Zur Frage des handelspolitischen Systems [Reprint 2021 ed.] 9783112389188, 9783112389171


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Zur Frage des handelspolitischen Systems [Reprint 2021 ed.]
 9783112389188, 9783112389171

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Zur Frage des

handelspolitischen Systems von

Dr. August Etienne, D e z e r n e n t d e r Centralstelle f ü r V o r b e r e i t u n g v o n H a n d e l s v e r t r ä g e n .

Berlin J. Guttentag,

1901.

Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Inhalt. Seite

I. Das gegenwärtige System des deutschen Reiches

5

II. Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten

20

III. Der Uebergang zum Doppeltarif IV. Die Beibehaltung der Meistbegünstigung

39 . . .

54

I

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches. W i e alle Wirthschaftspolitik des Staates, so hat auch die H a n d e l s p o l i t i k zwischen den entgegengesetzten Interessen der verschiedenen Erwerbsstände zu vermitteln. Sie findet vor sich zunächst den I n t e r e s s e n g e g e n s a t z von Produktion und Konsumtion. Der Produzent will sein Produkt in möglichst grosser Menge und zu möglichst hohem Preise absetzen. W e n n das Ausland billiger liefern kann, liegt es in seinem Interesse, dass die Einfuhr d u r c h Zölle erschwert oder verhindert wird. Dem steht das Interesse des Konsumenten gegenüber, der sich die für ihn n o t wendigen Gegenstände der Konsumtion möglichst billigst zu verschaffen wünscht, gleichviel ob aus dem In- oder dem Auslande. Der Interessengegensatz von Produktion und Konsumtion durchsetzt das gesammte w i r t s c h a f t l i c h e Leben. Er scheidet die produktiven von den übrigen Ständen, die Landwirthschaft von der Industrie, er theilt die Industrie in sich wieder in unendlich zahlreiche S o n d e r g r u p p e n . Jedes Produkt wird produzirt und konsumirt, jedem einzelnen gegenüber kann daher der Gegensatz in die Erscheinung treten. Entstanden durch die Arbeitstheilung, muss er sich verschärfen und vertiefen, je mehr der v o l k s w i r t schaftliche Organismus sich a r b e i t s t e i l i g gliedert. Produktions- und Konsumtionsinteresse haben gleiches Recht in der V o l k s w i r t s c h a f t : Im wirthschaftspolitischen Kampfe hört man zwar oft von einem natürlichen V o r r a n g des Produktionsinteresses ; der Produzent will in den Augen des Staates mehr gelten als der Konsument. W e n n die beiderseitigen Interessen in Konflikt g e r a t e n , sollen die F o r d e r u n g e n des Produzenten auf Kosten des Konsumenten erfüllt werden. Denen, die solche

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Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

Forderungen erheben, schwebt indessen nur jene Klasse von Konsumenten „ohne Ar und Halm" vor, die im Sinne der materiellen Produktion n u r Konsumenten sind, nichts weiter. Aber neben dieser „quantité négligeable" existirt noch eine andere Klasse, und sie nimmt an Bedeutung ständig zu, es sind die Produzenten, die in ihrem Produktionsbetriebe die Produkte Anderer konsumiren. Sie sind Produzenten und Konsumenten zugleich und durchaus nicht Willens, die angebliche Minderwerthigkeit des Konsumtionsinteresses auch bezüglich ihres eigenen Bedarfs anzuerkennen. Es wäre deshalb für die Produktion höchst gefährlich, ganz allgemein eine gewisse natürliche Ueberlegenheit des Produktionsinteresses gelten zu lassen. D a s K o n s u m t i o n s i n t e r e s s e ist d i e n a t ü r l i c h e S c h r a n k e d e s S c h u t z z o l l e s ; Produktions- und Konsumtionsinteresse haben sich auseinander zu setzen bei Entscheidung der Frage, ob und wie hoch ein bestimmter Artikel mit Zoll belegt werden soll. Dazu kommt aber noch ein weiterer grundlegender Gegensatz. Die nationale Arbeit will man schützen gegen fremde Konkurrenz, damit ihr die Deckung des nationalen Bedarfs in möglichst grossem Umfange vorbehalten bleibt. Würde die Beherrschung des inneren Marktes genügen, um den nationalen Wohlstand in der wünschenswerthen Weise zu entwickeln, so hätte die Handelspolitik ein leichtes Spiel. Wie der Freihandel mit seinem Prinzip des laissez passer, mit seiner Verwischung der nationalen Grenzen, so wäre auch die Politik der Abschliessung nach aussen ein konsequent durchführbares handelspolitisches System. Der heimische Markt g e n ü g t aber nicht. Der Entwicklung der nationalen Produktion haben theils die Natur, theils historisch wandelbare Verhältnisse Schranken gesetzt, sie bleibt hinter der Vielseitigkeit des nationalen Bedarfs zurück, d i e nationalen Volkswirthschaften bedürfen der gegenseitigen E r g ä n z u n g . Eine Beherrschung des Marktes kann deshalb immer nur für eine mehr oder weniger beschränkte Zahl von Bedarfsartikeln vorschweben; die Nothwendigkeit bleibt bestehen, fremde Produkte zu beziehen, sie einzutauschen gegen solche der eigenen Erzeugung, die nationale Produktion muss daher über die Grenzen des inneren Marktes hinausstreben, nach dem Weltmarkte drängen, um hier mit ihren Produkten das zu bezahlen, was der nationale

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

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Bedarf vom Weltmarkt braucht. J e mehr sie auch in fremden L ä n d e r n für ihre Spezialartikel lohnenden Absatz findet, desto reichere Mittel stehen für den nothwendigen Prozess der gegenseitigen Ergänzung zu Gebote. W a s der Export für die nationalen Volkswirthschaften in ihrem heutigen Zustande bedeutet, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung angesichts der handelsstatistischen A u s w e i s e , die für Deutschland einen Ausfuhrwerth von 4368 Mill. M., für die amerikanische Union einen solchen von 1 2 7 5 Mill. Dollar, für Frankreich einen solchen von 3899 Mill. Francs für das J a h r 1899 ergaben. Die E r h a l t u n g und w e i t e r e E n t w i c k l u n g des E x p o r t g e s c h ä f t s ist f ü r alle K u l t u r s t a a t e n eine V o r b e d i n g u n g d e r m a t e r i e l l e n W o h l f a h r t . Mit keiner staatlichen Kombination ist in absehbarer Zeit zu rechnen, die selbstgenügsam den Weltmarkt für sich ausschalten könnte. Für die Fülle selbsterzeugter Rohprodukte genügt weder der Markt des russischen Weltreiches noch derjenige eines panamerikanischen Zukunftsstaates; sie müssten Absatz auch ausserhalb der nationalen Grenzen suchen mit derselben Nothwendigkeit, wie es der Ueberschuss britischer Industrieerzeugnisse bei einer Verwirklichung der Idee des Greater Britain thun würde. In Deutschland haben zwar nicht alle Z w e i g e der nationalen Produktion das gleiche Interesse am Weltmarkte. Die L a n d w i r t schaft kann dort mit ihrem hauptsächlichsten Produkt, dem Getreide, nicht mehr konkurriren, nachdem der Riesenfortschritt der Technik die Entfernungen verkürzt und weit entlegenen L ä n d e r n mit jungfräulichem Boden den Wettbewerb ermöglicht hat. Die deutsche Industrie aber ist Export-Industrie im weitesten Sinne, sie beherrscht in vielen Branchen den Weltmarkt und setzt in gewissen Spezialartikeln grössere Mengen an das Ausland ab, als der gesammte innere Markt aufzunehmen vermag. F ü r den Verlust des E x p o r t s kann deshalb der innere Markt ein A e q u i v a l e n t nicht bieten, auch wenn der fremde Wettbewerb durch Zölle völlig ausgeschlossen würde. Mit der Nothwendigkeit des Exports neben der schutzzöllnerischen Tendenz entsteht der Konflikt. Der Schutzzoll ist eine gegen das Ausland gerichtete Maassregel; er wirkt verstimmend, macht zu Repressalien geneigt und schädigt daher die Interessen

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

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des Exports,

das

auf

die

Offenhaltung der fremden Märkte und

den guten Willen des Auslandes angewiesen Der Handelspolitik und E x p o r t wie

sie

neben

einander

diese Aufgabe

ist.

e r w ä c h s t die A u f g a b e ,

löst,

Schutzzoll

m ö g l i c h zu m a c h e n ;

charakterisirt

das

die Art,

handelspolitische

System eines bestimmten L a n d e s . Die W ü n s c h e

des E x p o r t s

sind

bekannt.

Er

will

auf

den

fremden Märkten unter möglichst günstigen Bedingungen konkurriren. Die Konkurrenz

ist

aufzunehmen

ländische Mitbewerber;

gegen andere,

die Chance

wie er in Vergleich zu diesen

gleichfalls aus-

des Erfolges hängt davon ab,

gestellt ist in Bezug auf Zölle und

sonstige A b g a b e n . Gleichstellung ist nothwendige Vorbedingung des Wettbewerbs,

ungünstigere Behandlung pflegt gleichbedeutend zu

sein mit Ausschluss vom Markte. Daneben

richtet

anderen Seite.

Das

sich

der Konkurrenzkampf

noch nach einer

ausländische Produkt hat zu konkurriren mit

dem einheimischen, dem der Zollschutz von vornherein einen Vorsprung

sichert.

Diesen

Vorsprung

zu

beseitigen

oder

doch

wenigstens nicht allzu gross werden zu lassen, ist das naturgemässe Streben tragen, bleibt

des Exports. dass

Er

wünscht

das Hinderniss

derselbe,

wenn

es

noch

sich

die Zollmauer

so weit abge-

zu nehmen ist.

nicht

um

Der W u n s c h

Schutz-,

sondern

um

Finanzzölle handelt. J e d e r Verkehr

bedarf

zu seiner Entwicklung

einer

gewissen

Stabilität der Verhältnisse, der E x p o r t in ganz besonderem Maasse. Plötzliche

Aenderung

des auf Fortdauer um.

der

des

Zollbehandlung

stösst

die

Richtigkeit

bisherigen Zustandes aufgebauten Kalküls

W e n n mit einer solchen Möglichkeit gerechnet werden muss,

fehlt der

sichere B o d e n ;

das Risiko der

geschäftlichen Operation

wird grösser, vielleicht zu gross, um sie überhaupt zu unternehmen. Der E x p o r t für Stabilität wisse Dauer Die

muss

daher

wünschen,

der Verhältnisse

giebt,

dass das Ausland Garantien seine Zollsätze für eine ge-

bindet.

Handelspolitik

Stellung zu nehmen,

hat

zu

diesen

Wünschen

sich schlüssig zu machen,

des

welchen Mitteln sie für ihre Verwirklichung eintreten soll. lich fällt dabei die Gegenleistung ins Gewicht,

Exports

wie weit und mit Wesent-

die dem Auslande

als Preis für seine Zugeständnisse bewilligt werden muss.

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

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Das Ausland hat das gleiche Bedürfniss zu exportiren, sein Export hat dieselben W ü n s c h e ; G e g e n s e i t i g k e i t i s t a l s o (Vorbedingung der Bewilligung. In dieser Sachlage liegt die Schwierigkeit. Man möchte fordern, o h n e zu bewilligen, denn bewilligen kann man nicht, ohne an dem anderen Programme abzubröckeln, das die nationale Arbeit auf dem inneren Markte schützen will. Dies gilt freilich nicht, wenn man sich darauf beschränkt, nur eine Garantie gegen Differenzirung im Auslande zu schaffen. Man k a n n im Tarifgesetz die Regierung ermächtigen, Zollzuschläge auf die Einfuhr derjenigen Staaten zu legen, welche die eigene Ausfuhr ungünstiger behandeln als die anderer Länder. Die A n d r o h u n g der W i e d e r v e r g e l t u n g kann sich schon als wirksames Mittel zur Erreichung des Zwccks erweisen. Eine solche A n d r o h u n g berührt die Frage der Durchführung des schutzzöllnerischen Programmes überhaupt nicht. Dasselbe bleibt auch unangetastet, wenn man sich durch V e r t r a g die Meistbegünstigung sichert. Man verspricht zwar das Gleiche, was man vom anderen Theile fordert und geht insofern einen Schritt weiter; aber das Versprechen bindet die zollpolitische Autonomie, wenn man sie im Uebrigen wahrt, d. h. dritten Staaten keine Tarifzugeständnisse macht, nur in einem unwesentlichen Punkte. Der Schutzzoll hat dem Export-Interesse keine Konzessionen zu machen. Die Sicherung gegen Differenzirung bildet aber nur das Minimum der handelspolitischen F ü r s o r g e zu Gunsten des Exports. Soll über das Minimum hinausgegangen werden, das ist die entscheidende Frage. Will man auf die Tarifgesetzgebung des Auslandes eine Einwirkung gewinnen, so muss man einwilligen in eine Beschränkung der eigenen Autonomie in Zollsachen, den eigenen Tarif den F o r d e r u n g e n des Auslandes anpassen. Die autonome Gesetzgebung kann d a n n nicht mehr als alleinige über die Tariffragen entscheidende Instanz angesehen werden, was sie geschaffen, noch nicht als endgültige Regelung gelten. Der auf autonomem Wege zu Stande gekommene Tarif muss später nochmals zur Diskussion gestellt werden, zu einer Diskussion, an der das Ausland sich betheiligt u n d W ü n s c h e äussert, denen bis zu einem gewissen Grade nachgegeben werden muss. Vom schutzzöllnerischen Standpunkt aus bedeutet das eine schwerwiegende Konzession, d a s E x p o r t - I n t e r e s s e w i r k t ä u s s e r -

io

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

lieh s i c h t b a r als S c h r a n k e des Schutzzolles. Theoretisch wird ihm diese Eigenschaft zwar auch zuerkannt, w e n n die autonome Gesetzgebung ausschliesslich über den Tarif entscheidet, thatsächlich aber tritt sie d a n n nicht in die Erscheinung. Die Auseinandersetzung zwischen Produktions- und Konsumtions-Interesse beherrscht die Situation und duldet keine fremden Einflüsse neben sich. W e r unser gegenwärtiges handelspolitisches System kennzeichnen will, muss von diesem Punkte aus die Betrachtung beginnen, zuerst darlegen, wie sich die deutsche Handelspolitik zu dem Probleme gestellt hat, das heute alle Kulturstaaten beschäftigt, dem K o m p r o m i s s zwischen Schutzzoll und Export-Interesse. Das deutsche Reich hat T a r i f v e r t r ä g e mit dem Ausland abgeschlossen; das kennzeichnet in erster Linie unser handelspolitisches System. Das Schutzzoll-Interesse hat sich mit z w e i Gegnern auseinandersetzen müssen, mit dem Konsumtions- u n d dem Export-Interesse. Das deutsche Tarifrecht beruht auf dem Nebeneinanderbestehen zweier Tarife, eines autonomen und eines Vertragstarifs. Der autonome wurde zuerst geschaffen, als ausschliesslich interne Angelegenheit wurden die betr. F r a g e n behandelt, den entscheidenden Einfluss übte der Gegensatz von Produktionsund Konsumtions-Interesse. Der Vertragstarif beruht auf Abmachungen mit fremden Staaten, man hat die T a r i f f r a g e n zum Gegenstand i n t e r n a t i o n a l e r V e r h a n d l u n g e n gemacht und unter Mitwirkung des Auslandes für gewisse Positionen einen neuen Tarif geschaffen, der sich vom autonomen sowohl durch niedrigere Zollsätze wie durch den Grundsatz der B i n d u n g dem Auslande gegenüber unterscheidet. Der V e r t r a g s t a r i f ist eine R e v i s i o n d e s a u t o n o m e n im S i n n e d e r W ü n s c h e d e s A u s l a n d e s ; die Revision ist eingetreten aus Rücksicht auf die Interessen des Exports, sie bedeutet mithin eine Auseinandersetzung zwischen Schutzzoll- und Exportinteresse. Der deutsche Vertragstarif beruht auf den V e r t r ä g e n mit Oesterreich - U n g a r n , Italien, Griechenland, Belgien, Rumänien, Russland, der Schweiz und Serbien. Die mit den vorstehenden L ä n d e r n abgeschlossenen Tarifverträge stammen aus verschiedenen Perioden und haben sachlich als V e r e i n b a r u n g e n , die den deutschen Generaltarif modifiziren, eine verschiedene Bedeutung.

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

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A m weitesten zurück reicht der Vertrag mit Griechenland (9. Juli 1884). Im Vertrage mit Griechenland wurden nur Zölle ermässigt, die sich für die deutsche Volkswirthschaft als Finanzzölle darstellen. Wesentlich mehr bedeuten die Verträge der Caprivi'schen Aera, die zeitlich in zwei Gruppen zerfallen: 1. Die Verträge des J a h r e s 1 8 9 1 mit Oesterreich - Ungarn, Italien, Schweiz, Belgien). 2. Die späteren V e r t r ä g e (mit Russland, Rumänien, Serbien). Die Ermässigungen wurden ausgedehnt auch auf solche W a a r e n , die in Deutschland produzirt werden. Die Besonderheit von Leistung und Gegenleistung richtet sich beim T a r i f v e r t r a g nach der Besonderheit der beiderseitigen Volksw i r t s c h a f t e n . Der Export jedes Staates hat eine bis zu einem gewissen Grade eigenartige Zusammensetzung; die Zugeständnisse, die der eine Kontrahent vom andern fordert, beziehen sich auf die speziellen Exportartikel des eigenen L a n d e s . Der österreichische, italienische, russische, rumänische, serbische Export besteht zum wesentlichen Theile aus Produkten der Land- und Forstwirthschaft, der schweizerische und belgische Export aus Industrieerzeugnissen. Dementsprechend waren die Zugeständnisse, die Deutschland den einzelnen Ländern bewilligen musste. Eine Ermässigung der Getreidezölle, der Zölle auf Hopfen, Hülsenfrüchte, Mais, Malz, Obst, Eier, der Zölle auf Holz, der Viehzölle kam in erster Linie in Betracht und musste zugestanden werden, wenn mit Oesterreich-Ungarn, Russland, Italien, Rumänien und Serbien V e r t r ä g e zu Stande kommen sollten. Die Bedeutung des Vertragstarifs als Ganzes gegenüber dem autonomen Tarif zeigen folgende Zahlen: V o n den 386 Positionen des autonomen Tarifs sind 3 3 7 zollpflichtig, 49 zollfrei durch den Vertragstarif ermässigt sind v o n den 3 3 7 zollpflichtigen Positionen 40 =

1 2 pCt. ganz,

65 = 20 pCt. theilweise. Gebunden sind von den 386 Positionen 1 4 3 ganz = rund 37 pCt. 6 theilweise = rund 2 pCt. Der Vertragstarif wird für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt; dem schutzzöllnerischen Interesse, das ihn von seinem Standpunkt

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Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

aus als Opfer betrachtet, ist möglichst kurze Dauer, dem ExportInteresse möglichst lange Dauer erwünscht. Der deutsche Vertragstarif bleibt vorläufig bis zum Ablauf des J a h r e s 1 9 0 3 in Geltung, d. h. er kann erst zu diesem Termine gekündigt werden. Da er für einzelne Länder schon im J a h r e 1892 in K r a f t trat, ist man berechtigt, von einer B i n d u n g f ü r l ä n g e r e Z e i t zu sprechen. Ohne Vertrag ist der souveräne Staat nicht nur Herr des T a r i f s , sondern auch der Tarifauslegung. D e r V e r t r a g d e h n t d i e B e s c h r ä n k u n g d e r A u t o n o m i e a u c h auf d a s G e b i e t der T a r i f a u s l e g u n g aus. Für die Praxis fällt dies ausserordentlich ins Gewicht. Keiner der augenblicklich gültigen Zolltarife geht in der Spczialisirung der W a a r e n soweit, jede einzelne unter Berücksichtigung aller Unterschiede, die im Handel von Bedeutung sind, n a m e n t l i c h aufzuführen. Eine derartige Spezialisirung ist thatsächlich unmöglich. Der Tarif soll für längere Zeit Geltung haben, der Markt aber ändert sein Aussehen beständig, es treten neue Artikel hinzu, alte verschwinden, die Technik befindet sich in unaufhörlichem Flusse. Der Tarif kann daher einer gewissen Verallgemeinerung nicht entbehren, er muss Sammelpositionen haben, die ganze Gruppen von W a a r e n umschliessen. Für diese Sammelpositionen lassen sich jedoch nicht so genaue Inhaltsbezeichnungen finden, dass jeder Zweifel ausgeschlossen wäre, ob eine bestimmte W a a r e in diese oder jene Sammelposition einzubeziehen ist. Der Tarif bedarf daher in vielen Fällen erst der Auslegung; die Tarifauslegung ist ein in der Praxis ungeheuer wichtiges Recht, das die Möglichkeit giebt, auf dem Verordnungswege, d. h. ohne die Gesetzgebung in B e w e g u n g setzen zu müssen, die Zollpvaxis zu ändern, die Belegung einzelner Artikel mit höheren Zöllen beliebig zu verfügen. Die vertragsmässigen Abmachungen führen zu grösserer Spezialisirung des T a r i f s und daher zur Beschränkung des Rechtes der Tarifauslegung Beide Theile dringen auf namentliche A u f führung ihrer speziellen Exportartikel und engen dadurch den Spielraum ein, innerhalb dessen die autonome Tarifauslegung sich frei bewegen darf. Im Tarifvertrage sichert jeder Theil dem anderen Zoll - Ermässigungen resp. Bedingungen zu, er verringert also den Vorsprung, den die heimische Produktion vermöge des Zollschutzes der fremden gegenüber auf dem eigenen Markte hat.

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

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Um den Konkurrenzkampf zwischen heimischer und fremder Produktion handelt es sich aber bekanntlich nicht allein, die fremde stammt aus verschiedenen Ländern. Diese L ä n d e r sind wieder unter sich W e t t b e w e r b e r . Muss diese Thatsache nicht auch im Tarifvertrage Berücksichtigung finden? Die Tarifermässigungen, die A an B gewährt, haben für letzteren nur solange vollen W e r t h , als keinem Dritten weitergehende Zugeständnisse gemacht werden. Gelingt es dem Staate C, für seine Einfuhr noch weitergehende Tarifermässigungen durchzusetzen, so gelangt B im Vergleich zu C in eine ungünstigere Position, er unterliegt der DilTerenzirung. Der W e r t h der vertragsmässigen Leistungen von A wird wesentlich verschoben, während die Gegenleistung auf Seiten von B dieselbe bleibt. Bedarf der Tarifvertrag nicht einer Klausel, die gegen eine solche Eventualität sichert? Die M e i s t b e g ü n s t i g u n g s k l a u s e l giebt die gewünschte Sicherheit, sie dehnt den vertragsmässigen Anspruch auf jede weitergehende Zoll-Ermässigung aus, die einem dritten Staate gewährt wird. Eine Garantie gegen Diflerenzirung wird nicht nur geschaffen für diejenigen W a a r e n , deren zollamtliche Behandlung Gegenstand der vertragsmässigen Vereinbarung geworden ist, sondern auch für alle anderen. Hierin liegt ein Moment von selbstständiger Bedeutung. Der Vertrag zwischen A und C kann auch solche TarifErmässigungen umfassen, für deren Durchsetzung sich B vergeblich bemüht hat, sie fliessen B auf G r u n d des Meistbegünstigungsrechtes von selbst zu. Die neuen Zugeständnisse können aber auch W a a r e n betreffen, die zur Zeit des Vertragsabschlusses zwischen A und B im Export von B noch keine Rolle spielten, aber inzwischen eine Bedeutung erlangt haben. Dem früheren Zustand entsprach die Nichtberücksichtigung im Vertrage, heute ist die Ermässigung des Zollschutzes auch bei diesen W a a r e n von W e r t h . Für B ist also die Meistbegünstigungsklausel von ganz ausserordentlicher Bedeutung, der daraus fliessende Rechtsanspruch wird jedoch nicht ohne Gegenleistung erworben. B muss A dasselbe gewähren, A in den Mitgenuss sämmtlicher Tarifzugeständnisse setzen, die während der Vertragsdauer einem dritten Staate eingeräumt werden. Dadurch wird die Fortdauer des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt. Im Ver-

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Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

trage zwischen A und B sind die Tarifzugeständnisse auf beiden Seiten genau bestimmt; was aber auf Grund der Meistbegünstigungsklausel später noch hinzukommen wird, lässt sich im Augenblick des Vertragsabschlusses nicht übersehen. Schliesst A noch Tarifverträge mit anderen Staaten, B dagegen nicht, so vergrössert sich die Leistung von A, während die Gegenleistung von B dieselbe bleibt. Die Fortdauer des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung ist auch nicht verbürgt, wenn b e i d e Staaten Tarifverträge mit dritten schliessen. Der Zuwachs an Ansprüchen, der sich aus dieser Thatsache ergiebt, kann für beide Theile ein durchaus ungleicher sein. Die M e i s t b e g ü n s t i g u n g s k l a u s e l nivellirt das Maass d e r d e n e i n z e l n e n S t a a t e n g e m a c h t e n Z u g e s t ä n d n i s s e , sie schafft den Vertragstarif, der auf alle Vertragsstaaten, in gleicher Weise Anwendung findet. Diese Gleichstellung macht es unmöglich einem derselben eine Vorzugsstellung einzuräumen, zu ihm in ein näheres Verhältniss zu treten, was aus wirthschaftlichen oder politischen Gründen erwünscht sein kann. E s f r a g t s i c h , ob m a n d a s M e i s t b e g ü n s t i g u n g s r e c h t n i c h t e i n s c h r ä n k e n soll. Die Möglichkeit liegt vor, die Meistbegünstigung lässt sich beschränken auf einzelne Waaren und auf Gleichstellung mit einzelnen Ländern. Bei beschränkter Meistbegünstigung ist die Zwangslage, einem dritten Zugeständnisse ohne spezielle Gegenleistung bewilligen zu müssen, weniger empfindlich. Der Staat, der das Meistbegünstigungsrecht nur für landwirthschaftliche Produkte erworben hat, besitzt keinen Anspruch auf Mitgenuss von Zollermässigungen für industrielle Erzeugnisse, die Gleichstellung mit A, B und C verleiht keinen Anspruch auf Mitgenuss dessen, was D bewilligt wird. Dem gegenüber ist aber darauf hinzuweisen, dass d e r j e n i g e , d e r n u r b e s c h r ä n k t e n A n s p r u c h b e w i l l i g t , a u c h n u r bes c h r ä n k t e n A n s p r u c h e r w i r b t . Hierin liegt das entscheidende Moment, auf das der Zweifel an der Zweckmässigkeit der beschränkten Meistbegünstigung sich stützt, sie kann für die eigene Volkswirthschaft möglicherweise mehr Nachtheil als Vortheil bringen. Beseitigt man die Meistbegünstigungsklausel gänzlich, so kommt man zum S y s t e m d e r sog. R e z i p r o z i t ä t s v e r t r ä g e d. h. der Verträge nach dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung im strengen Sinne des Wortes. Das Maass von Leistung und Gegen-

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

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leistung erschöpft sich in den Abmachungen des einzelnen Vertrages. Werden später einem dritten Staate weitergehende Zugeständnisse gemacht, so ist diese Thatsache für alle übrigen Vertragsstaaten o h n e Bedeutung, ihr Rechtsanspruch wird dadurch nicht vergrössert. Das System der Reziprozitätsverträge bietet die Möglichkeit einer differentiellen Behandlung der Vertragsstaaten, Zugeständnisse bestimmter Art können dem einen bewilligt, dem andern Staate vorenthalten werden. Im d e u t s c h e n S y s t e m ist d i e E r g ä n z u n g d e r T a r i f v e r t r ä g e durch die M e i s t b e g ü n s t i g u n g s k l a u s e l integrir e n d e r B e s t a n d t h e i l ; die Klausel findet sich in allen Verträgen, die das deutsche Reich abgeschlossen hat. O h n e j e d e B e s c h r ä n k u n g in den Verträgen mit Italien und der Schweiz, in den übrigen Verträgen mit einem Vorbehalt, der theils selbstverständlich und ohne Bedeutung, theils eine Bedeutung bisher nicht erlangt hat. Als selbstverständlich möchten wir den Vorbehalt bezeichnen, dass die Meistbegünstigung kein Anrecht begründet auf Gleichstellung mit solchen Staaten, mit denen eine Z o l l e i n i g u n g abgeschlossen wird. Mit der Zolleinigung fällt die Zollgrenze überhaupt, die beiderseitigen Gebiete gehen zollpolitisch in einander auf, es handelt sich nicht mehr um eine Begünstigung des einen durch den anderen, sondern um eine Verschmelzung. Der eine Theil hört auf, für den anderen Zollausland zu sein; auf die Gleichstellung mit dem Zollausland aber kann sich die Meistbegünstigung allein erstrecken. Zur Zeit des Vertragsabschlusses und auch heute noch ist das Deutsche Reich zollgeeint mit dem Grossherzogthum Luxemburg. Der Text des mit Russland abgeschlossenen Vertrages beschränkt sich darauf, festzusetzen, dass die Meistbegünstigung sich nicht erstrecken soll auf die Luxemburg auf Grund der Zolleinigung gemachten Zugeständnisse. In den Verträgen mit OesterreichUngarn, Rumänien und Serbien ist die generelle Bestimmung getroffen, dass kein Anrecht erworben werden soll auf Gleichstellung mit solchen Staaten, mit denen eine Zolleinigung besteht, o d e r künftig a b g e s c h l o s s e n wird. Ohne Bedeutung ist der in den Verträgen mit Russland, Rumänien, Serbien vereinbarte Vorbehalt in Bezug auf besondere Vergünstigungen d e s g r e n z n a c h b a r l i c h e n V e r k e h r s ; es wird durch den Text ausser Zweifel gestellt, dass es sich nur um den

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Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

örtlichen Verkehr innerhalb einer Z o n e von ganz bestimmter Breite (10 oder 1 5 km) handelt. Ein solcher Zusatz fehlt in den Verträgen mit Oesterreich-Ungarn und Belgien. Der Vertrag mit Belgien spricht nur von Vergünstigungen, die einer dritten Macht im grenznachbarlichen Verkehre eingeräumt werden. Der Vertrag mit Oesterreich-Ungarn enthält die Fassung, dass jene Begünstigungen ausgenommen sein sollen, die einem Nachbarlande zur Erleichterung des Verkehrs für gewisse Grenzstrecken und für die Bewohner einzelner Gebietstheile eingeräumt werden. Da eine nähere Erläuterung, w a s unter Grenzverkehr verstanden werden soll, in beiden Verträgen fehlt, ist eine weitergehende Deutung nicht ausgeschlossen. Deutschland hat aus dieser Möglichkeit bisher keine Konsequenzen gezogen, wohl aber Oesterreich-Ungarn, wie weiter unten noch darzulegen sein wird. Die zollamtliche Praxis in Deutschland unterscheidet im Allge meinen zwischen V e r t r a g s s t a a t e n und N i c h t v e r t r a g s s t a a t e n . J e d e r Vertragsstaat hat ein Anrecht auf den uneingeschränkten Genuss des Vertragstarifs, d. h. die Summe aller Vergünstigungen, die fremden Staaten überhaupt gewährt sind. Auf die Nichtvertragsstaaten findet der autonome Tarif Anwendung. Die Behandlung nach dem autonomen Tarif bedeutet eine DifTerenzirung, es ist also ein Anreiz für das Ausland gegeben, sich den Genuss des Vertragstarifs zu sichern. F ü r besondere Fälle kann jedoch die DifTerenzirung noch verschärft werden. Das Tarifgesetz enthält die Bestimmung, dass zollpflichtige W a a r e n solcher Staaten, die deutsche Schiffe oder deutsche W a a r e n ungünstiger behandeln, als diejenigen anderer L ä n d e r , mit einem Zuschlag bis zu 1 0 0 pCt. der tarifmässigen Eingangsabgabe belegt werden können. Unter der gleichen Voraussetzung dürfen auch zollfreie W a a r e n mit einem Zolle bis zu 20 pCt. des Werthes belegt werden. Neben dem Vertrags- und autonomen Tarif steht also im Hintergrund noch ein dritter Tarif, der K a m p f t a r i f , der nach Zustimmung des Bundesraths durch kaiserliche V e r o r d n u n g in K r a f t gesetzt werden kann. Dem System der T a r i f v e r t r ä g e liegt der Gedanke der besonderen Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Lande zu Grunde, die Konsequenz drängt daher, um den Kreis zu schliessen, auf Abschluss von T a r i f v e r t r ä g e n mit a l l e n Staaten des Auslandes. Der einzelne Staat darf aber nicht erwarten, dass alle übrigen sich auf den Boden des gleichen handelspolitischen Systems stellen.

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

Der Ausbau des Systems bleibt in der Wirklichkeit hinter jener Vollständigkeit zurück, die die Idee verlangt. W i e soll die Lücke ausgefüllt w e r d e n ? Die Zusicherung der Meistbegünstigung ist nicht nur von Bedeutung als ergänzende Klausel des Tarifvertrages, sie kann auch a u s s c h l i e s s l i c h e r G e g e n s t a n d einer vertragsmässigen Vereinb a r u n g sein. Es wurde oben darauf hingewiesen, dass die Sicherheit, im Auslande nicht differenzirt zu werden, gewissermassen das elementarste Bedürfniss des Exports darstellt. Diese Sicherheit giebt der vertragsmässige Anspruch auf Meistbegünstigung. Auch der sog. r e i n e M e i s t b e g ü n s t i g u n g s v e r t r a g i s t d e s h a l b f ü r d e n E x p o r t v o n W e r t h und in seinem Interesse anzustreben, wenn das grössere Zugeständniss des Auslandes, der Tarifvertrag, nicht zu erreichen ist. Tarifzugeständnisse zu erlangen, kann einem dritten Staate gelingen, das Recht der Meistbegünstigung sichert dem eigenen Export den Mitgenuss, der Anspruch wird dadurch nicht bedeutungslos, dass die Ausfuhr jedes L a n d e s eine gewisse Eigenart in der Zusammensetzung aufzuweisen hat. Diese Eigenart ist nur in beschränktem Maasse ausgeprägt, sie macht sich in verschiedenem Grade bemerkbar und kann mehr oder weniger ganz verschwinden. Sie ist ausserdem nicht absolut festgelegt, sondern hat die Fähigkeit, sich veränderten Konjunkturen anzupassen. Das Recht auf Meistbegünstigung k a n n also unter Umständen noch einen höheren W e r t h erlangen, als den der Versicherung gegen die Gefahr der Dififerenzirung. W e n n der Meistbegünstigungsvertrag jedoch die gegenseitige uneingeschränkte Bewilligung des Meistbegünstigungsrechts zur Voraussetzung hat, so fragt sich, ob Leistung und Gegenleistung nicht im Missverhältniss stehen. Der Staat, der Tarifverträge abgeschlossen hat, muss den Vertragstarif bewilligen, d. h. eine Summe von Tarifzugeständnissen, welche die Vertragsstaaten durch Zugeständnisse ihrerseits erkauft haben. Besitzt der a n d e r e Theil

*) Der Verkehr mit denjenigen Staaten, mit denen Deutschland Tarifverträge abgeschlossen hat, betrug im Jahre 1899 36,3 pCt. der gesammten deutschen Einfuhr, 35,6 pCt. „ „ „ Ausfuhr.

2

18

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

e b e n f a l l s e i n e n V e r t r a g s t a r i f , b e g r ü n d e t also die M e i s t b e g ü n s t i g u n g auch bei ihm e i n e V o r z u g s s t e l l u n g , s o steht L e i s t u n g g e g e n G e g e n leistung.

D a s M e i s t b e g ü n s t i g u n g s r e c h t verliert j e d o c h s e i n e n Inhalt,

wenn es

eine

Unterscheidung

meistbegünstigten Lande

nur

kommt.

ein

Es

Nationen einziger

bleibt d a n n

der Diflferenzirung,

von

Das gänzt.

der

wenn

in

autonome,

und dem

zur

nicht andern

Anwendung

nur j e n e V e r s i c h e r u n g g e g e n die

Gefahr

ob s i e nicht auch

schon

angedrohten Vergeltungsmassregeln

aus-

wird. Deutsche

verträge

Tarif,

meistbegünstigten giebt,

der fraglich ist,

durch die im T a r i f g e s e l z geschlossen

von

nicht

durch

Reich

reine

hat

sein

System

der

Tarif-

Meistbegünstigungs Verträge

Reine Meistbegünstigungsverträge

nur mit solchen L ä n d e r n ,

die

dritten S t a a t e n Zustand

Vertragstarif. ist zu r e c h n e n ,

den sich von selbst der G r u n d s a t z e r g i e b t , G u t e s mit G u t e m , mit B ö s e m zu v e r g e l t e n . besondere Waffen lichkeit da

sein,

Auslande

k o m m e n h e r b e i f ü h r e n durch g u t e s Die

dem dass

System nur

der

es muss

mit

voller S t r e n g e

an

vertragsmässige Verpflichtung.

sich

entsprechende

den V e r t r a g s t a r i f

durchführen.

Wege

der

findet, o d e r s o l c h e s E n t g e g e n -

Tarifverträge

diejenigen S t a a t e n

auch auf a u t o n o m e m

wenn

Beispiel.

die ein v e r t r a g s m ä s s i g e s A n r e c h t e r w o r b e n nicht

a b e r auch die Mög-

e n t g e g e n zu k o m m e n ,

e i g e n e E x p o r t dort E n t g e g e n k o m m e n

Norm,

für

Böses

F ü r den Z o l l k r i e g pflegt das T a r i f g e s e t z

b e r e i t zu stellen, dem

nicht

Tarifzugeständnisse

g e m a c h t h a b e n , s o n d e r n auch mit s o l c h e o h n e A u c h mit dem v e r t r a g s l o s e n

er-

sind a b g e s c h l o s s e n

geniessen,

h a b e n , l ä s s t sich d a h e r

Der

Vertragstarif

muss

bewilligt w e r d e n k ö n n e n , d . h . Im h a n d e l s p o l i t i s c h e n

ohne

System

des d e u t s c h e n R e i c h e s s p i e l t die a u t o n o m e B e w i l l i g u n g der Meistbegünstigung neben der vertragsmässigen E s bleibt n o c h übrig, d a s S y s t e m auch in Beziehung

zu

einschlägigen der

beleuchten. Fragen

grundsätzlich

können, schaffen,

w ä r e es

für

Bei das

der

eminenten

gesammte

verschiedenen Behandlung,

w e l c h e sie

die das zu

aller

Leben, erfahren

b e f o l g e n d e h a n d e l s p o l i t i s c h e S y s t e m in im V o r a u s

festlegt.

U n t e r l a g e in diesem S i n n e fehlt in D e u t s c h l a n d . für

Bedeutung

wirthschaftliche

n a h e l i e g e n d , e i n e feste g e s e t z l i c h e G r u n d l a g e zu

ausschlaggebenden Punkten nur

eineRolle.

staatsrechtlicher

Eine

gesetzliche

Der Tarif

die v e r s c h i e d e n e n W a a r e n g a t t u n g e n Z o l l p f l i c h t

allen regelt

u n d Zoll-

Das gegenwärtige System des deutschen Reiches.

19

freiheit, das Tarifgesetz besagt nichts über das handelspolitische System, alles bleibt der Initiative der Reichsregierung vorbehalten, die zwar nachträglich für Verträge mit dem Auslande die gesetzliche Sanktion einholen muss, im Uebrigen aber durchaus freie H a n d hat. Nach der V e r f a s s u n g steht dem Kaiser das Recht zu, Verträge mit fremden Staaten abzuschliessen, also auch Verträge handelspolitischen Inhalts.

II.

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten. Alle massgebenden Kulturstaaten mit Ausnahme Englands bekennen sich heute zu dem Grundsatze des Schutzes der nationalen Arbeit, d e r K o n f l i k t z w i s c h e n S c h u t z z o l l - u n d E x p o r t I n t e r e s s e ist d a h e r e i n e F r a g e v o n g a n z a l l g e m e i n e r Bedeutung. Um das handelspolitische System des Deutschen Reiches zu würdigen, muss es demjenigen der übrigen Nationen gegenübergestellt werden. Zum Vergleiche sind zunächst seine Gegenkontrahenten heranzuziehen, d. h. die bekannten Staaten, mit denen Deutschland Tarifverträge abgeschlossen hat. Die Thatsache, dass es sich um Gegenkontrahenten handelt, weist auf grundsätzliche Uebereinstimmung hin, es treten aber bei den einzelnen Staaten doch Besonderheiten hervor, die eine Eigenart begründen und deshalb Erwähnung verdienen. Von einer Eigenart kann man zunächst insofern sprechen, als das System in den einzelnen Ländern einen verschiedenen Grad des Ausbaues aufzuweisen hat. W e n n man das Deutsche Reich als vornehmsten Repräsentanten des Systems bezeichnet, so verdient es diese Bezeichnung, weil es das System relativ am meisten ausgebaut hat, d. h. weil die Zahl derjenigen Staaten relativ gross ist, mit denen es sich auf Grund von Tarifverträgen auseinandergesetzt hat. Am nächsten stehen ihm hierin Oesterreich - Ungarn und die Schweiz, weniger ausgebaut ist das System in Belgien, Italien, am wenigsten in Russland. Russland ist gewissermassen gegen seinen Willen zum System der Tarifverträge gezwungen. Die traditionelle russische Handelspolitik betrachtet als Ziel ihrer Fürsorge nur die Gleichstellung des russischen Exports mit der übrigen Konkurrenz des Weltmarktes.

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

21

Zur Durchführung dieses Programmes bedurfte es bis zum Abschluss des deutsch-österreichischen Handelsvertrages vom J a h r e 1 8 9 2 keiner T a r i f v e r t r ä g e ; erst dies Ereigniss zwang Russland zu einem Systemwechsel, der damals von offizieller Seite im Westnik Finanssow folgende auch noch heute bemerkenswerthe Motivirung f a n d : „Die russische Regierung hielt seit langer Zeit an dem System eines autonomen T a r i f s für den europäischen Handel mit gleichen Tarifsätzen für gleichartige Einfuhrwaaren fest, ohne Berücksichtigung des L a n d e s , aus welchem die Waaren stammten. Dies System wahrte einerseits dem Staate volle Freiheit in der Bestimmung und Abänderung der Tarifsätze gemäss den Bedürfnissen der Industrie, des Handels und des Fiskus, andererseits sicherte es jederzeit allen befreundeten Mächten ohne Ausnahme die gleichen Bedingungen der Ausfuhr, ohne auch nur eine derselben in eine weniger günstige L a g e , als die anderen, zu stellen. Diesem traditionellen Grundsatze seiner Zollpolitik folgend traf Russland selbstständig protektionistische Massregeln, sah ruhig dem Erstarken des von nationalen Interessen geleiteten Protektionismus in Westeuropa zu und hielt sich fern von allen Bestrebungen, den Handel eines Staates zu Gunsten ariderer mittelst besonderer Handelskonventionen zu beschränken. Indem Russland die Herkünfte aller L ä n d e r in gleicher W e i s e behandelte, hielt es sich jedoch berechtigt, zu beanspruchen, dass auch die russische Einfuhr auf Grund der Gegenseitigkeit der Handelsinteressen nicht in eine minder begünstigte L a g e als die Einfuhr derselben W a a r e n aus anderen L ä n d e r n gestellt werde. Bis vor Kurzem hatte dieser Grundsatz auch seine Geltung, da die meisten fremden Staaten es für angemessen hielten, dass der russischen Einfuhr als Entgelt für den ihrer Einfuhr in Russland gewährten gleichen Zolltarif das Recht der Meistbegünstigung zuzugestehen. Die äusserst wenigen, auf Verträgen beruhenden Vergünstigungen Russlands Seitens einiger Staaten sind von Russland wenig ausgenützt worden, da sie die wirthschaftlichen Interessen Russlands nicht berührten und nur solche Artikel betrafen, welche für die russische Ausfuhr keine Bedeutung haben. Jedoch seit 1 8 9 2 hat die Zollpolitik des Westens eine neue Richtung eingeschlagen, die wesentlich durch die Ausdehnung gegenseitiger Tarifvergünstigungen gekennzeichnet ist. Diese Begünsti-

22

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

gungen erstrecken sich auf eine gegen früher bedeutend grössere Zahl von Handelsartikeln und betreffen unter Anderen auch landw i r t s c h a f t l i c h e Produkte, die den wichtigsten Gegenstand der russischen Ausfuhr bilden. Die in einigen Staaten eingeführten Konventionaltarife mit ermässigten Tarifsätzen sind auf R u s s l a n d nicht ausgedehnt worden, in Folge dessen die russische A u s f u h r zum ersten Male t a t s ä c h l i c h und zwar hinsichtlich sehr vieler Handelsartikel unter dem Einfluss ungleicher Konkurrenzbedingungen hinsichtlich derselben W a a r e n anderer L ä n d e r gestellt worden ist. Dies gereicht der für unsere Ausfuhr arbeitenden Industrie zu wesentlichem Schaden und bildet ausserdem eine Abweichung von dem Grundsatze gegenseitigen Nutzens in internationalen Handelsbeziehungen, denn Russland gewährte nach wie vor den Ländern, die seine A u s f u h r in gegenüber anderen Ländern ungleiche Ausfuhrbedingungen gestellt hatten, dieselben Bedingungen wie den Russland Meistbegünstigung gewährenden Ländern. Unter solchen V e r h ä l t n i s s e n konnte der eine Zollt a r i f n i c h t f e r n e r in K r a f t b l e i b e n , u n d d i e r u s s i s c h e R e g i e r u n g w a r durch die L a g e der D i n g e g e z w u n g e n , den G r u n d s a t z d e r u n g l e i c h e n B e s t e u e r u n g d e r E i n f u h r verschiedener Länder, entsprechend dem Verhalten d i e s e r L ä n d e r z u r r u s s i s c h e n E i n f u h r , in s e i n e T a r i f gesetzgebung aufzunehmen." Durch den deutsch-österreichischen Handelsvertrag wurde das russische Getreide auf dem deutschen Markte zu Gunsten des österreichischen differenzirt; Russland antwortete mit der Aufstellung eines Doppeltarifs. Der bestehende allgemeine Tarif blieb in Anwendung für die Einfuhr derjenigen L ä n d e r , die Russland die Meistbegünstigung gewährten, die Einfuhr aller übrigen wurde mit einem Zuschlage von 30 pCt. für Ganzfabrikate, von 20 pCt. für Halbfabrikate belegt. Die F o l g e war der Zollkrieg mit Deutschland, in dem beide Staaten die Einfuhr des anderen Theils noch mit speziellen Zollzuschlägen belegten. Dem Kriegszustand machte dann der bekannte T a r i f v e r t r a g ein Ende, der Russland die Meistbegünstigung auf dem deutschen Markte eintrug. Die von ihm Deutschland gewährten Tarifermässigungen übertrug Russland durch Vertrag auch auf Oesterreich-Ungarn, durch autonome Bewilligung auf alle anderen europäischen Länder, so dass zunächst derjenige Zustand wieder hergestellt wurde, den wir oben als traditionelles

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

23

Ziel der russischen H a n d e l s p o l i t k bezeichneten, Gleichstellung aller fremden L ä n d e r auf dem russischen Markte und Sicherung der Meistbegünstigung Russlands auf dem Weltmarkte. Ob man auch noch fernerhin die Gleichstellung des russischen Exports mit der Konkurrenz des Weltmarktes als ausschliessliches Ziel der russischen Handelspolitik bezeichnen darf, muss fraglich erscheinen angesichts der viel besprochenen offiziösen Erklärung in der russischen Handels- und Industrie-Zeitung, dass Russland eine E r h ö h u n g der deutschen Getreidezölle als Massnahme betrachte, die den Neuabschluss eines Tarifvertrages unmöglich macht. Thatsache ist, dass es seit Abschluss des Vertrages mit Deutschland seinen Vertragstarif weiter ausgebaut hat durch Tarifverträge mit Bulgarien und Portugal, die indessen, was Zahl und Bedeutung der ermässigten Positionen anbelangt, hinter dem mit Deutschland abgeschlossenen Vertrage weit zurückstehen. Zu erwähnen ist auch noch der zur Zeit des russischen Zollkrieges abgeschlossene Vertrag mit Frankreich, dessen innere Motivirung auf russischer Seite man aber wohl in dem W u n s c h e suchen darf, auf Deutschland eine Pression auszuüben. Besondere E r w ä h n u n g verdient neben Russland O e s t e r r e i c h U n g a r n , weil es von dem in Deutschland konsequent durchgeführten Prinzip der Gleichstellung aller Vertragsstaaten in bemerkenswerther W e i s e abgewichen ist, freilich nicht nach dem W o r t l a u t seiner Verträge, wohl aber thatsächlich. Dass der Grenzverkehr gewisser Erleichterungen bedarf, ist allgemein anerkannt. An der Grenze gehört das diesseitige und jenseitige Gebiet wirthschaftlich zusammen, wenn es auch durch die Grenzpfähle politisch geschieden ist. Dieser Thatsache pflegen alle Kulturstaaten R e c h n u n g zu t r a g e n ; die Erleichterungen sollen jedoch eine exzeptionelle Bewilligung bleiben mit keinerlei Konsequenz für die F r a g e der Meistbegünstigung. Daher in den T a r i f v e r t r ä g e n die Klausel, dass durch die Meistbegünstigung kein Anrecht erworben wird auf diejenigen Zugeständnisse, die einem dritten Staate im Grenzverkehr gemacht werden. W i e wir schon oben darlegten, ist jedoch der Begriff des Grenzverkehrs in den einzelnen V e r t r ä g e n nicht immer genügend erläutert. Oesterreich speziell hat seinen Verträgen nicht diejenige Definition beigefügt, die ausser Zweifel stellt, dass man unter Grenzverkehr n u r d e n V e r k e h r i n n e r h a l b e i n e r r ä u m l i c h b e -

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

24

grenzten

Zone

verstehen will.

Es

hat sich

„ a u s g e n o m m e n sind j e n e B e g ü n s t i g u n g e n ,

durch die F a s s u n g

welche

vertragschliessenden T h e i l e

einem N a c h b a r l a n d e

des V e r k e h r s

Grenzstrecken

für

gewisse

einzelner Gebietstheile

eingeräumt

sind"

und

von zur

für

einem

der

Erleichterung die

Bewohner

g r ö s s e r e Freiheit

vorbe-

halten, und diese Freiheit dazu benutzt, einem g a n z e n Staate, dem b e n a c h b a r t e n Serbien, eine V o r z u g s s t e l l u n g auf dem österreichischen Markte zu verschaffen. Die dem österreichisch-serbischen H a n d e l s v e r t r a g v o m 9. A u g u s t 1892 a n g e h ä n g t e n B e s t i m m u n g e n über im

Grenzverkehr"

üblichen, rungen;

beschränken

gegenseitig

für

den

Oesterreich-Ungarn

sich

„besondere nicht

auf

Grenzverkehr

gewährt

Erleichterungen die

auch

gewährten

sonst

Erleichte-

vielmehr darüber hinaus für

eine A n z a h l v o n P r o d u k t e n bei der unmittelbaren Einfuhr

in

das

österreichisch-ungarische Z o l l g e b i e t über die gemeinschaftliche Zollg r e n z e g e g e n Nachweis ihres U r s p r u n g s aus S e r b i e n v c r t r a g s m ä s s i g normirte Z o l l - E r m ä s s i g u n g e n resp. B e f r e i u n g e n . Es handelt sich um Mais,

Gerste,

Hafer, Buchweizen,

Hirse,

W e i z e n , Halbfrucht, R o g g e n , gedörrte Pflaumen, P f l a u m e n m u s ohne Zuckerzusatz,

Ochsen,

Honig,

Wein

in

Fässern

namentlich a u f g e f ü h r t e n serbischen K r e i s e n , stimmte S o r t e Z w e t s c h e n b r a n n t w e i n

endlich

aus

mehreren

um

eine

be-

(Rakia).

D a diese besonderen Z o l l e r m ä s s i g u n g e n resp. B e f r e i u n g e n vcrt r a g s m ä s s i g als Erleichterungen des G r e n z Verkehrs gelten, kommen sie

den

übrigen

Staaten,

die

in

Oesterreich-Ungarn

das

Meist-

b e g ü n s t i g u n g s r e c h t geniessen, nicht zu Gute. Eine

ähnliche,

w e n n auch ihrer B e d e u t u n g nach w e n i g e r ins

G e w i c h t fallende A u s n a h m e s t e l l u n g hat O e s t e r r e i c h - U n g a r n unter dem N a m e n der G r e n z b e g ü n s t i g u n g a u c h l t a l i e n und der S c h w e i z eingeräumt. L o m b a r d i s c h e , venetianische, piemontesische, neapolitanische, sizilianische

Weine

geniessen

noch

Weinen

sind

ausserdem

mesan

Käse),

Brescia, schen

serbischer gewisse

Vorzugstarif,

Provenienz

der ausser ihnen nur

zu G u t e kommt.

Bevorzugt

K ä s e s o r t e n (Stracchino, G o r g o n z o l a , Par-

Strohhüte aus V e n e t i e n , S o h l l e d e r aus d e r P r o v i n z

venetianische

sponnenes

einen

Glas),

Konterien

Töpfergeschirr

(Email,

Glastropfen, Perlen, ge-

aus V e n e t i e n und dem St. Galli-

Rheinthal.

Als

Grenzbegünstigung

erleichterung,

welche

kommt

endlich in Betracht die Zoll-

Oesterreich-Ungarn

auf

autonomem

Wege,

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten. ohne vertragsrechtliche eingeräumt hat.

Verpflichtung, rumänischem

25 Rohpetroleum

Während der deutsche Tarif nur die Unterscheidung meistbegünstigter und nichtmeistbegünstigter Nationen kennt, kommt in Oesterreich-Ungarn noch der Begriff der g r e n z b e g ü n s t i g t e n N a t i o n hinzu; der Tarif hat für gewisse W a a r e n nicht zwei, sondern drei verschiedene Sätze. Ochsen, Sohlleder und Sohllederabfälle werden verschieden verzollt, j e nachdem sie aus nicht meistbegünstigten, aus meistbegünstigten oder aus grenzbegünstigten Ländern stammen. Bei gewöhnlichem Töpfergeschirr geht die Unterscheidung noch weiter, 4 verschiedene Sätze gelangen zur Anwendung, neben dem autonomen und Vertragssatze noch je ein besonderer Satz für serbische und schweizerische Provenienz. Die Vereinbarungen mit Serbien bieten ein interessantes Beispiel für engeren zollpolitischen Anschluss eines kleineren Staates an einen grösseren Nachbar. Eine Zolleinigung, d. h. Verschmelzung zu einem Zollgebiete, hat nicht stattgefunden. Serbien hat seine zollpolitische Autonomie behalten und sich doch eine bemerkenswerthe Vorzugsstellung allen anderen Konkurrenten gegenüber auf dem österreichischen Markte geschaffen. Nach der serbischen Statistik betrug die serbische Ausfuhr nach Oesterreich im J a h r e 1898 annähernd 5 1 Mill. Francs. Berechnet man nach der österreichischen Statistik den Werth desjenigen Theils der serbischen Einfuhr, der besondere Zollvergünstigungen genoss, so ergiebt sich für das J a h r 1898 eine Summe v o n rund 18,5 Mill. Francs. R u n d 36 pCt. der serbischen Gesammteinfuhr nach Oesterreich genoss mithin eine Vorzugsstellung auf dem österreichischen Markte. Die Bevorzugung Serbiens richtet ihre Spitze in erster Linie gegen Russland und Rumänien, zwei Staaten, denen vertragsmässig die Meistbegünstigung zusteht, die aber gleichwohl Serbien gegenüber differenzirt werden. W i e wirksam die Differenzirung sein muss, ergiebt sich daraus, dass in einzelnen l a n d w i r t s c h a f t lichen Produkten Serbien einen grösseren Antheil des österreichischen Einfuhrbedarfs deckt, als die gleichfalls benachbarten Agrarstaaten Russland und Rumänien. Im J a h r e 1899 wurde an Gerste importirt aus Serbien . . . 66 461 dz „ „

Russland Rumänien

.

. .

1 8 3 2 7 dz 1 4 3 5 3 dz

26

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

an Haler aus Serbien „ Rumänien „ Russland

. .

39 1 3 8 dz 2 5 3 1 7 dz 1 5 577 dz

Dies Verhältniss entspricht den Unterschieden in der Verzollung. Serbische Gerste hat nur 0,25 Gulden, serbischer Hafer nur 0,60 Gulden Zoll pro 100 kg zu zahlen, während Gerste und Hafer aus Russland und Rumänien mit 0 , 7 5 Gulden Zoll belastet sind. Am bemerkenswerthesten ist der Vorsprung, der serbischen Schlacht- und Zugochsen eingeräumt ist. Der Zollsatz beträgt 4 Gulden pro Stück, während die Provenienz aus den übrigen Vertragsstaaten 1 2 , 7 5 Gulden zu zahlen hat. Serbien ist vermöge dieses Vorsprungs in der L a g e gewesen, den Import fast ganz an sich zu reissen. E s wurden importirt im J a h r e 1899 aus Serbien — 6 5 1 5 6 Stück, aus allen übrigen L ä n d e r n nur 1 0 5 8 Stück. Auch die andere Art der DifFerenzirung, welche Oesterreich zu Gunsten italienischer und schweizerischer Produkte ausübt, verdient bei einem Staate, der im Allgemeinen an der Meistbegünstigungsklausel als nothwendiger Ergänzung der Tarifverträge festhält, besondere Beachtung. E s sind A n f ä n g e zu einer prinzipiell ausserordentlich wichtigen Aenderung im T a r i f w e s e n . Das übliche Schema des T a r i f s spezialisirte die W a a r e n bisher nur nach ihrer Zweckbestimmung oder nach dem Material, aus dem sie bestehen. Die Herkunft als besondere Eigenart blieb unberücksichtigt. Je mehr man auch dieser Unterscheidung Eingang verschafft, um so mehr zerbröckelt die Bedeutung der Meistbegünstigungsklausel, weil verschiedene L ä n d e r wohl W a a r e n derselben Art produziren können, die verschiedene Herkunft aber immer als Unterscheidungsmerkmal bestehen bleibt. Die F r a g e , ob eine solche Beschränkung der Meistbegünstigung zulässig, hat neuerdings das italienisch-französische Handelsabkommen wieder angeregt, indem Italien Büchern in französischer Sprache eine Zollermässigung zugestanden hat. Da jedes L a n d hauptsächlich nur Bücher in seiner S p r a c h e geschrieben ausführt, bleibt die Ermässigung trotz aller Meistbegünstigungsrechte anderer L ä n d e r auf Frankreich beschränkt.*)

*) Siehe die bezügliche Eingabe der Zentralstelle für Vorbereitung von Handelsverträgen.

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

27

Grundsätzlich verschieden vom System der T a r i f v e r t r ä g e ist das System des D o p p e l t a r i f s ( M a x i m a l u n d M i n i m a l t a r i f ) , für den augenblicklich F r a n k r e i c h das klassische Beispiel abgiebt. L a n g e Zeit war Frankreich die führende Macht auf dem Gebiete der Tarifvertragspolitik gewesen, bis es im J a h r e 1 8 9 2 einen Systemvvechsel im Sinne zollpolitischer Autonomie vollzog, der von den hochschutzzöllnerischen Kreisen unter M e l i n e ' s c h e r Führung lebhaft gefördert wurde. A u s dem Munde dieses Führers stammt die folgende Charakteristik, mit der er sein System der französischen Kammer empfahl: „Der französische Zolltarif soll in einen Maximal- und einen Minimaltarif zerfallen, ersterer stellt das gemeine Recht dar, letzterer wird als Begünstigung an solche L ä n d e r gewährt, welche Frankreich entsprechende Gegenvortheile zusichern. Die Bestimmung, wann im einzelnen Fall der Minimaltarif anzuwenden sei, hat sich die R e g i e r u n g vorbehalten. Dies System hat vor einem einzigen allgemeinen Tarif den Vorzug, dass es bei ihm etwas zum Anbieten giebt, um Gegenvortheile zu erlangen, während man in dem anderen Falle auf Repressalien angewiesen ist. Der Minimaltarif kann auf zwei Arten dem Auslande durch Vertrag zugesichert werden, indem man ihn nämlich als solchen zusichert, ohne sich bezüglich der Sätze zu binden, oder indem man die Sätze des Minimaltarifs zum Vertragstarife macht. E s kommt bei der A u f s t e l l u n g der T a r i f e d a r a u f a n , d e n A b s t a n d d e r b e i d e n r e c h t h o c h zu g e s t a l t e n , d a m i t dem A u s l a n d e d a r a n g e l e g e n ist, d e n n i e d e r e n zu e r h a l t e n . " Es ist charakteristisch, dass der Vater des neuen Systems sich über einen Punkt n i c h t aussprach, der zur Beurtheilung der Verhältnisse von ausschlaggebender Wichtigkeit ist; was bedeuten die Minimalsätze im Sinne der Forderungen des Schutzzolls? Sind sie ein O p f e r zu Gunsten des Exports, oder hat man ein solches Opfer nicht für nöthig gehalten? Ueber das mit dem Doppeltarif zu befolgende System Artikel 1 des Zolltarifgesetzes vom 1 1 . J a n u a r 1892.

besagt

„Der Minimaltarif kann auf die W a a r e n derjenigen L ä n d e r in Anwendung gebracht werden, welche den französischen W a a r e n entsprechende Vortheile gewähren und welche auf dieselben ihre niedrigsten T a r i f e anwenden."

28

V e r g l e i c h mit den übrigen Kulturstaaten.

Eine Ergänzung bildet das Gesetz vom 29. Dezember 1 8 9 1 ; die Regierung wurde ermächtigt 1 . die in Folge Kündigung mit dem 1. Februar 1892 ablaufenden Handels- und Schiffahrtsverträge mit Ausnahme derjenigen Bestimmungen, durch welche für bestimmte W a a r e n Zugeständnisse gemacht werden, einstweilen ganz oder theilweise zu verlängern. 2. den Minimaltarif im Ganzen oder theilweise auf Erzeugnisse und W a a r e n derjenigen L ä n d e r anzuwenden, welche jetzt den Vertragstarif geniessen, und welche ihrerseits den französischen W a a r e n die Behandlung auf dem F u s s e der meistbegünstigten Nation zugestehen werden. Dies Zugeständniss darf nur unter der Bedingung gewährt werden, dass die französische Regierung sich vorbehält, die Wirksamkeit desselben zwölf Monate nach K u n d g e b u n g ihrer bezüglichen Absicht aufhören zu lassen. Die Eigenart des Systems ist mithin durch gesetzliche Bestimmungen in folgender W e i s e festgelegt: 1. Frankreich hat seine zollpolitische Autonomie zu wahren, indem es T a r i f v e r t r ä g e nicht mehr abschliesst. 2. Soweit der Tarif in F r a g e kommt, kann Gegenstand vertragsmässiger Vereinbarungen nur die ganze oder theilweise Bewilligung des Minimaltarifs sein. 3. Auch diese Verträge dürfen Frankreich nur für kurze Dauer binden, eine Kündigung muss jederzeit erfolgen können mit der Wirkung, dass die vertragsrechtlichen Verpflichtungen zwölf Monate später aufhören. Das Gesetz lässt die F r a g e offen, ob die vertragsmässige Bewilligung des Minimaltarifs nur die Zubilligung der Meistbegünstigung oder auch den Verzicht auf Aenderung der Sätze während der Vertragsdauer bedeuten soll. Thatsächlich hat Frankreich nur die Meistbegünstigung bewilligt. Charakteristisch für das französische System ist, dass der Grundsatz der Aufstellung zweier verschiedener Zollsätze nicht festgehalten und nicht bei allen Positionen durchgeführt ist. W e n n daher die niedrigeren Sätze Zugeständnisse an das Ausland im Interesse des französischen Exports sein sollen, also im schutzzöllnerischen Sinne Opfer der betr. Produktionszweige, so ist zu konstatiren, dass diese Opfer nicht allen Z w e i g e n gleichmässig auferlegt sind, gewissen Produktionszweigen vielmehr keine O p f e r

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

29

zugemuthet werden. Zu d i e s e n g e h ö r t die französische L a n d w i r t h s c h aft. F ü r Getreide u n d Mehl aller Art, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, l e b e n d e T h i e r e , frisches und gesalzenes Fleisch sieht der T a r i f nur den Maximalsatz vor. W a s diese A u s n a h m e s t e l l u n g bedeutet, wird klar durch den Hinweis darauf, d a s s von der französischen G e s a m m t e i n f u h r des J a h r e s 1898 im W e r t h e von 4472,5 Millionen Fr. allein auf Getreide und Malz 632,0 Mill. Fr. Vieh 40,8 „ Hülsenfrüchte und Mehl d a r a u s 34>5 „ » Fleisch frisch, gesalzen o d e r anderweitig konservirt 32,3 „ » Pferde 27,9 „ entfielen, dass d e r Artikel „cereales (grains et farines)" in der russischen G e s a m m t e i n f u h r nach F r a n k r e i c h in H ö h e von 282 Mill. Fr. allein 137, in der amerikanischen G e s a m m t e i n f u h r von 6 3 3 Mill. 267 Mill., in d e r r u m ä n i s c h e n G e s a m m t e i n f u h r von 24 Mill. 1 5 Mill. ausmacht (1898). K o m p e n s a t i o n s o b j e k t e von so h e r v o r r a g e n d e r Bed e u t u n g , d i e im V e r k e h r m i t e i n z e l n e n L ä n d e r n v o n g e radezu a u s s c h l a g g e b e n d e r B e d e u t u n g sind, werden also v o n v o r n h e r e i n im I n t e r e s s e d e r f r a n z ö s i s c h e n L a n d wirthschaft von der eventuellen Zollermässigung ausgenommen. D e r Einheitstarif ist f e r n e r beibehalten bei d e n Kolonialwaaren Kaffee, T h e e , Kakao, Gewürzen und T a b a k . Man hat also bei einer zweiten wichtigen G r u p p e von K o m p e n s a t i o n s o b j e k t e n anscheinend a u s fiskalischen G r ü n d e n auf D u r c h f ü h r u n g des Prinzips verzichtet. Eine grosse Zahl von Artikeln sind sowohl nach dem Maxinialals auch nach dem Minimaltarif

zollfrei.

Hier hat das Interesse

der Konsumenten genöthigt, eine dritte Ausnahme zu machen. W o zwei Sätze

vorgesehen sind,

Maximal- und Minimalsatz selbst Fall.

innerhalb Bei

eine

ist die Spannung zwischen

sehr verschieden grosse.

gewisser Gruppen

nahe

Das ist

verwandter Artikel der

nicht

flüchtigen aromatischen Oelen fällt der Satz von

100 auf 80 Fr.,

bei flüchtigen Oelen oder Essenzen von 3000 auf

2000 Fr.,

bei

Rosatöl

von

1000

auf

500 Fr.

In ersterem Falle

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

3° also

von 1

i auf

i

auf

4

/5,

im

zweiten

von

2

i auf

/.,,

im dritten von

IS.

F r a n k r e i c h ist seit dem J a h r e

1 8 9 2 u n b e s c h r ä n k t e r H e r r seines

T a r i f s g e b l i e b e n ; es w a r in d e r L a g e , seinen T a r i f den wechselnden K o n j u n k t u r e n a n z u p a s s e n und hat v o n dieser Freiheit in

ausgiebiger,

hauptsächlich der f r a n z ö s i s c h e n L a n d w i r t h s c h a f t zu Gute kommender Weise Gebrauch bunden

ist,

gemacht. es

besitzt

Tarifauslegung.

Da

auch

Die

es

durch

keine T a r i f v e r t r ä g e ge-

volle Freiheit

französische

auf

dem G e b i e t e der

Verwaltung

Freiheit gleichfalls im schutzzöllnerischen S i n n e . ausländischer

Interessenten

sind

Aeiulerungen

der Z o l l p r a x i s ,

französischen

Markte

der

zu

benutzt

diese

Lebhafte Klagen

verzeichnen

über

plötzliche

durch die der W e t t b e w e r b auf dem ausländischen

Konkurrenz

erschwert

wird An

dem

Kernpunkte

ganzen

für

die ganze

oder theilweise Bewilligung

in B e t r a c h t halten

etwaige

des

Leistung

kommen

vermocht.

dürfe, Sowohl

g e g e n ü b e r ist das Prinzip Um

die

erlangen, thut,

man

des

als

auch

Zugeständnisse

dasselbe

thun

vom

müssen,

Wege

nicht

festzu-

der

Schweiz

festgestellten

Tarifs

a n d e r e n T h e i l zu

was

der T a r i f v e r t r ä g e schliesst, man ist u n t e r

autonomem

als

M ini m al t a r i f s

hat F r a n k r e i c h Russland

dass

ausschliesslich

durchbrochen.

gewünschten

hat

Systems,

Gegenleistungen

derjenige

Staat

die S ä t z e des auf

herabgegangen.

Formell

freilich w u r d e die A u t o n o m i e g e w a h r t , man schuf keinen V e r t r a g s tarif, s o n d e r n ä n d e r t e den a u t o n o m e n den W ü n s c h e n des a n d e r e n Theils

entsprechend

ab,

thatsächlich

aber

war

die

Aenderung

k e i n e freiwillige, s o n d e r n eine v o m A u s l a n d e e r z w u n g e n e und deshalb dem Prinzip des S y s t e m s Das

Russland

Tarifermässigung

gemachte bezog

sich

zuwider. prinzipwidrige nur

auf

Zugeständniss

Petroleum,

a n d e r e zur B e l e u c h t u n g v e r w e n d b a r e Mineralöle, s o w i e auf Oele

einer

S c h i e f e r ö l und schwere

und R ü c k s t ä n d e v o n P e t r o l e u m u n d a n d e r e n M i n e r a l ö l e n ;

handelte

sich

also

es

im W e s e n t l i c h e n um Produkte, die d a s I n l a n d

nicht erzeugt, nur um eine E r m ä s s i g u n g v o n

Finanzzöllen.

D a s d e r S c h w e i z g e m a c h t e Z u g e s t ä n d n i s s j e d o c h w a r v o n eins c h n e i d e n d e r e r Art.

D i e E r m ä s s i g u n g betraf S c h u t z z ö l l e für land-

w i r t s c h a f t l i c h e u n d industrielle E r z e u g n i s s e w i e k o n d e n s i r t e Milch, baumwollene

und

S e i d e n g e w e b e , Stickereien, Uhrwerke,

Taschen-

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

31

uhren, Chronometer, S p i e l w e r k e und Spieldosen, Maschinen der verschiedensten Art. Charakteristisch für die Gestaltung der Gesammtbeziehungen zum Auslande ist der r e l a t i v g e r i n g e A u s b a u v e r t r a g s r e c h t lich f e s t g e l e g t e r Verhältnisse. Soweit Meistbegünstigungsverträge bestehen, liegt in dem Vorbehalt jederzeitiger Kündigung, die das A u f h ö r e n der Verpflichtung nach Jahresfrist zur Folge hat, ein Moment der Unsicherheit und mangelnder Stabilität. Die einzige Ausnahme bildet das Verhältnis« zu Deutschland, das durch den Frankfurter Frieden für ewige Zeiten festgelegt ist. Um Verträge im eigentlichen Sinne handelt es sich aber bei der thatsächlichen R e g e l u n g der Beziehungen durchaus nicht ausschliesslich. Gegenüber mehreren sehr wichtigen Staaten wie Belgien, Italien und der Schweiz besteht nur ein sogen, modus vivendi, die beiderseitigen Zugeständnisse sind nur autonom bewilligt, keine Verpflichtung ist übernommen bezüglich ihrer Dauer, sie können deshalb jederzeit von einem der beiden Theile zurückgenommen werden. Seit dem J a h r e 1897 ist auch N o r w e g e n zu dem System des Maximal- und Minimaltarifs übergegangen. Das Einführungsgesetz besagt, dass der Einfuhrzoll nach den Minimalsätzen des T a r i f s zu berechnen ist. W e n n ein fremdes L a n d norwegische W a a r e n ungünstiger behandelt, als diejenigen anderer L ä n d e r , so kann der K ö n i g bestimmen, dass dem betreffenden L a n d e gegenüber die Maximalsätze zur A n w e n d u n g kommen sollen. Der Doppeltarif hat also hier nur die mehr negative A u f g a b e , den E x p o r t vor Differenzirung zu schützen; die positive, wie in der französischen Handelspolitik, auch Tarifermässigungen im Auslande zu erkämpfen, wird ihm nicht zugeschoben. Auch der norwegische Tarif führt den Doppelsatz nicht in konsequenter W e i s e bei allen Positionen durch. F ü r eine Anzahl Positionen ist nur ein einziger Satz vorgesehen. Frankreich und Norwegen sind augenblicklich die einzigen europäischen Staaten, in denen das System des Maximal- und Minimaltarifs in annähernd reiner Form sich findet. Bei anderen L ä n d e r n ist der gegenwärtige Zustand als Zwischenbildung z w i s c h e n Maximal- und Minimaltarif e i n e r s e i t s und dem S y s t e m der T a r i f v e r t r ä g e a n d e r e r s e i t s zu bezeichnen.

32

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

S p a n i e n hat im Jahre 1892 den Doppeltarif eingeführt. In das Zollgesetz wurde die Bestimmung aufgenommen, dass die erste Kolumne des Tarifs auf die Provenienzen solcher Länder anzuwenden sei, mit denen keine Spezialabkommen vereinbart wurden; die zweite Kolumne aber auf solche Länder, welche Spanien ihren Minimaltarif zugestehen „wenn die Regierung erachtet, dass dadurch in genügender Weise einem wechselseitigen Verhältniss Rechnung getragen wird." Man konnte hiernach annehmen, dass beabsichtigt gewesen, bei Verhandlungen mit dem Auslande nur den Minimaltarif als Zugeständniss anzubieten, und zwar als Gegenleistung sowohl für Meistbegünstigung als auch für Tarifermässigungen seitens des Auslandes. — Eine solche Praxis ist jedoch nicht erfolgt. Man hat trotz des auf autonomem W e g e festgesetzten Doppeltarifs Tarifverträge mit dem Auslande abgeschlossen, durch welche die Sätze des Minimaltarif weiter ermässigt wurden. Zum Maximalund Minimalsatz ist somit noch ein dritter Satz, der Vertragssatz, hinzugekommen. Die Meistbegünstigung bezieht sich auf den Vertragssatz (mit Ausnahme der Portugal gemachten Zugeständnisse). Eine ähnliche Zwitterbildung findet sich in G r i e c h e n l a n d . Das Gesetz besagt: der auf den aus dem Auslande eingeführten Waaren ruhende Zoll ist in dem nachfolgenden Tarife festgesetzt; derselbe ist ein autonomer und Vertragstarif. Die autonomen Zollsätze werden auf alle eingeführten W a a r e n jeden Ursprungs und jedweder Herkunft angewendet, wenn nicht etwa für die Waaren der Vertragssatz angegeben ist. Der Vertragssatz enthält die durch Verträge mit fremden Staaten festgesetzten Zollsätze, sowie solche, die niedriger als die des Generaltarifs, indessen in dem Vertrage nicht aufgeführt sind, und findet auf die Waaren derjenigen Länder Anwendung, mit welchen Griechenland Verträge geschlossen oder welchen diese Vergünstigung durch Königliche Verordnung in Gemässheit des . . u. s. w. zugestanden worden ist. Der Vertragstarif beruht also in Griechenland theils auf autonomer, theils auf vertragsrechtlicher Grundlage. Die autonome Gesetzgebung hat mitgewirkt, um den Einheitstarif in der Richtung des Doppeltarifs auszubauen. Neben dem System der Tarifverträge, dem System des Doppeltarifs pflegt man von einem dritten System zu sprechen

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

33

und denkt dabei an die H a n d e l s p o l i t i k der Vereinigten Staaten. Die amerikanische Gesetzgebung hat den Begriff des Reziprozitätsprinzips formulirt, die von Amerika abgeschlossenen Handelsverträge führen den Namen R e z i p r o z i t ä t s abkommen. Die Eigenart des amerikanischen Systems ist mit diesem N a m e n , dessen landläufige Interpretation oben schon dargelegt wurde, aber doch nur sehr wenig scharf und erschöpfend gekennzeichnet. Um sie zu charakterisiren, muss zunächst dargethan werden, was die amerikanische Gesetzgebung unter dem Begriff der Reziprozitätsverträge verstanden wissen will, zweitens w a s auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen zu Stande gekommen ist. Dass überhaupt die Gesetzgebung genau festlegt, wie weit der autonome Tarif durch Verträge mit dem Auslande geändert werden kann, ist ein charakteristisches Moment für die amerikanischen Verhältnisse. Etwas Aehnliches findet sich in der Gesetzgebung der europäischen Staaten nicht. E s zeigt sich darin schon eine g e w i s s e Tendenz der Beschränkung für Zugeständnisse an das A u s l a n d ; die Festlegung gilt den schutzzöllnerischen Kreisen als eine Garantie gegen unliebsame Ueberraschungen. In Betracht kommen die Abschnitte 3 und 4 des Zollgesetzes vom J a h r e 1897. E s handelt sich um die Bedingungen, unter denen V e r t r ä g e abgeschlossen werden können, sowie um Bestimmungen, die ihrem W e s e n nach nichts Anderes sind als die theilweisc Einführung eines Maximal- und Minimaltarifs. Z u r letzteren Kategorie gehört die dem Präsidenten verliehene Vollmacht, Kaffee, Thee, Tonka- und Vanille-Bohnen gewissen L ä n d e r n gegenüber von der Freiliste zu streichen und mit Zöllen von bestimmter Höhe zu belegen. V o n dieser Befugniss soll der Präsident Gebrauch machen, wenn die R e g i e r u n g eines Landes, das diese W a a r e n nach den Vereinigten Staaten einführt, die amerikanische A u s f u h r mit ungleichen und unverhältnissmässigen Zöllen belastet. Kaffee, Thee, Tonka- und Vanille-Bohnen sind also verschieden zu behandeln j e nach dem Verhalten des exportirenden Staates zur amerikanischen A u s f u h r ; ist er entgegenkommend, so bleiben sie zollfrei, wenn nicht, haben sie Zoll zu bezahlen. E s ist der Grundsatz des Maximal- und Minimaltarifs, durch Androhung differentieller Behandlung auf dem amerikanischen Markte für den 3

34

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

amerikanischen Export die Meistbegünstigung und niedrige Zölle im Auslande durchzusetzen, V e r t r ä g e also überflüssig zu machen. Der übrige Inhalt des Abschnitts 3 spricht freilich von Verträgen, die der Präsident unter gewissen Bedingungen aus eigener Machtvollkommenheit abschliessen kann, in der Sache aber handelt es sich um dasselbe wie im vorstehenden Falle. Für Weinstein oder rohen Weinstein oder rohe Weinhefe, Branntweine oder andere aus Getreide oder anderen Materialien hergestellte oder destillirte Spirituosen, Champagner und alle anderen Schaumweine, nicht schäumende W e i n e und Wermuth, Gemälde und Bildhauerarbeiten sieht das Gesetz besonders ermässigte Sätze vor, die der Präsident auf die Einfuhr solcher L ä n d e r zur A n w e n d u n g bringen kann, die der amerikanischen Ausfuhr gleichwerthige Zugeständnisse machen. Der Präsident soll mit den Regierungen derjenigen Länder, welche W a a r e n der genannten A r t nach den Vereinigten Staaten einführen, von Zeit zu Zeit in Unterhandlung treten und den Abschluss von Handelsverträgen anbieten, in denen er gegen Zusicherung gleichwerthiger Vortheile die A n w e n d u n g der im Gesetz vorgesehenen Zollvergünstigungen verspricht. Die Autonomie, die auch beim Maximal- und Minimaltarif ein wesentliches Moment darstellt, will auch das amerikanische Gesetz wahren. „Der Präsident soll befugt und verpflichtet sein, wenn immer er davon überzeugt sein sollte, dass ein derartiges Abkommen, wie es in diesem Abschnitt erwähnt ist, von der Regierung, mit welcher es abgeschlossen ist, nicht vollständig ausgeführt werde, die Ausserkraftsetzung der in diesem Gesetze vorgesehenen, d. h. der ermässigten Zölle zu w i d e r r u f e n und das der betr. R e gierung zur Kenntniss zu bringen." Auf den Abschluss von Reziprozitätsverträgen im eigentlichen S i n n e des W o r t e s bezieht sich Abschnitt 4 des Gesetzes, den wir wegen seiner prinzipiellen Bedeutung im Wortlaut wiedergeben. „ W e n n immer der Präsident der Vereinigten Staaten auf den Rath und mit Zustimmung des Senats behufs Sicherung des wechselseitigen Handels mit fremden L ä n d e r n innerhalb eines Zeitraumes v o n zwei Jahren nach dem Erlass dieses Gesetzes einen Handelsvertrag oder Handelsverträge mit einem anderen L a n d e oder mit anderen L ä n d e r n wegen Zulassung der W a a r e n der V e r einigten Staaten, deren Verwendung und Absatz in diesen L ä n d e r n

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

35

im Interesse der Vereinigten Staaten liegt, abschliesst, so soll er in einem solchen Vertrage oder in solchen Verträgen in Anbetracht der Vortheile, welche den Vereinigten Staaten daraus erwachsen, für einen bestimmten, fünf J a h r e nicht übersteigenden Zeitraum eine Ermässigung der durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Zölle bis um 20 pCt. für W a a r e n des anderen L a n d e s oder der anderen Länder, mit welchen ein derartiger Vertrag oder derartige Verträge vereinbart werden, vorsehen und die in Betracht kommenden W a a r e n darin bezeichnen; oder er soll für die Dauer dieses Zeitraumes die Uebertragung solcher W a a r e n , welche Naturerzeugnisse des betr. fremden L a n d e s oder der betr. fremden L ä n d e r und nicht der Vereinigten Staaten sind, aus der Liste der zollpflichtigen Artikel in die Freiliste vorsehen; oder er soll die Bestimmung aufnehmen, dass während eines bestimmten, fünf J a h r e nicht übersteigenden Zeitraums näher zu bezeichnende W a a r e n , welche auf der Freiliste stehen, auf derselben beizubehalten seien. Und wenn ein solcher Vertrag vom Senate in gehöriger Form ratifizirt und vom Kongress genehmigt und eine entsprechende öffentliche Proklamation erlassen worden ist, dann sollen die Zölle, welche von den Vereinigten Staaten von den bezeichneten W a a r e n aus dem fremden Lande, mit welchem ein derartiger Vertrag abgeschlossen ist, erhoben werden, während des vorgesehenen Zeitraums die in diesem Vertrage festgesetzten und vorgesehenen Zölle und keine anderen sein." A u s diesem gesetzlich festgelegten Programm für den Abschluss von Reziprozitätsverträgen ergeben sich folgende wesentlichen Punkte. F ü r Zugeständnisse, welche die Vereinigten Staaten in Reziprozitätsverträgen machen dürfen, i s t im V o r a u s e i n e G r e n z e g e setzlich festgelegt. Die Ermässigung der amerikanischen Zölle darf 20 pCt. nicht übersteigen. A r t i k e l , d i e z o l l p f l i c h t i g s i n d , m ü s s e n a l s o i m m e r z o l l p f l i c h t i g b l e i b e n , die Vorschrift einer nur p r o z e n t u a l e n E r m ä s s i g u n g schliesst aus, dass die Zollpflichtigkeit überhaupt auf dem W e g e des Vertrages beseitigt wird. Eine Ausnahme wird zugelassen für solche Artikel, die in den Vereinigten Staaten nicht produzirt werden, bei denen also ein schutzzöllnerisches Interesse nicht vorliegt. Diese können auch durch V e r t r a g aus der Liste der zollpflichtigen Artikel auf die Freiliste gesetzt werden. F ü r W a a r e n , welche schon auf der Freiliste stehen, darf die Zollfreiheit g e b u n d e n werden. 3:

36

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

Die Z e i t d a u e r , für welche Zugeständnisse der vorstehenden A r t bewilligt werden können, ist gleichfalls im V o r a u s festgelegt, sie darf fünf J a h r e nicht überschreiten; es handelt sich also nur um verhältnissmässig kurzfristige Verträge. Nach Ablauf von fünf J a h r e n muss stets der Zustand vollkommener Autonomie wieder eintreten, die Bewegungsfreiheit wiederhergestellt sein. Die Verträge bedürfen der Ratifizirung durch den Senat und der Genehmigung des K o n g r e s s e s , die Vertragsfreiheit der Exekutivgewalt ist also in sehr weitgehender W e i s e eingeengt. D a s Maass der Z u g e s t ä n d n i s s e wird nicht erst durch die V e r h a n d l u n g e n u n t e r A n p a s s u n g an die W ü n s c h e und F o r d e r u n g e n des anderen Thei 1s f e s t g e s t e l l t , sondern i s t s c h o n im V o r a u s e i n s e i t i g auf a u t o n o m e m W e g e g e regelt. Staaten, wclche weitergehende Ansprüche stellen, können in ein Vertragsverhältniss zu Amerika nicht treten. S c h o n aus dieser gesetzlichen Formulirung seiner Handelspolitik geht die Eigenart des amerikanischen Systems deutlich hervor. Amerika steht dem Auslande kühl bis ans Herz hinan gegenüber. Im Vollgefühl seiner K r a f t legt es weniger Gewicht auf gegenseitige Verständigung, als auf W a h r u n g seiner Autonomie; es glaubt den anderen Mächten die Bedingungen vorschreiben zu können, unter denen sich der gegenseitige Güteraustausch vollziehen soll. Dieser Eindruck wird noch verschärft, wenn man die P r a x i s der amerikanischen Handelspolitik ins A u g e fasst. Die Verträge, welche Amerika bisher mit dem Auslande abgeschlossen hat, sind sämmtlich nur V e r t r ä g e auf Grund des Abschnitts 3 des Zollgesetzes, d. h. sie verdienen, wie oben dargelegt, den Namen Reziprozitätsverträge nicht, sondern stellen sich nur dar als Zubilligung des im Zollgesetze vorgesehenen Minimaltarifs für eine eng beschränkte Zahl im V o r a u s bestimmter W a a r e n . (Weinstein, Branntwein, Schaumwein, andere Weine und Wermuth, Gemälde und Bildhauerarbeiten.) Zum Abschluss von Verträgen auf Grund des Abschnitts 4, d. h. zu solchen, die allein den Namen Reziprozitätsverträge im eigentlichen Sinne verdienen, ist bisher nur ein Anlauf gemacht. Im J a h r e 1 8 9 9 kam ein Abkommen mit Frankreich zu Stande, in dem Amerika für etwa 1 3 0 Artikel Ermässigungen in Höhe v o n 5 bis 20 pCt. versprach. E s handelte sich um W a a r e n der verschiedensten Art, Seifen und Parfümerien, Chemikalien, Stein- und Glaswaaren, Metallwaaren, Esswaaren, Baumwollwaaren, Leinenwaaren, Seide

Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

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und Seidewaaren, Papierwaaren, Bekleidungsgegenstände, Kurzund Galanteriewaaren. Dies Abkommen ist aber bisher vom K o n g r e s s noch nicht genehmigt, und es steht dahin, ob diese Genehmigung überhaupt j e m a l s eintreten wird. Diese Thatsache ist bezeichnend für den gegenwärtigen Zustand. Der K o n g r e s s will anscheinend verhindern, dass von Abschnitt 4 des Gesetzes überhaupt Gebrauch gemacht wird. Die geringe Beschränkung der amerikanischen Autonomie, welche das Gesetz zulässt, geht ihm schon zu weit. Kommen doch nach Abschnitt 4 Zollermässigungen auf b e l i e b i g e Artikel in F r a g e , also auch auf solche, bei denen die unversehrte Erhaltung des jetzigen Hochschutzzolles ein wesentliches Interesse einflussreicher K r e i s e bildet. Verträge nach Abschnitt 4 sind ein Kompromiss mit dem Auslande und widersprechen als solche dem amerikanischen Selbstgefühl. Das Ausland hat anzunehmen, was Amerika bietet, nicht selbst Forderungen zu stellen. W e n n Abschnitt 4 des Gesetzes für Verhandlungen mit dem Auslande überhaupt nicht mehr in F r a g e kommt, so ist das handelspolitische System Amerikas auf die B a s i s v o l l k o m m e n e r A u t o n o m i e gestellt. Die Sätze des Dingleytarifs sind unantastbar, bis auf die wenigen Ausnahmen, die Abschnitt 3 des Gesetzes gestattet. F ü r die dort aufgeführten W a a r e n besteht ein Doppeltarif; den Maximal- oder Minimalsatz kann der Präsident je nach seinem Belieben auf autonomem W e g e verfügen. D a s R e z i p r o z i t ä t s - P r i n z i p k e n n t k e i n e n A n s p r u c h auf M e i s t b e g ü n s t i g u n g ; auf diesen Standpunkt hat sich Amerika nachdrücklich gestellt, wenn auch im Zollgesetze diese prinzipiell wichtige F r a g e nicht erörtert wird. Amerika verneint den Anspruch auf Meistbegünstigung, den Deutschland auf Grund des bekannten, mit Preussen abgeschlossenen Vertrages vom J a h r e 1 8 2 8 zu haben glaubt, es hat seinen Handelsvertrag mit der Schweiz gekündigt, der das Meistbegünstigungsrecht der Schweiz in Amerika in zweifelfreier W e i s e feststellte. Die Vergünstigungen, welche es auf Grund des Abschnitts 3 des Zollgesetzes gewissen Staaten eingeräumt, finden auf die Staaten ohne V e r t r a g auf Grund dieses Abschnitts k e i n e Anwendung. Die Letzteren sind auf dem amerikanischen Markte schlechter gestellt, als ein Theil ihrer Konkurrenten.

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Vergleich mit den übrigen Kulturstaaten.

E s ist in Deutschland vielfach der Glaube verbreitet, als ob der jüngst abgeschlossene deutsch-amerikanische Vertrag eine prinzipielle Anerkennung des deutschen Anspruches auf Meistbegünstigung enthalte. Diese Annahme ist durchaus irrig und nur zu erklären aus Unkenntniss der gesetzlichen Grundlagen der amerikanischen Handelspolitik. Amerika hat in dem fraglichen Abkommen nur die auch schon vorher anderen Staaten zugestandenen Zollermässigungen auf Weinstein und die anderen bekannten Artikel Deutschland zugebilligt, nichts weiter. W i r d der mit Frankreich vereinbarte Vertragsentwurf auf Grund des Abschnitts 4 g e g e n Erwarten doch noch Gesetz, so gelangt Deutschland durch seinen kürzlich mit Amerika abgeschlossenen Vertrag"* n i c h t in den Mitgenuss der Frankreich zugestandenen Vergünstigungen. Die prinzipielle F r a g e der deutschen Meistbegünstigung berührt der Vertrag überhaupt nicht, die Kontroverse bleibt auf dem alten Stande.

III.

Der Uebergang zum Doppeltarif. Ein Systemwechsel steht augenblicklich in Deutschland in Frage, es wird vorgeschlagen, zum S y s t e m d e s D o p p e l t a r i f s (Maximal- und Minimaltarif) ü b e r z u g e h e n . Bei einer Kritik dieses Vorschlages ist zunächst zu betonen, dass der Name „ M a x i m a l - u n d M i n i m a l t a r i f " allein noch nicht genügend darüber aufklärt, was die Antragsteller wollen; man kann sich unter dem Systemwechsel etwas sehr verschiedenes vorstellen, je nach der Stellungnahme zu der Haupt- und Kernfrage des handelspolitischen Problems überhaupt, dem Kompromiss zwischen Schutzzoll und Export-Interesse. Weil beim gegenwärtigen System die Gestaltung des Tarifs auch als i n t e r n a t i o n a l e , nicht als a u s s c h l i e s s l i c h i n t e r n e Angelegenheit betrachtet wird, weil eine Herabsetzung von Zöllen unter jenes Niveau in F r a g e kommt, das sich aus der Auseinandersetzung zwischen Produktions- und Konsumtions - Interesse ergeben hat, kann man sagen, das Export-Interesse wirkt als Schranke des Schutzzolls. Diese Schranke hinwegzuräumen, ist anscheinend nicht die Absicht aller derjenigen, die für Einführung des Maximal- und Minimaltarifs plaidiren. Es befinden sich darunter solche, die die Schranke nur auf andere Weise wirken lassen wollen. Ihr Raisonnement geht von der unbestreitbaren Thatsache a u s , dass heute das Maass der Zugeständnisse, die man als Gegenleistung für die Leistung des Auslandes bewilligen muss, sehr vom Zufall abhängt, dass die Geschicklichkeit und das feste Auftreten der Unterhändler eine entscheidende Rolle spielt. Hierin ist allerdings eine schwache Seite des gegenwärtigen Systems zu erblicken, und der Gedanke liegt nahe, b e i d e n e i n zelnen Positionen d e s T a r i f s im V o r a u s festzulegen,



Der Uebergang zum Doppeltarif.

welche Zugeständnisse dem Auslande gemacht werden dürfen. Diesen Gedanken verwirklicht der Doppeltarif. Anstatt des einen Satzes, wie bisher, erhält der Tarif zwei Sätze, einen höheren und einen niederen; der niedere soll ein Zugeständniss sein an die Interessen des Exports, man ist bereit, noch unter dasjenige Maass von Schutzzoll herabzugehen, das angemessen erscheinen würde, wenn es nicht darauf ankäme, etwas Besonderes aus Rückcn auf den Export zu thun. Man gelangt so zum Maximal- und Minimaltarif, ohne vielleicht den grundsätzlichen Gehalt des heutigen Systems in Frage stellen zu wollen. Die Forderung des Doppeltarifs kann aber auch etwas wesentlich Anderes bedeuten, d e n V e r z i c h t a u f j e d e s Z u g e s t ä n d n i s s a n d e n E x p o r t , die Weigerung, seine Interessen als Schranke des Schutzzolls anzuerkennen. Der Doppeltarif soll dann nur eine Waffe sein, mit der man droht, um ohne eigene Leistungen Leistungen von Anderen zu erzwingen; die Minimalsätze werden so hoch gehalten, als es die Rücksicht auf das Konsumtions-Interesse nur irgend gestattet; durch prozentuale Zuschläge entsteht der Maximaltarif. Die agrarische Partei hat den Systemwechsel zuerst empfohlen, ohne sich indessen mit der nöthigen Bestimmtheit über den grundsätzlichen Charakter, ihres Vorschlages im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu äussern. Dies trifft auch zu bei dem folgenden Beschlüsse, den die vorjährige Vorstandskonferenz der preussischen Landwirthschaftkammern gefasst hat: „Dem Interesse der deutschen Landwirthschait würde am meisten eine Form der Handelsverträge und der Zolltarifgesetzgebung entsprechen, wie sie von Frankreich und den Vereinigten Staaten eingeführt worden ist, bei welcher eine längere Bindung an bestimmte Zollsätze in der Regel nicht stattfindet, vielmehr vollste Zoll-Autonomie gewahrt bleibt; wenn indessen, wie es scheint, von der deutschen Industrie grosser Werth darauf gelegt wird, mit einer Reihe von Staaten zu einer gegenseitigen Bindung einzelner Zollsätze auf längere Zeit zu gelangen, so kann diesem Verlangen und damit dem Abschluss von Tarifverträgen auf längere Zeit nur unter der Voraussetzung zugestimmt werden, dass erstens ein gleichzeitiger Abschluss von Meistbegünstigungsver-

Der Uebergang zum Doppeltarif.

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trägen keinesfalls von Neuem erfolgt, ohne dass auch die gegenkontrahirenden Staaten in entsprechendem Grade ihre Zoll-Autonomie zu Gunsten Deutschlands aufgeben, z w e i t e n s d e r A b s c h l u s s a l l e r H a n d e l s v e r t r ä g e nur an der H a n d e i n e s G e n e r a l t a r i f s und e i n e s bei allen V e r t r a g s k o n Z e s s i o n e n u n b e d i n g t e i n z u h a l t e n d e n M i n i m a l t a r i f s erfolgt, d r i t t e n s , d a s s in d i e s e m M i n i m a l t a r i f e d i e Z o l l s ä t z e für a l l e E r z e u g n i s s e der Landwirthschaft so h o c h b e m e s s e n w e r d e n , dass w ä h r e n d der V e r t r a g s d a u e r auch bei v e r ä n d e r t e r L a g e d e s W e i t m a r k t s und n o c h w e i t e r v e r s c h ä r f t e r K o n k u r r e n z des A u s l a n d e s die E x i s t e n z b e d i n g u n g e n der d e u t s c h e n Landwirthschaft nicht gefährdet erscheinen." Auf den Konflikt mit den entgegenstehenden Interessen, auf die Art seiner Lösung wird nur mit der Erklärung eingegangen, dass man auf derjenigen Form der Handelsverträge und der Zolltarifgesetzgebung, die an sich dem Interesse der deutschen Landwirthschaft am besten entsprechen würde, nicht unbedingt bestehen wolle. Die W a h r u n g vollster Autonomie in Zollsachen nach französischem oder amerikanischem Muster soll nicht gefordert werden, wenn die Industrie grossen Werth darauf legt, mit einer Reihe von Staaten zu einer gegenseitigen Bindung einzelner Zollsätze auf längere Zeit zu gelangen. Als Voraussetzung der Bindung wird jedoch die Einführung eines Doppeltarifs hingestellt, der für alle Erzeugnisse der Landwirthschaft „Zölle von solcher Höhe vorsieht, dass während der Vertragsdauer auch bei veränderter L a g e des Weltmarkts und noch weiter verschärfter Konkurrenz des Auslandes die Existenzbedingungen der deutschen Landwirthschaft nicht gefährdet erscheinen." Die Minimalsätze sollen mit anderen W o r t e n so hoch bemessen werden, dass eine G a r a n t i e h o h e r P r e i s e auch trotz des Wechsels der Konjunkturen vorhanden ist. Man will also angeblich die Rücksichtsnahme auf die Interessen anderer Erwerbsstände nicht ablehnen, stellt aber Bedingungen, welche thatsächlich das Zugeständniss wieder aufheben. Dass eine solche Fassung leicht zu der Deutung führen kann, die agrarische Partei lehne jedes Zugeständniss an die Interessen des Exports überhaupt ab, wird nicht in Abrede zu stellen sein. Dass die Reichsregierung sich auf den Boden eines derartigen Programms stellen könnte, muss für ausgeschlossen gelten. Ein

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Der Uebergang zum Doppeltarif.

Systemwechsel in diesem Sinne wäre nichts anderes, als eine Vergewaltigung der deutschen Export-Interessen, deren Bedeutung für das Staatsganze mit der Inaugurirung der Weltpolitik die offizielle A n e r k e n n u n g gefunden hat. W a s zur E r w ä g u n g steht an maassgebender Stelle, kann nichts A n d e r e s sein, als jene Art des Doppeltarifs, bei der als Leitmotiv der Gedanke vorschwebt, die dem Auslande im Interesse des Exports zu machenden Konzessionen im Voraus festzulegen, die Nothwendigkeit solcher Konzessionen an sich aber nicht zu bestreiten. Vom S t a n d p u n k t der Regierung aus betrachtet hat diese Form ihre ganz besonderen Vorzüge. W e n n , wie bisher, die Vereinbarungen der Unterhändler vom Parlament n u r en bloc angenommen oder abgelehnt werden k ö n n e n , befindet sich die Volksvertretung den einzelnen Zugeständnissen gegenüber in einer gewissen Zwangslage, sie kann deshalb das unvermeidliche Odium auf die Regier u n g abwälzen. W e r d e n die Zugeständnisse jedoch im Voraus gesetzlich festgelegt, so ruht auch auf dem Parlament die volle Verantwortung. Diese Art des Doppeltarifs ist also diejenige, mit der sich die Kritik in erster Linie zu befassen hat. Man will dem E x p o r t i n t e r e s s e Z u g e s t ä n d n i s s e m a c h e n , die F r a g e d i e s e r Z u g e s t ä n d n i s s e a b e r a u s s c h l i e s s l i c h als i n t e r n e A n g e l e g e n h e i t b e h a n d e l n . W o r a n liegt das W e s e n der Zugeständnisse, auf die es für den Export ankommt? Der Export hat W ü n s c h e gegenüber den fremden Ländern, die nur dann Aussicht auf Berücksichtigung haben, wenn das eigene L a n d den W ü n s c h e n des Auslandes in gleicher W e i s e Berücksichtigung widerfahren lässt. Zugeständnisse an den Export sind also Zugeständnisse an das Ausland. Will man aber dem Auslande Zugeständnisse machen, so muss ihm Gelegenheit gegeben werden, s e i n e W ü n s c h e in B e z u g auf d e n T a r i f zu formuliren. Eine Verhandlung mit dem Auslande wäre nur in dem einen Falle überflüssig, wenn als Zugeständniss der Verzicht auf j e d e n Zollschutz in F r a g e kommen könnte. Man weiss im Voraus, dass mit dieser grössten Konzession alle W ü n s c h e erfüllt sein würden. Um diese Konzession handelt es sich aber natürlich nicht, der Grundsatz des Zollschutzes überhaupt soll unangetastet bleiben, man

Der Uebergang zum Doppeltarif.

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will nur bei einzelnen Positionen und nur bis zu einem gewissen Grade den Zollschutz ermässigen. Bei einem derartigen Programm ist es unerlässlich, den andern Theil zu hören. W i e weit der schutzzöllnerische Tarif eine Schädigung der fremden Volkswirthschaften bedeutet, kann der Gesetzgeber nicht übersehen. Die entscheidenden Momente entziehen sich seiner Kenntniss. Schon die eine Frage, bis zu welchem Grade ein Zoll von ganz bestimmter Höhe als Einfuhrbeschränkung für eine bestimmte Waarengattung wirkt, lässt sich mit Sicherheit nicht beantworten. Es handelt sich dabei um die allerintimsten Geschäftsverhältnisse, mit denen nur der unmittelbare Interessent vertraut ist. Die eine W a a r e aber kommt nicht allein in Betracht, sondern eine Vielheit von W a a r e n . Der Export der einen ist v o l k s w i r t schaftlich von grösserer Bedeutung als der Export der anderen. Ein entscheidendes Urtheil hierüber kann nur von dem interessirten Lande selbst ausgehen. V o n Zugeständnissen, die man machen will, ohne vorher die speziellen Wünsche des andern Theils gehört zu haben, ist ganz allgemein anzunehmen, d a s s s i e e i n w e n i g e r werthvolles Tauschobjekt darstellen. Man kennt die Bedürfnisse nicht genau genug, um sich ihnen in richtiger W e i s e anpassen zu können, ihre Rangordnung, das grössere oder geringere Gewicht der Einzelheiten entzieht sich der Beurtheilung. J e w e n i g e r m a n s e l b s t b i e t e t , um s o w e n i g e r d a r f m a n a b e r v o n d e m a n d e r n e r w a r t e n in B e z u g a u f d i e Gegenleistung. Von der Grösse der Gegenleistung hängt aber der Werth ab, der den Zugeständnissen an das Ausland vom Standpunkt der Exportinteressen aus beizumessen ist. W e n n bei dem neuen System geringere Zugeständnisse von Seiten des Auslandes zu erwarten sind als bei dem alten, s o b e d e u t e t der S y s t e m Wechsel eine S c h l e c h t e r s t e l l u n g des E x p o r t i n t e r e s s e s in d e r V o l k s w i r t h s c h a f t ; dass man ihn so bezeichnen muss, ergiebt sich auch noch aus einer anderen Erwägung. Verhandlungen mit dem Auslande über gegenseitige Tarifzugeständnisse würde auch das neue System zulassen, aber diese Verhandlungen würden einen wesentlich anderen Charakter tragen als heute, da die Unterhändler des einen Theils mit gebundener

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Der Uebergang zum Doppeltarif.

Marschroute eintreten. Die gebundene Marschroute bekundet die Absicht, sich über das Urtheil des anderen Theils bezüglich der Bedeutung der eigenen Leistungen hinwegzusetzen. Die Bewegungsfreiheit, die das heutige System den Unterhändlern lässt, schafft Spielraum für eine Annäherung der beiderseitigen Standpunkte, für e i n e n A u s g l e i c h d e r F o r d e r u n g e n auf dem W e g e der K o m p e n s a t i o n . Die Chance, zu einem beide Theile beiliegenden Resultate zu gelangen, ist daher eine ungleich grössere. Mit Erwägungen der vorstehenden Art dringt man aber noch nicht bis in den Kern der ganzen Frage. Die stillschweigende Voraussetzung wird dabei gemacht, dass die leitende Idee, dem Export-Interesse Tarifzugeständnisse machen zu wollen, auch praktisch durchführbar ist. Diese Voraussetzung erweist sich aber bei näherer Betrachtung als irrig. Das Zugeständniss soll darin bestehen, dass man Zölle unter dasjenige Niveau herabsetzt, das das richtige wäre, wenn die Rücksicht auf den Export keine Rolle spielte. W i r haben oben dargelegt, dass zwei Schranken des Schutzzolls in Betracht kommen, das Konsumtions- und das Export-Interesse; das fragliche Niveau ist also dasjenige, das sich aus der Auseinandersetzung zwischen Schutzzoll- und Konsumtions-Interesse ergiebt. W e n n e s h e r a b g e s e t z t w e r d e n soll, so muss es v o r h e r f e s t g e l e g t sein, das ist jedoch beim Doppeltarif nicht der Fall. Es fehlt der Einheitstarif, der beim heutigen System den Verhandlungen mit dem Auslande zu Grunde gelegt wird. O h n e diesen Ausgangspunkt schwebt Alles in der Luft, ob ein bestimmter Satz des Minimaltarifs ein Zugeständniss an den Export bedeutet oder nicht, tritt nicht hervor. Beim Doppeltarif kann der Maximalsatz als Ausgangspunkt in diesem Sinne nicht angesehen werden, denn für seine Festlegung sind Erwägungen verschiedener Art entscheidend, nicht nur die eine des Ausgleichs zwischen Schutzzoll- und Konsumtions-Interesse. Der Maximalsatz steht in organischem Zusammenhang mit dem Minimalsatz, über beide erfolgt gleichzeitig die Entscheidung. W i e Meline bei der Einführung des Systems in Frankreich betonte, die Spannung zwischen beiden Sätzen hat eine selbständige Bedeutung, jst ein wesentlicher Bestandtheil des Ganzen, sie drängt daher nach möglichster Erweiterung.

Der Uebergang zum Doppeltarif. Wenn

aber

die Idee,

des Schutzzolles

an

die Minimalsätze

das E x p o r t - I n t e r e s s e

45

sollen

sein,

Zugeständnisse

sich nicht

durch-

führen lässt, so wird der Doppeltarif thatsächlich zu etwas wesentlich A n d e r e m , als er im S i n n e mancher B e f ü r w o r t e r sein soll. wird

ein

Exports zirung

System, darauf

zu

kommen

das

seine

beschränkt,

drohen,

zeigt.

wenn

Fürsorge

zu

Gunsten

dem A u s l a n d e

es

nicht

W i e wenig ein

mit

gutwillig

solches S y s t e m ,

schaftliche Machtprobe an die S t e l l e

des

DifferenEntgegen-

das die

der friedlichen

Er

wirt-

Verständigung

setzt, g e e i g n e t ist, dem deutschen E x p o r t im Auslande die T h ü r e n offen

zu

halten,

ihm die Stellung zu bewahren,

dem W e l t m a r k t e e r r u n g e n ,

die

er sich

auf

bedarf an sich und angesichts der Er-

fahrung a n d e r e r L ä n d e r kaum einer näheren

Darlegung.

Bei der bisherigen E r ö r t e r u n g der F r a g e hat man sich zumeist darauf

beschränkt,

vom S t a n d p u n k t des E x p o r t - I n t e r e s s e s aus die

E i n f ü h r u n g des Doppeltarifs eine viel umfassendere

zu b e k ä m p f e n ;

Die Aufstellung eines Zolltarifs vollsten A u f g a b e n , werden

können.

die F r a g e hat j e d o c h

Bedeutung.

die

der

Das W o r t

einen bestechenden K l a n g ,

ist

eine

Gesetzgebung „Schutz aber

der

verantwortungs-

überhaupt

der

zugemuthet

nationalen A r b e i t "

es darf nicht v e r g e s s e n

hat

werden,

d a s s die dadurch bewirkte V e r s c h i e b u n g der Verhältnisse zwar dem E i n e n Vortheil, auch

ein

dem A n d e r e n j e d o c h Nachtheil bringt.

geschädigter

Theil

da,

der

durch

die

neue

Immer ist Ordnung

schlechter gestellt wird als zuvor, der die Z e c h e zu zahlen hat für die Besserstellung eines A n d e r e n . Getreidezölle

geholfen

werden,

D e r L a n d w i r t h s c h a f t soll durch a b e r der h ö h e r e B r o t p r e i s

auf die L e b e n s h a l t u n g der vielen Millionen, hauptsächlichste kommt

Weberei, man

Bestandtheil

der Garnzoll deren

den Blick

der

zu Gute,

Rohmaterial wendet,

überall

für

Nahrung

aber der

er

ist.

bedroht

Garnzoll

Der

Spinnerei

die E x i s t e n z der

vertheuert.

eine K e h r s e i t e ,

drückt

die das B r o t der

die

Wohin

zur V o r s i c h t

mahnt bei der Durchführung des P r o g r a m m s „Schutz der n a t i o n a l e n Arbeit". Das zu

Mittel,

entschädigen,

dem hebt

G e s c h ä d i g t e n selbst wieder mit Schutzzöllen die

Kehrseite

nicht auf.

Als Aequivalent

für die Garnzölle kann man dem W e b e r Zölle auf W e b w a a r e n zugestehen,

um

auch ihn in die L a g e zu setzen, eine P r e i s e r h ö h u n g

für sein P r o d u k t

durchzudrücken.

Aber

die natürliche

Schranke

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Der Uebergang zum Doppeltarif.

für diese Methode liegt zu Tage, die Zahlungskraft des letzten Konsumenten, der die fertigen W a a r e n wirklich verbraucht, hat keine Steigerung erfahren, er ist bei dem erhöhten Preis nicht mehr in der Lage, dasselbe Quantum zu konsumiren, die geringere Nachfrage wirkt zurück und kann auf der ganzen Linie den Vortheil der Preissteigerung illusorisch machen. Der eminenten Bedeutung der Auseinandersetzung zwischen Produktions- und Konsumtions-Interesse muss die gesetzgeberische Behandlung entsprechen. Das Problem verträgt keine Verquickung mit anderen Fragen, durch die ein reinlicher Austrag verhindert wird. Eine Verquickung bedeutet es, wenn gleichzeitig durch denselben Akt der Gesetzgebung auch das zweite grosse handelspolitische Problem, die Auseinandersetzung zwischen Schutzzoll und Export-Interesse, eine Lösung finden soll. Eine solche, dem W e s e n der Sache nach unnatürliche Verbindung, will das System des Maximal- und Minimaltarifs durchsetzen. Schon diese Thatsache allein lässt es vom Standpunkt des Konsumtions-Interesses aus verdächtig erscheinen; diesei Verdacht stellt sich als nur zu begründet heraus, sobald man nähet auf die Sache eingeht. Die Auseinandersetzung zwischen Produktions- und Konsumtions-Interesse bedarf einer möglichst gründlichen, vielseitigen Vorbereitung. Der natürliche Ausgangspunkt einer planmässigen Vorbereitung ist die Frage, in welcher W e i s e spezialisirt sich zur Zeit die nationale Arbeit. In rohem Umriss lässt sie sich leicht beantworten. Man weiss, dass neben der industriellen Produktion Land- und F o r s t w i r t s c h a f t und andere Zweige der sogen. Rohproduktion in Betracht kommen, man kann ohne Weiteres eine Reihe von Spezialzweigen nennen, in die jede der Hauptgruppen zerfällt. Aber diese Kenntniss erschöpft den thatsächlichen Zustand keineswegs. Die Tendenz der Spezialisirung als n o t wendige Folge der modernen Technik ist unaufhaltsam thätig, wieweit sie zu einem gegebenen Zeitpunkt sich auf dem Boden der Wirklichkeit durchgesetzt hat, lässt sich für den Gesammtkomplex der nationalen Produktion nur beantworten auf Grund eingehender, detaillirter Untersuchungen. Das Ergebniss ist wichtig in doppelter Beziehung. Man erhält Aufklärung darüber, wie weit individualisirt werden muss bei der Betrachtung der volksund weltwirthschaftlichen Konjunktur; man gewinnt zweitens ein

Der Uebergang zum Doppeltarif.

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Bild der Interessengegensätze, die sich aus dem jeweiligen Grade d e r Spezialisirung der nationalen Produktion ergeben. Die Produktionsstatistik bedarf der Ergänzung; durch Vern e h m u n g von Sachverständigen aller Branchen im kontradictorischen V e r f a h r e n ist der Interessengegensatz im weitesten Umfange gründlich zu beleuchten. D e r n a t ü r l i c h e A b s c h l u s s d e s V o r b e r e i t u n g s w e r k es i s t d e r E i n h e i t s t a r i f , alle Erhebungen und Untersuchungen h a b e n den Einheitstarif zur selbstverständlichen Voraussetzung; n u r soweit der Einheitstarif in F r a g e kommt, kann man von sachlichen Unterlagen für eine positive Entscheidung sprechen. Beim Doppeltarif würde der Einheitstarif, wie er sich ergeben hat aus der A b w ä g u n g der entgegengesetzten Interessen von Produktion und Konsumption, noch nicht die endgültige L ö s u n g bedeuten. Von der Grundlage des Einheitstarifs aus muss man zum Doppeltarif gelangen, wie soll die Konstruktion des Doppelsatzes erfolgen? Behält man den Einheitssatz als Maximalsatz bei, so ist zur Normirung des Minimalsatzes ein S p r u n g nach unten zu machen, für dessen Bemessung jede sachliche Unterlage fehlt, der Regulator ist nicht da, den für die Normirung des Vertragssatzes beim heutigen System die Forderungen des Auslandes und das Bedürfniss, ihnen im Interesse des eigenen Exports R e c h n u n g zu tragen, abgeben. Es f r a g t sich j e d o c h , ob der eine S p r u n g ins D u n k l e g e n ü g t , ob die S p a n n u n g zwischen beiden Sätzen wirksam genug wird, w e n n m a n den Einheitssatz als Maximalsatz in den Tarif einstellt. Die S p a n n u n g wird wirksamer, wenn man nach b e i d e n S e i t e n hin von dem Einheitssatze abrückt, nach unten und nach oben. Mit der Nothwendigkeit einer derartigen Konstruktion des Doppeltarifs muss durchaus gerechnet werden, s i e a b e r b e d e u t e t ein g ä n z l i c h e s V e r l a s s e n des festen B o d e n s , den die vorb e r e i t e n d e n A r b e i t e n g e s c h a f f e n h a b e n . Der Gesetzgebung wird ein Experiment in der Behandlung einer hoch verantwortungsvollen Aufgabe zugemuthet, das diese im Interesse ihres A n s e h e n s zurückweisen muss. Das Konsumtions-Interesse verlangt eine klare, unzweideutige O r d n u n g über die zollamtliche Behandlung aller W a a r e n , unzweideutig in dem Sinne, dass mit der Zollfreiheit oder mit der Anw e n d u n g eines Zollsatzes von bestimmter Höhe in allen Fällen gerechnet w e r d e n darf.

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Der Uebergang zum Doppeltarif.

Eine solche unzweideutige Ordnung schafft nur der Einheitstarif. Er existirt zwar beim heutigen System auch nicht in reiner Form, der Vertragstarif steht neben dem Generaltarif und hebt den Einheitstarif bis zu einem gewissen Grade auf. Aber dem Konsumtions-Interesse kommt zu Gute, was der Vertragstarif neu hinzubringt, es handelt sich um E r m ä s s i g u n g autonomer Sätze, mit der das Konsumtions-Interesse sich nur einverstanden erklären kann; d i e s c h o n v o r h e r f e s t g e l e g t e G r e n z e d e s S c h u t z z o l l e s n a c h o b e n b l e i b t in i h r e r a l t e n L a g e . B e i m D o p p e l t a r i f d r o h t die G e f a h r , d a s s die T e n d e n z der S p a n n u n g z w i s c h e n b e i d e n S ä t z e n den M a x i m a l s a t z ü b e r j e n e s N i v e a u h i n a u s n a c h o b e n v e r s c h i e b t , das beim Einheitstarif der autonome Satz einnehmen würde. Die Gefahr einer solchen Verschiebung ist es, die auch das KonsumtionsInteresse zum natürlichen Gegner des Systems machen muss. Soweit beim heutigen System zwei Sätze in Frage kommen, findet der autonome Satz nur ausnahmsweise Anwendung; alle diejenigen Länder, welche einen nennenswerthen Theil des deutschen Einfuhrbedarfs decken, geniessen den Vertragssatz. Ob der Minimaltarif in der gleichen W e i s e die Regel sein würde, erscheint durchaus unwahrscheinlich, der Doppeltarif ist weniger auf friedliche Verständigung berechnet, als auf wirtschaftliche Machtproben, der Zollkrieg gehört, wie die französische Praxis zeigt, zu den normalen Vorgängen. Unter solchen Umständen erhält der Maximaltarif praktisch eine viel grössere Bedeutung als beim heutigen System der Generaltarif, die Gefahr einer Verschiebung der Verhältnisse zu Ungunsten des Konsumtions-Interesses wird dadurch um so bedeutsamer. Alle im Vorstehenden dargelegten Bedenken treffen auch zu gegenüber einem a u f l a n d w i r t h s c h a f t l i c h e P r o d u k t e b e s c h r ä n k t e n D o p p e l t a r i f , von dem in der allerneusten Phase der Entwicklung viel gesprochen wird. Die deutschen Zölle auf landwirthschaftliche Produkte kommen für eine Reihe der wichtigsten Staaten in erster Linie als Kompensationsobjekt in Betracht; wie im handelspolitischen System Deutschlands die Frage dieser Zölle behandelt wird, ist für sie entscheidend und bestimmend für das Maass des Entgegenkommens gegenüber den Wünschen des deutschen Exports.

Der Uebergang zum Doppeltarif.

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Die Zölle auf landwirthschaftliche Produkte sind aber auch diejenigen, die das Konsumtions - Interesse mehr als alle anderen berühren, weil unter den landwirthschaftlichen Produkten die nothwendigen Lebensmittel in ersterer Reihe figuriren. D e n Doppeltarif befürworten in Deutschland augenblicklich nicht nur die vornehmlich am inneren Markt interessirte Landw i r t s c h a f t , sondern auffallender W e i s e auch manche Kreise der Export-Industrie, von der man annehmen sollte, dass sie einmüthig den nachdrücklichsten Widerspruch erheben miisstc. Auf diese befremdende Thatsache muss hier noch etwas näher eingegangen werden. Eine zunehmende industrielle Entwicklung macht sich heute, unterstützt vom Staate und gefördert durch den nationalen Chauvinismus, in allen Kulturländern bemerkbar. Die nationalen Industrien erstarken, werden vielseitiger, engen der Konkurrenz des Auslandes auf dem heimischen Markte das Absatzgebiet immer mehr ein. Der riesige Aufschwung der amerikanischen Industrie erweckt im Auslande Bewunderung und Furcht zugleich, die alte W e l t fühlt sich bedroht durch den jugendstarken Konkurrenten jenseits des W a s s e r s , der sein eigenes Haus verschliesst und in das fremde einzudringen sucht: Auf europäischem Boden überall eine ähnliche Entwicklung, wenn auch nicht in dem gleichen Tempo und in denselben riesigen Dimensionen. Der grosse Agrarstaat im Osten ist kein Agrarstaat mehr im eigentlichen Sinne, er hat an seiner W e s t - und Südgrenze eine mächtige Industrie entwickelt und betreibt auch im Innern den Umbildungsprozess mit sichtbarem Erfolge. Dasselbe gilt vom Donaustaat diesseits und jenseits der Leitha und von Italien. Die Entwicklung und der Fortschritt der nationalen Industrien im Auslande macht sich der deutschen Export-Industrie in sehr empfindlicher W e i s e fühlbar. Der deutsche Export ist zwar nach wie vor in erfreulicher Zunahme begriffen, aber die Erzwingung des Absatzes wird immer schwieriger. Vieles, was lange als gesicherter Besitzstand galt, geht allmählich verloren und muss ersetzt werden durch neue Eroberungen. Solche sind aber nur noch in der Ferne zu machen. Das erfordert immer mehr Energie, immer mehr Wagemuth, immer mehr den Einsatz aller Kräfte. 4



Der Uebergang zum Doppeltarif.

Der deutsche Exporteur sieht mit erklärlichem Missvergnügen seine zunehmende Expropriirung auf den alten Märkten. Wenn diese sich auch nicht in einem direkten Rückgang seines Exports nach dort äussert, so wird doch sein Antheil an der Deckung des wachsenden Bedarfs geringer. Auch das schon empfindet er als schwere Schädigung seiner Interessen, denn er hat den fremden Markt als seinen Besitzstand angesehen und, vertrauend auf den zunehmenden Bedarf desselben, seine Produktionsstätten daheim vergrössert. Besonders schwierig gestalten sich die Verhältnisse für diejenigen deutschen Werke, die durch ihre geographische Lage mehr oder weniger ausschliesslich auf den Absatz in einem oder zwei Nachbarstaaten angewiesen sind. Sie können die Einengungen ihrer Beziehungen nach dort nicht ausgleichen durch Eroberung neuer Märkte und sehen ihr Exportgeschäft durch die neuere Entwicklung der Dinge überhaupt unterbunden. Die hohen Zölle des Auslandes sind es, die den W e t t b e w e r b der deutschen Export-Industrie mit den nationalen Industrien des Auslandes erschweren, die das Aufkommen nationaler Industrien im Auslande vielfach erst möglich gemacht h a b e n ; sie verschieben die Bedingungen des W e t t b e w e r b s zu U n g u n s t e n der deutschen Konkurrenz, die bei gleichen Bedingungen ihre Ueberlegenheit geltend machen könnte. Gegen die hohen Zölle richtet sich daher speziell die Missstimmung des deutschen Exporteurs. Er vergleicht die fremden Tarife mit dem deutschen und konstatirt mit lebhaftem Unwillen eine grosse Ungleichheit bei fast allen Positionen. Der deutsche Tarif lässt eine grosse Zahl industrieller Erzeugnisse zollfrei, die im Auslande hohen Zöllen unterliegen; wo er Zölle auferlegt, sind die Sätze im Grossen und Ganzen beträchtlich niedriger als die des Auslandes. Diese Ungleichheit giebt der fremden Industrie nicht n u r auf dem eigenen Markte eine gesicherte Stellung, s o n d e r n gestattet ihr auch vielfach den Ueberschuss ihrer Produktion zu Schleuderpreisen auf den deutschen Markt zu werfen. Es ist zu verstehen, dass bei einer solchen Sachlage von den deutschen Interessenten die F o r d e r u n g n a c h A u s g l e i c h u n g d e r Z o l l b e l a s t u n g erhoben wird. Der Ausgleich k a n n auf zweierlei W e i s e erfolgen, durch Herabsetzung oder A u f h e b u n g fremder Zölle, oder durch Neueinführung resp. E r h ö h u n g deutscher Zölle.

Der Uebergang zum Doppeltarif.

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Ermässigung oder Beseitigung der fremden Zölle steht natürlich auf dem Programm der gesammten Export-Industrie, in den V e r n e h m u n g e n vor dem Wirthschaftlichen Ausschusse und bei a n d e r e n Gelegenheiten sind indessen auch zahlreiche Stimmen laut g e w o r d e n , die sich für Neueinführung resp. E r h ö h u n g deutscher Zölle aussprachen. Man stellt diese F o r d e r u n g freilich nicht gern, sie widerspricht vielfach den Traditionen der Branche, die Branche ist auch keineswegs einig; als Gegenargument wird angeführt, dass das Ausland mit einer entsprechenden E r h ö h u n g seiner Zölle antw o r t e n würde, dass die durch den Zollschutz herbeigeführte Züchtung' der Konkurrenz im eigenen Lande bedenklicher sei als der jetzige Zustand. Man wählt daher gern einen Mittelweg, für den sich die Bezeichnung „ K o m p e n s a t i o n s z ö l l e " eingebürgert hat. Die Einführung resp. Erhöhung von Zöllen soll nur e v e n t u e l l eintreten, falls nämlich bestimmte L ä n d e r mit besonders hoher Zollb e l a s t u n g nicht bereit sind, ihre Zölle herabzusetzen; sie soll sich n u r gegen diese Länder richten, andere unberührt lassen, das Ausland also differentiell behandeln. Die F o r d e r u n g einer Ausgleichung der Zollbelastung für den V e r k e h r mit bestimmten L ä n d e r n ist von den verschiedensten Industriezweigen erhoben worden, darunter auch von solchen, deren Gesammtlage nach Ausweis der Handelsstatistik eine überaus günstige ist, bei denen einer stetig wachsenden Ausfuhr nur eine unbedeutende Einfuhr gegenübersteht. Es wird von den Interessenten darauf hingewiesen, dass die günstige Entwicklung im Ganzen nur der E r o b e r u n g neuer, meist überseeischer Märkte zu d a n k e n ist, die den Verlust in den nächstgelegenen und deshalb natürlichen Absatzgebieten wieder ausgleichen. Der einzelne Industrielle glaubt es als sein gutes Recht in Anspruch nehmen zu dürfen, dass die fremden Produkte in Deutschland auf dem gleichen Fusse behandelt werden, wie die deutschen im Auslande. Charakteristisch ist, dass man die A u f h e b u n g der deutschen Zollfreiheit erst in zweiter Linie verlangt, in erster Linie soll die Ausgleichung durch Herabsetzung oder Beseitigung der fremden Zölle erstrebt werden. Eine solche F o r d e r u n g passt jedoch n u r in das System des Doppeltarifs. N u r d e r D o p p e l t a r i f k a n n Z o l l freiheit und Zollbelastung neben einander vorsehen, Zollfreiheit für diejenigen Staaten, die das deutsche Produkt ebenfalls zollfrei einlassen, Z o l l b e k s t u n g für diejenigen, die an ihren 4':'

5a

Der Uebergang zum Doppeltarif.

Zöllen festhalten. Die Möglichkeit differentieller B e h a n d l u n g wäre geschaffen, man könnte den Verhandlungen mit f r e m d e n Staaten mit mehr R u h e entgegensehen, als wenn bei der N e u o r d n u n g des deutschen Zollwesens der Einheitstarif beibehalten würde. Beim Einheitstarif muss man sich für oder gegen Zollfreiheit entscheiden v o r B e g i n n der Verhandlungen; die Entscheidung aber soll gerade v o r b e h a l t e n b l e i b e n , bis die fremden Staaten sich erklärt haben, ihre Erklärung soll die Entscheidung auf deutscher Seite bestimmen. Die fremden Regierungen äussern sich jedoch über ihren Standpunkt erst bei den Verhandlungen, welche gleichsam als zweiter Akt der autonomen Neuregelung des deutschen Zolltarifs folgen. Eine nur eventuelle F o r d e r u n g passt also nicht für den Einheitstarif, nur der Doppeltarif kann sie berücksichtigen. Das Verlockende beim Doppeltarif ist der Glaube, einen Druck auf den anderen Kontrahenten ausüben zu können, thut er nicht was er soll, so folgt die Strafe auf dem Fuss, er wird schlechter behandelt, als andere Konkurrenten, muss die W a a r e verzollen, die andere frei einführen. Weil der Doppcltarif differentielle Sätze für alle Positionen vorsehen kann, glaubt der einzelne Interessent leicht, dass auch ein Druck zu Gunsten a l l e r Artikel damit auf das Ausland ausgeübt werden kann, ganz speziell zu Gunsten seines Spezialcrzeugnisses, das ihm natürlich zuerst und am meisten am Herzen liegt. Diese Anschauung, die sichtbar auch in den Kreisen der Exportindustrie für den Doppeltarif Stimmung gemacht hat, betrachtet die Verhältnisse unter einem schiefen Gesichtswinkel. Zunächst sollte doch klar sein, dass die A n d r o h u n g des Maximalsatzes nur bei denjenigen Artikeln auf das Ausland wirken kann, bei denen eine nennenswerthe Einfuhr nach Deutschland stattfindet. W e n n ein fremdes L a n d aus irgend einem G r u n d e nach Deutschland nicht exportirt, so ist ihm die Zollbehandlung und damit die Differenzirung in Deutschland gleichgiltig. Der Doppeltarif als Zwangsmittel ist also beschränkt in seiner W i r k u n g . Der A u s g l e i c h d e r Z o l l b e l a s t u n g , den der Doppeltarif herbeiführen soll, ist aber auch kein Ziel, das e r n s t h a f t ins A u g e gefasst werden darf. Die Produktionsbedingungen sind nicht die gleichen, das Kräfteverhältniss ist bei den einzelnen Industriezweigen diesseits und jenseits der Grenze ein ungleiches. Es k a n n deshalb

Der Uebergang zum Doppeltarif. nicht

verlangt

werden,

Berücksichtigung

der

dass

mässige Zollbelastung verfügt, Fall sein soll.

überall,

deutschen

wo der

53 deutsche T a r i f in

Verhältnisse

Zollfreiheit

oder

das Gleiche auch im Auslande der

Die ganze Idee des Schutzzolles

geht aus von der

Nothwendigkeit der Berücksichtigung individueller Verhältnisse eines einzelnen L a n d e s ,

diese

darf

F o r d e r u n g des Ausgleichs thut. erfüllbare

Forderung.

nicht ignorirt werden, Der Ausgleich

ist

wie

es

eine

die un-

IV.

Die Beibehaltung der Meistbegünstigung. Einen schon

wesentlichen

oben

Theil

dargelegt,

begünstigung.

Gegen

des b i s h e r i g e n S y s t e m s bildet, wie

die

Bewilligung

unbeschränkter

Bestandtheil

richtet sich

diesen

Meist-

neuerdings

die K r i t i k mit dem V o r w u r f e , d a s s D e u t s c h l a n d d a b e i s c h l e c h t

ge-

f a h r e n , d a s s d e s h a l b , w e n n nicht ein S y s t e m w e c h s e l , so doch zum Mindesten

eine

Einschränkung

günstigung angezeigt Die

in

der

Zubilligung

der

Meistbe-

erscheine.

Meistbegünstigung

hat ihre r e c h t l i c h e B a s i s theils auf d e r

Einfügung der Meistbegünstigungsklausel auf

sogen,

die

Meistbegünstigungsklausel

in die T a r i f v e r t r ä g e , theils

reinen Meistbegünstigungsverträgen. als

In d e r F r a g e ,

integrirender

der Tarifverträge

beizubehalten

sei, ist eine g e w i s s e K l ä r u n g

Annäherung

Ansichten

konstatiren,

an

den

örterung klausel stritten, an,

der

verschiedensten erfahren

ausgesprochene

solange

kein

mit der fremden Weniger

Dass

Mittel zu

und

Thema Er-

Meistbegünstigungs-

hat,

man

Gleichstellung

Konkurrenz

erörtert

die

Mängel

erkennt

besseres

solut nothwendige

nachdem das

S t e l l e n eine g r ü n d l i c h e und s a c h l i c h e

hat").

gleichwohl

zu

ob

Bestandtheil

wird kaum

ihre

noch

be-

Unentbehrlichkeit

gefunden

ist,

des deutschen

die

ab-

Exports

garantiren.

und g e k l ä r t ist die F r a g e der s o g e n ,

reinen

Meistbegünstigungsverträge. Deutschland

hat,

seitdem

es

zum

System

der

Tarifverträge

übergegangen, reine Meistbegünstigungsverträge abgeschlossen resp.

*) Siehe den Bericht über die dritte Generalversammlung der Centraistelle für Vorbereitung von Handelsverträgen, speziell das bezügl. Referat des Dr. Vosberg-Rekow.

Die Beibehaltung der Meistbegünstigung.

55

früher abgeschlossene verlängert mit Staaten, die ihrerseits keinem Dritten Tarifzugeständnisse gemacht haben, denen gegenüber also durch den A n s p r u c h auf Meistbegünstigung kein thatsächlicher Vortheil in Bezug auf den Tarif erzielt worden ist. Deutschland hat mithin anscheinend seinen Vertragstarif ohne Gegenleistung zugestanden. Zur Beurtheilung dieses V o r g a n g e s muss jedoch näher auf die Besonderheit der Verhältnisse eingegangen werden. In Betracht kommen folgende Staaten, deren Beziehungen zu Deutschland wir durch die Werthziffern des deutschen Imports und Exports aus resp. nach diesen Ländern im J a h r e 1899 kennzeichnen wollen. Deutsche Einfuhr Argentinien Guatemala Mexico . . Ecuador . . Columbien . Honduras , Nicaragua ' Salvador ^ Persien . . Liberia . . Transvaal Paraguay

. . . .

. . . .

Orange Freistaat .

Deutsche Ausfuhr

aus

nach

194,4 MM- M.

52,3 Mill. M. 1,1 ,, OO Q »O )> } 1 34 M M 4,9 „ ,,

22>4 n,8 9,9 8,2

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Der Import dieser L ä n d e r nach Deutschland überwiegt mit Ausnahme desjenigen von Mexico, Transvaal, des Orange Freistaats den deutschen Export, ihr Interesse am deutschen Markt ist in Ansehung dieser Thatsache und der zum Theil recht beträchtlichen Höhe der Importziffern kein unbedeutendes. Die W a a r e n jedoch, aus denen sich der Import zusammensetzt, sind ganz überwiegend Rohmaterialien und zwar solche, die entweder in Deutschland zollfrei eingehen (Wolle, Häute, Felle, Quebrachoholz, Kleie, Hanf, Farbhölzer, Erze) oder keine Zollermässigung auf Grund des Vertragstarifs gemessen (Tabakblätter, Kaffee, Kakaobohnen, Fleischextrakt).

Die Beibehaltung der Meistbegünstigung.

56

Von der deutschen Einfuhr aus Ecuador in Höhe von 9,955 Mill.M. entfielen beispielsweise a u f W a a r e n dieser Kategorie folgende Posten: Kakaobohnen Kautschuk und Guttapercha Schnitzstoffe Rindshäute

7,831 Mill. M. 0,277 >> >> T ,544 ,, >, 0,161

in Sa.

9,813 Mill. M.

In seinen Tarifverträgen hat Deutschland allerdings Zollsätze nicht nur ermässigt, sondern auch ohne Ermässigung gebunden d. h. während der Vertragsdauer auf Erhöhung derselben verzichtet. Die vertragsmässige Bindung von Zollsätzen resp. die Bindung der Zollfreiheit umfasst auch solche Waaren, bei denen die oben genannten Länder mehr oder weniger erheblich interessirt sind. (Schafwolle, Häute und Felle, Kleie, Farbhölzer, Quebrachoholz, Fleischextrakt, Hanf, Leinsaat.) Die Bindung der Sätze resp. der Zollfreiheit kommt aber auch denjenigen Staaten zu Gute, welche einen Anspruch auf Meistbegünstigung nicht erworben haben, da eine nur für gewisse Staaten anwendbare Aenderung des Tarifs unter dem gegenwärtigen Regime, von Zollkriegen abgesehen, nicht zu erwarten ist. A r g e n t i n i e n ist das einzige Land, das in nennenswerther Menge auch solche Waaren einführt, für die der Vertragstarif eine Zollermässigung vorsieht. Es handelt sich um Weizen und Mais, die im Import des Jahres 1899 mit einer Werthziffer von 32,5 resp. 10,3 Mill. M. figuriren. Das durch den Vertragstarif begünstigte Importquantum erreicht iedoch auch bei diesem Lande noch nicht den vierten Theil des Gesammtimports (194,4 Mill. M.), nicht begünstigt durch den Vertragstarif werden unter anderen folgende Importartikel: Schafwolle Rindshäute Leinsaat Quebrachoholz K]

eie Häute u.Felle v.Pelzthieren Rosshäute Fleischextrakt

mit einer Werthziffer von 101,8 Mill. M. „ „ „ „ 24,4 „ „ „ „ „ 4,5 „ „ „ „ „ 3,9 „ „ » „ „ „

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3. 6 3,5 2,9 1,5

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Die Beibehaltung der Meistbegünstigung.

57

Deutschland hat also mit der Bewilligung der Meistbegünstigung den betr. Staaten, Argentinien ausgenommen, keinerlei besondere Konzession gemacht. Für die Produkte der betreffenden Länder bedeutet die Meistbegünstigung auf dem deutschen Markt nur eine Garantie gegen Differenzirung, gewissermaassen nur einen negativen Vortheil, jedenfalls aber nicht mehr, als die deutsche Ausfuhr erzielt hat, die durch den Vertrag gleichfalls in den Besitz dieser Garantie gelangt ist. Ob Argentinien gegenüber Leistung und Gegenleistung sich im Gleichgewicht befindet, mag bezweifelt werden; es ist jedoch zu bedenken, dass die zollamtliche Behandlung der beiderseitigen Einfuhr nur einen Theil des Vertrages bildet, der Vertrag einen ganzen Komplex von Fragen regeln soll. Man kann nicht einen Theil gesondert herausgreifen, um bei ihm die Frage aufzuwerfen, ob Leistung und Gegenleistung sich im Gleichgewicht befinden, der Vertrag wird nur als Ganzes beurtheilt werden dürfen. Gegen Verträge der vorstehenden Art richtet sich vor Allem die Kritik mit der ganz allgemein gestellten Forderung, den deutschen Vertragstarif künftig nicht mehr ohne die Gegenleistung besonderer Tarifzugeständnisse zu bewilligen. Unsere Darlegungen zeigen jedoch, dass über den Werth der betr. Verträge nur unter Berücksichtigung des konkreten Falles geurtheilt werden kann. Ganz allgemein eine solche Forderung aufzustellen, muss daher als zu weit gehend bezeichnet werden. E i n e n z w e i t e n T y p s t e l l e n d i e V e r t r ä g e mit S p a n i e n u n d M a r o c c o d a r . Beide Theile haben das gegeben, was sie in besonderen Tarifverträgen dritten Staaten schon vorher bewilligt hatten, jeder Theil konnte also vorher prüfen, welche Vortheile durch den Mitgenuss der betr. Vergünstigungen für ihn erwachsen, und sich auf Grund dieser Prüfung schlüssig machen, ob er Leistung und Gegenleistung als gleichwerthig ansehen will. F ü r einen dritten Typ von Meistbegünstigungsvert r ä g e n l i e f e r t d e r V e r t r a g m i t J a p a n ein B e i s p i e l . Deutschland hat seinen Vertragstarif bewilligt, Japan hat das Gleiche gethan, jedoch der deutschen Einfuhr ausserdem noch spezielle Tarifzugeständnisse gemacht. Gegen Verträge der zweiten und dritten Art kann der Vorwurf, dass der Vertragstarif ohne Gegenleistung eingeräumt sei, nicht erhoben werden. Auch hier wird sich ein Vortheil über den

58

Die Beibehaltung der Meistbegünstigung.

Werth der V e r t r ä g e nur unter Beschränkung auf den einzelnen konkreten Fall abgeben lassen. W e n n das Meistbegünstigungsrecht erst durch die besonderen Verhältnisse des konkreten Falles seinen Inhalt erhält, so gewinnt die Thatsache Bedeutung, dass die Verhältnisse sich ändern können und damit auch der Werth von Leistung und Gegenleistung. Der deutsche Vertragstarif war in den achtziger J a h r e n vor der Caprivi'schen A e r a etwas wesentlich anders, als später; er umfasste nur eine kleine Zahl von Tarifermässigungen a u f S p e z i a l artikel der Schweiz, Italiens und Griechenlands. Erst durch die neuen Tarifverträge mit der bekannten Gruppe von Staaten ist der Vertragstarif als Ganzes zu einer sehr ins Gewicht fallenden Zollermässigung geworden, speziell die Ermässigung der Getreidezölle datirt bekanntlich erst aus der neuesten A e r a . Die Meistbegünstigung auf dem deutschen Markte bedeutet daher seit der Caprivischen A e r a ungleich mehr wie früher; für die Staaten, welche vorher einen über das J a h r 1893 hinaus gültigen Vertrag mit Deutschland abgeschlossen hatten, vergrösserte sich plötzlich der W e r t h der deutschen Leistung, ohne dass sie selbst mehr als früher zu geben brauchten. Diese Verschiebung der Verhältnisse war bei Abschluss der Verträge nicht vorauszusehen; man konnte in den achtziger Jahren auf deutscher Seite nicht wissen, wohin der handelspolitische K u r s in den neunziger Jahren gehen werde. Die grösseren Vortheile des neuen Vertragstarifs musste Deutschland allen denjenigen L ä n d e r n einräumen, denen gegenüber es durch Meistbegünstigungsverträge verpflichtet war; es hatte nicht die Berechtigung, angesichts seiner Mehrleistung auch eine Mehrleistung vom andern Theile zu verlangen. W e i l wandelbare, in ihrer künftigen Entwicklung nicht im Voraus zu überschauende Verhältnisse dem Meistbegünstigungsrecht erst seinen positiven Inhalt geben, ist e i n e g e w i s s e V o r sicht am P l a t z e in der B e s t i m m u n g der Z e i t d a u e r , f ü r w e l c h e ein S t a a t sich b i n d e t i n d e r B e w i l l i g u n g des M e i s t b e g ü n s t i g u n g s r e c h t e s . J e geringer die Zeitdauer, u m s o weniger fällt das mit in den Kauf zu nehmende Risiko einer unvorhergesehenen Verschiebung von Leistung und Gegenleistung ins Gewicht, um so eher ist die Möglichkeit da, veränderten V e r hältnissen durch Revision der beiderseitigen Verpflichtungen resp. Kündigung des Vertrages Rechnung zu tragen. Die Z e i t d a u e r

Die Beibehaltung der Meistbegünstigung.

59

ist m i t h i n ein e n t s c h e i d e n d e r G e s i c h t s p u n k t für die Beurtheilung von M e i s t b e g ü n s t i g u n g s v e r t r ä g e n . E s bleibt zu untersuchen, wie weit in dieser Beziehung die bisherige P r a x i s der deutschen Handelspolitik z w e c k m ä s s i g verfahren ist. E s wurde a b g e s c h l o s s e n mit Argentinien Liberia Persien Mexiko Transvaal Ecuador Guatemala Honduras Paraguay Salvador Columbien Nicaragua O r a n g e Freistaat Spanien

im J a h r e 1857 auf 8 1867 „ T 2 »? ii >i II 1873 „ IO 1882 „ IO » 'i 1885 „ IO 1887 „ IO II •! r 8 8 7 „ IO " II 1887 „ IO