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German Pages 384 Year 1992
Stefan Kadelbach
• Zwingendes Völkerrecht
Schriften zum Völkerrecht Band 101
Zwingendes Völkerrecht
Von Stefan Kadelbach
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Kadelbach, Stefan: Zwingendes Völkerrecht / von Stefan Kadelbach. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Völkerrecht ; Bd. 101) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07552-8 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-07552-8
„Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhandgenommenen (engeren oder weiteren) Gemeinschaft so weit gekommen ist, daß die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Kodex, sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt, und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der kontinuierlichen Annäherung zu befinden, nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf." Kant „Un jour, le droit sera le souverain du monde." Mirabeau
Vorwort Die Anregung, Theorie und Anwendungsfelder des völkerrechtlichen ius cogens in einer Dissertation zu untersuchen, geht auf den Betreuer und Erstgutachter dieser Arbeit, Herrn Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Professor Dr. Manfred Zuleeg zurück, dem ich hierfür und für die Freiheit, die er mir in der Ausarbeitung gelassen hat, meinen Dank aussprechen möchte. Ebenso wie ihm schulde ich auch dem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Michael Bothe, sowie Herrn Privatdozenten Dr. Hans-Joachim Schütz, Kiel, Dank für kritische Anmerkungen. Ferner bin ich meinem Kollegen am Frankfurter Institut für öffentliches Recht, Herrn Assessor Christian Schmidt, für die Übersetzung slawischsprachiger Fachliteratur verpflichtet. Frau Ingrid Wolf sei für zuverlässige Schreibarbeit gedankt. Dem Auswärtigen Amt danke ich für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Schließlich möchte ich noch der Studienstiftung des deutschen Volkes und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für finanzielle und immaterielle Unterstützung meinen Dank abstatten.
Frankfurt am Main, im Mai 1992
S. K.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
23
1. Kapitel: Der Begriff „Zwingendes Völkerrecht"
26
1. Abgrenzung von anderen hierarchischen Normstrukturen 1. Hierarchie der Rechtsquellen? 2. Vertragliche Derogationsverbote 3. „Weltverfassungsrecht" 4. Internationaler ordre public und Statusverträge 5. Verträge zu Lasten Dritter 6. Normen mit Wirkung erga omnes 7. Ergebnis
26 26 27 29 30 31 32 33
II. Zur Terminologie
34
2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der International Law Commission und nach der Wiener Vertragsrechtskonvention
36
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention 1. Kodifikationsprojekte auf Expertenebene 2. Die Wiener Konferenz 3. Zwischenbewertung
36 36 41 46
II. Der Kodifikationsentwurf zum Recht der Staatenverantwortung 1. Intertemporale Anwendung 2. Staatsverbrechen 3. Rechtfertigungsgründe a) Einwilligung b) Repressalie c) Selbstverteidigung d) Notstand 4. Ersatzpflicht 5. Zwischenbewertung
50 50 52 58 58 59 61 61 62 63
III. Der Draft Code of Offences Against the Peace and Security of Mankind
65
IV. Zusammenfassung
67
3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
69
I. Internationale Konventionen 1. Die Charta der Vereinten Nationen
69 69
Inhaltsverzeichnis
10
2. Konventionen zum humanitären Völkerrecht 3. Menschenrechte a) Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes b) Konventionen gegen Sklaverei und Sklavenhandel c) Konventionen gegen die Folter d) Konventionen gegen Rassendiskriminierung und Apartheid e) Allgemeine Konventionen zum Schutze der Menschenrechte 4. Seerecht 5. Zwischenergebnis
70 72 72 72 73 74 74 75 76
II. Gewohnheitsrecht 1. Nichtige Verträge a) Verträge aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg b) Verträge aus der Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges aa) Völkerbundspraxis bb)Das Münchener Abkommen cc) Der „Hitler-Stalin-Pakt" dd) Vertragsbeziehungen zwischen Italien und Albanien ee) Die deutschen Allianzverträge mit Italien und Japan ff) Zwischenergebnis c) Praxis der Vereinten Nationen aa) Britische Präsenz in Ägypten bb)Frankreichs Protektorate über Tunesien und Marokko cc) Der Garantievertrag über Zypern dd)Das Abkommen über den Status der westlichen Sahara ee) Die Vereinbarungen von Camp David d) Freundschaftsverträge der Sowjetunion mit dem Iran und Afghanistan e) Zwischenbewertung 2. Einseitige Verstöße gegen ius cogens und Staatsverbrechen a) Völkerbundsepoche b) UNO-Epoche aa) Praxis zum völkerrechtlichen Gewaltverbot bb) Praxis zu anderen Rechtsnormen c) Ergebnis
77 77 77 78 78 79 81 82 83 84 84 84 85 85 87 88 90 91 92 92 94 95 99 100
III. Allgemeine Rechtsgrundsätze 1. Grundsätze der nationalen Rechtsordnungen 2. Allgemeine Grundsätze des Völkerrechts 3. Zwischenergebnis
102 102 105 108
^Gerichtsentscheidungen 1. Rechtsprechung bis 1945 2. Rechtsprechung seit 1945 a) Kriegsfolgen b) Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes c) Menschenrechte 3. Zwischenergebnis
109 109 113 113 114 120 123
V. Rechtslehre
124
Inhaltsverzeichnis
VI. Zusammenfassung
127
4. Kapitel: Theorie des ius cogens
130
I. Naturrecht 1. Klassische Systeme 2. Moderne Lehren
130 130 136
II. Positivistische Theorien 1. Voluntarismus 2. Normativismus 3. Realismus 4. Analytischer Positivismus
138 138 140 142 145
III. Sozialwissenschaftlich beeinflußte Ansätze 1. Anthropozentrische Modelle 2. Politologische Perspektive 3. New Haven Approach 4. Sozialistische Rechtslehre 5. Grenzen außeijuristischer Theorien
147 147 151 155 157 159
IV. Versuch eines diskurstheoretischen Ansatzes 1. Das Dilemma der Völkerrechtstheorien 2. Juristische Argumentation im Völkerrecht 3. Bedingungen des Diskurses a) Regeln idealer Diskurse und die Völkerrechtsordnung b) Sekundäre Normen c) Primäre Normen
160 160 162 163 163 165 167
V. Ergebnis
174
5. Kapitel: Sekundäre Normen zum ius cogens
176
I. Kriterien zwingender Normen 1. Der Grad der Zustimmung 2. Pflicht erga omnes 3. Derogationsverbot 4. Erschwerte Ersetzbarkeit 5. Obligatorische Streitschlichtung?
176 177 178 178 179 180
II. Quellen des ius cogens 1. Ius cogens als Quelle sui generis? 2. Vertrag und Gewohnheitsrecht a) Vertragsrecht b) Gewohnheitsrecht c) Vertrag und Gewohnheitsrecht 3. Ius cogens in allgemeinen Rechtsgrundsätzen 4. Rechtsakte internationaler Organisationen 5. Einseitige Eklärungen 6. Rechtsprechung und Lehre 7. Zwischenergebnis
182 183 184 184 185 186 187 188 188 189 189
12
Inhaltsverzeichnis
III. Entstehung zwingenden Rechts im einzelnen 1. Vertragsrecht 2. Gewohnheitsrecht a) Die Geltung der Regel als Rechtsnorm aa) Übung bb) Rechtsüberzeugung cc) Widerspruch b) Die Regel als Norm des ius cogens aa) Übung bb) Rechtsüberzeugung 3. Allgemeine Rechtsgrundsätze 4. Rechtsakte internationaler Organisationen 5. Rechtsprechung und Lehre 6. Zwischenergebnis
189 190 191 192 193 193 194 195 195 200 200 201 202 202
IV. Regionales, partiluläres und konventionales ius cogens
203
V. Konkurrenzen zwischen verschiedenen Normen zwingenden Rechts
205
VI. Die Änderung zwingenden Rechts
206
VllZusammenfassung
208
6. Kapitel: Inhalte zwingender Normen
210
A. Rechte der Staaten
210
I. Recht auf Existenz 1. Das Existenzrecht als Abwehrrecht 2. Zwingender Gehalt a) Recht auf Selbsterhaltung b) Recht auf Selbstverteidigung c) Schutzrichtung des Existenzrechts
212 212 213 213 214 215
II. Souveränität und staatliche Identität 1. Rechtliche Grundlagen 2. Zwingender Gehalt a) Verbot des Handelns zu Lasten Dritter b) Erhaltung der Funktionsfahigkeit eines Staates c) Selbstbestimmtheit aa) Souveränität über Naturreichtümer bb) Staatsidentität 3. Zwischenergebnis
216 216 217 217 218 219 219 221 223
Ol. Rechtliche Gleichheit der Staaten
224
IV. Gewaltverbot 1. Das Gewaltverbot als Norm des Völkergewohnheitsrechts 2. Konkretisierung des völkerrechtlichen Gewaltbegriffis 3. Der zwingende Gehalt des völkerrechtlichen Gewaltverbotes 4. Rechtsfolgen a) Intervention auf Einladung ad hoc und aufgrund vertraglicher Einwilligung aa) Eingrenzung der zulässigen Vertragsinhalte
226 228 229 234 236 236 236
Inhaltsverzeichnis
bb) Beispielsfalle b) Weitere Rechtsfolgen aa) Recht der Staatenverantwortung bb) Entstehung von Staaten cc) Staatensukzession 5. Aus dem Gewaltverbot ableitbare zwingende Pflichten a) Konfliktprävention b) Konfliktbegrenzung c) Neutralität V. Freiheitsrechte
238 244 244 245 246 246 246 247 250 251
VI. Teilhaberechte
253
VII. Zwischenergebnisse
255
B. Gruppenrechte
256
I. Gruppen als Rechtsträger
256
II. Selbstbestimmungsrecht der Völker 1. Ideeller Hintergrund 2. Positivrechtliche Grundlagen 3. Normativer Gehalt a) Träger b) Inhalt 4. Zwingender Gehalt 5. Rechtsfolgen a) Verträge b) Haftung c) Territorialfragen d) Kriegsrecht 6. Zwischenergebnis
257 257 258 260 260 263 264 271 271 272 272 273 273
III. Verbot des Völkermordes 1. Schutzrichtung 2. Das Völkermordverbot als Norm des positiven Rechts 3. Inhalt 4. Das Völkermordverbot als zwingende Norm
274 274 274 275 275
IV. Verbot von Diskriminierungen 1. Rechtsträger 2. Normqualität des Verbotes 3. Inhalt 4. Zwingender Gehalt 5. Rechtsfolgen
277 277 278 280 281 282
V. Andere Gruppenrechte
283
VI. Zwischenergebnisse
284
C. Schutz des Einzelnen
284
I. Schutz der Existenz
286
14
Inhaltsverzeichnis
1. Recht auf Leben a) Gewohnheitsrechtliche Geltung b) Inhalt c) Zwingender Gehalt 2. Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung a) Gewohnheitsrechtliche Geltung b) Inhalt c) Zwingendes Recht 3. Rechtsfolgen
286 286 287 290 291 291 292 293 294
II. Schutz der Freiheit 1. Verbot der Sklaverei, des Menschenhandels und der Zwangsarbeit a) Sklaverei und Sklavenhandel b) Menschenhandel c) Zwangsarbeit 2. Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug a) Freiheit vor willkürlicher und überlanger Inhaftierung b) Die Grundsätze „nulla poena sine lege", „ne bis in idem", der persönlichen Vorwerfbarkeit und der Unschuldsvermutung c) Prozessuale Rechte d) Strafvollzug e) Exil 3. Andere Freiheitsrechte und Teilhaberechte
295 296 296 297 298 299 299
III. Gleichheit
305
IV. Schutz vor Straftaten 1. Völkerrechtliches Strafrecht und ius cogens 2. Einzelne Straftatbestände a) Piraterie b) Terrorismus aa) Eingriffe in den internationalen Flug- und Schiffahrtsverkehr bb)Angriffe gegen international geschützte Personen cc) Geiselnahme c) Söldnertum d) Drogenhandel
306 306 307 307 308 308 310 312 313 314
V. Zwischenergebnisse
315
D. Umweltrecht
315
I. Universelle Normen des Umweltrechts
316
n. Zwingende Normen des Umweltrechts?
318
E. Zusammenfassung und Ansätze für die weitere Entwicklung
320
7. Kapitel: Rechtsfolgen zwingender Normen
324
I. Recht der Verträge 1. Nichtigkeit 2. Rückwirkung
324 324 328
301 303 304 304 305
Inhaltsverzeichnis
3. Beschränkungen des Gegenseitigkeitsprinzips 4. Konfliktlösung a) Das Verfahren nach der WVRK b) Streitschlichtung außerhalb der WVRK c) Folgenbeseitigung
329 330 330 333 334
n. Einseitige Akte 1. Nichtigkeit 2. Rückwirkung 3. Beschränkungen des Gegenseitigkeitsprinzips 4. Konfliktlösung
335 335 336 336 337
III. Völkerrechtliches ius cogens und innerstaatliches Recht 1. Direktgeltung zwingenden Völkerrechts im internen Recht 2. Konsequenzen für das deutsche Verfassungsrecht
339 339 340
Ergebnisse
342
Verzeichnis der häufiger zitierten Judikate
345
Literaturverzeichnis
347
Abkürzungs- und Fundstellenverzeichnis ABGB ABl. EG ABl. KR ABl. KR Erg. Acta Univ. Car. Jur. ADAP AdG AfCRMV A.F.D.I. AIDI AJIL AHLADI ALI AmMRK Ann. de '1 AAA Annual Digest ARSP ASIL Proc. Austr. Yb. Int'l L. AVR BayObLG Ber. Slg. BDGVR BFH BFSP BG BGBl. BGE Bol. Méx. de Derecho Comp. Boston Coll. Int'l & Comp. L. Rev. BReg BSSR BStBl. Bull. EG BVerfGE BVerwG BYIL
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Acta Universitatis Carolinae - lurid i ca Akten zur deutschen auswärtigen Politik Archiv der Gegenwart Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker v. 27. 6. 1981, OAU Doc.CAB/LEG/67/3/Rev.5, abgedr. in ILM 21 (1982), 59 Annuaire français de droit international Annuaire de V Institut de Droit International American Journal of International Law Anuario hispano-luso-americano de derecho internacional The American Law Institute Amerikanische Konvention der Menschenrechte v. 22. 11. 1969, OASTS No. 36, S. 1, abdedr. in ELM 9 (1970), 673 Annuaire de l'Association des Auditeurs et Anciens Auditeurs de l'Académie de Droit International da La Haye Annual Digest of Public International Law Cases Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Proceedings of the Annual Meetings of the American Society of International Law The Australian Year Book of International Law Archiv des Völkerrechts Bayerisches Oberstes Landesgericht (schweiz.) Bereinigte Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848-1947 Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesfinanzhof British and Foreign State Papers (schweiz.) Bundesgericht Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Boletín Mexicano de Derecho Comparado Comparado Boston College International and Comparative Law Review Bundesregierung Belorussische Sozialistische Sowjetrepublik Bundessteuerblatt Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts The British Year Book of International Law
Abkzungs- und Fundstellenverzeichnis
Can. Yb. Int'l L. cc CIJ-Mémoires Cir. Civ. Cattol. Cmd. Coli, de la Soc. Française de Droit Int'l Colum. J. Transn'l L. Comm. Conn. J. Int'l L. Cornell Int'l L. J. CPJI-Rec. C&S Q. Curr. Leg. Probs. D DA DAP D.C. Cir. Denv. J. Int'l L. & Pol. Diritto Int'l diss. opn. Doc. Dpt. St. Dpt. St. Bull. Dpt. St Publ. DuR EA ECOSOC ECOSOC OR EJDL / JEDI EMRK EPIL
ETS EuGH EuGMR EuGRZ Eu. Komm. MR EWGV F 2d FAZ Fdst. Fordham Int'l L. J. 2 Kadelbach
The Canadian Yearbook of Internatonal Law Code civil, Codice civile, Código civil Cour Internationale de Justice. Mémoires, plaidoiries et documents Circuit La Civiltà Cattolica United Kingdom, Command Papers Societé française de droit international, Colloque Columbia Journal of Transnational Law Commentary Connecticut Journal of International Law Cornell International Law Journal Publications de la Cour Permanente de Justice Internationale. Recueil des arrêts Comunicazioni e studi Court Current Legal Problems Digesta (Corpus iuris civilis, vol I, hrsgg. v. Mommsen, Theodor / Krüger, Paul, 16. Aufl. Berlin 1954) Deutschland-Archiv Deutsche Außenpolitik United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit Denver Journal of International Law and Policy Diritto internazionale Dissenting opinion Document Department of State Department of State Bulletin Department of State Publications Demokratie und Recht Europa-Archiv (U.N.) Economic and Social Council (U.N.) Economic and Social Council, Official Records European Journal of International Law / Journal européen de droit international Konvention zum Schutze der Menshenrechte und Grundfreiheiten v. 4. 11. 1950, UNTS 213, 221; BGBl. 1952 U, 686 Bernhardt, Rudolf (Hrsg.): Encyclopedia of Public International Law. Published under the auspices of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, 12 "Instalments", Amsterdam u.a.O., 1981 ff. European Treaty Series Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Kommission für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft v. 25. 3. 1957, UNTS 298, 11; BGBl. 1957 H, 753 Federal Reporter, Second Series. Cases argued and determined in the United Stats Courts of Appeals and Temporary Emergency Court of Appeals Frankfurter Allgemeine Zeitung Fundstelle Fordham International Law Journal
18
Abkzungs- und Fundstellenverzeichnis
FR F Supp.
Frankfurter Rundschau Federal Supplement. Cases argued and Determined in the United States District Courts u.a. Friedens-Warte I. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde v. 12. 8. 1949, UNTS 75, 31; BGBl. 1954 n, 783 II. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See v. 12. 8. 1949, UNTS 75, 85; BGBl. 1954 II, 813 III. Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen v. 12. 8. 1949, UNTS 75, 135; BGB1. 1954 II, 838 IV. Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten v. 12. 8. 1949, UNTS 75, 287; BGBl. 1954 II, 917 Gutachten Georgia Journal of International and Comparative Law Resolution of the United Nations General Assembly General Agreement on Tariffs and Trade v. 30. 10. 1947, UNTS 55, 142; BGBl. 1951 II, 173 Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik German Yearbook of International Law Hackworth, Green Haywood (Hrsg.): Digest of International Law, 8 Bdd., Washington D.C. 1940-44 Harvard International Law Journal Harvard Law Review
FW GA I GA II GA III GA IV Ga. Ga. J. Int'l & Comp. L. GA Res. GATT GBl. DDR GYIL Hackworth, Digest Harv. Int'l L. J. Harv. L. Rev. Hastings Int'l & Comp. L. Rev. Hitotsubashi J. L. & PoliL HLKO
HMSO Hum. Rts. L. J. HUR HuV ICJ Pleadings ICJ Rep. ICLQ IDI IGH IGH-St IJIL ILA ILC ILM ILO ILR IMO Ind. L. J. ind. opn.
Hastings International and Comparative Law Review Hitotsubashi Journal of Law & Politics Convention concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre v. 18. 10. 1907, Martens NRGT, sér. 3, tom. 3, S. 461 = IV. Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, RGBl. 1910, 107 (sog. Haager Landkriegsordnung). Her Majesty's Stationary Office Human Rights Law Journal Handwörterbuch des Umweltrechts, hrsgg. v. Kimminich, Otto, 2 Bdd. Berlin 1986-88 Humanitäres Völkerrecht International Court of Justice. Pleadings, Oral Arguments, Documents International Court of Justice. Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders International and Comparative Law Quaterly Institut de Droit International Internationaler Gerichtshof Statut des Internationalen Gerichtshofes v. 26. 6. 1945, UNCIO XV, 355; BGBl. 1973 II, 505 Indian Journal of International Law The International Law Association International Law Commission International Legal Materials International Labour Organization International Law Reports International Maritime Organization Indiana Law Journal Individual opinion
Abkürzungs- und Fundstellenverzeichnis
Int-Am. Comm'n Hum Rts. Int-Am. Ct Hum. Rts. Int'l Recht & Diplom. 10 Iowa L. Rev. IPBPR IPWS KR ISQ Isr. Y.B. Hum. Rts. Ital. Y.B. Int'l L. JA Jap. Ann. of Int'l L. J.D.L J. Hist. Id. JKAWn J. Legal Educ. J.O. J. Palest. Stud. J. Phil. JW JWP JWTL Keesing's CA Konv. von Montevideo Lagonissi Papers
Liecht. GBl. L. Q. J. Ind. L. I. Martens NRGT Mich. L. Rev. Moore, Digest mtg. Nat Res. J. Ned. Jur. New. Engl. L. Rev. NILR NJ NJW Nord. J. Int'l L. NTIR NYIL NZWehrR OAS OASC OASTS 2*
19
Inter-American Commission of Human Rights Inter-American Court of Human Rights Internatonales Recht und Diplomatie International Organization Iowa Law Review Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte v. 19. 12. 1966, UNTS 999, 171; BGBl. 1973 II, 1534 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte v. 19. 12. 1966, UNTS 993, 3; BGBl. 1973 II, 1570 International Studies Quaterly Israel Yearbook on Human Rights Italian Yearbook of International Law Juristische Arbeitsblätter Japanese Annual of International Law Journal du droit international (Clunet) Journal of the History of Ideas Jahrbuch der Konsularakademie zu Wien Journal of Legal Education Journal officiel de la République française. Journal of Palestine Studies The Journal of Philosophy Juristische Wochenschrift Journal of World Politics Journal of World Trade Law Keesing's Contemporary Archives Convention on the Rights and Duties of States adopted by the Seventh International Conference of American States v. 26. 12. 1933, SdNRT 165, 19. Carnegie Endowment for International Peace (European Centre) (Hrsg.): Conference on International Law, Lagonissi (Greece) April 3-8, 1966, Papers and Proceedings, II: The Concept of Jus Cogens in International Law, Genf 1967 Liechtensteinisches Gesetzblatt Law Quaterly. Journal of the Indian Law Institute Martens, Nouveau recueil général des traités Michigan Law Review Moore, John Bassett (Hrsg.): A Digest of International Law, 8 Bdd., Washington D.C. 1906 Meeting Natural Resources Journal Nederlandse Jurisprudence New England Law Review Netherlands International Law Rview Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nordic Journal of International Law Nederlands Tijdschrift voor internationaal Recht Netherlands Yearbook of International Law Neue Zeitschrift für Wehrrecht Organization of American States Charter of the Organization of American States, v. 30. 4. 1948, UNTS 119, 3 Organization of American States Treaty Series
20
Abkzungs- und Fundstellenverzeichnis
OAU OAUC
Organization of African Unity Charter of the Organization of African Unity v. 25. 5. 1963, UNTS 479, 39 Schweizerisches Obligationsrecht Organization of Eastern Caribbean States Österreichische Zeitschrift für Aussenpolitik Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht (und Völkerrecht) Ohio Northern University Law Review Osteuropa Osteuropa-Recht Philippine Law Journal Philosophisches Jahrbuch der Görrcs-Gesellschaft The Polish Yearbook of International Law Pravnik. Teoreticky Casopis pro Otázky Státu a Práva Revue beige de droit international Recueil des cours. Académie de Droit International. Collected Courses of the Hague Academy of International Law Revue de droit international (La Pradelle) Revue de droit international et de législation comparée Recueil Sirey. Recueil général des lois et des arrêts Revista española de Derecho internacional Kiss, Alexandre-Charles (Hrsg.): Repertoire de la pratique française en matière de droit international public, Paris 1962 ff. Resolution
OblR OECS Österr. Z. f. Aussenpol. ÖZöR(VR) Ohio N. U. L. Rev. Osteur. Osteur.-Recht Philippine L. J. PhilJb Polish Y.B. Int'l L. Pravnik R.B.D.I. RdC R.D.I. R.D.I.L.C. Ree. Sirey R.E.D.I. Repertoire Res. Rev. Algér. des Sei. Jur., Econ. et Pol. Rev. da Fac. de Direito Univ. Sao Paulo Rev. de la Acad. Colombiana de Jurispr. Rev. Egypt de Droit Int'l Rev. Roum. d'Et. Int'l Rev. Uruguaya de Derecho Int'l RFSR RGBl. R.G.D.I.P. RGZ RIAA R.I.D.P. Riv. di Diritto Int'l RIW ROW RTh S. Cal. L. Rev. schweiz. Schweiz. Jb. Int'l R. SC Res. SdN Doc. SdN J.O. SdNRT SEMP sep. opn.
Revue algérienne des sciences juridiques, économiques et politiques Revista da Facultade de Direito. Universitade de Sao Paulo Revista de la Academia Colombiana de Jurisprudencia Revue égyptienne de droit international Revue roumaine d'études internationales Revista uruguaya de derecho internacional Russische Föderative Sozialistische Sowjetrepublik Reichsgesetzblatt Revue générale de droit international public Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reports of International Arbitral Awards Revue internationale de droit pénal Rivista di diritto internazionale Recht der Internationalen Wirtschaft Betriebs-Berater International Recht in Ost und West Rechtstheorie Southern California Law Review schweizerisch Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Resolution of the United Nations Security Council Société des Nations, Document Société des Nations, Journal officiel Société des Nations, Recueil des traités Sovetskij eiegodnik meidunarodnogo prava Separate opinion
Abkzungs- und Fundstellenverzeichnis
SJZ Slg. SRK Staat Stat St. & Doc. Hist. Jur. StIGH StR Supp. Temis Tex. Int'l L. J. Tex. L. Rev. TIAS Touro L. Rev. U. Cin. L. Rev. UEMR UNC UNCIO U.N. CLOT OR I U.N. CLOT OR II U.N. CLOT OR in
U.N. Doc. UNESCO U.N. GAOR U.N. SCOR UNTS U. Pa. L. Rev. U.S. U.S. Digest U. Tol. L. Rev. Va. J. Int'l L. Vand. J. Transn'l L. VBS VB&VR Vertrag • v. Lausanne - v. Neuilly - v. Sèvres
Süddeutsche Juristenzeitung Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes (der Europäischen Gemeinschaften) Convention on the Law of the Sea (Seerechtskonvention) v. 10. 12. 1982, UN Doc. A Contf62/122 u. Corr. 1-11 Der Staat Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte United States Statutes Studia et documenta historiae et iuris Ständiger Internationaler Gerichtshof Staat und Recht Supplement Temis. Revista de ciencia y técnica jurídicas Texas International Law Journal Texas Law Review United States Treaties and Other International Agreements Touro Law Review University of Cincinnati Law Review Universelle Erklärung der Menschenrechte v. 10. 12. 1948, U.N. GA Res. 217 A (III), UN Doc. A/810, S. 71 Charta der Vereinten Nationen v. 26. 6. 1945, UNCIO XV, 335; BGBl. 1973 II, 430 Documents of the United Nations Conference on International Organization, San Francisco 1945, 22 Bdd., London - New York 1945 United Nations Conference on the Law of Treaties, First Session, Vienna, 26 March - 24 May 1968, Official Records, U.N. Doc. A/Conf.39/11. United Nations Conference on the Law of Treaties, Second Session, Vienna, 9 April - 22 May 1969, Official Records, U.N. Doc. A/Conf.39/ll/Add.l. United Nations Conference on the Law of Treaties, First and Second Sessions, Vienna, 26 March - 24 May 1968 and 9 April - 22 May 1969, Official Records, Documents of the Conference, U.N. Doc. A/Conf.39/ll/Add.2. United Nations Document United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations General Assembly, Official Records United Nations Security Council, Official Records United Nations Treaty Series University of Pennsylvania Law Review United States Supreme Court Reports Digest of United States Practice in International Law The University of Toledo Law Review Virginia Journal of International Law Vanderbilt Jounal of Transnational Law Satzung des Völkerbundes v. 28. 6. 1919, Martens NRGT, sér. 3, tom. XI, S. 331; RGBl. 1919, 717 Völkerbund und Völkerrecht Traité de paix, signé à Lausanne le 24 juillet 1923, Martens NRGT, sér. 3, tom. Xm, S. 342 (Türkei) Traité de paix, signé à Neuilly-sur-Seine, le 27 novembre 1919, Martens NRGT, sér. 3, tom. XH, S. 323 (Bulgarien) Traité de paix, signé à Sèvres, le 10 aoút 1920, Martens NRGT, sér. 3, tom. XII, S. 664 (Türkei)
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Abkiiizungs- und Fundstellenverzeichnis
- v. St-Germain-en-Laye
Traité de paix, signé à Saint-Germain-en-Laye, le 10 septembre 1919, Martens NRGT, sér. 3, tom. XI, S. 691 (Österreich) Traité de paix, signé à Trianon, le 4 juin 1920, Martens NRGT, sér. 3, tom. XII, S. 423 (Ungarn) Traité de paix, signé à Versailles, le 28 juin 1919, Martens NRGT, sér. 3, tom. XI, S. 323; RGBl. 1919, 717 Victoria University of Wellington Law Review Washington Law Review Whiteman, Maijorie M.: Digest of International Law, Washington D.C. 1963 ff. William and Mary Law Review Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18. 4. 1961, UNTS 500, 95; BGBl. 1964 II, 958 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24. 4. 1963, UNTS 596, 261; BGBl. 1969 II, 1585 Strupp, Karl / Schlochauer, Hans-Jürgen (Hrsg.): Wörterbuch des Völkerrechts, 3 Bdd. u. Registerbd., Berlin 1960-62 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge v. 23. 5. 1969, UNTS 1155, 331; BGBl. 1985 II, 926 The Yale Journal of International Law The Yale Law Journal
- v. Trianon - v. Versailles V. U. W. L. Rev. Wash. L. Rev. Whiteman, Digest Wm. & Mary L. Rev. WÜD WÜK WVR WVRK Yale J. Int'l L. Yale L. J. Yb. Eur. Comm'n Hum. Rts. YTLC YUN YWA ZaöRV ZBJV ZöR ZP I ZP II ZPhF ZRP ZStW ZVR
Yearbook of the European Commission of Human Rights Yearbook of the International Law Commission Yearbook of the United Nations The Year Book of World Affairs Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Österreichische) Zeitschrift für öffentliches Recht Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) v. 8. 6. 1977, UNTS 1125, 3; BGBl. 1990 II, 1550 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) v. 8. 6. 1977, UNTS 1125, 609; BGBl. 1990 II, 1637 Zeitschrift für Philosophische Forschung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Völkerrecht
Einleitung Zwingendes Völkerrecht hat die Funktion, den Verstoß gegen bestimmte rechtlich verfestigte moralische Standards des Völkerrechts mit besonders einschneidenden Rechtsfolgen zu sanktionieren. In der Literatur jeder Epoche finden sich Bekenntnisse zu einem solchen allen Völkern gemeinsamen Bestand unverbrüchlicher Verhaltenspflichten, deren Einhaltung mit theologischen, metaphysischen oder rationalen Gründen gefordert wird. So überliefert Cicero den Gedanken eines globalen, auf Humanität gegründeten Naturrechts, 1 auf den Einfluß der scholastischen Lehre geht die Vorstellung eines allgegenwärtigen Sittengesetzes zurück, das auch zwischen Herrschern gilt, 2 und in neuerer Zeit werden an Vernunft und Notwendigkeit orientierte Konzepte universellen Rechts vorgestellt. 3 Diese und verwandte Ideen weisen die Gültigkeit bestimmter für unentbehrlich erachteter Prinzipien als unabhängig vom Einzelwillen der Staaten, mithin als „objektiv" aus, da sie als Belange der Gesamtheit aufgefaßt werden. Schon frühzeitig leiteten naturrechtlich inspirierte Denker aus solchen Konzeptionen Rechtsfolgen für einzelne Teilgebiete des Völkerrechts ab, besonders für das Recht der Verträge. 4 Dieser Tradition entstammt auch die Vorstellung einer Normenhierarchie des Völkerrechts, in der objektives Recht auf einer höheren Stufe stehe als das sonst zwischen den Staaten geltende Recht.5 Gemeinschaftsinteressen genießen danach Vorrang vor dem abweichenden Willen einzelner Staaten. Entwicklungen, die das Völkerrecht in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat, scheinen solchen Postulaten besonders entgegenzukommen. Für kriegerische Konflikte und friedensbedrohende Situationen werden in Regie internationaler Organisationen mögliche Konfliktlösungen erarbeitet; Rohstoffe und Kulturgüter werden einem „Gemeinsamen Erbe der Menschheit" zugeordnet, Umweltmedien und Bodenschätze als „gemeinsame Ressourcen" deklariert.
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Cicero , De legibus, lib. I, (7), 11. 23. Thomas von Aquin , Summa Theologica I-II, q. 95, art. 4. 3 Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 289 ff. 4 Siehe im einzelnen Kap. 4, Ab sehn. I. Naturrechtlichen Autoren wird manchmal zu pauschal die Ansicht zugeschrieben, daß sich menschliches Recht nicht wirksam mit den Geboten göttlicher Vernunft in Widerspruch setzen könne. Vgl. etwa Lleonart y Anseiem, Homenaje Sela, 59 f.; Molina Orantes , a.a.O., 83 ff.; Schweitzer , AVR 15 (1971/72), 198 f.; Gómez Robledo, RdC 172 (1981-m), 23 ff.; Koskenniemi, S. 280 ff.; Weil, AJIL 77 (1983), 422 f.; David Kennedy, Haiv. Int'l L. J. 27 (1986), 50; Janis, Conn. J. Int'l L. 3 (1988), 361; Gornig, ROW 33 (1989), 401 Fn. 87; Parker / Neyion, Hastings Int'l & Comp. L. Rev. 12 (1989), 419 ff. 5 Siehe z.B. R.-J. Dupuy, RdC 165 (1979-IV), 202 1 Dagegen etwa P. de Visscher , RdC 136 (1972-11), 107; Alexidze, RdC 172 (1981-III), 259. 2
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Einleitung
Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Völker beginnen, rhetorische Topoi, wenn nicht gar Determinanten der Außenpolitik zu werden. Die Regelung zwingenden Völkerrechts in Art. 53 WVRK, der die Existenz höherrangiger Interessen in ein allgemeines Prinzip aufnimmt, stellt damit auf den ersten Blick keineswegs einen Fremdkörper im geltenden Völkerrecht dar. Die Vorschrift legt allgemein fest, daß Verträge nichtig sind, die gegen zwingendes Völkerrecht (ius cogens) verstoßen: „A treaty is void if, at the time of its conclusion, it conflicts with a peremptory norm of general international law. For the purpose of the present Convention, a peremptory norm of general international law is a norm accepted and recognized by the international community of States as a whole as a norm from which no derogation is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character."
Belangen der Gesamtheit wird danach in bestimmten Normkonflikten der Vorzug vor Partikularinteressen gegeben. Der Vorrang dieser Art von Normen vor dem Einzelwillen kommt somit den genannten Vorstellungen von internationaler Moral sehr nahe. Ähnliche Tendenzen zeigt das Projekt der International Law Commission zum Recht der Staatenverantwortung, das einigen Delikten, die von der Staatengemeinschaft insgesamt als „Internationale Verbrechen" angesehen werden, besonders einschneidende Rechtsfolgen zuordnen will. 6 Demgegenüber baut die völkerrechtliche Quellenlehre nach wie vor auf der Grundidee auf, daß es der Zustimmung der Staaten bedürfe, wenn sie an das Recht gebunden sein sollen. Dies drückt sich in den Prinzipien der Unverbindlichkeit von Verträgen für Dritte 7 und in der Persistent-Objector-Rule aus, wonach ein Staat, der dem Entstehen einer Regel des Gewohnheitsrechts von Anfang an widerspricht, nicht gebunden sein soll. 8 Ein Prinzip der Mehrheitsentscheidung hat sich auf internationalen Kodifikationskonferenzen bisher nicht durchgesetzt. 9 Nach wie vor muß der Konsens der Beteiligten gesucht werden. Im Widerspruch von Objektivität und Konsenserfordernis wird die für das gegenwärtige Völkerrecht typische Aporie ausgemacht.10 Die Aporie spiegelt sich in Art. 53 WVRK; auch wenn das Prinzip des ius cogens ein starkes kommunitär-objektives Element aufweist, kommt es doch nur zum Zuge, wenn hinsichtlich der Anerkennung einer bestimmten zwingenden Regel Konsens unter den Staaten besteht. Dieser generelle Konsens wird bereits durch einen zwingendem Recht widersprechenden Vertrag in Zweifel gezogen. Das Dilemma wirft die Frage auf, ob im Völkerrecht für objektive Prinzipien Platz ist. Versuche der Begründung eines aus der Moral entwickelten Minimalkanons von unverzichtbaren Werten, wie sie von naturrechtlichen Theorien der genannten
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Siehe Teü 1, Art. 19 des Entwurfes der ILC, YILC 1980-11, Teübd. II, 32. Jetzt Art. 34 WVRK 8 Dazu näher Kap. 5 Abschn. IQ 2 a cc und b aa. 9 ZutL Danilenko , EJIL / JEDI 2 (1991), 56 f. 1° Koskenniemi , S. 1 ff., 131 ff., 264 ff. 7
Einleitung
Art unternommen werden, müssen dem Konsenserfordernis Rechnung tragen. Darauf beruhende Normen müssen zumindest universell konsens/ä/wg sein. Dies gilt um so mehr, so weit auf sie in Art. 53 W V R K und in Konzeptionen von internationalen Verbrechen Bezug genommen wird; denn die Verhängung einschneidender Rechtsfolgen läßt sich nur rechtfertigen, wenn normgemäßes Verhalten jedem Adressaten ohne weiteres zumutbar ist. Dies ist nur möglich, wenn von den Eigeninteressen der die Völkerrechtsordnung konstituierenden Teile ausgegangen wird. Die hier vertretene These ist deshalb, daß zwingendes Völkerrecht auf den Schutz elementarer Rechte von Subjekten zielt, die im Völkerrecht Träger von Rechten sein können, insbesondere von Staaten, Gruppen und Individuen, und daß die jeweils erfaßten Rechte bei jedem Träger strukturell gleich sind. Dabei soll in einem ersten Schritt die Figur des völkerrechtlichen ius cogens von anderen, ähnlichen Rechtsprinzipien abgegrenzt und eine vorläufige Definition gewonnen werden (Kapitel 1). Da der Begriff des ius cogens, wie er heutigem Völkerrecht bekannt ist, erst durch die Arbeiten der International Law Commission Eingang in die international-rechtliche Argumentation gefunden hat, ist sodann zu klären, welche Elemente dieses Konzept nach Auffassung der Kommission aufweist. Die Definition wäre also um weitere Merkmale zu erweitern (Kapitel 2). Anschließend ist zu überprüfen, ob dieses Konzept im geltenden Völkerrecht wirksam ist (Kapitel 3). Erst dann kann darangegangen werden, zwingendes Völkerrecht rechtstheoretisch einzuordnen. Hierbei gilt es zum einen, die zahlreichen Stellungnahmen in der Literatur in den Zusammenhang ihres jeweiligen rechtstheoretischen Hintergrundverständnisses zu stellen und in Auseinandersetzung mit ihnen eine Position zu finden, die dem Erfordernis materieller Kriterien und der Pluralität der Völkerrechtsordnung gleichermaßen Rechnung trägt (Kapitel 4). Die gefundenen Ergebnisse werden es zunächst möglich machen, die Voraussetzungen abschließend zu identifizieren, unter denen ius cogens entsteht (Kapitel 5). Theorie und Rechtsquellenlehre werden des weiteren auf eine Reihe von Kandidaten für Einzelnormen des ius cogens hindeuten, deren positivrechtliche Verbürgung nach den ermittelten Kriterien untersucht werden soll (Kapitel 6). Unter Zusammenfassung und Fortentwicklung der in den Einzelkapiteln ermittelten Elemente zwingenden Rechts wird abschließend ein Überblick über die an ius cogens geknüpften Rechtsfolgen gegeben werden (Kapitel 7).
1. Kapitel: Der Begriff „Zwingendes Völkerrecht" Zur Eingrenzung des Gegenstandes der Untersuchung ist es notwendig, das zwingende Völkerrecht von verwandten Rechtsinstituten zu unterscheiden. Der Klarstellung halber soll es außerdem verschiedenen Begriffen gegenübergestellt werden, die letztlich dasselbe meinen. Was zwingende Normen nach der vertragstextlichen Positivierung des Art. 53 WVRK vor anderen Ungültigkeitsgründen für völkerrechtliche Verträge kennzeichnet, ist die ipso iure vernichtende Wirkung. Diese Rechtsfolge trifft nach Art. 52 WVRK zwar auch Abkommen, die unter Drohung mit oder Anwendung von Zwang Zustandekommen. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Nichtigkeit wegen des Vertragsinhaltes, sondem aufgrund der Begleitumstände des Vertragsschlusses.1 Zur Unterscheidung der Normen des ius cogens von anderen hierarchischen Normstrukturen des Völkerrechts genügt mithin vorerst eine nur an den Rechtsfolgen orientierte Definition, die denn auch, vorbehaltlich späterer Erweiterungen, den folgenden Abschnitten zugrundegelegt werden soll. Demnach handelt es sich um Normen, von denen einzelne Staaten durch Vertragsschluß nicht abweichen können, ohne daß der Vertrag nichtig wäre.
I. Abgrenzung von anderen hierarchischen Normstrukturen
1. Hierarchie der Rechtsquellen? Die Regelung des Art. 53 W V R K könnte zu dem Schluß verleiten, das Vertragsrecht liege generell im Rang unter Normen, die anderen Rechtsquellen entstammen. Meinungsverschiedenheiten über eine mögliche Rangordnung der Völkerrechtsquellen berühren das hier behandelte Problem jedoch nur am Rande.2 Werden das Völkergewohnheitsrecht oder die allgemeinen Rechtsprinzipien (Art. 38 I lit. b und c IGH-St) als die Spitze einer solchen Quellenhierarchie angesehen,3 so besagt dies noch nicht, daß Verträge, die gegen solche 1 In Art. 52 WVRK kann aber ein Hinweis auf den zwingenden Charakter des Gewaltverbotes gesehen werden, s. u. Kap. 6 Abschn. A I V 3. Man darf also Art. 52 als Bestätigung der Regel des Art. 53 WVRK auffassen. 2 Näher Wallindas, Festschr. Spiropoulos, 425ff.; Jaenicke , WVR m, 767; Akehurst , BYIL 47 (1974/75), 273; Czaplinski / Danilenko , NYIL 21 (1990), 5 ff. 3 Zum Gewohnheitsrecht in diesem Zusammenhang Kelsen , Principles, S. 314; Kunz, AJIL 47 (1953), 665; VaUindas , Festschr. Spiropoulos, 426; Barberis , ZaöRV 30 (1970), 24 f.; zu allgemei-
I. Abgrenzung von anderen hierarchischen Normstrukturen
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Rechtssätze verstoßen, ungültig sind. 4 Die überwiegende Mehrzahl der völkerrechtlichen Normen ist unbestrittenermaßen dispositiver Natur. 5 Ein anderes Problem wird durch die Frage aufgeworfen, ob zwingende Normen auf eine bestimmte Quelle eigener Art zurückgehen, die einen höheren Rang einnimmt als die anderen. 6 Davon wird noch die Rede sein. 7
2. Vertragliche Derogatíonsverbote Anzeichen einer Normenhierarchie enthalten multilaterale Konventionen,8 die die Verdrängung älterer Verträge erklären 9 oder den Vertragspartnern durch besondere Bestimmung verbieten, von dem Vertragstext abweichende Vereinbarungen zu treffen. 10 Zuweilen wird bestimmt, im Falle eines Konfliktes partikulärer Vereinbarungen mit der Konvention solle die Konvention Vorrang haben. 11 Solche Vertragsklauseln werden im folgenden Kollisionsnormen genannt, da sie festlegen, welches Recht bei konkurrierenden vertraglichen Verpflichtungen gelten soll. Ein hierarchisches Verhältnis zwischen einzelnen Vertragsbestimmungen stellen aber auch Bestimmungen her, die einen Minimalbestand von Vertragspflichten festlegen, von denen die Vertragsstaaten auch bei Kündigung durch einen der Beteiligten, 12 in Notstandssituationen,13 oder nach Vertragsverletzungen anderer Partner 14 nicht entbunden werden könnnen. Hierbei handelt es sich um Klauseln, die die Einhaltung bestimmter materieller Pflichten garantie-
nen Rechtsprinzipien v.cLHeydte, FW 33 (1933), 292; Miaja de la Muela , Homenaje Legaz II, 1141; Jaenicke, WVR III, 770 f., 773; ders., BDGVR 7 (1967), 91; Quadri, Diritto intemazionale, S. 109. Vgl. auch Guggenheim, Traité I, 2. Aufl., S. 296, der die allgemeinen Rechtsprinzipien zumindest über das Recht der Staaten auf Handlungsfreiheit stellt. 4 Hinsichtlich des Gewohnheitsrechts bereits zutr. Lauterpacht, Report, YILC 1953-11, 154; dagegen vertritt Reimann (S. 28ff., 52 f., 54) die Auffassung, ius cogens könne es nur in der obersten Kategorie der Rechtsquellen geben, die er in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen erblickt. Auch Reimann meint hingegen nicht, alle allgemeinen Rechtsgrundsätze seien wegen ihrer übergeordneten Stellung automatisch zwingenden Rechts, vgl. S. 70 ff., 77 ff., 103 ff. 5 Lauterpacht a.a.O. 6 Vgl. außer Reimann auch Verdross , AJIL 31 (1937), 573 ff.; Quadri, RdC 113 (1964-III), 335. 7 Dazu u. Kap. 5 Abschn. II 1. 8 Zu Vorrangklauseln allgemein Zuleeg, GYIL 20 (1977), 251 ff. 9 Siehe Art. 96 der Generalakte der Brüsseler Erklärung v. 2. 7.1890, Martens NRGT, sér. 2, tom. XVI, S. 3; Art. 1 des Vertrages von St-Germain-en-Laye v. 10. 9. 1919, Martens NRGT, sér. 3, tom. XI, S. 691; Art. 82 der Chicagoer Konvention über die Zivilluftfahrt v. 7.12.1944, UNTS 15, 295; BGBl. 1956 II, 934; Art. 311 I SRK. 10 Siehe Art. 20 I VBS; Art. 10 der Transitkonvention von Barcelona v. 20. 4.1921, SdNRT 7, 11; RGBl. 1924 II, 387; Art. 6 GA I bis III, 7 GA IV; Art. 8 NATO - Vtrg„ UNTS 34, 243; BGBl. 1955 II, 289; Art. 7 des Warschauer Paktes, UNTS 219, 3; GBl. DDR 1955-1, 382; Art. 311 VI SRK. 11 Siehe vor allem Art. 103 UNC 12 Art. 51 GA I, 53 GA II, 132 GA III, 149 GA IV. Art. 4 IPBPR; 15 EMRK; 27 AmMRK. 14 Siehe Riphagen, 5th Report, YILC 1984-11, Teü I, 3 f.
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1. Kapitel: Der Begriff „Zwingendes Völkerrecht"
ren sollen. Sie werden nachfolgend Kernschutzbestimmungen genannt. Kollisionsnormen und Kernschutzklauseln lassen sich unter den Oberbegriff der Derogationsverbote fassen. Für die Kategorie der Kollisionsklauseln ist bedeutendstes Beispiel Art. 103 UNC. Ob derartige Normen die Nichtigkeit entgegenstehender Einzelabmachungen bewirken können, ist in der Literatur umstritten. 15 Man wird dies selbst für Art. 103 UNC verneinen müssen. Keine einzige derartige Vorschrift ordnet ausdrücklich die Unwirksamkeit des nachrangigen Vertrages an. Die Rechtsfolge bleibt offen. Dies spricht eher dagegen, daß der Wille der Vertragspartner über die Anordnung eines Anwendungsvorranges hinausgeht. 16 Natürlich verbietet sich umgekehrt die Schlußfolgerung, daß derartige Verträge keine Normen zwingenden Rechts enthalten können. Nur bedarf es zu ihrer Identifizierung zusätzlicher Anhaltspunkte. Ähnlich steht es mit den Kernschutzbestimmungen. Von besonderem Interesse sind die Kündigungs-, Suspensions-und Repressalienverbote, wie sie auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts gebräuchlich sind, 1 7 Vertragsbestimmungen also, die die Befugnisse nicht Vertragsbrüchiger Parteien zu Gegenmaßnahmen beschränken. Zunächst ist festzustellen, daß die in ihnen enthaltene Konditionierung zumindest von Kündigungserklärungen die prinzipielle Zulässigkeit einer Kündigung nicht beseitigt. Vielmehr ist sie ausdrücklich gestattet. 18 In der Möglichkeit, sich auch von Vertragspflichten des humanitären Völkerrechts zu lösen, sehen einige ein Hindernis, durch humanitäre Konventionen geschützte Normen ohne weiteres für zwingend zu halten. 19 Man darf aber vermuten, daß die Kündbarkeitsklauseln ihre Existenz eher traditionellen als praktischen Gründen verdanken. Es fällt schwer, anzunehmen, daß durch Kündigungs-, Suspensions-und Repressalienverbote gesicherte Pflichten durch partikulären Vertragsschluß wirksam umgangen werden können. In ihnen kann also zumindest ein Indiz für das Bestehen von zwingenden Normen gesehen werden.
15 In Bezug auf Art. 103 UNC befürworten dies Oppenheim / Lauterpacht , International Law I, S. 895 f.; Arzinger , Festschr. Jacobi, 251 f. (jedoch nicht für alle Bestimmungen der Charta); McNair , Law of Treaties, S. 217 f., 222; Kemper I Kirsten, StR 14 (1965), 613; vgl. auch Guggenheim , Traité I, 2. Aufl., S. 146 f.; Marek, Hommage Guggenheim, 442 f.; Haraszti, S. 300. 16 Vgl. auch Viraüy, AJ.D.I. 12 (1966), 26 f.; Goodrich / Hambro / Simons, U.N. Charter, S. 614 ff.; Cahier, R.GD.I.P. 76 (1972), 671; Puceiro Ripoll, Rev. Uruguaya de Derecho Int'l 3 (1974), 62; Sztucki , S. 40; Zuleeg, GYIL 20 (1977), 252; Ronzitti, Studi in onore Sperduti, 216 ff.; Flory, in: Cot / Pellet, Charte, S. 1374; Rumpf, Festschr. Meissner, 568; Macdonald, Can. Yb. Int'l L. 25 (1987), 125; Bernhardt , in: Simma (Hrsg.), Charta, Art. 103 Rdnrn. 17 f.; Vgl. auchSchwelb, AJIL 61 (1967), 959 f., fur den die Frage der Nichtigkeit entgegenstehender Verträge angesichts des klaren Anwendungsvorrangs der Charta bedeutungslos ist; ohne Gefolgschaff blieb die Auffassung von Kelsen (Law of U.N., S. 113), der meinte, ein nach Inkrafttreten der UNC geschlossener, zu dieser in Widerspruch stehender Vertrag sei wegen Art. 108 f. UNC (Verfahren zur Änderung der Charta) unwirksam. 17 Über deren Verhältnis zu ius cogens Münch, Festschr. Mosler, 622 f. i» Art. 142 GA I bis III, 159 GA IV, 99 ZP I, 25 ZP II. 19 Vgl. Schwelb, AJIL 61 (1967), 952 f.; Sinclair, S. 218, 223.
I. Abgrenzung von anderen hierarchischen Normstrukturen
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Im Hinblick auf die Notstandsbestimmungen der internationalen Menschenrechtskonventionen 20 fühlte sich die International Law Commission veranlaßt, festzustellen, daß die in ihnen enthaltenen Verbote einseitiger Abweichung von Vertragspflichten allein noch nicht den zwingenden Charakter der so geschützten Bestimmungen begründeten. 21 Solange es sich nur um Vertragsrecht handelt, das im Regelfall durch Kündigung beseitigt und durch Vorbehalte ausgeschaltet werden kann, ist dem auch heute noch zuzustimmen. 22 Deshalb muß im Einzelfall geprüft werden, ob diese Pflichten zugleich kraft Gewohnheitsrechts bestehen. Doch handelt es sich gleichfalls um ein Indiz, daß zwingende Normen vorliegen, da noch nicht einmal der Staatsnotstand deren Verletzung zu entschuldigen vermag. Während also die Kollisionsnormen multilateraler Statute dem ganzen Vertragszweck einen Anwendungsvorrang sichern und damit die Integrität der durch sie geschaffenen Organisation und der von ihr verfolgten Ziele festigen sollen, treffen die Verbote partikulärer Vereinbarungen und einseitiger Abweichungen insbesondere des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtspakte Unterscheidungen materieller Art innerhalb des von ihnen geregelten Normenkomplexes, indem sie einige Schutzbereiche einem festen Minimum zuordnen und somit die Umgehung entsprechender Verpflichtungen erschweren. Damit erhält weniger der organisatorische Rahmen der beteiligten Staaten als der materielle Gehalt der geschützten Bestimmungen eine besondere Betonung, die allein mit der Wertigkeit der zu schützenden Rechte erklärt werden kann. Alle Arten von Vorrangklauseln können sich, bei unterschiedlich starker Indizwirkung, auf ius cogens beziehen.
3. „Weltverfassungsrecht" In gewissem Zusammenhang mit der Frage der Kollisionsnormen in Gründungsverträgen internationaler Organisationen steht die Theorie, die Satzung der Vereinten Nationen statuiere eine Weltverfassung mit absoluter Geltung auch über die Mitgliedstaaten hinaus. Alles Recht soll danach von den Vereinten Nationen entweder initiiert oder rezipiert sein. 23 Ihre Satzung stehe im Rang über dem „einfachen" Völkerrecht. 24 Als Argumente werden der Gel-
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Siehe Art. Art. 4 IPBPR, 15 U EMRK, 27 D AmMRK. Vgl. den Kommentar über ihren \brentwurf zur späteren WVRK, YILC 1966-11, 248; Bedenken ferner bei Geamânu, Rev. Roum. d'Et. Int'l 11 (1967), 98; Marek , Hommage Guggenheim, 442 f.; Paul , ÖZöR 21 (1971), 40; Diaconu , S. 28; Elias , Modern Law of Treaties, S. 179; Puceiro Ripoll, Rev. Uruguaya de Derecho Int'l 3 (1974), 63; Sztucki, S. 16 u. 39 f.; Ronzitti, C&S 15 (1978), 259; Weil , AJDL 77 (1983), 438 ff; Rumpf, Festschr. Meissner, 568; s. auch Meron, AJIL 80 (1986), 16. 22 Vgl. auch Higgins, BYIL 48 (1976/77), 281 ff.; Buergenthal, in: Henkin (Hrsg.), BUI of Rights, 72 ff.; Hartman , Harv. Int'l L. J. 22 (1981), 1 ff.; über die Arbeiten der ILA zu diesem Thema Lülich, AJIL 79 (1985), 1072 ff., dort w. Nachw. 23 Vgl. insoweit Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 59 ff., 69 ff., 221 ff. 24 Siehe zunächst Kelsen, Law of U.N., S. 85 f., 106 f., der zumindest Art. 2 UNC den Charakter eiga omnes geltenden Weltverfassungsrechts zuspricht; vgl. ferner Rolin, RdC 77 (1950), 434, 21
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1. Kapitel: Der Begriff „Zwingendes Völkerrecht"
tungsanspruch der Charta gegenüber Dritten (Art. 2 Ziff. 6 UNC), das globale Gewaltmonopol der UNO (Kap. VII, insbes. Art. 39 UNC) und der Anwendungsvorrang der Charta gegenüber allen anderen Verträgen (Art. 103 UNC) ins Feld geführt. 25 Diese Ansicht wird teilweise dahingehend erweitert, daß die Normen der Charta insgesamt zwingenden Rechts seien. 26 Da Art. 103 UNC allein nicht weiterhilft, 27 bleibt als Argument für die Gleichsetzung einer in der UN-Charta zum Ausdruck kommenden Grundordnung mit zwingendem Recht nur der Anspruch der Charta, eine universelle Friedensordnung herzustellen, wie er in Art. 2 Ziff. 6, 34 f. und 39 ff. UNC zum Ausdruck kommt. Zwar kann inzwischen schon vertragsrechtlich von einer nahezu vollständigen Anerkennung der Prinzipien der Charta ausgegangen werden, da die meisten Staaten Mitglieder der UNO sind. Des weiteren sind diese Prinzipien auch gewohnheitsrechtlich weitgehend anerkannt, sodaß das Problem der Drittstaatsbindung der Charta damit weitgehend entschärft ist. 2 8 Gleichwohl stellt diese darum noch nicht globales ius cogens dar. Dieser Schlußfolgerung steht der Grundsatz entgegen, daß völkerrechtliche Verträge nur die Parteien binden können. 29 Der zwingende Charakter von Normen der Charta kann sich darum nur aus gleichlautendem universellem Gewohnheitsrecht ergeben. Der überwiegende Teil des Organisationsrechts kann auf Außenstehende ohnehin nicht angewendet werden. Die wohl herrschende Auffassung sieht daher zu Recht nur die materiellen Grundprinzipien der Charta als zwingendes Recht an, 3 0 prüft also die Natur der Norm an ihrem Gehalt.
4. Internationaler ordre public und Statusverträge Die Nichtigkeit von Verträgen, die gegen zwingendes Recht verstoßen, bringt zum Ausdruck, daß es sich hier um Willenserklärungen handelt, denen die rechtli-
der die Charta als globalen ordre public ansieht; Pal, YILC 1963-1, 67; vgl. ferner BartoS, YILC 1963-1, 66; auf Mitglieder beschränkend Hartmann , JA 10 (1978), 89. 25 Vgl. Kelsen a.a.O.; auf das Wort „any" in Art. 39 verweist Verdross, AJIL 60 (1966), 62: „The Security Councü shall determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace or act of aggression and shall make recommendations, or decide what measures shall be taken in accordance with Articles 41 and 42, to maintain or restore international peace and security." 26 VgL Amerasinghe, in: Lagonissi Papers, 107; Bermejo, Nouvel ordre, S. 254; mit Einschränkungen Hartmann, Enteignung, S. 168; s. auch Giardina , Ital. Y.B. Int'l L. 4 (1978/79), 27; Conforti, Lezioni, S. 147 ff. 27 Siehe o. bei Fn. 15 f. 28 Siehe Mahiou , in: Cot / Pellet, Charte, 137. 29 Art. 34 WVRK. So auch die herrschende Lehre, s. die Nachw. bei Vitzthum, in: Simma, Charta, Art 2 Ziff. 6 Rdnr. 18 Fn. 41. 30 BartoS, ILA-Report 1956, 36 f.; Abi-Saab, in: Lagonissi Papers, 13; Schwarzenberger a.a.O., 88; Magaresevic a.a.O., 99;Geamânu, Rev. Roum d'Et. Int'l 11 (1967), 100ff.; Paul, ÖZöR 21 (1971), 40 f.; Ziccardi, C&S 14 (1973), 1073; s. auch Fahmi, ÖZöR 21 (1971), 385. In dieselbe Richtung weisen viele Stellungnahmen auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz, s. Khlestov (UdSSR), U.N. CLOT OR I, 294; Alvares Tabio (Kuba) a.a.O., 297; Cole (Sierra Leone) a.a.O., 300; Smejkal (Tschechoslowakei) a.a.O., 318; Valencia Rodriguez (Ekuador), U.N. CLOT OR n, 97.
I. Abgrenzung von anderen hierarchischen Normstrukturen
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che Anerkennung versagt wird. Die Rechtsfolge der Nichtanerkennung hat das ius cogens mit anderen Normbereichen gemeinsam, deren Verletzung gleichfalls die Weigerung dritter Staaten folgt, den mit dem illegalen Akt geschaffenen Zustand als rechtens zu akzeptieren. Derartige Normen werden unter dem Begriff des internationalen ordre public rubriziert. 31 Im einzelnen zählen hierzu regionale Regelungen wie Statute einiger internationaler Organisationen 32 oder objektive Regime 33 wie sie für internationale Flußläufe, 34 Territorien mit internationalisiertem Status 35 und durch die Neutralität einzelner Staaten36 entstehen können.37 Bei solchen Regimen ist es denkbar, daß sie nur partikulär begründet werden, aber einen Achtungsanspruch auch gegenüber Staaten erheben, die an der Schaffung des objektiven Status nicht beteiligt waren. Um die Wirksamkeit des objektiven Regimes zu erhalten, muß ein Vertrag, der zu ihm in Widerspruch steht, nicht unwirksam sein. Es genügt, wenn sich der Anwendungsvorrang des Regimes durchsetzt. Deshalb verdient die Ansicht Zustimmung, nach der zwingendes Recht zwar einen Unterfall des völkerrechtlichen ordre public darstellt, jedoch nicht mit ihm identisch ist. 3 8 Ob abweichende Vereinbarungen nichtig sind, muß im Einzelfall anhand der verletzten Norm entschieden werden.
5. Verträge zu Lasten Dritter Die Existenz zwingenden Völkerrechts setzt voraus, daß die Vertragsautonomie der Staaten materiell begrenzt ist. Nun entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß Rechte dritter Staaten der Dispositionsbefugnis der Vertragspartner entzogen sind. 39 Verträge zu Lasten Dritter sind für die Betroffenen „res inter alios actae", also unverbindlich. 40 Auch wenn das ius cogens und die Rechte Dritter möglichen Vertragsinhalten gleichermaßen Schranken setzen, handelt es
31 Siehe Virally , A.F.D.1.12 (1966), 11: „II existe, par conséquent, une analogie entre le jus cogens ainsi compris et l'ordre public, tel qu'il est conçu dans le droit étatique, mais il est difficile de discerner la portée exacte de ce rapprochement et les conséquences qui peuvent en être tirées." Ferner Rolin , Hommage Basdevant, 451 ff.; ders. y RdC 77 (1950-11), 434; Jenks, Prospects, S. 457 ff.; Jaenicke , BDGVR 7 (1967), 80 f.; Mosler , Schweiz. Jb. Int'l R. 25 (1968), 9ff.; ders., R.E.D.I. 21 (1968), 523 ff.; ders., RdC 140 (1974-IV), 34 ff.; Moreno Quintana , sep. opn., in: Case Concerning the Application of the Convention of 1902 Governing the Guardianship fants, ICJ Rep. 1958,54 (105 f.). Bedenken gegen die Verwendung des Begriffs „ordre public" im Völkerrecht bei Ferrer Sanchis (R.E.D.I. 21 [1968], 779) und Molina Orantes, Homenaje Sela, 100 ff. 32 Rolin, Hommage Basdevant, 459 ff.; Mosler, R.E.DJ. 21 (1968), 525 ff. 33 Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 123. 34 Revier, Droit des gens II, S. 58; Bedjaoui, Ann. de V AAA 54/55/56 (1984-86), 293. 35 Geamânu, in: Lagonissi Papers, 94. 36 Schücking, diss, opn., in: Affaire du vapeur „ Wimbledon u, StIGH, Urt. v. 17. 8. 1923, CPJIRec., sér. A, no. 1, S. 3 (46 f.); Fitzmaurice, 4th Report, YILC 1959-11, 71; vgl. auch Macdonald, Can. Yb. Int'l L. 25 (1987), 144. 37 Die genannten Institute werden als objektive Regime oder Statusverträge bezeichnet; zu den Vertragstypen Eckart Klein, Statusverträge, S. 24 ff., 50 ff., 87 ff., 111 ff. M Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 122 f.; Mosler, R.E.D.I. 21 (1968), 532. 39 Siehe Brownlie, Principles, S. 622 ff. 40 Vgl. Art 34 WVRK, der Völkergewohnheitsrecht darstellt; s. Sinclair , S. 98 ff
1. Kapitel: Der Begriff „Zwingendes Völkerrecht"
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sich um verschiedene Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Während ein Verstoß gegen zwingendes Recht die Nichtigkeit des abweichenden Abkommens nach sich zieht, ist ein Vertrag zu Lasten Dritter lediglich für den belasteten Staat rechtlich unverbindlich und wirkungslos. Für die Vertragspartner hingegen bleibt er formal bestehen, auch wenn er zumindest in Teilbereichen nicht in Vollzug gesetzt werden darf. 41 Sollten Übergriffe in die Rechte Dritter hingegen ausschließlicher Vertragsbestandteil sein, kann ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit vorliegen, der das Abkommen unerfüllbar macht. Es ist außerdem denkbar, daß zugleich Normen des ius cogens verletzt sind. 42 Die Frage ist dann, ob der beeinträchtigte Staat selbst in der Weise über das Recht vertraglich verfügen dürfte, in der die Partner des inkriminierten Paktes dessen Verletzung verabredet haben. Ist diese Frage zu verneinen, liegt eine Norm zwingenden Völkerrechts vor.
6. Normen mit Wirkung erga omnes Zwingendes Recht erhebt definitionsgemäß einen Geltungsanspruch gegenüber allen Staaten.43 Sein Verhältnis zu sogenannten Normen erga omnes, denen diese Wirkung gleichfalls per terminem zukommt, bedarf daher der Klärung. Die Beschaffenheit solcher Normen wurde wegen eines obiter dictum in der Barcelona-Traction-Entscheidung des IGH, das ihre Existenz ausdrücklich bestätigt, zum Thema. 44 Die zeitliche Nähe der Entscheidung zu den Verhandlungen über die Ius-cogens-Klauseln in der Wiener Vertragsrechtskonvention legt die Vermutung nahe, der IGH habe mit dieser Stelle zwingendes Recht gemeint. 4 5 Ius cogens und Pflichten erga omnes würden sich demnach ganz oder teilweise decken. Eine gesicherte Definition von Pflichten mit Erga-omnes-Charakter existiert bislang nicht. Zum einen ist es möglich, darunter Normen zu verstehen, die zwar partikulär oder regional gesetzt werden können, aber den Respekt aller beanspruchen. Bei einem solchen Verständnis wären diese nicht mit zwin-
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Siehe Verdross , AJIL 60 (1966), 58 f.; Diaconu , S. 119; Crawford , S. 80; Sinclair , S. 98 ff. Lauterpacht, Report, YILC 1953-11, 154. 43 Vgl. statt vieler Hannikainen , S. 4 ff., 269 ff. 44 Barcelona Traction, Second Phase, ICJ Rep. 1970, 2, 32.: „An essential distinction should he drawn between the obligation of a State toward the international community as a whole, and those arising vis á vis another State in thefield of diplomatic protection. By their very nature the former are the concern of all States. In view of the importance of therightsinvolved, all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes. Such obligations derive, for example, in contemporary international law, from the outlawing of acts of aggression, and of genocide, as also from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination. Some of the corresponding rightsof protection have entered into the body of general international law [...]; others are conferred by international instruments of a universal or quasi-universal character." 45 Charpentier , A.F.D.I. 16 (1970), 311; Reimann , S. 97; Elias , Modern Law of Treaties, S. 185; Sinclair , S. 213; Schachter , RdC 178 (1982-V), 195 ff., 339ff.; ALI Restatement, Draft No. 3, § 702; Malanczuk, ZaõRV 43 (1983), 743; Hannikainen, S. 5, 269 ff.; Brunnée, ZaõRV 49 (1989), 801 Fn. 39. Differenzierter Simma, in: Weiler / Cassese / Spinedi (Hrsg.), Crime of State, 290 f. mit Fn. 30; de Hoogh, ÖZöRVR 42 (1991), 192 f. m. w. Nachw. 42
I. Abgrenzung von anderen hierarchischen Normstrukturen
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gendem Recht identisch. Dessen Verhältnis zu Pflichten erga omnes wäre vielmehr das gleiche wie das zum internationalen ordre public; ius cogens stellte eine Kategorie von Normen erga omnes dar, 46 entfaltete mithin nur insoweit Wirkung gegen unbeteiligte Dritte, als diese Entstehung und Bestand zwingenden Rechts nicht beeinträchtigen könnten. 47 Nach einer anderen Ansicht, die sich durchzusetzen scheint, werden Normen mit Wirkung erga omnes so aufgefaßt, daß sie Pflichten gegenüber der Staatengemeinschaft en bloc erfassen, sodaß sich bei deren Mißachtung jeder Staat deshalb als verletzt betrachten darf, weil er der Staatengemeinschaft angehört. Auch diese Folge wird zumindest einigen Normen des ius cogens zugeschrieben, deren einseitige Verletzung nach Vorstellungen der ILC ein Staatsverbrechen („international crime") darstellen soll. 4 8 Demnach besäßen nicht alle zwingenden Normen Wirkung erga omnes. Es empfiehlt sich jedoch nicht, Normen erga omnes und „international crimes" gleichzusetzen. Die letztere Kategorie ist noch relativ neu und sowohl in ihrer grundsätzlichen Anerkennung als auch im Hinblick auf die an sie geknüpften Rechtsfolgen umstritten. Daher soll von der traditionellen Terminologie ausgegangen werden. Über die Existenz der „Staatsverbrechen" ist damit noch nichts gesagt.
7. Ergebnis Für sich allein betrachtet genügt die Aufnahme in eine Konvention mit großem Teilnehmerkreis ebensowenig wie der Umstand, daß eine Vertragsmaterie durch Kollisions- oder Derogationsklauseln abgesichert ist. Auch reicht es nicht ohne weiteres aus, daß eine Norm Geltungsanspruch gegenüber allen Staaten erhebt. Im Unterschied zum Verbot der Verträge zu Lasten Dritter bewirken Normen des ius cogens die Nichtigkeit entgegenstehender Verträge allein wegen der Beschaffenheit der durch sie geregelten Inhalte. Doch lassen sich aus der Abgrenzung zu den genannten Instituten Indizien gewinnen, die in Verbindung mit anderen den Schluß auf das Bestehen einer zwingenden Norm zulassen. Da Inhalte, denen besondere Bedeutung beigemessen wird, häufig in Vorrangklauseln der genannten Art, insbesondere in Kernschutzbestimmungen aufgenommen werden, besitzen diese in besonderem Maße das
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So Meron, AJIL 80 (1986), 11; Macdonald, Can. Yb. Int'l L. 25 (1987), 138; vgl. auch Morelli , Riv. di Diritto Int'l 51 (1968), 116 und Weil, AJIL 77 (1983), 432, die ius cogens und Pflichten erga omnes begrifflich getrennt halten; Minagawa, Hitotsubashi J. L. & Polit. 12 (1984), 414, der auch bilaterales ius cogens nicht ausschließt, sowie Frowein, EPEL 7, 329, der meint, ius cogens gelte „in most cases" erga omnes; ders., ZaöRV 47 (1987), 73 ff; de Hoogh, ÖZöRVR 42 (1991), 202 ff., 211 ff. 47 So Pessou, YILC 1966-1, Teü I, 40; Juste Ruiz, Homenaje Miaja I, 227; Gaja , RdC 173 (1981-m) 281; ders., in: Weiler / Cassese / Spinedi, International Crime, 159; Saulle , Etudes Ago n, 394. 48 Zum ius standi nicht unmittelbar durch die Verletzung zwingender Normen geschädigter Staaten u. Kap. 2 bei Fn. 182, Kap. 3 bei Fn. 342 ff. und Kap. 7 bei Fn. 36; zur Berechtigung dritter Staaten zu Gegenmaßnahmen Kap. 2 Abschn. II 2, Kap. 3 Abschn. II 2 und Kap. 7 Abschn. II 4. 3 Kadelbach
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1. Kapitel: Der Begriff „Zwingendes Völkerrecht"
Potential einer zwingenden Norm. Ferner wirken Normen des ius cogens im traditionellen Sinne erga omnes.
IL Zur Terminologie Die inhaltliche Unwirksamkeit völkerrechtlicher Verträge wird in der älteren Lehre mit verschiedenen Begriffen bezeichnet. So werden im Zusammenhang mit als anrüchig empfundenen Verträgen die Begriffe des Sittenwidrigen, 4 9 Unmoralischen, 50 Unethischen 51 oder Illegalen 52 verwendet. Nach der sozialistischen Rechtslehre sollten Abkommen nichtig sein, die „fundamentalen Normen" des Völkerrechts zuwiderlaufen. 53 Obwohl diese uneinheitliche Terminologie in unterschiedlichen theoretischen Voraussetzungen ihren Ursprung hat, bezeichnen letztlich doch alle Begriffe dasselbe Problem. Im Zusammenhang mit Rechten wird deren Bedeutung häufig mit ihrem „unveräußerlichen" Charakter unterstrichen. 54 Auch von „fundamentalen Rechten" ist die Rede. 55 Dies sind bisher keine Rechtsbegriffe, an die bestimmte Rechtsfolgen geknüpft wären. Im weiteren Verlaufe der Untersuchung wird aber gezeigt, daß sich von solchen Appellformeln erfaßte Gehalte teilweise mit Normen des zwingenden Rechts decken. 56 Ein methodisches Problem, das aus der Rechtsvergleichung bekannt ist, besteht darin, daß den Ausdrücken aus dem internen Recht, an die der für das Völkerrecht geltende Begriff angelehnt ist, in den verschiedenen Sprachen an der jeweiligen Ursprungsrechtsordnung orientierte Konzepte entsprechen. 57 Daher ist mit den Bezeichnungen „normes impératives", 58 „peremptory w So z.B. Fröhlich , S. 65, 73 ff. 50 D ahm, Völkerrecht III, S. 60. 51 Molina Orantes , Homenaje Sela, 87. 52 Zotiades , ÖZöR 17 (1967), 100 f. 53 Vgl. statt vieler Graefrath, Stellung der Prinzipien, S. 9, 14. 54 Vgl. die Präambel der Universellen Erklärung der Menschenrechte: „Whereas recognition of the inherent dignity and of the equal and inalienablerightsof all members of the human family is the foundation of freedom, justice and peace in the world, [...]." Ebenso die Präambel des IPBPR und des IPWSKR. Die Präambel der AmMRK spricht von „essential rights". 55 So in Art. 5 der Konvention über Rechte und Pflichten der Staaten von Montevideo v. 26. 12. 1933, SdNRT 165, 19: „The fundamental rightsof States are not susceptible of being affected in any manner whatsoever." 56 Siehe u. Kap 6 A, B und C. 57 Vgl. Gutteridge, Comparative Law, S. 117 ff. Die ILC war sich dessen bewußt, s. BartoS , YILC 1963-1, 66 (zwingendes Recht sei „subject to different interpretations according to the private law followed."); ferner YILC 1963-1, 70 (Pal), 77 (Waldock), YILC 1966-1, 89 (BartoS). 58 Zur frz. \brstellung von „lois impératives" Ghestin / Goubeaux, Droit civil I, S. 248 f. Vgl. auch Viralty, A.F.D.1.12 (1966), 16 f.: Für ihn existiert eine Kategorie „imperativer" Normen, die nicht zugleich ius cogens sind; ebenso wohl Koloma, S. 132 f.; Nicoloudis, S. 40; Kreca, Essays in Honour Abendroth, 31. Für eine solche Abstufung kann die Anordnung des IGH im Case Concer-
II. Zur Terminologie
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law", 5 9 „international public policy", 6 0 „normas imperativas", 61 „norme cogenti" oder „norme imperative", 62 „imperativnye normy" 6 3 und ähnlichen nicht notwendig dasselbe gemeint. Aber auch auf der Ebene des Völkerrechts ergeben sich begriffliche Schwierigkeiten, vor allem wegen der jeweiligen historischen, geographischen und politischen Interessenlage, aus der heraus die Staaten ihre rechtliche Position entwickeln. So war in China, Japan, der Türkei, der Sowjetunion, der Türkei, im Deutschen Reich der Zwischenkriegszeit und in vielen afro-asiatischen Staaten die Auffassung verbreitet, Verträge, die in Zeiten der Schwäche mit übermächtigen Partnern geschlossen wurden und ein Ungleichgewicht an Rechten und Pflichten enthielten, sogenannte ungleiche Verträge, seien nichtig. 6 4 Es muß im Folgenden versucht werden, ein einheitliches, genuin völkerrechtliches Konzept des ius cogens darzustellen. Die Begriffe „zwingendes Völkerrecht" und „ius cogens" werden dabei statt aller vorstehend genannten synonym für das Institut der Nichtigkeit völkerrechtlicher Verträge aus inhaltlichen Gründen verwendet. Begrifflich ist zu unterscheiden zwischen der Institution des zwingenden Rechts selbst, also dem Ius-cogens-Prinzip als Nichtigkeitsgrund, und den einzelnen Normen, die dem ius cogens zugehören. Da die Entwicklung des Ius-cogens-Prinzips maßgeblich durch die International Law Commission beeinflußt wurde, ist zunächst ihrer Konzeption des ius cogens nachzugehen. Dabei wird sich herausstellen, daß sich diese im Zusammenhang mit anderen Projekten der ILC im Laufe der Zeit über das Vertragsrecht hinaus erweitert hat. Auch diese zusätzlichen Elemente werden nachfolgend unter die Begriffe „zwingendes Völkerrecht" und „ius cogens" gefaßt. 65
ning United States Diplomatie and Consular Staff (ICJ Rep. 1979, 20) in Anspruch genommen werden, in der die Bedeutung der diplomatischen Immunität als „imperative" Norm betont wird, ohne diese zwingendem Recht zuzuordnen. 59 Diese Bezeichnung ist in der anglo-amerikanischen Lehre üblich, gilt dort aber auch für prozessuale Einreden, s. Black's Law Dictionary , S. 1023, Stw. „peremptory" und folgende. 60 Im internen Recht kann der Begriff der „public policy" ein Ermessenselement aufweisen, das sein völkerrechtliches Pendant nicht besitzt, s. Schiedsspr. Taft in re Aguilar -Amory and Royal Bank of Canada Claims, RIAA I, 371 (384). 61 Dieses Konzept deckt sich, anscheinend anders als sein französisches Komplementärprinzip, vollständig mit zwingendem Recht, s. Marin Lopez, Homenaje Sela, 61 ff. 62 Die \brstellungen entsprechen weitgehend denen der frz. Rechtsordnung; vgl. Paladin, Stw. „ordine pubblico", in: Novíssimo Digesto XII, S. 133 f., mit Bezug zum Völkerrecht S. 134. 63 In der sowjetischen Lehre kam dieser Vbrstellung bisher eine dynamische Komponente zu, die in den Dogmen des Marxismus-Leninismus begründet lag, s. Blishchenko, AJIL 69 (1975), %21\Aleksidze, Nekotorye voprosy, S. 193. 64 Siehe Ray, RdC 48 (1934-11), 635,647ff., 677 ff; in der ILC vertraten diese Auff Lachs, YILC 1963-1, 68 und Tunkin, 69; für die Lit Detter, ICLQ 15 (1966), 1069 ff; Koloma, S. 145; Vgl. zu Deutschland Vagts, AJIL 84 (1990), 688; zur sowjetischen Position Schweisfurth (Internationaler Vertrag, S. 37, 214 ff.) und Morvay, EPIL 7, 514; zur Volksrepublik China Cohen / Chiu, People's Republic, S. 6, 108, 131, 373 f., 457 ff, 1049, 1051, 1115 f., 1119, 1128 f., 1168 ff, 1244 ff, 1314. 65 Zu dem Streit, ob ius cogens nach geltendem Recht über das Vertragsrecht hinaus Bedeutung hat, wird hier noch nicht Stellung genommen. Es wird lediglich einer Ansicht des Schrifttums nicht gefolgt, nach der der Begriff des ius cogens nur im Bereich des Rechts der Verträge verwendet werden sollte. In diesem Sinne Mosler, Schweiz. Jb. Int'l R. 25 (1968), 25. 3*
2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der International Law Commission und nach der Wiener Vertragsrechtskonvention
I . Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
1. Kodifikationsprojekte auf Expertenebene Bereits in privaten Kodifikationen des Völkerrechts wird das Problem der inhaltlichen Rechtswidrigkeit internationaler Verträge behandelt. Nach Bluntschli sind „Verträge, deren Inhalt das allgemein anerkannte Menschenrecht oder die bindenden Gesetze des Völkerrechts verletzen, [...] ungültig." 1 Fiore verlangt als Voraussetzung eines gültigen völkerrechtlichen Vertrages einen nach den Grundsätzen des Völkerrechts erlaubten Vertragsgegenstand. Kein Staat dürfe sich verpflichten gegen das positive Völkerrecht oder gegen die Gebote der Moral und der universellen Gerechtigkeit zu handeln.2 Nicht behandelt wurde die Problematik in den Restatements von Field 3 und der Harvard Law School. 4 Der Kodifikationsentwurf, den die International Commission of American Jurists 1927 vorlegte, enthielt eine Bestimmung, die sogar die Derogation einer multilateralen Konvention durch zwei oder mehrere ihrer Partner ausdrücklich zuließ. 5 In dieser Form fand sie Eingang in die InterAmerican Convention on Treaties vom 28. Februar 1928.6
1 Bluntschli, Modernes Völkerrecht, § 410; seine Beispiele sind (§§ 411 f.): Verträge die a) die Sklaverei einführen, verbreiten oder schützen; Fremde als rechtlos erklären; b) die freie Schifffahrt auf hoher See verhindern; c) Verfolgungen des Glaubens wegen anordnen; d) die Universalherrschaft eines Einzelstaates über die Welt oder e) die gewaltsame Unterdrückung eines friedlichen und lebensfähigen Staates bezwecken. 2 Fiore , Diritto internazionale, §§ 742 lit. c, 755. 3 Field, Outlines, S. 78 ff. 4 Art 22 V des Research in International Law, Under the Auspices of the Faculty of the H vard Law School, Part III: Law of Treaties, Reporter: James W. Garner, AJIL 29 Supp. (193 657 (661) enthält lediglich einen Vorschlag zur Vertragskonkurrenz; gegen diese Auslassung richtet sich die Kritik von Verdross, AJIL 31 (1937), 571 ff. 5 Draft of the International Commission of American Jurists, AJIL 29 Supp. (1935), 1222 ff 6 Abgedr. in AJIL 22 Supp. (1928), 138; Art. 18 sieht vor, daß „two or more States may agree that their relations are to be governed by rules other than those established in general conventions celebrated by them with other States."
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
37
Ein Expertenkomitee des Völkerbundes hatte sich 1926 die Untersuchung der Frage zur Aufgabe gemacht, ob Regeln zum Entwurf und Abschluß völkerrechtlicher Verträge formuliert und zur allgemeinen Verwendung vorgeschlagen werden könnten. 7 Hierzu gingen in den folgenden Jahren einige Stellungnahmen von Mitgliedsstaaten ein, in denen auch die Frage materiell ungültiger Verträge angeschnitten wurde. 8 Zu einer weiteren Ausarbeitung des Projektes kam es jedoch nicht. Als die International Law Commission ihre Vorarbeiten zu einer Kodifikation des Vertragsrechts aufnahm, war sie demnach das erste Expertengremium, das sich mit zwingendem Völkerrecht befaßte. Die Berichte des ersten Rapporteurs, Brierly, enthielten hierzu noch keine Vorschläge, 9 was das Kommissionsmitglied Yepes veranlaßte, einen entsprechenden Entwurf zu Protokoll zu geben. 10 Über diesen aus naturrechtlichem Denken inspirierten Text wurde jedoch nicht beraten. 11 Der Bericht des zweiten Rapporteurs, Lauterpacht, enthielt einen Vorschlag, demzufolge ein Vertrag nichtig sein sollte, wenn dessen Erfüllung einen Akt zur Folge haben würde, der nach Völkerrecht illegal sei, allerdings nur nach Ungültigerklärung durch den I G H . 1 2 Die Wahl des Begriffe „illegal" statt „immoral" und das Erfordernis eines obligatorischen Feststellungsurteils des IGH drücken die Befürchtung aus, das Ius-cogens-Prinzip könne mißbraucht werden, um sich nach Belieben von unbequemen vertraglichen Pflichten lösen zu können. 13 Als Normbeispiele führte Lauterpacht in seinem Kommentar die Verbote des Angriffskrieges, der Sklaverei, der Piraterie und der Kaperei an. 1 4 Er fügte jedoch hinzu:
7 Vgl. die Materialien in: Bases de la discussion de la SdN pour la Codification du droit inte national, tom. III. 8 Siehe z.B. Südafrika, Note v. 11. 12. 1928, SdN Doc. C.75.M.69.1929 V, S. 163. 9 YILC 1950-11, 222 ff.; 1951-11., 70 ff. (2d Report); 1952-11, 50 ff. (3rd Report); hier ging es zunächst nur um Definitionsprobleme und formelle Gültigkeitsvoraussetzungen völkerrechtlicher Verträge. Brierly selbst stand der Konzeption zwingenden Rechts ablehnend gegenüber, vgl. RdC 58 (1936-IV), 219 und Law of Nations, S. 257 f. 10 YILC 1950-11, 299 f., wh. YILC 1953-11, 165 f.: „Des traités qui ne violent pas ouvertement un principe du droit international mais qui sont, néanmoins, contraíres à la morale internationale ou qui dérogent à la règle de la bonne foi dans les relations internationales méritent aussi une flétrissure et doivent être annulables par décision judiciaire." Es gebe „[e]n dehors et au-dessus de la volonté de l'Etat [...] d'autres principes -d'une origine plus noble -que l'Etat doit respecter parce qu'ils sont antérieurs et supérieures à l'Etat." 11 Siehe Stellungnahme Brierly , Report, YILC 1950-11, 224. 12 „Art. 15: A treaty, or any of its provisions, is void if its performance involves an act which is illegal under international law and if it is declared so to be by the International Court of Justice", YILC 1953-11, 154. 13 Bedenken schon bei Lauterpacht, RdC 62 (1937-IV), 307 f. Sein Kommentar zu Art. 15 betont den strengen Ausnahmecharakter zwingenden Rechts. Es handele sich um „overriding principles of international public policy (ordre public international)". Er zog den Begriff „illegal" dem der „international morality" vor, um dem Gericht nicht zu viel Ermessen einzuräumen, s. Report, YILC 1953-11, 155 und Oppenheim / Lauterpacht, International Law I, S. 896 f., 946. i* Lauterpacht, Report, YILC 1953-11, 154 f.
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
"These principles need not necessarily have crystallized in a clearly accepted rule of law such as prohibition of slavery or of aggressive war. They may be expressive of rules of international morality so cogent that an international tribunal would consider them as forming part of those principles of law generally recognized by civilized nations which the International Court of Justice is bound to apply by virtue of Article 38 (3) of its Statute."
Danach handelt es sich bei zwingendem Recht um allen Staaten gemeinsame moralische Vorstellungen, die in das Völkerrecht inkorporiert worden sind. Die Berufung auf vorstaatliche Prinzipien sollte gerade nicht möglich sein. Von dieser Konzeption unterschied sich der Entwurf des dritten Berichterstatters, Fitzmaurice. 15 Zum einen verwandte er statt des Begriffs der Rechtswidrigkeit den des ius cogens. Zum anderen wurden die Möglichkeiten der inhaltlichen Überprüfung internationaler Abkommen um die Variante des „unethischen" Vertrages erweitert. 16 Während zwingend rechtswidrige Verträge ungültig (invalid) sein sollten, seien unethische Vereinbarungen nur nicht durchsetzbar (unenforceable). 17 Von der konstitutiven gerichtlichen Nichtigerklärung wird in diesem Vorschlag abgerückt. Statt dessen müssen die Parteien eine einvernehmliche Klärung suchen, nach deren Scheitern der IGH zuständig wird. Läßt sich der Streitgegner auf einen Prozeß nicht ein, kann der Anspruchsteller die Nichtigkeit einseitig erklären, wenn er selbst die Vorlage an das Gericht angeboten hat. 1 8 In Fitzmaurice's Kommentar tauchen dieselben Beipielsnormen auf wie bei Lauterpacht, erweitert um den Schutz Kriegsgefangener vor Exekution. Viele Normen des ius cogens dienen seiner Ansicht nach dem Schutz des Individuums. 19 Was allen oder den meisten Normen des ius cogens gemeinsam sei „[...] evidently is that they involve not only legal rules but considerations of morals and international good order." 20
Auch dieser Vorschlag wurde in der Folgezeit ad acta gelegt. 21 Der vierte Berichterstatter der ILC zum Recht der Verträge, Waldock, übermittelte in seinem Report die nunmehr dritte Version, in der er sich mit einer Kombination aus einer formellen, an den Rechtsfolgen orientierten Definition 2 2 und Regel-
15 YILC 1956-11,109,119; 1957-11, 29 f., 51 (2nd Report); 1958-11, 22 ff., 39 ff. (3rd Report); 1959-11, 37, 49, 71 (4th Report). 16 3rd Report, YILC 1958-11, 28; unethisch bedeutet danach „clearly contrary to humanity, good morals, or to international good order or the recognized ethics of international behaviour." 17 3rd Report, YILC 1958-11, 28, 45; „unenforceable" soll bedeuten,daß sich ein Gericht weigern darf, einen solchen Vertrag anzuwenden, selbst wenn kein Staat dessen Gültigkeit anzweifelt. Siehe bereits van Eysinga und Schücking in ihren diss. opns.in der Affaire Oscar Chinn, CPJI-Re sér. A/B, no. 63, S. 135, 149 f. 18 Fitzmaurice , 3rd Report, YILC 1958-11, 29. » A.a.O. 39 f. 20 A.a.O. 40. 21 Siehe HC Report, YILC 1961-11, 128, para. 39. 22 Waldock, 2nd Report, YILC 1963-II, 39. Art 1 III lit c lautete: „'Jus cogens' means a peremptory norm from which no derogation is permitted except upon a ground specially sanctioned by general international law, and which may be modified or annulled only by a subsequent norm of general international law." Art 13 I: „A treaty is contrary to international law and void if
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
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beispielen 2 3 einer neuen Methode bediente. Es handele sich nicht einfach u m die Rechtswidrigkeit v o n Verträgen, da nicht jeder Regelverstoß zur Nichtigkeit führe. Das Prinzip sei „ a n overriding one o f international public o r d e r . " 2 4 Die nähere Ausgestaltung müsse Staatenpraxis und Rechtsprechung vorbehalten b l e i b e n . 2 5 W i e sich aus den Beratungen über diese V o r l a g e 2 6 ergibt, war aber auch i n dieser Phase der Arbeiten sicher, daß sich die Normen des zwingenden Rechts allein durch ihren Inhalt v o n anderen völkerrechtlichen Normen unterscheiden s o l l t e n . 2 7 So wurde i n der U N - C h a r t a , 2 8 vor allem i n ihren Bestimmungen über das Verbot des Angriffskrieges, und i n Normen, die dem Schutz v o n Menschenrechten d i e n e n 2 9 der Standort zwingender Normen gesehen. Über ihren moralischen Gehalt bestand E i n i g k e i t . 3 0 Verschiedentlich wurde darauf hingewiesen, daß die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und die aus ihnen heraus entstandenen Prinzipien der Charta des Nürnberger Militärtribunals ebenso w i e die gleichfalls i n diesem Kontext zu sehende UN-Charta den historisch-rechtlichen Rahmen abgaben, der die Entwicklung eines moralisch inpirierten Völkerrechtsverständnisses erst ermöglicht h a b e . 3 1 A u c h die von Waldock i n Textentwurf und Bericht gewählten B e i s p i e l e 3 2 und andere, die dann i n den ILC-Kommentar übernommen w u r d e n , 3 3 spiegeln diese Hal-
its object or its execution involves the infringement of a general rule or principle of international law having the character of jus cogens." 23 In Art 13 II hieß es: „In particular, a treaty is contrary to international law and void if its object involves (a) the use or threat of force in contravention to the principles of the Charter of the United Nations; (b) any act or omission characterized by international law as an international crime; or (c) any act or omission in the suppression or punishment of which every State is required by international law to cooperate." 24 Waldock, 2d Report YILC 1963-II, 53. 25 Waldock, 2d Report YILC 1963-11, 53; 1963-1, 213 (mdl. Stellungnahme); ILC-Kommentar, YILC 1963-11, 198 f. 26 Siehe 15. Sitzungsperiode, mtg. 683-685, 691-692, 695-697, 701, 703, 705, 711, 717 und 720, in: YILC 1963-1, 60 ff., 115 ff., 148 ff., 184 ff., 197fif., 213 ff., 256 ff., 291 f., 296 und 314; ferner 17. Sitzungsperiode, mtg. 828, 835, 840, 842, 846, 865, 890-893, in: YILC 1966-1, Teü I, 36 ff., 87 ff., 121, 131; Teü II, 15 ff., 160 ff., 309, 314, 332 ff. 27 YILC 1963-1, 63 (Yasseen), 66 (BartoS), 69 (Timkin), 72 (de Lunä). Siehe auch ILC Report, YILC 1966-11, 248: „It is not the form of a general rule of international law but the particular nature of the subject-matter with which it deals that may, in the opinion of the Commission, give it the character of jus cogens." 28 YILC 1963-1, 63 (Tabibi ), 65 (Pal). 29 YILC 1963-1, 63 (Tabibi), 65 (Pat), 74 (Jiménez de Aréchaga); YILC 1966-1, Teü I, 40 (Waldock). 30 YILC 1963, 63 (Yasseen ), 64 (Rosenne), 65 (Pal); 72 (Waldock); YILC 1966-1, Tefl I, 37 (Verdross); 39 (de Luna). 31 Siehe YILC 1963-1, 65 (Pal); 74 (Jiménez de Aréchaga). 32 Siehe o. Fn. 23; die genannten Normen haben eine strafrechtliche Komponente, die von der Nürnberger Charta (Agreement for the Prosecution and Punishment of the Major War Criminals the European Aaasund Charter of the International Criminal Tribunal* . 8. 8. 1945, UNTS 82, 284 inspiriert ist. 33 YILC 1963-11, 199; 1966-11, 248: Das Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechte waren nur als Beispielsnonnen in den ILC-Kommentar aufgenommen worden, wenn deren Verletzung zugleich ein völkerrechtliches Verbrechen darstellt, s. o. Fn. 23; vgl. aber ILC Report, YILC 1966-11, 248: „[TJreaties violating humanrights,the equality of states or the principle of self-determination were mentioned as other possible examples."
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
tung. Schutz der Menschenrechte, Selbstbestimmung und Friedenssicherung, die durch diese Beispielsnormen geschützt werden sollen, sind nicht zufällig auch Hauptzwecke der UN-Charta. Die Beratungen ließen zwar Einmütigkeit der ILC-Mitglieder hinsichtlich der Existenz des Ius-cogens-Prinzips erkennen. Ebenso deutlich wurde jedoch, daß die politischen und rechtstheoretischen Ausgangspositionen sehr verschieden waren. Während die einen den konsensualen, positivrechtlichen Charakter zwingenden Rechts herausstellten, 34 sahen andere Bezüge zu einer objektiven Ordnung, die sie zum Teil aus der U N C , 3 5 teilweise aber auch aus überpositiven Regeln 36 abzuleiten suchten. Zum Inhalt möglicher Regeln gab es über die im ILC-Kommentar genannten hinaus verschiedene Vorschläge. 37 Die meisten Teilnehmer zogen es schließlich vor, sowohl auf eine Definition als auch auf einen Beispielskatalog zu verzichten, um die Praxis nicht frühzeitig in eine bestimmte Richtung zu lenken. 38 Die verabschiedete Formel 39 war abstrakt genug, daß sie einstimmig akzeptiert werden konnte. 40 Obwohl man sich über die entscheidende Bedeutung des Inhaltes für die Qualifizierung einer Norm als ius cogens einig war, blieben deshalb als Elemente einer zwingenden Regel für den Textentwurf lediglich formelle Kriterien übrig. In dieser Form wurde das Ius-cogens-Prinzip als Art. 37 in den Konventionsentwurf der ILC aufgenommen, 41 der UN-Generalversammlung nebst Kommentar vorgelegt 4 2 und dort im Sechsten Ausschuß beraten. 43 Regierungen gaben schriftliche Stellungnahmen ab, 4 4 von denen die meisten positiv ausfielen. 45 Auch in den Kommentaren der Staaten wurde die Konnotation des ius cogens mit der internationalen Moral, 4 6 den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges 47 und
34 Siehe YILC 1956-1, 224 (Sundström); YILC 1963-1, 63 (Yasseen ), 69 (Tunkin). 35 YILC 1963-1, 65, 67 (Pal). 36 YILC 1963-1, 64 (Rosenne), 71 f. (de Luna). 37 Siehe YILC 1963-1, 67 (Pal: UN-Charta), 68 (Lachs: Gleichberechtigung der Vertragspartner), 70 (Jiménez de Aréchaga: gegen Verbot der ungleichen Verträge als Regel des ius cogens), 71 (Ago: zur Schiffahrtsfreiheit), 78, 216 (Waldock: IGH-Statut zwischen den Streitparteien), 125 (Verdross: die vier Genfer Abkommen von 1949), 197 (Tunkin: pacta sunt servanda). 38 Vgl. YILC 1963-1, 65 f. (Castrén\ 66 (Ago), 68 (Amado). 39 Nach einigen redaktionellen Änderungen kam es zu folgender Fassung: „A treaty is void if it conflicts with a peremptory norm of general international law from which no derogation is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character," YILC 1963-1, 213, 291. 40 YILC 1963-1, 292. 41 YILC 1963-1, 314. 42 ILC Report, YILC 1966-11, 247 ff. 43 U.N. GAOR C.6 18 (1963), mtg. 780-793; 20 (1965), mtg. 843-851; 21 (1966), mtg. 905-917; nach Artikeln des Entwurfs geordnet finden sich die Stellungnahmen in YILC 1966-11,1 ff., zu Art. 37 a.a.O., 20 ff. 44 Abgedr. in YILC 1966-11, 279 ff., 327 ff. 45 So Algerien, Brasilien, Bulgarien, Ekuador, Ghana, Guatemala, Indonesien, Irak, Israel, Italien, Jugoslawien, Marokko, die Niederlande, Pakistan, Panama, die Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Syrien, Thailand, die Tschechoslowakei, die UdSSR, die ukr. SSR, Ungarn, Uruguay, Venezuela, die Vereinigten Arabischen Republiken und Zypern. 46 Algerien, YILC 1966-11, 20. 47 Brasilien, YILC 1966-11, 21.
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
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den Zielen der UN-Charta deutlich, 48 also Menschenrechten, 49 Selbstbestimmung 5 0 und Friedenssicherung. 51 Daneben waren auch kritische Stimmen vernehmbar, die wegen der Unbestimmtheit des Prinzips und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit Bedenken anmeldeten.52 Als Sicherheit wurde ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren verlangt. 53 Nur eine Regierung lehnte das ganze Prinzip als solches ab. 5 4 Dieses Ergebnis konnte einmal dahin interpretiert werden, daß das Ius-cogens-Prinzip ein gefestigter Grundsatz des allgemeinen positiven Völkerrechts sei. 55 Andererseits war einzuwenden, daß die überwiegende Zustimmung der Staaten angesichts der Abstraktheit des Textentwurfes und des mit seinem hohen moralischen Anspruch verbundenen Appells an das politische Ehrgefühl nicht unerwartet kam, über das geltende Recht aber wenig aussagte.56 Die Kommission nahm den Vorschlag mehrheitlich in ihren endgültigen Entwurf auf, 5 7 der dann der 1968 und 1969 in Wien tagenden Staatenkonferenz zur Verhandlung vorlag. 58
2. Die Wiener Konferenz Auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz ließen die Staaten dieselbe ambivalente Haltung erkennen, die bereits in der Vorbereitungsphase zutage getreten war. Einerseits bekannten sich die Staatenvertreter ausdrücklich zu der Notwendigkeit, der Handlungsfreiheit der Staaten durch das Ius-cogens-Prinzip materielle, wenn nicht moralische Grenzen zu ziehen. 59 Einige Delegationen stellten da-
48 Großbritannien, YILC 1966-11, 20; Italien, 22; Vereinigte Arabische Republiken, 23; Tschechoslowakei, 287. 49 Zypern, YILC 1966-11, 22; Philippinen, 22; Spanien, 22; Portugal, 327; USA, 354. 50 Philippinen, YILC 1966-11, 22; ukr. SSR, 23; UdSSR, 23; USA, 354. 51 Zypern, YILC 1966-II, 22. 52 Luxemburg, YILC 1966-11, 20; Großbritannien, 340; Schweden, 344; Türkei, 344; USA, 354. 53 Türkei, YILC 1966-II, 21; USA, 354. 54 Luxemburg, YILC 1966-11, 20; Frankreich hatte bis zu diesem Zeitpunkt lediglich angedeutet, daß es Art. 37 für eine „Schlüsselvorschrift" des Kodifikationsvorhabens halte (a.a.O. 22). 55 So wohl die Mehrheit innerhalb der ILC, s. YILC 1966-1, Teil I, 37 (Verdross), 39 (de Luna, BartoS), 41 (Ago). 56 YILC 1966-1, Teil I, 40 (Briggs, Cadieux); 121 (Reuter). 57 Es wurden wiederum kleinere Änderungen vorgenommen. Der neue Art. 50 des Entwurfes, überschrieben „Treaties conflicting with a peremptory norm of general international law (jus cogens)", lautete: „A treaty is void if it conflicts with a peremptory norm of general international lawfrom which no derogaton is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character," YILC 1966-11, 247; das Abstimmungsergebnis innerhalb der ILC fiel mit 14:1 bei einer Enthaltung für diesen Artikel günstig aus, YILC 1966-1, Teil I, 121. 58 Die Einberufung der Konferenz ging auf U.N. GA Res. 2166 (XXI) v. 5. 12. 1966 zurück, abgedr. in U.N. CLOT OR I, xi. 59 Siehe Suárez (Mexico), U.N. CLOT OR I, 294 (ius cogens als „legal conscience of mankind"); Yasseen (Irak), 296 („deeply rooted in the conscience of mankind"); Fattal (Libanon), 297 („shared philosophy of values", ein Teil davon „based on morality", der andere auf das „interna tio-
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
bei den positivrechtlich-konsensualen Charakter zwingenden Rechts heraus, 6 0 andere nahmen es für ein naturrechtliches Weltbild i n Anspruch. 6 1 A l s entscheidende historische Faktoren wurden, wie schon in der I L C , die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges 6 2 und die Reaktion darauf durch die UN-Charta angesehen. 63 Entsprechend häufig wurden Normen als Beispiele für ius cogens genannt, die der Verwirklichung der Ziele der Charta dienen sollen. Dabei wurden Rechtssätze angeführt, die den Schutz der einzelstaatlichen Sphäre bezwecken wie das Gewaltverbot, 6 4 die Prinzipien der Souveränität, rechtlichen Gleichheit und politischen Unabhängigkeit der Staaten, 65 das Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten 6 6 und die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung. 6 7 Zum anderen wur-
nal constitutional law" insbes. der UNC); Ogundere (Nigeria), 298 („international morality"); Ratsimbazafi (Madagascar), 301 („superior rules of law prohibiting certain acts rebuked by the conscience of mankind", „their peremptory character depend[ing] on their content"); Ruiz Varela (Kolumbien), 301 („firm moral basis"); Jiménez de Aréchaga (Uruguay), 303 („principles which chimed with [...] essential interests [of the international community] and its fundamental moral ideas"); Maresca (Italien), 311 („law which had its first source in mankind's awareness of the law"); Bolintineanu (Rumänien), 312 („values forming the common heritage of all peoples"); Amado (Brasilien), 317 (zust. Zitat von McNair, Law of Treaties, S. 213ff.: „In every civilized community there are some rules of law and some principles of morality which individuals are not permitted by law to ignore or to modify by their agreements"); Smejkal (Tschechoslowakei ), 318 („indispensable for the protection of public order, the community of States and the maintenance of the standards of public morality", „indispensable for international life and [...] deeply rooted in the international conscience"); Yapobi (Côte d' Ivoire), 321 („introducing the element of morality into interState relations"); Bishota (Tansania), 321 („The article [i.e. der spätere Art 53 WVRK] was a simple and clear declaration which meant that man was capable of feeling love, compassion and respect for his fellow men"); Mendoza (Philippinen), 323 („conscience of men and of nations would make it easier to determine eventually the objective content of ius cogens"); Maiga (Mali), 327 („moral and spiritual values inherent in ius cogens"); Alvarez Tabio (Kuba), 387 (entgegenstehende Abkommen seien „illicit and immoral"); Biloa Tang (Kamerun), U.N. CLOT OR II, 98 (skeptisch: „most of the rules of ius cogens were merely tokens of a moral aspiration and were a bone of political contention"); Redendo-Gomez (Costa Rica), 105 („based on higher moral principles"). 60 So z.B. Bokor-Szegö (Ungarn), U.N. CLOT OR I, 311. 61 Maresca (Italien), U.N. CLOT OR I, 311; Garcia Ortiz (Ekuador), 320; Redendo Gomez (Costa Rica), U.N. CLOT OR II, 105; vgl. auch Bishota (Tansania), U.N. CLOT OR I, 321, demzufolge ius cogens ewig und unveränderlich ist. 62 Fattal (Libanon), U.N. CLOT OR I, 297; Ogundere (Nigeria), 298; Cole (Sierra Leone), 301; Yapobi (Côte d'Ivoire), 320 f.; Maiga (Mali), 327. 63 In der UNC sehen viele Stellungnahmen die primäre Quelle des ius cogens, s. Khlestov (UdSSR), U.N. CLOT OR I, 294; Fattal, (Libanon), 297; Cole (Sierra Leone), 300; Ratsimbazafi (Madagscar), 301; Nahlik (Polen), 302; Jacovides (Zypern), 305; Kudryavtsev (BSSR), 307; Jagota (Indien), 308; Bolintineanu (Rumänien), 312; Harry (Australien), 317; Smejkal (Tschechoslowakei), 318; Baden-Semper (Trinidad und Tobago), 327; Valencia-Rodriguez (Ekuador), U.N. CLOT OR II, 96; Alvarez Tabio (Kuba), 97; Makarevich (ukr. SSR), 100. 64 Khlestov (UdSSR), U.N. CLOT OR I, 294; Alvares Tabio (Kuba), 296; Fattal (Libanon), 297; Jacovides (Zypern), 305; Smejkal (Tschechoslowakei), 318; Fleischhauer (BR Dtld), 318; Garcia Ortiz (Ekuador), 320; Abad Santos, (Philippinen), 323; Dons, (Norwegen), 325; Ariff (Malaysia), 326; Maresca (Italien), U.N. CLOT OR II, 104; lyurin (BSSR), 105; Sinha (Nepal), 107. 65 Khlestow (UdSSR), U.N. CLOT OR I, 294; Cole (Sierra Leone), 300; Dadzie (Ghana), 301; Smejkal (Tschechoslowakei), 318; Maresca (Italien), U.N. CLOT OR II, 104; lyurin (BSSR), 105. 66 Khlestow (UdSSR), U.N. CLOT OR I, 294; Jacovides (Zypern), 306; Groepper (BR Dtld.), U.N. CLOT OR II, 96; Valencia Rodriguez (Ekuador), 96. 67 Valencia Rodriguez (Ekuador), U.N. CLOT OR II, 96.
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
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de die Bedeutung von Normen herausgestellt, die den Interessen von Gruppen und Individuen gelten. Allgemein wurde der Zusammenhang von Menschenrechten und ius cogens betont. 68 Im Einzelnen wurden das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 69 das Verbot von Völkermord, 70 Sklaverei und Sklavenhandel,71 Zwangsarbeit, 72 Rassendiskriminierung, 73 Piraterie, 74 Normen des humanitären Völkerrechts 75 sowie die Regeln über diplomatische und konsularische Beziehungen 7 6 als Beispielsnormen angegeben. Es traten aber auch Differenzen auf. Mehrere Delegierte störten sich an der Vagheit des Verhandlungstextes und gaben der Befürchtung Ausdruck, er könne zum Vorwand genommen werden, unbequeme Abkommen nach Belieben aufzukündigen 77 oder sich ungerufen in Verträge Dritter einzumischen. 78 Daher forderte man eine genauere Definition 79 oder die verbindliche Einschaltung einer unabhängigen Streitschlichtungsinstanz. 80 Weitere Bedenken wurden hinsichtlich der Entstehungsvoraussetzungen des ius cogens angemeldet. 8 1 So müsse einerseits die universelle Anerkennung der betreffenden Regel verlangt werden, andererseits sei ein abweichender Vertrag unter Umständen gerade ein Beweis dafür, daß es an einem derart weitreichenden Konsens fehle. 82 Lockere man die Anforderungen an den Nachweis einer zwingenden Norm, bestehe wiederum die Gefahr, daß einer dagegen nicht geschützten
« Allgemein Castrén (Finnland), U.N. CLOT OR I, 295; Mwendwa (Kenia), 296; Fattal (Libanon), 297; Cole (Sierra Leone), 300; Jiménez de Aréchaga (Uruguay), 303; Jacovides (Zypern), 306; Maresca (Italien), 311; Yapobi (Côte d'Ivoire), 321; Robertson (Kanada), 323; Groepper (BR Dtld.), U.N. CLOT OR II, 96. 69 Cole (Sierra Leone), U.N. CLOT OR I, 300; Dadzie (Ghana), 301; Jacovides (Zypern), 306; Kudryavtsev (BSSR), 307; Smejkal (Tschechoslowakei), 318; Nahlik (Polen), U.N. CLOT OR II, 99; Tyurin (BSSR), 105. 70 Fattal (Libanon), U.N. CLOT OR I, 297. 71 Fattal (Libanon), U.N. CLOT OR I, 297; Cole (Sierra Leone), 300; Smejkal (Tschechoslowakei), 318. 72 Cole (Sierra Leone), U.N. CLOT OR I, 300. ^ Dadzie (Ghana), U.N. CLOT OR I, 301. 74 Smejkal (Tschechoslowakei), U.N. CLOT OR I, 318. 7 * Fattal (Libanon), U.N. CLOT OR I, 297; Maresca (Italien), 311. 76 Maresca (Italien), U.N. CLOT OR I, 311. 77 Fattal (Libanon), U.N. CLOT OR I, 297; Banos (Chile), 299; Miras (Türkei), 300; Ratsimbazafi (Madagascar), 301; Verosta (Österreich), 303; Sinclair (Großbritannien), 304; de Bresson (Frankreich), 309; Small (Neuseeland), 312; Harry (Australien), 316; Fleischhauer (BR Dtld.), 319; Pinto (Sri Lanka), 319; Ruegger (Schweiz), 324; Dons (Norwegen), 325; Hubert (Frankreich), U.N. CLOT OR II, 94; Biloa Tang (Kamerun), 98; Eschauzier (Niederlande), 105. 78 Ramani (Malaysia), U.N. CLOT OR II, 105. 79 So z.B. Sinclair (Großbritannien), U.N. CLOT OR I, 305. Ein Vorschlag Großbritanniens, ius cogens in einem gesonderten Verfahren durch Regelbeispiele oder weitere Kriterien zu spezifizieren, blieb erfolglos, s. Vallat (Großbritannien), U.N. CLOT OR II, 97. «0 Fattal (Libanon), U.N. CLOT OR I, 297; Miras (Türkei), 300; Fujisaki (Japan), 318; Robertson (Kanada), 323; Rey (Monaco), 324; Hubert (Frankreich), U.N. CLOT OR II, 94, 203; de la Guardia (Argentinien), 124. «1 Dons (Norwegen), U.N. CLOT OR I, 325; Hubert (Frankreich), U.N. CLOT OR II, 94; Ruegger und Bindschedler (Schweiz), 103, 123. 82 Eek (Schweden), U.N. CLOT OR I, 307.
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
Minderheit Pflichten aufgezwungen würden, die sie freiwillig nicht zu übernehmen bereit sei. 8 3 Solche Unsicherheiten wirkten sich bereits bei Abschluß eines Vertrages aus 84 und würden durch die Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Abkommen in das nationale Recht hineingetragen. 85 Aus praktischer Perspektive wurde eingewandt, daß die vertragliche Verabredung zu Straftaten wie Völkermord und Sklaverei sehr unwahrscheinlich und daher nicht regelungsbedürftg sei. 8 6 Komme es einmal zu einem Konflikt zwischen Partnern eines solchen Abkommens, werde sich kein Beteiligter auf ius cogens berufen; denn er müsse dann erklären, warum er sich auf einen Vertrag überhaupt eingelassen habe. 87 Dem wurde entgegnet, daß es auch im nationalen Recht abstrakte Prinzipien gebe, deren nähere Ausgestaltung man der Anwendungspraxis überlasse. 8 8 Mißbrauch sei immer möglich, doch gelte dies nicht nur für ius cogens, sondern für das gesamte Recht. 89 Gegenüber den Vorschlägen zu einer obligatorischen gerichtlichen Streitbeilegung waren viele Delegationen reserviert; vereinzelt wurde geltend gemacht, ein solcher Weg würde die Rechtsentwicklung dem Richter unterordnen und die Ziele in Frage stellen, die mit dem zwingenden Recht verfolgt würden, weil sich judikative Praxis zu langsam fortbilde. 90 Da der Staat, der die Gültigkeit eines Vertrages in Zweifel zieht, die Existenz einer entgegenstehenden Norm zwingenden Rechts nachweisen müsse, sei die Mißbrauchsgefahr nicht allzu groß. 91 Ius cogens sei kein Vehikel politischen Mißbrauchs, sondern, im Gegenteil, zum Schutze der Schwächsten bestimmt, deren stärkste, wenn nicht einzige Waffe das Recht sei. 9 2 Um den Kritikern entgegenzukommen, einigte man sich darauf, die Vorlage der ILC in zwei Punkten zu verändern. Zum einen wurde der Grad der für eine zwingende Norm erforderlichen Anerkennung spezifiziert. Es hat sich danach um eine Regel des allgemeinen Völkerrechts zu handeln, die von der Staatengemeinschaft als ganzer als zwingend angenommen und anerkannt
83 Ratsimbazafi ÇMadagascar ), 301; de Bresson ÇFrankreich ), U.N. CLOT OR II, 94 f.; Biloa Tang (Kamerun), 98. W Devadder (Belgien ), U.N. CLOT OR I, 320; Hubert (Frankreich), U.N. CLOT OR II, 94, 124, 203. a* De Bresson (Frankreich), U.N. CLOT OR I, 309. 86 Vgl. Ruegger (Schweiz), U.N. CLOT OR I, 324. 87 Kebreth (Äthiopien), U.N. CLOT OR I, 314. 88 Abad Santos (Philippinen), U.N. CLOT OR II, 85; s. auch Waldock (Sonderberater der Konferenz), U.N. CLOT OR I, 327, sowie bereits Spender, sep. opn., im niederländisch-schwedischen Vbrmundschaftsstreit, ICJ Rep. 1958, 122 zum Begriff der (internen) public policy: „It cannot be determined in a formula. It is a conception." 99 So Jiménez de Aréchaga (Uruguay), U.N. CLOT OR II, 303; Bolintineanu (Rumänien), 312. 90 Yasseen (Irak), U.N. CLOT OR I, 296. Es hätte noch angeführt werden können, daß der Mangel zentraler Entscheidungskompetenzen gleichfalls nicht spezifisch zwingendes Recht trifft, sondern ein Grundproblem des Völkerrechts insgesamt ist, s. Virally, A.F.D.I. 12 (1966), 22. 91 Groepper (BR Dtld.), U.N. CLOT OR II, 96; Maresca (Italien), 104. 92 Maiga (Malí), U.N. CLOT OR I, 327.
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
45
(„accepted and recognized by the international community of States as a whole as a norm from which no derogation is permitted") sein muß. 9 3 Doch auch diese Formel warf noch die Frage auf, ob die Norm nun von ausnahmslos jedem Staat anerkannt werden müsse, oder ob der Widerspruch einzelner Staaten unschädlich sei. 9 4 Im letzteren Falle wäre zu klären, wie groß eine solche Minorität noch sein dürfte, ohne die Entstehung zwingenden Rechts blockieren zu können. 95 Den Weg zu einer Lösung scheint ein Vorschlag zu weisen, der zwar nicht völlige Einstimmigkeit, aber die Anerkennung einer Regel als zwingend durch die überwiegende Mehrheit der Staaten unter Beteiligung aller wichtigen Rechtssysteme („principal legal systems") der Welt verlangt. 96 Nach Auffassung des Redaktionsausschusses sollte jedenfalls der Widerspruch einzelner Staaten die Entstehung einer zwingenden Norm nicht verhindern können. 97 Der aus Bedenken über die Offenheit des Konzeptes heraus erhobenen Forderung nach obligatorischer Streitschlichtung 98 wurde wegen der verbreiteten Abneigung gegen gerichtliche Zuständigkeiten nur deshalb noch in letzter Minute entsprochen, weil das ganze Projekt zu scheitern drohte. 99 Art. 53 des am 23. Mai 1969 zur Unterzeichnung aufgelegten Konventionstextes wurde mit einem Abstimmungsergebnis von 87 Ja-Stimmen, 8 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen angenommen. 100 Ablehnung oder Enthaltung sollte dabei nicht als Opposition gegen das Ius-cogens-Prinzip als solches aufgefaßt werden, sondern ist wohl in erster Linie auf Kritik an der Formulierung zurückzuführen. 101
93
Die Formulierung geht auf einen gemeinsamen Vorschlag Finnlands, Griechenlands und Spaniens zurück, U.N. CLOT OR I, 333 und OR III, 174 f., paras. 462, 466. 94 Vgl. Castrón (Finnland), U.N. CLOT OR I, 294; Sweeney (USA), 295; Evrigenis (Griechenland), 295; Groepper (BR Dtld.), U.N. CLOT OR II, 96. 95 Siehe Dadzie (Ghana), U.N. CLOT OR I, 301; Smejkal (Tschechoslowakei), 318; El-Baccouch (Libyen), U.N. CLOT OR II, 106. 96 So Harry (Australien), U.N. CLOT OR I, 317. 97 Siehe die klarstellende Bemerkung Yasseens (Irak): „It appeared to have been the view of the Committee as a Whole that no individual state should have therightof veto, and the Drafting Committee had therefore included the words 4as a whole* in the text of article 50" (später Art 53), U.N. CLOT OR I, 471. 98 Der Vorschlag der ILC, YILC 1966-11, 185 (Art 62 f.), wurde für unzureichend befunden. Er sah lediglich die Mittel des Art 33 UNC vor; Art. 62 IV verwies bezüglich gerichtlicher Schlichtung auf zwischen den Parteien bestehende Vereinbarungen. 99 Zu den Begleitumständen Messineo , Civ. Cattol. 1969, 351 ff.; Neuhold, ÖZöR 19 (1969), 86; Kearney / Dalton, AJEL 64 (1970), 551 ff. 100 Die Gegenstimmen kamen von Australien, Belgien, Frankreich, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, der Schweiz und der Türkei. Gabun, Großbritannien, Irland, Japan, Malaysia, Malta, Neuseeland, Norwegen, Portugal, Senegal, Südafrika und Tunesien enthielten sich der Stimme, U.N. CLOT OR II, 106 f. toi Der volle Konventionstext wurde mit 79:1 Stimmen bei 19 Enthaltungen angenommen, U.N. CLOT OR II, 207. Die einzige Gegenstimme, Frankreich, beruht allerdings auf dessen Kritik an dieser Bestimmung, vgl. Deleau , AF.D.I. 15 (1969), 7 ff. Die Haltung Frankreichs hat sich nicht geändert, s. Stellungnahme des Außenministeriums v. 10. 2. 1986, J.O.-A.N.Q., S. 521, abgedr. in AF.D.I. 32 (1986), 1047. Zu weiteren Bestimmungen der WVRK über ius cogens u. Kap. 7 Abschn. I.
2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
46
Nach Hinterlegung der 35. Ratifikationsurkunde 102 trat die Konvention am 27. Januar 1980 in Kraft. 1 0 3 Seit dem 26. November 1987 bindet sie die Bundesrepublik Deutschland. 104 Das Muster der W V R K lag auch der Wiener Konvention über Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen 105 zugrunde. Wortlaut und Numerierung der Bestimmungen entsprechen dem Vorbild. 1 0 6
3. Zwischenbewertung Stellungnahmen von Staatenvertretern auf internationalen Konferenzen und vor internationalen Organisationen drücken noch nicht ohne weiteres Gewohnheitsrecht aus, 1 0 7 da ihnen nicht die Qualität praktischer Übung zukommt. Sie geben jedoch Aufschluß über eine bestehende oder sich bildende opinio iuris und ermöglichen daher im Zusammenhang mit entsprechender Praxis den Nachweis einer Rechtsregei. Fehlt es an einer solchen consuetudo, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß je nach Reichweite der gefundenen Einigung Recht auch spontan durch Konsens der Beteiligten erzeugt w i r d . 1 0 8 Es ist gleichwohl fraglich, ob die Haltung der Staaten auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz zur Existenz zwingenden Rechts allein schon den Schluß auf ein gewohnheitsrechtliches Konzept des ius cogens zuläßt. Zwar gab es keine Stimme, die das Bestehen zwingenden Rechts ausdrücklich bestritt, und die Staaten, die dessen Existenz uneingeschränkt befürworteten, waren deutlich in der Mehrheit. Doch obwohl sich alle Stellungnahmen darüber einig waren, daß der Inhalt einer Norm letzlich das entscheidende Merkmal für die Unterscheidung zwischen zwingendem und nichtzwingendem Recht sei, bestand hinsichtlich der theoretischen Fundierung, der Erzeugung und des Inhalts so wenig Klarheit, daß Art. 53 nur formelle Kriterien nennt. Die Bestimmung ist
Am 28. 12. 1979, UNTS 1155 (1980), 331 ff. Authentische Texte in engl., frz., chin., russ. und span. 104 BGBl. 1987 II, 757, amtlicher Text BGBl. 1985 II, 926. Am 31. 12. 1990 war die WVRK für 59 Staaten verbindlich, s. BGBl. 1991, Fdst.-Nachw. B, 385. 105 Vorlage der ILC in YILC 1982-11, Teü II, 17 ff.; der auf der Wiener Konferenz von 1986 verabschiedete Text ist erschienen als U.N. Doc. A/Conf. 129/15, abgedr. in ILM 25 (1986), 543 ff.; BGBl. 1990 II, 1414; dazu Gaja, BYIL 58 (1987), 253 ff. 106 Zu ius cogens YILC 1982-1,144,153, 265. Eine erneute Grundsatzdebatte fand nicht statt; nur die Streitschlichtung war wiederum umstritten, doch blieb der Text des Art 66 II lit a der neuen Konvention letztlich wie sein Pendant in der WVRK, vgl. Gaja a.a.O., 265 f. Zur abl. Haltung Frankreichs Dauchy, A.F.D.I. 32 (1986), 542 f. 107 Baxter , BYIL 41 (1965/66), 286; Meron, AJIL 81 (1987), 362. 108 Siehe Verdross / Simma , Universelles Völkerrecht, S. 325 f., 386 f.; vgl. ferner schon Giuliano, Comunità, S. 221ff.; Ago, C&S 7 (1955), 33 ff.; ders., RdC 90 (1956-11), 924ff.; Cheng, IJIL 5 (1965), 23 ff. Ganz ohne Praxis ist aber wohl nicht auszukommen. Der IGH verlangt eine „state practice [...] both extensive and virtually uniform", vgl. North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, 41 f. Näher u. Kap. 5 Abschn. III 2. 103
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
47
so abstrakt, daß sich nahezu alle geäußerten Ansichten durch sie repräsentiert fühlen können. Wie vage Vorstellungen von einer rechtlich positivierten „internationalen M o r a l " auf dem damaligen Stand der Entwicklung waren, w i r d deutlich, wenn man sich die i n der Literatur bisher genannten möglichen Anwendungsfalle vor Augen f ü h r t . 1 0 9 I n der Zeit zwischen den Weltkriegen hatte man schon versucht, unter Berufung auf ius cogens die zumindest teilweise Ungültigkeit der Pariser Vorortverträge zu b e g r ü n d e n . 1 1 0 In der Hauptphase des kalten Krieges trat i n der Sowjetunion und i n der D D R die These hervor, N A T O - und E W G Vertrag seien wegen unzulässiger Beschränkung der Souveränität der M i t gliedsstaaten n i c h t i g . 1 1 1 I n westlichen Staaten war die Auffassung verbreitet, Verträge der Sowjetunion m i t den meisten Staaten des Warschauer Paktes enthielten einen unzulässigen Interventionsvorbehalt und seien deshalb unwirks a m . 1 1 2 In ihrer Gültigkeit angezweifelt wurden ferner -
das Münchener A b k o m m e n und die darauf folgenden Vereinbarungen z w i schen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei, 1 1 3
-
das Geheime Zusatzabkommen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt v o m 23. August 1 9 3 9 , 1 1 4
109 Wenn auf die durch diese Vielzahl möglicher Anwendungsfälle belegbare Offenheit des Begriffs mit der Ablehnung des Ius-cogens-Prinzips reagiert und diesem der Satz „pacta sunt servanda" als vermeintlicher Garant rechtlicher Sicherheit gegenübergestellt wird, so hat sicher auch dies politische Motive. Nach den Erläuterungen Deleaus zur abl. frz. Position (AF.D.I. 15 [1969], 7 ff.) scheint es, als habe hier u.a. eine mögliche Gefährdung des territorialen Besitzstandes in Übersee (S. 16, 19) und der Atomtestpraxis in Polynesien (S. 16) eine Rolle gespielt Gegen den Bestand der für die jeweilige Perspektive ins Feld geführten Rechtsinstitute wird damit nichts ausgesagt. Das Ius-cogens-Prinzip kann sich sogar als Hindernis bei dem Versuch erweisen, Delikte völkerrechtlich zu rechtfertigen. Das zeigen die argumentativen Schwierigkeiten, die TunJän damit hatte, trotz der - von ihm befürworteten - zwingenden Natur des Gewaltverbotes (RdC 147 [1975-1V], 96 f.) die Invasion in die Tschechoslowakei als Erfüllung von Pflichten aus Beziehungen einer „höheren Stufe internationaler Integration" darzustellen, s. SEMP 1969, 27 f. und (weniger konkret) U. Toi. LRev. 1971, 117 f. 110 Vgl. zum Vtrg. v. Versailles bereits Fröhlich, S. 86; die Auffassung von Strisower (Krieg, S. 114), daß ein Staat nicht durch Vertrag auf die Fähigkeit verzichten dürfe, seine wesentlichen Aufgaben zu erfüllen, bezog auf Bestimmungen der Verträge von Versailles und St-Germain-enLaye vor allem Verdross , in: Kleinwaechter / Paller (Hrsg.), Anschlußfrage, 550 f.; ders., VB&VR 2 (1935/36), 164 ff.; ders., ZöR 15 (1935), 294 ff.; ders., AJIL 37 (1937), 571ff.; vgl. auch Hold v. Ferneck, Lehrbuch II, S. 261; Mosler, Intervention, S. 66 f.; mit dem Argument, der Vtrg. v. Versailles verletze die Gleichheit der Staaten Bruns, JW 1933,2481ff., bes. 2486; Bilfingen in: Frank (Hrsg.), Handbuch, 99; Schön, ZVR 21 (1937), 293. 111 Arzinger, Festschr. Jacobi, 257; Kolomenceva, SEMP 1958, 517 ff. "2 Vgl Bettati, R.B.D.I. 8 (1972), 455; Russell, AJIL 70 (1976), 253 ff; Franzke, ROW 23 (1979), 206 f.; Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht, S. 353 f.; Schindler, Festschr. Huber, 616 ff.; Hannikainen, S. 346 Fn. 83. n 3 Abkommen zwischen Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien v. 29. 9.1938 (sog. Münchener Abkommen), Text in: ADAP 1918 -1945, Sen D, Bd. 2, S. 812; dazu Baade, Ind. L. J. 39 (1964), 507 f. 114 Abgedr. bei König, Osteun 39 (1989), 422 ff; dazu Gornig, ROW 33 (1989), 403, 405; ders., Hitler-Stalin-Pakt, S. 60 ff.
48
2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der L C
-
zahlreiche A b k o m m e n Chinas m i t Kolonialmächten des W e s t e n s , 1 1 5
-
A b k o m m e n der U S A m i t P a n a m a , 1 1 6 K u b a , 1 1 7 H a i t i , 1 1 8 N i c a r a g u a 1 1 9 und den P h i l i p p i n e n 1 2 0 sowie m i t Großbritannien über P a n a m a , 1 2 1
-
Verträge Großbritanniens m i t Ä g y p t e n 1 2 2 und J o r d a n i e n , 1 2 3
-
der persisch-sowjetische Freundschaftsvertrag, 1 2 4
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der französisch-monegassische Vertrag von 1 9 1 8 , 1 2 5
-
das Potsdamer A b k o m m e n , 1 2 6
-
der Garantievertrag über Z y p e r n , 1 2 7
-
die sog. Ostverträge der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d , 1 2 8
115 Vgl. Ray , RdC 48 (1934-11), 635, 683 ff., 700; Chiu, China, S. 60 ff. 116 Art. 7 des Vertrages v. 19. 11. 1903, Martens NRGT, sér. 2, tom. XXXI, S. 599 räumt ein nach Ermessen auszuübendes Interventionsrecht ein; dazu Brownlie , Use of Force, S. 320 f. n 7 Art. 3 des Vertrages v. 22. 5. 1903, Martens NRGT, sér. 2, tom. XXXII, S. 79; dazu Perez Gonzalez , Homenaje Sela, 139. us Art. XI des Vertrages v. 16. 9. 1915, Martens NRGT, sér. 3, tom. IX, S. 354 verbietet die Übertragung von haitischem Territorium an jede dritte Macht; dazu BartoS , YILC 1963-1, 201. Aus jüngerer Zeit Vertrag v. 23. 9. 1981, TIAS No. 10241, der es den USA gestattet, haitische Schiffe auf hoher See nach Flüchtlingen zu durchsuchen und diese ggf. gewaltsam zur Rückkehr nach Haiti zu zwingen; dazu Parker / Neyion , Hastings Int'l & Comp. L. Rev. 12 (1989), 445. n 9 Zum sog. Bryan-Chamorro-Vertrag Kap. 3 Abschn. IV 1. 12° Vertrag über Militärbasen v. 14. 3. 1947, UNTS 43, 271; dazu Poblador , Philippine L J. 51 (1976), 264 ff. 121 Vertrag über den Panamakanal v. 19. 4. 1850 (sog. Clayton-BulwerVertrag), Martens NRGT, sér. 2, tom. XV, S. 187; nach Ansicht von Yepes, YILC 1950-1, 300 wurde hier zwingend unwirksam zu Lasten Dritter disponiert. 122 Vertrag v. 26. 8. 1936, SdNRT 173, 402 und v. 19. 10. 1954, UNTS 210, 3; dazu El-Erian , YILC 1963-1, 258. 123 Die bei Chiu , China, S. 65 zitierte Ansicht kann sich ohne weiteres sowohl auf den Vertrag v. 22. 3. 1946, UNTS 6, 143 als auch auf den Vertrag v. 15. 3. 1948, UNTS 77,77 beziehen, die beide Großbritannien Interventionsrechte erhalten sollten. 124 Vertrag v. 26. 2. 1921, SdNRT 9, 383 ff; dazu Reisman , AJIL 74 (1980), 152. 125 Vertrag v. 17. 7. 1918, Martens NRGT, sér. 3, tom. XI, S. 313; dazu Prat , Principauté, S. 94; Gallois , Régime, S. 108 f.; Ronzitti , Studi in onore Sperduti, 246 ff. 126 Report on the Tripartite Conference of Berlin v. 2.8. 1945, ABl. KR Erg. Nr. 1, S. 13 ff.; eine andere Fassung enthält das Protocol of Proceedings of the Berlin ( Potsdam ) Conference , i U.S. Senate, Committee on Foreign Relations (Hrsg.), Documents on Germany 1944-1961, New York 1968, S. 29. Während Kritiker meist die Auffassung vertreten, daß diese Texte keinen völkerrechtlichen Vertrag darsteUen, vgl. die Nachw. bei Kadelbach , ROW 30 (1986), 223 Fn. 41, meint Yepes , YDLC 1950-1, 300, es handle sich um ein sittenwidriges und daher nichtiges Abkommen. 1 2 7 Vertrag v. 16. 8. 1960, UNTS 382, 3; dazu Jacovides , Zurich-London-Agreements, S. 12 ff.; Zotiades , OZöR 17 (1967), 108 Fn. 91; Sciso , Riv. di Diritto Int'l 60 (1977), 75; Saulle , a.a.O., 583 Fn. 4; Altug , GYIL 21 (1978), 311 ff.; Constantopoulos, a.a.O., 272 ff.; Grandi , C&S 15 (1978), 237 ff; Macdonald, Can. Yb. Int'l L. 19 (1981), 17 ff.; Doswald-Beck, BYEL 56 (1985), 246 ff. 128 Siehe Münch, in: Zieger / Meissner / Blumenwitz (Hrsg.), Deutschland, 229 f.; ders., Leserbrief in F.A.Z. v. 27. 1. 1990, S. 8; gemeint ist wohl vor allem der deutsch-polnische Vertrag v. 7. 12. 1970 (UNTS 830, 327; BGBl. 1972-11, 361, 651), der bei verbindlicher Grenzgarantie das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen verletze.
I. Die Entstehungsgeschichte der Wiener Vertragsrechtskonvention
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- die israelisch-ägyptischen Vereinbarungen von Camp David, 1 2 9 - der Vertrag von Madrid über die westliche Sahara, 130 - der Zollanschlußvertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein 131 und - der deutsch-deutsche Einigungsvertrag. 132 Daraus wird deutlich, daß die Anwendungsmöglichkeiten des ius cogens von dem politischen Kontext abhängig sind, in dem die rechtlichen Argumente vorgebracht werden. Die Gefahr, daß das Prinzip, wie moralische Vorstellungen überhaupt, von austauschbaren subjektiven Zielen in Dienst genommen und damit unanwendbar wird, ist also ernstzunehmen. Andererseits verspricht die Berufung auf zwingendes Recht allenfalls dann Erfolg, wenn die jeweilige Norm wirklich universelle Anerkennung gefunden hat. Dies ist nur bei Verpflichtungen möglich, denen zuzustimmen jedem Staat zumutbar ist. Ob diese Zustimmungsfähigkeit auch reale Zustimmung nach sich zieht, hängt davon ab, ob der jeweilige Norminhalt für jeden Staat auf zumindest potentiell gleichgelagerte rechtliche Interessen stößt, oder ob individuelle, an den eigenen faktischen Möglichkeiten und somit an Macht orientierte Motive den Ausschlag geben. In einem System internationaler Beziehungen mit hohem Integrationsstand ist ein günstiges Klima am ehesten zu erwarten. Nach den Ansichten, die in der ILC und auf der Wiener Konferenz geäußert wurden, sah man die Vereinten Nationen als das Forum an, das bei der Schaffung allgemein verbindlicher Pflichten die entscheidende Integrationsfunktion übernehmen könne. Aus Gegnerschaft zu den Zielen der Achsenmächte sind in der UN-Charta die Leitlinien der internationalen Moral nach 1945 niedergelegt worden, nämlich das Verbot von Angriffskriegen und die Förderung der Menschenrechte. Die Stellungnahmen, die von den Staaten zum ius cogens abgegeben worden sind, müssen als Versuch gesehen werden, diesen Pflichten den ihnen zukommenden Stellenwert auch in rechtlicher Hinsicht anzuweisen. Sollte die Vorstellung von einem in das Völkerrecht inkorporierten moralischen Minimum in den internationalen Beziehungen zutreffen, ist es wahrscheinlich, daß sich ein solches Prinzip auch in anderen Rechtsgebieten als im Vertragsrecht durchsetzt. Auch im internen Recht ist die Nichtigkeit gesetzoder sittenwidriger Verträge nur ein Ausschnitt der Rechtsfolgen, die gegen rechtlich verfestigte Moralvorstellungen verstoßende Handlungen auslösen. Daneben kann es zu deliktischen und strafrechtliche Konsequenzen kommen.
129 UNTS 1138, 39; diese Übereinkunft war die Grundlage für den Friedensvertrag von Washington v. 26. 3. 1979, UNTS 1138, 59; dazu Giardina , Ital. Y.B. Int'l L. 4 (1978/79), 27. 130 Vertrag v. 14. 11. 1975, abgedr. in R.G.D.I.P. 80 (1976), 380; dazu Gonzalez Campos, El Pais v. 18.9. 1977, 2; Vance , Yale Studies in World Public Order 7 (1980), 59 Fn. 81. 131 Vertrag v. 29. 3. 1923, Ber.Slg. 11, 160; Liecht. GBl. 1923, Nr. 24 und 1924, Nr. 11; dazu Lanfranconi , Staatsverträge, S. 154 ff., 160; Malunat, ÖZöRVR 36 (1986), 334, 356. 1 32 V. 31. 8. 1990, BGBl. II, 889; dazu Münch, Leserbrief in FJLJZ. V. 18. 12. 1990, S. 9, der meint, die durch Anl. EU, Ziff. 1 erfolgte Bestätigung von Konfiskationen durch die sowjetische Besatzungsmacht widerspreche nach Kriegsrecht zwingend geschützten Rechten der Bevölkerung eines besetzten Landes. 4 Kadelbach
2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
50
In dieser Hinsicht sind die Projekte der ILC zur Staatenverantwortlichkeit und zum Völkerstrafrecht aufschlußreich.
II. Der Kodifikationsentwurf zum Recht der Staatenverantwortung Die ILC bereitet den Entwurf für eine Kodifikation des Rechts der Staatenverantwortung vor. Nach anfänglichen Meinungsverschiedenheiten geht die Tendenz nun dahin, einen Konventionsentwurf auszuarbeiten, der auf einer internationalen Konferenz beraten und in ratifikationsfähiger Form verabschiedet werden s o l l . 1 3 3 Die Vorarbeiten des ersten Berichterstatters zur Staatenverantwortung, Garcia Amador, hatten sich noch auf den klassischen Anwendungsbereich dieser Regeln beschränkt, also die Verantwortlichkeit des Territorialstaates für die Verletzung des fremdenrechtlichen Mindeststandards. 134 Da über seine Vorschläge keine Einigung erzielt wurde, verfolgte die ILC das Projekt in dieser Form nicht weiter. 1 3 5 Die an den zweiten Rapporteur, Ago, gestellte Aufgabe war weiter gefaßt. Er sollte auch die völkerrechtliche Verantwortlichkeit einbeziehen, die Delikte wie der Angriffskrieg und die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts der Völker oder auch andere Verletzungen der UN-Charta auslösen. Die Definiton der zugrundeliegenden Primärregeln wollte man ausklammern. 1 3 6 Die in der Folgezeit erarbeiteten „Draft Articles on State Responsibility" umfassen drei Teile: Teil I enthält allgemeine Vorschriften, Haftungstatbestände und Unrechtsausschließungsgründe, 137 Teil I I beschäftigt sich mit den Rechtsfolgen, 138 und Teil III regelt Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten. 139 In allen drei Teilen spielt das zwingende Recht eine Rolle.
1. Intertemporale Anwendung Teil I, Art. 18 stellt die Regel auf, daß sich die völkerrechtliche Haftung nach dem Recht beurteilt, das zum Zeitpunkt der inkriminierten Handlung gilt. Wird
133
ILC Report , YILC 1983-II, Teü II, 40. u* Siehe seine sechs Berichte in YILC 1956-11, 173 ff.; 1957-11, 104 ff.; 1958-11, 47 ff.; 1959-11, 1 ff.; 1960-11, 41 ff.; 1961-11, 1 ff. 135 Lt. ILC Report, YILC 1962-11, 188 f. 136 Siehe den Zwischenbericht Agos, YILC 1963-11, 227 ff. * 3 7 Dazu die acht Berichte Agos in YILC 1969-11, 125 ff.; 1970-11, 177 ff.; 1971-11, 199 ff.; 1972-II, 71 ff.; 1976-11, Teü I, 3 ff.; 1977-II, Teü I, 3 ff.; 1978-11, Teü I, 31 ff.; 1979-11, Teü I, 3 ff.; 1980-11, Teü I, 13 ff. 138 Hierzu die ersten sechs Berichte Riphagens , YILC 1980-11, Teü I, 107 ff.; 1981-11, Teü I, 79 ff.; 1982-11, Teü I, 22ff.; 1983-11, Teü I, 3 ff.; 1984-II, Teü 1,1 ff.; 1985-11, Teü I, 3ff., und die Berichte von Arangio Ruiz , U.N. Doc. A/CN.4/416 und Add. 1 (1988); A/CN.4/425 und Add. 1. 139 Erster Entwurf im siebten Bericht Riphagens , YILC 1986-11, Teü I, 1 ff.
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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das mutmaßliche Delikt Gegenstand eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens und ändert sich die Rechtslage zwischen dem Zeitpunkt der Tat und dem Zeitpunkt der Entscheidung, bleibt der handelnde Staat auch dann verantwortlich, wenn sein Tun inzwischen nicht mehr als Unrecht zu betrachten wäre. Umgekehrt haftet er nicht, wenn sich der Akt erst zur Zeit der Verhandlung als Delikt darstellt, vorher aber gestattet war. 1 4 0 Von dieser Regel macht Teil I, Art. 18 I I 1 4 1 zugunsten des ius cogens eine Ausnahme: Wird der Akt, der noch zur Zeit der Handlung unrechtmäßig gewesen wäre, bis zur gerichtlichen Entscheidung zu einer Pflicht kraft zwingenden Rechts, kann der handelnde Staat für sein Tun nicht mehr verantwortlich gemacht werden. Hier ist an seltene Ausnahmefälle gedacht. Im 19. Jahrhundert wurde wiederholt entschieden, daß Großbritannien an die USA Schadensersatz zu leisten habe, da auf Anweisung der britischen Behörden Sklaven von amerikanischen Schiffen befreit worden waren, die es infolge von Unwettern in britische Häfen verschlagen hatte, obwohl Sklavenhandel im Jahr der Entscheidung als verboten galt. 1 4 2 Als weiteres Beispiel wurde die Weigerung eines Staates genannt, einen Waffenlieferungsvertrag zu erfüllen, wenn der Empfängerstaat einen Angriffskrieg anzettelt, Völkermord anordnet, oder eine vergleichbare Verbotswidrigkeit p l a n t 1 4 3 Der Vertrag müßte dann älter sein als die verbotene Handlung, als deren Beihilfe seine Erfüllung zu werten wäre; denn wegen Art. 53 WVRK dürfte er sonst schon nicht so ausgelegt werden, daß er Lieferungen zu entsprechenden Zwecken autorisiert. Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll und notwendig ist, derartige Extremfälle in einen Konventionsentwurf aufzunehmen. 144 Die in der Staatenpraxis herrschende Abneigung gegenüber rückwirkenden Rechtssätzen hat bereits zu Kritik an der von der ILC gewählten Formulierung geführt. 145 Doch sind dies Einwände, denen sich auf redaktionellem Wege abhelfen ließe. Es ist nicht zu erwarten, daß auf einer Kodifikationskonferenz die Berechtigung des mit Teil I, Art. 18 I I verfolgten Anliegens bezweifelt würde.
140
Siehe Ago, 5th Report, YILC 1976-11, Teü I, 14 ff. m. w. Nachw.; ferner bereits Island of Las Palmas Case (Neth. v. (7.5.), Schiedsspr. Max Huber v. 4. 4. 1928, RIAA II, 828, 845; Bindschedler-Robert, Hommage Guggenheim, 188. 141 Teü I, Art. 18 II lautet: „However, an act of the State which, at the time when it was performed, was not in conformity with what was required of it by an international obligation in force for that State, ceases to be considered an internationally wrongful act if, subsequently, such an act has become compulsory by virtue of a peremptory norm of general international law." Text nach ILC Report , YILC 1980-11, Teü II, 32. 142 Siehe The Enterprize, TheHermoza, The Creole , United States-British Arbitration Commission, Schiedsspr. J. Bates v. 8. 2. 1853, in: Moore, Digest II, 350 ff.; dazu Ago, 5th Report, YILC 1976-11, Teü I, 17 f. 143 Siehe auch YILC 1976-1, 50 f. (Bilge), 51 (Bedjaoui). 144 Innerhalb der ILC war man geteüter Meinung, abl. Stellungnahmen in YILC 1976-1, 40 f. (Kearney), 42 (Sette Camara), 44 (Tammes), 46 (Vallat), 48 (Quentin-Baxter), 49 (!Tsuruoka ); B fürworter in YILC 1976-1, 39 (Yasseen), 43 (Hombro), 44 (Sahovic), 47 (Martinez Moreno), 49 ( Ross ides ), 51 (Bedjaoui). Zurückhaltend die Stellungnahme der Bundesregierung, abgedr. in YILC 1981-11, Teü I, 74 („not absolutely necessary"). 145 So vor allem Chile, YILC 1980-II, Teü I, 99; SchwedenYlhC 1981-11, Teü I, 78; s. auch Kanada, YILC 1980-11, Teü I, 84; Niederlande, 103; Jugoslawien, 106. 4*
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
2. Staatsverbrechen Demgegenüber hat sich an Teü I, Art. 19 eine Kontroverse entzündet, die den Erfolg des gesamten Projektes in Frage stellen kann. Systematisch gleichfalls i m Kapitel über die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit eingeordnet, trifft diese Vorschrift unter dem Oberbegriff der völkerrechtswidrigen Handlung („internationally wrongful a c t " ) 1 4 6 eine Unterscheidung zwischen „internationalem Verbrechen" („international c r i m e " ) 1 4 7 und völkerrechtlichem Delikt („international del i c t " ) . 1 4 8 Als internationales Verbrechen wird der Bruch einer völkerrechtlichen Verpflichtung bezeichnet, die für den Schutz fundamentaler Interessen der Staatengemeinschaft von solcher Bedeutung ist, daß dieser von der Staatengemeinschaft als ganzer als Verbrechen angesehen wird. In Teil I, Art. 19 I I I heißt es: "Subject to paragraph 2, and on the basis of the rules of international law in force, an international crime may result, inter alia , from: (a) a serious breach of an international obligation of essential importance for the maintenance of international peace and security, such as that prohibiting aggression; (b) a serious breach of an international obligation of essential importance for safeguarding the right of self-determination of peoples, such as that prohibiting the establishment or maintenance by force of colonial domination; (c) a serious breach on a widespread scale of an international obligation of essential importance for safeguarding the human being, such as those prohibiting slavery, genocide and apartheid ; (d) a serious breach of an international obligation of essential importance for the safeguarding and preservation of the human environment, such as those prohibiting massive pollution of the atmosphere or of the seas." Einen Präzedenzfall für diesen A r t i k e l gibt es n i c h t . 1 4 9 Der Berichterstatt e r 1 5 0 stützt sich i m wesentlichen auf
146 Teü I, Art. 191 lautet: „An act of a State which constitutes a breach of an international obligation is an internationally wrongful act, regardless of the subject-matter of the obligation breached." Text ILC Report , YILC 1980-11, Teü II, 32. 147 Teü I, Art. 19 II führt diesen Begriff wie folgt ein: „An internationally wrongful act which results from the breach by a State of an international obligation so essential for the protection of fundamental interests of the international community that its breach is recognized as a crime by that community as a whole, constitutes an international crime." 148 TeÜ I, Art 19 IV: „Any internationally wrongful act which is not an international crime in accordance with paragraph 2, constitutes an international delict." 149 In den Kriegsverbrecherprozessen von Nürnberg und Tokyo ging es um individuelle Verantwortung, nicht die von Staaten. Im Urteü zum Zwischenfall im Kanal von Korfu (ICJ Rep. 1949, 2) durfte das Gericht einen solchen Verstoß nicht feststeUen, da nur eine Reparationspflicht Albaniens in Streit stand (vgl. Art. 36 II lit. d IGH-St). Auch in den Urteilen zur Teheraner Geiselnahme (ICJ Rep. 1980, 1) und zum Nicaragua-Fall (ICJ Rep. 1986, 14) ist von einer weitergehenden Verantwortlichkeit nicht die Rede. Ago stützte sich vor allem auf ein obiter dictum im Barcelona-Traction-Fall (ICJ Rep. 1970,34), s. 5th Report, YILC 1976-11, Teü 1,28 ff. Der ILC-Kommentar zitiert außerdem das Namibia-Gutachten (ICJ Rep. 1970, 15, 54). Näher zur Entstehungsgeschichte Spinedi, in: Weiler / Cassese / Spinedi (Hrsg.), Crimes of State, 7 ff. 150 Die Frage nach einer möglichen Differenzierung zwischen Verbrechen und Delikt stellt Ago bereits in RdC 68 (1939-11), 524ff., 531; s. ferner Pella, R.G.D.I.P. 51 (1947), 1ff.; ders., Report, YILC 1950-n, 17; Garcia Amador , 1st Report, YILC 1956-11, 180 ff.
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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- die Anerkennung der Repressalie als legitime Antwort auf völkerrechtliche Delikte während der Völkerbundszeit; 151 - verschiedene Resolutionen und Konventionen derselben Epoche, die den Begriff „international crime" enthalten; 152 - die Notwendigkeit, aus den Erfahrungen des Kolonialismus und der Untaten im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges Konsequenzen zu ziehen; - die Anerkennung des ius cogens; - die Pflicht, bestimmte Taten einzelner als Verstoß gegen das Völkerstrafrecht zu ahnden; - die Charta und die Praxis der Vereinten Nationen zu Gewaltverbot, Kolonialismus und Apartheid; - eine gleichlaufende Tendenz in der Rechtslehre. 153 Dem fügte der ILC Report noch die Prinzipien von Nürnberg und das Projekt des „Draft Code of Offences Against the Peace and Security of Mankind" hinzu. 1 5 4 Mit dem Begriff „völkerrechtliches Verbrechen" ist demnach nicht eine Straftat im Sinne des Völkerstrafrechts gemeint, die für Staaten lediglich die Pflicht auslöst, den Täter vor Gericht zu stellen, wenn er seiner habhaft wird, oder ihn an einen anderen Staat zu diesem Zwecke auszuliefern. 155 Vielmehr ist an ein staatlich geduldetes, autorisiertes oder gar gesteuertes Verhalten gedacht, das sich als ernster Bruch des Völkerrechts darstellt und, bei einigen Pflichten, in großem Maßstab erfolgen oder von einer als massiv („massive") gekennzeichneten Intensität sein muß. Um Mißverständnisse auszuschließen sollte man hier von Staatsverbrechen sprechen. 156 Die Unterscheidung zwischen Staatsverbrechen und völkerrechtlichem Delikt ist innerhalb der ILC überwiegend gebilligt worden. 1 5 7 Die Reaktionen der zur Stellungnahme aufgeforderten Regierungen sind dagegen teils eher reserviert; die meisten Staaten äußern sich zu diesem Teil des Projektes nur de lege ferenda. 158 Die Schwierigkeit, Staatsverbrechen abstrakt zu definieren, 151
Ago, 5th Report, YILC 1976-11, Teül, 29. So Abs. 3 der Präambel zum Genfer Protokoll zur Beilegung internationaler Streitigkeite v. 2. 10. 1924, SdN JO, supp. spec No. 21, S. 21, abgedr. AJIL 19 (1925), Supp., 9. 153 Ago, 5th Report, YILC 1976-II, Teü I, 30 ff. 154 ILC Report, YILC 1976-II, Teü II, 103. 155 Dazu Schwarzenberger, in: Mueller / Wise, International Criminal Law, 13 ff. 156 in Anlehnung an den frz. Begriff „crime de l'Etat", vgl. z.B. Dupuy , AJ.D.I. 25 (1979), 539; Gounelle, Mélanges Reuter, 315; dem vergleichbar ist im Span, von „crímenes de los Estados" die Rede, s. Pedauye, R.E.D.I. 31 (1978/79), 25. 157 Siehe YILC 1976-1, 61 (Tabibi), 62 f. (Yasseen), 63 f. (Tammes), 64 f. (Hombro), 65 (Calle y Calle), 67 f. (Sette Camara), 68 f. (Vallat), 70 f. (Martínez Moreno ), 75 f. (Ramangasoavina), f. (Quentin-Baxter); krit. Schwebel, YILC 1980-1, 91 f.; abl. Sinclair, YILC 1985-1, 117, McCaffrey, a.a.O., 311. 158 Mehrere Staaten schoben eine endgültige Bewertung auf, bis die Sanktionen definiert sind, 152
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
hat dazu geführt, daß die ILC den zitierten Beispielskatalog aufgestellt und damit ihre Ankündigung, keine Primärregeln zu formulieren, auf einem sehr umstrittenen Gebiet revidiert h a t . 1 5 9 Zwar könnte man sagen, daß auf solche Primärpflichten hier nur verwiesen, deren Gehalt jedoch nicht berührt werde. Doch setzt dieses Vorgehen die Existenz und den zwingenden Charakter der in Bezug genommenen Normen voraus. Diese sind jedoch in vielen Fällen schon auf der Ebene einfachen Rechts in ihrer inhaltlichen Reichweite ungeklärt. 160 Zur abstrakten Kennzeichnung solcher Normen greift Teü I, Art. 19 II auf das schon in Art. 53 WVRK aufgestellte Erfordernis einer Regel zurück, deren spezieller Charakter von der Staatengemeinschaft „als ganzer" („as a whole") anerkannt i s t 1 6 1 Damit stellt sich die Frage, ob der Entwurf jede einseitige Verletzung einer Norm des ius cogens den Regeln über Staatsverbrechen unterstellen will. Über das Verhältnis zwischen zwingendem Recht und Staatsverbrechen gingen in der ILC die Meinungen auseinander. Wohl die Mehrheit war der Ansicht, daß zwar ein Verbrechen immer auch einen Bruch von ius cogens bedeute, dieser Satz aber nicht umkehrbar s e i . 1 6 2 Dafür spricht, daß Teil I, Art. 19 ein Verhalten von gewisser Schwere und, je nach verletzter Norm, auch Häufigkeit verlangt. Damit scheint der nur vereinzelte Bruch einer völkerrechtlichen Regel noch keine verschärfte Haftung auslösen zu sollen, sofern sich nicht auch schon ein zeitlich und räumlich begrenzter Verstoß als besonders schwerwiegende Rechtsverletzung darstellt. Demgegenüber stellt Art. 53 W V R K für die zwingende Natur einer Norm als solcher einige Merkmale auf, ohne daß die Intensität des Normkonfliktes für die Definition ausschlaggebend wäre. Teil I, Art. 19 weist also im Vergleich zur rein normativen Konzeption des Art. 53 W V R K ein faktisches Element auf, das ein Staatsverbrechen als qualifizierten Verstoß gegen zwingendes Recht kennzeichnet. 163
so Österreich , YILC 1980-11, Teü I, 90; Kanada , 94; die Niederlande , 103; Spanien, YILC 1982-II, Teü I, 17; reserviert Chile , YILC 1980-11, Teü I, 99; BR Deutschland, YILC 1981-II, Teü I, 74 f.; abl. Schweden, 78; zust. BSSR, YILC 1980-11, Teü I, 93; ukr. SSR, 103; UdSSR, 103 f.; Jugoslawien, 106; Bulgarien, YILC, 1981-11, Teil I, 72; Tschechoslowakei, 73. Siehe die zusammenfassende Darstellung der Stellungnahmen bei Spinedi , in: Weüer / Cassese / Spinedi (Hrsg.), Crimes of State, 45 ff. 159 Vgl. Rauschning, BDGVR 24 (1984), 12 f. 160 Das galt noch zum Zeitpunkt des 5th Report für das Selbstbestimmungsrecht der Völker; gegen seine rechtliche Qualität Kunz, in: Rabl (Hrsg.), Studien 1,129ff.; Jennings, Acquisition, S. 78; Veräjl, International Law I, S. 321 ff., 557 f.; CK de Visscher, Théories, S. 167; Green, ASIL Proc. 65 (1971), 40ff.; Arangio-Ruiz, RdC 137 (1972-III), 571; Fitzmaurice, in: IDI, Livre de centenaire, 232ff.; Pomerance, Self-Determination, S. 63ff.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr. 1162; dafür allerdings die heute ganz h.M., s. u. Kap. 6 C II. Umstritten in seiner Reichweite ist auch der zwingende Charakter von Umweltschutznormen, s. einerseits Uschakow, YILC 1976-1, 73; Õepelka, Acta Univ. Car. Jur. 1977, 24 ff., andererseits Brunnée , ZaöRV 49 (1989), 804; ausführlicher u. Kap. 6 D. 1« Siehe Ago, 5th Report, YILC 1976-11, Teil I, 53. 162 Siehe z.B. YILC 1976-1, 71 ff. (Uschakow), 74, 88 (Ago), 85 ff. (El-Erian); ILC Report, YILC 1976-11, Teil II, 119 f.; vgl. auch Gaja , RdC 172 (1981-III), 301. AJ\. anscheinend Martinez Moreno, YILC 1976-1, 70 f.; Rossides , a.a.O., 83.
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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Die erste Lesung zu Teil I I des Projektes ist noch nicht abgeschlossen. Zu den Rechtsfolgen eines Staatsverbrechens existieren darum bislang nur lückenhafte Entwürfe. Teil II, Art. 5 definiert den Begriff des verletzten Staates. In dessen Absatz I I I wird festgelegt, daß verletzter Staat nach Begehung eines Staatsverbrechens nicht nur das direkte Opfer, sondern auch jeder andere Staat („all other States") s e i . 1 6 4 In einem dreistufigen Haftungssystem, das von den Pflichten des Schädigers über Selbsthilferechte des Geschädigten bis zu Befugnissen dritter Staaten reicht, kommt damit der letzte Parameter zum Zuge. 1 6 5 Dabei werden, neben Maßnahmen des zweiten Parameters, drei Grade für denkbar gehalten: (1) die Pflicht aller Staaten, zu einer Situation beizutragen, in welcher der Schädiger gezwungen wird, sein Verhalten einzustellen. Hier geht es in erster Linie um Unterlassungspflichten; (2) die aktive Unterstützung von Gegenmaßnahmen je nach Verletzungshandlung im Bereich der verletzten Rechtsbeziehungen oder in anderen Bereichen; (3) die Beteiligung an solchen Maßnahmen. 166 Zur Einhaltung dieser Verhaltensmaßregeln sollen einige in Teil II, Art. 14 festgelegte Minimalpflichten beitragen, denen dritte Staaten unterworfen sind. Es sind dies die Pflicht, die durch einen solchen Akt geschaffene Situation nicht als rechtmäßig anzuerkennen, dem Delinquenten bei der Erhaltung dieser Situation keine Hilfe zu gewähren und anderen Staaten in der Befolgung dieser Maßregeln beizustehen. 167 Nach Teil II, Art. 14 I I I ist die kollektive Repressalie, anders als Sanktionen im Wege der Retorsion, auch dann nur nach Einhaltung eines dem Kapitel V I I UNC entsprechenden Verfahrens zulässig, wenn diese nicht in der Ausübung von Gewalt besteht. 168 Für den Fall eines Angriffskrieges wird unmittelbar auf die Vorschriften der UNC verwiesen. 169 Bei Normverstößen, die nicht von Maßnahmen nach Kapitel V I I UNC erfaßt sind, werden derart weitreichende Eingriffsbefugnisse ohne eine verfahrensmäßige Absicherung für die meisten Staaten nicht akzeptabel sein. 1 7 0 Teil HI, Art 4 lit. b sieht daher die obligatorische Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten vor,
163
Siehe die Kritik Õepelkas (Acta Univ. Car. Jur. 1977, 26): der zwingende Charakter liege entweder vor oder nicht, könne aber nicht von tatsächlichen Fragen abhängen. 164 ILC Report, YILC 1985-11, Teü II, 25 ff. Dazu Spinedi , in: Weüer / Cassese / Spinedi, International Crime, 79 ff.; Simma, a.a.O., 300 ff. i « Riphagen, 2nd Report, YILC 1981-11, Teü I, 92. 166 Riphagen, 3rd Report, YILC 1982-11, Teü I, 44. Hier wird hervorgehoben, daß die Sanktion von der Art des Verbrechens abhänge. 167 Riphagen, 6th Report, YILC 1985-11, Teü 1,13. Zu den Rechten dritter Staaten Spinedi, in: Weüer / Cassese / Spinedi, International Crime, 94 ff., 115 ff. Vgl. dazu Hofmann, ZaöRV 45 (1985), 215, 229 f.; kriL Simma, in: Weüer / Cassese / Spinedi (Hrsg.), Crime of State, 307 ff. i « Teü II, Art 15. 170 Siehe die Forderungen von Tsumoka, YILC 1976-1, 78; der Regierung Spaniens, YILC 1982-11, Teü I, 17; vgl. auch R.J. Dupuy, RdC 159 (1978-1), 275.
2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
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die sich aus den in Teil II, Art. 14 geregelten Rechten und Pflichten dritter Staaten ergeben. 171 Zu dieser Klausel sollen den Mitgliedsstaaten einer künftigen Konvention keine Vorbehalte zulässig sein. 1 7 2 Ob die Konzeption des Staatsverbrechens noch geltendes Recht wiedergibt oder schon Rechtsfortbildung bedeutet, läßt sich nicht einfach im einen oder anderen Sinne entscheiden. Es ist unbestreitbar, daß einige Gewalttaten auf internationaler Ebene als besonders schwerwiegend gelten. Allerdings ist es zu Recht auf Kritik gestoßen, im Zusammenhang mit Fragen der Staatenverantwortlichkeit den Begriff des Verbrechens zu gebrauchen. Verbrechen verlangen ein gerichtliches Verfahren, das mit der Bestrafung des Täters endet. Der ILC-Entwurf sieht zwar ein konzertiertes, repressives Vorgehen der Staatengemeinschaft vor; dieses soll jedoch nur darauf gerichtet sein, das rechtswidrige Verhalten abzustellen und die Konsolidierung der aus ihm resultierenden Lage zu verhindern. 173 Dabei stützt er sich zum Teil auf fest etablierte Regeln des Völkerrechts. Dies gilt vor allem für das Verbot, den Delinquenten in der Sicherung unrechtmäßig erlangter Vorteile zu unterstützen, da ein solches Verhalten bereits nach geltendem Recht als Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt zu werten i s t . 1 7 4 Soweit es um die Nichtanerkennung durch völkerrechtswidrige Akte geschaffener Zustände geht, wird das Recht oder eine Pflicht hierzu aus dem Satz „ex iniuria non oritur ius" abgeleitet. 175 Diese Regel kann sich einerseits auf Akte beziehen, die noch nicht ius cogens verletzen, wie etwa die friedliche Okkupation vermeintlich herrenlosen Gebiets. Andererseits paßt diese Sanktionsform nicht für alle Verstöße. Bei einigen als Staatsverbrechen eingeordneten Delikten wie Völkermord oder systematischer Diskriminierung ethnischer Gruppen ist sie sinnlos. Die Nichtanerkennung ist also nicht auf das ius
171
Riphagen , 7th Report, YILC 1986-11, Teil I, 2. Teü III, Art 5; die Streitbeflegung ist damit zum einen angelehnt an Art. 66 a WVRK, läßt aber die Option der Schiedsgerichtsbarkeit nicht zu; zum anderen orientiert sie sich an Teil XV i. V. m. Art. 309 SRK, der gleichfalls Vorbehalte ausschließt. 173 Bedenken gegen angebliche Tendenzen zu einer strafrechüichen Haftung im Entwurf der ILC äußern Starace , RdC 153 (1976-V), 293; Marek, R.B.D.I. 14 (1978/79), 481 f; McCaffrey , AJIL 78 (1984), 457 Fn. 5; s. auch J.-M. Dupuy , R.G.D.I.P. 84 (1980), 468 ff.; Gounelle , Mélanges Reuter, 317ff.; Brownlie , System I, S. 33; Spinedi , in: Weüer / Cassese / Spinedi (Hrsg.), Crimes of State, 49 ff. Ein Recht zur Repressalie durch dritte Staaten wird von einzelnen Vertretern der Literatur in der einen oder anderen Form schon seit langem befürwortet, vgl. Bluntschli, Modernes Völkerrecht, §§ 462 ff.; Heffter, Europäisches Völkerrecht, § 111 (S. 238); Peaslee , AJIL 10 (1916), 335 f.; Oppenheim I Lauterpacht, International Law I, S. 307; Yokota, Festschr. Spiropoulos, 453 ff.; Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 420; Verzijl, International Law VI, S. 741 f.; Schindler, AIDI 55 (1973), 483; weitere Nachweise bei Ago, 5th Report, YILC 1976-H, Teü I, 41 ff. Zum ganzen auch Brownlie, Use of Force, S. 150ff.; Akehurst, BYIL 44 (1970), 1 ff.; Frowein , Festschr. Mosler, 246 ff. 174 Siehe Namibia-Gutachten des IGH, ICJ Rep. 1971, 44; Quigley, BYIL 57 (1986), 86 f. 175 Siehe Fitzmaurice, RdC 92 (1957-ü), 117 ff. Die Nichtanerkennung ist nach Riphagen die einzige Maßnahme, die Drittstaaten individuell, also ohne vorherige Abstimmung mit anderen ergreifen dürfen, s. näher Spinedi, in: Weüer / Cassese / Spinedi, International Crime, 118 ff. 172
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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cogens beschränkt, enthält andererseits aber auch keine Rechtsfolge, die jeden Verstoß gegen zwingendes Recht sanktionieren kann. Für die Fälle gewaltsamen Gebietserwerbs, für die die Doktrin der Nichtanerkennung in erster Linie entwickelt wurde, stellt sich außerdem die Frage, ob diese wirklich auf uneingeschränkte Geltung angelegt war. Seit der StimsonD o k t r i n 1 7 6 hat sich weitere Praxis zur Verweigerung der Anerkennung entwikk e l t . 1 7 7 Sie schloß in der Vergangenheit nicht aus, daß der bestehende Zustand unter den Voraussetzungen des Effektivitätsgrundsatzes legalisierbar war. Aus der Entstehung des Ius-cogens-Prinzips wird gefolgert, daß aus diesem Recht zur Nichtanerkennung nun eine Pflicht geworden sei. 1 7 8 Danach könnte die faktische Besetzung eines durch bewaffneten Angriff eroberten Territoriums nicht mehr zu Gebietstiteln erstarken. 179 Der Sinn des Effektivitätsprinzips, historische Dauerkonflikte zugunsten des Besitzers zu entscheiden und erneuten Auseinandersetzungen vorzubeugen, 180 scheint hier nicht mehr gelten zu sollen. Hierin liegt wohl die eigentliche Neuerung, die das zwingende Recht in der Nichtanerkennungslehre bedeutet. Auch die kollektiven Sanktionsbefugnisse stellen eine Neuerung dar, sofern sie nicht bereits in der UNC enthalten sind. Für Maßnahmen unterhalb der Schwelle militärischer Gewalt wird ein Bruch des ius cogens als eigenständiger Rechtfertigungsgrund für Maßnahmen angesehen, die für sich betrachtet als verbotene Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates zu werten wären (Art. 2 Ziff. 7 UNC). Welche Maßnahmen ergriffen werden können, bleibt einem eigenen Kapitel des Entwurfes vorbehalten, zu dem bislang nur wenige Vorschläge existieren. 181 Wegen seiner Vorbehaltsbeständigkeit ist des weiteren die Streitbeilegungsregelung in Teil III mit ausschließlicher Zuständigkeit des IGH eine Neuent-
176 Nach der Stimson-Doktrin kann (nicht: muß) die Anerkennung gewaltsamer Gebietsveränderungen verweigert werden; s. Noten der USA an China und Japan v. 7.1.1932, Dpt. St. Press Release, Jan. 1932, S. 40 f., auch in SdN JO, Supp. spec. no. 101, S. 155, abgedr. bei McNair, BYIL 14 (1933), 65. Sie fand ihren Niederschlag in der Resolution der Versammlung des Völkerbundes, SdN JO, supp.spec. no. 101, S. 87; dazu McNair, a.a.O., 65 ff.; Langer, S. 12 ff.; Brownlie, Use of Force, S. 410 ff. 177 Lauterpacht, Recognition, S. 61 ff. i™ Vgl. Fitzmaurice, RdC 92 (1957-11), 125; Baade, Ind. L. J. 39 (1964), 558 Fn. 226: Chen, S. 423 ff., 434 f.; Abi-Saab, in: Lagonissi -Papers, 11; Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 122; Verosta, ZaöRV 29 (1969), 687; Jennings, Essays in Honour McNair, 75; Puceiro Ripoll, Rev. Uruguaya de Derecho Int'l 3 (1974), 71; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 333; Dugard, S. 135; Hannikainen, S. 313; krit. dagegen Scheuner, ZaöRV 27 (1967), 525 Fn. 19; Mann, FS Scheuner, 417; s. auch Nicoloudis, S. 192. 179 Vgl. Lauterpacht, Recognition, S. 409 f.; Waldock, RdC 81 (1952-H), 481; Brownlie , Use of Force, S. 422; Jennings, Acquisition, S. 54, 67 f; CK de Visscher, Effectives, S. 117; Crawford, S. 82, 420; Gómez Robledo, RdC 172 (1981-ÜI), 197 ff. (nur de lege ferenda). Siehe außerdem Baldawi und Moreno Quintana, sep. opns., in: Case Concerning Right of Passage over Ind Territory, ICJ Rep. 5, 50 f. und 93 ff. 180 Krüger , Festschr. Spiropoulos, 284; CK de Visscher, Effectivités, S. 19 ff. 181 Übersicht bei Simma, in: Weiler / Cassese / Spinedi, Crimes of State, 294 f.; zum weiteren Programm Arangio-Ruiz, YILC 1988-1, 270 f.
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
wicklung. Jeder Staat soll an an einer solchen Streitigkeit mit dem Schädiger über die Zulässigkeit von Sanktionen beteüigt sein können. Teil III, Art. 4 lit b w i l l damit die sogenannte actio popularis eröffnen. 182 Derartige Verfahren wurden bisher nur im Rahmen der Staatenbeschwerde in Konventionen zum Schutze der Menschenrechte eingerichtet. 183 Staaten können sich so Belange von Individuen zueigen machen, die ihre Angelegenheit oft schon aus faktischen Gründen nicht selbst vertreten können und im übrigen vor internationalen Gerichten nicht prozeßführungsbefugt sind. 1 8 4 Nun wird vorgeschlagen, daß vor Gericht auch die Interessen der unmittelbar geschädigten Staaten durch andere, als Teü der Staatengemeinschaft gleichfalls als verletzt definierte Staaten wahrgenommen werden dürfen. 185
3. Rechtfertigungsgründe Ein weiterer Bereich, in dem das ius cogens eine Rolle spielen soll, ist der Kanon der Unrechtsausschließungsgründe. Hier hat die ILC eine Reihe von Rückausnahmen formuliert, die das Recht, sich auf Ausnahmetatbestände zu berufen, entfallen lassen sollen. a) Einwilligung Ein Akt, der mit einer völkerrechtlichen Verpflichtung in Widerspruch steht, stellt keine unrechtmäßige Handlung dar, wenn er aufgrund einer Einwilligung des Staates erfolgt, dessen Rechte durch die Handlung beeinträchtigt werden. 1 8 6 Teil I, Art. 29 I I sieht vor, daß eine solche Einwilligung unbeachtlich ist, wenn die verletzte Pflicht auf einer zwingenden Norm beruht. 1 8 7 Die
182 Mit diesem Begriff werden Klagen bezeichnet, die Staaten aufgrund von Ergangen erheben können, die sie nicht unmittelbar in eigenen Rechtsgütern verletzen, vgl. Schwelb , Isr. Y.B. Hum. Rts. 2 (1972), 46 ff.; Miaja de la Muela , C&S 14 (1975), 531, 556 ff.; Seidl-Hohenveldern , a.a.O., 803 ff.; Nguyen Quoc / Dailler / Pellet, Droit international, S. 691, 705 f.; weitere Nachw. u. Kap. 3 Fn. 342 ff. und Kap. 7 Fn. 36. 183 Art. 24 EMRK und 45 AmMRK, optional auch in Art. 41 IPBPR. Dazu Simma , Festschr. Schlochauer, 635 ff. Zur Staaten- und Gruppenbeschwerde nach Art. 24 ff. ILO-Charta Khol, Zwischen Staat und Weltstaat, S. 131 ff., 191 ff.; Ghebali , ILO, S. 233. 184 Art. 48 EMRK; 61 AmMRK; bei den Rechtsmitteln nach der ILO-Charta handelt es sich u.U. auch um Gruppeninteressen von Gewerkschaften und Verbänden. 185 Zum Bedeutung der Barcelona-Traction-Entscheidung (ICJ Rep. 1970, 34) u. Kap. 3 bei Fn. 345 ff. 186 Vgl. ILC Report, YILC 1979-11, Teü II, 109 ff.; ferner Verosta , Festschr. Verdross, 689 ff. 187 Art 29, überschrieben „Consent", lautet: „1. The consent validly given by a State to the commission by another State of a specified act not in conformity with an obligation of the latter State towards the former State precludes the wrongfulness of the act in relation to that State to the extent that the act remains within the limits of that consent. 2. Paragraph 1 does not apply if the obligation arises out of a peremptory norm of general international law. For the purposes of the present draft articles, a peremptory norm of general international law is a norm accepted and recognized by the international community of States as a whole as a norm from which no derogation is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character." Ttext in ILC Report , YILC 1980-11, Teil n, 33.
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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in Teil II, Art. 29 I I S. 2 enthaltene Definition zwingenden Rechts ist wörtlich Art. 53 W V R K entnommen. Diese Regelung ist in erster Linie für Fälle von Interesse, in denen eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbotes in Rede steht, die der Intervenient durch ein Hilfsersuchen der Regierung des besetzten Staates zu rechtfertigen sucht. 1 8 8 Als weiteren möglichen Anwendungsfall nannte die ILC die Situation der Bevölkerung kolonial beherrschter Territorien, der die freie Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts mit der Begründung vorenthalten wird, ihre Zugehörigkeit zum Metropolstaat entspreche ihrem Willen. 1 8 9 Unterstellt man den zwingenden Charakter von Gewaltverbot und Selbstbestimmungsrecht, so erweist sich doch Teü I, Art. 29 II selbst für diese Normen als von begrenztem Wert. In der ersten Fallgruppe wird es häufig bereits an einer gültigen Einwilligung fehlen. 1 9 0 Die eigentlich problematischen Sachverhalte der zweiten Kategorie sind vom Wortlaut des Art. 29 II gar nicht erfaßt; denn Art. 29 I regelt nur zwischenstaatliche Sachverhalte. Daß sich unabhängige Staaten mit der Möglichkeit konfrontiert sehen, (wieder) eine Kolonie zu werden, ist zur Zeit nicht zu erwarten. Da Art. 29 nur die Einwilligung von Staaten regelt, liegt das Problem einer ethnischen Minderheit außerhalb seines Anwendungsbereichs, die einen eigenen Staat anstrebt, deren offizielle Sprecher sich aber als Wahrer majoritärer Interessen verhalten. Dies gilt auch für alle anderen Konstellationen, in denen der Träger des verletzten Rechts kein Staat ist, sondern Individuen oder Gruppen. Da andererseits Teil I, Art. 19 I I I auch Handlungen der Kategorie des Staatsverbrechens zuordnet, die sich nicht gegen Staaten richten, erscheint das entworfene Modell nicht ganz widerspruchsfrei. Festzuhalten bleibt aber, daß der in Teil I, Art. 29 enthaltene Grundgedanke in der Konsequenz des Art. 53 W V R K liegt. Es wäre schwer zu verstehen, wenn in eine Handlung, deren Begehung gegen einen der Vertragspartner vertraglich nicht verabredet werden darf, einseitig rechtswirksam eingewilligt werden könnte. 1 9 1
b) Repressalie Für einen völkerrechtswidrigen Akt wird nicht gehaftet, wenn er in legitimer Reaktion auf eine vorangegangene Völkerrechtsverletzung erfolgt. 1 9 2 Als zugelassene Mittel kommen die Suspendierung völkerrechtlicher Verträge und die Verhängung von Gegenmaßnahmen in Betracht. 193 Bereits nach geltendem Recht unterliegt diese Befugnis des verletzten Staates Beschränkungen.
188
Zu einigen Fällen u. Kap. 6 Abschn. A IV 4 a. 1 89 HC Report, YILC 1979-11, Teü II, 114 f. 190 Das ist anzunehmen, wenn die Einwilligung von verfassungsrechtlich offensichtlich nicht autorisierten SteUen oder unter Zwang erteüt wird, s. ILC Report, YILC 1979-11, Teil I, 112 f. 191 Richtig Ago, YILC 1979-1, 34. 192 Vgl. aUgemein Partsch, WVR III, 103 ff.; Bothe, EPIL 1, 101 ff. 193 Zu verschiedenen Formen der Repressalie auch Starke, Introduction, S. 495 ff.
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
Die bewaffnete Intervention ist als Repressalie unzulässig, also nur als Maßnahme der Selbstverteidigung oder kollektiven Sicherheit e r l a u b t . 1 9 4 Die Verletzung v o n Regeln des humanitären Völkerrechts bleibt auch dann verboten, wenn sie i n Ausübung der Selbstverteidigungsbefugnis oder i n Vollzug von gerechtfertigten Gegenmaßnahmen begangen w i r d . 1 9 5 D i e Suspendierung von A b k o m m e n z u m Schutze der Menschenrechte ist w o h l schon kraft positiven Rechts auch dann untersagt, wenn sich der Vertragspartner nicht mehr an sie hält.196 I n Teü I I des ILC-Entwurfes sind nun Vorschläge enthalten, die diese Rückausnahmen zu einer allgemeinen Regel machen. T e i l I I , A r t . 11 I lit. c verbietet die Aussetzung v o n multilateralen Verträgen, die den Schutz v o n Individuen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit b e z w e c k e n . 1 9 7 Teü I I , A r t . 16 erklärt, daß der Kodifikationsentwurf das Recht zur Repressalie in Kriegszeiten nicht berührt. Teil I I , A r t . 12 lit. b verbietet i.V.m. A r t . 8 und 9 die Aussetzung von Verträgen und die Verfügung von Gegenmaßnahmen, wenn dadurch ius cogens verletzt w i r d . 1 9 8 Damit schließt sich der E n t w u r f einer schon lange verte-
194 So Annex, Teil 1, 1. Abschn., 6. Abs. der Declaration of Principles of International Law Concerning Friendly Relations and Co-operation Among States , U.N. GA Res. 2625 (XXV) v. 24 10. 1970, YUN 1970, 788; Art. 5 I der Res. zur Aggressionsdefinition, U.N. GA Res. 3314 (XXIX) v. 14. 12. 1974, YUN 1974, 846. Siehe auch IGH ira Corfu Channel Case, ICJ Rep. 1949, 35; ferner Brownlie , Use of Force, S. 281. Teil I, Art. 30 soll nicht den Haftungsausschluß für alle Arten von Gegenmaßnahmen begründen, s. Ago, 5th Report YILC 1979-11, Teil I, 39 ff. Im Verlaufe der Beratungen wurde verschiedentlich eine ausdrückliche Beschränkung verlangt, so von Njenga(YILC 1979-1, 58), Tabibi(60) y Jagota(61), Yankov(62) und Schwebel(62). Das Repressalienrecht wurde darum auf legitime Maßnahmen begrenzt („a measure legitimate under international law"), Vorschlag des Drafting Committee, a.a.O. 170 und ILC Report, YILC 1979-11, Teil II, 116. Siehe auch Riphagen, Preliminary Report, YILC 1980-11, Teil I, 126 f. i » Art. 46 GA I, 47 GA II, 13 II GA III, 33 GA IV; dazu Bothe / Partsch / Solf New Rules, S. 522. Vgl. ferner Art. 60 V WVRK, der die Suspendierung von Konventionen humanitären Inhalts im Falle des Vertragsbruchs ausschließt: „Die Absätze 1 bis 3 finden keine Anwendung auf Bestimmungen über den Schutz der menschlichen Person in Verträgen humanitärer Art, insbesondere auf Bestimmungen zum Verbot von Repressalien jeder Art gegen die durch derartige Verträge geschützten Personen." 196 Ob Art. 60 V WVRK auch die Menschenrechtskonventionen erfaßt, ist nicht ganz klar. Zumindest hinsichtlich der Bestimmungen, die den Schutz der physischen Integrität garantieren sollen, befürwortet dies Suy, Festschr. Mosler, 939 f. Für eine Begrenzung von Gegenmaßnahmen allgemein aufgrund von Geboten der Humanität schon Responsabilité de VAllemagne à raison des dommages causés dans les colonies Portugaises du Sud de V Afrique (sog. Naulilaa-Fah Schiedsspr. v. 31. 7. 1928, RIAA II, 1011, 1026; Namibia-Gutachten, ICJ Rep. 1971, 55. 197 Teü II, Art. 111 lit. c lautet: „The injured State is not entitled to suspend the performance of its obligations towards the State which has committed the internationally wrongful act to the extent that such obligations are stipulated in a multilateral treaty to which both States are parties and it is establshed that:
[...]
(c) such obligations are stipulated for the protection of individual persons irrespective of their nationality." Siehe Riphagen, , 6th Report, YILC 1985-11, Teü I, 12 f. 198 Teü II, Art. 12: „ Articles 8 and 9 do not apply to the suspension of the performance of the obligations: (a) of the receiving Stateregarding the immunities to be accorded to diplomatic and consular missions and staff; (b) of any State by virtue of a peremptory norm of general international law." Ait. 8 erlaubt die Aussetzung von Vertragspflichten, die zu der verletzten Verpflichtung in inhaltlichem Zusammenhang stehen. Art. 9 gestattet die Repressalie, solange sie nicht der begangenen Völkerrechtsverletzung disproportional ist. Texte mit Kommentar a.a.O., 10 f., 13.
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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tenen Auffassung an, derzufolge das Gegenseitigkeitsprinzip für zwingende Normen nicht g i l t . 1 9 9 Dem ist aus Gründen der inneren Konsequenz des Konzeptes zuzustimmen. Wenn das ius cogens die Dispositionsbefugnis vertragsschließender Staaten beschränkt, kann eine solche Norm auch nicht durch einseitige Verletzung außer Kraft gesetzt werden. 2 0 0 Die Geltung dieser Normen ist eben nicht vom Verhalten der unmittelbar beteiligten Staaten abhängig. 201
c) Selbstverteidigung Maßnahmen unter Einsatz militärischer Mittel sind ausnahmsweise zulässig, wenn sie zu Zwecken der kollektiven oder individuellen Selbstverteidigung ergriffen werden (Art. 51 UNC). Anders als die Repressalie sind solche Akte nicht zugleich als Form der Sanktion aufzufassen. Vielmehr geht es allein darum, einen bewaffneten Angriff zum Stillstand zu bringen, Rechtsbeeinträchtigungen abzuwehren und den Aggressor zurückzudrängen. 202 Die Grenze ist nicht immer klar zu ziehen. Auch die Befugnis zur Selbstverteidigung ist jedoch nicht schrankenlos. Es kommt zu einer Überschreitung der Verteidigungsbefugnisse, wenn humanitäre Regeln verletzt werden oder der Staat, der zur Selbstverteidigung befugt ist, seinerseits Gebiet annektiert. Auch der angegriffene Staat bleibt an das Recht und damit das ius cogens gebunden. 203 Dies bringt Teil I, Art. 34 zum Ausdruck, in dem er für den Unrechtsausschluß eine rechtmäßige Verteidigungshandlung („lawful measures of self-defence") zur Bedingung macht. 2 0 4 Für Notwehrexzesse bleibt der handelnde Staat also haftbar.
d) Notstand Ein weiterer Unrechtsausschließungsgrund, dessen Kodifizierung Teil I, Art. 33 vorsieht, ist der Staatsnotstand.205 Voraussetzung ist eine unverschul-
199 Fitzmaurice, RdC 92 (1957-11), 126; bei Normen humanitären Gehalts Strupp, RdC 47 (1934-1), 568; zu Verletzungen des Aggressionsverbotes Waldock, RdC 81 (1952-11), 460. 200 Siehe Francis, YILC 1979-1, 59. 201 Teil III, Art. 4 lit. a sieht für Streitigkeiten über die Zulässigkeit von Suspension und Repressalie ebenfalls die obligatorische, nicht durch Vorbehalt ausschaltbare Gerichtsbarkeit des IGH vor, s. Riphagen, 7th Report, YILC 1986-11, Teü I, 2; dazu Tomuschat, YILC 1986-1, 74 f., mit Replik Riphagens, a.a.O., 84. Vgl. auch Hombro , YILC 1979-1, 64; Castañeda a.a.O., 242; Brownlie, Principies, S. 514 Fn. 38; Gaja , RdC 172 (1981-III), 297 f.; Malanczuk, ZaöRV 43 (1983), 705 ff.; Verdross / Simma, UniverseUes Völkerrecht, S. 911; Alland, In: Spinedi / Simma, U.N. Codification, 185; Hannikainen, S. 257 ff. 202 Vgl. Kelsen, Law of U.N., S. 791 f.; Bowett, Self-defence, S. 29 ff., 42 ff., 106 ff., 187, 269 f.; Stone , Legal Controls, S. 259 ff.; Dinstein, War, S. 169 ff. 203 Zu möglichen Bindungen des Verteidigers Schachter, AJIL 83 (1989), 259 ff. 204 Text in ILC Report, YILC 1980-11, Teü II, 33; vgl. auch Riphagen, YILC 1980-1,189,272. 205 Teü I, Art. 33: „State of necessity 1. A state of necessity may not be invoked by a State as a ground for precluding the wrongfulness of an act of that State not in conformity with an international obligation of the State unless:
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
dete Notlage, die es dem S t a a t 2 0 6 unzumutbar macht, seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zu e r f ü l l e n . 2 0 7 Der Unterschied zur Situation der Selbsverteidigung liegt darin, daß der Staat, der durch die Notstandsmaßnahmen beeinträchtigt w i r d , für die Bedrohung des Handelnden nicht verantwortlich i s t . 2 0 8 Das Konzept des Staatsnotstandes ist wegen der i h m inhärenten Mißbrauchsgefahren nicht u n u m s t r i t t e n , 2 0 9 muß aber w o h l als (noch) geltendes Recht angesehen w e r d e n . 2 1 0 Schon de lege lata berechtigt eine Notlage indes nicht dazu, bestimmte, i n multilateralen Verträgen als notstandsfest beschriebene M i n i malpflichten auszusetzen. 2 1 1 Teil I I , A r t . 33 I I lit. a legt konsequenterweise Verpflichtungen, die kraft zwingenden Rechts gelten, gleichfalls als Grenze für mögliche Notrechte fest.
4. Ersatzpflicht Teil II, der dem Umfang der Ersatzpflicht gewidmet ist, bestätigt in Art. 7 die Grundregel, daß der Geschädigte vom Schädiger Schadensersatz verlangen kann. Dies soll nur gelten, soweit dadurch nicht ius cogens verletzt wird. Der Schädiger soll nicht zur Preisgabe essentieller Rechtsgüter gezwungen w e r d e n . 2 1 2
(a)the act was the only means of safeguarding an essential interest of the State against a grave and imminent peril; and (b)the act did not seriously impair an essential interest of the State towards which the obligation existed. 2. In any case, a state of necessity may not be invoked by a State as a ground for precluding wrongfulness: (a)if the international obligation with which the act of the State is not in conformity arises out of a peremptory norm of general international law; or (b)[.~] Mi..]Text in ILC Report , YILC 1980-11, Teü II, 33. 206 Der individuelle Notstand staatlicher Hoheitsträger wird in Teü I, Art 32 behandelt, s. dazu Ago, 8th Report, YILC 1979-11, Teü I, 66 und die Beratungen, YILC 1979-1, 184 ff., 195 ff., 233 ff.; Voraussetzung für den Unrechtsausschluß ist hier, daß sich der Handelnde in einer Situation befindet, in der er nicht mehr rechtmäßig handeln kann, und daß das geopferte Rechtsgut dem geretteten nicht unterlegen ist. Unter diesen Bedingungen ist ein Bezug auf ius cogens sinnlos. 207 Als Beispiele werden vor allem Zahlungsschwierigkeiten genannt, die das Schuldnerland zwingen, vertragliche Pflichten unerfüllt zu lassen; ferner die Vernichtung einer Gefahrenqueüe wie das Bombardement eines leckgeschlagenen, verlassenen Tankers (Torrey-Canon-Fall), s. Ago, 8th Report, YILC 1980-11, Teü I, 22 ff., 28 f., zu weiteren Fällen 38 ff. 208 Ago,, a.a.O., 53. 209 Bedenken bei Kelsen, ZöR 12 (1932), 564 ff.; Fauchille , Traité I, Teil I, S. 418 ff.; Bowett , Self-defence, S. 10; CH. de Visscher , Théories, S. 314 ff.; Guggenheim , Traité II, S. 60 ff. 210 Überzeugend Ago, 9th Report, YILC 1980-11, Teü 1,50 f.; ebenso die Mehrheit in der ILC, s. z.B. YILC 1980-1, 167 ff. (Quentin-Baxter ), 173 (Yankov), 175 (Jagota ); ausdrücklich dagegen nur Ushakow, a.a.O., 165. 2 " Siehe o. Kap. 1 Abschn. I 2. 2 2 * ILC-Kommentar, YILC 1988-11, Teil II, 106 f.; dazu McCaffrey, AJIL 83 (1989), 170; AJIL 84 (1990), 940 f.
II. Der Kodifikationsentwurf zur Staatenverantwortung
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5. Zwischenbewertung Zur Einpassung des Ius-cogens-Prinzips in das Recht der Staatenhaftung werden von der ILC oder ihren Berichterstattern Vorschläge gemacht, die sich auch nach eigener Einschätzung in unterschiedlicher Entfernung zum geltenden Recht bewegen. Teile des Entwurfes greifen auf unumstritten bestehendes Gewohnheits- und Vertragsrecht zurück. Dies gilt für die in der UNC abgesicherten Regeln zum Aggressionsverbot, zur Selbstverteidigung und der verfahrensrechtlichen Behandlung von Störungen des Friedens und der internationalen Sicherheit, das Verbot der bewaffneten Repressalie in Friedenszeiten, den absoluten Schutz humanitärer Regeln und die Begrenzung der Handlungsbefugnisse in Notstand und Selbstverteidigung. Diese Normen gelten auch unabhängig von ius cogens, fügen sich aber in die Konzeption zwingenden Rechts so ein, daß aus ihnen für alle zwingende Normen verallgemeinerungsfähige Konsequenzen abgeleitet werden. Zweitens gibt es Bestimmungen, die sich als logische Konsequenz des Iuscogens-Prinzips darstellen, wenn man dessen Geltung einmal unterstellt. Voraussetzung ist aber, daß das ius cogens in Fällen nur einseitiger Normübertretung, also über das Vertragsrecht hinaus, herangezogen werden kann. Diese in der Literatur umstrittene Frage 2 1 3 bejaht die ILC eindeutig. Stimmt man dem zu, ergibt sich eine Reihe von Normen, die eher um der inneren Folgerichtigkeit und des Verhältnisses zur WVRK willen als wegen eines dringenden, durch reale rechtliche Konflikte dokumentierbaren Regelungsbedürfnisses Aufnahme in die Draft Articles gefunden haben. Hierunter fallen die Regel in Teü I, Art. 18 zum intertemporalen Recht und die Unbeachtlichkeit einer Einwilligung in die Verletzung einer Norm des ius cogens. Eine dritte Gruppe von Regeln ist umstritten und wohl eher als Versuch zu werten, geltendes Recht fortzuschreiben. Eine kollektive Sanktionspflicht aller Staaten nach bestimmten Völkerrechtsverstößen auch außerhalb des Anwendungsbereiches der UNC ist dem geltenden Völkerrecht nur in Ansätzen bekannt, ebenso wie das Streitbeüegungsinstrumentarium des Teils I I I . 2 1 4 Die Arbeiten der ILC zur Staatenverantwortlichkeit sind für den hier untersuchten Fragenkreis in zweifacher Weise von Belang. In materiellrechtlicher Hinsicht hat sich die Tendenz aus den Vorarbeiten zur W V R K bestätigt, wonach Friedenssicherung und Menschenrechtsschutz besonders eng mit dem Ius-cogens-Prinzip verbunden sind. In Teil I, Art. 19 der Draft Articles wurden Normen aus diesem Bereich als Beispiele für Staatsverbrechen aufgenom-
213 Zu Kritikern des Entwurfes o. Fn. 163, 173. Zust dagegen Graefrath / Oeser / Steiniger, D AP 22 (1977), H. 3, 90 ff.; Gros Espiell, AHLADI 1981, 76 ff.; Frowein, Festschr. Mosler, 254; ders., EPIL 7, 309; Graefrath, RdC 185 (1984-1), 54; Verdross I Simma, Univereelles Völkerrecht, S. 848, 909; Sturma, Právník 125 (1986), 718ff.; Macdonald, Can. Yb. Int'l L. 2$ (1987), 138; Mohr, in: Spinedi / Simma (Hrsg.), U.N. Codification, 115ff.; Saladin, ZBJV 124bls(1988), 73 f. 214 Gegen jeden Bezug auf ius cogens im gesamten Entwurf Großbritannien, U.N. Doc A/C.6/40/SR.32, S. 7, abgedr. BYIL 56 (1985), 383.
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
men. Zusätzlich sind in dieser Bestimmung das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Umweltschutz enthalten. Während das erstere auch im Verlaufe der Arbeiten an der WVRK immer wieder einmal genannt worden war, mangels Praxis aber damals noch keinen den anderen Normkomplexen vergleichbaren Platz eingenommen hatte, 2 1 5 stellt das Umweltrecht eine Neuerung dar. Die Existenzberechtigung des ganzen Artikels wird wiederum mit den Nachwirkungen der Völkerbundsepoche und des Zweiten Weltkrieges und den verbesserten organisatorischen Bedingungen gerechtfertigt, die die Vereinten Nationen bieten; 2 1 6 ius cogens und Staatsverbrechen haben insoweit dieselbe historische, politische und moralische Wurzel. Zum Teil tritt deutlicher als bisher die UN-Praxis gegen Apartheid und zur Dekolonialisierung in den Vordergrund, 217 mithin Erscheinungen, die erst nach 1945 in den internationalen Beziehungen eine Rolle spielen. Auch für die Rechtsfolgen, die eine Verletzung von zwingenden Normen nach sich zieht, haben sich neue Erkenntnisse ergeben. Dies gilt insbesondere für die Regeln, die sich auf das Verhältnis des ius cogens zum Reziprozitätsprinzip beziehen. Ein Staat darf auch in die Verletzung eigener Rechte durch Dritte nicht einwilligen, wenn diese durch zwingende Normen geschützt sind. Ist nach Art. 53 WVRK vertragliche Einwüligung in die Verletzung unbeachtlich, so gilt dies auch für formlos ad hoc erklärten oder aus vorangegangenem normverletzendem Verhalten fingierbaren Konsens. Daraus lassen sich weitere Schlußfolgerungen ableiten: -
Der Tu-quoque-Einwand dürfte im Zusammenhang mit zwingendem Völkerrecht nicht zulässig sein. Ein verbotswidriges Handeln kann also noch nicht allein deshalb gerechtfertigt werden, weil der Verletzte zuvor selbst ius cogens gebrochen hat. 2 1 8
-
Stillschweigende Duldung könnte nicht als Einverständnis interpretiert und zur Rechtfertigung herangezogen werden, da schon eine ausdrückliche Einwilligung unzulässig ist. Der Satz „qui tacet consentiré videtur si loqui debuisset ac potuisset" 219 würde nicht gelten. 2 2 0
-
Auf eine kraft zwingenden Rechts bestehende Rechtsposition dürfte nicht verzichtet werden. 2 2 1
215 Siehe o. Fn. 23, 69, 147, 189. 216 Ago, 5th Report, YILC 1976-11, Teü I, 31; ILC Report, YILC 1976-11, Teü II, 101,103 Fn. 467. 217 ILC Report , a.a.O., 106. 218 Lachs, YILC 1963-1, 124. 219 Siehe Case Concerning the Temple of Preah Vihear(Cambodia v. Thailand ), Merits , Urt. v. 15. 6. 1962, ICJ Rep. 1962, 6, 23. ^ Vgl. Dahn / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht 1/1, S. 361. 221 Konsequent Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 332 f.
III. Der Draft Code of Offences Against the Peace
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- Auf ius cogens beruhende Rechte unterlägen nicht der Verwirkung; 2 2 2 denn auch sie beruht auf dem Gedanken, daß ein Staat an dem Sinn festgehalten werden soll, den sein Verhalten nach außen erkennen läßt. - Es wird bezweifelt, daß die Verantwortlichkeit wegen einseitiger Akte, die als völkerrechtliches Verbrechen zugleich ius cogens verletzen, der Verjährung unterliegt. 223 - Vorbehalte zu Vertragsbestimmungen, die unabhängig von dem vorliegenden Vertrag geltendes ius cogens reflektieren, sind nicht statthaft; 224 denn kein Staat kann sich durch einseitige Reservation einer Pflicht entledigen, der er auch durch Vertragsschluß nicht entgehen könnte. Folglich ist auch die Annahme eines solchen Vorbehalts nicht möglich und kann auch bei Stillschweigen nicht vermutet werden. - Ein Vertrag, der gegen ius cogens verstößt, kann nicht bestätigt werden. 2 2 5 - Einer Vertragspflicht, die ius cogens enthält, kann kein Staat durch Kündigungserklärung entgehen. 226 Da Teil II, Art. 19 der Draft Articles und die zugehörigen weiteren Vorschriften die Verletzung einer der genannten Normen zur Angelegenheit aller Staaten machen wollen, wird schließlich in Betracht gezogen, ob dies nicht auch verfahrensrechtliche Konsequenzen der Art haben kann, daß der Kreis der materiell Berechtigten erweitert w i r d . 2 2 7
III. Der Draft Code of Offences Against the Peace and Security of Mankind Zur Ermittlung weiterer Primärnormen des zwingenden Rechts ist das Projekt der ILC zum Völkerstrafrecht von erheblicher Bedeutung. Bereits der ILC-Kommentar zum Vorentwurf des heutigen Art. 53 W V R K nennt bestimmte Verbrechenstatbestände als Beispielsnormen für zwingendes Recht. 2 2 8 Darüber hinaus füllen einige der im Zuge der Entwurfstätigkeit zum „Draft Code of Offences Against the Peace and Security of Mankind" formulierten Straf-
222 So schon Yasseen , YILC 1963-1, 184; Briggs, 185; Elias, 187; ferner Ronzitti, C&S 15 (1978), 248. 223 Nicoloudis, S. 192; Malek, YILC 1982-1, 209. 224 So bereits Rosenne, YILC 1963-1, 73 f.; ferner Thirtway , S. 123; Mann, Festschr. Scheuner, 404; Sinclair , S. 212; Teboul, R.G.D.I.P. 86 (1982), 690, 707; Suy , Festschr. Mosler, 942 ff.; Buergenthal, AJIL 79 (1985), 25; Heintze, NJ 39 (1985), 327; Kühner, Vorbehalte, S. 138 f., 146, 209; Meron, AJIL 80 (1986), 17. 225 Rozakis, S. 126 ff. 226 McNair, Law of Treaties, S. 221; Schwelb , AJIL 61 (1967), 956 f. 227 siehe o. Fn. 184 f. 22« Siehe o. Fn. 23. 5 Kadelbach
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
normen die Verbote aus, auf die in Teil II, Art. 19 der Draft Articles on State Responsibility Bezug genommen wird. Eine Kodifizierung der Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit steht schon seit langem auf der Agenda der I L C . 2 2 9 Die Arbeiten waren unterbrochen worden, da es nicht gelungen war, eine Definition des Begriffes der Gewalt zu finden. 2 3 0 Seit dies durch Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung geschehen i s t , 2 3 1 wurden die Debatten zu diesem Thema wieder aufgenommen. 232 In den bisherigen Berichten und im Verlaufe der Beratungen wurde die Frage des Verhältnisses dieses Projekts zu Teil I, Art. 19 der Artikel zur Staatenverantwortlichkeit gestellt. Trotz einiger Meinungsverschiedenheiten im einzelnen geht die Tendenz noch immer dahin, daß der Draft Code ausschließlich die individuelle Verantwortlichkeit der Akteure zum Gegenstand haben soll, während sich Teil I, Art. 19 und die zugehörigen Nebenbestimmungen auf die Haftung des Staates beziehen. 233 Ein und dasselbe Verhalten kann aber zugleich die persönliche Strafbarkeit des verantwortlichen Hoheitsträgers und die völkerrechtliche Haftung des Staates auslösen, für den er gehandelt hat. Daher werden in beiden Projekten als Beispielsnormen u. a. die Aggression, die gewaltsame Errichtung oder Erhaltung kolonialer Herrschaft, Völkermord, Sklaverei, Apartheid, sonst schwere Verletzungen der Menschenrechte und erhebliche Schädigungen der Umwelt genannt. 234 Als weitere Straftaten sind in den Draft Code der Terrorismus, 235 der Bruch von Verträgen, die das Verbot bestimmter Waffentypen oder eine Pflicht zur Abrüstung oder Rüstungsbeschränkung aufstellen, 236 der Einsatz von Söldnern, 237 Kriegsverbrechen 238 und Drogenhandel 239 einbezogen worden. Werden solche Aktivitäten in staatlicher Regie betrieben, müßte es sich danach automatisch um eine einseitige Verletzung zwingenden Völkerrechts handeln, da sie
229 Siehe ILC Report , YILC 1951-11, 134 ff; Draft Code , YILC 1954-11, 151 f; ferner den Überblick über die Geschichte der Kodifikationsentwürfe bei Thiam , 1st Report, YILC 1983-II, Teil I, 137 ff. 230 U.N. GA Res. 897 (IX) v. 4. 12. 1954, YUN 1954, 412. 231 Siehe o. Fn. 194. 232 U.N. GA Res. 33/97 v. 16.12.1978, U.N. Doc. A/35/210 und Add.l, Add.2, Add.2/Corr.l. 233 Hierüber bestand im Sechsten Ausschuß der U.N. -Vollversammlung zunächst Streit. Für eine Bestrafung auch von Staaten sprachen sich aus die Delegierten Syriens , U.N. Doc A/C.6/38/SR.46, para. 27; der Philippinen, A/C.6/38/SR.40, para. 33; Rumäniens, paras. 41 f.; dagegen lehnten dies ab Frankreich , A/C.6/38/SR.41, para. 26; Österreich, para. 41; Italien, A/C.6/38/SR.43, para.19; die Niederlande, A/C.6/38/SR.48, para.45. Die Frage der strafrechtlichen Haftung von Staaten soll wegen dieser Kontroverse vorerst nicht weiterverfolgt werden, s. Thiam, 3rd Report, YILC 1985-11, Teü I, 64 . 234 Vgl. Teü I, Art 19 III der Draft Articles on State Responsibility^. bei Fn. 151) mit Art. 11 I, VII, 12 I, II, III, IV des Draft Code, Text bei Thiam, 4th Report, YILC 1986-11, Teü I, 83 f. 235 Art. 11 IV Draft Code, a.a.O., 84. 236 Art. 11 V, VI Draft Code, a.a.O., 85; neugefaßt in Art 18 des ILC-Entwurfes, s. McCaffrey, AJIL 84 (1990), 934. 237 Art. 11 VIII Draft Code, a.a.O. 238 Art. 11, 13 Draft Code, a.a.O., 86. 239 Art. X Draft Code, abgedr. bei McCaffrey, AJIL 84 (1990), 935.
IV. Zusammenfassung
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wegen ihrer Schwere zugleich Teil I, Art. 19 der Draft Articles on State Responsibility unterfallen. 240
IV. Zusammenfassung Im Verlaufe der Arbeiten der ILC hat eine Konkretisierung des völkerrechtlichen ius cogens in drei Bereichen stattgefunden: im Recht der Verträge, im Recht der Staatenverantwortlichkeit und im Völkerstrafrecht. Im Vertragsrecht war die Existenz zwingenden Völkerrechts zum Zeitpunkt der Wiener Konferenz trotz Meinungsverschiedenheiten zur Regelbarkeit und zu redaktionellen Fragen im Grundsatz nicht umstritten. Deshalb herrschte über die Rechtsfolgen eher Klarheit als über Entstehungsweise und Inhalt solcher Normen. Es ist dies außer der Nichtigkeit und der Unzulässigkeit der Bestätigung von Verträgen, die gegen ius cogens verstoßen, die Unmöglichkeit des Verzichts auf durch ius cogens gewährte Rechte und ihrer Verwirkung, das Verbot der Suspendierung oder Aufkündigung kraft zwingenden Rechts bestehender Pflichten und die Unzulässigkeit von Vorbehalten gegenüber zwingenden Vertragsbestimmungen. Im Recht der Staatenverantwortlichkeit verfolgt die ILC gleichfalls den Ansatz, einer bestimmten Gruppe von Normen bestimmte Rechtsfolgen zuzuordnen. Dabei hat sie in verschiedenen Bereichen Rechtsfolgen des ius cogens formuliert. Es sind dies vor allem - der Ausschluß völkerrechtlicher Haftung, wenn ein zum Handlungszeitpunkt rechtswidriges Verhalten zum Zeitpunkt der Streitentscheidung einer kraft zwingenden Rechts bestehenden Pflicht entsprechen würde; - die Unmöglichkeit, sich auf Unrechtsausschließungsgrunde wie Einwilligung, Repressalienrecht und Notstand zu berufen, wenn dies der Rechtfertigung einer Verletzung von ius cogens dienen soll. Darüber hinaus führt die ILC eine Unterscheidung zwischen einfachem Delikt und Staatsverbrechen ein; für jede Kategorie sollen die Rechtsfolgen gesondert definiert werden. 2 4 1 Bei Staatsverbrechen soll nicht nur der unmittelbar verletzte Staat, sondern die „internationale Staatengemeinschaft als Ganze" als verletzt angesehen werden. Die Begehung eines Staatsverbrechens ist zugleich eine einseitige Verletzung zwingenden Rechts; dieser Satz ist aber
240 Schon früher wurde in der ILC die Auffassung vertreten, ein staatlich autorisiertes internationales Verbrechen verletze notwendig auch ius cogens, s. o. Fn. 14, 23, 24 und 32; ferner Dohm, Völkerrecht I, S. 6, 17, 57 sowie die Beispiele bei Quadri, RdC 113 (1964-ffl), S. 335 f. 241 Vgl. dazu Rauschningy BDGVR 24 (1984), 13 ff., der darauf hinweist, daß im geltenden Recht Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen einander nicht nach Nonnkategorien, sondern jeweils für die einzelnen Normen zugeordnet werden.
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2. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht nach den Arbeiten der ILC
nicht umkehrbar. Dritte Staaten müssen auf unterschiedliche, nach Grad der Rechtsverletzung abgestufte Weise reagieren, vor allem durch -
Unterlassen jeglicher unterstützender Maßnahmen zugunsten des Schädigers;
-
Verweigerung der Anerkennung des geschaffenen Zustandes;
-
Unterstützung von oder Beteiligung an Gegenmaßnahmen.
Welche Handlungen als Staatsverbrechen zu werten sind, wird durch einen Beispielskatalog angezeigt, der u.a. die Entfachung eines Angriffskrieges, Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts der Völker, schwere Verletzungen der Menschenrechte und massive Schädigungen der Umwelt nennt. Weitere Hinweise auf mögliche Staatsverbrechenstatbestände liefert der Entwurf eines Kodex völkerrechtlicher Straftaten. Zwar wurden Staatsverbrechen aus diesem Vorhaben ausgeklammert; gleichwohl liegt die Annahme nahe, daß staatlich autorisierte Straftaten nach Völkerstrafrecht zugleich die Voraussetzungen erfüllen, die die ILC an Staatsverbrechen stellt.
3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention Es hat sich gezeigt, daß sich in den Arbeiten der ILC und in den Protokollen der Wiener Vertragsrechtskonferenz immer wieder dieselben Beispielsnormen für ius cogens finden, die mit internationalen Moralvostellungen in Zusammenhang gebracht werden. 1 Wenn diese Normen die Merkmale auf Rechtsfolgenseite aufweisen, welche dem im vorangegangenen Kapitel dargestellten Konzept des ius cogens entsprechen, läge hierin ein Beleg für die positivrechtliche Geltung des Ius-cogens-Prinzips über die Wiener Vertragsrechtskonvention hinaus. Zugleich könnten aus der Entstehungszeit dieser Normen Anhaltspunkte für die Entstehungsgeschichte des zwingenden Völkerrechts gewonnen werden. Daher sollen zunächst die internationalen Konventionen, in denen sie enthalten sind, auf entsprechende Hinweise untersucht werden. Anschließend wird in der Staatenpraxis nach Anwendungsfällen des ius cogens gesucht. Schließlich wird Material aus den übrigen Quellen und Hilfsquellen des Völkerrechts auf seine Aussagefähigkeit überprüft werden.
I . Internationale Konventionen Die nachfolgende Durchsicht multilateraler Abkommen konzentriert sich darauf, bestimmte normative Merkmale einzelner Rechtssätze festzustellen. Ob der materielle Gehalt der jeweiligen Vertragspflichten zum ius cogens zu rechnen ist, hängt davon ab, ob er universell gilt. Diese Frage wird in Kapitel 6 wieder aufgegriffen werden.
1. Die Charta der Vereinten Nationen Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Kollisionsnormen wie Art. 103 UNC kein zuverlässiges Kriterium darüber abgeben, ob die durch sie abgesicherten Konventionen zwingendes Recht enthalten.2 Anders verhält es sich aber, wenn eine der Rechtsfolgen des ius cogens durch eine Vertragsbestimmung unmittelbar angeordnet wird. In dieser Hinsicht liefert die U.N.-Charta
1 Siehe o. Kap. 2 bei Fn. 12, 14, 20, 23, 30, 59, 68-76, 150-154. Siehe o. Kap. 1 Abschn. I 2.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
in ihren Bestimmungen über das völkerrechtliche Gewaltverbot einen Hinweis. Art. 521 UNC bestimmt, daß „diese Charta" das Bestehen regionaler Abmachungen zur Behandlung solcher „die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Angelegenheiten nicht ausschließt], bei denen Maßnahmen regionaler Art angebracht sind; Voraussetzung hierfür ist, daß diese Abmachungen oder Einrichtungen mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen vereinbar sind." Umgekehrt erscheint danach ein militärisches Bündnis als „ausgeschlossen", dessen Ziel über die Vorsorge für den Selbstverteidigungsfall (Art. 51 UNC) oder die Begründung eines regionalen Verteidigungs- oder Sicherheitssystems (Kap. V I I I UNC) hinausgeht und somit mit Art. 2 Ziff. 4 UNC in Konflikt stünde.3 Diesen „Ausschluß" könnte man mit „Nichtigkeit" gleichsetzen.4 Auch wenn sich ein solcher Schluß nicht zwingend aus dem Text der Charta ergibt, ist doch die Absicht offenkundig, Offensivbündnisse nicht zu dulden. Damit liegt diese Vorschrift mit Zielen, wie sie nach den Projekten der ILC durch zwingende Normen erreicht werden sollen, auf einer Linie: Die Aufstellung inhaltlicher Kriterien für die Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge.
2. Konventionen zum humanitären Völkerrecht Auch die vier Genfer Abkommen von 1949 beschränken das Recht der Vertragsparteien, abweichende Vereinbarungen zu schließen. So bestimmt Art. 7 I 2 GA IV: „Eine Sondervereinbarung darf weder die Lage der geschützten Personen, wie sie durch das vorliegende Abkommen geregelt ist, beeinträchtigen, noch die Rechte beschränken, die ihnen das Abkommen verleiht."^
Der allen vier Abkommen gemeinsame Artikel 3 schreibt den Parteien vor, auch in einem nicht-internationalen Konflikt, also einer notstandsähnlichen Situation, einige Mindestgarantien zu beachten. Die nach Art. 3 I geschützten Personen sind, ohne Diskriminierung, „unter allen Umständen" mit Menschlichkeit zu behandeln. Hinzu kommt das Verbot, Angriffe auf ihr Leben und ihre Person zu verüben, sie zu foltern, als Geiseln zu nehmen oder ohne Einhaltung minimaler rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien zu verurteilen und hinzurichten. 6 Vergleichbare Garantien enthalten die beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen. Art. 75 II ZP I und Art. 4 II ZP II erklären Handlungen, wie sie in Art. 3 der Genfer Abkommen genannt werden, zusammen
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Engl. Text: „Nothing in this Charter precludes the existence [...]." Die frz. Fassung lautet: „aueune disposition de la présente Charte ne s'oppose à F existence [...]," (Hervorhebung nicht original). Zu dieser Bestimmung näher Kelsen , Law of U.N., S. 437 ff.; Goodrich / Hambro / Simons , Charter, S. 295 ff.; Kodjo in: Cot / Pellet (Hrsg.), Charte, 794 ff., jeweils ohne Bezug auf ius cogens. 4 Siehe Diaconu , S. 38 f., 155 f. 5 Entsprechend Art 6 GA I bis III; dazu Pictet, Commentaire IV, S. 76 f.; Herczegh , Development, S. 81 f. 6 Dazu Draper , RdC 114 (1965-1), 72.
I. Internationale Konventionen
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mit weiteren Verbrechen für „jederzeit und überall untersagt". Repressalien gegen geschützte Personen sind den Kriegführenden bereits nach den Abkommen von 1949 verwehrt, 7 die Zusatzprotokolle enthalten neue Repressalien verbote. 8 Verzichte der Berechtigten sind unbeachtlich.9 Verstöße Einzelner gegen humanitäre Minimalpflichten sind von den Vertragsparteien als Verbrechen zu verfolgen. 10 Die Genfer Konventionen sind vor Beendigung des Kriegszustandes nicht kündbar. 11 Das Gegenseitigkeitsprinzip ist des weiteren insoweit eingeschränkt, als einzelne, wesentliche in den Verträgen kodifizierte Pflichten auch dann nicht suspendiert werden können, wenn die Konventionen gekündigt werden; das gilt für den kündigenden Staat ebenso wie für die übrigen Vertragspartner. 12 Auf Reparationsansprüche, die aufgrund von Verletzungen der Genfer Konventionen entstehen, darf nicht verzichtet werden. 13 In keinem anderen internationalen Abkommen werden so viele der Rechtsfolgen angeordnet, die die ILC als für ius cogens typisch ansieht. 14 Es verwundert daher nicht, daß Normen des humanitären Völkerrechts schon lange als ius cogens angesehen werden. 15
7 Art. 46 GA I, 47 GA II, 13 III GA III, 33 GA IV, 20 ZP I; s. auch Bothe / Partsch / Solf, New Rules, S. 522; Münch, Festschr. Mosler, 623. 8 Siehe Art. 53 lit. c (Angriffe gegen Kulturgüter); Art. 54 IV (Angriffe gegen für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte); Art. 55 II ZP I (Angriffe gegen die natürliche Umwelt); Art. 56 IV (Angriffe gegen Staudämme, Deiche und Kraftwerke). 9 Art. 7 GA I-III, 8 GA IV, 11 II, 55 II ZP I; ferner Art. 10 V GA I-III, 11 V GA IV, wonach bestimmten Personen der diplomatische Schutz nicht genommen werden darf; s. dazu Perrin , Etudes Pictet, 755 Fn. 26. Art. 50 GA I, 51 GA II, 130 GA III, 147 GA IV; näher Pictet , Commentaire IV, S. 645 f.; Domb, Isr. Y.B. Hum. Rts. 6 (1976), 119 f.; ferner den Hinweis von Maresca(/to//e/i), U.N. CLOT OR II, 104. u Art 63 GA I, 62 GA II, 142 GA III, 158 GA IV; dazu Pictet , Commentaire IV, S. 645; Waldock, YILC 1963-1, 59. 12 Siehe dazu und zu Art 60 V WVRK noch o. Kap. 2 Fn. 195. 13 Pictet , Commentaire IV, S. 645 f. " Siehe Kap. 2. 15 Allgemein Anzilotti, Riv. di Diritto Int'l 8 (1914), 78 f.; Descamps, RdC 31 (1930-1), 523 ff.; Verdross , AJIL 31 (1937), 575; ders. , AJIL 60 (1966), 59; Vitta, S. 165; Fitzmaurice , RdC 92 (1957-11), 125; ders., in: IDI, Livre de centenaire, 324; Dohm, Völkerrecht I, S. 17; McNair, Law of Treaties, S. 215; Waldock, 2nd Report, YILC 1963-11, 59; Cavaré, Droit international, S. 69; Colombos, Law of the Sea, S. 443 f.; Suy, Concept, S. 106; Schwelb, AJIL 61 (1967), 957 („reference to something akin to jus cogens"); Berber , Lehrbuch I, S. 473; Ziccardi, C&S 14 (1975), 1072; Domb, Isr. Y.B. Hum. Rts. 6 (1976), 119 f. (soweit es sich dabei um völkerrechtliche Verbrechen handelt); Gómez Robledo, RdC 172 (1981-III), 185; Alexidze, a.a.O., 263; Münch, Festschr. Mosler, 622 f.; Condorelli / Boisson de Chazournes , Etudes Pictet, 33; Abi Saab, a.a.O., 267 ff.; Miyazaki, a.a.O., 436 ff.; Sinclair , S. 223; Herczegh, Development, S. 74 ff.; Meron, AJIL 81 (1987), 356; Hannikainen, S. 469 ff. Kritisch Wolfke, Polish Y.B. Int'l L. 6 (1974), 158; Kimminich, Einführung, S. 229; Sztucki, S. 39 f.; Perrin , Etudes Pictet, 751ff. Siehe im einzelnen Kap. 6 Abschn. C.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
3. Menschenrechte
a) Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes Ein Hauptzweck dieses 1948 fertiggestellten Abkommens 16 ist die Bestrafung von Personen, die sich des Völkermordes schuldig gemacht haben, "gleichviel ob sie regierende Personen, öffentliche Beamte oder private Einzelpersonen sind" (Art. III). Das Verbrechen des Völkermordes soll nach einer neueren Konvention nicht der Verjährung unterliegen. 17 Für den hier interessierenden Zusammenhang erscheint Art. V I I I der Völkermord-Konvention besonders bedeutsam. Danach kann jeder Vertragsstaat „die zuständigen Organe der Vereinten Nationen damit befassen, gemäß der Charta der Vereinten Nationen die Maßnahmen zu ergreifen, die sie für die Verhütung und Bekämpfung von Völkermordhandlungen [...] für geeignet erachten". Auf Beschluß des Sicherheitsrates sind demnach gewaltlose und militärische Sanktionen möglich (Art. 41 f UNC), an denen teilzunehmen bei Vorliegen einer Resolution des Sicherheitsrates zur Pflicht gemacht werden kann (Art. 25, 48 f UNC). Art. I X begründet für Streitfälle die Zuständigkeit des IGH. Die Regeln der Draft Articles on State Responsibility über die kollektive Sanktionsbefugnis der Staatengemeinschaft gegenüber Staaten, denen ein Staatsverbrechen vorzuwerfen ist, stellen also in Bezug auf Verletzungen des Völkermordverbotes zumindest für die Vertragsstaaten der Völkermord-Konvention in wesentlichen Teüen bereits geltendes Recht dar. 18 Hinzu kommt, daß hinsichtlich der Kernbestimmungen der Konvention nach einem Gutachten des IGH Vorbehalte nicht zulässig sind. 1 9
b) Konventionen gegen Sklaverei und Sklavenhandel Auch das Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels wurde im Kreise der ILC und auf der Wiener Konferenz oft als Kandidat für eine zwingende Norm zur Diskussion gestellt. Einen Beleg im positiven Recht, der diese Vorschläge untermauert, findet sich in Art. 9 des 1956 zur Unterzeichnung eröffneten Ergänzungsvertrages zur Sklavereikonvention von 1926. Die Vorschrift verbietet die Erklärung von Vorbehalten. 20 Der Umstand, daß das Sklaverei-
16 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes v. 9. 12. 1948, UNT 277; BGBl. 1954 II, 729. 17 Art. 1 b der Convention on the Non-Applicability of Statutory Limitations to War Cr and Crimes against Humanity v. 26.11. 1968, UNTS 754, 73; vgl. ferner die europäische Konvention zum selben Gegenstand v. 25. 1. 1974, ETS No. 82. 18 Teil I, Art. 19; Teil II, Art. 5 lit. e, 14; Teil ffl, Art. 4 lit. b; dazu o. Kap. 2 Abschn. II 2. 19 Reservations to the Convention for the Prevention and Punishment of the Crime of G de, ICJ Rep. 1951, 13, 23, 29. 20 Ergänzungskonvention zur Konvention über Sklaverei vom 25. 9. i926(SdNRT 60, 25 RGBl. 1929 II, 63) v. 7. 9. 1956, UNTS 266, 40; BGBl. 1958 H, 203.
I. Internationale Konventionen
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verbot von jeglichem aus dem Gegenseitigkeitsprinzip folgenden Relativismus freigehalten werden sollte, dokumentiert die Bedeutung, die der Materie beigemessen wird. Darüber hinaus gehört das Verbot von Sklaverei und Sklavenhandel in drei allgemeinen Menschenrechtspakten zu denjenigen Rechten, die in Keraschutzbestimmungen gesichert worden sind. Sie müssen von den Vertragsstaaten auch in Notstandssituationen eingehalten werden. 21 Konventionen über die Hohe See erlegen den Vertragsstaaten die Pflicht auf, den Schiffstransport von Sklaven auf dem Seewege als Verbrechen zu verfolgen. 22
c) Konventionen gegen die Folter Wie das Verbot der Sklaverei ist der Schutz vor Folter bereits nach den allgemeinen Menschenrechtspakten Teü des notstandsfesten Minimums. 2 3 Im humanitären Völkerrecht stellt die Folter ein Verbrechen dar, das von jeder Vertragspartei zu verfolgen ist. 2 4 Zusätzlich ist sie nun in drei neueren Sonderabkommen erfaßt, die sich die Einrichtung effektiver Überwachungsmechanismen zum Ziel setzen. Art. 2 II der UN-Konvention 25 und Art. 5 der Inter-Amerikanischen Konvention gegen die Folter 26 bestätigen den Grundsatz, daß Folter durch keine Notstandssituation zu rechtfertigen ist. Art. 3 der UN- und Art. 6 der Inter-Amerikanischen Konvention erlegen den Vertragsstaaten die Pflicht auf, die Folter als Verbrechen zu verfolgen. A/t. 29 I I der UN-Konvention unterwirft Streitigkeiten, die aus diesem Vertrage erwachsen und auf anderem Wege nicht beizulegen sind, der Gerichtsbarkeit des IGH. Aus der Tatsache, daß Art. 29 I I den Vertragsparteien ausdrücklich gestattet, zu dieser Bestimmung Vorbehalte zu erklären, kann gefolgert werden, daß zum materiellen Teü der Konvention Vorbehalte ausgeschlossen sein sollen. Die Europäische Konvention gegen Folter 2 7 verbietet in Art. 21 ausdrücklich jeglichen Vorbehalt. 28 Art. 21 der Inter-Amerikanischen Konvention schließt Vorbehalte hingegen nur aus, wenn sie mit Ziel und Zweck des Abkommens in Widerspruch stehen. 29 Die vertragstextlichen Hinweise auf den 21
Art. 4 IPBPR, 15 II EMRK, 27 II AmMRK Art. 13 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See v. 29. 4. 1958, UNTS 450, 82; BGBl. 1972 II, 1091; Art. 99 SRK 23 Art. 7 IPBPR, 3 EMRK, 5 II AmMRK i.V. m. Art. 4 IPBPR, bzw. 15 II EMRK, 27 II AmMRK 24 Art. 3 GA I-IV, 49 f. GA I, 50 f. GA II, 129 f. GA III; 146 GA IV. 25 U.N. Convention Against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Punishme 10. 2. 1984, U. N. GAOR 39 (1984), Supp. No. 51, S. 206; in Kraft seit 9. 12. 1987, s. ILM 26 (1987), 1490; BGBl. 1990 II, 246. 26 Inter-American Convention to Prevent and Punish Torture v. 9. 12. 1985, OASTS No. 67 abgedr. in ILM 25, 1986, 519. 27 Europäische Konvention über die Verhütung von Folter und unmenschlicher oder e gender Behandlung oder Bestrafung v. 26. 11. 1987, ETS No. 126; BGBl. 1989 O, 946. 28 Diese Bestimmung güt jedoch nicht für Teü II, der die Tätigkeit des Ausschusses gegen die Folter regelt. Seine Zuständigkeit kann durch \brbehalt ausgeschlossen werden, Art. 28 I. 29 Die Klausel folgt damit der im Gutachten des IGH zur Völkermordkonvention (ICJ Rep. 1951, 23, 29) entwickelten und in Art. 19 lit. c WVRK positivierten Formel. 22
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
möglichen zwingenden Gehalt des Folterverbotes sind damit ähnlich geartet wie beim Verbot der Sklaverei.
d) Konventionen gegen Rassendiskriminierung
und Apartheid
Das Verbot der Rassendiskriminierung ist gleichfalls in mehreren internationalen Abkommen niedergelegt worden, deren Vorschriften es zulassen, einen Zusammenhang mit ius cogens herzustellen. 30 Die internationale Konvention über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung 31 läßt Vorbehalte, die Ziel und Zweck des Vertrages und die Funktionsfähigkeit der zur Überwachung eingesetzten Organe betreffen, nur begrenzt zu (Art. 20). 3 2 Art. 11 eröffnet jedem Staat die Möglichkeit, Praktiken, die er für mit der Konvention unvereinbar hält, vor einen Ausschuß zu bringen. Daraus resultierende Streitigkeiten sind mangels anderweitiger Lösung auf Antrag einer Partei vom IGH zu entscheiden (Art. 22). Die Möglichkeit einer Staatenbeschwerde vor der Kommission zeigt zudem Züge einer „actio popularis" 33 in dem Sinne, daß sich jeder Staat mangels Umsetzung der Konvention als in eigenen, nämlich vertraglich eingeräumten Rechten verletzt sehen darf. Doch ist zuzugeben, daß ein solches Verfahren auch in anderen internationalen Abkommen üblich ist, deren dispositive Natur außer Frage steht.34 Weiteres ergibt sich aus der Konvention zur Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid. 35 Deren Artikel I und II entsprechen in Ansätzen dem Konzept des Staatsverbrechens. Nicht nur Individuen, sondern auch Organisationen und Institutionen, die sich der Praxis der Apartheid bedienen, werden für kriminell erklärt (Art. I Abs. II). Art. II lit. c nennt als eine der strafwürdigen Handlungen den Erlaß von Gesetzen über Rassentrennung. Nach Art. V I und VIII können von jedem Vertragsstaat die Organe der Vereinten Nationen angerufen werden, um die Politik der Apartheid zu bekämpfen. 36 Apartheid fällt auch unter den Anwendungsbereich der UN-Konvention über die Unverjährbarkeit von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.37
e) Allgemeine Konventionen zum Schutze der Menschenrechte Der IPBPR, die EMRK und die A m M R K enthalten Klauseln, in denen es den Vertragsstaaten gestattet wird, im Falle eines Krieges oder sonstigen Not-
3° Art. 2 I IPBPR, 2 IIPWSKR, 14 EMRK, 1 I AmMRK, 5 AfCRMV. 31 Vom 7. 3. 1966, UNTS 660, 195; BGBl. 1969 ü, 961, 2211. 32 Dazu Cassese, Hommage Guggenheim, 266 ff. 33 Siehe o. Kap. 2 bei Fn. 182 f. 34 Zur Staatenbeschwerde nach der ILO-Charta o. Kap. 2 Fn. 183. 35 Vom 30. 11. 1973, UNTS 1015, 243. 36 Bis zum 1. 1.1988 hatte diese Konvention 86 Mitgliedsstaaten, s. Bowman / Harris , Multilateral Treaties Index, Supp. 5, Nr. 638. 37 Art. 1 lit. b, Fdst. o. Fn. 17.
I. Internationale Konventionen
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standes die in diesen Verträgen enthaltenen Verpflichtungen in dem Maße außer Kraft zu setzen, das die Lage unbedingt erfordert. Doch sind von dieser Suspensionsbefugnis einige elementare Menschenrechte ausgenommen.38 Keine derartige Vorschrift enthält die AfCRMV, die auch sonst eine weniger strenge Formulierung der vertraglichen Bindungen kennzeichnet. 39 Die nicht einseitig suspendierbaren Bestimmungen sind nicht in jedem Vertrag dieselben. Der in allen drei Konvention anerkannte Minimalstandard besteht aus dem Recht auf Leben, dem Verbot von Folter oder unmenschlicher Behandlung sowie Sklaverei und dem Ausschluß einer Bestrafung ohne zur Zeit der Tat geltendes Strafgesetz. Ein weiteres Merkmal, das EMRK und AmMRK gemeinsam ist, ist wiederum die sog. Staatenbeschwerde. 40
4. Seerecht Der Bezug des ius cogens auf Interessen der gesamten Staatengemeinschaft, den Art. 53 WVRK herstellt, legt es nahe, Konventionen über Materien heranzuziehen, in denen diese Gemeinschaftsinteressen besonders deutlich werden. Wichtigste Materien sind das internationale Umweltrecht, die Nutzung internationalisierter Räume und die Regeln über ein gemeinsames Kulturerbe der Menschheit. Von diesen Bereichen ist das Seerecht derjenige, der die genauesten Vorschriften enthält. Eines der tragenden Prinzipien der Seerechtskonvention von 1982 präzisieren die Art. 136 ff., die den Meeresboden und Meeresuntergrund jenseits der Hoheitsgewalt der Küstenstaaten zum „Gemeinsamen Erbe der Menschheit" erklären. Dies soll bedeuten, daß hoheitliche und private Ansprüche hinsichtlich dieses Gebietes ausgeschlossen sind, eine Aneignung der dort liegenden Ressourcen durch einzelne Staaten oder Personen ohne Erlaubnis der noch zu schaffenden Meeresbodenbehörde nicht stattfindet (Art. 136 SRK), das betreffende Gebiet nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden kann (Art. 141 SRK), die Meeresforschung garantiert wird (Art. 143 SRK) und die Umwelt geschont werden muß (Art. 145, 147 SRK). In Art. 311 V I SRK wird erklärt, daß die Grundregel, die Gebietsansprüche und unautorisierte Rohstoffgewinnung verbietet (Art. 136 SRK), nicht Gegenstand abweichender Individualvereinbarungen sein darf. Außerdem ist eine Abänderung der Konvention im Wege der Revision (Art. 155 SRK) oder des Amendment-Verfahrens (Art. 312 ff. SRK) nicht zugelassen (Art. 155, 311 V I SRK). Das Derogationsverbot und die Absicht, die wirtschaftliche Nutzung des Tiefseebodens zur gemeinsa-
38 Art. 4 IPBPR; 15 II EMRK; 27 II AmMRK 39 So wird durchgehend in präskriptiver Form gesprochen („Each man shall have the right [...]"); anders IPBPR, EMRK und AmMRK, deren materielle Artikel jeweils deskriptiv mit den Worten beginnen: „Every person has theright[...]"; zur AfCRMV s. Bello , RdC 194 (1985-V), 9. «o Siehe o. Kap. 2 Fn. 183.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
men Sache aller zu machen (Art. 133-191 SRK), könnten zu der Annahme verleiten, hier sei an zwingendes Recht gedacht. 41 Dafür scheint auch zu sprechen, daß Art. 311 V I SRK auf eine Initiative Chiles zurückgeht, den Gehalt des Art. 136 SRK zum ius cogens zu erklären. 42 Doch liegt der gegenteüige Schluß näher, weü eine solche ausdrückliche Regelung letztlich gerade nicht zustande gekommen ist. 4 3 Man kann daher mit den besseren Gründen die Auffassung vertreten, daß Art. 311 V I SRK zwar die Rechtswidrigkeit abweichender Vereinbarungen und eine völkerrechtliche Haftung der Kontrahenten bewirkt, aber keine Nichtigkeit. Dies gilt zumindest, soweit der Aspekt ökonomischer Nutzung des Grundes unter Hoher See betroffen ist, da sich konsistente Staatenpraxis noch nicht gebildet hat. 4 4 Ansprüche hoheitlicher Art auf das betreffende Gebiet sind bereits kraft Gewohnheitsrechts unzulässig; insofern kann auch die Nichtigkeit abweichender Verträge in Betracht gezogen werden. 45
5. Zwischenergebnis Die Durchsicht einiger multilateraler Verträge mit Materien, die besonders häufig zwingendem Recht zugeordnet werden, hat gezeigt, daß für viele Bestimmungen, in denen sie positiviert sind, Rechtsfolgen gelten, die auch ius cogens zugeschrieben werden. Dies güt für das Gewaltverbot und humanitäres Völkerrecht in stärkerem Maße als für die Menschenrechte und das Patrimoine-commun-Prinzip. Das Gewaltverbot schließt derogierende Verträge mit einiger Deutlichkeit aus. Die Abkommen zum humanitären Völkerrecht enthalten Bestimmungen über absolut garantierte Rechte sowie Vorschriften, die den Abschluß abweichender Verträge, den Verzicht, die Repressalie, die Suspension und die Kündigung in bestimmten Fällen völlig verbieten. Die Menschenrechtskonventionen stellen Derogationsverbote für Notstandszeiten auf, die Ergänzungskonvention zur Konvention gegen Sklaverei und die europäische Konvention gegen Folter jeweils ein absolutes Verbot von Vorbehalten. Rechtsfolgen, die der ILC-Entwurf zum Recht der Staatenverantwortung an die Begehung von Staatsverbrechen knüpfen will, sind in den Konventionen über Völkermord, Folter und Apartheid enthalten. Ausnahmslos
41 Siehe Puceiro Ripoll, Rev. Uruguaya de Derecho Int'l 3 (1974), 70; Caicedo Perdomo, Rev. de la Acad. Colombiana de Jurispr. 206/207 (1975), 273; Gómez Robledo, RdC 172 (1981-III), 175 f.; Anand, IJIL 24 (1984), 197pastor Ridruejo, Lecciones, S. 54 f.; Bedjaoui, Ann. de l'AAA 54-56 (1984-86), 295; einschränkend Hannikainen , S. 561 f., 564, 571 f.; vgl. auch Luther ¡ Mann, StR 23 (1974), 422, die das Recht auf Rohstoffgewinnung für ius cogens halten. 42 Informeller \brechlag v. 5. 8. 1980, U.N. Doc. A/Conf.62, GP 9. Vgl. Treves, Riv. di Diritto Int'l 62 (1980), 458 f.; Arrow, Harv. Int'l L. J. 21 (1980), 382 UOxman, AJIL 74 (1980), 38 ff.; Gaja, RdC 172 (1981-IÜ), 281.; Wolfrum , Internationalisierung, S. 391; ders., ZaöRV 43 (1983), 313 f. Anders aber eine gemeinsame Erklärung Chües, Kolumbiens, Ekuadors und Perus, zit. bei Danilenko, EJEL / JEDI 2 (1991), 54 Fn. 105. 44 Der gewohnheitsrechtliche Gehalt der im Patrimoin-commun-Prinzip enthaltenen Nutzungsrechte ist umstritten, vgl. Wolfrum, ZaöRV 43 (1983), 333 ff. 45 Hall, Treatise, S. 215JCelsen, Principles, S. 344; Marek, Hommage Guggenheim, 449fitzmaurice, 3rd Report, YILC 1958-0, 40 Fn. 54; a A Marín López, Homenaje Sela, 79.
II. Gewohnheitsrecht
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handelt es sich bei diesen Abkommen um Konventionen, die nach 1945 aufgelegt und geschlossen worden sind. Auf vertraglicher Ebene gibt es mithin Normen, bei denen das Gegenseitigkeitsprinzip in einer Weise eingeschränkt wurde, die für zwingendes Recht typisch ist. Diese Normen sind daher als Quelle zwingenden Rechts besonders geeignet.
II. Gewohnheitsrecht Die Staatenpraxis soll im folgenden auf Fälle überprüft werden, in denen für völkerrechtliche Verträge die Rechtsfolgen des ius cogens eingetreten sind, die in Kapitel 2 beschrieben wurden. Anschließend wird nach Präzedenzfällen für besondere Konsequenzen einseitiger Verletzungen zwingenden Völkerrechts gesucht, wie sie die „Draft Articles on State Responsibility" vorsehen.
1. Nichtige Veträge Wenn hier von für nichtig erklärten Verträgen die Rede ist, sind damit Verträge gemeint, deren Gültigkeit wegen ihres Inhaltes auf politischer Ebene in Abrede gestellt wurde. 46 Dabei werden Verträge nicht einbezogen, die lediglich sukzessionsrechtliche Probleme aufwerfen. Aus der Sicht ehemaliger Kolonien traten solche Konflikte auf, wenn diese in die Unabhängigkeit entlassen wurden, und sich die Frage der Fortgeltung von Pflichten stellte, die vom Kolonialstaat mit Wirkung für das betreffende Territorium begründet worden waren. In derartigen Fällen ist zunächst zu fragen, ob Altpflichten nach dem Recht der Staatennachfolge auch für den neuen Staat Bestand haben. 47 Erst dann kann ein vertragsrechtlicher Konflikt, wie er für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist, entstehen.
a) Verträge
aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg
Im Jahre 1870 erklärte Rußland den Pariser Vertrag von 1856 48 für beendet, da dieser durch seine Neutralisierung des Schwarzen Meeres und die Pflicht zur Abtretung des Donaudeltas das Zarenreich in seiner Souveränität verletzt habe. 49 Der Erwerb Moldawiens und der Walachei mache einen ungehinderten Zugang zu den Meerengen notwendig. Es handle sich hier um umveizichtbare Sicherheitsinteressen. Daraufhin erhoben Österreich-Ungarn und die Türkei ähnliche auf die Kontrolle von Sicherheitszonen gerichtete Ansprüche. 50 Zu einer Nichtigerklä46 47 48 49 50
Also nicht lediglich im Schrifttum; dazu Kap. 2 Fn. 110-132. Siehe Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 620 ff. Friedensvertrag v. 30. 3. 1856, Martens NRGT, tom. XV, S. 762, Art IV , XI, XX ff. Archives diplomatiques 1873 m, S. 179, 184 f., 187. A.a.O., S. 307 ff., 332 ff., 353 ff.
78
3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
rung des Pariser Vertrages kam es indes nicht. Auf der Londoner Konferenz von 1871 wurden vielmehr die Interessen Rußlands und der Türkei durch Zusatzabkommen berücksichtigt. 51 Seit 1872 beanstandete Japan wiederholt Verträge mit europäischen Staaten und den USA, die es wegen Einschränkungen der Zollautonomie und von Rechtsprechungsbefugnissen über ausländische Staatsangehörige für mit der Würde eines Staates unvereinbar ansah.52 Die Türkei erlitt infolge von Kapitulationserklärungen aus ihrer Sicht empfindliche Beschränkungen ihrer Gebietshoheit.53 Mit China war seit 1842 eine Reihe von Verträgen geschlossen worden, die Kolonialmächten Zollhoheit, Konsulargerichtsbarkeit, Exterritorialität und Gebiete mit eigener Hoheitsgewalt zugestanden,54 die China später unter Hinweis auf ihre Ungleichheit für ungültig erklärte. 55 In allen diesen Fällen wurden die entstandenen Konflikte auf politischem Wege beigelegt, ohne daß es zu einer Einigung über die Nichtigkeit der inkriminierten Vereinbarungen gekommen wäre: Durch Verträge der Kolonialmächte mit Japan wurden die gravierendsten Ungleichheiten beseitigt und die Beziehungen auf neue Grundlagen gestellt.56 Die Türkei erreichte durch den Vertrag von Lausanne eine sie zufriedenstellende Wiederherstellung ihrer Souveränität; 57 China erlangte in den Zwanziger Jahren weitgehend seine Zollhoheit. 58 Kennzeichnend für die dargestellten Konflikte ist, daß in allen Fällen die sich benachteiligt fühlenden Staaten eine Übergehung aus der Souveränität abgeleiteter Rechte beanstandeten.
b) Verträge
aus der Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges aa) Völkerbundspraxis
In den Zusammenhang der souveränitätsbeschränkenden Verträge gehört auch eine im Leticia-Konflikt zwischen Peru und Kolumbien streitig gewordene Gebietsabtretung, die Peru vor dem Völkerbundsrat als unmoralisch beklagte, da sie die Gefahr eines kriegerischen Konfliktes heraufbeschwöre. 59 Dem
51
Der Vertrag v. 13. 3.1871, Martens NRGT, tom. XVm, S. 303 sicherte freie Benutzung der pontischen Meerengen zu. « Vgl. Ray , RdC 48 (1934-11), 677 f. 53 Ministère des affaires étrangers ( Frankreich ), Documents diplomatiques: Confer Lausanne, 1923, tom. I, S. 440 ff. 54 Zu Verträgen mit Großbritannien s. Hertslet's China Treaties , HMSO 1908, Bd. I, S. 7 ff.; mit Frankreich a.a.O., S. 258 ff.; den USA a.a.O., S. 539 ff. 55 Dazu Ray , RdC 48 (1934-11), 688; Greenberg, Fordham Int'l L. J. 7 (1984), 534; Ress, ZaöRV 46 (1986), 653 m. w. Nachw. Vgl. ferner die entspr. Passage in der Kriegserklärung Chinas an Japan, Deutschland und Italien v. 9. 12. 1941, AJIL 37 (1943), Supp., 1 f. 56 Siehe die Verträge mit Großbritannien v. 16. 7. 1894, Martens NRGT, sér. 2, tom. XX, S. 809; tom. XXII, S. 594; mit Deutschland v. 4. 4.1896, Martens NRGT, sér. 2, tom. XXIII, S. 269, 283; mit Frankreich v. 4. 8. 1896, Martens NRGT, sér. 2, tom. XXV, S. 40. 57 \bm 24. 11. 1923, Martens NRGT, sér. 3, tom. XII, S. 664. 58 Zu den Vortragen Chinas Ray, RdC 48 (1934-II), 635, 683 ff. 59 SdN JO 1933, 504.
II. Gewohnheitsrecht
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wurde von Kolumbien ebenso wie von dritten Staaten entgegengehalten, daß ein Unterschied zwischen verbindlichen und unmoralischen Verträgen gefährlich sei, da er mit dem Respekt vor Verträgen die Basis des Völkerrechts überhaupt untergrabe. 60 Im übrigen sind die Dokumente der Völkerbundsorgane wenig ergiebig. 61
bb) Das Münchener Abkommen Während der Völkerbundsepoche wurden mehrmals politische Verträge abgeschlossen, deren praktische Behandlung über den damaligen Stand der Entwicklung zwingenden Rechts bezeichnend ist. A m 29. September 1938 kamen das Deutsche Reich, Italien, Großbritannien und Frankreich überein - die beiden letzteren mit Ermächtigung der Tschechoslowakei - daß die Tschechoslowakei das Sudetenland an das Deutsche Reich abtreten werde. 62 Bis zum 10. Oktober 1938 wurde das Gebiet von deutschen Truppen besetzt. 63 Die endgültige Grenzziehung wurde nach deutsch-tschechoslowakischen Verhandlungen durch den nach dem Münchener Abkommen eingesetzten internationalen Ausschuß gebilligt. 6 4 In der Folge kam es zu einer Reihe von büateralen Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei, die den Gebietsübergang rechtlich vollzogen. 65 Die deutsche Invasion in Böhmen und Mähren im Mäiz 1939 veranlaßte weder Frankreich noch Großbritannien, das Münchener Abkommen für beendet zu erklären. Erst im Verlaufe des Krieges, am 5. 8. 1942, notifizierte das britische Außenministerium der tschechoslowakischen Exilregierung, daß sich die britische Regierung als durch das Münchener Abkommen nicht mehr gebunden ansah.66 Am 29. 9. 1942 erklärte der Vorsitzende des exilierten französischen Comité National, Géneral de Gaulle, dieses betrachte das Münchener Abkommen und sämtliche daraus resultierenden Rechtsakte als null und nichtig. 67 Den gleichen Standpunkt nahm das sowjetische Außenministerium ein. 68 Nach dem Kriege wurde die Tschechoslowakei wiederhergestellt. In Art. I des deutsch-tschechoslowakischen
60 Siehe SdN JO 1933, 510, 523; Stellungnahme Frankreichs abgedr. in Repertoire 1,100; der Konflikt wurde auf Vermittlung des Völkerbundes und Brasiliens bereinigt, s. Hasse, Embargo, S. 61 Fn. 2. 61 Zum Kodifikationsprojekt der Expertenkommission o. Kap. 2, bei Fn. 7. « Text: ADAP 1918-1945, Ser. D (1937-1940), Bd. 2, S. 812; RGBl. 1938II, 853. 63 AdG 1938, 3749. Schieder, WVR II, 555. 65 Vgl. z.B. den dt.-ts. Vertrag v. 20.11. 1938, RGBl. II, 895, der die kollektive Einbürgerung bestimmter Bevölkerungsgruppen vorsah. 66 „His Majesty's Government regard themselves as free from any engagements in this respect", AJIL 37 (1943), Supp., S. 2 f. 67 Zitiert bei Pergier, AJIL 37 (1943), 310; Langer, S. 238. 68 Documents on International Affairs 1939-1946, Bd. II, 1954, S. 317.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
„Vertrages über die gegenseitigen Beziehungen" v o m 23. 6. 1 9 7 3 6 9 erklären die Parteien, das Münchener Abkommen sei „ i m Hinblick auf ihre gegenseitigen Beziehungen nach Maßgabe dieses Vertrages als nichtig" anzusehen. In der Präambel wird anerkannt, daß die in Folge des Münchener Abkommens getroffene Vereinbarung der tschechoslowakischen Regierung „unter Androhung von Gewalt aufgezwungen wurde". M a n w i r d kaum annehmen dürfen, daß die A l l i i e r t e n die von ihnen selbst geschlossenen oder zumindest gebilligten A b k o m m e n über das Sudetenland als materiell rechtswidrig oder gar nichtig betrachteten. Vielmehr liegt hier eine Beendigung wegen schweren, einseitigen Vertragsbruchs durch Deutschland vor, die in der Errichtung des Generalprotektorats Böhmen und Mähren zu sehen i s t . 7 0 Darüber hinaus ist an eine Beendigung wegen Kriegsausbruchs zu d e n k e n . 7 1 Die Nichtigkeit dieser Vereinbarungen wegen Konfliktes m i t ius cogens ist dagegen von keiner Regierung behauptet worden. Dies erklärt sich auch daraus, daß die Übertragung v o n Territorium v o n einem Staat an einen anderen isoliert betrachtet eine zulässige Transaktion darstellt. Erst der U m stand, daß die Zession des Sudetenlandes durch Drohung m i t Gewalt erzwungen worden war, bewirkt ihre Ungültigkeit. Z w a n g stellt indes einen eigenständigen Nichtigkeitsgrund d a r . 7 2
» BGBl. 1974 II, 989. 70 Vgl. Baade , Ind. L. J. 39 (1964), 507 f. 71 Kriegserklärung der tschechoslowakischen Regierung v. 16. 12. 1941, AdG 5323 A; zu Konsequenzen eines Krieges auf völkerrechtliche Verträge vgl. IDI Res. Effects of Armed Conflicts on Treaties mit Vorarbeiten in: AIDI 59-1 (1981), 201 ff.; 59-II (1981), 175 ff.; 61-1 (1985), 1 ff. Ferner waren sowohl die Autorisierung Frankreichs und Großbritanniens als auch die Annahme des Zessionsvertrages unter Umständen erklärt worden, die von einigen als Bruch der tschechoslowakischen Verfassung bewertet wurden, so Taborsky , Czechoslovak Cause, S. 9 ff., 35; Pergier , AJIL 37 (1943), 308 f.; a A Marek, Identity, S. 310; s. auch Guggenheim , RdC 74 (1949-1), 212. 72 So nunmehr Art. 52 WVRK; zur Praxis McNair , Law of Treaties, S. 206 ff. Vgl. ferner den Fall Gemeinden Eger und Waldsassen gegen Grundbuchamt Waldsassen , BayObLG, Urt. v. 23 1965, ILR 44 (1972), 50 (soweit erkennbar auf dt. nicht veröff.): Die tschechoslowakische Stadt Cheb, vormals Eger, hatte der deutschen Gemeinde Waldsassen ein Grundstück verkauft und aufgelassen. Das zuständige Grundbuchamt verweigerte die Eintragung, da die Stadt Cheb nach Ausweisung der Sudetendeutschen nicht mehr mit der Stadt Eger identisch und aufgrund der Enteignung der tschechoslowakischen Kommunen durch den Staat auch nicht mehr Eigentümerin sei. Das Gericht wies diese Begründung zurück und entschied, daß die Identität erhalten geblieben sei. Die Zession des Sudetenlandes an das Deutsche Reich sei wegen Zwanges und aus verfassungsrechtlichen Gründen ungültig. Auch in einigen niederländischen Urteilen wird von der Unwirksamkeit des Münchener Abkommens und darauf gestützter Rechtsakte ausgegangen, ohne daß sich hieraus Anhaltspunkte für eine Anwendung des Ius-cogens-Prinzips ergäben, vgl. Nederlands Beheers-Instituut v. Nimwegen und Männer , Rechtsbank Arnhem, Urt. v. 17. 1. 1952, Ned. Jur. 1952, Nr. 260; offengelassen v. Hof Arnhem in derselben Sache, Urt. v. 18. 11. 1952, Ned. Jur. 1953, Nr. 438; wie im Urteil erster Instanz die Begründung in Ratz-Lienert und Klein v. Nederlands Beheers-Instituut , Raad Rechtsherstel, AFD Rechtspraak Den Haag, Entsch. v. 29. 6. 1956, Ned. Jur. 1956, Nr. 471 m. Anm. Röling ; Amato Narodin Podnik v. Julius Keilwerth, Musikinstrumentenfabrik, Rechtsbank Den Haag, Urt. v. 31.12.1955 und v. 11.12.1956, NELR 4 (1957), 428.
Gewohnheitsrecht
81
cc) Der „Hitler-Stalin-Pakt" Durch Abkommen vom 23. August 1939 wurde zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion ein Nicht-Angriffspakt 73 geschlossen, der faktisch Deutschland die Aggression gegen Polen ermöglichte. In einem geheimen Zusatzprotokoll vom selben Tage, 74 dem deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939 75 und einem weiteren, diesem letzteren Vertrage angefügten geheimen Protokoll 76 grenzten die beiden Mächte ihre jeweiligen Interessensphären gegeneinander ab. Zur geographischen Trennung orientierte man sich an der sogenannten Curzon-Linie von 1920. 77 Damit wurden Finnland, die baltischen Staaten, das vormals rumänische Bessarabien und der Osten Polens der sowjetischen Interessensphäre zugeordnet, die Gebiete westlich davon, also vor allem das westliche Polen, sollten an Deutschland fallen. Während in den von Deutschland beanspruchten Territorien nach dem Kriege die legitime Gebietshoheit wiederhergestellt worden ist, annektierte die Sowjetunion die von ihr besetzten Gebiete großenteüs endgültig.78 Die Verträge, welche die Gebietsveränderungen während des Krieges vorbereitet hatten, werden in der Staatenpraxis unterschiedlich bewertet. Mit Sicherheit ist der Nicht-Angriffspakt selbst durch den deutschen Angriff gegen die Sowjetunion beendet worden. 79 Im polnisch-sowjetischen Vertrag vom 31. Juli 1941 wurde festgelegt, daß alle genannten deutsch-sowjetischen Verträge "ihre Gültigkeit verloren" hätten. 80 Dies bedeutet zum einen, daß sie bis dahin als gültig behandelt wurden. Zum anderen wurde der sowjetische Gebietszuwachs im wesentlichen durch einen weiteren Vertrag mit Polen vom 16. 8. 1945 bestätigt. 81 In dessen Art. 1 wurde als Grenze zwischen beiden Staaten die Curzon-Linie festgelegt; Abweichungen werden näher gekennzeichnet. Dieses Abkommen sollte also eine rechtliche Bestätigung des infolge der genannten deutsch-sowjetischen Abkommen in Ost-Polen geschaffenen Zustandes bewirken. Über die Gültigkeit der geheimen Protokolle konnte damit jedoch zu diesem Zeitpunkt schon deshalb nichts ausgesagt werden, weü die Sowjetunion deren Existenz bis vor kurzem geleugnet hat. 8 2 Erst am 24. Dezember 1989 ergab sich eine neue Situation, als der Kongreß der Volksdeputierten der UdSSR den Hitler-Stalin-Pakt und beide Geheimen Zusatzprotokolle für
73 RGBl. 1939 n, 968. 74 Abdr. der im Besitz des Deutschen Auswärtigen Amtes befindlichen Mikrofilme bei König, Osteur. 39 (1989), 420 ff. 75 RGBl. 1940 n, 4. 76 Abgedr. bei König, Osteur. 39 (1989), 440 ff. 77 Vgl. v. Putt kamer y WVR I, 303. 78 Siehe hierzu Meissner, Sowjetunion, S. 57 ff., 119ff.; Hoensch, in: Oberländer (Hrsg.), Hitler-Stalin-Pakt, 55; Ham, a.a.O., 70 ff.; v. Pistohlkors, a.a.O., 94 f.; Heinen, a.a.O., 104 ff. ™ Gornig, ROW 33 (1989), 406; ders., Hitler-Stalin-Pakt, S. 94. BFSP 144, 869. 81 UNTS 10, 193. 82 Siehe König, Osteur. 39 (1989), 414. 6 Kadelbach
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
von Anfang an nichtig erklärte. 83 Diese Einschätzung kam auch in Polen zum Ausdruck. Das Politbüro der polnischen kommunistischen Partei vertrat anläßlich des fünfzigsten Jahrestages des Vertragsschlusses die Ansicht, daß die Verträge von Anfang an nichtig seien. 84 In Rumänien forderte man eine Annullierung dieser Verträge, 85 wobei offen blieb, ob damit eine deklaratorische oder eine konstitutive Nichtigerklärung gemeint war. Dies gilt auch für die Erklärung Ungarns anläßlich seiner völkerrechtlichen Anerkennung der baltischen Staaten, wonach nach die vertragliche Gebietsaufteilung zwischen Deutschland und der Sowjetunion illegal und daher ungültig gewesen sei. 8 6 Die zitierten Stellungnahmen drücken eine klare opinio iuris über die Gültigkeit solcher Abkommen aus, 87 die allerdings eher über die Zeit Aufschluß gibt, in der diese abgegeben wurden als über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Sie paßt indes zu der Nichtanerkennung der Eingliederung Estlands, Lettlands und Litauens in die Sowjetunion durch viele Staaten, für die dann die Anknüpfung diplomatischer Beziehungen nach deren erneuter Unabhängigkeit konsequent eine „Wiederaufnahme" darstellte. 88 Der Zusammenhang von ius cogens und Nichtanerkennung wird damit deutlich.
dd) Vertragsbeziehungen zwischen Italien und Albanien In Art. 31 des Friedensvertrages vom 10. Februar 1947 8 9 wurden alle zwischen Italien und Albanien zwischen dem 7. 4. 1939 und dem 3. 9. 1943 geschlossenen Verträge für nichtig erklärt („nuls et non avenus"). Italien verzichtete einseitig auf alle in dieser Zeit erworbenen Rechte und Vorteile (Art. 29). Die bezeichneten Verträge sind in ihrer Gültigkeit zweifelhaft, da sie geschlossen wurden, nachdem Italien Albanien annektiert 90 und die Personalunion erklärt hatte. 91 Einige Wochen nach Einsetzung einer gemeinsamen Legislative übernahm Italien die außenpolitische Vertretung selbst. 92 Die im Friedensvertrag annullierten Abkommen wurden also entweder unter dem Druck der Annexion, durch von Italien eingesetzte Funktionäre oder von Italien selbst abge-
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Abgedr. in Pravda v. 28. 12. 1989. Zu den Begleitumständen Besymenski, Der Spiegel 1990, H. 3, S. 104 ff. 84 FAZ v. 24. 8.1989, S. 2; ebenso die autonomistischen Bewegungen der drei baltischen Staaten, zusammengeschlossen im „Baltischen Rat", s. FAZ v. 30. 8. 1989, S. 2. 85 So Staats- und Parteichef Ceaucescu auf dem 14. und letzten Parteitag der rumänischen KP, s. FAZ v. 23. 11. 1989, S. 2. * Anerkennungserklärung v. 24. 8. 1991, AdG 1991, 36010. 87 Für Nichtigkeit ex tunc wegen Verstoßes gegen ius cogens Gornig , ROW 33 (1989), 402 ff.; s. auch ders., Hitler-Stalin-Pakt, S. 60 ff. 88 Zur Praxis Meissner , Sowjetunion, S. 290 ff; zur Anerkennung AdG 1991, 36010. » UNTS 49, 3. *> AdG 1939, 4017 E. 91 Gesetz über die Personalunion des Königtums v. 16. 4. 1939, Gazzetta Ufßciale v. 19. 4. 1939, no. 94; Gesetz über die Einsetzung eines Generalstatthalters v. 13. 7. 1939, Gazzetta Ufßciale v. 10. 8. 1939, no. 186. » AdG 1939, 4037 G, 4090 A.
II. Gewohnheitsrecht
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schlossen. Damit überlagern sich in Art. 31 als mögliche Annullierungsgründe die Nichtanerkennung der Annexion 9 3 und die Illegitimität der Vertretung. Bestimmend waren jedoch wohl eher politische Motive, nach denen die Souveränität Albaniens wiederhergestellt und Italiens Vormacht beseitigt werden sollte. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, daß andere während des Krieges erfolgte Annexionen bestandskräftig blieben. 94 Trotz des deklaratorischen Wortlauts des Art. 30 („sont nuls") läßt sich deshalb daraus für die Anerkennung des ius cogens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Friedensvertrages nicht viel herleiten. 95
ee) Die deutschen Allianzverträge mit Italien und Japan Im „Freundschafts-und Bündnispakt" zwischen Deutschland und Italien vom 22. Mai 1939 96 versichern die Vertragspartner einander, „auch in Zukunft Seite an Seite und mit vereinten Kräften für die Sicherung des Lebensraumes und für die Aufrechterhaltung des Friedens einzutreten", um „inmitten einer Welt der Unruhe und Zersetzung [...] die Grundlagen der europäischen Kultur zu sichern." In der Präambel des Dreimächtepaktes zwischen Deutschland, Italien und Japan vom 27. September 1940 97 wird verkündet, man sehe es „als eine Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden an, daß jede Nation der Welt den ihr gebührenden Raum erhält." Es sei „vornehmstes Ziel [...], eine neue Ordnung der Dinge zu schaffen". Japan erkennt „die Führung Deutschlands und Italiens bei der Schaffung einer neuen Ordnung in Europa" an (Art. 1), die gleiche Rolle wird Japan „im großasiatischen Raum" zugedacht (Art. 2). Zu einem planmäßigen Zusammenwirkung zwischen den sogenannten Achsenmächten konnte es wegen der geographischen Distanz nicht kommen. Trotzdem läßt sich die aggressive Tendenz dieser Bündnisse nicht übersehen.98 Das Einverständnis, den „Raum" für „jede Nation der Welt" nach eigenem Gutdünken zu verteilen, macht sie zu einem tauglichen Anschauungsobjekt für den häufig als theoretischen Schulfall abgetanen Offensiv-Pakt. 99 Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß gegen Reichsaußenminister Ribbentrop wurden beide Verträge, die seine Unterschrift tragen, als Beweismaterial verwertet. 100 Entsprechendes gilt für den Prozeß von Tokio. 1 0 1 In den Urteilen wird jedoch zur Gültigkeit der Abkommen
93
Zur Haltung der USA Bishop , International Law, S. 347 ff. Siehe o. Fn. 78. 95 Zutreffend Sztucki, S. 26 f. * RGBl. 1939 n, 825. ** RGBl. 1941 O, 279. 98 Pella , Report, YILC 1950-11, 335 f., charakterisiert den Dreimächtepakt als „Komplott gegen den Friedend 99 In diese Richtung CK Rousseau, Principes I, S. 341 f. („une pure hypothèse d'école", „d6pourvue d'aucun interêt pratique"); Rumpf \ Festschr. Meissner, 574 („keine reale Möglichkeit mehi"). 100 Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militäigerichtshof, Bd. I, 43 f.; Bd. V, 12 f.; Bd. X, 301, 334, 428 f., jew. Nürnbeig 1947. 94
6*
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
nicht Stellung genommen. Völkervertragsrechtlich dürfte das Problem auf alliierter Seite spätestens seit Abschluß der Friedensverträge mit Italien 1 0 2 und Japan 103 als erledigt gegolten haben. Zu einer förmlichen Nichtigkeitserklärung kam es in beiden Fällen nicht.
ff) Zwischenergebnis Für die Zeit von 1919-1945 gibt es nur wenige Hinweise auf Staatenpraxis zum Problem inhaltlicher Vertragsmängel. Einziger Hinweis ist der LeticiaKonflikt, der sich einerseits in die schon für Verträge der vorangegangenen Epoche zu beobachtende Tendenz einfügt, nach der vor allem Souveränitätseinbußen als Grund für die Beanstandung von Verträgen herhalten, andererseits aber gleichfalls nicht zu einer Nichtigerklärung führte. Auch sonst ist kein solcher Fall bekannt. Eine übereinstimmende Bewertung des Hitler-Stalin-Paktes als unmoralisch und nichtig erfolgte erst in den letzten Jahren.
c) Praxis der Vereinten Nationen In einer Reihe von Fällen wurde vor Organen der UNO die Gültigkeit von Abkommen in Zweifel gezogen, da sie in Konflikt mit der UN-Charta stünden. Einige der betroffenen Staaten beriefen sich ausdrücklich auf eine Verletzung von ius cogens.
aa) Britische Präsenz in Ägypten Im Jahre 1947 beantragte Ägypten, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen möge beschließen, daß Großbritannien seine Truppen aus diesem Land zurückzuziehen habe. Die Rechtsgrundlage für die Stationierung britischen Militärs bildete ein Vertrag aus dem Jahre 1936, 1 0 4 der aber wegen Zwanges und Inkonsistenz mit der UN-Charta nichtig sei. Er verletze den Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten. 105 Hierin einen Präzedenzfall für ius cogens zu sehen 1 0 6 ist jedoch nicht gerechtfertigt. Verschiedene Resolutionsvorschläge mit dem Inhalt, den Parteien eine Revision des Vertrages aufzugeben, wurden nicht akzeptiert. 107 Der Kon-
101 Röling / Rüter (Hrsg.), International Military Tribunal for the Far East, 29 April 1946 -12 November 1948, vol. I, Leiden 1977, S. 151 ff., 188 ff. 102 UNTS 49, 3, insbes. Art. 68 ff 1 0 3 UNTS 136, 45, insbes. Art. 5 lit a Abs. ü. 104 Bündnisvertrag v. 26. 8. 1936, SdNRT 173, 402. 105
Zusammenfassung der Argumentation Ägyptens YUN 1947-48, 356 ff. 106 So BartoS YILC 1963-1, 257; El-Erian y a.a.O., 257 f. 107 Siehe die Entwürfe Brasüiens, Kolumbiens und Chinas, S/507, S/530 und S/547, wiedergegeben in YUN 1947-48, 360 ff.
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flikt wurde letztlich durch einen neuen Vertrag beigelegt. 108 Ägypten hatte das Ratifikationsgesetz zum Vertrag bereits durch internes Dekret außer Kraft gesetzt. 109
bb) Frankreichs Protektorate über Tunesien und Marokko In den Jahren 1952 und 1953 wurde vor dem Ersten Ausschuß der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Situation in den französischen Protektoraten Tunesien und Marokko erörtert. 110 Frankreich wurde die Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Völker, die Mißachtung der Souveränität beider Länder und Verletzungen der Menschenrechte vorgeworfen. Grundlage der französischen Herrschaft war für Tunesien der Vertrag von Bardo von 1881, 1 1 1 für Marokko der Vertrag von Fes aus dem Jahre 1912. 1 1 2 Während im ersten Falle Tunesien einen Mißbrauch der vertraglich eingeräumten Rechte geltend machte, 113 wurde im Hinblick auf den Vertrag von Fes von einer Reihe von Staaten auch dessen Gültigkeit angezweifelt. 114 Doch waren diese der Auffassung, der Vertragsschluß sei erzwungen worden; die Beschränkung der Souveränität Marokkos wurde als Nichtigkeitsgrund wohl nicht in Betracht gezogen. 115 Die Vertreter Frankreichs und Großbritanniens nahmen den Standpunkt ein, daß es den Vereinten Nationen, anders als dem Völkerbund, nicht zukomme, Verträge zu überprüfen. 116 Resolutionen der Vollversammlung 117 appellierten lediglich an Frankreich, die Grundfreiheiten beider Völker zu fördern.
cc) Der Garantievertrag über Zypern Nach gewaltsamen Ausschreitungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Zyperns erwog der Sicherheitsrat die Aufstellung einer UN-Friedenstruppe. 118 Im Verlaufe der Debatten kam die Sprache auf Art. IV des Garantievertrages über Zypern zwischen Griechenland, der Türkei und Großbri-
108 Vertrag v. 19. 10. 1954, UNTS 210, 3. Zum weiteren Schicksal dieses Abkommens s. die Erklärung Ägyptens v. 1. 1. 1957, abgedr. in AJIL 51 (1957), 672. 109 Documents on International Affairs 1951, 464. no Zusammenfassend YUN 1952, 266 ff. und 1953, 198 ff. in \bm 12. 5. 1881, Martens NRGT, sér. 2, tom. VI, S. 507. 112 \bm 30. 3. 1912, Martens NRGT, sér. 3, tom. VI, S. 332. 113 Siehe Stellungnahme des tunesischen Premierministers v. 31. 3. 1952, U.N. Doc S/2571, wiedergegeben in YUN 1952, 266 f. i " Vgl. YUN 1953, 204. ii s A.a.O. 204 f., wo für die weiteren Ausfuhrungen angenommen wird, der Vertrag sei gültig selbst dann schränke er die Souveränität unzulässig ein und solle daher beendet werden. Man war also nicht der Auffassung, der Vertrag sei wegen Verletzung der Souveränität automatisch nichtig. 116 YUN 1952, 267 ff., 279 f., 282. 117 Uli. GA Res. 611 (VII) und 612 (VII), YUN 1952, 278 und 285. Ii« Zusammenfassend YUN 1963, 50 ff.; 1964, 150 ff.; 1965, 195 ff.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
tannien einerseits und Zypern andererseits. 119 Diese Klausel sieht für den Fall der Verletzung einzelner Vertragspflichten eine Konsultationspflicht der Garantiemächte darüber vor, welche Maßnahmen zur Sicherung des vertragsgemäßen Zustandes zu treffen sind. Falls sich eine gemeinsame, abgestimmte Aktion als undurchführbar erweisen sollte, behält sich jeder dieser drei Staaten das Recht vor, allein zu handeln. 120 Zypern vertrat vor dem Sicherheitsrat und dem Ersten Ausschuß der UN-Vollversammlung die Auffassung, daß diese Bestimmung gegen die UN-Charta sowie gegen zwingendes Recht verstoße und daher nichtig sei, wobei es auf die Arbeiten der ILC Bezug nahm. 1 2 1 Hierin wurde sie von der Sowjetunion, 122 der Tschechoslowakei 123 und Ekuad o r 1 2 4 unterstützt. Die Partner des Garantievertrages folgten dem nicht. Die Türkei berief sich zur Rechtfertigung ihrer Interventionen zweimal auf Art. IV des Garantievertrages. 125 Griechenland bestritt die Anwendbarkeit des Art. IV in diesen Fällen, aber nicht das Interventionsrecht selbst. 126 Großbritannien stellte dieses gleichfalls nicht in Frage. 1 2 7 Auch die überwiegende Mehrheit der nicht unmittelbar am Konflikt beteiligten Staaten ging von der Gültigkeit der Vereinbarung aus. 1 2 8 In den Resolutionen des Sicherheitsrates 129 und der Generalversammlung 130 wird zu diesem Punkt nicht Stellung genommen. Sie appellieren an die Beteiligten, eine Eskalation zu vermeiden. Dennoch bleibt festzuhalten, daß der Zypernkonflikt den ersten Fall darstellt, in dem sich Staaten vor einem Organ der UNO ausdrücklich auf ius cogens berufen haben. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die ersten Beratungen der ILC über dieses Thema bereits stattgefunden hatten. 1 3 1 119 Vom 16. 8. 1960, UNTS 382, 3; s. auch Vtrg. über die Bildung der Republik Zypern v. selben Tage, a.a.O., 8. 120 Art. IV des Garantievertrages hat folgenden Wortlaut: „In the event of a breach of the provisions of the present Treaty, Greece, Turkey and the United Kingdom undertake to consult together with respect to the representations or measures necessary to ensure observance of those provisions. Insofar as common or concerted action may not prove possible, each of the three Guaranteeing Powers reserves therightto take action with the sole aim of reestablishing the state of affairs created by the present Treaty." 121 U.N. SCOR 19 (1964), 1908th mtg., paras. 95 ff., 105; U.N. GAOR, First Committee, 1404th mtg., para 31 f. 122 U.N. SCOR 19 (1964), 1906th mtg., para. 41. 123 U.N. SCOR 19 (1964), 1907th mtg., para. 50. 124 U.N. GAOR, First Committee, 20 (1965), 1410th mtg., para. 14. 125 Siehe Ronzitti , Rescuing Nationals Abroad, S. 117 ff. 126 U.N. Doc. S/PV. 1781, v. 20. 7. 1974, S. 82. 127 U.N. SCOR 19 (1964), 1908th mtg., paras. 67 ff., 79. 12« Siehe USA, U.N. SCOR 19 (1964), 1906th mtg., para. 74; Norwegen , 1907th mtg., para. 39; Bolivien , 1908th mtg., paras. 156 ff.; Iran , U.N. GAOR, First Committee, 20 (1965), 1411th mtg., para. 25; Pakistan , 1412th mtg., para. 19, Malaysia , para. 33 ff.; Costa Rica , U.N. GAOR, First Committee 20 (1965), 1411th mtg., paras. 21 ff. 129 U.N. SC Res. 186 (1964), Doc. S/5575, YUN 1964, 164; 353 (1974), U.N. SCOR Res. 29 (1974), Spec. Supp. 1-2 A, S. 7, U.N. Doc. S/Inf./30 (1974). 130 U.N. GA Res. 2077 (XX) v. 18. 12. 1965, YUN 1965, 213. Hierin wird gefordert, sich jeder Intervention zu enthalten sowie Unabhängigkeit, territoriale Integrität und Souveränität Zyperns zu respektieren. 131 VÄI. o. Kap. 2 Fn. 26.
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dd) Das Abkommen über den Status der westlichen Sahara In mehreren Resolutionen der UN-Generalversammlung war das Recht der Bevölkerung der ehemals spanisch beherrschten West-Sahara 132 auf nationale Selbstbestimmung bekräftigt worden, das durch Volksentscheid ausgeübt werden müsse. 133 A m Ende des Dekolonisierungsprozesses sollte die Unabhängigkeit des Territoriums stehen. 134 Im Hinblick auf Gebietsansprüche der Anrainerstaaten befand der IGH in einem Gutachten, daß weder Marokko noch Mauretanien einen Anspruch auf dieses Territorium besäßen. 135 Gleichwohl schlossen am 14. November 1975 Spanien, Marokko und Mauretanien in Madrid ein Abkommen, 1 3 6 in dem Spanien versprach, sich bis zum 28. Februar 1976 zurückzuziehen. Bis dahin sollte das Gebiet unter Teilnahme marokkanischen und mauretanischen Personals provisorisch verwaltet werden. Eine nach Stämmen zusammengesetzte Versammlung, die Jamaa, mußte dabei konsultiert werden. Spanien übertrug also Befugnisse und Pflichten aus seiner Verwaltungshoheit an Mauretanien und Marokko. Die Vertragsstaaten sagten zu, den Willen des sahrawischen Volkes, wie er in der Jamaa zum Ausdruck kommen würde, zu respektieren. Mit Ablauf der Übergangszeit, am 28. Februar 1976, rief die Frente Polisario, die sich gegenüber der Jamaa als einzig legitime Vertretung des sahrawischen Volkes ansieht, die Demokratische Arabische Republik Sahara aus. 1 3 7 A m 14. April 1976 teilten Marokko und Mauretanien das Gebiet untereinander vertraglich auf. 1 3 8 Die Polisario 1 3 9 vertrat ebenso wie Algerien 1 4 0 die Ansicht, der Vertrag von Madrid sei wegen Mißachtung des Selbstbestimmungsrechtes des sahrawischen Volkes nichtig. Spanien habe über dieses Recht nicht verfügen dürfen. Mauretanien zog sich im Jahre 1979 aus der westlichen Sahara zurück. 1 4 1 Die UN-Generalversammlung befaßte sich mehrmals mit diesem Problem. A m 10. 12. 1975 verabschiedete sie zwei Resolutionen, die einander zu widersprechen scheinen. 142 Die eine, Resolution 3458 A ( X X X ) , 1 4 3 verlangt von Spanien als Verwaltungsmacht („as the administering power"), alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Selbstbestimmung des sahrawischen Vol-
132
Zur Geschichte Prévost , J.D.I. 103 (1976), 832 f. Fn. 3; Riedel, GYIL 19 (1976), 408 ff. 1 33 U.N. GA Res. 2072 (XX) v. 16. 12. 1965, YUN 1965, 585; Res. 2229 (XXI) v. 20. 12. 1966, YUN 1966, 591. 1 34 U.N. Res. 2983 (XXVII) v. 14. 12. 1972, YUN 1972, 579 f. 135 Western Sahara, ICJ Rep. 1975, 10, 68. Abgedr. in R.G.D.I.P. 80 (1976), 380 (frz.) und ILM 1975, 1511 (engl.). 1 3 7 AdG 1976, 20147 B (20148 f.). "8 Bulletin Officiel, Royaume de Maroc, Nr. 3311 v. 16. 4.1976, abgedr. in GYDL 19 (1976), 440. 1» YUN 1977, 881. 1 4 0 A.a.O., 882. 141 Nach einer Absprache zwischen der Frente Polisario und Mauretanien v. 7. 8.1979, YUN 1979, 1048. 142 Dazu Carillo Salcedo , R.E.D.I. 29 (1976), 45 Fn. 16; Ronzitti, Studi in onore Sperduti, 236. i* 3 \bm 10. 12. 1975, YUN 1975, 181.
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kes herzustellen. Danach sieht es so aus, als habe eine wirksame Übertragung von Verwaltungskompetenzen auf Marokko und Mauretanien nicht stattgefunden. Die andere, Resolution 3458 B ( X X X ) 1 4 4 "takes note of the tripartite agreement concluded at Madrid on 14th of November 1975," und verlangt von den Vertragsparteien, den Willen der sahrawischen Bevölkerungsgruppen zu respektieren. Die Gültigkeit dieses Vertrages wird also vorausgesetzt. Weitere Resolutionen aus den Jahren 1976-79 nehmen zu demVertrag nicht mehr Stellung. 1 4 5 Nicht ganz klar ist, ob Resolution 3458 A (XXX) wirklich auf ius cogens Bezug nimmt. Auch wenn man das Selbstbestimmungsrecht als zwingend ansieht, ist noch nicht gesagt, daß das Abkommen dieses Recht auch verletzt. 1 4 6 Sein Ziel ist zunächst die Regelung der Übergangszeit bis zum endgültigen Rückzug Spaniens. Völkerrechtlich bedenklich war weniger diese Regelung als vielmehr der anschließende fortgesetzte Versuch Marokkos, die westliche Sahara zu vereinnahmen. 147 Wenn Resolution 3458 A (XXX) Spanien noch als Verwaltungsmacht nennt, so muß dies nicht bedeuten, daß eine Kompetenzübertragung rechtlich unwirksam war. Damit könnte auch dem Umstand Rechnung getragen worden sein, daß die Übergangsfrist bis zur Räumung des Territoriums durch Spanien zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, Spanien also noch Kompetenzen besaß. Man sollte diese Resolution daher wegen ihres, wenn überhaupt, eher indirekten Bezuges auf die Gültigkeit des Abkommens und auch wegen der entgegenstehenden Resolution 3458 B (XXX) nicht überbewerten. Als gesichertes Ergebnis bleibt nur, daß Algerien und die Polisario das Abkommen als Verletzung des Selbstbestimmungsprinzips und daher als nichtig betrachten. 148 Dies ist nur möglich, wenn man das Selbstbestimmungsrecht als zwingend ansieht. 149
ee) Die Vereinbarungen von Camp David Auch im Separatfrieden zwischen Ägypten und Israel spielt das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine Rolle. Nach Resolution 181 (II) der General-
i s Vom selben Tage, YUN 1975, 190. 1 45 Siehe U.N. GA Res. 31/45 (XXXI) v. 1. 12. 1976, YUN 1976, 756 f.; 33/31 A (XXXIII) v. 13. 12. 1978, YUN 1978, 874 f.; 33/31 B v. selben Tage, a.a.O. 875 f.; 34/37 (XXXIV) v. 21. 11. 1979, YUN 1979, 1062 f. In U.N. S.C. Res. 690 verlangt nunmehr auch der Sicherheitsrat einstimmig die Abhaltung eines Volksentscheides durch Marokko, vgl. F.A.Z. v. 21. 5. 1991, S. 5. 146 So aber Gonzales Campos, El País v. 18. 9. 1977, S. 2; Vance, Yale Studies in World Public Order 7 (1980), 59 Fn. 81; s. auch Prévost, J.D.I. 103 (1976), 853 ff. 1 4 7 Zutr. Ronzitti , Studi in onore Sperduti, 238. 148 Zur Rechtsauffassung Algeriens Bedjaoui, ICJ-Pleadings 1982, Bd. IV, 499. 1 4 9 Ronzitti (Studi in onore Sperduti, 269 f.) meint, es komme der Mangel der Unverfügbarkeit des Vertragsgegenstandes in Frage, in Analogie zu Verträgen zu Lasten Dritter. Dies müßte bedeuten, daß nur das sahrawische Volk, vertreten durch die Polisario, einen solchen Vertrag hätte abschließen dürfen. Die Vertragsschlußkompetenz von Unabhängigkeitsbewegungen ist hingegen nicht allgemein anerkannt. Bis zum völligen Desengagement (das zu betreiben aUerdings Pflicht ist) muß daher der Metropolstaat wirksam handeln können.
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Versammlung der Vereinten Nationen 1 5 0 sollte Palästina in einen arabischen und einen israelischen Teil aufgeteilt werden, Jerusalem war der Status einer internationalisierten Stadt zugedacht. Der Gazastreifen und das Gebiet westlich des Jordan gehörte zum Zeitpunkt der Staatsgründung nicht zum Territorium Israels. 151 Nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948/49 besetzte Ägypten das Gazagebiet, Jordanien annektierte die West Bank und Ost-Jemsalem. Im Verlaufe des Sechstagekrieges im Jahre 1967 wurden alle diese Gebiete von Israel besetzt. 152 In Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten wurden Gaza und West Bank Gegenstand von vertraglichen Regelungen, 1 5 3 deren Ziel es war, die volle Autonomie ihrer Einwohner zu erreichen. Zu diesem Zweck sollten selbstverwaltende Regierungen („self-governing authorities") gewählt werden. Innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren nach der Wahl war der Rückzug der israelischen Truppen vorgesehen. Drei Jahre nach Beginn der Übergangsfrist sollten Verhandlungen aufgenommen werden, um eine Regelung des endgültigen Status der Territorien herbeizuführen. Die zu findende Lösung sollte neben Sicherheitsinteressen der beteiligten Staaten auch Rechte der Palästinenser („the legitimate rights of the Palestinian people and their just requirements") anerkennen. In Resolutionen der Vollversammlung wurde die Gültigkeit dieser Vereinbarungen in Abrede gestellt. 154 Eine rechtmäßige Lösung setze voraus, daß die Charta und die Resolutionen der Vereinten Nationen beachtet würden, „on the basis of the full detainment and exercise of inalienable rights of the Palestinian people, including the right of return and the rights to national independence and sovereignty in Palestine, and with the participation of the Palestine Liberation Organization." 155 Verschiedene Staaten vertraten die Auffassung, daß mangels Beteiligung der PLO das Selbstbestimmungsrecht und damit ius cogens verletzt sei. 1 5 6 Dies blieb nicht unbestritten. 157 Man wird die Nichtigkeit dieses Abkommens 150 Vom 29. 11. 1947, YUN 1947-48, 247 ff. 151 Zur Geschichte van de Craen, R.B.D.I. 14 (1978^79), 500ff.; Roberts, AJIL 84 (1990), 58 ff.
1 52 Dieser Zustand ist Gegenstand von U.N.-Resolutionen seit U.N. SC Res. 242 v. 22. 11. 1967, YUN 1967, 257 f. 1 53 Absprachen von Camp David, UNTS 1138, 39 ff; Vertrag von Washington v. 26. 3. 1977, UNTS 1138, 59. 154 Siehe U.N. GA Res. 34/65 B (XXXIV) v. 29. 11. 1979, YUN 1979, 377 f.: „[...] the Camp David accords and other agreements have no validity in so far as they purport to determine the future of the Palestinian people and of the Palestinian territories occupied by Israel since 1967". 155 U.N. GA Res. 33/28 B v. 7. 12.1978, YUN 1978, 342; ebenso Res. 35/169 A und B v. 15. 12. 1980, YUN 1980, 393 ff. 156 So Irak, U.N. Doc. A/34/PV 77, S. 57; Kuwait, A/34/PV 81, S. 32; Bahrein , S. 87; Saudi Arabien, A/34/PV 83, S. 50; Syrien, U.N. Doc. E/CN 4/SR 1, 410, S. 15 und 411, S. 12; s. auch Res. d. Wirtschafts-und Sozialrates, ECOSOC OR 1980, Supp. No. 3, Doc.E/1980/13 und E/CN 4/1408, S. 41. Ferner Res. der Konferenz von Fés v. 8.-12. Mai 1979, J. Palest. Stud. 10 (1980), 186; aus der Literatur Giardina , Ital. Y.B. Int'l L. 4 (1978-79), 23, 27; Conforti , Lezioni, S. 148. 157 Dagegen Chile, U.N. Doc. A/34/PV 83, S. 67; Uruguay, S. 71 f.; Lesotho, a.a.O.; Costa Rica, Peru und Griechenland, ECOSOC OR 1980, Supp. No. 3 A, Doc.E/1980/13, Add. 1. und E/CN. 4/1408/Add. 1, S. 67 ff.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
nur dann begründen können, wenn nicht nur das Selbstbestimmungsrecht als ius cogens anzusehen ist, sondern auch die Bestimmungen der Absprachen von Camp David so ausgelegt werden müssen, daß sie die Verwirklichung dieses Rechts behindern und ausschließen wollen. 1 5 8 Wenn lokale Regierungen in Gaza und auf der West Bank die Gründung eines palästinensischen Staates ersetzen sollen, können Zweifel angemeldet werden. Dies ist aber eine Auslegungsfrage.
d) Freundschaftsverträge
der Sowjetunion mit dem Iran und Afghanistan
Am 5. November 1979 notifizierte der Iran, er betrachte Bestimmungen eines Vertrages mit der Sowjetunion aus dem Jahre 1921 1 5 9 als außer Kraft getreten. In Art. 6 dieses Abkommens war folgendes vereinbart worden: „If a third party should attempt to carry out a policy of usurpation by means of armed intervention in Persia, or if such Power should desire to use Persian Territory as a base of operations against Russia, or if a Foreign Power should threaten the frontiers of Federal Russia or those of its Allies, and if the Persian Government should not be able to put a stop to such menace after having been once called upon to do so by Russia, Russia shall have theright to advance her troups into the Persian interior for the purpose of carrying out the military operations necessary for its denfence. Russia undertakes, however, to withdraw her troups from Persian territory as soon as the danger has been removed".
Auf welchen rechtlichen Gesichtspunkt sich der Iran dabei stützte, blieb unklar. Neben verfassungsrechtlichen Mängeln und einer Aktivierung der clausula rebus sie stantibus wurde in der Literatur auch ein Konflikt mit ius cogens gesehen. 160 In der Ermächtigung zum militärischen Eingreifen kann ein Verstoß gegen das Gewaltverbot und eine Verletzung der Souveränität des Iran liegen. An einem diplomatischen Notenwechsel über Rechtsfragen fehlt es hingegen. Die Sowjetunion hat auf die Note des Iran nicht reagiert. Daher ist dieser Fall zur Dokumentation der Handhabung zwingenden Rechts von nur begrenztem Wert. Nach ihrer Invasion in Afghanistan hat die Sowjetunion versucht, ihr Eingreifen unter Berufung auf Art. 4 des Freundschaftsvertrages zwischen beiden Staaten von 1978 1 6 1 zu verteidigen, der vorsah, daß die Parteien einvernehmlich die geeigneten Schritte ergreifen sollten, um Sicherheit, Unabhängigkeit
158 Zutreffend Ronzitti, Studi in onore Sperduti, 245. Diese Erwägungen gelten, leicht modifiziert, auch dann, wenn man die Auffassung vertritt, die Vereinbarungen von Camp David seien kein völkerrechtlicher Vertrag, s. etwa Rothe, NYIL 11 (1980), 73 f. 159 Freundschaftsvtrg. zwischen Persien und der RFSR v. 26. 2. 1921, SdNKT 9, 383; bestätigt durch Garantie- und Neutralitätsvtrg. zwischen Persien und der Sowjetunion v. 1. 10. 1927, SdNRT 112, 276. Persien hatte sich von den Pflichten der Art. 5 und 6 schon einmal, in den Jahren 1958/59 lösen wollen, s. die Nachweise aus britischen Tageszeitungen bei Brownlie , Use of Force, S. 319 f. Fn. 5; z. Beendigungserklärung von 1979 Keesing's CA 1980, 30206. 160 In diesem Sinne Reisman , AJIL 74 (1980), 152; a. A. Ronzitti, Studi in onore Sperduti, 231 f.; ders., in: Cassese (Hrsg.), Use of Force, 129; s. auch Gaja, RdC 172 (1981-III), 288; Hannikainen, S. 324 f., 345 f. \bm 5. 12. 1978, engl. Übs. in ILM 19 (1980), 1; frz. in R.G.D.I.P. 84 (1980), 965.
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und territoriale Integrität beider Länder zu garantieren. 162 Das U.S. State Department teilte hierzu die Ansicht mit, wenn diese Bestimmung eine bewaffnete Intervention autorisiere, sei der Vertrag wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht nichtig. 1 6 3
e) Zwischenbewertung In der Staatenpraxis läßt sich nicht ein einziger Fall nachweisen, in dem ein Vertrag einvernehmlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit für von Anfang an nichtig erklärt worden wäre. Dies überrascht nicht. Selten haben alle Vertragspartner ein Interesse an der Beendigung; ebensowenig ist zu erwarten, daß in bilateralen rechtlichen Konflikten von einer ausreichend großen Anzahl von Staaten klare Standpunkte zugunsten eines Beteiligten formuliert werden. Dagegen fehlt es nicht an Beispielen für die einseitige Behauptung der Ungültigkeit von Verträgen. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden Abkommen Gegenstand solcher Konflikte, die vermeintlich oder tatsächlich die hoheitlichen Befugnisse einzelner Staaten zum Vorteil anderer beschränkten. Nach 1919 geschah dies im Verlaufe des Leticia-Konfliktes. Andere Abkommen aus der Völkerbundzeit wurden dagegen vor 1945 auf politischer oder diplomatischer Ebene kaum einmal eines rechtlichen Arguments gewürdigt. In der Staatenpraxis seit 1945 wird das Ius-cogens-Prinzip von Staaten aus verschiedenen Rechts- und Kulturkreisen als rechtliches Argument eingesetzt, so im Zypernkonflikt von Zypern, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Ekuador, in Bezug auf die Absprachen von Camp David von mehreren arabischen Staaten und in Bezug auf das Abkommen von Madrid von Algerien. Im Hinblick auf den sowjetisch-afghanischen Freundschaftsvertrag ließen auch die USA erkennen, daß das Ius-cogens-Prinzip für sie Gültigkeit hat. Daß der sowjetische Kongreß der Volksdeputierten den Hitler-Stalin-Pakt für unmoralisch befand, deutet gleichfalls in diese Richtung. Gegenargumente richteten sich nicht auf die Existenz des Ius-cogens-Prinzips oder den zwingenden Charakter einzelner Normen, sondern auf die Anwendbarkeit des ius cogens im konkreten Fall. Die auf der Wiener Vertragsrechtskonvention geäußerte, dem Ius-cogensPrinzip günstige opinio iuris kam demzufolge seit der ersten Zypernkrise, dokumentierbar seit 1964, auch in anderem Zusammenhang zum Ausdruck, und zwar besonders dann, wenn es darum ging, ob Verstöße gegen das Gewaltverbot oder Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts der Völker vorlagen. Dabei beriefen sich nicht nur Staaten auf die Existenz zwingenden Rechts, die
i « siehe YUN 1980, 299. 163 Siehe Memorandum des U.S. Dpt. St. Legal Adviser Owen an den Stellvertretenden Außenminister Christopher, U.S. Digest 1979, 34 f.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
Partei der WVRK sind. 1 6 4 Diese Beobachtungen stützen die Annahme, daß das ius cogens in der Form, in der es in den ersten Kapiteln vorgestellt wurde, erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Wenn auch kaum regelrecht bewiesen werden kann, daß die Arbeiten der ILC für diese Entwicklung ausschlaggebend waren, so ist doch wahrscheinlich, daß von ihnen die maßgeblichen Impulse ausgingen. Als mitentscheidend wird man die Charta und Praxis der Vereinten Nationen ansehen müssen, deren organisatorische Struktur und pluralistische Zusammensetzung einer zunehmenden Verbalisierung internationalrechtlicher Konflikte und damit einer bewußteren Herausbildung einer allgemeinen opinio iuris günstig war und ist.
2. Einseitige Verstöße gegen ius cogens und Staatsverbrechen
a) Völkerbundsepoche Frühe Beispiele für die moralische Ächtung völkerrechtswidrigen Handelns, das einem Staat und nicht lediglich Einzelnen zuzuschreiben ist, finden sich insbesondere im Kriegsrecht, etwa bei Mißachtung des Schutzes von Parlamentären und medizinischem Personal, des Verbotes heimtückischer Kriegsführung oder nach Einsatz besonders grausamer Waffen. 1 6 5 Doch ist schon die Ahndung solchen Verhaltens als individuelles Verbrechen die Ausnahm e . 1 6 6 Auch die Auferlegung von Reparationszahlungen für den unterlegenen Staat in einigen Fällen 1 6 7 kann nicht als sicheres Argument dafür herangezogen werden, daß eine herausgehobene Kategorie völkerrechtlicher Pflichten mit besonderen Sanktionen belegt wäre, da die Praxis nicht hinreichend gleichförmig und kontinuierlich ist. Ansätze für eine Praxis kollektiver Mißbilligung rechtswidrigen staatlichen Verhaltens sind gleichwohl schon vor der Völkerbundepoche erkennbar. 168 So enthielt eine Empfehlung, die von der internationalen Konferenz amerikanischer Staaten in Washington im Jahre 1890 angenommen worden war, die Aufforderung, daß Gebietsabtretungen, die unter Androhung von Gewalt zustande kamen, nichtig sein sollten. 1 6 9 Seit dem Ersten Weltkrieg ist das Prinzip der
164
Übersicht zu den Konvenüonsparteien in BGBl. 1991 II, FdsL-Nachw. B, 385 165 Dazu Hannikainen, S. 87 ff. 166 In Art 227 des VersaUler Vertrages wird Kaiser Wilhelm eine „supreme offence against international morality" vorgeworfen; Art 228 sah die Anklage von Kriegsverbrechern vor. Die Ausfuhrung blieb hingegen in Ansätzen stecken, vgl. The Treaty of Versailles and After, Annotations of the Text of the Treaty , Dpt. St. Publ. No. 2742, Washington D.C. 1947, S. 375 ff.; dazu Verzijl, International Law IX, S. 381ff.; Bierczanek, in: Bassiouni / Nanda (Hrsg.), International Criminal Law I, S. 562 ff.; Gomig, NJ 1992, 6. 1 6 7 Bekanntestes Beispiel: Art. 231 ff. des Vertrages von Versailles. 168 Zu frühen Beispielen s. bereits Langer , S. 12ff.; vgl. auch Brownlie , Use of Force, S. 410 f. 169 Moore, Digest I, S. 292.
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Nichtanerkennung gewaltsamer Gebietsveränderungen vor allem durch Art. 10 VBS und den Briand-Kellogg-Pakt 170 vorbereitet worden. Die aus Anlaß des japanischen Einmarsches in die Mandschurei im Jahre 1931 formulierte Stimson-Doktrin, von der bereits die Rede war, rief zur Verweigerung der Anerkennung gewaltsam erlangten Gebietszuwachses auf. 1 7 1 Rat und Versammlung des Völkerbundes sprachen sich gegen die Anerkennung der durch die japanische Invasion geschaffenen Lage aus. 1 7 2 Dem Marionettenstaat von Mandschukuo wurde außerhalb der sogenannten Achsenmächte bis 1938 lediglich von El Salvador, Polen und der Sowjetunion Anerkennung zuteil. 1 7 3 Im Zuge des Gran-Chaco-Krieges zwischen Bolivien und Paraguay lehnten 19 amerikanische Staaten in einer Erklärung Gebietsveränderungen mit anderen als friedlichen Mitteln a b . 1 7 4 Im Jahre 1933 nahm eine Resolution des Völkerbundsrates zum Leticia-Konflikt zwischen Peru und Kolumbien auf die Mandschukuo-Resolution Bezug. 1 7 5 Im selben Jahr wurde das Prinzip der Nichtanerkennung gewaltsam erlangten Gebietszuwachses im Saavedra-LamasPakt 1 7 6 und in der Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten der Staaten 177 aufgenommen. Indessen ist die Praxis nicht widerspruchsfrei. Der italienische Überfall auf Äthiopien zog zwar einen Beschluß des Völkerbundes über den vollständigen Abbruch des Handels und des Kapitalverkehrs mit Italien nach sich, wurde aber durch zahlreiche Völkerbundsmitglieder de iure akzeptiert. 178 Angesichts des sogenannten „Anschlusses" Österreichs an das Deutsche Reich 1 7 9 und der Errichtung des Protektorates Böhmen und Mähren 1 8 0 entwickelte sich außerhalb des Kreises der deutschen Verbündeten eine uneinheitliche Praxis, die einerseits durch weitgehende politische Zurückhaltung bei der De-iure-Anerkennung der Inkorporierung, andererseits durch teüweise gegenläufige verwaltungsmäßige Praxis von Behörden und Gerichten derselben Länder gekennzeichnet w a r . 1 8 1 Die italienische Annexion Albaniens erfuhr etwa durch Großbritannien und die USA lediglich De-facto-Anerkennung. 182 Der sowjeti-
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Treaty for the Renunciation of War v. 27. 8. 1928, SdNRT 94, 57; RGBl. 1929 II, 97. 171 Siehe o. Kap. 2 Fn. 175 ff. 1 7 2 SdN JO 1932, 384; a.a.O., Supp. No. 101, S. 87. 173 Angaben nach Brownlie, Use of Force, S. 413; Dugard, S. 34. 174 Erklärung v. 3.8. 1932, Hackworth,, Digest VI, 45 ff. Der Völkerbund und die USA verhängten ein Waffenembargo gegen beide TeÜe, s. Hasse, Embargo, S. 60 f. 175 SdN JO 1933, 526. Dazu bereits o. bei Fn. 59 f.; ferner Dugard, S. 35. 1 7 6 Art 2 des Vertrages v. 10. 10. 1933, SdNRT 163, 393. 177 Art 11 des Vertrages v. 26. 12. 1933, SdNRT 165, 19. 1 7 8 Siehe Langer, S. 133 ff; Brownlie, Use of Force, S. 414; ein Koordinierungsausschuß der Vollversammlung des Völkerbundes empfahl ein Embargo, das aber scheiterte, vgl. i. E. Hasse, Embargo, S. 66 ff. 1 7 9 Baade, Ind. L. J. 39 (1964), 504ff.; Brownlie, Use of Force, S. 414 f.; Ago, YILC 1979-1, 34. 180 Dazu Lauterpacht, Recognition, S. 399 f.; Marek, Identity, S. 287 ff. 181 Marek, Identity, S. 290; Brownlie, Use of Force, S. 426ff.; zur Rspr. nationaler Gerichte in dieser Frage o. Fn. 72. 182 Zu Großbritannien Langer, S. 247 f.; zu den USA Whiteman, Digest 2 (1965), 322.
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sehe Gebietszuwachs infolge des Hitler-Stalin-Paktes wurde hinsichtlich Estlands, Lettlands und Litauens von zahlreichen Staaten de iure nicht anerkannt. 1 8 3 Der Überfall der Sowjetunion auf Finnland führte dagegen zum Ausschluß der Sowjetunion aus dem Völkerbund, zog aber keine Erklärungen zu territorialen Veränderungen nach sich. 1 8 4 Nach der deutschen Aggression gegen Polen wurde auf alliierter Seite eine Exilregierung anerkannt, 185 was die Anerkennung der deutschen Herrschaft ausschließt. Während demnach einige Verträge, Resolutionen und Deklarationen den Willen dokumentieren, gewaltsame Annexion als illegal zu werten, insoweit also ein klares theoretisches Konzept bestand, korrespondierte dem nicht immer ein entsprechendes Verhalten der Staaten, wenn es darum ging, daraus praktische und rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Schon gar nicht kann von einer einheitlichen Haltung „der" Staatengemeinschaft als ganzer die Rede sein, wie dies Teil I, Art. 19 der Draft Articles on State Responsibility fordert. Läßt sich danach bereits für die vergleichsweise harmlose Sanktion der Nichtanerkennung selbst bei eindeutigen Rechtsbrüchen keine konsequente Praxis nachweisen, kann die Schlußfolgerung nur lauten, daß die Rechtsfigur des Staatsverbrechens als ein dem Staat zuzuschreibendes Unrecht mit verschärften Sanktionen vor 1945 nicht existiert hat. 1 8 6
b) UNO-Epoche Seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges hat es nicht an Gelegenheit gefehlt, diese Praxis fortzuentwickeln. Die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates stellen ein zureichendes Instrumentarium bereit, um auf friedensbedrohende Akte einzelner Staaten so zu reagieren, wie der ILC-Entwurf zur Staatenhaftung dies fordert. Die Praxis des UN-Sicherheitsrates bietet daher genügend taugliches Anschauungsmaterial für einen Vergleich des ILC-Konzeptes mit der rechtlichen Wirklichkeit. Kollektivsanktionen sind bisher vor allem für zwei Arten von Rechtsverstößen beschlossen worden: Nach bewaffneten Angriffen und gegen Zustände, die Organe der UN als koloniale oder Fremdbeherrschung definieren. Einige Konflikte, bei denen die an den Tag gelegten Aktivitäten aufschlußreiche Reaktionen hätten erwarten lassen sollen, werden hier herausgegriffen. Dabei soll nicht behauptet werden, daß alle erwähnten Präzedenzfälle einander vergleichbar sind. Ihnen ist aber gemeinsam, daß eine mehr oder minder große Anzahl von Staaten in ihnen eine Bedrohung des Friedens erblickte.
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Angaben dazu bei Meissner , Sowjetunion, S. 290 ff. Vgl. Brownlie, Use of Force, S. 417. Bereits im Monat Oktober 1939 durch neun Staaten (USA, Mexiko, U.K., Türkei, Schweden, Argentinien, Brasilien, Uruguay u. Frankreich), s. Chronicle, AJIL 34 (1940), 134. 186 So wohl auch Ago, 9th Report, YILC 1976-11, Teil I, 30 f., der aUerdings schon für die Völkerbundszeit „signs of change" ausmacht; dem folgt der ILC Report , Y£LC 1976-II, Teil II, 101. 184 185
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aa) Praxis zum völkerrechtlichen Gewaltverbot Bei militärischen Maßnahmen der U N ist zu unterscheiden zwischen solchen der Beobachtung, der Friedenssicherung und Zwangsanwendung. Der Präsenz von Beobachtern 187 und Friedenstruppen 188 kommt kein Sanktionscharakter zu; unabhängig davon, ob sie auf Ersuchen einer betroffenen Regierung oder auf Initiative der UNO tätig werden, nehmen sie allenfalls Verifikations- oder Präventionsaufgaben wahr. Kollektiver Zwang wurde unter der Flagge der UN zuerst vom Juni 1950 bis zum Juli 1953 in Korea ausgeübt, wo nach der Invasion Nordkoreas in Südkorea amerikanischen Truppen das Kommando der UN übertragen wurde („United Nations Command in Korea"); 1 8 9 die erforderlichen Resolutionen des Sicherheitsrates konnten Zustandekommen, da die Sowjetunion den Sitzungen ferngeblieben w a r . 1 9 0 Zu einer solchen Resolution kam es für längere Zeit nicht mehr, da die weltpolitische Machtkonstellation und die Vetoregelung für den Sicherheitsrat dies nicht zuließen. Über die sowjetische Invasion in Ungarn etwa konnte im Sicherheitsrat kein materieller Beschluß erreicht werden. 1 9 1 Die Generalversammlung verabschiedete daraufhin auf der Grundlage der Resolution „Uniting for Peace" 192 in einer Dringlichkeitssitzung mit fünfzig zu acht Stimmen bei fünfzehn Enthaltungen eine Resolution, in der die Sowjetunion zum Rückzug aufgefordert wurde. 1 9 3 Die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von US-Truppen in Vietnam war in der politischen und fachlichen Diskussion umstritten. 194 Die amerikanische Auffassung ging dahin, daß das Engagement keine Einmischung in einen Bürgerkrieg und damit in die inneren Angelegenheiten eines vietnamesischen Ge-
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So z.B. an der pakistanisch-indischen Grenze und in verschiedenen Missionen im Nahen Osten, vgl. Higgins, Peacekeeping I, S. 535 ff, 609 ff. 188 So z.B. im Kongo, im Libanon, in Zypern, auf dem Sinai, auf den Golanhöhen u.a., vgl. Higgins, Peacekeeping I, S. 5 ff., 221ff.; Schaefer , S. 150ff., 209ff.; Henkin / Pugh / Schachter / Smit, International Law, S. 778 ff. 189 Zum Beginn des Konfliktes AdG 1950, 2458 A, 2489 G; zum Waffenstillstand AdG 1953, 4094 A. 190 Nach herrschender Sicht sind diese gleichwohl gültig, s. Bailey , S. 232. Feststellung der Verletzung des Internationalen Friedens und der Sicherheit dch. U.N. SC Res. 83 v. 27. 6. 1950, YUN 1950,222; Übertragung des Kommandos dch. SC Res. 84 v. 7. 7.1950, YUN 1950,230; zu den nachfolgenden Embargomaßnahmen gegen Nordkorea und die \blksrepublik China Lindemeyer, Schiffsembargo, S. 333 ff. 1 9 1 Vgl. YUN 1956, 67 ff. 192 U.N. GA Res. 377 (V) v. 3. 11. 1950, YUN 1950, 193 ff.; danach soll die \bllversammlung Aufgaben der Friedenssicherung wahrnehmen, wenn der Sicherheitsrat seine Zuständigkeit nicht ausübt ™ U.N. GA Res. 1004 (ES-II) v. 4. 11. 1956, YUN 1956, 84; außerdem Res. 1005 (ES-II) v. 9. 11. 1956 mit 48 zu 11 zu 16 Stimmen, a.a.O., S. 85. 194 Siehe Wright , AJIL 60 (1966), 750 ff; J. N. Moore, AJIL 61 (1967), 1ff. und 1039; Friedmann, AJIL 61 (1967), 776ff.; Henkin, How Nations Behave, S. 303 ff; vgl. auch Geamânu, Rev. Roum. d'Et. Int'l 11, 1967, 101, der den Eingriff als verbotene Intervention wertet
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samtstaates bedeutet, 195 sondern einen durch Art. 51 der UN-Charta und Art. I I I des SEATO-Vertrages gedeckten Fall kollektiver Selbstverteidigung dargestellt habe. 1 9 6 Dieser Standpunkt hat sich vor den Vereinten Nationen zwar nicht durchgesetzt. 197 Gleichwohl spielte der Vietnamkrieg in der Praxis ihrer Organe zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Rolle. 1 9 8 Der Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei im August 1968, vom tschechoslowakischen Vertreter im Sicherheitsrat selbst als Verstoß gegen das Völkerrecht angeklagt, 199 führte gleichfalls nicht zu Maßnahmen nach Kapitel V I I der UN-Charta. 200 Der in der Folgezeit zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei abgeschlossene Freundschafttsvertrag vom 6. Mai 1970 2 0 1 machte es den Parteien zur Pflicht, „die Errungenschaften [des Sozialismus]... zu festigen und zu verteidigen," was allgemein als Ausdruck einer beschränkten Souveränität angesehen und in der westlichen völkerrechtlichen Literatur als Ermächtigung zur bewaffneten Intervention interpretiert wurde. 2 0 2 UN-Praxis besteht hierzu nicht. Etwas aufschlußreicher ist die Behandlung des sowjetischen Eingreifens in Afghanistan durch die Organe der Vereinten Nationen. 203 Im Verlaufe der Beratungen des Sicherheitsrates wurde auch auf den zwingenden Charakter des Aggressionsverbotes hingewiesen.204 Nachdem eine Beschlußfassung an sowjetischem Widerstand gescheitert war, kam die Angelegenheit in einer Sondersitzung der Generalversammlung zur Sprache. Die Invasion wurde in einer Resolution mit einer Mehrheit von 104 zu 18 Stimmen bei 18 Enthaltungen verurteilt. 205 Hierin wurde auf die fundamentale Bedeutung von Grundsätzen wie die Achtung der Souveränität, territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit jedes Staates hingewiesen. Die Versuche der Sowjetunion, den Einmarsch durch Hüfsersuchen der afghanischen Regierung zu rechtfertigen, wurden damit zurückgewiesen. Soweit ausdrückliche Erklärungen vorliegen, ziehen sie die Legitimation der handelnden Personen in Zweifel. 206 Das Außenministerium der USA gab die Rechtsansicht bekannt, daß ein Vertrag, der eine solche Invasion gestattet, wegen Verstoßes gegen ius cogens unwirksam sei. 2 0 7 Westliche Staaten initiierten Gegenmaßnahmen wie 195
So unter Berufung auf die Genfer Vereinbarungen v. 21. 7. 1954 (UNTS 935, 2) vor allem a.a.O. 196 Memorandum des Department of State, Office of the Legal Adviser v. 4. 3. 1966, Dpt. St. Bull. 54 (1966), 474. 197 Vgl. YUN 1956, 146 ff. 1» Vgl. Schaefer , S. 386 Fn. 104. i » U.N. SCOR 23,1441st mtg. v. 21. 8.1968, Doc.S/PV. 1441, S. 13 ff.; 1445th mtg. v. 24. 8. 1968, Doc.S/PV. 1445. Die Sowjetunion berief sich anfangs noch auf ein Hilfsersuchen der CSSR, s. 1441st mtg., S. 1. 200 Dazu Schaefer , S. 207 f. Mi UNTS 735, 219. 202 Siehe o. Kap. 2 Fn. 112. 203 Zum Hergang Alaimo , Riv. di Diritto Int'l 64 (1981), 287 ff. 204 Panama, U.N. Doc. S/PV 2190 (1980), S. 3. 205 U.N. GA Res. ES-6/2 v. 14. 1. 1980, YUN 1980 307. 206 Vgl. YUN 1980, 304 ff. 207 Dazu o. Fn. 163. Wright
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Embargos auf bestimmte Handelsgüter, Rückzug konsularischen Personals, Boykott der Olympischen Spiele und die Ausweisung sowjetischer Diplomaten. 208 Nach Besetzung der Falklandinseln durch Argentinien wurde im Sicherheitsrat einstimmig der Rückzug verlangt. 2 0 9 Japan betonte in diesem Zusammenhang den zwingenden Charakter des Gewaltverbots. 210 Die U S A 2 1 1 und die E G 2 1 2 verhängten Sanktionen. Die israelische Operation im Libanon im Sommer 1982 führte zu einstimmigen Entschließungen im Sicherheitsrat, durch die Israel zum militärischen Rückzug und zur Achtung der Rechte der Zivilbevölkerung und humanitärer Pflichten aufgefordert wurde. 2 1 3 Einige Staaten griffen zu handelspolitischen Gegenmaßnahmen.214 Nach der Invasion Grenadas im Oktober 1983 durch Truppen der USA und einiger karibischer Staaten kam ein Beschluß des Sicherheitsrates, der den Einmarsch als Verletzung des Völkerrechts gekennzeichnet hätte, nicht zustand e . 2 1 5 Die nachfolgende Resolution der Generalversammlung, die den Einsatz als Verletzung des Rechts Grenadas auf Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität verurteüte, verlangte das sofortige Desengagement der auswärtigen Truppen. 2 1 6 In den Debatten findet sich, soweit erkennbar, kein Hinweis auf ius cogens. Ahnlich steht es mit der Behandlung der amerikanischen Aktivitäten in und gegen Nicaragua. 217 Sowohl Nicaragua als auch die USA betonten allerdings in ihren Plädoyers während des Verfahrens vor dem IGH, daß das Gewaltverbot des Art. 2 Ziff. 4 UNC zwingenden Rechts sei. 2 1 8 Die amerikanische Operation in Panama wurde durch eine Resolution der UN-Vollversammlung mit nicht allzugroßer Mehrheit verurteilt. 219 Sie forderte außerdem den sofortigen und bedingungslosen Rückzug amerikanischer 208 Ch. Rousseau, R.G.D.I.P. 84 (1980), 835 ff.; zu Maßnahmen der EG: Bull. EG 1-1980, S. 8, 31. 209 U.N. SC Res. 505 v. 26. 5. 1982, YUN 1982, 1347. 210 U.N. Doc. S/PV 2350, S. 27 211 AdG 1982, 25583. 212 Verordnung d. Rates v. 16.4.1982, ABl. EG Nr. L 102 v. 16. 4.1982, S. 1; dazu Meng, ZaöRV 42 (1982), 786 ff. 213 U.N. SC Res. 508 v. 5. 6., 509 v. 6. 6., 511 und 512 v. 18. 6., 520 v. 17. 9. 1982, YUN 1982, 450 ff. 214 Näher P. M. Dupuy , R.GXU.P. 86 (1983), 531. 215 YUN 1983, 214; Abstimmungsergebnis 11 zu 1, bei 3 Enthaltungen. Zur Grenada-Krise s. Green, AVR 24 (1986), 173. 216 Die Verurteüung der Operation fand eine Mehrheit von 106 zu 8 bei 25 Enthaltungen, das Rückzugsverlangen wurde mit 108 zu 9 bei 21 Enthaltungen angenommen, YUN 1983, 214. 2 17 Vgl. Bailey , S. 194, 419 ff. 2 i« ICJ Rep. 1986, 100 f. 219 U.N. GA Res. 44/240 v. 29. 12. 1989, mit 75 Ja-, 20 Gegenstimmen und 40 Enthaltungen; zu den Standpunkten der U.N.-Organe zusammenfassend Tanca, Riv. di Diritto Int'l 73 (1990), 28 mit Nachw. in Fn. 19 f. Zur am. Haltung die Erklärung des Präsidenten Bush v. 20. 12.1989, AJIL 84 (1990), 545 ff. 7 Kadelbach
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Truppen und verlangte die Unterlassung jeder weiteren Intervention gegenüber Panama. Eine Resolution des Sicherheitsrates war an Vetos der USA, Großbritanniens und Frankreichs gescheitert. 220 Der erste Fall seit der Koreakrise, in dem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen militärische Sanktionen verhängte, ist der der Invasion Kuwaits durch Truppen des Irak am 2. August 1990. 2 2 1 Nachdem der Sicherheitsrat einen Bruch des internationalen Friedens und der Sicherheit festgestellt, das Vorgehen des Irak verurteilt und diesen mehrfach zum sofortigen Rückzug aufgefordert hatte, 2 2 2 verhängte er ein Handels- und Transportembargo, blockierte irakisches Vermögen und sicherte kuwaitische Vermögenswerte vor irakischem Zugriff. 2 2 3 Zur Einhaltung der Sanktionen sind auch Nicht-UN-Staaten aufgerufen. 224 Die Annexion Kuwaits wurde für rechtsunwirksam erklärt. 2 2 5 Zur Durchsetzung des Embargos wurde den mit Kuwait kooperierenden Seestreitkräften die Blockade gestattet. 226 Den Höhepunkt der Kette von Resolutionen des Sicherheitsrates 227 bildete die Ermächtigung an „die Mitgliedsstaaten, die mit der Regierung Kuwaits kooperieren, für den Fall, daß Irak die oben genannten Resolutionen bis zum 15. Januar 1991 nicht entsprechend Ziffer 1 vollständig durchführt, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um der Resolution 660 (1990) und allen dazu später verabschiedeten Resolutionen Geltung zu verschaffen und sie durchzuführen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in dem Gebiet wiederherzustellen."22®
Diese „Mittel" („all necessary means") umfassen militärische Gewalt. Im Verlaufe des am 17. Januar 1991 auf der Grundlage dieser Resolution eingeleiteten militärischen Vorgehens drängten die alliierten Streitkräfte die irakischen Truppen aus dem Territorium Kuwaits heraus und erreichten deren Kapitulation. Durch eine weitere Resolution wird der Irak für alle Schäden verantwortlich gemacht, den Kuwait, dritte Staaten und deren Staatsangehörige infolge der Invasion und Besetzung Kuwaits erlitten haben. 2 2 9 Der Sicherheitsrat fällte diese Entscheidungen nach eigener Einschätzung in Wahrnehmung seiner Pflichten und Befugnisse nach Kapitel V I I U N C . 2 3 0 Die Art der Sanktio220
Tanca , a.a.O. 221 Dazu Bothe , DuR 19 (1991), 2 ff. 222 u.N. SC Res. 660 v. 2. 8. 1990, ILM 29 (1990), 1325. 223 U.N. SC Res. 661 v. 6. 8. 1990, ILM 29 (1990), 1325 ff.; Ausnahmen für humanitäre Zwecke in SC Res. 666 v. 13. 9. 1990, a.a.O. 1330 f.; spezifiziert in SC Res. 670 v. 25. 9. 1990, a.a.O. 1334 ff.; für die EG vollzogen durch Verordnung des Rates v. 9. 8. 1990, ABl. EG Nr. L 213 v. 9. 8. 1990, S. 1. 224 Ziff. 5 Res. 661. 225 U.N. SC Res. 662 v. 9. 8. und 664 v. 18. 8. 1990, ILM 29 (1990), 1328 f. 226 u.N. SC Res. 665 v. 25. 8. 1990, a.a.O. 1329 f. 227 Vgl. noch U.N. SC Res. 667 v. 16. 9., a.a.O. 1332, 674 v. 29. 9., ILM 29 (1990), 1561, und 677 v. 28. 11. 1990, a.a.O. 1564, zum Schutze festgehaltener Ausländer und der kuwaitischen Bevölkerung. 22« U.N. SC Res. 678 v. 29. 11. 1990, ILM 29 (1990), 1568. 229 u.N. SC Res. 686 v. 2. 3. 1991, ILM 30 (1991), 568 (Abschn. 2 b). 230 \brsprach zu U.N. SC Res. 678 (o. Fn. 228): „[...]Mindful of its duties and responsibilities under the Charter of the United Nations for the maintenance and preservation of international peace and security, Determined to secure full compliance with its decisions, Acting under Chapter VII of the Charter [...]" (Hervorhebung original). Dazu Bothe , DuR 19 (1991), 9 f.
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nen entspricht denen, die der ILC-Entwurf zum Recht der Staatenverantwortlichkeit bei Staatsverbrechen vorschlägt. Die rechtliche Grundlage in der UNCharta macht aber die Bezugnahme auf das Institut eines Staatsverbrechens entbehrlich. Auch die Resolution zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des Irak kommt ohne diese Figur aus, da sie nur Schäden tatsächlich geschädigter Staaten und Personen als Anknüpfungspunkte für die Haftung nennt; die Fiktion einer Schädigung der gesamten Staatengemeinschaft wegen des Bruches besonders wichtiger Pflichten wird nicht ausformuliert.
bb) Praxis zu anderen Rechtsnormen Außerhalb des Gewaltverbotes ist in erster Linie die Praxis zu Kolonialismus und Apartheid einschlägig. Zur Bekämpfung der Kolonialpraxis Portugals empfahlen UN-Resolutionen den Entzug jeder wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung, die es Portugal ermöglichte, an seiner Praxis festzuhalten.*» Nach der Unabhängigkeitserklärung Süd-Rhodesiens, dessen neuer Verfassung systematische Rassentrennung vorzuwerfen war, wurde dessen Politik zur Bedrohung von Frieden und Sicherheit erklärt; der Sicherheitsrat verweigerte die Anerkennung und beschloß ein begrenztes Importverbot für Waren aus Süd-Rhodesien sowie ein Exportverbot für Waffen, Fahrzeuge und Erdölprodukte, später folgte ein Importembargo. 232 Resolution 253 forderte die wirtschaftliche, politische und kulturelle Isolation des Landes. 233 Die Maßnahmen wurden mit der Unabhängigkeit Zimbabwes beendet. 234 Die Apartheidpolitik Südafrikas wurde zu einer Situation „seriously disturbing international peace and security" erklärt, die den Prinzipien der UNCharta zuwiderlaufe. Der Sicherheitsrat verhängte einen Lieferstop für Waffen, Munition und Militärfahrzeuge; 235 diese Maßnahmen wurden in späteren Resolutionen verschärft. 236 Die Mitgliedstaaten der EG rangen sich zu dem Umfang nach eher beschränkten Maßnahmen durch. 2 3 7
231 Zur Vorgeschichte U.N. SC Res. 180 v. 31. 7. 1963, YUN 1963, 489; 183 v. 15. 12.1963, a.a.O. 492; 218 v. 23.11. 1965, YUN 1965, 613; Sanktionsaufrufe in U.N. GA Res. 2107 (XXII) v. 21. 12. 1965, YUN 1965, 614; 2270 (XXII) v. 17. 11. 1967, YUN 1967, 723; 2703 (XXV) v. 14. 12. 1970, YUN 1970, 713; 3113 (XXVIII) v. 12. 12. 1973, YUN 1973, 753. 232 U.N. SC Res 216 v. 12. 11. und 217 v. 20. 11. 1965, YUN 1965, 132 f.; Importverbot in U.N. SC Res 247 v. 16. 12. 1966, YUN 1966, 116 f. 233 Vom 29. 5. 1968, YUN 1968, 152. Zu den Maßnahmen der EG-Staaten Kuyper, C. M. L. Rev. 1975, 231ff; zur innerstaatlichen Wirkung in den USA Diggs v. Schultz, 470 F. 2 d 461 (D.C. Cir. 1972); cert, denied, 411 U.S. 1931 (1973). 234 U.N. SC Res. 460 v. 21. 12. 1979, YUN 1979, 217. 235 U.N. SC Res. 181 v. 7. 8. 1963, YUN 1963, 20. 236 Vgl. u. a. U.N. SC Res. 282 v. 23. 7. 1970, YUN 1970, 146; 311 v. 16. 12. 1966, YUN 116; 253 v. 4. 2.1968, YUN 1968, 88; GA Res. 33/183 A bis O v. 23.1.1979, YUN 1979,208 ff., 218 ff. 237 v o (EWG) Nr. 3302/86 des Rates v. 27. 10. 1986, ABl. EG Nr. L 305, S. 11 (Einführem7'
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
Nach Beendigung des Treuhandmandates Südafrikas über Namibia durch Res. 2145 (XXI) der Generalversammlung 238 stellten Resolutionen des Sicherheitsrates fest, daß die fortgesetzte Anwesenheit Südafrikas Mandat und Resolutionen der UN verletze, und appellierten an alle Staaten, dort keine Bodenschätze abzubauen oder den Abbau zu unterstützen. 239 Resolutionen der Generalversammlung riefen dazu auf, Südafrika zum Rückzug zu zwingen. 2 4 0 Die Gegenmaßnahmen fanden also in diesen Fällen in Übereinstimmung mit vorhergehenden Beschlüssen der UN-Organe statt. Dagegen läßt sich in einigen anderen Fällen zwar keine Koordination, aber ein Nebeneinander von Beschlüssen durch UN-Organe und Gegenmaßnahmen einzelner oder mehrerer Staaten beobachten. Im Zuge der Teheraner Geiselaffäre verlangten mehrere Resolutionen des Sicherheitsrates die Befreiung der gefangengehaltenen Diplomaten. 241 Sanktionen scheiterten jedoch an einem sowjetischen Veto. In diesem Zusammenhang griffen die Staaten der EG, Kanada und Japan von sich aus zu Sanktionen diplomatischer oder wirtschaftlicher Art gegen den Iran, 2 4 2 zu denen sie sich wegen der vorangegangenen Verletzung einer Pflicht erga omnes durch den Iran als befugt ansahen. 243 Dagegen standen Sanktionen, die die USA und die EG nach Verhängung des Kriegsrechts in Polen gegen die Sowjetunion ergriffen hatten, nicht in Zusammenhang mit Aktivitäten der Vereinten Nationen. 2 4 4
c) Ergebnis Es fällt schwer, diesem Material einen klaren Befund abzugewinnen. Auch wenn man sich der Unterschiedlichkeit der einzelnen Fallkonstellationen und ihrer oft kontroversen rechtlichen Bewertung bewußt bleibt: es kann sicher nicht gesagt werden, daß Verstöße gegen völkerrechtliche Pflichten, die im Rahmen der UN als Bedrohung des Friedens und der internationalen Sicherheit zu werten wären, regelmäßig auf institutionalisiertem Wege zustande gekommene öffentliche Kritik, Verurteilungen oder gar Sanktionen nach sich zö-
bargo für Goldmünzen); Beschluß der im Rat Vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten v. 16. 9. 1986, ABl. EG Nr. L 268, S. 1 (Einfuhrsperre fur bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse); Beschluß der im Rat Vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten v. 27. 10. 1986, ABl. EG Nr. L 305, S. 45 (Investitionsstop). 238 Vom 27. 10. 1966, YUN 1966, 605. 239 Siehe z.B. U.N. SC Res. 276 v. 30. 1. und 283 v. 29. 7. 1970, YUN 1970, 752 f. 2*0 U.N. GA Res. 2325 (XXII) v. 16. 12. 1967, YUN 1967, 712; 2678 (XXV) v. 9. 12. 1970, YUN 1970, 755; 3399 (XXX) v. 26. 11. 1975, YUN 838. 2*1 U.N. SC Res. v. 31. 11. 1979 und v. 4. 12. 1979, YUN 1979, 311 f. 2*2 Bull. EG 4-1980, Nr. 1.2.9. und 5-1980, Nr. 1.5.4.; dazu Petersmann , ZVglRWiss 80 (1981), 16 f; P. M. Dupuy , R.G.D.I.P. 79 (1983), 506 ff., 519. 2*3 Petersmann a.a.O., 17 Fn. 51. 244 Erklärung des am. Präsidenten v. 29. 12. 1981, abgedr. EA 1982, D 163. Verordnung des Rates der EG v. 15. 3. 1982, ABl. EG Nr. L 72 v. 16. 3. 1982, S. 15; zum Ganzen Frowein, Festschr. Mosler, 253; P. M. Dupuy, R.G.D.LP. 79 (1983), 510 f.
II. Gewohnheitsrecht
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gen. Auf das ius cogens wird bei einseitigen Akten zwar hin und wieder Bezug genommen; Mehrheitsbeschlüsse, die die Rechtsfolgen eines Staatsverbrechens im Sinne des Teils I, Art. 19 des ILC-Entwurfes zur Staatenverantwortung anordnen, sind aber die seltene Ausnahme. Die Praxis kennt zwei Fälle durch die UN autorisierter Zwangsmaßnahmen, die Koreakrise und die Invasion des Irak in Kuwait, deren Anordnung jeweils durch besondere politische Konstellationen ermöglicht wurde. Bei Interventionen durch ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates kommen wegen dessen Vetorechts nur Resolutionen der Vollversammlung in Frage. Erst in jüngerer Zeit wurden davon unabhängig Sanktionen gegen die Sowjetunion ergriffen, so nach dem Einmarsch in Afghanistan und nach Verhängung des Ausnahmezustandes in Polen. Handeln dagegen andere Staaten, ist die Verhängung von Gegenmaßnahmen wahrscheinlicher, wie die Geiselnahme im Iran, das israelische Vorgehen im Libanon 1982, die Falklandkrise und die irakische Invasion in Kuwait zeigen. Die Bereitschaft, zu Sanktionen zu greifen, hat in jüngerer Zeit zugenommen. Einige Staaten, insbesondere die USA und die EG, entschließen sich hierzu zuweilen auch dann, wenn der Sicherheitsrat keinen entsprechenden Beschluß gefaßt hat. Die Übung zu vereinzelten (quasi-) kolonialistischen Herrschaftsverhältnissen (Portugal, Namibia) und systematischen Formen der Rassendiskriminierung (Südrhodesien, Südafrika) ist auf stets dieselben Delinquenten beschränkt. Sicher läßt sich damit ein gewohnheitsrechtliches Verbot solcher Praktiken stützen. Doch kann von einer für jede Rechtsverletzung regelmäßig eintretenden Sanktion durch die zuständigen Organe nicht die Rede sein, solange oligarchische oder quasikoloniale Herrschaftsformen in anderen Ländern unbehelligt bleiben. Ist der Eintritt von Sanktionen schon unsicher, wenn die rechtliche Grundlage und die zur Beschlußfassung erforderliche institutionelle Struktur vorhanden sind, fällt es schwer, den Eintritt verschärfter völkerrechtlicher Verantworlichkeit auch außerhalb dieser Verfahren als Erkennungsmerkmal des positiven Völkerrechts auszumachen. Dennoch kann in den nachgezeichneten Fällen eine Tendenz zu einer neuen Rechtsentwicklung gesehen werden. So ist zunächst bemerkenswert, daß die UN-Organe das Tatbestandsmerkmal der Bedrohung des Friedens so auslegen, daß auch Handlungsformen erfaßt sind, die nicht den Tatbestand zu erwartender bewaffneter Auseinandersetzung erfüllen. Die vom Entwurf des ILC-Berichterstatters Riphagen geforderte erweiternde Anwendung des Verfahrens nach Kapitel V I I auf andere Formen schwerer völkerrechtlicher Delikte hat in Ansätzen also bereits dadurch stattgefunden, daß die Kompetenzen der UN-Organe entsprechend weiter verstanden werden. Des weiteren ist festzustellen, daß mit zunehmender Lockerung der Blockbindung der Staaten Mittel- und Osteuropas, vor allem aber in der Dritten Welt in letzter Zeit die Neigung zugenommen hat, Völkerrechtsverstöße, die den Frieden bedrohen, vor den U N zu verhandeln und in Entschließungen zumindest der Generalversammlung festzustellen. Die Zahl der Fälle abgestimmten Sanktionsverhaltens ist in den letzten Jahren größer geworden.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
Es zeigen sich also Ansätze, die dem Entwurf der ILC zur Staatenhaftung entgegenkommen. Diese belegen eine Tendenz in der Rechtsentwicklung der jüngeren Vergangenheit, die sich in der Konsolidierung zu Gewohnheitsrecht fortsetzen könnte. Dazu bedürfte es aber eines regelmäßigeren und kausalen Zusammenspiels von kollektivem Entschluß und nachfolgender Sanktion auch dann, wenn der bezichtigte Staat nicht ohnehin politisch isoliert ist.
III. Allgemeine Rechtsgrundsätze Zwei Arten von allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Sinne des Art. 38 I lit. c IGH-Statut sind zu unterscheiden: zum einen die den internen Rechtsordnungen gemeinsamen Prinzipien, die durch Rechtsvergleichung zu ermitteln sind, 2 4 5 zum anderen Rechtsgrundsätze, die außerhalb der nationalen Rechtsordnungen entstanden sind und das Verhalten der Staaten in den internationalen Beziehungen prägen, sogenannte allgemeine Prinzipien des Völkerrechts. 246 Darum vermag diese Rechtsquelle in zweierlei Weise Aussagen über das völkerrechtliche ius cogens zu liefern. Im internen Recht kann nach Rechtssätzen mit vergleichbarer Funktion gesucht werden, die dann Rückschlüsse auf das völkerrechtliche ius cogens erlauben. Dagegen wird den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts wegen ihrer Struktur und ihrer Bedeutung oft schon per se zwingender Charakter zuerkannt.
1. Grundsätze der nationalen Rechtsordnungen Es fehlt in der wissenschaftlichen Literatur nicht an Hinweisen auf Parallelen zwischen Rechtsinstituten aus dem internen Recht, die der Vertragsautonomie Grenzen setzen, und dem völkerrechtlichen ius cogens. 247 Von anderen wird gegenüber solchen Analogien Zurückhaltung empfohlen, da es sich im Völkerrecht um eine eigenständige Rechtsordnung handle, in der zwingendes Recht nicht lediglich dem rechtsgeschäftlichen Willen der Rechtssubjekte, sondern zugleich der Rechtserzeugung Schranken setze. 248 Damit ist die Frage der Übertragbarkeit nationalrechtlicher Rechtssätze auf das Völkerrecht angesprochen. Die Antwort hängt davon ab, welcher Bereich des internen Rechts zum Vergleich herangezogen wird.
245
Brownlie , Principles, S. 15 ff. A.a.O., S. 19. Beide Kategorien können sich teilweise überschneiden. Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts können zudem auch in Gewohnheits- und Vertragsrecht auffindbar sein. 247 Verdross , ZöR 15 (1935), 294; Suy, Concept, S. 20ff.; Martensen, S. 6ff.; Sarkar , L.Q. J. Indian L.I. 6 (1969), 97 f.; Schwelb , AJIL 61 (1967), 948. 248 Reimann, S. 40; Diaconu , S. 11. 246
. Allgemeine Rechtsgrundsätze
103
Das Privatrecht wird nur selten ohne Vorbehalte als geeignete Basis für Analogien angesehen.249 Die Parallele zu Vorschriften, die der Vertragsfreiheit inhaltliche Grenzen setzen, scheint gleichwohl offenkundig. Der Rechtsordnung, die hier meist als erste konsultiert wird, dem römischen Privatrecht, 2 5 0 ist der Begriff des ius cogens indessen noch fremd. 2 5 1 Das dem Parteiwülen entzogene Recht wird dem ius publicum zugeordnet. 252 Doch konnten auch privatrechtliche Bestimmungen zwingend sein, 2 5 3 so daß hier wohl nur von einer Faustregel gesprochen werden kann. 2 5 4 Die Bezeichnung „ius cogens" im heute geläufigen Sinne ist ein Produkt der Pandektistik. 255 Verträge mußten schon nach römischem Recht nicht nur zwingenden gesetzlichen Verboten konform sein, sondern standen darüber hinaus unter dem Vorbehalt der Übereinstimmung mit den guten Sitten. 2 5 6 Wie das römische Recht ordnen auch die heutigen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen die Nichtigkeit gesetz- und sittenwidriger Verträge a n . 2 5 7 Die anglo-amerikanischen Systeme unterscheiden sich von ihnen im Ergebnis nicht wesentlich. 258 Auch die sozialistischen Länder kannten den Unterschied zwischen zwingendem und nachgiebigem Recht. 2 5 9 Außer solchen Generalklauseln beschränken auch spezifischere zwingende Normen meist öffentlichrechtlicher Provenienz die Vertragsfreiheit im Interesse typischerweise unterlegener Kontrahenten wie Arbeitnehmer, Mieter und Verbraucher, oder, wie
249 Siehe z. B. Lauterpacht, Private Law Sources, S. 156: „The legal nature of private law contracts and international law treaties is essentially the same/' 250 Siehe etwa Suy , Concept, S. 18. 251 Papinian , D 39, 5, 29 pr („Donari videtur quod nullo iure cogente conceditur") meint nic ius cogens als nicht nachgiebiges Recht, sondern charakterisiert die Schenkung als überhaupt nicht durch Rechtspflicht geschuldete, also freiwillige Leistung, vgl. Käser, Römisches Privatrecht I, S. 602 Fn. 13. 252 Vor allem Papinian, D 2, 14, 38: publicum ius privatorum pactis mutari non potest ähnlich ders., D 35, 2,15, 1; Ulpian, D 11, 7, 20 pr; 27, 8, 1, 9; 50, 17,45,1. Gajus( D 47, 22, 4) führt die Regel auf Solon zurück. 253 Biondi , Diritto Romano, S. 136. 254 Im einzelnen Mitteis, Römisches Recht, S. 246 ff.; Sohm, Institutionen, S. 245 ff. 255 Siehe Glück, Pandecten, 1. Theü, S. 94 f., der ius praescriptivum und ius prohibitivum unterscheidet. Letzteres unterfällt wiederum in ius naturale und ius positivum, also durch Naturrecht und durch bürgerliche Gesetze verbotene Handlungen; v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 57 ff. und VIII, S. 35, der zwischen „absolutem" und „vermittelndem" Recht trennt. Die Bezeichnung des ius cogens findet sich bei Puchta y Römisches Zivilrecht, § 110; Windscheid / Kipp, Pandektenrecht, S. 125 ff. (zwingendes und nachgiebiges Recht). Zu Verbindungen zwischen Naturrecht und römischem Recht bei Savigny Koschaker, Europa und das Römische Recht, S. 275 ff. 256 Dazu Käser, Römisches Privatrecht I, S. 250 f. 257 Vgl. §§ 134, 138 BGB; Art. 879 (öst.) ABGB; 19 (schweiz.) OblR; 6, 1131, 1133 (frz.) cc.; 31, 1322, 1354 (it.) cc.; 1255 (span.) cc. 258 Zum Begriff der (engl.) „Public Policy" Cheshire / Fifoot / Furmston, Law of Contract, S. 341 ff.; zum Institut des „Illegal Bargain" im Recht der USA Corbin, On Contracts 6 A, 373 ff. 259 Siehe Art. 4 der Grundsätze der Zollgesetzgebung der UdSSR v. 8. 12. 1961 und Art. 5 des Zivilgesetzbuches der RFSR v. 1964: Die Vertragsfreiheit besteht, sofern die Gesetze beachtet und die Regeln und moralischen Grundsätze der sozialistischen Gesellschaft respektiert werden. Dazu Butler, Soviet Law, S. 55 f.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
etwa im Kartellrecht, um wirtschaftspolitische Zielvorstellungen zu verfolgen. Zwingende Normen des öffentlichen und privaten Rechts teilen das Schicksal der Leitziele, auf die ihr Erlaß zurückgeht, können also auf gesetzgeberischem Wege oder durch richterliche Auslegung geändert werden. Die Generalklauseln lassen sich, wie gerade die wechselhafte Auslegungsgeschichte zum Begriff der guten Sitten zeigt, 2 6 0 leicht neuen sozialen und historischen Voraussetzungen anpassen. Derartiges zwingendes Recht enthält jede Rechtsordnung. Die Beschränkung der Autonomie Privater ist hingegen als Grundlage für eine Parallelbetrachtung im Völkerrecht nur von begrenztem Wert. Auch wenn es internationale Verträge gibt, die privatrechtlichen Transaktionen ähnlich sind, so ist das ius cogens nicht wegen solcher Abkommen in die WVRK aufgenommen worden. Ihm wird vorrangig die Funktion zugeschrieben, die Rechtssetzungsbefugnis der Staaten zu begrenzen. 261 Es geht auch nicht um Handlungsbeschränkungen, die von einer Zentralgewalt festgelegt werden, sondern um Schranken, die sich die Handelnden selbst setzen. Deshalb liegt das Verfassungsrecht dem zwingenden Recht in seiner Funktion näher. Es zieht dem Gesetzgeber Grenzen und ist auch selbst, wie nach dem Wortlaut des Art. 53 W V R K das zwingende Völkerrecht, nur unter erschwerten Bedingungen abänderbar. Zur Änderung einer Verfassung bedarf es qualifizierter Mehrheiten in den zuständigen Vertretungsorganen 262 oder der Einhaltung besonderer Verfahrensvorschriften. 263 Eine Revision kann hinsichtlich einzelner Bestimmungen auch ganz unzulässig sein. 2 6 4 Ein anderer Bereich, der dem Gesetzgeber gewisse Schranken setzt, ist das Strafrecht. Zwar bestehen für eine Änderung der Strafgesetze in der Regel kaum verfassungsrechtliche Hindernisse, sofern nur das Gesetzgebungsverfahren eingehalten wird. Es gibt jedoch einen Bereich von Strafvorschriften, der nicht außer Kraft gesetzt werden kann, ohne daß eine Rechtsordnung, die dies versuchte, Akzeptanz und Autorität aufs Spiel setzen würde. Auch Regime,
260
Siehe Rüthers , Unbegrenzte Auslegung, S. 216 ff. 261 Siehe o. Kap 2 Abschn. I 1. 262 Vgl. die typisierenden Darstellungen bei Bryce , Studies in History and Jurisprudence I, S. 196ff.; Loewenstein , Verfassungsänderung, S. 27 ff. Siehe im einzelnen Art. V der US-Verfassung v. 1787 (Vorschlag mit Zweidrittel-Mehrheit, Annahme durch drei Viertel der Mitglieder in beiden Häusern); Art. 31 belg. Verf. v. 1831; Art. 44 ff. öst. Bundesverf. v. 1929; 106 poln. Verf. v. 1952 i.d.F. v. 1976; 174 Verf. d. Sowjetunion v. 1977 (jeweils Zweidrittel-Mehrheit). 2 a Art. 118 Schweiz. Verf. v. 1874; 46 irische Verf. v. 1937; 138 it. Verf. v. 1947 (jeweils Volksentscheid); See. 128 austr. Verf. v. 1900 (Mehrheitsbeschluß in beiden Häusern und Referendum); Art. 89 frz. Verf. v. 1958 (Volksentscheid oder Dreifünftel-Mehrheit des als Kongreß einberufenen Parlaments); Art. 88 dän. Verf. v. 1953 (Neuwahl und Abstimmung im Parlament); Art. 210 niederl. Verf. v. 1815 (Neuwahl und anschließende Zweidrittel-Mehrheit im Parlament). Ähnlich Art. 114 lux. Verf. v. 1868. 264 So Art. 79 III GG. Derartig weitreichende Vorbehalte sind zwar nicht die Regel, doch kennen auch andere Verfassungen Ewigkeitsklauseln. So darf nach Art. 89 frz. Verf. die republikanische Regierungsform nicht Gegenstand einer Verfassungsänderung sein; ebenso Art. 139 it. Verf. Art. V der US-Verfassung verbietet Änderungen, die das gleiche Stimmrecht der Staaten im Senat beeinträchtigen.
III. Allgemeine Rechtsgrundsätze
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die sich zur Erhaltung ihrer Macht des Terrors und gezielt inszenierter anarchischer Zustände bedienen, setzen Vorschriften über die Bestrafung von Mord und Totschlag nicht auf legislativem Wege außer Kraft. Das hier typischerweise eingesetzte Mittel der Verhängung eines „Ausnahmezustandes" mag darauf gerichtet sein, Übergriffen den Schein der Legalität zu verleihen. Zugleich liegt in ihr aber auch die zumindest rhetorische Bestätigung des ordnungsgemäßen, durch obrigkeitlichen Schutz von Leib und Leben gekennzeichneten Zustandes als Normalsituation. In der Erkenntnis der Unverfügbarkeit zentraler Rechtsgüter liegt eine der wichtigsten Gemeinsamkeiten von Ausschnitten des nationalen zwingenden Rechts und der Idee des völkerrechtlichen ius cogens. Auch dessen Gehalt wird in der Notwendigkeit gesehen, die Existenz der völkerrechtlichen Ordnung, 2 6 5 die Achtung der wichtigsten Interessen der internationalen Gemeinschaft 2 6 6 und die Lebensfähigkeit von Menschheit und Zivilisation 2 6 7 zu garantieren. Für die Ausformung des Ius-cogens-Prinzips ergibt sich aus diesen Erwägungen noch nicht mehr als ein Ansatz; denn mit der Feststellung, daß jede Rechtsordnung ihre essentiellen Prinzipien schützt, ist über deren Beschaffenheit noch nichts gesagt. Wenn andererseits dieser Satz so evident ist, daß er auch im Völkerrecht Geltung beansprucht, so ist zu fragen, ob die Voraussetzungen, die im nationalen Recht seine Konsensfähigkeit ausmachen, auch dort gelten. Knüpft man an die obigen Beobachtungen zum Verfassungsrecht und zum Strafrecht an, so scheint die zu fordernde Evidenz dort am höchsten zu sein, wo Existenz und Identität der Rechtssubjekte und der Rechtsordnung insgesamt betroffen sind, zum einen also bei bestimmten Rechtsgütern des Einzelnen, zum anderen bei der Selbstorganisation des Staates. Damit wäre die Frage aufgeworfen, ob das völkerrechtliche ius cogens für die Völkerrechtssubjekte eine vergleichbare Garantiefunktion erfüllen soll. Darauf ist zurückzukommen. 268
2. Allgemeine Grundsätze des Völkerrechts Die Erkenntnis, daß jede Rechtsordnung die Grundlagen, auf denen sie beruht, besonders schützen muß, hat Teile des Schrifttums zu der Annahme veranlaßt, daß vor allem die Regeln dem zwingenden Völkerrecht angehörten, welche die völkerrechtliche Rechtsordnung als selbstverständlich voraussetze
265
Rolin, Hommage Basdevant, 441; McNair, Law of Treaties, S. 213 f.; Suy, Concept, S. 18, 70,112; Zotiades, ÖZöR 17 (1967), 101; Marek, Hommage Guggenheim, 448; Verosta, ZaõRV 69 (1969), 684; Nahlik, AJIL 65 (1971), 745; Puceiro Ripoll , Rev. Uruguaya de Derecho Int'l 3 (1974), 59; Janis , Conn. J. Int'l L. 3 (1988), 362. 2« BartoS , YILC 1963-1, 77; de Luna, YILC 1966-1, 39; Viralty , A.F.D.I. 12 (1966) 11, 25; Jaenicke , BDGVR 7 (1967), 85 f., 94; Lachs, Hommage Guggenheim, 399; Mosler , Schweiz. Jb. Int'l R. 25 (1968), 17; Minagawa , Hitotsubashi J. L. & PoliL 6 (1968), 24; Grandino Rodas, Rev. da Fac. de Direito da Univ. Sâo Paulo 69 (1974), 125. 267 Kemper/Kirsten, StR 14 (1965), 610; Whiteman, Ga. J. Int'l & Comp. L. 7, (1977), 626. 26» Siehe u. Kap. 4 Abschn. IV 3 c; Kap. 6 Abschn. A I bis IV, B II bis IV und C I bis IV.
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3. Kapitel: Zwingendes Völkerrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention
und ohne die sie nicht funktionieren k ö n n e . 2 6 9 Solche Rechtssätze werden i n den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts ausgemacht. A l s Beispiele für derartige Regeln werden genannt: -
der Grundsatz „pacta sunt servanda" als M i n i m u m der Völkerrechtsordnung,270
-
der Grundsatz „pacta tertiis nec nocent nec p r o s u n t " , 2 7 1
-
das Ius-cogens-Prinzip s e l b s t , 2 7 2
-
die Voraussetzungen für das Entstehen v o n Gewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, 2 7 3
-
die Voraussetzungen für den Abschluß und die formelle Gültigkeit völkerrechtlicher V e r t r ä g e , 2 7 4
-
Regeln über die Auslegung völkerrechtlicher V e r t r ä g e , 2 7 5
-
Regeln über die inhaltliche Gültigkeit völkerrechtlicher V e r t r ä g e , 2 7 6
-
die Pflicht, Verträge guten Glaubens zu e r f ü l l e n , 2 7 7
269 Vgl. y. d . Heydte , ZVR 16 (1932), 471; ders., Völkerrecht I, S. 23; Miaja de la Muela , Homenaje Legaz II, 1138; Jaenicke , BDGVR 7 (1967), 85 ff; Reimann , S. 102. 270 Anzilotti , Corso, S. 40, 54; Morelli , Riv. di Diritto Int'l 11 (1932), 403 f.; v. d. Heydte , ZVR 16 (1932), 471; Jurt, S. SOJStrupp , RdC 47 (1934-1), 373; Arzinger, Festschr. Jacobi, 242 ff.; Fitzmaurice , BYIL 35 (1959), 195; Wehberg , AJIL 53 (1959), 1%1'JAiaja de la Muela, Homenaje Legaz II, 1138; Tunkin , YILC 1963-1, 197; Quadri , RdC 113 (1964-III), 335 ff.; ders., Diritto internazionale pubblico, S. 94 f.; Jaenicke , BDGVR 7 (1967), 91; Marek , Hommage Guggenheim, 448; Barberis, ZaöRV 30 (1970), 26 f.; Schweitzer, AVR 15 (1971/72), 218 ff.; Yankov, YILC 1980-1, 173. 271 Anzilotti , Corso, S. 3, 38 f., 48 ff.; Yepes , YILC 1950-1, 299; Wengler , Völkerrecht I, S. 441 f.; Gralla, S. 50, 53, 86 f.; Berber , Lehrbuch I, S. 473; Barberis, ZaöRV 30 (1970), 37; Schweitzer , AVR 15 (1971/72), 219 (erweiternd auf die Regel „consuetudo tertiis nec prodest nec nocet"); Gómez Robledo, RdC 172 (1981-III), 110 f.; vgl. auch Jaenicke, WVR III, 773; offengelassen von Lauterpacht , Report, YILC 1953-11, 154. 272 Gros Espiell,AHLADl 1981, 40. 273 y. d. Heydte, Völkerrecht I, S. 23, Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 91; vgl. auch Perez Gonzalez, Homenaje Sela 133 ff. 274 Allgemein v. d Heydte und Jaenicke a.a.O.; zu Einzelvoraussetzungen Marek, Hommage Guggenheim, 448; Perrin, Etudes Pictet, 751 (Vertragsschlußkompetenz); Martensen , S. 113 ff., 170 ff. (Wülensübereinstimmung der Vertragspartner); Härle, R.D.I.L.C. 16 (1935), 680 (Abwesenheit von Täuschung); Whiteman, Ga. J. Int'l & Comp. L. 7 (1977), 626 (Abwesenheit von Zwang); Jurt, S. 95 f.; Schiedsspr. Verzijl in re Pablo Nájera, RIAA V, 466, 472 (Registrierpflicht nach Art. 18 VBS); Suy, Concept, S. 72 (Registrierobliegenheit nach Art 102 UNC). 275 Härle, R.D.I.L.C 16 (1935), 680; Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 91; Reimann, S. 100 f. 276 Zur Nichtigkeit illegaler Verträge Jurt, S. 100; Härle , a.a.O.; Oppenheim I Lauterpacht, International Law I, S. 897; Zotiades, ÖZöR 17 (1967), 100 f. Zu sittenwidrigen Verträgen Jurt, S. 99 f.; Pasching, ZöR 14 (1934), 59; Härle, a.a.O.; Verdross , AJIL 31 (1937), 573; Brandner, JKAWn 1937, 35; Oppenheim / Lauterpacht , International Law I, S. 896; Delbez, Principes, S. 317; Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 92 f.; Scheuner, ZaöRV 27 (1967), 522; Zotiades , ÖZöR 17 (1967), 100 f.; zu rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit Quadri, RdC 113 (1964-IÜ), 336; Jaenicke, a.a.O. 277 Härle, a.a.O.; Yepes, YILC 1950-1, 299; v. d. Heydte, Völkerrecht I, S. 23; Verdross, AJIL 60 (1966), 63; Reimann, S. 101.; Gómez Robledo, RdC 172 (1981-IÜ), 111, 175; Perrin, Etudes Pictet, 751.
. Allgemeine Rechtsgrundsätze
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- die Beendigungsgründe für völkerrechtliche Verträge, 278 -
Kollisionsregeln wie der Vorrang der speziellen gegenüber der allgemeinen und der jüngeren gegenüber der älteren N o r m , 2 7 9
- das Verbot des Rechtsmißbrauchs, 280 - Erlöschenstatbestände für Rechte und Pflichten, 281 - der Grundsatz der höheren Gewalt, 2 8 2 - das Prinzip der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen, 283 - der Grundatz der Verantwortlichkeit für schädigendes Verhalten. 284 Alle diese Rechtssätze regeln die Anwendung oder die Geltungsvoraussetzungen von Normen. Sie lassen sich in jeder Rechtsordnung nachweisen. Aus der Notwendigkeit derartiger Regeln und aus ihrer von detailliertem Nachweis unabhängigen Geltung kann aber noch nicht geschlossen werden, daß sie auch zwingender Natur sind. Einige der angeführten Grundsätze bedürfen nicht der Unabdingbarkeit. Die Regeln über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge etwa können vertraglich dahin modifiziert werden, daß eine bestimmte Methode vor einer anderen heranzuziehen sein soll, ohne daß dadurch die Rechtsordnung Schaden nimmt. Die Lex-specialis- und die Lex-posterior-Regel werden durch die Kollisionsnormen vieler multilateraler Verträge durchbrochen, 285 ohne daß dazu Bedenken geäußert worden wären. Auch anderen Grundsätzen fehlt ein dem ius cogens vergleichbarer Unbedingtheitsanspruch. Auf die abweichende Wirkung eines Verstoßes gegen die Pacta-tertiis-Regel wurde schon hingewiesen.286 Ein weiteres Beispiel sind die Beendigungsgründe für völkerrechtliche Verträge. Wie bereits gezeigt wurde, sind in einigen Konventionen der Vertragsbruch oder die einfache Kündigung als Beendigungsgründe ausgeschlossen, bei denen die Annahme besonders naheliegt, daß sie ius cogens enthalten.287 Bei anderen Regeln ist eine vertragliche Derogation indes nicht vorstellbar. Dies gilt vor allem für den Satz „pacta sunt servanda". 288 Ein Vertrag, der ihn
278 Allgemein Härle, a.a.O.; Miaja de la Muela , Homenaje Legaz II, 1138; Jaenicke, BDGVR 7 (1967), 91; zur clausula rebus sie stantibus BartoS, YILC 1963-1, 148; Ustor, in: Lagonissi Papers, 105; Haraszü, S. 389 f. 27 9 Jaenicke, a.a.O.; Barberis , ZaöRV 30 (1970), 27. ^ v.