Zivilrechtlicher Anlegerschutz bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen: Zugleich ein Beitrag zur Harmonisierung des Gläubigerschutzes in der Europäischen Bankenunion unter Berücksichtigung eines Vergleiches mit dem US-amerikanischen und dem schweizerischen Recht [1 ed.] 9783428559305, 9783428159307

Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen (Contingent Convertible Bonds) zeichnen sich dadurch aus, dass sie

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German Pages 318 [319] Year 2020

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Zivilrechtlicher Anlegerschutz bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen: Zugleich ein Beitrag zur Harmonisierung des Gläubigerschutzes in der Europäischen Bankenunion unter Berücksichtigung eines Vergleiches mit dem US-amerikanischen und dem schweizerischen Recht [1 ed.]
 9783428559305, 9783428159307

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Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse

Band 213

Zivilrechtlicher Anlegerschutz bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen Zugleich ein Beitrag zur Harmonisierung des Gläubigerschutzes in der Europäischen Bankenunion unter Berücksichtigung eines Vergleiches mit dem US-amerikanischen und dem schweizerischen Recht

Von

Christoph Roggemann

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH ROGGEMANN

Zivilrechtlicher Anlegerschutz bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen

Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von

Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse

Band 213

Zivilrechtlicher Anlegerschutz bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen Zugleich ein Beitrag zur Harmonisierung des Gläubigerschutzes in der Europäischen Bankenunion unter Berücksichtigung eines Vergleiches mit dem US-amerikanischen und dem schweizerischen Recht

Von

Christoph Roggemann

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Wirtschaft und Recht der EBS Law School Wiesbaden hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 978-3-428-15930-7 (Print) ISBN 978-3-428-55930-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern

Geleitwort In dem Bereich der Hybridfinanzierung hat sich seit geraumer Zeit ein neuer Anleihetypus durchgesetzt, der Contingent Convertible Bond. Seine besondere Wirkungsart zeichnet sich dadurch aus, dass die verbrieften Forderungen bei Eintritt vorab festgelegter, meist krisenbezogener Ereignisse unmittelbar in hartes Kernkapital der Emittentin umgewandelt bzw. dauerhaft oder zeitweise herabgeschrieben werden. Diese Entwicklung, die ihre Wurzeln in der US-amerikanischen Finanzökonomie hat, geht zurück auf den dritten Baseler Akkord, der mit dem Bail-in-Kapital einen wichtigen Grundstein im Eigenmittelrecht der Europäischen Bankenunion gelegt hat. Durch diese Regelungstechnik konnten programmatische Wertungselemente (bail in statt bail out!) auch außerhalb der Bankensanierung berücksichtigt und durch die hohe praktische Akzeptanz der neuen Anleiheform wirksam umgesetzt werden. Die hier vorliegende Arbeit lenkt das Augenmerk auf ein Feld, das seit Jahrzehnten zu einem Streitpunkt geworden ist, der nunmehr unter einem neuen, vom Bankaufsichtsrecht gesetzten Vorzeichen steht: Es geht um den Anlegerschutz der Hybridgläubiger. Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier eine besonders komplexe Gemengelage (neue innergesellschaftliche Anreiz- und Interessenkonflikte, Verhältnis des zivilrechtlichen Anlegerschutzes zum harmonisierten Bankaufsichtsrecht) aufzuschlüsseln, die Interessenkollisionen aus rechtsdogmatischer Sicht zu untersuchen und praktikable Lösungsvorschläge zu entwickeln. Die Arbeit zieht daraus präzise und ohne überflüssige Aufarbeitung von Randfragen eine Reihe von Konsequenzen für die seit den 1980er Jahren geführte Diskussion zur richtigen Schutzgewähr für Genussrechtsinhaber. Es werden die zivilrechtlichen Anspruchsarten (Abwehr-, Ersatz- und Anpassungsrechte, aber auch Informationsrechte) umfassend dargelegt und auf das neue Betrachtungsobjekt der Bail-in-Anleihen bezogen. Abgerundet werden die Überlegungen mit funktionalen Vergleichen anhand des Schweizer und US-amerikanischen Rechts. Bei sachkundiger Dokumentation der strukturell ähnlichen Problemlagen und Problemlösungen gelingt es dem Verfasser, auf einen Reformbedarf und auf Reformperspektiven hinzuweisen. Die Arbeit schließt mit einem bemerkenswerten Vorschlag, wenn sie empfiehlt, den Anlegerschutz auf europäischer Ebene anzusiedeln. Der Ansatz zielt darauf ab, die Spannungen zwischen den Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten und den Zielsetzungen der Bankrechtsreformen einerseits

8 Geleitwort

sowie zwischen den aufsichtsrechtlichen Säulen von Eigenmittelrecht und Abwicklungsrecht andererseits aufzuheben. Gelingen kann das nach dem Verfasser durch eine weitere Fortsetzung des Bail-in-Gedankens im Bereich der zivilrechtlichen Folgestreitigkeiten zwischen Anleihegläubiger und Emittent. Dieser geforderte Neuanfang im hybridrechtlichen Anlegerschutz ist ein folgerichtiger und konzeptionell bemerkenswerter Ansatzpunkt für weiterführende Überlegungen. Das Buch ist insgesamt weit mehr als die Qualifika­ tionsleistung eines guten Juristen, vielmehr wird es in seinem Gegenstandsbereich eine kaum entbehrliche Grundlage für die weitere und notwendige Diskussion bleiben. Wiesbaden, im März 2020

Prof. Dr. Tim Florstedt

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Wesentlichen während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Tim Florstedt für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht und Bankrecht an der EBS Law School, Wiesbaden. Im Wintersemester 2018/2019 wurde die Arbeit von der dortigen Juristischen Fakultät als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnten aktuelle Rechtsentwicklungen und Literatur bis Oktober 2019 berücksichtigt werden. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die durch ihre Unterstützung – auf welche Weise auch immer – zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben: Besonderen Dank schulde ich meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Tim Florstedt, der nicht nur das Thema der Arbeit angeregt und durch zahlreiche Gespräche sehr gefördert, sondern auch durch besonderen Einsatz eine rasche Durchführung des Promotionsverfahrens ermöglicht hat. Er hat mich während meiner Tätigkeit als Assistent an seinem Lehrstuhl in beispielloser Weise ermutigt, eigene Gedanken anzustellen, ohne dabei Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen. Herrn Prof. Dr. Tobias Tröger danke ich herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Herrn Prof. Dr. Dirk A. Verse, M. Jur. (Oxford), und Herrn Prof. Dr. Mülbert, danke ich herzlich für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Die Arbeit wäre sicherlich nicht entstanden ohne die liebevolle Unterstützung meiner Freundin, Isabelle Hundt, die zudem die mühsame Arbeit des Korrekturlesens auf sich genommen hat. Größter Dank gilt meinen Eltern, die meine Ausbildung immer unterstützt und gefördert haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Juist, im März 2020

Christoph Roggemann

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Erster Teil Grundlegung 

38

§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse . . . . . . . . . . 39 § 2 Typologie und Risikogestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 § 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz . . . . . . . . . . 94 Zweiter Teil

Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im deutschen Recht de lege lata 

106

§ 4 Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 § 5 Kontrolle der Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 6 Auskunfts- und Kontrollrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 § 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung und Kündigungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 8 Die Judikatur des Bundesgerichtshofes zur gesteigerten Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 § 9 Zur Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Dritter Teil

Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen 

213

§ 10 Das US-amerikanische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 § 11 Das Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Vierter Teil

Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda 

252

§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“ . . . . . . . . . . . . . . 253

12 Inhaltsübersicht § 13 Die nationale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 § 14 Die europäische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 

289

Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Theoretische Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hybride Finanzierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklungen im Bankenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsvergleichender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Leitgedanken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 29 29 31 33 35 36

Erster Teil Grundlegung  § 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse . . . . . . . . . . I. Die Entwicklung der Baseler Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Basel I und Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsichten aus der Finanzkrise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neuausrichtung durch Basel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die neue Kapitalklasse: Contingent Capital . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neue Eigenmittelvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entwicklung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reformen im Eigenmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenmittelvorgaben nach dem Kreditwesengesetz alter Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Umsetzung von Basel III in der CRR . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reformen im Sanierungs- und Abwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Bedeutungsverlust der neuen Kapitalklasse durch die Einführung des Bail-in-Instruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Funktion der neuen Kapitalklasse als Element der Abwicklungs- und Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Funktion der neuen Kapitalklasse als vertragliches Bailin-Kapital  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bezug zum Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anpassungen im deutschen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umtauschrecht der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 39 39 39 40 42 42 44 45 47 47 48 50 51 53 54 55 58 59 61 62

14 Inhaltsverzeichnis a) Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Rechtliche Bindung (Antizipation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Aufhebung der Volumengrenze für bedingtes Kapital . . . . . . . . . . 65 4. Keine Wertprüfung der eingebrachten Forderung . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Relevanz für das Prinzip der effektiven Kapitalaufbringung . . 68 b) Relevanz für das Verbot der Unterpari-Emission . . . . . . . . . . . 69 5. Bezug zum Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Die Entwicklung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Reformen im Eigenmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Keine verbindliche Einführung der neuen Kapitalklasse . . . . . 73 2. Reformen im Abwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Praktische Bedeutung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 V. Die Entwicklung in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Reformen im Eigenmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Reformen im Sanierungs- und Abwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Gesellschaftsrechtliche Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 § 2 Typologie und Risikogestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Wahl des Auslöseereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regulatorisch-diskretionäre Auslöseereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bilanzwertorientierte Auslöseereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Marktwertorientierte Auslöseereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Höhe des Auslöseereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Umwandlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bezug zum Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 84 85 85 87 88 90 90 91 93

§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz . . . . . . . . . . I. Anlegerrisiken und Risikobegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Stellung der Anleihegläubiger zwischen Aktionärs- und Regulierungsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konflikte mit Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konflikte mit den Interessen der Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . III. Fallgruppen möglicher Beeinträchtigungen der Anleihegläubiger durch die Emittentin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beeinträchtigungen durch sorgfaltswidrige Geschäftsführung . . . . 2. Beeinträchtigungen durch einseitige Beeinflussungen der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen . . . . . . .

94 94 96 96 98 98 99 100

Inhaltsverzeichnis15 a) Einseitige Einflussnahmen auf bilanzwertorientierte Auslöse­ ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einseitige Einflussnahmen auf marktwertorientierte Auslöse­ ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einseitige Einflussnahmen auf regulatorisch-diskretionäre Auslöseereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beeinträchtigungen im Bereich der Grundlagenentscheidungen und Konzernierungsmaßnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 102 103 103 104

Zweiter Teil

Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im deutschen Recht de lege lata 

106

§ 4 Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Anlegerschutz durch individualschützendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Anlegerschutz durch funktionenschützendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Exklusivität mitgliedschaftlicher Einflussmacht durch das Rechtsprinzip der Verbandssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Aktienrechtlicher Verwässerungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Markt und Marktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Marktkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Bankenaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Liquiditätsanforderungen, Risikokontrolle und Dokumenta­ tionsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Verhaltenssteuerung durch regulatorisches Wandlungskapital  . 117 III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 5 Kontrolle der Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Transparenzkontrolle nach dem Schuldverschreibungsrecht . . . . . . . . II. Inhaltskontrolle nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung der Anleihebedingungen, § 305 Abs. 2 BGB . . . . . . 3. Bereichsausnahmen, § 310 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbot überraschender Klauseln und Unklarheitenregel, § 305c Abs. 1 und Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 120 121 122 123 124 125 128 130

§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Stand und Entwicklung der Informationsrechte von Hybridgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

16 Inhaltsverzeichnis II. Rechtsdogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schuldrechtliche Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Rechnungslegung im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch auf Auskunft im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruch auf Einsichtnahme in Bücher und Urkunden . . . . . . . . . IV. Ergebnis und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 134 135 136 138 139

§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung und Kündigungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Keine Abwehr- bzw. Unterlassungsansprüche gegen einzelne Geschäftsführungs- und Bilanzierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 II. Kein gesetzlicher Anspruch auf Wiederauffüllung des Kapitalkontos bzw. Nachholung von Zinsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Der Meinungsstand bei Genussrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Keine Übertragung auf Herabschreibungsanleihen . . . . . . . . . . . . . 144 III. Primäranspruch auf Ersatz ungerechtfertigter Verlustbeteiligungen . . 145 1. Problemfeld: Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und Spielräume im Bereich der Ergebnisermittlung und -verwendung . . . . . . . . . . 146 a) Beispiel: Rückstellungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Beispiel: Rücklagenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Beispiel: Reservenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Bestehende Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Primärrechtlicher Schutz der Hybridgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Schuldrechtliche Grenzen für arglistiges Verhalten . . . . . . . . . . 153 IV. Sekundäranspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . 154 V. Keine gesellschaftsrechtliche Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 VI. Keine vertragliche Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Sachwalterhaftung gem. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Haftung über den Anstellungsvertrag des Vorstands gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i. V. m. mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 VII. Deliktische Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Kein Anspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Begrenzte Ansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Anspruch gem. § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Zurechnung des Organverhaltens analog § 31 BGB . . . . . . . . . . . . 162 VIII. Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 162 IX. Kündigungsrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 X. Ergebnis und weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 164 § 8 Die Judikatur des Bundesgerichtshofes zur gesteigerten Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Wesentliches zum Begriff des Genussrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Rechtsnatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Inhaltsverzeichnis17 2. Typenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Aktiengleiche Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Obligationenähnliche Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Aktienähnliche Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Fungible Genussscheine und bilaterale Genussrechtsverträge . . . . 171 II. Die historische Entwicklung der Judikatur zur Haftung für sorgfaltswidrige Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Die restriktive Rechtsprechung des Reichsgerichts im Jahr 1922 . 173 2. Die Forderung von Treue- und Rücksichtnahmepflichten im Schrifttum der 1980er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Argument: Kompensation fehlender mitgliedschaftlicher Einflussmacht trotz wirtschaftlicher „Als-Ob-Mitgliedschaft“ . 175 b) Argument: Nähe zu fiduziarischen Rechtsverhältnissen . . . . . . 176 3. Die Stärkung des Anlegerschutzes in den 1990er Jahren . . . . . . . . 177 a) Das „Klöckner-Urteil“ des Bundesgerichtshofes vom 5.10.1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Die Aufnahme des „Klöckner-Urteils“ im Schrifttum . . . . . . . . 179 4. Die Ausdehnung der Judikatur auf den Anwendungsbereich des Kreditwesengesetzes im Jahr 2014  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Der Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29.4.2014  . . . . . . . . 184 5. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10.6.2016 . . . . . . . . . . . . 185 6. Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 III. Tatbestand und Rechtsfolgen eines Sekundäranspruches nach den Grundsätzen der „Klöckner-Judikatur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Verletzung von Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Keine Anwendung von § 93 Abs. 1 AktG im Außenverhältnis . 189 b) Pflicht zur Unterlassung kaufmännisch-unseriöser Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Pflicht zur Einhaltung des satzungsmäßigen Unternehmens­ gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Haftungsausfüllender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Naturalrestitution oder angemessene Entschädigung? . . . . . . . . 196 b) Berechnung des Differenzschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5. Nachrangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6. Haftungsfreizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 § 9 Zur Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Der Meinungsstand zur sachlichen Reichweite der „KlöcknerGrundsätze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

18 Inhaltsverzeichnis 1. Anwendbarkeit auf obligationenähnliche Genussrechte . . . . . . . . . 201 2. Anwendbarkeit auf Nachranganleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Anwendbarkeit auf herkömmliche Wandel- und Optionsanleihen . 202 4. Anwendbarkeit auf umgekehrte Wandelanleihen . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Zur Abgrenzbarkeit der Haftungsdogmatik im Allgemeinen . . . . . 205 2. Zur Reichweite bei der neuen Kapitalklasse im Besonderen . . . . . 206 a) Keine Sperrwirkung des Art. 52 CRR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Vereinbarkeit mit dem Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach der BRRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Parallele zum Debt-Equity-Swap gem. § 5 SchVG . . . . . . . . . . 210 3. Zu einer differenzierten Lösung bei der neuen Kapitalklasse . . . . 211 III. Ergebnis und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Dritter Teil

Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen 

§ 10 Das US-amerikanische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die einzelstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Stellung der Hybridgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das bundeseinheitliche Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Securities Act von 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trust Indenture Act von 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die einzelstaatlichen „Blue Sky Laws“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kautelarjuristischer Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwässerungsschutzklauseln (Antidilution Provisions) . . . . . . . . . 2. Handlungsbeschränkende Klauseln (Restrictive Covenants) . . . . . . 3. Gläubigerstimmrechte (Voting Rights) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ungeschriebener Anlegerschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Corporate Law – „Fiduciary Duties“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Minderheitsauffassung: Erstreckung der Treubindung auf das Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die herrschende Meinung: Beschränkung der Treubindung auf das Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Contract Law – „Good Faith and Fair Dealing“ . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 214 214 214 215 216 217 218 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 232 234

§ 11 Das Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Inhaltsverzeichnis19 a) Kontrollrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Verwässerungsschutz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Kautelarjuristischer Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Verwässerungsschutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Ausgestaltung der Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter . 248 3. Kontrolle der Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Ungeschriebener Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Vierter Teil

Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda 

252

§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“ . . . . . . . . . . . . . . I. Bezugspunkte und Grenzen der Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

253 253 255 255 256 257 258 258 260

§ 13 Die nationale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gestaltung der Risikoordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragliche Schutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeiner zivilrechtlicher Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldrechtliches Schädigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsmissbrauchslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Rechtsmissbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unionsrechtliches Rechtsmissbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung der Schutzzecklehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sekundäre Darlegungs- und Beweislast als mögliches Korrektiv . . . . 1. Der Stand der Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung auf das Untersuchungsthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260 261 262 262 263 264 264 266 268 269 270 271 272

§ 14 Die europäische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Zur Möglichkeit einer Sonderregelung für regulatorische Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 II. Dogmatische Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Systematischer Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

20 Inhaltsverzeichnis 2. Das europäische Anlegerentschädigungssystem . . . . . . . . . . . . . . . a) Einheitliche Abwicklungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verwaltung der Abwicklungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bereits de lege lata bestehende Entschädigungsansprüche . . . . III. Ausweitung des europäischen Anlegerentschädigungssystems . . . . . . 1. Die Vorteile der europäischen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Lösung . . . . . . . . . a) Vermeidung eines „Moral Hazard“ durch eine kollektive Bankenhaftung für individuelle Pflichtverletzungen . . . . . . . . . b) Keine verfassungswidrige Verkürzung des Rechtsschutzes . . . . c) Keine Zweckentfremdung der Fondsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277 277 278 279 279 281 284 284 285 286 286

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AbwMechG Abwicklungsmechanismusgesetz a. F.

alte Fassung

AG

Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AktG Aktiengesetz Art. Artikel Aufl. Auflage ausf. ausführlich BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAG Bundesarbeitsgericht BankG

Bankengesetz (Schweiz)

BaslKomm

Basler Kommentar

BB Betriebsberater BBl

Bundesblatt (Schweiz)

BCBS

Basel Committee on Banking Supervision

B. C. L. Rev.

Boston College Law Review

Bd. Band BeckRS Beck-Rechtsprechung Begr. Begründung BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. Bundesgesetzblatt BGE

Bundesgerichtsentscheidung (Schweiz)

BGH Bundesgerichtshof BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BIZ

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

BörsG Börsengesetz BRRD

Banking Recovery and Resolution Directive

bspw. beispielsweise

22 Abkürzungsverzeichnis Bus. Law.

Business Lawyer

BT-Drucks. Bundestag-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa CFL

Corporate Finance Law

Colum. Bus. L. Rev.

Columbia Business Law Review

Colum. L. Rev

Columbia Law Review

CRD

Capital Requirements Directive

CRR

Capital Requirements Regulation

DAV

Deutscher Anwaltverein

DB

Der Betrieb

ders. derselbe d. h.

das heißt

DJT

Deutscher Juristentag

DStR

Deutsches Steuerrecht

DZWir

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

EBA

European Banking Authority

Erw. Erwägung ErwG Erwägungsgrund ESMA

European Securities and Markets Authority

EStG Einkommensteuergesetz EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuR

Zeitschrift Europarecht

f.

und der/die/das Folgende

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FCA

Financial Conduct Authority

ff.

und die Folgenden

FIDLEG

Finanzdienstleistungsgesetz (Schweiz)

FINIG

Finanzinstitutsgesetz (Schweiz)

FINMA

Eidgenössische Finanzmarktaufsicht

Fla. St. U. L. Rev.

Florida Sate University Law Review

Fn. Fußnote FS Festschrift FSB

Finacial Stability Board

FSOC

Financial Stability Oversight Council

Abkürzungsverzeichnis23 gem. gemäß GesKR

Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Großkomm Großkommentar GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Harv. Bus. L. Rev.

Harvard Business Law Review

Harv. L. Rev.

Harvard Law Review

HdB Handbuch HGB Handelsgesetzbuch h. L.

herrschende Lehre

Hous. Journ. Int’l L.

Houston Journal of International Law

Hs. Halbsatz IAS

International Accounting Standards

Insb. Insbesondere InsO Insolvenzordnung i. S. d.

im Sinne des

ISIN

International Securities Identification Number

i. V. m.

in Verbindung mit

jew. jeweils Journ. Applied Corp. Fin.

Journal of Applied Corporate Finance

Journ. Banking & Fin. Journal of Banking and Finance Journ. Corp. L.

Journal of Corporation Law

Journ. L. & Com.

Journal of Law and Commerce

Journ. L. & Society

Journal of Law and Society

JZ Juristenzeitung KölnKomm

Kölner Kommentar

KStG Körperschaftsteuergesetz KWG Kreditwesengesetz LG Landgericht Lit. Literatur lit.

littera (Buchstabe)

MAR

Market Abuse Regulation

MBCA

Model Business Corporation Act

RMBCA

Revised Model Business Corporation Act

Min. L. Rev.

Minnesota Law Review

24 Abkürzungsverzeichnis Mio. Millionen MünchKomm

Münchener Kommentar

MREL

Minimum requirements for own funds and eligible liabilities

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

Nachw. Nachweis n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Notre Dame Journ. L. Notre Dame Journal of Law, Ethics and Public Policy Ethics & Pub. Pol’y Nr. Nummer Nw. Journ. Int’l L. & Bus

Northwestern Journal of International Law and Business

N.Y.U. L. Rev.

New York University Law Review

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

NZZ

Neue Zürcher Zeitung

OLA

Orderly Liquidation Authority

OLG Oberlandesgericht OR Obligationenrecht Publ. L. No.

Public Law Number

RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung S. Satz/Seite/Siehe SA

Securites Act

SAG

Sanierungs- und Abwicklungsgesetz

SchVG Schuldverschreibungsgesetz SEA

Securites Exchange Act

SEC

Securities and Exchange Commission

Sec. Section SJZ

Schweizerische Juristen-Zeitung

sog. sogenannte/n SRM

Single Resolution Mechanism

SRM-VO

Single Resolution Mechanism Verordnung

SSM

Single Supervisory Mechanism

Abkürzungsverzeichnis25 ST Der Schweizer Treuhänder St. Ständige St. John’s Journ. Saint Johns’s Journal of Legal Commentary Legal Comment. St. John’s L.Rev Saint Johns’s Law Review Stat. Statute SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht TIA Trust Indenture Act TLAC Total loss absorbtion capacity u. und u. a. unter anderem U. Cin. L. Rev. University of Cincinnati Law Review U. St. Thomas Journ. University of St. Thomas Journal of Law and Public Policy L. & Pub. Pol’y USA United States of America USC United States Code UmwG Umwandlungsgesetz v. vom VAG Versicherungsaufsichtsgesetz Va. L. & Bus. Rev. Virginia Law and Business Review Var. Variante VermBG Vermögensbildungsgesetz vgl. vergleiche Washington & Washington and Lee Law Review Lee L. Rev. Westl. Journ. Westlaw Journal Delaware Corporate Del. Corp. Wis. L. Rev Wisconsin Law Review WM Wertpapiermitteilungen WPg Die Wirtschaftsprüfung WpHG Wertpapierhandelsgesetz WpPG Wertpapierprospektgesetz WpÜG Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WuB Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZGB Zivilgesetzbuch (Schweiz) ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Gesellschaftsrecht

26 Abkürzungsverzeichnis Ziff. Ziffer ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht ZWR Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Einleitung Der Schutz von Kapitalanlegern im deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht hat im letzten Vierteljahrhundert eine „bemerkenswerte Karriere gemacht“1. Im Jahr 1975 von Hopt erstmals als „zentrales ordnungspolitisches Thema“2 beschrieben, hat sich der Anlegerschutz in nur wenigen Jahren von einem anfangs kaum beachteten Randgebiet zu einem allgemeinen Rechtsprinzip der deutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung des späten 20. Jahrhunderts entwickelt3. Bereits im Jahr 1995 konnte Mülbert feststellen, dass der Anlegerschutzgedanke in Deutschland endgültig „als fester Bestandteil des juristischen Argumentationskanons“ angekommen sei, und zwar „als Grund gesetzgeberischer Normproduktion ebenso wie als richterliche Wertungsvariable“4. Heute, im Nachgang der globalen Finanzmarktkrise aus den Jahren 2007–2009, kann an diesem Befund kein ernstlicher Zweifel mehr bestehen. Längst hat der deutsche Anlegerschutz nicht nur Anschluss an internationale Standards gefunden, sondern er geht in vielen Bereichen sogar darüber hinaus. Die Finanzmarktkrise hat die ohnehin schon rasante Entwicklung anlegerschützender Gesetzesreformen zusätzlich befeuert und ist zugleich die Ursache für eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren, die sich mit dem Schutz von Bankanlegern befassen5. Dabei zeigt sich immer deut­ licher, dass die umfassenden Reformen in Richtung einer Europäischen Bankenunion die Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten zum Teil vor beachtliche Herausforderungen stellen. Insbesondere im Teilbereich des zivilrechtlichen Anlegerschutzes sind zahlreiche Einzelfragen der Rechtsanwendung ungeklärt6. 1  Fleischer,

Gutachten F für den 64. DJT, F. 18. Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, Vorwort. 3  Vgl. Grundmann/Hopt, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307, 313; zur Entwicklung des Anlegerschutzes als Rechtsprinzip ausf. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 477 ff.; für eine Bestandsaufnahme zu Entwicklungslinien des Anlegerschutzes in einzelnen Rechtsgebieten s. Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 1, 77 ff. 4  Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 105 f. 5  Anschaulich Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 162 („investor protection overload“). 6  s. zur Konkurrenz von Aufsichts- und Zivilrecht die Ausführungen bei Maurenbrecher, FS von der Crone, S. 555, 559 ff.; für eine Grundlagenuntersuchung zum Spannungsfeld zwischen europäischem Bankenrecht und nationalem Privatrecht Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, passim. 2  Der

28 Einleitung

Die vorliegende Arbeit nimmt sich eine dieser Einzelfragen zum Gegenstand und antizipiert eine Problemstellung, mit der sich deutsche Gerichte noch nicht zu befassen hatten: Den zivilrechtlichen Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vor Beeinträchtigungen ihrer Rechtsstellung durch die Emittentin. Mit bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen drängt eine neuartige, zuvor kaum beachtete hybride Kapitalklasse auf den Markt, die bei der Finanzierung von Banken unter dem neuen europäischen Eigenmittelregime eine zentrale Stellung einnimmt. Funktion, Risikostruktur und rechtlicher Rahmen der neuen Instrumente geben Anlass, tradierte Anlegerschutzlösungen im deutschen Recht der Hybridfinanzierung erneut zu überdenken.

I. Theoretische Standortbestimmung Ein Unternehmen kann grundsätzlich auf drei Wegen finanziert werden: Einbehalt erwirtschafteter Gewinne (Binnenfinanzierung), das eingebrachte Anteilskapital der Gesellschafter (Eigenkapital) und Drittmittelzuführung (Fremdkapital). Die beiden letztgenannten Kategorien bezeichnen im Bereich der Organisationsformen nach der Herkunft der Finanzmittel klassischerweise die typischen Pole der Unternehmensfinanzierung, bei der Aktiengesellschaft den „typischen“ Aktionär und den „typischen“ Fremdkapitalgeber. In der Wirklichkeit der modernen Finanzierungspraxis ist diese duale Betrachtungsweise indes längst überholt. Eigenkapital muss nicht mehr notwendigerweise aus der Gesellschaftersphäre (im Wege der Mitgliedschaft) stammen, sondern kann auch auf Grundlage eines Schuldvertrages zugeführt werden. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht bietet diese Entwicklung aus mehreren Gründen Raum für Diskussionen. Die von Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit bei der Gestaltung schuldrechtlicher Finanzierungsinstrumente lässt nicht nur die Grenze zwischen den Kategorien Eigenkapital und Fremdkapital zunehmend verschwimmen, sondern kann – wie am Beispiel der neuen Kapitalklasse zu zeigen sein wird – auch innerhalb der Kategorie Eigenkapital zu Interessenkonflikten zwischen einzelnen Kapitalgebergruppen führen, deren Bewältigung die Rechtsordnung vor beachtliche Herausforderungen stellt7.

7  Dies zeigt sich etwa bei der Diskussion um die Ausrichtung der Vorstandspflichten nach dem Shareholder Value oder auch den Interessen anderer Stakeholder, vgl. dazu eingehend für das deutsche Gesellschaftsrecht und mit Bezügen zu anderen Rechtsordnungen Klöhn, ZGR 2008, 110, 138; zur Diskussion in der Schweiz Sommer, Die Treuepflicht des Verwaltungsrats gemäss Art. 717 Abs. 1 OR; zur Paralleldiskussion in den USA Partnoy, 31 Journ. Corp. L. (2006), 799, 819 ff.

Einleitung29

1. Hybride Finanzierungsinstrumente Unter dem Schlagwort „Mezzanine“8 hat die Innovationskraft der Finanzmärkte eine Vielzahl von Finanzierungsinstrumenten hervorgebracht, die sich weder dem Fremd-, noch dem Eigenkapital eindeutig zuordnen lassen9. Die hybriden Titel vereinen Elemente beider Seiten in verschiedener Intensität. Zu nennen sind etwa Genussrechte, Nachrangdarlehen, Wandel- und Options­ anleihen oder stille Gesellschaftereinlagen, jeweils in unzähligen Gestaltungstypen. Die Grenzziehung zwischen den Regelungsbereichen wird weiter dadurch erschwert, dass das deutsche Recht keine allgemeine, das Handels-, Gesellschafts-, Aufsichts- und Steuerrecht umfassende, Bestimmung der Begriffe „Eigenkapital“ und „Fremdkapital“ enthält, sondern die in den jeweiligen Rechtsgebieten maßgeblichen Vorschriften eine Aufteilung nur beschränkt auf ihren jeweiligen Anwendungsbereich vornehmen10. Das Hybridkapital soll die Vorteile des Eigenkapitals als Residualgröße mit denen einer rein schuldrechtlichen Finanzierung vereinen: Gesellschaftsrechtlich wird eine Stärkung der Eigenkapitalbasis möglich, ohne dass den Kapitalgebern mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt werden müssen; steuerrechtlich ergeben sich unter bestimmten Voraussetzungen Kostenvorteile durch die Abzugsfähigkeit von Ausschüttungen nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG; aufsichtsrechtlich können Eigenkapitalvorgaben bei Einhaltung bestimmter gesetzlicher Vorgaben durch hybride Finanzierungsinstrumente erfüllt werden. Voraussetzung für eine Einordnung als wirtschaftliches Eigenkapital ist aber, dass der Anleger eigenkapitaltypische Haftungsrisiken übernimmt, er sich also – vereinfacht gesagt – dem Schicksal des Unternehmens auf „Gedeih und Verderb“11 unterwirft. Der Anleger hat wirtschaftliche Verluste vorrangig vor den übrigen Gläubigern zu tragen, sich im Fall einer Insolvenz oder Liquidation im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern nachrangig bedienen zu lassen und sein Kapital für eine gewisse, festgelegte Dauer bindend zur Verfügung zu stellen12. 2. Entwicklungen im Bankenrecht Bei der Finanzierung von Banken kommt hybriden Finanzierungsinstrumenten zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Kapitalvorgaben traditionell eine 8  Der Begriff Mezzanine stammt aus der italienischen Architektur während der Renaissance und des Barock. Er bezeichnet ein niedriges Zwischengeschoss inmitten zweier Hauptstockwerke. 9  Statt vieler Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 258 ff. 10  Vgl. Wiedemann, FS Beusch, S. 893 f.; Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 214 f. 11  Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 383. 12  Vgl. Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 896 ff.

30 Einleitung

wichtige Rolle zu. Seit dem Hypothekenbankengesetz von 1863 sind in der Finanzmarktaufsicht Kapitalvorgaben anzutreffen13. Auch im Gebäude der Europäischen Bankenunion, das sich aus einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM), einem einheitlichen Sanierungs- und Abwicklungsrecht für Banken (Single Resolution Mechanism, SRM) und einheitlichen Standards für die nationalen Einlagensicherungssysteme zusammensetzt, stellen prudentielle Eigenmittelvorgaben eine tragende Säule dar. Die Eigenkapitalbasis europäischer Finanzinstitute soll durch das im Jahr 2013 in Kraft getretene Regelungspaket CRR14/CRD IV15 quantitativ und qualitativ verbessert werden. Eine Neuerung ist das aus der US-Wissenschaft stammende Contingent Capital, eine hybride Kapitalklasse, die einen Bail-out auf Kosten des Steuerzahlers in zukünftigen Bankenkrisen entbehrlich machen soll, indem bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen bei Eintritt von vorab festgelegten krisenindizierenden Ereignissen in hartes Kernkapital der Emittentin umgewandelt bzw. vollständig oder zeitweise wertberichtigt werden16. Durch die automatisierte Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen sollen implizite Staatsgarantien aufgelöst und die Gläubiger in die Haftung gezogen werden. In der Praxis werden diese Anleihen oftmals unter dem Sammelbegriff Contingent Convertible Bonds (CoCo Bonds) zusammengefasst. Für den Verlauf dieser Arbeit ist es aber wichtig, folgende Anleihetypen begrifflich zu unterscheiden: – bedingte Pflichtwandelanleihen (Contingent Convertible Bonds, CoCo Bonds), die bei Eintritt eines vorab in den Anleihebedingungen festgelegten Auslöseereignisses in eine nach einem ebenfalls festgelegten Muster bestimmte Menge von Aktien umgewandelt werden; – bedingte Herabschreibungsanleihen (Principal Writedown Bonds), deren Nennwert bei Eintritt des Auslöseereignisses ganz oder teilweise wertberichtigt wird. Dadurch werden die Verbindlichkeiten der Bank reduziert, sodass sich ein außerordentlicher Ertrag ergibt; sowie – temporäre Herabschreibungsanleihen (Temporary Writedown Bonds), deren Nennwert bei Eintritt des Auslöseereignisses vorübergehend reduziert wird, um die Eigenkapitalquote vorübergehend, d. h. bis zum Eintreten einer organischen Verbesserung zu entlasten. Ist dieser Zustand eingetre13  Vgl.

Schwennicke/Auerbach/Auerbach/Fischer, KWG, 1. Aufl. 2009, § 10 Rn. 2. (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, ABl. L 176, S. 1. 15  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. L 176, S. 338. 16  s. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 309 ff. 14  Verordnung

Einleitung31

ten, wird der Wert der Anleihe wieder auf den ursprünglichen Wert angehoben. Für die Finanzierungspraxis sind die Reformen erheblich. Bereits in der Zeit zwischen Januar 2009 und September 2014 wurden weltweit 188 verschiedene bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen von 68 verschiedenen Banken emittiert17. Bis Ende 2017 war die Anzahl allein in Europa auf 398 Emissionen mit einem Gesamtvolumen von 230 Milliarden Euro angestiegen18. Trotz der anfänglichen Markteuphorie war das Emis­ sionsvolumen zuletzt etwas rückläufig19 und in Bezug auf ihre Effektivität und rechtliche Behandlung im europäischen Bankenrecht werden CoCo Bonds insbesondere wegen befürchteter negativer Anreizwirkungen zunehmend auch kritisch gesehen20. 3. Problemstellung Der deutsche Gesetzgeber hat die europarechtlichen Vorgaben im Zuge der „Aktienrechtsnovelle 2016“ umgesetzt21. Hierzu war eine Anpassung des bestehenden Aktionärsschutzes nach den §§ 192, 194, 221 AktG erforderlich, da Wandelanleihen – anders als Herabschreibungsanleihen – durch die Umwandlung in hartes Kernkapital eine Verwässerung der Stimm- und Vermögensrechte der Altaktionäre auslösen können. Damit enthält das Aktiengesetz nun zwar Vorschriften, welche die Altaktionäre bei der Begebung von Wandelanleihen vor einer drohenden Verwässerung ihrer Beteiligung schützen, den Schutz der Anleihegläubiger überlässt es aber weitgehend dem Bürger­ lichen Recht. Das ist durchaus bemerkenswert, haben doch bereits die ersten Arbeiten im US-amerikanischen Schrifttum darauf hingewiesen, dass insbesondere bei Herabschreibungsanleihen und Wandelanleihen mit geringem Verwässerungspotential Anreize für Emittenten bestehen können, die Wandlungs- oder Herabschreibungsbedingungen durch opportunistische Verhal17  Vgl. Avdjiev/Bolton/Jiang/Kartasheva/Bogdanova, CoCo-Bond Issuance and Bank Funding Costs, S. 1, 24 (Statistik ohne Versicherungen u. andere Nichtbanken). 18  Deutsche Bundesbank, Monatsbericht v. März 2018, S. 54, abrufbar unter https: //bundesbank.de; Übersicht der Emissionen bis April 2018 bei Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, S.  285 ff. 19  Exemplarisch aus der Tagespresse Luft, NZZ v. 6.2.2016, abrufbar unter https:// www.nzz.ch. 20  Vgl. nur den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank v. März 2018, S. 53 ff., abrufbar unter https://www.bundesbank.de. 21  s. zu den Reformen durch die „Aktienrechtsnovelle 2016“ Seibert, FS Kübler, S.  665 ff.; Ihrig/Wandt, BB 2016, 6 ff.; Haag/Peters, WM 2015, 2303 ff.; Wehrhahn, GWR 2016, 133 ff.; Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, passim; ausf. u. m. w. N. 1. Teil: § 1 III.

32 Einleitung

tensweisen aktiv herbeizuführen22. Auch in der Schweiz, die bei der Einführung der neuen Kapitalklasse eine Vorreiterrolle eingenommen hat, weist nahezu jeder Literaturbeitrag zum Thema auf die wirtschaftlichen Gefahren einer einseitigen bzw. sogar manipulativen Risikoverschiebung durch die Emittentin hin, aber es existiert kein einziger Beitrag, der sich damit auseinandersetzt, wie mit diesen Risiken rechtlich umzugehen ist23. Kaum behandelt ist auch der Umstand, dass die Anleihen unter dem europäischen Eigenmittelregime nicht nur Wandlungs- oder Herabschreibungsklauseln enthalten müssen, sondern es zudem in das Ermessen der Emittentin stellen, laufende Zinszahlungen (endgültig) ausfallen zu lassen24. Dieser Themenbereich erlangte erstmals im Januar 2016 praktische Bedeutung, als Anleihegläubiger der Deutsche Bank AG aufgrund hoher Verlustmeldungen fürchten mussten, dass die Bank laufende Zinszahlungen an Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen aussetzen würde25. Aus der Rechtsprechung zu Genussrechten sind ähnliche Anlegerschutzfragen seit den 1990er Jahren bekannt. Erst jüngst sind Gerichtsverfahren von stillen Gesellschaftern und Genussrechtsinhabern gegen verschiedene deutsche Banken in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, die sich mit der Frage befassen, inwieweit Emittenten Hybridgläubiger durch die Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte benachteiligen können26. Es wird vermutet, dass sich analoge Rechtsfragen auch bei den neuen Eigenkapitalsurrogaten stellen werden. Dabei laufen die Einzelprobleme stets auf die allgemeine Frage hinaus, inwieweit vom Shareholder Value und von einer strengen Bankenaufsicht getriebene Emittenten über das Schicksal von Hybridgläubigern befinden können bzw. welche Grenzen das deutsche Anlegerschutzrecht einem benachteiligenden Verhalten setzt. Hier liegt das Thema dieser Arbeit. Wie schützt das deutsche Zivilrecht die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vor einseitigen opportunistischen Risikobeeinflussungen durch die Emittentin? Das Thema führt von der Anwendung und Reichweite allgemeiner zivilrechtlicher Institute des Gläubigerschutzes weiter zu der Frage, welcher Inte22  Vgl. Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 23; Himmelberg/Tsyplakov, Incentive Effects of Contingent Capital, 2012, S. 21 ff.; Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 5. 23  Vgl. etwa Härtsch, GesKR 2011, 193, 200; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 150; Böckli, SZW 2012, 181, 187 ff.; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 130; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 19. 24  Art. 52 Abs. 1 lit. l iii) CRR (sog. „Discretion To Pay“); vgl. aus der internationalen Rechnungslegung zudem die International Accounting Standards (IAS) 32. 25  Exemplarisch Frühauf, FAZ v. 30.1.2016, abrufbar unter http://www.faz.net. 26  Vgl. etwa die Sachverhalte zu den Verfahren gegen die IKB Industriebank AG und die HSH Nordbank AG, aufbereitet bei Schmidberger, BKR 2017, 309 ff.

Einleitung33

ressenschutz Hybridgläubigern de lege ferenda gewährt werden sollte. Klöhn bemängelte im Krisenjahr 2008, in Deutschland werde „die vorrangige Frage, ob Vorstände die Interessen der Gläubiger überhaupt über den gesetzlich und vertraglich vorgegebenen Umfang hinaus berücksichtigen müssen, […] kaum gestellt, geschweige denn vertieft analysiert.“27 Die Aussage, die sich auf die in den USA längst geführte Diskussion darüber bezog, ob sich die Unternehmensleitung allein nach dem Shareholder Value oder eben auch an den Interessen anderer Stakeholder zu orientieren habe, bedarf im Bereich der Hybridfinanzierung einer Ergänzung: Schon seit den 1990er Jahren verfolgt die deutsche Rechtsprechung zu Genussrechten eine Doktrin, nach der Emittenten den Gläubigern auf Schadensersatz haften, wenn sie ihre (schuldrecht­ liche) Pflicht, „in gewissem Umfang […] für die Erhaltung und den Schutz der Genussrechte zu sorgen, […] durch eine Geschäftstätigkeit, die dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand nicht entspricht oder die kaufmännisch schlechthin unseriös und verantwortungslos ist,“ verletzen28. Unter dem Einfluss der aufsichtsrechtlichen Reformen drängt sich die Frage auf, ob diese Rechtsprechung auf die neuen Eigenmittelsurrogate zu erstrecken ist bzw. ob auch Emittenten von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen einer gewissen Pflichtenbindung gegenüber den An­ leiheinhabern unterliegen. Die Frage ist bislang erst vereinzelt im Schrifttum behandelt, die Diskussion weitgehend offen.29.

II. Rechtsvergleichender Ansatz Diese Arbeit trägt zur gegenwärtigen Diskussion unter anderem durch einen Rechtsvergleich mit den Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten und der Schweiz bei. Die Rechtsvergleichung kommt nach Zweigert und Kötz dort zum Tragen, „wo Zweifel bei der Auslegung einer Norm behoben, wo Lücken in einem Rechtssystem durch den Richter behoben werden müssen“30. Sie bietet sich für das Arbeitsthema als weiterführende Methode an, denn das 27  Klöhn,

ZGR 2008, 110, 112. 119, 305, 306, 331 = NJW 1993, 57 – Klöckner; bestätigt durch BGH NZG 2014, 661 – Corealcredit; zuvor grundlegend Habersack ZHR 155 (1991), 391 ff.; Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genußschein, S. 305 ff.; zustimmend Lutter ZGR 1993, 291 302; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 190, 417; Hüffer/Koch/ Koch, AktG, § 221 Rn. 65a; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 171; Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312, 319 f.; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 595 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 360 ff.; Luttermann, DB 1993, 1809, 1812; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 119 ff. 29  Die ersten auf das konkrete Problem bezogenen Beiträge finden sich bei Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 189 ff.; darauf aufbauend KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 333 ff.; ferner Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 149 ff. 30  Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 16. 28  BGHZ

34 Einleitung

zivile Anlegerschutzrecht beruht – wie bereits angedeutet – in der Tat in weiten Teilen auf richterlichen Rechtsfortbildungen. Erst „der horizontale Schnitt durch die Systeme mehrerer Rechtsfamilien“, schreibt Esser, lässt erkennen, „ob ein Rechtsprinzip universale oder nur partikulare Bedeutung besitzt, dessen spezifische Rolle in einer bestimmten positiven Rechtsauffassung durch den vertikalen Schnitt entlang dem Rechtsbildungsvorgang gezeigt werden kann“.31 Dabei ist der Vergleich mit den USA und der Schweiz nicht willkürlich gewählt, sondern verspricht im Wesentlichen aus zweierlei Gründen einen Erkenntnismehrwert: In der angelsächsischen Rechtsfamilie, insbesondere in den USA, hat die Praxis, Wertpapiere mit dem Recht auszustatten, sie in andere Wertpapiere umzutauschen, eine mehrhundertjährige Tradition32. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Amerika Convertibles ausgegeben, um Investoren anzulocken, die im einsetzenden Industriezeitalter am Erfolg der stets kapitalhungrigen Eisenbahngesellschaften teilnehmen wollten33. Recht und Praxis wandelbarer Finanzierungsinstrumente sind in den USA entsprechend weit ausgebildet. Zahlreiche Rechtsfragen, mit denen sich der europäische Rechtskreis erst zu befassen beginnt, wurden in den Vereinigten Staaten bereits in anderen Zusammenhängen diskutiert. Es kann insofern bereichern, die Lösungsansätze des kasuistisch geprägten Common Law in das systematisch geprägte Civil Law zu übertragen. Gerade im Anlegerschutzrecht gilt die US-amerikanische Securities Regulation als wichtigster Orientierungspunkt34. Der Blick in das Schweizer Recht ist von Interesse, weil die Schweiz zwar ebenfalls dem deutschen Rechtskreis zugeordnet wird, anders als Deutschland aber nicht der EU angehört. Gesetzgeberische und richterliche Entscheidungen in der Schweiz unterscheiden sich von den deutschen, die oftmals von europarechtlichen Vorgaben und Zielvorstellungen beeinflusst sind. In seinem Gutachten für den 64. Deutschen Juristentag lobt Fleischer das schweizerische Börsen- und Kapitalmarktrecht für seine „beeindruckend dichte Aufbereitung in Wissenschaft und Praxis“35. Im Bankenaufsichtsrecht wird der Schweiz eine Vorreiterrolle zugeschrieben36 und im individuellen Anlegerschutzrecht geht die Schweiz historisch bedingt andere Wege als die 31  Esser,

Grundsatz und Norm, S. 28. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 300. 33  Vgl. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 244. 34  Vgl. Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT, F. 18. 35  Gutachten F für den 64 DJT, F 16. 36  Vgl. Grundmann/Hopt, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307, 318; Leippold, ST 2011, 913; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 151. 32  Vgl.

Einleitung35

meisten kontinentaleuropäischen oder angloamerikanischen Rechtsordnungen37.

III. Leitgedanken Es ist sinnvoll, vor dem Beginn der eigentlichen Untersuchung einige leitende Gedanken zu formulieren, die als Bezugspunkte für die auftretenden Regelungsprobleme und die zu besprechenden Lösungsansätze im Verlauf der Arbeit wiederkehren. Die erste Überlegung betrifft die sachliche Rechtsmaterie: Der Hybridgläubiger bewegt sich Regelungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt. Dementsprechend erhält auch das Recht des Anlegerschutzes seine Komplexität insbesondere durch das Zusammenfallen von Schuldvertrags-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Mit der Implementierung der Europäischen Bankenunion tritt nun eine neue aufsichtsrechtliche Dimension hinzu, deren dichtes Regelungsgeflecht sich zunehmend auf das Privatrecht auswirkt und in ein Spannungsfeld zu den nationalen Anlegerschutzkonzepten gerät. Es wird sich zeigen, dass die öffentlich-rechtlichen Funktionen von Hybridinstrumenten im europäischen Bankenrecht auch auf deren rechtliche Behandlung im Anlegerschutz durchschlagen. Die zweite Leitüberlegung betrifft die personelle Seite des Anlegerschutzes und beruht auf der Einsicht, dass es „den“ Anleger nicht gibt. In der Rechtswirklichkeit begegnet man verschiedenen Anlegergruppen, mit höchst unterschiedlichen Anlageinteressen und unterschiedlich ausgeprägter Schutzbedürftigkeit38. Anerkannte Anlegerschutzkonzepte können obsolet werden oder gar in Missbrauchsquellen umschlagen, wenn sich das Bild der ursprünglich schützenswerten Anleger in einem neuen Marktumfeld verändert. Im Verlauf der Arbeit wird deutlich werden, dass insbesondere diese Überlegungen eine Neubewertung der bestehenden Konzepte zum Schutz von Hybridgläubigern nahelegen. Die Pflichtendoktrin, nach der Emittenten gegenüber Genussrechtsinhabern für kaufmännisch-unseriöse oder außerstatutarische Geschäfte auf Schadensersatz haften, erscheint nicht nur im interna­ tionalen Vergleich als Fremdkörper, sondern stößt bei der neuen Kapitalklasse auch auf dogmatische Friktionen in teleologischer, systematischer und rechtspolitischer Hinsicht. Eine kautelarjuristische Vorsorge in den Anleihebedingungen ex ante sowie eine richterliche Kontrolle auf Einhaltung eines einheitlichen, schuldrechtlichen Mindeststandards „redlichen Vertragsvollzuges“ ex post reichen für den Schutz der ausschließlich professionellen Anle37  Vgl. die Länderberichte bei Keßler/Micklitz/Keßler, Anlegerschutz in Deutschland, Schweiz, Großbritannien, USA und der Europäischen Gemeinschaft, S. 141 ff. 38  Vgl. Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT, F. 21.

36 Einleitung

ger aus. Anstatt einen zivilrechtlichen Anlegerschutz durch eine dogmatisch fragwürdige Verschiebung materiell-rechtlicher Haftungsgrenzen oder die zweifelhafte Konstruktion besonderer vertraglicher Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten zu erreichen, können verbleibende Schutzdefizite durch eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast auf der Tatsachenebene korrigiert werden. Spannungen mit den Zielvorgaben der europäischen Bankrechtsreformen können durch eine rein nationale Anlegerschutzlösung indes nicht vollständig beseitigt werden. Als Reformansatz de lege ferenda wird daher am Schluss der Frage nachzugehen sein, ob und wie der Anlegerschutz für bankrechtliche Contingent Convertible Bonds im Recht der Bankenunion harmonisiert werden könnte. Dabei wird sich zeigen, dass Lösungen für eine Vereinheitlichung zwar durchaus denkbar sind, letztlich aber Bedenken und die Einsicht bleiben, dass eine befriedigende Lösung nur im Zusammenhang mit einer Neuabstimmung des europäischen Eigenmittel- und Abwicklungsrechts sinnvoll erfolgen kann.

IV. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit der rechtlichen Entwicklung der neuen Kapitalklasse in Deutschland, den Vereinigten Staaten und der Schweiz. Anschließend werden mögliche Ausgestaltungsarten von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen daraufhin betrachtet, wie die Parteien die Risikoordnung im Anleiheschuldverhältnis ex ante gestalten und damit den Risiken durch ein gläubigerbenachteiligendes Verhalten der Emittentin vorbeugen können. Am Ende des ersten Teils steht eine Analyse der besonderen Risiken von Investitionen in bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, die für den weiteren Verlauf der Arbeit in Fallgruppen eingeordnet werden. Der zweite Teil behandelt sämtliche Rechte und Grundsätze in den Gebieten des Schuldrechts, Gesellschaftsrechts, Kapitalmarktrechts und Bankenaufsichtsrechts, die zum Schutz der Anleihegläubiger de lege lata beitragen. Dabei wird zunächst die gesetzliche Ausgangslage vorgestellt, bevor auf institutionelle Schutzrechte sowie die Judikatur des BGH zur besonderen Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen eingegangen wird. Der Teil schließt mit einer Aufbereitung des gesamten Meinungsstandes zur sachlichen Reichweite der Rechtsprechungsgrundsätze und einer Auseinandersetzung mit den Argumenten, die für und gegen deren Übertragung auf die neue Kapitalklasse sprechen. Im dritten Teil werden die Rechtsordnungen der USA und der Schweiz in Bezug auf die dort bestehenden Anlegerschutzlösungen beleuchtet. Es wird sich zeigen, dass einige der für die deutsche Diskussion relevanten Fragen in

Einleitung37

den dortigen Jurisdiktionen schon gestellt und gelöst wurden. Daraus lassen sich zum Teil Rückschlüsse auf das deutsche Recht ziehen. Nachdem gezeigt wurde, dass die deutsche Rechtsprechung zum Schutz von Hybridgläubigern zum Teil erheblich von den Schutzsystemen der USA und der Schweiz abweicht, werden die im Lauf der Untersuchung gefundenen Ergebnisse systematisch ausgewertet und Lösungsansätze für die zu bewältigenden Anlegerschutzprobleme sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht diskutiert. Dieser Abschnitt bildet den vierten Teil.

Erster Teil

Grundlegung Die Entwicklung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen als Eigenkapitalsurrogate für Banken ist auf internationale Bestrebungen zu Finanzmarktreformen zurückzuführen, deren Wurzeln bis in die USamerikanische Finanzökonomie zurückreichen. Zunächst haben die neuartigen Anleihen in der Schweizer Bankrechtsgesetzgebung eine – international betrachtet – auffallend starke Bedeutung erhalten, aber auch in der Europäischen Bankenunion, die als das „größte ordnungspolitische Regelungspaket der unmittelbaren Gegenwart“ bezeichnet wird39, nehmen die neuen Anleihen im Gesamtkonzept des Bail-in eine bedeutende Stellung ein. Der Einfluss von Regulierung auf die verschiedenen Bereiche des Privatrechts, von denen der Bereich des zivilrechtlichen Anlegerschutzes im Zentrum dieser Arbeit steht, zeigt sich hier in besonderer Schärfe. Einerseits stellt die Einführung der neuen Hybridanleihen im Bankenrecht den Schutz der Anleger vor ungeahnte Herausforderungen, andererseits kann schon an dieser Stelle angedeutet werden, dass das nationale Anlegerschutzsystem zum Teil in Konflikt mit den Zielen des europäischen Gesetzgebers tritt. Das Spannungsfeld zwischen den Zielvorstellungen des neuen europäischen Bankenrechts und dem deutschen Anlegerschutz bei Hybridinstrumenten wird aber erst verständlich, wenn der Hintergrund der Reformen, die davon geprägten Ausgestaltungen der Anleihen sowie deren Relevanz für den Interessenschutz der Anleihegläubiger nachvollzogen sind. In diesem Sinne wird im Folgenden zunächst der rechtliche Entwicklungsverlauf bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen als bankenrechtliche Eigenkapitalsurrogate in Deutschland, den Vereinigten Staaten und der Schweiz nachgezeichnet (§ 1). Anschließend können privatautonome Ausgestaltungsarten und deren Bedeutung für die Anreizwirkung der Parteien behandelt werden (§ 2). Schließlich werden die besonderen Gefahren der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vor einseitigen Benachteiligungen durch die Emittentin als Ausgangspunkt für die nachfolgende dogmatische Untersuchung vertieft und in Fallgruppen eingeordnet (§ 3).

39  Grundmann,

ZHR 179 (2015), 563, 566.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 39

§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse Die Einführung und Verbreitung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in der Bankenregulierung beruht auf den Erfahrungen der Krisenjahre 2007–2009 und steht insofern im Zeichen der Krisenprävention und -bewältigung. Die internationale Entwicklung der neuen Kapitalklasse verläuft allerdings nicht parallel, sondern weicht in den Baseler Regelwerken (I.), der EU (II.), den USA (III.) und der Schweiz (IV.) zum Teil grundlegend voneinander ab.

I. Die Entwicklung der Baseler Regelwerke Vor der Abhandlung der normativen Grundlagen ist es sinnvoll, kurz auf die Entwicklung der Baseler Regelwerke nach der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 einzugehen. Die (formaljuristisch) lediglich unverbindlichen Empfehlungen des Baseler Ausschusses, der als freiwilliger Zusammenschluss der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden der G10-Staaten bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel angesiedelt ist40, bilden vielfach die Grundlage für bindende Rechtsakte sowohl auf nationaler als auch auf supranationaler Ebene41. Auch die Reformbewegungen im europäischen Bankenaufsichtsrecht sind maßgeblich durch die Empfehlungen des Baseler Ausschusses geprägt. 1. Basel I und Basel II Die europäischen Vorgaben zur Eigenkapitalausstattung von Banken finden ihren Ursprung in der als Basel I bekannten ersten Baseler Eigenkapitalvereinbarung, die im Jahr 1988 verabschiedet wurde und in Grundzügen noch heute unverändert in Kraft ist42. Basel I versuchte, die Stabilität von Kreditinstituten mit einer starren Mindesteigenkapitalquote von 8 Prozent der risikogewichteten Aktiva sicherzustellen, die anhand eines fünfstufigen Gewichtungsschemas nach festgelegten Risikoklassen berechnet wurde. Als die schematische Risikobewertung nach festgelegten Klassen bald als zu statisch empfunden wurde, ersetzte man sie im Jahr 1996 kurzerhand durch 40  Es wird geschätzt, dass bereits mehr als 100 Länder bei der Gestaltung und Strukturierung der Bankenaufsicht die Empfehlungen des Baseler Ausschusses berücksichtigt haben, s. Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 39 m. w. N. 41  Ausf. Wollersheim, Von der Krise zur Allfinanzaufsicht, S. 179 ff. 42  BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen v. Juli 1988.

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1. Teil: Grundlegung

bankinterne Bewertungsmodelle, die nicht mehr (nur) Ausfallrisiken, sondern insbesondere auch Marktrisiken berücksichtigen sollten43. Die Novelle gab die Risikoklassen aus Basel I allerdings nicht gänzlich auf, sondern überließ es weiterhin den Banken selbst, die Einteilung der Risiken vorzunehmen. Es zeigte sich schnell, dass Banken dazu neigten, bonitätsschwache Kunden, von denen höhere Zinsen verlangt werden konnten, gegenüber bonitätsstarken Kunden innerhalb einer Risikoklasse zu bevorzugen44. Vor diesem Hintergrund einigten sich Vertreter der Banken und Regierungen im Juni 2004 auf das als Basel II bekannte Abkommen, das zwar an der starren Eigenkapitalquote von 8 Prozent weiterhin festhielt, die einzelnen Risikoklassen und Gewichtungsschemata, mit deren Hilfe die Risikopositionen zu berechnen waren, nun aber konkret definierte45. Zudem sollte die Marktdisziplin durch detaillierte Regeln zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen, eine konkretere Definition des regulatorischen Eigenkapitalbegriffs, ein neues bankaufsichtsrechtliches Überprüfungsverfahren sowie weitgehende Publizitätspflichten gestärkt werden46. 2. Einsichten aus der Finanzkrise Die Krisenjahre 2007–2009 brachten allerdings auch unter Basel II Defizite der regulatorischen Eigenkapitalvorschriften zum Vorschein. Zum einen erwiesen sich die Eigenkapitalvorgaben von Basel II nicht nur als quantitativ unzureichend, sondern das anrechenbare Eigenkapital wies auch qualitativ eine zu geringe Verlustabsorptionsfähigkeit oberhalb der ­Insolvenzschwelle auf47. Die Banken konnten das regulatorische Eigenkapital im entscheidenden Moment nicht zur Verlustabdeckung nutzen, da sie ansonsten aufsichtsrechtliche Konsequenzen befürchten mussten. Das Eigen­ kapital hatte sowohl eine Risikobegrenzungs- als auch eine Pufferfunktion zu erfüllen, weshalb der Risikopuffer im Bedarfsfall nicht genutzt werden konnte, ohne zugleich die für das weitere Betreiben des Instituts erforder­ liche Risikobegrenzungsfunktion zu verletzen48. 43  BCBS, Änderungen der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken v. 1996; s. dazu Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 289; Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 40; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 118. 44  Vgl. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 291. 45  BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – überarbeitete Rahmenvereinbarung v. Januar 2004. 46  BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – überarbeitete Rahmenvereinbarung v. Januar 2004, Ziff. 40 ff., 719 ff. 808 ff. 47  Prägnant Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 218.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 41

Zum anderen erwies es sich als Fehler, dass man in Basel II an dem Konzept der fünfstufigen Risikoeinteilung nach Basel I festgehalten und den Aufsichtsbehörden nur die Kontrolle bankinterner Risikomodelle, nicht aber die Kontrolle der Einteilung konkreter Anlagen in die jeweiligen Risikoklassen übertragen hatte49. Auch nach Basel II blieb das Kernproblem von Basel I, die Möglichkeit, das regulatorische Eigenkapital künstlich „aufzublähen“, bestehen. So stellte die Summe der risikogewichteten Aktiva oft nur noch einen Bruchteil der tatsächlichen Aktiva dar50. Banken verklärten ihre Bilanzen aber nicht nur im Wege der bankeninternen Risikobewertung, sondern auch durch die Übertragung zweifelhafter Verbindlichkeiten auf Zweckgesellschaften51. Obwohl sie zumindest einen Teil der Risiken der Zweckgesellschaften zur Sicherung ihrer Bonität übernommen hatten, mussten sie diese Verbindlichkeiten nicht mehr bilanziell abbilden52. Schließlich zeigte sich, dass die starren Eigenkapitalvorgaben die Krise sogar verschärften53. Risikomesssysteme verzeichneten bei guter wirtschaftlicher Marktlage einen Rückgang der Risiken, sodass zusätzliche Risiken zur Steigerung der Eigenkapitalrendite übernommen werden konnten54. Als die gemessenen Risiken aufgrund eines konjunkturellen Umschwungs wieder anstiegen, reichte das vorhandene Eigenkapital nicht mehr zur Abdeckung der risikogewichteten Aktiva aus. Zum Teil mussten alle Institute gleichzeitig ihr Eigenkapital aufstocken oder risikogewichtete Aktiva reduzieren, um den regulatorischen (statischen) Eigenkapitalanforderungen zu genügen55. 48  Vgl. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 285 f., 294 Fn. 30; ders., FS Hopt, S. 2407, 2419 f. 49  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 22; Heun, JZ 2010, 53, 57; Sinn, Kasino Kapitalismus, S. 194 f.; ferner Hartmann-Wendels/Hellwig/Hüther/Jäger, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Bankenkrise, S. 11 ff. 50  Dies verdeutlichen die bei Sinn, Kasino Kapitalismus, S. 198, abgedruckten Beispielsfälle. Die Deutsche Bank etwa konnte im Jahr 2007 eine (vermeintlich) beruhigende Kernkapitalquote von 8,6 Prozent vorweisen, die Quote ihres ungewichteten Eigenkapitals betrug aber lediglich 1,9 Prozent. Auch die Kernkapitalquote der Hypo Real Estate betrug im Jahr 2007 7,0 Prozent, die Quote ihres ungewichteten Eigenkapitals lag aber bei nur 1,5 Prozent. 51  Ausf. zu dieser Praxis Florstedt, ZBB 2013, 81 ff.; zur Thematik auch Tröger, How Special Are They? – Targeting Systematic Risk by Regulating Shadow Banking, S.  14 ff. 52  Vgl. Heun, JZ 2010, 53, 57; Spindler, AG 2010, 601, 602; Sinn, Kasino Kapitalismus, S.  189 f., 196 f., 202 f. 53  Zur prozyklischen Wirkung der Eigenkapitalvorgaben ausf. Hellwig, Gutachten E für den 68. DJT, E 31 f.; Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 293 ff. 54  Vgl. Sinn, Kasino Kapitalismus, S. 204 ff.; Rudolph, FS Hopt, S. 2407, 2417 f. 55  Vgl. Rudolph, FS Hopt, S. 2407, 2417 f.; ders., ZHR 175 (2011), 284, 293; Sinn, Kasino Kapitalismus, S. 204.

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1. Teil: Grundlegung

3. Neuausrichtung durch Basel III Die Defizite von Basel II vor Augen, einigten sich die Vertreter der G20Staaten im September 2009 im Rahmen des Pittsburgh Summit auf ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Finanzmärkte und zur Abwehr künftiger Krisen56. Die damit verbundene Trennung von alten Kapitalbestandteilen und die geplante Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften setzten die Bilanzen der Banken anfangs unter erheblichen Druck. Auf der Suche nach Alternativen zum kostspieligen harten Kernkapital fand man die Lösung in einem bis dahin kaum beachteten ­Konzept der US-amerikanischen Finanzökonomie, nach der sich bestimmte Hy­bridanleihen – sog. Contingent Capital – in der Krise nach Regeln, die schon beim Vertragsschluss privatautonom festgelegt werden, unmittelbar in haftendes Kernkapital umwandeln sollen57. Die Anfänge dieser Kapitalklasse werden vielfach auf die Arbeiten von Culp58 und Flannery59 aus dem Jahr 2002 zurückgeführt, tatsächlich gab es entsprechende Ideen jedoch schon Anfang der 1990er Jahre von der Harvard Law Review Association60. a) Die neue Kapitalklasse: Contingent Capital Inzwischen existieren unzählige wissenschaftliche Beiträge zu den ökonomischen und rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Contingent Capital als Mittel der Krisenprävention und -bewältigung verschiedenartigste Funk­ tionen erfüllen kann61. Es soll an dieser Stelle zunächst genügen, auf zwei eigenmittelrechtliche Aspekte näher einzugehen. Der im Vordergrund stehende Zweck des Contingent Capital besteht darin, dass Gläubiger durch die Umwandlung oder Herabschreibung ihrer Anleihen in hartes Kernkapital Verluste der Bank bereits im laufenden Geschäftsbetrieb auffangen. Die Möglichkeiten von Banken, neues Kapital aufzunehmen, sind in Krisenzeiten regelmäßig limitiert, da sich die Fremdkapitalaufnahme mit dem Anstieg der Insolvenzrisiken verteuert und die Aktionäre einer Kapitalerhöhung wegen der damit verbundenen Verwässerung ihrer Beteiligung 56  Erklärung der G20 beim Gipfeltreffen in Pittsburgh v. 24./25.9.2009, abrufbar unter http://www.bundesregierung.de. 57  Vgl. Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 220. 58  15 Journ. Applied Corp. Fin. (2002), 46 ff. 59  No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, passim. 60  104 Harv. L. Rev. (1991), 1857 ff. 61  s. nur die umfassende Zusammenfassung bei Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 160 ff.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 43

oft kritisch gegenüberstehen. In der Folge bleibt den Banken oft nur, Verluste durch einen schnellen Verkauf von Risikoforderungen zu begrenzen („Fire Sales“). Der daraus folgende Sturz des Marktpreises kann andere Banken dazu zwingen, ihre Forderungen ebenfalls abzuwerten und damit ihre eigenen Eigenkapitalanforderungen möglicherweise nicht mehr zu erfüllen. Die neuen Anleihen sollen es den Banken ermöglichen, die eigene Verlustabsorptionsfähigkeit durch eine bilanzielle Umbuchung zu erhöhen, und zwar zu einer Zeit, in der die Gläubiger besicherter Forderungen von den Finanzierungsschwierigkeiten der Bank noch gar nicht betroffen sind. Die Wissenschaft geht über den Grundgedanken der Verlusttragung indes noch hinaus und erhofft sich von den neuartigen Anleihen zusätzlich einen disziplinierenden Effekt, der zur Auflösung der durch die Finanzmarktkrise offenbar gewordenen Fehlanreize beitragen soll. Unter dem alten Aufsichtsregime verzichteten Banken, bei deren Ausfall marktweite Ansteckungsgefahren zu befürchten waren, selbst bei größeren Verlusten auf eine gebotene Aufstockung ihres Eigenkapitals. Sie konnten auf eine staatliche Rettung vertrauen, da die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines regulären Insolvenzverfahrens schwerwiegender gewesen wären als die fiskalischen Kosten eines Bail-out („too big to fail“)62. Das Vertrauen auf implizite Staatsgarantien zersetzte das einer funktionierenden Marktwirtschaft inhärente Prinzip, nach dem jeder Marktakteur die Folgen seiner eingegangenen Risiken selbst zu tragen hat („Moral Hazard“)63. Die neue Kapitalklasse soll zur Aufhebung solcher impliziten Staatsgarantien beitragen, indem Verluste auf die Gesellschafter und die Anleihegläubiger aufgeteilt werden, bevor ein staatlicher Bail-out überhaupt in den Blick kommt64. Die bei der Wandlung von Wandelanleihen drohende Verwässerung der Stimm- und Vermögensrechte der Altaktionäre soll Anreize zu hohen Verschuldensgraden in der Krise abmindern65, die entstehen können, wenn eine Kapitalerhöhung auf62  Referat zur „too big to fail“-Diskussion bei Avgouleas/Cullen, 41 Journ. L. & Society (2014), 28, 49; Lambert/Ueda/Deb/Gray/Grippa, Global Financial Stability Report, 2014, Chapter 3, passim; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 812; aus dem deutschen Schrifttum s. Mülbert, FS U. H. Schneider, S. 855, 861 ff. 63  Vgl. Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 1.; Spindler, AG 2010, 601, 603 f.; Sinn, Kasino Kapitalismus, S. 130; Hellwig, Gutachten E für den 68. DJT, E 20 ff.; für den Blick aus der Schweizer Perspektive s. den Schlussbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen, v. 30.9.2010, S.  127 ff.; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 18. 64  Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 806; Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 285. 65  Vgl. Himmelberg/Tsyplakov, Incentive Effects of Contingent Capital, (2012) S.  2 f., 18.; Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 285, 297; Koziol/Lawrenz, 36 Journ. Banking & Fin. (2012) 90, 91; Busch/Ferrarini/Cahn/

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1. Teil: Grundlegung

grund der drohenden Insolvenz allein den Fremdkapitalgebern zu Gute käme („Debt Overhang“)66. Zusätzlich soll die Unternehmensführung dadurch einen Anreiz zu einer nachaltigen Geschäftspolitik erhalten, dass sie ihre Auswechslung im Nachgang einer Wandlung befürchten muss67. Die Auswechslung des Managements kann je nach Ausgestaltung der Anleihen sowohl von Gläubigern gefordert werden, die im Wandlungsfall eine erhebliche Beteiligung erhalten und ein Interesse an einem neuen Management haben, als auch von Altaktionären, die über die Verwässerung ihrer Beteiligung verärgert sind. Auf diese verhaltenssteuernde Funktion von bedingten Pflichtwandel­ anleihen wird im Verlauf der Arbeit vielfach zurückzukommen sein. Sie ist bei reinen Herabschreibungsanleihen mangels Verwässerungseffektes nicht gegeben, weshalb die Wissenschaft Wandelanleihen nahezu einhellig bevorzugt. b) Entwicklungsverlauf Nachdem sich bereits Ende des Jahres 2009 die von renommierten Ökonomen besetzte „Squam Lake“ Arbeitsgruppe für den Einsatz von Contingent Capital ausgesprochen hatte68, wurde der Ansatz im Januar 2010 von der Gruppe der Notenbankpräsidenten und Leiter der Aufsichtsbehörden aufgegriffen69, im Juni 2010 von den Vertretern der G20-Staaten auf dem Gipfeltreffen in Toronto erneut diskutiert70 und schließlich auf dem Gipfel in Seoul im November 2010 angenommen71. Der Baseler Ausschuss veröffentlichte noch im Dezember 2010 sowohl einen globalen Regulierungsrahmen für Kenadjian, European Banking Union, S. 221; Henkel/Kaal, 32 Nw. Journ. Int’l L. & Bus (2012), 191, 242; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17. 66  Im Insolvenzrecht ist dieses Problem bereits seit langem unter dem Stichwort „Gambling for Resurrection“ bekannt: Erwirtschaftet das Unternehmen außerordent­ liche Erträge, so kann es die bilanzielle Überschuldung überwinden. Erwirtschaftet es hingegen außerordentliche Verluste, so gehen diese alleine zu Lasten der Insolvenzmasse und damit der Gläubiger, s. dazu Flannery/Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S. 3. 67  Vgl. Calomiris/Herring, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), 39, 45 ff.; Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 323; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 150. 68  s.  French/Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, S. 54 ff.; dies., An Expedited Resolution Mechanism for Distressed Financial Firms: Regulatory Hybrid Securities, S.  1 ff. 69  BIZ, Group of Central Bank Governors and Heads of Supervision reinforces Basel Committee reform package, Press Release v. 11.1.2010. 70  Vgl. die Erklärung der G20 beim Gipfeltreffen in Toronto v. 26./27.6.2010, abrufbar unter http://www.bundesregierung.de. 71  Vgl. die Erklärung der G20 beim Gipfeltreffen in Seoul v. 11./12.11.2010, abrufbar unter http://www.bundesregierung.de.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 45

widerstandsfähigere Banken und Banksysteme als auch eine internationale Rahmenvereinbarung über die Messung, Standards und Überwachung des Liquiditätsrisikos72. Dieses als Basel III bekannte Abkommen empfiehlt insgesamt strengere globale Anforderungen an die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken. Es beinhaltet engere Definitionen für die Anerkennung von Kapitalinstrumenten, die Einführung einer Höchstverschuldungsgrenze („Leverage Ratio“), die den Aufbau übermäßiger Fremdfinanzierung eindämmen und einen zusätzlichen Schutz vor Modellrisiken und Messfehlern bieten soll, sowie die Einführung höherer Eigenkapitalquoten. In einem Praxisvorschlag für Anforderungen an die zusätzliche Verlustabsorptionsfähigkeit systemrelevanter Institute („Global Systemically Important Banks, GSIB“) von November 2011 äußerte sich der Baseler Ausschuss zunächst noch kritisch zur Verwendung von Contingent Capital in der Bankenregulierung73. Die Zurückhaltung begründete der Ausschuss unter anderem mit Unsicherheiten bei der Bewertung der neuen Instrumente74. Die ökonomischen Vorteile kämen nur dann zum Tragen, wenn der Wandlungsmechanismus auch tatsächlich so wie beabsichtigt funktionieren würde. Manipulationsgefahren durch Emittenten und Marktteilnehmer seien noch gar nicht absehbar. Schließlich konnte sich der Baseler Ausschuss doch noch zu einem Ausgestaltungsvorschlag für bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durchringen75. Danach sollte eine Wandlung der Anleihen bereits bei einem Unterschreiten einer harten Kernkapitalquote von 7 Prozent stattfinden76. c) Neue Eigenmittelvorgaben Qualitativ differenziert Basel  III zwischen dem Ergänzungskapital („Tier 2“) und dem Kernkapital („Tier 1“), das sich aus dem harten Kernkapital („Common Equity Tier 1“) und dem zusätzlichen Kernkapital („Addi­ tional Tier 1“) zusammensetzt. Die Bestandteile bilden zusammen das Gesamteigenkapital. Während das Kernkapital die Fortführung des Geschäfts72  BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme; ders., Basel III: Internationale Rahmenvereinbarung über Messung, Standards und Überwachung in Bezug auf das Liquiditätsrisiko. 73  BCBS, Proposal to ensure the loss absorbency of regulatory capital at the point of non-viability, S. 3. 74  Vgl. BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, Ziff. 83, S. 30 Anhang 3. 75  Vgl. BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, S. 30 Anhang 3. 76  Vgl. BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, S. 30 Anhang 3.

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1. Teil: Grundlegung

betriebes sicherstellen soll („Going Concern“), sichert das Ergänzungskapital den Insolvenzfall ab („Gone Concern“)77. Das harte Kernkapital beinhaltet insbesondere das gezeichnete Kapital, einbehaltene Gewinne, sonstige kumulierte Erträge und Rücklagen. Das zusätzliche Kernkapital besteht aus unbefristeten nachrangigen Instrumenten, die insbesondere mit einem rein diskretionären Kupon versehen sind und bei Eintritt eines vorab festgelegten Bilanzwertes in hartes Kernkapital umgewandelt oder wertberichtigt werden. Das Ergänzungskapital bilden langfristige nachrangige Kapitalinstrumente. Quantitativ setzen sich die Eigenmittelvorgaben wie folgt zusammen: Das Mindesteigenkapital beträgt 8 Prozent der risikogewichteten Aktiva und setzt sich nach einer stufenweisen Anhebung seit Januar 2015 aus 6 Prozent Kernkapital, davon mindestens 4,5 Prozent hartes Kernkapital und im Übrigen zusätzliches Kernkapital, sowie dem Ergänzungskapital zusammen. Das Ergänzungskapital stellt immer die Differenz zwischen den Mindestanforderungen an das Gesamtkapital und denen an das Kernkapital dar und kann sowohl durch Ergänzungskapitalbestandteile als auch durch höherrangige Kapitalbestandteile unterlegt werden78. In Reaktion auf die prozyklische Wirkung der alten Eigenkapitalregeln wurde zusätzlich ein Kapitalerhaltungspolster in Höhe von 2,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva eingeführt, das in Krisenzeiten aufgezehrt werden kann, ohne dass die Aufsichtsbehörde Sanktionen gegen das betroffene Institut einleiten darf. Ausschließlich die vollständige oder teilweise Untersagung von Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter soll die Aufsichtsbehörde anordnen dürfen79. Der Puffer muss aus hartem Kernkapital bestehen, sodass sich der zwingend vorzuhaltende Kernkapitalanteil insgesamt auf 7 Prozent erhöht. Schließlich sollen die nationalen Aufsichtsbehörden ein weiteres, antizyklisches Kapitalpolster anordnen oder ausbauen dürfen, das aus hartem Kernkapital oder anderen Kapitalbestandteilen zusammengesetzt ist und für jede Bank individuell auf einen Wert zwischen 1 und 2,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva festgelegt wird80. Insgesamt kann sich danach eine Eigenkapitalanforderung von bis zu 13 Prozent ergeben, die zu 85 Prozent aus 77  Für die Einordnung in die einzelnen Kategorien sind Definitionen und ein Kriterienkatalog veröffentlicht, s. BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Ziff. 49 ff. 78  Vgl. BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Ziff. 94 b). 79  Vgl. BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Ziff. 130 f. 80  BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähige Banken, Anhang I, S. 2, 5 ff., 12, 27 f., 54 ff.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 47

Kernkapital bestehen muss. Dieses Polster soll einerseits in guten Phasen die Kreditvergabe bremsen und Spekulationsblasen vorbeugen, andererseits in konjunkturell schwachen Phasen zusätzliches Kapital zur Verfügung stellen, damit die Kreditvergabespielräume nicht zu sehr eingeschränkt werden81. Die jeweilige Aufsichtsbehörde muss die Anordnung dieses Kapitalpolsters allerdings bis zu zwölf Monate im Voraus ankündigen82.

II. Die Entwicklung in der Europäischen Union Die Empfehlungen des Baseler Ausschusses finden sich zu weiten Teilen in der europäischen Gesetzgebung nach der Finanzkrise wieder. Die vormals nationalen Eigenkapitalvorschriften wurden im Jahr 2012 zu großen Teilen durch detaillierte Regelungen im CRD IV/CRR-Regelungspaket ersetzt (1.). Nur zwei Jahre später sollten mit dem BRRD83/SRM-VO84-Regelungspaket neue Vorschriften für ein einheitliches Sanierungs- und Abwicklungsrecht für Banken folgen, die einerseits das Eigenmittelrecht ergänzen, andererseits die Funktionen der bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen aber auch überlagern (2.). Beide Reformenpakete haben in Deutschland weitreichende aktienrechtliche Reformen nach sich gezogen (3.). 1. Reformen im Eigenmittelrecht Da es im Verlauf der Arbeit auf den Wandel in der Funktion der regulatorischen Eigenkapitalpuffer ankommen wird, ist es sinnvoll, zunächst die zuvor geltenden Eigenkapitalvorgaben kurz darzustellen. Das alte Eigenmittelrecht folgte den Vorgaben von Basel II, die der europäische Gesetzgeber in 81  Deutsche Bundesbank, Basel III – Leitfaden zu den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken, 2011, S. 25, abrufbar unter http://www.bundesbank.de. 82  BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Ziff. 141. 83  Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. L 173, S. 190; umfassend novelliert durch die Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (sog. BRRD II). 84  Verordnung 2013/1024/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.10.2013 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. 225, S. 1; umfassend novelliert durch die Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (sog. SRMVO II).

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1. Teil: Grundlegung

der Bankenrichtlinie85 verankert und der deutsche Gesetzgeber im Kreditwesengesetz umgesetzt hatte. a) Eigenmittelvorgaben nach dem Kreditwesengesetz alter Fassung Nach § 10 Abs. 1 S. 1 KWG a. F. mussten Kreditinstitute „im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere im Interesse der Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte“ angemessene Eigenmittel vorhalten. Die Frage der Angemessenheit der Eigenmittel wurde allerdings nicht im Kreditwesengesetz geregelt, sondern in der aufgrund von § 10 Abs. 1 S. 9 KWG a. F. ergangenen Solvabilitätsverordnung86. Die Eigenmittel eines Kreditinstitutes setzten sich aus haftendem Eigenkapital und Drittrangmitteln zusammen, die nach der Qualität der durch sie bereitgestellten Haftungsmasse abgestuft wurden. Das haftende Eigenkapital bildete nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 S. 2 KWG a. F. das Kernkapital auf der einen und das Ergänzungskapital auf der anderen Seite (unter Berücksichtigung diverser Abzugsposten), wobei bei Letzterem noch weiter zwischen Ergänzungskapital „erster Klasse“ und „zweiter Klasse“ zu differenzieren war87. Zum qualitativ an höchster Stelle der Eigenmittel stehenden Kernkapital zählten das eingezahlte Kapital, welches je nach Rechtsform der Emittentin das Stamm- bzw. Grundkapital oder Geschäftsguthaben bildete, der Bilanzgewinn und Rücklagen sowie sonstiges Kapital, wie etwa Einlagen stiller Gesellschafter88. Ein etwaiger Bilanzverlust sowie weitere in § 10 Abs. 2a S. 2 KWG a. F. abschließend definierte Korrekturposten waren bei der Ermittlung des Eigenkapitals abzuziehen.

85  Richtlinie

2006/48/EG v. 14.6.2006 (Bankenrichtlinie). v. 14.12.2006 über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen, BGBl. I 2006, S. 2926. 87  Die Terminologie ist allgemein anerkannt, vgl. etwa Schwennicke/Auerbach/ Auerbach/Fischer, KWG, 1. Aufl. 2009, § 10 Rn. 71, 167; Boos/Fischer/SchulteMattler/Boos, KWG, 4. Aufl. 2012, § 10 Rn. 98 ff.; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 78; die Anforderungen an die einzelnen Kategorien sind definiert in BCBS, internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – überarbeitete Rahmenvereinbarung v. Januar 2004, Ziff. 49 xi und xii; s. zudem Begr.RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BT-Drs. 17/1720, S. 28; hierzu Schäfer, ZHR 175 (2011), 319, 322. 88  Zu den Voraussetzungen für die Anrechenbarkeit stiller Beteiligungen auf das Kernkapital s. Schäfer, ZHR 175 (2011), 319, 324; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S.  78 f. 86  Verordnung



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 49

Zum sog. Ergänzungskapital „erster Klasse“ zählten insbesondere (herkömmliche) Vorzugsaktien, ungebundene Vorsorgereserven nach §  340f HGB, Rücklagen nach § 6 EStG, Neubewertungsreserven und Genussrechte. Das Ergänzungskapital konnte bei der Berechnung des haftenden Eigenkapitals höchstens bis zur Höhe des Kernkapitals berücksichtigt werden (sog. Kappungsgrenze). Zudem durfte das berücksichtigte Ergänzungskapital nur bis zu 50 Prozent des Kernkapitals aus Ergänzungskapital „zweiter Klasse“ bestehen (§ 10 Abs. 2 S. 6, 7 KWG a. F.)89. Genussrechte konnten nach Maßgabe des im Zuge der 3. KWG-Novelle im Jahre 1984 eingeführten und seitdem mehrfach modifizierten § 10 Abs. 5 KWG a. F.90 auf das Ergänzungskapital „erster Klasse“ angerechnet werden, wenn sie unter anderem eine laufende Teilnahme an Verlusten der Emittentin vermittelten, die Emittentin berechtigten, im Verlustfall Zinszahlungen aufzuschieben, nachrangig ausgestaltet waren und eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren vorsahen91. Soweit Finanzierungsinstrumente den Anforderungen des § 10 Abs. 5 KWG a. F. nicht gänzlich entsprachen, kam nur eine Berücksichtigung als Ergänzungskapital „zweiter Klasse“ in Betracht. Hierfür verlangte § 10 Abs. 5a S. 1 KWG a. F. neben einer Nachrangabrede, dass das Kapital dem Institut mindestens fünf Jahre zur Verfügung stand und eine Aufrechnung des Rückzahlungsanspruchs gegen Forderungen der Bank sowie eine Bereicherung durch das Institut oder Dritte ausgeschlossen war. Eine laufende Verlustteilnahme war für eine Anrechnung auf das Ergänzungskapital „zweiter Klasse“ nicht erforderlich92. Genusskapital, das die in § 10 Abs. 2 S. 6, 7 KWG a. F. vorgegebenen Maximalbeträge überschritt, konnte im Rahmen der Drittrangmittel berücksichtigt werden (§ 10 Abs. 2c S. 1 Nr. 3 KWG a. F.). Allerdings durfte das betreffende Genusskapital zusammen mit dem freien Ergänzungskapital das freie, d. h. nicht zur Abdeckung von Risikopositionen benötigte Kernkapital, nicht um mehr als 250 Prozent übersteigen (§ 10 Abs. 2 S. 2 KWG a. F.)93.

89  Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Boos, KWG, 4. Aufl. 2012, § 10 Rn. 46; Luz/ Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Scharpf/Schaber, KWG, § 10 Rn. 202; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 79. 90  s. hierzu Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 680. 91  Vgl. MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 81; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Boos, KWG, 4. Aufl. 2012, § 10 Rn. 109 ff.; Kokemoor, WM 2009, 1637 ff.; Kokemoor/Theilig, WM 2011, 337 ff.; Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 680; Schäfer, ZHR 175 (2011), 319 ff. 92  Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Boos, KWG, 4. Aufl. 2012, § 10 Rn. 153; Schwennicke/Auerbach/Auerbach/Fischer, KWG, 1. Aufl. 2009, § 10 Rn. 183. 93  Für Wertpapierunternehmen lag die Grenze bei 200 Prozent, § 10 Abs. 2 S. 3 KWG a. F.

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1. Teil: Grundlegung

b) Die Umsetzung von Basel III in der CRR Der in Basel III zum Ausdruck gebrachte Paradigmenwechsel in der Funktion fester Eigenkapitalpuffer prägt auch die gesetzliche Umsetzung unter der CRD IV und der CRR. Die deutsche Umsetzung durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz führte zu einer umfassenden Reform des Kreditwesengesetzes; zugleich wurde eine neue Normhierarchie geschaffen. War das Aufsichtsrecht zuvor im Kreditwesengesetz einheitlich geregelt, treten nun mit der CRR und den technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards zwei weitere Ebenen hinzu, die in ihrer Anwendung dem nationalen Gesetz vorrangig sind. Insbesondere die Vorschriften betreffend die regulatorische Eigenkapitalquote sind nicht mehr im KWG, sondern in den Art. 25 ff., 92. ff. CRR geregelt, wohingegen die Regelungen zu den ergänzenden Kapitalpolstern aufgrund ihrer Grundlage in der nicht unmittelbar geltenden CRD IV in den §§ 10, 10c ff. KWG verortet sind. KWG-Genussrechte sind nach Art. 62 f. CRR (nur noch) als Ergänzungskapital anrechenbar. Eine Beteiligung an laufenden Verlusten sowie Unkündbarkeit werden hierzu nicht mehr vorausgesetzt94. Stattdessen können nun bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auf das zusätzliche Kernkapital nach Art. 52 CRR angerechnet werden, wenn sie unter anderem nachrangig ausgestaltet sind, eine unbe­ fristete Laufzeit aufweisen, sämtliche Kündigungsrechte durch den Inhaber ausschließen, Ausschüttungen an die Inhaber dem freien Ermessen der Emittentin unterstellen und bei einem Absinken der Kernkapitalquote unter 5,125 Prozent dauerhaft oder vorübergehend herabgeschrieben oder in hartes Kernkapital umgewandelt werden95. Da die CRR eine Wandlung oder Herabschreibung erst bei Erreichen einer Kernkapitalquote von 5,125 Prozent vorsieht, obwohl sich der Baseler Ausschuss für ein Auslöseereignis bei 7 Prozent ausgesprochen hatte96, wird der Umsetzungsprozess auf Unionsebene allerdings teilweise als „Geschichte der Erosion“ bezeichnet97. Bemängelt wird zu einen, dass eine Restrukturierung bei derart niedrigen bilanziellen Auslöseereignissen in den kritischen Fällen im Jahr 2008 zu spät ein­ gesetzt hätte, um die Krise noch effektiv zu verhindern98. Zum anderen wird befürchtet, dass das Auslöseereignis bei einer Kernkapitalquote von 94  Vgl.

MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 81. zu den einzelnen Voraussetzungen finden sich bei Boos/Fischer/ Schulte-Mattler/Schaber, Bd. 2, Art. 51–61 CRR. 96  Vgl. BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, S. 30, Anhang 3. 97  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 162. 98  Vgl. Calomiris/Herring, 25 Journ. Applied Corp. Fin. (2013), 39, 42; Praxisbeispiele bei Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 217, 228 f.; wohl a. A. Seibert, FS Kübler, S. 665, 667. 95  Erläuterungen



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 51

5,125 Prozent zu niedrig angesetzt ist, um den gewünschten disziplinierenden Effekt auf die Unternehmensleitung zu entfalten99. Der letzte Kritikpunkt wird – wie zu zeigen sein wird – durch das nachfolgend zu erörternde neue Sanierungs- und Abwicklungsrecht aus dem Jahr 2014 noch verschärft. 2. Reformen im Sanierungs- und Abwicklungsrecht Im Jahr 2014 trat mit dem BRRD/SRM-VO-Regelungspaket eine zweite Reformsäule der Europäischen Bankenunion in Kraft, die es staatlichen Einrichtungen erlauben soll, Finanzinstitute im Krisenfall durch Hoheitsakt zu sanieren oder abzuwickeln100. Waren die Aufsichtsbehörden vor Ausbruch der Krise überfordert oder nicht hinreichend gerüstet, so waren ihre Möglichkeiten im Nachgang der Krise vor allem durch das traditionelle Insolvenzrecht gelähmt, das Eingriffe in Eigentümerstrukturen, etwa durch einen DebtEquity-Swap, (noch) nicht kannte101. In der internationalen Diskussion entstand daher der Ruf nach einem effektiven Restrukturierungs- und Abwicklungssystem für systemrelevante Institute102. Auf dem G20-Gipfel in Toronto im Juni 2010 beauftragte man das Financial Stability Board (FSB) mit der Ausarbeitung konkreter Handlungsempfehlungen zur Herstellung der Marktdisziplin systemrelevanter Institute, insbesondere mit Vorschlägen für ein geordnetes Abwicklungssystem103. Das FSB griff die Ideen des Baseler Ausschusses auf und veröffentlichte im Oktober 2011 mit den „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“ Empfehlungen für

99  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 51; Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, S.  109 f. 100  Grundlegend Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902  ff.; Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.; ders., Resolution Planning and Structural Bank Reform within the Banking Union, passim; Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S.  269 ff. 101  s. Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259 ff.; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 84 ff. Obwohl der Debt-Equity-Swap als Sanierungsinstrument durch das deutsche Insolvenzrecht bereits zuvor zugelassen war, wurde er erst durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BGBl. I S. 2582 v. 7.12.2011 (ESUG), das die Neuordnung der deutschen Insolvenzordnung zum Gegenstand hatte, mit Wirkung zum 1. März 2012 als Bestandteil des Insolvenzplanverfahrens gesetzlich aufgenommen. 102  Vgl. Dohrn, WM 2012, 2033 ff.; zur internationalen Diskussion im Bankenabwicklungs- und Restrukturierungsrecht s. Gordon/Ringe, 115 Colum. L. Rev. (2014), S.  1297 ff.; Binder, Resolution Planning and Structural Bank Reform within the Banking Union, passim. 103  Vgl. die Erklärung der G20 beim Gipfeltreffen in Toronto v. 26./27.6.2010, S. 7 Ziff. 21, Anhang 2; S. 5 Ziff. 16 ff., abrufbar unter http://www.bundesregierung. de.

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1. Teil: Grundlegung

die Planung und Durchführung eines geordneten Abwicklungsverfahrens104. Die Publikation stellt die Grundlage für die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) und die entsprechende Verordnung (SRM-VO) dar. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben der BRRD im SAG umgesetzt105. Das Normgefüge aus BRRD, SRM-VO und SAG verfolgt mit der Abwicklung von Kreditinstituten zwar einen einheitlichen Zweck, die Rechtsakte unterscheiden sich aber im Hinblick und ihren Anwendungsbereich106. Ein konzeptioneller Einklang der Rechtsakte besteht insofern, als dass die nach der Verordnung zuständigen Behörden ihre Befugnisse innerhalb der wertungsmäßigen Grenzen der Richtlinie und des SAG auszuüben haben. Die BRRD soll den materiellen Rechtsrahmen schaffen, in dem Bankenausfälle auf geordnete Weise und ohne Ansteckungsgefahren für andere Institute abgewickelt werden können und zugleich die Rahmenbedingungen für eine vorinsolvenzliche Sanierung setzen107. Die SRM-VO zielt vornehmlich auf die Kontrolle nationalbehördlicher Bestrebungen, ihre Institute bereits im Vorfeld eines Abwicklungsprozesses mit öffentlichen Mitteln zu retten und damit die angestrebte Abschaffung impliziter Staatsgarantien zu unterlaufen108.

104  FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions v. Oktober 2011. 105  Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG) v. 10.12.2014, BGBl. I, 1864; zur deutschen Umsetzung Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.; Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662 ff.; Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259 ff. 106  Die SRM-VO gilt gem. Art. 2 SRM-VO für alle in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitute und Mutterunternehmen (einschließlich Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften), die von der EZB beaufsichtigt werden, sowie in einem Mitgliedstaat niedergelassene Wertpapierfirmen und Finanzinstitute, wenn sie in die Beaufsichtigung ihres Mutterunternehmens durch die EZB eingezogen sind. Die BRRD gilt darüber hinaus gem. Art. 1 BRRD für sämtliche in der Union niedergelassenen Institute sowie Finanzinsitute, die in die Beaufsichtigung ihres Mutterunternehmens in der Union einzebogen sind. Erfasst werden ferner Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften und gemischte Holdinggesellschaften, Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat, Unions-Mutterfinanzholdinggesellschaften, gemischte Mutterfinanzholdinggesellschaf­ ten in einem Mitgliedstaat, gemischte Unions-Mutterfinanzholdinggesellschaften und Zweigstellen von Instituten, die außerhalb der Union niedergelassen sind. 107  s. zur Sanierungsplanung zu Art. 5 ff. BRRD. 108  Vgl. ErwG 3 SRM-VO; s. dazu Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 109.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 53

a) Zum Bedeutungsverlust der neuen Kapitalklasse durch die Einführung des Bail-in-Instruments Das neue Sanierungs- und Abwicklungsrecht schafft mit dem Instrument des Bail-in nach Art. 43 f. BRRD die bislang unbekannte Möglichkeit, Gläubigerforderungen und relevante Kapitalinstrumente durch Hoheitsakt in hartes Kernkapital umzuwandeln oder herabzuschreiben. Verluste sollen nach Maßgabe der Haftungskaskade der BRRD in erster Linie von den Anteils­ eignern und erst danach von den Gläubigern des Instituts getragen werden109. Aus 97 Abs. 1 SAG ergibt sich danach folgende Haftungsabfolge: Erstens Anteile und andere Instrumente des harten Kernkapitals, zweitens Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals, drittens Instrumente des Ergänzungskapitals und schließlich berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. Die Lastenverteilung innerhalb der verschiedenen Arten berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten bemisst sich nach dem Rang, den die jeweilige Forderung als Insolvenzforderung eingenommen hätte110. Der Bail-in verfolgt mit der Umwandlung bzw. Herabschreibung von Fremdkapital ähnliche Sachzwecke, wie die bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen unter der CRR. Seine Einführung hat aber zur Folge, dass die vertraglichen Auslöseereignisse der CRR-Anleihen ihre Funktion in den kritischen Phasen weitgehend verlieren. Zwar ist der Anwendungsbereich des Bail-in erst bei Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen nach Art. 32 Abs. 1 BRRD eröffnet, d. h., wenn die zuständige Behörde zu der Einschätzung gelangt, dass das betroffene Institut zumindest wahrscheinlich ausfällt, weil es „sehr kurz“ vor der Insolvenz steht („Point of non viability“)111. Angesichts der hohen Gesamtkapitalanforderungen unter der CRR und der daran gemessen niedrigen Auslöseereignisse für die Wandlung oder Herabschreibung von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals nach Art. 54 Abs. 1 lit. a) CRR wird jedoch befürchtet, dass dieser Punkt regelmäßig erreicht sein wird, bevor die vertraglichen Auslöseereignisse überhaupt in Sichtweite geraten112. Zumindest wird es in der Praxis oft 109  s. zur Verteilung der Vermögenswerte und -opfer unter der BRRD Adolff/ Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 963; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 118 f.; Engelbach/ Friedrich, WM 2015, 662, 667; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 164. 110  § 97 Abs. 1 S. 3 SAG; s. auch ErwG 77 BRRD. 111  Art. 37 Abs. 3 lit. d) BRRD; der exakte Zeitpunkt des „Point of non viability“ wird anhand von Art. 32 Abs. 4 BRRD und den hierzu erlassenen Leitlinien der EBA bestimmt, vgl. als maßgebliches Dokument das EBA Consulting Paper On Draft Guidlines on failing or likely to fail (CP/2014/22) v. 22.9.2014, abrufbar unter http:// www.eba.europa.eu. 112  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 53; Busch/Ferrarini/Cahn/ Kenadjian, European Banking Union, S. 217, 238 ff.; ferner Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 163 m. w. N.

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1. Teil: Grundlegung

von zufälligen Gegebenheiten bzw. allein der Einschätzung der Behörden abhängen, ob die Wandlung oder Herabschreibung der Instrumente aufgrund der vertraglich festgelegten Bedingungen oder einer hoheitlichen Anordnung erfolgt. Die Funktionen von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen unter der CRR, insbesondere der aus Gründen der Krisenprävention gewünschte verhaltenssteuernde Effekt der bedingten Pflichtwandelanleihen, wird durch die Einführung des Bail-in somit weitgehend überholt. b) Zur Funktion der neuen Kapitalklasse als Element der Abwicklungs- und Sanierungsplanung Als Konsequenz der geschilderten Reformen kommt bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen jedoch eine neue Funktion als Bestandteil der Sanierungs- und Abwicklungsplanung zu. Um eine Abwicklung im Krisenfall praktisch durchführen zu können, haben die nationalen Abwicklungsbehörden für jedes Kreditinstitut oder für Gruppen von Instituten präventiv einen Abwicklungsplan zu erstellen113. Die Abwicklungsplanung soll eine individualisierte Handlungsanleitung für den Einzelfall enthalten und als Grundlage für die Bewertung und Herstellung der Abwicklungsfähigkeit im Vorfeld dienen114. Art. 10 Abs. 7 BRRD, §§ 19, 41 SAG, Art. 8 ff. SRM-VO und die dazu ergangenen technischen Regulierungsstandards der EBA115 stellen inhaltliche Anforderungen an die Abwicklungsplanung. Diese reichen von der konkreten Umsetzung der Abwicklungsplanung bis hin zur Kommunikation des betroffenen Instituts mit der Öffentlichkeit in der Krise. Die Umwandlung bzw. Herabschreibung von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals hat in dieser detaillierten Planung als Bestandteil der insolvenz­ rechtlichen Haftungskaskade einen festen Platz. Neben der behördlichen Abwicklungsplanung haben die Kreditinstitute ihrerseits individuell oder für eine Unternehmensgruppe Sanierungspläne zu erstellen, die in regelmäßigen Abständen von der zuständigen Abwicklungsbehörde überprüft und bewertet werden116. In den laufend zu aktualisierenden 113  Art. 10 BRRD, § 40 Abs. 1 SAG; ausf. Jahn/Schmitt/Geier/Grieser, HdB Bankensanierung und -Abwicklung, S. 274 ff. 114  Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260. 115  EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of resolution plans and the evaluation of resolvability (RTS/2014/15) v. 19.12.2014, abrufbar unter http://www.eba.europa.eu. 116  Art. 5 ff. BRRD, § 12 Abs. 3 SAG; vgl. zum Zweck der Sanierungsplanung Begr.RegE SAG, BT-Drucks. 18/2575, S. 157; die Vorgängerregelungen befanden sich in §§ 47 ff. KWG a. F. und bezogen sich nur auf potentiell systemgefährdende Institute.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 55

Sanierungsplänen soll dargelegt werden, mit welchen von dem Institut zu treffendenen Maßnahmen im Fall einer erheblichen Verschlechterung der Finanzlage des Instituts dessen finanzielle Stabilität wiederhergestellt werden kann117. Zwar enthält die BRRD keine konkreten Vorgaben im Hinblick auf den Inhalt der Sanierungspläne118, allerdings hat die EBA Mindestvoraussetzungen zu den einzelnen in den Sanierungsplänen aufzuführenden Informa­ tionen veröffentlicht119. Daraus geht hervor, dass die Sanierungspläne im Kern darauf abzielen, Finanzkennzahlen und Informationen bereitszustellen, anhand derer eine Unternehmenskrise frühzeitig erkannt werden kann und die eine Auswahl der für das individuelle Institut geeigneten Sanierungsmaßnahmen ermöglichen. Zu den Hauptelementen des Sanierungsplans zählen die Darstellung des Geschäftsmodells, der wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen, aber auch die Darstellung von Handlungsoptionen wie der Umwandlung oder Herabschreibung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen zur Stabilisierung im Krisenfall120. c) Zur Funktion der neuen Kapitalklasse als vertragliches Bail-in-Kapital Die Sanierungs- und Abwicklungsplanung wird von der Vorstellung beherrscht, dass ein Bail-in nur „rechtzeitig“ und „rasch“ realisierbar ist121, soweit Institute jederzeit hinreichende Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten vorhalten, die im Krisenfall umgewandelt oder herabgeschrieben werden können. Ausgehend von diesem Leitgedanken haben sich mit dem Standard zur Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit („Total loss absorb117  Art. 5

Abs. 1 BRRD. ErwG 21 BRRD wird ausgeführt, die „Anforderung zur Ausarbeitung eines Sanierungsplans sollte […] der systemischen Bedeutung des Instituts oder der Gruppe und seinen bzw. ihren Verflechtungen, auch durch Systeme der gegenseitigen Kreditgarantie, angemessen angewandt werden. Dementsprechend sollte der geforderte Inhalt der Art der Finanzierungsquellen des Instituts, einschließlich Finanzierungen oder Verbindlichkeiten, für die wechselseitige Garantien bestehen und dem Niveau der glaubwürdig von der Gruppe zu erwartenden Unterstützung Rechnung tragen“. 119  EBA, Final Report Guidelines on the minimum list of qualitative and quantitative recovery plan indicators (GL/2015/02) v. 6.5.2015, abrufbar unter http://www. eba.europa.eu. 120  Vgl. § 13 SAG; s. hierzu Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 663; Hübner/ Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260. Sanierungspläne weisen in der Praxis unterschied­ liche Detaillierungsgrade auf. Während Sanierungspläne im angelsächsischen Raum mehrere tausend Seiten umfassen können, beläuft sich der Umfang in Deutschland in der Regel auf meherere hundert Seiten. Die Darstellungsweise variiert von zusammenhängenden schriftlichen Darstellungen bis hin zu stärker graphisch geprägten Darstellungen in Folienstruktur. 121  Vgl. ErwG 5 BRRD. 118  In

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1. Teil: Grundlegung

tion capacity, TLAC“)122 und den Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten („Minimum requirements for own funds and eligible liabilities, MREL“)123 zwei unabhängige Kapitalstandards für Banken entwickelt, die zwar systematisch ähnliche Funktionen verfolgen, sich aber in ihrer Reichweite unterscheiden. Beide Standards verlangen, dass Institute jederzeit ausreichend Eigenmittel und Verbindlichkeiten vorhalten, die im Krisenfall herabgeschrieben oder in Kernkapital umgewandelt werden können. Auf Vorschlag der Europäischen Kommission wurden beide Standards im Mai 2019 in der CRR harmonisiert124. Auf EU-Ebene ist die MREL-Quote bereits seit dem Inkrafttreten von Art. 45 BRRD und Art. 12 SRM-VO rechtsverbindlich125. Sie wird als Prozentualer Anteil an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten an der Summe der gesamten Verbindlichkeiten und Eigenmitteln eines Instituts berechnet und von den zuständigen Abwicklungsbehörden anhand einer gesonderten Risikobewertung für jedes Institut individuell festgelegt126. Auf Ebene der G-20-Staaten setzt TLAC hingegen einen einheitlichen Mindeststandard für die Verlustabsorptionsfähigkeit global systemrelevanter In­ stitute127, der sich aus den Eigenmittelregeln nach Basel III und Verbindlichkeiten mit besonderer Eignung für die Umwandlung oder Herabschreibung zusammensetzt. Im Einzelnen müssen global systemrelevante Institute nach einer stufenweisen Einführung zu jeder Zeit eine risikoabhängige Eigenkapitalquote von 16 Prozent bzw. 18 Prozent (ab Januar 2022) der risikogewichteten Forderungsbeträge und eine risikounabhängige Quote von 6 Prozent bzw. 6,75 Prozent (ab Januar 2022) gemessen an den Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten vorweisen128. Seit der Harmonisierung beider Standards in der CRR gilt TLAC ausschließlich für global systemrelevante Institute129, während für alle anderen Institute die MREL-Regeln angewendet werden130. 122  FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution v. 9.11.2015, Ziff. 14. 123  Art. 45 ff. BRRD und Art. 12 SRM-VO; umfassend novelliert durch die Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (sog. BRRD II). 124  Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (sog. CRR II); s. zu den Reformen Wellerdt, EuZW 2017, 172, 173 f.; ders., BKR 2017, 363, 364 ff. 125  Vgl. ErwG 79 BRRD; ErwG 83 SRM-VO; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 115; eingehend Kowolik, Das Bail-in-Instrument, S.  96 ff. 126  Art. 45 ff. BRRD; zur qualitativen und quantitativen Determination der MRELQuote ausf. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, S.  98 ff. 127  Art. 92a, 92b CRR. 128  Art. 92a, 494 CRR. 129  Art. 92a, 92b CRR.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 57

Institute haben die Möglichkeit, bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanliehen als sog. vertragliche Bail-in-Instrumente auf die MREL-Quote anzurechnen131. Explizit vorgesehen war dies in Art. 12 Abs. 11 SRM-VO a. F. bzw. Art. 45 Abs. 13 BRRD a. F.: Danach mussten vertragliche Bail-inInstrumente eine Vertragsbestimmung enthalten, nach der sie im Abwicklungsfall vor allen anderen Verbindlichkeiten herabgeschrieben oder um­ gewandelt werden konnten und sie mussten entweder einer verbindlichen Nachrangvereinbarung, bzw. -zusage oder einer gesetzlichen Bestimmung unterliegen, nach der sie im Falle eines regulären Insolvenzverfahrens gegenüber anderen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten nachrangig bedient werden und nicht vor anderen, zu dem betreffenden Zeitpunkt noch ausstehenden berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, zurückerstattet werden durften. Vergleichbares galt im Rahmen des TLAC-Standards für global systemrelevante Institute132. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bereits im Jahr 2015 dazu entscheiden, mit § 46f Abs. 5–7 a. F. KWG ipso iure einen insolvenzrechtlichen Nachrang von bestimmten, bisher nichtnachrangigen Forderungen gegen CRR-Institute einzuführen133. Verbindlichkeiten, die zuvor den gleichen Rang innehatten, genießen gegenüber diesen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten seitdem einen insolvenzrechtlichen Vorrang134 . Da nach heutigem Recht alle Verbindlichkeiten, die sich aus Forderungen gewöhnlicher ungesicherter Gläubiger ergeben und die nicht explizit vom Bail-in ausgenommen sind, auf die MREL- bzw. TLAC-Quote anrechenbar sind, bedarf es bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in der Regel nicht mehr zwingend, um die MREL- bzw. TLAC-Anforderungen zu erfüllen135. Einmal begeben sind sie aber weiterhin auf die MRELCRR; zu der Reform Wellerdt, BKR 2017, 363, 364 ff. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, S. 101 f.; ferner zum Begriff des vertraglichen Bail-in-Kapitals nach der BRRD Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 273 ff. 132  FSB, Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) term sheet v. 9.11.2015, Ziff. 14; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht v. März 2018, S. 58, abrufbar unter https://bun desbank.de. 133  s. Begr.RegE Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG), BT-Drucks. 18/5009, S. 76. Mit einer weiteren Neuregelung von § 46f Abs. 5–9 KWG n. F. zum 21. Juli 2018 wurde für neu begebene Schuldtitel der Übergang vom 2015 gewählten System der gesetzlichen Subordinierung zum europarechtlich vorgeschriebnen System der vertraglichen Subordinierung vollzogen. Berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten müssen danach u. a. einen vertraglichen Hinweis auf den durch § 46f Abs. 5 KWG bestimmten niedrigeren Rang im Insolvenzverfahren vorsehen, s. zum Ganzen BaFin, Merkblatt zur insolvenzrechtlichen Behandlung bestimmter Verbindlichkeiten von CRR-Instituten v. Mai 2019. 134  Begr.RegE AbwMechG, BT-Drucks. 18/5009, S. 76 f. 135  Vgl. ErwG 8 SRM-VO II. 130  Art. 72a-Art. 72j 131  Vgl.

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1. Teil: Grundlegung

bzw. TLAC-Quote anrechenbar136 und können von der Aufsichtsbehörde bei der Festlegung der MREL-Quote zumindest mindernd berücksichtigt werden. 3. Bezug zum Anlegerschutz Aus der Perspektive des Anlegerschutzes sind die Reformen aus verschiedener Richtung bedeutsam. Zum einen führt die Einführung einer neuen Kapitalklasse, deren Risiken und Anreizwirkungen für Marktteilnehmer und Emittenten bislang weitgehend unbekannt sind, naturgemäß zu Bewertungsschwierigkeiten für das Anlegerpublikum. Zum anderen zeigen empirische Untersuchungen, dass Banken weit überwiegend die aus der Sicht des Anlegerschutzes besonders riskanten Herabschreibungsanleihen anstelle von Wandelanleihen begeben137. Da Herabschreibungsanleihen das disziplinierende Moment der Verwässerung von Altaktien fehlt, können sie Anreize der Emittenten zu opportunistischen Verhaltensweisen zum Nachteil der Anleihegläubiger fördern138. Die Ursache für diese aus der Sicht des Anlegerschutzes unerwünschte Emissionspraxis beruht in erster Linie auf einer Gleichbehandlung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch die CRR einerseits und leichteren Platzierungsmöglichkeiten von Herabschreibungsanleihen am Kapitalmarkt andererseits. Ursprünglich sollte Herabschreibungskapital nur für solche öffentlichen Banken in das Gesetz integriert werden, die nicht börsengelistet sind und daher keine Wandelanleihen anbieten können139. Da man eine Ungleichbehandlung privater und öffentlicher Banken im Hinblick auf die Qualität der vorzuhaltenden Eigenmittel vermeiden wollte, erlaubt es die Endfassung der CRR jedoch allen Banken, Herabschreibungsanleihen zu begeben. Herabschreibungsanleihen lassen sich am Markt gegenüber Wandelanleihen leichter platzieren, da gerade Fixed-Income Investoren wie Renten- und Pensionsfonds im Verhältnis zu ihren Anlegern oft Restriktionen unterliegen, die es ihnen verbieten, in Aktien oder Schuldtitel, die in Aktien gewandelt werden können, zu investieren. Hinzukommt, dass die Begebung von Herabschreibungstiteln – anders als die Emission von Wandelanleihen – keinen Hauptversammlungsbeschluss nach § 221 Abs. 1 136  Vgl. zur alten Regelung Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 164 m. w. N.; KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 58; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht v. März 2018, S. 58, abrufbar unter https://bundesbank.de. 137  Vgl. Avdjiev/Bolton/Jiang/Kartasheva/Bogdanova, CoCo-Bond Issuance and Bank Funding Costs, 2015, S. 4. 138  Vgl. Böckli, SZW 2012, 181, 195; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 163 m. w. N.; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 36 f.; Hesse, CoCo Bonds and Risk: The Market View, S. 6, s. hierzu ausf. 1. Teil: § 3 II. 139  Vgl. zur entsprechenden Schweizer Regelung BaslKommBankG/Reutter/Raun, Art. 11 Rn. 10; ferner Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 517.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 59

AktG erfordert und Aktionäre naturgemäß Herabschreibungsanleihen bevorzugen, um eine drohende Verwässerung ihrer Beteiligung durch Wandelanleihen zu verhindern140. Mit dem neuartigen europäischen Restrukturierungs- und Abwicklungsrecht für Banken erhält der Regelungsrahmen für bedingte Pflichtwandelund Herabschreibungsanleihen ein zusätzliches öffentlich-rechtliches Bezugsfeld, das die Konzeptionsidee der neuen Kapitalklasse unter der CRR teilweise überholt. Die gesetzliche Befugnis der Abwicklungsbehörde, Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals in Aktien umzuwandeln oder herabzuschreiben, hat zur Folge, dass die in den Anleihebedingungen festgelegten Wandlungs- bzw. Herabschreibeparameter um ein weiteres ungeschriebenes Auslöseereignis – die behördlich angeordnete Verlustteilnahme – erweitert werden141. Angesichts der hohen Kapitalquoten von Basel III wird befürchtet, dass die in den Anleihebedingungen festgelegten niedrigen Auslöseereignisse nach den CRR-Vorgaben kaum jemals zum Einsatz kommen werden, da es wahrscheinlicher erscheint, dass bereits vorher eine behördliche Anordnung erfolgt142. Eine praktische Bedeutung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen verbleibt allenfalls als vertragliches Bail-in-Kapital in der Sanierung und Abwicklung143. Aber auch aus rechtsdogmatischer Sicht sind die Reformen für den Anlegerschutz bedeutsam, schließlich sind nach dem Grundsatz der effektiven Wirksamkeit des Unionsrechts („Effet Utile“) die gesetzgeberischen Wertungen der präventiven Maßnahmen (Sanierungs- und Abwicklungsplanung) sowie die gesetzlichen und behördlichen Ordnungsbefehle der Lastenverteilung in der Bankenkrise bei der Auslegung von Rechtsnormen und unbestimmten Rechtsbegriffen angemessen zu berücksichtigen144.

III. Anpassungen im deutschen Aktienrecht Die Reformen im europäischen Bankenrecht machten eine Umformulierung gesellschaftsrechtlicher Normen auf nationaler Ebene erforderlich, die Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 6. Tatsache, dass die Instrumente nach den Befugnissen der BRRD herabgeschrieben oder umgewandelt werden können, sollte in den Anleihebedingungen und in allen Prospekten oder Angebotsunterlagen vermerkt werden, vgl. ErwG 81 BRRD. 142  s. hierzu bereits 1. Teil: § 1 II.1.b). 143  Explizit Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drs. 18/4349, S. 27; zudem Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 164 m. w. N. 144  s. hierzu m.N. auf die Rspr. Potacs, EuR 2009, 465, passim; auch Wollersheim, Von der Krise zur Allfinanzaufsicht, S. 169, weist darauf hin, dass bei der Anwendung nationalen Rechts stets zu berücksichtigen ist, ob die Anwendung staatlichen Rechts den Vorschriften und Grundsätzen supranationalen Rechts widerspricht. 140  Vgl. 141  Die

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1. Teil: Grundlegung

in Deutschland durch die „Aktienrechtsnovelle 2016“ erfolgte. Die Reform enthält einen bunten „Strauß verschiedenster Themen, die so gut wie nichts miteinander zu tun haben“145. Eine dieser Änderungen, die Erweiterung der §§ 192, 194 und 221 AktG, soll (Bank-)Aktiengesellschaften die erforder­ liche Flexibilität an die Hand geben, um die Platzierung von bedingten Pflichtwandelanleihen am Kapitalmarkt zu erleichtern und die regulatorischen Kapitalanforderungen schneller und kostengünstiger zu erreichen146. Die deutsche Umsetzung beschränkt sich gleichwohl nicht auf den regulatorischen Funktionszusammenhang, sondern eröffnet durch die Möglichkeit einer freien Bestimmung der Risiko- und Funktionsordnung auch für Nichtbanken ein ganz neues Feld für Hybridfinanzierungen147. Die „Aktienrechtsnovelle 2016“ bildet den Schlusspunkt eines bemerkenswert langen Gesetzgebungsverfahrens, das bereits am 2. November 2010 mit der Vorlage eines Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz für eine „Aktienrechtsnovelle 2011“ begonnen hatte148. Ein Jahr später war der Regierungsentwurf unter dem Titel „Aktienrechtsnovelle 2012“149 gefolgt, der nach Beratung im Rechtsausschuss im Juli 2013 im Rahmen der inzwischen als „Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften (VorstKoG)“ bezeichneten Reform vom Bundestag verabschiedet wurde150. Die neuen Regeln zum Votum der Hauptversammlung über das System der Vorstandsvergütung („Say on Pay“), die zwischenzeitlich in das neue Gesetz aufgenommen wor145  Merkner/Schmidt-Bendun,

DB 2012, 98, 103. WM 2015, 2303, 2304. 147  s. ausf. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152 ff. 148  Zum Entwicklungsverlauf der Aktienrechtsnovelle 2011 – 2016 s. Seibert, FS Kübler, S. 665 ff.; Darstellungen der Reforminhalte finden sich bei Drinhausen/ Keinath, BB 2011, 11 ff.; dies., BB 2012, 395 ff.; Götze, NZG 2016, 48 ff.; Ihrig/ Wandt, BB 2016, 6 ff.; zur umgekehrten Wandelanleihe Bader, AG 2014, 472 ff.; Haag/Peters, WM 2015, 2303 ff.; Nodoushani, ZBB 2011, 143 ff.; Schlitt/Brandi/ Schröder/Gemmel/Ernst, CFL 2011, 105, 111 ff.; Paschos/Goslar, NJW 2016, 359 ff.; Stöber, DStR 2016, 611 ff.; Wehrhahn, GWR 2016, 133 ff.; Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, passim. 149  Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2012, BT-Drs. 17/8989; vgl. hierzu die Beiträge von Bayer, AG 2012, 141 ff.; Bungert/Wettich, ZIP 2012, 297 ff.; Drinhausen/ Keinath, BB 2012, 395 ff.; Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, 321 ff.; Merkner/SchmidtBendun, DB 2012, 98 ff.; Ziemons, BB 2012, 523 ff.; Müller-Eising, GWR 2012, 77 ff.; Schüppen/Tretter, WPg 2012, 338 ff.; Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12 ff.; bereits zum Referentenentwurf Diekmann/Nolting, NZG 2011, 6 ff. sowie die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, DAV-Stellungnahme Nr. 7/2011, NZG 2011, 217 ff. 150  Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. BTAusschuss), BT-Drs. 17/14214 u. BT-Plen.Prot. 17/250, S. 32067D; vgl. dazu ausf. Seibert, FS Kübler, S. 665; Verse, NZG 2013, 921 ff.; Ziemons, GWR 2013, 283 ff. 146  Haag/Peters,



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 61

den waren, führten allerdings zu Widerspruch aus dem Bundesrat, worauf am 20. September 2013 der Vermittlungsausschuss angerufen wurde. Das Gesetzgebungsverfahren scheiterte daraufhin wegen der zwei Tage später stattfindenden Bundestagswahl am Diskontinuitätsprinzip151. Erst im April 2014 wurde das Verfahren als (nunmehr) „Aktienrechtsnovelle 2014“152 erneut aufgenommen – diesmal allerdings ohne die politisch besonders sensiblen Regelungen zur Vorstandsvergütung. Darauf aufbauend ist am 23. Januar 2015 der Regierungsentwurf vorgelegt worden153. Die darin enthaltenen Regelungsvorschläge wurden in intensiven Beratungsprozessen des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz erneut modifiziert, bevor der Bundestag das Gesetz (schließlich) als „Aktienrechtsnovelle 2016“ verabschiedete154. Die wesentlichen Neuerungen und die Dogmatik des Umtausches bedingter Pflichtwandelanleihen sollen im Folgenden erläutert werden. Um den Schwerpunkt der Untersuchung nicht aus den Augen zu verlieren, kann aber nicht jeder dogmatischen Rechtsfrage im Detail nachgegangen werden. Im Vordergrund stehen ein Grundverständnis der Funktionsweise bedingter Pflichtwandelanleihen sowie ein Zugang zu den für den Anlegerschutz relevanten Gesetzesänderungen. 1. Rechtliche Grundlagen Die rechtlichen Grundlagen für die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen finden sich in den §§ 192, 194 und 221 AktG. Während § 221 Abs. 1 S. 1 AktG die Legaldefinition der Wandelschuldverschreibung enthält und deren Ausgabe unter die Einhaltung bestimmter Anforderungen, insbesondere eines Hauptversammlungsbeschlusses stellt, regeln die §§ 192 ff. AktG den Beschluss und die Durchführung einer bedingten Kapitalerhöhung zur Bedienung der in der Wandelschuldverschreibung verbrieften Umtausch- oder Bezugsrechte. Die Ausgabe von Wandelanleihen mit Umtauschrecht der Gesellschaft wurde im Aktienrecht vor der Reform nicht geregelt. Gleichwohl bediente sich die Praxis auch schon in der Vergangenheit – sei es in extensiver Auslegung des § 221 Abs. 1 S. 1 AktG oder im Wege eines Analogieschlusses – Gestaltungsformen, bei denen das Recht zum Umtausch der Schuldver151  Anrufung

(B).

des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat, BR-Drs. 637/13

152  Vgl. Müller-Eising, GWR 2014, 229; eingehend die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, DAV-Stellungnahme Nr. 34/2014 (Juli 2014), NZG 2014, 863. 153  Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drucks. 18/4349; vgl. hierzu Götze/ Nartowska, NZG 2015, 298 ff. 154  Beschlussempfehlung des 6. BT-Ausschusses, BT-Drs. 18/6681 u. BT-Plen. Prot. 18/136, S. 13329D.

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1. Teil: Grundlegung

schreibung gegen Aktien (auch) der Gesellschaft zusteht und damit im Vergleich zur klassischen Wandelanleihe umgekehrt wird. Hierzu zählten zunächst insbesondere die klassische Pflichtwandelanleihe (Mandatory Con­ vertible) und die Wandelanleihe mit Tilgungswahlrecht (Soft Mandatory Convertible), in der jüngeren Finanzierungspraxis aber auch die bedingte Pflichtwandelanleihe (Contingent Convertible)155. Für die Begebung von bedingten Herabschreibungsanleihen hingegen bestehen keine besonderen aktienrechtlichen Vorgaben. Insbesondere ist kein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich, da bei Herabschreibungsanleihen weder eine Verwässerung der Beteiligung der Altaktionäre droht noch deren Gewinnbezugsrechte vor den Folgen einer gewinnorientierten Beteiligung geschützt werden müssen. Es besteht bei bedingten Herabschreibungsanleihen kein Schutzbedürfnis der Aktionäre, wie es für die Titel des § 221 AktG typisch ist156. Die im Folgenden erläuterten Gesetzesänderungen betreffen daher nur das Recht der bedingten Pflichtwandelanleihen. 2. Umtauschrecht der Gesellschaft Die bislang in § 221 Abs. 1 S. 1 AktG enthaltene Legaldefinition der Wandelschuldverschreibung, die seit beinahe 80 Jahren nur Schuldverschreibungen erfasste, bei denen Gläubiger ein Umtauschrecht oder Bezugsrecht auf Aktien haben, wurde nun um Schuldverschreibungen mit Umtauschrecht der Gesellschaft erweitert157. Für die entsprechende Zweckbindung des bedingten Kapitals zur Schaffung der für die Bedienung der Wandelanleihen erforderlichen Bezugsaktien wurde der Wortlaut des § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG entsprechend erweitert158. Nach einer Regelung von Schuldverschreibungen, die bei Eintritt von in den Anleihebedingungen festgelegten Bedingungen automatisch oder zwingend umgewandelt werden, sucht man indes vergebens159. Von der nach dem Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung der §§ 221 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AktG sind solche Instru155  Vgl.

Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drucks. 18/4349, S. 28. zum umstr. Normzweck des § 221 AktG KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn.  2 ff. m. w. N. 157  Drinhausen/Keinath, BB 2012, 395 ff.; Paschos/Goslar, NJW 2016, 359, 360. 158  Vgl. zur Reichweite dieser Änderungen auf Pflichtwandelanleihen Haag/Peters, WM 2015, 2303; Drinhausen/Keinath, BB 2011, 11, 12 f.; dies., BB 2012, 395; Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, 15 (zur Aktienrechtsnovelle 2016). 159  Drinhausen/Keinath, BB 2011, 11, 12 f.; dies., BB 2012, 395, 397. Zur Zulässigkeit von Schuldverschreibungen mit Pflichtwandlung bereits nach dem alten Recht, s. etwa MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 52; Spindler/Stilz/Seiler, AktG, § 221 Rn. 151; Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 266 f.; Müller-Eising, GWR 2010, 591, 592. 156  s.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 63

mente ebenso wenig erfasst wie vom neuen Gesetzeswortlaut. Dieser setzt das Bestehen eines Wandlungsrechts zumindest entweder auf Gläubiger- oder auf Gesellschaftsseite voraus160. Es wurde daher diskutiert, ob bedingte Pflichtwandelanleihen von der Änderung des § 221 Abs. 1 S. 1 AktG überhaupt umfasst sind, da bei diesen die Wandlung (scheinbar) automatisch oder zumindest verpflichtend bei Bedingungseintritt und nicht etwa durch Ausübung eines Rechts erfolgt161. Vereinzelt wurde aus dem Fehlen einer Erwähnung von Anleihen mit Wandlungspflicht sogar gefolgert, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen die Zulässigkeit bedingter Pflichtwandelanleihen entschieden habe162. Die weit überwiegende Meinung im Schrifttum geht überzeugenderweise davon aus, dass die Änderung des § 221 Abs. 1 S. 1 AktG gerade auch bedingte Pflichtwandelanleihen erfassen soll. Anderenfalls ist nicht zu erklären, warum der Gesetzgeber in den Materialien ausdrücklich klarstellt, dass die Änderung des § 221 AktG die Begebung von Instrumenten zusätzlichen Kernkapitals nach der CRR ermöglichen soll163. a) Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) Die Vereinbarkeit bedingter Pflichtwandelanleihen mit dem Wortlaut des neuen § 221 Abs. 1 S. 1 AktG lässt sich auch ohne das Bedürfnis einer Analogie mit einem Blick auf die Rechtsdogmatik des Umtauschvorgangs begründen. Die hierzu vertretenen Ansätze im Schrifttum orientieren sich an den weitgehend anerkannten Grundsätzen aus dem Recht der herkömmlichen Wandelanleihe. Bis zur Einführung des bedingten Kapitals durch das Aktiengesetz 1937 war streitig, ob es sich bei dem Wandlungsrecht im Sinne des § 221 Abs. 1 S. 1 AktG dogmatisch um eine Wahlschuld, einen Tausch- oder Aufrechnungsvertrag oder gar um elektive Konkurrenz handelt. Heute wird ganz überwiegend davon ausgegangen, dass der Inhaber einer Wandelanleihe bei der Ausübung seines Wandlungsrechts eine ihm nach den Anleihebedin160  Drinhausen/Keinath, BB 2012, 395, 397; kritisch Merkner/Schmidt-Bendun, DB 2012, 98, 101. 161  Ausdr. noch offenlassend Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drucks. 18/4349, S. 27; zur Reichweite des § 221 AktG bei bedingten Pflichtwandelanleihen s. Haag/Peters, WM 2015, 2303, passim; zu den Folgerungen für „herkömmliche“ Pflichtwandelanleihen Götze/Nartowska, NZG 2015, 298, 304 f.; Singhof, FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1176; Stöber, DStR 2016, 611, 614; die Zulässigkeit von Pflichtwandelanleihen entsprach einer bisher ganz h. L., s. Rozijin, ZBB 1998, 77, 85 ff.; Habersack, FS Nobbe, S. 550; ferner Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 266 f. 162  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 77; Götze/Nartowska, NZG 2015, 298, 304. 163  Vgl. BegrRegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drucks. 18/4349, S. 28.

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1. Teil: Grundlegung

gungen zustehende Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) ausübt164. Unter einer Ersetzungsbefugnis versteht die Lehre ein Recht des Schuldners, durch die Erbringung einer anderen als der geschuldeten Leistung Erfüllung zu bewirken165. Die Ersetzungsbefugnis wird als Gestaltungsrecht durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gem. § 130 BGB gegenüber dem Vertragspartner ausgeübt. Entsprechend vertritt die wohl überwiegende Ansicht auch bei bedingten Pflichtwandelanleihen den Standpunkt, die Gesellschaft verpflichte sich in den Anleihebedingungen bei Eintritt des Auslöseereignisses zur Ausübung einer ihr zustehenden Ersetzungsbefugnis166. Diese Konstruktion verhilft zur Auflösung eines wortlautbedingten Spannungsfeldes zwischen europäischem Bankrecht und deutschem Aktienrecht, denn es wird einerseits die bankrechtlich geforderte rechtliche Bindungswirkung erzielt, die den Wandlungsprozess gleichsam „automatisiert“167, und andererseits aktienrechtlich gewährleistet, dass die Umwandlung durch Ausübung eines Rechts erfolgt. Danach schuldet die Gesellschaft zunächst nur die Rückzahlung von Kapital und Zinsleistung; sobald sie aber ihre Ersetzungsbefugnis ausübt, wandelt sich das Anleiheschuldverhältnis in einen Vorvertrag, der auf Abschluss eines Vertrags über die Zeichnung der Bezugsaktien gerichtet ist168. b) Rechtliche Bindung (Antizipation) Anders als bei der einfachen umgekehrten Wandelanleihe wird die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch die Gesellschaft bei der bedingten Pflichtwandelanleihe bereits in den Anleihebedingungen antizipiert. Die dogmatischen Ansätze im Schrifttum für die Konstruktion einer solchen Antizipation sind vielfältig. Vorgeschlagen werden eine Antizipation der Wandlung in den Anleihebedingungen mit einer Verbriefung des Leistungsanspruchs auf Bezugsaktien, eine antizipierte Ausübung von Gestaltungsrechten oder 164  Für eine Aufrechnung noch Georgakopoulos, ZHR 120 (1957), 84, 131 ff.; für eine Ersetzungsbefugnis KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 274; ferner MünchKommAktG/Habersack, §  221 Rn.  226; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 207; Wehrhahn, GWR 2016, 133, 134; ausf. zum gesamten Meinungsstand Lux, Die Dogmatik des Umtausches von Wandelanleihen in Aktien, S. 77 ff. 165  Vgl. MünchKommBGB/Krüger, § 262 Rn. 8. 166  Statt vieler bereits KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 274; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 226; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 207; Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 123; ausf. Lux, Die Dogmatik des Umtausches von Wandelanleihen in Aktien, S. 77 ff.; Drygala, WM 2011, 1637, 1638; Gleske/ Ströbele, CFL 2012, 49, 54; Müller-Eising, GWR 2010, 591, 592 f.; Singhof, FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1166. 167  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 172. 168  Vgl. Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 123 ff.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 65

eine Verpflichtung durch sonstige vertragliche Abreden169. Soll der Umtauschprozess ohne den Willen des Gläubigers erfolgen, so kommt ein auf Termin geschlossener Zeichnungsvertrag oder eine unwiderrufliche Vollmacht zugunsten der Hauptumtauschstelle, welche die Bezugserklärung im Namen der Gläubiger abgibt, in Betracht170. Die Gesellschaften haben die freie Wahl, welche Konstruktion sie im Einzelfall wählen. Typischerweise verpflichten die Anleihebedingungen den Inhaber, bei Eintritt des Auslöse­ ereignisses die Anleihen auf die Gesellschaft zu übertragen und die Bezugserklärung für das Zustandekommen des Zeichnungsvertrages abzugeben. Im Gegenzug erhält er einen Anspruch auf Lieferung junger Aktien. Die CRR vermeidet den Begriff der „automatischen“ Wandlung im Hinblick auf regulatorisches Wandlungskapital und lässt genügend Spielraum für derartige schuldrechtliche Konstruktionen171. 3. Aufhebung der Volumengrenze für bedingtes Kapital Eine weitere folgenreiche Gesetzesänderung betrifft die in § 192 Abs. 3 S. 1 AktG normierte Begrenzung des bedingten Kapitals auf maximal 50 Prozent des Grundkapitals der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die bedingte Kapitalerhöhung. Diese Volumengrenze wurde für umgekehrte Wandelschuldverschreibungen aufgehoben, soweit eine bedingte Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG dem Zweck dient, der Gesellschaft einen Umtausch zu ermöglichen, zu dem sie für den Fall ihrer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder zum Zweck der Abwendung einer Überschuldung berechtigt ist. Da die Kapitalerhöhung „nur […] dem Zweck“ der Bewältigung der Krisensituation dienen darf, muss sie ausschließlich für diese Zwecke beschlossen und ein entsprechendes gesondertes bedingtes Kapital gebildet werden172. Eine konkrete Definition der Merkmale „drohende ZahFlorstedt, ZHR 180 (2016), 152, 172 f. einen Überblick zu den einzelnen Konstruktionen und den jeweils mit ihnen verbundenen Folgefragen s. Singhof, FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1166 f. Zur Konstruktion eines Vorvertrags s. Rozijn, ZBB 1998, 77, 81; MünchkommAktG/Habersack, § 221 Rn. 52; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 201; zur Konstruktion eines auf Termin geschlossenen Zeichnungsvertrags s. Casper, Der Optionsvertrag, S. 339; zusammenfassend Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 155. 171  Art. 54 CRR Abs. 5 lit. c) spricht nur von einer unverzüglichen Wandlung, die spätestens innerhalb eines Monats vorzunehmen ist; auch nach Art. 60 Abs. 3 BRRD kann die Abwicklungsbehörde die Gesellschaft zur Wandlung nur verpflichten; ausf. dazu Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2304 ff.; ferner Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 54. 172  Schüppen/Tretter, WPg 2012, 338, 341 (zur Aktienrechtsnovelle 2012); so auch Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2307 (zur Aktienrechtsnovelle 2014), die die Frage 169  Vgl. 170  Für

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1. Teil: Grundlegung

lungsunfähigkeit“ und „Abwendung einer Überschuldung“ hält das neue Recht allerdings nicht bereit. Auch die Gesetzesbegründung beschränkt sich auf den Hinweis, dass es sich um eine „Notsituation“ bzw. eine „extreme Krise“ handeln muss173. Aufgrund des kaum abgrenzbaren Wortlauts wird bezüglich des Merkmals der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Rückgriff auf das Verständnis des Begriffs nach § 18 InsO befürwortet174. Im Übrigen wird man sich auf eine „umfassende Würdigung des Einzelfalls“, d. h. der konkreten wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft einerseits und des verfolgten Sanierungskonzepts andererseits, verlassen müssen175, wobei zum Schutz der Aktionäre mit Blick auf die (möglicherweise) beträchtliche Verwässerung eine restriktive Auslegung des Ausnahmetatbestands des § 192 Abs. 3 S. 3 AktG befürwortet wird176. Ferner erklärt § 192 Abs. 3 S. 4 AktG n. F. die Volumengrenze des § 192 Abs. 3 S. 1 AktG für unbeachtlich, wenn es sich bei der Gesellschaft um ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 Abs. 1b KWG handelt und eine bedingte Kapitalerhöhung zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten aufgrund von Wandelanleihen nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG beschlossen wird, um der Gesellschaft einen Umtausch zur Erfüllung bankaufsichtsrechtlicher oder restrukturierungsrechtlicher Anforderungen zu ermöglichen. Auch diese Regelung wird aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng ausgelegt177. Zudem stellt § 192 Abs. 3 S. 5 AktG n. F. klar, dass ein bedingtes Kapital, das einer der beschriebenen Ausnahmen der Volumengrenze des § 192 Abs. 3 S. 1 AktG unterfällt, nicht auf ein sonstiges bedingtes Kapital angerechnet wird178. aufwerfen,

ob Wandelanleihen auf zwei bedingte Kapitalia, eines für den Krisenfall und eines außerhalb der Krise, bezogen werden können; dies wiederum ohne weitere Begründung bejahend Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, Fn. 135. 173  s. Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drucks. 18/4349, S. 28. 174  Vgl. Götze/Nartowska, NZG 2015, 298, 304 (zur Aktienrechtsnovelle 2014); Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, 15 (zur Aktienrechtsnovelle 2016); Schüppen/Tretter, WPg 2012, 338, 342 (zur Aktienrechtsnovelle 2012). 175  So MünchKommAktG/Fuchs, § 192 Rn. 151a; Götze/Nartowska, NZG 2015, 298, 304 f. (jew. zur Aktienrechtsnovelle 2014); Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, 15 f. (zur Aktienrechtsnovelle 2016). 176  Vgl. MünchKommAktG/Fuchs, §  192 Rn.  151a (zur Aktienrechtsnovelle 2014); Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, 16 (zur Aktienrechtsnovelle 2016). 177  Es soll die Volumengrenze des § 192 Abs. 2 S. 3 AktG insofern nur als unbeachtlich angesehen werden, wenn die Gesellschaft zur Wandlung berechtigt ist, nicht aber auch dann, wenn den Gläubigern ein Wandlungsrecht eingeräumt ist, Ihrig/ Wandt, BB 2016, 6, 16; MünchKommAktG/Fuchs, § 192 Rn. 151b (zur Aktienrechtsnovelle 2014). 178  Götze/Nartowska, NZG 2015, 298, 304; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2307 (jew. zur Aktienrechtsnovelle 2014); Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, 16 (zur Aktienrechtsnovelle 2016).



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 67

4. Keine Wertprüfung der eingebrachten Forderung Als besonders kritisch für den aktienrechtlichen Gläubigerschutz erweist sich eine Folgeänderung in § 194 AktG. Dieser enthält im Interesse einer effektiven Kapitalaufbringung Vorgaben für den Fall, dass eine bedingte Kapitalerhöhung nicht gegen eine Bar-, sondern gegen eine Sacheinlage durchgeführt wird. Der neu eingeführte § 194 Abs. 1 S. 2 AktG sieht vor, dass bei Wandelanleihen im Sinne des § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG eine Wertprüfung der bei der Wandlung eingebrachten Forderung entfallen kann. Indem die bei Erwerb der Anleihe erbrachte Barzahlung ex lege als vollständige Einlage auf die Bezugsaktie anerkannt wird, werden herkömmliche und umgekehrte Wandelanleihen gleichbehandelt179. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es auf die Werthaltigkeit der Gläubigerforderung im Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechts nicht an, da die Ausübung des Wandlungsrechts nicht mit der Hingabe einer Darlehensforderung gegen Ausgabe junger Aktien gleichzusetzen sei180. Diese Gleichstellung von herkömmlicher und umgekehrter Wandelanleihe hat als erster Drygala kritisiert181. Er verweist darauf, dass die Interessenlagen bei der herkömmlichen und der umgekehrten Wandelanleihe grundlegend verschieden seien. Bei der herkömmlichen Wandelanleihe übe der Berechtigte sein Wandlungsrecht stets nur aus, wenn der Aktienkurs über dem in den Anleihebedingungen festgelegten Bezugspreis liegt. In dem Fall sei die eingebrachte Forderung selbstverständlich auch vollwertig und es bestünden keine Bedenken, die Wandlung in der Form der Bareinlage zuzulassen und den ursprünglichen auf die Anleihe gezahlten Betrag als Einlage auf die Aktie anzuerkennen. Es bestehe auch keine Gefahr, dass der Vorstand die Sacheinlagevorschriften bewusst umgeht, denn wenn das Wandlungsrecht beim Gläubiger liegt, könne dieser auf die Wandlung verzichten und Geld statt Aktien verlangen. Liegt das Wandlungsrecht hingegen auf Seiten der Gesellschaft, entstehe ein Raum für Vorstände, die Sacheinlagevorschriften gezielt zu umgehen, indem einfache Gläubigerforderungen nachträglich in umgekehrte Wandelanleihen umgewandelt werden oder Anleihen, die die fragliche Klausel nicht enthalten, nachträglich damit ausgestattet werden. Ferner sei 179  s.

Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drs. 18/4349, 29. Begr.RegE Aktienrechtsnovelle 2014, BT-Drs. 18/4349, 29; s. hierzu Schnorbus/Trapp, ZGR 2010, 1023, 1029; ferner Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 194 Rn. 4; Grigoleit/Rieder/Holzmann, AktG, § 194 Rn. 4 ff.; Ihrig/Wandt, BB 2016, 6, 16 (zur Aktienrechtsnovelle 2016). 181  Vgl. Drygala, WM 2011, 1637, 1643; zustimmend hingegen Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2308 (zur Aktienrechtsnovelle 2014). Diese sehen die Attraktivität der umgekehrten Wandelanleihe durch Sacheinlagevorschriften gefährdet und fürchten zudem Wettbewerbsnachteile für deutsche Kreditinstitute. 180  s.

68

1. Teil: Grundlegung

im Krisenfall, wenn die Gesellschaft ihr Wandlungsrecht ausübt, die Forderung typischerweise wertlos. Funktional sei die Situation mit den bisher von § 194 Abs. 1 S. 2 AktG geregelten Fällen daher nicht vergleichbar. Die Interessenlage entspreche weitgehend der bei Wandelgenussrechten, bei denen nach herrschender Lehre § 194 Abs. 1 S. 2 AktG in der Tat unanwendbar sein soll182. Dieser Kritik haben sich zahlreiche Autoren angeschlossen183. Auch die Vereinbarkeit der Gesetzesänderung mit Art. 10 der Kapitalrichtlinie184, nach der „Einlagen, die nicht Bareinlage“ sind, auf ihre Werthaltigkeit hin zu prüfen sind, ist nach den Gesetzesmaterialien ungeklärt185. Ausgehend von diesen kritischen Grundüberlegungen bestehen aus der Sicht des Gläubigerschutzes zwei weitere Bedenken: a) Relevanz für das Prinzip der effektiven Kapitalaufbringung Zunächst droht die Wandlung der Anleihen zum Nennwert ohne Anwendung der Sacheinlagevorschriften mit dem „Grundsatz der realen Kapitalaufbringung“ in Konflikt zu treten. Die Rechtsprechung vertrat bislang den Standpunkt, dass ein Debt-Equity-Swap an einer vollwertigen Forderung anknüpfen muss. Das Umtauschverhältnis hat sich danach am tatsächlichen Zeitwert der eingebrachten Forderung, der geringer als deren Nennwert sein kann, zu orientieren186. Die noch herrschende Lehre hat sich dieser Sichtweise angeschlossen187. Erst eine jüngere Auffassung hält einen Umtausch zum Nennwert aus bilanzrechtlichen Gründen gerechtfertigt188. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Gesellschaft die eingebrachte Forderung nach § 253 Abs. 1 S. 2 HGB zu ihrem Nennwert in ihre Bilanz passivieren muss. Bilanzrechtlich bleibt ein niedrigerer Zeitwert der Forderung also unberücksichtigt. Mit diesem Argument erscheint es zwar nachvollziehbar, bei bedingten Pflichtwandelanleihen in Übereinstimmung mit dem klar zum Ausdruck ge182  Vgl. 183  Vgl.

Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 183 m. w. N. Bayer, AG 2012, 141, 151; kritisch MünchKommAktG/Fuchs, § 194

Rn. 5a. 184  Richtlinie 2012/30/EU des Euorpäischen Parlaments und des Rates v. 25.10.2012 (Kapitalrichtlinie). 185  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 155. 186  Vgl. BGHZ 90, 370, 373 f.; BGHZ 110, 47, 61 f.; BGHZ 125, 141, 145 f. 187  Vgl. Arnold, FS Hoffmann-Becking, S. 29, 33; Priester, DB 2010, 1445 ff.; Vaupel/Reers, AG 2010, 93, 99. 188  Vgl. Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, 238, 243; dies., DB 2010, 1629 ff.; Wansleben, WM 2012, 2083, 2086; zuvor bereits Karollus, ZIP 1994, 589, 595.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 69

brachten Willen des Gesetzgebers von einem Umtausch zum Nennwert auszugehen. Nichtsdestoweniger erscheinen die Bedenken gegen einen Umtausch von umgekehrten Wandelanleihen zum Nennwert ohne Sacheinlageprüfung aus der Perspektive des Gläubigerschutzes nicht vollkommen haltlos. Zum einen wird dem Rechtsverkehr durch den Umtausch zum Nennwert eine Erhöhung des Grundkapitals vorgetäuscht, die aufgrund der typischerweise wert­ losen Forderung zum Zeitpunkt der Wandlung gerade nicht stattgefunden hat. Es kommt letztlich zu einer rein darstellerischen Verschiebung auf der Passivseite der Bilanz. Zum anderen ermöglicht der Umtausch zum Nennwert bei einem investorengünstigen Wandlungsverhältnis kaum abschätzbare Investi­ tionschancen für Investoren, die auf den Erwerb von Unternehmensbeteili­ gungen durch Wandlungskapital spekulieren189. Aktionärs- und Machtstrukturen können ohne Einfluss der Hauptversammlung in undurchsichtiger Weise verändert werden190. Sowohl beim Debt-Equity-Swap nach dem sachverwandten Schuldverschreibungsrecht als auch nach dem reformierten Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber auf eine vergleichbare Lockerung des im Laufe jahrzehntelanger Erfahrungen gewachsenen Kapitalschutzes bewusst verzichtet. Eine Erklärung wird zum Teil darin gesehen werden, dass die Wandlung einer umgekehrten Wandelanleihe anders als im Fall des § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG und des § 225a InsO in der Zeit vor der Krise beschlossen wird und die Verwässerungsgefahr daher im Zins eingepreist werden kann191. b) Relevanz für das Verbot der Unterpari-Emission Zudem wird befürchtet, dass ein Umtausch zum Nennwert in Extremfällen, in denen die Forderung des Gläubigers im Zeitpunkt der Wandlung wirtschaftlich mit weniger als 10 Prozent des Nominalbetrages zu bewerten ist, gegen das Verbot der Unterpari-Emission nach § 9 AktG verstößt. Danach darf eine Aktie nicht für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag oder den auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals ausgegeben werden. Die Vorschrift soll im Interesse einer effektiven Kapitalaufbringung sicherstellen, dass eine Mitgliedschaft nicht ohne Leistung einer entsprechenden Einlage erlangt wird. Das Problem soll nach Ansichten in der Literatur dadurch zu lösen sein, dass bei Wandelan­ leihen das Verbot der Unterpari-Emission nur in seiner modifizierten Form gem. § 199 Abs. 2 S. 1 AktG zur Anwendung kommt192. Danach ist eine Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 157. Schäfer, ZHR 175 (2011), 319, 337. 191  Vgl. Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12, 16. 192  s. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 70; Drygala, WM 2011, 1637, 1643. 189  Vgl. 190  Vgl.

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1. Teil: Grundlegung

Ausgabe von Aktien unter-pari zulässig, sofern die Differenz zwischen dem Ausgabebetrag der zum Umtausch eingebrachten Anleihen und dem höheren geringsten Ausgabebetrag der für sie zu gewährenden Bezugsaktien aus einer anderen Gewinnrücklage oder durch Zuzahlung des Umtauschberechtigten gedeckt ist. Eine solche Nachzahlungspflicht würde indes einen weiteren Anreiz für Emittenten schaffen, bevorzugt Herabschreibungsanleihen anstelle von Wandelanleihen zu begeben. Damit würde die von Wandelanleihen ausgehende verhaltenssteuernde Funktion, die von der Verwässerung der Beteiligung der Altaktionäre ausgehen soll, unterlaufen. Um dies zu vermeiden, erscheint ein Umtausch ohne Wertprüfung aus der Sicht des Anlegerschutzes als die vorzugswürdige Lösung193. 5. Bezug zum Anlegerschutz Die „Aktienrechtsnovelle 2016“ ermöglicht nicht nur Bankaktiengesellschaften eine effektive und kostengünstige Anpassung an die europarecht­ lichen Kapitalvorgaben, sondern sie eröffnet auch Nichtbanken ungeahnte Möglichkeiten der Hybridfinanzierung. Die neuen Regeln lassen eine weitgehend freie Gestaltung der Wandlungs- und Herabschreibungsparameter zu, die über den regulatorischen Zusammenhang hinausgeht. Dies steht im Einklang mit Art. 54 Abs. 1 lit. b CRR, der es den Parteien überlässt, zusätzlich zu den aufsichtsrechtlich gebotenen Parametern auch alternative Gestaltungen zu vereinbaren. Aus der Perspektive des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes ist die Möglichkeit eines Umtausches der Forderung in Bezugsaktien ohne Wertprüfung der eingebrachten Forderung kritisch zu sehen. Die Änderung lässt eine Aufweichung aktienrechtlicher Kapitalschutzprinzipien erkennen, da die Forderung im Zeitpunkt der Wandlung regelmäßig wertlos sein wird. Aus der Perspektive des Anlegerschutzes wird befürchtet, dass die teilweise Aufhebung der Volumengrenze für bedingtes Kapital die Bildung von Anreizen zu einseitigen Einflussnahmen auf Auslöseereignisse durch Marktteilnehmer oder Emittenten fördert. Da der Nennbetrag des bedingten Kapitals nicht einmal durch das Grundkapital begrenzt wird und der Umtausch ohne Sacheinlageprüfung zum Nennwert der Anleiheforderung erfolgt, besteht Anlass zu der Sorge, dass professionelle Investoren das neue Sanierungsinstrument zielgerichtet nutzen, um die Kontrolle und Herrschaft über die emittierende Gesellschaft zu erlangen194. Nach einem BerechnungsbeiFlorstedt, ZHR 180 (2016), 152, 184. Hülsen, die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 249 f.; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 157; schon im Jahr 1935 wurde im Schweizer Schrifttum von Fällen berichtet, in denen US-amerikanische Investoren große Pakete von Wandelanleihen erworben haben, um durch die Wandlung einen Einfluss auf die Geschäftsführung der 193  Vgl. 194  Vgl.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 71

spiel von Cahn und Kenadjian wäre eine bedingte Pflichtwandelanleihe der Deutsche Bank AG in Höhe von 8,3 Prozent der Bilanzsumme bei einem variablen Wandlungsverhältnis und bei dem jeweils niedrigsten Börsenkurs im Jahr 2009 in einen Aktienanteil von etwa 25,24 Prozent des Grundkapitals getauscht worden195. Das Beispiel verdeutlicht den Anreiz für solche Investoren, die auf Aufbau einer Unternehmensbeteiligung durch Wandelanleihen spekulieren. Die Gesetzesreform kann insofern Anreize für Marktteilnehmer und Emittenten fördern, das Auslöseereignis in der Krise zielgerichtet oder durch die Eingehung extremer Risiken herbeizuführen, um eine bedeutende Beteiligung aufzubauen oder die Gesellschaft allein auf Kosten der Hybridgläubiger zu „sanieren“196.

IV. Die Entwicklung in den USA Es soll nun der europäische Rechtsraum zunächst verlassen und die Parallelentwicklung in den Vereinigten Staaten nachvollzogen werden. Auch in den USA hat die Finanzkrise eine Welle von Finanzmarktreformen nach sich gezogen. Es würde aber den Rahmen sprengen und brächte auch keinen Mehrwert, die US-amerikanischen Reformen im Detail darzustellen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher darauf, die für das Thema relevanten Bereiche in Grundzügen zu erfassen und konzeptionelle Abweichungen zur europäischen Lösung aufzuzeigen. 1. Reformen im Eigenmittelrecht Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen sind in den USA zwar als innovative Finanzierungsinstrumente für den Privatsektor beliebt, ihre Rolle als Eigenmittel für Banken bleibt jedoch trotz ihrer Ursprünge in der US-Forschung hinter derjenigen im europäischen Recht zurück. a) Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act Das Kernstück der Gesetzesreformen in den USA nach der Finanzmarktkrise von 2008 bildet der Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act197 (Dodd-Frank Act) vom 15. Juli 2010. Es wird angenomEmittentin zu erlangen, vgl. Müller, Convertible Bonds, insbesondere nach Schweizer Recht, S. 74 Fn. 74. 195  Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 254. 196  s. ausf. zu diesen Risiken unten 1. Teil: § 3 II. 197  Publ. L. No. 111–203, 124 Stat. 1376 (2010); zur Gesetzgebungsgeschichte s.  Olmem, 29 Westl. Journ. Del. Corp. (2014), 1 ff.; zu den für bedingte Pflichtwan-

72

1. Teil: Grundlegung

men, dass dieses Gesetz aus der Amtszeit von Präsident Obama die umfangreichste Finanzmarktreform in den USA seit den 1930er Jahren darstellt. Das Gesetz besteht aus 16 Titeln, die sich über 884 Seiten erstrecken. Inhaltlich beschränkt sich der Dodd-Frank Act allerdings auf wenige unmittelbar geltende Vorschriften und erteilt stattdessen insgesamt 315 Mandate zur Aus­ arbeitung von Maßnahmen und Vorschriften, die erst allmählich durch die US-Regulierungs- und Aufsichtsbehörden umgesetzt werden. Der DoddFrank Act zielt auf die Stabilisierung der Finanzmärkte, die Verbesserung der Rechenschaftspflichten und Transparenz im Finanzsystem, die Lösung der „too-big-to-fail“-Problematik und den Schutz der Steuerzahler durch die Vermeidung staatlicher Rettungsaktionen198. Hierzu schafft er das Financial Stability Oversight Council (FSOC), ein Sondergremium unter der Leitung des US-Finanzministers (Secretary of the Treasury), das mit der Überwachung systemischer Risiken von großen Unternehmen bzw. komplexen Finanzprodukten betraut ist199. Das FSOC, das sich aus zehn stimmberechtigten200 und fünf nicht stimmberechtigten201 Mitgliedern zusammensetzt, kann aber – ähnlich wie der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht – nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen aussprechen. Es hat keinerlei bindende Legislativkompetenz und auch keine unmittelbaren Exekutivkompetenzen. In der Erhebung und Auswertung relevanter Finanzdaten wird das FSOC von dem ihm angehörenden Office of Financial Research unterstützt202. Ähnlich wie die europäische Reform lässt sich auch der Inhalt des DoddFrank Act in drei Säulen zerlegen203: Erhöhte Kapitalanforderungen im Eigenmittelrecht für systemrelevante Banken204, ein spezielles Abwicklungsrecht für systemrelevante Banken205 und eine engere Beaufsichtigung durch die zuständigen Behörden206. del- und Herabschreibungsanleihen relevanten Regelungen s. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 172 ff. 198  Publ. L. No. 111–203, 124 Stat. 1376 (2010). 199  12 U.S. Code §§ 5342–5344. 200  Diese bestehen aus dem Secretary of the Treasury, den Leitern der für die Kapitalmarktaufsicht zuständigen Bundesbehörden sowie einem unabhängigen Mitglied, das über versicherungsaufsichtsrechtliche Expertise verfügt. 201  Diese bestehen aus dem Leiter des neu zu schaffenden Office of Financial Research, dem Leiter des neu zu schaffenden Federal Insurance Office sowie für jeden US-Bundesstaat jeweils einem Insurance Commisioner, Banking Supervisor und Securities Commissioner. 202  Dieses besteht aus ausgesuchten Experten aus den Bereichen der Wirtschaft, Rechtswissenschaft und Finanzmarktüberwachung. 203  Für einen kompetitiven Vergleich der europäischen und US-amerikanischen Reformen s. Pappenfus, 36 Hous. Journ. Int’l L. (2014), 253, 269 ff. 204  Sec. 171 Dodd-Frank Act (sog. „Collins Ammendment“). 205  Titel II Dodd-Frank Act (Orderly Liquidation Authority, OLA).



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 73

b) Keine verbindliche Einführung der neuen Kapitalklasse Das FSOC hat die Aufgabe, Mindeststandards für Eigenkapital, Liquidität und Risikomanagementsysteme zu entwickeln und Empfehlungen abzugeben, die dann von der Federal Reserve verbindlich angeordnet werden können207. Hierzu sollte das FSOC gem. 12 U.S. Code § 5325 (c) in einer Studie für sog. Nonbank Financial Companies, die der Aufsicht der Federal Reserve unterliegen, sowie für große miteinander verbundene Bank Holding Companies nicht nur beurteilen, inwieweit Contingent Capital die finanzielle Stabilität der betroffenen Institute und des US-Finanzsystems stärken und Risiken für Steuerzahler minimieren kann, sondern auch bewerten, welche Eigenschaften und Standards die Instrumente aufweisen müssten und welche Kosten und sonstigen Auswirkungen daraus entstehen können, um sodann entsprechende Umsetzungsmaßnahmen zu empfehlen. Das FSOC veröffentlichte die Studie im Juli 2012 und hob hervor, dass Contingent Capital die Kapitalbasis im laufenden Betrieb durchaus stärken und Anreize zu einer frühzeitigen Rekapitalisierung geben könne208. Auch könne es in Krisenzeiten die Liquidität eines Unternehmens durch die Reduzierung von Verbindlichkeiten erleichtern und die Flexibilität für die Erfüllung regulatorischer Vorgaben erhöhen. Allerdings äußerte sich die Studie auch kritisch: Verzögerungen im Wandlungsmechanismus könnten zu Liquiditätsengpässen führen. Der Markt könnte eine Wandlung – insbesondere wenn diese durch eine Behörde ausgelöst würde – als negatives Signal verstehen. Marktweite Abwärtsspiralen seien zu befürchten. Sofern Banken in Europa und den USA gleichermaßen Contingent Capital vorzuhalten hätten, könnten die mit internationalen Verflechtungen von Banken verbundenen Systemrisiken sogar ansteigen. Aufgrund der geringen Erfahrung und der nicht abschätzbaren Risiken empfahl das FSOC zunächst die Durchführung weiterer Studien, bevor verbindliche Regelungen getroffen werden sollten. Bis dahin sollte Contingent Capital eine Innovation des Privatsektors bleiben209. Für den Fall einer verbindlichen Einführung sollten die Vorgaben derart flexibel sein, dass sie an die gewonnenen Erfahrungen mit den neuen

206  Vgl. 207  Vgl.

(i).

Thompsen, 10 U. St. Thomas Journ. L. & Pub. Pol’y (2014), 53, 55. 12 U.S. Code § 5325 (c) (3), 12 U.S. Code § 5365 (a) (b) (3), (b) (1) (B)

208  FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012. 209  FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 19; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 176.

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1. Teil: Grundlegung

Instrumenten und den Gegebenheiten am Markt angepasst werden können210. In der Wissenschaft wird erwartet, dass Contingent Capital in den USA nicht verbindlich eingeführt wird, bevor es nicht in Europa ausgiebig getestet wurde211. Zwar können bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auch ohne eine ausdrückliche Regelung in den USA auf das Ergänzungskapital („Tier 2“) angerechnet werden, da die allgemeinen Anforderungen an hybride Finanzierungsinstrumente gem. 12 C.F.R. pt. 225, app. A über das allgemeine Erfordernis einer Verlustabsorption hinaus keine Vorgaben für die Ausgestaltung der Anleihen enthalten212. Da die vorgeschriebene Verlust­ absorption aber nicht durch Umwandlung oder Herabschreibung erfolgen muss, sind bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in der US-amerikanischen Emissionspraxis von Banken bislang kaum anzutreffen. 2. Reformen im Abwicklungsrecht Zur Zeit der Finanzmarktkrise bestanden in den USA ähnlich wie in Deutschland grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten, mit dem Niedergang einer Bank umzugehen: Eine Abwicklung nach dem allgemeinen Insolvenzrecht, dem sog. „Chapter-11“-Verfahren, oder eine Rettung durch einen staatlichen Bail-out213. Zwar gab es bereits vereinzelt spezialgesetzliche Abwicklungsregime, so wurden etwa Commercial Banks und Versicherungsgesellschaften bereits von staatlichen Behörden abgewickelt. Für Bank Holding Companies und Nonbank Financial Institutions fehlte es jedoch an solchen Spezialregelungen. Noch während der Krise forderten zahlreiche führende Köpfe der Bankenaufsicht, darunter der Vorsitzende der Federal Reserve, Ben Bernanke, und der US-Finanzminister, Timothy Geithner, die Schaffung eines speziellen Abwicklungsrechtes für diese Unternehmensgruppen214. Der Kongress kam der Forderung nach einem besonderen Abwicklungsrecht für Banken bereits im Jahr 2010 mit Erlass des Dodd-Frank Act nach. Anders als in der EU erfolgte die Umsetzung allerdings nicht durch zwei separate Regelungspakete (CRD IV/CRR und BRRD/SRM-VO), sondern das Abwicklungsrecht wurde „aus einem Guss“ in Titel II des Dodd-Frank Act, bezeichnet als Orderly Liquidation Authority (OLA), mitgeregelt. Abstim210  FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 18. 211  Vgl. Coffee, Colum. L. Rev. Vol. 111 (2011), 795, 846 f. 212  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 176. 213  Vgl. Jackson/Skeel, 2 Harv. Bus. L. Rev. (2012), 435, 436. 214  Vgl. Jackson/Skeel, 2 Harv. Bus. L. Rev. (2012), 435, 436 Fn. 3 m. w. N.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 75

mungsprobleme zwischen den einzelnen Regelungsmaterien wurden auf diese Weise vermieden. Der Entwurf des neuen Abwicklungsrechtes für Bank Holding Companies und Nonbank Financial Institutions nach Titel II des Dodd-Frank Act ist geprägt von dem Bestreben, eine Abwicklung zu ermöglichen, die anders als das „Chapter-11“-Verfahren schnell vollzogen werden kann und zudem systemische Risiken im Bankensektor berücksichtigt. Im Gegensatz zum „Chapter-11“-Verfahren, das im Regelfall durch das Management des Schuldner­ unternehmens eingeleitet wird, beginnt das Verfahren nach dem Dodd-Frank Act auf Grundlage eines hoheitlichen Beschlusses215. Der Beschluss hat einen Übergang der Verfügungsmacht auf die öffentliche Hand zur Folge. Während das „Chapter-11“-Verfahren oftmals in der Hand von Schuldner und Gläubiger verbleibt, die zur möglichst werterhaltenden Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger einen Reorganisationsplan aufstellen216, verlagert das Verfahren nach Dodd-Frank Act sämtliche Kompetenzen auf eine eigens hierzu geschaffene Abwicklungsbehörde. Dadurch soll das Verfahren beschleunigt und nach öffentlichen Interessen, insbesondere dem schonenden Umgang mit Systemrisiken, ausgerichtet werden217. Ähnlich wie in der EU müssen Banken unter dem Dodd-Frank Act Abwicklungspläne aufstellen, die zu einer schnellen Liquidation im Krisenfall beitragen sollen218. Ein wesentlicher Unterschied zur Umsetzung in der EU besteht aber darin, dass die US-amerikanische Lösung in erster Linie die Abwicklung von Banken im Gone Concern und weniger deren Sanierung im Going Concern im Blick hat. Einen Bail-in kennt das US-amerikanische Recht (zumindest) nicht in dem Umfang, wie er in der EU realisiert werden soll. Die Zwecke, die bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen im europäischen Sanierungs- und Eigenmittelrecht erfüllen, insbesondere verhaltenssteuernde Effekte im Going Concern, sind in der US-amerikanischen Umsetzung nicht vorgesehen219.

215  Publ.

L. No. 111–203, 124 Stat. 1376 (2010), Sec. 203. Jackson/Skeel, 2 Harv. Bus. L. Rev. (2012), 435, 447; ferner Horton, 37 Journ. Corp. L. (2012) 815, 834. 217  Vgl. Jackson/Skeel, 2 Harv. Bus. L. Rev. (2012), 435, 436. 218  Vgl. Thompsen, 10 U. St. Thomas Journ. L. & Pub. Pol’y (2014), 53, 56; ausf. zur Abwicklungsplanung im US-amerikanischen Recht Grant, 6 Va. L. & Bus. Rev. (2012), 467, passim. 219  Für einen Gesamtüberblick zu Änderungsvorschlägen zum Dodd-Frank Act s. Thompsen, 10 U. St. Thomas Journ. L. & Pub. Pol’y (2014), 53, passim. 216  Vgl

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1. Teil: Grundlegung

3. Praktische Bedeutung von bedingten Pflichtwandelund Herabschreibungsanleihen Ein Anwendungsfeld für bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in der US-amerikanischen Bankenregulierung ergibt sich erstmals durch die verbindliche Einführung des TLAC-Kapitalstandards220. Mit der Umsetzung des TLAC-Kapitalstandards folgt die Aufsicht zahlreichen Forderungen der Wissenschaft, die das bestehende Abwicklungsregime unter Titel II des Dodd-Frank Act für unzureichend gehalten hatten. Die Einführung der TLAC-Quote in den USA ähnelt – von einigen Detailsdifferenzen abgesehen – grundsätzlich den europäischen Vorgaben. Global systemrelevante Institute müssen nach einer stufenweisen Einführung zu jeder Zeit eine risikoabhängige Eigenkapitalquote von 16 Prozent bzw. 18 Prozent (ab Januar 2022) der risikogewichteten Forderungsbeträge und eine risikounabhängige Quote von 6 Prozent bzw. 6,75 Prozent (ab Januar 2022) gemessen an den Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten vorweisen221. Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen können zur Erfüllung dieser Quote angerechnet werden. Darüber hinaus sind die Instrumente im Privatsektor beliebt. Die Anleihen werden bspw. im Versicherungssektor, vor allem als sog. Katastrophenanleihen, eingesetzt222. Der Unterschied zu den regulatorischen Anleihen besteht darin, dass das Auslöseereignis nicht an eine Finanzkennzahl oder eine ­Behördenentscheidung gekoppelt wird, sondern an ein in den Anleihebedingungen vorab festgelegtes Krisenereignis, z. B. an einen Vulkanausbruch. Die Anleihe dient dann der Kapitalbeschaffung, wenn die Versicherung große Verbindlichkeiten auf einmal begleichen muss223. 4. Fazit Die Finanzmarktreformen in der EU und in den Vereinigten Staaten setzen verschiedene Konzepte um. Trotz seiner Ursprünge und der intensiven Diskussion in der US-amerikanischen Wissenschaft kommt dem Contingent 220  s. die Pressemitteilung des Federal Reserve Board v. 15.12.2016, abrufbar unter https://www.federalreserve.gov. 221  Vgl. FSB, Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) term sheet v. 9.11.2015, Ziff. 4. 222  FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 6. 223  FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 6.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 77

Capital in der Finanzierungspraxis von US-Banken bislang nur eine geringe praktische Bedeutung zu. Erst durch die Einführung von TLAC-Vorgaben für systemrelevante Institute werden die konzeptionellen Unterschiede zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen Bankenrecht teilweise verwischt und es wird – zumindest was die für eine Abwicklung relevanten Kapitalquoten systemrelevanter Banken betrifft – ein internationales „Level Playing Field“ geschaffen. Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen sind gleichwohl als Finanzierungsinstrumente im Privatsektor beliebt. Insbesondere werden sie von Versicherungsgesellschaften als sog. Katastrophenanleihen eingesetzt.

V. Die Entwicklung in der Schweiz Ganz anders als in den USA haben bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in der Schweizer Bankenaufsicht schon früh einen besonderen praktischen Stellenwert erlangt. Nur wenige Zahlen verdeutlichen, dass die unter dem Schlagwort „too-big-to-fail“ zusammengefasste Problematik in der Schweiz besonders zu Tage getreten ist: Nicht nur wurden im Jahr 2007 rund 12 Prozent der gesamten Schweizer Wertschöpfung durch den Finanzsektor erwirtschaftet (die Bilanzsummen der beiden Großbanken UBS und Credit Suisse entsprachen etwa dem Fünffachen des gesamten Schweizer Inlandsproduktes), sondern es waren auch knapp 6 Prozent der Arbeitnehmer im Finanzsektor beschäftigt224. Es verwundert angesichts solcher Zahlen nicht, dass die Schweiz bei der Implementierung bankenaufsichtsrechtlicher Reformen nach der Finanzkrise im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle einnimmt. Zwar richtet sich der schweizerische Lösungsansatz im Grundsatz nach internationalen Standards, vor allem den Vorgaben des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht225, in bestimmten Punkten be­ inhaltet er aber auch Sonderregeln226. Solche Besonderheiten, die als „Swiss Finish“ bezeichnet werden227, zeigen sich insbesondere bei der Höhe der Eigenmittelanforderungen, der Bedeutung, welche bedingten Pflichtwandel224  Vgl. von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12; zudem Härtsch, GesKR 2011, 193; ausf. Roth, SJZ 108 (2012), 285 ff. 225  s. zur Bedeutung des Baseler Ausschusses für die Gesetzgebung in der Schweiz Wollersheim, Von der Krise zur Allfinanzaufsicht, S. 157 ff. 226  s. zur Entwicklung der bankrechtlichen Reformen in der Schweiz Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 3 ff.; Schiltknecht, SZW 2010, 435, 437 ff.; Roth, SJZ 108 (2012), 285, 287 ff.; Böckli, SZW 2012, 181 ff.; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125 ff.; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148 ff.; Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 510 ff.; Härtsch, GesKR 2011, 193 ff.; Leippold, ST 2011, 913 ff.; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12 ff.; dies., ZSR 2011, 177, 202 ff.; Glanzmann, GesKR 2011, 489 ff. 227  Vgl. BaslKommBankG/Reutter/Raun, Art. 11 Rn. 2.

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1. Teil: Grundlegung

und Herabschreibungsanleihen eingeräumt wird und bei der engen Verknüpfung von Eigenmittelvorgaben und organisatorischen Vorschriften für systemrelevante Banken. 1. Reformen im Eigenmittelrecht Bereits im November 2009 setzte der Schweizer Bundesrat als Reaktion auf die Finanzkrise eine Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Großunternehmen ein. Diese erwähnte in ihrem Zwischenbericht vom 22. April 2010 erstmals bedingte Pflichtwandelanleihen als geeignete Mittel der Krisenprävention228 und konkretisierte ihre Überlegungen in ihrem Schlussbericht zur Lösung der „too-big-to-fail“-­ Problematik vom 30. September 2010229. Nur wenige Wochen später, am 22. Dezember 2010, präsentierte der Bundesrat einen Entwurf zur Stellungnahme der Kantone, Parteien und Verbände, die sog. Vernehmlassungsvorlage230, und legte dem Parlament das Ergebnis am 20. April 2011 als Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (sog. „too-big-to-fail“-Botschaft) vor231. Der Vorschlag hielt an dem Erfordernis, dass systemrelevante Banken künftig in einem bestimmten Umfang bedingte Pflichtwandelanleihen vorzuhalten haben, fest. Allerdings präzisierte die Endfassung ähnlich wie die CRR, dass anstelle von Wandelanleihen mit gleicher Wirkung Herabschreibungsanleihen – in der Schweiz bezeichnet als Anleihen mit Forderungsverzicht – eingesetzt werden können. Das Parlament folgte dem Vorschlag ohne wesentliche Änderungen und verabschiedete die Vorlage am 30. September 2011232. Danach bemessen sich die regulatorischen Eigenmittelanforderungen anhand der risikogewichteten Aktiva, die nach den neuen Maßstäben von Basel III berechnet werden. Die Eigenmittelanforderungen bestehen aus drei Komponenten mit unterschiedlichen Zielsetzungen: Die erste Komponente entspricht den Minimalanforderungen von Basel III und dient der Aufrechterhaltung der normalen Geschäftstätigkeit (Going Concern). Sie muss durch hartes Kernkapital in Höhe von 4,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva erfüllt werden. Die zweite Komponente (Kapitalerhaltungspuffer) dient der Sicherstellung einer ausreichenden Verlustabsorp­ 228  Zwischenbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen v. 22. April 2010, S. 23. 229  Schlussbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen v. 30. September 2010, S. 4 f., 20 ff. 230  s. Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 4 m. w. N. 231  Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor, too big to fail) v. 20. April 2011, BBl. 2010, 4717 ff. 232  Änderung des BankG v. 30. September 2011, BBl. 2011, 7487 ff.



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 79

tionsfähigkeit in Krisenzeiten. Die Höhe beträgt 8,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva, wovon 5,5 Prozent durch hartes Kernkapital erfüllt werden müssen. Die übrigen 3 Prozent dürfen durch bedingte Pflichtwandel- oder Herabschreibungsanleihen erfüllt werden, die bei Erreichen einer Kernkapitalquote von 7 Prozent gewandelt oder herabgeschrieben werden. Die dritte Komponente (progressive Komponente) deckt die für systemrelevante Banken spezifischen Risiken ab und kann bis zu 6 Prozent der risikogewichteten Aktiva betragen. Sie dient der zusätzlichen Erhöhung der Sicherheit und kompensiert das verbleibende System-Restrisiko. Durch eine progressive Ausgestaltung wird ein Anreiz zur Verringerung der Systemrelevanz gesetzt. Außerdem stellt sie das für die Umsetzung der Notfallplanung notwendige Kapital sicher. Sie muss grundsätzlich durch bedingte Pflichtwandel- oder Herabschreibungsanleihen erfüllt werden, die bei Erreichen einer Kernkapitalquote von 5 Prozent gewandelt oder herabgeschrieben werden. Die Komponente beträgt mindestens 1 Prozent der risikogewichteten Aktiva und wird darüber hinaus durch die FINMA unter Berücksichtigung der Bilanzsumme, des Marktanteils, der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen sowie überobligatorischen, von der Bank ergriffenen organisatorischen Anpassungen individuell festgelegt233. Im internationalen Vergleich beinhaltet das „Swiss Finish“ strengere Anforderungen als Basel III: In der Schweiz müssen Großbanken über Eigenmittel in Höhe von 19 Prozent der risikogewichteten Aktiva verfügen, der Baseler Ausschuss verlangt maximal 13 Prozent. Das schweizerische Konzept verlangt hartes Kernkapital in Höhe von mindestens 10 Prozent, das Konzept des Baseler Ausschusses maximal 9,5 Prozent. 2. Reformen im Sanierungs- und Abwicklungsrecht Im Jahr 2012 wurden ähnlich wie in der EU weitreichende Befugnisse der FINMA zur Sanierung und Abwicklung von Banken eingeführt234. Inhaltlich zielt die Reform auf eine flexible Ausgestaltung des Sanierungsrechts, eine Vereinfachung des Konkursverfahrens für Banken und eine Anpassung der Aufsichtsbefugnisse an die Erfordernisse, die sich in der Finanzkrise offenbart haben. Die Befugnisse entsprechen im Wesentlichen denen der europäischen Aufsichtsbehörden unter dem Regelungspaket BRRD/SRM-VO. Insbesondere kann die FINMA, gestützt auf Art. 31 BankG und Art. 47–50 der Bankeninsolvenzverordnung, Gläubiger durch eine zwangsweise Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital oder einen angeordneten Forderungsverzicht 233  Vgl. die umfassende Zusammenfassung bei von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 16. 234  s. dazu Schiltknecht, SZW 2010, 435, 444 f.; Roth, SJZ 108 (2012), 285, 287 f.

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1. Teil: Grundlegung

(Herabschreibung) im Zeitpunkt des „Point of non viability“ in die Haftung nehmen235. Ein Unterschied zu den Instrumenten der Gläubigerbeteiligung nach der BRRD besteht allerdings darin, dass in der Schweiz eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital auf hoheitliche Anordnung erst stattfinden darf, nachdem die Bank alle verfügbaren bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen umgewandelt bzw. herabgeschrieben hat236. Die Kritik – die an der europäischen Lösung geäußert wurde – nach der das Konzept von regulatorischen Wandelanleihen unter der CRR verkümmert sei, weil regelmäßig eine Behördenanordnung unter der BRRD erfolgen werde, bevor die Auslöseereignisse bei 5,125 Prozent der Kernkapitalquote überhaupt in Sichtweite geraten, lässt sich in der Schweiz somit nicht anbringen. Allgemein erscheint die Abstimmung zwischen dem Eigenmittelrecht und dem Abwicklungsrecht in der Schweiz besser geglückt, als in der EU, da sich die Anforderungen an die Abwicklungsfähigkeit an der individuellen Eigenmittelausstattung orientieren237. Ähnlich wie unter den europäischen Reformen soll die Sanierung und Abwicklung nach Maßgabe von im Voraus aufgestellten Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie nach dem Ermessen der Aufsichtsbehörde erfolgen. Zur Verfahrensbeschleunigung entfällt die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen im Sanierungs- und Konkursverfahren. 3. Gesellschaftsrechtliche Anpassungen Auch in der Schweiz haben die bankrechtlichen Reformen gesellschaftsrechtliche Anpassungen nach sich gezogen. Um den Regelungszusammenhang mit dem Bankenrecht zu betonen, wurden die erforderlichen Gesetzesänderungen aber nicht im systematischen Zusammenhang mit dem genehmigten und bedingten Kapital des Schweizer Aktienrechts vorgenommen, sondern es wurde für Schweizer Banken sowie Schweizer Konzernobergesellschaften von Finanzgruppen und bankdominierten Finanzkonglomeraten in der Rechtsform der AG in den Art. 11 bis 13 des Bankengesetzes ein neues Kapital, das sog. zusätzliche Kapital geschaffen238. Das zusätzliche Kapital setzt sich aus dem Vorratskapital (Art. 12 BankG) und dem Wandlungskapital (Art. 13 BankG) zusammen. Während die deutsche „Aktienrechtsnovelle 2016“ es auch Nichtbanken ermöglicht, bedingte PflichtwanSchiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 508. lit. c Bankeninsolvenzverordnung. 237  Vgl. Art. 48 lit. a, b Bankeninsolvenzverordnung. 238  Ausf. zur Entstehungsgeschichte des zusätzlichen Kapitals BaslKommBankG/ Reutter/Raun, Art. 11 Rn. 1 ff. 235  Vgl.

236  Art. 48



§ 1 Internationale Entwicklungslinien der neuen Kapitalklasse 81

delanleihen zu begeben, beschränkt sich die schweizerische Gesetzesänderung auf Gesellschaften innerhalb des Bankensektors239. Die Ausgabe von bedingten Pflichtwandelanleihen setzt einen Genehmigungsbeschluss durch die Aktionäre voraus. Der erforderliche Beschluss der Generalversammlung wird nach Art. 13 Abs. 1 BankG i. V. m. Art. 653 Abs. 1 OR im Gegensatz zur bedingten Kapitalerhöhung nur mit einer einfachen Mehrheit gefasst240. In Bezug auf die Ausgestaltung der bedingten Pflichtwandelanleihen werden dem Verwaltungsrat im Vergleich zu anderen Arten der Kapitalerhöhung weitergehende Kompetenzen eingeräumt. Ähnlich wie in Deutschland gilt auch in der Schweiz die betragsmäßige Beschränkung der bedingten Kapitalerhöhung nicht. Allerdings kann die Generalversammlung davon abweichen und die Höhe des Wandlungskapitals beschränken. Eine solche Abweichung von der gesetzlichen Regel muss in der Satzung zum Ausdruck gebracht werden241. Die Abweichungsmöglichkeit soll verhindern, dass durch eine Wandlung unerwünschte Mehrheitsverhältnisse entstehen können242. Anders als die deutsche „Aktienrechtsnovelle 2016“ nimmt die Schweizer Reform damit explizit Bezug auf die Möglichkeit eines Kontroll­ erwerbs durch Wandelanleihen und schafft mit der Abweichungsmöglichkeit ein Mittel, um derartige Gefahren zu begrenzen. Anleihen mit Forderungsverzicht sind lediglich aus deklaratorischen Gründen in die Bestimmungen des zusätzlichen Kapitals in Art. 11 Abs. 2 BankG aufgenommen worden243. Sonderregeln, insbesondere zum Schutz der Aktionäre, sind hier ähnlich wie in Deutschland nicht erforderlich, weil von diesen Anleihen keine Beeinträchtigung von Aktionärsrechten ausgeht. Die Durchführung der Kapitalerhöhung erfolgt beim Wandlungskapital nach Art. 13 Abs. 5 BankG durch einen öffentlich beurkundeten, konstitutiven Feststellungsbeschluss des Verwaltungsrats, sobald das objektiv feststellbare Auslöseereignis eingetreten ist. Das Kapital wird dann uno actu von Gesetzes wegen geschaffen. Der Feststellungsbeschluss muss zwingend erfolgen, sobald das Auslöseereignis eingetreten ist (Art. 13 Abs. 5 BankG). Versäumt der Verwaltungsrat die Feststellung des Auslöseereignisses, droht eine persönliche Haftung. Zudem kann die FINMA die Vornahme des Beschlusses durch Weisung anordnen oder sogar im Wege der Ersatzvornahme

239  Vgl. Härtsch, GesKR 2011, 193, 197; Eschwey, Contingent Convertible Bonds (CoCos), S.  141 ff. 240  Vgl. Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 14. 241  Vgl. Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 14 f. 242  Vgl. Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor, too big to fail) v. 20. April 2011, BBl. 2010, 4717, 4775. 243  Vgl. Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 15.

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1. Teil: Grundlegung

selbst vornehmen244. Auf diese Weise wird eine Verzögerung der Kapitalerhöhung vermieden. 4. Fazit Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nehmen im neuen schweizerischen Bankenaufsichtsrecht ähnlich wie in der EU eine wichtige Rolle ein. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass das Schweizer Recht Auslöseereignisse bei Erreichen einer Kernkapitalquote von 5 und 7 Prozent vorsieht, während die europäische Lösung zunächst nur ein Aus­ löseereignis bei 5,125 Prozent vorgibt. Die Abstimmung zwischen dem Eigenmittelrecht und dem Sanierungs- und Abwicklungsrecht ist in der Schweiz insoweit überzeugender gelöst, als dass eine behördliche Entscheidung zu einer Wandlung oder Herabschreibung von Kapitalinstrumenten erst in Betracht kommt, wenn sämtliche bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gewandelt bzw. herabgeschrieben wurden. Aus der Sicht des Anlegerschutzes ist es bedeutsam, dass die erleichterten Voraussetzungen zur Ausgabe von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen anders als in Deutschland nur für Emittenten innerhalb des Bankensektors gelten. Zudem ist in der Schweiz – anders als in Deutschland – explizit vorgesehen, dass Gesellschaften von der Aufhebung der Volumengrenze für das zur Begebung der Wandelanleihen erforderliche bedingte Kapital in den Statuten abweichen können. Der Gefahr, dass Investoren gezielt Wandelanleihen erwerben, um dadurch eine erhebliche Beteiligung aufzubauen, kann durch die Beibehaltung der Volumengrenze vorgebeugt werden. Zumindest können Anreize zu entsprechenden Vorhaben reduziert werden. In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der Anleihen verbleiben den Emittenten in der Schweiz aber ähnlich große Gestaltungsspielräume wie in Deutschland245. Es erscheint daher sinnvoll, im folgenden Abschnitt den regulatorischen Zusammenhang zunächst zu verlassen und auf verschiedene Ausgestaltungsvorschläge aus der Wissenschaft im Hinblick auf deren Funktionen und Wirkung auf die Risikostellung der Anleiheinhaber einzugehen.

244  Vgl. Bösch/Leisinger, SZW 2012, 2, 16 m. w. N.; Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 515. 245  Vgl. Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor, too big to fail) v. 20. April 2011, BBl. 2010, 4717, 4775; Härtsch, GesKR 2011, 193, 196.



§ 2 Typologie und Risikogestaltung83

§ 2 Typologie und Risikogestaltung Funktionen und Risiken von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen werden durch die Ausgestaltung der Anleihebedingungen bestimmt. Abstrakt lässt sich das wirtschaftliche Risikoprofil einer bedingten Pflichtwandelanleihe durch die Gegenüberstellung mit einer herkömmlichen Wandelanleihe skizzieren: Während die Emittentin einer herkömmlichen Wandelanleihe eine Kaufoption auf ihre Aktien verkauft, erwirbt die Emittentin einer umgekehrten Wandelanleihe eine Verkaufsoption, zu deren Ausübung sie sich unter bestimmten Sachverhalten verpflichtet246. Eine nähere Umschreibung konkreter Risikoprofile ist indes kaum durchführbar, da in der Finanzökonomie unzähliche Ansätze zu den Ausgestaltungen bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen existieren, die auf ganz verschiedene wirtschaftliche oder regulatorische Funktionen abzielen247. Für die in dieser Arbeit gefundenen Erkenntnisse wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass die Parteien durch die Gestaltung der Anleihebedingungen die Risikoordnung entlang der regulatorischen Vorgaben grundsätzlich frei bestimmen und damit eine Vorsorge für den Wandlungs- oder Herabschreibungsfall treffen können. Maßgebliche Kriterien sind dabei der Anknüpfungspunkt und die Höhe des Auslöseereignisses sowie die Modalitäten, nach denen die Wandlung oder Herabschreibung erfolgen soll. Die Ausgestaltung der Anleihen ist aber nicht nur für die vertragliche Risikoordnung maßgebend, sondern sie ist zugleich ein entscheidender Faktor für solche Risiken, die mit den öffentlich-rechtlichen Funktionen der Instrumente als „Krisenkapital“ des Bankenaufsichtsrechts verbunden sind. Mit der Wahl des Auslöseereignisses und dessen Höhe kann etwa auch die Wahrscheinlichkeit beeinflusst werden, dass die Aufsicht einer Wandlung oder 246  Vgl. Bader, AG 2014, 472, 481; Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 250. 247  s. aus dem umfangreichen Schrifttum French/Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, S. 54 ff.; Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, S. 44 ff.; Berg/Kaserer, Does contingent capital induce excessive risk-taking?, S. 2 ff.; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 37 ff.; Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 221 ff.; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 827 ff.; Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S.  13 ff.; FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 6 ff., 12 ff.; Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 298; Himmelberg/Tsyplakov, Incentive Effects of Contingent Capital, S.  1 ff.; McDonald, Contingent Capital with a Dual Price Trigger, S. 2 ff.; Pennacchi/ Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 2 ff.; Sundaresan/Wang, Federal Reserve Bank Staff Report No. 448 (2011), S. 2 ff.; ausf. Zusammenfassung bei Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 210 ff.

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1. Teil: Grundlegung

Herabschreibung durch eine Sanierungs- oder Abwicklungsmaßnahme zuvorkommt oder in einer Krise Druck auf die Emittentin ausübt, die Wandlung bzw. Herabschreibung der Instrumente aktiv herbeizuführen.

I. Die Wahl des Auslöseereignisses Die Wahl des Auslöseereignisses ist der Vertragsfreiheit überlassen und kann daher entsprechend der gewünschten Funktion der Anleihe gewählt werden. Rechtstatsächlich reicht das Spektrum von den gesetzestypischen Anleihen, die im Fall einer wirtschaftlichen Krise gewandelt oder herabgeschrieben werden, bis hin zu den bereits beschriebenen Katastrophenanleihen US-amerikanischer Versicherungsgesellschaften, bei denen der Eintritt bestimmter Naturkatastrophen entscheidend ist. In Bezug auf den Haupttypus der regulatorischen Pflichtwandel- und He­ rabschreibungsanleihen unterscheiden Wissenschaft und Praxis grundsätzlich zwischen systemischen und institutsspezifischen Auslöseereignissen („Trigger“). Systemische Auslöseereignisse orientieren sich am Zustand des gesamten Finanzmarktes und führen erst dann zu einer Wandlung bzw. Herabschreibung, wenn sich der gesamte Markt in einem Abschwung befindet. Diskutiert werden Auslöseereignisse, die an den Kurs eines gesamten Aktienindexes anknüpfen, aber auch solche, die an eine Ermessensentscheidung der zuständigen Abwicklungsbehörde gekoppelt sind. Zahlreiche Abhandlungen befassen sich mit der Suche nach Wertgrößen, die einen Abschwung des Finanzmarktes frühzeitig und eindeutig indizieren und möglichst keinen Manipulationsgefahren unterliegen248. Als Nachteil systemischer Auslöseereignisse gilt allgemein, dass sie erst dann eingreifen, wenn sich bereits der gesamte Finanzsektor in einer Krise befindet. Zur Krisenprävention im laufenden Geschäftsbetrieb gelten sie daher als weniger geeignet249. Zudem wird die in der Wissenschaft viel diskutierte verhaltenssteuernde Wirkung von Contingent Capital durch systemische Auslöseereignisse nicht gefördert, da sie bei einem Abschwung des Gesamtmarktes auch Institute, die individuell betrachtet gesund sind, zu einer Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen zwingen. Da es auf die Lage des individuellen Institutes nicht ankommt, entstehen kaum Anreize für die Unternehmensleitung zu einer risikobewussten und nachhaltigen Geschäftsführung250. Die Gesetzesreformen in der 248  FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S.  12 ff. 249  Vgl. Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 7. 250  Vgl. Calomiris/Herring, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), S. 41; French/ Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, S. 56.



§ 2 Typologie und Risikogestaltung85

Schweiz und der EU haben sich deswegen für institutsspezifische Auslöse­ ereignisse entschieden, die sich an der individuellen finanzwirtschaftlichen Lage des jeweiligen Institutes orientieren. 1. Regulatorisch-diskretionäre Auslöseereignisse Bei regulatorisch-diskretionären Auslöseereignissen liegt die Herbeiführung der Wandlung oder Herabschreibung im Ermessen der zuständigen Abwicklungsbehörde251. Die EU hat mit der BRRD eine entsprechende recht­ liche Grundlage geschaffen. Als wesentlicher Nachteil einer behördlich angeordneten Wandlung bzw. Herabschreibung gilt die Gefahr einer Verzögerung der Wandlung bzw. Herabschreibung aufgrund politischen Drucks auf die hinter der Auslöseentscheidung stehende Abwicklungsbehörde252. Wirtschaftspolitische Verzögerungen sind etwa denkbar, wenn eine beginnende Krise nicht noch durch deren öffentliches Ausrufen durch die Abwicklungsbehörde verschärft werden soll. Ferner wird zum Teil kritisiert, dass durch das Dazwischentreten einer Behörde auch die verhaltenssteuernde Wirkung bedingter Pflichtwandelanleihen vermindert wird. 2. Bilanzwertorientierte Auslöseereignisse Bilanzwertorientiere Auslöseereignisse knüpfen an die (regulatorische) Eigenkapitalquote der Emittentin an und führen zu einer Wandlung bzw. Herabschreibung, sobald ein in den Anleihebedingungen bestimmter Bilanzwert unterschritten wird. Ein Beispiel ist Art. 54 Abs. 1 lit. a) CRR, der anordnet, dass Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals spätestens bei Unterschreiten der Kernkapitalquote von 5,125 Prozent zu wandeln bzw. herabzuschreiben sind. Derartige Gestaltungen sind naheliegend, da das Kapital in Krisenzeiten die Eigenkapitalbasis des Instituts stärken und Maßnahmen der Aufsichtsbehörden obsolet machen soll253. Eigenkapitalquoten sind zudem vergleichsweise einfach zu bewerten und werden in regelmäßigen Abständen 251  Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 313 bezeichnet das Anknüpfen an einen Stresstest etwa als eine „überdenkenswerte Möglichkeit“ mit einem „ausgeprägt[en] präventiven Charakter“; auch vom FSOC wird ein regulatorisches Auslöseereignis befürwortet, vgl. Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 15. 252  Vgl. Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, S.  2  ff.; Flannery/ Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S. 6; FSOC, Report to Congress, S. 12; Calomiris/Herring, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), S. 41; Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 7. 253  Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 41.

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1. Teil: Grundlegung

bekanntgegeben254. Allerdings werden bilanzwertorientierte Auslöseereignisse gerade im Hinblick auf ihre Aktualität auch kritisiert, da die Veröffentlichung der relevanten Bemessungsgrößen in der Regel nur quartalsweise erfolgt255. Zudem können Institute aufgrund eigener Berechnungsmethoden die bilanztechnischen Größen und Finanzkennzahlen derart gestalten, dass sie nicht nur von den wahren wirtschaftlichen Begebenheiten abweichen, sondern – möglicherweise auf Druck von Großaktionären oder von Regulierern, deren Einfluss mit Voranschreiten der Krise zunimmt, – auch die Wandlung oder Herabschreibung in ihrem Interesse einseitig beeinflussen256. Schließlich wird kritisiert, dass bilanzwertbezogene Auslöseereignisse stets nur bereits abgeschlossene Transaktionen berücksichtigen und daher kaum geeignet sind, einen (existenzgefährdenden) Verlust bereits im Voraus abzufangen257. In der Wissenschaft wird daher gefordert, das Auslöseereignis möglichst hoch anzusetzen, damit die Wahrscheinlichkeit eines Abweichens der berichteten Werte von der echten wirtschaftlichen Situation des Instituts berücksichtigt werden kann258. Ob die Unterschreitung der Kernkapitalquote von 5,125 Prozent nach Art. 54 Abs. 1 lit. a) CRR in diesem Lichte als ausreichend hoch eingestuft werden kann, ist in Anbetracht der hohen Kapitalgesamtanforderungen mehr als zweifelhaft259.

254  Für die Koppelung an das Kernkapital etwa French/Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, 2010, S. 56 f., die gleichwohl alternativ auch einen regulatorischen Trigger befürworten; wohl auch Schlitt/Brandi/Schröder/Gemmel/Ernst, CFL 2011, 105, 113; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 41; Pazarbasioglu/ Zhou/Le Leslé/Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 19; Nodushani, ZBB 2011, 143, 148, der aber eine Kombination eines regulatorischen und eines bilanzorientierten Triggers favorisiert. 255  Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, S. 45; Leippold, ST 2011, 913; nach den Erfahrungen der FINMA in der Schweiz sind Banken in der Lage, verlässliche Kennzahlen jedenfalls auf monatlicher Basis zu erstellen, vgl. Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 512; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 42; Böckli, SZW 2012, 181, 188. 256  Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 42; Leippold, ST 2011, 913; Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 3  f.; Flannery, Stabilizing Large Financial Institutions, S. 11 f.; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 827 ff.; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 150; Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 512; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17 ff. 257  Vgl. hierzu FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 14. 258  Etwa Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 44. 259  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 44.



§ 2 Typologie und Risikogestaltung87

3. Marktwertorientierte Auslöseereignisse Eine weitere Gruppe bilden marktwertorientierte Auslöseereignisse. Marktwerte können anhand von Aktienkursen oder Preisen auf Credit Default Swaps (CDS) ermittelt werden. Sie sind täglich, einfach und transparent nachvollziehbar und – da sie auch die Marktwerterwartungen berücksichtigen – umfassend in ihrer Bewertung der Emittentin260. Marktwerte orientieren sich stets an der zukünftigen wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens und sind grundsätzlich geeignet, vor einer zukünftigen Schieflage zu warnen. Als Nachteil marktwertbezogener Auslöseereignisse gilt allerdings, dass auf Marktwerte gerade in Krisenzeiten aufgrund von Marktstörungen nur begrenzt vertraut werden kann261. Die Wissenschaft sieht insofern ein nicht unerhebliches Manipulationsrisiko, welches die Märkte aufgrund negativer Anreize destabilisieren kann262. Bspw. wird befürchtet, dass Marktteilnehmer bedingte Pflichtwandelanleihen bei zeitgleichem Leerverkauf der Aktien der Emittentin erwerben, um dann aus einer so erzwungenen Wandlung bzw. aus dem bei einer Kurserholung erfolgten Verkauf der erhaltenen Aktien Gewinne zu erwirtschaften263. Es besteht daher Einigkeit, dass ein marktbezogenes Auslöseereignis nur effektiv eingesetzt werden kann, wenn es gelingt, die mit ihm verbundenen Manipulationsgefahren möglichst zu reduzieren. Einen Vorstoß in diese 260  s. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 44; Calomiris/Herring, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), 39, 47; Sundaresan/Wang, Federal Reserve Bank Staff Report No. 448 (2011), S. 2 f.; Flannery/Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S.  5 ff.; Flannery, Stabilizing Large Financial Institutions, S. 4, 11 ff.; Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 9 f.; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 150 f.; Pazarbasioglu/Zhou/Le Leslé/Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 24. 261  Vgl. Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 9; Pazarbasioglu/Zhou/ Le Leslé/Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 24; Brahmi, Contingent Convertibles – Die Auswirkungen von Basel III auf Bankanleihen, Deutsches Institut für Bankwirtschaft, Band 7, S. 8; Flannery, Stabilizing Large Financial Institutions, S. 11; ders., No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 16 ff. 262  Vgl. Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, S. 45; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 827 ff.; Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 21 f.; Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 8; Leippold, ST 2011, 913 f.; McDonald, Contingent Capital with a Dual Price Trigger, S. 3, 9 ff.; Flannery, Stabilizing Large Financial Institutions, S.  14 f.; Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 5 f. 263  Vgl. Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, 45; Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 8; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 128; Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 4, 10 ff.; French/Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, S. 56.

88

1. Teil: Grundlegung

Richtung wagen Calomiris und Herring264, die das Auslöseereignis nicht unmittelbar an den Aktienkurs koppeln wollen, sondern vielmehr an ein in den Anleihebedingungen festgelegtes Verhältnis zwischen dem Marktwert des Eigenkapitals zu der Summe aus diesem Marktwert und dem Nennwert des Fremdkapitals („Quasi-Market-Value-of-Equity-Ratio“, QMVER). Der Marktwert des Eigenkapitals soll dabei aus der Multiplikation des Aktienkurses mit der Anzahl aller vorhandenen Aktien folgen. Ein anderer Ansatz will bedingte Pflichtwandelanleihen mit einer Option der Altaktionäre verbinden, die Bezugsaktien zum Wandlungspreis zu erwerben, um Manipulationsgefahren zu beseitigen („Call-Option-enhanced-reverse-Convertible“, COERC)265. Wieder andere Vorschläge wollen Manipulationsgefahren dadurch begegnen, dass für das Auslöseereignis auf einen Durchschnittswert des Aktienkurses über einen gewissen Zeitraum abgestellt wird266. Die Schwierigkeit dieser Ansätze besteht darin, ein zeitliches Intervall zu definieren, das weder zu kurz ist, um Manipulationen effektiv zu verhindern, noch zu lang, um eine wirtschaftliche gebotene Verlustabsorption zu verzögern. Calomiris und Herring schlagen einen 90-tägigen Durchschnittswert vor, da dieser die Rechtzeitigkeit der Wandlung nicht weiter beeinträchtigt und sowohl den Aufsichtsbehörden als auch den Instituten ausreichende Zeit lässt, um zu reagieren und eine Wandlung zu verhindern. Dieser Vorschlag hat in der Literatur für Auslöseereignisse im laufenden Geschäftsbetrieb Zustimmung erhalten, denn hier gelten Manipulationsgefahren als besonders dringend267. Es bleibt weiteren ökonomischen Untersuchungen vorbehalten, ob wirklich 90 Tage als Durchschnittswert oder nicht doch ein kürzerer Zeitraum von bspw. 30 oder 60 Tagen oder sogar nur 5 bis 10 Tagen ausschlaggebend sein sollte268.

II. Die Höhe des Auslöseereignisses Der Grenzwert, bei dessen Unterschreitung die Wandlung oder Herabschreibung erfolgt, ist maßgeblich für die Wirkungsart und Risikoordnung der Instrumente. Ob ein Auslöseereignis als „niedrig“ oder „hoch“ bezeichnet wird, richtet sich danach, mit welcher Wahrscheinlichkeit es zu einer Wand264  Calomiris/Herring,

25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), 39, 47 f. Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, passim. 266  French/Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, 2010, S. 56 (20 Tage); Flannery, Stabilizing Large Financial Institutions, S. 20 (5 oder 10 Tage); Calomiris/ Herring, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), 39, 51 (90 Tage); ohne Vorschlag eines konkreten Zeitraums Flannery/Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S. 6 f.; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 128. 267  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 48. 268  Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 20 f. 265  Vgl.



§ 2 Typologie und Risikogestaltung89

lung oder Herabschreibung kommen wird269. Ein in diesem Sinne hohes Auslöseereignis soll entsprechend dem Leitgedanken der Krisenprävention die ordentliche Liquidität eines Kreditinstituts im Going Concern absichern270. Die Rekapitalisierung erfolgt zu einer Zeit, in der das Kreditinstitut (noch) nicht existenziell gefährdet ist271. Auf die gewünschte Verhaltenssteuerung kann ein hohes Auslöseereignis positive Effekte haben, da die Unternehmensleitung bereits in einem frühen Stadium auf nachhaltige Ziele und ein adäquates und effektives Risikomanagement bedacht sein muss272. Ein niedriges Auslöseereignis dient hingegen der Lastenverteilung im Gone ­Concern, indem die (privaten) Anleihegläubiger durch die Wandlung einen ­Restrukturierungsbeitrag leisten273. In der Finanzökonomie werden niedrige Auslöseereignisse kritisch gesehen. Erfolgt eine Rekapitalisierung erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Aktionäre kaum noch etwas zu verlieren haben, können bei einem emittentenfreundlichen Wandlungsverhältnis Anreize für Vorstände entstehen, im Interesse der Aktionäre (unvernünftig) hohe Risiken zur Verbesserung der Kapitalisierung einzugehen („Debt Overhang“)274. Ist das Wandlungsverhältnis hingegen gläubigerfreundlich, wird befürchtet, dass die Wandlung hinausgezögert wird, um eine Verwässerung der Altaktien zu vermeiden. Die Folge wäre ein starker Vertrauensverlust am Markt und möglicherweise eine Rettung der Bank mit öffentlichen Mitteln275. Hohe Aus­ löseereignisse dienen damit aus regulatorischer Sicht zwar eher dem Ziel der Krisenprävention, aus Investorensicht steigen mit der Höhe des Auslöse­ 269  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 50; Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 7. 270  Vgl. Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 50 f.; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 129; Pazarbasioglu/Zhou/Le Leslé/Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 9; vgl. auch Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 7. 271  Vgl. auch den Schlussbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen v. 30.9.2010, S. 26; für einen hohen Trigger auch Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 9 f.; Flannery/Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S. 3 f.; Pazarbasioglu/Zhou/Le Leslé/Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 19. 272  Pazarbasioglu/Zhou/Le Leslé/Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 3. 273  Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 51; Brahmi, Contingent Convertibles – Die Auswirkungen von Basel III auf Bankanleihen, Deutsches Institut für Bankwirtschaft, Bd. 7, S. 9; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 129; Pazarbasioglu/Zhou/Le Leslé/ Moore, Contingent Capital: Economic Rationale and Design Features, S. 11. 274  Vgl. Flannery/Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S. 3; Leippold, ST 2011, 913, 914. 275  Vgl. Flannery/Perotti, CoCo design as a risk preventive tool, S. 3; Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 23.

90

1. Teil: Grundlegung

ereignisses allerdings auch die Risiken, dass Regulierer auf die Entscheidungen Emittentin dahingehend Einfluss üben, die Wandlungs bzw. Herabschreibungsbedingungen der Instrumente aktiv herbeizuführen.

III. Das Umwandlungsverhältnis Nach dem Eintritt des Auslöseereignisses ist das Umwandlungsverhältnis der entscheidende risikobestimmende Faktor für die Parteien des Anleiheschuldverhältnisses. Auch der Schutz der Inhaber der Anleihen vor einseitigen Beeintreichtigungen ihrer Rechtsstellung durch die Emittentin hängt ganz entscheidend von der Ausgestaltung des Wandlungsverhältnisses ab. 1. Allgemeine Bedeutung Das Umwandlungsverhältnis bezeichnet die Menge der Aktien, die der Anleihegläubiger durch die Wandlung erhält276. Es bestimmt somit über die Verwässerung der Stimm- und Vermögensrechte der Altaktionäre277. Die gewünschte Verhaltenssteuerung kann nur gewährleistet werden, wenn im Wandlungsausfall eine in Relation zum Grundkapital hinreichend hohe Anzahl neuer Aktien emittiert werden muss, sodass die Altaktionäre eine (starke) Verwässerung ihrer Anteile fürchten müssen278. Zugleich kann durch das Umwandlungsverhältnis auch die Marktdisziplin der Anleihegläubiger kontrolliert werden279. Wird eine hinreichend geringe Menge neuer Aktien im Wandlungsfall begeben, kann der potentiell eintretende Kapitalverlust Anreize für Investoren schaffen, die von der emittierenden Bank eingegangenen Risiken sorgfältiger zu prüfen. Das Umwandlungsverhältnis ist insofern ein 276  Vgl. Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 828 ff.; Nodoushani, ZBB 2011, 143, 149; Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 52; Brahmi, Contingent Convertibles – Die Auswirkungen von Basel III auf Bankanleihen, Deutsches Institut für Bankwirtschaft, Bd. 7, S. 9; bei der Herabschreibungsvariante würde das Umwandlungsverhältnis die Höhe der Herabschreibung festlegen. 277  s. ausf. zur Bedeutung des Umwandlungsverhältnisses für die Funktionsart der Anleihe Flannery, Stabilizing Large Financial Institutions, S. 9 f.; ders., No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 20 f.; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 828 ff.; FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 10; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17 f. 278  s.  BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, Ziff. 85 lit. b); Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, S. 46; Leippold, ST 2011, 913, 914; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 151. 279  s. FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 7; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 56.



§ 2 Typologie und Risikogestaltung91

entscheidender Faktor, um die Vorteile einer erhöhten Marktdisziplin auf Emittenten- oder auf Gläubigerseite zu erzielen280. Das Umwandlungsverhältnis kann positiv oder negativ ausgeformt werden und – richtig kali­ briert – im gesamtwirtschaftlichen Interesse zu einer Stabilisierung des Finanzmarktes beitragen. 2. Konkrete Ausgestaltung Grundsätzlich kann das Umwandlungsverhältnis fix oder variabel gestaltet werden. Beim fixen Umwandlungsverhältnis wird zwischen der „Fixed Share Conversion“, bei der sich die Anleihen in eine vorher festgelegte Menge an Aktien wandeln, und der „Fixed Dollar Conversion“, bei der die Wandlung eine in den Anleihebedingungen festgelegte Menge an Eigenkapital generieren soll, unterschieden281. Bei der „Fixed Share Conversion“ wird die Wandlung regelmäßig zu Lasten der Gläubiger erfolgen, da die Emittentin zum Zeitpunkt der Wandlung oftmals erhebliche Verluste erlitten und ihre Aktien dementsprechend an Wert verloren haben werden282. Da die Menge der auszugebenden Aktien wertunabhängig fixiert ist, werden die Gläubiger im Regelfall eine Anzahl an Aktien erhalten, die in ihrem Wert erheblich unter dem Wert der Anleihen liegen wird. Die Folge ist eine Vermögensverschiebung zugunsten der Alt­ aktionäre und zulasten der Gläubiger283. Je nachdem, wie hoch das fixe Umwandlungsverhältnis angesetzt ist, brauchen die Altaktionäre eine aus wissenschaftlicher Sicht geforderte starke Verwässerung ihrer Beteiligung nicht zu befürchten, sondern können im Gegenteil Anreize erhalten, eine Wandlung der Anleihen zielgerichtet herbeizuführen. Der Baseler Ausschuss hat schon früh darauf hingewiesen, dass die Risiken durch einen entsprechend hohen Kupon kompensiert werden müssten284. 280  s.  BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, Ziff. 85 lit. c); FSOC, Report to Congress on a Study of a Contingent Capital Requirement for certain Nonbank Financial Companies and Bank Holding Companies v. Juli 2012, S. 7; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 56. 281  Für einen Überblick über die Ausgestaltungsarten s. McDonald, Contingent Capital with a Dual Price Trigger, S. 5. 282  Vgl. Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 828 ff.; Nodoushani, ZBB 2011, 143, 149; Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 52; für ein fixes Umwandlungsverhältnis French/Baily/Campbell et al., The Squam Lake Report, S. 93. 283  Vgl. Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 129 f.; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 18. Dies gilt natürlich nur unter der Annahme, dass die Umwandlung zum Nennwert unter Zugrundelegung des Aktienkurses am Ausgabetag der Anleihen erfolgt. 284  BCBS, Proposal to ensure the loss absorbency of regulatory capital, S. 8; zustimmend Nodoushani, ZBB 2011, 143, 150.

92

1. Teil: Grundlegung

Bei der „Fixed Dollar Conversion“ erhält der Anleihegläubiger durch die Wandlung eine variable Anzahl an Aktien, die sich nach dem in den An­ leihebedingungen festgeschriebenen Gesamtwert der auszugebenden Aktien richtet. Die Menge der zu liefernden Aktien fällt höher aus, je niedriger der Aktienkurs ist. Reizvoll ist diese Ausgestaltung in erster Linie für die Investoren, da sie dadurch, dass die Menge der ihnen zu liefernden Aktien erst im Zeitpunkt der Wandlung bestimmt wird, keinen Kapitalverlust zu befürchten haben. Der Wertverlust der Aktie bei der Wandlung wird durch die entsprechende Erhöhung der zu gewährenden Aktien kompensiert285. Auf der Seite der Emittentin werden die Altaktionäre stärker als die An­ leihegläubiger am Verlust beteiligt, was nicht nur aufgrund der bis zur Wandlung bestehenden Einflusslosigkeit der Gläubiger begrüßt wird sondern auch aufgrund der aus der entsprechenden Verwässerung der Stimmund Vermögensrechte der Altaktionäre folgenden Verhaltenssteuerung286. Insofern können mögliche Anreize für die Emittentin, eine Wandlung der Anleihen zielgerichtet herbeizuführen, durch die Wahl einer „Fixed Dollar Conversion“ minimiert werden. Beim variablen Wandlungsverhältnis im eigentlichen Sinne wird weder die konkrete Menge der bei der Wandlung zu liefernden Aktien noch der Wert des Eigenkapitals, in den die Anleihen zu wandeln sind, im Voraus fest­gelegt. Das genaue Wandlungsverhältnis ergibt sich erst im Zeitpunkt der Wandlung. Die konkrete Anzahl der Aktien folgt dann aus der Kapitalmenge, etwa im Falle eines bilanzwertorientierten Auslöseereignisses aus der Summe, die erforderlich ist, um die Kernkapitalquote wieder über das regulatorische Mindestniveau zu heben, dividiert durch den Aktienkurs zum Zeitpunkt der Wandlung. Die Nachteile dieser Ausgestaltung liegen auf der Hand: Mit der Unklarheit darüber, welche Menge an Eigenkapital zu welchem Aktienpreis gewandelt wird, sind erhebliche Unsicherheiten bei der Bewertung des In­ struments verbunden. Dies steigert die Refinanzierungskosten. Da vorab nicht bestimmbar ist, ob die Wandlung zu Lasten der Altaktionäre oder zu Lasten der Gläubiger gehen wird, ist die verhaltenssteuernde Wirkung variabler Umwandlungsverhältnisse begrenzt. In der Wissenschaft wird daher die „Fixed Dollar Conversion“ favorisiert. Sie gewährleistet ein hohes Maß an Transparenz sowohl für Gläubiger als auch für die Aktionäre, da bereits im Zeitpunkt der Anleihezeichnung exakt feststeht, welchen Aktienwert sie bei Auslösen des Triggers ausgeben beziehungsweise erhalten. Da bei der „Fixed Dollar Conversion“ das Risiko der Investoren aufgrund der für sie vorteil285  Vgl. Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 52; Nodoushani, ZBB 2011, 143, 150, die zwar von einem „variablen“ bzw. „fixen“ Umwandlungsverhältnis sprechen, offenbar aber die „Fixed Dollar Conversion“ meinen. 286  Vgl. Gleske/Ströbele, CFL 2012, 49, 52.



§ 2 Typologie und Risikogestaltung93

haften Wandlung (jedenfalls bei entsprechendem Nennwertbezug) geringer ausfällt als bei den anderen Ausgestaltungsvarianten, sind die Kosten des Instruments für die Emittentin geringer287.

IV. Bezug zum Anlegerschutz Die Typenvielfalt bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen verbietet eine einheitliche Betrachtung und erschwert die Risikobewertung durch die Anleger. Inzwischen finden sich auch außerhalb des regulatorischen Zusammenhangs Überlegungen dazu, wie bedingte Pflichtwandelanleihen etwa als transaktionsbegleitende Eigenkapitalquelle bei bereits ausgeschöpftem genehmigten Kapital oder zur steuerbegünstigten Kapitalaufnahme, die (zunächst) ohne die Schaffung neuer Stimmrechte auskommt, genutzt werden könnten288. Die Parteien des Anleiheschuldverhältnisses können durch die Gestaltung der Wandlungsparameter die Risikoordnung und damit auch die Wirkungsart frei bestimmen. Insbesondere durch die Gestaltung des Umwandlungs- bzw. Herabschreibungsverhältnisses (d. h. variables Umwandlungsverhältnis in der Form der „Fixed Dollar Conversion“, keine Wandlungsobergrenze, keine vorherige Herabschreibung) ist es möglich, die Entstehung von Anreizen für die Emittentin, die Anleihegläubiger einseitig zu benachteiligen, entweder zu begünstigen oder zu minimieren. Für Anleihen, die eine Funktion als „Krisenkapital“ im europäischen Bankenrecht erfüllen, ist die Wahl der Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter zudem ein wichtiger Faktor für solche Risiken, die aus dem in der Krise zunehmenden Einfluss der Aufsicht auf die betroffene Bank resultieren. In der Kapitalmarktpraxis werden die Anleihebedingungen zwar von der Emittentin – sei es im Wege der Eigenemission oder über eine Emissionsbank im Wege der Fremdemission – einseitig bestimmt289. Über den Wettbewerb um die günstigsten und transparentesten Wertpapiere sorgen Marktkräfte aber dafür, dass Emittenten keine Gestaltungen wählen, welche die Investoren übermäßig belasten290. Gestaltungen die sich für die Investoren als besonders nachteilig darstellen, werden bei Unterstellung transparenter Märkte durch einen entsprechend höheren Anleihezins kompensiert291. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Investoren der Risiken von 287  So im Ergebnis BCBS, Proposal to ensure the loss absorbency of regulatory capital, S. 8. 288  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 162, 167. 289  Zu den zivilrechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit s. unten 1. Teil: § 5. 290  s. dazu unten 1. Teil: § 5. 291  Vgl. von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17.

94

1. Teil: Grundlegung

Contingent Capital durchaus bewusst sind und diese in ihre Investitionsentscheidung detailliert einbeziehen292.

§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz Nachdem rechtliche Rahmenbedingungen, Dogmatik und Ausgestaltungsarten in Grundzügen dargestellt sind, wendet sich dieser Abschnitt den besonderen Gefahren der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch emittentenseitige Beeinträchtigungen zu. Eine sachgerechte Bewertung des Anlegerschutzrechts setzt ein Verständnis für die Risiken der Anleger und mögliche Beeinträchtigungen ihrer Rechtsstellung durch die Emittentin voraus.

I. Anlegerrisiken und Risikobegriff Ein allgemeiner Risikobegriff, schreibt Luttermann, ist „kaum fixierbar“ und hat allenfalls „normativen Charakter“293. Zukunftsgerichtete Investi­ tionsentscheidungen werden auf ungewisser Grundlage gefällt und beinhalten insofern stets ein Risiko. Zwar kann die Ungewissheit graduell verschieden sein, sie wird aber gerade bei der Unternehmensfinanzierung stets Bestandteil jeder Entscheidungsgrundlage sein. Insofern werden Risiken auf dem Finanzmarkt zur Wahrnehmung von Investitionschancen bewusst als „Chance- und Risiko-Konstellationen gehandelt“294. Die Emittentin von Schuldtiteln hat ganz allgemein das Risiko ihrer wirtschaftlichen Lage zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche der Gläubiger zu tragen295. Bei Leistungsstörungen muss sie mit Sanktionen rechnen. Aber auch die Enttäuschung lediglich erhoffter Ansprüche kann insoweit negative Folgen haben, als dass sich die erneute Kapitalaufnahme verteuert, Gläubiger Druck auf die Geschäftsführung ausüben oder Kreditgeber die Prolongation ihrer Kredite verweigern können. Im Fall der Insolvenz droht sogar der vollständige Entzug der Verfügungsmacht. Das Risiko der Anleger ist dagegen weitaus weniger greifbar. Letztlich stellen sie einen definierten Kapitalbetrag im Tausch gegen einen unsicheren Fluss zukünftiger Zahlungen zur Verfügung. Was im Rahmen des Finanzierungsvertrages als Risiko wie bewertet und behandelt wird, entscheiden allein die bei der Vertragsgestaltung bzw. nur Hesse, CoCo Bonds and Risk: The Market View, S. 13 f. Kapital und Genußrechte, S. 19 ff. 294  Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 21. 295  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzinstrumente, S. 128. 292  s.

293  Unternehmen,



§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz 95

dem Erwerb eines Wertpapiers beteiligten Parteien296. Bei Unterstellung funktionierender Märkte werden die vertraglich übernommenen Risiken daher regelmäßig eingepreist sein297. Hopt ordnet die Risiken der Anleger in abstrakte Risikogruppen ein. Er unterscheidet zwischen dem Substanzrisiko, das die Gefahr eines Substanzverlustes der Kapitalanlage bezeichnet, dem Informationsrisiko, das letztlich auf Informationsasymmetrien auf den Finanzmärkten zurückzuführen ist, dem Interessenvertretungsrisiko, das entsteht, wenn der Gläubiger seine Interessen nicht mehr selbst wahrnimmt, sondern Gesellschaftsorgane oder andere Instanzen damit beauftragt, und dem Konditionenrisiko, das die Bedingungen betrifft, zu denen der Anleger anlegen kann298. Die Freiheit bei der Vertragsgestaltung hybrider Finanzierungsinstrumente verhindert allerdings eine pauschale Umschreibung einzelner Risikoprofile. Allgemein gelten Anlagen in hybride Finanzierungsinstrumente als besonders riskant, da sie aufgrund der Übernahme eigenkapitaltypischer Risiken in besonderem Maße vom Erfolg oder Misserfolg der Unternehmensführung abhängen299. Aber selbst innerhalb der Kategorie der hybriden Finanzierungs­ instrumente variiert das eingegangene Risiko in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung des Finanzierungsinstruments. So können bspw. Nachrangabreden, laufende Gewinn- und Verlustbeteiligungen, Wandlungsrechte und -pflichten unbegrenzt kombiniert werden. Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gehen in der Kategorie der hybriden Finanzierungsinstrumente ein besonders hohes Risiko ein. Realisiert sich das Wandlungsrisiko einer Pflichtwandelanleihe, wird aus dem Anleihegläubiger, der je nach Ausgestaltung der Anleihebedingungen typischerweise einen Anspruch auf Zins- und endfällige Rückzahlung hat, ein Inhaber von Aktien, der einen Anspruch auf Auszahlung von Überschüssen hat. Der Anspruch auf Auszahlung einer Dividende geht in der Krise aber solange ins Leere, wie ausschüttungsfähige Überschüsse nicht vorhanden sind. Der Wert der gewandelten, neuen Aktie liegt dann allenfalls in der Hoffnung auf einen Sanierungserfolg300. Anders als der Inhaber einer herkömmlichen Wandelanleihe, der durch das Rückzahlungsverlangen zum Nennwert seine Verluste auf die Differenz zwischen dem gewährten Zinssatz 296  Luttermann,

Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 20. von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17. 298  Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 53 f.; ähnlich auf­ fächernd Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 164 m. w. N.; ferner Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots, S.  30 ff. 299  Grundlegend Frantzen, Genußscheine, S. 239 f. 300  Drygala, WM 2011, 1637, 1639. 297  Vgl.

96

1. Teil: Grundlegung

und dem Zinssatz, der durch die Investition in eine vergleichbare Anleihe zu erzielen gewesen wäre, begrenzen kann, ist der Inhaber einer bedingten Pflichtwandelanleihe dem Risiko eines Totalverlustes in besonderem Maße ausgesetzt301. Und anders als der Inhaber einer herkömmlichen Pflichtwandelanleihe, für den feststeht, dass eine Wandlung am Ende der Laufzeit erfolgt, kann der Inhaber einer bedingten Pflichtwandelanleihe jederzeit von einer Wandlung „überrascht“ werden. Entsprechendes gilt für die Variante, in der bei Eintritt des Auslöseereignisses eine Herabschreibung der Forderungen erfolgt.

II. Zur Stellung der Anleihegläubiger zwischen Aktionärs- und Regulierungsinteressen Die Abhängigkeit der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vom Verhalten der Emittentin gewinnt durch ein kompliziertes Geflecht widerstreitender Interessen zwischen Gläubigern, Anteilseignern und Aufsichtsbehörden an Bedeutung. Insbesondere das Hinzutreten von Aufsichtsinteressen in der Krise unterscheidet die Risikosituation regulatorischer bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen wesentlich von denen anderer, nicht-regulatorischer Hybridinstrumente. 1. Konflikte mit Aktionärsinteressen Zunächst ist auf die Anreiz- und Interessenlagen von Aktionären und Anleihegläubigern einzugehen302. Aktionäre und Gläubiger haben gleichermaßen Ansprüche gegen die Gesellschaft, aber nur die Aktionäre können bei der Liquidation einer solventen Gesellschaft einen Teil des Erlöses verlangen (§ 271 Abs. 1 AktG). Nur Letztere sind die Träger des Residualinteresses an der Gesellschaft. In der Folge werden Aktien im Wesentlichen nach den Dividendenaussichten und dem in der Gesellschaft gebündelten Risiko bewertet, Anleihen aber nach dem Insolvenzrisiko und den Zinsaussichten303. Anders gesagt interessieren sich Aktionäre für den „return on investment“, die 301  Vgl. Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 83 (allerdings in Bezug auf Pflichtwandelanleihen im klassischen Sinn, bei denen der Gläubiger ein Wandlungsrecht hat und lediglich am Ende der Laufzeit zur Wandlung verpflichtet ist). 302  Hierzu grundlegend Klöhn, ZGR 2008, 110 ff.; aus der US-amerikanischen Lit. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 194 f.; Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 972 f.; Harvey, 65 St. John’s L. Rev. (1991), 1023, 1206 ff.; McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 418; Brudney, 105 Harv. L. Rev. (1992), 1821, 1839 f.; Stagg/Ferretti, 4 St. John’s Journ. Legal Comment. (1989), 245, 252 ff. 303  Vgl. Klöhn, ZGR 2008, 110, 112 m. w. N.



§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz 97

Gläubiger aber sorgen sich nur um den „return of investment“304. Nun orientiert sich die Geschäftspolitik von Aktiengesellschaften trotz der international gegenwärtigen Diskussion um die gesamtwirtschaftlich effizienteste Unternehmensführung zwischen Shareholder Value und den Interessen der Stakeholder in der Praxis noch immer vorrangig an den Interessen der Aktionäre305. Da die Aktionäre an der Maximierung ihres Gewinns interessiert sind, neigen sie dazu, die Unternehmensführung zur Eingehung immer höherer Risiken zu drängen306. Für die nicht am Gewinn teilnehmenden Anleihegläubiger der Gesellschaft steigen durch die Eingehung weiterer Risiken aber nur die Ausfallrisiken. Ähnliche Interessenkonflikte können auch bei der Ergebnisermittlung und -verwendung sowie der Ausschüttungspolitik bestehen307. Letztlich divergieren die Interessen von Aktionären und Gläubigern bei jeder Transaktion, welche die Gesellschaft auf Kosten zusätzlichen Risikos profitabler machen soll308. Nach der „Agency-Theorie“ wirkt die Aufnahme von Fremdkapital grundsätzlich als Korrektiv dieses Interessenkonfliktes, da vertraglich fixierte Zins- und Tilgungszahlungen eine disziplinierende Wirkung auf die Unternehmensleitung entfalten und den Spielraum für ineffiziente und besonders riskante Geschäfte reduzieren309. Bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen wird dieser Mechanismus jedoch teilweise außer Kraft gesetzt, da das disziplinierende Moment fester Zins- und Tilgungszahlungen durch die Umwandlung bzw. Herabschreibung in Krisenzeiten wegfällt310. Führt ein Projekt zu Verlusten und in der Folge zu einer Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen, tragen nicht mehr nur die Aktionäre die ­Kosten, sondern die Kosten werden vielmehr auch auf die Gläubiger verteilt, die durch die Herabschreibung oder Wandlung ihrer Titel an den Verlusten teilnehmen. Dieser Umstand ist der Unternehmensleitung ex ante bekannt, wodurch gerade in Krisenzeiten Anreize der Emittentin zu besonders riskanten Geschäften entstehen können311. Wenn sich in einer Unternehmenskrise 304  Klöhn,

ZGR 2008, 110, 112 m. w. N. nur von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, passim. 306  Vgl. ausf. McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 418; Schenker, FS von der Crone, 65, 69 f. 307  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 194 f.; Corey/Marr/ Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 972 f. 308  Prägnant Klöhn, ZGR 2008, 110, 113. 309  Vgl. Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 130. 310  Vgl. Böckli, SZW 2012, 181, 189 f. 311  s. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 316; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 60; explizit auch der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank v. März 2018, S. 53, 65, abrufbar unter https://www.bundesbank.de.; für eine ausf. Behand305  Vgl.

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1. Teil: Grundlegung

das Verlustrisiko besonders waghalsiger Geschäfte realisiert, wird die Gesellschaft eben auf Kosten der Anleihegläubiger „saniert“. Es können sogar Anreize zu einem „strategischen Verhalten“ zu Lasten der Hybridgläubiger entstehen312. 2. Konflikte mit den Interessen der Bankenaufsicht Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen unterscheiden sich von anderen, nicht-regulatorischen Hybridinstrumenten durch ihre öffentlichrechtlichen Funktionen als „Krisenkapital“ im Bankenrecht. In der Folge sind die Anleihegläubiger zumindest mittelbar auch den Interessen der zuständigen Regulierer unterworfen. Gerade in Krisenzeiten kann es vorkommen, dass die Aufsichtsbehörde nicht nur verstärkt Einfluss auf das Management ausübt, sondern mit ihren ausgeprägten Eingriffsbefugnissen und Drohmitteln bestimmte Entscheidungen der Unternehmensleitung faktisch übernimmt, ohne nach Außen in Erscheinung treten zu müssen. Die Aufsichtsbehörden können durchaus ein gesteigertes Interesse daran haben, eine Wandlung bzw. Herabschreibung der Krisenanleihen zu bewirken, da sie sich dadurch unter Umständen eine Abwicklungsmaßnahme nach dem Sanierungs- und Abwicklungsrecht ersparen können und die Maßnahme – zumindest nach Außen hin – vom Management der Bank und nicht von der Aufsicht zu verantworten ist. Durch ein solches Vorgehen kann die Aufsicht unter Umständen ein „öffentliches Ausrufen“ der Krise, wie es der Erlass eines Verwaltungsaktes mit einer hoheitlichen Sanierungs- oder Abwicklungsmaßnahme regelmäßig zur Folge hat, vermeiden („Bail-in durch die Hintertür“). Die Eingriffsbefugnisse und Druckmittel der Aufsichtsbehörden zu diesen Zwecken sind vielfältig und reichen bspw. von einschneidenden Frühinterventionsmaßnahmen (§ 36 Abs. 1 S. 2 SAG) inklusive umfassender interner Überprüfungen und Revisionsverfahren bis hin zur Befugnis zum Austausch von Geschäftsleitern (§ 25c Abs. 5 KWG).

III. Fallgruppen möglicher Beeinträchtigungen der Anleihegläubiger durch die Emittentin Ausgehend von diesen Grundüberlegungen lassen sich Fallgruppen bilden, an denen gläubigerschützende Rechte zu messen sind.

lung gläubigergefährdender Verhaltensanreize s. Scheibenpflug, Verhaltensrisiken und aktienrechtliche Vermögensbindung, S.  123 ff. 312  Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 514 f.; s. ferner explizit von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17 ff.



§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz 99

1. Beeinträchtigungen durch sorgfaltswidrige Geschäftsführung Die erste Fallgruppe bezeichnet Beeinträchtigungen der Anleihegläubiger durch fehlerhafte bzw. sorgfaltswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen313. Die Position der Anleihegläubiger kann zunächst mittelbar dadurch beeinträchtigt werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft negativ verläuft314. Durch waghalsige bzw. extrem risikoreiche Geschäfte in Insolvenznähe können außerordentliche Verluste entstehen. Bei Anleihen des zusätzlichen Kernkapitals nach Art. 52 CRR können Verluste zur Veräußerung von Aktiva bzw. zu einer Verringerung der Kernkapitalquote führen und damit die Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen auslösen. Die Anleihegläubiger werden dann entweder Aktionäre und haben gegebenenfalls Aktienkursverluste mitzutragen oder sie verlieren ihre Investition durch die Herabschreibung der Forderung. Daneben kann die Emittentin laufende Zinszahlungen nach eigenem Ermessen ausfallen lassen315. Die Anleihegläubiger haben diese Risiken durch den Erwerb der Anleihen grundsätzlich übernommen und da sie bei einem funktionierenden Markt bereits im Festzins eingepreist sind, können sie nicht ohne Weiteres auf die Gesellschaft abgewälzt werden316. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die negative wirtschaftliche Entwicklung der Emittentin nicht auf einem schuldhaften bzw. vorwerfbaren Fehlverhalten der Unternehmensleitung, sondern auf Marktveränderungen (unvorhersehbare Nachfrageeinbrüche, erhöhter globaler Wettbewerbsdruck, Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen usf.) beruht. Sind die Verluste aber durch ein vorwerfbares Missmanagement verursacht worden, stellt sich die Frage, ob die Anleger auch dafür einstehen müssen, oder ob sie in diesem Fall die Emittentin auf Nachholung ausgefallener Zahlungen oder gar Schadensersatz in Anspruch nehmen und somit das Verlustrisiko auf die Gesellschaft zurückübertragen können. Diese Fallgruppe ist Gegenstand der seit Jahren umstrittenen „Klöckner-Rechtsprechung“ zu Genussrechten, die einen Schutz von Genussrechtsinhabern durch gesteigerte Sorgfaltspflichten gewährleisten will. Ob und inwieweit diese Rechtsprechung auch auf die 313  Vgl. aus der US-amerikanischen Lit. Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev. (1990), 1170 („Corporate management […] can affect bondholders’ interests […] in its quotidian conduct of the corporation’s business by careless or disloyal behaviour.“). 314  s. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 189  ff.; KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 131 ff., 333 ff. Die Fallgruppe der sorgfaltswidrigen Geschäftsführung hat die Genussrechtsdebatte und das allgemeine Anlegerschutzrecht bei hybriden Finanzierungsinstrumenten seit den 1990er Jahren geprägt, vgl. BGHZ 119, 305 ff. = BGH NJW 1993, 57 ff. – Klöckner; BGH NZG 2014, 661 ff. – Corealcredit. 315  Vgl. Art. 52 Abs. 1 lit. l iii) CRR; International Accounting Standards (IAS) 32. 316  Vgl. Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 382 (zu Genussrechten).

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1. Teil: Grundlegung

neue Kapitalklasse anzuwenden ist, wird in den §§ 8 ff. dieser Arbeit zu behandeln sein. 2. Beeinträchtigungen durch einseitige Beeinflussungen der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen Die zweite Fallgruppe bezeichnet einseitige Beeinflussungen der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen durch die Emittentin oder Marktteilnehmer. Im Schrifttum ist vielfach angedeutet worden, inwieweit Contingent Capital bei entsprechender Ausgestaltung Möglichkeiten und Anreize zu einer einseitigen Risikobeeinflussung durch die Parteien oder Marktteilnehmer setzen kann317. Die Emittentin kann das Auslöseereignis bei Herabschreibungsanleihen oder einem emittentenfreundlichen Wandlungsverhältnis zielgerichtet herbeiführen oder bei einem gläubigerfreundlichen Wandlungsverhältnis auch durch künstliche und unwirtschaftliche Maßnahmen verhindern318. Die Gestaltungsmittel zu diesen Zwecken sind an die Art des Auslösungsereignisses geknüpft und demensprechend sehr verschieden. Im Regelfall wird die Emittentin zwar den Eintritt des Auslöseereignisses verhindern wollen, um zu vermeiden, dass der Aktienkurs durch ein öffentlichkeitswirksames Krisenereignis unter Druck gerät. Allerdings kann die Emittentin in bestimmten Situationen auch gegenteilige Interessen verfolgen. Neben der Einflussnahme durch Regulierer können Aktionärsmehrheiten die Unternehmensleitung im Sinne ihrer Partikularinteressen einseitig beeinflussen. Denkbar ist auch, dass die Unternehmensleitung auf Druck von Großinvestoren, die durch die Wandlung von bedingten Pflichtwandelanleihen ihre Beteiligung ausbauen wollen, Maßnahmen zum Nachteil der Anleihegläubiger ergreift. Die disziplinierende Wirkung von Contingent Capital auf die Unternehmensleitung kann verloren gehen, wenn Absprachen mit übernehmenden Investoren bestehen, nach denen die Mana317  Vgl. Hesse, CoCo Bonds and Risk: The Market View, S. 6; Leippold, ST 2011, 913; Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 3 f.; Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 21 f.; Zähres, Deutsche Bank Research v. 15.4.2011, S. 8; ders., Stabilizing Large Financial Institutions, S.  11 f.; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 827 ff.; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 150; Avdjiev/Kartasheva/Bogdanova, CoCos: a primer, S. 45; McDonald, Contingent Capital with a Dual Price Trigger, S. 3, 9 ff.; Härtsch, GesKR 2011, 193, 200; allgemein Brudney, 105 Harv. L. Rev. (1992), 1821 ff. 318  Vgl. aus der US-amerikanischen Lit. Jackson/Skeel, 2 Harv. Bus. L. Rev. (2012), 435, 454; aus der deutschen Lit. grundlegend Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 194; zu den Anreizen zu solchen Maßnahmen s. Hesse, CoCo Bonds and Risk: The Market View, S. 6; ferner Heldt, Bedingtes Kapital und Anreizwirkungen bei Banken, S. 44; Böckli, SZW 2012, 181, 187 f.



§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz 101

ger bei ihrer Auswechslung entweder hohe Abfindungen oder die Zusage erhalten, ihre Funktion behalten zu dürfen. Für spezialisierte Investoren ist die Möglichkeit einer Unternehmensübernahme durch den Erwerb von bedingten Pflichtwandelanleihen besonders reizvoll, da sie ohne einen Beschluss der Gläubigerversammlung – wie er etwa bei einem Debt-EquitySwap nach § 5 SchVG erforderlich ist – auskommt und zudem dadurch begünstigt wird, dass nach der Neuregelung des § 194 Abs. 1 S. 2 AktG ein Umtausch in Aktien zum Nennwert der Anleihen ohne Wertprüfung der eingebrachten Forderung möglich ist319. Dadurch können in Krisenzeiten erhebliche Beteiligungen erworben werden, obwohl die als Einlage eingebrachte Anleiheforderung im Zeitpunkt der Krise regelmäßig erheblich an Wert verloren haben wird320. a) Einseitige Einflussnahmen auf bilanzwertorientierte Auslöseereignisse Ist das Auslöseereignis an eine bestimmte Finanzkennziffer geknüpft, etwa bei Anleihen des zusätzlichen Kernkapitals nach Art. 54 Abs. 1 lit. a) CRR an das Erreichen einer bestimmten Kernkapitalquote, kann die Emittentin die Kernkapitalquote z. B. durch Aktienrückkäufe, die Ausschüttung einer Superdividende oder eine sonstige Vernichtung von Vermögenswerten gezielt absenken, um das Auslöseereignis herbeizuführen321. Denkbar sind auch Fälle, in denen durch eine zielgerichtete Unterbewertung von Aktiva die Kernkapitalquote beeinflusst wird. Aber auch bilanzielle Gestaltungen können mittelbar auf die Kernkapitalquote durchschlagen322. So kann die Emittentin die Verlustbeteiligung der Hybridkapitalgeber etwa durch die Bildung von Rückstellungen nach § 249 BGB oder die Auflösung von Rücklagen und Reserven beeinflussen. Die Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und Spielräume bei der Rückstellungs- und Rücklagenpolitik zum Nachteil von Hybridgläubigern war zuletzt Gegenstand verschiedener Gerichtsverfahren. Dieser Themenbereich wird in § 7 dieser Arbeit eingehender zu besprechen sein.

319  Vgl zum sachverwandten Themengebiet der sog. schuldenbasierten Unternehmensübernahme Florstedt, ZIP 2015, 2354, 2346; Franke, Debt Equity Swaps, S.  38 ff.; Schulz, Debt Equity Swap in der Insolvenz, S. 51, 53 f. 320  s. hierzu mit einem Berechnungsbeispiel bereits oben 1. Teil: § 1 III.5. 321  Vgl. zu den Anreizen hierzu Hesse, CoCo Bonds and Risk: The Market View, S. 6; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 342. Die gleichen Probleme beschäftigten schon US-amerikanische Gerichte, vgl. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 313. 322  Vgl. von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 18.

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1. Teil: Grundlegung

b) Einseitige Einflussnahmen auf marktwertorientierte Auslöseereignisse Anfällig für einseitige Beeinflussungen sind auch Auslöseereignisse, die an einen bestimmten Aktienkurs der Emittentin oder den Kurs eines gesamten Indexes anknüpfen. Gegen eine Kurspflege durch die Emittentin ist nichts einzuwenden, etwas anderes gilt aber, wenn das Publikum über die wirkliche Marktlage gezielt getäuscht wird323. Hier sind sämtliche bekannten Formen der Kursmanipulation durch die Emittentin, aber auch durch institutionelle Investoren denkbar, die etwa den Aufbau einer Unternehmensbeteiligung anstreben324. Marktmanipulationen zielen darauf ab, einen Preis zu schaffen, der bei unbeeinflusstem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage nicht entstanden wäre. Eine Verkaufsspirale am Markt kann etwa durch die Erhöhung der Handelsattraktivität mittels fiktiver Geschäfte ausgelöst werden. Bekannte Methoden sind In-sich-Geschäfte mit identischen Vertragspartnern („Wash Sales“), gleichzeitige Kauf- und Verkaufsanträge zum gleichen Preis mit Eigentümerwechsel („Circular Trading“) sowie Leerverkäufe der Aktien der Emittentin („Short Sales“)325. Denkbar ist in diesem Kontext auch der Erwerb aller verfügbaren Papiere, um sie Leerverkäufern zu nicht marktgerechten Preisen zu liefern („Market Corner“) oder die Beeinflussung der Schlussnotierung eines Finanzinstruments, um Marktteilnehmer zu täuschen, deren Handelsentscheidungen auf Schlusspreisen basieren („Marking the Close“)326. Aufgrund derartiger Marktmanipulationsrisiken wird teilweise ein gesetzliches Verbot für Leerverkäufe von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gefordert327. De lege lata besteht zwar ein Verbot für Leerverkäufe von ungedeckten Aktien nach Art. 12 f. der EU-Leerverkaufsverordnung328. Allerdings gilt dies nicht für Wandelanleihen, da nach der bisherigen Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörden noch nicht ausgegebene 323  Vgl. Nüscheler, Wandelobligation und Wandelobligationär im schweizerischen Recht, S. 80. 324  Grundlegend zur Problematik Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 132 ff.; zur Anreizproblematik bei bedingten Pflichtenwandel- und Herabschreibungsanleihen Heldt, Bedingtes Kapital und Anreizwirkungen bei Banken, S. 44; Hülsen, die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 249 ff. 325  Vgl. Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 9. 326  Eingehend zu den einzelnen Techniken der Kurs- und Marktmanipulation Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, S. 86 ff.; ferner Ziouvas, ZGR 2003, 113, 132 ff; prägnante Zusammenfassung bei Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzinstrumente, S. 130 Fn. 9, m. w. N. 327  Vgl. Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 48. 328  Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. 86, S. 1.



§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz 103

Aktien trotz bereits beschlossener Kapitalerhöhung noch nicht als Aktien im Sinne der Verordnung anzusehen sind329. c) Einseitige Einflussnahmen auf regulatorisch-diskretionäre Auslöseereignisse Am wenigsten anfällig für einseitige Beeinflussungen durch die Vertragsparteien dürften solche Anleihen sein, bei denen das Auslöseereignis an einen Behördenentscheid gebunden ist, da hier mit dem behördlichen Ermessen eine zusätzliche, (grundsätzlich) unabhängige Entscheidungsinstanz hinzutritt. Die Anfälligkeit von Auslöseereignissen für einseitige Beeinflussungen durch die Vertragsparteien, die der Diskretion der Regulierer unterliegen, hängt in erster Linie davon ab, an welche Voraussetzungen die Abwicklungsbehörde ihre Entscheidung bindet. Im Regelfall wird die Abwicklungs­behörde ebenfalls bilanzielle Werte der Emittentin oder sonstige von der Emittentin bereitgestellte Informationen zur Grundlage ihrer Ermessensentscheidung machen. Insofern können mittelbar die gleichen Risiken relevant werden, die bereits zu unternehmensbezogenen oder marktbezogenen Auslöseereignissen vorgestellt wurden. Denkbar ist etwa, dass die Emittentin der Abwicklungsbehörde unrichtige Mitteilungen macht oder die zur Verfügung gestellten Information sogar zielgerichtet zum Nachteil der Hybridgläubiger gestaltet330. Ebenso können Fälle auftreten, in denen die Emittentin bei der Abstimmung der Sanierungs- und Abwicklungsplanung inoffizielle Abreden mit der Aufsicht trifft, wodurch zusätzliche Risiken für Hybridgläubiger entstehen können, die so nicht in den Anleihebedingungen dargestellt sind. 3. Beeinträchtigungen im Bereich der Grundlagenentscheidungen und Konzernierungsmaßnahmen Die dritte Fallgruppe möglicher Beeinträchtigungen der Anleihegläubiger umfasst mittelbare Entwertungen der Beteiligungsrechte durch Grundlagenentscheidungen und Konzernierungsmaßnahmen der Emittentin. Es handelt sich dabei um solche Beschlüsse, die die bisherige Unternehmensstruktur, den Unternehmensgegenstand oder die Zusammensetzung des Eigenkapitals verändern331. Die Beschlussfassung erfolgt in diesen Fällen auf mitglied329  Vgl. die von der BaFin übersetzten Fragen und Antworten der ESMA zur Verordnung über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (EULeerverkaufsVO) (ESMA70-145-408, Version 5 v. Mai 2018), S. 34, abrufbar unter https://www.bafin.de. 330  Vgl. etwa Pennacchi/Vermaelen/Wolff, The Case of COERCs, S. 9. 331  Sethe, AG 1993, 351, 362 ff.

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1. Teil: Grundlegung

schaftlicher Ebene, sodass den Hybridgläubigern keine Mitwirkungsrechte zustehen, obwohl sie von den wirtschaftlichen Folgen der Entscheidung betroffen sein können332. Wenn die Emittentin einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag im Sinne der §§ 291 ff. AktG abschließt und sich dadurch der Leitungsmacht eines anderen Unternehmens unterwirft oder dazu verpflichtet, ihre Gewinne an den Vertragspartner abzuführen, kann dies die Inhaber solcher Schuldtitel beeinträchtigen, die eine Teilhabe am Gewinn der Emittentin vermitteln oder Wandlungs- und Optionsrechte beinhalten333. In ähnlicher Weise können Gewinnteilnahmerechte sowie Wandlungs- und Optionsrechte durch Satzungsänderungen, Aus- und Eingliederungen von Unternehmensteilen, Kapitalmaßnahmen, Verschmelzungen, Umwandlungen und dergleichen entwertet werden. All diese Maßnahmen können Einfluss auf die Profitabilität, die Gewinnverwendung sowie den Substanzwert der Wandlungsrechte haben334. Der Themenbereich dürfte für Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen indes von geringerem praktischen Stellenwert sein, da die Anleihebedingungen in der bisherigen Emis­ sionspraxis keine Teilnahme am Gewinn vorsehen und die Aktienbezugsrechte der Inhaber in einer Bankenkrise ohnehin weitgehend wertlos sind. Zumindest wirft die neue Kapitalklasse in diesem Problemkreis keine Rechtsfragen auf, die sich von denen herkömmlicher Wandel- und Optionsanleihen wesentlich unterscheiden. Es wird daher genügen, auf die weithin anerkannten allgemeinen Anpassungsregeln für Anleiheschuldverhältnisse nach den §§ 157, 242, 313 f. BGB im weiteren Verlauf der Untersuchung nur hinzuweisen.

IV. Ergebnis Es ist nun sichtbar geworden, dass die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in besonderem Maße von dem Verhalten der Unternehmensleitung der Emittentin abhängig sind. Zugleich birgt die besondere Risikostruktur bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in einer shareholder-orientierten Wirtschaftswelt die Gefahr einer aus Anlegersicht nachteiligen Anreizbildung auf Seiten der Emittentin. Es lassen sich nicht nur unzählige Möglichkeiten einer Beeinträchtigung durch die 332  Zur (fehlenden) Einflussmacht der Hybridgläubiger in der aktienrechtlichen Kompetenzordnung s. sogleich 1. Teil: § 4 II.1.a). 333  Rechtsfragen zu diesem Themenbereich waren zuletzt Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren, in denen die Inhaber von Genussrechten der Eurohypo AG die Nachholung von Ausschüttungen verlangten, die nach Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages ausgefallen waren, vgl. BGHZ 197, 284, 293 ff. = ZIP 2013, 1570 – Eurohypo. 334  Vgl. Sethe, AG 1993, 351, 363 (zu Genussrechten).



§ 3 Herausforderungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz 105

Emittentin erahnen, sondern die wirtschaftlichen Folgen derartiger Beeinträchtigungen für die Inhaber werden oftmals erheblich sein. Die weiteren Ausführungen wenden sich daher denjenigen Rechtsinsituten zu, die zum Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen im deutschen Zivilrecht beitragen.

Zweiter Teil

Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im deutschen Recht de lege lata Über den Begriff des Anlegerschutzes bestand lange Zeit keine allgemeine Gewissheit. Nachdem eine frühe wissenschaftliche Wahrnehmung ihn vor allem als rechtspolitisches Reformprogramm verstand, fand der Anlegerschutz erst allmählich Aufnahme in die Reihe anerkannter Wertungsprinzipen im Gesellschaftsrecht, ehe er sich als eigenständiges kapitalmarktrechtliches Rechtsprinzip emanzipieren und etablieren konnte335. Nach Wiedemann ist der Topos des Anlegerschutzes umfassend als derjenige Interessenschutz zu verstehen, den die Rechtsordnung Personen gewährt, die sich durch Vermittlung des öffentlichen Kapitalmarktes mittelbar oder unmittelbar an Unternehmen oder anderen Sondervermögen zu Anlagezwecken beteiligen336. Da es bislang keine Gerichtsentscheidungen gibt, die sich mit dem Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen befassen, besteht die Aufgabe der Bestandsaufnahme in erster Linie darin, in den Gebieten des Gesellschaftsrechts, Kapitalmarktrechts, Bankenaufsichtsrechts und Schuldrechts einzelne Rechtsinstitute zum Schutz der Hybridgläubiger zu erkennen und auf die Risiken der neuen Kapitalklasse zu übertragen. Wichtige Anhaltspunkte bietet zudem die Judikatur zum Schutz von Genussrechtsinhabern, die sich seit den 1990er Jahren kontinuierlich fortentwickelt hat. Es wird sich allerdings zeigen, dass die zu Genussrechtsverhältnissen entwickelten gesetzlichen und richterlichen Anlegerschutzkonzepte des deutschen Rechts mit den Funktionen und Zielsetzungen der neuen Kapitalklasse in den Teilrechtsordnungen der Europäischen Bankenunion zum Teil nur schwer vereinbar sind. In diesem Sinne wenden sich die folgenden Ausführungen zunächst dem bereits kraft Gesetzes bestehen Schutz zu (§§ 4–7). Erst danach wird auf die besondere Rechtsprechung des BGH zur Pflichtenbindung bei Genusskapital (§ 8) und deren Anwendbarkeit auf die neue Kapitalklasse (§ 9) vertieft eingegangen.

335  Vgl.

Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT, F. 19 f. Bd. I, S. 475.

336  Gesellschaftsrecht,



§ 4 Gesetzliche Ausgangslage107

§ 4 Gesetzliche Ausgangslage „Das“ Anlegerschutzrecht gibt es nicht. Die deutsche Rechtsordnung enthält zahlreiche Gesetze und Einzelvorschriften, die erst im Zusammenspiel einen Schutz für Anleger entfalten. Es verwundert daher nicht, dass viele Grundsatz- und Detailfragen des allgemeinen Anlegerschutzrechts noch immer ungeklärt sind337. Zumindest sind „Postulat, Normzweck und dogmatische Kategorie“338 inzwischen anerkannt und es besteht Einigkeit, dass der Begriff des Anlegerschutzrechts unterschiedliche Erscheinungsbilder und Schutzgüter umfasst339.

I. Anlegerschutz durch individualschützendes Recht Als primäres Schutzgut des Anlegerschutzrechts gilt grundsätzlich nicht der einzelne Anleger, sondern das gesamte Anlegerpublikum und die Funk­ tionsfähigkeit des Kapitalmarktes340. Die zivil- und kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen zielen in erster Linie auf den Schutz des öffentlichen Interesses an funktionierenden Kapitalmärkten. Dem Anlegerpublikum soll signalisiert werden, dass es auf die Funktionsfähigkeit des Marktes vertrauen kann. Zu diesem Zweck schaffen Aktien-, Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht einen Rechtsrahmen aus Verhaltensregeln, die bisweilen an Ordnungswidrigkeitstatbestände oder strafrechtliche Sanktionen gekoppelt sind. Einzelnen Anlegern erwächst aus den meisten dieser Regelungen zwar kein Vorteil dergestalt, dass sie für etwaige wirtschaftliche Verluste entschädigt würden341. Allerdings können die funktionenschützenden Normen zum Teil reflexartig auf den Schutz individueller Anleger ausstrahlen342. Die gezielte Stärkung des Schutzes individueller Anleger erfolgte seit den 1970er Jahren zunächst vor allem durch die Rechtsprechung, inzwischen finden sich aber auch zahlreiche Rechtsnormen, die auf den Schutz einzelner 337  Vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 4; zuvor bereits Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, Vorwort. 338  Grundmann/Hopt, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307, 313. 339  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 4. 340  Kümpel/Wittig/Oulds, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.170; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 4; Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots, S. 16 ff. 341  Vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 4; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 94. 342  Vgl. Kümpel/Wittig/Oulds, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.175; Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots, S.  19 ff.

108 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Anleger gerichtet sind343. Der Begriff des Individualschutzes fasst all jene Rechte zusammen, die der Erhaltung oder (Wieder-)Herstellung von einzelnen Anlegerinteressen dienen und die auf das Rechtsverhältnis zwischen Anleger und Emittentin bezogen sind344. Dies betrifft etwa die gesetzlichen Grenzen für die Ausgestaltung der Anleihebedingungen bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, aber auch Auskunfts- und Kontrollrechte der Inhaber gegen die Emittentin. Bei einer Entwertung der Kapitalanlage ist das Interesse der Anleihegläubiger in der Regel auf den Ausgleich der finanziellen Einbuße gerichtet345. Hierzu kommen vertragliche, spezialgesetzliche oder in seltenen Fällen auch deliktsrechtliche Ansprüche auf Wiederauffüllung des Kapitalkontos oder auf Schadensersatz in Betracht. Eine Haftungsdogmatik für Emittenten bezweckt zwar in erster Linie die Kompensation der beim Kapitalgeber eingetretenen Schäden, sie kann zugleich aber auch Anreize zu unternehmerischem Wohlverhalten setzen und so reflexartig das Vertrauen der Anleger in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes stärken346. Die so entstehende wechselseitige Verflechtung von Individual- und Funktionenschutz verhindert leicht eine klare Abgrenzung der Schutzobjekte347. Eine umfassende Bestandsaufnahme des Anlegerschutzes muss daher beide Regelungsbereiche einbeziehen.

II. Anlegerschutz durch funktionenschützendes Recht Es ist eingangs beschrieben worden, dass das Recht der Hybridfinanzierung durch das Zusammenspiel von Gesellschafts-, Schuldvertrags-, Kapitalmarkt- und Aufsichtsrecht gekennzeichnet ist. In den funktionenschützenden Gebieten des Aktien-, Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrechts finden sich indes nur vereinzelt Vorschriften, die dem Schutz individueller Hybridgläubiger zu dienen bestimmt sind. Die funktionenschützenden Regelungen wirken

343  Vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 4 m.w.N; zu den gesetzgeberischen Grundlagen des Anlegerschutzrechts s. Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 288 ff.; zur Entwicklung des Anlegerschutzes ausf. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160 ff. 344  Zum Begriff des Individualanlegerschutzes Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 171 ff. 345  Vgl. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 94. 346  Grundlegend Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 336; Assmann/U. H. Schneider/Assmann, Wertpapierhandelsgesetz, § 15 Rn. 31 (in Bezug auf Publizitätsvorschriften). 347  Die Einsicht von der Untrennbarkeit von Individualschutz und Funktionenschutz im Finanzmarktrecht geht zurück auf Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 51 ff.; vgl. dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 296 ff., 301.



§ 4 Gesetzliche Ausgangslage109

zum Teil allerdings mittelbar auch in Richtung des individuellen Schutzes der Hybridgläubiger. 1. Aktienrecht Das Aktienrecht enthält mit den §§ 221, 192, 194 AktG zwar Vorgaben zum Schutz der Aktionäre, beim Schutz einzelner Hybridgläubiger hält es sich aber bedeckt348. Die Stellung der Gläubiger lässt sich mit einem Blick auf das Machtgefüge innerhalb der Aktiengesellschaft näher umschreiben. Nach dem im Kapitalgesellschaftsrecht geltenden „Prinzip der Fremdorganschaft“ bewältigt der Vorstand die laufende Verwaltung der Gesellschaft in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung (§§ 76, 77 AktG), während nur die wesentlichen Entscheidungen in der Hauptversammlung getroffen werden. Die Geschäftsführung umfasst alle tatsächlichen oder rechtsgeschäftlichen Handlungen im Namen des Vorstands oder der Gesellschaft349 und wird als Teilaspekt der Geschäftsleitung350 vom Vorstand eigenverantwortlich, selbständig und weisungsfrei ausgeführt. Dieser hat gem. §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und gem. § 91 Abs. 2 AktG geeignete Maßnahmen zu treffen, damit Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden, frühzeitig aufgedeckt werden. Verletzt der Vorstand diese Pflichten, haftet er gegenüber der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG auf Schadensersatz, es sei denn, dass er gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln („Business Judgement Rule“)351. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung besteht damit grundsätzlich nur der Gesellschaft bzw. den Aktionären und nicht den Gläubigern gegenüber352.

348  s. zum aktienrechtlichen Verwässerungsschutz von Hybridgläubigern sogleich 1. Teil: § 4 II.1.b). 349  Vgl. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 77 Rn. 2; MünchKommAktG/Spindler, § 77 Rn. 6; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 77 Rn. 3. 350  Vgl. GroßKommAktG/Meyer-Landrut, § 76 Rn. 2. 351  Eingefügt durch Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Aktienrechts (UMAG) v. 27. September 2005, BGBl. I S. 2802. Zu den Folgen der Einführung der „Business Judgement Rule“ im deutschen Recht ausf. Ihrig, WM 2004, 2098, 2102 ff.; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1255 ff. jew. m. w. N. 352  Vgl. dazu Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 599 f.; Kölnkomm­ AktG/Lutter, 2. Aufl. 1995, § 221 Rn. 355.

110 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

a) Exklusivität mitgliedschaftlicher Einflussmacht durch das Rechtsprinzip der Verbandssouveränität Das kapitalgesellschaftsrechtliche „Prinzip der Verbandssouveränität“ hat zur Folge, dass Gläubiger keinerlei mitgliedschaftliche Einflussmacht auf die Entscheidungen in der Gesellschaft ausüben können. Zwar haben auch Aktio­ näre keine rechtliche Möglichkeit, unmittelbar Einfluss auf die Geschäftsleitung zu nehmen, selbst wenn sich die vom Vorstand gewählte Strategie als verfehlt bzw. für die Entwicklung der Gesellschaft als nachteilig herausstellt. Die Kontrolle darüber, dass der Vorstand bei seiner Aufgabenwahrnehmung ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft handelt, obliegt grundsätzlich dem Aufsichtsrat, der über umfangreiche Prüf- und Einsichtsrechte verfügt (§ 111 Abs. 1 AktG). Aktionäre können aber verschiedentlich mittelbar eine Kontrolle ausüben, etwa durch ihr Stimmverhalten in der Hauptversammlung, die Möglichkeit, durch die Hauptversammlung eine Sonderprüfung durchzuführen (§§ 142 ff. AktG) oder gar durch das Drohpotential einer Anfechtungsklage. Den Inhabern von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen fehlt es wie allen Hybridgläubigern aufgrund ihrer schuldrechtlichen Rechtsstellung selbst an solch mittelbaren, durch die Aktie verkörperten Mitverwaltungsrechten353. Es ist wegen des prinzipiellen Gleichlaufs von Mitgliedschaft und Mitverwaltung weithin anerkannt, dass kein schuldrechtlich Beteiligter in die Verbandsorganisation einbezogen werden, geschweige denn (mitgliedschaftliche) Verwaltungsrechte haben kann354. Aus diesem Grund bleiben den Hybridgläubigern sämtliche Rechte verwehrt, durch deren Ausübung unmittelbar in organisationsrechtliche Bereiche und Abläufe eingegriffen würde, also etwa die Bestellung und Abberufung von Vorstand und Aufsichtsrat (§§ 84 Abs. 3 S. 2 AktG und § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG), die Entlastung der Leitungsorgane (§ 120 Abs. 2 AktG), die Anordnung einer Sonderprüfung (§ 142 Abs. 1 AktG) oder gar die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 243 ff. AktG). Den Hybridgläubigern können lediglich diejenigen Aktionärsrechte eingeräumt werden, durch deren Ausübung nicht in den Kernbereich der verbandsrechtlichen Struktur eingegriffen wird. Dazu gehören das Recht auf (passive) Teilnahme an der Hauptversammlung355, das Recht auf Einsichtnahme in den Jahresabschluss und den Lage353  Inhaber von Wandel- und Optionsanleihen können freilich auf Aktionärsrechte zurückgreifen, sobald ein Umtausch der Anleihen in Aktien stattgefunden hat. 354  s. aus der umfangreichen Literatur insb. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, passim; vgl. auch Semrau, Die Dritteinflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH und Personengesellschaften, passim. 355  Ernst, Der Genußschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, S. 179; Pougin, FS Oppenhoff, S. 276; Rid-Niebler, Genußrechte als Instrument zur Eigenka-



§ 4 Gesetzliche Ausgangslage111

bericht usf. (§ 175 Abs. 2 S. 1 AktG) oder das Recht auf Zusendung einer Abschrift davon (§ 175 Abs. 2 S. 2 AktG), das Recht auf Unterrichtung über die Einberufung der Hauptversammlung und deren Tagesordnung (§ 125 Abs. 2 AktG) sowie das Recht auf schriftliche Mitteilung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 125 Abs. 4 AktG). Im Übrigen können Hybridgläubiger allenfalls hoffen, dass „kampfbereite Minderheiten erfolgreich gegen unseriöse Maßnahmen vorgehen“356 und so mittelbar von den mitgliedschaftlichen Einflussrechten profitieren. Lange Zeit wurde der Geschäftsleiterhaftung in Deutschland – ganz anders, als etwa in der Schweiz357 – ein Durchsetzungsdefizit attestiert358. Erst durch die „ARAG/Garmenbeck-Entscheidung“ im Jahr 1997359, einer Steigerung der Verhaltensanforderungen an Geschäftsleiter sowie Erleichterungen bei der Erhebung von Haftungsklagen durch den Gesetzgeber und die Gerichte hat das aktienrechtliche Verantwortlichkeitsrecht in den letzten Jahren „an Schlagkraft gewonnen“360. Dennoch ist der mittelbare Interessenschutz für die Hybridgläubiger insgesamt als gering zu bewerten, da die Hybridgläubiger auf die Wahrnehmung von Mitgliedsrechten angewiesen sind und die Interessen der Aktionäre von denen der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen mangels Gewinnbeteiligung regelmäßig abweichen361. b) Aktienrechtlicher Verwässerungsschutz Wie bereits angedeutet finden sich im Aktienrecht kaum Rechtsnormen, die einen individuellen Schutz der Hybridgläubiger vermitteln362. Eine Ausnahme bildet § 216 Abs. 3 AktG, nach dem bei einer Kapitalerhöhung der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten, die von der Gewinnausschüttung der Gesellschaft, dem Nennbetrag oder Wert ihrer Aktien oder ihres Grundkapitals oder sonst von den bisherigen Kapital- oder Gepitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 51; Wünsch, FS Strasser, S. 671, 880. 356  Florstedt, FS K. Schmidt, S. 399, 420; zuvor bereits zu diesem Punkt Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 604. 357  s. dazu unten 1. Teil: § 11 I.1.b). 358  Vgl. Peltzer, FS U. H. Schneider, S. 953 ff.; Semler, FS Goette, S. 499, 500; Florstedt, FS K. Schmidt, S. 399, 420 („totes Recht“); ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 497 f. 359  BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck. 360  Fleischer, WM 2005, 909; Vetter, AG 2000, 453; Hopt, ZIP 2013, 1793; Bachmann, NJW-Beil., 2014, 43. 361  s. zum Interessenkonflikt zwischen Aktionären und Gläubigern oben 1. Teil: § 3 II. 362  Vgl. schon zu Genussrechten Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 490.

112 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

winnverhältnissen abhängen, unberührt bleibt. Der Schutz wird nach § 218 AktG auf ein bestehendes bedingtes Kapital erstreckt und insofern von § 192 Abs. 4 AktG flankiert. Bei Umwandlungen erfolgt ein entsprechender Schutz nach §§ 23, 36 Abs. 1, 125, 135, 176 Abs. 2, 204 UmwG. Inzwischen erkennt die herrschende Ansicht auch außerhalb dieser Einzeltatbestände eine (gesetzliche) Anpassungspflicht in vergleichbaren Fallkonstellationen an363. Danach ist der Rechtsgedanke der §§ 216 Abs. 3, 218 AktG sowie § 23 UmwG auch über den geregelten Zusammenhang ­hinaus fruchtbar zu machen mit der Folge, dass die Gesellschaft über eine analoge Anwendung der Einzelvorschriften364, die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung365 (§ 242 BGB) oder die Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlagenstörung366 (§ 313 BGB) bei Satzungsänderungen, Aus- und Eingliederungen von Unternehmensteilen, Verschmelzungen und dergleichen zur Anpassung verpflichtet sein kann. Vereinzelt wurde zuletzt sogar erwogen, aus den Einzelvorschriften ein gesetzliches Prinzip des Verwässerungsschutzes abzuleiten367. Ob diese Ansicht sich durchsetzen wird, bleibt indes abzuwarten, da sämtliche bisherigen Fälle im Bereich der Grundlagenentscheidungen und Konzernierungsmaßnahmen bereits durch die bestehenden Lösungen der Rechtsprechung befriedigend gelöst werden konnten368. 2. Markt und Marktrecht In der Praxis werden bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungstitel bislang stets verbrieft und in großer Stückzahl als handelbare Wertpapiere ausgegeben. Das hier eingreifende Kapitalmarktrecht beeinflusst über den Markt um die günstigsten Finanzierungsbedingungen, die Sicherung der Fungibilität und die Einführung von kapitalmarktrechtlichen Informations- und 363  Vgl. GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 174 f., 181, 185; Hölters/Haberstock/ Greitemann, AktG, §  221 Rn.  73, 74  ff.; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn.  289 f.; Spindler/Stilz/Seiler, AktG, § 221 Rn. 158; KölnKommAktG/Florstedt, §  221 Rn.  148 m. w. N.; Casper, Optionsvertrag, S. 350 ff.; Kallrath, Inhaltskontrolle, S.  164 ff. 364  Vgl. etwa Thielemann, Das Genußrecht als Mittel der Kapitalbeschaffung und der Anlegerschutz, S.  175 ff., 194 f. 365  Vgl. MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 291; Spindler/Stilz/Seiler, AktG, § 221 Rn. 153, 158; Übersicht zum Meinungsstand bei KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 148. 366  Vgl. BGHZ 197, 284, 293 ff. = ZIP 2013, 1570 – Eurohypo; Frantzen, Genußscheine, S.  282 ff. 367  Vgl. Reiswich, Das Rechtsprinzip des Verwässerungsschutzes, S. 128 ff., 375 ff. 368  Vgl. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 149, 352.



§ 4 Gesetzliche Ausgangslage113

Verhaltensstandards letztlich auch die Vertragsgestaltung der Finanzierungsinstrumente. So kann das Kapitalmarktrecht unter Umständen auch die Gewährung von Kontrollrechten bzw. die interne Organisation der Emittenten beeinflussen. a) Marktkräfte Ein faktischer Schutz für die Hybridgläubiger ergibt sich durch die disziplinierenden Wirkungen funktionierender Märkte auf die Geschäftsleitungen börsennotierter Gesellschaften. Eine schlechte Unternehmensführung wird bei Unterstellung funktionierender Kapitalmärkte dazu führen, dass die Aktien des Unternehmens an der Börse unter dem potentiellen Wert der Aktiva handeln369. Professionelle Investoren nutzen dies, um (günstig) eine Mehrheitsbeteiligung zu erwerben, das Management auszutauschen und sodann bei optimaler Nutzung der vorhandenen Aktiva Gewinn und Aktienkurs zu steigern. Der Markt für Unternehmenskontrolle diszipliniert die Geschäftsleitung insofern bereits durch die Sorge, anstatt vieler apathischer Kleinaktionäre plötzlich einem oder mehreren Großaktionären gegenüber zu stehen und die eigene Auswechslung fürchten zu müssen370. Obwohl der Markt für Unternehmenskontrolle in Deutschland nicht so ausgeprägt ist wie etwa im angelsächsischen Raum, ist seine disziplinierende Wirkung nicht zu unterschätzen371. In einem effizienten Markt laufen schlecht geführte Unternehmen Gefahr, von Konkurrenten aus dem Markt gedrängt zu werden. Nicht wettbewerbsfähige Preise führen zu Umsatzeinbußen, wodurch sich die Aufnahme neuen Kapitals verteuert. Zudem müssen Emittenten, die regelmäßig Kapital am Kapitalmarkt aufnehmen, damit rechnen, dass Benachteiligungen von Gläubigern die Platzierung von Finanzierungsinstrumenten bei zukünftigen Emissionen erschweren bzw. verteuern werden372. Über diese allgemeinen Marktmechanismen hinaus kann eine Disziplinierung des Managements durch Aktienoptionspläne als Vergütungsbestandteile erreicht werden373. Dadurch erhalten Entscheidungsträger Motivationsanreize 369  Heeren,

Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 165. Markt für Unternehmenskontrolle allgemein und in Deutschland Hopt, ZGR 2000, 779, 787 ff.; ders., ZHR 161 (1997), 368, 369 ff. 371  s. etwa zur Entwicklung in den USA in den 1990er Jahren Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 314 ff. 372  Vgl. McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 431 m. w. N. („a company that makes a killing today at the expense of a creditor will be coldly received when the time comes to borrow again“). 373  s. aus dem umfangreichen Material zu Aktienoptionsplänen als Teil der Vorstandsvergütung etwa Habersack, ZGR 2004, 721 ff.; Lutter, ZIP 2003, 737 ff.; MünchKommAktG/Fuchs, §  192 Rn.  68 ff. m. w. N. 370  Zum

114 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

zu sorgfältigem Verhalten, weil sie nun selbst von einer erfolgreichen Unternehmensführung profitieren. Der Einsatz von Contingent Capital Instrumenten zu diesem Zweck wird bereits auf internationaler Ebene erwogen374. Zu den Wirkungen der Marktdisziplin werden auch Verhaltensstandards wie der Deutsche Corporate Governance Kodex – dessen Empfehlungen von der Mehrzahl der börsennotierten Gesellschaften befolgt werden, weil Abweichungen erklärt werden müssen („Comply or Explain“) – sowie sog. Social Norms gezählt. Dieser aus der US-amerikanischen Wissenschaft stammende Begriff umfasst außerrechtliche, nach deutschem Verständnis eher Ethik und Moral betreffende Grundregeln, die von der Zielgruppe als „richtig“ anerkannt und befolgt werden375. b) Kapitalmarktrecht Die faktischen, durch Marktanreize bedingten Mechanismen, die den Gläubigern zumindest einen reflexartigen Schutz gewähren, werden ergänzt durch ein kapitalmarktrechtliches Regelungsregime, das den gesamten Bereich vom Markteintritt über die Marktteilnahme bis hin zum Marktaustritt regelt. Das Kapitalmarktrecht soll in erster Linie Informationsasymmetrien begegnen, zugleich lässt es aber insbesondere durch kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten auch einen mittelbaren Schutz vor unsorgfältiger Geschäftsführung entstehen376. Im Stadium des Markteintritts haben Emittenten nach § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG i. V. m. der EU-Prospektverordnung377 einen aussagekräftigen Wertpapierprospekt zu veröffentlichen. So können Interessenten selbständig oder unter Hinzuziehung von Anlageexperten die wirtschaftliche Situation der Emittentin evaluieren, ihr Entwicklungspotential abschätzen und so mittelbar auf die Qualität des Wertpapiers rückschließen378. Ein mittelbarer Schutz entsteht dabei insbesondere durch die nach Art. 6 ff. i. V. m. Anhang I der 374  s. Eschwey, Contingent Convertible Bonds (CoCos), S. 61 f.; Kaal, 64 Washington & Lee L. Rev. (2012), 1821, 1825 ff.; vgl. für die Schweiz auch die Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor, too big to fail) v. 20. April 2011, BBl. 2010, 4717, 4774. 375  Dazu ausf. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  157 ff. 376  Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 296 ff., 308. 377  Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (EU-Prospektverordnung), ABl. L 168/12. 378  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 168.



§ 4 Gesetzliche Ausgangslage115

Prospektverordnung zwingenden Mindestangaben über die Geschäftstätigkeit bzw. Geschäftsrisiken der Emittentin sowie die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane, die den Anleger schon beim Erwerb des Finanzierungsinstruments über die fachliche Qualität der Unternehmensführung informieren379. Im Stadium der Marktteilnahme sorgt ein System von Publizitätspflichten für eine frühzeitige Information der Anleger über Geschäftsführungsmaßnahmen der Emittentin. Art. 15 MAR verbietet die Verbreitung falscher Informationen, die geeignet sind, Einfluss auf den Börsen- oder Marktpreis der Finanzinstrumente zu nehmen380. Die laufende Regelpublizität in Gestalt der jährlichen aktienrechtlichen Rechnungslegung und die durchzuführende Zwischenberichterstattung werden ergänzt durch die Pflicht zur Ad-hoc-Pu­ blizität381. Eine Emittentin von Finanzierungsinstrumenten, die an einem inländisch organisierten Markt zugelassen ist, muss gem. Art. 17 MAR Insider­ informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen. Dadurch will der Gesetzgeber die Transparenz der Finanzmärkte steigern, ihre Effizienz fördern und letztlich ihre Funktionsfähigkeit absichern. Darüber hinaus haben Führungskräfte von Emittenten gem. Art. 19 MAR eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten („Director’s Dealings“), insbesondere Derivaten, der Emittentin und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen. Der Wissensvorsprung der Führungskräfte erlaubt es dem Publikum, Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu ziehen und so eine überlegtere Transaktionsentscheidung zu treffen. Anleger können dann bereits beim ersten Anzeichen einer Krise ihre Beteiligung mit einem Risikoabschlag liquidieren382. Diese Publizitätspflichten werden durch die Emittentenhaftung wegen unterlassener bzw. fehlerhafter Veröffentlichung von Insiderinformationen gem. §§ 97, 98 WpHG flan-

379  s. hier insbes. die Vorgaben hinsichtlich der Informationen zu Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Emittentin (Anhang I Ziff. II C), zur Geschäftsfähigkeit der Emittentin (Anhang I Ziff. III B) und zu den Unternehmensleitungs- und Aufsichtsorganen (Anhang I Ziff. VII). 380  Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission. 381  Zum Schutzzweck der Ad-hoc-Publizität s. Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsgesetz, Art. 17 MAR Rn. 7 ff.; grundlegend ferner Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 147 f. 382  Desweiteren soll die Markttransparenz gefördert, die Gleichbehandlung der Anleger sichergestellt und die Marktintegrität erhalten werden, vgl. Begr.RegE zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 87; weitere Nachw. bei Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 170 Fn. 41.

116 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

kiert383. Zusätzlich hat die Rechtsprechung auf Grundlage des § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 399, 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG ein eigenständiges Haftungsregime im Bereich der Kapitalmarktinformation entwickelt384. Danach haften die Vorstandsmitglieder und die Gesellschaft (§ 31 BGB) für vorsätzlich falsche Ad-hoc-Mitteilungen gesamtschuldnerisch auf Natural­ restitution (§§ 249 ff. BGB)385. 3. Bankenaufsichtsrecht Das Bankenaufsichtsrecht zielt in erster Linie auf die Stabilisierung des gesamten Banken- und Finanzdienstleistungssektors. Im Blickfeld des Gesetzgebers stehen das Bankensystem in seiner Gesamtheit sowie die Bankkunden, die ihr Erspartes in die Obhut eines Kreditinstitutes geben. Aktionäre oder Inhaber von Genossenschaftsanteilen als Teilhaber der Banken sowie Anleger, die den Kreditinstituten über den Erwerb von Finanzierungsinstrumenten, Kapital bereitstellen, werden vom Kanon der Schutzobjekte hingegen grundsätzlich nicht erfasst386. Obwohl das Bankenaufsichtsrecht insofern wie das Kapitalmarktrecht eine funktionenschützende Wirkung verfolgt, lassen sich anlegerschützende Elemente benennen, die dazu beitragen können, Beeinträchtigungen der Kapitalgeber durch die Emittentin zu verhindern387. a) Liquiditätsanforderungen, Risikokontrolle und Dokumentationsstandards Das europäische Bankenaufsichtsrecht ist institutsbezogen ausgerichtet und erfasst geschäfts- und transaktionsbezogene Fragen nur indirekt im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Risikokontrolle388. Insbesondere die Anforderungen an die Risikokontrolle nach § 25a KWG werden in der Bankenunion durch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) konkretisiert, die ein umfassendes Regelwerk zum bankinternen Risikomanagement darstellen389. Eine Neuerung ist auch der sog. Super383  Vgl. Spindler, WM 2004, 2089 ff., 2093 ff., auch zu den wohl aufgegebenen Plänen des Gesetzgebers bzgl. eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes; dazu Semler/Gittermann, NZG 2004, 1081 ff. 384  Vgl. BGH ZIP 2005, 1270, 1271 ff. – EM.TV; BGHZ 160, 134, 142 ff.; BGHZ 160, 149, 151 ff. – Infomatec; näher Fleischer, ZIP 2005, 1805 ff.; ders., DB 2004, 2031, 2034; Langenbucher, ZIP 2005, 239, 240 ff.; Edelmann, BB 2004, 2031, 2032. 385  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 170. 386  Eingehend Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 583. 387  Vgl. allgemein zum Wert aufsichtsrechtlicher Mechanismen für den individuellen Anlegerschutz Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 199 f. 388  Vgl. Binder, ZEuP 2017, 569, 585; ferner Preußner, NZG 2004, 57 ff. 389  Vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Fischer/Boegl, BankR-HdB, § 128 Rn. 70.



§ 4 Gesetzliche Ausgangslage117

visory Review and Evaluation Process (SREP), der ein Rahmenwerk für einen aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess schafft, um eine einheitliche Qualität der Bankenaufsicht zu gewährleisten390. Anleger können daraus zwar keine individuellen Rechte herleiten, sie können aber reflexartig von den institutsbezogenen Vorgaben profitieren. Gleichermaßen profitieren Hybridgläubiger von den erhöhten Liquiditätsanforderungen, den umfassenden Dokumentationsstandards sowie den verschärften Anforderungen an die Risikokontrolle, die dazu dienen, die Funktionsfähigkeit des gesamten Bankensektors sicherzustellen, denn als Haftkapitalgeber haben sie ein grund­ legendes Interesse an dem Erhalt der Zahlungsfähigkeit der emittierenden Bank391. Die verschärfte Kontrolle der Banken und die Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit trägt dazu bei, missbräuchliche und riskante Maßnahmen der Geschäftsleitung zu verhindern bzw. deren Durchführung zumindest zu erschweren392. Insofern kann das Bankenaufsichtsrecht trotz seiner systemschützenden Zielrichtung auch präventiv zugunsten der schuldrechtlichen Kapitalgeber wirken393. b) Verhaltenssteuerung durch regulatorisches Wandlungskapital Es ist bereits angesprochen worden, dass bedingte Pflichtwandelanleihen bei entsprechender Ausgestaltung allein durch das Risiko der erheblichen Verwässerung Verhaltensanreize für Altaktionäre und Unternehmensleiter zu einer geminderten Risikoeingehung setzen können394. Das Drohpotential der Verwässerung soll die Bereitschaft der Anteilseigner zu hohen Verschuldensgraden mindern395. Zusätzlich erhofft man sich, dass die drohende Verwässerung zu einer frühzeitigen Auffüllung verlorenen Eigenkapitals führt396 und 390  EBA, Guidelines on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation process (GL/2014/13) v. 19.12.2014, abrufbar unter ­https://www.eba.europa.eu. 391  Vgl. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 98. 392  Vgl. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 98. 393  So im Ergebnis bereits Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 234 („Die branchenspezifischen Bilanzierungs-, Prüfungs- und Publizitätsregeln bei gleichzeitiger Überwachung durch eine spezielle Aufsichtsbehörde arbeiten in Richtung eines Anlegerschutzes.“). 394  Zusammenfassend Eschwey, Contingent Convertible Bonds (CoCos), S. 53 ff. 395  Vgl. Koziol/Lawrenz, 36 Journ. Banking & Fin. (2012) 90, 91; ferner Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 285, 297, 323; Himmelberg/ Tsyplakov, Incentive Effects of Contingent Capital (2012), S. 2 f., 18. 396  Vgl. Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 295; Henkel/Kaal, 32 Nw. Journ. Int’l L. & Bus (2012), 191, 242; dazu auch Himmelberg/ Tsyplakov, Incentive Effects of Contingent Capital, (2012) S. 18. Herring/Calomiris, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), 39, 41, 47.

118 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Unternehmensleiter einen Anreiz zu sorgfältiger Geschäftsführung erhalten, um ihre Auswechslung im Falle einer Wandlung zu vermeiden397. Inwieweit diese wissenschaftliche Theorie in der europäischen Gesetzgebung tatsächlich eine Rolle gespielt hat, ist nicht klar. Teilweise wird die von Art. 47 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD programmatisch vorgeschriebene „erhebliche Verwässerung“ als Theorieäußerung in Richtung der verhaltenssteuernden Funktion verstanden, andere sehen darin bloß die Umsetzung des insolvenzrechtlichen Verteilungsplans398. Dass für die zweite Lesart wohl ErwG 77 der BRRD spricht, ist letztlich nicht entscheidend. Denn im Hinblick auf den Schutzwert des Verwässerungsmoments für die Anleihegläubiger wird man nicht nur hinsichtlich der vereinbarten Wandlungsparameter, sondern auch in Bezug auf das generelle Verständnis des Begriffs der Verwässerung differenzieren müssen: Der überwiegende Teil der Wissenschaft versteht unter dem Verwässerungsbegriff eine Verwässerung des Aktienstimmwerts399. Übertragen auf das deutsche Aktienwesen ist dies bedeutsam, denn Aktiengesellschaften befinden sich zunehmend in der Hand „apathischer“ (Klein-)Aktionäre, die ihre Beteiligung als reine Geldanlage betrachten, ohne an der Ausübung von mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechten überhaupt interessiert zu sein. Die abschreckende Wirkung der Verwässerung auf Altaktionäre wird daher bei einer Gesellschaft, deren Aktionärsstruktur überwiegend aus Kleinaktionären besteht, geringer sein als bei einer Gesellschaft, deren Inhaber zum Großteil institutionelle Investoren sind400. Die verhaltenssteuernde Wirkung auf Unternehmensleiter, die bei einer Wandlung einen Verlust ihres Postens zu befürchten haben, dürfte davon zwar grundsätzlich unberührt bleiben. Die Überlegung zeigt aber, dass die verhaltenssteuernde Wirkung bedingter Pflichtwandelanleihen auch entscheidend von äußeren Faktoren abhängen kann.

397  Vgl. Herring/Calomiris, 25 Journ. Appl. Corp. Fin. (2013), 39, 45 ff.; ferner Kaal, 26 Notre Dame Journ. L. Ethics & Pub. Pol’y (2012), 281, 323, der sogar die Einführung von Stimmrechten für Inhaber von bedingten Pflichtwandelanleihen vorschlägt, um das Drohpotential eines Kontrollwechsels zu steigern. 398  Vgl. Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 250, die auf die Doppeldeutigkeit des Verwässerungsbegriffs hinweisen; ferner Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 126. 399  Vgl. nur die Zusammenfassung bei Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 175 f. Fn. 129; auf eine Wertverwässerung abstellend hingegen Himmelberg/Tsyplakov, S.  1 ff., 19 ff. 400  Vgl. Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 250.



§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen119

III. Ergebnis Der Schutz der Inhaber hybrider Finanzierungsinstrumente ist in den Gebieten des Aktien-, Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrechts nur punktuell oder gar nicht geregelt. Von den überwiegend funktionenschützenden Normen können Hybridgläubiger zum Teil reflexartig profitieren, der daraus ­resultierende Schutz hilft aber kaum gegen die den Hybridgläubigern dro­ henden Gefahren durch emittentenseitige Beeinträchtigungen. Die weiteren Ausführungen wenden sich daher den individualschützenden Rechtsinstituten zu, die vornehmlich im allgemeinen Schuldrecht angesiedelt sind.

§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen Den Ausgangspunkt des schuldrechtlichen Anlegerschutzes bilden die in den Anleihebedingungen niedergelegten Rechte und Pflichten der Parteien. Hier kommt zum Ausdruck, welche Risiken die Parteien durch die Investitionsentscheidung übernommen haben, welche also nicht ohne Weiteres auf die andere Partei abgewälzt werden können. Die Anleger haben im Regelfall allerdings keinen Einfluss auf die Gestaltung der Anleihebedingungen, sondern sie sind darauf angewiesen, die Risiken der Instrumente bei der Investitionsentscheidung richtig einzuordnen und zu bewerten401. Dass dies aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der möglichen Ausgestaltungsparameter von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen schwieriger fallen mag als bei anderen Anleihetypen, verdeutlicht eine Warnung der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) vom 31. Juli 2014 vor den kaum überschaubaren und bisher nicht erprobten Risiken der neuen Kapitalklasse402. Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen seien aufgrund der erheblichen und schwer durchschaubaren Risiken nur für institutionelle Investoren geeignet403. Einen Schritt weiter geht die englische Aufsicht, die den Erwerb von Contingent Capital durch Retail-Investoren am 1. Oktober 2014 gänzlich verboten hat404. Bemühungen der Bankenaufsicht405 und der Ban401  Vgl.

bereits Sethe, AG 1993, 351, 368 (zu Genussrechten). Statement v. 31. Juli 2014 (ESMA/2014/944), abrufbar unter https:// www.esma.europa.eu; auch der Baseler Ausschuss hat bereits auf die hier bestehenden Risiken hingewiesen, vgl. BCBS, Global systemrelevante Banken: Bewertungsmethodik und Anforderungen, Ziff. 85 lit. c). 403  ESMA, Statement v. 31. Juli 2014 (ESMA/2014/944), S. 3, abrufbar unter ­https://www.esma.europa.eu. 404  Pressemitteilung der FCA v. 5.8.2014, abrufbar unter https://www.fca.org.uk. 405  Am 8. Dezember 2011 veröffentlichte die EBA zur Standardisierung der An­ leihebedingungen einen Buffer Convertible Capital Securities Common Term Sheet, abrufbar unter http://www.eba.europa.eu. 402  ESMA,

120 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

kenverbände406 hin zu einer Standardisierung der Anleihebedingungen und Ausgestaltungsparameter dienen der Schaffung einheitlicher Bewertungsmaßstäbe. Dem Ausgleich der verbleibenden Risikoasymmetrien dienen in erster Linie das Schuldverschreibungsgesetz sowie die allgemeinen Regeln im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

I. Transparenzkontrolle nach dem Schuldverschreibungsrecht Seit die „Komplexität vieler Finanzprodukte“ als einer der wesentlichen Gründe der Finanzkrise benannt und das „Phänomen der Intransparenz“ als allgemeines Schutzproblem erkannt wurde, haben Lehre und Praxis eine rechtliche Überprüfung der Transparenz von Leistungsbeschreibungen auf dem Anleihemarkt gefordert407. Der deutsche Gesetzgeber reagierte darauf, indem er Ende 2009 mit dem gesetzlichen Transparenzgebot für Schuldverschreibungen in § 3 SchVG ein Novum im deutschen Schuldverschreibungsrecht schuf408. Dem Transparenzgebot des § 3 SchVG zufolge muss „nach den Anleihebedingungen […] die vom Schuldner versprochene Leistung durch einen Anleger, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist, ermittelt werden“ können. Das Transparenzgebot wird in den Gesetzesmaterialien als „spezial-gesetzlich“409 bezeichnet und verdrängt die allgemeine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB410. Kontrollmaßstab ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut die Sachkunde des Anlegers der jeweiligen Schuldverschreibungsart und nicht der Durchschnittsanleger.

406  Vgl. die Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals des Bundesverbandes deutscher Banken e. V., abrufbar unter https://bankenverband.de. 407  Vgl. Begr.RegE SchVG, BT-Drucks. 16/12814, S. 13; s. ferner Podewils, DStR 2009, 1914, 1916; ausf. Horn, ZHR 173 (2009), 12, 40; zustimmend Bredow/Vogel, ZBB 2009, 153, 155; zur ganzen Entwicklung Schröter, ZGR 2015, 769, 772. 408  Schröter, ZGR 2015, 769, 772 f. 409  Begr.RegE SchVG BT-Drucks. 16/12814, S. 2, 13; zur Einordnung des § 3 SchVG als lex specialis vgl. Beyer, Transparenzgebot, S. 155; Horn, FS Graf von Westphalen, S. 353, 362; ders., BKR 2009, 446, 453; Leuering/Zetzsche, NJW 2009, 2856, 2857; Otto, WM 2010, 2013, 2015; Podewils, DStR 2009, 1914, 1916; Schroe­ ter, ZGR 2015, 769, 774, 793. 410  s. ausf. Schroeter, ZGR 2015, 769, 794; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 404 m. w. N. in Fn. 39; wohl auch GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 132; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 124; teilw. wird § 3 SchVG nur bzgl. Leistungsbeschreibungen als vorrangig angesehen und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auf Leistungsneben­ bestimmungen angewendet, vgl. etwa Horn, FS Graf von Westphalen, S. 353, 364; ders., ZHR 173 (2009), 12, 39; Podewils, ZHR 174 (2010), 192, 195; wohl auch MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 258.



§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen121

Die Risiken bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen müssen demnach für den sachkundigen Anleger nach den Anleihebedingungen ermittelbar sein. Hierzu müssen die Anleihebedingungen dem Investor hinreichend deutlich mitteilen, dass abweichend von gewöhnlichen Unternehmensanleihen oder herkömmlichen Wandelanleihen eine Eingriffsmöglichkeit in seine Forderung besteht. Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen und sich nur aus dem Prospekt oder sonstigen Informationsblättern ergeben, sind mit dem Transparenzpostulat vereinbar, soweit sie nach den allgemeinen für Anleihen geltenden Auslegungsgrundsätzen berücksichtigungsfähig sind411. Erst wenn die Klauseln nur mit Hilfe von Informationen aus dem Binnenbereich der Emittentin nachvollziehbar werden, soll das Transparenzgebot des § 3 SchVG verletzt sein. Da bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ausschließlich institutionellen Investoren und keinen Privatanlegern angeboten werden, wird ist es als unschädlich angesehen, wenn die Anleihebedingungen in einer Weise abgefasst sind, die für die Mehrzahl der Privatanleger unverständlich sind412. Insbesondere soll die Verwendung finanzmathematischer Formeln zulässig sein, da § 3 SchVG nicht verlangt, dass die Bedingungen „leicht analysierbar“ (§ 5 Abs. 1 S. 1 WpPG) oder „klar und verständlich“ (307 Abs. 1 S. 2 BGB) sind413. Dennoch wird empfohlen, in den Anleihebedingungen ausdrücklich festzuhalten, dass der Gläubiger keinen Rechtsanspruch auf eine Wandlung hat, sondern ihn im Gegenteil eine Wandlungspflicht treffen kann414.

II. Inhaltskontrolle nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen Die inhaltliche Kontrolle der Anleihebedingungen unterliegt mangels einer spezial-gesetzlichen Regelung dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Mit Ausnahme der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, die durch das spezielle schuldverschreibungsrechtliche Transparenzgebot verdrängt wird, bleibt der Zugriff auf die §§ 305 ff. BGB grundsätzlich möglich.

411  Drygala,

WM 2011, 1637, 1640. ZHR 180 (2016), 152, 188 m. w. N.; Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, S.  163 f. 413  Vgl. Begr. zum Begr.RegE SchVG, BT-Drucks. 16/12814, S. 17; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 105 Fn. 210 m. w. N. aus dem Schrifttum. 414  Vgl. Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 512 Fn. 32. 412  Florstedt,

122 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB Vor dem Hintergrund, dass Anleihebedingungen in praktischer Hinsicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von der Emittentin gestellt sind, qualifiziert die Rechtsprechung und ganz überwiegende Meinung im Schrifttum diese seit den 1990er Jahren als allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB415. Diese Rechtsprechung ist allerdings bis heute umstritten. Zum einen wird kritisiert, dass das auf „statische bilaterale Beziehungen“ zugeschnittene AGB-Recht den Besonderheiten kapitalmarktgängiger Wertpapiere, deren Inhaber am Sekundärmarkt ständig wechseln, nicht gerecht werde416. Vielmehr behindere eine nachträgliche richterliche Umverteilung der verbrieften Chancen und Risiken die Fungibilität der Papiere auf dem Kapitalmarkt. Zum anderen erscheint die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB fraglich, wenn die Wertpapiere nicht von dem Unternehmen, das von der Kapitalzufuhr profitiert, sondern von einer zwischengeschalteten Bank oder einem Bankkonsortium in Umlauf gebracht werden. Derartige Fremdemissionen sind in der Finanzierungspraxis üblich, um das Risiko der Platzierung der Wertpapiere am Markt abzumindern und die Expertise der Banken am Kapitalmarkt zu nutzen. Bei einer Fremdemission übernimmt zunächst die zwischengeschaltete Emissionsbank sämtliche Wertpapiere, um sie sodann in einem zweiten Schritt im eigenen Namen auf dem Markt zu platzieren. In der Vergangenheit ist die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf derartige Fremdemissionen aufgrund des Wortlauts des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB teilweise angezweifelt worden417. Nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Dieser Gesetzeswortlaut gerät bei der Fremd­emission an seine Grenzen, denn es entsteht zunächst nur ein Vertragsverhältnis zwischen Emittentin und Emissionsbank, die an der Gestaltung der 415  s. aus der Rspr. BGHZ 119, 305, 312 = NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; BGHZ 163, 311, 314 = NJW 2005, 2917; BGH NJW-RR 2009, 1641, 1642; BGH NZG 2014, 661, 663; aus der Lit. Bungert, DZWir 1996, 185, 187; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 386; Rozijn, ZBB 1998, 77, 92; Sethe, WM 2012, 577, 578 f.; kritisch Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59, 60; Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 48 f.; von Randow, ZBB 1994, 23, 24 ff.; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  144 m. w. N. 416  Vgl. Schmidt/Schrader, BKR 2009, 397, 401; von Randow, ZBB 1994, 23, 27. 417  Vgl. Assmann, WM 2005, 1053, 1062 ff.; Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59, 66 ff.; Joussen, WM 1995, 1861, 1863 ff.; Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 60 ff. (stattdessen Inhaltskontrolle nach § 242 BGB); Schmidt/Schrader, BKR 2009, 397, 400 f.



§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen123

Anleihebedingungen zumeist unmittelbar mitwirkt und diese sodann im Verhältnis zum eigentlichen Anleger nicht stellt, sondern lediglich übernimmt418. Die ständige Rechtsprechung und überwiegende Meinung im Schrifttum geht gleichwohl – sei es im Wege einer Analogie oder im Wege einer teleologischen Reduktion des Merkmals „Vielzahl von Verträgen“ – auch im Fall einer Fremdemission von einer Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB aus419. Die Zwischenschaltung eines Intermediärs durch die Emittentin vermag die vom AGB-Recht auszugleichende strukturelle Unterlegenheit des Anlegers nicht zu beseitigen420. Teleologisch kann es nicht sein, dass die Emittentin den Gläubigerschutz durch die Zwischenschaltung einer Emis­sionsbank einseitig außer Kraft setzen kann. Der Zwischenerwerb der Wertpapiere durch die Emissionsbank stellt nur einen technischen Schritt dar, der ausschließlich dazu dient, das Platzierungsrisiko am Kapitalmarkt zu verringern421. 2. Einbeziehung der Anleihebedingungen, § 305 Abs. 2 BGB Die Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB in Bezug auf die Art und Weise der Einbeziehung von Vertragsbedingungen finden nach ständiger Rechtsprechung auf fungible Wertpapiere allerdings keine Anwendung422. Vielmehr richtet sich die Einbeziehung nach den allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln der §§ 145 ff. BGB, womit eine konkludente Einbeziehung der Anleihebedingungen ebenso möglich ist wie ein Verweis auf Gesetze und öffentlich zugängliche Börsenzulassungsprospekte423. Für den Fall der Fremdemission durch ein Kreditinstitut als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB folgt dies 418  s. Beyer, Transparenzgebot, S.  57 f.; Bungert, DZWir 1996, 185, 188; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 102 f.; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 255; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 107. 419  BGHZ 119, 305, 312 = BGH NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; OLG Frankfurt WM 1993, 2089; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 154 ff.; Bungert, DZWiR 1996, 185, 188 f.; Überblick zum gesamten Meinungsstand bei Beyer, Transparenzgebot, S.  57 ff. 420  BGH NJW 2016, 1175, 1177; OLG München NZG 2014, 146, 148; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 103; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 37; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 107. 421  Vgl. von Randow, ZBB 1994, 23, 27 ff.; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 103. 422  BGHZ 163, 311, 315 ff. = NJW 2005, 2917 – Deutsche Pfandbriefbank; OLG München ZIP 2012, 576, 577 – Deutsche Pfandbriefbank; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 132; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 256; Baum, FS Hopt, S. 1595, 1606; Beyer, Transparenzgebot, S. 66; a. A. OLG Frankfurt a. M. WM 2005, 1080, 1082. 423  BGHZ 163, 311, 318 = NJW 2005, 2917 – Deutsche Pfandbriefbank; Beyer, Transparenzgebot, S. 65 f.; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 132.

124 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

bereits aus der Anwendung des § 310 Abs. 1 S. 1 BGB424. Aber auch im Falle der Eigenemission soll § 305 Abs. 2 BGB unanwendbar sein. Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass es bei der Bewältigung des heutigen Massengeschäfts unmöglich sei, Wertpapierurkunden tatsächlich zu übergeben und damit den Anforderungen an die Einbeziehung zu genügen425. Anderenfalls ergäbe sich das Problem, dass diejenigen, die ihre Wertpapiere am Sekundärmarkt erwerben, nicht mehr erkennen könnten, ob bei der Begebung des von ihnen erworbenen Wertpapiers die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB erfüllt und die Wertpapierbedingungen entsprechend Vertragsbestandteil wurden426. Ferner käme es zu einer Aufspaltung der Emission427. Der Gesetzgeber wollte eine Behinderung des Effektenverkehrs vermeiden und sieht den Schutz durch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätsvorschriften – wie z. B. des BörsG, WpPG oder WpHG – als ausreichend an428. 3. Bereichsausnahmen, § 310 BGB Weiterhin wird die AGB-rechtliche Kontrolle durch die Bereichsausnahmen des § 310 BGB begrenzt. Da bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen bisher ausschließlich institutionellen Investoren angeboten wurden429, dürfte die Teilbereichsausnahme des § 310 Abs. 1 Var. 1 BGB eingreifen, denn institutionelle Anleger halten die Anleihen in der Regel gewerbsmäßig und sind damit Unternehmer im Sinne des § 14 BGB430. Die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB finden daher keine unmittelbare Anwendung; sie können allenfalls als Wertungsgebote in die allgemeine Inhaltskontrolle einfließen. 424  Beyer,

Transparenzgebot, S. 57; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 109. hierzu BGHZ 163, 311 = NJW 2005, 2917 – Deutsche Pfandbriefbank; OLG München ZIP 2012, 576, 577 – Deutsche Pfandbriefbank; hierzu Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 103 (zu Genussrechten). 426  BGHZ 163, 311, 315 ff. = NJW 2005, 2917; Friel, Wandelanleihen, S. 222; Leber, Der Schutz und die Organisation der Obligationäre nach dem Schuldverschreibungsgesetz, S. 47; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 103 (zu Genussrechten); GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 132; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 109. 427  Leber, Der Schutz und die Organisation der Obligationäre nach dem Schuldverschreibungsgesetz, S. 48; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 109. 428  Vgl. Begr.RegE, AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 13; BGHZ 163, 311, 315 = NJW 2005, 2917 – Deutsche Pfandbriefbank; OLG München ZIP 2012, 576, 577; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 74; Assmann, WM 2005, 1053, 1060 f.; Podewils, ZHR 174 (2010), 192, 198; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 256; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 109. 429  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 188. 430  Vgl. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 104 (zu Genussrechten). 425  s.



§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen125

Die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts hindert die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB hingegen nicht431. Der Erwerb von Hybridkapital vermittelt kein gesellschaftsrechtlich geprägtes Mitgliedschaftsrecht, sondern lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen die Emittentin. Es handelt sich daher nicht um Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts432. Es gibt keine speziellen gesellschaftsrechtlichen Rechtsbehelfe, die die Versagung einer bürgerlichrechtlichen Inhaltskontrolle rechtfertigen. 4. Verbot überraschender Klauseln und Unklarheitenregel, § 305c Abs. 1 und Abs. 2 BGB Der eigentlichen Inhaltskontrolle gehen das Verbot überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) und die gesetzliche Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) voraus. Nach dem Grundgedanken des § 305c Abs. 1 BGB muss der Kunde darauf vertrauen dürfen, dass der Inhalt von AGB nicht über das hinausgeht, was nach der Verkehrsanschauung bei Würdigung aller Umstände bei Verträgen dieser Art zu erwarten ist. Um die Tatbestandsvoraussetzungen einer überraschenden Klausel zu erfüllen, muss die Klausel nach den Gesamtumständen objektiv ungewöhnlich sein. Die Ungewöhnlichkeit kann sich etwa aus der Unvereinbarkeit mit dem Leitbild des Vertrages oder einer erheblichen Abweichung von den üblichen Vertragsbedingungen ergeben. Als weitere, normative Voraussetzung muss hinzukommen, dass der andere Vertragsteil mit der Klausel nicht zu rechnen brauchte. Zwischen den berechtigten Erwartungen des Kunden und dem Inhalt der Klausel muss also eine Diskrepanz bestehen, wodurch der Klausel ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnt433. Bei Anleihebedingungen gilt eine Besonderheit im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab. Hier ist nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre eine objektive, generalisierende Betrachtung zugrunde zu legen, d. h., es kommt auf das Verständnis eines durchschnittlichen Anlegers und nicht auf das individuelle Verständnis jedes Anleiheinhabers an434. 431  BGHZ 119, 305, 312 = BGH NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; OLG München AG 2012, 339, 341; OLG München AG 2015, 795, 796; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 104 (zu Genussrechten); GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 399; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 221 Rn. 35; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 108. 432  BGHZ 119, 305 = NJW 1993, 57 – Klöckner (zu Genussrechten); aus der Lit. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 733 (zu Wandelanleihen und Genussrechten); Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 104 (zu Genussrechten); ferner Sethe, WM 2012, 577, 578; Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 234; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 131; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 108. 433  s. statt aller BGHZ 102, 152, 159. 434  Vgl. MünchKommBGB/Habersack, § 793 Rn. 46; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 111.

126 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Nach der Regel des § 305c Abs. 2 BGB gehen Unklarheiten in der Formulierung der Anleihebedingungen zu Lasten der Emittentin, die die Anleihe­ bedingungen formuliert hat. Es gilt nach § 305c Abs. 2 BGB das Postulat der „anlegerfeindlichsten“ Auslegung, sofern diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt435. Erst wenn eine Unklarheit nicht zur Unwirksamkeit der Klausel führt, schlägt die Wertung des § 305c Abs. 2 BGB in das Postulat der „anlegerfreundlichsten“ Auslegung um436. Die Rechtsprechung hat zuletzt in mehreren Entscheidungen bestätigt, dass der Anwendbarkeit der Unklarheiten­ regel auf Genussschein- und Anleihebedingungen grundsätzlich keine Bedenken entgegenstehen437. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die praxisüblichen Anleihebedingungen der in Deutschland begebenen bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, so dürften weder die für diese Anleihen wesenstypischen Herabschreibungs- und Umwandlungssklauseln noch die in der Praxis anzutreffenden Wiederauffüllungsklauseln als „überraschend“ oder „unklar“ Sinne des § 305c Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu werten sein. Insbesondere die vom Bundesverband deutscher Banken e. V. zu Zwecken der Standardisierung und Vereinheitlichung erlassenen Bedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals, die den meisten Anleihebedingungen der Praxis zugrunde liegen438, räumen Unklarheiten und Auslegungsfragen, welche die Genussrechtsjudikatur der letzten Jahre beschäftigten439, weitgehend aus. Dem Investor ist im Zeitpunkt seiner Investition bewusst, dass er ein Kapitalinstrument des zusätzlichen Kernkapitals nach Art. 52 CRR erwirbt. Die Verlustteilnahme durch Herabschreibung440 bzw. Umwandlung441 entspricht dem 435  Vgl. OLG München ZIP 2015, 1433, 1434; OLG München NZG 2014, 146, 148 (zu Genussscheinen). 436  Vgl. BGH NJW 2003, 1237, 1238; BGH NJW 1999, 276, 277 f.; OLG München NZG 2014, 146, 148. 437  OLG München NZG 2014, 146, 147 f.; OLG München ZIP 2012, 576 – Deutsche Pfandbriefbank (zu Genussscheinbedingungen); OLG Frankfurt a. M. ZIP 2014, 2176, 2178 f. (zu Anleihebedingungen). 438  Bundesverband deutscher Banken e. V., Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals, abrufbar unter https://bankenverband.de; nahezu identische Formulieungen enthalten die von der Deutsche Bank AG herausgegebenen Tier 1-Schuldverschreibungen ISIN DE000DB7XHP3 und ISIN XS1071551474 sowie die von der Aareal Bank AG emittierten Tier 1-Schuldverschreibungen mit der ISIN DE000A1TNDK2 in § 5 (8) und die von der Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg Girozentrale emittierten Tier 1-Schuldverschreibungen mit der ISIN DE000BRL00A4 in § 5 (8) (b). 439  Vgl. etwa OLG München ZIP 2012, 576 – Deutsche Pfandbriefbank; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 16.11.2011 – 19 U 12/11 – Corealcredit. 440  Bundesverband deutscher Banken e. V., § 5 (8) (a) der Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals Typ A, abrufbar unter https://bankenver band.de: „Bei Eintritt des Auslöseereignisses sind der Rückzahlungsbetrag und der



§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen127

gesetzlichen Leitbild des Art. 52 Abs. 1 lit. n) CRR. Dass ein Finanzinstrument infolge einer Gesetzesreform ungewohnte Risiken vermittelt, führt nicht zur Unwirksamkeit neuer, gesetzlich „initiierter“ Klauseln, bis sich der Markt an die neue Variante gewöhnt hat442. Ohnehin handelt es sich um Regelungen, die auf den internationalen Kapitalmärkten inzwischen kaum mehr als branchenunüblich bezeichnet werden können, beruht doch der gegenüber reinen Anleihen deutlich höhere Zins ganz maßgeblich auf den von einer Wandlung oder Herabschreibung ausgehenden Verlustrisiken. Da die Verlustteilnehme explizit an die Kernkapitalquote im Sinne des Art. 92 Abs. 1 lit. a) CRR bzw. einer Nachfolgeregelung gebunden ist, entfallen Unklarheiten, die etwa bei Genussrechten zu Auslegungsfragen hinsichtlich des Verständnisses des Begriffs des „Bilanzverlustes“ geführt haben443. Ähnliches gilt für die bei Herabschreibungsanleihen anzutreffende Wiederauffüllungsklausel444 sowie für den ermessensabhängigen Ausschluss von Ausschüttungen nach Art. 52 Abs. 1 lit. l iii) CRR (sog. „Discretion to Pay“)445. Bei der Wiederauffüllungsklausel handelt es sich aus GläubigerNennbetrag jeder Schuldverschreibung um den Betrag der betreffenden Herabschreibung zu reduzieren“. 441  Bundesverband deutscher Banken e. V., § 6 (1) der Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals Typ B, abrufbar unter https://bankenverband. de: „Jede am Pflichtwandlungstag […] ausstehende Schuldverschreibung wird zwingend in auf den Namen lautende Stammaktien der Emittentin […] zu dem Pflichtwandlungsverhältnis gewandelt“. 442  Vgl. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 111; kritisch allerdings Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, S. 151. 443  s. zu den Auslegungsfragen, die sich in der Vergangenheit bei Genussscheinbedingungen gestellt haben, ausf. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 112 ff. 444  Bundesverband deutscher Banken e. V., § 5 (8) (b) der Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals Typ A, abrufbar unter https://bankenver band.de: „Die Vornahme [der Hochschreibung] steht […] im Ermessen der Emittentin. Insbesondere kann die Emittentin auch dann ganz oder teilweise von einer Hochschreibung absehen, wenn ein entsprechender Jahresüberschuss zur Verfügung steht […]“; beachte auch § 5 (8) (b) (iv): „Hochschreibungen der Schuldverschreibungen gehen Dividenden und anderen Ausschüttungen in Bezug auf Geschäftsanteile, Aktien und andere Instrumente des harten Kernkapitals der Emittentin nicht vor, d. h. diese können auch dann vorgenommen werden, solange keine vollständige Hochschreibung erfolgt ist“. 445  Bundesverband deutscher Banken e. V., § 3 (8) (a) der Musterbedingungen für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals Typ A u. B, abrufbar unter https://bankenverband.de: „Die Emittentin hat das Recht, die Zinszahlung nach freiem Ermessen ganz oder teilweise entfallen zu lassen, insbesondere (jedoch nicht ausschließlich) wenn dies notwendig ist, um ein Absinken der Harten Kernkapitalquote […] unter die Mindest-CT1-Quote […] zu vermeiden oder eine Auflage der zuständigen Aufsichtsbehörde zu erfüllen“; beachte ferner § 3 (8) (c): „Die Emittentin ist berechtigt, die Mittel aus entfallenen Zinszahlungen uneingeschränkt zur Erfüllung ihrer eigenen

128 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

sicht nur um ein „Mehr“ gegenüber den gesetzestypischen Herabschreibungsanleihen nach der CRR. Überraschend könnte allenfalls der gegenüber den meisten Genussrechten bestehende Unterschied sein, dass die Hochschreibung vollständig dem Ermessen der Emittentin überlassen bleibt. Hierbei handelt es sich aber nur um eine Fortführung des in Art. 52 Abs. 1 lit. l iii) CRR für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals explizit geforderten und zudem aus der internationalen Rechnungslegung bekannten Grundsatzes, dass Ausschüttungen nach dem freien Ermessen der Emittenten entfallen können müssen446. Zudem wird sich anders als bei Genussrechten nicht die Auslegungsfrage stellen, ob eine Wiederauffüllung etwa vorrangig vor einer Rücklagen- oder Reservenbildung zu erfolgen hat447. Die Klausel legt ausdrücklich fest, dass eine Hochschreibung anderen Ausschüttungen auf Instrumente des harten Kernkapitals nicht vorgeht. Dies betrifft unter anderem die nach Art. 26 Abs. 1 lit. c), f) CRR zum harten Kernkapital im Sinne der CRR zählenden Gewinnrücklagen sowie den Fonds für allgemeine Bankrisiken. 5. Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 1 BGB Der Hauptbestandteil der AGB-Kontrolle ist die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Allerdings sind nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB solche Klauseln, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, und solche, die eine sog. „Leistungsbeschreibung“ enthalten, von der Inhaltskontrolle ausgenommen448. Der Begriff der „Leistungsbeschreibung“ entstammt Art. 4 Abs. 2 der dem AGBG zugrundeliegenden Richtlinie und wurde im Laufe der Jahre durch Judikatur und Lehre konkretisiert. Nach der Rechtsprechung werden solche Klauseln als Leistungsbeschreibungen verstanden und bleiben somit kontrollfrei, die „Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung fest[legen],“ und „ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht Verpflichtungen bei deren Fälligkeit zu nutzen. Soweit Zinszahlungen entfallen, werden diese nicht nachgezahlt“. 446  Vgl. International Accounting Standards (IAS) 32. 447  Diese (von den konkreten Finanzierungsbedingungen abhängige) Frage ist aktuell Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren von stillen Einlegern und Genussrechtsinhabern gegen die IKB Industriebank AG und die HSH Nordbank AG, vgl. die Sachverhaltsdarstellungen bei Schmidberger, BKR 2017, 309 ff. 448  Vgl. Begr.RegE AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 22.; dies entspricht auch dem Willen des europäischen Gesetzgebers, vgl. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG v. 5.4.1993 (Klauselrichtlinie), ABl. EG Nr. L 95, S. 29 ff. („Die Beurteilung der Mißbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind“).



§ 5 Kontrolle der Anleihebedingungen129

mehr angenommen werden kann“449. Der Begriff der Leistungsbeschreibung umfasst als Kern der Leistungszusage daher nicht weniger als die essentialia negotii450. Nur „Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren“ bleiben als Leistungsnebenabreden kontrollfähig451. Welche Klauseln in den Anleihebedingungen von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen als Leistungsbeschreibungen im Sinne des § 307 Abs. 3 S. 2 BGB kontrollfrei bleiben, bestimmt sich also danach, ob der Vertrag auch ohne sie hätte geschlossen werden können. Nach der Ansicht Drygala’s sind Klauseln, die das Wandlungsrecht der Gesellschaft regeln, als Nebenbestimmung einzustufen und damit einer Inhaltskontrolle zugänglich452. Er begründet dies damit, dass die Bedingung, sofern sie Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder materielle Insolvenz lautet, von der Tragfähigkeit des Sanierungskonzeptes abhänge, welches im Voraus aber kaum zu prognostizieren und zu bewerten sei. Zudem würden derartige Klauseln vom Gläubiger typischerweise unterbewertet, da ihre Bedeutung in ferner Zukunft liege und die Wahrscheinlichkeit für ihren Eintritt relativ gering sei. Aus dogmatischer Sicht erscheint es jedoch überzeugender, die Kerninhalte der Bedingungen – Rückzahlungsanspruch, Zinssatz, Ersetzungsbefugnis – sowie die einzelnen Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter, also Preis, Wandlungsgrenzen sowie das Auslöseereignis als Hauptpflichten einzustufen und daher von einer Inhaltskontrolle auszunehmen453. Im Hinblick auf die Verlustteilnahme haben Genussrechte und bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ein wirtschaftlich vergleichbares Risikoprofil und bei den typischen Verlustteilnahmeklauseln von Genussrechten geht die bisherige Rechtsprechung von Hauptleistungspflichten aus454. Außerdem sind die Wandlungsbzw. Herabschreibungsbedingungen maßgeblich für den versprochenen Anleihezins und dürften damit im Zentrum der Investitionsentscheidung stehen455. Vor diesem Hintergrund nur von Nebenbestimmungen zu sprechen, erscheint nach hier vertretener Ansicht nicht überzeugend. Auch die in der Praxis anzutreffenden Wiederauffüllungsklauseln gehören zu dem einer ­Inhaltskontrolle entzogenen Hauptleistungsinhalt, da auch insoweit – genau 449  BGHZ

100, 157, 173. Inhaltskontrolle, S.  71 f.; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 105 (zu Genussrechten). 451  BGHZ 100, 157, 173. 452  s. Drygala, WM 2011, 1637, 1641. 453  s. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 189 m. w. N.; Eschwey, Contingent Convertible Bonds (CoCos), S. 5344 f.; zuvor bereits Horn., ZHR 173 (2009), 12, 32. 454  Vgl. Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 689; Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. 455  Vgl. im Ergebnis auch Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, S. 156. 450  Kallrath,

130 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

wie bei der Herabschreibungsklausel – festgelegt wird, ob und in welchem Umfang das Kapital als Haftungsmasse zur Verfügung gestellt wird. In der Praxis dürfte es auf die Abgrenzung wegen der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 1 Var. 1 BGB jedoch ohnehin selten ankommen, da die bisher begebenen bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nur von institutionellen Investoren und damit Unternehmern im Sinne des § 14 BGB gehalten werden.

III. Ergebnis Aufgrund der Bereichsausnahmen für Unternehmer kommt die AGBrechtliche Inhaltskontrolle bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nur begrenzt zur Anwendung. Die wichtigsten Klauseln zur Regelung der Verlustteilnahmebedingungen bleiben als Leistungsbeschreibungen inhaltlich kontrollfrei. Zahlreiche Anwendungsfragen, die sich bei der Auslegung von Genussscheinbedingungen etwa im Hinblick auf die Begriffe des Bilanzverlustes oder auf die Rangfolge einer Wiederauffüllung und einer Reserven- oder Rücklagenbildung ergeben, sind bei den Bedingungen der neuen Kapitalklasse ausgeräumt worden. Nicht weniger wichtig, aber der Kontrolle der Anleihebedingungen nachgelagert ist die Frage, ob die für eine Wandlung oder Herabschreibung maßgeblichen Auslöseereignisse richtig und rechtmäßig ermittelt worden sind. Zu diesem Zweck wendet sich der folgende Abschnitt den Auskunfts- und Kontrollrechten der Anleiheinhaber zu.

§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte In kaum einem Gebiet des zivilrechtlichen Anlegerschutzes fallen das Schutzbedürfnis der Anleger und der gesetzliche status quo so sehr auseinander, wie im Bereich der Auskunfts- und Kontrollrechte. Frantzen beschreibt die Möglichkeit des Anlegers, sich ausreichend und umfassend über seine Kapitalanlage bzw. das Unternehmen, dem er sein Geld anvertraut hat, zu informieren, bereits im Jahr 1992 als den „zentralen Punkt jeglichen Anle­ gerschutzes“456. Zugleich wird Deutschland im europäischen Vergleich noch immer als das „aufklärungsscheueste Land mit dem zurückhaltendsten Prozessrecht“ beschrieben457. Am deutlichsten zeigt sich die Zurückhaltung des Rechts im Vergleich mit dem US-amerikanischen Verfahren der „Pre Trial Discovery“, in dem jeder Prozesspartei unabhängig vom Bestehen eines 456  Genußscheine, 457  Haeffs,

S. 224. Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 44.



§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte131

I­nformationsinteresses ein umfassender Aufklärungsanspruch gegen den Gegner gewährt wird458. Für die Inhaber bedingter Pflichtwandel- und He­ rabschreibungsanleihen sind Informationsrechte jedoch besonders wichtig, da sie ein Interesse daran haben, im Falle einer Verlustteilnahme durch Wandlung oder Herabschreibung, zu überprüfen, ob die Auslösekriterien richtig und rechtmäßig ermittelt worden sind459. Als präparatorische Informationsrechte können Auskunfts- und Kontrollrechte dabei auch der Vorbereitung von Ersatzansprüchen gegen die Emittentin dienen460.

I. Stand und Entwicklung der Informationsrechte von Hybridgläubigern Obwohl Auskunfts- und Einsichtsrechte von Wiedemann zu den „mitgliedschaftlichen Grundrechten“461 gezählt werden, wurde ihrer Handhabung in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum lange Zeit ein „Mangel an systematischem und institutionellem Denken“ nachgesagt462. Weder im materiellen noch im prozessualen Zivilrecht gibt es eine allgemeine Auskunftspflicht463; stattdessen hat der Gesetzgeber in Teilen des Gesellschaftsrechts Einzelregelungen geschaffen, die aufgrund struktureller Verschiedenheiten der Verbände und historischen Zufälligkeiten Widersprüchlichkeiten enthalten464. Noch deutlich weniger entwickelt ist das Recht über Informations- und Auskunftsbegehren bei schuldrechtlichen Beteiligungen. Während in der Schweiz im Rahmen der Diskussion um die Zulässigkeit von Partizipationsscheinen schon frühzeitig darauf hingewiesen wurde, dass Kontrollrechte kein Gesellschaftsspezifikum darstellen465, und in der Folge Informations458  Vgl. Rule 26 (b) (1) Federal Rules of Civil Procedure: „Parties may obtain discovery regarding any matter, not privileged, that is relevant to the claim or defense of any party, including the existence, description, nature, custody, condition, and location of any books, documents, or other tangible things and the identity and location of persons having knowledge of any discoverable matter. For good cause, the court may order discovery of any matter relevant to the subject matter involved in the action. Relevant information need not be admissable at the trial if the discovery appears reasonably calculated to lead to the discovery of admissable evidence.“ 459  Vgl. Florstedt, ZIP 2017, 49, 50. 460  Hellmann, Materiellrechtlicher Auskunftsanspruch und prozessuale Auskunftspflicht, S.  44 ff. 461  Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 374. 462  Vgl. K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 13. 463  Vgl. Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 31 ff.; Hellmann, Mate­ riellrechtlicher Auskunftsanspruch und prozessuale Auskunftspflicht, S. 25 ff. m. w. N. 464  Vgl. K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 84. 465  Vgl. Frantzen, Genußscheine, S. 225 unter Verweis auf Bär, ZBJV 101 (1965), 201, 218.

132 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

rechte von Gesellschaftsgläubigern ausdrücklich kodifiziert wurden, sind Hybridgläubiger im deutschen Recht noch immer weitgehend auf allgemeine richterliche Grundsätze angewiesen, die sich erst allmählich zu konkretisieren beginnen466. Gerichtsverfahren, die speziell Informationsrechte von In­ habern von bedingten Pflichtwandel- oder Herabschreibungsanleihen zum Gegenstand hatten, sind bislang noch nicht vorgekommen. Erwähnenswert ist im Kontext allerdings ein Urteil des BGH vom 10.6.2016, indem sich dieser erstmals zur Reichweite von Informationsrechten in Genussrechtsverhältnissen geäußert hat und das zumindest einen Anhaltspunkt für die Rechtslage bei den mit den Genussrechten verwandten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen bieten kann: „Ein Genussscheininhaber kann nach allgemeinen Grundsätzen Rechenschaftslegung verlangen, soweit er sie zur Plausibilisierung seines Anspruchs benötigt. Wenn der Genussscheininhaber einen Anspruch auf eine festgelegte Zinsleistung hat, die entfällt, soweit dadurch ein Bilanzverlust entstehen würde, besteht die Rechenschaftslegung in der Mitteilung des Jahresabschlusses. Ein weitergehender Auskunftsanspruch zu einzelnen Bilanzpositionen kann bei dem begründeten Verdacht eines rechtsmissbräuchlichen oder eines gezielt den Interessen der Genussscheininhaber zuwiderlaufenden Verhaltens der Aktiengesellschaft bestehen.“467 Vor diesem – insgesamt weitgehend unklaren – Hintergrund kann die Aufgabe nur darin bestehen, die wesentlichen Rechtsgrundlagen für die Informationsrechte der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen herauszuarbeiten und sodann aus den bestehenden allgemeinen Grundsätzen Rückschlüsse auf die Besonderheiten der neuen Kapitalklasse zu ziehen.

II. Rechtsdogmatische Einordnung Es ist heute anerkannt, dass die Inhaberschaft eines hybriden Finanzierungsinstrumentes keine Mitgliedschaft, sondern lediglich eine schuldrecht­ liche Rechtsposition vermittelt468. Eine analoge Anwendung gesellschaftsrechtlicher Informationsrechte auf Obligationäre, etwa von §§ 131, 175 466  Vgl. Florstedt, ZIP 2017, 49 ff.; aus dem älteren Schrifttum Frantzen, Genußscheine, S.  224 ff. 467  BGH ZIP 2016, 1529. 468  Vgl. bereits RGZ 49, 10, 13; RGZ 115, 227, 230; RGZ 132, 199, 206; BGHZ 119, 305, 309 = BGH NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; BGHZ 120, 141, 146 f. = BGH NJW 1993, 400 – Bremer Bankverein; BGHZ 156, 38, 43 = BGH NJW 2003, 997; BGH NZG 2013, 987 Rn. 20; BGH NZG 2015, 161 Rn. 62 ff.; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 331; Grigoleit/Rieder/Holzmann, AktG, § 221 Rn. 23.; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 221 Rn. 26; K. Schmidt/Lutter/Merkt, AktG, § 221 Rn. 43; aus dem älteren Schrifttum s. Frantzen, Genußscheine, S.  2 f.; Habersack, FS Nobbe, S. 544; Pougin, FS Oppenhoff, S. 275; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 384; Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 229; Vollmer, ZGR 1983, 445, 451; Werner, ZHR 149 (1985), 236, 240.



§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte133

Abs. 2 AktG oder §§ 118, 166, 233 HGB, wird überwiegend abgelehnt469. In Bezug auf Genussrechte war dies lange Zeit umstritten. Da Genussrechte historisch als Vorläufer der 1937 eingeführten Vorzugsaktien gesehen werden470 und diesen wirtschaftlich weitgehend angenähert sind, wurde in den 1980er Jahren eine rechtliche Gleichstellung von Genussrechtsinhabern und Aktionären intensiv diskutiert471. Die hierzu bestehenden Ansätze konnten sich letztlich aber weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung durchsetzen. Teilweise wird noch heute erwogen, zumindest in bilateralen Genussrechtsverhältnissen, in denen die allgemeinen Interpretationsregeln nach den §§ 133, 157 BGB ungehindert Anwendung finden, aufgrund der wirtschaft­ lichen Vergleichbarkeit mit stillen Gesellschaften Kontrollrechte nach § 233 HGB zu gewähren472. Bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen erscheint eine analoge Anwendung des § 233 HGB schon aufgrund des Fehlens der für stille Gesellschaften typischen laufenden Gewinn- und Verlustteilnahme weniger naheliegend. Die Abgrenzungsfrage, ob Informationsrechte dem Schuldrecht oder dem Gesellschaftsrecht zu entnehmen sind, stellt sich hier weniger im Hinblick auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit stillen Gesellschaften oder Vorzugsaktien, als vielmehr in zeitlicher Hinsicht, denn zumindest bei Wandelanleihen mag der Auskunft begehrende (ehemalige) Anleihegläubiger durch den Umtausch in Aktien der Emittentin im Zeitpunkt der Geltendmachung des Informationsrechtes bereits Aktionär geworden sein. Nach der Wandlung kann sich der (nunmehr) Aktionär selbstverständlich auf alle mitgliedschaftlichen Informationsrechte berufen. Vor der Wandlung ist die Rechtslage indes von der bei Genussrechten und stillen Gesellschaften zu unterscheiden: Der Inhaber einer Pflichtwandelanleihe befindet sich zu keiner Zeit zwischen den Gebieten des Schuldrechts und des Aktienrechts, sondern er „ist entweder Obligationär oder (nach Wandlung) Aktionär“473. Nach dieser Überlegung wird man gedanklich wie folgt trennen können: Vor der Wandlung sind die Inhaber von Wandelanleihen ebenso wie die Inhaber von Herabschreibungsanleihen auf vertraglich vereinbarte sowie subsidiär auf die gesetzlichen 469  Vgl. Frantzen, Genußscheine, S.  224 ff.; Florstedt, ZIP 2017, 49, 51 m. w. N.; KölnkommAktG/Lutter, 2. Aufl. 1995, § 221 Rn. 376. 470  Zur historischen Entwicklung der Genussrechte Ernst, Der Genussschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, S. 38 ff. 471  s. zu den Gleichstellungsthesen Reuter, NJW 1984, 1849, 1851 ff.; Hirte, ZIP 1988, 477, 478; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 29; K. Schmidt/Lutter/Merkt, AktG, § 221 Rn. 85 ff.; Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genußschein, S. 225 ff.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S.  189 ff. 472  Vgl. Florstedt, ZIP 2017, 49, 52. 473  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 191 m. w. N.

134 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Auskunfts- und Kontrollrechte des allgemeinen Schuldrechts verwiesen. Da die Anleihebedingungen der bislang begebenen bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen keine vertraglichen Auskunftsrechte beinhalten, werden sie regelmäßig auf das Recht auf Rechnungslegung (§§ 242, 259 BGB), die auftragsrechtliche Regel des § 666 BGB (i. V. m. §§ 681, 687 Abs. 2 BGB und § 242 BGB), das Einsichtsrecht aus § 810 BGB und den allgemeinen Informationsanspruch gem. § 242 BGB zurückgreifen müssen. Nach der Wandlung können sich die (ehemaligen) Obligationäre als (nunmehr) Aktionäre nur noch auf mitgliedschaftliche Informationsrechte, insbesondere das Auskunftsrecht nach § 131 AktG, berufen474.

III. Schuldrechtliche Informationsrechte Hat der Anleihegläubiger noch nicht durch Wandlung die Rechtsstellung eines Aktionärs erlangt, wird es bei der Überprüfung der Verlustteilnahme (durch Wandlung oder Herabschreibung) nach dem Gesagten wie bei Genussrechten auf schuldrechtliche Informationsrechte ankommen. Im Ergebnis lassen sich alle ungeschriebenen Informationsrechte im Schuldrecht auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB zurückführen. Es ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt, dass Gläubiger, deren Forderungen von einem Verhalten des Schuldner abhängen, nicht vollkommen dessen Willkür ausgeliefert sind, sondern Informationsrechte haben, um die richtige Ermittlung der Erfolgsteilnahme und generell die Loyalität des Schuldners zu überprüfen475. Rechtsprechung und Schrifttum haben hierzu folgende Formel entwickelt: Auskunft ist geschuldet, „wo das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis es seinem Wesen nach mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung jener Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann“476. Für eine praktikable Umsetzung wird weiter wie folgt aufgefächert: ein allgemeiner Anspruch auf Rechnungslegung gem. § 666 BGB (i. V. m. §§ 681, 687 Abs. 2 BGB und § 242 BGB), ein Auskunftsanspruch im engeren Sinne nach § 242 BGB und ein Anspruch auf Einsichtnahme in Bücher und Papiere der Emittentin nach §§ 242, 810 BGB477.

474  s. hierzu ausf. Grage, Das Auskunftsrecht des Aktionärs, passim; Bälz, Der Auskunftsanspruch gemäß § 131 AktG, passim. 475  Vgl. bereits Frantzen, Genußscheine, S. 225 (zu Genussrechten). 476  BGHZ 55, 201, 203; BGHZ 61, 180, 184; BGHZ 81, 21, 24; BGHZ 82, 132, 137; BGHZ 95, 285, 287; Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 57. 477  Ausf. Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 62 ff., 128 ff.



§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte135

1. Anspruch auf Rechnungslegung im weiteren Sinne Der Rechnungslegungsanspruch im weiteren Sinne wird nach der Rechtsprechung zu Genussrechten aus § 666 BGB (i. V. m. §§ 681, 687 Abs. 2 BGB und § 242 BGB) abgeleitet und verpflichtet den Beauftragten, im Einzelfall erforderliche Nachrichten (unaufgefordert) zu erteilen, weitergehende Auskunft zu gewähren und Rechenschaft abzulegen478. Er beruht auf einem allgemeinen, auf § 242 BGB rückführbaren Rechtsprinzip, nach dem derjenige zur Rechnungslegung verpflichtet ist, der Angelegenheiten besorgt, die zugleich eigene und fremde sind479. Bei Genussrechten und bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen besteht durch die Verlustteilnahme eine wirtschaftlich vergleichbare Problemlage480; hier wie dort besteht ein Dauerschuldverhältnis, in dem zunächst nur die Emittentin Kenntnis über den Eintritt der Verlustteilnahme hat. Insofern lassen sich die für Informa­ tionsrechte von Genussrechtsinhabern geltenden Anforderungen auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene sinngemäß auch auf die neue Kapitalklasse übertragen. Der Rechnungslegungsanspruch ist auf die Kontrolle des vereinbarten Leistungsversprechens gerichtet und daher in engem Zusammenhang mit diesem zu verstehen. Er soll auf Grundlage der übermittelten Angaben eine eigenständige Bewertung der Sachlage ermöglichen – nicht mehr, aber auch nicht weniger481. Damit erstreckt sich der Anspruch auf sämtliche Tatsachen, die zur Nachvollziehung des Schicksals der Leistungspflichten von Belang sind, zugleich ist er aber auf ebensolche Tatsachen zu beschränken. Konkret bedeutet dies: Die Anleger haben einerseits einen Anspruch auf Information über den Eintritt der maßgeblichen Wandlungs- oder Herabschreibungsereignisse. Dies kann im Fall von CRR-Anleihen etwa durch die Vorlage einer aktuellen Darstellung der Bilanz bzw. einer stichtagsbezogenen Darstellung der Kernkapitalquote oder im Fall einer behördlichen Wandlungsentscheidung durch Vorlage der Behördenentscheidung geleistet werden. Die Anleger haben in unmittelbarem Zusammenhang mit den Leistungspflichten aber auch einen Anspruch auf Information über Veränderungen in der Berechnungsart der Wandlungs- oder Herabschreibungsereignisse. So kann sich bspw. die Umstellung von einem Standardverfahren (sog. Kreditrisiko-Standardansatz, KSA) auf ein internes Risikobewertungsmodell (sog. Internal 478  BGH ZIP 2016, 1529; BGHZ 10, 385, 386 f.; BGH NJW 1959, 1963; ausf. Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 125 ff.; Florstedt, ZIP 2017, 49, 53 ff. 479  s. BGHZ 10, 385, 386 f.; BGH NJW 1959, 1963. 480  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192. 481  Vgl. Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 60.

136 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Ratings-Based Approach, IRBA) oder umgekehrt unmittelbar auf die Berechnung der maßgeblichen Eigenkapitalkennziffern auswirken. In der Regel wird die prozessuale Geltendmachung der Informationsrechte entweder isoliert im Wege einer Leistungs- oder Feststellungsklage (§ 256 ZPO) oder zusammen mit dem Zielanspruch im Wege einer Stufenklage (§ 254 ZPO) erfolgen. Gibt das Gericht der Klage statt, erfolgt die Rechnungslegung nach § 259 BGB durch eine verständliche Darstellung der Einzelpositionen. Ergänzungen können grundsätzlich erst dann verlangt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Rechnungslegung insgesamt unrichtig oder unvollständig ist482. Die Verjährungsfrist beginnt, wenn sich ein Informationsinteresse gebildet hat, das allerdings entfällt, sobald der Zielanspruch verjährt ist483. 2. Anspruch auf Auskunft im engeren Sinne Ein weitergehender Informationsanspruch zu einzelnen Geschäftsführungsoder Bilanzierungsmaßnahmen wird nach der überwiegenden Lehre und der Rechtsprechung nur unter den Voraussetzungen des allgemeinen Informationsanspruchs aus § 242 BGB zugelassen. Dieser ergänzt als präparatorischer Anspruch die prozessrechtlich gegebenen Möglichkeiten (Urkundenvorlage, Parteivernehmung) sowie die ungeschriebenen prozessualen Regeln zur Tatsachenaufklärung (sekundäre Darlegungslast, Beweislastumkehr und Beweiserleichterung), um der darlegungs- und beweislastbelasteten Partei über Sachverhaltsunklarheiten hinwegzuhelfen484. Der Anspruch ist allgemein auf Information gerichtet und erfasst in der Rechtsfolge sowohl Auskunfts- als auch Einsichtnahmebegehren485. Schwierigkeiten bereitet die Umschreibung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Aus dem Gebot von Treu und Glauben folgt allgemein, dass sich der Informationsanspruch von einem Zielanspruch ableiten muss, nicht ausforschend sein darf486 und zudem den Schranken des Rechtsmissbrauchsverbotes 482  RGZ

100, 150, 152; MünchKommBGB/Krüger, § 259 Rn. 23 ff. von Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten, S. 87 f.

483  Winkler

m. w. N. 484  Grundlegend RG JW 1927, 1575; RGZ 158, 377; BGHZ 10, 385; BGHZ 14, 53; aus dem Schrifttum Lüke, JuS 1986, 1 ff.; Haeffs, Der Auskunftsanspruch im Zivilrecht, S. 125 ff.; Darstellung der Entwicklung bei Winkler von Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten, S. 33 f.; zum Ganzen Florstedt, ZIP 2017, 49, 53. 485  BGHZ 14, 53, 59; BGH DB 1971, 1416, 1417 (Stufenverhältnis zwischen Auskunft und Einsicht). 486  BGHZ 74, 379, 381 = NJW 1979, 1832; BGH NJW-RR 1989, 450; MünchKommBGB/Krüger, § 260 Rn. 15 f.; Florstedt, ZIP 2017, 49, 54.



§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte137

unterliegt.487 Eine übermäßige Auskunft darf nicht verlangt werden488. Auch ist der Anspruch nicht gegeben, wenn eine einfachere oder vorrangige Informationsquelle verfügbar ist489. Letztlich wird es stets auf eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Anspruchstellers und den schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Anspruchsgegners ­hinauslaufen490. Ausschlaggebend ist grundsätzlich ein Wahrscheinlichkeitsurteil über das Bestehen des Zielanspruchs – etwa eines Zins-, Ersatz- oder Anpassungsanspruches491 –, es können aber auch vorrangige Geheimhaltungsinteressen der Emittentin zu beachten sein. Etwa kann eine Auskunft nach den Kriterien des § 131 Abs. 3 AktG verweigert werden: Wenn schon Aktionären entsprechende Informationen vorenthalten werden dürfen, gilt dies erst recht für lediglich schuldrechtlich Beteiligte492. Auch kann im bankrechtlichen Kontext § 340f HGB zu berücksichtigen sein, der die Bildung stiller Vorsorgereserven ermöglicht und dessen Wertung im Rahmen der gebotenen Abwägung zu berücksichtigen ist493. Von diesen allgemeinen Erwägungen abge­ sehen, bleibt die Kontur des Tatbestandes weit gefasst und wird von den ­Gerichten nach den Umständen des Einzelfalls konkretisiert494. Überträgt man die zu Genussrechten getroffenen Aussagen des BGH auf das Recht der bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, so müssten deren Inhaber für einen weitergehenden Auskunftsanspruch den Verdacht für ein „rechtswidriges“, „rechtsmissbräuchliches“, „treuwidriges“, „manipulatives“ oder „gezielt ihren Interessen zuwiderlaufendes“ Verhalten der Emittentin glaubhaft machen495. Die Hürden sind damit äußerst hoch angesetzt und gehen über Einzelmeinungen im Schrifttum hinaus, die einen Aukunftsanspruch bereits bei „Bestehen einer Kontroverse“ über die Ausschüttungspolitik bejaht haben496. Nach den strengen Voraussetzungen des 487  K. Schmidt,

Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, S. 42 f. Winkler von Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten, S. 97 ff. 489  BGH WM 1971, 1196 (bereits zugängliche Unterlagen); BGHZ 74, 379, 381 (Konkursverwalter hat Gemeinschuldner vor Anfechtungsgegner zu befragen). 490  Vgl. Hellmann, Materiellrechtlicher Auskunftsanspruch und prozessuale Auskunftspflicht, S.  34 ff. 491  Vgl. Florstedt, ZIP 2017, 49, 58. 492  Vgl. Sethe, AG 1993, 351, 357 (zu Genussrechten). 493  Diese Beschränkung gilt auch für das Auskunftsverlangen von Aktionären, vgl. § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 AktG. Zur Berücksichtigung des § 340f HGB innerhalb der Abwägung s. Florstedt, ZIP 2017, 49, Fn. 83. Die Geheimhaltungsregel des § 340f HGB ist rechtspolitisch umstr., vgl. hierzu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Böcking/ Gros/Helke, HGB, § 340f Rn. 1 f. 494  Vgl. die Darstellung bei Florstedt, ZIP 2017, 49, 53 m. w. N. 495  Vgl. die Zusammenfassung der Urteilsgründe bei Florstedt, ZIP 2017, 49, 55. 496  Sethe, AG 1993, 351, 357 (zu Genussrechten). 488  s.

138 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

BGH können Hybridgläubiger Auskünfte über einzelne Bilanzierungsmaßnahmen erst verlangen, wenn sie den Verdacht glaubhaft machen, dass bspw. eine konkrete Maßnahme im Bereich der Rückstellungs-, Rücklagen- und Reservenpolitik nur getroffen wurde, um sie rechtsmissbräuchlich oder zielgerichtet zu benachteiligen. In gleicher Weise können konkrete Auskünfte über Maßnahmen wie Aktienrückkäufe, außerordentlich hohe Dividendenausschüttungen oder eine sonstige Vernichtung von Vermögenswerten erst eingefordert werden, wenn der Verdacht glaubhaft gemacht wird, dass die Maßnahme gezielt oder rechtsmissbräuchlich getroffen wurde, um bilanzwert­ orientierte Auslöseereignis herbeizuführen. 3. Anspruch auf Einsichtnahme in Bücher und Urkunden Der Anspruch aus § 810 BGB ermöglicht als präparatorischer Informationsanspruch die Einsichtnahme in Urkunden, die im Interesse des Berechtigten errichtet worden sind oder ein Rechtsverhältnis zum Anspruchsteller oder eine Verhandlung mit diesem bekunden. Dies umfasst insbesondere den Jahresabschluss, den Lagebericht, Vorschläge der Verwaltung zur Verwendung des Bilanzgewinns, die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung usf. Das Einsichtsrecht besteht indes nicht losgelöst von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, sondern streng zweckgebunden ausschließlich zur Über­ prüfung der geschuldeten Rechnungslegung497. Der Umfang der Einsichtnahme ist daher auf die Kontrolle der im Rahmen der Rechnungslegung geschuldeten Informationen beschränkt. Weitergehende Informationen zu einzelnen Positionen oder Maßnahmen können nur unter den zusätzlichen Vo­ raussetzungen des Auskunftsanspruchs im engeren Sinne verlangt werden. Unter Umständen kann auch der Einsichtnahme in Bücher und Urkunden ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen. Es kommt dann wie bei dem allgemeinen Auskunftsanspruch auf eine umfassende Interessenabwägung an, bei der die gegenläufigen Interessen im Wege praktischer Konkordanz in Ausgleich zu bringen sind. Sollten einem Einsichtsbegehren tatsächlich konkrete Geheimhaltungsinteressen der Emittentin entgegenstehen, so kommt als interessengerechte Lösung die Mediatisierung des Rechts zur Einsichtnahme durch einen Treuhänder, etwa einen Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder Steuerberater in Betracht, der sodann anstelle der Hy­ bridgläubiger Einsicht nimmt und einen Prüfbericht erstellt498. Eine derartige Mediatisierung des Einsichtnahmerechts ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetz, sondern muss in den Anleihebedingungen niedergelegt sein.

497  Vgl. 498  Vgl.

Frantzen, Genußscheine, S. 228 (zu Genussrechten). hierzu ausf. Frantzen, Genußscheine, S. 230 (zu Genussrechten).



§ 6 Auskunfts- und Kontrollrechte139

Die beschriebenen Informationsrechte der Gläubiger sind aufgrund ihrer Verankerung in § 242 BGB als Ausprägung eines gesetzlichen Mindestschutzes zu verstehen und können daher grundsätzlich weder durch Individualvereinbarung noch durch die Anleihebedingungen vollständig abbedungen werden499.

IV. Ergebnis und Kritik Zur Überprüfung des Eintritts der Verlustteilnahmebedingungen sowie zur Plausibilisierung von Zielansprüchen sind Auskunfts- und Kontrollrechte für die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen von großer Bedeutung. Während die Inhaber von Wandelanleihen nach der Wandlung auf das aktienrechtliche Auskunftsrecht nach § 131 AktG zurückgreifen können, sind sie vor der Wandlung ebenso wie die Inhaber von Herabschreibungstiteln auf schuldrechtliche Informationsansprüche verwiesen. Eine analoge Anwendung gesellschaftsrechtlicher Informationsrechte, insbesondere des Auskunftsrechts des stillen Gesellschafters nach § 233 HGB, dürfte anders als bei Genussrechten, die wirtschaftlich von stillen Gesellschaften kaum zu unterscheiden sind, bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen mangels laufender Gewinn- und Verlustteilnahme abzulehnen sein. Die Anforderungen an den Auskunftsanspruch richten sich maßgeblich nach dem für den Zielanspruch erforderlichen Sachvortrag. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Auskunftsanspruch zu einzelnen Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahmen nur in Betracht, wenn der Verdacht für eine rechtsmissbräuchliche oder zielgerichtete Gläubigerbeeinträchtigung glaubhaft gemacht wird. Zwar verdient diese restriktive Rechtsprechung, wie zu zeigen sein wird, im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Zielanspruch Zustimmung. Auf prozessualer Ebene haben die strengen Voraussetzungen im Schrifttum allerdings zu der Frage geführt, ob die Auskunftsrechte der Hybridgläubiger nicht bereits wertlos sind500. In der Tat dürfte es Anlegern angesichts der hohen Hürden für weitergehende Informationsansprüche schwerfallen, die für den angestrebten Zielanspruch erforderlichen Tatsachen substantiiert vorzutragen, da die vorzutragenden Tatsachen zu einzelnen Bilanzierungs- oder Geschäftsführungsmaßnahmen regelmäßig in der für Gläubiger nicht einsehbaren Sphäre der Emittentin liegen501. Die aus der kapitalmarkt- und aktienrecht­ lichen Publizität, dem Handelsregister und der Presse verfügbaren Informa­ Frantzen, Genußscheine, S. 232 (zu Genussrechten). Florstedt, ZIP 2017, 49, 55. 501  Vgl. Kinzl/Schmidberger, WM 2160, 2166 („Nachweisthemen sind offensichtlich“); zuvor bereits Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 698. 499  Vgl. 500  Vgl.

140 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

tionen helfen in den entscheidenden Problemkonstellationen kaum weiter. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass Anlegerschutzprozesse in der Praxis schon auf der Tatsachenebene scheitern, bevor die nachgelagerte – im bisherigen Zentrum der Diskussion stehende – Ebene der rechtlichen Würdigung überhaupt erreicht wird. Insofern bleibt der deutsche Anlegerschutz im Teilbereich der Informationsrechte von Hybridgläubigern hinter dem anderer Länder, wie etwa der Schweiz, zurück502. Potentielle Investoren sollten da­ rauf achten, dass ihnen bereits in den Anleihebedingungen vertragliche Informationsrechte eingeräumt werden. Sofern der Gesetzgeber von einer Erweiterung der Informationsrechte von Gläubigern weiterhin absieht, könnte der zivilrechtliche Anlegerschutz alternativ um ein Korrektiv auf der Tatsachen­ ebene ergänzt werden. Im kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzrecht werden ähnliche Erwägungen zu richterlichen Darlegungs- und Beweislast­ erleichterungen in nahezu identischen Problemlagen längst erwogen503. In Betracht kommen sekundäre Darlegungs- und Beweislasterleichterungen bis hin zur vollständigen Beweislastumkehr bezüglich einzelner Tatbestands­ voraussetzungen der Zielansprüche. Zugleich dürften die schutzwürdigen Inte­ressen der Banken bei der richtigen Wahl des Korrektivs kaum beeinträchtigt werden. Eine Vertiefung dieser Parallele zu anderen rechtlichen Problembereichen soll an dieser Stelle jedoch noch nicht erfolgen504. Zunächst sind im Folgenden die Möglichkeiten und Voraussetzungen der materiell-rechtlichen Zielansprüche und Rechte ausführlich zu behandeln.

§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung und Kündigungsrechte Den Kern des zivilrechtlichen Anlegerschutzsystems bilden die Ziel­ ansprüche der Anleihegläubiger. Hier kann gedanklich zwischen Abwehrbzw. Unterlassungsansprüchen (ex ante), Ersatz- bzw. Anpassungsansprüchen (ex post) sowie Kündigungsrechten unterschieden werden. Grundsätzlich kommen sowohl schuldrechtliche als auch gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht.

502  s.

dazu unten 1. Teil: § 11 I.1.a). Habbe/Gieseler, NZG 2016, 454, passim m. w. N. 504  s. dazu unten 1. Teil: § 13 IV. 503  Vgl.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte141

I. Keine Abwehr- bzw. Unterlassungsansprüche gegen einzelne Geschäftsführungs- und Bilanzierungsmaßnahmen Es besteht weithin Einigkeit, dass Obligationären grundsätzlich kein Anspruch auf Unterlassung einzelner Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahmen gegenüber der Emittentin zusteht505. Ein solcher Anspruch lässt sich weder aus dem Anleiheschuldverhältnis noch als quasi-negatorischer Abwehranspruch aus § 1004 analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB ableiten. Die Inhaberschaft von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vermittelt kein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Recht. Insbesondere folgt aus dem Aktienbezugsrecht bei bedingten Pflichtwandelanleihen oder gar aus der schuldrechtlichen Ersetzungsbefugnis der Emittentin kein Anwartschaftsrecht der Anleihegläubiger. Systematisch ist ein Abwehranspruch der Gläubiger schon deshalb zu vermeiden, um die „wohl ausbalancierte innergesellschaftliche Machtverteilung“ nicht zu unterlaufen506: Wenn innerhalb der Aktiengesellschaft nicht einmal die Hauptversammlung oder der Aufsichtsrat dem Vorstand verbindliche Weisungen erteilen kann, so muss dies erst recht für schuldrechtliche Kapitalgeber gelten507. Selbst Ak­ tionäre können nach den berühmten Entscheidungen „Holzmüller“508 und „Gelatine“509 erst dann gegen Geschäftsführungsmaßnahmen ex ante vorgehen, wenn der Kern ihrer Mitgliedschaft verletzt wird, und selbst sie haben keinen allgemeinen Anspruch auf gesetzes- und satzungsgemäßes Verhalten der Gesellschaft510. Der ungeschriebene aktienrechtliche Abwehranspruch ist dogmatisch in der Mitgliedschaft verankert und nicht auf schuldrechtliche 505  s. aus dem älteren Schrifttum Wünsch, FS Strasser, S. 871, 879 f.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S. 122; aus der jüngeren Lit. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 172 ff. 506  BGHZ 159, 30, 43 = BGH AG 2004, 384, 388 – Gelatine (Die Hauptversammlung ist wegen ihrer inhomogenen, zufälligen Zusammensetzung und ihrer ganzen Struktur nach für die Mitwirkung an der Unternehmensleitung ungeeignet und ihre Kompetenz ausschließlich auf die „Verfassung“ beschränkt). 507  Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 323 (in Bezug auf den verbandsrechtlichen Abwehranspruch) hebt die zu achtende Kompetenzentscheidung des Gesetzgebers hervor. 508  BGHZ 83, 122 ff. = BGH ZIP 1982, 568 – Holzmüller. 509  BGHZ 159, 30 = BGH AG 2004, 384 – Gelatine. 510  Zur Entwicklung der Rspr. zum verbandsrechtlichen Abwehranspruch Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 317 ff.; Habersack, DStR 1998, 533, 534 ff.; Großfeld/Brondics, JZ 1982, 589, 590; für ein ausf. Referat zur gesamten Entwicklung und den dogmatischen Grundlagen s. Zöllner, ZGR 1988, 392, 425 ff.; zur Reichweite des verbandsrechtlichen Abwehranspruchs Lutter, JZ 2000, 837, 841; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Markwardt, WM 2004, 211, 213; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, passim.

142 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Kapitalgeber, die gerade keine mitgliedschaftliche Stellung innehaben, übertragbar511. Nur in äußersten Extremfällen, in denen ein Eingriff in einer die Schwelle des § 826 BGB überschreitenden Intensität droht, soll ausnahmsweise ein Abwehranspruch verbandsexterner Kapitalgeber zu bejahen sein512. Dies wird mit einer Parallele zum Kapitalmarktrecht begründet, wo die Rechtsprechung einen Vorrang der deliktischen Haftung vor den Grundsätzen der innergesellschaftlichen Machtverteilung für Fälle des § 826 BGB bei vorsätz­ licher Falschinformation des Sekundärmarktes durch fehlerhafte Ad-hocMitteilungen angenommen hat513. Rechtspolitisch bestehen gegen einen Abwehranspruch für Fälle, die den engen Tatbestand des § 826 BGB erfüllen, in der Tat kaum Bedenken. Es läge im Interesse aller Beteiligten, wenn die Unternehmensleitung vor einem (evtl. zu ersetzenden) Schadenseintritt aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung über das Risiko informiert würde514. Von solch extremen Ausnahmefällen abgesehen beschränkt sich der Anlegerschutz aber auf Ersatz- und Anpassungsansprüche.

II. Kein gesetzlicher Anspruch auf Wiederauffüllung des Kapitalkontos bzw. Nachholung von Zinsleistungen Realisiert sich die Verlustteilnahme einer Herabschreibungsanleihe, wird der Inhaber sich in erster Linie fragen, ob das Kapitalkonto bei später erwirtschafteten Gewinnen vorrangig vor der Zuweisung zu Reserven oder Rücklagen oder vor einer Ausschüttung an die Gewinnberechtigten wiederaufzufüllen ist oder ob er zumindest verlangen kann, dass ausgefallene Zinszahlungen nachgeholt werden. Die Frage nach einem gesetzlichen Wiederauffüllungsanspruch ist identisch bereits bei Genussrechten gestellt worden, deren Rückzahlungsansprüche bzw. Kapitalkonten durch die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste belastet worden sind. In den Bedingungen von Genussrechten und Herabschreibungsanleihen sind Wiederauffüllungsansprüche während der Laufzeit des Genussrechts vielfach ausdrücklich vorgesehen515. Bei Genussrechten wird eine solche Regelung zum Teil als zwingen511  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 174. 512  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 174 m. w. N. 513  Vgl. BGH ZIP 2005, 1270, 1271 ff. – EM.TV; dem folgend BGH AG 2007, 169, 170. 514  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 175. 515  So etwa § 4 Abs. 2 S. 1 der Genussscheinbedingungen der IKB Industriebank AG aus 2006 (ISIN: DE0002731429).



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte143

des Pendant zur Verlustteilnahme angesehen, da nur so die „Parität zwischen der Teilhabe am Erfolg und jener am Misserfolg“ gewahrt werden könne516. In den Fällen, in denen es an einer privatautonomen Regelung fehlt, wird die Existenz einer ungeschriebenen Wiederauffüllungspflicht der Emittentin bei Genussrechten mit Verlustteilnahme allerdings kontrovers diskutiert. Die gleiche Diskussion lässt sich bei den neuartigen Herabschreibungsanleihen führen. 1. Der Meinungsstand bei Genussrechten Bei Genussrechten befürworten Teile der Lehre einen ungeschriebenen Wiederauffüllungsanspruch, da dieser wie ein Annex mit der Verlustteilnahme verbunden sei517. Auch der Inhaber einer Aktie, der aufgrund von Verlusten Werteinbußen erlitten hat, nehme an nachträglichen Gewinnen durch einen Wertzuwachs teil. Gleiches müsse auch für Genussrechte gelten. Verluste, zu deren Ausgleich die Herabsetzung des Grund- wie des Genusskapitals erfolgt ist, und die sich nicht realisiert haben oder auf andere Weise, etwa durch Auflösung stiller Reserven, ausgeglichen wurden, führen danach zu keiner endgültigen Entwertung der Genussrechte. Vielmehr sei deren Nennbetrag anschließend wieder heraufzusetzen. Eine einheitliche Meinung hat sich bislang allerdings weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum gebildet. Ein jüngerer Ansatz in der Literatur will zwischen fungiblen Genussscheinen und bilateralen Genussrechtsverträgen unterscheiden518. Nur bei bilateralen Genussrechtsverträgen könne aufgrund der allgemeingültigen Grundsätze der erläuternden und ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB ein ungeschriebener Wiederauffüllungsanspruch angenommen werden. Bei fungiblen Genussscheinen solle es jedoch bei der in den Bedingungen festgelegten Risikoordnung bleiben. Dogmatisch wird die Unterscheidung damit begründet, dass die Grundsätze der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB allenfalls bei Genussrechtsverträgen einen ungeschriebenen Wiederauf516  Vgl. Mülbert, WM 2017, 1725, 1732 m. w. N.; teilweise wird vertreten, dass ein Ausschluss der (ungeschriebenen) Wiederauffüllungspflicht gegen § 307 BGB verstoße, so etwa MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 105; K. Schmidt/Lutter/ Merkt, AktG, § 221 Rn. 64. 517  Vgl. Habersack, NZG 2014, 1041, passim; Casper, ZIP 2015, 201, passim; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 29; MünchKommAktG/ Habersack, § 221 Rn. 278 (Auslegungsfrage); Frantzen, Genußscheine, S. 245 (allerdings unter Annahme einer Treuepflicht der Emittentin); Hirte, ZIP 1991, 1461, 1465 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 365 f.; ausf. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S.  660 f. 518  s. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 613.

144 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

füllungsanspruch begründen könnten. Bei fungiblen Wertpapieren seien der ergänzenden Vertragsauslegung im Interesse einer klaren und durchsichtigen Preis- und Risikobemessung auf den Kapitalmärkten Grenzen gesetzt. Die differenzierende Ansicht berücksichtigt, dass alle ungeschriebenen Rechte bei fungiblen Finanzierungsinstrumenten ein Hindernis der eindeutigen Preisbildung auf dem Kapitalmarkt darstellen und daher im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes restriktiv gehandhabt werden sollten. 2. Keine Übertragung auf Herabschreibungsanleihen Bei Herabschreibungsanleihen unter der CRR dürfte ein ungeschriebener Wiederauffüllungsanspruch ebenso wie ein Anspruch auf Nachholung ausgesetzter Zinszahlungen abzulehnen sein, und zwar bei handelbaren Wertpapieren ebenso wie bei bilateralen Vertragsverhältnissen. Es muss der Privatautonomie der Parteien überlassen bleiben, einen Wiederauffüllungsanspruch im Fall nachträglich erwirtschafteter Gewinne vorzusehen oder eben nicht519. Dass dies grundsätzlich dem Willen des Gesetzgebers entspricht, bestätigt der neue kapitaladäquanzrechtliche Regelungsrahmen nach Art. 52 Abs. 1 lit. l iii) CRR, der für eine Anerkennung von Finanzinstrumenten als zusätzliches Kernkapital verlangt, dass jegliche Ausschüttungen nach freiem Ermessen der Emittentin auch endgültig entfallen können. Entsprechend sehen auch die Musterbedingungen für Herabschreibungsanleihen des Bankenverbandes vor, dass eine Heraufschreibung der Anleihen im Ermessen der Emittentin steht520. Ein ungeschriebener Wiederauffüllungsanspruch im deutschen Zivilrecht wäre auch rechtspolitisch nicht angezeigt. Es widerspräche dem Ziel einer glaubwürdigen und effektiven Gläubigerbeteiligung in der Bankenunion, den Inhabern von Herabschreibungsanleihen ungeschriebene Wiederauffüllungsansprüche zu gewähren, die unionsrechtlich nicht vorgesehen sind und ihnen in anderen Mitgliedstaaten möglicherweise nicht oder nur unter anderen Voraussetzungen gewährt werden. Zudem besteht gegenüber Genussrechten schon von vornherein der bedeutsame Unterschied, dass die Emissionspraxis begrifflich zwischen Principal Writedown Bonds, deren Nennwert bei Eintritt des Auslöseereignisses endgültig herabgeschrieben wird und Temporary Writedown Bonds, deren Nennwert bei Eintritt des Auslöseereignisses nur vorübergehend reduziert wird, ausdrücklich differenziert. Der Verzicht auf eine Wiederauffüllungsmöglichkeit wird von den Parteien bewusst in Kauf genommen und mit einem höheren Anleihezins abgegolten. Die Annahme eines allgemeinen Wiederauffüllungsanspruches von Gesetzes 519  Vgl.

KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 528, 613. Bundesverband deutscher Banken e. V., Musterbedingungen Kapitalinstrumente AT1-Instrument Typ A (write-down/write-up), § 5 (8) (b). 520  Vgl.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte145

wegen würde diese Differenzierungsmöglichkeit der Kapitalmärkte aufheben und die privatautonom gewählte Risikoordnung der bisher begebenen Instrumente verfälschen. Ein allgemeiner Wiederauffüllungsanspruch ist daher nur bei solchen Anleihen anzunehmen, deren Nennwert bei Eintritt des Auslöse­ ereignisses bereits nach den Anleihebedingungen nur vorübergehend reduziert und bei anschließenden Gewinnen wieder zugeschrieben wird521. Für Wandelanleihen stellt sich die Frage nach einem allgemeinen Wiederauffüllungsanspruch schon gar nicht, weil deren Inhaber als Aktionäre an künftigen Gewinnen der Emittentin ohnehin partizipieren können.

III. Primäranspruch auf Ersatz ungerechtfertigter Verlustbeteiligungen In den praktisch gefürchteten Fällen, in denen die Emittentin das Aus­ löseereignis von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch Beeinflussungen der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen herbeiführt, werden Anleihegläubiger fragen, welche Grenzen das Zivilrecht einem solchen Verhalten der Emittentin setzt und welche Rechte sie dagegen geltend machen können. Die Problemstellung ist gedanklich von den Fällen zu unterscheiden, in denen das Auslöseereignis aufgrund von Verlusten eingetreten ist, die auf sorgfaltswidrigen oder außerstatutarischen Geschäften beruhen. Die dort bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze, nach denen die Emittentin den Genussrechtsinhabern zu einer kaufmännisch seriösen und verantwortungsvollen Geschäftstätigkeit verpflichtet ist, stellen nach der hier vertretenen Auffassung eine historisch gewachsene Besonderheit in Genussrechtsverhältnissen dar, die auf bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nicht übertragen werden sollte522. Ohnehin ist zweifelhaft, ob der auf Geschäftsführungsangelegenheiten zugeschnittene Haftungsmaßstab auch auf der praktisch bedeutsamen Ebene der Ergebnis­ ermittlung und -verwendung anzuwenden ist. Das Schrifttum523 und das OLG Frankfurt a. M.524 haben dies zwar für Genussrechte erwogen. Der BGH ist dem jedoch nicht gefolgt525. Angesichts der großen Varianz bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen sind die Möglichkeiten der Emittentin, die Rechtsstellung der Anleiheinhaber einseitig zu beeinträchtigen, vielfältig526. Da die Anleihen – etwa die „Additional Tier 1 Securities“ der Deutsche Bank AG v. Mai 2014. ausf. zu diesem Themenkreis unten 1. Teil: § 8. 523  Vgl. MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 272 ff., 282. 524  OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2016, 13828 Rn. 41 (im Ergebnis offenlassend). 525  BGH ZIP 2016, 1529; zustimmend Florstedt, ZIP 2017, 49, 55. 526  s. hierzu bereits die fallgruppenorientiere Darstellung oben 1. Teil: § 3 III. 521  So 522  s.

146 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

sofern sie zur Erfüllung bankaufsichtsrechtlicher Eigenkapitalvorschriften begeben werden – solche Auslöseereignisse beinhalten müssen, die sich an der Kernkapitalquote der Emittentin orientieren, soll auf die hier bestehenden Möglichkeiten einer Risikoverschiebung durch die Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und Ermessensspielräume im Bereich der Ergebnisermittlung und -verwendung besonders eingegangen werden. Aufgrund der Komplexität der Rechtsmaterie sind gerade in diesem Bereich Anlegerschutzklagen, etwa von Vermögensverwaltungsgesellschaften, die aufgrund ihrer Vermögensbetreuungspflicht bei Bestehen einer gewissen Erfolgsaussicht kaum eine andere Wahl haben, als Klage zu erheben, aber auch von Fondsgesellschaften ggf. unterstützt von Prozessfinanzierern, zu erwarten. 1. Problemfeld: Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und Spielräume im Bereich der Ergebnisermittlung und -verwendung In der Zeit vor den Krisenjahren 2007–2009 haben es Banken in der Regel durch bilanzgestaltende Maßnahmen vermieden, Kuponzahlungen an Hy­ bridkapitalgeber einzustellen und diese an Verlusten zu beteiligen527. Dies hat sich seit der Finanzkrise entscheidend geändert. Banken haben seitdem – zum Teil auf aufsichtsbehördlichen Druck – nicht nur von Bilanzgestaltungen zur Schonung von Hybridgläubigern abgesehen, sondern Hybridgläubiger im Bereich der Ergebnisermittlung und Ergebnisverwendung im Gegenteil unmittelbar benachteiligt528. Die Fälle haben eine Diskussion darüber entfacht, inwieweit Emittenten Hybridkapitalgeber durch die Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und gesetzlicher Spielräume bei der Ergebnisermittlung oder -verwendung einseitig benachteiligen können529. Es ist abzusehen, dass sich analoge Fragen auch bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen stellen werden, deren Verlustteilnahme nach Art. 54 Abs. 1 lit. a) CRR an die Kernkapitalquote gekoppelt ist. Die Problemlagen unterscheiden sich lediglich darin, dass die Verlustteilnahmebedingungen der bisher begebenen bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nicht wie die meisten Genussrechte an das Bilanz- oder Jahresergebnis gekoppelt sind, sondern an die Kernkapitalquote der Emittentin. Bestimmte Auslegungsfragen im Bereich der Anleihebedingungen, etwa im Hinblick auf das Verständnis des Mülbert, FS Hüffer, S. 679. Mülbert, WM 2017, 1725; erst jüngst haben Gerichtsverfahren von Hybridgläubigern gegen die IKB Industriebank AG und die HSH Nordbank AG für Aufsehen gesorgt, in denen die Gewinnrechte der Hybridgläubiger durch eine Dotierung des Fonds für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB entwertet wurden, s. hierzu die Sachverhaltsdarstellungen in dem Beitrag von Schmidberger, BKR 2017, 309 ff. 529  Vgl. Schmidberger, BKR 2017, 309; Mülbert, WM 2017, 1725; Gaber, WM 2018, 105, 109 ff. 527  s. 528  s.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte147

Begriffs des Bilanzverlustes, werden sich bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen daher nicht oder jedenfalls in anderem Zusammenhang stellen530. a) Beispiel: Rückstellungspolitik Interessenkonflikte können sich zunächst im Bereich der Rückstellungspolitik ergeben. In der berühmten „Klöckner-Entscheidung“ des BGH531 sowie der bereits beschriebenen Folgeentscheidung aus dem Jahr 2016532 hatte die Emittentin Rückstellungen für drohende Verluste nach § 249 HGB gebildet und diese nachträglich wieder aufgelöst. Die Genussrechtsinhaber konnten an den durch die Auflösung entstehenden Erträgen indes nicht mehr teil­ haben, da das Genussrechtskapital bereits vollständig herabgesetzt war (so im „Klöckner-Fall“) oder die Auflösung der Rückstellungen nach Ende der Laufzeit der Genussrechte erfolgte (so in der Entscheidung aus dem Jahr 2016). Ähnliche Problemstellungen können sich auch bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ergeben. Das Konfliktpotential unterscheidet sich zwar von den beschriebenen Fällen insoweit, als dass die Anleihen unter der CRR eine unbefristete Laufzeit haben und vertragliche Wiederauffüllungsansprüche ohnehin im Ermessen der Emittentin stehen533. Allerdings werden Rückstellungen aufgrund ihres Verbindlichkeitencharakters aufwandswirksam, d. h. ergebnismindernd gebucht, weshalb die Bildung von Rückstellungen die Kernkapitalquote in der Regel negativ beeinflusst. Es ergeben sich damit im Rahmen der Rückstellungspolitik Spielräume, mit denen die Emittentin bilanzwertorientierte Auslöseereignisse einseitig beeinflussen könnte. b) Beispiel: Rücklagenpolitik Vergleichbare Risiken können auch durch Maßnahmen der Rücklagenpolitik entstehen. Bei genauer Betrachtung ist das hier bestehende Konfliktpotential dem bei Genussrechten allerdings entgegengesetzt: Während die gewinnabhängigen Rechte von Genussrechtsinhabern, die an den Jahresabschluss gekoppelt sind, durch eine Bildung von Rücklagen entwertet werden können, 530  Zahlreiche Auslegungsfragen, die sich bei den Erfolgsteilnahme- und Wiederauffüllungsklauseln von Genussscheinen gestellt haben, sind bei der Formulierung der Anleihebedingungen von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ausgeräumt worden, s. dazu oben 1. Teil: § 5 II.4. 531  BGHZ 119, 305 = NJW 1993, 57 – Klöckner. 532  BGH ZIP 2016, 1529; s. dazu oben 1. Teil: § 6 I. 533  s. zu den üblichen Vertragsgestaltungen oben 1. Teil: § 5 II.4.

148 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

können die bilanzbezogenen Verlustteilnahmebedingungen der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch eine Auflösung von Rücklagen herbeigeführt werden, da Gewinnrücklagen nach Art. 26 Abs. 1 lit. e) CRR zum regulatorischen Kernkapital zählen. Während die gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 1, 2 AktG) und die Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 1–3 AktG) nicht zum Zweck der Ausschüttung an die Gesellschafter aufgelöst werden dürfen, besteht eine solche Beschränkung für satzungsmäßige Rücklagen und Gewinnrücklagen nicht. Zwar erscheint das Schutzbedürfnis der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen bei genauer Betrachtung weniger dringlich als das der Inhaber von Genussrechtsinhabern, da Gewinnrücklagen nach § 150 Abs. 3 und 4 AktG nur unter engen Voraussetzungen aufgelöst werden dürfen. Gleichwohl sind Interessenkonflikte im Rahmen der Rücklagenpolitik denkbar, vor allem, wenn die Rücklagenpolitik mit einer ebenfalls einseitigen Reserven- oder Rückstellungspolitik einhergeht. c) Beispiel: Reservenpolitik Interessenkonflikte mit Hybridgläubigern können auch im Rahmen der Reservenpolitik entstehen. Dies wurde erst in einigen jüngeren Gerichtsverfahren deutlich, die sich mit den Grenzen einer Reservenbildung nach der Sondervorschrift des § 340g HGB befassten534. Nach § 340g HGB können Kreditinstitute auf der Passivseite der Bilanz zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken einen Sonderposten „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ bilden, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig ist. Da der Fonds gem. Art. 26 Abs. 1 lit. f) CRR dem aufsichtsrechtlichen Kernkapital unterfällt, kann die Emittentin durch dessen Dotierung oder Auflösung die Kernkapitalquote unmittelbar beeinflussen. Auf die umstrittene Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe im Tatbestand des § 340g HGB – „besondere Risiken des Geschäftszweigs“, „vernünftige kaufmännische Beurteilung“, „soweit“ und „notwendig“ – braucht hier nicht im Details eingegangen zu werden. Es genügt zum Verständnis des Schutzbedürfnisses der Hy­ bridgläubiger, dass die herrschende Meinung unter den „besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute“ das (latente) „allgemeine Branchenrisiko der Banken“ bzw. das „allgemeine (Bank-)Unternehmenswagnis“ versteht535 und zugleich in den Begriff der „vernünftigen kaufmännischen Beur534  s. hierzu die Sachverhaltsdarstellungen in dem Beitrag von Schmidberger, BKR 2017, 309 ff. 535  Vgl. Mülbert, WM 2017, 1725, 1728; Bieg/Waschbusch, Kreditwesen, 2005, 145 m. w. N.; Schaber, Der Konzern 2006, 55, 57 f.; Forster, FS Krümmel, S. 107, 108; Waschbusch, Die Bank 1994, 166, 167.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte149

teilung“ einen weiten Ermessensspielraum hineinliest, der allenfalls im Hinblick auf die Kriterien der „Zweckentfremdung“536, „Willkür“537 oder gar „offensichtliche Willkür“538 gerichtlich überprüfbar sei. Bestenfalls sollen die Interessen von Anteilseignern bei der Dotierung zu berücksichtigen sein, keinesfalls aber die Interessen von Obligationären539. Nach einer teilweise vertretenen Auffassung soll es sogar zulässig sein, den Fonds allein aus dem Grund zu dotieren, um regulatorische Kapitalquoten zu erreichen540. 2. Bestehende Lösungsansätze Es ist weithin unbestritten, dass Emittenten durch die Begebung von erfolgsabhängigen Hybridrechten in ihrer Bilanzierungsfreiheit nicht eingeschränkt werden. Die Literatur geht überwiegend davon aus, dass Hybrid­ gläubiger Entscheidungen der Ergebnisermittlung und -verwendung grundsätzlich hinzunehmen haben, solange sich diese innerhalb der tatbestand­ lichen Grenzen der maßgeblichen Einzelvorschriften halten und zudem nicht gegen die allgemeinen zivilrechtlichen Verhaltensgrenzen aus § 138 BGB (Sittenwidrigkeit), § 226 BGB (Schikaneverbot), § 242 BGB (Rechtsmissbrauchsverbot), § 315 BGB und § 826 BGB (Schädigungsverbot) verstoßen541. Der BGH scheint sich dieser Sichtweise im Grundsatz angeschlossen zu haben, als er im Jahr 2016 entschied, dass ein Ausgleich erst zu leisten ist, wenn eine „zielgerichtete“ oder „rechtsmissbräuchliche“ Benachteiligung der Hybridgläubiger durch eine Bildung von Drohverlustrückstellungen vorliegt542. 536  Vgl. 537  Vgl.

166.

Mülbert, WM 2017, 1725, 1729. Gaber, WM 2018, 105, 111 f.; wohl auch Waschbusch, Die Bank 1994,

Schmidberger, BKR 2017, 309, 313; Mülbert, WM 2017, 1725, 1729. etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Böcking/Gros/Helke, HGB, § 340g Rn. 5; Haag/Löffler/Protz, Handelsgesetzbuch, § 340g Rn. 5; a.  A. Mülbert, WM 2017, 1725, 1729. Das Finanzministerium Nordrhein-Westfahlen hat zudem in einem bestandskräftigen Bescheid angenommen, dass Sparkasseninstitute die Ausschüttungsinteressen des öffentlichen Trägers im Rahmen der Dotierung des „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ nach § 340g HGB zu berücksichtigen haben, sog. „Düsseldorfer Bescheid“ v. 9.6.2016. s. hierzu die Pressemitteilung der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 9.6.2016, abrufbar unter https://www.finanzverwal tung.nrw.de. 540  Vgl. Mülbert, WM 2017, 1725, 1728; Gaber, WM 2018, 105, 113. 541  Vgl. Frantzen, Genußscheine, S. 214; a. A. Kallrath, Inhaltskontrolle, S.  102 ff. (Berücksichtigung der Interessen der Hybridgläubiger nach dem Rechtsgedanken von § 216 Abs. 3 AktG). 542  Vgl. BGH ZIP 2016, 1529; KölnkommAktG/Lutter, 2. Aufl. 1995, § 221 Rn. (bewusste Beeinträchtigung). 538  Vgl. 539  Vgl.

150 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Daneben finden sich zunehmend Ansätze, die einen Schutz der Hy­ bridgläubiger durch die Anwendung gläubigerschützender Einzelvorschriften herstellen wollen. Etwa wird im Bereich der Rückstellungspolitik aus dem gläubigerschützenden Normzweck des § 249 HGB abgeleitet, dass stets ein Ausgleich zu gewähren ist, wenn Drohverlustrückstellungen nachträglich aufgelöst werden, Hybridgläubiger aber nur aus rechtstechnischen Gründen an den dadurch entstehenden Erträgen nicht mehr teilhaben können543. Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, wenn Rückstellungen, die nach § 249 HGB eigentlich im Interesse des Gläubigerschutzes zu bilden sind, allein aus rechtstechnischen Gründen in eine endgültige Verlustübernahme durch Gläubiger umschlagen. Im Bereich der Rücklagenpolitik haben der BGH und Teile des Schrifttums erwogen, Hybridgläubigern Ersatzansprüche gegen die Emittentin unter den Voraussetzungen zu gewähren, unter denen Aktionäre den Gewinnverwendungsbeschluss der Aktionärsmehrheit nach § 254 AktG anfechten könnten544. Nach § 254 AktG kann der Gewinnverwendungsbeschluss angefochten werden, wenn die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn Beträge in Gewinnrücklagen einstellt oder als Gewinn vorträgt, die nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen sind, obwohl die Einstellung oder der Gewinnvortrag bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern und dadurch unter die Aktionäre kein Gewinn in Höhe von mindestens vier Prozent des Grundkapitals abzüglich von noch nicht eingeforderten Einlagen verteilt werden kann. Es handelt sich um ein typisches Recht zum Schutz der Minderheits­ aktionäre vor einer „Aushungerungspolitik“ der Gesellschaft unter Duldung oder gar auf Betreiben der Aktionärsmehrheit. Auf die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen dürfte der Rechtsgedanke indes nicht (direkt) übertragbar sein, da diese mangels Gewinnteilnahme nicht „ausgehungert“ werden können und Ausschüttungen bzw. Wiederauffüllungsansprüche bei Herabschreibungsanleihen ohnehin im freien Ermessen der Emittentin liegen545. Allenfalls kann der Rechtsgedanke des § 254 AktG – verstanden als Verbot für die Mehrheit, Sondervorteile allein auf Kosten der Minderheit zu erlangen, – im Rahmen von Rechtsmissbrauchsverboten oder Florstedt, ZIP 2017, 49, 56 f.; zuvor bereits Sethe, AG 1993, 351, 365. BGH ZIP 2016, 1529, 1530; für entsprechende Anwendung von § 254 Abs. 1 AktG auf Genussrechte ferner GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 417; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 283; ders., ZIP 1988, 477, 487; Frantzen, Genußscheine, S.  215 ff.; Sethe, AG 1993, 355, 360; a. A. Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genussschein, S. 283 ff. 545  Vgl. Art. 52 Abs. 1 lit. l iii) CRR. 543  s.

544  Vgl.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte151

als Wertungskriterium bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Bedeutung erlangen. 3. Primärrechtlicher Schutz der Hybridgläubiger Die Beispiele zeigen, dass die bilanzbezogenen Auslöseereignisse von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch Maßnahmen im Bereich der Ergebnisermittlung und -verwendung auf vielfältige Weise beeinflusst werden können. Zugleich wird die Bilanzierungsfreiheit der Emittentin durch die Begebung von Hybridinstrumenten weder eingeschränkt, noch können Hybridgläubiger auf die Bilanzpolitik der Emittentin Einfluss nehmen. Trotz dieses generellen Schutzproblems beschränken sich die bisherigen Lösungen zumeist entweder auf spezifische Gestaltungsformen (z. B. greift § 254 AktG nur bei Instrumenten mit Gewinnbeteiligung) oder einzelne Sachverhalte (z. B. gilt § 249 HGB nur für Drohverlustrückstellungen). Es bedarf daher allgemeiner Regeln, die neben den tatbestandlichen Grenzen der einzelnen Bilanzierungsvorschriften Anwendung finden. Neben den allgemeinen schuldrechtlichen Grenzen für arglistiges Verhalten ist auf primärrechtlicher Ebene insofern an die Grundsätze der ergänzenden Vertragsaus­ legung zu denken. a) Ergänzende Vertragsauslegung Der primäre Schutz der Hybridgläubiger beruht auf der in den Anleihe­ bedingungen festgelegten Risikovereinbarung. Tritt ein vertragliches Auslöse­ ereignis aufgrund einer Gestaltung im Rahmen der Rückstellungs-, Rücklagen- oder Reservenpolitik ein und enthalten die Anleihebedingungen für diesen Fall keine explizite Regelung, so ist es zunächst eine Frage der Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB, ob die Hybridgläubiger auch in einem solchen Fall mit ihrem Haftkapital einzustehen haben. Das Gericht hat unter Einbeziehung sämtlicher Umstände, insbesondere der Interessenlagen der Parteien sowie des erkennbaren Vertragszwecks, die von den Parteien gewollte Risikoverteilung zu ermitteln546. Bei Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals im Sinne der CRR dürfte als erkennbarer Vertragszweck regelmäßig in die Auslegung einfließen, dass diese als besonderes Krisenkapital nicht auch außerhalb der Krise durch Bilanzgestaltungen ohne Weiteres beliebig umgewandelt oder herabgeschrieben werden sollen. Einen weiteren normativen Haltepunkt bietet die gesetzgeberische Wertung im Recht der stillen Gesellschaft gem. §§ 230 ff. HGB i. V. m. §§ 705 ff. 546  MünchKommBGB/Busche,

§ 157 Rn. 47.

152 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

BGB. Die Berechnung der Gewinn- und Verlustteilhabe des stillen Gesellschafters ist im Einzelnen zwar umstritten547. Das Gesetz gibt in § 231 Abs. 1 HGB allerdings vor, dass ein den Umständen nach angemessener Anteil als bedungen gilt, sofern eine klare vertragliche Regelung nicht getroffen ist. Zwar fehlt in stillen Gesellschaftsverträgen kaum je eine Regelung über die Gewinn- bzw. Verlustbeteiligungsquote, was aber oft fehlt, ist eine konkrete Definition der Gewinn- und Verlustberechnung548. So kann insbesondere fraglich sein, ob der Gewinn- oder Verlustanteil des Stillen durch die Bildung oder Auflösung von Rückstellungen, Rücklagen oder Reserven berührt wird. Nach einer wohl herrschenden Lehransicht ist die Ergebnisbeteiligung des Stillen auf das gesamte „Betriebsergebnis“ zu erstrecken aber auch zu begrenzen. Damit muss der Stille rechtmäßige Rückstellungen zwar grundsätzlich gegen sich gelten lassen, da sich diese gewinnmindernd auswirken549. Wertveränderungen des Anlagevermögens werden im Verhältnis zum stillen Gesellschafter hingegen gar nicht, stille Reserven allenfalls in den Grenzen „kaufmännischer Übung“ berücksichtigt550. Im Ergebnis ist der Stille an die Reserven- und Rücklagenpolitik der Gesellschaft im Zweifel nicht gebunden551. Stattdessen wird durch ergänzende Vertragsauslegung der primäre Rückzahlungsanspruch ermittelt, der ohne die Rücklagen- oder Reservenmaßnahme bestehen würde. Es liegt durchaus nahe, diesen Wertgedanken auch auf andere hybride Beteiligungsrechte zu übertragen. Das Schutzproblem, dass die Gewinn- und Verlustpartizipation durch Maßnahmen in der Ergebnisermittlung und -verwendung beeinflusst werden kann, besteht bei allen Hybridrechten mit Erfolgsbeteiligung gleichermaßen. Es ist daher zu empfehlen, die Berechnung der Verlustteilnahme in den Anleihebedingungen konkret zu bestimmen. Bei den Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals im Sinne der CRR erfolgt eine gewisse Konkretisierung schon dadurch, dass diese an die regulatorische Kernkapitalquote anknüpfen und deren Bestandteile in Art. 26 CRR gesetzlich festgelegt sind. Daher haben die Inhaber von bedingten Pflichtwandelund Herabschreibungsanleihen eine Rückstellungs-, Rücklagen- und Reservenpolitik, die sich in den Grenzen „kaufmännischer Übung“ hält, grundsätzlich hinzunehmen. Dies dürfte aber nicht gelten, wenn die bilanzbezogenen 547  s.

zum Meinungsstand MünchKommHGB/K. Schmidt, § 232 Rn. 5 f. Gesellschaftsrecht, S. 1858. 549  s. Blaurock/Kauffeld, HdB Stille Gesellschaft, § 14 Rn. 14.30. 550  Vgl. z.  T. mit Abweichungen Berninghaus, FS Röhricht, S.  747, 752; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1858 f.; Blaurock/Kauffeld, HdB Stille Gesellschaft, § 14 Rn. 14.30 ff. 551  Explizit Blaurock/Kauffeld, HdB Stille Gesellschaft, § 14 Rn. 14.30  f.; Berninghaus, FS Röhricht, S. 747, 752. 548  K. Schmidt,



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Auslöseereignisse nicht aufgrund betrieblicher Verluste, sondern aufgrund einer übermäßigen Rückstellungs-, Rücklagen- und Reservenpolitik eingetreten sind, die nicht mehr einer „kaufmännischen Übung“ entspricht. Aus dem Umstand allein, dass die Anleihebedingungen an die Kernkapitalquote im Sinne des Art. 26 CRR anknüpfen, kann nicht geschlossen werden, dass die Hybridgläubiger sich bereit erklärt haben, für jedwede bilanzielle Gestaltung zu ihrem Nachteil einstehen zu wollen. Vielmehr ist in Zweifelsfällen durch ergänzende Vertragsauslegung der Primäranspruch zu ermitteln, der ohne die belastene Bilanzmaßnahme bestehen würde. b) Schuldrechtliche Grenzen für arglistiges Verhalten Als weiteres Korrektiv gilt stets der allgemeine schuldrechtliche Interessenschutz, den auch der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 angesprochen zu haben scheint552. Ganz allgemein unterliegt die Herbeiführung der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen dem allgemeinen Schädigungsverbot in Schuldverhältnissen, das sich aus den §§ 138, 162, 226, 242, 826 BGB ableiten lässt553. Daraus folgt, dass die Gläubiger die Wandlung oder Herabschreibung nur gegen sich gelten lassen müssen, wenn das Auslöseereignis auch tatsächlich eingetreten ist554. Das Auslöseereignis ist bereits ex lege als unbeachtlich anzusehen, wenn die relevanten Parameter irrtümlich bzw. fehlerhaft angenommen oder falsch berechnet wurden. Erst recht müssen die Gläubiger eine Verlustteilnahme nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht hinnehmen, wenn das Auslöse­ ereignis gezielt bzw. arglistig herbeigeführt wird555. Im Fall eines bilanz­ wertorientierten Auslöseereignisses betrifft dies die Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und gesetzlicher Spielräume bei der Ergebnisermittlung und -verwendung zu dem Zweck, Hybridkapitalgeber einseitig zu benachteiligen556. Im Fall eines börsenkursorientierten Auslösungsereignisses betrifft dies in gleicher Weise das gezielte Absenken des Börsenkurses durch fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen oder die Abstoßung von Vermögenswerten der Gesellschaft mit dem Ziel, eine bilanzielle Wertgröße kurzzeitig zu unterschreiten sowie jegliche Formen der Marktmanipulation. Treten die Verlustteilnahmebedingungen aufgrund von Risiken ein, welche die Anleihegläubiger nicht übernommen haben, sind belastete Kapitalkonten wieder aufzufül552  Vgl. 553  s.

315.

BGH ZIP 2016, 1529. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 125; Schmidberger, BKR 2017, 309,

Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 194 f. m. w. N. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 194 f. m. w. N. 556  Vgl. exemplarisch zu fehlerhaften Gewinnermittlungen MünchKommAktG/ Habersack, § 221 Rn. 282; Spindler/Stilz/Seiler, AktG, § 221 Rn. 178 ff. 554  Vgl. 555  Vgl.

154 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

len bzw. herabgeschriebene Anleihen wieder heraufzuschreiben. Die Emittentin hat eine vertragliche Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, die allgemeinen Grenzen des schuldrechtlichen Verhaltensstandards zu wahren. Abweichungen von diesen Grundsätzen in den Anleihebedingungen sind bedenklich, da der schuldrechtliche Verhaltensstandard eine Leitbildfunktion im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB hat557.

IV. Sekundäranspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB Sind die Anleihen vollständig herabgeschrieben und daraufhin durch Einziehung erloschen oder in Aktien umgewandelt, kommt der Primäranspruch nicht mehr in Betracht. Dem Anleger bleibt in solchen Fällen nur die Möglichkeit, seine vertraglichen Rechte auf der Sekundärebene durchzusetzen. Der vertragliche Sekundäranspruch hat gegenüber deliktischen Schadensersatzansprüchen den Vorteil einer Verschuldensvermutung (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Er kann auch neben dem primärrechtlichen Erfüllungsanspruch Bedeutung erlangen, etwa um neben der bloßen Wiederauffüllung des Kapitalkontos weitere Schadensposten geltend zu machen, die nur unter den Voraussetzungen des Schadensersatzes nach den §§ 249 ff. BGB ersetzbar sind558. Jedes Schuldverhältnis kann nach den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB vertragliche Nebenpflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei begründen. Ohne an dieser Stelle schon auf den konkreten Inhalt solcher Nebenpflichten nach der Rechtsprechung zum Schutz von Hybridkapitalgebern eingehen zu müssen, ist unbestritten, dass die Emittentin die Pflicht hat, die Verlustteilnahmebedingungen rechtmäßig zu ermitteln und zielgerichtete sowie rechtsmissbräuchliche Beeinträchtigungen der Hybridgläubiger zu unterlassen559.

V. Keine gesellschaftsrechtliche Vorstandshaftung Neben den vertraglichen Anspruchsgrundlagen gegen die Emittentin stellt sich die Frage, ob sich Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auf die gesellschaftsrechtliche Vorstandshaftung berufen können. Nach § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AktG haben Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und haften der Gesellschaft bei einer Verlet557  s. Reuter, NJW 1984, 1849, 1853; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 267; KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 125. 558  s. zur Schadensberechnung unten 1. Teil: § 8 III.4. 559  Für eine ausf. Darstellung des Tatbestands und der Rechtsfolgen des Anspruches nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB s. unten 1. Teil: § 8 III.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte155

zung dieser Pflicht auf Schadensersatz. Ausgehend von der Grundüberlegung, dass die Inhaber von umgekehrten Wandelanleihen vor der Wandlung als reine Obligationäre anzusehen sind und erst nach der Wandlung die Rechtsstellung von Aktionären erlangen, wird man für die Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Vorstandshaftung auch den Inhabern von Contingent Capital zu Gute kommt, erneut gedanklich trennen müssen: Nach der Wandlung einer Wandelanleihe ist der (ehemalige) Anleihegläubiger als (nunmehr) Aktionär durch den anteiligen Anspruch „seiner Gesellschaft“ gegen den Vorstand gem. § 93 Abs. 2 AktG rückwirkend geschützt560. Vor der Wandlung sowie für Inhaber von Herabschreibungsanleihen scheidet dieser Schutz aufgrund der rein schuldrechtlichen Gläubigerstellung indes aus. Den Anleihegläubigern bleibt es allerdings unbenommen, die Gesellschaft zu verklagen und sich im Erfolgsfall deren Anspruch gegen den Vorstand nach §§ 829, 835 ZPO zur Pfändung überweisen zu lassen. Alternativ kommt das Verfolgungsrecht aus § 93 Abs. 5 S. 1 AktG in den Sinn, nach dem Gläubiger den Ersatzanspruch der Gesellschaft direkt gegenüber dem Vorstand geltend machen können, soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Das Verfolgungsrecht gilt außerhalb der in § 93 Abs. 3 Nr. 1–9 AktG genannten Fälle aber nur, wenn der Vorstand bei der Geschäftsführung die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Geschäftsführung nach § 93 Abs. 1 S. 1 gröblich verletzt hat. Ob das Verfolgungsrecht aus § 93 Abs. 5 S. 1 AktG Hybridgläubigern zugebilligt werden kann, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum zu Genussrechten bereits seit den 1980er Jahren diskutiert und kann in gleicher Weise bei der neuen Kapitalklasse hinterfragt werden. Die Rechtsprechung hat für Genussrechtsinhaber den Weg über § 93 Abs. 5 S. 1 AktG mit dem Argument gesperrt, dass sie aufgrund ihrer aktienähnlichen Rechtsstellung keine Gläubigerrechte im materiellen Sinne mehr geltend machten561. Eine gewichtige Gegenansicht von Habersack will § 93 Abs. 5 S. 1 AktG hingegen auch auf Genussrechtsinhaber anwenden und dem Eigenkapitalcharakter der Instrumente dadurch Rechnung tragen, dass sie „nicht auf Leistung an sich, sondern allein auf Leistung an die Gesellschaft klagen können“562. ­Dieser Lösung ist zuzugeben, dass sie den im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Genussrechtsinhaber vereinbarten Nachrang berücksichtigt und sicherstellt, dass Vermögenswerte nicht von den Hybridgläubigern aufgezehrt werden, bevor es zur vollständigen Befriedigung der übrigen Fremdkapitalgläubiger kommt. Jedenfalls ist nach allen Ansichten eine direkte Inanspruchnahme der Vorstände durch die Inhaber von Genussrechten mit Eigenkapital560  Florstedt,

ZHR 180 (2016), 152, 192. 119, 305, 329 = BGH NJW 1993, 57, 62 – Klöckner. 562  Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 400 f. 561  BGHZ

156 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

charakter ausgeschlossen und eine Schadensliquidation nur im Dreiecks­ verhältnis möglich. Vor dem Hintergrund, dass auch bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nachrangiges Haftkapital verkörpern, sollte ihnen gleichsam der Weg über § 93 Abs. 5 S. 1 AktG verwehrt bleiben. Begründen lässt sich das allerdings weniger mit dem pauschalen Verweis auf den Eigenkapitalcharakter von hybriden Finanzierungsintrumenten, als vielmer mit dem Normzweck des § 93 Abs. 5 AktG: Dieser privilegiert den an sich selbst klagenden Gläubiger insoweit, als dass er das im Klageweg Erlangte behalten darf und es weder an die Gesellschaft noch an andere Gläubiger auskehren muss563. Dieser Normzweck wird verfehlt, wenn der Kläger kein Recht hat, die erlangten Schadensersatzzahlungen gegenüber anderen Gläubigern zurückzuhalten. Ein Direktanspruch aus § 93 Abs. 2, Abs. 5 S. 1 AktG muss dementsprechend ausscheiden, wenn der klagende Gläubiger gegenüber anderen Gläubigern subordiniert ist. Diesen Befund bestätigt auch der gesetzliche Ablauf des Insolvenzverfahrens, in dem die nachrangigen ungesicherten Gläubiger in der Regel leer ausgehen564. Das geordnete Insolvenzverfahren kann nicht dadurch verfälscht werden, dass man es nachrangigen Gläubigern gestattet, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über § 93 Abs. 5 S. 1 AktG volle Befriedigung zu erlangen.

VI. Keine vertragliche Vorstandshaftung Vertragliche Ansprüche gegenüber den Vorständen der Emittentin werden in aller Regel nicht in Betracht kommen, da nur die Gesellschaft selbst Schuldnerin des Anleiheschuldverhältnisses ist. Eine vertragliche Haftung der Vorstände ist eher theoretisch, allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen vorstellbar. 1. Sachwalterhaftung gem. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB Eine Haftung von Vorständen als Sachwalter nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB ist nur möglich, wenn der Vorstand als Dritter in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragspartner erheblich beeinflusst hat. Der Vorstand müsste ein unmittelbares, wirtschaftliches Eigeninteresse am Zustandekommen des Anleiheschuldverhältnisses haben, das so stark ist, dass er dadurch dem anderen 563  Vgl. ausf. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  174 f. 564  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 175; zur Rechtslage im Insolvenzverfahren MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 317 f.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte157

Teil eine zusätzliche persönliche Gewähr für das Zustandekommen und die Erfüllung des Vertrags bietet565. Da ein bloßes Eigeninteresse am Unternehmenserfolg für eine Eigenhaftung nicht ausreicht566, kommt von seltenen einzelfallabhängigen Ausnahmen – „selbständiges Garantieversprechen“567, Aussagen „im Vorfeld einer Garantiezusage“568 – einmal abgesehen, eine Sachwalterhaftung des Vorstands regelmäßig nicht in Betracht. 2. Haftung über den Anstellungsvertrag des Vorstands gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i. V. m. mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Auch eine Einbeziehung der Hybridgläubiger in den Schutzbereich des Anstellungsvertrages zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand über §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dürfte regelmäßig fernliegen. Das Rechtsinstitut kommt nach der Rechtsprechung zur Anwendung, wenn ein Dritter mit den leistungsbezogenen Pflichten des Schuldners wie ein Gläubiger in Berührung kommt, dabei selbst über keine vertraglichen Abwehr- und Ersatzansprüche verfügt, die Leistungsnähe des Dritten für den Schuldner erkennbar ist und der Gläubiger ein Interesse an dem Schutz des Dritten hat569. Bei Hybridkapitalgebern dürfte es jedoch schon an der von der Rechtsprechung geforderten Schutzbedürftigkeit fehlen, da die Hybridgläubiger über eine eigene vertragliche Beziehung zur Gesellschaft verfügen. Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist mit dem Ziel einer Abmilderung der Schwächen des Deliktsrechtes gegenüber dem Vertragsrecht im Hinblick auf die Beweislastverteilung und die Verjährungsregeln entwickelt worden570. Eines solchen Ausgleichs bedarf es bei Hy­ bridgläubigern aufgrund der bestehenden vertraglichen Beziehung nicht.

565  MünchKommBGB/Emmerich,

§ 311 Rn. 193. BGHZ 126, 181, 183 ff.; BGH NJW 1990, 389; BGH NJW 1995, 1544; OLG Köln WM 1997, 1379, 1380 f. (st. Rspr. für GmbH-Geschäftsführer und Gesellschafter, nach der die verhandelnde Organperson regelmäßig nur normales Vertrauen genießt). Selbst bei absichtlicher Täuschung soll nur § 826 BGB, nicht aber § 311 Abs. 3 BGB in Betracht kommen, vgl. BGH NJW-RR 1991, 1314. Dasselbe gilt für Vorstandsmitglieder, BGH WM 1985, 384; BGH NJW 2002, 208, 212. 567  BGH NJW-RR 2001, 1611. 568  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  178 m. w. N. 569  Vgl. etwa BGHZ 49, 353; BGH NJW 1959, 1676; BGH NJW 1975, 867; BGH NJW 1984, 356. 570  Grundlegend aus der Lit. Heiseke/Larenz, NJW 1960, 77, 78. 566  Vgl.

158 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

VII. Deliktische Ansprüche Neben den vertraglichen Anspruchsgrundlagen stets anwendbar bleibt aber die Möglichkeit einer deliktischen Haftung. 1. Kein Anspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB Ansprüche aus der Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB können Hybridgläubiger allerdings nicht geltend machen, da es stets an der Verletzung eines dafür erforderlichen absoluten Rechtes fehlen wird. Es ist anerkannt, dass hybride Finanzierungsinstrumente aufgrund ihrer schuldrechtlichen Verbindung zur emittierenden Gesellschaft lediglich Vermögensrechte vermitteln571 und keine dem subjektiven Recht der Mitgliedschaft vergleichbare „Verfestigung“572 erreichen. Sogar die Anhänger eines „gesellschaftsrechtsähnlichen Kooperationsverbandes der Eigenkapitalgeber“ für Inhaber von Finanzinstrumenten, die stimmrechtslosen Vorzugsaktien angenähert sind (insbesondere aktienähnliche Genussrechte), lehnen eine echte mitgliedschaftliche Stellung ab573. Dann dürften Ansprüche gem. § 823 Abs. 1 BGB erst recht für Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen abzulehnen sein, die mangels laufender Gewinn- und Verlustteilnahme nicht aktienähnlich ausgestaltet sind. 2. Begrenzte Ansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB In den meisten Fällen können Hybridgläubiger auch keine Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes geltend machen. In Fällen von Beeinträchtigungen durch bloß unsorgfältige Geschäftsführung ist schon keine den Anleihegläubiger schützende positivrechtliche Schutznorm ersichtlich. Insbesondere bezweckt § 93 Abs. 2 AktG ausschließlich den Schutz der Gesellschaft vor Pflichtverletzungen des Vorstands und kann daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB

571  RGZ 83, 295, 297; RGZ 115, 227, 230; RGZ 132, 199, 206; BGH WM 1959, 434, 436; BGHZ 119, 305, 309 = BGH NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; BGHZ 120, 141, 146 f. – Bremer Bankverein; vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 110 ff.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 383 f.; Frantzen, Genußscheine, S. 9 ff.; Hirte, ZIP 1988, 477, 477 f.; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genussrechte, S. 101 ff.; Schön, JZ 1993, 925, 927 f. 572  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 179. 573  s. nur Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 45 f.; Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genussschein, S. 95 ff.; kritisch mit beachtlichen Argumenten Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 146 ff.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte159

sein574. Begründen lässt sich dies mit der Systematik der gesellschaftsrechtlichen Binnenhaftung, denn sowohl das Verfolgungsrecht für Gläubiger gem. § 93 Abs. 5 AktG als auch die Regelung des § 147 AktG würden unterlaufen, wenn Hybridgläubiger bei jeder schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs. 2 AktG Ersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB geltend machen könnten575. In seltenen Fällen ist ein Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB bei Verstößen gegen die als Schutzgesetze anerkannten § 92 Abs. 2 AktG (Insolvenzantragspflicht), § 399 AktG (falsche Angaben), § 400 AktG (unrichtige Darstellung) und § 263 StGB denkbar. Insbesondere Verstöße gegen die §§ 399, 400 AktG können Schadensersatzansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB auslösen, wenn der Vorstand falsche Angaben macht oder die Gesellschaftsverhältnisse zielgerichtet unrichtig darstellt, etwa um eine Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen herbeizuführen. Das Verbot der Marktmanipulation nach Art. 15 MAR soll hingegen kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sein576. Auch auf den Untreuetatbestand gem. § 266 StGB können sich Hybridgläubiger nicht berufen, da der Vorstand das eingesammelte Kapital ausschließlich im Interesse der Gesellschaft als juristische Person verwaltet und nicht etwa treuhänderisch im Vermögensinteresse der Hybridgläubiger577. Zwar gab es – wie noch zu zeigen sein wird – in den 1980er Jahren durchaus Ansätze, die (zumindest) Genussrechtsverhältnissen den Rechtscharakter einer Treuhand beimessen wollten oder zumindest eine Treuhandähnlichkeit annahmen578. Diese Ansätze werden heute aber zu recht nicht mehr vertreten und dürften auf die neue Kapitalklasse ohnehin nicht übertragbar sein579.

574  Vgl. bereits RGZ 63, 325, 327; RGZ 73, 30, 31; RGZ 115, 289, 296; RGZ 159, 211, 223; BGHZ 110, 342, 360; BGH NJW 1979, 1829; LG Düsseldorf AG 1991, 70, 71; LG Bonn AG 2001, 484, 486; ferner MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 343; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rn. 3, 69. 575  s. MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 343. 576  s. statt vieler Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 194 ff.; in Bezug auf die Vorgängervorschrift in § 20a WpHG war dies noch umstr., vgl. Kümpel/Wittig/Oulds, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.178 m. w. N. 577  Vgl. bereits RG JW 1935, 3303 (zu § 312 HGB a. F.); zur Einordnung von § 266 StGB als Schutzgesetz ferner MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 346; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 476. 578  Vgl. Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 393 ff. (Treuhand); Frantzen, Genußscheine, S.  242 f.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S. 106 f.; ders., DB 1989, 209, 212 (Treuhandähnlichkeit); dies bereits ablehnend KölnkommAktG/Lutter, 2. Aufl. 1995, § 221 Rn. 355. 579  s. zu den Treuhand-Ansätzen unten 1. Teil: § 8 II.2.b).

160 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

3. Anspruch gem. § 826 BGB Die Hybridgläubiger können gem. § 826 BGB Schadensersatz fordern, wenn die Emittentin ihnen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Normativ stellt § 826 BGB einen sozialethischen Mindeststandard auf, der aufgrund des weitgefassten Wortlauts verschiedene Auslegungen und einzelfallbezogene Wertungen zulässt. Der historische Abriss zeigt, dass sich weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur gesicherte Leitlinien dazu herausgebildet haben, wann die Haftungsschwelle des § 826 BGB übertreten wird: Das RG vertrat zu Finanzierungsgenussrechten noch den Standpunkt, es sei ganz allein Sache der Emittentin, zu entscheiden, wie sie ihre Geschäfte führt. Eine Haftung auf Schadensersatz sollte erst dann in Betracht kommen, wenn die Vorstands­ mitglieder „absichtlich“ zum Nachteil der Genussrechtsinhaber handelten. Das haftungsbegründende Element wurde in einem Missbrauch der Organstellung gesehen, wenn eine Geschäftsführungsmaßnahme nach deren Sinn und Zweck ausschließlich der Schädigung anderer dienen sollte. Das ältere Schrifttum forderte für eine Haftung eine „treuwidrige oder sittenwidrige Schädigung“580, eine „treu oder sittenwidrige Verkürzung des Gewinn­ rechts“581, eine „qualifizierte Pflichtwidrigkeit“582 oder eine „treuwidrige Manipulation“583. Letztlich handelt es sich bei allen Auslegungen um mehr oder weniger inhaltsleere Wiederholungen des Normtextes584 bzw. Fortschreibungen der Entscheidung des Reichsgerichts, die in den Entscheidungsgründen keine Grundlage haben585. Der BGH brauchte in seinen wenigen Entscheidungen zum Schutz von Genussrechtsinhabern zu § 826 BGB keine Stellung zu beziehen, da er seine Urteile mit vertraglichen Schadens­ ersatzansprüchen begründete. Er nahm in der „Klöckner-Judikatur“ und ihren Folgeentscheidungen eine Haftung bereits bei einer Geschäftstätigkeit an, „die dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand nicht entspricht oder die kaufmännisch schlechthin unseriös und verantwortungslos ist“. In seiner Entscheidung zu Auskunftsrechten von Genussrechtsinhabern

580  Sethe,

AG 1993, 351, 361. ZGR 1983, 445, 467; ebenso Wünsch, FS Strasser, S. 871, 881; hierzu kritisch Habersack, ZHR 155 (1991), 379, 391 f., der darauf verweist, dass das RG nur von „absichtlicher Schädigung“ spreche. 582  Vgl. Rid-Niebler, Genußrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 116. 583  Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. 584  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 184. 585  Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 391; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 595. 581  Vollmer,



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte161

vom 10.6.2016586 forderte der BGH wiederum den begründeten Verdacht für ein „rechtswidriges“, „rechtsmissbräuchliches“, „treuwidriges“, „kaufmännisch-unseriöses“, „manipulatives“ oder „gezielt den Interessen der Genussscheininhaber zuwiderlaufendes“ Verhalten der Emittentin587. Ob darin eine Rückbesinnung des BGH zum Tatbestand des § 826 BGB gesehen werden kann, oder ob sich die Rechtsprechung allein auf Informationsbegehren im Bereich der Ergebnisermittlung und -verwendung bezieht, ist derzeit nicht eindeutig588. In systematischer Hinsicht kann eine Emittentenhaftung nach § 826 BGB jedenfalls nicht schon eingreifen, wenn eine Geschäftsführungsmaßnahme gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) verstößt. Anderenfalls könnte die aktienrechtlich vorgesehene Innenhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG durch direkte Schadensersatzansprüche von Gläubigern unterlaufen werden589. Die in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG niedergelegte „Business Judgement Rule“ setzt die Rechtsprechung aus dem Verfahren „ARAG/Garmenbeck“590 fort, nach der die gesellschaftsrechtliche Organhaftung erst beginnt, wenn entweder die Grenzen, in denen sich ein verantwortungsbewusstes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes und auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss591. Die Haftung nach § 826 BGB muss sich den Risikozuweisungen der aktienrechtlichen Innenhaftung anpassen und kann folglich erst später einsetzen592. Die Schwelle zur Sittenwidrigkeit dürfte daher noch nicht überschritten sein, wenn eine Handlung nur gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt. Vielmehr ergibt sich eine Haftung erst unter Einbeziehung der Wertungen des jeweils individuell betroffenen Rechtsgebietes. Es genügt insofern noch nicht, dass die schädigende Handlung gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt oder von der Verkehrssitte als unbillig wahrgenommen wird. Gefordert wird vielmehr eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die anhand des ver-

586  BGH

ZIP 2016, 1529. den Nachw. in Fn. 495. 588  s. dazu unten 1. Teil: § 8 II.5. 589  So überzeugend Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 184. 590  BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck; Besprechung bei Ihrig, WM 2004, 1098, 2099 f. m. w. N. 591  BGHZ 135, 244, 254 – ARAG/Garmenbeck. 592  s. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 184. 587  Vgl.

162 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

folgten Ziels, des eingesetzten Mittels, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen einzelfallabhängig ermittelt werden muss. 4. Zurechnung des Organverhaltens analog § 31 BGB Das deliktische Verhalten der Vorstandsmitglieder ist der Gesellschaft in analoger Anwendung des § 31 BGB zurechenbar, sodass die Gesellschaft neben den Vorstandsmitgliedern gesamtschuldnerisch haftet593. Eine Einstandspflicht der Gesellschaft soll rechtsökonomisch vorteilhaft sein, da sie für die Gesellschaft Anreize setzt, auf die Sorgfaltswahrung ihrer Organwalter einzuwirken und diese selbst zu überwachen594.

VIII. Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGB Eine Anpassung des Anleiheschuldverhältnisses über die Lehre der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB kommt immer dann in Betracht, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien, hätten sie diese Veränderung vorausgesehen, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, und dem Anleihegläubiger das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung nicht zugemutet werden kann595. Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertrag keine genügenden Anhaltspunkte für eine vorrangige er­ gänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157, 242 BGB gewährt596. Zur Geschäftsgrundlage zählen die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut597. Weitere Voraussetzung ist eine schwerwiegende, nicht vorhergesehene Veränderung der Verhältnisse nach Vertragsschluss, welche die Risikoverteilung zum 593  St. Rspr., s. RGZ 78, 347, 353 f.; RG JW 1930, 2927, 2928; BGHZ 90, 92, 95; BGHZ 10, 323, 327; BGH ZIP 2005, 1270, 1272. 594  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  190 m. w. N. 595  Zur Zumutbarkeit der Vertragsanpassung MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn.  88 ff. 596  Vgl. nur BGHZ 197, 284, 293 = ZIP 2013, 1570 – Eurohypo. 597  St. Rspr., vgl. BGHZ 15, 309, 392 = BGH NJW 1958, 297; BGHZ 89, 226, 231 = BGH NJW 1984, 2947; BGHZ 120, 10, 23 = NJW 1993, 259; BGH NJW 2010, 1663.



§ 7 Abwehr- und Ersatzansprüche, Vertragsanpassung, Kündigungsrechte163

Nachteil einer Partei derart stört, dass dieser ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar ist. Bei der Hybridfinanzierung kann eine Vertragsanpassung über § 313 BGB nach der herrschenden Lehre in Anlehnung an die gesetzlichen Anpassungsregeln für Kapitalerhöhungen (§ 216 Abs. 3 AktG) und Umwandlungen (§ 23 UmwG) bei Satzungsänderungen, Aus- und Eingliederungen von Unternehmensteilen, Verschmelzungen und dergleichen durch die Emittentin erfolgen, sofern dadurch die erfolgsabhängigen Rechte der Hybridgläubiger entwertet werden598. In seiner Eurohypo-Entscheidung vom 28.5.2013 hat der BGH zudem eine Anpassung vorgenommen, nachdem die Emittentin während der Laufzeit der Instrumente einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hatte, wodurch die laufenden Vergütungs- und Rückzahlungsansprüche der Genussrechtsinhaber vollständig entwertet wurden599. Wertungsmäßig vergleichbar dürften Fälle sein, in denen die Emittentin bilanzielle Wahlrechte und gesetzliche Spielräume im Bereich der Ergebnisermittlung und -verwendung in einer Art ausnutzt, die eine völlige Entwertung der Beteiligungsrechte zur Folge hat (faktische Gewinnabführung). Hier wird der negative Effekt der (faktischen) Gewinnabführung noch nicht einmal durch die Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG in Jahren mit negativen Jahresergebnissen teilkompensiert. Im Ergebnis kommt es vor allem auf die einzelfallabhängig zu beantwortende Frage an, ob die Parteien in Kenntnis des Umstands, dass eine Verwendung bilanzieller Wahlrechte zu einer vollständigen Entwertung der Instrumente führen kann, den Vertrag gar nicht oder zumindest nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten600.

IX. Kündigungsrechte Eine Kündigung des Anleiheschuldverhältnisses ist vorrangig unter den in den Anleihebedingungen festgelegten Voraussetzungen möglich. Beinhalten die Anleihebedingungen besondere Kündigungsrechte, so wird darin grundsätzlich ein Ausschluss sonstiger Kündigungsrechte gesehen601. Ein unge598  Vgl. GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 174 f., 181, 185; Hölters/Haberstock/ Greitemann, AktG, §  221 Rn.  73, 74  ff.; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn.  289 f.; Spindler/Stilz/Seiler, AktG, § 221 Rn. 158; KölnKommAktG/Florstedt, §  221 Rn.  147 m. w. N.; Casper, Optionsvertrag, S. 350 ff.; Kallrath, Inhaltskontrolle, S.  164 ff. 599  Vgl. BGHZ 197, 284, 293 ff. = ZIP 2013, 1570 – Eurohypo; hierzu die Besprechung bei Verse/Wiersch, NZG 2014, 5 ff. 600  Vgl. BGH NJW 2010, 440, 442; BGH NJW 2001, 3618, 3620. 601  Vgl. OLG Frankfurt a. M. ZIP 2014, 2176, 2178; Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 349; Florstedt, ZIP 2016, 645, 652.

164 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

schriebenes Kündigungsrecht kommt in erster Linie gem. § 314 BGB in Betracht. Die Vorschrift ist Ausdruck eines allgemeinen, auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rückführbaren, schuldrechtlichen Mindeststandards und kann daher in den Anleihebedingungen zwar grundsätzlich beschränkt, niemals aber vollständig abbedungen werden602. Eine Kündigung auf Grundlage von § 314 BGB ist aber stets nur als ultima ratio möglich, etwa bei einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten der Emittentin zu Lasten der Anleihegläubiger oder bei absichtlichen Schädigungen, die den Tatbestand des § 826 BGB erfüllen603. Darüber hinaus ist eine Kündigung unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 3 S. 2 BGB denkbar, sofern eine Anpassung des Schuldverhältnisses nicht möglich ist. Dies ist für die Fallgruppe mittelbarer Beeinträchtigungen durch Grundlagenentscheidungen, Konzernierungsmaßnahmen, (faktische) Gewinnabführung und dergleichen von Bedeutung604. Das auf Darlehen zugeschnittene allgemeine Kündigungsrecht nach § 490 BGB soll nach herrschender Ansicht auf fungible Finanzierungsinstrumente nicht anwendbar sein605. Für die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, die als bankrechtliche Eigenkapitalsurrogate unter der CRR angerechnet werden, sind Kündigungsrechte allerdings von geringer praktischer Bedeutung, da § 10 Abs. 5 KWG die §§ 313, 314, 490 BGB für solche Anleihen bereits ex lege ausschließt.

X. Ergebnis und weiterer Fortgang der Untersuchung Die bisherige Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gesetzlich – mit Ausnahme weniger punktueller Verwässerungsschutznormen – kaum bessergestellt sind, als reine Fremdkapitalgeber. Sie können von den Vorgaben des Aufsichtsund Kapitalmarktrechts jedoch ebenso profitieren wie von den disziplinierenden Kräften eines funktionierenden Marktes. Im Hinblick auf die Gestaltung der Anleihebedingungen werden die Anleger durch das Schuldverschreibungsrecht und das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen geschützt. Zusätzlich besteht ein gefächertes System an Auskunfts- und Kontrollrechten, mit deren Hilfe Anleger die Wahrung ihrer Rechtsposition kontrollieren können. Das Bürgerliche Recht bietet einen Schutz gegen zielgerichtete, rechts602  s.

KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 172 m. w. N. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 173 mit Praxisbeispielen. 604  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 3 III.3. 605  BGH ZIP 2016, 1279, 1281; OLG Köln ZIP 2015, 1924, 1926; OLG München ZIP 2015, 2174, 2175 f.; aus dem Schrifttum s. Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 350; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407 f.; a. A. Baums, FS Köndgen, S. 43, 47 f., 52 ff. 603  s.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen165

missbräuchliche und – sofern gläubigerschützende Normen verletzt sind – rechtswidrige Beeinträchtigungen. Kommt es zu Beeinträchtigungen der Hybridgläubiger, die von dem gesetzlichen Schutzkanon nicht unmittelbar erfasst sind, kann die Frage nach einem ungeschriebenen zivilrechtlichen Anlegerschutz aufkommen. Dieser Themenbereich hat zu der bereits mehrfach erwähnten Rechtsprechung geführt, nach der Emittenten gegenüber Genussrechtsinhabern verpflichtet sein sollen, „in gewissem Umfang […] für die Erhaltung und den Schutz der Genussrechte zu sorgen […]“. Die folgenden Abschnitte der Arbeit widmen sich daher den Grundlagen dieser Pflichtenbindung sowie der Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Übertragung dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse.

§ 8 Die Judikatur des Bundesgerichtshofes zur gesteigerten Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen In der Lehre hat sich um wenige höchstrichterliche Gerichtsentscheidungen eine kaum mehr zu überschauende Fülle an Literaturbeiträgen gebildet, die einen Anlegerschutz von Genussrechtsinhabern bei bestimmten Beeinträchtigungen durch gesteigerte sekundärrechtliche Sorgfaltspflichten der Emittentin herstellen will. Angesichts dessen ist es nicht übertrieben zu sagen, dass vertragliche Nebenpflichten im deutschen Schrifttum zu Genussrechten das Zentrum des zivilrechtlichen Anlegerschutzes bilden. In Bezug auf bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen stellen sich identische Fragen, die bislang aber kaum diskutiert sind606. Daher fragt sich, ob die Judikatur zur Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen auf bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen übertragen werden kann und sollte. Als Ausgangspunkt für die weitere Argumentation werden zunächst einige dogmatische Grundsätze zu Genussrechten ins Gedächtnis gerufen (I.), bevor die Entwicklung der Judikatur historisch aufbereitet wird (II.). Erst danach kann sich die Untersuchung der Frage zuwenden, ob eine Übertragung der Pflichtenbindung auf die neue Kapitalklasse geboten ist (III.).

606  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 189 ff.; KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 333 ff.; allgemein zum Schutz von Hybridgläubigern Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, passim.

166 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

I. Wesentliches zum Begriff des Genussrechtes Das Gesetz verwendet den Begriff des Genussrechtes in vielen Vorschriften ohne ihn zu definieren607. Bei der Einführung des § 174 Abs. 3, 4 AktG im Jahr 1937 als Vorläufer des § 221 AktG ist auf eine Definition bewusst verzichtet worden, um die weitere Fortentwicklung nach den Bedürfnissen der Praxis nicht zu behindern608. Im ersten Entwurf des Reichsministeriums für ein Aktiengesetz von 1930 heißt es über Genussrechte: „Sie sind in ihrer Ausgestaltung und ihrem Zwecke nach derart mannigfaltig und ihre weitere Entwicklung ist noch so sehr im Fluß, daß eine ins einzelne gehende Regelung auf diesem Gebiet nur hemmend wirken könnte. Ihre Ausgestaltung bleibt daher einstweilen zweckmäßig der Praxis überlassen.“609

Der deutsche Gesetzgeber hat damit – bis heute – bewusst einen anderen Weg gewählt, als etwa der Schweizer Gesetzgeber, der im Rahmen einer Aktienrechtsreform im Jahr 1991 das Recht der hybriden Finanzierungsin­ strumente umfassend neugeregelt hat610. In der Praxis werden Genussrechte üblicherweise als Inhaberschuldverschreibung verbrieft und verbinden Ansprüche auf Verzinsung und Rückzahlung des Kapitals mit einer Teilnahme am Erfolg der Emittentin. 1. Rechtsnatur Es ist heute weitgehend unstreitig, dass Genussrechte rein schuldrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschaft, aber keine mitgliedschaftlichen Berechtigungen vermitteln611. Mit den stimmrechtslosen Vorzugsaktien verbindet die 607  Vgl. §§ 160 Abs. 1 Nr. 6 a. F., 221 Abs. 3 AktG, § 23 UmwG, §§ 10, 10a, 53 KWG a. F., §§ 53c, 54 VAG a. F., § 214 VAG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. f, lit. l 5. VermBG, §§ 1a Abs. 3, 3 Abs. 4, 4 Abs. 2 UBGG, § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, §§ 17 Abs. 1 S. 2, 20, 43, 44a, 49 EStG. 608  Vgl. eingehend zur Gesetzgebungsgeschichte Ernst, Der Genußschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, S. 38 ff., dort (S. 47 Fn. 80) auch zu Stellungnahmen gegen eine Definition im AktG 1965; ferner Wünsch, FS Strasser, S. 871, 876; Ernst AG 1967, 75, 76. 609  Vgl. die Gesetzesbegründung zum ersten Entwurf eines AktG 1930, S. 124, abgedruckt bei Gehling, WM 1992, 1093, 1094 Fn. 10. 610  s. dazu unten 1. Teil: § 11 I. 611  Vgl. bereits RGZ 115, 227, 230; RGZ 132, 206; BGH WM 1959, 434, 436; BGHZ 119, 305, 309 = BGH NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; aus dem älteren Schrifttum bereits Pougin, FS Oppenhoff, S. 275; Werner, ZHR 149 (1985), 236, 239; Vollmer, ZGR 1983, 445, 451, Frantzen, Genußscheine, S. 100; Schäfer, WM 1991, 1941, 1942; Wünsch, FS Strasser, S. 871, 879; Baums, FS Adams, S. 141; Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 229; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genussrechte, S.  96 f.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen167

Genussrechte nur eine ausgestaltungsabhängige Ähnlichkeit in wirtschaft­ licher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht. Daher können aktienrechtliche Mitverwaltungsrechte Genussrechtsinhabern nach ganz herrschender Auffassung nicht eingeräumt werden („Prinzip der Verbandssouveränität“)612. Die ausschließlich schuldrechtliche Grundlage der Beziehung zwischen Genussrechtsinhaber und Emittentin unterscheidet das Genussrecht von der Mitgliedschaft in einem Verband613. 2. Typenvielfalt Die Emissionspraxis von Genussrechten hat unterschiedliche Ausgestaltungstypen ausgeformt, die in die Kategorien des aktiengleichen, obligationenähnlichen oder aktienähnlichen Genussrechtes eingeordnet werden614. Es kann über die Rechtsprechung des BGH zur Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen nicht sinnvoll gesprochen werden, ohne dass Klarheit über diese Unterscheidungen besteht. a) Aktiengleiche Genussrechte Als aktiengleiche Genussrechte werden solche Genussrechte bezeichnet, die die Rechtsstellung des Inhabers der eines (Vorzugs-)Aktionärs vollständig gleichstellen. Da die Einräumung mitgliedschaftlicher Verwaltungsrechte heute nach ganz überwiegender Ansicht für unzulässig gehalten wird615, wurden zuletzt vor allem Gestaltungen diskutiert, die eine vollständige Nachahmung der mitgliedschaftlichen Vermögensstellung zum Inhalt haben. Dies erfolgt etwa durch die kumulative Vereinbarung einer unbefristeten Laufzeit bei gleichzeitigem Ausschluss von Kündigungsrechten, eine volle Erfolgsbeteiligung, einen Anteil des Genussrechtsinhabers am Liquidationserlös und eine nachrangige Ausgestaltung in der Insolvenz und Liquidation. Lange Zeit wurde intensiv diskutiert, ob die Ausgabe derartiger Genussrechte zu einer Umgehung zwingender organisationsrechtlicher Wertungen 612  Vgl. etwa Hirte, ZIP 1988, 477; Lutter, FS Döllerer, S. 383, 384; vgl. auch OLG Düsseldorf DB 1991, 1563, 1564 f., 1566; s. zum „Prinzip der Verbandssouveränität“ bereits oben 1. Teil: § 4 II.1.a). 613  Prägnant Habersack, ZHR 155 (1991), 379, 384. 614  Vgl. MünchkommAktG/Habersack, § 221 Rn. 76 ff.; Hammen, DB 1988, 2549 ff.; eine Übersicht der gängigen Ausgestaltungsarten findet sich bei Meilicke, BB 1987, 1609 ff. 615  Vgl. BGHZ 119, 305, 311 f. = BGH NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; aus der Lit. MünchkommAktG/Habersack, § 221 Rn. 78, 123 ff.; zuvor bereits Hirte, ZIP 1988, 477, 478; ders., ZIP 1991, 1461 ff.; Reuter, Gutachten B für den 55. DJT, B 25 f.; Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 231 f. Sethe, AG 1993, 293, 307.

168 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

aus §§ 139 ff. AktG führt („Umgehungsthese Reuter’s“)616. Der BGH hat die Zulässigkeit aktiengleicher Genussrechte offengelassen617. Inzwischen geht die weit überwiegende Meinung im Schrifttum von der Unzulässigkeit ak­ tiengleicher Genussrechte aus. Anders als bei der GmbH und den Personengesellschaften gilt im Aktienrecht nach § 23 Abs. 5 AktG der „Grundsatz der Satzungsstrenge“. Die §§ 139 ff. AktG stellen eine abschließende Sonder­ regelung hinsichtlich der Aufnahme stimmrechtslosen Eigenkapitals dar, die durch vertragliche Gestaltungen nicht konterkariert werden kann618. Zu befürchten wäre nicht nur eine Umgehung der quantitativen Begrenzung bei der Ausgabe von Vorzugsaktien gem. § 139 Abs. 2 AktG, sondern auch eine Aushebelung des durch § 140 Abs. 2 S. 1 AktG bezweckten Schutz- und Sanktionsmechanismusses, der das Stimmrecht des Vorzugsaktionärs im Falle nicht gezahlter Vorzugsbeträge wiederaufleben lässt. Unabhängig von seiner Unzulässigkeit kommt dem aktiengleichen Genussrecht ohnehin kaum praktische Bedeutung zu, da es durch die Beteiligung an Gewinn und Liquidationserlös seine ertragssteuerrechtliche Privilegierung aus § 8 Abs. 3 S. 2 KStG verliert619. b) Obligationenähnliche Genussrechte Auf der anderen Seite des Spektrums siedeln die obligationenähnlichen Genussrechte, die den Anlegern einen vom Gewinn des emittierenden Unternehmens abhängigen Festzinsanspruch oder eine gewinnunabhängige Mindestverzinsung mit zusätzlicher Gewinnteilnahme gewähren620. Maßgebliches Kriterium der Obligationenähnlichkeit ist die wirtschaftliche Nähe zur (Gewinn-)Schuldverschreibung. Im Einzelfall kann die Zuordnung indes Pro­ bleme bereiten. So ist fraglich, ob die Nähe zur Schuldverschreibung auch dann noch gegeben ist, wenn über eine gewinnabhängige Ausschüttung hinaus vereinbart wird, dass der Schuldtitel auch am Verlust der Emittentin partizipieren soll. Dies wird man jedoch mit der wohl überwiegenden Meinung der Literatur ablehnen können621. Eine Schuldverschreibung setzt unReuter, Gutachten B für den 55. DJT, B 25 f.; Hammen, DB 1988, 2549 f. 119, 305, 311 = BGH NJW 1993, 57 – Klöckner. 618  Vgl. Gehling, WM 1992, 1093, 1099 f.; Werner, ZHR 149 (1985), 236, 238. 619  Vgl. MünchkommAktG/Habersack, § 221 Rn. 127; K. Schmidt/Lutter/Merkt, AktG, § 221 Rn. 87; Werner, ZHR 149 (1985), 236, 240. 620  Vgl. Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 45; Frantzen, Genußscheine, S. 114. 621  Vgl. MünchkommAktG/Habersack, § 221 Rn. 77; Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 286; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 117; Busch, AG 1994, 93, 96 f.; Sethe, AG 1993, 293, 299; dem folgend Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 44; ferner Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 45, die eine Verlustbeteiligung zumindest dann für unschädlich halten, wenn der 616  Vgl.

617  BGHZ



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen169

verzichtbar voraus, „dass zumindest auch ein fester und unbedingter Rückzahlungsanspruch besteht“622. Nimmt ein Schuldtitel laufend an Verlusten des Emittenten teil, besteht insoweit ein grundlegender konzeptioneller Unterschied zur Schuldverschreibung. Dies bestätigt auch die Einordnung der (Gewinn-)Schuldverschreibung als partiarisches Darlehen, denn Darlehensverhältnissen ist eine Verlustbeteiligung schon wegen des in § 488 BGB festgeschriebenen Rückzahlungsanspruches fremd623. Wird die Verzinsung hingegen erfolgsunabhängig gewährt, liegt mangels Gewinnabhängigkeit kein obligationenähnliches Genussrecht, sondern eine herkömmliche Schuldverschreibung (reine Obligation) vor624. Es fehlt dann bereits an der für eine Qualifizierung als Genussrecht konstitutiven Gewähr aktionärstypischer Vermögensrechte625. Obligationenähnliche Genussrechte unterfallen nicht dem Genussrechtsbegriff des § 221 Abs. 3 AktG, da bei diesem gerade die Hebelkraft einer variablen Gewinnbeteiligung das entscheidende Kriterium dafür ist, die Ausgabe der Instrumente einem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zu unterwerfen626. c) Aktienähnliche Genussrechte Zwischen den beiden Polen des aktiengleichen Charakters auf der einen Seite und des obligationenähnlichen Charakters auf der anderen Seite siedelt das sog. aktienähnliche Genussrecht, welches durch eine vermögensmäßige Annäherung an die Stellung des (Vorzugs-)Aktionärs gekennzeichnet ist, die nur soweit reicht, dass die Schwelle zur unzulässigen Aktiengleichheit nicht überschritten wird627. Über diese Grundbetrachtung hinaus ist die Abgrenzung des aktienähnlichen Genussrechtes von der obligationenähnlichen Gestaltung bei genauer Betrachtung indes nicht vollständig geklärt, wie ein knapper Ausschnitt aus dem Schrifttum verdeutlicht: Sethe fordert für eine Aktienähnlichkeit zumindest eine gewinnorientierte Vergütung in KombinaFehlbetrag aus den Überschüssen in den Folgejahren wiederaufgefüllt wird; a. A. noch BGHZ 120, 141, 147 f. = NJW 1993, 400 – Bremer Bankverein. 622  Vgl. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 475. 623  Zur Rechtsnatur des partiarischen Darlehens grundlegend Schön, ZGR 1993, 210, passim. 624  Vgl. Sethe, AG 1993, 293, 299; Baums, FS Adams, S. 141, 143. 625  Gegenüber Aktionären ist eine Zinszahlung bereits wegen § 57 Abs. 2 AktG ausgeschlossen, wie Gehling im Zusammenhang mit Genussrechten betont, WM 1992, 1093, 1094 f. 626  Vgl. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 191; a. A. noch BGHZ 120, 141 – Bremer Bankverein. 627  Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 278; Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 117; Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 45.

170 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

tion mit einer laufenden Verlustteilnahme und/oder einer Nachrangabrede; ein Partizipationsmerkmal genüge für die Annahme einer Aktienähnlichkeit jedenfalls nicht628. Während Hirte eine Aktienähnlichkeit bereits annimmt, sobald ein Finanzierungsinstrument wenigstens gewinnabhängig ausgestaltet ist629, verlangen Vollmer und Lorch, dass zusätzlich eine Teilnahme am Liquidationserlös vereinbart wird630. Die wohl überwiegende Meinung nimmt eine Aktienähnlichkeit pauschal an, wenn eine Besserstellung des Genussrechtsinhabers gegenüber einem Aktionär gegeben ist, indem ihm – quasi als Kompensation für das gänzliche Fehlen von mitgliedschaftlichen Teilhabeund Kontrollrechten – eine Privilegierung gewährt wird. Diese kann liegen in der Teilhabe am ausschüttungsfähigen Gewinn unabhängig von der Rücklagenbildung631, in einer gewinnunabhängigen Mindestverzinsung632, in einer gegenüber den Aktionären vorrangigen Berücksichtigung bei der Liquidation633 oder einem vorzeitigen Kündigungsrecht bzw. einer befristeten Laufzeit634. Die in der Praxis gängige Gestaltungsvariante ist die anteilige Partizipation des Genusskapitals an allen Maßnahmen der Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung in Kombination mit einer Nachrangvereinbarung für den Fall der Insolvenz oder Liquidation635. Um zu gewährleisten, dass das Genusskapital dem Emittenten dauerhaft zu Verfügung steht, wird regelmäßig eine relativ lange Laufzeit vereinbart, innerhalb derer ein Rückzahlungsanspruch nicht besteht und ordentliche Kündigungsrechte ausgeschlossen werden636. Wird hingegen eine unbefristete Laufzeit vereinbart, so ist jedenfalls zu gewährleisten, dass dem Genussrechtsinhaber eine Kündigungsmöglichkeit eingeräumt wird, um nicht die Grenze der unzulässigen Umgehung der §§ 139 ff. AktG zu übertreten. 628  AG

1993, 293, 299. § 221 Rn. 10. 630  DB 1991, 1313, 1316 f.; dies., ZBB 1992, 44, 45; Vollmer, ZGR 1983, 488, 452. 631  Vgl. Habersack ZHR 155 (1991), 378, 387; Rid-Niebler, Genußrechte als In­ strument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 72. 632  Vgl. Reuter, FS Stimpel, S. 645, 655 f.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 387; gegen die Relevanz dieses Kriteriums Hirte, ZIP 1988, 477, 482. 633  Vgl. Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 387; Reuter, FS Stimpel, S. 645, 655; Rid-Niebler, Genußrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 72. 634  Vgl. K. Schmidt/Lutter/Merkt, AktG, § 221 Rn. 85; s. ferner Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 232; Schäfer, WM 1991, 1941, 1943, der eine (unzulässige) „Ak­ tiengleichheit“ dann annimmt, wenn die Genussscheine trotz Gewinn- und Verlustbeteiligung nicht rückzahlbar sind und/oder am Liquidationserlös partizipieren. 635  Vgl. Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44, 45. 636  Vgl. MünchkommAktG/Habersack, § 221 Rn. 79. 629  GroßKommAktG,



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Wohl aufgrund der speziellen gesetzlichen Anforderungen an eigenkapitalgenerierende Genussrechte kam es in der weiteren praktischen Entwicklung selten auf Abgrenzungsfragen an. Relevant wird die Abgrenzung zwischen gewinnabhängiger und gewinnorientierter Vergütung allerdings im Steuerrecht, wo gewinnabhängige Genussrechte bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG steuerrechtlich als Fremdkapital behandelt werden. 3. Fungible Genussscheine und bilaterale Genussrechtsverträge Neben der wirtschaftlichen Annäherung an die Rechtsstellung des Aktionärs ist in der Diskussion zu Genussrechten ferner zu unterscheiden zwischen abstrakten Schuldversprechen, die als fungibles Wertpapier eine wirtschaft­ liche Variante der Vorzugsaktien sind, und bilateralen Genussrechtsverträgen, die wirtschaftlich von partiarischen Darlehen oder (gesetzestypischen) stillen Gesellschaften nicht unterschieden werden können. Es ist umstritten, ob auch bilaterale Genussrechtsverträge dem Genussrechtsbegriff unterfallen. Der Streit beruht auf einer begrifflichen Überschneidung des § 221 Abs. 3 AktG mit Teilgewinnabführungsverträgen im Sinne des § 292 Abs. 1  Nr. 2  AktG637. Genussrechte und Teilgewinnabführungsverträge können die Gesellschaft gleichermaßen verpflichten, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an den Vertragspartner abzuführen. Ein Abgrenzungskriterium lässt sich in einem bloßen Ähnlichkeitsvergleich nicht finden, denn auch ein Teil­ gewinnabführungsvertrag kann theoretisch zusätzlich eine Verlustteilnahme beinhalten. Differenzen werden vielmehr erst mit einem Blick auf die Rechtsfolgen sichtbar: Zwar ist bei der Genussrechtsemission ebenso wie bei dem Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrages ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Doch während den Aktionären bei der Ausgabe von Genussrechten nach Maßgabe des § 221 Abs. 3, Abs. 4 AktG ein Bezugsrecht einzuräumen ist, verlangen die §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 294 Abs. 1, Abs. 2 AktG zur Wirksamkeit des Teilgewinnabführungsvertrages eine Eintragung in das Handelsregister. Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum und in der Rechtsprechung geht angesichts der Abgrenzungsschwierigkeit davon aus, dass zumindest jedes aktienähnliche Genussrechtsverhältnis auch zugleich ein Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG sein kann. Um eine Formunwirksamkeit von Genussrechtsemissionen zu vermeiden, wird das Erfordernis einer Handelsregistereintragung überwiegend dadurch umgangen, 637  Vgl. Hirte, ZBB 1992, 50, passim; Eyber, Abgrenzung, S. 68 ff.; grundlegend zur systematischen Einordnung des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG K. Schmidt, ZGR 1984, 295, passim.

172 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

dass man annimmt, § 294 AktG werde durch § 221 Abs. 3, Abs. 4 AktG als lex specialis verdrängt. Andere wollen eine tatbestandliche Weichenstellung zwischen § 221 Abs. 3 AktG und § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG danach vornehmen, ob ein bilateraler Vertrag vorliegt (dann § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder aber eine „massenhafte“ Emission, „breite Streuung“ bzw. die Emission „fungibler“ oder „handelbarer“ Papiere (dann § 221 Abs. 3 AktG). Der Streit über den Anwendungsbereich des § 221 Abs. 3 AktG braucht hier zwar nicht entschieden zu werden. Für die Diskussion im Anlegerschutzrecht ist die Unterscheidung gleichwohl bedeutsam, da eine ungeschriebene Pflichten­ bindung gerade bei fungiblen Wertpapieren zum einen ein Hindernis der eindeutigen Preisbildung auf dem Kapitalmarkt darstellen kann und zum anderen die allgemeinen Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB bei handelbaren Wertpapieren an praktische Grenzen stoßen. Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein.

II. Die historische Entwicklung der Judikatur zur Haftung für sorgfaltswidrige Geschäftsführung Die Kategorie mittelbarer Eingriffe hat in der Rechtsprechung zu Genussrechten eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Der II. Zivilsenat des BGH hat seit seinem „Klöckner-Urteil“638 – das er selbst später als Grundsatzurteil bezeichnete639 – den Anlegerschutz für Hybridgläubiger durch Zuerkennung sekundärer Schadensersatzansprüche kontinuierlich erweitert. ­ Heute, im Zeitalter der Bankenunion, stellt sich die Frage, wie Hybridgläubiger vor unseriösen Geschäftsführungsmaßnahmen zu schützen sind, in ganz ähnlicher Weise den Inhabern von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen. Stellt man aber die Entwicklung der Rechtsprechung in einen Zusammenhang mit dem historisch gewachsenen Bedeutungszuwachs von Finanzierungsgenussrechten bei Kleinanlegern, verwundert es kaum, dass sich in der Judikatur eine Entwicklung abzeichnet, die von einer vollständigen Ablehnung einer vertraglichen Haftung bis hin zu einer anlegerfreundlichen Sichtweise reicht, die Genussrechtsinhabern einen zusätzlichen Schutz durch die Annahme besonderer Sorgfaltspflichten zubilligen will. Die historische Aufarbeitung zeigt, so die These, dass die Judikatur zur Emittentenhaftung bei Genussrechten als Korrelat zu deren Bedeutungszuwachs als Anlageprodukt für Kleinanleger entstanden ist und insofern auf die neue Kapitalklasse schon aus diesem Grund nicht ohne Weiteres übertragen werden kann. Dies soll auf den folgenden Seiten nachvollzogen werden.

638  BGHZ 639  Vgl.

119, 305, 306, 331 = NJW 1993, 57 – Klöckner. BGH AG 2006, 937.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen173

1. Die restriktive Rechtsprechung des Reichsgerichts im Jahr 1922 Im 19. und frühen 20. Jahrhundert hatten Genussrechte als Anlageklasse für das breite Publikum noch kaum Bedeutung640. Sie wurden vor allem als Mittel zur Abfindung von Aktionären einer konzessionierten Aktiengesellschaft, deren Konzession auslief641, und zur Einräumung von Gründervorteilen eingesetzt642. Insofern überrascht es nicht, dass sich das RG in seiner einzigen Entscheidung, die eine Schadensersatzhaftung einer Emittentin wegen fehlerhafter Geschäftsführung gegenüber den Inhabern von Genussrechten zum Gegenstand hatte, noch nicht spürbar von Anlegerschutzerwägungen leiten ließ643: Der Genussrechtsinhaber wandte sich mit seiner Klage gegen die Aufgabe eines Teils des Exportgeschäftes der Emittentin sowie gegen den Abschluss eines von der Hauptversammlung genehmigten Vertrages, der zum Inhalt hatte, dass der Geschäftsbetrieb der Emittentin für Rechnung und auf Gefahr einer anderen Gesellschaft betrieben wurde, die der beklagten Gesellschaft dafür als Gegenleistung eine näher bestimmte Gewinnquote zu zahlen hatte. Das RG verneinte einen Ersatzanspruch des Klägers und verwies darauf, dass mit der dem Genussrechtsinhaber zustehenden Gewinnbeteiligung ein Einfluss auf die Geschäftsführung der Emittentin nicht verbunden sei. Eine Gesellschaft hafte gegenüber dem Anleger nicht bereits bei einfachem Verschulden, sondern erst dann, „wenn sie absichtlich zu seinem Nachteil handle“644. Unterhalb dieser Schwelle – die in der Sache gleichbedeutend ist mit der des § 826 BGB – sollte es der Gesellschaft überlassen bleiben, wie sie ihre Geschäfte führt. In Teilen des Schrifttums wurde die Pflichtenbindung sogar noch restriktiver ausgelegt, dahingehend, dass es auf das Vor­ liegen einer „treuwidrigen oder sittenwidrigen Schädigung“645, einer „treu oder sittenwidrigen Verkürzung von Gewinnrechten“646, einer „qualifizierten Pflichtwidrigkeit“647 oder einer „treuwidrigen Manipulation“648 ankäme. Die aus dem frühen Schrifttum Pougin, FS Oppenhoff, S. 275, 285. Sethe, AG 1993, 293, 295. 642  Vgl. Sethe, AG 1993, 293, 295 Fn. 13. 643  RGZ 105, 236, 236 ff. 644  RGZ 105, 236, 240 f.; hierzu Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 595; Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genußschein, S. 306 f. 645  Sethe, AG 1993, 351, 361. 646  Vollmer, ZGR 1983, 445, 467; ebenso Wünsch, FS Strasser, S. 871, 881; kritisch Habersack, ZHR 155 (1991), 379, 391 f., der auf die anderslautende Formulierung des RG hinweist. 647  Vgl. Rid-Niebler, Genußrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 116. 648  Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. 640  Vgl. 641  Vgl.

174 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Rechtsprechung des RG bildete für die nächsten Jahrzehnte den Maßstab. Mit der Einführung der stimmrechtslosen Vorzugsaktie durch das AktG 1937 und aufgrund einer restriktiven Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes649 verlor das Genussrecht zunächst an praktischer Bedeutung650. Da auch die Vorzugsaktie eine Kapitalaufnahme ohne Verdünnung der mitgliedschaft­ lichen Einflussmacht der Altaktionäre ermöglichte, trat diese in unmittelbare Konkurrenz zum Genussrecht und konnte sich – begründet wird dies vor allem mit der gesetzlichen Regelung in §§ 139 ff. AktG und der damit verbundenen höheren Rechtssicherheit651 – zunächst gegenüber dem Finanzierungsgenussrecht durchsetzen. 2. Die Forderung von Treue- und Rücksichtnahmepflichten im Schrifttum der 1980er Jahre In den 1980er Jahren änderte sich die Marktsituation für Genussrechte652. Im Zuge der Diskussion zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen auf dem 55. Deutschen Juristentag wurde die Geeig­ netheit von Genussrechten zur Eigenkapitalbeschaffung ausführlich untersucht653. In der Folge führten eine ganze Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen, zu deren bedeutendsten die Anerkennung als ergänzendes Eigenkapital für Banken in § 10 Abs. 5 KWG a. F. zählt654, zu einem neuen praktischen Bedeutungszuwachs der Genussrechte in der Unternehmensfinanzierung655. Dem historischen Bedeutungszuwachs korrespondierten intensive Bemühungen der Wissenschaft um Lösungen für einen effektiven Anlegerschutz656. Der nur lückenhaft geregelte Verwässerungsschutz bei Kapitalerhöhungen 649  Vgl. Bauer, Partizipationsscheine im Schweizer Aktienrecht – im Vergleich zum deutschen Aktienrecht, S. 333 ff. 650  Vgl. Sethe, AG 1993, 293, 295. 651  Zumindest ein Vergleich mit Ländern, in denen das Rechtsinsitut der Vorzugsaktie fremd ist, lässt dies vermuten, vgl. Vollmer, ZGR 1983, 445, 446. 652  Vgl. hierzu die ausf. Schilderungen bei Sethe, AG 1993, 293, 295. 653  Vgl. insbes. Reuter, Gutachten für den 55. DJT, B 7 ff.; Hopt, WM 1985, 793 ff., 803; K. Schmidt, JZ 1984, 771, 782. 654  Gesetz über das Kreditwesen in der Neufassung vom 20.12.1984, BGBl. I 1984, 1693; ausf. dazu Werner, ZHR 149 (1985), 236 ff.; Möschel, ZHR 149 (1985), 206 ff.; Schick, BB 1985, 2137 ff. 655  Allein von 1981 bis 1987 wurden 34 Genussscheine emittiert, weitere sieben waren für 1987 angekündigt, s. die Aufstellung bei Thielemann, Das Genußrecht als Mittel der Kapitalbeschaffung und der Anlegerschutz, Anlage S. XXXIII ff.; 1993 waren bereits 120 Genussscheine börsennotiert, Sethe, AG 1993, 293, 295. 656  Vgl. etwa die Überlegungen aus dieser Zeit von Vollmer, ZGR 1983, 445, 461 ff.; Frantzen, Genußscheine, S. 197 ff.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S.  93 ff.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen175

und Umwandlungsmaßnahmen (§ 216 Abs. 3 AktG, § 23 UmwG) sowie die restriktive Rechtsprechung des Reichsgerichts aus den frühen 1920er Jahren führten zu einer zunehmenden Tendenz in der Wissenschaft, einen flexiblen und angemessenen Anlegerschutz durch gesteigerte Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten der Emittentin gegenüber den Genussrechtsinhabern erreichen zu wollen. Die hierzu vertretenen Ansätze lassen sich grob in zwei Argumentationslinien aufteilen: a) Argument: Kompensation fehlender mitgliedschaftlicher Einflussmacht trotz wirtschaftlicher „Als-Ob-Mitgliedschaft“ Der erste Begründungsansatz, vertreten etwa von Frantzen und Emde, forderte gesteigerte Nebenpflichten als Kompensation für die fehlende mitgliedschaftliche Einflussmacht der Hybridgläubiger bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Verhalten der Emittentin. Das Genussrechtsverhältnis sei „offener angelegt“657 als andere Schuldverhältnisse, die sich in einem festgelegten Leistungsaustausch erschöpften. Anders als bei einem Darlehen oder einer klassischen Anleihe, sei die Rechtsposition des Inhabers nicht durch feststehende Laufzeit, Rückzahlungsbetrag und Zinssatz genau bestimmt, sondern je nach konkreter Ausgestaltung ungewiss658. Zudem habe es die Emittentin weitgehend in der Hand, die Anspruchsinhalte zu bestimmen. Interessenkonflikte zwischen den Parteien seien vorprogrammiert, denn während die Genussrechtsinhaber regelmäßig ein Interesse an möglichst hohen Ausschüttungen bzw. einer möglichst geringen Herabsetzung ihres Rückzahlungsanspruchs in einer wirtschaftlichen Schieflage hätten, gehe das Interesse des Emittenten zumeist dahin, Gewinne in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht zu zeigen659. Die Investition in ein Genussrecht sei von dem Vertrauen getragen, dass die Emittentin bei allen unternehmerischen Entscheidungen auf die Interessen der Genusskapitalgeber in angemessenem Umfang Rücksicht nimmt und versuchen wird, eine Realisierung der Risiken des Genussrechtes zu vermeiden. Schließlich müsse ein Erwerbsinteressent aufgrund der übernommenen Erfolgspartizipation die generelle Wirtschaftskraft der Emittentin evaluieren; nicht nur deren Insolvenzrisiko. Im Gegensatz zum reinen Fremdkapitalgeber, der ab einer bestimmten Summe regelmäßig Sicherheiten für den Insolvenzfall verlangen wird, gehe der Genuss­ kapitalgeber aufgrund der vereinbarten Verlustpartizipation ein gesteigertes 657  Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S. 97 ff.; Frantzen, Genußscheine, S. 239. 658  Vgl. Frantzen, Genußscheine, S. 238. 659  Vgl. Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S.  101  f., 104 („Willkürherrschaft“); ders., DB 1989, 209, 212 („Gefahr eines völligen Ausgeliefertseins“); Frantzen, Genußscheine, S. 239.

176 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Risiko ein. Frantzen zog eine systematische Parallele zu den Treupflichten der Aktionärsmehrheit gegenüber der Minderheit bei der Willensbildung in der Hauptversammlung: Wenn das Aktienrecht sogar bei der Herrschaft der Aktionärsmehrheit über die Aktionärsminderheit Treubindungen anerkennt, so müsse dies erst recht gegenüber Genussrechtsinhabern gelten. b) Argument: Nähe zu fiduziarischen Rechtsverhältnissen Der zweite Ansatz, zu dessen Vertretern Habersack zählt, begründete eine gesteigerte Pflichtenbindung in Genussrechtsverhältnissen (unter anderem) mit einer Qualifizierung des Genussrechtes als Treuhand660 oder zumindest einer Ähnlichkeit mit Treuhandverhältnissen661. Der Umstand, dass der Anleger seine Vermögenswerte in die Disposition der Emittentin stellt und damit seiner Kontrolle entzieht, lasse Charakterzüge eines Treuhandverhältnisses erkennen. Inzwischen wird dieser Ansatz kaum noch vertreten. Allein die Überlassung finanzieller Mittel zum Einsatz für unternehmerische Zwecke genügt noch nicht für die Annahme einer Treuhand662. Die Gesellschaft, die Risikokapital aufnimmt, verwaltet das überlassene Vermögen nicht primär mit dem Ziel, die Interessen Dritter zu bedienen, sondern sie wirtschaftet damit ausschließlich für sich selbst und ihre Mitglieder663. Auch wenn Hy­ bridkapitalgeber aufgrund ihrer stark an der vermögensrechtlichen Stellung eines Mitglieds orientierten Rechtsposition ein materielles Interesse an einer ordnungsgemäßen Unternehmensleitung haben, folgt allein daraus noch nicht, dass die Gesellschaft auch eine Verpflichtung zur aktiven Förderung der Interessen der Hybridgläubiger übernommen hat. Solange das zur Verfügung gestellte Kapital nicht einem von Kapitalgeber und Kapitalnehmer gemeinsam verfolgten Zweck dient, ist die Emittentin frei, diese Mittel, ebenso wie das sonstige Gesellschaftsvermögen, in vollem Umfang zur Verfolgung ihrer eigenen unternehmerischen Ziele einzusetzen.
Darüber hinaus gilt der Begriff der Treuhand hinsichtlich seiner Tatbestandsmerkmale und Rechts­ folgen ohnehin als zu beliebig, um eine geeignete Grundlage für eine Schadensersatzhaftung zu bilden664.

660  Vgl. Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 393 ff.; dies ablehnend bereits KölnkommAktG/Lutter, 2. Aufl. 1995, § 221 Rn. 355. 661  s. etwa Frantzen, Genußscheine, S. 242 f.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S.  106 f.; ders., DB 1989, 209, 212 (Treuhandähnlichkeit). 662  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 607 f. 663  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 607. 664  Vgl. Busch, AG 1993, 163, 164.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen177

3. Die Stärkung des Anlegerschutzes in den 1990er Jahren In den 1990er Jahren führten die regulatorischen Vorgaben im Bankenrecht zum Bedeutungshöhepunkt der Genussrechte665. Kreditinstitute konnten mit Genussrechten den erhöhten Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung gerecht werden, die sich aus der zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen 4. KWG-Novelle666 und der Neufassung des Grundsatzes I über Eigenkapital und Liquidität der Kreditinstitute667 ergaben. Die hohe Flexibilität des gesetzlich nicht näher definierten Genussrechtes erlaubte „nahezu jede mög­ liche Variation von Risiko und Ertragschance“668 und schließlich trug auch die bereits beschriebene Ausweitung der ertragsteuerlichen Begünstigung von Genussrechten zu deren Entwicklung bei669. Im Interesse der Verkehrsfähigkeit erfuhren Genussrechtsbedingungen in ihren jeweiligen Zweckrichtungen eine weitgehende Standardisierung. Die großen Emissionszahlen der zunehmend standardisierten Genussrechte machten den Markt auch für weniger informierte Anleger attraktiv und so drängten neben Renten- und Pen­ sionsfonds zunehmend Kleinanleger in den Markt. Dem stetigen Anstieg an Emissionszahlen korrespondierte indes auch ein Anstieg damit verbundener Rechtsstreitigkeiten. Neben der Entscheidung des BGH in Sachen Klöckner & Co KGaA670 ist auch das Verfahren zum Bremer Bankverein671 zu nennen. Eine teilweise Anpassung der seit dem reichsgerichtlichen Paradigma herrschenden Rechtsauffassung an die Forderungen der Wissenschaft vollzog sich erst am 5.10.1992 durch die als „Klöckner-Urteil“ bekannt gewordene Entscheidung des BGH672. a) Das „Klöckner-Urteil“ des Bundesgerichtshofes vom 5.10.1992 Bei der Klöckner & Co KGaA, einem Handelshaus mit Schwerpunkt im Stahlhandel, waren durch fehlgeschlagene Terminspekulationen am Roh­ nur Lutter, FS Döllerer, S. 383. zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute vom 21.12.1992, BGBl. I 1992, 2211. 667  Bundesanzeiger Nr. 245 v. 31.12.1992, S. 9763 f. = WM 1993, 313 ff.; Erläuterungen hierzu finden sich bei Schulte-Mattler, WM 1993, 977 ff. 668  Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 258 f. 669  Vgl. die Darstellungen bei Sethe, AG 1993, 293, 296; Pougin, FS Oppenhoff, S.  275, 285 ff. 670  BGHZ 119, 305 = NJW 1993, 57 – Klöckner. 671  BGHZ 120, 141 = NJW 1993, 400 – Bremer Bankverein; s. hierzu die Besprechung bei Hirte, ZBB 1992, 50 ff. 672  BGHZ 119, 305, 306, 331 = BGH NJW 1993, 57 – Klöckner; s. hierzu Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genußschein, S. 305 ff.; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 595 f. 665  Vgl.

666  Gesetz

178 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

ölmarkt Verbindlichkeiten entstanden, die das Grundkapital und sämtliche Rücklagen aufzuzehren drohten. Man beschloss daher eine Herabsetzung des Grundkapitals von 270,3 Millionen DM und des über die Genussscheinbedingungen daran gekoppelten Genusskapitals von 135 Millionen DM auf nahezu Null. Anschließend setzte man das Grundkapital in Höhe von 250 Millionen DM durch die Begebung junger Aktien wieder herauf. Das Genusskapital wurde hingegen nicht wiederaufgefüllt, sondern die verbleibenden Genussrechte für wertlos erklärt und eingezogen. Nachdem sich später herausstellte, dass die Verluste wesentlich geringer waren als zunächst prognostiziert, wurden die auf diese Weise freiwerdenden Rückstellungen gem. § 232 AktG als Kapitalrücklage eingestellt. Der Kläger begehrte nun die Wiederauffüllung des Genusskapitals durch den auf ihn entfallenen Anteil, hilfsweise Schadensersatz. Gegenstand der Entscheidung war nicht nur die Frage, inwieweit die dem Begehren des Klägers entgegenstehenden Genussscheinbedingungen AGB-rechtlich zulässig waren, sondern auch, ob ein genereller Anspruch auf Wiederauffüllung des Genusskapitals besteht und schließlich, ob Genussrechtsinhabern bei unsorgfältiger Geschäftsführung Schadensersatzansprüche gegen die Emittentin zustehen. Im Hinblick auf eine Haftung der Emittentin wich der BGH zum Teil erheblich von der Entscheidung der Vorinstanz ab und entschied, dass die Emittentin dem Genussrechtsinhaber auf Wiederauffüllung des Genusskapitals und – falls das wegen Erlöschens der Genussrechte nicht mehr möglich sein sollte – auf Schadensersatz hafte, wenn sie ihre Pflicht „in gewissem Umfang (…) für die Erhaltung und den Schutz der Genussrechte zu sorgen, (…) durch eine Geschäftstätigkeit, die dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand nicht entspricht oder die kaufmännisch schlechthin unseriös und verantwortungslos ist,“ verletzt673. Bei Genussrechten mit Verlustteilnahme ergäben sich aus dem Genussrechtsvertrag Schutz- und Sorgfaltspflichten der Gesellschaft gegenüber dem Genussrechtsinhaber, deren Inhalt die Wahrung der Rechte des anderen Vertragsteils und der Rücksichtnahme auf seine wohlverstandenen Interessen beinhalte und deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichte674. 673  BGHZ

119, 305, 306, 331 = NJW 1993, 57 – Klöckner. 119, 305, 326 ff. = NJW 1993, 57 – Klöckner; zuvor bereits Habersack ZHR 155 (1991), 391  ff.; Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genußschein, S.  305 ff.; zustimmend Lutter ZGR 1993, 291 302; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 190, 417; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 221 Rn. 65a; Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 171; Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312, 319 f.; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 595 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 360 ff.; Luttermann, DB 1993, 1809, 1812; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S.  119 ff.; a. A. Bracht, WM 2012, 585, 586 ff.; Busch, AG 1993, 163; Kokemoor, WM 2009, 1637, 1640 ff.; Kokemoor/Theilig, WM 2011, 337, 338 ff.; Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 692 ff.; dagegen wiederum Habersack, AG 2009, 801 ff.; Schäfer, ZHR 175 674  BGHZ



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen179

Der BGH qualifizierte das Genussrechtsverhältnis als Dauerschuldverhältnis sui generis und begründete die Anerkennung von Schutz- und Sorgfaltspflichten der Gesellschaft mit dem Gedanken der Kompensation fehlender Einflussmacht von Hybridgläubigern bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit von dem Verhalten der Emittentin. Er führte aus, dass dem Genussrechtsinhaber eine effektive Kontrolle der Geschäftsleitung – sei es über den Aufsichtsrat oder über die Wahrnehmung eigener mitgliedschaftlicher Rechte (darunter insbesondere das Auskunfts-, Stimm- und Anfechtungsrecht) – verwehrt sei, und zwar selbst dann, wenn ihm in den Genussrechtsbedingungen das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung oder mitgliedschaftsähnliche Informationsrechte eingeräumt würden. Auf das Verfolgungsrecht des § 93 Abs. 5 AktG könne sich der Genussrechtsinhaber ebenfalls nicht berufen, da der Risikocharakter des von ihm geleisteten Kapitals nicht fremdkapitaltypisch sei675. Anders noch als das OLG Düsseldorf676 in der Vorinstanz, sah der BGH in der Anerkennung von Schutzpflichten wegen der zu kompensierenden fehlenden Einflusslosigkeit der Genussrechts­ inhaber auch keine Privilegierung der Genussrechtsinhaber gegenüber den Aktionären, solange die Haftung für pflichtwidriges Wirtschaften den Genussrechtsinhaber nicht von dem im Genussrechtsvertrag übernommenen Risiko der Partizipation an gewöhnlichen Verlusten befreit677. b) Die Aufnahme des „Klöckner-Urteils“ im Schrifttum Die „Klöckner-Entscheidung“ wurde im Schrifttum zunächst begrüßt. Schön und Sethe befürworteten die deutliche Abgrenzung des Genussrechtes von der (Vorzugs-)Aktie bei gleichzeitiger Anerkennung von Rechtspflichten auf Seite der Emittentin, die über die Hauptleistungspflichten hinausgehen, da auf diese Weise den konzeptionellen Unterschieden von Gesellschaftsund Schuldrecht Rechnung getragen werde678. Zudem trage der II. Zivilsenat mit der Setzung klar erkennbarer Leitpfosten für die zukünftige Behandlung von Genussrechten sowie mit der erstmaligen Schaffung eines funktionstaug-

(2011), 319, 332 ff.; kritisch zudem Becker, NZG 2012, 1089, passim; ders., NZG 2014, 171, 174 f. (nur Anspruch der Gesellschaft, Lösung über Drittschadensliquidiation). 675  BGHZ 119, 305, 329 = NJW 1993, 57; ebenso MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 273. 676  OLG Düsseldorf WM 1991, 1375 ff., 1382 = OLG Düsseldorf ZIP 1991, 1070. 677  Vgl. MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 273; ders., ZHR 155 (1991), 378, 399 f.; Schön, JZ 1993, 925, 928; eine Privilegierung aber annehmend Vollmer, ZGR 1983, 445, 468; s. ferner die Kritik bei Busch, AG 1993, 163, 164 ff. 678  JZ 1993, 925, 928; AG 1993, 351, 352.

180 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

lichen Anlegerschutzes dazu bei, das Vertrauen in das Genussrecht als Finanzierungsinstrument zu steigern679. Zum Teil ist die vom BGH eingeschlagene Richtung aber auch auf Kritik gestoßen. Busch befürchtete als einer der ersten Kritiker der „Klöckner-Entscheidung“, dass sich die Öffnung gegenüber Ersatzansprüchen sanierungsfeindlich auswirken könnte, da neue Investoren dadurch abgeschreckt würden, dass sie zusammen mit Altaktionären für Verluste einstehen müssten, die vor ihrer Beteiligung entstanden sind, während die Genussrechtsinhaber im Fall einer pflichtwidrigen Herabsetzung des Genusskapitals auf Null ohne Neuinvestition profitierten680. Bracht gab zu bedenken, dass die Verstärkung des Anlegerschutzes nicht nur eine einfache Privilegierung der Genussrechtsinhaber bringe, sondern zugleich eine doppelte Belastung der Aktionäre, da Letztere neben dem durch die Kapitalherabsetzung verlorenen Kapitalanteil auch durch den gegen die Gesellschaft gerichteten Ersatzanspruch belastet würden681. Auch würden die Abgrenzung von anspruchsbegründender Pflichtwidrigkeit von (noch) zulässigen Geschäften682 sowie die Schadens­ berechnung683 Schwierigkeiten bereiten. Zudem unterliefen Schadensersatzansprüche die beihilferechtlichen Vorgaben des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV bzw. die entsprechenden Entscheidungen der Europäischen Kommission684. Diese habe in sog. Umstrukturierungsmitteilungen685 erläutert, dass das den Banken zur Bewältigung der Finanzkrise zur Verfügung gestellte Kapital für deren Rekapitalisierung vorgesehen sei und für Differenzen hinsichtlich der Verlustteilnahme von Genussrechtsinhabern nach dem Grad der Misswirtschaft der Emittentin bestünde in den Mitteilungen der Kommission kein Raum686. Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass eine Kompensation fehlender Mitgliedschaftsrechte bei Genussrechtsinhabern nicht auf finanzieller Ebene, sondern allenfalls durch ein Zugeständnis weiterer Rechte, wie etwa einem Anspruch zur Bestellung eines Sonderprüfers, erfolgen dürfe687. Für 679  Sethe,

AG 1993, 351, 361; ebenso Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312. 1993, 163, 164, 166; ders., AG 1994, 93, 101. 681  WM 2012, 585, 588; ebenso Busch, AG 1993, 163, 166. 682  Luttermann, DB 1993, 1809, 1812, der dem Urteil insgesamt jedoch zustimmt. 683  Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 126; zuvor bereits Vollmer, ZGR 1983, 445, 465. 684  Bracht, WM 2012, 585, 586 ff.; Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 151, jeweils m. w. N. zu den einzelnen Entscheidungen der Europäischen Kommission. 685  Mitteilungen der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften, ABl. 2009/C 195/9. 686  Bracht, WM 2012, 585, 590 f. 687  Vgl. Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. 680  AG



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen181

eine pflichtenbasierte Haftung bestehe kein Raum, da im Fall der Klöckner GmbH & Co KGaA sämtliche Anlegerrechte in den Genussrechtsbedingungen abschließend aufgeführt gewesen seien688. Auch der vom BGH konkret gewählte Haftungsmaßstab wurde nicht kritiklos hingenommen. Als erster bemerkte Fuchs einen kaum nachvollziehbaren Wertungswiderspruch zwischen den beiden Haftungsalternativen689: Bei Geschäften, die vom Unternehmensgegenstand nicht gedeckt sind, sollte gehaftet werden, ohne dass es auf das Risiko des Geschäfts im Einzelfall ankäme, während bei sonstigen Geschäftsführungsmaßnahmen eine Haftung nur bei schlechthin unvertretbaren unternehmerischen Entscheidungen eingreifen sollte. Da in dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand in der Regel nicht sämtliche erlaubte Handlungen ausdrücklich genannt, sondern unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, die der Auslegung zugänglich sind, wurde eine zu starke Einschränkung des unternehmerischen Ermessens im Außenverhältnis befürchtet. Zur Erhaltung der unternehmerischen Freiheit kam verstärkt die Forderung auf, dass jede noch vertretbare Auslegung des Unternehmensgegenstandes durch den Vorstand sanktionsfrei bleiben müsse und die Haftungsgrundsätze in restriktiver Auslegung erst dann eingreifen sollten, soweit die ergriffene Maßnahme mit dem Unternehmensgegenstand offensichtlich bzw. schlechthin nicht mehr vereinbar sei690. 4. Die Ausdehnung der Judikatur auf den Anwendungsbereich des Kreditwesengesetzes im Jahr 2014 Die Gerichtsverfahren zeigten dem Anlegerpublikum auf, welche Unsicherheiten und wirtschaftlichen Risiken mit hybriden Finanzierungsformen verbunden sind. Dies ließ die anfängliche Markteuphorie abflauen691. Gerade die „Klöckner-Entscheidung“ hatte die Genussscheinfinanzierung in Misskredit gebracht692. Zwar waren Genussrechte als alternative Finanzierungsform zunächst noch immer beliebt, im Jahr 2005 betrug das Gesamtvolumen der ca. 300 an inländischen Wertpapierbörsen notierten Genussscheine deutscher Emittenten noch 15,3 Mrd. Euro. Gleichwohl ließ die Entwicklung der Finanzmarktkrise im Jahr 2009 auch die Diskussion um die Haftung von Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. ohne Mitgliedschaft, S. 616; ebenso Claussen, AG 1993, 125, 133; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 202. 690  Vgl. Lutter, ZGR 1993, 291, 301; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 616; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 388; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 202. 691  Vgl. Hirte, ZIP 1991, 1461 („Katerstimmung“). 692  Vgl. Vollmer/Lorch, ZBB 1992, 44. 688  Vgl.

689  Kapitalbeteiligung

182 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Emittenten für sorgfaltswidriges Wirtschaften neu entflammen. Während in der Literatur – mit wenigen Ausnahmen – die prinzipielle Existenz sekundärrechtlicher Nebenpflichten in Genussrechtsverhältnissen bis dahin kaum mehr ernstlich angezweifelt worden war693, verlagerte sich die Diskussion nun auf den Anwendungsbereich des Bankenaufsichtsrechts. Kern der Diskussion war die Frage, ob die aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Haftungsfunktion des Eigenkapitals Ansprüche nach der „Klöckner-Doktrin“ ausschließt. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass die Haftqualität des Eigenkapitals wirtschaftlich aufgehoben wird, sobald Haftkapitalgeber im Nachgang der Krise Schadensersatz für Verluste verlangen können, die aufgrund pflichtwidriger Geschäftsführung entstanden sind694. a) Der Meinungsstand im Schrifttum Eine verbreitete Ansicht im Schrifttum sprach sich für eine Sperrwirkung von § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KWG a. F. gegenüber privatrechtlichen Schadensersatzansprüchen aus695. Sekundärrechtliche Schadensersatzansprüche würden nicht nur die aufsichtsrechtlich geforderte volle Verlustbeteiligung wirtschaftlich aufheben, sondern zugleich eine ungerechtfertigte Besserstellung von Genussrechtsinhabern gegenüber Aktionären bedeuten. Aktionäre könnten sich der Haftungsfunktion des Eigenkapitals weder aufsichtsrechtlich wegen § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KWG a. F.696 noch aktienrechtlich wegen des gesellschaftsrechtlichen Verbots der Einlagenrückgewähr gem. § 57 AktG entziehen697. Ihnen bliebe nur der Weg über die gesellschaftsrechtliche Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 2 AktG. Aus dem Ausschluss zivilrechtlicher Kündigungsrechte in § 10 Abs. 4 S. 1 KWG a. F. folge, dass das individualschützende Privatrecht hinter das Sicherungsinteresse der Gläubiger zurückzutreten habe698. Im Anwendungsbereich des Bankenaufsichtsrechts bestehe ohnehin kein Bedürfnis für eine Kompensation fehlender mitgliedschaftlicher Kontrollrechte, da den Genussrechtsinhabern die Aufsicht der Kreditinstitute durch die BaFin zu Gute komme699. Zudem wüssten Anleger, die einer Bank 693  Vgl. Habersack, AG 2009, 801, 803 (Schutz- und Sorgfaltspflichten der Emittentin gegenüber Genussrechtsinhabern gelten als gesicherte Erkenntnis). 694  Eine umfassende Aufbereitung des gesamten Meinungsstandes findet sich bei Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 146 ff. 695  Vgl. Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 696; Kokemoor, WM 2009, 1637 ff.; Kokemoor/Theilig, WM 2011, 337, 339 f.; Becker, NZG 2012, 1089, 1093; wohl auch ­Sethe, AG 1993, 351, 366. 696  Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 696. 697  Bracht, WM 2012, 585, 588. 698  Becker, NZG 2012, 1089, 1092 f. 699  Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 697.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen183

Geld zu dem Zweck zur Verfügung stellen, dass es aufsichtsrechtlich als haftendes Eigenkapital anerkannt wird, dass sie im Fall einer Krise einzustehen haben. Die Gewährung von Ersatzansprüchen in der Krise erweise sich insofern als „perplex“700. Erwogen wurde unter diesem Gesichtspunkt auch die Annahme eines konkludenten Haftungsverzichts701. Die Gegenansicht, angeführt von Habersack702, lehnte eine Sperrwirkung des Aufsichtsrechts hingegen ab. Die Regelungen des § 10 Abs. 4 und 5 KWG a. F. könnten schon deshalb keine Sperrwirkung entfalten, weil sie keine konkreten Anforderungen an die Verlustteilnahme enthielten und die Anrechenbarkeit von Nachrangverbindlichkeiten auf das Ergänzungskapital (wenn auch nur zweiter Klasse) zeige, dass eine laufende Verlustteilnahme kein zwingendes Wesensmerkmal des Ergänzungskapitals sei703. Eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergebe, dass Genussrechtsinhaber nicht die Risiken für Verluste übernommen haben, die auf Geschäften beruhen, die mit dem Unternehmensgegenstand nicht vereinbar sind und die kaufmännisch schlechterdings unvertretbar sind704. Ein konkludenter Haftungsausschluss sei bei handelbaren Genussscheinen zudem bereits wegen § 309 Nr. 7 b BGB ausgeschlossen705. Auch Schäfer positionierte sich gegen eine Sperrwirkung des Bankenaufsichtsrechts gegenüber privatrechtlichen Ersatzansprüchen706. Dass § 10 KWG a. F. keine Sperrwirkung entfalte, folge schon aus der Überlegung, dass zahlreiche Genussscheine an der Börse im regulierten Markt gehandelt werden und die Emittentin auch bei einer Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Ad-hoc-Publizität gegenüber den Genussscheininhabern – unbestritten – auf Schadensersatz hafte. Würde nun das Bankaufsichtsrecht eine allgemeine Sperrwirkung gegenüber Schadensersatzansprüchen entfalten, müsste auch dieser Anspruch der Genussscheininhaber entfallen. Darüber hinaus würde eine Sperrwirkung die Steuerungsfunktion der Schadens­ ersatzhaftung aufheben und eine Schlechterstellung der Genussrechtsinhaber gegenüber den Aktionären bedeuten, denen über § 93 AktG – zumindest mittelbar – ein Schadensersatzanspruch gegen den fehlerhaft handelnden Vorstand zustünde.

700  Mülbert,

FS Hüffer, S. 679, 699. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 159 f. 702  AG 2009, 801, 806 f.; dem folgend Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 173. 703  Habersack, AG 2009, 801, 802, 806 unter Verweis auf BGH AG 2006, 937. 704  Habersack, AG 2009, 801, 806 f.; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 159. 705  Vgl. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 159. 706  ZHR 175 (2011), 319, 332 ff. 701  Vgl.

184 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

b) Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29.4.2014 Mit Urteil vom 29.4.2014 hat der BGH seine Rechtsprechung aus dem „Klöckner-Urteil“ im Grundsatz fortgesetzt und auf den Anwendungsbereich des Bankenaufsichtsrechts ausgedehnt707. Eine Einschränkung erfolgte lediglich im Hinblick auf den Haftungstatbestand für Beeinträchtigungen durch außerstatutarische Geschäfte. Damit ist der BGH kritischen Stimmen aus dem Schrifttum gefolgt: Die beklagte Hypothekenbank Rheinboden AG, die seit dem Jahr 2007 unter dem Namen Corealcredit Bank AG firmiert, begab seit dem Jahr 1996 Genussscheine, die vorformulierten Bedingungen unterlagen. Darin war neben einer Gewinnteilnahme der Genussrechtsinhaber durch eine jährliche Ausschüttung auch eine Verlustbeteiligung vorgesehen, die dadurch erfolgen sollte, dass sich der jeweilige Rückzahlungsanspruch durch einen Bilanzverlust entsprechend mindert. Die Corealcredit Bank AG tätigte in den Jahren 2001 und 2002 entgegen dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand als Hypothekenbank Geschäfte mit Zinsderivaten, Zinsswaps und sog. Forward-Rate-Agreements in mehrfacher Millionenhöhe708. Wegen Verlusten aus den Zinspositionen und der Neubewertung von Kreditbeständen wies sie in den Jahresabschlüssen 2005/2006 Fehlbeträge aus, die zur Inanspruchnahme des Genusskapitals führten und zahlte in der Folge nur einen Teil der Nennwerte der fällig gewordenen Rückzahlungsansprüche an die jeweiligen Genusskapitalgeber aus. Die Genussrechtsinhaber erhoben daraufhin Klage auf Zahlung der Differenz zwischen den ausgezahlten Beträgen und den Nennbeträgen im Hinblick auf die bereits abgelaufenen Genussscheine und begehrten hinsichtlich der noch nicht abgelaufenen Genussscheine die Feststellung, dass die Rückzahlungsansprüche durch Verluste nicht gemindert wurden. Hilfsweise beantragten sie, dass die Beklagte das börsennotierte Genusskapital bis zur Höhe der Nennbeträge aufzufüllen hat. Der BGH legte zunächst die Genussscheinbedingungen aus und kam zu dem Ergebnis, dass der Rückzahlungsanspruch der Inhaber grundsätzlich auch durch Verluste gemindert wird, „die auf einer Tätigkeit der Gesellschaft außerhalb ihres Unternehmensgegenstands beruhen, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde“709. Auch ohne die ausdrückliche Bezeichnung als „Genussrechte im Sinne des § 10 Abs. 5 KWG“ erschließe 707  BGH NZG 2014, 661, 662 ff. – Corealcredit; s. dazu Hennrichs/Wilbrink, NZG 2014, 1168 ff.; Maerker/Ashrafnia, DB 2014, 2210 ff. 708  Nach § 1 des (seinerzeit geltenden) Hypothekenbankgesetzes bestand die Aufgabe einer Hypothekenbank darin, inländische Grundstücke zu beleihen und aufgrund der erworbenen Hypotheken Schuldverschreibungen auszugeben. 709  BGH NZG 2014, 661, 662 – Corealcredit.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen185

sich vernünftigen Verkehrs- und Wirtschaftskreisen, dass die Emittentin aufsichtsrechtliches Haftkapital generieren wollte und dass der Begriff der Verlustteilnahme im Sinne des § 10 Abs. 5 KWG a. F. eine Unterscheidung nach der Art der Verlustursache nicht zulasse710. Der BGH stellte aber klar, dass die in § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KWG a. F. festgeschriebene Verlustteilnahme „einem Schadensersatzanspruch der Genussrechtsinhaber gegen die Gesellschaft wegen einer Tätigkeit außerhalb ihres Unternehmensgegenstands, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde, nicht entgegen stehe“711. Damit hat der BGH nicht nur den Haftungsmaßstab im Hinblick auf außerstatutarische Geschäfte entsprechend den Forderungen der Wissenschaft eingeschränkt, sondern zugleich gegen die im Schrifttum vertretene Ansicht712 entschieden, die der vollen Verlustteilnahme im Sinne des § 10 Abs. 5 KWG a. F. eine Sperrwirkung gegenüber „Klöckner-Ansprüchen“ entnehmen wollte. Anders als Mülbert hat der BGH einen prinzipiellen Vorrang des individuellen Anlegerschutzes angenommen. Die Frage, ob und in welchen Fällen bankrechtliche Normzwecke das Nebeneinander von Aufsichts- und Zivilrecht durchbrechen können, sei vom nationalen Gesetzgeber zu bestimmen713. Als Beispiel für eine solche gesetzgeberische Wertung nennt der BGH den Ausschluss von Kündigungsrechten in § 10 Abs. 5 KWG714. Dem punktuellen Ausschluss zivilrechtlicher Kündigungsrechte für Eigenkapitalsurrogate unter § 10 Abs. 4 KWG a. F. sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang aufsichtsrechtlicher Zwecke nicht gewollt hat715. 5. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10.6.2016 Zuletzt verfolgte der BGH erneut eine restriktivere Linie. In seiner bereits dargestellten Entscheidung vom 10.6.2016716 forderte der BGH für einen Auskunftsanspruch von Genussrechtsinhabern den begründeten Verdacht für ein „rechtswidriges“, „rechtsmissbräuchliches“, „treuwidriges“, „manipulati710  Zum Begriff der Verlustteilnahme i. S. d. § 10 Abs. 5 KWG a. F. vgl. Habersack, AG 2009, 801, 802; Kokemoor/Theilig, WM 2011, 337 f.; Kokemoor, WM 2009, 1637, 1639 f. 711  BGH NZG 2014, 661, 662. 712  Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 696; Busch, AG 1993, 163, 165; Kokemoor/Theilig, WM 2011, 337 f. 713  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 190. 714  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 190. 715  Vgl. zum dogmatischen Rangverhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht sowie zu positiven Anreizwirkungen von Schadensersatzansprüchen im Bankenrecht die Argumentation bei Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 146 ff. 716  BGH ZIP 2016, 1529.

186 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

ves“ oder „gezielt den Interessen der Genussscheininhaber zuwiderlaufendes“ Verhalten der Emittentin717. In der Urteilsbegründung bleibt allerdings offen, ob der Maßstab, der sprachlich an die Entscheidung des RG aus dem Jahr 1922 erinnert, lediglich bei Auskunftsansprüchen anzusetzen ist oder eine generelle Aussage im Sinne einer Abkehr von der „Klöckner-Judikatur“ beinhaltet. Es wird insofern als missverständlich und mehrdeutig angesehen, dass der BGH ein „treuwidriges“ Verhalten der Emittentin verlangt. Die jüngere Literatur sieht darin keine Bezugnahme auf eine besondere Treupflicht der Emittentin gegenüber Genussrechtsinhabern, wie sie noch im Fall Klöckner & Co KGaA und dessen Folgeentscheidungen postuliert wurde, sondern deutet die Formulierung als eine Rückbesinnung auf den allgemeinen schuldrechtlichen Residualschutz, der aus den §§ 138, 162, 226, 242, 315, 826 BGB abgeleitet wird718. Da sich die Entscheidung allerdings nur mit In­ formationsrechten befasst und kein klares Bekenntnis gegen die bisherige Rechtsprechung beinhaltet, kann von einer tatsächlichen Aufgabe der „Klöck­ ner-Judikatur“ derzeit noch nicht gesprochen werden. 6. Folgerung Die Aufbereitung der historischen Entwicklung bestätigt, dass die Etablierung besonderer Sorgfaltspflichten in Genussrechtsverhältnissen als Korrelat des praktischen Bedeutungszuwachses von Hybridbeteiligungen entstanden ist. Die Diskussion um die Steigerung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen in den 1990er Jahren sowie verschärfte Bemühungen der Wirtschaft, die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen im Wege der Mezzanine-Finanzierung kostengünstig zu steigern, förderten die Attraktivität von Genussrechten als Anlageobjekt auch für Kleinanleger. Die Rechtsprechung des BGH fügt sich dem Bestreben, dieser Finanzierungsform in dem veränderten Marktumfeld zur Durchsetzung zu verhelfen719. Das Marktumfeld der neuen Kapitalklasse ist indes ein ganz anderes. Aufgrund ihrer hohen Komplexität und der nur schwer zu beurteilenden Risiken gelten bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen als ungeeignet für Kleinanleger. In England hat die FCA den Vertrieb an Kleinanleger verboten720 und in Deutschland haben bereits im Jahr 2014 die ESMA721 und die BaFin vor den Risiken für Kleinanleger gewarnt. Zwar wurde ein Ver717  s.

hierzu den Nachw. in Fn. 495. Florstedt, ZIP 2017, 49, 57. 719  Vgl. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 136. 720  Pressemitteilung der FCA v. 5.8.2014, abrufbar unter https://www.fca.org.uk. 721  ESMA, Statement v. 31. Juli 2014 (ESMA/2014/944), S. 3, abrufbar unter ­https://www.esma.europa.eu. 718  Vgl.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen187

kaufsverbot an Privatanleger in Deutschland bislang nicht verhängt, allerdings sind Kleinanleger bei den bisherigen Emissionen bereits durch den Mindestnennwert ausgeschlossen, der in Deutschland im Regelfall bei mindestens 100.000,– Euro liegt722. Der Markt wird auf Käuferseite durch Banken und Fonds dominiert. Das Engagement von Hedge Fonds auf dem Markt für bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen betrug nach dem Quartalsbericht der BIZ im September 2013 lediglich neun Prozent723, Experten gehen jedoch davon aus, dass das Engagement in Anbetracht weiterer Emissionen und der temporären Beruhigung auf den Finanzmärkten inzwischen angestiegen ist724. Der Kleinanlegerschutz hat in diesem Marktumfeld keine vergleichbare Bedeutung mehr. Im Gegenteil wäre bei einem Festhalten an den starren Haftungsregeln der „Klöckner-Doktrin“ zu befürchten, dass Investoren, die bedingte Pflichtwandelanleihen notleidender Kreditinstitute gezielt aufkaufen, um im Wege der Umwandlung der Anleihen günstig Unternehmensanteile zu erwerben, die Schadensersatzansprüche nutzen, um die finanziellen Risiken ihres Investments zu minimieren725. In Extremfällen könnten die Klagemöglichkeiten sogar gezielt verwendet werden, um sich den Lästigkeitswert der Zivilverfahren in zeitkritischen Sanierungs- und Abwicklungssituationen gegen hohe Vergleichszahlungen abkaufen zu lassen. Die Übertragung einer Emittentenhaftung auf Grundlage gesteigerter Sorgfaltspflichten bei der neuen Kapitalklasse begegnet schon aus diesem Grund bedenken726.

III. Tatbestand und Rechtsfolgen eines Sekundäranspruches nach den Grundsätzen der „Klöckner-Judikatur“ Ausgehend von der Hypothese, dass die „Klöckner-Judikatur“ de lege lata noch immer Bestand hat, sollen der Tatbestand und die Rechtsfolgen eines vertraglichen Restitutionsanspruches näher beleuchtet werden. Vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten können bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses (culpa in contrahendo)727, nach seiner Beendigung (culpa post contrac722  Vgl. Nodoushani, WM 2016, 589, 597; in der Schweiz sahen die bisherigen Emissionen ein Minimum von 250.000,–, 100.000,– CHF, vereinzelt aber auch nur 5.000,– CHF vor, s. Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 521 f. 723  BIZ-Quartalsbericht September 2013, abrufbar unter: htttp://www.bis.org. 724  Vgl. Nodoushani, WM 2016, 589, 596. 725  Vgl. Hülsen, die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 249 f.; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 157; KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 136. 726  Vgl. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 136, der eine Beibehaltung der Rechtsprechungsgrundsätze u. a. wegen der veränderten Marktsituation ablehnt. 727  Für eine Reichweite der Nebenpflichten in das vorvertragliche Stadium Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 124.

188 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

tum finitum), jedenfalls aber bei dessen Durchführung auftreten. Da ein primärrechtlicher Wiederauffüllungsanspruch des Kapitalkontos nicht mehr in Betracht kommt, sobald die vertragliche Grundlage nicht mehr besteht, bleibt dem Gläubiger nur die Möglichkeit, seine Rechte auf der Sekundärebene im Wege des Schadensersatzes gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB durchzusetzen728. 1. Schuldverhältnis Nach § 241 Abs. 2 BGB kann jedes Schuldverhältnis in Abhängigkeit von seinem Inhalt zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Partei verpflichten. Aufgrund der generalklauselartigen Formulierung des § 241 Abs. 2 BGB ist es Sache des Gerichts, in ergänzender Auslegung des konkreten Schuldverhältnisses gem. §§ 157, 242 BGB das Pflichtenprogramm im Einzelnen auszudifferenzieren729. Dabei soll es grundsätzlich auch keine Rolle spielen, ob die Pflichtverletzung zu einer Zeit stattfand, zu der die Gläubiger noch nicht investiert hatten. Anderenfalls könnte die Emittentin durch Bilanzgestaltungen eingetretene Verluste erst zeitlich verzögert ausweisen und damit Neuinvestoren von einer Klagemöglichkeit ausschließen730. Hierzu stellte der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 klar: „Die Klägerinnen sind auch Inhaberinnen der Schadensersatzansprüche geworden, wenn sie die Genussrechte zeitlich nach den von ihnen behaupteten Pflichtverletzungen der Vorstände der Beklagten erworben haben. Inhaber des Sekundäranspruchs nach § 280 BGB ist grundsätzlich der jeweilige Gläubiger des Hauptanspruchs, auch wenn eine Pflicht vor der Abtretung verletzt wurde. Die Klägerinnen können auch den Schaden geltend machen, der entstanden ist, bevor sie die Genussscheine erworben haben. Bei Schadensersatzansprüchen eines Genussscheininhabers wegen fehlerhafter Geschäftsführung ist davon auszugehen, dass sie von der Abtretung des Hauptanspruchs umfasst werden.“731 2. Verletzung von Nebenpflichten Der „Klöckner-Judikatur“ geht von der Überlegung aus, dass sich das Genussrechtsverhältnis als Dauerschuldverhältnis sui generis nicht in dem ausdrücklich vereinbarten Pflichtenprogramm erschöpft, sondern Grundlage für 728  So

in BGHZ 119, 305, 306, 331 = NJW 1993, 57 – Klöckner. ausf. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 598 f. 730  Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 698. 731  BGH NZG 2014, 661, 666 – Corealcredit.

729  Vgl.



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen189

weitergehende Schutz- und Sorgfaltspflichten ist, die auf die Wahrung der Rechte des anderen Vertragsteils und der Rücksichtnahme auf seine wohlverstandenen Interessen gerichtet sind. Auch bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen dürften an dem grundsätzlichen Bestehen schuldrechtlicher Nebenpflichten nach der Einführung des § 241 Abs. 2 BGB durch die Schuldrechtsreform 2002732 kaum noch Zweifel bestehen. Insbesondere kann die Annahme einer schadensersatzbewährten Nebenpflicht im Außenverhältnis nicht bereits mit dem pauschalen Argument abgelehnt werden, das in § 93 Abs. 2 AktG vorgesehene Konzept der Innenhaftung werde ausgehöhlt, denn § 826 BGB sowie kapitalmarktrechtliche Haftungstatbestände zeigen, dass eine Außenhaftung grundsätzlich möglich ist. Allerdings lässt sich § 241 Abs. 2 BGB nicht entnehmen, welche Intensität und Zielrichtung die Nebenpflichten in einem konkreten Schuldverhältnis erlangen. a) Keine Anwendung von § 93 Abs. 1 AktG im Außenverhältnis Der BGH hat eine entsprechende Anwendung des aktienrechtlichen Pflichtenmaßstabes nach § 93 Abs. 1 AktG im Außenverhältnis abgelehnt733. Er hat damit Teilen des Schrifttums widersprochen, die im Interesse eines einheitlichen gesellschaftsrechtlichen Haftungsmaßstabes eine entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 1 AktG auf das Genussrechtsverhältnis befürwortet hatten734. Die Unterschiede zwischen der vom BGH eingeschlagenen Richtung und der von Teilen des Schrifttums befürworteten Anlehnung an § 93 Abs. 1 AktG werden allerdings nicht als erheblich angesehen735. Auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 93 Abs. 1 AktG bliebe es bei dem durch die „Business Judgement Rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und zuvor bereits in der „ARAG/Garmenbeck-Entscheidung“736 ausdrücklich anerkannten weiten unternehmerischen Ermessen der Verwaltung. Außerhalb desselben soll ohnehin kein Raum für „unternehmerische Entschlussfreudigkeit und Handlungsspielraum“ bestehen, und zwar weder im Verhältnis zur Gesellschaft

732  Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26. November 2001, BGBl. I, S. 3138. 733  BGHZ 119, 305, 331 = NJW 1993, 57 – Klöckner; s. hierzu die Besprechung bei Lutter, ZGR 1993, 291, 300 ff.; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 190, 417; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 221 Rn. 65a; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, § 221 Rn. 171; Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312, 319 f.; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 595 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 360 ff.; Luttermann, DB 1993, 1809, 1812; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 119 ff. 734  Vgl. MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 276. 735  MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 276. 736  BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck.

190 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

(und damit mittelbar gegenüber den Aktionären) noch im Verhältnis zu den Hybridgläubigern737. Aus systematischer Perspektive überzeugt die Ablehnung des § 93 Abs. 1 AktG. Räumte man Hybridgläubigern ein Recht ein, unmittelbar und unabhängig von der Größe des angelegten Kapitals nach § 93 Abs. 1 AktG gegen die Gesellschaft auf Schadensersatz zu klagen, entstünde leicht ein Wertungswiderspruch zu § 147 Abs. 1 AktG, nach dem einzelne Aktionäre nur in enumerativ aufgezählten Ausnahmefällen klagen dürfen. Kleinaktionäre, deren Beteiligung nicht die Schwelle des § 147 Abs. 2 S. 2 AktG erreicht, wären gegenüber den Hybridgläubigern benachteiligt, obwohl ihre mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte aufgrund der nur geringen Beteiligung faktisch wertlos sind und sie auf die gerichtliche Geltendmachung ihrer An­ sprüche angewiesen sind738. Der Gesetzgeber hat sich im Interesse der Rechtssicherheit bewusst gegen eine actio pro societate entschieden und es ist konsequent, wenn sich diese Entscheidung auch bei hybriden Kapitalgebern, deren wirtschaftliche Stellung mehr oder weniger der von Aktionären angenähert ist, fortsetzt. Bei der Neufassung der §§ 147 ff. AktG im Jahr 2005 hat der Gesetzgeber die Klagemöglichkeit einzelner Aktionäre grundsätzlich erleichtert und die Balance zwischen einer positiven Anreizsetzung durch eine Haftungsgefahr einerseits und einem negativen Einschüchterungseffekt andererseits durch das Zusammenspiel einer beschränkten Klagemöglichkeit (§§ 147 ff. AktG) und dem Zugeständnis der „Business Judgement Rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG hergestellt739. Weitere Klagemöglichkeiten sind in diesem Regelungssystem nicht vorgesehen und im Hinblick auf die mit querulatorischen Klagen wachsende Gefährdung der Rechtssicherheit im Aktienrecht auch nicht angezeigt740. Der Pflichtenmaßstab erreicht nach den „Klöckner-Grundsätzen“ insofern nur ein Mindestmaß, das hinter dem Maßstab der §§ 76, 93 AktG zurückbleibt741. b) Pflicht zur Unterlassung kaufmännisch-unseriöser Entscheidungen Nach der „Klöckner-Judikatur“ soll eine gesteigerte Nebenpflicht der Emittentin bestehen, „kaufmännisch unseriöse und verantwortungslose“ Ge737  MünchKommAktG/Habersack,

§ 221 Rn. 276. Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 197. 739  s. zur Reform des Minderheitenrechts im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Organhaftung durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Aktienrechts (UMAG) v. 27. September 2005, BGBl. I S. 2802 überblicksartig Kalss/ Adensamer/Eckert, Vorstandshaftung in 15 europäischen Ländern, S, 371 ff. m. w. N.; ausf. Baums, Gutachten F für den 63. DJT, passim. 740  s. dazu sogleich 1. Teil: § 8 III.2.b). 741  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 189. 738  Heeren,



§ 8 Judikatur des Bundesgerichtshofes in Genussrechtsverhältnissen191

schäftsführungsmaßnahmen zu unterlassen. Der an einem fiktiven Kaufmannsverhalten orientierte Pflichtentypus ist im Schrifttum aufgrund der generalklauselartigen Formulierung des Tatbestandes vielfach kritisiert worden742. Der Tatbestand wird deshalb dergestalt ausgefüllt, dass der Vorstand eine Pflichtverletzung begeht, wenn er Geschäfte auf Kosten der Gesellschaft allein zu eigennützigen Zielen verfolgt, wichtige Entscheidungen trotz nicht vorhandener Kenntnisse der genauen Umstände „aus dem Bauch heraus fällt“ oder Geschäfte eingeht, bei denen der Erwartungswert offensichtlich negativ ist (Lottospiel, Wetten, Roulette usf.)743. Aus dogmatischer und rechtspolitischer Perspektive ist in zweierlei Hinsicht eine restriktive Auslegung der Nebenpflicht zur Unterlassung „kaufmännisch unseriöser und verantwortungsloser“ Geschäftsführungsmaßnahmen geboten: Erstens kann eine extensiv ausgelegte Haftung für bloß unseriöses Wirtschaften im Außenverhältnis mit dem kollektiven Gläubigerschutz in Konflikt treten. Das Aktienrecht hat mit der in § 93 AktG normierten Innenhaftung ein spezielles Haftungsinstitut der Kapitalerhaltung vorgesehen. Zwar hat der BGH eine entsprechende Anwendung des § 93 AktG auf das Verhältnis zu Hybridgläubigern mit guten Argumenten abgelehnt744. Es wird aber befürchtet, dass die vom Gesetzgeber für das Aktienrecht geschaffenen Kapitalschutzprinzipien durch eine zu extensive Auslegung der „Klöckner-Grundsätze“ leicht ausgehöhlt werden könnten. Eine Haftung für bereits „unseriöses“ Wirtschaften könnte aufgrund der Unbestimmtheit der Haftungsschwelle zu einem unerwünschten Kapitalabfluss an einzelne Hybridgläubiger führen745. Das Konzept der Kapitalerhaltung muss aber grundsätzlich auch dann erhalten bleiben, wenn die Gesellschaft sich in größerem Umfang über hy­ bride Finanzierungsinstrumente finanziert746. Gerade im Bankgesellschaftsrecht ist durch das neue europarechtliche Kapitaladäquanzrecht ein Anstieg hybriden Haftungskapitals zu erwarten747. Im Übrigen haben auch Hy­ 742  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 617 (Der Kreis der Pflichtverstöße lässt sich inhaltlich kaum bestimmen); Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 204 (Formelhafte Aussagen lassen offen, wann Haftung eingreift); Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 62 f.; Florstedt, ZIP 2016, 49, 55 m. w. N. 743  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 204. 744  s. dazu oben 1. Teil: § 8 III.2.a). 745  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  196 f. 746  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 195. 747  s. zu den steigenden Kapitalanforderungen im Eigenmittelrecht oben 1. Teil: § 1 II.1., zu den neuen Kapitalstandards im Sanierungs- und Abwicklungsrecht oben 1. Teil: § 1 II.2.

192 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

bridgläubiger ein Interesse daran, dass die Gesellschaft nicht durch eine plötzliche Belastung mit Schadensersatzansprüchen in ihrem Bestand gefährdet wird bzw. ohne Not das Insolvenzrisiko erhöht wird748. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu entschärfen, wäre es, während der Laufzeit des Finanzierungsinstrumentes zunächst streng an der Innenhaftung festzuhalten und erst bei einer Deinvestitionsentscheidung der Gesellschaft, dem Ende der Laufzeit oder bei sonst fälligen Zahlungsansprüchen einen verschuldensunabhängigen Wertersatzanspruch auf Grundlage einer nachwirkenden Vertragspflicht anzunehmen749. Zweitens kann die Zubilligung von Ersatzansprüchen für lediglich „unseriöses“ Wirtschaften querulatorischen Klägern ein neues, derzeit kaum abschätzbares Betätigungsfeld bieten750. Das Problem sog. „räuberischer Ak­ tionäre“, die aus dem Lästigkeitswert von Aktionärsklagen Kapital schlagen, ist seit langem bekannt und bereits ausführlich behandelt751. Der kaum abgrenzbare Haftungstatbestand der „Klöckner-Rechtsprechung“ hat zur Folge, dass langwierige und kostenträchtige Gerichtsverfahren stattfinden müssen, um eine Geschäftsführungsmaßnahme ex post auf ihre Seriosität zu überprüfen. Bei einer Ausdehnung der Haftungsgrundsätze wäre daher zu befürchten, dass nun auch „räuberischen Gläubigern“ – neben dem ohnehin schon befürchteten Manipulations- und Spekulationspotential bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen – ein zusätzlicher Raum für missbräuchliche Klagen, die auf die Ausnutzung des Drohpotentials langwieriger Gerichtsverfahren zum Abschluss eines Vergleiches gerichtet sind, geschaffen würde. Schließlich ist im Hinblick auf den etwa missverständlichen Wortlaut der „Klöckner-Entscheidung“, nach der eine Pflicht der Gesellschaft bestehen soll, vertragswidrige Beeinträchtigungen zu unterlassen, klarzustellen, dass kein vorbeugender Unterlassungsanspruch von Hybridgläubigern gegen einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen besteht. Zwar mehren sich im Schrifttum Stimmen, die entgegen der bislang herrschenden Meinung, nach der Nebenpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB selbst nicht einklagbar sind, 748  Zu diesem Aspekt vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 619; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 386. 749  s. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 620; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 197. 750  Vgl. schon Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93, der befürchtet, dass Gesellschaften durch eine solche Haftungsdoktrin zunehmend erpressbar würden. 751  s. zu der Problematik sog. „räuberischer Aktionäre“ und die dagegen gerichteten Maßnahmen in Rechtsprechung und Gesetzgebung exemplarisch Fiebelkorn, Die Reform der aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen, passim; Baums, Gutachten F für den 63. DJT, passim; Vetter, AG 2008, 177 ff.; Verse, NZG 2009, 1127 ff.; Zöllner, AG 2000, 145 ff., jew. m. w. N.



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aufgrund der deliktsähnlichen Natur des Anspruchs einen Unterlassungsanspruch aufgrund von Nebenpflichten zulassen wollen752. Im aktienrechtlichen Machtgefüge jedoch, wo die Kontrolle des Vorstands allein dem Aufsichtsrat obliegt (§ 111 AktG) und selbst Aktionäre nur unter sehr engen Voraussetzungen einen Abwehr- und Unterlassungsanspruch haben können, besteht für ein Abwehrrecht von Hybridgläubigern kein Raum. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass Gläubiger faktisch eine Überwachungsfunktion wahrnehmen bzw. durch Unterlassungsklagen das Tagesgeschäft stören. Eine extensive Interpretation der Haftungsgrundsätze aus dem „Klöckner-Urteil“ könnte insoweit in Konflikt mit grundlegenden aktienrechtlichen Wertungen treten. Gesellschaftsrechtlich ist es gerade der Sinn einer Mezzanine-Finanzierung, Kapital aufzunehmen und dennoch „Herr im Haus“ zu bleiben753. c) Pflicht zur Einhaltung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes Der zweite Pflichtenteil der „Klöckner-Judikatur“ ist auf die Einhaltung des in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstands gerichtet. Auch dieser Nebenpflicht liegt der Gedanke zugrunde, dass der Gläubiger, der einer Gesellschaft Kapital mit der Maßgabe zur Verfügung stellt, dass es haftungsrechtlich teilweise dem Eigenkapital gleichsteht, von der dem Vertragspartner erkennbaren Erwartung ausgeht, dass sich die Gesellschaft im Rahmen des von der Satzung vorgegebenen Unternehmensgegenstandes bewegt. Der nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG obligatorisch anzugebende Unternehmensgegenstand beschreibt die Art der Tätigkeit, welche die Gesellschaft zu betreiben beabsichtigt. Dadurch soll einerseits die interessierte Öffentlichkeit über die Tätigkeit des Unternehmens informiert (Informationsfunktion) und andererseits das Tätigkeitsfeld der Unternehmensleiter begrenzt werden (Begrenzungsfunktion). Nach § 82 Abs. 2 BGB begrenzt der Unternehmensgegenstand das Tätigkeitsfeld des Vorstands aber nur der Gesellschaft gegenüber. Er regelt die Kompetenzordnung im Innenverhältnis. Es erscheint daher systematisch fragwürdig, wenn der BGH die Einhaltung des Unternehmensgegenstandes als Haftungsgrundlage im Außenverhältnis heranzieht754. Bis zur „Klöckner-Entscheidung“ des BGH entsprach es einer herrschenden Lehre, dass es eine derartige Ultra-Vires-Doktrin im Außenverhältnis nicht gibt755. Der dogmatische Systembruch soll nach Ansicht des BGH durch eine wirtschaftliche 752  Vgl. 753  Vgl.

zum Meinungsstand MünchKommBGB/Bachmann, § 241 Rn. 62 ff. Sethe, AG 1993, 293, 296; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft,

S. 619. 754  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 612 f. 755  Explizit Claussen, AG 1993, 125, 133 m. w. N.

194 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Betrachtung nachvollziehbar sein, da Genussrechtsinhaber – ebenso wie Ak­ tionäre – neben dem Insolvenzrisiko durch die Vereinbarung einer Gewinnund Verlustteilnahme auch einen Teil des Ertragsrisikos zu tragen hätten und das Ertragsrisiko mit dem Unternehmensgegenstand in unmittelbarem Zusammenhang stehe756. Mag das bei aktienähnlichen Genussrechten wegen der wirtschaftlichen Annäherung an Aktionärsrechte noch einleuchten, so stimmt die Übertragung dieser Grundsätze auf Instrumente mit Festzins ohne laufende Gewinn- und Verlustteilnahme schon eher nachdenklich. Zudem ist der Unternehmensgegenstand oft zu allgemein beschrieben, um eine trennscharfe Abgrenzung einzelner Tätigkeiten vorzunehmen. Die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe sind unterschiedlichsten Auslegungen zugänglich757. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit kann die Geschäfts- und Rechtspraxis vor erhebliche Herausforderungen stellen. Es ist daher konsequent, wenn der BGH in seinem Urteil aus dem Jahr 2014 der Kritik aus dem Schrifttum758 gefolgt ist und einen Schadensersatzanspruch nur noch „wegen einer Tätigkeit außerhalb ihres Unternehmensgegenstands, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde“, zugelassen hat759. Jedenfalls kann eine Nebenpflicht zur Einhaltung des Unternehmensgegenstandes im Außenverhältnis nicht so weit gehen, dass die den Aktionären nach § 179 Abs. 2 S. 2 AktG zustehende Rechtsmacht, mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals den Unternehmensgegenstand ändern zu können, eingeschränkt wird760. Ein Gericht kann in der für die Festlegung vertraglicher Nebenpflichten anzustellenden ergänzenden Vertragsauslegung nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Gesellschaft die Beibehaltung ihres Unternehmensgegenstandes uneingeschränkt versprochen bzw. an eine Zustimmung der Hybridgläubiger gekoppelt hat761. Zwar hätte eine Missachtung von Zustimmungsrechten der Hybridgläubiger bei Satzungsänderungen nicht die Unwirksamkeit der Satzungsänderung zur Folge, gleichwohl wäre die Handlungsfähigkeit der Emittentin eingeschränkt, weil sie vertragliche Schadensersatzforderungen der Gläubiger zu befürchten hätte762. Die Gläubiger er756  Näher zu dieser These Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 201 (Es macht eben einen Unterschied, ob man in ein Biotechnologieoder ein Energieunternehmen investiert). 757  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 202. 758  Vgl. die Nachw. in Fn. 689. 759  BGH NZG 2014, 661, 662 – Corealcredit. 760  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 201. 761  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 615. 762  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 615.



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scheinen bei Satzungsänderungen aber ohnehin nicht so schutzwürdig wie im Fall einer „heimlichen“ Überschreitung der satzungsmäßigen Grenzen, da sie durch die ordnungsgemäße Ankündigung und Beschlussfassung sowie die Handelsregisterpublizität informiert werden und ihre Beteiligung abstoßen können, bevor sich etwaige Risiken realisieren. Ein Verzicht der Gesellschaft auf Änderungen des Unternehmensgegenstandes während der Laufzeit des Finanzierungsinstrumentes ist daher nur durch einen Hauptversammlungsbeschluss mit der in § 179 Abs. 2 S. 2 AktG genannten Mehrheit möglich763. Bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, welche weit überwiegend von institutionellen Anlegern gezeichnet werden, dürfte ohnehin anzunehmen sein, dass diese mit den aktienrechtlichen Kompetenzen vertraut sind und sich mit der Investitionsentscheidung bewusst darauf eingelassen haben. 3. Vertretenmüssen Die Urteilsgründe der bisherigen Entscheidungen lassen eine klare Aussage darüber vermissen, ob der gesteigerte Pflichtenmaßstab auch auf Ebene des Vertretenmüssens anzusetzen ist. Teilweise finden sich im Schrifttum Ansätze, die das Erfordernis des „schlechthin unseriösen und verantwortungslosen“ Handelns im Rahmen der Pflichtverletzung als Beleg dafür heranziehen, dass es auch bei der Definition eines Verschuldensmaßstabes eines grob fahrlässigen oder leichtfertigen764, „gröbst“ fahrlässigen765 oder gar „vorsätzlichen, vollkommen unvertretbaren“766 Verhaltens bedürfe. Überzeugender ist es allerdings, mit der wohl überwiegenden Literaturmeinung auf die allgemeinen Regelungen zurückzugreifen, da die BGH-Judikatur keinen Anlass zu einer ausdrücklichen Modifizierung des Verschuldensmaßstabes gibt767. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob hierbei auf schuld- oder organisationsrechtliche Vorschriften zurückzugreifen ist, denn sowohl § 276 Abs. 1 S. 1 HS. 1 BGB als auch § 93 Abs. 1, Abs. 2 AktG definieren als Verschuldensmaßstab vorsätzliches und fahrlässiges Handeln. Danach genügt es für den anspruchsbegründenden Tatbestand, wenn – soweit die qualifizierte Pflichtverletzung gegeben ist – diese durch ein nur geringfügiges Außerachtlassen der im Verkehr gebotenen Sorgfalt begangen wird. Vereinzelte Befürchtungen, eine Haftung für bereits einfaches Verschulden könne eine 763  Heeren,

Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 201. Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312, 320; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 617. 765  Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. 766  KölnkommAktG/Lutter, 2. Aufl. 1995, § 221 Rn. 355. 767  Vgl. GroßkommAktG/Hirte, § 93 Rn. 253 f.; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 134. 764  Vgl.

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Klageflut nach sich ziehen und würde die Emittenten erpressbar machen768, haben sich bislang nicht bestätigt, da die Hürde für eine Haftung noch immer hoch ist und in den meisten Fällen die grob pflichtwidrige Geschäftsführung ohnehin mit einem grob fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Verhalten einhergeht769. Vertragspartner des Genussrechts- bzw. Anleiheschuldverhältnisses und Adressat der Schutzpflichten ist die AG770. Ihr ist das Verhalten ihrer Organe analog § 31 BGB bzw. das der übrigen Angestellten nach Maßgabe des § 278 BGB zuzurechnen771. 4. Haftungsausfüllender Tatbestand Im haftungsausfüllenden Tatbestand kann die Frage nach der Berechnung des Schadens erhebliche Schwierigkeiten bereiten772. Mangels spezialgesetzlicher Regelung, wie sie der Gesetzgeber etwa im Rahmen gesetzlicher kapitalmarktrechtlicher Haftungstatbestände vorgesehen hat773, sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB maßgeblich. Der zu ersetzende Schaden wird nach der Differenzhypothese durch Gegenüberstellung des aktuell vorhandenen Vermögens mit dem Vermögen, das ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, ermittelt. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der ohne das pflichtwidrige Ereignis bestehen würde. a) Naturalrestitution oder angemessene Entschädigung? Im Fall einer Wertminderung des Hybridkapitals muss die Emittentin dieses grundsätzlich wieder auffüllen und ausgefallene Ausschüttungen nachholen. Diese Grundsätze gelten für Genussrechte, die laufend an Verlusten teilgenommen haben, und für Anleihen, die teilweise herabgeschrieben wurden, gleichermaßen. Etwas Anderes gilt bei Titeln des § 221 AktG, wenn diese durch Einziehung, Kraftloserklärung oder vollständige Herabschreibung endgültig untergegangen sind, d. h. ein endgültiger Rechtsverlust eingetreten ist. Eine Naturalrestitution wäre in einem solchen Fall nur durch die Ausgabe neuer Instrumente möglich. Ein Schadensersatzverlangen kann aber Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 135. 770  Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 389. 771  BGHZ 119, 305, 333 = NJW 1993, 57 – Klöckner; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 398; Sethe, AG 1993, 351, 361. 772  Vgl. Rid-Niebler, Genußrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 116; Vollmer, ZGR 1983, 468. 773  Vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 WpPG, § 20 Abs. 1 S. 1 VermAnlG, § 306 Abs. 1 S. 1 KAGB, §§ 37b, 37c WpHG. 768  Vgl. 769  Vgl.



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die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung zum Schutz der Aktionäre nicht außer Kraft setzen bzw. ein Gerichtsurteil einen Hauptversammlungsbeschluss gem. § 221 AktG nicht ersetzen774. Der klagende Hybridgläubiger kann in einem solchen Fall daher nur den Ersatz des Differenzschadens als Wertersatz nach § 251 Abs. 1 BGB verlangen775. Der Gesellschaft soll allerdings ein Wahlrecht zustehen, anstelle einer Geldzahlung tatsächlich neue gleichwertige Instrumente auszugeben776. Dies muss der geschädigte Gläubiger hinnehmen, solange ihm nicht aufgrund der Pflichtverletzung ohnehin ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung zugestanden hätte777. Da Herabschreibungsanleihen nach der hier vertretenen Auffassung nicht dem § 221 AktG unterfallen, ist bei diesen eine Naturalrestitution durch Ausgabe neuer Anleihen ohne weiteres möglich. b) Berechnung des Differenzschadens Kommt eine Naturalrestitution nicht in Betracht, kann der geschädigte Hybridgläubiger zumindest Ersatz des sog. Differenzschadens als Wertersatz nach § 251 Abs. 1 BGB verlangen. Dabei kann die Frage der konkreten Schadensberechnung aufgrund der Vielgestaltigkeit der möglichen Sachverhalte und der zu beachtenden Berechnungsfaktoren erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten778. Grundsätzlich kann das Gericht die Höhe des Schadens nach dem gelockerten Beweismaßstab des § 287 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung bemessen. Bei bedingten Pflichtwandelanleihen erweist sich die Ermittlung des Wert­ersatzes als besonders schwierig. Anders als bei herkömmlichen Wandel- und Optionsanleihen, bei denen im Schadensfall auf die Wertminderung des Wandlungsrechts, orientiert am geminderten Kurswert der Bezugsaktien, abgestellt wird779, kann hier nur der Wert der Anleihe vor dem schä774  BGHZ 119, 305, 331 f. = NJW 1993, 57 – Klöckner; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 187; Dangelmayer, Genussrechts­ inhaberschutz, S. 136. 775  BGHZ 119, 305, 333 f. = NJW 1993, 57 – Klöckner; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 620; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 136. 776  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 187. 777  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 187. 778  Der Schaden kann variieren je nach dem Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere, dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Pflichtverletzung, den Motiven für die Anlageentscheidung, einer zwischenzeitlichen Veräußerung der Papiere, Folgeverlusten u. v. m., vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente S. 187; ausf. Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, S. 294 ff., 321 ff. 779  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  187; a. A. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 621, der einen angemessenen Ausgleich über eine verhältnismäßige Herabsetzung des Bezugskurses, die

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digenden Ereignis zur Schadensermittlung herangezogen werden, denn das – nur der Technik des Aktienrechts geschuldete – Wandlungsrecht steht nicht dem klagenden Gläubiger, sondern der Emittentin zu. Es darf aber nicht der Nennwert der Anleihe erstattet werden, denn dann wäre es möglich, dass der klagende Gläubiger durch die Entschädigung wirtschaftlich bessergestellt wird, als er vor der Pflichtverletzung tatsächlich gestanden hat. Tatsächlich dürfte der Schaden der Anleihegläubiger in der Differenz aus dem letzten „ungestörten“ Zeitwert der Anleihe vor der Pflichtverletzung und dem bereits durch die Wandlung verwässerten Wert der Bezugsaktien liegen. Dieser letzte „ungestörte“ Zeitwert der Anleihe kann leicht ermittelt werden, wenn die Anleihe börsengehandelt wird780. Ansonsten müsste in einer sinngemäßen Übertragung der vom BGH in seiner EM.TVEntscheidung dargelegten Grundsätze mittels Sachverständigengutachten und unter Berücksichtigung moderner finanzmathematischer Methoden der hypothetische letzte Zeitwert der Anleihe vor der Pflichtverletzung ermittelt werden, der als Grundlage für eine richterliche Schätzung nach § 287 ZPO dienen kann781. Die damit verbundenen Unsicherheiten wären hinzunehmen. Die Geschädigten können dann entweder Ersatz des letzten „ungestörten“ Zeitwertes der Anleihe Zug-um-Zug gegen Rückgabe der bereits erlangten Aktien verlangen oder aber bereits erlangte Aktien behalten und Ersatz des letzten „ungestörten“ Zeitwertes der Anleihe abzüglich des Zeitwertes der erlangten Aktien verlangen. Wenn eine Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen unter der CRR bzw. der BRRD zu Sanierungs- bzw. Abwicklungszwecken erfolgt, ergibt sich im Hinblick auf die Schadensberechnung noch ein weiteres Problem: Der tatsächliche Schaden der Anleger wird sich in aller Regel erst bestimmen lassen, wenn die Sanierung bzw. Abwicklung der Emittentin nach den hierfür vorgesehenen Sanierungs- oder Abwicklungsplänen abgeschlossen ist. Damit können zum einen zeitliche Verzögerungen auftreten, die die Schadensberechnung aufgrund weiterer dazwischentretender Umstände zusätzlich verkomplizieren. Zum anderen würden Gerichte vor die Aufgabe gestellt, durch die Schadensberechnung in die von der BRRD vorgesehene Lastenverteilung einzugreifen. Diese Aufgabe ist nach dem neuen Sanierungs- und Abwicklungsrecht für Banken aber gerade der zuständigen Abwicklungsbehörde zusich an dem durch die Pflichtverletzung verursachten Kursabschlag der Aktien orientiert, sicherstellen will. 780  Zahlreiche der bisher begebenen bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen sind börsengehandelt, vgl. hierzu etwa den aktuellen Markt an der Stuttgarter Wertpapierbörse, einsehbar unter https://www.boerse-stuttgart.de. 781  Vgl. BGH ZIP 2005, 1270, 1274 f. – EM.TV; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 188.



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gewiesen782. Es zeigt sich somit bereits an dieser Stelle, dass eine auf gesteigerten Nebenpflichten beruhende Anlegerschutzdogmatik, die eine Serio­ sitätskontrolle einzelner Geschäfte zum Gegenstand hat, zu Konflikten mit der Lastenverteilung nach dem Sanierungs- und Restrukturierungsrecht der Bankenunion führen kann783. 5. Nachrangigkeit Bei Finanzinstrumenten, denen aufgrund ihrer Ausgestaltung Eigenkapitalcharakter zukommt oder die in die besondere Haftungskaskade nach der BRRD eingegliedert sind, muss in der Krise die Wertung durchgreifen, dass die Inhaber gegenüber den vorrangigen Gläubigergruppen zurückzutreten haben784. Das lässt sich erreichen, indem auch Ersatzansprüche gleich den Primäransprüchen nachrangig befriedigt werden785. Anderenfalls wäre zu befürchten, dass Kapital aus der Gesellschaft abfließt, welches den vorrangigen Gläubigern dann nicht mehr zur Verfügung steht. 6. Haftungsfreizeichnung Ein Haftungsausschluss oder eine Haftsummenbeschränkung ist nur bei bilateralen Vertragsverhältnissen durch Individualvereinbarung möglich. Die Haftung für vorsätzliches Verhalten kann wegen § 276 Abs. 2 BGB niemals gänzlich ausgeschlossen werden. Bei fungiblen Wertpapieren, bei denen das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwendung findet, ist eine Haftungsfreizeichnung wegen § 309 Nr. 7b BGB zudem für grob fahrlässige Pflichtverletzungen ausgeschlossen. Darüber hinaus soll eine Freistellung von leicht fahrlässig verursachten Schädigungen ausgeschlossen sein, soweit es um die Verletzung sog. Kardinalpflichten geht786. Zwar besteht keine ein782  s. zur Verteilung der Vermögenswerte und -opfer unter der BRRD Adolff/ Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 963; Binder, ZHR 179 (2015), 83, 118 f.; Engelbach/ Friedrich, WM 2015, 662, 667; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 164. 783  s. ausf. zur Vereinbarkeit einer privatrechtlichen Schadensersatzhaftung mit dem Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unten 1. Teil: § 9 II.2.b). 784  Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 392a. 785  Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 400; MünchkommAktG/ders., § 221 Rn. 279; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/Karollus, AktG, § 221 Rn. 392a; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 136; Frantzen, Genußscheine, S. 130; Busch, AG 1993, 163, 166; Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 621 f.; a. A. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente S. 189 f. (Der Inhaber steht der Gesellschaft wie jeder andere Drittgläubiger gegenüber) mit Verweis auf BGH ZIP 2005, 1270, 1271 ff. – EM.TV. 786  Vgl. Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 137 (zu Genussrechten).

200 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

heitliche Auffassung darüber, was unter dem unbestimmten Begriff der Kardinalpflichten zu verstehen ist. Als gesichert gilt jedoch, dass jedenfalls die im Synallagma stehenden Hauptpflichten darunter fallen, da deren Verletzung den Vertragszweck stets gefährdet787. Ein pauschaler Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit dürfte daher ebenso bedenklich sein wie eine Freistellung der Haftung bei einer Verletzung von Hauptleistungspflichten788. Da die „Klöckner-Judikatur“ nur „äußerste Grenzen seriöser Unternehmens­ führung“789 verwirklichen soll, soll es sich auch dabei um einen in Anleihebedingungen nicht zu unterschreitenden Mindeststandard handeln790.

IV. Ergebnis Der BGH hat den zivilrechtlichen Anlegerschutz in Genussrechtsverhältnissen durch die Anerkennung gesteigerter Nebenpflichten über den gesetz­ lichen Mindeststandard hinaus seit den 1990er Jahren kontinuierlich erweitert. Die historische Aufarbeitung zeigt aber, dass die Rechtsprechung mit der Marktentwicklung von Genussrechtskapital einherging und bei den neuen Hybridinstrumenten, deren Inhaber weniger schutzbedürftig erscheinen, kritisch gesehen werden kann. In dogmatischer und rechtspolitischer Hinsicht sind die auf einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen ausgerichteten Nebenpflichten insbesondere im Hinblick auf die Prinzipien der aktienrechtlichen Kapitalbindung, die innergesellschaftliche Machtverteilung sowie den gesetzlichen Normzweck des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes restriktiv auszulegen. Darüber hinaus bereitet die Berechnung von Vermögensschäden bei einer Kontrolle einzelner, vermeintlich sorgfaltswidriger Geschäfte erhebliche praktische Schwierigkeiten, die ohne eine Inkaufnahme langwieriger und kostenträchtiger Prozesse sowie unausweichlicher Rechtsunsicherheiten kaum zu bewältigen sind.

§ 9 Zur Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse Nachdem die historischen Grundlagen der „Klöckner-Judikatur“ aufbereitet und deren Pflichtenbegriffe kritisch erläutert sind, soll nun vertieft der Frage nachgegangen werden, ob eine Übertragung der Haftungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse bereits de lege lata angezeigt ist. 787  Vgl.

BGH NJW 1992, 2016, 2017; BGH NJW 1993, 335 ff. Sethe, AG 1993, 351, 362; Dangelmayer, Genussrechtsinhaberschutz, S. 137; a. A. offenbar Kallrath, Inhaltskontrolle, S. 123. 789  Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 609. 790  Vgl. Habersack, AG 2009, 801, 806 (zu Genussrechten). 788  Explizit



§ 9 Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze201

I. Der Meinungsstand zur sachlichen Reichweite der „Klöckner-Grundsätze“ Die bisherigen Entscheidungen, in denen der BGH eine gesteigerte Pflichtenbindung gegenüber Hybridgläubigern angenommen hat, hatten stets ak­ tienähnliche Genussscheine zum Gegenstand. Die dort zu findende dogmatische Rechtfertigung gesteigerter Sorgfaltspflichten erscheint bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auf den ersten Blick identisch: Die Anleihegläubiger können sich ebenfalls weder auf mitgliedschaftliche Einflussrecht noch auf das Verfolgungsrecht nach § 93 Abs. 5 S. 1 AktG berufen und haben wie die Inhaber aktienähnlicher Genussrechte sogar eine Teilnahme an Verlusten im Going Concern zu befürchten. Da die Reichweite der Rechtsprechungsgrundsätze auf andere Finanzierungstitel als aktienähn­ liche Genussrechte aber weitgehend ungeklärt ist, wird im Folgenden zunächst der gesamte Meinungsstand aufbereitet, bevor daraus Rückschlüsse für bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gezogen werden können. 1. Anwendbarkeit auf obligationenähnliche Genussrechte Habersack791, Karollus792 und Lutter793, befürworten eine Erstreckung der „Klöckner-Grundsätze“ zumindest auch auf obligationenähnliche Genussrechte. Inhaber derartiger Papiere hätten zwar keine Herabsetzung ihres Rückzahlungsanspruches, wohl aber eine Verkürzung ihres Gewinnanspruchs zu befürchten. Zudem könnten sie sich nicht auf das Verfolgungsrecht nach § 93 Abs. 5 S. 1 AktG berufen, da dieses voraussetze, dass die Gesellschaft den Anspruch des Gläubigers nicht erfüllen kann. § 93 Abs. 5 S. 1 AktG greife nicht schon dann ein, wenn die Gesellschaft durch sorgfaltswidrige Geschäftsführung geschädigt wird und in der Folge ein gewinnorientierter Anspruch des Gläubigers erst gar nicht oder nur in eingeschränktem Umfang zur Entstehung gelangt794. Auch Fuchs will zumindest im Hinblick auf die Einhaltung des statutarischen Unternehmensgegenstandes auch obligationenähnliche Genussrechte und Gewinnschuldverschreibungen in den Anwendungsbereich der Rechtsprechungsgrundsätze einbeziehen795. Der Gedanke eines Schutzes vor einer einseitigen Risikoverlagerung durch eine nachträgliche unautorisierte Veränderung des Investitionsobjekts sei auf alle hybriden 791  MünchKommAktG,

§ 221 Rn. 274. AktG, § 221 Rn. 385. 793  ZGR 1993, 291, 302. 794  MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 274. 795  Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 613. 792  Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff,

202 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Finanzierungsinstrumente übertragbar, bei denen Gewinn- oder Rückzahlungsansprüche vom Unternehmensgegenstand der Emittentin abhängen. 2. Anwendbarkeit auf Nachranganleihen Vereinzelt finden sich sogar Stimmen, welche die gesteigerten Sorgfaltspflichten über die bisherige Rechtsprechung hinaus auch auf (lediglich) nachrangige Anleihen ausdehnen wollen796. Das kapitalsuchende Unternehmen verpflichte sich nach Treu und Glauben gegenüber allen Risikokapitalgebern dazu, bestimmte äußerste Grenzen an Unternehmensführung einzuhalten797. Diese – weitgreifenden – Ansätze sind jedoch vereinzelt geblieben. Bereits die Abstufungen in der aufsichtsrechtlichen Wertigkeit zwischen nachrangigen Gläubigern und Gläubigern mit Erfolgsteilnahme im laufenden Geschäftsbetrieb zeigen die Unterschiede der übernommenen Risiken. Nachranganleihen vermitteln zudem keine mitgliedsähnliche Gläubigerstellung, da sich die Risiken der Subordination erst im Gone Concern auswirken. Sie werden aus diesem Grund ganz überwiegend nicht mehr als aktienähnliche Finanzierungsinstrumente angesehen798. 3. Anwendbarkeit auf herkömmliche Wandel- und Optionsanleihen Habersack und Heeren bejahen eine Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze unter Verweis auf die ebenfalls lediglich schuldrechtliche Beteiligung und den Gedanken der Kompensation fehlender mitgliedschaftlicher Verwaltungsrechte auch auf herkömmliche Wandel- und Optionsanleihen799. Über das Aktienbezugsrecht nehme der Inhaber solcher Anleihen in ähnlicher Weise am Erfolg der Emittentin Teil, wie der Inhaber eines aktienähnlichen Genussrechtes. Fuchs gibt allerdings zu bedenken, dass die Inhaber von Wandel- und Optionsanleihen nur den unternehmensspezifischen Risiken unterlägen, soweit es um die als Gegenleistung für das befristete Bezugsoder Wandelrecht entrichtete Zinsprämie gehe. Davon abgesehen seien Wandelobligationäre aber keiner Erfolgspartizipation ausgesetzt800. Zudem stoße 796  s. etwa Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 206; wohl auch Lutter, ZGR 1993, 291, 301 f. (Genussrechte, gewinnabhängige Anleihen, evtl. sogar sämtliche dauerhafte Schuldverhältnisse); a. A. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 613. 797  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 206. 798  Vgl. nur Böckli, SZW 2012, 181, 182. 799  MünchKommAktG/Habersack, § 221 AktG Rn. 274; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 205 (Anwendbarkeit auf alle hybriden Finanzierungsinstrumente). 800  Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 614 f.



§ 9 Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze203

auch die Schadensberechnung bei Wandel- und Optionsanleihen auf prak­ tische Schwierigkeiten801. Auch Florstedt lehnt eine Anwendbarkeit der „Klöckner-Judikatur“ auf herkömmliche Wandel- und Optionsanleihen ab. Der Gläubiger habe vor der Wandlung nur einen Rückzahlungsanspruch gegen die Emittentin mit einer zusätzlichen spekulativ angelegten Erwerbschance. Er habe aber keine „aktionärsähnliche“ Stellung, die den Genussrechten der bisherigen Gerichtsentscheidungen eigentümlich war802. 4. Anwendbarkeit auf umgekehrte Wandelanleihen Nur wenige Beiträge haben sich bislang mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Grundsätze der „Klöckner-Judikatur“ auf umgekehrte Wandelschuldverschreibungen übertragbar sind803. Florstedt weist darauf hin, dass bei Genussscheinen und umgekehrten Wandelschuldverschreibungen im Hinblick auf die Teilnahme an Verlusten zwar eine „wirtschaftlich identische Problemlage“ bestehe und dass es wertungsmäßig kaum begründbar sei, weshalb Vorstände gegenüber Genussscheininhabern zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sein sollten, nicht aber gegenüber den Inhabern von umgekehrten Wandelanleihen. Allerdings gerate eine schlichte Übertragung der Haftungsgrundsätze nach der „Klöckner-Judikatur“ in ein Spannungsverhältnis zu den verschiedenen Funktionszielen der neuen Kapitalklasse: Es sei im Hinblick auf die verhaltenslenkende Funktion regulatorischen Wandelkapitals „ungereimt“, wenn der Anleiheinhaber abhängig vom Grad der Verwässerung nach der Wandlung zusätzlich einen anteiligen Ersatzanspruch seiner Gesellschaft gegen den pflichtwidrig handelnden Vorstand gem. § 93 Abs. 1, Abs. 2 AktG erhalten würde. Der Anleihegläubiger erscheine konzeptionell vor der Wandlung als einfacher Anleihegläubiger und nach der Wandlung als Aktionär, niemals aber verkörpere er eine aktienähnliche Rechtsstellung im Sinne der „Klöckner-Judikatur“. Zudem könnten sekundärrechtliche Schadensersatz­ ansprüche im Fall einer Bankeninsolvenz die in der Sanierungsplanung vorgesehene Verteilungslösung abändern. Das Abwicklungs- und Restrukturierungsrecht nach BRRD/SRM-VO sehe die bankrechtliche Haftungskaskade als vorrangige Verteilungslösung, aber auch abweichende Zuteilungen im Behördenermessen ausdrücklich vor. Das Problem ließe sich nur auflösen, indem Schadensersatzansprüche von Hybridgläubigern von vornherein in die behördliche Verteilungsplanung einbezogen und herabgeschrieben würden. 801  Fuchs,

Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 615. § 221 Rn. 338. 803  Die ersten auf das konkrete Problem bezogenen Beiträge finden sich bei Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 189 ff.; darauf aufbauend KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 333 ff.; ferner Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 149 ff. 802  KölnKommAktG,

204 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

In dem theoretisch denkbaren Fall, dass die Ansprüche erst nach der Abwicklung geltend gemacht werden, würde die behördliche Verteilungslösung letztlich abgeändert. Florstedt schlägt daher im Ergebnis vor, auf die Anwendung der „Klöckner-Judikatur“ zu verzichten. Im Nachgang einer Bankenkrise zu erwartende Überprüfungen, ob sich in den Bankverlusten ein Ansteckungsrisiko oder bei irgendeinem früheren Geschäftsvorfall (auch) eine „kaufmännische“ Fehlleistung realisiert hat, könnten entfallen. Die Wandlung von umgekehrten Wandelanleihen sei auf die gleiche Sachlogik angelegt, wie der Debt-EquitySwap unter dem Schuldverschreibungsgesetz. Auch dort könne sich der Anleihegläubiger vor der Wandlung nicht auf besondere Nebenpflichten berufen. Der Pflichtenmaßstab solle daher für alle hybriden Finanzierungsinstrumente auf das gesetzliche Mindestmaß reduziert werden, das sich aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 138, 161, 226, 242, 826 BGB ergibt804. Haftungsbegründend sei sowohl ein sog. individueller als auch ein sog. institutioneller Rechtsmissbrauch805. In Fällen, in denen die Gesellschaft außerhalb der Satzung oder rechtswidrig handelt, soll eine Haftung gegenüber den Hybrid­ gläubigern nur bei Bestehen eines normativen Rechtswidrigkeitszusammenhangs pflichtwidrig sein806. Dieser Rechtswidrigkeitszusammenhang sei gegeben, wenn das verletzte Gebot gerade den Interessen der Hybridgläubiger zu dienen bestimmt ist.

II. Stellungnahme Gemessen an ihrer Relevanz für das Anlegerschutzrecht ist die Frage nach der Reichweite der „Klöckner-Grundsätze“ auf andere hybride Finanzierungstitel als aktienähnliche Genussrechte im Schrifttum vergleichsweise wenig behandelt. Gesicherte Leitlinien, nach denen bestimmt werden kann, ob die „Klöckner-Grundsätze“ auch auf bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen anzuwenden sind, bestehen nicht. Die Vielfalt der unterschiedlichen Sichtweisen zeigt: Der sachliche Anwendungsbereich der „Klöckner-Judikatur“ ist nach derzeitigem Stand nicht sicher geklärt, und zwar weder im Hinblick auf Zielkonflikte mit aufsichtsrechtlichen Unionsvorgaben noch im Hinblick auf verschiedene hybride Finanzierungsinstrumente.

804  KölnKommAktG/Florstedt,

§ 221 Rn. 138, 333 ff. dazu unten 1. Teil: § 13 III.2. 806  s. dazu unten 1. Teil: § 13 III.3. 805  s.



§ 9 Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze205

1. Zur Abgrenzbarkeit der Haftungsdogmatik im Allgemeinen Die meisten Ansätze im Schrifttum versuchen, eine Abgrenzung des sachlichen Anwendungsbereiches der „Klöckner-Grundsätze“ anhand der inhaltlichen Ausgestaltung der Instrumente (etwa: Geltung nur bei Genussrechten, nicht aber bei Wandel- und Optionsanleihen) oder anhand der Einordnung in wirtschaftliche Kategorien (etwa: Geltung nur bei Aktienähnlichkeit) vorzunehmen. Diese tatbestandliche Betrachtungsart erweist sich jedoch schon aufgrund der Vielzahl möglicher Ausgestaltungen und der fließenden tatbestandlichen Grenzen als ungeeignet807. Allein der Begriff des Genussrechtes kann von einer Teilhabe am Gewinn und/oder Liquidationserlös bis hin zu Benutzungsrechten von Einrichtungen der Emittentin oder sonstigen vermögenswerten Leistungen reichen808 und wie gezeigt worden ist, besteht schon keine Einigkeit darüber, wo die Grenze zwischen aktienähnlichen und obligationenähnlichen Genussrechten liegt809. Dass der gesetzliche Genussrechtsbegriff für die Umschreibung eines bestimmten Finanzierungsinstrumentes ungeeignet ist, hat schon der Gesetzgeber des KWG erkannt, als er im Rahmen der KWG-Novelle 2009 die Anknüpfung der regulatorischen Eigenkapitalklassen an konkrete Finanzierungsinstrumente durch prinzipienbasierte Anforderungen ersetzte810. Ein strenges Festhalten am Wortlaut der BGHUrteile ist angesichts des konturlosen Genussrechtsbegriffs zur Herstellung von Rechtssicherheit denkbar ungeeignet. Wollte man die Grundsätze der Rechtsprechung bei hybriden Finanzierungsinstrumenten insgesamt aufrechterhalten, erlaubt der aktuelle Rechtsstand im Grunde zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht, trotz der dargestellten Schwierigkeiten innerhalb der hybriden Kapitalinstrumente eine tatbestandliche Abgrenzung vorzunehmen. Dann gelangt man unweigerlich zu dem praktisch und rechtspolitisch nur schwer nachvollziehbaren Problem, weshalb die Gesellschaft bspw. nur gegenüber den Inhabern von Genussrechten mit Verlustteilnahme, nicht aber gegenüber solchen, die lediglich eine variable Zusatzvergütung vermitteln, zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sein soll. Die aufgrund der Varianz hybrider Finanzierungsinstrumente notwendig entstehende Unsicherheit in recht­ licher und praktischer Hinsicht wäre hinzunehmen.

807  Die Schwierigkeit einer tatbestandlichen Abgrenzung wird in der US-amerikanischen Paralleldiskussion gegen eine Erstreckung von korporativen Treupflichten auf Inhaber von Convertible Bonds angeführt, vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 201 („a troublesome problem involves the potential reach of the fiduciary duty doctrine“); s. dazu unten 1. Teil: § 10 III. 808  Vgl. Habersack, ZHR 155 (1991), 379, 384. 809  s. zum Begriff der Aktienähnlichkeit oben 1. Teil: § 8 I.2.c). 810  Vgl. Schäfer, ZHR 175 (2011), 319, 327 f.

206 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

Oder man akzeptiert die Geltung der „Klöckner-Judikatur“ gleichsam bei allen Kapitalinstrumenten mit Erfolgspartizipation und fasst den Gedanken der Kompensation fehlender mitgliedschaftlicher Einflussmacht bei gleichzeitiger Erfolgsteilnahme entsprechend weit. In dem Fall gelangt man unweigerlich zu einer Übertragbarkeit der „Klöckner-Grundsätze“ auf sämtliche Eigenkapitalsurrogate, denn hybride Finanzierungsinstrumente zeichnen sich gerade durch die Verkörperung eigenkapitaltypischer Wesensmerkmale wie einer gewissen Erfolgspartizipation bei gleichzeitiger Stimmrechtslosigkeit aus. 2. Zur Reichweite bei der neuen Kapitalklasse im Besonderen Die Rechtfertigungssituation für eine gesteigerte Pflichtenbindung bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen erscheint auf den ersten Blick ganz ähnlich wie bei den Genussscheinen, die den Entscheidungen des BGH zugrunde lagen. Wenn im Schrifttum sogar eine Erstreckung der gesteigerten Sorgfaltspflichten auf Nachranganleihen und Gewinnschuldverschreibungen erwogen wird, so müsste dies doch erst recht für die neue ­Kapitalklasse gelten, deren Inhaber sogar eine Verlustteilnahme im Going Concern zu befürchten haben. Auf den zweiten Blick stellen sich bei der neuen Kapitalklasse jedoch besondere Anwendungsfragen im Hinblick auf die europäischen Reformen der Bankenunion. Mit den weitreichenden Reformen auf EU-Ebene wird das dogmatische Spannungsfeld von Gesellschaftsund Schuldrecht um eine aufsichtsrechtliche Dimension erweitert. Eine Emittentenhaftung auf der Grundlage gesteigerter schuldrechtlicher Sorgfaltspflichten droht mit verschiedenen aufsichtsrechtlichen Vorgaben auf Unionsebene in Konflikt zu treten811. a) Keine Sperrwirkung des Art. 52 CRR Zunächst drohen Schadensersatzansprüche nach der „Klöckner-Judikatur“ bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, die unter der CRR als zusätzliches Kernkapital anrechenbar sind, mit der durch die Wandlung oder Herabschreibung bezweckten Verlustteilnahme in Konflikt zu treten. Das zusätzliche Kernkapital nach der CRR ist als Haftkapital für die Bankenkrise konzipiert. Da die Verlustabsorption durch die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen wirtschaftlich aufgehoben werden könnte, ist eine 811  Es wird zunehmend diskutiert, welche Auswirkungen aus der Errichtung der Europäischen Bankenunion für privatrechtliche Rechtsverhältnisse erwachsen, s. Binder, ZEuP 2017, 569, 575, 593 ff.; grundlegend zur Diskussion ferner Grundmann, ZHR 179 (2015), 563 ff.



§ 9 Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze207

Sperrwirkung der bankaufsichtsrechtlichen Regeln durchaus in Betracht zu ziehen812. Wie gezeigt worden ist, hat sich der BGH im Jahr 2014 gegen eine Vorrangwirkung des Bankrechts unter der Geltung von § 10 Abs. 5 KWG a. F. ausgesprochen. Der seit dem 1. Januar 2014 für aufsichtsrechtliches Ergänzungskapital geltende Art. 63 CRR schreibt keine laufende Verlustbeteiligung mehr vor, so dass die Frage nach einer Sperrwirkung jedenfalls in Bezug auf Genussrechte in Zukunft nicht mehr auftreten dürfte813. Da bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die bisherigen KWG-Genussscheine, die bisherigen CRR-Wandelanleihen und vor allem die CRR-Herabschreibeanleihen im Hinblick auf das Merkmal der Verlustteilnahme funktionsähnlich sind, dürfte die Rechtsprechung des BGH auch unter Art. 52 CRR – als Nachfolgeregelung von § 10 Abs. 5 KWG a. F. – fortgelten814. An diesem Befund ändert auch die Hierarchieverschiebung der Eigenmittelvorgaben von § 10 Abs. 5 KWG a. F. auf den europarechtlichen Art. 52 CRR unter dem Gesichtspunkt eines Vorrangs des Unionsrechts nichts. Auch § 10 Abs. 5 KWG a. F. setzte inhaltlich unionsrechtliche Vorgaben um. Hierzu stellte der BGH in seinem Urteil aus dem Jahr 2014 fest: Die europäischen Richtlinien815 „verlangten übereinstimmend für sonstige Bestandteile des Eigenmittelbegriffs, zu denen das Genusskapital zu rechnen ist, dass die Urkunden über die Ausgabe der Titel sicherstellen müssen, dass die Schulden und ungezahlten Zinsen Verluste ausgleichen können, während gleichzeitig das Kreditinstitut in der Lage sein muss, weiterzuarbeiten. Ein Ausschluss von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen lässt sich dem nicht entnehmen. Die bestimmungsgemäße Eignung des Genusskapitals zum Ausgleich der Verluste ist nicht berührt“. Da der BGH von einer Vorlage an den EuGH bislang abgesehen hat, ist die Frage nach einer Vorrangwirkung des Aufsichtsrechts unter europarechtlichen Gesichtspunkten indes noch nicht abschließend geklärt816.

812  Vgl.

KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 340. MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 274; Maerker/Ashrafnia, DB 2014, 2210, 2212; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 221 Rn. 65a. 814  Vgl. Maerker/Ashrafnia, DB 2014, 2210, 2212. 815  Art. 3 II Buchst. d der Richtlinie 89/299/EWG des Rates v. 17.4.1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, ABl. EG 1989 Nr. L 124, S. 16; Art. 35 II Buchst. d der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. EG 2000 Nr. L 126, S. 1; Art. 63 II Buchst. d der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. EU 2006 Nr. L 177, S. 1. 816  Vgl. Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 65, 151. 813  Vgl.

208 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

b) Vereinbarkeit mit dem Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach der BRRD Wie gezeigt wurde, haben bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nicht nur eine Funktion im neuen Eigenmittelrecht, sondern ihnen kommt auch in dem neuen Restrukturierungs- und Abwicklungsrecht der Bankenunion eine zentrale Rolle zu. Eine Gesamtschau der Materialien lässt den Schluss zu, dass Schadensersatzansprüche der Haftkapitalgeber im neuen Sanierungs- und Abwicklungsrecht nicht vorgesehen sind. Erst recht differenziert die BRRD nicht danach, ob eingetretene Verluste aufgrund sorgfaltswidriger Geschäftsführungsmaßnahmen oder im gewöhnlichen Geschäftsgang eingetreten sind. Im Gegenteil führen die Erwägungsgründe eher zu dem Schluss, dass eine Haftung der Bail-in-Kapitalgeber in jedem Fall, d. h. ohne nachträgliche Überprüfung in einem gerichtlichen Verfahren, erfolgen soll. In den Erwägungsgründen 70 und 72 der BRRD sowie in Art. 44 Abs. 2 BRRD werden Verbindlichkeiten und Konstellationen genannt, in denen Verbindlichkeiten vom Bail-in ausgenommen sein sollen, aber pflichtwidriges Wirtschaften der Emittentin spielt hierbei keine Rolle. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten nach ErwG 81 der BRRD sicherstellen, dass Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals und des Ergänzungskapitals die Verluste der emittierenden Bank voll absorbieren. Da privatrechtliche Schadensersatzansprüche der Haftkapitalgeber gegen die Emittentin in der Abwicklungsplanung der BRRD nicht vorgesehen sind, stellt sich die Frage, wie sie sich überhaupt praktisch in die Vermögensverteilung einfügen könnten817. Im neuen Sanierungs- und Abwicklungsrecht erfolgt die Verteilung der Vermögenswerte und -Opfer im Nachgang einer Bankenkrise ausschließlich nach der Haftungskaskade der BRRD sowie dem Ermessen der Abwicklungsbehörde818. Diese ist in ihrer Ermessensausübung nicht frei, sondern hat sich nach festgelegten Ordnungsprinzipien zu richten819. Je nachdem, ob Schadensersatzansprüche von Hybridgläubigern während oder nach dem Sanierungs- oder Abwicklungsverfahren geltend gemacht werden, wären sie entweder in die behördliche Verteilungslösung einzubeziehen oder aber erst nachträglich, d. h. nach der Beendigung des Abwicklungsbzw. Sanierungsverfahrens, zu berücksichtigen820. Dies ist grundsätzlich möglich, da Schadensersatzforderungen nicht nach § 91 Abs. 2 SAG und 817  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192; allgemein zu dieser Frage im USamerikanischen Recht bereits Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 203. 818  Zur Verteilung der Vermögenswerte und -opfer unter der BRRD s. Binder, ZHR 179 (2015), 83, 118 f.; Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 963. 819  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 1 II.2. 820  s. zu dieser Problematik bereits Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192.



§ 9 Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze209

Art. 44 BRRD vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ausgenommen sind. Es wäre dann aber zu beachten, dass die Schadensersatzansprüche erst nachrangig befriedigt werden, um die Haftungskaskade der BRRD nicht zu verfälschen und vorrangig haftende Gläubiger zu benachteiligen821. Allerdings können Schadensersatzprozesse das laufende Sanierungs- bzw. Abwicklungsverfahren mehr als nur unerheblich behindern. Während zivilgerichtliche Verfahren andauern, wird die Beklagte Bank zur Absicherung der Prozessrisiken je nach deren erwarteten Ausgang Rückstellungen bilden oder beizeiten ggf. auch wieder auflösen. Die durch die Bildung von Rückstellungen entstehenden Passivposten auf der Bilanz können aber zum einen nicht zum Bail-in herangezogen werden, da sie keinen Gläubiger haben. Zum anderen verändert sich durch die laufende Anpassung von prozessbedingten Drohverlustrückstellungen ständig die für den Bail-in maßgebliche Bezugsgröße der Passivseite der Bilanz. Vor diesem Hintergrund wird es kaum gelingen, den Bail-in fair und geordnet durchzuführen. Da die Bankgläubiger in der Haftungskaskade der BRRD mit einer bestimmten Quote zu beteiligen sind, wird es kaum möglich sein, Verstöße gegen das dem Abwicklungsrecht immanenten „No-Creditor-worse-off-Prinzip“ zu verhindern, das es verbietet, Gläubiger im Laufe einer Abwicklung nach dem europäischen Bankenrecht schlechter zu stellen, als sie in einem regulären Insolvenzverfahren stehen würden822. In dem Fall, dass ein bereits saniertes oder abgewickeltes Institut mit den Schadensersatzansprüchen belastet wird, würde die behördliche Verteilungslösung durch das nationale Schadensersatzrecht letztlich nachträglich abgeändert823. Vermeiden ließe sich das nur, indem etwaige gerichtliche Prozesse im Nachgang einer Krise in den Sanierungs- oder Abwicklungsplan einbezogen würden. Theoretisch könnte die Abwicklungsbehörde Schadensersatzansprüche dann in die Auswahl und Durchführung der Sanierungs- bzw Abwicklungsmaßnahmen einbeziehen. Praktisch stünde man bei der Sanierungsund Abwicklungsplanung allerdings vor dem kaum lösbaren Problem, dass ex ante kaum abgeschätzt werden kann, ob und in welcher Höhe Ersatzansprüche gegenüber Hybridkapitalgebern ex post zu befriedigen sind. Zwar beschränkt sich dieses Planungsproblem nicht nur auf Schadensersatzprozesse auf Grundlage der „Klöckner-Judikatur“, sondern es betrifft Schadensersatzansprüche ganz allgemein, etwa auch nach kapitalmarktrechtlichen Haftungstatbeständen. Die Haftungsdoktrin der „Klöckner-Judikatur“ er821  s.

hierzu bereits oben 1. Teil: § 8 III.5. zum „No-Creditor-worse-off-Prinzip“ Art. 34 Abs. 1 lit. g), 73 bis 75 BRRD, § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG; zu den Entschädigungsmöglichkeiten vgl. ErwG 51 BRRD bzw. ErwG 63 SRM-VO. 823  Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192. 822  Vgl.

210 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

scheint jedoch besonders problematisch, weil zum einen ungeklärt ist, welche Gläubigergruppen – außer Genussrechtsinhabern – sich darauf berufen können und zum anderen Schadensersatzansprüche für bereits unseriöses Wirtschaften vielfach einer aufwendigen juristischen Aufbereitung bedürfen824. Die Durchführung des Sanierungs- und Abwicklungsverfahrens würde dadurch verschleppt, dass einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen auf ihre kaufmännische Vertretbarkeit überprüft werden müssten. Das europäische Grundkonzept einer vorläufigen Sanierungs- und Abwicklungsplanung besteht aber gerade darin, eine Prognose über den Ablauf einer Sanierungsoder Abwicklungssituation abbilden zu können, um sodann in der Krise schnell und effektiv Maßnahmen ergreifen zu können. Privatrechtliche Ersatzansprüche für bloß unseriöses Wirtschaften mit langwierigen und teuren Gerichtsprozessen wären damit nur schwer vereinbar. c) Parallele zum Debt-Equity-Swap gem. § 5 SchVG Der in § 5 SchVG geregelte Debt-Equity-Swap erlaubt es, Anleiheforderungen durch einen Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung in Aktien der Schuldnergesellschaft umzuwandeln. Insofern besteht zwischen dem Debt-Equity-Swap nach § 5 SchVG und der Wandlung von bedingten Pflichtwandelanleihen als vorinsolvenzliche Sanierungsinstrumente vordergründig eine vergleichbare Interessenlage825. Da sich Anleihegläubiger auch vor einem Debt-Equity-Swap nach § 5 SchVG nicht auf einen besonderen Schutz durch gesteigerte Nebenpflichten nach den Grundsätzen der „Klöckner-Judikatur“ berufen können, erscheint es auf den ersten Blick geboten, auch den Inhabern von bedingten Pflichtwandelanleihen einen solchen Schutz zu versagen. Allerdings führt allein die wirtschaftliche Parallele zwischen beiden Instrumenten noch nicht zu einer Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“ bei bedingten Pflichtwandelanleihen. Wie gezeigt wurde, ist das Schutzbedürfnis der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gerade (auch) auf Anreize zurückzuführen, die dadurch entstehen, dass die Wandlungs- bzw. Herabschreibungsbedingungen ex ante bekannt sind826. Dieses Schutzbedürfnis fehlt bei dem Debt-Equity-Swap nach § 5 SchVG, da die Emittentin und die Anleihegläubiger bis zu einem Beschluss der Gläubigerversammlung gerade nicht mit einer Wandlung rechnen müssen. Die Pa­ rallele zwischen beiden Sanierungsinstrumenten kann insofern zwar als Arhierzu bereits Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 697. Parallelen und Unterschieden zwischen dem Debt-Equity-Swap nach § 5 InsO bzw. § 225a Abs. 2 S. 1 InsO und der Wandlung einer umgekehrten Wandelschuldverschreibung Möhlenkamp/Harder, ZIP 2016, 1093, 1095 f. 826  s. dazu oben 1. Teil: § 3 II. 824  Vgl. 825  Zu



§ 9 Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze211

gument gegen die Anwendung der „Klöckner-Judikatur“ bei bedingten Pflichtwandelanleihen angeführt werden. Eine zwingende Schlussfolgerung lässt sich angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen daraus aber nicht ziehen. 3. Zu einer differenzierten Lösung bei der neuen Kapitalklasse Die Schutzbedürftigkeit des Anleihegläubigers erscheint wegen des Effekts der Verhaltenssteuerung geringer, je größer das Verwässerungspotential der Anleihe ist827. Man könnte insofern überlegen, bei den neuen Eigenkapitalsurrogaten eine abgestufte Lösung suchen: Bei Herabschreibungsanleihen könnte man die „Klöckner-Grundsätze“ anwenden, da die Gläubiger wie im „Klöckner-Fall“ ein absolutes Verlustrisiko ohne den dynamischen Schutz der Verwässerung tragen. Bei bedingten Pflichtwandelanleihen wäre hingegen erneut zu differenzieren: Bei geringem Verwässerungseffekt könnte man die „Klöckner-Grundsätze“ anwenden, bei einem starken Verwässerungspotential könnte es gerechtfertigt sein, besondere sekundäre Nebenpflichten abzulehnen oder hilfsweise von einem konkludenten Verzicht auszugehen828. Ein konkludenter Haftungsausschluss soll bei umgekehrten Wandelschuldverschreibungen, die als Haftkapital ausgegeben werden, nicht zu einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7b BGB führen, da der Gläubiger mit der verhaltensleitenden Funktion der Anleihen und dem Anteilserwerb durch die Wandlung ein von ihm privatautonom gewähltes Schutzmittel erhält829. Die Folge dieser Differenzierung wäre aber nicht nur eine sekundärrecht­ liche Ungleichbehandlung von Genussrechtsinhabern und den Inhabern von Contingent Capital, sondern auch eine Ungleichbehandlung von solchen Wandelanleihen mit geringem und solchen mit hohem Verwässerungspotential. Ob eine derart differenzierte Lösung tatsächlich zu einer Verbesserung des Rechtszustandes führen oder nicht im Gegenteil die Praxis vor weitere Herausforderungen stellen würde, ist mehr als fraglich. Letztlich würde die Unsicherheit bezüglich des sachlichen Anwendungsbereiches der gesteigerten Nebenpflichten nur von der rein tatbestandlichen Abgrenzungsproblematik zusätzlich auf die Ebene des hohen oder geringen Verwässerungspoten­ tials verlagert. Berücksichtigt man allein die Unklarheit bei der Auslegung des Begriffs der Verwässerung, so wäre bei Wandelanleihen insoweit schon fraglich, wann von einem hohen und wann von einem niedrigen Verwässe827  s.

dazu oben 1. Teil: § 4 II.3.b). diese Lösung hinweisend auch Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 193, der im Ergebnis aber eine Ablehnung der „Klöckner-Grundsätze“ bei umgekehrten Wandelanleihen ohne laufende Gewinn- und Verlustteilnahme präferiert. 829  s. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 193 Fn. 214. 828  Auf

212 2. Teil: Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im dt. Recht de lege lata

rungsgrad auszugehen wäre. Davon abgesehen variiert der Effekt der dynamischen Verhaltenssteuerung in Abhängigkeit von äußeren Faktoren, wie etwa der Anlegerstruktur der Emittentin830. Wie bei all diesen Aspekten eine trennscharfe differenzierte Lösung durchzuführen wäre, ist kaum zu erklären. Die Unternehmensführung der Gesellschaft wäre in ihren Entscheidungsprozessen zwar zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Inhaber solcher Anleihen mit einem hohen Verwässerungspotential verpflichtet, nicht aber zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Inhaber von Anleihen mit geringem Verwässerungspotential831. Der damit verbundene Prüfungs- und Verwaltungsaufwand für die Gesellschaften wäre kaum realisierbar und könnte die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Vergleich zu anderen Ländern nicht nur unerheblich beeinträchtigen. Interessenkonflikte wären nicht nur zwischen Aktionären und Anleihegläubigern zu bewältigen, sondern auch zwischen Gläubigern unterschiedlicher Anleihegestaltungen.

III. Ergebnis und Würdigung Insgesamt zeigt sich: Den unterschiedlichen Regelungen des Bankenaufsichtsrechts ist keine Sperrwirkung gegenüber privatrechtlichen Schadens­ ersatzansprüchen zu entnehmen. Gleichwohl führt eine Haftung für unseriöses Wirtschaften zu zahlreichen Spannungen mit den Teilrechtsordnungen der Bankenunion. Die besondere zivilrechtliche Emittentenhaftung nach deutschem Richterrecht passt nicht recht zu dem öffentlich-rechtlichen Charakter, den die neuen Anleihen als besonderes Krisenkapital unter dem europäischen Bankenrecht erhalten. Die daraus folgenden Rechtsunsicherheiten können Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Rechtsordnungen nach sich ziehen. Zudem liegt es nicht im Interesse des europäischen Gesetzgebers, wenn eine einheitliche Umsetzung der Bankenunion durch Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen innerhalb der EU gefährdet wird. Diese Überlegungen geben Anlass zu der Idee, für solche bedingten Pflichtwandelund Herabschreibungsanleihen, die eine Funktion als zusätzliches Kernkapital im europäischen Bankenrecht erfüllen, eine einheitliche europäische Sonderregelung zu schaffen. Diesem Gedanken wird in § 15 dieser Arbeit vertieft nachgegangen.

830  Vgl. Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S.  250; s. hierzu oben 1. Teil: § 4 II.3.b). 831  Dieses Problem ist in der US-amerikanischen Paralleldiskussion schon früh gegen eine erstreckung korporativer Sorgfaltspflichten auf die Inhaber von Convertible Bonds angeführt worden, s. zu dieser Diskussion ausf. unten 1. Teil: § 10 III.

Dritter Teil

Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen Da der Bedeutungszuwachs von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen in den Jurisdiktionen der Schweiz und den Vereinigten Staaten eine andere Entwicklung genommen hat als im europäischen Bankenrecht, lohnt sich an dieser Stelle ein rechtsvergleichender Blick in die Anlegerschutzrechte der USA und der Schweiz. Als internationales Phänomen ruft der Anlegerschutz nach „rechtsvergleichender Fühlungnahme und Verge­wisserung“832. Die Hypothese lautet nach Esser: „Gleiche Realien der Ordnungsprobleme führen zu gleichwertigen Rechtsgedanken in Institutionen verschiedener historisch-dogmatischer Struktur auch unter abweichenden juristischen Denkformen“833. In diesem Sinne folgen die weiteren Ausführungen der Methode der funktionalen Rechtsvergleichung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht vergleicht, ob es in verschiedenen Rechtsordnungen ähnliche Regeln gibt, sondern analysiert, welche Regeln in den jeweiligen Rechtsordnungen funktional vergleichbare Rechtsprobleme lösen sollen834. Die gewählte Methode mag dazu verleiten, auch in den fremden Rechtsordnungen Mängel und Regelungslücken aufzudecken. Der funktionale Vergleich soll in dieser Arbeit jedoch in erster Linie dazu verhelfen, in den fremden Rechtsordnungen vorteilhafte Lösungen ähnlicher Rechtsprobleme zu identifizieren, um so Denkanstöße für mögliche Lösungen für das deutsche Recht zu geben. Es geht daher weniger darum, zugunsten der deutschen Rechtsordnung festzustellen, dass in anderen Rechtsordnungen gleichsam inadäquate Regeln bestehen, sondern im Gegenteil vielmehr darum, festzustellen, ob und warum sie vorteilhafte Lösungen anderer Rechtsordnungen nicht erkannt bzw. übernommen hat. Behandelt wird insofern zunächst das US-amerikanische (§ 10), sodann das Schweizer Recht (§ 11).

832  Fleischer,

Gutachten F für den 64. DJT, F. 18. und Norm, S. 348. 834  Ein gesicherter Stand zur Methodik der Rechtsvergleichung existiert nicht, vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33 f. 833  Grundsatz

214

3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

§ 10 Das US-amerikanische Recht Der vergleichende Blick in das US-amerikanische Rechtssystem ist aus zweierlei Gründen weiterführend: Zum einen nehmen Wandelanleihen aus historischen Gründen dort eine viel wichtigere Rolle bei der Hybridfinanzierung ein als in Deutschland835. Insbesondere Wandelanleihen mit Wandlungspflicht wurden hier bereits früher und öfter begeben als in Deutschland836. Zum anderen haben diejenigen Veröffentlichungen, in denen die besonderen Risiken bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vielfach angesprochen werden, das US-amerikanische Anlegerschutzrecht vor Augen837.

I. Gesetzliche Ausgangslage Grundsätzlich kann ein Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten aufgrund der konzeptionellen Unterschiede zwischen dem kasuistisch geprägten Common Law und dem systematisch geprägten deutschen Civil Law auf praktische Schwierigkeiten stoßen. Bei funktionaler Betrachtung finden sich jedoch in beiden Rechtsordnungen an der Schnittstelle von Gesellschaftsrecht, Kapitalmarktrecht und Vertragsrecht vergleichbare dogmatische Grundsatzfragen und Problemstellungen. Zudem werden die konzeptionellen Unterschiede dadurch entschärft, dass das Corporate Law insgesamt stärker Gesetzes- und weniger Richter- oder Fallrecht ist, als andere Bereiche des US-amerikanischen Rechts838. 1. Die einzelstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen Die Grundform der US-amerikanischen Kapitalgesellschaft bildet die Business Corporation. Die Gesellschaftsform der Public Corporation oder Public Held Corporation ist das weitgehend entsprechende Pendant zur ­deutschen Aktiengesellschaft. In den USA gibt es allerdings anders als in Deutschland kein bundeseinheitliches Gesellschaftsrecht, da die Gesetzge835  Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 244; s. hierzu bereits 1. Teil: § 1 II. 836  Vgl. die empirische Untersuchung von Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S.  24 ff. 837  Vgl. Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, S. 21  f.; ders., Stabilizing Large Financial Institutions, S.  11 f.; Coffee, 111 Colum. L. Rev. (2011), 795, 827 ff.; McDonald, Contingent Capital with a Dual Price Trigger, S. 3, 9 ff.; allgemein Brudney, 105 Harv. L. Rev. (1992), 1821 ff. 838  Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 139.



§ 10 Das US-amerikanische Recht215

bungskompetenz für das Corporate Law bei den Einzelstaaten liegt und die Constitution of the United States of America keine Kompetenzzuweisung an den Bund enthält839. Das bedeutet aber nicht, dass eine Darstellung der relevanten Grundkonzepte sämtliche fünfzig einzelstaatlichen Corporation Statutes berücksichtigen müsste. Aufgrund einer identischen Rechtstradition und verschiedenen Vereinheitlichungsbemühungen sind die einzelstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen – von Detailsdifferenzen abgesehen – weitgehend vergleichbar840. a) Überblick Zu den Vereinheitlichungsbemühungen der einzelstaatlichen Gesellschaftsrechte zählt insbesondere der Revised Model Business Corporation Act (RMBCA) von 1984841, ein von der American Bar Association ausgearbeitetes Mustergesetz, das die Einzelstaaten bei Änderungen und Weiterbildungen ihrer Gesellschaften freiwillig als Vorbild nutzen können. Dem RMBCA ging der Modell Business Corporation Act (MBCA) aus dem Jahre 1950 voraus, der bereits eine teilweise Harmonisierung der Gesellschaftsrechte zur Folge hatte842. Der RMBCA zielt insgesamt auf Deregulierung und Flexibilität. Umgesetzt oder im Wesentlichen übernommen wurde er bislang von 24 Staaten. In sieben Staaten beruht das Gesellschaftsrecht noch größtenteils auf einer Fassung des MBCA von 1969 und in vielen weiteren Staaten wurden lediglich einige Regelungsvorschläge des MBCA übernommen. Für die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft stellt der RMBCA aufgrund seiner zusammenfassenden und analysierenden Betrachtung der geltenden Gesellschaftsrechte eine wichtige Quelle dar. Unter den einzelstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen kommt neben den wirtschaftlich starken Staaten New York und Kalifornien vor allem der des Staates Delaware eine herausgehobene Stellung und Leitbildfunktion zu, da sich Delaware schon früh durch eine für Unternehmen sehr attraktive Rechtsordnung auszeichnete, die dem Staat im zwischenstaatlichen Wettbewerb um Unternehmen einen Vorteil verschaffte. Aufgrund der hohen Anzahl der in Delaware ansässigen UnterMerkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 126. zur Entwicklung der Harmonisierungsbemühungen im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 126 ff., 139 f. 841  Der aktuelle Text des ständig überarbeiteten RMBCA findet sich in: Model Business Corporation Act, Official text with official comments and statutory crossreferences, adapted by A.B.A. – Committee on Corporate Laws, Section of Business Law, American Bar Association. 842  Eine Zusammenfassung des Entwicklungsganges des MBCA findet sich bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 126 Fn. 205. 839  Vgl.

840  Ausf.

216

3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

nehmen konnte sich die dortige gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung aufgrund der naturgemäß höheren Anzahl an Prozessen stetig fortentwickeln843. Die dadurch gewonnene Rechtssicherheit lockte weitere Unternehmen an. Auch heute sind in Delaware die meisten Gesellschaften der USA inkorporiert. Soweit im Folgenden von „dem“ US-amerikanischen Corporate Law die Rede ist, sind damit Grundsätze gemeint, die in allen einzelstaatlichen Gesellschaftsrechten mehr oder weniger Geltung beanspruchen. b) Die Stellung der Hybridgläubiger Bei einer Gesamtschau der einzelstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen ist die Stellung von Hybridgläubigern im US-amerikanischen Corporate Law ähnlich wie im deutschen Gesellschaftsrecht grundsätzlich schwach ausgestaltet. Wie in Deutschland enthält auch das Corporate Law kaum Schutzrechte für Hybridgläubiger, insbesondere ist die Emittentin im Hinblick auf ihre Ergebnisermittlung und -verwendung, ihre Konzernierungsfreiheit sowie ihre Geschäftspolitik weitgehend frei844. Nur im Hinblick auf die Ausschüttungspolitik enthält der RMBCA von 1984 eine gläubigerschützende Regelung: Danach ist eine Ausschüttung an Anteilseigner unzulässig, soweit die Gesellschaft dadurch ihre laufenden Verbindlichkeiten nicht mehr tilgen kann oder dadurch ihre Schulden den Wert der Aktiva überschreiten845. Von dieser punktuellen Regelung bestehen Verhaltensgrenzen für die Unternehmensleitung nur gegenüber der Gesellschaft unter Anwendung der „Business Judgement Rule“846. Die Ursachen der schwachen Ausgestaltung des Anlegerschutzes im Corporate Law werden in der fehlenden Gesetzgebungskompetenz auf Bundesebene gesehen. Die Gesetzgebung der Einzelstaaten befindet sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in einem Deregulierungswettbewerb („DelawareEffekt“, auch „race to the bottom“ genannt). Ein Anlegerschutz erfolgt daher vor allem durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, durch die privatautonome Vorsorge in Bond 843  Die Gerichte des Bundesstaates Delaware werden als „the Mother Court of corporate law“ angesehen, Kamen v. Kemper Fin. Services., Inc., 908 F.2d 1338, 1343 (7th Cir. 1990). 844  Vgl. Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev. (1990), 1165, 1166 („Corporate Law […] denies a place to bondholders in providing norms and standards to govern their relationships with other corporate actors.“). 845  s. zum Schutzwert dieser Regelung für Gläubiger McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 431 f. 846  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 195.



§ 10 Das US-amerikanische Recht217

Indenture Covenants, Versicherungen von bestimmten Anleiherisiken und die disziplinierenden Kräfte der Kapitalmärkte847. Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht besteht – wie im Verlauf der nachfolgenden Darstellung deutlicher wird – darin, dass sich der Anlegerschutz in den USA stark an dem ausdrücklichen Regelungsrahmen orientert, der sich aus den gesetzlichen Vorgaben und expliziten Vertragsbestimmungen orientiert. Ein Schutz durch ungeschriebene Grundsätze, allgemeine Nebenpflichten oder ergänzende Vertragsauslegung ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. 2. Das bundeseinheitliche Kapitalmarktrecht Für den Schutz von Anleihegläubigern ist insbesondere das im Vergleich zu Deutschland äußerst detailliert geregelte Kapitalmarktrecht (Federal Secur­ities Regulation) von Bedeutung. Für dieses liegt gem. Art. I § 8 der US-Constitution die Gesetzgebungskompetenz beim Bund848. Kernbestandteile sind der Securities Act (SA) von 1933849, der Securites Exchange Act (SEA) von 1934850 und der Trust Indenture Act (TIA) von 1939851. Nach der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren wollte der Bundesgesetzgeber das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt wiedergewinnen und mit diesen Gesetzen den Rechtsrahmen für einen transparenteren Markt schaffen852. Das Kapitalmarktrecht der Vereinigten Staaten ist ganz von der Idee des Anlegerund Verbraucherschutzes beherrscht, was in erster Linie auf das Fehlen eines Sozialstaatsgedankens und eine damit einhergehende Notwendigkeit zum Schutz der privaten Daseinsvorsorge zurückzuführen ist853. Während der SA den Primärmarkt für Kapitalanlagen regelt, bildet der SEA die rechtliche Grundlage für den Sekundärmarkt. Mit dem SA wurden neben der Securities and Exchange Commission (SEC), die befugt ist, eigene Verordnungen (Rules) zu erlassen, auch Registrierungs- und Publizitäts847  Vgl. Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 975 ff.; McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 434. 848  In dieser sog. „commerce-clause“ heißt es: „The Congress shall have Power […] to regulate Commerce among several States […]“, vgl. US Constitution, Art. I § 8. Damit hat der Bund die Regelungsbefugnis für den zwischenstaatlichen Handel, wozu auch der Handel mit Securites gezählt wird, vgl. m. w. N. von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, S. 209 Fn. 921; ferner Friel. Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 84 Fn. 218. 849  15 United States Code (USC), §§ 77a–77aa. 850  15 USC, §§ 78–78jj. 851  15 USC, §§ 77aaa–77bbbb. 852  Vgl. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 274. 853  Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 482 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, S.  297 f.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

pflichten eingeführt. Der SEA enthält umfangreiche Registrierungspflichten für den Sekundärmarkt sowie zahlreiche weitere Regelungen (etwa zur Rechnungslegung und Publizität, zum Insiderhandel und zur Stimmrechtsbevollmächtigung, den sog. „Proxies“). Im Jahr 1968 erließ der Kongress zusätzlich den Williams Act854, um eine Gesetzeslücke zu schließen, die sich in den 1960er Jahren zeigte, als die ersten „Cash Tender Offers“ den „Proxy-Fights“ als Mittel der Unternehmensübernahme Konkurrenz machten855. Darüber hinaus verfolgt der Williams Act das Ziel, zwischen Bieter- und Zielgesellschaft ein rechtliches Gleichgewicht herzustellen. Verschiedene Bilanzskandale und Unternehmenszusammenbrüche um die Jahrtausendwende führten dazu, dass der Gesetzgeber mit dem Sarbanes-Oxley Act856 aus dem Jahr 2002 erneut versuchte, das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt zu erhalten bzw. zurückzugewinnen. Insbesondere wurde für an US-Börsen gelistete (auch ausländische) Gesellschaften eine persönliche Haftung der Unternehmensleiter eingeführt. Daneben sollen die Börsen durch die SEC verpflichtet werden, Gesellschaften, die kein unabhängiges „Audit Committee“ einrichten, das direkt für die Auswahl, Vergütung und Überwachung des Wirtschaftsprüfers verantwortlich ist oder diese Aufgaben auf das gesamte Aufsichtsgremium übertragen, von der Notierung auszuschließen. a) Securities Act von 1933 Der Securities Act von 1933 beinhaltet weder eine Transparenz- oder Inhaltskontrolle der vom Anwendungsbereich erfassten Wertpapiere noch eine Billigkeitskontrolle der darin verbrieften Rechte. Das Gesetz zielt vielmehr auf eine Risikoprävention durch eine Minderung des Informationsrisikos. Insgesamt besteht der Schwerpunkt des Anlegerschutzes in den Vereinigten Staaten darin, potentielle Investoren ex ante mit umfassenden Informationen über das Anlageobjekt zu versorgen857. Erreicht wird dies durch umfangreiche Publizitätspflichten der Emittenten. Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen unterfallen nach § 2 (a) (1) SA grundsätzlich den besonderen Vorgaben des Securities Act von 1933. Nur wenn die jeweilige Anleihe lediglich innerhalb eines Einzelstaates emittiert wird, die Emittentin in diesem Einzelstaatstaat inkorporiert ist und auch ihren Sitz hat, finden die Vorschriften des SA keine Anwendung. In dem Fall liegt ein sog. „Intrastate 854  Der Williams Act findet sich in §§ 13 (d)–(e) und 14 (d)–(f) des Securities Exchange Act; s. 15 USC, §§ 78 l–n. 855  Vgl. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.  615 f. 856  Vgl. von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, S. 210 m. w. N. 857  Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 89.



§ 10 Das US-amerikanische Recht219

Offering“ nach § 3 (a) (11) SA vor, sodass der Anleger auf den Schutz der einzelstaatlichen Regelungen angewiesen ist858. Nach § 5 SA ist es verboten, Wertpapiere mit Hilfe der Posteinrichtungen des Bundes oder anderer Einrichtungen des Interstate Commerce ohne vorherige Registrierung bei der SEC zu vertreiben859. Solange ein Registration Statement noch nicht eingereicht ist, ist jegliches Anbieten des betreffenden Wertpapieres untersagt. Zusätzlich muss dem Investor spätestens mit dem Wertpapier ein Prospekt ausgehändigt werden. Das Registration Statement muss zahlreiche Angaben, insbesondere über das Wertpapier, die Emittentin und den Emissionsvorgang beinhalten860. Für Publikumsgesellschaften bestehen teilweise Erleichterungen. So ist im Falle einer Wandlung von Wandelanleihen in Aktien der Emittentin die Ausgabe der Bezugsaktien von der Registrierung nach § 3 (a) (9) SA grundsätzlich befreit, da die für die Anleihen geltenden Publikationspflichten als ausreichend angesehen werden. Diese Erleichterung gilt zwar nicht, wenn die Anleihen theoretisch sofort nach der Ausgabe wandelbar sind, da dann ein „bloßer Austausch von Wertpapieren“ vorliegt861. Für bedingte Pflichtwandelanleihen dürfte die Erleichterung jedoch gelten, da für eine Wandlung zunächst das in den Anleihebedingungen festgelegte Wandlungsereignis eingetreten sein muss862. Bei einem Verstoß gegen die Publikationspflichten, insbesondere, wenn das Registration Statement eine wesentliche Tatsache verschweigt oder irreführend ist, haben die Anleihegläubiger Schadensersatzansprüche gegen die Emittentin und gegen alle Unterzeichner863. Dies sind in der Regel die Directors der Gesellschaft sowie alle weiteren Personen, die an der Ausarbeitung des Registration Statements mitgewirkt haben und in dieser Funktion benannt sind864. Gehaftet wird gesamtschuldnerisch. Der Anspruch verjährt innerhalb eines Jahres, nachdem die fehlerhafte Registrierung erkannt wurde oder hätte erkannt werden können865. Fehlt es an einer Registrierung der Anleihe oder an einem ordnungsgemäßen Prospekt, können die Anleihegläubiger auch gegen diejenige Person vorgehen, die ihnen die Anleihe verkauft

zu den sog. „Blue Sky Laws“ der Einzelstaaten sogleich 1. Teil: § 10 I.2.c). Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.  92 ff. 860  Vgl. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.  149 ff. 861  Orrick, 42 Min. L. Rev. (1957), 25, 36; Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S.  87 m. w. N. 862  s. zum Zweck und zu den Voraussetzungen der Privilegierung nach § 3 (a) (9) SA Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.  368 f. 863  Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 88. 864  Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.  1229 f. 865  Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 88 m. w. N. 858  s. 859  s.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

oder zum Kauf angeboten hat866. Dabei wird schon derjenige als Verkäufer angesehen, der bei dem Geschäft eine wesentliche Rolle gespielt und ein wirtschaftliches Eigeninteresse gehabt hat867. Dieser Anspruch verjährt innerhalb eines Jahres nach dem Verkauf bzw. nach dem Anbieten des Wertpapieres868. Verstöße gegen den SA können zudem strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen869. b) Trust Indenture Act von 1939 Eine Besonderheit des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts besteht darin, dass Anleihen regelmäßig unter einem Corporate Trust Indenture ausgegeben werden. Dieser zwischen der Emittentin und einem Wertpapiertreuhänder (Indenture Trustee) geschlossene Vertrag ist das Kernstück eines dreiseitigen Beziehungsgeflechtes, das sich aus der Emittentin, dem Wertpapiertreuhänder und den Wertpapierinhabern, die durch den Erwerb eines Wertpapiers in den Vertrag eintreten, zusammensetzt. Reguliert wird dieses Rechtsverhältnis durch den Trust Indenture Act (TIA) von 1939. Für das Stadium des Going Concern enthält der TIA indes nur wenige zwingende Vorschriften, die dem Schutz der Gläubiger zu Gute kommen870. Zu nennen sind allenfalls § 316 (b) TIA, nach dem der Rückzahlungsanspruch der ­Anleihegläubiger nicht ohne deren Einverständnis eingeschränkt oder aufgehoben werden kann, sowie zusätzliche Regelungen, nach denen das Bond Indenture nicht missverständlich oder irreführend sein darf871. Umso relevanter ist das Gesetz jedoch für das Stadium des Gone Concern. In diesem Stadium wacht der Wertpapiertreuhänder über die Rechte der Gläubiger872. Die Rechte und Pflichten des Wertpapiertreuhänders werden im TIA detailliert geregelt. Der Wertpapiertreuhänder kann während des laufenden Geschäftsbetriebes dazu berechtigt und verpflichtet werden, das Management der Emittentin zu beaufsichtigen und die Gläubiger über einzelne 866  Friel,

Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 88. Nugent & Co. v. Borey, S.D.N.Y., 127 B.R. 727; In re RAC Mortg. Inv. Corp. Securities Litigation, D.Md., 765 F.Supp 860; Pinter v. Dahl, 486 U.S. 622 (1988); Moore v. Kayport Package Exp., Inc., C.A.9 (Cal.), 885 F2d 531; Budford White Lumber Co.Profit Sharing and Sav. Plan & Trust v. Octagon Properties Ltd., W.D.Okl., 740 F. Supp. 1553; Craftmatic Securities Litigation v. Kraftsow, C.A.3(Pa.), 890 F2d, 628. 868  Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 89 m. w. N. 869  Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 89. 870  Vgl. Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 980. 871  Vgl. Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751, 753. 872  s. zur Rolle des Wertpapiertreuhänders ausf. McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 429 ff. 867  Mabon,



§ 10 Das US-amerikanische Recht221

Transaktionen, Geschäftsführungsmaßnahmen oder Grundlagenentscheidungen zu informieren873. Zudem kann er damit beauftragt werden, die einzelnen Konditionen des Bond Indentures mit der Emittentin auszuhandeln874. Dieser Aspekt ist für den Schutz der Anleihegläubiger wichtig, denn der Inhalt des Bond Indentures wird, ähnlich wie die Anleihebedingungen im deutschen Recht, von der Emittentin und dem Underwriter875 einseitig bestimmt. Durch die Einschaltung des Wertpapiertreuhänders soll ausgeglichen werden, dass die Interessen der Emittentin typischerweise auf die Verfolgung der bestmöglichen Konditionen für sich selbst gerichtet sind, während anlegerschützende Interessen eher von sekundärer Bedeutung sind876. Insofern schützt die Kontrolle durch den Indenture Trustee vor ähnlichen Konditionsrisiken wie das deutsche Recht zur Kontrolle von Anleihebedingungen877. Bei der Emission von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen obliegt es somit vor allem dem Wertpapiertreuhänder, im Interesse der Investoren auf eine konkrete Definition des Auslöseereignisses, die Aufnahme von Informationsrechten und Schutzklauseln sowie die Vereinbarung eines gläubigerfreund­ lichen Wandlungs- bzw. Herabschreibungsverhältnisses hinzuwirken. c) Die einzelstaatlichen „Blue Sky Laws“ In nahezu allen Einzelstaaten finden sich Gesetze, welche die Emission und den Handel mit Wertpapieren regulieren. Diese Gesetze, die als „Blue Sky Laws“ bezeichnet werden, dienten ursprünglich dazu, den Handel mit Spekulationsinstrumenten zu regulieren878. Daher ist ihr Anwendungsbereich insgesamt sehr beschränkt. Ausgenommen sind nicht nur sämtliche Anleihen, die an der New York Stock Exchange, der American Stock Exchange oder dem NASDAQ’s National Market System gehandelt werden (sollen), sondern auch Wertpapiere, die von Investmentgesellschaften emittiert werden, sowie die meisten von der Registrierung unter dem SA erfassten Wertpapiere. HinCorey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 980. Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 980. 875  Unter dem Begriff „Unterwriter“ wird grundsätzlich jede Person verstanden, die Wertpapiere von einer Emittentin erworben hat oder diese für die Emittentin verkauft oder anbietet oder an dem Verkauf mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, vgl. § 2 (a) (11) SA; s. für eine ausf. Begriffsbestimmung Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.  324 f. 876  Vgl. zu diesem Problem bereits Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev. (1990), 1165, 1167. 877  Vgl. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 496 f. 878  Der Begriff „Blue Sky Laws“ ist in Anlehung an höchst spekulative Wertpapiere entstanden, von denen man sagte, dass sie nichts als „so many feet of blue sky“ beinhalten würden. 873  Vgl. 874  Vgl.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

sichtlich Schutzrichtung und Umfang variieren die Gesetze von Staat zu Staat zum Teil erheblich. Der District of Columbia verlangt z. B. überhaupt keine Registrierung, New York nur für innerstaatliche Angebote879 und für Emissionen von Real Estate Syndicates880. Auch in New Jersey müssen praktisch nur innerstaatliche Angebote registriert werden881. Sofern eine Registrierung erforderlich ist, lassen sich grundsätzlich drei Grundkonzepte erkennen. Zunächst gibt es „Blue Sky Laws“, die lediglich die Ausgabe und den Handel von Wertpapieren in betrügerischer Absicht verhindern wollen, etwa Maryland oder Virginia. Hier geht es also wie beim SA nur darum, eine ausreichende, nicht irreführende Information des Investors zu gewährleisten. Die Mehrheit der Einzelstaaten, insbesondere Delaware, verfolgt eine abgeschwächte Billigkeitskontrolle, wie sie von dem Uniform Securities Act vorgeschlagen wird. Die Billigkeit der Anleihe kann nur im Hinblick auf die Höhe der den Underwriters oder Sellers gewährten Discounts, Commissions oder sonstigen Vergütungen kontrolliert werden. Zu der Minderheit von Einzelstaaten mit „Blue Sky Laws“, die eine umfassende Billigkeitskontrolle der Wertpapiere vornehmen, zählen etwa Kalifornien und Texas. Das kalifornische Corporate Securities Law von 1968 geht einen Sonderweg, indem es den zuständigen Commissioner berechtigt, jeder Emission die Registrierung zu versagen, die nicht fair, gerecht und billig ist. Zur Konkretisierung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe sollen sog. Rules beitragen, in denen Anforderungen an die Ausgestaltung der Anleihebedingungen gestellt werden. Bspw. sieht Cal. CSL Rule 260.140.1 für Common Shares und Similar Equity Securites die Aufnahme eines Gläubigerstimmrechtes für alle Fragen vor, die nach dem anwendbaren Recht des jeweiligen Saates den Anteilseignern vorzulegen sind. Für Convertible Senior Securities verlangt Cal. CSL Rule 260.140.6 die Ausstattung mit Verwässerungsschutzklauseln (Antidilution Provisions), die das Wandlungsverhältnis bei Umgestaltungen der Kapitalstruktur der Gesellschaft in vollem Umfang anpassen. 3. Zwischenergebnis und Bewertung Der Schutz von Anleihegläubigern in den einzelstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen ist ähnlich wie im deutschen Aktienrecht nur punktuell geregelt. Das US-amerikanische Recht setzt vornehmlich auf einen kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz. Dieser ist im Sinne eines effektiven Funk­ 879  New

York Fraudulent Practices („Martin“) Act § 359 ff. York Fraudulent Practices („Martin“) Act § 352 e. 881  New Jersey Uniform Securities Law § 49:3-60 i. V. m. § 49:3-50. 880  New



§ 10 Das US-amerikanische Recht223

tionenschutzes durch Publikationspflichten und Transparenzregeln auf die Reduzierung von Informationsdefiziten ausgerichtet882. Zwar entfalten die funktionenschützenden Regeln ähnlich wie im deutschen Recht zumindest reflexartig auch eine individuelle Schutzwirkung. Im Hinblick auf die bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen befürchteten Manipulations- und Verwässerungsgefahren durch fehlerhafte Geschäftsführungsmaßnahmen hilft dieser Schutz aber kaum weiter.

II. Kautelarjuristischer Anlegerschutz Der Schwerpunkt des individuellen Anlegerschutzes im US-amerikanischen Recht beruht auf der kautelarjuristischen Vorsorge. Das Bond Indenture beinhaltet sämtliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien und versucht zugleich, sämtliche Fragestellungen, die bei der Ausübung der Rechte auftreten können, zu antizipieren. Durch die Aufnahme von Covenants können die Anleihegläubiger die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens der Emittentin und einer Entwertung ihrer Rechte limitieren. Schon vor dem zweiten Weltkrieg sind Bond Indentures für ihren gewaltigen Umfang krisitiert worden883. Zwar haben Vielfalt und Umfang vertraglicher Schutzklauseln aufgrund einer fortschreitenden Standardisierung und damit einhergehenden Vereinfachung von Bond Indentures seit den 1970er Jahren etwas nachgelassen884, gleichwohl werden die Anleihegläubiger auch heutzutage weitgehend auf Schutzklauseln, die ex ante in den Bond Indentures festgelegt werden, verwiesen885. In diesem engen Vertragsverständnis liegt ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht: Der Schutz über die Primäransprüche ist im US-amerikanischen Recht grundsätzlich auf die explizite Vertragsregelung begrenzt. Zwar kennt das US-amerikanische Vertragsrecht mit dem sog. Prinzip von „Good Faith and Fair Dealing“ eine dem deutschen Grundsatz von Treu und Glauben durchaus ähnelnde implizite Vertragspflicht zu red­ lichem Verhalten. Wie noch zu zeigen sein wird, erlaubt dieses Rechtsprinzip eine ergänzende Vertragsauslegung aber nur in begrenzten Ausnahmefällen. Wird in der Vertragsgestaltung versäumt, das Interessengebiet und den künftigen Aktionsraum der Anleger angemessen zu befestigen, stehen die Anleger 882  Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 484 (die „underlying philosophy“ lautet: Ordnung des Kapitalmarktes durch Publizität). 883  Vgl. McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 423  f. m. w. N. („Frankenstein’s Monster“). 884  Insbesondere das Model Simplified Indenture, ein von der American Bar Association im Jahr 1983 veröffentlichtes Muster für einheitliche Bond Indentures trug zu dieser Entwicklung bei, vgl. Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971 ff.; Dunn, 11 J. Corp. L (1986), 405, 420 m. w. N. 885  Vgl. Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971 ff.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

in Krisensituationen der Emittentin somit auch heutzutage noch auf „sumpfigem Boden“886. Zwar sind die (potentiellen) Investoren an der Vertragsgestaltung selbst nicht beteiligt. Neben der Interessenvertretung durch den Wertpapiertreuhänder werden aber zwei Faktoren als genügend angesehen, die zu ihren Gunsten wirken: Zum einen haben Emittenten einen Anreiz, durch die Aufnahme angemessener Schutzklauseln die Marktgängigkeit der Anleihen zu steigern. Zum anderen prägt eine Marktgängigkeit, die aufgrund einer bestimmten Ausgestaltung eines Instrumentes besteht, auch über den Einzelfall hinaus einen allgemeinen Schutzkanon aus887. 1. Verwässerungsschutzklauseln (Antidilution Provisions) Verwässerungsschutzklauseln schützen die Inhaber von Wandelanleihen bei Kapitalmaßnahmen, indem das Wandlungsverhältnis der Wandelanleihe entsprechend der Kapitalmaßnahme angepasst wird888. Ein solcher kautelarjuristischer Schutz ist erforderlich, da das US-amerikanische Corporate Law eine den §§ 216 Abs. 3, 218 AktG oder § 23 UmwG entsprechende Vorschrift nicht kennt. Pflichtwandelanleihen werden in den USA regelmäßig mit Verwässerungsschutzklauseln ausgestattet, da der Wert der Anleihe aufgrund der Pflichtwandlung noch wesentlich stärker vom Wert der Bezugsaktien abhängt, als es bei herkömmlichen Wandelanleihen der Fall ist. Fehlen solche Antidilution Provisions, kann der Investor bei einer Verwässerung seinen Schaden nicht einmal dadurch begrenzen, dass er die Rückzahlung zum Nennbetrag verlangt. In Kalifornien werden Verwässerungsschutzklauseln daher als Voraussetzung dafür angesehen, dass ein Bond Indenture fair, gerecht und billig im Sinne des Cal. CSL § 25140 ist889. Die Klauseln müssen eng gefasst sein, da sich die Gerichte nach der vorherrschenden klassischen Vertragsauslegung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – streng an den Wortlaut der Klauseln halten890. D. h., dass die Gläubiger nur dann vor einer Kapitalmaßnahme geschützt werden, wenn die konkrete Gestaltung vom Wortlaut der Klausel abgedeckt ist891. Für die Inhaber von bedingten Pflicht886  Luttermann,

Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 292. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 292 m. w. N. 888  s. Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751, 753 f. 889  Vgl. Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 95. 890  Bsp. für Verwässerungsschutzklauseln bietet die American Bar Association, 55 Bus. Law. (2000), 1115 (Art. 10. Conversion, Sec. 10 ff.). 891  Vgl. exemplarisch für den Fall einer Verschmelzung Glinert v. Wickes, 16 Del. J. Corp. L. 764, aff’d, 586 A.2d 1201 (Del. 1991); dazu näher unten 1. Teil: § 10 III.2. 887  s.



§ 10 Das US-amerikanische Recht225

wandelanleihen ist die Aufnahme von Verwässerungsschutzklauseln besonders wichtig, da der Verwässerungseffekt für die Anreizbildung im Anleiheschuldverhältnis und damit für den Schutz der Anleihegläubiger ingesamt von ganz entscheidender Bedeutung ist892. 2. Handlungsbeschränkende Klauseln (Restrictive Covenants) Die Bond Indentures enthalten oftmals umfangreiche Klauseln, die eine Benachteiligung der Gläubiger zugunsten der Anteilseigner verhindern sollen. Diese beschränkenden Klauseln werden verschiedentlich als Protective Covenants, Restrictive Covenants, Operating Covenants, Business Covenants, Safety Covenants und Negative Covenants bezeichnet893. Grundsätzlich kann zwischen Klauseln, die vor Risiken aus allgemeinem Geschäftsverhalten und solchen, die aus einem bestimmten geschäftlichen Sachverhalt schützen, unterschieden werden. Die Ausgestaltung der Klauseln kann variieren. Typisch sind Höchstgrenzen für Ausschüttungen an Anteilseigner, die regelmäßig durch Bezugnahme auf die Gewinnlage des Unternehmens festgelegt werden, Begrenzungen hoher Verschuldensgrade, aber auch Grenzen für den Verkauf oder die pfandrechtliche Belastung von Grundstücken und anderen (wesentlichen) Vermögensgegenständen („Negative Pledge Clause“)894. Daneben gibt es unzählige Spezialklauseln, die im Einzelfall Anwendung finden. Verstößt die Emittentin gegen eine Klausel, haftet sie den Gläubigern auf Schadensersatz. In den Bereich der Klauseln zum Schutz vor Einzelereignissen fallen bspw. die Besetzung des Verwaltungsrates, erhebliche Zuwendungen an Tochtergesellschaften, Fusionen, Sanierungen, feindliche Unternehmensübernahmen. Auch Begrenzungen oder der Ausschluss besonders risikoreich erscheinender Investitionen fallen darunter. Die beratende Praxis hat ganze „Arsenale von Vertragsklauseln“ entwickelt, die auf bestimmte Einzelrisiken gerichtet sind895. Vielfach werden auch die Modalitäten des Prozessrechts mitgeregelt896. Genau wie bei den Verwässerungsschutzklauseln kommt es auf den strengen Wortlaut der Klausel an. Ist eine Maßnahme der Emittentin nicht unmittelbar vom Wortlaut der Klausel erfasst, ist für eine ergänzende Vertragsauslegung regelmäßig kein Raum897. 892  s.

dazu oben 1. Teil: § 4 II.3.b). eine empirische Bestandsaufnahme der in der Praxis verwendeten Covenants s. McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 424 ff. 894  s. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 319. 895  Vgl. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 319. 896  s. hierzu Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 320. 897  Vgl. exemplarisch für den Fall einer Verschmelzung Glinert v. Wickes, 16 Del. J. Corp. L. 764, aff’d, 586 A.2d 1201 (Del. 1991); dazu näher unten 1. Teil: § 10 III.2. 893  Für

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

Für den Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ist die Aufnahme solcher Schutzklauseln von besonderer Relevanz. Die Spielräume für riskantes Wirtschaften oder einseitige Risikover­ lagerungen durch die Emittentin können eingeschränkt werden, indem satzungsfremde Geschäfte und bestimmte Einzelrisiken gezielt ausgeschlossen werden. Ebenso kann der Gefahr der Entwertung der Hybridrechte durch Grundlagen- und Konzernierungsentscheidungen, insbesondere in Kombination mit Verwässerungsschutzklauseln vorgebeugt werden. Auch die Möglichkeiten einer einseitigen Beeinflussung der Auslöseereignisse kann – abhängig von der konkreten Gestaltung – etwa durch die Beschränkung außerordentlich hoher Dividenden oder der Möglichkeiten zur gezielten Vernichtung von Vermögenswerten („Asset Burning“) zur Absenkung der Kernkapitalquote reduziert werden. Zudem kann die allgemeine Wagnisbereitschaft durch die Begrenzung hoher Verschuldensgrade zusätzlich kontrolliert werden. 3. Gläubigerstimmrechte (Voting Rights) Eine weitere Möglichkeit, die Interessen der Gläubiger während der Laufzeit einer Anleihe zu schützen, besteht darin, ihnen im Bond Indenture Stimmrechte einzuräumen. Anders als das deutsche Gesellschaftsrecht kennt das US-amerikanische Corporate Law kein dem „Grundsatz der Verbandssouveränität“ entsprechendes Rechtsprinzip, d. h. auch Gläubigern können Mitbestimmungsrechte, wie sie genuin nur Anteilseignern zustehen, vertraglich eingeräumt werden898. Allerdings wird von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht. Die wirtschaftlichen Kosten von Gläubigerstimmrechten machen ihren Nutzen regelmäßig unattraktiv. Zudem können für Unternehmensleiter, die von Gläubigern gewählt worden sind, besondere kapitalmarktrechtliche Haftungsrisiken für falsche oder irreführende Meldungen der Gesellschaft drohen899. Auch werden Rechtsstreitigkeiten zwischen den stimmberechtigten Gläubigern und stimmrechtslosen Gläubigern sowie Anteilseignern befürchtet, die durch Ersatzklagen gegen die stimmberechtigten Gläubiger etwaige Verluste aus unternehmerischen Fehlentscheidungen der Emittentin kompensieren wollen900. Schließlich kann die Einräumung von Stimmrechten zu Unstimmigkeiten und Benachteiligungen von Gläubigergruppen im Insolvenzverfahren führen901. Der Schwerpunkt des kautelar­ McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 439 ff. Haftung von Kontrollpersonen s. 15 U.S.C. § 78t (a) (1988); s. hierzu Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 977. 900  Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 977. 901  Konflikte können hier insbesondere im Zusammenhang mit subordinierten Gläubigergruppen nach 11 U.S.C. § 510 entstehen; s. hierzu Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 977 m. w. N. 898  s.

899  Zur



§ 10 Das US-amerikanische Recht227

juristischen Anlegerschutzes liegt daher insgesamt auf Verwässerungsschutzklauseln und handlungsbeschränkenden Klauseln.

III. Ungeschriebener Anlegerschutz Es ist bereits deutlich geworden, dass der Schwerpunkt des US-amerikanischen Anlegerschutzes im Gegensatz zum deutschen Recht auf dem fest umrissenen Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und dem explizit geregelten vertraglichen Schutz beruht. Ein Schutz durch ungeschriebene Regeln wie allgemeine Nebenpflichten oder ergänzende Vertragsauslegung besteht im Allgemeinen kaum. Dieses klassische Vertragsverständnis ist in der US-amerikanischen Wissenschaft zum Ende des letzten Jahrhunderts zunehmend in Frage gestellt worden. Gegen Ende der 1980er Jahre und zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte sich im US-amerikanischen Schrifttum eine Diskussion zu der Frage, ob über den vertraglich festgelegten und kapitalmarktrechtlich vorgegebenen Anlegerschutz hinaus ungeschriebene Pflichten der Emittentin und der Unternehmensleiter gegenüber Hybridgläubigern bestehen können und sollten902. Die Ursprünge dieser Überlegungen sind auf ähnliche Entwicklungen zurückzuführen wie die deutsche Debatte zum Anlegerschutz bei Genussrechten: Gesellschaftliche Umstrukturierungen und ein wachsender Markt für Unternehmensübernahmen führten in den 1980er Jahren zu zahlreichen Gerichtsverfahren, die sich damit befassten, wie mit einseitigen Benachteiligungen von Hybridgläubigern durch unternehmerische Entscheidungen der Emittentin umzugehen ist, für die in den Bond Indentures kein expliziter Rechtsschutz vorgesehen ist903. Hinzu kam, dass aufgrund der zunehmend erkennbar werdenden Standardisierung und Vereinfachung von Bond Indentures ohnehin hinterfragt wurde, ob ein Anlegerschutz, der beinahe ausschließlich an die vertraglichen Konditionen anknüpft, noch zeitgemäß ist904. So wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in der US-amerikanischen Wissenschaft und der einzelstaatlichen Rechtsprechung diskutiert, ob ein umfassender Rechtsschutz von Hybridgläubigern über allgemeine Treu-, Rücksichtnahme902  Vgl. Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751 ff.; Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971 ff.; Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187 ff.; Harvey, 65 St. John’s L.Rev. (1991), 1023 ff.; McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413 ff.; Brudney, 105 Harv. L. Rev. (1992), 1821 ff.; ders., 38 B. C. L. Rev. (1997), 595 ff.; Stagg/Ferretti, 4 St. John’s Journ. Legal Comment. (1989), 245 ff.; Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev. (1990), 1165, 1168 m. w. N.; Dunn, 11 J. Corp. L (1986), 405 ff.; Graml, 29 Am. Bus. L. J. (1991), 1 ff. 903  Ein entwicklungsgeschichtlicher Abriss findet sich bei Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 311 ff. 904  Vgl. Harvey, 65 St. John’s L.Rev. (1991), 1023, 1024.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

oder Sorgfaltspflichten verwirklicht werden könnte. Dabei sind die dogmatischen Ansätze für einen solchen ungeschriebenen Anlegerschutz verschieden. Während ein Ansatz diskutiert, ob die korporativen Treupflichten der Unternehmensleiter – im Corporate Law bezeichnet als „Fiduciary Duties“ – auf Hybridgläubiger zu erstrecken sind, versucht ein anderer Ansatz, die Grundlage für derartige ungeschriebene Sorgfaltspflichten in dem vertragsrecht­ lichen Prinzip von „Good Faith and Fair Dealing“ zu sehen. 1. Corporate Law – „Fiduciary Duties“ Im Verhältnis der Entscheidungsträger in der Gesellschaft (Unternehmensleitung und Mehrheitsgesellschafter) zu den übrigen Gesellschaftern sind „Fiduciary Duties“ im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht allgemein anerkannt905. Mit dem RMBCA von 1984 wurde eine Treupflicht innerhalb der Gesellschaft sogar gesetzlich vorgegeben906. Die Pflichtenbindung in der Ausprägung als „Duty of Care and Duty of Loyalty“ dient dem Ausgleich von Interessenkonflikten und hält die Machtverteilung in der Gesellschaft im Gleichgewicht907. Der Pflichteninhalt ist durch unzählige Gerichtsentscheidungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts konkretisiert worden und zielt allgemein darauf ab, dass die Entscheidungsträger stets im besten Inte­ resse der Gesellschaft handeln müssen und Eigeninteressen zurückzustellen haben908. War die Diskussion zu einer möglichen Erstreckung von korporativen Treupflichten auf Hybridgläubiger anfangs nur akademischer Natur, führte die wachsende Zahl der von benachteiligten Hybridgläubigern angestrengten Gerichtsverfahren ab den späten 1980er Jahren dazu, dass sich erstmals auch Gerichte damit auseinandersetzen mussten. Gerichtliche Verfahren, die sich mit dieser Frage speziell bei Mandatory Convertible Bonds oder Contingent Convertible Bonds befassen, sind bislang allerdings nicht bekannt. Die Mehrzahl der bisherigen Gerichtsentscheidungen und Beiträge im Schrifttum befasst sich mit der Frage einer Pflichtenbindung gegenüber den Inhabern herkömmlicher Convertible Bonds.

905  s. zu den Pflichten der Directors, Officers und Shareholders ausf. Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 467 ff. 906  s. McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413, 442. 907  s. hierzu grundlegend und aus rechtsvergleichender Perspektive von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, S.  212 ff. 908  Vgl. Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751, 755 ff.



§ 10 Das US-amerikanische Recht229

a) Die Minderheitsauffassung: Erstreckung der Treubindung auf das Außenverhältnis Insgesamt lässt nur eine Minderheit der mit der Fragestellung befassten Gerichte und Literaturbeiträge eine gewisse Tendenz in Richtung einer Öffnung der Fiduciary Duty für die Inhaber von Wandelanleihen erkennen909. Argumentativ stützen sich diese Ansätze auf die Überlegung, dass eine Wandelschuldverschreibung als hybrides Finanzierungsinstrument die Wesensmerkmale von „Debt“ und „Equity“ in sich vereine. Zumindest herkömmliche Wandelanleihen würden regelmäßig zu einem niedrigeren Zinssatz begeben als einfache Anleihen und in dieser Zinsdifferenz könne man durchaus ein Equity Investment des Anlegers erblicken, das es rechtfertige, ihm den Schutz einer „Fiduciary Duty“ zu gewähren. Die Konsequenz sei eine differenzierende rechtliche Behandlung: Betrifft die schädigende Handlung der Emittentin eine Bond-Komponente, solle allein Vertragsrecht zur Anwendung kommen910. Ist allerdings die Equity-Komponente betroffen – bei herkömmlichen Convertibles etwa durch die Verwässerung des Wandlungsrechts – müsse den Anlegern ein aktionärstypischer Schutz gewährten werden911. Eine Erstreckung der korporativen „Fiduciary Duty“ zugunsten der Inhaber von Convertible Bonds sei mit der Dogmatik des Corporate Law grundsätzlich vereinbar912. Allgemein zeichne sich im US-amerikanischen Corporate Law eine Tendenz ab, nach der sich die „Fiduciary Duty“ zunehmend von ihrer dogmatischen Verankerung – dem Trust bzw. der Agency – löse. Erkennbar sei dies etwa bei der Ausweitung der Treupflichten von Mehrheitsgesellschaftern gegenüber Minderheitsgesellschaftern913. Im Interesse einer effektiven Corporate Governance sei es zudem förderlich, durch die Ausweitung von Treupflichten auf Anleihegläubiger und die damit ein-

909  Vgl. Green v. Hamilton International Corp., 437 F.Supp. 723, 729 Fn. 4 (S.D.N.Y. 1977); Green v. Hamilton (Memorandum Opinion and Order), No. 76 Civ. 5433 (S.D.N.Y. 1981); Broad v. Rockwell International Corp., 614 F.2d 418 (5th Cir. 1980); Van Gemert v. Boing Co., 520 F.2d 1373 (2d Cir.), cert. denied, 423 U.S. 947 (1975); Pittsburgh Terminal Corp. v. Baltimore & Ohio R.R., 680 F.2d 933 (3d Cir.), cert. denied 459 U.S. 1056 (1982); eine prägnante Zusammenfassung der Entscheidungen findet sich bei Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971, 987 ff. 910  s. Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 99 f. m. w. N. 911  Green v. Hamilton (Memorandum Opinion and Order), No. 76 Civ. 5433 (S.D.N.Y. 1981); aus der Lit. Brudney, 105 Harv. L. Rev. (1992), 1821, 1839 f. 912  Bratton, Wis. L. Rev. (1984), 667, 732 f. 913  Bratton, Wis. L. Rev. (1984), 667, 732.; Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev. (1990), 1188 („the same fiduciary duties as are imposed on controlling stockholders to minority stockholders should be directed to the benefit of bondholders as well.“).

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

hergehenden Klagerechte die Kontrolle auf die Unternehmensleitung zu erhöhen914. b) Die herrschende Meinung: Beschränkung der Treubindung auf das Innenverhältnis Die nahezu einhellige Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum lehnt eine Treupflicht gegenüber Hybridgläubigern allerdings ab915. Von den unzähligen Argumenten, die gegen einen pflichtenbasierten Schutz von Hy­ bridgläubigern angeführt werden, soll hier nur ein Überblick vermittelt werden: In rechtspolitischer Hinsicht würde eine Öffnung der „Fiduciary Duty“ für Gläubiger zur Folge haben, dass die Entscheidungsträger der Gesellschaft zwei unterschiedlichen Interessengruppen – Aktionären und Gläubigern – verpflichtet wären916. In der Folge seien zum einen steigende Transaktionskosten, Rechtsstreitigkeiten mit benachteiligten Interessengruppen und diesbezügliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Rechtsordnungen zu befürchten. Zum anderen sei eine Ausschaltung möglicher Risiken bei der Vertragsgestaltung ex ante aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht kostenintensiver als eine gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Emittentin ex post917. Das Risiko einer Entwertung der Kapitalanlage bzw. der Verwässerung des Wandlungsrechts sei Investitionen in hybride Finanzierungsinstru914  Vgl. Dunn, 11 Journ. Corp. L. (1986), 405, 426 ff. („debentureholders as derivative watchdogs“). 915  Vgl. Pittelmann v. Pearce, 6 Cal.App.4th 1436, 8 Cal.Rptr.2d 359 (1992); Simons v. Cogan, 549 A.2d 300 (Supr. Ct. Del. 1988); s. hierzu die Besprechung bei Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751 ff.; Gardner & Florence Call Cowles Found. v. Empire Inc., 589 F.Supp. 669 (1984), vacated on other grounds, 754 F.2d 478 (2d Cir. 1985); Powers v. British Vita, P.L.C., 969 F.Supp. 4 (S.D.N.Y. 1997); Harff v. Kerkorian, 324 A.2d 215 (Del. Ch. 1974), reversed on other grounds, 347 A.2d 133; Norte & Co. v. Manor Health Corp., Del. Ch., No. 6827, 6831 (Del. Ch. 1985); Kessler v. General Cable Corp., 92 Cal.App.3d 531 (1979), 155 Cal. Rptr. 94; Continental Illinois National Bank and Trust Co. of Chicago v. Hunt International Resources Corp., Del. Ch., No. 7888, 7844 (Del. Ch. 1987); Lisman v. Milwaukee, L.S. & W. Ry. Co., 161 F. 472 (E.D. Wis. 1908), aff’d 170 F. 1020 (7th Cir. 1909); Parkinson v. West End St. Ry. Co., 173 Mass. 446, 53 NE 891, 892 (1899); aus dem Schrifttum ferner Bratton, Wis. L. Rev. (1984), 667, 735 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S.  540 f. m. w. N. 916  Vgl. Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751, 771 („As in many legal situations, the person attempting to serve two masters may find her task very difficult and may have to compromise the positions of both parties“). 917  Vgl. zur ökonomischen Kostenfrage Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 197 ff.



§ 10 Das US-amerikanische Recht231

mente inhärent und in der Regel bereits im laufenden Zinssatz eingepreist918. Sollten tatsächlich Informationsdefizite bestehen, sei es Sache des Kapitalmarktrechts, diese auszugleichen. Schließlich könnte die Erstreckung der gesellschaftsrechtlichen „Fiduciary Duties“ auf Hybridgläubiger dazu führen, dass die vertraglich austarierte Risikoverteilung zwischen Aktionären und Gläubigern nachträglich gestört würde919. Unter Umständen müssten existierende entgegenstehende Vertragsklauseln nachträglich als ungültig angesehen werden oder zumindest anders ausgelegt werden. Damit würde in das Prinzip „Freedom of Contract“, das im Grundsatz der deutschen Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG entspricht920, eingegriffen. Es sei Sache des Gesetzgebers, einen solchen Rechtsschutz festzulegen921. Dieser sei besser geeignet, die Interessen, die auf dem Spiel stehen zu bewerten und abzuwägen als ein Gericht. Die Einräumung einer „Fiduciary Duty“ gegenüber Anleihegläubigern könnte langfristige und kostenintensive Prozesse nach sich ziehen922. Dabei sei bereits die Schadensberechnung praktisch kaum durchführbar. So sei es kaum möglich, den Zeitraum, in dem der Wert einer Anleihe durch eine Pflichtverletzung der Emittentin beeinträchtigt wurde, exakt zu bestimmen923. Zudem sei der sachliche Anwendungsbereich kaum abgrenzbar, und zwar weder im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen noch im Hinblick auf typologisch verschiedene hybride Finanzierungsinstrumente924. In rechtsdogmatischer Hinsicht erfordere das US-amerikanische Corporate Law für die Begründung einer „Fiduciary Duty“ eine aus der Rechtsfigur des Trust und der Agency entstandene Pflicht925. Die bloße Gläubigerstellung reiche dafür nicht aus926. Bei einem Convertible Bond handele es sich aber um ein Fremdfinanzierungsinstrument, das bis zur Wandlung keine korpora-

918  Broad

v. Rockwell International Corp., 642 F.2d 929, 956 (5th Cir. 1981). Bratton; Wis. L. Rev. (1984), 667, 698 ff., der allerdings das Risiko eines unzureichenden vertraglichen Verwässerungsschutzes der Emittentin auferlegen will. 920  Vgl. zum Rechtsgrundsatz „Liberty of Contract“ oder „Freedom of Contract“ aus rechtsvergleichender Perspektive Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S.  269 f. 921  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 196 f. 922  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 201 („long, drawn out and expensive litigation would become the rule rather than the exception“). 923  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 201. 924  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 201 („a troublesome problem involves the potential reach of the fiduciary duty doctrine“). 925  Vgl. nur Allen v. Cochran, 160 La. 425, 107 So. 292 (1926). 926  Powers v. British Vita, P.L.C., 696 F.Supp. 4, 5 (S.D.N.Y. 1997); Simons v. Cogan, 549 A.2d 300, 304; Harff v. Kerkorian, 342 A.2d 215, 219 f. 919  Vgl.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

tive Beteiligung an der Gesellschaft verkörpere927. Die bloße Aussicht auf eine zukünftige Aktionärsstellung genüge folglich nicht, um als Aktionär behandelt zu werden. Es würde auch zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Inhaber von Wandelanleihen und Optionsrechten gegenüber den Aktionären führen, denn anders als diesen käme den Hybridgläubigern zusätzlich der kapitalmarktrechtliche und vertraglich festgelegte Gläubigerschutz zu Gute. Die zahlreichen vorgetragenen Argumente erinnern in weiten Teilen an die Diskussion zur Begründung besonderer Nebenpflichten zum Schutz von Hybridgläubigern im deutschen Recht. Anders als dieses folgt das US-amerikanische Anlegerschutzrecht aber weiterhin der klassischen vertragsrechtlichen Ansicht, nach der die Anleger durch die in den Bond Indentures festgelegten Rechte hinreichend und abschließend geschützt sind928. 2. Contract Law – „Good Faith and Fair Dealing“ Der zweite Ansatz versucht, einen ungeschriebenen Anlegerschutz über das vertragsrechtliche Prinzip von „Good Faith and Fair Dealing“ als implizite Vertragspflicht zu redlichem Verhalten zu konstruieren929. Dieses von der Rechtsprechung des Common Law herausgebildete Prinzip hat zum Inhalt, dass jede Vertragspartei verpflichtet ist, durch ihr Verhalten nicht das Recht der Gegenpartei zu vereiteln oder zu beeinträchtigen. Der Ansatz weist eine gewisse Ähnlichkeit zur „Klöckner-Judikatur“ auf, die letztlich im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung einen besonderen Pflichtenmaßstab in hybride Finanzierungsbedingungen hineininterpretiert, um einen Schutz über den expliziten Vertragsinhalt hinaus zu erzielen. Anders als die §§ 241 Abs. 2, 242 BGB im deutschen Recht hat das US-amerikanische Prinzip von „Good Faith and Fair Dealing“ aufgrund einer unterschiedlichen Rechtstradition im Bereich der Vertragslehre und anderer Entwicklungen der Rechtspraxis indes nur einen geringen Stellenwert erlangt.

927  Powers v. British Vita, P.L.C., 696 F.Supp. 4, 5 (S.D.N.Y. 1997); Simons v. Cogan, 549 A.2d 300, 303 f.; Harff v. Kerkorian, 342 A.2d 215, 219 f.; die Gerichte berufen sich auf einen Grundsatz aus der Leitentscheidung Parkinson v. West End St. Ry. Co., 173 Mass. 446, 53 NE 891, 892 (1899) (The convertibility feature is „simply an option to take stock as it may turn out to be when the time for choice arrives. The bondholder does not become a stockholder by his contract, in equity anymore than at law.“). 928  Vgl. Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev. (1990), 1165, 1167. 929  Vgl. Chivers, 1991 Colum. Bus. L. Rev. (1991), 359 m. w. N.; für eine Liste von Rechtsordnungen, die dieses Prinzip kennen s. Burton, 94 Harv. L. Rev. (1980), 369, 404.



§ 10 Das US-amerikanische Recht233

In den letzten Jahrzehnten ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum neben den beschriebenen gesellschaftsrechtlichen Ansätzen zwar zunehmend diskutiert worden, ob und in welcher Weise das Prinzip von „Good Faith and Fair Dealing“ im Anlegerschutzrecht angewendet werden kann930. Letztlich besteht aber weiterhin Einigkeit darin, dass das Prinzip von „Good faith and Fair Dealing“ kein eigenständiges Recht schafft, das neben den vertraglich vereinbarten Rechten und Pflichten zur Anwendung kommt. Es geht insbesondere nicht so weit, dass Hybridgläubiger einen zusätzlichen vertraglichen Schutz erhalten, den sie versäumt haben, am Verhandlungstisch zu vereinbaren. Stattdessen kommt das Prinzip von „Good faith and Fair Dealing“ nur innerhalb der vertraglich festgelegten Rechte und Pflichten als implizite Vertragspflicht zum Tragen931. Es wird insofern nur höchst restriktiv als Grundlage für eine ergänzende oder erläuternde Vertragsauslegung herangezogen932. Die begrenzte Reichweite lässt sich mit der Grundlagenentscheidung Glinert v. Wickes933 aus dem Bundesstaat Delaware veranschaulichen. In dem Fall hatte die streitgegenständliche Optionsscheinsvereinbarung, das Warrant Agreement, eine Klausel zum Inhalt, welche die Gläubiger vor einer Verwässerung ihres Optionsrechtes im Falle einer Verschmelzung der Emittentin mit einer anderen Gesellschaft schützen sollte. Durch die Kombination einer Kapitalumstrukturierung mit einer Verschmelzung erreichte die Emittentin letztlich wirtschaftlich dasselbe Ergebnis, ohne dass allerdings die Schutzklausel ihrem Wortlaut nach einschlägig war. Die Warrants wurden durch die Transaktion nahezu vollständig entwertet. Das Gericht verneinte gleichwohl einen Verstoß gegen das Warrant Agreement und das Prinzip des „Good faith and Fair Dealing“, da die Parteien durch die Vereinbarung einer bestimmten Schutzklausel erkennbar zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie sich der Risiken einer Verschmelzung bewusst waren und das Risiko somit bewusst eingegangen seien. Vor diesem Hintergrund und angesichts des klaren und detaillierten Wortlauts der Schutzklausel lehnte das Gericht einen

Chivers, 1991 Colum. Bus. L. Rev. (1991), 359, 361 ff. Metropolitan Life Ins. Co. v. RJR Nabisco, Inc., 716 F.Supp. 1504 (S.D.N.Y. 1989); Broad v. Rockwell International Corp., 642 F.2d 929 (5th Cir. 1980); Katz v. Oak Industries, Inc., 508 A.2d 873; Glinert v. Wickes, 16 Del. J. Corp. L. 764, aff’d, 586 A.2d 1201 (Del.1991); Pittsburgh Terminal Corp. v. Baltimore & O.R.R., 680 F.2d 933, 951 f. (3d Cir. 1982) cert. denied, 103 S. Ct. 475 (1983); Kessler v. General Cable Corp., 92 Cal.App. 3d 531, 544, 155 Cal.Rptr. 94, 103 (1979); allgemein dazu Holmes, 12 Harv. L. Rev. (1899) 417 ff.; ferner Bratton, Wis. L. Rev. (1984) 692. 932  Chivers, 1991 Colum. Bus. L. Rev. (1991), 359, 367 ff. 933  Glinert v. Wickes, 16 Del. J. Corp. L. 764, aff’d, 586 A.2d 1201 (Del. 1991). 930  Vgl. 931  Vgl.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

impliziten Schutz für die wirtschaftlich identische, aber vom Wortlaut nicht erfasste, Fallkonstellation ab934. Die Entscheidung zeigt, dass das US-amerikanische Recht von dem Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung nur sehr zurückhaltend Gebrauch macht. Allgemein wird befürchtet, dass eine allgemeine Pflicht zu „Good faith and Fair Dealing“ die gewillkürte Risikoordnung stört, die Vertragsfreiheit limitiert, Rechtsunsicherheiten erzeugt und in der Konsequenz zu ineffizient ist935. Das Prinzip des „Good faith and Fair Dealing“ schafft daher keinen allgemeinen Schutz der Anleger vor Fehlentscheidungen des Managements936. Das Risiko, dass der vertraglich umschriebene Anlegerschutz nicht umfassend ist, tragen im Ergebnis die Anleger.

IV. Ergebnis Der Querschnitt durch das US-amerikanische Rechtssystem zeigt, dass das dortige Anlegerschutzrecht im Schwerpunkt auf die Reduzierung von Informationsdefiziten durch ein detailliert geregeltes Kapitalmarktrecht setzt und es im Übrigen den Parteien überlässt, durch die Aufnahme von anlegerschützenden Klauseln (Verwässerungsschutzklauseln, handlungsbeschränkende Klauseln) oder gar die Einräumung von Gläubigerstimmrechten, einen angemessenen Anlegerschutz sicherzustellen. Hervorzuheben ist, dass die in der US-amerikanischen Vertragspraxis anzutreffenden Schutzklauseln auch der deutschen Emissionspraxis von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen als Vorbild dienen können, zumal Anleiheemissionen aufgrund längst globalisierter Kapitalmärkte ohnehin zunehmend einen anglo-amerikanischen Charakter erhalten haben. Ein Anlegerschutz durch ungeschriebene Pflichten der Emittentin gegenüber Hybridgläubigern wurde in den 1990er Jahren zwar intensiv diskutiert, im Ergebnis aber nahezu einhellig abgelehnt. Das US-amerikanische Wirtschaftsrecht entwickelt sich stattdessen zu einem „zunehmend flexiblen, von restriktiven Anleger- und Gläubigerschutzregelungen freien Corporate Law der Einzelstaaten“937. Die ganz herrschende Auffassung geht davon aus, dass ein gut informierter Kapitalmarkt die besonderen Risiken eines Finanzierungsinstrumentes in den Zinssatz einpreisen wird und eine richterliche 934  Glinert

v. Wickes, 16 Del. J. Corp. L. 764, aff’d, 586 A.2d 1201 (Del. 1991). Chivers, 1991 Colum. Bus. L. Rev. (1991), 359, 374 („it destroys the bargain, limits contractual freedom, creates uncertainty and, consequently, creates inefficiencies“). 936  s. dazu bereits Friel, Wandelanleihen mit Pflichtwandlung, S. 97 f. 937  Vgl. Grundmann/Hopt, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307, 320. 935  Vgl.



§ 11 Das Schweizer Recht235

Pflichtendoktrin die privatautonom gewählte Risikoordnung nachträglich verfälschen würde. Ein pflichtenbasierter Anlegerschutz für Hybridgläubiger – sei es auf vertraglicher oder auf korporativer Grundlage – wird ganz überwiegend abgelehnt.

§ 11 Das Schweizer Recht Auch in der Schweiz gibt es bislang keine Gerichtsentscheidungen, die sich mit dem Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auseinandersetzen. Es kann im Rahmen des Rechtsvergleichs also nur darum gehen, die allgemeinen Regelungen und Grundsätze herauszuarbeiten, die für den Schutz der Hybridgläubiger Bedeutung erlangen. Das Schweizer Zivilrecht wird dem deutschen Rechtskreis zugeordnet und ist dem deutschen Recht daher in vielen Aspekten angenähert. Die vergleichende Betrachtung legt aber zahlreiche Unterschiede in den gesetzlichen Lösungsansätzen frei, die das Ergebnis unterschiedlicher Grundsatzentscheidungen der Gesetzgeber sind und die auf den zivilrechtlichen Anlegerschutz in der modernern Finanzierungspraxis fortwirken.

I. Gesetzliche Ausgangslage Im Schweizer Aktienrecht, welches einen Teil des allgemeinen Obligationenrechts bildet, lassen sich viele Bereiche benennen, die dem deutschen Aktienrecht nachempfunden sind938. Die gesetzliche Regelung hybrider Finanzierungsinstrumente, bei der sich im Vergleich zum deutschen Recht abweichende Entwicklungen historisch nachvollziehen lassen, bildet eine Ausnahme. Anders als im deutschen Aktienwesen, wo die Entwicklung im Recht der Genussscheine mit der Einführung der stimmrechtslosen Vorzugsaktie im Jahr 1937 zwischenzeitlich abbrach und sich erst durch den aufsichtsrechtlich geförderten Aufschwung hybrider Finanzierungen in den 1980er Jahren fortsetzte939, hat sich das Recht der Genussscheine in der Schweiz, wo die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht seither unzulässig ist, kontinuierlich fortentwickelt940. Lange bevor in Deutschland in den 1980er Jahren eine Diskussion darüber entbrannte, wie man die Eigenkapitalbasis deutscher Unternehmen durch andere Instrumente als hartes Kernkapital langfristig stärken könnte941, 938  Ein klassisches Beispiel ist das Recht der bedingten Kapitalerhöhung; s. hierzu BaslKommOR/Isler/Zindel, Art. 653a Rn. 23. 939  s. zur historischen Entwicklung bereits oben 1. Teil: § 8 II. 940  Vgl. Vollmer, ZGR 1983, 445, 446. 941  Vgl. nur Reuter, Gutachten B für den 55. DJT, B 25 ff.; s. zu dieser Diskussion oben 1. Teil: § 8 I.2.a).

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

hat man in der Schweiz hybride Finanzierungsinstrumente bereits intensiv genutzt, um ausländische Investoren anzulocken, deren Kapital nach dem zweiten Weltkrieg dringend benötigt wurde942. Hybride Instrumente boten sich zu diesem Zweck an, da sie die Attraktivität eigenkapitaltypischer Ertragsmöglichkeiten mit der Möglichkeit, ausländische Investoren vom Einfluss auf die Unternehmensführung auszuschließen, vereinten. Der traditionell hohe Stellenwert hybrider Beteiligungsformen in der Schweizer Finanzierungspraxis hat im Zuge einer umfangreichen Aktienrechtsrevision im Jahr 1991 zu einer detaillierten Regelung von Genussscheinen und Partizipationsscheinen, einer wirtschaftlichen Form der stimmrechtslosen Vorzugsaktie, die sich seit den Jahr 1960er Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut943, geführt944. Der entwicklungsgeschichtliche Abriss der Anlegerschutzlösungen in Deutschland, den Vereinigten Staaten und der Schweiz legt offen, dass ein wachsender Markt für Mezzanine-Finanzierungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine schwache gesetzliche Regelung hybrider Finanzierungsinstrumente in den jeweiligen Rechtsordnungen und ein Anstieg internationaler Finanzmarkttransaktionen mit negativen Folgen für Hybridgläubiger zu verschiedenen juristischen Gegenmaßnahmen geführt haben945. In Deutschland führten die Entwicklungen in den 1980er Jahren zu verstärkten Forderungen nach einem stärkeren Anlegerschutz in Genussrechtsverhältnissen946, denen der BGH im Jahr 1992 in seiner „Klöckner-Entscheidung“ folgte947 und deren Maßstäbe – zumindest bei Genussrechten – noch heute 942  Böckli, Schweizer Aktienrecht, S.  625; BaslKommOR/Rampini/Spillmann, Art. 656a Rn. 1. 943  Vgl. Bauer, Partizipationsscheine im Schweizer Aktienrecht – im Vergleich zum deutschen Aktienrecht, S. 1. 944  Botschaft für die Revision des Aktienrechts v. 23.2.1983, BBl. 83.015, S. 799 ff.; ausf. zu den Inhalten der Aktienrechtsrevision 1991 Böckli, Schweizer Aktienrecht, S.  627 ff.; Demarmels, Die Genuss- und Partizipationsscheine nach dem Entwurf für ein neues Aktienrecht, passim. 945  Vgl. aus dem deutschen Schrifttum Vollmer, ZGR 1983, 445, 461 ff.; Frantzen, Genußscheine, S.  197 ff.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S. 93 ff.; aus dem US-amerikanischen Schrifttum Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751 ff.; Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971 ff.; Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187 ff.; Harvey, 65 St. John’s L.Rev. (1991), 1023 ff.; McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413 ff. sowie die weiteren Nachw. in Fn. 902; aus dem Schweizer Schrifttum zur Aktienrechtsrevision 1991 Böckli, Schweizer Aktienrecht, S.  627 ff.; Demarmels, Die Genuss- und Partizipationsscheine nach dem Entwurf für ein neues Aktienrecht, passim. 946  Vgl. Vollmer, ZGR 1983, 445, 461 ff.; Frantzen, Genußscheine, S. 197 ff.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S. 93 ff.; s. dazu oben 1. Teil: § 8 II.2. 947  BGHZ 119, 305 = NJW 1993, 57 – Klöckner; bestätigt durch BGH NZG 2013, 987 Rn. 35 = AG 2013, 680, 682; BGH NZG 2014, 661; s. dazu oben 1. Teil: § 8 II.3.a).



§ 11 Das Schweizer Recht237

Geltung beanspruchen948. Nahezu parallel zur Genussrechtsdebatte in Deutschland entbrannte in den USA eine Diskussion über die Erweiterung von gesellschaftsrechtlichen Treubindungen der Unternehmensleitung auf Inhaber von Convertible Bonds sowie die Grenzen für eine Erweiterung des privatautonom vereinbarten Anlegerschutzes durch allgemeine Prinzipien der Vertragsauslegung949. In der Schweiz sah man sich zeitgleich ähnlichen Fragen gegenübergestellt und begegnete dem wachsenden Schutzbedürfnis von Hybridgläubigern im Rahmen der Aktienrechtsrevision 1991 durch die klare rechtliche Abspaltung von Genussrechten und Partizipationsscheinen sowie einer detaillierten Regelung der Rechte der Inhaber solcher Instrumente950. Der Schweizer Gesetzgeber hat durch die gesetzliche Regelung der Partizipationsscheine der Notwendigkeit einer gerichtlichen Anlegerschutzlösung – wie sie in Deutschland nur ein Jahr später durch die „Klöckner-Entscheidung“ gefunden werden musste – durch eine gesetzliche Regelung gezielt vorgegriffen. Dies wird durch die Gesetzesmaterialien zur Aktienrechtsrevision 1991 bestätigt, aus denen hervorgeht, dass der Schweizer Gesetzgeber vo­ rausgesehen hat, welche Risiken bzw. welches Missbrauchspotential für die Inhaber von aktienähnlichem Hybridkapital bestehen können. Es ist erstaunlich, dass sich in den Gesetzesmaterialen zur Regelung der Partizipationsscheine nahezu identische Erwägungen finden, wie in den Urteilsgründen der „Klöckner-Entscheidung“: „Namentlich ist die Stellung des Partizipanten zu stärken, da er Eigenkapital hingibt, ohne Mitwirkungsrechte zu erhalten. Seine Vermögensrechte bestehen einzig in der von den Statuten vorgesehenen Ausformung, hängen vom Entscheid der Generalversammlung ab und sind damit letztlich dem guten Willen der Aktionäre preisgegeben. Zwar haben die Partizipationsscheine bis heute zu keinen Missständen oder gar Missbräuchen geführt, doch hat der Gesetzgeber einzugreifen, ehe es zu Entwicklungen kommt, die von der Gesetzgebung nur noch schwer erfasst werden können.“951

Der Auszug aus den Gesetzesmaterialien zeigt, dass der Schweizer Gesetzgeber dem bei aktienähnlichem Hybridkapital bestehenden Missbrauchspotential schon früh eine sehr viel größere Bedeutung beigemessen hat, als der deutsche Gesetzgeber. Die Folge dieses historischen Unterschieds zum deut948  s.

dazu oben 1. Teil: § 8 II.4.b). aus dem US-amerikanischen Schrifttum Oliver, 58 U. Cin. L. Rev. (1989), 751 ff.; Corey/Marr/Spivey, 18 Fla. St. U. L. Rev. (1991), 971 ff.; Hurst/McGuinness, 10 Journ .L. & Com. (1991), 187 ff.; Harvey, 65 St. John’s L.Rev. (1991), 1023 ff.; McDaniel, 41 Bus. Law. (1986), 413 ff. sowie die weiteren Nachw. in Fn. 902; s. dazu oben 1. Teil: § 10 III. 950  Vgl. Böckli, Schweizer Aktienrecht, S. 627 ff.; Demarmels, Die Genuss- und Partizipationsscheine nach dem Entwurf für ein neues Aktienrecht, passim; s. dazu unten 1. Teil: § 11 III. 951  Botschaft für die Revision des Aktienrechts v. 23.2.1983, BBl. 83.015, S. 800. 949  Vgl.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

schen Recht ist allerdings, dass die Schweizer Lösung zunächst nur auf Partizipationsscheine beschränkt ist und ex lege keine neuartigen Hybridinstrumente, die ähnliche Anlegerschutzfragen aufwerfen, erfasst. Insofern wirken sich die Parallelen und Differenzen in den historisch gewachsenen Lösungsansätzen auf den Anlegerschutz bei der neuen Kapitalklasse aus. 1. Gesellschaftsrecht Das schweizerische Gesellschaftsrecht ist darauf angelegt, die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen und die Interessen der wirtschaft­ lichen Eigentümer zu wahren. Es ist stark shareholder-orientiert952. Obwohl im Schweizer Aktienrecht zahlreiche zwingende Vorschriften statuiert sind, die auch oder sogar ausschließlich dem Gläubigerschutz dienen, ist der Schutz der Gläubigerinteressen ähnlich wie in Deutschland und den USA insgesamt nur schwach ausgestaltet und stattdessen vornehmlich anderen Bereichen des Rechtssystems zugewiesen. Ähnlich wie im deutschen Recht können Gläubigern keine mitgliedschaftlichen Rechte, etwa Stimmrechte in der Generalversammlung, eingeräumt werden. Gläubiger sind somit auch in der Schweiz gegen eine mittelbare Entwertung ihrer Aktienbezugsrechte durch sorgfaltswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen, eine Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und Spielräume bei der Ergebnisermittlung und -verwendung oder durch Grundlagenentscheidungen grundsätzlich machtlos953. Deutlich weitergehend als das deutsche und erst recht das US-amerikanische Recht enthält das Schweizer Recht allerdings eine Reihe von Rechtsinstituten, welche die Gläubiger in den ausgewählten Fallgruppen schützen. Hierzu zählen insbesondere aktienrechtliche Informations- und Kontrollrechte, eine weitreichende Geschäftsleiterhaftung sowie ein gesetzlicher Schutz vor Verwässerungen von vertraglichen Beteiligungsrechten bei Grundlagen- und Konzernierungsentscheidungen der Emittentin. Zudem ist es in der Schweiz üblich, in den Anleihebedingungen Auflagen und Bedingungen zu definieren, die den Gläubigern Einfluss auf das Unternehmen gewähren954. a) Kontrollrechte Es ist bereits angedeutet worden, dass gesetzliche Informationsrechte von Gläubigern in der Schweiz stärker ausgeprägt sind, als in Deutschland. Zwar hat das Schweizer Bundesgericht ausgeführt, dass der Schutz von Anleihe952  Bühlmann,

Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 1 f. Nüscheler, Wandelobligation und Wandelobligationär im schweizerischen Recht, S. 80. 954  s. Schenker, FS von der Crone, S. 65, 72 ff. 953  Vgl.



§ 11 Das Schweizer Recht239

gläubigern während der Laufzeit der Anleihe in erster Linie auf den vertraglichen Beziehungen zur Emittentin und den daraus fließenden Nebenrechten, vor allem den Kontrollrechten, gründet955. Gleichwohl finden sich im Obligationenrecht verschiedene Informations- und Kontrollrechte, auf die Gläubiger zurückgreifen können: Sofern die Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft machen, können sie vom Verwaltungsrat der Emittentin Auskunft über die Organisation der Geschäftsführung (Art. 716b Abs. 2 S. 2 OR) und Einsicht in den Geschäftsbericht und die Revisionsberichte verlangen (Art. 958e Abs. 2 OR). Ein weitergehendes Kontrollrecht ist zudem in Art. 1160 OR vorgesehen. Dessen Ausübung setzt zwar ein gesteigertes Informationsbedürfnis der Anleihegläubiger voraus, dieses wird aber bereits angenommen, wenn die Emittentin mit einer Leistungspflicht (Zinszahlung, Rückzahlungspflicht, Pflicht zur Auslieferung von Aktien bei Wandelanleihen usf.) in Rückstand gerät956. Die Gläubiger können das Kontrollrecht allerdings nicht einzeln ausüben, sondern allein durch den Vertreter der Gläubigergemeinschaft957. Dieser kann sämtliche Informationen von der Emittentin verlangen, die für die Gläubigergemeinschaft von Interesse sind (Art. 1160 Abs. 1 OR) und hat ein Teilnahmerecht an den Verhandlungen der Organe, wenn Gegenstände behandelt werden, welche die Interessen der Gläubiger berühren958. Er kann allerdings weder die Korrektheit der Buchführung überprüfen noch einzelne Geschäftsvorkommnisse innerhalb der Gesellschaft aufdecken. Zudem hat er auch die Geheimhaltungsinteressen der Emittentin zu wahren. Trotz dieser Einschränkungen erweist sich das Schweizer Recht im Vergleich zum deutschen Recht als transparenter und aufklärungsbereiter: Während Hybridgläubiger nach der Rechtsprechung des BGH Auskünfte zu konkreten Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahmen erst verlangen können, wenn es ihnen gelingt, den Verdacht für eine „zielgerichtete“ oder „rechtsmissbräuchliche“ Schädigung glaubhaft zu machen, können sie in der Schweiz Informationen zu einelnen Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahmen bereits verlangen, sofern ein entsprechendes Informationsbedürfnis besteht. Dieses kann nach allgemeinen Grundsätzen bereits angenommen werden, wenn die Gläubiger durch eine Wandlung oder Herabschreibung der Anleihen an Verlusten beteiligt, Zinsleistungen ausgesetzt oder Bezugsaktien nicht fristgerecht geliefert werden. Da Auskunfts- und Kontrollrechte für die Vorbereitung von Zielansprü955  BGE

113 II 283 ff. Erw. 5b. Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 177 f.; Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 62 f. 957  Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 63 m. w. N. 958  Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 177 f.; Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 63 m. w. N. 956  Daeniker,

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

chen gegen die Emittentin und allgemein zur Kontrolle eines redlichen Geschäftsgebarens derselben von erheblicher Bedeutung sind, besteht im deutschen Recht gegenüber der Schweiz insoweit ein Anlegerschutzdefizit. b) Geschäftsleiterhaftung Für den Schutz von Hybridgläubigern ist neben Auskunfts- und Kontrollrechten auch die im Vergleich zum deutschen Aktienrecht weitreichende Geschäftsleiterhaftung von Bedeutung. Anders als in Deutschland, wo die Geschäftsleiterhaftung erst seit der Jahrtausendwende eine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt hat959, spielt die persönliche Haftung von Verwaltung und Geschäftsführung für pflichtwidriges Verhalten nach Art. 754 OR in der Schweiz schon immer eine zentrale Rolle960. Einer der Gründe dafür ist, dass die Organhaftung unter bestimmten Voraussetzungen auch von Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden kann. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung ist – wie sogleich eingehend zu behandeln ist – einer der Gründe dafür, dass es eine mit der „Klöckner-Judikatur“ vergleichbare richterliche Rechtsfortbildung in der Schweiz bislang nicht gibt. Auf Tatbestandsseite ist eine wenigstens fahrlässige Verletzung von Organpflichten, etwa aus § 716a OR (insbesondere Rechnungswesen und Organisation), den Statuten oder aus Art. 717 Abs. 1 OR (Sorgfalts- und Treuepflicht) sowie ein kausaler Schaden des Gläubigers erforderlich961. Verantwortlichkeitsansprüche von Gläubigern kommen nach gefestigter Rechtsprechung indes nur dann in Betracht, wenn ein Gesellschaftsorgan gegen aktienrechtliche Vorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Gläubiger zu dienen bestimmt sind962. Der Verstoß gegen eine Norm, die nur die Gesellschaft oder die Aktionäre schützen soll, genügt nicht. Als gläubigerschützende Vorschriften sind in der Schweiz vor allem die Publizitätsund Rechnungslegungsvorschriften, insbesondere über das Rechnungswesen, die Finanzplanung und Finanzkontrolle gem. § 716a Abs. 1 Nr. 3 OR sowie die Bestimmungen über die Erhaltung des Grundkapitals anerkannt963. Eine Haftung kommt bspw. in Betracht, wenn die Emittentin die Rechnungslegung manipuliert oder falsche Angaben über die Gesellschaftsverhältnisse macht, um die Auslöseereignisse von bedingten Pflichtwandel- und HerabschreiFleischer, WM 2005, 909; zuvor bereits Vetter, AG 2000, 453. Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 31. 961  Ausf. Kalss/Greda, Vorstandshaftung in 15 europäischen Ländern, S. 764 ff. 962  Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 34. 963  Kalss/Greda, Vorstandshaftung in 15 europäischen Ländern, S. 794 ff.; Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 34; BaslKommOR/Widmer/Banz, Art. 754 Rn. 24. 959  Vgl.

960  Vgl.



§ 11 Das Schweizer Recht241

bungsanleihen herbeizuführen. Auch werden den Art. 744 f. OR, welche die Vermögensverteilung im Konkurs regeln, eine gläubigerschützende Funktion zugeschrieben964. Haftungsbegründend sind ferner Verletzungen der allgemeinen Treuepflicht. Hierzu zählen insbesondere Tatbestände des Selbstkontrahierens oder verdeckter Gewinnausschüttungen an einzelne Aktionäre sowie sämtliche Straftatbestände965. Ähnlich wie in der deutschen Judikatur liegt auch im schweizerischen Verantwortlichkeitsrecht eine wichtige Weichenstellung in den Begriffen der direkten und indirekten Schädigung966. Von einer indirekten Gläubigerschädigung wird gesprochen, wenn ein Gesellschaftsgläubiger nur deshalb einen Schaden erleidet, weil die Gesellschaft selbst zu Schaden kommt. Die Durchsetzung dieser Ansprüche obliegt grundsätzlich der Gesellschaft und untersteht dem Regime der Art. 756 f. OR967. Nach Art. 656 Abs. 1 OR können sich grundsätzlich nur Aktionäre und – über die Gleichstellungsnorm des Art. 656a Abs. 2 OR – auch Partizipanten auf die Geschäftsleiterhaftung berufen. Gesellschaftsgläubiger sind nach Art. 757 Abs. 1 OR grundsätzlich nur im Konkurs berechtigt, Schadensersatz zu verlangen, und zwar zunächst nicht an sich selbst, sondern nur an die Gesellschaft. Vorrangig steht es jedoch der Konkursverwaltung zu, die Ansprüche von Aktionären und Gesellschaftsgläubigern geltend zu machen968. Die direkte Gläubigerschädigung wird im Obligationenrecht nicht ausdrücklich erwähnt, sie lässt sich aber aus der Gegenüberstellung zur indirekten Schädigung erschließen. Sie liegt vor, wenn ein Gläubiger durch eine Pflichtwidrigkeit des Organs in seinem Vermögen geschädigt wird, ohne dass gleichzeitig das Vermögen der Gesellschaft geschmälert wird. Einen solchen Schaden kann ein Gläubiger grundsätzlich direkt einklagen969. Allerdings schränkt die neuere Rechtsprechung die Geschäftsleiterhaftung über eine strikte Anwendung der Schutznormtheorie ein, wenn die Gesellschaft in Konkurs gefallen ist und neben den Gläubigern auch die Gesellschaft direkt geschädigt worden ist. In einem solchen Fall können die Gesellschaftsgläubiger ihren direkten Schaden nur dann geltend machen, wenn das Verhalten eines Gesellschaftsorgans gegen aktienrechtliche Bestimmungen verstößt, die 964  BaslKommOR/Widmer/Banz,

Art. 754 Rn. 24. Art. 754 Rn. 28. 966  Zur Entwicklung dieses Begriffspaares s. von der Crone/Carbonara/Hunziker, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit und Geschäftsführung, S. 7 ff.; ausf. auch Stoffel, FS von der Crone, S. 239, 247 ff.; BaslKommOR/Widmer/Banz, Art. 754 Rn. 14 ff. 967  Vgl. von der Crone/Carbonara/Hunziker, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit und Geschäftsführung, S. 20. 968  Kalss/Greda, Vorstandshaftung in 15 europäischen Ländern, S. 783 ff. 969  Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 37. 965  BaslKommOR/Widmer/Banz,

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

ausschließlich dem Gläubigerschutz dienen oder die Schadensersatzpflicht auf einem deliktischen Verhalten des Organs im Sinne von Art. 41 OR oder auf einem Tatbestand der culpa in contrahendo gründet970. Mit dieser Einschränkung der Klagebefugnis will die Rechtsprechung verhindern, dass ein Wettlauf zwischen der Konkursverwaltung und den direkt klagenden Gläubigern zur Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen stattfindet971. Im Ergebnis kann die Geschäftsleiterhaftung damit zwar grundsätzlich auch von Gläubigern geltend gemacht werden kann, eine vollständige Gleichstellung mit Aktionären ist jedoch nur für Partizipanten vorgesehen. Die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen können sich auf die Geschäftsleiterhaftung somit bei indirekten Schädigungen nur im Gone Concern – dann vorrangig über die Gläubigerversammlung – oder bei direkten Schädigungen auch im Going Concern – dann unter strenger Anwendung der Schutznormlehre – berufen. Der Schweizer Lösungsansatz unterscheidet sich von der deutschen „Klöckner-Judikatur“ erheblich. Während die deutsche Lösung eine vertragliche Emittentenhaftung zur Folge hat, steht in der Schweiz die persönliche Geschäftsleiterhaftung im Vordergrund. Fragt man nach den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Ansätze, so wird zugunsten der Geschäftsleiterhaftung zunächst der Gedanke der Prävention sprechen, der durch die abschreckende Wirkung einer persönlichen Haftung gefördert wird. Zwar werden die persönlichen Haftungsrisiken der Geschäftsleiterhaftung in der Schweiz ebenso wie in Deutschland seit den 1990er Jahren von D&O-Versicherungen begrenzt972. Dennoch müssen die Geschäftsleiter eine Haftung fürchten, da die Versicherungen bei Vorsatz sowie Schäden „wegen oder infolge von Strafen, Geldbußen oder Entschädigungen mit Strafcharakter“ nicht zahlen973. In der Praxis zahlen D&O-Versicherungen nur in rund einem Viertel der Haftungsfälle974. Hinzu kommt, dass seit der Einführung von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG im Jahr 2009 ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur 970  BGE 131 III 306 ff. Erw. 3.1.2.; BGE 128 III 180 ff. Erw. 2c; BGE 127 III 374 ff. Erw. 3b; BGE 125 III 86 ff. Erw. 3a. 971  BGE 131 III 306 ff. Erw. 3.1.2. 972  s. den Rechtsvergleich bei Fleischer, WM 2005, 909, 913 f. 973  s. die Kritik bei Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796; ferner von Schenck, NZG 2015, 494, 496; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1800. Schweizerische Haftungspolicen beinhalten i.d.R eine Reihe von tatbestandlichen Einschränkungen, s. dazu Fleischer, WM 2005, 909, 913 f. 974  Hopt, ZIP 2013, 1793, 1801; vgl. auch Bachmann, WM 2015, 105 („Versicherung zahlt nicht alles und nicht immer“); hinzukommt, dass sich der Versicherungsbedingungen in der Praxis oft unterscheiden, vgl. von Schenck, NZG 2015, 494, 497. Dies vermochten auch die im Jahr 1997 vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e. V. veröffentlichten Musterbedingungen für D&O-Versicherungen nicht zu ändern, vgl. Kästner, AG 2000, 113, 114 m. w. N.



§ 11 Das Schweizer Recht243

Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen ist975. Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Diskussion über eine Neuregelung der aktienrrechtlichen Organhaftung auf dem 63. Deutschen Juristentag bewusst von einer Erweiterung der Vorschriften nach dem Schweizer Vorbild abgesehen976. Dies ist darauf zurückzuführen, dass eine weitreichende Geschäftsleiterhaftung bisweilen auch kritisch gesehen wird. Etwa weist Fuchs daraufhin, dass der präventive Effekt einer persönlichen Haftung neben anderen Anreiz- und Abschreckungsmechanismen (etwa drohender Reputations- oder Stellungsverlust) überschätzt werde, eine persönliche Haftung Anreize zu einem aus volkwirtschaftlicher Sicht nicht wünschenswerten risikoaversen Handeln setzen könnte und zudem Raum für missbräuchliche Klagen biete977. Zum anderen ist die deutsche Organhaftung durch das Konzept der „Binnenrechtsordnung des Verbandes“ gekennzeichnet978. Da sich das deutsche Aktienrecht im Gegensatz zur Schweiz bewusst gegen eine gesetzliche Gleichstellung von Genussrechtsinhabern bzw. Partizipanten und Aktionären entschieden hat, ist es nur konsequent, wenn die Organhaftung den Hybridgläubigern grundsätzlich verwehrt bleibt. Nach deutschem Verständnis liegt eine Emittentenhaftung auch näher, da Hybridinstrumente nach deutschem Verständnis als reine Gläubigerrechte zu betrachten sind und die Emittentin – nicht der Vorstand – Vertragspartnerin der Hybridgläubiger ist. Im Übrigen sind die Geschäftsleiter auch in Deutschland von einer persönlichen Haftung nicht vollständig befreit: Es bleibt die Möglichkeit einer Direkthaftung, wenn die Schwelle der deliktischen Tatbestände überschritten ist, sowie die Möglichkeit des Rückgriffs der Gesellschaft im Wege der Organhaftung, sobald die Gesellschaft Schadensersatz geleistet hat. c) Verwässerungsschutz Im Vergleich zum deutschen Recht ebenfalls weitergehend ist der gesetz­ liche Schutz von Hybridgläubigern vor Verwässerungsgefahren im Falle von Kapitalmaßnahmen, Konzernierungsmaßnahmen und sonstigen Grundlagenentscheidungen. Im älteren Schrifttum zum Schutz der Inhaber von hybriden Finanzierungsinstrumenten, insbesondere Wandelanleihen, ist oft noch be975  Den Organen steht es allerdings frei, privat eine ihren Selbstbehalt abdeckende Versicherung abzuschließen, s. zu dieser Praxis Melot de Beauregard/Gleich, NJW 2013, 824, 829. In der Schweiz wird i. d. R. ein Selbstbehalt i. H. v. 10 Prozent der versicherten Leistung, maximal 50.000,– CHF vereinbart, vgl. Fleischer, WM 2005, 909, 914 m. w. N. 976  Vgl. Baums, Gutachten F für den 63. DJT, F 221 ff. 977  WpHG, Vor §§ 37b, 37c Rn. 77 f. 978  Vgl. Baums, Gutachten F für den 63. DJT, F 223 f.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

mängelt worden, dass das Schweizer Obligationenrecht keinen Schutz der Hybridgläubiger vor Verwässerungsgefahren durch Grundlagenentscheidungen enthielt, wie er etwa im deutschen Aktienrecht in § 216 Abs. 3 vorgesehen ist979. Zugleich kamen empirische Auswertungen zu dem Ergebnis, dass der vertragliche Verwässerungsschutz in den Anleihebedingungen im internationalen Vergleich lange Zeit gar nicht vorhanden oder zumindest unzureichend ausgeprägt war980. Um diesem Schutzbedürfnis abzuhelfen, wurde im Rahmen der Revision des Schweizer Obligationenrechts im Jahr 1991 ein neuer Art. 653d eingeführt, der speziell dem Schutz von Inhabern von Wandel- und Optionsanleihen vor Verwässerungsgefahren dient. Nach Art. 653d Abs. 1 OR kann die Ausübung von Aktienerwerbsrechten nicht wegen einer Beschränkung der Übertragbarkeit von Namensaktien verwehrt werden, es sei denn, dass dies in den Statuten und im Emissionsprospekt vorbehalten wird. Zudem sieht Art. 653d Abs. 2 OR vor, dass Wandel- oder Optionsrechte durch die Erhöhung des Aktienkapitals, durch die Ausgabe neuer Wandel- oder Optionsrechte oder – als wesentlicher Unterschied zur deutschen Parallelvorschrift aus § 216 Abs. 3 AktG – „auf andere Weise“ nur beeinträchtigt werden dürfen, wenn der Konversionspreis gesenkt oder den Berechtigten auf andere Weise ein angemessener Ausgleich gewährt wird, oder wenn die gleiche Beeinträchtigung auch die Aktionäre trifft. Nach Art. 13 Abs. 8 lit. a BankG findet die Schutzvorschrift explizit auch Anwendung auf bedingte Pflichtwandelanleihen, die als Wandlungskapital im Sinne des Bankengesetzes ausgegeben werden. Die Regelung in Art. 653d Abs. 2 OR stellt einen Mindeststandard dar, den die Emittentin in den Anleihebedingungen nicht unterschreiten darf. Sollten die Anleihebedingungen die gesetzlich geschützten Rechte der Gläubiger verletzen, so berührt dies zwar nicht die Gültigkeit der Wandel- und Optionsrechte, den Berechtigten stehen aber zusätzlich Schadensersatzansprüche gegen die Emittentin zu981. Sollte es zu Verwässerungssachverhalten kommen, die von dem weiten Gesetzeswortlaut nicht erfasst sein sollten, besteht die Besonderheit, dass die 979  Vgl. Weber, Kapitalbeschaffung mit Partizipationsscheinen und Wandelobligationen, S.  183 f.; Müller, Convertible Bonds, insbesondere nach Schweizer Recht, S. 85 ff.; wohl auch Nüscheler, Wandelobligation und Wandelobligationär im schweizerischen Recht, S. 80. 980  Vgl. Gugler, Wandel- und Optionsanleihen nach schweizerischem Recht, S.  21 f.; Weber, Kapitalbeschaffung mit Partizipationsscheinen und Wandelobligationen, S. 204; erste Vorschläge für Verwässerungsschutzklauseln finden sich bei Kormann, Die Wandelanleihe im schweizerischen Recht, S. 145 ff. 981  Vgl. BaslKommOR/Isler/Zindel, Art. 653d Rn. 10.



§ 11 Das Schweizer Recht245

Schweizer Rechtsordnung keine Störung der Geschäftsgrundlage nach deutschem Vorbild kennt. Stattdessen löst das Schweizer Recht entsprechende Problemlagen durch eine richterliche Vertragsanpassung, die in der Lehre überwiegend – unter Hinweis auf Art. 18 OR – als Vertragsergänzung verstanden wird, während sich das Bundesgericht auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs nach Art. 2 Abs. 2 ZGB stützt982. Voraussetzung dafür ist eine unvorhersehbare Veränderung der Verhältnisse nach Vertragsschluss, die zu einer Äquivalenzstörung führt. In der Rechtsfolge wird die „Vertragsanpassung“ dabei allgemein verstanden und meint sowohl die Vertragsauflösung als auch die Anpassung im engeren Sinne, ohne dass diese gegenüber jener vorrangig wäre983. 2. Kapitalmarktrecht Der kapitalmarktrechtliche Gläubigerschutz blieb in der Schweiz insgesamt lange Zeit hinter internationalen Standards zurück und wurde erst durch jüngere Gesetzesreformen angepasst. Insgesamt kennt die Schweiz kein einheitliches Kapitalmarktrecht. Die Vorschriften, die sich mit einzelnen Bereichen des Marktes befassen, sind auf verschiedene Gesetze verstreut. Neben einzelnen Regelungen im Obligationenrecht finden sich spezialgesetzliche kapitalmarktrechtliche Vorschriften auf Bundesebene im Bankengesetz, im Anlagefondsgesetz und im Strafgesetzbuch. Die weitreichende kantonale Zersplitterung des schweizerischen Kapitalmarktrechts und die sich aus historisch bedingten unterschiedlichen Regelungsansätzen der einzelnen Kantone ergebenden Regelungsmängel und -lücken führten Ende der 1980er Jahre zu Bestrebungen, die normative Ordnung der Börsen und des Wert­ papierhandels auf eine bundeseinheitliche Grundlage zu stellen984. Im Jahr 1997 wurde das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) verabschiedet, welches durch eine Verordnung über die Börsen und den Effektenhandel (BEHV) begleitet wird985. Die Regelungen orientieren sich an den Zielvorgaben des Funktions- und Anlegerschutzes und folgen in der konkreten Ausgestaltung weitgehend internationalen Standards, insbesondere dem deutschen Wertpapierhandelsgesetz986. Seit der Jahrhundertwende 982  MünchKommBGB/Finkenauer,

§ 313 Rn. 34. MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 Rn. 34. 984  Vgl. Keßler/Micklitz/Keßler, Anlegerschutz in Deutschland, Schweiz, Großbritannien, USA und der Europäischen Gemeinschaft, S. 143. 985  Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel v. 24.3.1995 (Börsengesetz, BEHG), BBl. 954.1; Verordnung über die Börsen und den Effektenhandel (Börsenverordnung, BEHV) v. 2.12.1996, BBl. 954.11. 986  Vgl. Keßler/Micklitz/Keßler, Anlegerschutz in Deutschland, Schweiz, Großbritannien, USA und der Europäischen Gemeinschaft, S. 143 m. w. N. 983  Vgl.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

gibt es Bestrebungen für weitere Reformen und eine Harmonisierung des Finanzmarktrechts987. Nach einer längeren Entwicklungsphase hat der Bundesrat Anfang November 2015 die Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG)988 und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG)989 verabschiedet. Die Gesetze sollen einheitliche Wettbewerbsbedingungen für die Finanzintermediäre schaffen und den Anlegerschutz verbessern990. Ebenso wie das deutsche Kapitalmarktrecht und die US-amerikanische Securities Regulation setzen die Gesetze insbesondere auf eine Reduzierung von Informationsasymmetrien bei der Anlageentscheidung. Das FIDLEG enthält hierzu weitreichende Verhaltensregeln, die Finanzdienstleister gegenüber ihren Kunden einhalten müssen. Zudem sieht es Prospektpflichten vor und verlangt für Finanzinstrumente ein leicht verständliches Basisinformationsblatt. Das FINIG vereinheitlicht im Wesentlichen die Bewilligungsregeln für Finanzdienstleister. Den besonderen Anlegerschutzbedürfnissen bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, die während der Laufzeit der Anleihen erwartet werden, dürften die Reformen, die frühestens 2019 in Kraft treten, indes kaum abhelfen.

II. Kautelarjuristischer Anlegerschutz Das schweizerische Anlegerschutzrecht hat sich im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Finanzmärkte insoweit dem US-amerikanischen Konzept angenähert, als dass der Schutz der Anleihegläubiger während der Laufzeit der Anleihe in erster Linie auf den vertraglichen Vorkehrungen mit der Emittentin und den daraus fließenden Nebenrechten, insbesondere Kon­ trollrechten, gründet991. Die Überwachung der Unternehmensleitung durch die Gläubiger und ihre Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen (externe Corporate Governance) durch Covenants ist im angloamerikanischen Rechtskreis seit langem verbreitet992, aber auch in der schweizerischen Finanzierungspraxis hat deren Bedeutung in den letzten Jahren an Bedeutung 987  Vgl. Keßler/Micklitz/Keßler, Anlegerschutz in Deutschland, Schweiz, Großbritannien, USA und der Europäischen Gemeinschaft, S. 144. 988  Entwurf für ein Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungsgesetz, FIDLEG), abrufbar unter https://www.newsd.admin.ch. 989  Entwurf für ein Bundesgesetz über die Finanzinstitute (Finanzinstitutsgesetz, FINIG), abrufbar unter https://www.admin.ch. 990  Entwurf für eine Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG), S. 2 ff., abrufbar unter https://www.newsd.admin. ch. 991  Vgl. BGE 113 II 283 ff. Erw. 5b.; Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S.  40 f. 992  s. dazu oben 1. Teil: § 10 II.



§ 11 Das Schweizer Recht247

gewonnen993. Üblich sind bspw. Covenants, die Ausschüttungen verbieten, solange Zinszahlungen an Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ausgesetzt werden994. Hierdurch soll eine Ungleichbehandlung von Aktionären und Gläubigern vermieden werden. 1. Verwässerungsschutzklauseln Im schweizerischen Schrifttum wurden Verwässerungsgefahren für Inhaber von Wandel- und Optionsanleihen durch Grundlagenentscheidungen der Emittentin schon früh erkannt995. Bereits vor der Einführung des Art. 653d Abs. 2 OR waren in schweizerischen Anleihebedingungen von Wandel- und Optionsanleihen Verwässerungsschutzklauseln zu finden996. Die anfangs nur rudimentären Klauselwerke haben sich im Laufe der Jahre an internationale Standards angepasst. Wie der Verwässerungsschutz zum Tragen kommt, ist in den Anleihebedingungen geregelt, wobei die Emittenten teilweise eigene Modelle zur Berechnung des Verwässerungsschutzes verwenden. Üblich ist eine Reduktion des Wandel- bzw. Optionspreises um den Betrag, der sich aus dem Durchschnitt der täglichen Börsenkurse für die Bezugsaktien während des Bezugsrechtshandels ergibt. Neben der Reduktion des Wandel- und Optionspreises werden den Obligationären zum Schutz vor Verwässerungen teilweise auch direkte Bezugsrechte auf junge Aktien, wie sie auch Aktionären zustehen, oder aufgeschobene Bezugsrechte, die treuhänderisch (bspw. durch eine Bank) ausgeübt werden, eingeräumt. Die Emittentin muss bei der Ausgestaltung stets darauf achten, dass sie den Mindeststandard, der durch Art. 653d Abs. 2 OR vorgegeben ist, nicht unterschreitet.

993  Vgl. Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 97; zum Schutzwert der Anleihebedingungen von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auch von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 19; Härtsch, GesKR 2011, 193, 201. 994  Vgl. Härtsch, GesKR 2011, 193, 201. 995  Vgl. Gugler, Wandel- und Optionsanleihen nach schweizerischem Recht, S.  21 f.; Weber, Kapitalbeschaffung mit Partizipationsscheinen und Wandelobligationen, S. 204; Kormann, Die Wandelanleihe im schweizerischen Recht, S. 145 ff.; Nüscheler, Wandelobligation und Wandelobligationär im schweizerischen Recht, S. 80. 996  Vgl. die empirischen Auswertungen bei Nüscheler, Wandelobligation und Wandelobligationär im schweizerischen Recht, S. 80 f.; Weber, Kapitalbeschaffung mit Partizipationsscheinen und Wandelobligationen, S. 183 ff.; Gugler, Wandel- und Op­ tionsanleihen nach schweizerischem Recht, S. 21 ff.; Kormann, Die Wandelanleihe im schweizerischen Recht, S. 145 ff.; Müller, Convertible Bonds, insbesondere nach Schweizer Recht, S. 73 ff.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

2. Ausgestaltung der Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter Es ist augenfällig, dass in nahezu jedem Beitrag in der schweizerischen Literatur, der sich mit bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen befasst, Warnungen vor möglichen Beeinträchtigungen der Rechtsstellung der Inhaber durch die Emittentin zu lesen sind. Die Lösungen, die für diese besonderen Risiken vorgeschlagen werden, gründen stets auf einer kautelarjuristischen Vorsorge, die darauf beruht, dass durch die Ausgestaltung der Wandlungsparameter (Auslöseereignis und Umwandlungs- bzw. Herabschreibungsverhältnis) Negativanreize für die Emittentin zur Herbeiführung der Verlustteilnahmebedingungen ex ante minimiert werden997. Die Gesamtschau erlaubt den Schluss, dass dem Schweizer Gesetzgeber und Schrifttum die besonderen Gefahren der neuen Kapitalklasse durchaus bewusst sind, der Weg zur Lösung dieser Problemstellungen neben den gesetzlichen Schutzinstrumenten aber vor allem in der vertraglichen Ausgestaltung der Instrumente gesehen wird. 3. Kontrolle der Anleihebedingungen Ähnlich wie in Deutschland ist auch in der Schweiz weitgehend anerkannt, dass Anleihebedingungen dem Recht für allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen. Dabei gelten weitgehend die von der deutschen Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze998. In Bezug auf bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, die als bankrechtliche Eigenmittel anrechenbar sein sollen, sieht das Schweizer Bankengesetz zudem eine hoheitliche Kontrolle der Anleihebedingungen vor. Art. 11 Abs. 4 BankG statuiert eine Genehmigungspflicht der Anleihebedingungen von Instrumenten des Wandlungs- und Vorratskapitals durch die FINMA999. Die FINMA leitet daraus ab, dass sie im Rahmen der Genehmigung der Anleihen auch zur Prüfung berechtigt ist, ob die Instrumente für die anvisierte Anlegerkategorie geeignet sind und ob die Anleger über die Risiken genügend und zweckmäßig informiert werden1000.

997  Vgl. etwa Härtsch, GesKR 2011, 193, 201 f.; Böckli, SZW 2012, 181, 187 ff.; Berndt/Vollmar/Becker, ST 2012, 125, 128 ff.; Breitkreuz/Vollmar, ST 2011, 148, 150 f.; Leippold, ST 2011, 913 f.; von der Crone/Beeler, ZBB 2012, 12, 17 ff. 998  Vgl. Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 72. 999  Eschwey, Contingent Convertible Bonds (CoCos), S. 319. 1000  Vgl. Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 521.



§ 11 Das Schweizer Recht249

III. Ungeschriebener Anlegerschutz Das schweizerische und das deutsche Zivilrecht haben gemein, dass die Parteien eines Schuldverhältnisses einander nach Treu und Glauben verpflichtet sind1001. Trotz dieser Ähnlichkeit zu den §§ 242, 241 Abs. 2 BGB sucht man im Schweizer Recht der Hybridfinanzierung vergebens nach einer richterlichen Haftungsdoktrin, die mit der deutschen „Klöckner-Judikatur“ vergleichbar wäre. Eine Ursache mag darin liegen, dass es bislang schlicht keinerlei Gerichtsverfahren gab, in denen ein Bedürfnis für eine entsprechende richterliche Rechtsfortbildung aufgekommen wäre. Auch kann das Fehlen vergleichbarer richterlicher Rechtsfortbildungen darauf zurückzuführen sein, dass etwaige Haftungskonstellationen in der Schweizer Rechtsordnung von der im Vergleich zu Deutschland weiter gefassten Geschäftsleiterhaftung abgedeckt werden1002. Hauptsächlich aber – so scheint es – ist der Gedanke, bei aktienähnlichen Hybridinstrumenten müsse ein gesellschaftsrechtliches Einflussdefizit durch besondere Sorgfaltspflichten kompensiert werden, in der Schweiz nicht so dringend. Dies lässt sich auf eine historisch gewachsene Besonderheit des Schweizer Aktienrechts zurückführen: Seit der Revision des Schweizer Aktienrechts vom 4. Oktober 1991 können Genussscheine nur noch zugunsten von Personen ausgegeben werden, die ohnehin schon durch eine frühere Kapitalbeteiligung als Aktionär, Gläubiger, Arbeitnehmer oder in ähnlicher Weise mit der Emittentin verbunden sind (Art. 657 Abs. 1 OR)1003. Der Schweizer Genussscheininhaber ist daher stets durch die Schutzrechte aus seinem bereits bestehenden anderen Rechtsverhältnis (Mitgliedschaft oder Vertrag) zur Emittentin geschützt. Zudem sind mögliche Interessenkonflikte zwischen der Emittentin und den Genussrechtsinhabern in der Schweiz bereits dadurch begrenzt, dass Schweizer Genussrechte keine Verlustteilnahme, sondern allenfalls Ansprüche auf einen Anteil am Bilanzgewinn, am Liquidationsergebnis oder auf den Bezug neuer Aktien gewähren dürfen1004. Im Hinblick auf eine laufende Verlustteilnahme kommt dem deutschen Genussrecht stattdessen der in der Schweiz schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts gewohnheitsrechtlich anerkannte und seit 1991 auch gesetzlich 1001  Art. 2 ZGB lautet: „Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. Der offene Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz“. 1002  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 11 I.1.b). 1003  s. eingehend zur Entwicklungsgeschichte von Genuss- und Partizipationsscheinen Böckli, Schweizer Aktienrecht, S. 623 ff.; BaslKommOR/Rampini/Spillmann, Art. 656a Rn. 1 f. 1004  Vgl. BaslKommOR/Rampini/Spillmann, Art. 657 Rn. 4 f.; Böckli, Schweizer Aktienrecht, S. 645; von der Crone, Aktienrecht S.  173 f.

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3. Teil: Anlegerschutzlösungen in anderen Rechtsordnungen

verankerte Partizipationsschein am nächsten. Der wirtschaftliche Zweck von Partizipationsscheinen entspricht dem der Genussrechte im deutschen Recht. Rechtlich werden sie gegen Einlage ausgegeben, haben einen Nennwert (Art. 656a Abs. 1 OR) und sind im Übrigen als stimmrechtslose Aktien ­ausgestaltet1005. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Schweizer Partizipationsschein und dem deutschen aktienähnlichen Genussrechten liegt aber darin, dass Partizipanten den Aktionären, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt, gesetzlich gleichgestellt sind (Art. 656a Abs. 2 OR). Das Gleichstellungsprinzip hat zur Folge, dass jeder Partizipant ex lege eine Ausfertigung des Jahres- und des Revisionsberichtes herausverlangen (Art.  696 Abs.  1 S.  2 OR), Generalversammlungsbeschlüsse anfechten (Art. 706 Abs. 1 OR), bei Fehlen eines der vorgeschriebenen Organe oder bei unrechtmäßiger Besetzung von Organen Organisationsklage gegen die Gesellschaft (Art. 731b OR) und bei einer treu- oder sorgfaltswidrigen Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung Verantwortungsklage gegen die Organe erheben kann (Art. 752 ff. OR)1006. Auch hat die Gesellschaft den Partizipanten über die Einberufung der Generalversammlung, über die Verhandlungsgegenstände und Anträge zu informieren (Art. 656d Abs. 1 OR). Das Fehlen des Stimmrechts und die damit verbundene Abhängigkeit von den Generalversammlungsbeschlüssen der Emittentin wird durch den in Art. 656f OR verankerten Grundsatz der vermögensrechtlichen Mindestgleichstellung der Partizipanten mit den Aktionären ausgeglichen1007. Die Rechte der Partizipanten sind in den Art. 656a ff. OR somit klar und abschließend definiert. Bislang bestand kein Bedürfnis und kein Raum für eine gesteigerte Pflichtenbindung nach dem Vorbild der „Klöckner-Judikatur“1008. Die Schweiz geht also einen Sonderweg, indem sie Partizipanten als einer Einzelform hybrider Kapitalgeber besondere gesetzliche Privilegien gewährt. Die Konsequenz dieser Sonderlösung ist allerdings, dass die besonderen Schutzregeln anderen Hy­ bridgläubigern, wie den Inhabern von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, ex lege nicht zugute kommen, obwohl deren Risikoprofil dem von Partizipationsscheinen wirtschaftlich durchaus nahekommt.

1005  Vgl. von der Crone, Aktienrecht S. 175 ff.; BaslKommOR/Rampini/Spillmann, Art. 656a Rn. 1. 1006  BaslKommOR/Rampini/Spillmann, Art. 656a Rn. 5. 1007  Vgl. BaslKommOR/Rampini/Spillmann, Art. 656g Rn. 1. 1008  Vgl. hierzu auch Smid/Wehdeking/Zeuner/Cranshaw, Fragen des Deutschen und Europäischen Insolvenzrechts, S. 119 ff.



§ 11 Das Schweizer Recht251

IV. Ergebnis Das Ergebnis der Bestandsaufnahme zum Schutz der Hybridgläubiger in der Schweiz ist zwiegespalten. Einerseits schützt das Schweizer Gesellschaftsrecht die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch weitreichende gesetzliche Informationsrechte, eine im Vergleich zum deutschen Recht weitergehende Geschäftsleiterhaftung und einen gesetzlichen Verwässerungsschutz, der sich über Kapitalmaßnahmen hinaus auch auf „ähnliche Strukturmaßnahmen“ erstreckt. Andererseits besteht das Privileg der Gleichstellung von Hybridgläubigern und Aktionären aus historischen Gründen nur für die Inhaber von Partizipationsscheinen. Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz bislang keinen Bestand allgemeiner richterlicher Rechtsfortbildungen zum Schutz von Hybridgläubigern, die den Inhabern von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen zugute kommen. Die klare gesetzliche Regelung der hybriden ­Finanzierungsinstrumente und das daraus resultierende Fehlen allgemeiner Schutzprinzipen wie der „Klöckner-Rechtsprechung“ führen dazu, dass die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen auf die allgemeinen Regeln der Geschäftsleiterhaftung, die kautelarjuristische Vorsorge in den Anleihebedingungen sowie den allgemeinen Verwässerungsschutz in Art. 653d Abs. 2 OR verwiesen sind. Es bleibt abzuwarten, ob der Schweizer Gesetzgeber Nachbesserungen vornehmen wird oder die Gerichte im Wege von Rechtsfortbildungen oder Analogieschlüssen einen Schutz­ kanon für die Inhaber von Wandel- und Optionsanleihen, die ähnlichen Risiken wie Genussrechtsinhaber oder Partizipanten ausgesetzt sind, entwickeln. Bisweilen trägt der Anleger das Risiko eines schlechten Geschäftsverlaufs1009.

1009  Vgl.

von der Crone/Beeler, ZSR 2011, 177, 203.

Vierter Teil

Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda Der Rechtsvergleich hat die jeweiligen Lösungsansätze für den Schutz von Hybridkapitalgebern vor Beeinträchtigungen ihrer Rechtsstellung durch die Emittentin in den verglichenen Rechtsordnungen offengelegt. Dabei ist deutlich geworden, dass es einheitliche Regeln und Grundsätze zum Schutz der Inhaber von hybriden Finanzierungsinstrumenten nicht gibt, sondern die jeweiligen Rechtsordnungen – geprägt von unterschiedlichen historischen ­ Entwicklungen und abweichenden Rechtsverständnissen – zum Teil verschiedene Problemlösungen entwickelt haben. Vor diesem Hintergrund gilt es nun, zum deutschen Recht zurückzukehren. Die deutsche Rechtswissenschaft und Rechtsanwendung steht vor der Herausforderung, das bestehende Recht zum Schutz von Hybridgläubigern, das im Spannungsfeld von Gesellschafts-, Schuld- und Aufsichtsrecht entstanden ist, mit den Regelungen und Zielsetzungen der europäischen Bankrechtsreformen in Einklang zu bringen. Die bisherige Untersuchung hat aufgezeigt, dass die bestehenden deutschen Anlegerschutzlösungen, insbesondere die „Klöckner-Judikatur“ des BGH, den Funktionen und Besonderheiten der neuen Kapitalklasse in der Europäischen Bankenunion zum Teil nicht gerecht werden. Zu Beginn der folgenden Ausführungen steht daher zunächst eine systematische Aufbereitung sämtlicher Argumente, die gegen eine Übertragung der im „Klöckner-Urteil“ des BGH aufgestellten Haftungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse sprechen (§ 12). Sodann wird aufbauend auf den Erkenntnissen dieser Arbeit zunächst eine Anlegerschutzlösung vorgeschlagen, die ihre Grundlage im bestehenden nationalen Recht hat (§ 13). In Ergänzung zu den hierzu bereits bestehenden Ansätzen im Schrifttum wird vorgeschlagen, den zivilrechtlichen Anlegerschutz um ein Korrektiv auf der Tatsachenebene zu ergänzen. Um den verbleibenden Spannungen einer nationalen Anlegerschutzlösung mit den unionsrechtlichen Vorgaben abzuhelfen, wird als Diskussionsbeitrag de lege ferenda zum Abschluss dem Gedanken einer ganz neuen, europäischen Anlegerschutzlösung für solche Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals nachgegangen, die besondere öffentlich-rechtliche Funktionen im europäischen Bankenrecht erfüllen (§ 14).



§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“253

§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“ Liest man in der Literatur von der besonderen Pflichtenbindung, die nach der Rechtsprechung in Genussrechtsverhältnissen bestehen soll, so gewinnt man leicht den Eindruck, man habe es mit einer feststehenden Pflichtendogmatik in hybriden Beteiligungsverhältnissen zu tun. Schon Esser hat beschrieben, wie Richterrecht „mit bleibendem Niederschlag in Praxis und Doktrin, mehr und mehr durch die Kenntlichmachung des ‚Leitsatzgehaltes‘ in den Kommentaren, Fallsammlungen und Nachschlagewerken gegenüber dem ‚nur‘ kasuistisch Einmaligen hervorgehoben“ erscheint1010. Es ist aber zu betonen, dass man es bei der „Klöckner-Judikatur“ eben nicht mit einer gesetzlich oder richterlich vorgeschriebenen allgemeinen Pflichtenbindung in hybriden Beteiligungsverhältnissen zu tun – etwa vergleichbar mit der Treupflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft nach § 93 Abs. 1 AktG –, sondern eben nur mit einer erweiternden Vertragsauslegung, die bislang erst in wenigen Einzelfallentscheidungen angenommen wurde und zudem bis heute umstritten ist1011. Der vergleichende Blick in die Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten und der Schweiz hat zudem gezeigt, dass die deutsche „Klöckner-Judikatur“ von den dortigen Schutzsystemen erheblich abweicht. Die geringe Rechtssicherheit im Hinblick auf die Allgemeingültigkeit der Rechtsprechungsgrundsätze und deren sachlichen Anwendungsbereich über die entschiedenen Einzelfälle hinaus lassen genügend Raum für abweichende richterliche Auslegungen und Rechtsfortbildungen.

I. Bezugspunkte und Grenzen der Vertragsauslegung Die vorab zu klärende Frage, nach welchen Kriterien sich ein ungeschriebener, auf vertraglichen Nebenpflichten beruhender Anlegerschutz zu richten hat, lässt sich allgemein dahingehend beantworten, dass er sich in den bestehenden Regelungsrahmen des konkreten Hybridschuldverhältnisses einfügen muss. Die weitgefasste Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB, nach der jedes Schuldverhältnis in Abhängigkeit von seinem Inhalt jede Partei zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei verpflichten kann, beinhaltet letztlich nichts anderes, als eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB1012. Da der Pflichtenbegriff in § 241 Abs. 2 BGB gesetzlich nicht näher bestimmt ist, 1010  Grundsatz

und Norm, S. 26. zum Meinungsstand insb. oben 1. Teil: § 8 II.3.b). 1012  Zur dogmatischen Begründung vertraglicher Nebenpflichten in hybriden Beteiligungsverhältnissen ausf. KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 127 ff. 1011  s.

254 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

obliegt es dem Gericht, den Normbefehl in ergänzender Auslegung des konkreten Schuldverhältnisses gem. §§ 157, 242 BGB einzelfallabhängig und je nach den Besonderheiten des hybriden Finanzierungsinstrumentes auszufüllen1013. Dabei folgt die Konkretisierung der Pflichtenbindung keinen starren Regeln. Vielmehr kann die Pflicht einer Partei, auf die Interessen und Belange der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen, als symmetrisches Gegengewicht zu der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit, die Interessen der anderen Partei zu beeinträchtigen bzw. über sie zu disponieren, gesehen werden. Je größer die rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten, desto umfangreicher sind auch die entsprechenden Nebenpflichten anzusetzen. Als Anhaltspunkte werden etwa das Erfordernis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit über eine gewisse Dauer, das Ausmaß der übernommenen Risiken, die generelle Schutzbedürftigkeit einer Partei sowie deren Vertrauen in die Seriosität der Unternehmensführung und deren Angewiesensein auf die Fachkunde der anderen Partei genannt1014. Da die Schutzbedürftigkeit der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen je nach dem Grad der von einer möglichen Verwässerung ausgehenden verhaltenssteuernden Wirkung verschieden sein kann, gerät eine starre Pflichtenbindung bei der neuen Kapitalklasse schon aus diesem Grund an rechtliche Grenzen1015. Im Mindestmaß wird von jeder Partei eines Schuldverhältnisses verlangt, sich in zumutbarer Weise für den Zweck einzusetzen, den die andere Partei in der Beziehung zwischen den Parteien erstrebt1016. Darüber ­hinaus sind bei der Ausfüllung des unbestimmten Pflichtenbegriffs in § 241 Abs. 2 BGB die gesetzgeberischen Wertentscheidungen in den betroffenen Rechtsgebieten angemessen zu berücksichtigen. Dies betrifft bei Anleihen, die als regulatorische Eigenkapitalsurrogate eingesetzt werden, insbesondere die Wertungen des Gesellschaftsrechts, Bankenaufsichtsrechts und des Kapitalmarktrechts1017. Die im Laufe der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse lassen sich systematisch in den allgemeinen Auslegungskanon eingliedern, den ein Gericht bei der Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB zu beachten hat. Ausgehend von den vorangestellten Bezugspunkten für eine ergänzende Vertragsauslegung spricht der Gesamtbefund ganz allgemein gegen eine Übertragung der 1013  Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 194 f. m. w. N. 1014  Ähnlich bereits Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 598; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 194 f. 1015  s. zur Möglichkeit einer differenzierenden Lösung oben 1. Teil: § 9 II.3. 1016  Vgl. BGH NJW 1974, 849 f.; Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S. 194; Esser, Schuldrecht AT, S. 125 ff. 1017  Vgl. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 493 (zu Genussrechten).



§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“255

im „Klöckner-Urteil“ eingeführten Haftungsdoktrin auf bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen. 1. Teleologische Erwägungen Das Telos der „Klöckner-Judikatur“ liegt in der für Genussrechte typischen besonderen Verflechtung aktionärstypischer Risiken mit der gläubigertypischen Rechtsstellung der Inhaber. Die Anlegerschutzdebatte zu Genussrechten zum Ende der 1980er Jahre sah eine Gefahr des „Ausgeliefertseins“ der Genussrechtsinhaber, die wirtschaftlich mitgliedschaftliche Risiken zu tragen hätten, ohne aber mitgliedschaftliche Einflussmacht ausüben zu können1018. Anders als reine Kreditgeber bzw. Anleihegläubiger sah man den Genussrechtsinhaber im Schnittfeld von allgemeinem Vertragsrecht und Verbandsrecht auf weitgehend ungesichertem Grund1019. Diese Argumentation verfängt bei der neuen Kapitalklasse nicht mehr: Die Inhaber von bedingten Pflichtwandelanleihen befinden sich zu jeder Zeit auf „gesichertem Grund“, nämlich bis zur Wandlung auf dem Recht reiner Gläubiger (Schuldvertragsrecht) und nach der Wandlung auf dem Recht reiner Aktionäre (Aktienrecht). Das Moment der Wandlung ermöglicht eine klare Trennung der Regelungsmaterie1020. Allenfalls bei den Herabschreibungsanleihen wird man eine Parallele zu Genussrechten mit Verlustteilnahme ziehen können. Aber auch bei Herabschreibungsanleihen ist die Interessen- und Risikostellung des Inhabers mangels einer laufenden Gewinn- und Verlustteilnahme stets eher gläubigertypisch als aktionärstypisch. Eine besondere schuldrechtliche Pflichtenbindung, die einerseits stärker ausgeprägt ist, als bei reinen Anleihegläubigern, aber andererseits schwächer, als bei Aktionären (§ 93 Abs. 1 AktG), lässt sich insofern kaum begründen. 2. Systematische Erwägungen Auch systematische Überlegungen sprechen dafür, die im „Klöckner-Urteil“ des BGH aufgestellte Haftungsdoktrin nicht auf die neue Kapitalklasse zu übertragen. Die gesellschaftsrechtlichen Friktionen, für die die Rechtsprechung schon zuvor kritisiert worden ist, zeigen sich bei bedingten Pflicht1018  s.

dazu oben 1. Teil: § 8 II.2. Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 487. 1020  Diese Überlegung ist in den Vereinigten Staaten schon vor Jahren ganz ähnlich bei der Diskussion von „Fiduciary Duties“ von Emittentin bzw. Unternehmensleitern gegenüber Hybridgläubigern vorgetragen worden, vgl. Powers v. British Vita, P.L.C., 696 F.Supp. 4, 5 (S.D.N.Y. 1997); Simons v. Cogan, 549 A.2d 300, 303 f.; Harff v. Kerkorian, 342 A.2d 215, 219 f. 1019  Vgl.

256 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

wandel- und Herabschreibungsanleihen in gesteigertem Maße. Zugleich tritt mit dem neuen bankaufsichtsrechtlichen Regelungsrahmen eine Dimension hinzu, die sich mit einer privatrechtlichen Haftung nach den „KlöcknerGrundsätzen“ nur schwer vereinbaren lässt. a) Gesellschaftsrecht Die „Klöckner-Judikatur“ wirft gerade bei der neuen Kapitalklasse Wertungswidersprüche mit aktienrechtlichen Grundprinzipien auf. Zum einen droht eine Haftung für bereits „unseriöses Wirtschaften“ aufgrund des kaum bestimmbaren Pflichteninhalts zu Kapitalabflüssen aus der Gesellschaft an einzelne Hybridgläubiger zu führen, die im aktienrechtlichen Kapitalbindungssystem so nicht vorgesehen sind1021. Gerade im Anwendungsbereich der neuen bankaufsichtsrechtlichen Eigenmittelvorgaben ist dies aufgrund des erwarteten Anstieges hybrider Finanzierungsinstrumente kritisch zu sehen. Zum anderen zeigt sich, dass der auf einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen zugeschnittene Pflichtentypus auf andere, besonders relevant erscheinende Gefahrenbereiche, etwa in der Rückstellungs-, Reserven- oder Rücklagenpolitik nicht anwendbar ist1022. Die Folge ist ein wertungsmäßig kaum nachvollziehbares Auseinanderfallen von Haftungsgrenzen in den einzelnen Fallgruppen. Auch ist zu befürchten, dass die durch die „KlöcknerJudikatur“ geschaffenen Klagemöglichkeiten für Berufskläger die innergesellschaftliche Machtverteilung zum Nachteil der Gesamtwirtschaft nachteilig verändern können und „räuberischen Gläubigern“ ein kaum abschätzbares Betätigungsfeld für querulatorische Klagen bieten1023. Schließlich gerät die Heranziehung des Unternehmensgegenstandes als Haftungsgrundlage im Außenverhältnis bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen an die Wortlautgrenze des § 82 Abs. 2 AktG1024. Bei anteilsähnlichen Beteiligungsrechten, wie aktienähnlichen Genussrechten, die (Vorzugs-)Aktien wirtschaftlich angenähert sind, mag die Ausdehnung des Wortlauts auf das Außenverhältnis der Gesellschaft noch überzeugen. Bei Anleihetiteln ohne Gewinnpartizipation, die bis zum Eintritt des Auslöseereignisses wirtschaft1021  Vgl. Heeren, Kapitalgeberschutz und hybride Finanzierungsinstrumente, S.  196 f. 1022  Vgl. BGH ZIP 2016, 1529; zustimmend Florstedt, ZIP 2017, 49, 55; a.  A. wohl MünchKommAktG/Habersack, S. 221 Rn. 272 ff., 282; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2016, 13828 Rn. 41 (im Ergebnis offenlassend). 1023  Vgl. schon Werner, WuB II A. § 229 AktG 1.93, der befürchtet, dass Gesellschaften durch eine solche Haftungsdoktrin zunehmend erpressbar würden; s. dazu oben 1. Teil: § 8 III.2.b). 1024  Vgl. Fuchs, Kapitalbeteiligung ohne Mitgliedschaft, S. 612 f.; s. dazu oben 1. Teil: § 8 III.2.c).



§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“257

lich nicht anders behandelt werden als gewöhnliche Nachranganleihen, erscheint die Anwendung des § 82 Abs. 2 AktG im Außenverhältnis jedoch als systemwidrig. b) Aufsichtsrecht Zwar hat der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 klargestellt, dass aus der Haftungsfunktion des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals keine Sperrwirkung für individuelle Schadensersatzansprüche auf privatrechtlicher Grundlage folgt1025 und solange eine gegenläufige Rechtsprechung nicht besteht, ist dies trotz der normhierarchischen Verschiebung der Eigenmittel­ vorschriften von § 10 KWG a. F. auf Art. 52 CRR auch weiterhin anzunehmen1026. Innerhalb der Europäischen Bankenunion bleibt aber die nicht weniger bedeutende Frage, wie eine Außenhaftung für bereits unseriöses oder sorgfaltswidriges Wirtschaften mit den Grundsätzen des Sanierungs- und Abwicklungsverfahrens im Anwendungsbereich der BRRD/SRM-VO vereinbar sein kann. Die Umsetzung der Sanierungs- und Abwicklungsplanung würde nicht nur die Schadensfeststellung vor erhebliche praktische Schwierigkeiten stellen1027, sondern eine Haftung auf richterliche Grundlage würde auch die ausdrücklich der Abwicklungsbehörde zugewiesenen Verteilungsaufgabe in zeitlicher und sachlicher Hinsicht behindern1028. Da die Vermögensverteilung in einer Bankenkrise vom europäischen Gesetzgeber ausdrücklich der Haftungskaskade der BRRD bzw. der Verwaltung (nach Maßgabe gesetzlich festgelegter Ordnungsprinzipen) zugewiesen wurde1029, droht eine Veränderung der behördlichen Verteilungslösung durch eine allzu weitgehende privatrechtliche Schadensersatzhaftung leicht in die Nähe eine Überschreitung von Kompetenzen auf nationaler und europäischer Ebene zu geraten. Die damit verbundene Kompetenzfrage lässt ein Tätigwerden des Gesetzgebers auf europäischer Ebene als naheliegende Lösung erscheinen1030. 1025  BGH NZG 2014, 661, 662 ff.; s. dazu Hennrichs/Wilbrink, NZG 2014, 1168 ff.; Maerker/Ashrafnia, DB 2014, 2210 ff. 1026  s. zuvor bereits Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192; KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 340 f.; Hülsen, die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 63 ff.; s. dazu oben 1. Teil: § 9 II.2.a). 1027  s. dazu oben 1. Teil: § 8 III.4.b). 1028  Zuvor bereits Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192; s. dazu oben 1. Teil: § 9 II.2.b). 1029  Grundlegend Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902  ff.; Binder, ZHR 179 (2015), 83 ff.; ders., Resolution Planning and Structural Bank Reform within the Banking Union, passim; Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S.  269 ff. 1030  s. zum Vorschlag für eine europäische Lösung de lege ferenda sogleich 1. Teil: § 14.

258 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

c) Kapitalmarktrecht Unter dem Eigenmittelregime der CRR kommen als anrechenbare Instrumente zwar auch bilaterale Vertragsverhältnisse1031 in Betracht, den praktischen Schwerpunkt bilden allerdings kapitalmarktgängige Wertpapiere1032. In rechtsvergleichender Hinsicht hat sich aber gezeigt, dass die deutsche „Klöckner-Judikatur“ einen Fremdkörper auf dem internationalen Kapitalmarkt darstellt. Da sich Investoren auf den längst globalisierten Kapitalmärkten in erster Linie an den in den Anleihebedingungen definierten Risikoparametern orientieren, behindert jede Form ungeschriebener Rechte die eindeutige Preisbildung auf dem Kapitalmarkt. Zugleich stellt eine ungeschriebene Anlegerschutzdogmatik, die zu einer nachträglichen Korrektur der in den Anleihebedingungen zum Ausdruck gebrachten gewillkürten Risikoordnung führt, einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Rechtsordnungen dar, die auf eine entsprechende Rechtsfortbildung entweder verzichten (so etwa die Schweiz) oder einen entsprechenden Schutz der Privatautonomie überlassen (so etwa die USA). Dogmatisch stoßen die Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung, die der „Klöckner-Judikatur“ zugrunde liegen, bei fungiblen Wertpapieren auf praktische Grenzen. Um die Verkehrsfähigkeit von Wertpapieren zu fördern, geht die Rechtsprechung davon aus, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach den §§ 793 ff. BGB vorrangig aus dem Wertpapier selbst ergeben müssen („Grundsatz der Skripturrecht­ lichkeit“)1033. 3. Rechtspolitische Erwägungen Auch rechtspolitisch erscheint ein Anlegerschutz nach den Grundsätzen der „Klöckner-Judikatur“ bei der neuen Kapitalklasse nicht geboten. Zum einen hat die Bestandsaufnahme zum Anlegerschutz im deutschen Recht gezeigt, dass sich der Schutz von Hybridgläubigern durch eine intensive Behandlung in der Wissenschaft und eine kontinuierliche Fortentwicklung in der Rechtsprechung heutzutage erheblich geschlossener darstellt, also noch zur Zeit der „Klöckner-Entscheidung“ des BGH im Jahr 1992. Während sich der Bestand (anerkannter) anlegerschützender Rechtsinstitute zur Zeit vor der „Klöckner-Entscheidung“ mehr oder weniger auf die § 216 Abs. 3 AktG und § 23 UmwG sowie restriktiv gehandhabte Restitutionsmöglichkeiten bei ab1031  Art. 4 1032  Art. 4

Abs. 1 (50) lit. a) CRR. Abs. 1 (50) lit. b) CRR i. V. m. Anhang I Abschnitt C der Richtlinie

2004/39/EG. 1033  Vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Grundmann, Bankrechts-Handbuch, § 112 Rn.  118 m. w. N.



§ 12 Gesamtbefund: Ablehnung der „Klöckner-Judikatur“259

sichtlichen Schädigungen beschränkte1034, hat die Rechtsprechung im Laufe der Jahre über Analogiebildungen der Einzelvorschriften1035, Vertragsanpassungen aufgrund ergänzender Vertragsauslegung oder den Regeln der Geschäftsgrundlagenstörung1036, die Konkretisierung der allgemeinen zivilrechtlichen Ersatzansprüche und Informationsrechte1037 sowie die Herausbildung allgemeiner Grundsätze bei der Auslegung von Anleihebedingungen1038 einen deutlich umfassenderen Anlegerschutz entwickelt. Neben diesem Rechtsschutz besteht kein Bedarf mehr für eine problembehaftete Pflichtenbindung, zumal – wie zu zeigen sein wird – die relevanten Fallkonstellationen bereits mit Hilfe der gesetzlich vorgegebenen Rechtsinstitute zufriedenstellend gelöst werden können. Zum anderen werden bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen aufgrund hoher Investitionsgrenzen ausschließlich von professionellen Investoren gehalten1039. Diese erscheinen als weniger schutzwürdig als Kleinanleger, da sie in der Regel auf Beratung zurückgreifen und die besonderen Risiken bedingter Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen besser bewerten können. Zudem können sie ihre Risiken durch eine Portfoliodiversifizierung gezielt minimieren1040. Darüber hinaus wird befürchtet, dass professionelle Investoren bedingte Pflichtwandelanleihen gezielt verwenden, um sich in einer Krise kostengünstig eine Unternehmensbeteiligung aufzubauen1041. Die aktienrechtlichen Reformen durch die „Aktienrechtsnovelle 2016“, insbesondere die Aufhebung der Volumengrenze für bedingtes Kapital sowie die Möglichkeit eines Umtausches zum Nennwert der Anleiheforderung ohne Wertprüfung im Zeitpunkt der Wandlung, bieten Anreize zu entsprechenden Vorhaben1042. Es widerstrebt, professionelle Investoren noch zusätzlich dadurch zu schützen, dass sie sich bei einem fehlgeschlagenen Investment über Kompensationsansprüche nach der „Klöckner-Judikatur“ 1034  Vgl. etwa die Überlegungen aus dieser Zeit von Vollmer, ZGR 1983, 445, 461 ff.; Frantzen, Genußscheine, S. 197 ff.; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, S.  93 ff. 1035  Vgl. BGH ZIP 2016, 1529, 1530 (zu einer analogen Anwendung von § 254 AktG auf Genussrechtsinhaber). 1036  Vgl. BGHZ 197, 284, 293 ff. = ZIP 2013, 1570 – Eurohypo. 1037  Vgl. BGH ZIP 2016, 1529. 1038  Vgl. BGHZ 119, 305, 312 = NJW 1993, 57, 58 – Klöckner; BGHZ 163, 311, 314 = NJW 2005, 2917; BGH NJW-RR 2009, 1641, 1642; BGH NZG 2014, 661, 663 – Corealcredit. 1039  Vgl. Nodoushani, WM 2016, 589, 597; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 188. 1040  Vgl. Schiltknecht/McHale, GesKR 2012, 507, 522. 1041  Vgl. Hülsen, die flexibilisierte Finanzierung der AG, S. 249 f.; Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 157; Böckli, SZW 2012, 181, 192. 1042  s. dazu oben 1. Teil: § 1 III.5.

260 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

schadlos halten oder gar die Klagemöglichkeiten missbrauchen können, um sich den Lästigkeitswert eines langwierigen Zivilverfahrens in zeitkritischen Sanierungs- und Abwicklungssituationen gegen hohe Vergleichszahlungen abkaufen zu lassen. In den USA hat die Sorge vor langwierigen und kostenträchtigen Schadensersatzprozessen im Nachgang von Wirtschaftskrisen zu einer Ablehnung einer ungeschriebenen Emittentenhaftung gegenüber Inhabern von Wandelanleihen geführt1043. Die dortigen Überlegungen lassen sich auf die neue Kapitalklasse in Deutschland übertragen. Schadensersatzprozesse müssten schon deshalb langwierig sein, weil die Schadensfeststellung ohne ein Abwarten der Umsetzung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen kaum möglich ist1044. Die von der neuen Kapitalklasse erhoffte Rekapitalisierungswirkung könnte durch langwierige Rechtsstreitigkeiten gehemmt werden. Eine detaillierte Einzelgeschäftsbetrachtung mit entsprechenden Folgekosten wäre erforderlich1045. Emittenten müssten in einer Krise zugleich Rückstellungen für Prozesse mit Haftkapitalgebern bilden, die eigentlich gerade in der Krise einstehen sollen. Die Konzeptionsidee von Contingent Capital als besondere Kapitalquelle in der Bankenkrise wäre damit weitgehend aufgelöst.

II. Ergebnis Im Ergebnis sollten die im „Klöckner-Urteil“ des BGH aufgestellten Haftungsgrundsätze auf die neue Kapitalklasse nicht übertragen werden. Zwar ist im Verlauf der Untersuchung erkennbar geworden, dass ein Schutzbedürfnis der Inhaber der neuen Instrumente in verschiedener Hinsicht besteht. Die Gesamtschau legt aber nahe, dass ein Anlegerschutz nicht durch starre Nebenpflichten erfolgen sollte, die zudem auf wenige Fallgruppen im Bereich der Geschäftsführungsmaßnahmen beschränkt sind. Stattdessen sind neue Schutzlösungen zu erwägen, die den Besonderheiten der neuen Kapitalklasse gerecht werden und den Schutzbedürfnissen der Inhaber Rechnung tragen, ohne die Verkehrsfähigkeit der Instrumente zu behindern.

§ 13 Die nationale Lösung Zunächst liegt es nahe, den Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen – unter Ablehnung der „Klöckner-Judika1043  Vgl. Hurst/McGuinness, 10 Journ. L. & Com. (1991), 187, 197 ff.; s. dazu oben 1. Teil: § 10 III. 1044  s. dazu oben 1. Teil: § 8 III.4.b). 1045  Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 698.



§ 13 Die nationale Lösung261

tur“ – weiterhin dem nationalen Zivilrecht zu überlassen. Da ein ungeschriebener zivilrechtlicher Anlegerschutz mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden ist und zu dogmatischen Brüchen mit den Besonderheiten der neuen Kapitalklasse führt, wird im Schrifttum vorgeschlagen, ihn auf ein geringes Maß zu begrenzen1046. Dieser Ansatz soll im Folgenden aufgegriffen und vertieft werden. Ein Grundgedanke dabei ist, dass ein ungeschriebener Anlegerschutz nur in den Fällen notwendig ist, in denen die gesetzlichen Institute des Anlegerschutzes versagen.

I. Gestaltung der Risikoordnung Die bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen befürchteten Gefahren mittelbarer Beeinträchtigungen der Anleihegläubiger durch sorgfaltswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen und zielgerichtete einseitige Risikoabwälzungen auf die Anleihegläubiger gehen von Negativanreizen und Interessenkonflikten aus, die durch die konkrete Ausgestaltung der Anleihebedingungen gefördert oder aufgelöst werden können1047. Dementsprechend sollte ein effektiver Anlegerschutz in erster Linie bei der Gestaltung der Wandlungsparameter ansetzen. Zwar sind die Anleger in die Gestaltung der Anleihebedingungen nicht involviert. Die Erfahrungen aus den USA zeigen aber, dass Emittenten grundsätzlich darauf bedacht sind, durch die Aufnahme fairer Anleihebedingungen sowie glaubwürdiges und transparentes Verhalten die Marktgängigkeit der Anleihen zu steigern1048. Durch den Erwerb bedingter Pflichtwandelanleihen mit einem starken Verwässerungseffekt für die Altaktionäre können Anleger die Verhaltensrisiken zu ihrem Nachteil auf ein Mindestmaß reduzieren. Der Grund hierfür liegt in dem verhaltenssteuernden Effekt, der von der Stimmrechtsverwässerung der Aktionäre abhängt1049. Je nachdem, ob sich die Gesellschaft im Streubesitz vieler Kleinanleger oder in der Hand weniger Großinvestoren befindet, mag die verhaltenssteuernde Wirkung variieren. Den ausschließlich professionellen Anlegern von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen kann aber zugemutet werden, das Risikoprofil einer bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihe auch im Hinblick auf die befürchteten Verhaltensanreize zu bewerten und in ihre Investitionsentscheidungen einfließen zu lassen. 1046  Vgl. aus dem Schrifttum grundlegend KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 138. 1047  s. zu den möglichen Ausgestaltungsarten oben 1. Teil: § 2 sowie zum Interessenkonflikt zwischen Hybridgläubigern und Aktionären 1. Teil: § 3 II.1. 1048  s. hierzu oben 1. Teil: § 10 II. 1049  s. zur Verhaltenssteuerung durch regulatorisches Wandlungskapital oben 1. Teil: § 4 II.3.b).

262 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

II. Vertragliche Schutzklauseln Professionelle Anleiheinvestoren können ihre Interessen sowie ihr Risiko durch explizite Verträge weitgehend selbst absichern1050. Besonders riskanten Geschäften bzw. hohen Verschuldensgraden kann durch handlungsbeschränkende Klauseln (Restrictive Covenants) nach US-amerikanischem Vorbild vorgebeugt werden1051. Eine Benachteiligung von Anleihegläubigern gegenüber Aktionären kann nach dem Schweizer Vorbild durch Covenants vermieden werden, nach denen etwa Ausschüttungen der Emittentin an Aktionäre verboten werden, sobald Zinszahlungen an Anleihegläubiger ausgesetzt werden1052. In gleicher Weise können Spekulationsgeschäfte, die sich außerhalb des erwarteten Unternehmensgegenstandes bewegen, und sogar ganze Geschäftsbereiche durch Covenants ex ante ausgeschlossen werden1053. Eine solche kautelarjuristische Vorsorge ist rechtssicherer als eine problembehaftete Anwendung des oft nur grob umrissenen satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes im Außenverhältnis. Verwässerungsschutzklauseln sind im deutschen Recht nicht im Umfang der US-amerikanischen Emissions­ praxis notwendig, da mit den §§ 216 Abs. 3, 218 AktG und § 23 UmwG und den hierauf aufbauenden Lösungen der Rechtsprechung für ähnliche nicht geregelte Fallkonstellationen, bereits ein relativ weitgehender gesetzlicher Verwässerungsschutz besteht. Auslegungsfragen von Verwässerungsschutzklauseln bei Wandelanleihen, mit denen sich US-amerikanische Gerichte beschäftigen mussten, dürften aufgrund der gesetzlichen Regelungen im deutschen Recht weniger problematisch sein.

III. Allgemeiner zivilrechtlicher Anlegerschutz Die Erfahrung zeigt, dass perfekte, vollständige Verträge, die alle Even­ tualitäten berücksichtigen und problem- und kostenlos durchzusetzen sind, in der Realität nicht zu finden sind. Dies belegen anschaulich die zahlreichen Gerichtsverfahren vor US-amerikanischen Gerichten, die sich mit Rechtsfragen zu befassen hatten, die die Parteien in den bereits umfangreichen Bond Indentures nicht antizipiert hatten1054. Vereinbarungen enthalten stets impli1050  Vgl. von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, S. 175; ferner Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots, S. 153 f. 1051  s. zu solchen Klauseln oben 1. Teil: § 10 II.2. 1052  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 11 II. sowie Härtsch, GesKR 2011, 193, 201. 1053  s. hierzu ausf. Bochmann, Covenants und die Verfassung der Aktiengesellschaft, S.  17 ff. 1054  s. dazu Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte, S. 311 ff.; vgl. ausf. die Nachw. zur Rspr. in Fn. 915.



§ 13 Die nationale Lösung263

zite Vertragsbestandteile, nach denen lediglich das gelten soll, was ökonomisch denkende Parteien vereinbart hätten, wenn die jeweilige Entwicklung vorhersehbar und entsprechende Verhandlungen ohne Kosten möglich gewesen wären. Da solche auf Informationsasymmetrien und Transaktionskosten beruhenden, impliziten Vereinbarungen aber rechtlich nicht durchsetzbar sind, verbleibt stets ein Raum für interessenschädigendes und opportunistisches Verhalten der Vertragsparteien1055. Der hier erforderliche zivilrechtliche Anlegerschutz sollte nach den in der Bestandsaufnahme dargestellten Grundsätzen vorrangig durch die Auslegung des Vertrages bzw. der Anleihebedingungen erfolgen. Darüber hinaus bestehen nach dem Ansatz Florstedt’s mit den residualen Mindestpflichten des allgemeinen Schuldrechts sowie den allgemeinen Schädigungs- und Rechtsmissbrauchsverboten bereits Rechts­ institute, die flexibel gehandhabt werden können und zum Schutz der Hy­ bridgläubiger ausreichen1056. 1. Schuldrechtliches Schädigungsverbot Ein angemessener Schutz der Hybridgläubiger kann bereits mit den allgemeinen schuldrechtlichen Mindestpflichten, die auf den §§ 138, 162, 226, 242, 315, 826 BGB beruhen, einheitlich und fallgruppenübergreifend gewährleistet werden. Pflichtwidrig sind danach alle Fälle aus der Kasuistik zu § 826 BGB, mithin vor allem absichtliche sittenwidrige Schädigungen, mit denen sich bereits das Reichsgericht befasste1057. Nach § 162 BGB ist zudem eine Haftung anzunehmen, wenn ein Auslöseereignis durch zielgerichtete Beeinflussungen der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen bzw. manipulativ herbeigeführt wird1058. Eine Pflichtverletzung ist danach bspw. anzunehmen, wenn die Emittentin bei einem bilanzwertorientierten Auslöseereignis Vermögenswerte vernichtet oder etwa durch die Ausschüttung einer Superdividende die Verlustteilnahme gezielt herbeiführt, um Hybridgläubiger zu schädigen. Auch die zielgerichtete Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte und Spielräume in der Rückstellungs- und Rücklagenpolitik um Hybridgläubiger einseitig zu benachteiligen, ist pflichtwidrig. Ebenso erfasst sind Fälle, in denen die Emittentin börsenwertorientierte Auslöse­ ereignisse durch Marktmanipulation, insbesondere Leerverkäufe, herbeiführt. Bei einer behördlich angeordneten Wandlung oder Herabschreibung ist eine

1055  Vgl. von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, S. 184. 1056  KölnKommAktG, § 221 Rn. 138. 1057  Vgl. RGZ 105, 236, 236 ff.; s. dazu ausf. oben 1. Teil: § 8 II.1. 1058  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 194 f.

264 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

Pflichtverletzung anzunehmen, wenn die Emittentin der Aufsichtsbehörde gezielt falsche Informationen zuspielt1059. 2. Rechtsmissbrauchslehren Ein weiterer Schutz der Hybridgläubiger folgt aus den allgemeinen Rechtsmissbrauchslehren, die über den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB in jeder schuldrechtlichen Rechtsbeziehung Anwendung finden. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine immanente Verhaltensgrenze, die bei der Ausübung sujektiver Rechte in allen Rechtslagen – Geschäftsführung, Bilanzierung, Konzernierung, Grundlagenentscheidungen usf. – Anwendung findet. Im Regelungsfeld der Bankenunion wird das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot nach dem deutschen Zivilrecht zudem durch das unionsrechtliche Missbrauchsverbot des EuGH ergänzt. a) Allgemeines Rechtsmissbrauchsverbot Innerhalb des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots nach § 242 BGB ist zu unterscheiden zwischen dem sog. individuellen Rechtsmissbrauch, der eine Rechtsausübung beschreibt, die gegen das Treugebot oder das Sittengebot verstößt, und dem sog. institutionellen Rechtsmissbrauch, der definiert wird, als der „Gebrauch eines Rechts, der unter Ausnutzung formaler Mittel die schlechter geschützte Rechtsstellung des Gegners ohne den vom Gesetz gemeinten Interessenausgleich und Zweckzusammenhang überfährt“1060. Die Kategorie des sog. individuellen Rechtsmissbrauchs bildet eine Schranke für persönliche Verfehlungen bei der Ausübung von Rechtsnormen in jeglichen Rechtslagen. Darunter können Verstöße gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB), sittenwidrige Schädigungen (§ 826 BGB) oder sonst aufgrund einer Gesamtbewertung gegen Treu und Glauben verstoßende (§ 242 BGB) oder willkürliche Handlungen fallen. Das begrenzende Moment kann sich zudem aus den persönlichen Verhältnissen der Parteien oder einem Vertrauenstatbestand aus einem früheren entgegengesetzten Verhalten ergeben1061. Nähere Anhaltspunkte für die Annahme eines individuellen Rechtsmissbrauchs bietet die Rechtsprechung zum Missbrauchseinwand gegen „räuberische“ Beschlussmängelklagen. Dort hat der BGH in seiner berühmten „Kochs/Adler“-Entscheidung die Erhebung einer Anfechtungsklage als missbräuchlich angesehen, wenn der Kläger damit das Ziel verfolgt, die 1059  Für

eine Gesamtübersicht der möglichen Fallgruppen s. oben 1. Teil: § 3 III. Schuldrecht AT, S. 116. 1061  Raiser, Summum Ius Summa Iniuria, S. 150. 1060  Esser,



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verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann1062. Diese Rechtsprechung hat der BGH bald darauf in der Entscheidung „DAT/Altana“1063 sowie einer weiteren Folgeentscheidung im Jahr 19901064 bestätigt. Überträgt man diese Wertungen auf den zivilrechtlichen Schutz der Inhaber hybrider Finanzierungsinstrumente, dürfte es bspw. pflichtwidrig sein, wenn die Emittentin eine Rücklagenpolitik betreibt, die sich ausschließlich zugunsten der Aktionärsmehrheit und nur zum Nachteil der Hybridgläubiger auswirkt1065. Bestätigen lässt sich dies mit der Wertung des zwar nicht direkt übertragbaren aber wertungsmäßig vergleichbaren Rechtsgedanken des § 254 AktG1066. Da das Vorliegen eines individuellen Rechtsmissbrauchs von nur schwer nachweisbaren sog. inneren Tatsachen abhängig ist, ist für den Beleg der missbräuchlichen Absicht in erster Linie auf Indiztatsachen abzustellen. Hierbei soll es nicht nur auf das Verhalten des (vermeintlich) Rechtsmissbrauchenden in der aktuellen Situation ankommen, sondern auch auf dessen Verhalten in bisherigen, vergleichbaren Situationen1067. Es soll sogar genügen, wenn einzelne Indizien, die für sich alleine noch keinen Rechtsmissbrauch darstellen, in ihrer Gesamtschau die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen1068. Der sog. institutionelle Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn Rechte in einer Weise ausgeübt werden, die in einem Widerspruch zum Zweck der geltend gemachten Berechtigung steht1069. Der BGH1070 und das BAG1071 haben den institutionellen Rechtsmissbrauch in ihrer Rechtsprechung im 1062  BGHZ

107, 296 – Kochs/Adler. ZIP 1989, 1388 – DAT/Altana. 1064  BGH NJW-RR 1991, 358. 1065  Vgl. Florstedt, ZIP 2016, 49, 57 f. 1066  Eine analoge Anwendung von § 254 AktG auf Genussrechtsinhaber wird bereits von der Rechtsprechung und Literatur erwogen, vgl. BGH ZIP 2016, 1529, 1530; GroßkommAktG/Hirte, § 221 Rn. 417; MünchKommAktG/Habersack, § 221 Rn. 283; ders., ZIP 1988, 477, 487; Frantzen, Genußscheine, S.  215 ff.; Sethe, AG 1993, 355, 360; a. A. Lorch, Der börsenfähige aktienähnliche Genussschein, S. 283 ff. 1067  Vgl. BGH NJW-RR 1991, 358, 360, nach dem es für die Feststellung des Rechtsmissbrauchs der Anfechtungsklage nicht nur auf das Gebaren des Klägers im laufenden Anfechtungsverfahren, sondern auch in anderen Anfechtungsverfahren ankommen soll. 1068  OLG Frankfurt a. M. AG 2009, 200, 202. 1069  Grundlegend Esser, Schuldrecht AT, S. 115 ff.; Raiser, Summum Ius Summa Iniuria, S. 151 f.; ausf. Mader, Rechtsmißbrauch und unzulässige Rechtsausübung, S.  143 ff. 1070  BGHZ 107, 296 – Kochs/Adler; BGHZ 5, 186, 188; BGHZ 29, 113, 119 ff. 1071  Vgl. BAG NZA 2012, 1359, 1364; BAG NZA 2017, 382; BAG NJW 2017, 3737; BAG NZA 2018, 358. 1063  BGH

266 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

Grundsatz anerkannt. Für das Vorliegen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs ist nach dem BGH in einem ersten Schritt zu fragen, ob der gewählten Gestaltung vorrangige gesetzliche Wertungen entgegenstehen. In einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob die Beweggründe für das Abweichen von den gesetzlichen Wertungen rechtlich zu missbilligen sind. Der institutionelle Rechtsmissbrauch ist danach sowohl von objektiven Kriterien (Bewertung von Norm- und Institutionenzweck) als auch von subjektiven Kriterien (Bewertung der „guten“ Gründe der Gestaltung) abhängig. Auf ein subjektiv vorwerfbares oder eigennütziges Verhalten kommt es anders als beim individuellen Rechtsmissbrauch nicht an. Stattdessen kann etwa das Fehlen eines schutzwürdigen Interesses des Berechtigten auf einen institutionellen Rechtsmissbrauch hindeuten1072. Auf das Thema bezogen dürfte ein institutioneller Rechtsmissbrauch etwa anzunehmen sein, wenn ein bilanzielles Wahlrecht allein zum Nachteil der Hybridgläubiger zweckentfremdet wird. Als Beispiel kann der Fall genannt werden, dass die Emittentin Rücklagen oder Reserven entgegen ihrem gesetzlichen Zweck auflöst, um sich durch die damit ausgelöste Wandlung kernkapitalbezogener Pflichtwandelanleihen Kapital für eine geplante Transaktion zu beschaffen oder die Passivseite der Bilanz für einen geplanten Unternehmensverkauf „aufzuhübschen“. b) Unionsrechtliches Rechtsmissbrauchsverbot Im Regelungsbereich der Europäischen Bankenunion ist in unionsrechtskonformer Auslegung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch das unionsrechtliche Missbrauchsverbot zu berücksichtigen. Das BVerfG hat die grundsätzliche Anwendbarkeit des unionsrechtlichen Missbrauchsverbots mit den vom EuGH entwickelten Voraussetzungen durch seine Beschlüsse vom 2. Februar 2015 und 4. März 2015 bestätigt1073. Die Wandlungs- und Herabschreibungsbedingungen der neuen Eigenkapitalsurrogate sind einheitlich in der CRR geregelt und dürften damit dem europäischen Missbrauchsverbot unterliegen. Gleiches gilt bei der Auslegung und Anwendung der im SAG geregelten sanierungs- und abwicklungsrechtlichen Befugnisse, da das Missbrauchsverbot des EuGH grundsätzlich auch dann Anwendung findet, wenn ein Mitgliedstaat eine unionsrechtliche Bestimmung in nationales Recht übernommen hat1074. Der Tatbestand des unionsrechtlichen Missbrauchsverbotes ist in objektiver Hinsicht immer dann erfüllt, wenn eine Gesamtwürdigung der Umstände ergibt, dass das unions1072  Raiser,

Summum Ius Summa Iniuria, S. 151. NJW 2015, 1294; BVerfG BeckRS 2015, 48275. 1074  EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-28/95 – Leur-Bloem, ECLI:EU:C:1997:369, Rn. 27, 32, 34. 1073  BVerfG



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rechtliche Ziel einer vorteilsgewährenden Unionsregelung trotz Einhaltung der formalen Kriterien verfehlt wird1075. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass „im Wesentlichen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils bezweckt“ wird und die illegitimen Beweggründe die legitimen Zwecke überwiegen1076. Da der Anlegerschutz sowohl in den Erwägungsgründen der CRR1077 als auch in Art. 31 Abs. 2 BRRD und § 67 SAG als Regelungsziel ausdrücklich benannt ist und die Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals unter der CRR zur Verlusttragung in der Bankenkrise vorgesehen sind, dürfte ein objektiver Zielverstoß gegen die Vorgaben des Unionsrechts anzunehmen sein, wenn Hybridgläubiger durch „künstliche“ Bilanz- oder Geschäftsführungsmaßnahmen in die Haftung genommen werden, obwohl der wirtschaftliche Zustand der Bank eine Wandlung oder Herabschreibung der Hybridanleihen als „Krisenkapital“ aus teleologischer Sicht nicht zulässt. Die Abwägung der subjektiven Motive bleibt Tatfrage. Als Beispiel für einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Missbrauchsverbot könnte etwa ein Fall angeführt werden, in dem die Emittentin die Wandlungsbedingungen bedingter Pflichtwandelanleihen durch Bilanzgestaltungen bewusst (kurzzeitig) herbeiführt, um Kapital für Neuinvestitionen zu erhalten, das am Kapitalmarkt nur teuer zu beschaffen wäre, obwohl der gesamtwirtschaftliche Zustand der Bank nach den Wertungen des Bankenrechts noch keine Haftung des zusätzlichen Kernkapitals als „Krisenkapital“ gebietet. Auf Rechtsfolgenseite führt das europäische Missbrauchsverbot zu einer Verwehrung bzw. Entziehung der formal vorgesehenen, aber missbräuchlich erlangten, vorteilhaften Rechtsfolge1078.

1075  EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-110/99 – Emsland-Stärke, ECLI:EU:C:2000:695, Rn. 52; EuGH v. 21.7.2005 – Rs. C-515/03 – Eichsfelder Schlachtbetrieb, ECLI: EU:C:2005:491, Rn. 39; EuGH v. 16.10.2012 – Rs. C-364/10 – Ungarn/Slowakische Republik, ECLI:EU:C:2012:630, Rn. 58; grundlegend u. m. w. N. Lindermann, Normbehauptung im Steuerrecht durch das europäische Missbrauchsverbot, passim. 1076  EuGH v. 16.12.2010 – C-277/09 – RBS Deutschland, ECLI:EU:C:2010:810, Rn. 49; EuGH v. 13.3.2014 – Rs. C-155/13 – SICES u. a., ECLI:EU:C:2014:145, Rn. 33, 37; EuGH v. 17.7.2014 – Rs. C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 39; grundlegend Lindermann, Normbehauptung im Steuerrecht durch das euro­ päische Missbrauchsverbot, passim. 1077  s. ErwG 7 CRR. 1078  EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-110/99 – Emsland-Stärke, ECLI:EU:C:2000:695, Rn. 51 ff.; EuGH v. 21.7.2005 – Rs. C-515/03 – Eichsfelder Schlachtbetrieb, ECLI:EU: C:2005:491, Rn. 42; EuGH v. 3.3.2005 – Rs. C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 33; grundlegend Lindermann, Normbehauptung im Steuerrecht durch das europäische Missbrauchsverbot, passim.

268 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

3. Anwendung der Schutzzecklehre In Fällen, in denen die Gesellschaft außerhalb der Satzung oder rechtswidrig handelt, soll eine Haftung gegenüber den Hybridgläubigern nach der Literatur nur bei Bestehen eines sog. normativen Rechtswidrigkeitszusammenhangs pflichtwidrig sein1079, der angenommen wird, wenn der verletzte gesetzliche oder statutarische Normbefehl (zumindest auch) der Verhinderung des eingetretenen Gläubigerschadens dient. Fehlt es an einem solchen normativen Zusammenhang, können sich die Hybridgläubiger auf eine (nur) rechtswidrige Handlung nicht berufen. Begründet wird dies damit, dass eine allgemeine Wächterfunktion von Hybridgläubigern in der aktienrechtlichen Macht- und Kompetenzverteilung nicht vorgesehen ist1080. Rechtsdogmatisch ist die im Schrifttum vorgeschlagene Begrenzung des Anlegerschutzes aus zweierlei Gründen zu begrüßen: Zum einen trägt die Anwendung der Schutzzwecklehre dazu bei, die Möglichkeiten rechtsmissbräuchlicher Klagen zu begrenzen. Zum anderen führt die Anwendung der Schutzzwecklehre dazu, dass der in den maßgeblichen Einzelvorschriften zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wille erneut in den Vordergrund der rechtlichen Risikozuweisung gestellt wird. Die Erfahrungen aus dem Schweizer Verantwortlichkeitsrecht, wo die Rechtsprechung die Klagemöglichkeiten von Gläubigern durch eine ganz ähnliche Anwendung der Schutzzwecklehre mit Erfolg einschränkt, bestätigen diesen Befund1081. Als gläubigerschützende Vorschriften kommen danach insbesondere die Publizitäts- und Bilanzierungsvorschriften sowie die Bestimmungen über die Erhaltung des Grundkapitals in Betracht1082. Eine Haftung kann dann bspw. bei Fehlern in der Rechnungs­ legung oder bei Schäden, die durch falsche Angaben über die Gesellschaftsverhältnisse entstanden sind, in Betracht kommen. Darüber hinaus ist der normative Zusammenhang durch eine richterliche Auslegung gesetzlicher oder statutarischer Ge- und Verbotsnormen einzelfallabhängig zu ermitteln. Insofern können die Ansätze fruchtbar gemacht werden, die im Schrifttum etwa schon zu den § 249 HGB oder § 254 AktG diskutiert werden1083.

1079  Grundlegend

KölnKommAktG/Florstedt, § 221 Rn. 138. § 221 Rn. 138. 1081  s. hierzu oben 1. Teil: § 11 I.1.b). 1082  Anhaltspunkte bieten insoweit die anerkannten gläubigerschützenden Vorschriften bei der Schweizer Geschäftsleiterhaftung, s. Bühlmann, Gläubiger als Stakeholder im Gesellschaftsrecht, S. 34; BaslKommOR/Widmer/Banz, Art. 754 Rn. 24. 1083  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 7 III.2. 1080  KölnKommAktG/Florstedt,



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IV. Sekundäre Darlegungs- und Beweislast als mögliches Korrektiv Aus der Bestandsaufnahme zum zivilrechtlichen Anlegerschutz im deutschen Recht ist hervorgegangen, dass es geschädigten Hybridgläubigern oft schwerfallen wird, den für den auf Wiederauffüllung, Schadensersatz oder Vertragsanpassung gerichteten Zielanspruch erforderlichen Tatsachenvortrag zu erbringen. Die relevanten Umstände zu einzelnen Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahmen liegen regelmäßig in der für Dritte nicht einsehbaren Sphäre der Emittentin1084. Zugleich hat der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 klargestellt, dass schuldrechtliche Auskunfts- und Kontrollrechte zu einzelnen Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahmen nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich sind1085. Anders als in der Schweiz, wo zahlreiche Informationsrechte für Gläubiger im Obligationenrecht vorgesehen sind1086, dürften in Deutschland viele Anlegerschutzprozesse bereits auf der Ebene des Tatsachenvortrags scheitern, bevor die nachgelagerte Ebene der rechtlichen Beurteilung überhaupt erreicht wird. Es erscheint insofern überlegenswert, die im jüngeren Schrifttum vertretene und von dieser Arbeit gestützte Beschränkung der Emittentenhaftung auf materiell-rechtlicher Ebene durch eine Darlegungs- bzw. Beweiserleichterung auf der Tatsachenebene zu korrigieren. Von den hierzu bestehen Möglichkeiten erscheinen insbesondere die Institute der sekundären Darlegungslast und der Beweislastumkehr von Interesse1087. Die allgemeine Regel, nach der grundsätzlich der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die seinen Anspruch begründenden Tatsachen trägt, kann sich in eine dem Anspruchsgegner obliegende sekundäre Darlegungs- und Beweislast umkehren, wenn es dem Anspruchsteller unmöglich ist, Details zu bestimmten Tatsachen vorzutragen, während der nicht beweisbelastete Anspruchsgegner diese Tatsachen kennt und eine Umkehr der allgemeinen Darlegungs- und Beweislast zumutbar ist1088. 1084  Vgl. bereits Sethe, AG 1993, 351, 362 („von großer Bedeutung für Kläger ist die Frage der Beweislast“); Kinzl/Schmidberger, WM 2160, 2166 („Nachweisthemen sind offensichtlich“); ferner Mülbert, FS Hüffer, S. 679, 698. 1085  s. dazu oben 1. Teil: § 6 I. 1086  s. dazu oben 1. Teil: § 11 I.1.a). 1087  Eine Beweiserleichterung in Gestalt des Anscheinsbeweises (prima facie) dürfte indessen fernliegen, da es in den hier behandelten Fällen einer Benachteiligung von Hybridgläubigern durch die Emittentin keine für den Anscheinsbeweis erforderliche „typische Lebenserfahrung“ gibt. 1088  s. ausf. zu möglichen Darlegungs- und Beweiserleichterungen Laumen, NJW 2002, 3739, passim; Schultz, NJW 2017, 16, 17 ff.; Habbe/Gieseler, NZG 2016 454, passim (zu fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen).

270 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

1. Der Stand der Judikatur In der Rechtsprechung des BGH kommt dem Institut der sekundären Darlegungslast eine zunehmende Bedeutung zu1089. Die allgemeine Darlegungslast wird umgekehrt, wo die nach den allgemeinen Regeln darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Anspruchsgegner diese hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind1090. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss die beweisbelastete Partei ihrer bestehenden Behauptungslast lediglich abstrakt nachkommen, indem sie die relevanten Tatsachen pauschal darstellt. Die nicht beweisbelastete Partei muss dann die abstrakten Behauptungen des Anspruchstellers substantiiert bestreiten, um nicht die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO auszulösen. Eine einheit­ liche Rechtsprechung gibt es bislang allerdings nicht. Lange Zeit hielt die Rechtsprechung eine „Beweiserleichterung bis zur Umkehr der Beweislast“ im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung für möglich, wenn die von der beweisbelasteten Partei vorzutragenden Umstände allein in der Sphäre der Beklagten liegen und der erforderliche Vortrag vom Kläger nicht in zumutbarer Weise erbracht werden kann1091. Von dieser – oft als zu pauschal kritisierten – Formel hat der BGH jedoch wieder Abstand genommen1092. Festhalten lässt sich, dass eine sekundäre Darlegungslast als Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung in Ansehung des konkreten Einzelfalles zur Anwendung kommen kann. Eine vollständige Umkehr der Beweislast wird hingegen nur regelbasiert, etwa in den Bereichen der Produzentenhaftung1093 sowie der Arzthaftung1094, verwendet. Darüber hinaus wird auch im Bereich des Anlegerschutzes bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen eine Darlegungsbzw. Beweiserleichterung in Bezug auf die Pflichtverletzung erwogen1095. Allgemein soll in Anwendung des Rechtsgedankens aus den §§ 427, 441 Abs. 3, 444, 446, 453 Abs. 2, 454 Abs. 1 ZPO und § 242 BGB eine Beweislastumkehr in Fällen einer arglistigen Beweisverteilung durch die nicht beweisbelastete Partei in Betracht kommen1096. 1089  Vgl. BGHZ 86, 23; BGHZ 100, 190; BGH NJW 1990, 3151; BGHZ 120, 320; BGH NJW 1995, 3311; BGH NJW 1999, 714. 1090  Schultz, NJW 2017, 16, 17 m. w. N. 1091  Vgl. BGH, NJW 1972, 1520; s. hierzu Laumen, NJW 2002, 3739, 3740 f. 1092  Vgl. MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 103 m. w. N. 1093  Vgl. BGHZ 104, 323, 333 (Wiederverwendung einer Mineralwasserflasche ohne ausreichende Kontrolle). 1094  Vgl. BGH NJW 1981, 2513; BGHZ 85, 212, 215; BGH NJW 1988, 2303, 2304; BGH NJW 1997, 796, 797. 1095  Vgl. Habbe/Gieseler, NZG 2016, 454, passim m. w. N. 1096  Vgl. BGH NJW 1986, 59, 61; BGH NJW 1998, 79, 81.



§ 13 Die nationale Lösung271

2. Übertragung auf das Untersuchungsthema Die beschriebenen Konstellationen, insbesondere im Bereich der Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen sind mit den für die Inhaber von hybriden Finanzierungsinstrumenten bestehenden Gefahren durchaus vergleichbar. In beiden Fällen sind die Anspruchsteller zur Substantiierung ihres Vortrages auf Informationen zu einzelnen unternehmerischen Entscheidungen ange­ wiesen, die in der für sie nicht einsehbaren Sphäre der Emittentin liegen. Zudem gilt die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nur für das Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens, nicht aber für das Vorliegen der Pflichtverletzung. Es liegt daher nahe, auch Hybridgläubigern in den hier behandelten Fallgruppen den Vorteil einer sekundären Darlegungslast zu ­gewähren. Die Konsequenz wäre, dass der Hybridgläubiger (zunächst) nur pauschal vortragen muss, durch ein bestimmtes Verhalten, etwa eine Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahme, zielgerichtet oder missbräuchlich geschädigt worden zu sein. Sodann würde es der Emittentin obliegen, diese Behauptung qualifiziert zu bestreiten, wobei die Anforderungen an den Gegenvortrag anhand der konkreten Umstände vom Gericht einzelfallbezogen zu bestimmen sind. Darüber hinaus könnte erwogen werden, in Parallele zu den von der Rechtsprechung bereits anerkannten Fallgruppen Hy­ bridgläubigern auch eine Beweislastumkehr in Bezug auf die (vermeintliche) Pflichtverletzung zu gewähren. Den Anlegern dürfte durch eine solche praxis-orientierte Lösung mehr gedient sein als durch eine dogmatisch problembehaftete Verschiebung materiell-rechtlicher Haftungsgrenzen oder eine rechtsunsichere Konstruktion gesteigerter schuldrechtlicher Sorgfaltspflichten. Die Einführung einer sekundären Darlegungs- oder gar Beweislast für das Merkmal der Pflichtverletzung ergänzt die im Schrifttum vorgeschlagene materiell-rechtliche Begrenzung des Anlegerschutzes und hilft zugleich, daraus folgende Anlegerschutzdefizite zu korrigieren. Emittenten würden nicht unangemessen benachteiligt, da es diesen leicht und zumutbar möglich sein dürfte, den Vorwurf einer missbräuchlichen oder zielgerichteten Schädigung qualifiziert zu bestreiten bzw. zu widerlegen, wenn der Vorwurf objektiv unzutreffend ist. Von den restriktiv gewährten Auskunftsrechten unterscheidet sich die sekundäre Beweislast dadurch, dass die Beklagte selbst entscheiden kann, welche Informationen sie für ein qualifiziertes Bestreiten vorträgt. Ohnehin führt die Anwendung einer sekundären Darlegungslast nicht zu einer schematischen, vollständigen Verlagerung der Darlegungslast auf die Emittentin, sondern es kommt nur zu einer „gewissen“ Verschiebung der allgemeinen Grundsätze1097. Konkret kann das bedeuten, dass die Anforderungen an die Substantiierung der 1097  Vgl.

Schultz, NJW 2017, 16, 19.

272 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

rechtsbegründenden Tatsachen für den darlegungspflichtigen Anleger reduziert werden. Zugleich kann von der Emittentin verlangt werden, einen qualifizierten Gegenvortrag zu leisten. Wer was und mit welcher Substanz vorzutragen hat, ist dabei von der in Rede stehenden Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahme abhängig und bleibt eine Frage des Einzelfalls. Eine Obergrenze besteht jedenfalls dahingehend, dass die Verlagerung der geschuldeten Darlegung auf den Gegner nicht weiterreichen kann, als im konkreten Fall erforderlich. Zudem muss die Verlagerung der Emittentin zumutbar sein, was in Abwägung gegen ihre berechtigten Geheimhaltungsinteressen festzustellen ist. Ist eine Verlagerung der Darlegung zwar erforderlich, der Emittentin aber nicht zumutbar, bleibt es bei der vollen Darlegungslast der beweispflichtigen Partei. Das Risiko des aus eigener Kraft nicht hinreichend vorgetragenen Sachverhalts trägt dann der darlegungspflichtige Anleger.

V. Ergebnis Die im Schrifttum vorgeschlagene Reduzierung des Anlegerschutzes auf das im Schuldrecht vorgesehene Mindestmaß trägt den Besonderheiten der neuen Kapitalklasse Rechnung und ist daher zu befürworten. Im Hinblick auf den kautelarjuristischen Anlegerschutz kann die Emissionspraxis von den umfangreichen Klauselwerken des Common Law profitieren. Hinsichtlich des Umgangs mit Informationsdefiziten sowie der Anwendung der Schutzzwecklehre bieten die Erfahrungen aus dem Schweizer Verantwortlichkeitsrecht hilfreiche Anhaltspunkte. Als Korrektiv der vorgeschlagenen materiellrechtlichen Begrenzung des ungeschriebenen Anlegerschutzes auf ein schuldrechtliches Mindestmaß sollte erwogen werden, Hybridgläubigern auf richterlicher Grundlage eine einzelfallabhängig zu bestimmende sekundäre Darlegungs- und Beweislast zu gewähren. Der Schutz der Hybridgläubiger kann dadurch – ohne gesetzgeberisches Tätigwerden – erheblich verbessert werden, ohne dass die schutzwürdigen Interessen der Emittenten wesentlich beeinträchtigt werden. Was aber bei jeder nationalen Lösung bleibt, ist das Spannungsfeld zwischen dem nationalen Privatrecht und den öffentlich-rechtlichen Funktionen regulatorischer Hybridinstrumente in Sanierungs- und Abwicklungssituationen. Gerichtliche Lösungen nach nationalem Recht treten in Konflikt mit der behördlichen Lastenverteilung nach der BRRD und der SRM-VO, zugleich entstehen Differenzen und Unsicherheiten innerhalb der Mitgliedstaaten und mit anderen Rechtsfamilien, welche die Ziele der europäischen Bankenunion zu unterlaufen drohen.



§ 14 Die europäische Lösung273

§ 14 Die europäische Lösung Wenn es zutrifft, dass sich die befürchteten Spannungen zwischen den nationalen Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten und den Funktionszielen der neuen Kapitalklasse in der Europäischen Bankenunion durch ein rein nationales Anlegerschutzsystem nicht vollständig beseitigen lassen, so könnte noch ein weiterer – in der bisherigen Diskussion noch nicht erwogener – Ansatz in Betracht zu ziehen sein: Die Vereinheitlichung des Anlegerschutzes für Inhaber von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals auf europäischer Ebene. Mit diesem zukunftsgerichteten Konzeptionsgedanken und der Frage, wie eine solche einheitliche Lösung aussehen könnte, beschäftigt sich der folgende Abschnitt dieser Arbeit. Durch eine Erweiterung des (bereits bestehenden) Anlegerentschädigungssystems im europäischen Bankenrecht könnten nicht nur Friktionen zwischen den Regelungszielen der Bankenunion und den Privatrechten der Mitgliedstaaten in kritischen Sanierungs- und Abwicklungssituationen aufgelöst, sondern im Einklang mit dem europäischen Leitgedanken eines „Single Rulebook“1098 auch Differenzen zwischen den Anlegerschutzstandards der Mitgliedstaaten eingeebnet werden. Die Sicherstellung eines größtmöglichen Anlegerschutzes würde mit der Gewährleistung eines effizienten Sanierungs- und Abwicklungsverfahrens in der Bankenkrise vereint. Der als Diskussionsbeitrag zu verstehende Ansatz ist indes nur durch ein Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers denkbar und insofern eine weitergreifende theoretische Überlegung de lege ferenda.

I. Zur Möglichkeit einer Sonderregelung für regulatorische Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals Zunächst lässt sich konstatieren, dass eine Vereinheitlichung des Anlegerschutzes auf europäischer Ebene in erster Linie für solche Instrumente sinnvoll ist, deren bankrechtlich vorgesehene Funktionen durch nationale Anlegerschutzkonzepte konterkariert zu werden drohen. Konsequenz: Eine europäisch harmonisierte Anlegerschutzlösung wäre mit einer rechtlichen Ungleichbehandlung von regulatorischen und nicht-regulatorischen Instrumenten verbunden. Während es bei nicht-regulatorischen Instrumenten stets bei der Anwendung des nationalen Zivilrechts bleibt, würde die europäische Lösung nur bei regulatorischen Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals in den kritischen Sanierungs- und Abwicklungssituationen eingreifen. Eine derart differenzierte Lösung liefe zwar auf eine aus Gründen der Rechtssicherheit 1098  Zur Idee des „Single Rulebook“ überblicksartig Sasserath-Alberti, EuZW 2012, 641 f.; ausf. zu dessen Bedeutung für das Bankrecht Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 575 f.

274 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

grundsätzlich kritische Rechtslage hinaus, in der für eine einzelne Art von Hybridgläubigern in begrenzten Situationen eine Sonderregelung gilt. Die rechtliche Andersbehandlung ließe sich allerdings dadurch rechtfertigen, dass sich die Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals von anderen (nicht-regulatorischen) Hybridinstrumenten durch ihre öffentlich-rechtlichen Funktionen in Sanierungs- und Abwicklungssituationen wesentlich unterscheiden. Dies betrifft nicht nur die bei regulatorischen Hybridinstrumenten befürchteten Störungen der europäischen Regelungen in Sanierungs- und Krisenphasen, sondern etwa auch die besonderen Risiken, die insbesondere in Zeiten der Krise durch den zunehmenden Einfluss der Bankenaufsicht entstehen1099. Die von einer Sonderregelung ausgehende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bliebe überschaubar, da Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals im Sinne der CRR als solche in den Anleihebedingungen kenntlich gemacht werden und ohnehin nur von professionellen Investoren gehalten werden, die auf Beratung zurückgreifen können1100. Das Beispiel der Schweiz – die mit Erfolg eine gesetzliche Sonderlösung nur für Partizipationsscheine eingeführt hat – zeigt, dass partielle Sonderregelungen für einzelne Hybridinstrumente grundsätzlich ein gangbarer Weg sein können1101. Im Übrigen ist das neue europäische Bankenrecht ganz allgemein durch eine Vielzahl von detaillierten Einzelvorschriften geprägt, sodass sich eine spezielle Regelung des Schutzes der Inhaber von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals in den Gesamtcharakter der Regelungsmaterie durchaus einfügen würde. Vorab ist aber der Frage nachzugehen, ob eine Regelung genuin zivilrechtlicher Sachverhalte im europäischen Bankenrecht überhaupt vorstellbar ist und wie eine solche Lösung systematisch eingefügt werden könnte.

II. Dogmatische Vorüberlegung Die Teilrechtsordnungen der Europäischen Bankenunion regeln im Schwerpunkt nicht privatrechtliche Schuldverhältnisse bzw. Streitigkeiten aus zivilrechtlichen Sachverhalten, sondern öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten für Banken und hoheitliche Eingriffsbefugnisse gegen solche. Eine hoheitliche Entscheidung ist für die Wandlung bzw. Herabschreibung von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen zwar möglich, anders als beim Bail-in wegen der vertraglich festgelegten Wandlungs- bzw. Herabschreibungsbedingungen jedoch nicht erforderlich. Stattdessen stehen sich in den von dieser Arbeit behandelten Konfliktlagen grundsätzlich zwei 1099  s.

dazu oben 1. Teil: § 3 II.2. Nodoushani, WM 2016, 589, 596. 1101  s. zur Schweizer Sonderregelung für Partizipationsscheine oben 1. Teil: § 11 III. 1100  Vgl.



§ 14 Die europäische Lösung275

Privatrechtssubjekte – Anleihegläubiger und Emittentin – gegenüber. Eine Regelung des insofern als zivilrechtlich zu qualifizierenden Rechtsverhältnisses im europäischen Bankenrecht erscheint daher auf den ersten Blick systemfremd. Allerdings steht diese Grundüberlegung einer Sonderregelung im Bankenrecht nicht prinzipiell entgegen. Ein zunehmender Regelungseinfluss der bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben auf das Privatrecht ist an vielen Stellen längst nicht mehr zu leugnen1102. Dies zeigen nicht nur die nach der BRRD möglichen Eingriffe in Gläubigerrechte1103, sondern etwa auch die Vorgabe, dass vertragliche Pflichten für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt oder gar Kündigungsrechte eingeschränkt werden können, um das Abwicklungsverfahren nicht zu behindern1104. In bestimmten Fällen haben auch gesellschaftsrechtliche Vorschriften der Mitgliedstaaten zurückzutreten, wenn sie die Abwicklung behindern1105. Wenn das Aufsichtsrecht die zivilen Rechts­ institute in vielen Bereichen zunehmend beeinflusst oder vereinzelt gar verdrängt1106, so erscheint es beinahe notwendig, dass das Aufsichtsrecht selbst hinreichende Schutzinstrumente bereithält. Vor allem aber ist längst klargeworden, dass es in Krisensituationen nur vom Zufall abhängen wird, ob sich die Wandlungs- bzw. Herabschreibungsrisiken der Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals aufgrund der privat­ autonom festgelegten Bedingungen realisieren oder aufgrund einer zuvor ­ergangenen behördlichen Anordnung1107. Aufgrund der (relativ) niedrigen Auslöseereignisse nach der CRR wird Zweiteres im Regelfall sogar für wahrscheinlicher gehalten1108. Vor diesem Hintergrund erscheint es zufällig und kaum nachvollziehbar, warum sich der Anlegerschutz der Anleiheinhaber im ersten Fall nach den allgemeinen Privatrechten der einzelnen Mitgliedstaaten richten soll, im zweiten Fall aber nach den öffentlich-rechtlichen Sonderbestimmungen der BRRD bzw. der SRM-VO. Aber selbst wenn sich die bilanzbezogenen Wandlungs- und Herabschreibungsbedingungen realisieren, ohne dass eine hoheitliche Anordnung ergeht, so wird dies in vielen Fällen zu einer Zeit geschehen, in der die freie Unternehmensführung der Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 581 ff. allem ist hier der Bail-in und die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung relevanter Kapitalinstrumente nach Art. 59 Abs. 2 BRRD zu nennen. 1104  Vgl. Erwägungsgründe 93 f. BRRD. 1105  Vgl. ErwG 121 BRRD. 1106  Vgl. Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 581 ff. 1107  Vgl. Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S.  217, 238 ff.; ferner Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 163 m. w. N.; s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 1 II.3. 1108  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 1 II.1.b). 1102  Instruktiv 1103  Vor

276 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

Bank bereits in weiten Teilen durch den in der Krise wachsenden Einfluss der Bankenaufsicht überlagert wird. Es ist sogar vorstellbar, dass der Einritt der Wandlungs- oder Herabschreibungsbedingungen letztlich auf Veranlassung der Aufsichtsbehörde erfolgt („Bail-in durch die Hintertür“). In diesen praktischen Szenarien sind die Grenzen zwischen der privatrechtlich vereinbarten Wandlung- bzw. Herabschreibung und dem öffentlich-rechtlichen Bail-in nicht mehr klar zu ziehen. Die rein zivilrechtlichen Anlegerschutz­ lösungen der Mitgliedstaaten werden solchen Konstellationen, in denen zivile und hoheitliche Letztverantwortlichkeit verschwimmen, nicht ausreichend gerecht. Die Verflechtung der privatrechtlichen Natur der Anleihen mit deren öffentlich-rechtlichen Funktionen legt es insofern nahe, den Schutz der Inhaber der Instrumente – zumindest im Ansatz – auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. 1. Systematischer Zusammenhang Es bleibt die Frage, wie eine solche Vereinheitlichung systematisch verwirklicht werden könnte. Grundsätzlich wäre sowohl eine Erweiterung der Vorschriften im Eigenmittelrecht (CRR/CRD IV) als auch eine Erweiterung der sanierungs- und abwicklungsrechtlichen Vorgaben (BRRD/SRM-VO) in Betracht zu ziehen. Zudem besteht freilich die Möglichkeit, auch eine gänzlich neue europäische Regelungsmaterie zu schaffen. In systematischer Hinsicht liegt es allerdings nahe, den Anlegerschutz der Inhaber von Inhabern von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals im Sanierungs- und Abwicklungsrecht zu verorten: Zum einen entstehen Spannungen zwischen den privatrechtlichen Anlegerschutzsystemen und dem europäischen Bankenrecht insbesondere in Sanierungs- und Abwicklungssituationen, in denen langfristige Schadensersatzprozesse die schnelle Krisenbewältigung behindern und die behördliche Lastenverteilung stören können1109. Zum anderen sind bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen teleologisch auf eine ähnliche Sachlogik angelegt, wie der hoheitliche Bail-in nach den Vorschriften der BRRD, weshalb sich eine einheitliche Regelung des Schutzes der Inhaber von Bail-in-Instrumenten anbietet1110. Schließlich beinhalten die BRRD und die SRM-VO bereits de lege lata eine ganze Reihe von Vorschriften und Rechtsinstituten zum Schutz von Gläubigern beim 1109  Vgl. Florstedt, ZHR 180 (2016), 152, 192; KölnKommAktG/ders., § 221 Rn. 339; Hülsen, Die flexibilisierte Finanzierung der AG, 151 f.; s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 9 II.2.b). 1110  Zu den dogmatischen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen dem behördlichen Bail-in und den vertraglichen bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen ausf. Busch/Ferrarini/Cahn/Kenadjian, European Banking Union, S. 232 ff.; ferner Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 111 ff.



§ 14 Die europäische Lösung277

Bail-in, die für den Schutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen geeignet sind und die mit nur wenigen punktuellen Erweiterungen nutzbar gemacht werden könnten. 2. Das europäische Anlegerentschädigungssystem Das europäische Sanierungs- und Abwicklungsrecht beinhaltet bereits ein eigenständiges Regelungssystem, dass es Bankgläubigern ermöglicht, in bestimmten Sachverhaltskonstellationen im Rahmen von Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen eine Entschädigung von neu eingerichteten Abwicklungsfonds zu erhalten1111. Das Grundgerüst dieser Institutionen könnte im Anwendungsbereich des europäischen Abwicklungsrechtes auch für den zivilrechtlichen Anlegerschutz der Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen nutzbar gemacht werden. Im Folgenden werden die bestehenden Institutionen daher in Grundzügen vorgestellt. Anschließend soll der Gedanke gewagt werden, wie eine harmonisierte Anlegerschutz­ lösung unter Nutzung der bestehenden Institute theoretisch aussehen könnte. a) Einheitliche Abwicklungsfonds Ausgangspunkt des bestehenden Anlegerentschädigungssystems ist der Aufbau von Abwicklungsfonds, deren Zweck in der effizienten Anwendung der Abwicklungsinstrumente und in der Sicherstellung der Abwicklungsziele und -Grundsätze liegt1112. Im Anwendungsbereich der SRM-VO wurde auf Grundlage der Art. 67 ff. SRM-VO ein einheitlicher Abwicklungsfonds geschaffen, der im Anwendungsbereich der Mitgliedstaaten des SRM unmittelbar gilt1113. Außerhalb des Anwendungsbereiches der SRM-VO verpflichtet Art. 100 BRRD die Mitgliedstaaten, entsprechende Abwicklungsfinanzierungsmechanismen zu schaffen. Die so entstehenden Abwicklungsfonds ersetzen weitgehend die bereits zuvor bestehenden Finanzierungsmechanismen der Mitgliedstaaten, in Deutschland den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin), der im Jahr 2008 durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) eingeführt wurde1114, sowie den durch das Restrukturierungsgesetz aus dem Jahr 2011 eingeführten Restrukturierungsfonds, der zur Umsetzung 1111  Zusammenfassung bei Jahn/Schmitt/Geier/Brandt/Ilgmann, HdB Bankensanierung und -Abwicklung, S. 332 ff. 1112  Vgl. Art. 67 ff. SRM-VO bzw. Art. 100 ff. BRRD. 1113  s. zu den unterschiedlichen Anwendungsbereichen der SRM-VO und der BRRD bereits oben Fn. 106. 1114  s. zur Einführung des SoFFin, Weber, NJW 2012, 274, 275; Hopt, NZG 2009, 1401, 1407.

278 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

der Vorgaben der BRRD allerdings im Grundsatz noch heute fortbesteht1115. Die neuen Abwicklungsfonds dienen in bestimmten, gesetzlich definierten Fällen auch für Entschädigungszahlungen an Anteilseigner und Gläubiger beim Bail-in1116. Sie sollen eine Mindestausstattung von 1 Prozent der gedeckten Einlagen aller in den Mitgliedstaaten zugelassenen Institute aufbauen1117 und werden aus Beiträgen der Kreditinstitute gespeist, deren Höhe unter anderem von der Größe und systemischen Relevanz eines Institutes abhängen. b) Die Verwaltung der Abwicklungsfonds Während die Verwaltung der national einzurichtenden Abwicklungsfonds den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten obliegt, ist die Verwaltung des einheitlichen Abwicklungsfonds nach Art. 67 ff. SRM-VO einem auf Grundlage der Art. 42 ff. SRM-VO eingerichteten Ausschuss (Single Resolution Board, SRB) zugewiesen1118, der – ausgestattet mit eigener Rechtspersönlichkeit – seit Januar 2015 insbesondere auch den nationalen Abwicklungs­ behörden Weisungen zu allen Angelegenheiten im Umsetzungsprozess des unionsrechtlichen Abwicklungskonzeptes erteilen kann1119. Der Ausschuss genießt in jedem Mitgliedstaat weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit und kann insofern klagen und verklagt werden1120. Er ist vollkommen unabhängig, von Fachkräften bestetzt1121 und handelt gemeinsam mit den jeweiligen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden ausschließlich im Allgemeininteresse der Europäischen Bankenunion1122. Der Ausschuss bestimmt über den Haushalt des Abwicklungsfonds und damit zugleich über Entschädigungszahlungen an benachteiligte Gläubiger im Rahmen von Sanierungs1115  s. zur Einführung des Restrukturierungsfonds durch das Restrukturierungsgesetz, Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1167 f.; Höche, WM 2011, 49, 57; Riethmüller, WM 2010, 2295, 2297; Schuster/Westphal, DB 2011, 221; Hanten/München, WM 2011, 1925; Schön/Hellgardt/Osterloh-Konrad, WM 2010, 2145 ff. (Teil I), 2193 ff. (Teil II); Schelo, NJW 2011, 186; ausf. Kiesel, Das Restrukturierungsfondsgesetz, passim. 1116  s. hierzu sogleich 1. Teil: § 14 II.2.a). 1117  Art. 69 Abs. 1 SRM-VO bzw. Art. 102 Abs. 1 S. 1 BRRD. 1118  Gem. 43 SRM-VO setzt sich der Ausschuss zusammen aus einem Vorsitzenden, vier weiteren in Vollzeit tätigen Mitgliedern sowie jeweils einem Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten. 1119  Vgl. Art. 29 SRM-VO sowie die Erwägungsgründe 26, 96 SRM-VO; zur Rolle des Ausschusses gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden auch Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 109. 1120  Explizit Art. 42 Abs. 1, 2 SRM-VO. 1121  Vgl. ErwG 39 SRM-VO. 1122  Art. 47 Abs. 1 SRM-VO.



§ 14 Die europäische Lösung279

und Abwicklungsmaßnahmen1123. Zugleich ist der Ausschuss für die Vorbereitung, Bewertung und Genehmigung der Abwicklungspläne verantwortlich und legt im Einvernehmen mit den nationalen Aufsichtsbehörden die Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) fest1124. c) Bereits de lege lata bestehende Entschädigungsansprüche De lege lata beschränken sich Entschädigungsansprüche von Gläubigern auf Verstöße gegen das „No-Creditor-worse-off-Prinzip“, d. h. auf Fälle, in denen die Gläubiger im Laufe einer Abwicklung nach dem europäischen Bankenrecht schlechter gestellt werden, als sie in einem normalen Insolvenz­ verfahren stehen würden1125. Hierfür beinhaltet Art. 76 Abs. 1 lit. e) SRMVO eine spezielle Anspruchsgrundlage für Ausgleichsansprüche in Höhe des Differenzbetrags gegen den Abwicklungsfonds. Eine identische Regelung ist zudem Art. 101 Abs. 1 lit. e) BRRD vorgesehen. Die Vorgaben der BRRD wurden in Deutschland durch § 147 SAG umgesetzt, nach dem Gläubiger bei einem Verstoß gegen das „No-Creditor-worse-off-Prinzip“ einen Ausgleichsanspruch gegen den Restrukturierungsfonds nach Maßgabe des § 8 RestrFG haben. Zusätzlich haben Gläubiger im Falle einer rechtswidrigen Sanierungs- oder Abwicklungsmaßnahme einen Ausgleichssanspruch nach § 150 Abs. 4 SAG. Dieser Anspruch erfasst z. B. Fälle, in denen bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen durch eine rechtsfehlerhafte hoheitliche Anordnung gewandelt oder herabgeschrieben werden. Zwar beinhaltet die bisherige Regelung damit zunächst nur Ausgleichsansprüche von Gläubigern bei Beeinträchtigungen durch hoheitliche Eingriffe. Es wird aber schon an dieser Stelle deutlich, dass Regelungen, nach denen Bankgläubiger in bestimmten Fällen eine Entschädigung vom Abwicklungsfonds erlangen können, dem Sanierungs- und Abwicklungsrecht für Banken grundsätzlich nicht fremd sind.

III. Ausweitung des europäischen Anlegerentschädigungssystems Eine europäische Vereinheitlichung des Anlegerschutzes könnte nun dahingehend erfolgen, dass das bestehende Anlegerentschädigungssystem auch 1123  Art. 5

Abs. 1 SRM-VO. Abs. 1 SRM-VO; Bou Sleiman, Contingent Convertible Bonds, S. 110. 1125  Vgl. zum „No-Creditor-worse-off-Prinzip“ Art. 34 Abs. 1 lit. g), 73 bis 75 BRRD, § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG; zu den Entschädigungsmöglichkeiten vgl. ErwG 51 BRRD bzw. ErwG 63 SRM-VO. 1124  Art. 12

280 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

auf Situationen ausgedehnt wird, in denen die vertraglichen Wandlungsoder Herabschreibungsparameter von Instrumenten des zusätzlichen Kern­ kapitals im Sinne der CRR nicht durch rechtsfehlerhafte Verwaltungsakte, sondern durch pflichtwidrige Handlungen der Emittentin herbeigeführt werden1126. Geschädigte Gläubiger könnten dann – in restriktiv zu fassenden Einzelfällen – anstelle von systemstörenden privatrechtlichen Schadens­ ersatzansprüchen einen Entschädigungsanspruch gegen den Abwicklungsfonds geltend machen, der unter Berücksichtigung zivilrechtlicher Kriterien – wirtschaft­licher Schaden, Verwässerungseffekt im Fall der Wandlung, Schutzbedürftigkeit der Gläubiger, Gleichbehandlung von Gesellschaftsgläubigern, normatives Handlungsunrecht der Emittentin usf. – aber auch unter Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Interessen – systemische Gesichtspunkte, Erhalt der Mittel des Abwicklungsfonds, Disziplinierung von Emittenten und Haftkapitalgebern – zu bemessen wäre. Zusätzliche Leitlinien der Aufsicht könnten hierzu einheitliche und bestimmte Kriterien festlegen. Die Ausgleichs- und Ersatzansprüche nach den Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten wären im Anwendungsbereich der BRRD auszuschließen1127. Soweit der Eingriff auf einem pflichtwidrigen Verhalten aus dem Verantwortungsbereich der Bank beruht, wäre zur Vermeidung einer kollektiven Haftung für Pflichtverletzungen einzelner Banken und zur Vermeidung einer Aushöhlung der Mittel des Fonds sicherzustellen, dass der Fonds einen Regressanspruch gegen das pflichtwidrig handelnde Institut in entsprechender Höhe erhält1128. Diesen Regressanspruch könnte die zuständige Behörde in ihre Verteilungslösung einbeziehen. Eine solche Mediatisierung des Anlegerschutzes durch eine Zwischenschaltung des Abwicklungsfonds könnte in kritischen Abwicklungssituationen langfristige und systemstörende Zivilgerichtsverfahren ver1126  Auch wenn die Gläubigerschutzvorschriften der Art. 73–75 BRRD nach ihrem Wortlaut nur „Gläubiger“ und „Anteilseigner“ umfassen und nicht „Inhaber von Kapitalinstrumenten im Sinne der CRR“, wird im Schrifttum angenommen, dass sich auch Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen grundsätzlich auf diese Vorschriften berufen können, da diese in der Haftungskaskade zwischen den Anteilseignern und den übrigen Gläubigern stehen, vgl. Busch/Ferrarini/Cahn/ Kenadjian, European Banking Union, S. 273. 1127  Ein solcher Ausschluss ist aus anderen Bereichen des Aufsichtsrechts, wo spezielle Regelungen die privatrechtlichen Vorschriften zugunsten öffentlich-rechtlicher Funktionen explizit verdrängen, längst bekannt, vgl. etwa § 10 Abs. 5 KWG, nach dem die §§ 309 Nr. 3, 313, 314, 489, 490, 723 bis 725, 727 u. 728 BGB, die §§ 132 bis 135 HGB und § 254 AktG auf Instrumente des regulatorischen Eigenkapitals nicht anwendbar sind; ein weiteres Bsp. aus einem anderen Bereich ist auch § 14 BImSchG, der die Geltendmachung privatrechtlicher Abwehransprüche gegen eine öffentlich-rechtlich genehmigte Anlage ausschließt. 1128  Schon jetzt ist der Ausschuss berechtigt, von einzelnen Instituten zusätzliche Beiträge zur Deckung besonderer Kosten oder Verluste zu erheben, vgl. ErwG 102 SRM-VO.



§ 14 Die europäische Lösung281

meiden. Zugleich würde das Anlegerschutzsystem den besonderen Krisensitua­tionen Rechnung tragen, in denen die Verantwortlichkeit für die Wandlung oder Herabschreibung der Instrumente in gewissem Grad sowohl bei der Emittentin als auch bei der Bankenaufsicht liegen kann. Außerhalb des Anwendungsbereichs der BRRD und der SRM-VO würden hingegen weiterhin die nationalen Anlegerschutzsysteme der Mitgliedstaaten anwendbar bleiben. Abwicklungsbehörde/ Abwicklungsfonds

Emittentin Regressanspruch als Teil der hoheitlichen Verteilungslösung

Entschädigungsanspruch gegen den Abwicklungsfonds

Sperrung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Emittentin

Anleihegläubiger

Schaubild: Die europäische Lösung

1. Die Vorteile der europäischen Lösung Die Vorteile einer solchen Lösung liegen auf der Hand: Zunächst könnten die geschilderten Spannungen zwischen dem hoheitlich geordneten Sanierungs- und Abwicklungsverfahren und störenden Schadensersatzklagen (vermeintlich) geschädigter Hybridgläubiger gegen die kriselnde Bank dadurch vermieden werden, dass beide Prozesse in einer Institution zusammengeführt werden. Die Sanierung bzw. Abwicklung des Instituts und die – auf Ausnahmefälle zu begrenzende – Entschädigung potentiell geschädigter Anleger würden durch den Ausschuss im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden unter Zuhilfenahme der Mittel des Abwicklungsfonds aus einer Hand erfolgen. Die Verteilung der Lasten bei der Bankenabwicklung könnte entsprechend der Abwicklungsplanung und im Sinne der BRRD „auf faire und vorhersehbare Art und Weise“1129 erfolgen. Zugleich würde solchen Situatio1129  ErwG

5 BRRD.

282 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

nen angemessen Rechnung getragen, in denen die Letztverantwortlichkeit für die Wandlung- oder Herabschreibung der Hybridinstrumente nicht allein bei der Emittentin, sondern (auch) bei der zuständigen Aufsichtsbehörde liegt. Durch die Schaffung einer speziellen Anspruchsgrundlage würden im kritischen Moment der Abwicklung sämtliche im nationalen Recht bestehenden Rechtsunsicherheiten ausgeräumt. Zugleich würden Banken durch die abschreckende Wirkung einer speziellen Entschädigungsregelung dazu diszipliniert, die Gläubiger im Rahmen ihrer Geschäftsführungs- und Bilanzierungspolitik nicht einseitig zu beeinträchtigen. Der Ausschuss könnte mögliche Entschädigungszahlungen in das Abwicklungsverfahren unter Berücksichtigung der verinbarten Haftungsabfolge einbeziehen, sodass die behördliche Lastenverteilung nicht durch nachträgliche Gerichtsentscheidungen verfälscht werden könnte1130. Im Anwendungsbereich der BRRD und der SRM-VO ist es ohnehin Aufgabe der Abwicklungsbehörden, dafür Sorge zu tragen, dass Gläubiger „angemessen und fair“1131 behandelt werden. Dieser Aufgabe kann es nur dienlich sein, wenn die Behörden auch solche Gläubiger in ihre Gesamtbetrachtung einbeziehen, die (vielleicht nur zufällig) nicht aufgrund einer hoheitlichen Anordnung, sondern aufgrund vertraglich festgelegter Bestimmungen am Bail-in teilnehmen. Durch die Einbeziehung des Ausschusses könnten zudem die im nationalen Recht bestehenden Defizite der Darlegungs- und Beweismöglichkeiten1132 aufgelöst werden, da der Ausschuss als Herr über das Abwicklungsverfahren über umfassende Informations- und eigenständige Prüfungsrechte verfügt1133. Der Ausschuss kann seine Prüfungs- und Kontrollrechte effektiv durchsetzen, da er eng mit den nationalen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet und zugleich über Sanktionen gegen einzelne Institute entscheidet, sofern diese gegen sanierungs- oder abwicklungsrechtliche Pflichten verstoßen1134. In praktischer Hinsicht mag die Frage aufkommen, ob die Abwicklungsbehörden überhaupt über die erforderlichen Kapazitäten und Kompetenzen verfügen. Allerdings traut es der Gesetzgeber den Abwicklungsbehörden offenbar zu, ganze Bankenabwicklungen in einer Finanzkrise selbständig und effektiv durchzuführen. Dafür hat er die Behörden entsprechend aufgebaut. Ange1130  s.

zu dieser Problematik bereits oben 1. Teil: § 9 II.2.b). 47 BRRD. 1132  s. hierzu bereits oben 1. Teil: § 6 IV:; im nationalen Recht könnten diese Defizite durch eine Stärkung von Auskunftsrechten oder die Einführung einer sekundären Darlegungs- und Beweislast abgemildert werden, s. zu diesem Vorschlag oben 1. Teil: § 13 IV. 1133  Vgl. die Erwägungsgründe 93 ff. SRM-VO; ausf. zur Informationsordnung im Sanierungs- und Abwicklungsrecht der Bankenunion Kowolik, Das Bail-in-Instrument, S.  162 ff. 1134  Vgl. die Erwägungsgründe 95 f. SRM-VO. 1131  ErwG



§ 14 Die europäische Lösung283

sichts der Größe dieser Gesamtaufgabe erscheint die Befassung mit Entschädigungsansprüchen der Inhaber von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals vor diesem Hintergrund als geringe Zusatzbelastung, zumal diese nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen und die Behörden auch bei hoheitlichen Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen über Entschädingsansprüche zu entscheiden haben. Darüber hinaus würde das Verfahren dadurch flexibilisiert, dass der Ausschuss nicht an das privatrechtliche Schadensrecht im Sinne der §§ 249 ff. BGB gebunden ist, sondern eine Entschädigung nach billigem Ermessen auszahlt. Hierdurch könnte er öffentlich-rechtlichen Interessen des Allgemeinwohls ebenso wie den individuellen Ausgleichsinteressen der betroffenen Gläubiger Rechnung tragen und insbesondere auch systemische Gesichtspunkte in seine Ausgleichslösung einfließen lassen. Gerichtliche Aus­ einandersetzungen bleiben zwar möglich, etwa, wenn die Anleihegläubiger mit der ihnen zugesprochenen Entschädigungszahlung unzufrieden sind, oder wenn die Emittentin gegen den von der Abwicklungsbehörde geltend gemachten Regressanspruch vorgeht. Hierdurch entstehen aber keine Verzögerungen für das behördliche Abwicklungsverfahren, da Rechtsbehelfe im Abwicklungsverfahren nach § 150 Abs. 1 S. 2 SAG keine aufschiebende ­ Wirkung haben. Durch die Zwischenschaltung des Abwicklungsfonds würde vielmehr den Klagen sog. „räuberischer Gläubiger“, die in kritischen Situationen Klage erheben, um sich deren „Lästigkeitswert“ durch hohe Vergleichszahlungen abkaufen lassen, die Grundlage entzogen. Auch eine „zufällige“ Ungleichbehandlung von Anleihegläubigern, die aufgrund der vertraglichen Anleihebedingungen an Verlusten teilgenommen haben und sich im Falle einer Pflichtverletzung an die ordentlichen Gerichte wenden müssten, und solchen Anleihegläubigern, die aufgrund einer behördlichen Anordnung an Verlusten teilgenommen haben und eine Entschädigung aus dem Abwicklungsfonds erhalten, würde vermieden. Schließlich könnte die Vereinheitlichung des Anlegerschutzes in den behandelten Problemkonstellationen auf europäischer Ebene dazu beitragen, die international bestehenden Divergenzen zwischen den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen zumindest innerhalb des europäischen Binnenmarktes zu glätten. Die Mediatisierung des Anlegerschutzes über den Abwicklungsfonds steht insofern im Einklang mit dessen Aufgabe, „eine einheitliche Verwaltungspraxis bei der Finanzierung von Abwicklungen herzustellen und […] einer durch divergierende nationale Vorgehensweisen bewirkten Verzerrung des Wettbewerbs im Binnenmarkt vorzubeugen“1135 sowie „Asymme­ trien innerhalb des Binnenmarktes in Bezug auf die Behandlung ausfallender 1135  ErwG

19 SRM-VO.

284 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

Institute oder Gläubiger zu verhindern“1136. Die durch eine einheitliche Regelung gewonnene Rechtssicherheit und Rechtsklarheit könnte der Bankenunion einen Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Rechtsordnungen verschaffen, ohne in kritischen Phasen an Flexibilität und Effektivität zu verlieren. 2. Mögliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Lösung Die zur Diskussion gestellte Ausdehnung des europäischen Anlegerentschädigungssystems stellt ohne Frage einen erheblichen Eingriff in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten dar. Aus diesem Grund und um die gewünschte Rechtssicherheit zu erzielen, müsste die Regelung klar abgefasst sein und möglichst wenig Raum für Anwendungsfragen bieten. Aber auch darüber hinaus verbleiben selbstverständlich Bedenken gegen dargestellte Anlegerschutzlösung. Auf einige offensichtliche Bedenken gegen den vorgestellten Diskussionsansatz soll kurz eingegangen werden. a) Vermeidung eines „Moral Hazard“ durch eine kollektive Bankenhaftung für individuelle Pflichtverletzungen Zunächst wäre zu vermeiden, dass ein „Moral Hazard“ in dem Sinne geschaffen wird, dass Banken jährlich in den Abwicklungsfonds einzahlen und auf diese Weise jeglichen Anreiz verlieren, eine Schädigung der Gläubiger abzuwenden. Ein Entschädigungsanspruch von Inhabern von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen, der sich zunächst gegen den Restrukturierungsfonds richtet, darf nicht dazu führen, dass der disziplinierende Effekt einer Emittentenhaftung vollkommen verloren geht. Zwar entspricht es dem grundsätzlichen Gedanken eines gemeinsamen Abwicklungsfonds, dass alle Banken in diesen einzahlen und die so generierten Mittel in einer Krise oft nur einzelnen Instituten zugute kommen1137. Dieser Gedanke dürfte jedoch nicht so weit gehen, dass eine kollektive Bankenhaftung für konkrete missbräuchliche oder zielgerichtete Verfehlungen gewollt ist. Eine Kollektivhaftung für fremdes Verschulden wäre in diesen Fällen auch kaum begründbar. Ein „Moral Hazard“ ließe sich aber vermeiden, indem sichergestellt wird, dass der Abwicklungsfonds einen Regressanspruch gegen das pflichtwidrig handelnde Institut erhält, sobald er den Entschädigungsanspruch der Gläubiger befriedigt. Auf diese Weise trifft die Emittentin trotz Zwischenschaltung des Abwicklungsfonds weiterhin das primäre Haftungsrisiko. Der disziplinierende Effekt kann zudem dadurch gesteigert werden, dass der 1136  ErwG 1137  Vgl.

22 SRM-VO. Schön/Hellgardt/Osterloh-Konrad, WM 2010, 2145, 2156.



§ 14 Die europäische Lösung285

Ausschuss bereits de lege lata mit der Macht ausgestattet ist, Sanktionen gegen pflichtwidrig handelnde Institute zu verhängen. Zwar müssten durch die Gewährung eines Regressanspruches des Abwicklungsfonds – ähnlich wie bei der nationalen Lösung – letztlich wieder das pflichtwidrig handelnde Institut bzw. dessen Anteilseigener für den entstandenen Schaden aufkommen. Dem Einwand, durch die Mediatisierung des Anlegerschutzes durch die Zwischenschaltung des Abwicklungsfonds sei dann aber doch gar nichts gewonnen, lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die wesentlichen Vorteile der vorgeschlagenen europäischen Lösung – Zentralisierung und Harmonisierung sowie Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtsschutzes in Sanierungsund Abwicklungssituationen – auch bei Zulassung eines nachträglichen Regressanspruches erhalten bleiben würden. b) Keine verfassungswidrige Verkürzung des Rechtsschutzes Weiter wäre sicherzustellen, dass eine Sperrung zivilrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzansprüche im Anwendungsbereich der BRRD nicht gegen die verfassungsmäßige Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verstößt. Eine Verkürzung des Rechtsschutzes wäre nach der vorgeschlagenen Lösung allerdings nicht zu berüchten, da die Gläubiger durch die europäischen Vorschriften eine spezielle Entschädigungsmöglichkeit erhielten, die sämtliche Rechtsunsicherheiten nach dem nationalen Recht ausräumen würde1138. In dem Fall, dass der Ausschuss eine Entschädigung von Gläubigern aus dem Abwicklungsfonds ablehnt oder nach Ansicht der Gläubiger nicht hinreichend erfüllt, bestünde weiterhin die Möglichkeit, den Ausschuss auf Zahlung zu verklagen1139. Der Rechtsweg bliebe also weiterhin gewährleistet. Der wesentliche Unterschied zu der Emittentenhaftung nach dem privaten Anlegerschutzrecht bestünde darin, dass sich die Gläubiger nicht unmittelbar an das pflichtwidrig handelnde Institut, sondern an den Abwicklungsfonds halten müssten, der sich sodann in einem Regressverfahren an dem pflichtwidrig handelnden Institut schadlos halten könnte. Die Emittentin bliebe dadurch von den Klagen der Hybridgläubiger zunächst verschont. Kommt es schließlich zu einem Regressanspruch des Abwicklungsfonds gegen die Emittentin, hätten Rechtsbehelfe der Emittentin gegen die Maßnahmen der Behörde im Abwicklungsverfahren nach § 150 Abs. 1 S. 2 SAG keine aufschiebende Wirkung. Das Abwicklungsverfahren könnte auf diese Weise ungestört fortlaufen. Außerhalb des Anwendungsbereiches 1138  Ausf. zum Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Sanierung und Abwicklung Jahn/Schmitt/Geier/Schmitt, HdB Bankensanierung und -Abwicklung, S. 106 ff. (zur Sanierung) bzw. S. 528 ff. (zur Abwicklung). 1139  Der Ausschuss kann vor Gericht verklagt werden, vgl. Art. 42 Abs. 2 S. 2 SRM-VO.

286 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

des Abwicklungsrechts sollen die nationalen Regelungen ohnehin anwendbar bleiben. c) Keine Zweckentfremdung der Fondsmittel Gegen eine Ausweitung des bestehenden Anlegerentschädigungssystems auf zivilrechtliche Sachverhalte könnte zudem angeführt werden, dass die von den Banken gezahlte Bankenabgabe durch die Kompensationen von Gläubigern einzelner, pflichtwidrig handelnder Institute zweckentfremdet würde1140. Allerdings wird der Normzweck des Abwicklungsfonds in Art. 67 Abs. 2 S. 1 SRM-VO dahingehend umschrieben, dass sich der Ausschuss des Fonds zu dem Zweck bedienen kann, die effiziente Anwendung der Abwicklungsinstrumente und die effiziente Ausübung der Abwicklungsbefugnisse sicherzustellen. Die Entschädigung von Inhabern von bankrechtlichen Wandlungs- und Herabschreibungsinstrumenten dürfte mit diesem Normzweck durchaus vereinbar sein, da die damit einhergehende Vermeidung zivilrechtlicher Schadensersatzprozesse in einzelnen Mitgliedstaaten der effizienten Ausübung der Abwicklungsbefugnisse dienlich ist. Hierfür spricht auch die Parallele zum hoheitlich angeordneten Bail-in, in dessen Kontext Entschädigungszahlungen an Gläubiger aus dem Fonds unter bestimmten Voraussetzungen bereits explizit vorgesehen sind. Schließlich würde eine Aushöhlung bzw. Zweckentfremdung des Fonds durch Zahlungen an einzelne Gläubiger dadurch vermieden, dass der Anspruch der Gläubiger einerseits nur auf eine angemessene Entschädigung gerichtet ist, wodurch sichergestellt wird, dass der Fonds nicht übermäßig belastet wird, und andererseits, dass der Abwicklungsfonds einen Regressanspruch gegen das pflichtwidrig handelnde Institut erhält.

IV. Resümee Was bleibt am Ende der Untersuchung festzuhalten? Die Risiken, die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen über die in den Anleihebedingungen niedergeschriebenen objektiven Faktoren hinaus fürchten müssen, sind ebenso vielfältig wie die Lösungen, die die Rechtsordnungen von Deutschland, den USA und der Schweiz zum Schutz von Hy­ bridgläubigern vorsehen. Um auf dem internationalen Kapitalmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Rechtsordnung einen Anlegerschutz bieten, der den Besonderheiten der neuen Kapitalklasse gerecht wird. Schießen die 1140  Zur finanziellen Ausstattung des Abwicklungsfinanzierungsmechanismus und zur Berechnung der Bankenabgabe ausf. Jahn/Schmitt/Geier/Brandt/Güth, HdB Bankensanierung und -Abwicklung, S. 545 ff.



§ 14 Die europäische Lösung287

bestehenden Schutzmechanismen über die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Anlegergruppe hinaus, wird dem Missbrauch durch Anleger Tür und Tor geöffnet und der Gedanke des Hybridkapitals als Stabilisator in Krisenzeiten letztlich umgekehrt. Sind die bestehenden Schutzinstrumente hingegen zu schwach, so sind der Willkür der Emittentin – getrieben von den Interessen der Shareholder oder auch der Bankenaufsicht – kaum noch Grenzen gesetzt. Wer wird die Instrumente dann noch zeichnen wollen? Nach diesem Maßstab fällt das Fazit für das deutsche Recht gemischt aus: Die für die alten Hybridinstrumente – mehr kasuistisch als normativ – entwickelten Anlegerschutzkonzepte erscheinen im internationalen Vergleich grundsätzlich gut ausgebildet, zum Teil werden sie den Besonderheiten der neuen Kapitalklasse aber nicht gerecht und sollten angepasst werden. Dies betriftt insbesondere die zu Genussrechten entwickelte „Klöckner-Doktrin“, nach der Emittenten den Gläubigern auf Schadensersatz haften, wenn sie ihre (schuldrechtliche) Pflicht, „in gewissem Umfang […] für die Erhaltung und den Schutz der Genussrechte zu sorgen, […] durch eine Geschäftstätigkeit, die dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand nicht entspricht oder die kaufmännisch schlechthin unseriös und verantwortungslos ist,“ verletzen1141. Die im Schrifttum bestehenden Ansätze für eine Anpassung der nationalen Anlegerschutzkonzepte sind zu begrüßen und könnten insbesondere in Erweiterung um eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast zu einem ausgewogeneren Anlegerschutzstandard beitragen. Allerdings werden auch diese Ansätze solche Friktionen, die bei der Anwendung der nationalen Privatrechtsinstitute in den europäisch zu lösenden Sanierungs- und Abwicklungssituationen von Banken entstehen, nicht vollständig ausräumen können. Der Gedanke einer europäischen Harmonisierung des Anlegerschutzes durch eine Sonderregel für Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals erscheint daher reizvoll. Letztlich kann aber auch nicht verkannt werden, dass es sich bei den behandelten Fragen um spezielle Einzelpro­ bleme in einem neuartigen und bislang insgesamt noch kaum erprobten Bankenrecht handelt. Die Risiken für Inhaber von Instrumenten des zusätz­ lichen Kernkapitals gehen einher mit grundsätzlichen konzeptionellen Fragestellungen und Abstimmungsproblemen innerhalb der Teilrechtsordnungen der Europäischen Bankenunion und solange die Entwicklung insgesamt noch im Fluss ist, ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber entsprechend weitgreifende Schritte einleiten wird. Zumindest ist zu hoffen, dass die angesprochenen Überlegungen einen Platz im weiteren wissenschaftlichen Diskurs – und sei es nur als Anstoß für eine Reformdiskussion – finden werden. Für den Fall einer umfassenden Reform der einzelnen Säulen der Bankenunion kann das Schweizer Bankenaufsichtsrecht als Vorbild dienen, das die Ab1141  BGHZ

119, 305, 306, 331 = NJW 1993, 57 – Klöckner.

288 4. Teil: Folgerungen für den zivilrechtlichen Anlegerschutz de lege ferenda

stimmung zwischen dem Eigenmittel- und dem Abwicklungsrecht überzeugender gelöst hat, als der europäische Gesetzgeber. Zwar wären auch damit Spannungen zwischen dem hoheitlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nicht gänzlich beseitigt. Zumindest aber könnte der Anwendungsbereich der Sanierungs- und Abwicklungsbefugnisse näher bestimmt und insofern die Rechtsanwendung erleichtert werden. Bis dahin ist Investoren zu raten, sich mit den Risiken der bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen gründlich vertraut zu machen.

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 1. Bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen bilden eine neuartige hybride Kapitalklasse, die in der US-amerikanischen Finanzökonomie der 1990er Jahre entwickelt wurde und im neuen europäischen Eigenmittelrecht sowie im europäischen Sanierungs- und Abwicklungsrecht als Mittel der Krisenprävention und -bewältigung eine bedeutende Stellung einnimmt. 2. Die internationale Entwicklung der neuen Kapitalklasse ist uneinheitlich. Die Vereinigten Staaten haben von einer gesetzlichen Verankerung im Kapitaladäquanzrecht zunächst Abstand genommen, während die Schweiz und die EU, beruhend auf den Empfehlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, bedingte Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen mit unterschiedlichen Regeln eingeführt haben. 3. Die deutsche Umsetzung der bankrechtlichen Unionsvorgaben durch die Aktienrechtsnovelle 2016 schafft durch die Aufhebung der Volumengrenze für bedingtes Kapital sowie die Möglichkeit, Anleihen ohne Sacheinlageprüfung zum Nennwert umzutauschen, Anreize für die Emittentin oder Marktteilnehmer, die Verlustteilnahmebedingungen der Instrumente zielgerichtet oder durch die Eingehung extremer Risiken herbeizuführen. 4. Der regulatorische und gesellschaftsrechtliche Regelungsrahmen überlässt es der Emittentin, die Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter und damit die Risikoordnung der Instrumente weitgehend selbst zu bestimmen. Durch Wandelanleihen mit starkem Verwässerungseffekt (d. h. variables Umwandlungsverhältnis in der Form der „Fixed Dollar Conversion“, keine Wandlungsobergrenze, keine vorherige Herabschreibung) können gläubigerbenachteiligende Anreize der Emittentin minimiert werden, wohingegen Herabschreibungsanleihen sowie Wandelanleihen mit geringem Verwässerungseffekt (d. h. fixes Umwandlungsverhältnis, Wandlungsobergrenze) gläubigerbenachteiligende Anreize auf Seiten der Emittentin fördern. 5. Die Herausforderungen der neuen Kapitalklasse für den Anlegerschutz lassen sich in drei Kategorien aufteilen: Mittelbare Beeinträchtigungen durch sorgfaltswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen der Emittentin, Beeinträchtigungen durch einseitige Beeinflussungen der leistungsbestimmenden Bemessungsfaktoren und Wertgrößen sowie Beeinträchtigungen bzw. Verwässerungsgefahren im Bereich der Grundlagenent-

290

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

scheidungen und Konzernierungsmaßnahmen (Satzungsänderungen, Aus- und Eingliederungen von Unternehmensteilen, Kapitalmaßnahmen, Verschmelzungen, Umwandlungen usf.). 6. Der Schutz von Hybridgläubigern im deutschen Aktienrecht ist grundsätzlich schwach ausgestaltet. Auf mitgliedschaftliche Einflussrechte können Obligationäre aufgrund des „Prinzips der Verbandssouveränität“ nicht zurückgreifen. Nur im Bereich der Verwässerungsgefahren durch Kapitalerhöhungen und Umwandlungsmaßnahmen besteht über die §§ 216 Abs. 3, 218 AktG sowie die §§ 23, 36 Abs. 1, 125, 135, 176 Abs. 2, 204 UmwG ein gesetzlicher Anlegerschutz. Ist eine Fallkonstellation im Bereich der Grundlagenentscheidungen und Konzernierungsmaßnahmen von diesen Normen nicht erfasst, wird ein angemessener Anlegerschutz über eine Gesamtanalogie der genannten Vorschriften, eine ergänzende Vertragsauslegung oder die Regeln der Geschäftsgrund­ lagenstörung gefunden. Das Bankenaufsichtsrecht und das Kapitalmarktrecht halten kaum Regelungen bereit, welche die Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen vor Beeinträchtigungen ihrer Rechtsstellung während der Laufzeit schützen. 7. Die Anleihebedingungen unterliegen einer Transparenzkontrolle nach dem Schuldverschreibungsgesetz und einer Inhaltskontrolle nach dem Recht für allgemeine Geschäftsbedingungen. Da bedingte Pflichtwandelund Herabschreibungsanleihen ausschließlich institutionellen Investoren und keinen Privatanlegern angeboten werden, schadet es nicht, wenn die Anleihebedingungen in einer Weise abgefasst sind, die für die Mehrzahl der Privatanleger unverständlich sind. Die Kerninhalte der Bedingungen – Rückzahlungsanspruch, Zinssatz, Ersetzungs- bzw. Herabschreibungsbefugnis – sowie die einzelnen Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter, also Preis, Wandlungsgrenzen sowie das Auslöseereignis sind als Hauptleistungspflichten von einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB ausgenommen. Auslegungsfragen, die sich in der Vergangenheit bei den Verlustteilnahmebedingungen von Genussrechten gestellt haben, sind bei der neuen Kapitalklasse weggefallen. 8. Inhaber von bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen haben aus § 666 BGB (i. V. m. §§ 681, 687 Abs. 2 BGB und § 242 BGB) einen allgemeinen Rechenschaftsanspruch, der sich an der Ausgestaltung des Auslöseereignisses orientiert. Der Informationsanspruch kann im Fall von CRR-Anleihen etwa durch Vorlage einer aktuellen Darstellung der Bilanz oder im Fall einer behördlichen Wandlungsentscheidung nach BRRD/SRM-VO/SAG durch Vorlage der Behördenentscheidung erfüllt werden. Ein weitergehender Informationsanspruch zu einzelnen Bilanzoder Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 242 BGB erfordert nach der



Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen291

Rechtsprechung des BGH den begründeten Verdacht für ein gezielt den Interessen der Gläubiger zuwiderlaufendes Verhalten der Emittentin. Maßgebend ist aber eine einzelfallabhängige Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Anlegers und den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Emittentin. 9. Internationale Entwicklungen im Anlegerschutzrecht bei hybriden Beteiligungsformen lassen sich gleichsam auf einen wachsenden Markt für Mezzanine-Finanzierungen, schwache gesetzliche Regelungen und einen Anstieg internationaler Kapitalmarkttransaktionen in den 1980er Jahren zurückführen. Die Lösungsansätze variieren: Die Schweiz setzt seit der Aktienrechtsrevision im Jahr 1991 auf eine detaillierte gesetzliche Regelung der Rechte der Inhaber von Genussrechten und Partizipationsscheinen sowie auf eine weitgehende Geschäftsleiterhaftung. Das angloamerikanische Common Law verweist den Hybridgläubiger auf die im Bond Indenture getroffene Kautelarvorsorge. Die deutsche Rechtsprechung zu Genussrechten versucht, Anlegerschutzdefizite durch eine starre Pflichtenbindung zu lösen, nach der Emittenten gegenüber Genussrechtsinhabern für kaufmännisch-unseriöse oder außerstatutarische Geschäfte auf Schadensersatz haften („Klöckner-Rechtsprechung“). 10. Die Rechtsprechung des BGH, nach der Emittenten gegenüber Genussrechtsinhabern für kaufmännisch-unseriöse oder außerstatutarische Geschäfte auf Schadensersatz haften, stößt bei der neuen Kapitalklasse auf dogmatische Friktionen in teleologischer, systematischer und rechtspolitischer Hinsicht. Teleologisch besteht keine rechtliche Zwitterstellung wie bei Genussrechten, sondern der Inhaber einer Wandelanleihe hat vor der Wandlung die Rechtsstellung eines reinen Anleihegläubigers und nach der Wandlung die eines Aktionärs. Systematisch bestehen Friktionen mit dem aktienrechtlichen Kapitalschutz, der innergesellschaftlichen Machtverteilung sowie der gesetzlichen Funktion des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes. Der sachliche Anwendungsbereich der Rechtsprechungsgrundsätze innerhalb der hybriden Beteiligungsformen ist unklar. Aufsichtsrechtlich besteht zwar de lege lata keine Sperrwirkung der öffentlich-rechtlichen Kapitalvorschriften gegenüber privatrechtlichen ­ Restitutionsansprüchen. Eine Haftung für bereits unseriöses Wirtschaften führt aber zu kaum lösbaren Spannungen mit der gesetzlichen Verteilungsordnung unter dem neuen europäischen Sanierungs- und Abwicklungsrecht und droht die intendierte Funktion bedingter Pflichtwandelund Herabschreibungsanleihen als Krisenkapital zu untergraben. Rechtspolitisch besteht kein Bedarf, die in einem bei Kleinanlegern wachsenden Markt für Genussrechte entstandene Einzelfallrechtsprechung auf die neue Kapitalklasse zu übertragen, denn die ausschließlich professionellen

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Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

Investoren erscheinen weniger schutzwürdig und könnten sogar versuchen, eine entsprechende Haftungsdogmatik im Krisenfall gezielt einzusetzen, um bspw. die finanziellen Risiken einer angestrebten schuldenbasierten Unternehmensübernahme durch Wandelanleihen zu minimieren. Zudem stellt sich das zivilrechtliche Anlegerschutzsystem heute insgesamt geschlossener dar. 11. Im Vergleich zu den USA und der Schweiz ist das deutsche Anlegerschutzrecht in den identifizierten Fallgruppen relativ gut ausgebildet. Ein Defizit besteht gegenüber der Schweizer Rechtsordnung im Hinblick auf gesetzliche Informationsrechte der Hybridgläubiger. Die „Klöckner-Judikatur“ des BGH zu Genussrechten erscheint im internationalen Vergleich als Fremdkörper. Im US-amerikanischen Recht ist eine Treu- bzw. Sorgfaltspflichtenbindung gegenüber Inhabern von Wandelanleihen zwar diskutiert, letztlich aber bewusst abgelehnt worden. Die hier angeführten Argumente lassen sich auf die deutsche Diskussion übertragen. In der Schweiz wird ein funktional entsprechender Anlegerschutz durch die aktienrechtliche Geschäftsleiterhaftung erzielt. Der Schweizer Ansatz erscheint gegenüber einer starren Pflichtendogmatik überlegen, da er eine Haftung nur zulässt, wenn gläubigerschützende Normen verletzt sind und an mittelbare und unmittelbare Schädigungen unterschiedliche Anforderungen stellt. Grundsätzlich haben die Anleger das Risiko unseriöser und außerstatutarischer Geschäfte zu tragen. Es wird als Teil des Emittentenrisikos eingepreist. 12. Eine kautelarjuristische Vorsorge in den Anleihebedingungen durch die Gestaltung der Wandlungs- bzw. Herabschreibungsparameter, die Aufnahme detaillierter Schutzklauseln (Covenants) ex ante sowie eine richterliche Kontrolle auf Einhaltung eines schuldrechtlichen Mindeststandards ex post reichen für den Schutz der ausschließlich professionellen Anleger aus. Nach dem allgemeingültigen schuldrechtlichen Schädigungs- und Rechtsmissbrauchsverbot, das aus den §§ 138, 162, 226, 242, 826 BGB abgeleitet wird, ist sowohl ein sog. individueller Rechtsmissbrauch im Sinne einer persönlichen Verfehlung als auch ein sog. institutioneller Rechtsmissbrauch haftbar. Verboten sind ferner absicht­ liche bzw. zielgerichtete Schädigungen der Hybridgläubiger, die an den Tatbestand des § 826 BGB heranreichen. Als weitere Verhaltensgrenze kommt im Regelungsbereich der Bankenunion das unionsrechtliche Missbrauchsverbot nach der Rechtsprechung des EuGH in Betracht. 13. Der Vorschlag, nach dem eine Haftung für rechtswidrige oder von der Satzung nicht gedeckte Maßnahmen nur bei Vorliegen eines normativen Rechtswidrigkeitszusammenhangs in Betracht kommen soll, kann durch die Erfahrungen im Recht der schweizerischen Geschäftsleiterhaftung



Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen293

bereichert werden. Als gläubigerschützende Normen lassen sich danach die Publizitäts- und Rechnungslegungsvorschriften, insbesondere über das Rechnungswesen, die Finanzplanung und -kontrolle, die Bestimmungen über die Erhaltung des Grundkapitals, aber auch gläubigerschützende Bestimmungen in der Satzung benennen. Eine Haftung kann also bspw. bei Fehlern in der Rechnungslegung oder falschen Angaben über die Gesellschaftsverhältnisse in Betracht kommen. Auch wird Vorschriften, welche die Vermögensverteilung in der Insolvenz regeln, eine gläubigerschützende Funktion zugeschrieben. In den praxisrelevanten Bereichen der Rückstellungs-, Rücklagen- und Reservenpolitik lassen sich in vielen Fällen bereits angemessene Lösungen über eine Anwendung der gesetzlichen Wertungen erzielen. Als Beispiele solcher Wertentscheidungen gelten etwa § 254 AktG und §§ 249, 340g HGB oder die Grundsätze aus dem Recht der stillen Gesellschaft. 14. Der zivilrechtliche Anlegerschutz für Hybridgläubiger sollte um eine im Einzelfall zu konkretisierende sekundäre Darlegungs- und Beweislast auf der Tatsachenebene korrigiert werden. Es genügt danach für den Tatsachenvortrag, wenn der Hybridgläubiger pauschal vorträgt, durch ein bestimmtes Verhalten, etwa eine Geschäftsführungs- oder Bilanzierungsmaßnahme, zielgerichtet oder missbräuchlich geschädigt worden zu sein. Sodann obliegt es der Emittentin, diese Behauptung qualifiziert zu bestreiten, wobei die Anforderungen an den Gegenvortrag anhand der konkreten Umstände vom Gericht einzelfallbezogen zu bestimmen sind. Darüber hinaus sollte erwogen werden, parallel zu den von der Rechtsprechung bereits anerkannten Fallgruppen, Hybridgläubigern auch eine regelbasierende Beweislastumkehr in Bezug auf die (vermeintliche) Pflichtverletzung zu gewähren. Dem Anlegerschutz ist durch ein Korrektiv auf der Tatsachenebene mehr gedient als durch eine gekünstelte Verschiebung materiell-rechtlicher Haftungsgrenzen oder eine dogmatisch abzulehnende Konstruktion gesteigerter schuldrechtlicher Nebenpflichten. Zugleich können die Geheimhaltungsinteressen der Emittentin im Rahmen einer einzelfallabhängigen Interessenabwägung angemessen berücksichtigt werden. 15. De lege ferenda wird vorgeschlagen, den Anlegerschutz für Inhaber von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals im Sinne der CRR im europäischen Sanierungs- und Abwicklungsrecht zu vereinheitlichen. Eine solche Sonderregelung für regulatorische Anleihen könnte Spannungen zwischen den nationalen Anlegerschutzrechten und den öffentlich-rechtlichen Funktionen der neuen Kapitalklasse ausräumen und zugleich ein Level Playing Field innerhalb der Bankenunion schaffen. Ein gangbarer Weg wäre es, Anleihegläubigern in Fällen einer fehlerhaften oder rechtswidrigen Verlustbeteiligung Entschädigungsansprüche gegen den Ab-

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Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

wicklungsfonds zu gewähren, der wiederum einen Regressanspruch gegen das pflichtwidrig handelnde Institut erhält. Dieser könnte in die behördliche Verteilungslösung eingefügt werden. Zivilrechtliche Ansprüche wären in Sanierungs- und Abwicklungssituationen auszuschließen. Dadurch könnte ein angemessener Anlegerschutz im Einklang mit den Zielsetzungen der BRRD während Sanierungs- und Abwicklungsverfahrens aus einer Hand erfolgen, ohne dass langwierige Zivilgerichtsverfahren die Krisenbewältigung behindern.

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Zähres, Meta: Contingent Convertibles, Deutsche Bank Research, 15. April 2017. Ziemons, Hildegart: Als Aktienrechtsnovelle 2012 gestartet und als VorstKoG gelandet: Neues „Say on Pay“ und andere punktuelle Weiterentwicklungen des Aktienrechts, GWR 2013, 283 ff. Ziemons, Hildegart: Die aktienbezogenen Regelungen des RegE „Aktienrechtsnovelle 2012“, BB 2012, 523 ff. Ziouvas, Dimitris: Das neue Recht gegen Kurs- und Marktpreismanipulation im 4. Finanzmarktförderungsgesetz, ZGR 2003, 113 ff. Zöllner, Wolfgang: Die sogenannten Gesellschafterklagen im Kapitalgesellschaftsrecht – Referat, ZGR 1988, 392 ff. Zöllner, Wolfgang: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 5/1: §§ 179–240 AktG, 2. Aufl., 1995. Zöllner, Wolfgang: Zur Problematik der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, AG 2000, 145 ff. Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, – Bd. 2/1: §§ 76–94, 3. Aufl., 2010. – Bd. 4/2: § 221, 3. Aufl., 2017. Zweigert, Konrad/Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl., Cambridge 1995.

Sachregister Abwehranspruch  141, 142 Abwicklungsplanung  54, 55, 59, 75, 103, 208, 209, 257, 281 Aktienähnlichkeit  169, 205 Aktienrechtsnovelle 2016  31, 60, 62, 66, 67, 70, 80, 81, 259, 289 allgemeine Geschäftsbedingungen  122, 248, 290 Auskunftsrechte  134, 139, 239, 269

Geschäftsführung  99, 109, 110, 114, 118, 154, 155, 172, 173, 178, 182, 188, 196, 201, 264 Geschäftsleiterhaftung  111, 238, 240, 241, 242, 249, 251, 268, 291, 292 Good Faith and Fair Dealing  223, 228, 232, 233 Grundlagenentscheidungen  103, 112, 164, 221, 238, 243, 247, 264, 290

Bail-in  38, 53, 55–57, 59, 75, 98, 208, 209, 274–276, 278, 282, 286 Baseler Ausschuss  44, 45, 50, 72, 79, 91, 119 Berufskläger  256 Beweiserleichterung  136, 269, 270 Beweislastumkehr  136, 140, 269, 270, 271, 293 Binnenhaftung  159 Blue Sky Laws  219, 221, 222

Haftungsfreizeichnung  199 Hybridfinanzierung  28, 33, 70, 108, 163, 214, 249

Covenants  217, 223, 225, 246, 262, 292 Debt Equity Swap  101, 210 Discretion to Pay  127 Ergänzungskapital  45, 46, 48–50, 74, 183, 207 Ergebnisermittlung  97, 145, 146, 149, 151–153, 161, 163, 216, 238 Ersetzungsbefugnis  63, 64, 129, 141 Fiduciary Duty  229, 230, 231 Fonds für allgemeine Bankrisiken  128, 146, 148, 149 Fremdorganschaft  109

Informationsrechte  131–137, 139, 140, 179, 238, 251, 259, 269, 292 Inhaltskontrolle  112, 121, 122, 124, 125, 128–130, 149, 154, 163, 200, 218, 290 Kapitalmarktrecht  27, 34, 35, 107, 108, 112, 114, 116, 142, 159, 214, 217, 234, 245, 258, 290, 309 Kernkapital  30, 31, 42, 45, 46, 48–50, 53, 56, 78, 79, 86, 128, 144, 148, 206, 212, 235 Konzernierung  103, 164, 264 Kündigung  163, 197 Manipulation  160, 173 MREL  56, 57, 279 Rechtsmissbrauch  204, 264, 265, 292 Reserven  101, 130, 142, 143, 148, 152, 256, 266 Rücklagen  46, 48, 49, 101, 128, 138, 142, 147, 151, 152, 178, 266, 293

318 Sachregister Rückstellungen  101, 142, 147, 150, 152, 178, 209, 260 Sanierungsplanung  52, 54, 203 Schadensberechnung  154, 180, 197, 198, 203 Schädigungsverbot  149, 153, 263 Schuldverschreibungsrecht  69, 120, 164 Schutzzwecklehre  268, 272 Securities Regulation  34, 217–219, 221, 246 Sekundäre Beweislast  271 Sekundäre Darlegungslast  136, 270 Störung der Geschäftsgrundlage  162, 245 TLAC  56, 57, 76, 77

Transparenzkontrolle  120, 121, 290 Treu und Glauben  134, 136, 164, 202, 223, 249, 253, 264, 266 Treupflichten  176, 205, 228, 229 Unternehmensgegenstand  33, 103, 160, 178, 181, 183, 184, 193, 194, 202, 287 Verbandssouveränität  110, 167, 226, 290 Verwässerungsschutz  109, 111, 174, 243, 244, 247, 251, 262 Vorstandshaftung  154, 156, 182, 190, 240, 241 Wiederauffüllungsanspruch  142–144, 188