo 668, 941, 942, 949
1012
Namenregister
Marcus Terentius Varro 5 Marec, A. 800 Margaliot, M. 273 Margarete, Heilige 547 Margarete v. Anjou-Sizilien 48 Margherita v. Trient 569, 575 Marguerite Porete 156, 172, 174, 176, 180, 199237 Marguerite de Provence 237 Maria, bibl. 4, 10, 50, 554, 589, 663-680, 684, 686-699, 913, 916, 918, 956, 980, 982, 984, 985, 987 Marı´a, Tochter Jakobs II. 48 Maria Kantakouzene 816, 817 Maria Magdalena, bibl. 547, 698, 700 Marı´a de Molina 44, 54, 55, 57, 59, 60-62, 6466, 73, 74, 76 Maria v. Zypern 78 Marianus Scotus 7 Marie v. Montpellier 419 Marı´n, M. 931 Marino Sanudo d. Ä. 20-22, 887 Marius v. Salerno 595 Marler, J. C. 203 Ma´rquez de la Plata, V. 44, 75 Marrone, S. F. 305 Marrou, H. I. 106 Marshall, L. E. 595 Marsilius v. Padua 198 Marte`ne, E. 830 Marti, M. 601 Marti, S. 549 Martin, Heiliger 546 Martin, J. 902, 911, 914, 915 Martı´n, J. L. 41 Martin, R.-M. 382, 383 Martin Bouquet 18 Martı´n Duque, A. J. 41 Martin v. Troppau 8, 558-564, 566, 568, 571, 582-584 Martı´nez, M. G. 34 Martı´nez Dı´ez, G. 47-49, 53-56 Martı´nez Ferrando, J. E. 43, 51, 53, 60, 64, 65, 75, 80, 85 Martos Quesada, J. 41 Mascharo, genannt Thomas 469 Ması´a de Ros, A. 43, 59-63, 65, 67-74 Massignon, L. 930 Matanov, C. 819 Matheos 913 Mathilde v. Bayern 15 Matter, E. A. 179 Matthaeos Angelos Panaretos 830, 847 Matthäus, Evangelist 845, 864, 876
Matthaeus de Acquasparta 193, 195, 389, 392 Matthaeus Ferchius 486 Matthaeus Parisiensis 8, 17 Matthias v. Neuenburg 463, 541, 542 Matthias Scheyve 471 Mattoso, J. 41 Matuz, J. 811 Maurach, G. 595 Maurer, A. 413, 528 Maurer, E. 547, 549, 550, 553 Maurus v. Salerno 595 Mavromatis, L. 822 Maximos Chrysoberges 844, 846 Maximos Planudes 837, 839, 843 May, H. S. 476 Mayer, R. 516, 531, 532, 534 Mayerson, P. 666 Mazzantini, P. 633 Mazzarella, P. 389, 390, 392 Mechoulan, S. 419 Mechthild v. Bayern cf. Mathilde v. Bayern Mechthild v. Magdeburg 202 Mechtild de Vrisheym 468 Mechtild v. der Marspforte 467 Medick, H. 43 Meersseman, G. G. 663 Meier, R. 462 Meier, T. 545, 554 Meister Eckhart 202-205, 277, 279-282, 285, 516-537 Melville, C. 925 Memon, M. U. 928 Menache, S. 47, 162, 164, 559, 888, 889, 893, 895, 896 Menahø em ha-Meiri 274 Mendelson, E. 932 Mendes dos Remedios, J. 475 Menesto`, E. 940 Mensching, G. 412 Mercati, G. 830, 835, 837, 840, 844 Merchavia, C. 273 Mertens, V. 200 Messire Thibaut 587 Me´try, E. 735 Meuschen, J. G. 574 Meyer, B. 541, 542 Meyer, G. 708 Meyerson, M. D. 928 Michael 816 Michael, E. 15 Michael, Erzengel 700 Michael, Heiliger 549 Michael IX. Palaiologos 83, 84, 817, 819 Michael Scotus 745
Namenregister Michael Sˇisˇman, Zar v. Bulgarien 822, 823 Michałowska, M. 104-122 Michelet, J. 129, 130, 147, 156, 161, 165 Michot, Y. J. 924-926 Middledorf-Kosegarten, A. 675 Mierau, H. J. 557-584 Mies, F. H. 470-472 Miethke, J. 182-198 Migne, J.-P. 251 Mihail Jaroslavicˇ 903-910, 912, 916-919 Mihail-Mitjaj 913 Mihailo Pavsˇinicˇ 903 Milanesi, G. 669 Militzer, K. 474 Milla´s Vallicrosa, J. M. 283, 711 Miller, D. B. 902, 907, 908, 909, 912, 914-916 Miller, K. 20, 22 Millia-Milanes, V. 164, 179 Minio-Paluello, L. 707 Minnis, A. J. 647 Mioni, E. 837, 838, 852, 858 Miquel, F. A. 43, 48, 60, 64, 65, 74 Mirbt, C. 183 Miron, E. L. 43 Mita´cˇek, J. 796 Mitre Ferna´ndez, E. 41 Modric´, L. 489 Möhle, H. 507, 643, 753 Mölich, G. 473, 484 Mötsch, J. 559 Mohammed 972 Mojsisch, B. 369, 507, 517-519, 523 Mollat, G. 47, 131, 278, 558, 833, 889 Mollat du Jourdin, M. 18 Molle, A. 829 Mommaers, P. 203 Moncho, J. R. 595 Monfasani, J. 829 Monfrin, J. 238, 239, 243, 244, 246, 264 Monnet, P. 42, 45 Monsalvo Anto´n, J. M. 41, 42 Moore, R. I. 271 Moorman, J. 945, 955 Moos, M. F. 321, 335 Morani, M. 595 Moraw, P. 804 Mori-Ubaldini, U. 887 Mortier, D.-A. 830 Moscadelli, S. 669 Mosˇeh ben Sˇemuel 278 Moses, bibl. 280, 666, 982 Moses Maimonides 272-274, 279-282, 478, 479, 932 Mostert, M. 794
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Moule, A. C. 940 Mountain, W. 323, 325 Mudimbe, V. Y. 35 Müller, E. 445-447 Müller, G. 943, 957 Müller, H. 182 Müller, J. 728, 754 Müller, J.-P. 349, 378, 382 Muhø ammad II. 72 Muhø ammad III. v. Granada 42, 63, 72, 74 Muhø ammad de Crevillent 63 Muhø ammad Ibn Abd al-Wahha¯b 924 Muhanna¯ Ibn I¯sa¯ 923 Muldoon, J. 31, 191 Mundill, R. R. 479 Murad, H. Q. 923 Murano, G. 710, 711 Muraro, L. 200 Murdoch, J. 106, 122 Muscetta, C. 601 Mutzenbecher, A. 845 Nabonassar, König v. Babylon 5 Nachmanides 282 Napoleone Orsini 133, 445 Napp, A. cf. Krüger, A. Nardi, B. 604, 632-634, 640, 644 Narziß, myth. 591, 597 Nasør 74 Nechutova´, J. 782, 784, 785 Neher, A. 477 Neilos Cabasilas 838, 844 Nello di Mino de’ Tolomei 699 Nelson, R. 673 Nemesius v. Emesa 595 Nettleford, R. 35 Nettler, R. L. 928 Netton, I. R. 75 Neu, H. 464 Neuber, W. 578 Neuman, A. A. 475, 476 Neumann, C. K. 933 Neumann, G. A. 891 Niccolo` Machiavelli 37 Nicephorus Gregora 820 Nicholas Donin 273, 278 Nicholson, H. 47, 885, 888, 892-894 Nicol, D. M. 816 Nicola Pisano 674, 675, 679, 681-683, 690 Nicolas de Fre´uville 445 Nicolau D’Olwer, L. 78, 83 Nicolaus a Martimbos 320 Nicolaus de Anessiaco 176 Nicolaus Bonetus 501, 506
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Namenregister
Nicolaus de Nonancourt 192 Nicole Oresme 198, 742 Niederbacher, B. 321, 330 Niederstätter, A. 773-777 Nieto Soria, J. M. 44 Nieves Sa´nchez, M. 422, 426 Nijs, T. 303 Nikol’skago, N. K. 918 Nikolaus, Heiliger 546, 553, 699, 914 Nikolaus II., Papst 10 Nikolaus III., Papst 960 Nikolaus IV., Papst 128, 885, 888, 945 Nikolaus V., Papst 35 Nikolaus Eymericus 224 Nikolaus v. Lyra 176, 177, 277, 281, 282, 285 Nikolaus v. Straßburg 517 Nikov, P. 814, 817 Nirenberg, D. 36, 271 Nitsche, P. 912 Noah, bibl. 16 Noce, M. 28 Nodl, M. 802 Nogaj Khan 813-815 Noone, T. 404, 407, 490, 493, 502, 506, 507, 746 Norman, D. 663, 668, 672, 677, 686, 687, 692, 693, 696-700 Northrup, L. S. 923, 927 Nottelmann, S. 286 Nova´k, J. B. 778 Nova´k, J. V. 782 Novotny´, V. 773, 782 Nowacki, B. 789 Nowak, Z. H. 893 Obermann, H. 122 Oberste, J. 148 O’Callaghan, J. F. 41 Ochoa Brun, M. A. 42, 44, 46, 58, 59, 69, 70, 72, 74, 87 Ocker, Ch. 480 Odo Rigaldi 353 Odorico v. Pordenone 939, 940, 945, 949-951, 953, 968 Odysseus 657 Oexle, O. G. 559, 575 Offler, H. S. 117 Ögedei Khan 941 Ogris, W. 776 Oikonomides, N. 820 Olga, Großfürstin v. Kiev 913, 914, 918 Oliuer, R. 52 Oliva, A. 644, 714, 724 Oliveira Marques, A. H. de 41 Ols, D. 301
Olszewski, M. 501 O’Neill, Y. 423, 426 Opicio, genannt Albert della Rocca 469 Orcibal, J. 203, 204 Ordericus Vitalis 8 Origenes 428 Orosius v. Sevilla 560 Ott, K. A. 590 Ottilia, Heilige 547 Ottman, J. 95 Otto, A. 729 Otto IV., Kaiser 15 Otto der Fröhliche 549 Otto der Lange 570, 778 Otto der Strenge 15 Otto v. Freising 8 Otto v. Thüringen 782, 791 Ottokar, König v. Böhmen 477 Ottokar aus der Gal 541, 543, 544 Oudinus, C. 834 Ovid 428, 592 Owens, J. 409 Pablo de Santa Maria 282 Pablo Christiani 278 Pätzold, A. 665, 667 Pagano, S. 144 Pagden, A. 35 Palazzo, B. 830, 833, 835 Pales-Gobilliard, A. 833 Palmieri Nuti, G. 693, 695 Panova, R. 812 Paolini, C. 508 Papadopoulos, S. G. 835, 838, 844, 848 Papaioannou, E. N. 666 Paparella, F. D. 646 Papathomopoulos, M. 837, 838 Papy, J. 705 Paravicini, W. 36 Paravicini Bagliani, A. 104, 559 Pardo Pastor, J. 283 Paris, G. 245, 246 Parisoli, L. 961 Parsons, G. 672 Partner, P. 150 Pasieczik, M. 506 Pasnau, R. 291 Pastor of Serrescuderio 501, 507 Pastore Stocchi, M. 28 Paton, R. 677 Patschovsky, A. 200-202, 233, 235 Paul, J. 449, 452 Paul VI., Papst 956 Paulinus Minorita 20-22, 572
Namenregister Paulus, Apostel 269, 323, 325, 326, 334, 554, 697, 701, 853, 854, 865, 878, 947 Pavlov, P. 809, 813, 816 Payr, T. 841 Pecci, G. A. 685 Pedro, Infante v. Arago´n 61, 64 Peers, E. A. 887 Pegues, F. 190 Peire Vidal 592 Pelikan, J. 664, 666, 667 Pelster, F. 489 Peltomaa, L. M. 665 Pelzer, A. 340, 517, 712 Pentcheva, B. V. 674 Pera, C. 356 Perarnau, J. 80 Pere III cf. Peter IV., König v. Arago´n Perger, M. v. 96, 101, 289, 290, 296, 298, 302 Perler, D. 403, 406, 408, 416 Perrie, M. 903 Perring, A. 692, 693, 697-700 Petagine, A. 517 Peter, Maler v. Sinai 673, 982 Peter I., König v. Zypern 897 Peter II., König v. Arago´n 419 Peter III., König v. Arago´n 58, 71, 75, 422 Peter IV., König v. Arago´n 818 Peter v. Aquila 501, 506-508, 514 Peter v. Aspelt 799 Peter v. Auvergne 99, 171, 527, 645, 646, 650 Peter der Große 902 Peter v. Lucalongo 948 Peter v. Mainz 139 Peter v. Navarra 501, 504-506, 508, 514 Peter v. Pleigne Chassagne 895 Peter v. Siena 951 Peter v. St. Denis 172, 180 Peter v. St. Omer 171, 180 Peter de Vallibus 180 Peter v. Zittau 782-784, 791, 797, 804 Peters, U. 204-206, 219, 223-225, 228 Petit, J. 821 Petit, L. 847, 848 Petr Moskovskij 901-920 Petri Balbi, G. 70 Petrocchi, G. 632 Petrov, P. 816 Petrus, Apostel 146, 335, 697, 701, 854, 857, 865, 878, 915, 959 Petrus Alemandini 142 Petrus Aureoli 291, 397, 398, 415, 503, 506, 509 Petrus de Capistagno 420 Petrus Faragola 433 Petrus Hispanus cf. Johannes XXI., Papst
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Petrus Johannes Olivi 371, 399, 400, 695, 968 Petrus Lombardus 106, 340, 348, 352, 371-373, 375, 376, 382, 489, 945 Petrus de Palude 163, 296, 297, 299, 320, 321, 324, 332, 337, 360, 361, 363, 366 Petrus de Sancto Dyonisio 206 Petrus Thomae 493, 496, 500, 501, 504, 506, 508-510 Petrus de Vinea 188 Petrus v. Zittau cf. Peter v. Zittau Petry, C. F. 923 Pez, B. 745 Pfandl, L. 36 Pfeiffer, F. 469 Pfeiffer, G. C. 799 Pfeiffer, J. 925 Philip de Bindo Incontri 834-836, 840, 848 Philipp, Apostel 566 Philipp, T. 926 Philipp II., König v. Frankreich 259, 263 Philipp III., König v. Frankreich 238, 242, 264, 481, 545 Philipp IV., König v. Frankreich 45-50, 53, 59, 68, 76, 86, 88, 90, 125, 127-138, 142-148, 152, 154, 156, 161-170, 173, 178-198, 209, 235, 239, 243, 247-251, 256, 264-266, 276, 419, 431, 446, 455, 483, 487, 489, 503, 631, 821, 890, 895 Philipp V., König v. Frankreich 243 Philipp der Gute, König v. Burgund 432 Philipp der Kanzler 310, 311 Philipp der Schöne cf. Philipp IV. Phillippe de Cahors 450 Philippe de Marigny 161, 216 Philippe Nogaret 186 Philoponus 751 Piaia, G. 319 Piana, C. 499, 508 Pich, R. H. 939-972 Piche´, D. 378 Pickave´, M. 513, 517, 529 Pico, B. 27 Picone, M. 605 Pieper, J. 330 Pierre Bersuire 949 Pierre Dubois 138, 186, 887, 890 Pierre d’E´tamps 186, 187, 189 Pierre de Ferrie`res 442, 449, 450, 455 Pierre Flote 186, 190, 194, 196 Pierre de Gross 188 Pierre de La Chapelle 132, 135 Pierre des Vaux-de-Cernay 187 Piers Gaveston 46 Pietramellara, C. 670
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Namenregister
Pietro Aligheri 604 Pietro Colonna, 132 Pietro Vesconte 13, 19-22, 978 Pimen 913 Pina Martins, J. V. de 475 Pinborg, J. 96 Pini, G. 407, 411, 486-515, 533 Pintarelli, A. E. 940, 949-952 Pizarro, J. A. de Sotto Mayor 44, 57 Platon 116, 404, 525, 675, 751, 838 Platz, H. 794 Pljakov, Z. 816 Pluta, O. 507 Podkon´ski, R. 104, 105, 121 Podskalsky, G. 812, 836 Poeschke, J. 697, 698 Pojsl, M. 791, 794 Polemis, I. D. 831 Polı´vkova´ Warta, K. 789 Pontius v. Brochet 153, 154 Popp, D. 688, 689 Poppe, A. 902, 911 Porge´s, N. 475 Porphyrius 488, 620 Porro, P. 355, 517, 518, 520, 521, 631-659 Port, C. 144 Potansky, P. 597 Potthast, A. 575 Pouillon, H. 310 Pouliot, F. 335 Pourtiers, J. C. 892 Prawer, J. 885 Preger, W. 232 Prˇemysel der Pflüger 780, 786-788 Prˇemysl Ottokar II. 775-777, 779, 780, 782, 787 Prestwich, M. 45 Prezioso, F. A. 355 Prˇibı´k Pulkava v. Radenı´n 785, 787, 788 Price, B. 843 Prietzel, K. 560 Prieur, J. 471 Prinz, O. 841 Priselkov, M. D. 906 Prochoros Cydones 844, 847 Proclus 866, 879 Procopius 666, 667 Profatius Judaeus cf. Jakob ben Makhir Ibn Tibbon Prohorov, G. M. 915 Prosper Aquitaneus 428 Prümmer, D. M. 453, 829, 834, 838, 842, 845, 856, 858 Prüss, J. 28
Przemysl II., König v. Polen 774, 798-800, 802 Ptolemaios 851, 866, 879 Putnam, H. 286, 287 Pythagoras 428 Quaglio, A. E. 604 Quaglioni, D. 128 Quero-Sa´nches, A. 202 Que´ruel, D. 247, 257 Quetif, J. 830, 834 Quintilian 257 al-Qu¯nawı¯ 929 Raban Sauma 945 Rabassa, C. 43 Raby, F. J. E. 598 Rackl, M. 846 Rader, O. B. 786 Radoslav 815, 816 Radulphus Brito 171 Rädle, F. 593 Ragonieri, G. 671 Rahel, bibl. 603 Rahtgens, H. 463 Raimbaud v. Caron 141 Raimund v. Lichtenburg 792, 793 Raimundus Lullus cf. Ramon Lull Raimundus Martini 271, 276, 278, 280, 282, 284, 931, 968 Rainaldus de Piperno 853, 854, 867, 879 Ralph of Hotot 171, 180 Rambert v. Bologna 349 Ramo´n Berenguer 64, 443 Ramo´n de Guardia 49-52, 54 Ramon Lull 70, 78, 271, 276, 277, 283-285, 609-628, 887, 890, 931, 968, 969 Ramo´n de Montros 49 Ramo´n Muntaner 43, 65, 82, 84-89, 818, 819 Randi, E. 118 Ranft, P. 203 Rasˇha¯d Sa¯lim, M. 928 Rashba cf. Sˇelomoh ben Adret Rashi 279, 281, 282 Rasˇ¯ıd al-Dı¯n 925, 926, 935 Rauch, I. 546 Raven, W. 931 Ravennas, Geographus 17 Ravitzky, A. 272 Raymond de Ponte 445 Raymond Gaufredi 452 Raymond Ruffus 443, 454 Raymundus de Moleriis 434 Raynaud, C. 130 Raynerius de Lecto 455
Namenregister Redlich, O. 776, 778 Reginald of Creil 176 Rˇeholka, I. 791, 794 Reichert, F. 942 Reichert, W. 468, 469, 949 Reichstein, F.-M. 467 Reilly, B. F. 41 Reinhardt, K. 284 Reinle, C. 559 Reitz, D. 888 Renaut de Vichiers 260, 261 Renouard, Y. 132 Reyerson, K. L. 419, 420, 672 al-Ra¯zı¯, Abu¯ Bakr Muhø ammad Ibn Zakarı¯ya¯ 424, 427-429, 431-433, 435 Riccardo de Camino 79 Richard v. Cluny 8 Richard Conington 502 Richard v. Cornwall, 479 Richard Fitzralph, Erzbischof v. Armagh 106 Richard Kilvington 104-122 Richard v. Middleton 327, 389, 393, 401, 412, 495 Richard Rolle 598 Richard v. St.-Laurent 695 Richards, E. J. 603 Richmudis 467 Richolf Overstolz vom Ufer 471 Ricklin, T. 643 Ricoldo de Monte Croce 968 Ridyard, S. 151 Riedl, H. P. 692, 696-699 Riehl Leader, D. 510 Rigault, A. 137, 138 Rigo, A. 844 Rigo, C. 281 Rigotti, G. 837 Riley-Smith, J. 129, 151-153, 155, 885, 886, 896 Rinaldo v. Concorezzo 139 Rintfleisch 478, 480, 481 Ritter, J. 405 Rivalta, P. 601 Rivie`re, J. 193 Rizzello, R. 517 Robert, A. 104 Robert I., König v. Neapel 20, 45, 76, 77, 89, 446, 450, 456 Robert Cowton 502 Robert Grosseteste 98, 100 Robert v. Kalabrien 79 Robert le Bougre 311 Robert v. Molesme 701 Robert de Sorbon 253, 259 Roberts, H. F. 490, 493
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Robiglio, A. 517, 634, 635, 747, 748 Rode, C. 402-416 Rodler, K. 490 Rodrigo Ya´n˜ez 54, 56 Roelli, Ph. 195 Roest, B. 490, 491, 495, 503, 953, 969 Roger Bacon 393, 968, 969 Roger Deslaur 89 Roger de Flor, 82-84, 818 Roger de Lauria 80, 81 Roger II. v. Lauria 81 Roger Marston 389 Rogge, J. 796 Rohde, H. E. 75 Rohrbacher, St. 480 Roland v. Cremona 311-315 Rolfes, E. 576 Roling, B. 587-605 Roman 913 Romano, M. M. M. 931 Romeus de Brugaria 48, 172-175, 180 Rommevaux, S. 104 Ronca, I. 595 Rorty, R. 286, 287 Rose, M. 321 Rosell, C. 44 Rosenquist, J. O. 830 Rosenthal, F. 30, 929 Rossi, G. F. 843 Rossini, M. 505, 506 Roth, H. 463, 507 Roux, S. 105 Roy, B. 592 Ruando, E. B. 35 Rubinstein, N. 700 Rubio, J. E. 283, 931 Rubio´ i Lluch, A. 43, 77, 83-86, 88, 89, 811 Rucquoi, A. 41, 42 Rudolf, König v. Böhmen 542, 545, 550 Rudolf I., römischer König 463, 541, 550, 562, 774-776, 778-780, 789, 791, 792, 794, 797, 799, 802 Rudolf II., 776 Rudolf IV., Herzog v. Österreich 549 Rudolf v. Balm 777 Rudolf v. Schwaben 477, 775 Rudolf v. Wart 542, 777 Rüpke, J. 3 Ruggero da Casole 685 Ruh, K. 200-204, 207, 214, 219, 224, 229 Ruhe, D. 588, 592 Ruhrberg, C. 205 Ruiz, F. 47 Ruiz, T. F. 174, 201
1018
Namenregister
Ruiz Simon, J. M. 618 Runciman, S. 74, 127 Russel, P. 27, 30, 34 Russell, N. 844, 849 Rutger 470 Rutger v. Lyskirchen 471 Rutherford, D. 339 Ryantova´, M. 789 Rybakov, B. A. 910, 914 Rychterova´, P. 798 Ryckebusch, F. 453 Saaler, M. 45, 46, 48 Sabean, D. 43 Sablonier, R. 43, 82, 84 Sabra, A. 932 Saeverin, P. F. 560 Safranski, R. 339 Sahaydachny, A. 663-691, 980-988 Sa¯ıd Ahø mad Ira¯b 929 Sainz de la Maza, C. V. 276 Saladin 127, 926, 927 Sala¯r 923 Salavert y Roca, V. 43, 77 Salmo´n, F. 420, 422 Salomo, bibl. 726 Salomon Ibn Vergas 475 Salzinger, I. 609 Sˇams al-Dı¯n D ß ahabı¯ 924 Samuel Usques 475 Sancha, Königin v. Arago´n 51 Sa´nchez Arcilla, J. 74 Sancho IV., König v. Kastilien 44, 57, 58, 59, 61, 66, 67, 69, 72 Sancho V., König v. Kastilien 91 Sancho v. Arago´n 84, 89 Sancia v. Mallorca 456 Sander-Berke, A. 561-563, 566, 577, 581 Sans i Trave´, J. M. 47 Santarrita, M. 941 Santiago-Otero, H. 284 Santos Alves, M. 44 Sarachek, J. 273 Sarah, bibl. 275 Sargent, M. G. 203 Sarnowsky, J. 885-887, 890, 893, 895, 897, 898 Sarton, G. 424, 425, 428 Satkowski, J. I. 668, 670, 685, 686 Sauer, J. 675 Saurina de Beziers 67 Sauter, A. 550 Savinus, Heiliger 679, 687, 697, 698 Scaglia, G. 686 Scarabelli, L. 604
Schabel, Ch. 121, 172, 198, 296, 364, 388, 490, 496, 501-508, 746 Schäferdiek, K. 946 Schäfter, F. F. 470 Schaller, H. M. 188 Schannat, J. F. 462, 465, 466, 469 Schedel, H. 426 Schein, S. 128, 885, 894, 896 Scheuermann, A. 149 Schieffer, R. 563, 785 Schimmelpfennig, B. 445 Schipperges, H. 425 Schleyer, K. 960 Schliwski, C. 475-478 Schlüter, M. 476 Schmandt, M. 474 Schmid, K. 555 Schmidt, G. 545 Schmidt, M. 480 Schmidt, P. G. 195 Schmidt, T. 197, 446-449 Schmidt, V. M. 671 Schmieder, F. 929 Schmies, B. 58 Schmitt, J.-Cl. 319 Schmitt, W. 423-425, 427, 428, 431-433 Schneider, F. 541, 543, 544, 573 Schneider, J. 841 Schneider, J. H. J. 501, 502 Schneider, K.-H. 42 Schneider, Th. 389, 399 Schneidmüller, B. 182, 183, 550, 559 Schnell, R. 589, 593, 594 Schöne, W. 678, 686, Schönmetzer, A. 371 Scholem, G. 284 Scholz, H. 546 Scholz, R. 186, 187, 193 Schopen, L. 820 Schottmüller, K. 135, 162 Schreiner, P. 818 Schroeder, F. V. 809 Schröder, R. A. 32 Schumann, O. 592 Schwalm, J. 774 Schwamm, H. 501 Schwarz, D. W. H. 549 Schweitzer, F.-J. 202 Scully, T. 590 Sedlmayr, H. 677, 678 Sebti, M. 390 Sedova, R. A. 902, 915 Sedulius Scotus 251 Se´e, J. 476
Namenregister Seeberg, R. 960, 964-967 Seemüller, J. 541, 544 Segura Grain˜o, C. 42, 59 Seibt, F. 474 Seidl, H. 374 Selbourne, D. 941, 950 Seleukos Nikator 5 Sells, M. 203 Sˇelomoh ben Adret 274-276, 278, 279, 281283 Seneca 428, 729-731 Seng, U. 464 Senner, W. 281, 356, 517, 731 Se´pinski, A. 753 Serapion 433 Sestan, E. 631 Setton, K. M. 89, 811, 891 Se`ve, R. 144, 148 Sextus Julius Africanus 8 Seybert, G. 43 Sezgin, F. 21 Shaw, J. E. 603 Shmuelevitz, A. 476 Shneidman, J. L. 41 Shochat, A. 476 Shook, L. K. 203 Shoshan, B. 935 Siccard v. Cremona 8 Sicroff, A. A. 35 Sideride`s, X. A. 847, 848 Sieben, H.-J. 830 Sigebert v. Gembloux 7, 8 Siger v. Brabant 528, 530, 616, 657, 752 Signer, M. A. 270 Silva Marques, J. M. da 35 Silva Moreira, A. da 940 Silva Rego, A. da 44 Silveira, I. 943, 944 Simeon, bibl. 684, 689 Simon v. Guiberville 171, 175 Simon v. Konstantinopel 831, 832, 834, 835 Simon v. Saint-Quentin 19 Simone Martini 696-698 Simonides v. Keos 650 Simonin, H.-D. 834 Simonsohn, Sh. 476 Simplicius 99, 711 Sˇimu˚nek, R. 802 Sˇisˇman 822 Sirat, C. 277 Sirenov, A. V. 906 Skinner, P. 479 Slatterly, M. 247 Smalley, B. 886
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Smilec, Zar v. Bulgarien 814, 816, 817 Smith, C. 246-247 Smith, L. 281 Smutna´, K. 801 Soares Martı´nez, P. 42, 44, 57 Sobreque´s, S. 43, 75 Söderga˚rd, Ö. 590 Sokrates 116, 120, 404 Soldevila, F. 75, 818 Sondag, G. 971, 972 Sophia 468 Souto Lasala, J. A. 41 Sovadina, M. 784, 801 Sozzi, M. 128 Speer, A. 7, 96, 104, 105, 204, 325, 356, 412, 516, 519, 521, 534, 537, 594, 646, 653, 656, 698, 705, 786 Speˇva´cˇek, J. 777, 801 Spiazzi, R. M. 329, 343 Spitzer, L. 256 Sprandel, R. 462, 574, 575, 579 Spruit, L. 291, 355 Spuler, B. 813, 815, 925 Sreznevskij, I. L. 914 Stabler Miller, T. 224 Stacey, R. C. 479 Stark, B. 237-266 Staub, M. 27-38 Steel, C. 329, 645, 646, 705, 724 Steer, G. 202 Stefano, A. de 75, 76, 78-80, 82, 83 Stehlich, F. 588 Steiger, C. v. 555 Steinschneider, M. 425 Stella, P. T. 324, 409 Stephan Urosˇ II. Milutin, König v. Serbien 87, 821, 822 Stephanus, Bischof v. Paris 381 Stephanus, Heiliger 546, 554 Stephanus Alexii v. Roquebrune 443 Stephanus Brugensis 137 Stephanus de Stapulbrugge 570 Stepper, R. 43 Stern, M. 473, 484 Stierle, B. 588, 589 Stoick, C. 172 Stolleis, M. 164, 179 Stookey, L. H. 675, 677 Stotz, P. 195 Strauch, D. 470 Strauss, P. 432 Strayer, J. R. 45, 189, 190 Stroick, C. 657 Stroumsa, S. 273
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Namenregister
Stroux, J. 841 Struchholz, E. 670 Strummiello, G. 659 Stubblebine, J. H. 664 Studt, B. 561-563, 566, 577, 581 Stürner, W. 595 Sturlese, L. 202, 498, 516-519, 521, 522, 527, 528, 530, 532, 537 Sturm-Schnabl, K. 809 Sua´rez, F. 299, 302 Suarez-Nani, T. 388-401 Suckale, R. 692 Sudhoff, K. 434 Südkamp, H. 560 Sulitkova´, L. 791, 794 Sullivan, T. 172 Susemihl, F. 730 Sˇusta, J. 774-779, 785, 789, 796-798 Sˇusˇtarı¯ 930 Svobodova´, M. 785 Sylla, E. D. 96, 99, 100, 105, 106, 122 Szaif, J. 291 Szczur, S. 800 Tabarroni, A. 959 Taifacos, I. 501 Taillemite, E´. 186 Taiana, F. 592 Talbot, A.-M. 812, 818, 819 Talbot, C. H. 599 Tandecki, J. 562 Tarrant, J. 225, 234, 453 Tauste Alcocer, F. 594 Tavard, G. H. 677, 678 Taylor, R. 667 Temür Läng 952 Tempier, E´. 378, 381, 755, 756 Tertullian 147 Te Veldes, R. 301 Teske, R. J. 752 Themistius 99 Theodor, Heiliger 987 Theodor Svetoslav, Zar v. Bulgarien 809-811, 813-822 Theodora Palaiologina 809, 811, 819 Thibaud de Chepoy 86-89, 821 Thiede, R. 141 Thielmann, J. 517 Thier, L. 887, 889, 890, 893, 895, 896 Tholomäus v. Lucca 558, 567, 569 Thomas, A. 192, 833 Thomas v. Aquin 96, 99-102, 119, 148, 192, 252, 285, 289, 291, 294, 300-302, 308-309, 318-327, 329, 330, 333-338, 340-343, 347,
348, 352-354, 356-358, 361, 366, 371, 373-387, 389, 390, 393, 409, 411, 416, 453, 494, 497, 500, 509, 513, 517, 522, 523, 531536, 616, 639-646, 649, 653, 654, 657-659, 695, 708, 711-713, 719, 730, 738, 739, 742, 744-749, 751-753, 755, 757, 758, 829-881, 962, 968, 969 Thomas de Bailly 171, 181 Thomas Bradwardine 105, 106, 119 Thomas v. Eccleston 940, 941 Thomas Jorz 132, 569 Thomas Le Mye´sier 612 Thomas v. Sutton 287, 393, 502 Thomas Toccery 570 Thomas v. Tolentino 951 Thomas Wylton 502 Thorau, P. 559 Thorndike, L. 433 Thumser, M. 562 Tiberius, Kaiser 6 Tierney, B. 31 Tihomirov, M. N. 906 al-Tilimsa¯nı¯, Afı¯f al-Dı¯n 930 Timur Khan 946 Tinnefeld, F. 835, 837, 838, 844-846 Tischler, M. 270 Titus, Apostel 906, 908 Tivcˇev, P. 809 Tokta Khan 813-816 Tolomeo da Tocco 842 Tomei, A. 696 Torrell, J.-P. 843 Torres Fontes, J. 41 Totev, K. 812 Toynbee, M. 442, 449-452 Traill, D. A. 311 Tramontana, S. 811 Trapp, E. 809 Trautner-Krohmann, H. 476 Tremp, E. 549 Trˇesˇtı´k, D. 798 Trimingham, J. S. 927 Tristano Troya 469, 472 Trizio, M. 643, 829 Trottmann, C. 355, 356, 647 Trusen, W. 152, 214, 217 Tsavari, I. 837 Trypanis, C. A. 663, 665 Turyn, A. 836-838, 843, 844 Tyerman, C. J. 887 Työrinoja, R. 654 Ubertino da Casale 453 Ubl, K. 155, 161-170, 179, 182, 192, 194, 705, 718, 743, 745
Namenregister Udo 348 Uitti, K. D. 246 Ullrich, L. 362, 364 Ullrich, S. 141 Ulrich, Th. 462 Ulrich v. Balm 542 Unger, S. 464 Urban II., Papst 684 Urban IV., Papst 851, 853, 869 Urban V., Papst 582, 952 Ursula, Heilige 698 Ursus v. Salerno 595 Usbek Khan 952 Usteri, J. M. 549 Valdeo´n Baruque, J. 41 Valero de Bernabe´, L. 44 Valois, N. 162, 439, 442 Van de Veire, C. 711 Van de Vyver, E. 751 Van den Abeele, B. 712 Van den Wyngaert, A. 940 Van der Merr, F. 666 Van der Ploeg, K. 671 Van Dieten, J. L. 8 Van Engen, J. 270 Van Ess, J. 296 Van Heuckelum, M. 52 Van Landingham, M. 75 Van Os, H. W. 671 Van Riet, S. 98, 405 Van Steenberghen, M. 752 Vandelli 639 Vanı´cˇek, V. 774, 778, 779, 789, 798 Vannier, M.-A. 202 Vanossi, L. 603. Va´sa´ry, I. 813, 815 Vasco da Gama 942 Vasilaki, M. 674 Vasilij Konstantinovicˇ 905, 908, 917 Vasoli, C. 644 Va´zquez Janeiro, I. 490, 504-506, 510 Veldhuis, H. 117, 121 Venus, myth. 589, 591 Verbeke, G. 595 Verdenius, W. J. 737 Verdeyen, P. 199, 203, 204, 206, 207, 209-212, 214-222, 225-229, 599 Verdon, T. 675 Verger, J. 419, 420 Vergil 604, 632 Verlinden, C. 30 Vetter, F. 234 Vian, P. 388, 505
1021
Vicaire, M.-H. 453 Victor, Heiliger 679, 697, 698 Victorius v. Aquitanien 6 Vignaux, P. 401, 501 Vignolo de Vignoli 890-893 Viguera Molins, M. J. 41 Vilamo-Pentti, E. 589 Vinay, G. 187, 195 Vincent, C. 555 Vincenz v. Beauvais 7, 8, 19, 238 Vinx, L. 194 Violante, T. M. 830, 833, 835 Violante, Tochter Peters II. v. Sizilien 83 Violante v. Arago´n 58 Viollet, L. 133 Vital du Four 446, 447, 450 Vitalis v. Draguignan 443, 444 Vive`, L. 957, 962, 967 Vladimir v. Kiev 913 Vladimir Svjatoslavicˇ 909 Vogel, B. 188 Vogtherr, T. 3 Vojsil 815, 817 Vojtı´sˇek , V. 794 Vollert, C. 616 Von den Brincken, A.-D. 3-23, 557, 561, 562, 785, 976-979 Vones, L. 41, 42 Vorel, P. 789 Vos, A. 121, 957, 958 Vossler, K. 601 Vra´tny´, K. 799 Vuillemin-Diem, G. 319, 718, 731 Wack, M. F. 600 Waddell, M. M. 356 Wadding, L. 746, 947, 957 Wagner, H. 544 Wailly, N. de 165, 241, 244-246 Wakefield, W. 148 Wald, B. 330 Waldstein-Wartenburg, B. 898 Wallace, D. 28-30, 32, 34 Wallis, F. 420-421 Walram 805 Walsh, C. 668 Walsh, P. G. 593 Walter (Gualterus) 491 Walter, H. 27 Walter, L. 332 Walter v. Brienne 89 Walter Burley 95-103 Walter v. Eschenbach 542, 777 Walter v. Gamaches 172, 173
1022
Namenregister
Walther, R. 809 Walzer, R. 732 Warning, R. 253 Warren Baron Vernon, W. 604 Wartburg, W. v. 257 Watt, J. A. 187, 188 Wasserstrom, S. M. 928 Weakland, J. 439, 442, 445, 446, 448, 450, 454, 455 Weber, A. 664 We˛clewski, Z. 785 Wedekind v. Reval 472 Weferling, S. 196 Wegener, L. 101, 105, 199-236 Wehrli-Johns, M. 204, 232, 233 Weijers, O. 277, 281, 319 Weiland, L. 776 Weinfurter, St. 183, 550, 559 Weir, A. 45, Weisheipl, J. A. 95, 103 Weiß, G. 812 Weiß, S. 422 Weiss Adamson, M. 419-435 Weitzmann, K. 666, 688 Wellesz, E.665, 667 Wels, H. 319, 370-387 Wenta, J. 563, 785 Wenzel I., König v. Böhmen 784 Wenzel II., König v. Böhmen 774-779, 791793, 799-803, 805 Wenzel III., König v. Böhmen 773, 774, 776, 784, 788, 789, 791, 798, 800-802 Werblowsky, R. Z. 284 Werner, F. 478 Wetherbee, W. 596 Wey, J. C. 111 White, J. 664, 668, 669, 671, 678, 696 White, K. 319, 327-331 Wickersheimer, E. 420, 432, 433 Wickham, L. R. 943 Wicki, N. 310-311, 342, 348, 353, 355-357 Wie, I. P. 162 Wieacker, F. 189 Wiegand, W. 463 Wieland, G. 501 Wielocks, R. 389 Wienand, A. 887, 891-893 Wiener, M. 476 Wihoda, M. 774 Wikbold, Bischof 473 Wilamowski, M. 800 Wilhelm v. Auvergne 285, 355 Wilhelm v. Beaujeu 127, 891 Wilhelm v. Conches 594, 595
Wilhelm der Eroberer 479 Wilhelm v. Giaco 153 Wilhelm Hase v. Waldeck 798 Wilhelm v. la Mare 348, 378, 379, 382 Wilhelm de Lomere 467 Wilhelm v. Moerbeke 711-713, 719, 736, 741 Wilhelm v. Nangis 18, 238 Wilhelm v. Nogaret 135, 138, 190 Wilhelm v. Ockham 100, 105, 109-112, 114, 117, 118, 121, 122, 185, 403, 404, 408, 410, 413-416 Wilhelm v. Prato 952 Wilhelm v. Rubruck 940, 943, 944, 945 Wilhelm v. Saint-Thierry 599-600 Wilhelm v. Tripolis 968 Wilke, J. 16, 17 Wilkinson, R. 666 Wilks, M. 118, 595 William Alexandri 171, 175, 180 William Alnwick 493, 496, 498, 499, 501-504, 508, 510 William of Bonkes 513 William Chanac 177 William of Chelvestun 513 William Frater 180 William of Lumbres 176, 177 William of Missali 500, 512 William Rubio 501, 507 Williams, T. 486 Willing, A. 13 Wilmart, A. 597, 598 Wilpert, P. 960 Wilson, G. A. 304, 391, 648-652, 738, 747, 748, 752 Wilson, K. M. 202 Winterfeld, L. v. 472 Wippel, J. F. 654 Wirmer, D. 7, 269, 705, 786, 789 Wirth, J. 734 Witte, F. 464 Wittek, P. 811 Władisław Łokietek 801 Woldemar v. Brandenburg 576 Wolf, A. 17 Wolfram, H. 773 Wollasch, J. 555, 575 Wolter, A. B. 115, 118, 486-490, 492, 493, 498, 499, 746, 956, 960, 967 Wood, F. 942 Wood, R. 95, 100, 404, 407, 488, 489 Woodward, D. 19 Xiberta, B.-M. 172, 299
Namenregister Ya aqobß b. Asˇer 478 Yates, F. A. 284 Yeda yah ha-Penini Bedersi 274 Yerushalmi, Y. H. 278, 475, 476 Yizø hø aq b. Yaaqobß al-Fasi 478 Yizø hø aq Pollegar 276 Yosef ha-Kohen 476 Yossef Schwartz 269-285 Ypma, E. 348 Yule, H. 950 Yuval, I. J. 270 Zachariadou, E. A. 811 Zacharias, bibl. 254 Zachova´, J. 784 Zahlten, J. 692-701, 975 Zalta, E. N. 104
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Zapf, Th. 13 Zavalloni, R. 389, 486 Zeitlin, S. 475 Zˇemlicˇka, J. 773, 774, 777-779, 789, 798 Zey, C. 43 Zeyen, R. 162 Ziegler, J. 52 Ziemann, D. 809-825 Zimara, M. A. 363 Zimmermann, A. 105, 319, 325, 326, 334, 389, 511, 512, 731 Zink, M. 241, 246 Zlatarski, V. 810 Zumkeller, A. 173, 731 Zurita, J. 43, 67 Zycha, J. 332, 845