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German Pages 12 [16] Year 1929
Sitzungsberichte der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften Stiftung Heinrich Lanz
Mathematisch - naturwissenschaftliche Klasse *) Jahrgang 1921 erschien im Verlage von Carl Winters in Heidelberg.
Universitätsbuchhandlung
Im Verlag von Walter de Grwyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin erschienen:
Abteilung A. Mathematisch - physikalische Wissenschaften. Jahrgang
1 9 2 2 : 3 Hefte.
J a h r g a n g 1 9 2 3 : 5 Hefte. J a h r g a n g 1924: 11 Hefte.
Abteilung B. Biologische Wissenschaften. J a h r g a n g 1923: 1 Heft. Von Jahrgang 1925 ab findet die Trennung in Abteilung A und B nicht mehr statt. J a h r g a n g 1925. 1. 2.
HEFFTEB, LOTHAR. Zur absoluten Geometrie II. Reichsmark 0 50 ROESER, E R N S T . Die komplementären Figuren der nichteuklidischen
Ebene. Reichsmark 0*50 3. FLADT, KUNO. Neuer Beweis f. d. Zuordnung von rechtwinkligem Dreieck und Spitzeck in der hyperbolischen Elementargeometrie. Reichsmark 0-30 4 . SALOMON, WILHELM. Beobachtungen über Harnische. Reichsmark 0 ' 7 0 5 . LOEWY, A . Beiträge zur Algebra. 1 — 4 . Reichsmark 1 ' — 6. HELLPACH, W I L L Y . 2. Mitteilung zur Physiognomik der deutschen Yolksstämme. Reichsmark 0'30 7 . LOEWY, ALPRED. Neue elementare Begründung u. Erweiterung der Galois'schen Theorie. Reichsmark 2-— 8. CURTIUS, THEODOR U. BERTHO, ALFRED. Einwirkung von Stickstoffkohlenoxyd und von Stickstoffwasserstoffsäure unter Druck auf aromatische Kohlenwasserstoffe. Reichsmark 0'40 9 . ROESER, ERNST. Die gnomonische Projektion in der hyperbolischen Geometrie. Reichsmark O-70 10. RASCH, G. Über die Ausnützung der Gezeiten des Meeres zur Energiegewinnung. Reichsmark 0-80 1 1 . SALOMON, WILHELM. Magmatische Hebungen. Reichsmark 1 ' 2 0 1 2 . PÜTTER, A. Altersbestimmungen an Dracnenbäumen von Tenerife. Reichsmark 0-90 1 3 . VOLK, OTTO. Über geodätische rhombische Kurvennetze auf krummen Flächen, insbesondere auf Flächen konstanter Krümmung. Reichsmark 1'10 1 4 . ROESER, ERNST. Die Fundamentalkonstruktion der hyperbolischen Geometrie. Reichsmark 140 (Fortsetzung tiehe 3. Umtchlagteüe) *) Bestellungen auf solche Veröffentlichungen der math.-naturw. Klasse, welche früher im Verlag von Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg erschienen sind, nimmt auch der Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin, entgegen.
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse =====
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J a h r g a n g 1929. 9. A b h a n d l u n g .
Zur Entstellung der Kare. Von
W. Deecke in Freiburg i/Br.
Eingereicht am 24. Juni 1929
B e r l i n und L e i p z i g
1929
W a l t e r de G r u y t e r & Co. v o r m a l s G. J. G ö s c h e n ' s e h e V e r l a g s h a n d l u n g / J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g / G e o r g R e i m e r / K a r l J. T r ü b n e r / Veit & Comp.
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Zur Entstehung der Kare. Im März 1929 hatte ich Gelegenheit, in den Bündener Alpen der Schweiz eine Woche zu verleben, in welcher bei herrlichstem Wetter gerade der Schnee der höheren Regionen zu schwinden begann. Die dabei auftretenden Erscheinungen zeigten sich besonders deutlich in der Region, in welcher dort die untere Zone der Kare und karartigen Nischen liegt, also zwischen 2000 und 2500 m. Dadurch wurde ich veranlaßt, mich nachher einmal wieder mit diesen Hohlformen zu beschäftigen und bin zu etwas anderer Ansicht über die Entstehung der Kare gelangt, als sie durchweg bisher üblich war. Alles Wichtige über diese morphologische Gruppe hat ganz kürzlich G Ü N T H E R W O R M zusammengetragen (Beiträge zur Geographie und Morphologie der Kare. Mitteil. d. Vereins für Erdkunde zu Dresden, Jahrheft 1927, ausgegeben März 1928, S. 49—97), und es ist bedauerlich, daß der Verfasser tödlich verunglückte, ehe er seine Arbeit wirklich abschließen konnte. So ist sie nur eine Art zusammenfassender Einleitung geblieben, die freilich sehr nützlich ist, aber die wirklichen Schlüsse und Ergebnisse noch nicht bringt. Aus einigen Andeutungen habe ich die Empfindung, als wenn er sich ähnlichen Anschauungen zugeneigt hätte, wie ich sie hier jetzt kurz vortragen will. D i e K a r e u n d K a r o i d e r e c h n e ich g e n e t i s c h zu den d u r c h B e r g s t u r z und B e r g s c h l i p f e n t s t a n d e n e n H o h l f o r m e n . Irgendein bereits vorhandener Talschluß wird durch immer wieder niedergleitende Massen derart umgestaltet, daß er endlich den Typus einer Bergsturz- oder Abrißnische erhält. Diesen Satz wollen wir näher begründen. Allgemein ist darüber Einstimmigkeit vorhanden, daß Kare Talanfänge verschiedener Entstehung sind, welche durch Schnee und Eis umgeformt wurden. Solche Talanfänge können normale radiale Talund Quelltrichter, also von fluviatiler Anlage oder sie mögen Ausrutschnischen, Verwerfungsscharten oder endlich vulkanische Krater gewesen sein. Jedenfalls haben wir, was W O R M mit Recht betont, ein pränivales Stadium gehabt, zu dem nach Schwinden des Eises und Schnees langsam das Gebilde zurückkehrt. Andererseits ist ohne Zweifel, daß das Hauptagens für Karbildung eine zunehmende Vereisung dieser 2
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Aushöhlungen war, so daß man aus deren Vorkommen auf einstige glaziale Einflüsse schließen darf. Die einfachsten derartigen Gebilde stellen die K r a t e r k a r e dar. Bei diesen haben wir von vorneherein steile Wände und rundliche, zirkusartige Formen, welche durch Niederbrechen der Hänge frisch gehalten werden. — Etwas anders liegt die Sache schon bei den Karnischen an der Außenseite der Vulkankegel, in denen sich bei den in die Schneeregion der Tropen aufragenden Riesenbergen Firn und Eis ansammelt. Auf diesen Flanken erfolgen oft Rutschungen, veranlaßt durch die Erschütterungen bei Ausbrüchen und Erdbeben, durch Belastung mit Aschen und Auswürflingen, durch Schneeund Eislawinen und eingedrungenes Wasser. Die jüngste Diskussion über das Auftreten oder Fehlen von Karen am Ätna ist dafür ein Beweis, da beide Autoren ( M A I E R - U I I U und F H . LEYDEN-Berlin) in der Wirkung selbst von kleinen Schneemassen am Atuakegel einig sind, außerdem auch Gesteinsrutsche häufig vorkommen und Nischen hinterlassen 1 ). Selbst ganz alte Vulkanruinen, wenn sie isoliert aufragen, geben zu solchen Bergstürzen Veranlassung. Ich denke an einige mir gerade bekannte Ereignisse auf den Basaltkegeln des Hegaus in Baden. 1747 geschah an der Ostseite des Hohenhöwen ein gewaltiger Sturz, welcher eine weite rundliche Nische erzeugte und davor einen breiten Trümmerund Stauwall; 1890 ereignete sich am Höwen ein anderer bedeutender Schlipf; 1919 riß oben am Hohenstoffeln eine Masse los und hinterließ eine karartige Wunde am Berge, und dort spielte sich in früheren Zeiten dies schon öfters ab. Läge dies Gebiet in einer vereisten Region, müßte sich unbedingt in diesen Abrißnischen Schnee oder Eis ansammeln und die Hohlform weiter ausbilden. Ich bin daher der Meinung, daß die von P H I L I P P beschriebenen, mehrfach von anderen Seiten angefochtenen Kare an der Wasserkuppe der Rhön gleichen Vorgängen ihre Entstehung verdanken, und falls sie in der Diluvialzeit entstanden, unter dem Einfluß von Schneelawinen erweitert und ausgestaltet wurden. Eine zweite Gruppe sind die lehnsesselartigen Aushöhlungen am Steilrande von Schichttafeln. Wir haben solche im nördlichen und mittleren Schwarzwald und den Vogeseu. Sie sind eingehend von den württembergischen Landesgeologen beschrieben und sind vor allem am Außenrande der Buntsandsteintafel entwickelt. Bei ihnen ist ganz klar, wie sie zustande kamen; denn ausnahmslos sind sie gebunden an weichere, wasserhaltende Zonen, vor allem an das Ecksche Konglomerat an der Grenze von unterem und mittlerem Buntsandstein. Dies Kon>) Peterm. Geogr. Mitteil. 1928 u. 1929.
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glomerat ist nicht nur quellreich, sondern zugleich weich und tonig, vom Wasser aufzuweichen und abzuspülen. Somit bildet sich dadurch längs des Ausstriches dieser Schicht am Fuße einer Steilstufe eine Reihe von mehr oder minder umfangreichen Quellnischen, welche sich durch Unterspülung, Ausrutschen der liegenden nachgiebigen Bänke und Herabbrechen der haltlos gewordenen hangenden Lagen immer tiefer in die Hinterwand einfressen. Man kann im östlichen Schwarzwalde von Villingen gegen Freudenstadt alle Übergänge vom einfachen Quelldobel bis zum ausgesprochen typischen Kar beobachten. Wichtig ist dabei, daß sich über dem Wasserhorizont eine mächtige Serie dickbankiger, harter, z.T. verkieselter Sandsteine des mittleren Buntsandsteins vorfindet, die beim Niederbrechen an sich schon zur Bildung von Steilwänden neigen. Hinzu kommt, daß auch unter dem Quellniveau einzelne widerstandfähigere Bänke liegen und daß das ganze Schichtpaket oft gegen die Steilwand, im vorliegenden Beispiele bei Nord- und Nordostlage der Kare nach Osten oder südostwärts einfällt. Durch die untere harte Lage wird ein Abschluß des Quelltrichters hervorgerufen und durch das Einfallen erstens eine rundliche Gestalt veranlaßt, sowie zweitens dem Rückschreiten und dem Entstehen eines längeren Taltroges Hindernisse bereitet. Denn, wenn die wasserhaltige Schicht hinter dem Stau der vorderen Bank zu tief einsinkt, tritt eben kein Wasser mehr aus und das Rückschreiten hört schließlich auf. Je mächtiger die harten geschlossenen Sandsteinlagen sind, um so besser ist das Kar ausgeprägt. Da nun jenes in erster Linie für den Nordschwarzwald und die Mittel- und Nordvogesen zutrifft, ist eben dies Phänomen dort am besten zu sehen. Diese hohen, von Sandsteinsteilrändern gekrönten, 900—1100 m hohen Rücken standen in der Diluvialzeit ganz bestimmt unter dem Einfluß eines nivalen Klimas. In den gegen Norden, Nordosten, Osten und Südosten geöffneten Quellnischen sammelte sich der über den Kamm herübergeblasene Schnee und blieb in diesen der Sonnenbestrahlung minder zugänglichen Hohlformen mehr oder weniger lange liegen. Man muß nun nicht gleich an die Ausbildung von Gletschern denken. Die Vereisung ist sicher langsam gekommen und wird sich anfangs als eine lauge dauernde naßkalte Periode charakterisiert haben. Als solche hat sie die unten austretenden Schichtquellen in ihren ausnagenden Wirkungen unterstützt; gleichzeitig rief die zunehmende Anhäufung von Schnee im Herbst und Frühjahr zahlreiche Lawinen hervor, welche immer mehr die möglicherweise flacheren Hänge der Nischen steiler gestalteten. Es ist hervorzuheben, daß diese Lawinen an allen Teilen eines solchen Trichters abrutschen können und daß sie das mitgerissene
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W . DEECKE:
Material zentrisch dem Ausgange zuschieben. Dadurch wird als Schuttwall oder als Sturzmoräne quer über den Bachursprung ein Trümmerwall gelegt, und zwar um so leichter, wenn sich schon eine natürliche Gesteinsbarre vorher dort befand. Ich sehe also in dem r u t s c h e n d e n S c h n e e und i n d e n L a w i n e n die e i g e n t l i c h e n B i l d n e r d e r K a r e und nicht in der sog. Rückwitterung der Wand unter dem Gletschereis. Auf die Bedeutung des Schnees haben vor allem die Norweger, der Engländer B O W M A N N und nach ihm B R Ü C K N E R schon hingewiesen und von den deutschen Forschern F R E C H . B O W M A N N hat vor allem an den Hochbergen von Peru beobachtet, was insofern interessant ist, als dort eine wirkliche, ausgedehnte Vergletscherung wie in unserem Hochgebirge sicher nie vorhanden war, selbst wenn sie im Diluvium größere Ausdehnung besaß. Aber als etwas Neues möchte ich hinzufügen, daß die eigentliche Ausbildung der Kare aus Talschlüssen und Quellnischen heraus im wesentlichen v o r der eigentlichen Vereisung, d. h. vor der Erfüllung der Höhlung mit wirklichem Gletschereis geschah oder, wie eben gesagt, in Peru bei .unvollständiger Entwicklung. Wir müssen uns unsere Gebirge am Ende des Pliozäns als kräftig fluviatil erodiert vorstellen. Dabei hatten sich an den Hängen und Talflanken viele, mehr oder minder hoch hinaufreichende, mit Vegetation bedeckte Schutthalden und Schuttkegel aufgehäuft. Man stelle sich nun vor, wie diese lockeren Massen ständig immer mehr durchnäßt wurden, wie ein spätes Frühjahr, ein feuchter Sommer, ein schneereicher Herbst solche Schutthänge beeinflußten; es muß das Ganze zusammensac.ken und das steilere, f r i s c h e Gestein langsam von oben her mehr und mehr hervorkommen. Mit Zunahme der Kälte und der Frosttage bildete sich ein Zustand heraus, der an die arktischen Gleitböden und Steinrutsche erinnerte, und bei kräftigen Höhenunterschieden ist dann ein rutschender Schnee des Herbstes oder eine niedergehende Lawine Veranlassung, daß bedeutende Massen dieser Gesteinsdecke zu Tal fahren und sich unten tfeils eben ausbreiten auf dem immer schärfer abgesetzten Talboden, teils sich wallartig auftürmen. Es handelt sich also bei dieser Auffassung als Endresultat um ein Relief, das durch zahlreiche, immer wiederkehrende Bergrutsche, Bergschlipfe und Lawinen hervorgebracht ist und in einem trichterartigen Talanfang an a l l e n Hängen gleichmäßig erfolgte. Daher ist das Endergebnis den Abrißnischen morphologisch so außerordentlich ähnlich und ist diesen nicht nur analog, sondern unmittelbar homolog. Der einzige Unterschied ist der, daß diese steilwandigen Kessel nicht einer einzigen oder wenigen großen Katastrophen ihre Form verdanken,
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sondern einer langsamen Umgestaltung, wie sie eine allmählich hereinbrechende Vereisung mit sich bringen mußte. So ließe sich zunächst ohne Schwierigkeit erklären, wie die am Rande der südwestdeutschen Buntsandsteintafeln unter den Kämmen liegenden Quelltrichter zu Karen wurden. Als schließlich der in sie hineingeratene Schnee zu Firn- und Gletschereis wurde, das sich dem Ausgange zuschob, wurden oft die letzten Teile des auf dem Talboden angesammelten Schuttes weggefegt und die abschließende Moräne geschaffen. Hinter dieser hat das schiebende Eis oft, aber nicht immer eine leichte Übertiefung erzeugt, die später die Karseen veranlaßte. Recht ähnlich werden die Verhältnisse bei den Karen gewesen sein, die auf die Verrüttung der Gesteine an Verwerfungen und auf Klüftung zurückgehen. Zu ihnen gehört die Mehrzahl der Kare im Südschwarz wald und in den Südvogesen z. B. Feldseekar, Zastler und Wilhelmerloch östlich des Rheines und Sternsee, Neuweiher, Weißer und Schwarzer See westlich desselben. Durch die Brüche sind ebenfalls Steilstufen entstanden, in welche dann die Kessel eingeschnitten sind. Ein Gesteinswechsel, eine Zertrümmerung der kristallinen Gesteine (oft Granite) in breiter Zone hat dem Wasser und Frost die Möglichkeit gegeben, lokale Nischen zu erzeugen. Da die meisten Stellen nahe am Kamme der Mittelgebirge, also höher als die Buntsandsteinkare liegen, traten die Wirkungen der nivalen Zeit früher und kräftiger ein. Auch heute beobachten wir jeden Winter, wie auf den Seiten des Feldseekares oder am Stern- und Weißen See die Lawinen niedergehen und die Wand steil und frei von Schutt erhalten. Die Untersuchungen von H. C L O O S haben für die Kare am Kamme des Riesengebirges den bedeutenden Einfluß der dort den Granit durchsetzenden Klüftung bewiesen. Wenn außerdem dort in einem solchen Kessel ein Basalt steckt, so ist an der Lockerung des Gesteines vor der fluviatilen und nivalen Erosion nicht zu zweifeln. In diesen Karen der Mittelgebirgskämme haben in der Eiszeit echte Gletscher ihren Anfang genommen und sind dort bis zum Ende des Diluviums bestehen geblieben. Ja, sie sind die Stelleu, wo sich heute noch in schneereichen Wintern firnartige Massen ansammeln und aus denen sich bei dauerndem Temperaturfall erneut Gletscher entwickeln würden. Deshalb ist auch die Umformung weiter vorgeschritten als bei der ersten Gruppe, und die eigentliche Glazial Wirkung in Schliffen und Endmoränen deutlich erkennbar. Endlich kommen wir zu den Karen des eigentlichen Hochgebirges und im besonderen zu denen der alpinen Ketten oder alpinen Faltengebirge. Bei diesen ist in der Mehrzahl ein Gegensatz von härterem
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Gestein an der Basis und am Ausgange und weicheren Massen in der unteren Umrahmung der Kessel zu konstatieren. Es gelangt selten ein Kar zu vollendeter Form, wenn jene Schwelle fehlt, und bei Kartreppen ist das wiederholte Auftreten solcher widerstandsfähigen Bänke vielfach deren Ursache und Bildungs- wie Erhaltungsmöglichkeit gewesen. Wasserfälle von wechselnder Höhe verbinden daher die Stufen heute miteinander und sind an Stelle von Gletscherabbrüchen oder -abschwüngen getreten. In den Alpen wechseln in allen mesozoischen Formationsgruppen solche z. T. sehr mächtige Kalkschichten mit weicheren mergeligen Lagen; man erinnere sich an Wengener, Cassiane^ Raibier und Rhätische Lagen zwischen den Dolomitmassen der Trias, ferner an die Lias- und Doggerschiefer unter dem Hochgebirgskalk, an die Valanginienmergelkalke unter Kieselkalkfelsen des Hauterivien und des Rififkalkes des Urgons, an die Orbitolinenmergel innerhalb der letzten Serie und schließlich an den Flysch zwischen Überschiebungsdecken. Die letzten selbst brachten dicke Schichtpakete hoch über die aufgeschobenen, gipshaltigen Triasstreifen oder den Flysch, also ein zonar ausgebreitetes fremdes Element über die heterogene Unterlage. Vergessen wir nicht, daß auch in a l l e n solchen Fällen die tonigmergeligen Gesteine das Herausquellen des eingedrungenen Sickerwassers und ein Ausrutschen der dadurch erweichten Gesteine erzeugen, daß ferner diese Gesimse überall auf den Nord- und Ostseiten der Täler die Stätten länger ausdauernden Schnees sind und daß auch heute sich in den Hochalpen der weiche Boden in einer ständigen Gleitbewegung befindet. Jeder, der solche Zonen der weichen Gesteine, also der Almen begangen hat, weiß, wie an deren oberen Rändern die Nischenbildung sich überall ausprägt und die steilere, oft kahle, entblößte Rückwand sich abhebt. Daß in einem bestimmten Gebiete oder in einem Tale die Kare annähernd eine gleiche Höhe haben, hängt augenscheinlich mit dieser tektonisch-stratigraphischen Verteilung der Gesteine sehr oft zusammen. Kehrt an einer Talwand ein solcher Wechsel zweioder gar dreimal wieder, hat man in der Regel auch entsprechende Karreihen übereinander. Je höher hinauf, um so typischer sind sie meistens entwickelt, was ja dadurch verständlich wird, daß in ihnen die nivalen und glazialen Einflüsse nicht nur jedes Jahr dauern, sondern auch seit dem Diluvium länger dauerten. Auch bei dieser alpinen Gruppe bin ich der Meinung, daß sie der langsamen Umwandlung aus Quelltrichtern durch die allmählich einsetzende und herabrückende Vereisung unterlagen und je höher, um so länger und endgültig durch das Eis geformt wurden. Die Schneerutsche und Lawinen konnte ich in ihrer Entwicklung gut iu Graubünden be-
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obachten, und zwar wie in der unteren Reihe von allen Seiten Winterschnee und Schutt in den einzelnen Kesseln zusammensackte, während in der oberen Reihe noch alles ruhig blieb und erst eine Woche später einsetzte. Das Wichtige daran ist „von allen Seiten her", nicht nur von der Hinterwand, sondern auch von den Zwischengraten bis ganz vor an die Talwand heran. Der in einem Kar liegende Gletscher bearbeitet naturgemäß am stärksten die Hinterwaud, welche wahrscheinlich dadurch besonders steil wird, und den Boden. Der Schnee jedoch wirkt auf alle Hänge des Kessels ein, solange das glaziale Stadium noch nicht begonnen hat. Es ist ein Abreißen und Niederbrechen anfangs flacherer Hänge meist in der Form kleiner Katastrophen, weshalb ich die Homologie mit den Bergstürzen betonen möchte. B O W M A N N und B R Ü C K N E R haben schon früher gesagt, daß die Wirkungen des Schnees auf Gehängen über 20 0 Neigung denen des Gletschereises ähnlich sind. Um so mehr wundert mich, daß sogar in den neusten Lehrbüchern der Morphologie kaum davon die Rede ist. Die oberen Teile der Almen sind auch jetzt oft über 20° geneigt und die Spuren des abgleitenden Schnees sehr deutlich. Je mehr von dem weichen Gestein und Boden entfernt wird, um so energischer packt der Schnee an; beide Momente steigern sich gegenseitig und besonders dann, wenn außerdem zum Beginn der Eiszeit die Schneemengen wuchsen. A . P E N C K hat eine sehr interessante Beobachtung gemacht, daß in den allerhöchsten Teilen der Alpen typische Kare fehlen, daß die Modellierung des Kammes schmälere und schärfere Formen annimmt. Im Rahmeu der hier vorgetragenen Anschauungen wäre dies durchaus begreiflich, sobald man annimmt, daß die höchsten Teile i m m e r , d.h. gleich von Anfang an vereist waren, daß sie daher der reinen Glazialwirkung a u s s c h l i e ß l i c h ausgesetzt gewesen sind und dem Miozän ihre Eisdecke verdanken. Sie haben also weder die fluviatile Erosion, noch die nivale Umformuug erfahren, sind nur verschmälert ohne lokale tiefer greifende Seitenausnagung. Die das Gestein kräftig beeinflussenden Lawinen z. B. Grundlawinen sind in den Höchstregionen seltener, und das feste Gletschereis gegen solche Katastrophen und gegen Staublawinen ein guter Schutz. Es mag aber etwas anderes dazu kommen. Diese höchsten Teile sind in den Alpen die jüngsten Decken, welche im wesentlichen aus kristallinen Gesteinen sich aufbauen. Jener für die tieferen Schuppen so bezeichnende Wechsel zwischen aufgepreßtem, überlagerndem, hartem Kristallin und den unterteufenden weicheren Sedimenten fehlt und damit auch die Möglichkeit einer energischen Quell- oder Nischenbildung, sowie die Entwicklung einer jede Art von Erosion
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erschwerenden Barre, welche das für Kare so wichtige Gesimse der Basis schafft. Stiegen wir eben in die allerhöchsten Regionen hinauf, so möchte ich im Gegensatz dazu eine zu dem Gesamtproblem gehörige Beobachtung aus den Tiefen anführen, in denen der Gletscher nur zur Zeit der ausgedehnten diluvialen Vereisung vorübergehend war, nämlich aus dem westlichen Bodenseegebiet. Dort springt zwischen dem Uberlinger- und Untersee die Bodanhalbinsel gegen SO vor. Sie baut sich aus Molasse auf, welche SO einfallt und aus einem Wechsel von weichen ausrutschenden Mergeln und aus härteren Sandsteinen besteht. Die tiefste Lage ist die nachgiebige, unter dem Einfluß von zahlreichen Quellen gar nicht standfeste, sogenannte untere Süßwassermolasse. Darüber ruhen die etwa 40—60 m dicken festen Sandsteine der Meeresmolasse. Beide Schichten schießen in den See ein, und es kommt daher von NW, von der Höhe des Berges die Meeresmolasse als eine Steilwand immer tiefer zum Uberlinger See herab, iu welchem sie schließlich untertaucht. Bis zu der Stelle, wo ihre Unterkante den Seespiegel berührt, sieht man Schuttkegel, welche aus den ßunsen herauskommen; diese Kegel werden immer gewaltiger, je höher die untere Molasse am Berge aufsteigt. Geht man nun in einen solchen Dobel hinein, so ist dieser kein einfaches Bachrinnsal, sondern hinter dem schmalen Eingang, der jeweils an der Unterkante der Meeresmolasse liegt, erweitert sich die Höhlung zu einem mehr oder minder ausgedehnten Kessel. Im Bereiche des sich einnagenden Baches, der sich aus hinten und seitlich hervorbrechenden Wassern speist, gleiten die Mergel- und Tonmassen nach der Mitte zusammen und lassen die hangenden Sandsteine in konzentrisch weitergreifenden Abbrächen niedergehen. Die steilen, oft senkrechten Wände, der enge Ausgang und die Kesselform erinnern durchaus an Kare und mögen am Ende der Eiszeit den letzten wirklich sehr nahe gestanden haben, aber sie sind heute durchaus fluviatile Gebilde. Denn die Gesteine sind zu weich, um schroffe Formen zu bewahren, und die Einwirkung des Sickerwassers auf die Unterlage ist zu kräftig, so daß eben mächtige Schuttkegel den Ausgang erfüllen. Dies Beispiel zeigt uns ferner, worauf es ankommt, wenn auch nach dem Schwinden der Vereisung die Kare erhalten bleiben sollen. Die wandbildenden Gesteine und die Basis dürfen nicht so leicht angreifbar, sondern müssen standfest sein, müssen den üblichen Schüttungs- und Hangneigungswinkel von rd. 30° ertragen können. Das ist beim mittleren Buntsandstein ebenso wie bei Graniten und Gneisen der Mittelgebirgskare der Fall. Zweitens dürfen die Wasser-
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mengen des Kessels nicht so groß sein, daß sie den Riegel, sei es Moräne oder Schutt oder festes Gestein, tief durchschneiden. Sonst würde der Karboden bald umgestaltet sein. Weiterhin ist zu beachten, daß ja auch bei diesen Mittelgebirgskesseln die nivale Wirkung keineswegs beendet ist, sondern, freilich abgeschwächt, weitergeht. — Im Hochgebirge wurde aus vielen dieser Nischen eigentlich aller loser Schutt durch die Vergletscherung entfernt, und dann dauert es lange, bis sich wieder so viel Schutthalden ansammeln, daß die prägnante Form verschwindet. Man sieht allerdings, wie sich in den tiefer gelegenen Nischen der Fuß der Wände und die Böden bereits zurück umwandeln. Man hat die Kare bisweilen als Rückzugserscheinungen des Gletschers und der Vereisung betrachtet 1 ). Dem kann ich nach dem Vorausgehenden nicht zustimmen, sondern setze ihre Umgestaltung aus fluviatilen Erosionsformen zu glazialen in den Beginn der Vereisung. Der das Kar schließlich ganz erfüllende Gletscher konserviert eher die Formen und gestaltet vor allem den Boden um; er mag die Hänge in kristallinen Gesteinen noch etwas steiler gestalten. Ebensowenig vermag ich mich damit zu befreunden, daß man aus ihrer Höhenlage die jeweilige Schneegrenze ableiten will. Die Möglichkeit der Karentwicklung hängt in erster Linie von geologischen Momenten ab, welche die Nischen- und Quellentrichterbildung erlaubten. Trafen nicht alle wesentlichen Bedingungen zusammen, so erhalten wir die Fülle der Übergangsgebilde, welche man als Karoide, Karlinge usw. bezeichnet hat. Unter besonders günstigen Umständen sind aber auch Kare möglich, welche keine N bis SO Exposition, sondern S und W Öffnung haben, worauf G. W O R M ebenfalls hinwies. Dieser Aufsatz war schon zum Druck fertiggestellt, als mir die größere Arbeit von F E L S , Das Problem der Karbildung in den Ostalpen, Peterm. Mitteil. Erg.-Heft No. 202, 1929 in die Hände kam. Ich überlegte mir, ob ich nun diesen Artikel nicht ganz fallen lassen sollte; denn in manchen Punkten decken sich die Ansichten von F E L S mit den meinigen. So vor allem in der geringeren Bewertung der eigentlichen Eiswirkungen während der Eiszeit, in der präglazialen Anlage, in der Unabhängigkeit von der Schneegrenze. Aber wodurch die Kare eigentlich entstanden sind, wird doch nicht so klipp und klar zu sagen versucht, wie ich es hier getan habe. Wenn F E L S in den Ostalpen ein miozänes Relief zugrunde legen will, ist dagegen nichts zu sagen, aber zu ') WUNDERLICH, Entstehung der Kare. Ges. f. Erdkunde, Berlin 1915, 188—189 (nach 6 . TAYLORS Beobachtungen in der Ostantarktis).
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bedenken, daß seineAusgestaltung zu den Formen, die von der Eiszeit übernommen und umgeformt wurden, in das Pliozän fallt; denn im Mittel- und Obermiozän dauern die Bewegungen an und gelangen erst in der folgenden Zeit zu einem gewissen stationären Zustand. Die Flußerosion mag bis in das Altdiluvium weitergegangen sein, weil die Deckenschotter und überhaupt die starke Verschüttung des Alpenfußes dem jüngsten Tertiär und ältesten Diluvium angehören. Was die Hochfluren des Miozäns und anderer Zeiten angeht, so wissen wir davon doch eigentlich noch recht wenig Gewisses. Es existieren bestimmte Verebenungen, durchlaufende Gefällsknicke, die sich terrassenförmig wiederholen. Das wird vorläufig alles einfach auf vermehrte Erosion zurückgeführt und mit mehreren (3—4) Hebungsphasen in ursächlichen Zusammenhang gebracht. Wir haben jedoch im Karwendel, der FELS als Muster dient, einen sehr verwickelten Bau, von dem LEUCHS in Geologie von Bayern II, S. 140 ff. durch mehrere Profile und Bilder uns einiges vorfuhrt. Yerebnungen und Terrassen, weite Täler und enge Schluchten können durch Decken, Überschiebungen, Brüche und andere tektonische Elemente bedingt sein, weshalb ich fiir meine Person noch keinen Wert auf die Hochfluren lege. Sieht man die FELS sehen Angaben über die einzelnen Kare durch, so kommt öfters das zutage, was ich oben betonte, daß sie gern an Gesteinsgrenzen liegen, in diesem Falle z. B. an Muschelkalk und Wettersteinkalkgrenze. Man hätte gern mehr von der Struktur der Gesteine gewußt, in denen die einzelnen Kare eingebettet sind. Solstein und Kaskar sind hoch aufgepreßte und z. T. überkippte Sättel (LEUCHS 1. c. p. 140), die sicher starke innere Spannungen und Zerreißungen erlitten haben. Abb. 19—21 auf Tafel 11 u. 12 von FELS zeigen am Solnstein die saigeren oder sogar etwas überkippten Kalke an vier Karen; Abb. 18 sieht aus wie ein Tal im Streichen einer Verbiegungsfläche, die natürlich dann eine Verrüttungszone ist. ' Solche Kare gehören in die von mir oben geschilderte Gruppe der tektonisch angelegten Gebilde. Ferner vermisse ich in der Arbeit einen Hinweis auf die Quellaustritte in und direkt unter den Karen. Wo, wie in der Gleierschkette, die Kaibier Schichten neben den aufgepreßten Kalkmassen liegen, wird das Wasser zutage treten und seine zerstörende Wirkung ausüben müssen. Diese wird sich an Verrüttungszonen auch schon in der pliozänen und präglazialen Zeit kräftig geltend gemacht haben. Kurzum die geologischen Momente hätten in dem gut untersuchten Karwendelgebirge vom Verf. etwas mehr hervorgehoben werden müssen.
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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
RÜGER, L. U. R Ü G E B - H A A S , P. Pälaeosemaeostoma geryonide8 v. Huene sp. eine sessile Meduse aus dem Dogger von Wehingen i. W. und Medusina liasica nov. sp., eine coronatenähnliche Meduse aus dem mittleren Lias von Hechingen i. Württemberg. Reichsmark 1'50
J a h r g a n g 1926. Theorie und Anwendung der verallgemeinerten Abelschen Gruppen. Reichsmark 1*70 KLEBB, GEORG. Über periodisch wachsende tropische Baumarten. Reichsmark 1-20 MÜLLER, M A X . Über die Oberfläche von Flächenstücken. Reichsmark 1 - 2 0 ERNST, MAX. Über Anlagen von Organen, die nicht zur Ausbildung gelangen. Reichsmark 0'50 ERNST, EMU» Die optischen Eigenschaften des Andesins von Bodenmais. Reichsmark 1*10 LIEPMANN, W I L H E L M . Leichengeburt bei Ichthyosauriern. Reichsmark 0 * 9 0 KLEBS, GEOBG. Über die Längenperiode der Internodien. Reichsmark 2 ' 4 0 JOST, L . U. V. UBISCH, G . Zur Windefrage. Reichsmark 0 ' 8 0 SALOMON, WILHELM. Gibt es Gesteine, die für bestimmte Erdperioden charakteristisch sind? Reichsmark 0 3 0 ROESER, ERNST. Der reelle Übergang zwischen den beiden nichteuklidischen Geometrien und ihrem ParallelenbegrifF. Reichsmark 1'20 SALOMON, W I L H E L M . Kugelförmige Absonderung. Reichsmark 0 - 8 0 SALOMON, Felsenmeere und Blockstreuungen. Reichsmark 0 * 8 0 SALOMON, Die Gruppendefinitionen in der Paläontologie. Reichsmark O ILO KBULL, WOLFGANG.
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D r u c k : Hermann Böhlaus Nachfolger, Hof-Bachdruckerei, G. m. b. H., Weimar.