Zur Romantik

Selten hat ein Essay so viele Kontroversen ausgelöst. Peter Hacks setzt die Romantik seiner bissigsten Kritik aus, wirft

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German Pages [52] Year 2001

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Zur Romantik

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ZUR ROMANTIK

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ZUR ROMANTIK ENGLISCHES HERKOMMEN

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»Der Krieg und die Romantik, schreckliche Geißeln! « Anatole France

ENGLISCHES HERKOMMEN Ein romantischer Autor ist ein Autor, der die englische Literatur gelesen hat.

Ich kann nicht über englische Literatur reden, ich redete denn zuvor über England. Offenbar hat die Literatur der Engländer mit ihrem Herkunftsland mehr zu tun als viele andere Literaturen mit den ihren. Es gibt über die letzten tausend Jahre hinweg ein Schwerveränderliches in der Aufführung dieser Inselbewohner, das uns veranlaßt, dieselbe irgendwie eigenartig, eben englisch zu finden. Auch die englische Literatur beträgt sich ganz ungemein englisch. »In keinem anderen westlichen Industriestaat«, unterrichtet die Zeitschrift »Der Spiegel« vom 5-4-1999 ihre Leser, »klafft die Schere zwischen dem armen und dem reichen Bevölkerungsanteil weiter auseinander als in Britannien; die Ungleichheit stieg im Vereinigten Königreich sogar stärker als in den USA«. Auf das »sogar stärker als in den USA« weise ich Sie hin, weil ja in jeder anderen Rücksicht- Lust am militärischen Mord, wirtschaftlichem Erfolg und einer Gewohnheit, den Gedanken der Freiheit unter den Völkern auszustreuen - Nordamerika vollkommen der Nachfolger seines Mutterlandes geworden ist. »So enorm innerhalb Englands der Kontrast von ungeheurem Reichtum und von ganz ratloser Armut ist ... «, schreibt Georg Wilhelm Friedrich Hegel in seinem Aufsatz »Über die englische Reformbill«. Der Aufsatz stammt aus dem Jahr 183 r. Sie verstehen, was ich mit dem Schwerveränderlichen in der englischen Geschichte meine. Im Punkt der Ungerechtigkeit unter den Klassen war England immer führend und ist es geblieben. »So enorm innerhalb Englands«, lehrt also Hegel, »der Kontrast von ungeheurem Reichtum und von ganz ratloser Armut ist, so groß und leicht noch größer ist der zwischen den Privilegien seiner Aristokratie und andererseits den Rechtsverhältnissen und Gesetzen, wie sie sich in den zivilisierteren Staaten des Kontinents umgestaltet haben«.

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Das immerhin ist ja bekannt, daß »der Pomp und Lärm der formellen Freiheit« (»Reformbill«) sich in England auf zwei geschichtliche Augenblicke gründet, in denen die englischen Barone dem sich herausbildenden Staat den Lebensfaden abschnitten und zwei schwachen Königen zwei Erlaubnisse zur ungehemmten Willkür abnötigten: dem König Johann die Magna Charta und dem König Wilhelm III die Bill of rights. Durch die »Freiheit der Barone gegen den Monarchen« war »die Nation zur absoluten Knechtschaft erniedrigt«, sagt Hegel in der »Philosophie der Geschichte«. »Der Zeitpunkt des Übergangs von Lehnsbesitz in Eigentum ist ungenutzt, der ackerbauenden Klasse Grundeigentum einzuräumen, vorübergegangen« (»Reformbill«). Hegel wirft England vor, daß es keine Bodenreform hatte. Die Romantik sah einige Dinge anders, als, wie wir sahen, Hegel sie sah. Adam Müller, in »Feudalismus und >tiers-etat