1200 Jahre deutsche Sprache: Die Entfaltung der deutschen Sprachgestalt in ausgewählten Stücken der Bibelübersetzung vom Ausgang des 8 Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Ein Lese- und ein Arbeitsbuch [Reprint 2020 ed.] 9783111650708, 9783111267166


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German Pages 150 [152] Year 1955

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1200 Jahre deutsche Sprache: Die Entfaltung der deutschen Sprachgestalt in ausgewählten Stücken der Bibelübersetzung vom Ausgang des 8 Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Ein Lese- und ein Arbeitsbuch [Reprint 2020 ed.]
 9783111650708, 9783111267166

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Tfchirch, 1200 Jahre deutsche Sprache

1200 Jahre

deutsche Sprache Die Entfaltung der deutschen Sprachgestalt in ausgewählten Stücken der Bibelübersetzung

vom Ausgang des s. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Em Lese- und ein Arbeitsbuch Herausgegeben von

Fritz Tfchirch

Berlin

Walter d e Gruyter & C o. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung • I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl I. Trübner • Veit & Comp. 1955

Archiv-Nr. 45 61 55 Printed in Germany Copyright 1955 by Walter de Gruyter & Co., Berlin Alle Rechte des Nachdruckes, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise Vorbehalten Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck: Otto von Holten, Berlin

Inhalt Seite Einführung...............................................................................................................................................VII 1. Aufgabe und Auswahl.......................................................................................................... VII 2. Die Quellen.............................................................................................................................. IX a) Das Gerüst.......................................................................................................................... IX b) Die Füllung............................................................................................................................. XIII 3. Beispiele ......................................................................................................................................XVI 4. Helfer und Hilfen ................................................................................................................. XXI Quellenverzeichnis............................................................................................................................XXII Die Texte (in Klammern die im Apparat mitgeteilten Quellen)

...............................................

Aus dem Neuen Testament I. Die Verkündigung: Lukas 1,1—80.................................................................................. 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian (46—55; 68—79 Notker). — 4. Mentel (die übrigen Drucke derBM). — 5. Evangelienbuch. — 6. Luther 1522 (Emser). — 7. Zinzendorf. — 8. Menge.

1

2

II. Die Weihnachtsgeschichte: Lukas 2,1—20............................................................................... 24 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian. — 4. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 5. Evangelienbuch. — 6. Luther 1522 (Luther, Weih­ nachtspostille; Emser). — 7. Zinzendorf. — 8. Menge. III. Die Geschichte vom verlorenen Sohn: Lukas 15,11—32....................................................30 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian (22—24; 29—32 WienMünchener Fragmente). — 4. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 5. Evangelien­ buch (Bensheimer Fragment).—6. Luther 1522 (Emser). —7. Zinzendorf. — 8. Menge.

IV. Christus und die Samariterin: Johannes 4,5—42................................................................38 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian (17—21; 26—29 WienMünchener Fragmente). — 4. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 5. Evangelien­ buch. — 6. Luther 1522 (Emser). — 7. Zinzendorf. — 8. Menge. V. Gleichnisse vom Himmelreich: Matthäus 13,44—53 ....................................................... 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian. — 4. Monseer Frag­ mente. — 5. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 6. Evangelienbuch. — 7. Luther 1522 (Emser). — 8. Menge.

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VI. Von der königlichen Hochzeit und vom Zinsgroschen: Matthäus 22,1—22.................... 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian. — 4. 1—13 Monseer Fragmente; 9—22 Wien-Münchener Fragmente. — 5. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 6. Evangelienbuch. — 7. Luther 1522 (Emser). — 8. Menge.

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VII. Vom Ende der Welt: Matthäus 24,29—35....................................................................... 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Tatian. — 4. Monseer Frag­ mente. — 5. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 6. Evangelienbuch. — 7. Luther 1522 (Emser). — 8. Menge.

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VIII. Aus den Briefen des Paulus: a) Römer 1,1—32...................................................................................................................64 b) Epheser 1,1—23...................................................................................................................76 1. Griechisches NT. — 2. Vulgata (Vetus Latina). — 3. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 4. Gotha-Salzburger Paulinen. — 5. Luther 1522 (Emser). — 6. Zinzen­ dorf. — 7. Bahrdt. — 8. Menge. a*

Inhalt

VI

Seite Aus dem Alten Testament

IX. Erzählungen aus der Genesis

a) die Schöpfungsgeschichte: 1. Mose 1,1—31............................................................................. 86 b) der Sündenfall: 1. Mose 3,1—24..............................................................................................94 c) Isaaks Opferung: 1. Mose 22,1—13....................................................................................100 1. Vulgata (Vetus Latina). — 2. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 3. Münchener Handschrift. — 4. Luther 1523 (Dietenberger). — 5. Mendelssohn. — 6. Menge.

X. Belsazar: Daniel 5,1—30.............................................................................................................106 1. Vulgata (Vetus Latina). — 2. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 3. Claus Cranc. — 4. Wormser Propheten (Dietenberger). — 5. Luther 1534. — 6. Menge.

XI.

Aus dem Psalter a) Psalm 16 (17)........................................................................................................................... 116

1. Vulgata (Vetus Latina). — 2. Notker. — 3. Windberger Psalmen. — 4. Schleizer Fragmente. — 5. Heinrich von Mügeln. — 6. Luther 1523 (Dietenberger). — 7. Luther 1545. — 8. Menge. b) Psalm 89 (90)........................................................................................................................... 120

1. Vulgata (Vetus Latina). — 2. Notker. — 3. Windberger Psalmen. — 4. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 5. Heinrich von Mügeln. — 6. Luther 1523 (Dieten­ berger). — 7. Luther 1545. — 8. Menge. c) Psalm 124 (125).......................................................................................................................

1. Vulgata (Vetus Latina). — 2. Altalemannisch. — 3. Notker. — 4. Windberger Psalmen. — 5. Mentel (die übrigen Drucke der BM). — 6. Heinrich von Mügeln. — 7. Luther 1523 (—1545; Dietenberger). — 8. Menge.

Einführung 1. Aufgabe und Auswahl Die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen die minutiöse Betrachtung des Lautwandels

und die systematische Aufordnung des Formenbestandes als erschöpfende Behandlung der Ge­ schichte einer Sprache galt. So unerläßlich für den Sprachhistoriker die sichere Kenntnis und mühelose Beherrschung dieser Gmndlagen ist und bleibt — mit wachsender Aufmerksamkeit richtet sich sein Blick auf jene Bereiche der Sprachgestalt, die während des 19. Jahrhunderts und bis in den Beginn des unseren hinein im Schatten gelegen haben: auf den Wortschatz, die Wort­ bildung, den Satzbau, kurz: auf das Ganze des Sprachausdrucks. Nachdem ein Jahrhundert hindurch alle sprachwissenschaftliche Bemühung im wesentlichen den kleinsten Bestandteilen zu­ gewandt war, aus denen sich Sprache aufbaut, meldet der Drang nach Zusammensicht, nach Beachtung der Bedeutung, des Gehalts immer fordemder seine Rechte an, gilt unsere Arbeit immer entschlossener dem Wort als Sinnträger, dem Satz als Aussageeinheit, der Rede als geschlossenem Gefüge, mit einem Wort: der lebendigen Sprache in ihrem vollen Umfang. Wenn die Wissenschaft der Sprachgeschichte sich dieser neu in den Gesichtskreis tretenden Gebiete wirklich wissenschaftlich bemächtigen und auf ihnen zu ebenso einwandfreien wie über­ zeugenden Ergebnissen kommen will, wie sie die voraufgegangenen Generationen der Sprach­ historiker für die Laut- und die Formenlehre erzielt haben, so muß sie dafür eine gleich trag­ fähige Grundlage schaffen. Damit ist der methodische Weg für die Lösung dieser Aufgabe vor­ gezeichnet: An entsprechenden sprachlichen Inhalten muß der Wandel ihrer Ausdrucksgestalt beobachtet werden. Sammlungen deutscher Sprachdenkmäler für den gesamten Zeitraum, den die literarische Überlieferung uns übersehen läßt, wie für einzelne geschichtliche Abschnitte gibt es vielerlei,

unter ihnen manche sprachgeschichtlich orientierten — den eben bezeichneten Dienst vermögen sie, auch wenn die Absicht ihrer Verfasser darauf zielte, nicht zu tun. Regelmäßig nämlich bieten sie, selbst wenn sie motivisch oder inhaltlich verwandte oder — ein besonderer Glücksfall! — gleiche Vorwürfe zusammenstellen, in bezug auf die sprachliche Einzelgestaltung selbständige, heterogene Texte. Auf diese Weise entbehren sie eben der exakten Vergleichsgrundlage, wie sie der alten Laut- und Formenlehre in der Unzahl von Wörtem und Formen, die sie durch die Geschichte einer Sprache hindurch ununterbrochen nachweisen kann, verschwenderisch zur Ver­ fügung steht. Auf solchen scharfen Einzelvergleich aber kommt gerade alles an. Es gibt nur einen literarischen Vorwurf, der diese entscheidende Bedingung genauer Wortfür-Wort- und Sinn-für-Sinn-Entsprechung bei ausreichend dichter Bezeugung über längere geschichtliche Zeiträume hinweg erfüllt. Die Bibel ist das einzige Buch, das in allen Ländem seit ihrer Christianisierung immer erneut in die Volkssprache übertragen worden ist. Als verbum dei ist ihre Darstellung bis in den Wortlaut hinein jener Freiheit in der sprachlichen Nachgestaltung entzogen, die alle anderen literarischen Vorwürfe für eine derartige Aufgabe unbrauchbar macht. Nur bei ihr paßt man den gleichen Inhalt niemals den zu verschiedenen Zeiten veränderten Anliegen und Auffassungen der Menschen an. Durch diese Sonderstellung erhält die Bibel für die oben umrissene Zielsetzung der Sprachwissenschaft einen einzigartigen Rang, der selbst den Stoffen, die in der Weltliteratur immer wieder aufgegriffen worden sind, schlechterdings versagt ist. Die unaufhörlichen Versuche, die Bibel in das Deutsch der jeweiligen Zeit zu übertragen, bieten das dafür notwendige sprachliche Vergleichsmaterial in erwünschtem Umfange dar. An

VIII

Einführung

ihm läßt sich die geschichtliche Entfaltung der Sprachgestalt des Deutschen im großen wie im kleinen, im ganzen wie im einzelnen genau verfolgen, mag dabei das Augenmerk der forschenden Bemühung auf die herkömmlichen Gebiete des Lautstandes und der Formenlehre wie auf die neuen der Wortbildung, des Wortschatzes und der Satzfügung gerichtet sein. Die hier vorgelegte Auswahl aus der großen Zahl der Bibelverdeutschungen von den An­ fängen unserer literarischen Überlieferung bis in die Gegenwart möchte eine Arbeitsgrundlage schaffen, durch die diese neuen Aufgaben sprachwissenschaftlicher Arbeit nicht nur in ihren Mög­ lichkeiten erwogen, abgetastet und erprobt, sondern ernsthaft angepackt werden können. Um den notwendigen Einzelvergleich von Wort und Wort, Wendung und Wendung, Satz und Satz zu erleichtern, sind die Texte nach dem Beispiel der alten Polyglottenbibeln in Spalten nebenein­ andergesetzt und innerhalb der Verse für gewöhnlich in Sinnabschnitte auseinandergezogen, damit das Auge, unterstützt vielleicht von einem darunter gelegten Streifen, der die Zeile halten hilft, schnell die jeweiligen Entsprechungen zu finden vermag. Bei der Auswahl sind solche Abschnitte bevorzugt, die nach Inhalt wie Darstellung zu den wesentlichsten Stellen der Bibel als eines Buches der Weltliteratur gehören und deshalb auch die nachschaffende Phantasie der Künstler aller Zeiten immer wieder angeregt haben. Die Verkündigungs- und die Weihnachtsgeschichte wie die Erzählungen vom verlorenen Sohn aus Lukas, von Christus und der Samariterin aus Johannes wie ein paar Gleichnisse Jesu aus Matthäus und aus dem Alten Testament die Genesiserzählungen von der Schöpfung, vom Sündenfall und von Isaaks Opferung wie die Geschichte Belsazars aus dem Buch Daniel gehören dazu. Beim Vergleich dieser Stellen, in denen es sich um Wiedergabe von Geschehnissen, um epischen Bericht handelt, wird deutlich, wie nicht nur Luther, sondem auch seine Vorgänger und Nach­ folger sich dem gegebenen Text gegenüber im Alten Testament ungebundener, freier fühlen als im Neuen. Nicht nur, daß die Übersetzer für das Alte Testament in einer kürzeren Tradition

stehen — offenkundig kommt ihm überhaupt geringere Schwere zu: es gilt nicht so unmittelbar als Wort Gottes wie das Neue. Daneben mußten die sprachlich so schwierig zu fassenden gedanklichen Darlegungen des Paulus und die hymnisch-kultische Psalmendichtung vertreten sein. Mit Bedacht ist dabei dort auf den berühmten Hochgesang auf die Liebe 1. Kor. 13, hier auf den wegen seiner Nachgestal­ tung durch einen althochdeutschen Dichter besonders interessierenden Psalm 138 verzichtet worden. Für jenen bietet die Veröffentlichungsreihe des Deutschen Bibelarchivs in Hamburg „Bibel und deutsche Kultur" 4 (1934), 54—102 eine Zusammenstellung aus 66, für diesen ebenda 3 (1933), 97—138 das gleiche aus 38 Quellen (die allerdings in beiden Fällen nur bis Luther reichen). Im einzelnen ziehen die Zufälligkeiten der handschriftlichen Überlieferung einer derartigen Auswahl enge Grenzen und entheben den Herausgeber weithin der eigenen Entscheidung. Denn im Blick auf das Ziel dieses Studienbuches mußte darauf gesehen werden, daß die dar­ gebotenen Ausschnitte sich in ungefähr gleicher Streuung über die 1200 Jahre verteilen, die die literarische Überlieferung des Deutschen umspannen. Das ist freilich nur für die Evangelien,

die Psalmen und vereinzelte alttestamentliche Stellen zu erreichen; im allgemeinen setzt die literarische Bezeugung erst mit den frühen Drucken der sogenannten vorlutherschen Bibel ein. Daher genügte für die erzählenden Abschnitte aus dem Alten Testament der Paralleldruck von sechs Spalten. Für das Neue Testament und die Psalmen wurden in der Regel Stellen gewählt, die im Mittelalter so häufig überliefert sind, daß hier acht Spalten ein kontinuierliches Bild von den übersetzerischen Bemühungen während des ganzen Zeitraums geben, ohne daß, wie bei den Paulusbriefen und dem Alten Testament unvermeidlich, Spätmittelalter und Neu­ zeit bevorzugt werden müssen. Wo eine gelegentlich dichtere Überlieferung in älterer Zeit die Möglichkeit einer Auswahl bot, ist die Entscheidung im allgemeinen zugunsten schwer zu be­ schaffender oder unzugänglich gewordener Texte getroffen. Falls es eindringende Arbeit er­ forderlich machen sollte, weitere in neuen Ausgaben greifbare Übersetzungen vergleichend heran­ zuziehen, lassen eben sie sich leicht daneben legen. Grundsätzlich ist darauf gesehen, Übersetzungen

Aufgabe und Auswahl; Die Quellen

IX

zu bieten, die jeweils eine neue Stufe auf dem Anstieg unserer Sprache zu immer größerer Frei­ heit und Eigenwüchsigkeit ihrer Gestalt gegenüber dem fremden Sprachvorbild darstellen. Es kam hier also entscheidend darauf an, die selbständige Auseinandersetzung mit der Überlieferung bis hin zu ihrer Überwindung, nicht ihre Bewahrung aufzuweisen. Wie zäh trotzdem die konser­ vative Kraft der Tradition einmal Gefundenes und Geformtes festgehalten hat, davon zeugt fast jede Zeile. Dies Ringen der rückwärts gewandten bewahrenden mit den vorwärts drängen­ den verändernden Kräften will vornehmlich auch der Apparat zur Geltung kommen lassen.

2. Die Quellen a) Das Gerüst

Die vier Tragpfeiler für diese Sammlung ausgewählter Bibelstellen bilden die Vulgata als gewöhnliche Vorlage, die vorluthersche Bibel als Vertreter der Übersetzung ins Mittelhochdeutsche*), die Eindeutschung Luthers zu Beginn der Neuzeit ins Frühneuhochdeutsche und die Übersetzung Hermann Menges von 1926 in das Neuhochdeutsch unserer Tage. Der Wortlaut der Vulgata als Grundlage für fast alle Bibelübersetzungen bis auf Luther mußte mitgeteilt werden, weil nur durch den Vergleich mit ihrem Wortlaut der Grad der sprach­ lichen Abhängigkeit oder der Lösung von ihrer Wortgebung und damit die Leistung des Über­ setzers in der Verwirklichung der deutschen Sprachgestalt sicher beurteilt werden kann. Da sich ihre Geltung erst im Mittelalter durchgesetzt hat, verzeichnet der Apparat die Abweichungen der Vetus Latina, der altlateinischen Rezension. Dadurch läßt sich erkennen, wie weit Verschieden­ heiten der deutschen Texte untereinander auf verschiedener lateinischer Vorlage bemhen. Die Jtala-Ausgabe der Berliner Akademie beschränkt sich freilich auf die Evangelien, und von der neuen Bearbeitung in Beuron liegen bislang nur die ersten vier Bände des Alten Testaments bis zum Buch Ruth vor. So sieht sich der Bearbeiter in der Hauptsache noch immer an die drei stattlichen Bände des Petrus Sabatier gewiesen, die in bezug auf Vollständigkeit und Klarheit ihrer Angaben bei ihrem respektablen Alter von über 200 Jahren trotz aller ehemaligen Ver­ dienstlichkeit modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen sein können. Für die neutestamentlichen Stellen bietet der Apparat die Jtala-Rezensio Jülichers, soweit sie über bloße ortho­ graphische Varianten hinausgeht; unberücksichtigt sind die mannigfachen Abweichungen der altlateinischen Handschriften untereinander geblieben, da sie für gewöhnlich zum Text der Vul­ gata stimmen oder zwischen diesen beiden Haupttexten liegen. Für alle übrigen Stellen begnügt sich der Apparat damit, aus Sabatier lediglich diejenigen Abweichungen der versio antiqua vom Vulgatatext zu verzeichnen, die zur Textgestaltung einer oder mehrerer der mitgeteilten deutschen Übersetzungen stimmen. Ein Vergleich des Textes der Vetus Latina in Jülichers Jtala-Ausgabe mit den Angaben des Apparats bei Sabatier zeigt nämlich, daß die altlateinische Version aus Sabatiers Angaben nicht aufgebaut werden kann. Daß solche Übereinstimmung bei den Ein­ deutschungen seit Luther zumal in den alttestamentlichen Abschnitten häufig begegnet, beruht natürlich auf indirektem Zusammenhang: die altlateinische Rezension steht dem ursprünglichen griechischen bzw. hebräischen Text allenthalben näher als die Vulgata. Im übrigen läßt der Einzelvergleich nur zu deutlich erkennen, daß den frühesten Übersetzungen oft nicht unbeträcht­ lich von diesen beiden Fassungen abstehende Textrevisionen zugrunde liegen. Weil die Spezial­ forschung in der Aufhellung dieser'Zusammenhänge das meiste erst zu leisten hat, ist hier auf weitere Angaben, die notwendig unsicher bleiben mußten, verzichtet.

Darüber hinaus bieten die Auswahltexte aus dem Neuen Testament in der ersten Spalte den Wortlaut der griechischen Bibel als der Grundlage für alle deutschen Übersetzungen seit Luther. Damit ist die MöglichkeitJür eine unmittelbare Stellungnahme zu der neuerdings auf­ geworfenen Streitfrage gegeben, ob der Reformator für seine Verdeutschung wirklich vom *) Außer aus Raumgründen für Psalm 16 (17).

X

Einführung

griechischen Original ausgegangen ist1). Entsprechend hätte zu den alttestamentlichen Stellen der hebräische Text gehört, zumal er insbesondere bei den Psalmen vielfach erheblich vom Wortlaut der Vulgata abweicht. Da aber selbst die Theologen für das exakte Verständnis der hebräischen Grundlage weithin die Kommentare zu den einzelnen Büchern des Alten Testaments zu Rate ziehen müssen, eine moderne Wort-für-Wort-Übersetzung, an die man hätte denken können, prekär bleibt, ist, schon aus Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden Raum, von seiner Mitteilung Abstand genommen worden. Für jede inhaltliche Abweichung müssen jene Kommen­ tare, die mit ihren subtilen Erläuterungen und Angaben alles Erforderliche bieten, sowieso nachgeschlagen werden.

Die Spalte für die vorluthersche deutsche Bibel des Mittelalters (BM) gibt den Wortlaut des ältesten Drucks, den Johann Mentel(in) 14662) in Straßburg herausgebracht hat, nach der Kurrelmeyerschen Ausgabe, doch mehrfach in selbständiger Entscheidung gegen deren Text­ gestalt. Der Vergleich mit zeitlich benachbarten Übersetzungen läßt eindrucksvoll deutlich werden, daß Mentel eine Handschrift mit einem mindestens anderthalb Jahrhunderte älteren Sprach­ stand abgedruckt hat (darum ist das trügerische Druckjahr hier eingeklammert). Sein Druck ver­ tritt in Wirklichkeit die erste vollständige Übersetzung der Bibel ins Deutsche, die wir besitzen, und spiegelt Sprachgestalt und llbersetzungstechnik in mittelhochdeutscher Zeit auf der Schwelle vom Hoch- zum Spätmittelalter wider; deshalb mußte er vor jenen handschriftlichen Zeugen aus der Geschichte der deutschen Bibelübersetzung angeordnet werden, die in ihrem Habitus unverkennbar über diese archaische Druckgestalt hinausgeschritten sind.

Der Apparat verzeichnet, wiederum nach Kurrelmeyer, die Abweichungen der auf Mentel fußenden späteren 13 Bibeldrucke, soweit sie nicht orthographische Varianten oder offenkundige Druckfehler darstellen. Nur die — wenigen — Besonderheiten der um 1477 bei Johann Sensenschmidt in Nürnberg erschienenen, früher sogenannten Schweizerbibel (Kurrelmeyers Sigle A) sind unberücksichtigt geblieben. Für den Zielpunkt dieses Arbeitsbuches aber erweist sich Kurrel­ meyers Verfahren, die einzelnen Drucke durch Buchstaben zu kennzeichnen, als ungeschickt. Wenn der Benutzer aus ihnen die Entfaltung der deutschen Sprachgestalt ablesen soll, so muß er auf den ersten Blick ihre zeitliche Folge erkennen können; denn die Änderungen, die besonders gründlich die Verleger Günther Zainer 1475, Anton Koburger 1483 und, abgeschwächt, Hans Otmar 1507 in ihren Ausgaben durchgreifend und systematisch vorgenommen haben, stellen nichts anderes als immer weitergehende sprachliche Modernisierungen des veralteten Textes dar. Deshalb habe ich nach dem Vorbild der Bibelbände in der Weimarer Lutherausgabe (WA, Die deutsche Bibel, Bd. 6ff.) an Stelle von Kurrelmeyers Siglen die Zahl des (vermutlichen) Druckjahres unter Fortlassung der Jahrhundertbezeichnung angegeben3). Wie in der WA besagt *) Vgl. Hermann Dibbelt: Hatte Luthers Verdeutschung des Neuen Testaments den griechischen Text zur Grundlage? Archiv für Reformationsgeschichte 38 (1941), 300—330; dazu Heinrich Bornkamm: Die Vorlagen zu Luthers Übersetzung des Neuen Testaments; Theologische Literaturzeitung 72 (1947), 23—26. 2) Die neuerdings üblich werdende Ansetzung des Menteldrucks aus 1461 geht auf Karl Schorbach: Der Straßburger Frühdrucker Johann Mentelin, Mainz 1932, S. 176 und *3 zurück. Er fußt dabei auf Otto Günther: Die Wiegendrucke der Leipziger Sammlungen, Leipzig 1909, S. IX. Ferdinand Eichler hat in seiner Notiz: Wann wurde Mentelins deutsche Bibel gedruckt? im Gutenberg-Jahrbuch 1935, S. 67 sorgfältig nachgewiesen, daß Günther mit dieser Datierung einem Lesefehler zum Opfer gefallen ist, der dadurch, daß Schorbach ihn ungeprüft übernommen hat, sich jetzt erst verhängnisvoll auszuwirken droht. Dabei ergibt sich aus den Tafeln bei Schorbach im Anhang mit aller wünschenswerten Eindeutig­ keit,'daß in der Jahresangabe 1467 des Rubrikatorenvermerks die deutlich dastehende 7 in 1 verlesen worden ist. Unabhängig von Eichler hat das gleiche auch Kurt Ohly in seiner Besprechung Schorbachs in den Bei­ trägen zur Jnkunabelkunde, Neue Folge 1 (1935), 118 festgestellt. Es verbleibt also bei der alten Datierung Wilhelm Walthers. 3) Es entsprechen also Kurrelmeyers Siglen folgende Jahresbezeichnungen: M (Johann Mentelin, Straßburg, um 14)66, E (Heinrich Eggensteyn, Straßburg, um 14)70, P (Jodocus Pflanzmann, Augsburg, um 14)73,

Die Quellen

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