WTO und nationale Sozialordnungen: Ethische, ökonomische und institutionelle Dimensionen der Integration einer Sozialklausel in das Welthandelsrecht [1 ed.] 9783428517459, 9783428117451

Die Diskussion um die Integration von Sozialstandards in das Recht der Welthandelsorganisation gehört zu einem der umstr

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German Pages 377 Year 2005

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WTO und nationale Sozialordnungen: Ethische, ökonomische und institutionelle Dimensionen der Integration einer Sozialklausel in das Welthandelsrecht [1 ed.]
 9783428517459, 9783428117451

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Rechtsfragen der Globalisierung Band 11

WTO und nationale Sozialordnungen Ethische, ökonomische und institutionelle Dimensionen der Integration einer Sozialklausel in das Welthandelsrecht

Von

Wolfram Spelten

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

WOLFRAM SPELTEN

WTO und nationale Sozialordnungen

Rechtsfragen der Globalisierung Herausgegeben von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Erlangen-Nürnberg

Band 11

WTO und nationale Sozialordnungen Ethische, ökonomische und institutionelle Dimensionen der Integration einer Sozialklausel in das Welthandelsrecht

Von

Wolfram Spelten

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-0890 ISBN 3-428-11745-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand vom 1. September 2004. Die Anfertigung und Drucklegung wurde durch ein Graduiertenförderungsstipendium der Universität Freiburg sowie durch einen Druckkostenzuschuss des Auswärtigen Amtes ermöglicht, wofür ich an dieser Stelle danken möchte. Die Arbeit ist ein Versuch, die festgefahrene Diskussion um eine Sozialklausel im Welthandel in doppelter Hinsicht voranzubringen: Einerseits durch eine neue Form der Fragestellung, welche die Verschiedenartigkeit der mit einer Sozialklausel verbundenen Zielsetzungen berücksichtigt, und andererseits durch die Ergänzung der Diskussion um die bisher kaum beachtete Dimension der rechtlichen Auswirkungen der Welthandelsordnung auf nationale Sozialordnungen. Dieses Unterfangen ist bei einem Thema, das sich über die verschiedensten Fachbereiche erstreckt, notwendigerweise interdisziplinär angelegt. Den Mut dazu verdanke ich zu einem guten Teil meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, der den Blick über den juristischen Tellerrand hinaus stets vorgelebt und unterstützt hat. Für die vielfältige Förderung und die akademischen und zeitlichen Freiräume möchte ich ihm herzlich danken. Zum Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Prof. Dr. Rainer Wahl für die schnelle Anfertigung des Zweitgutachtens und die zahlreichen interessanten Anregungen nicht nur im Rahmen des Literaturkolloquiums. Die Anfertigung der Dissertation hat mir bei aller Arbeit viel Spaß gemacht. Mit ein Grund dafür war sicherlich die schöne Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie in Freiburg. Für die vielfältige Motivation und die spannenden Diskussionen danke ich dem ganzen Lehrstuhlteam. Darüber hinaus haben in der Endphase der Arbeit Ann-Katrin Kaufhold, Tanja Schmidt und Philipp Wiesmann den Text kritisch durchgesehen und zahlreiche hilfreiche Verbesserungsvorschläge gemacht. Ihnen und anderen Freunden, die ich hier nicht alle namentlich aufführen kann, danke ich herzlich für ihren Einsatz. Dass Ablenkung die schönste Form der Unterstützung sein kann, hat mir Johanna gezeigt. Zu sagen, sie hätte mir während der Promotion mehr als alle anderen geholfen, griffe sicher zu kurz. Meinen Dank ihr gegenüber auf den Punkt zu bringen, würde aber den Rahmen dieses Vorworts sprengen. Vielleicht reicht es zu sagen, dass ich mich auf die gemeinsame Zukunft freue.

6

Vorwort

Zu guter Letzt möchte ich meinen Eltern Christa und Dr. Jürgen Spelten danken. Sie haben mich während der langen Zeit meiner Ausbildung auf jede nur erdenkliche Weise unterstützt, und ich wüsste nicht, was sie dabei hätten besser machen können. Diese Arbeit ist ihnen gewidmet. Berlin, im Dezember 2004

Wolfram Spelten

Inhaltsübersicht

1. Teil Hintergrund und Problemaufriss

25

§ 1 Die Diskussion über Sozialstandards im Welthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

§ 2 Defizite der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

§ 3 Konzeption der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

§ 4 Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

§ 5 Bisherige Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Teil Ethisch motivierte Sozialklausel

46

§ 6 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

§ 8 Organisatorische Umsetzung der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

§ 9 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

3. Teil Ökonomisch motivierte Sozialklausel

101

§ 10 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 § 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

8

Inhaltsübersicht

§ 12 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 § 13 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

4. Teil Institutionell motivierte Sozialklausel

155

§ 14 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 15 Europäische Parallelproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 § 16 Struktur des WTO-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 § 17 Erwartbare Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen . . . . . . . 215 § 18 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

5. Teil Rechtspolitische Schlussfolgerungen

319

§ 19 Eine allgemeine Sozialklausel für die WTO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 § 20 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Hintergrund und Problemaufriss

25

§ 1 Die Diskussion über Sozialstandards im Welthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

§ 2 Defizite der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

I. Verengte disziplinäre Sichtweise und Vermischung der Analyseebenen . . . . . . .

27

II. Beschränkter Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

§ 3 Konzeption der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

§ 4 Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

I. Sozialordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

II. Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

III. Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

IV. Materielle und strategische Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

§ 5 Bisherige Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Sozialklauseln auf nationaler und regionaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

II. Sozialklauseln auf internationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Sozialklausel in der ITO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Exkurs: Die Struktur des GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3. Sozialklausel im GATT? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

4. Exkurs: Die Entstehung der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

5. Sozialklausel in der WTO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

10

Inhaltsverzeichnis 2. Teil Ethisch motivierte Sozialklausel

46

§ 6 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

I. Sichtung der möglichen Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Internationale Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

a) Entstehung und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

b) Das Menschenrechtssystem der UN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Die ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

b) Aufbau und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

c) Sozialstandards im Recht der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

3. Codes of Conduct . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

4. Sonstige Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

5. Systematisierung und Hierarchisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

II. Auswahl der Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

1. Menschenrechtlicher Kerngehalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Verletzung der staatlichen Souveränität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

a) Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

b) Zwangswirkung einer Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

c) Zielsetzung der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

3. Entwicklungspolitische Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

a) Relative Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

b) Marktöffnung statt Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

c) Codes of Conduct als Alternative? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

d) Verhältnis zur Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

e) Umfang der Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

Inhaltsverzeichnis

11

4. Missbrauchsgefahr und Operationalisierungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

5. Zweistufige Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

§ 8 Organisatorische Umsetzung der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Allgemeine Verfahrensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. Zuständige Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

1. Zuständigkeit der ILO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

a) Problem der zu engen Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

b) Problem der mangelnden Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

c) Gründe für die Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Zuständigkeit der UN? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

3. Zuständigkeit der WTO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

a) Bisherige soziale Elemente in der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

aa) Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

bb) Dumping- und Subventionsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

cc) Allgemeine Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

dd) Sonstige Ausnahmeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) Institutionelle Geeignetheit der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

aa) Überfrachtungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

bb) Mangel an Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

III. Zusammenarbeit als Lösungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

1. Kooperative Verfahrensstufe im Rahmen der ILO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

2. Erzwingende Verfahrensstufe im Rahmen der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

a) Anknüpfungspunkte im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

b) Ergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

c) Verfahrenstechnische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

3. Notwendigkeit einer Öffnungsklausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

§ 9 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

12

Inhaltsverzeichnis 3. Teil Ökonomisch motivierte Sozialklausel

101

§ 10 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 § 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Hintergrund: Globalisierung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Dimensionen der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Wirtschaftliche Globalisierung als Prozess und Idealtyp . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Kriterien der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Empirischer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Zunahme des Welthandels als Kennzeichen einer Internationalisierung . 108 b) Zunehmende Mobilität der Produktionsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Regionalisierung statt Globalisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 d) Bedeutung von Anpassungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Auswirkungen auf nationale Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Auswirkungen durch Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Die klassische Freihandelstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Neue Außenhandelstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Auswirkungen auf nationale Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Auswirkungen auf absolute Arbeitskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Verteilungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Empirische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 d) Möglichkeit der Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Auswirkungen durch mobile Produktionsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Klassische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Neue Außenhandelstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Wettbewerb der Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Auswirkungen auf nationale Sozialstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Optimistische Einschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Inhaltsverzeichnis

13

bb) Effizienz als problematischer Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Theoretische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Empirische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (3) Defizite einer reinen Effizienzorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Spill over-Effekte undemokratischer Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 dd) Finanzierungsprobleme durch Steuerwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 § 12 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Auswirkungen des Außenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Anpassungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Verteilungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Reduzierung des Außenhandels? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Koordinierung der Steuersysteme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Auswirkungen der Kapitalmobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Kapitalverkehrskontrollen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Koordinierung der Steuersysteme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Mindeststandards als Rahmen des Systemwettbewerbs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) „Legitime komparative Vorteile“ und Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Materieller Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 13 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

4. Teil Institutionell motivierte Sozialklausel

155

§ 14 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 15 Europäische Parallelproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Negative und positive Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Soziale Bestimmungen in der Gründungsphase der EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

14

Inhaltsverzeichnis III. Auswirkungen der ökonomischen Bestimmungen auf nationale Sozialordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Auswirkungen der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Dynamik der Grundfreiheiten durch die Rechtsprechung des EuGH . . . . 160 b) Folgen für die nationalen Sozialordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Sozialversicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (2) Leistungsexport im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Sonstige Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Arbeitsrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Ansätze einer europäischen Sozialpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Auswirkungen des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Wettbewerbsregeln und Sozialversicherungsmonopole . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Parallelproblem im Rahmen der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 dd) Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 86 II EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 ee) Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 ff) Aktuelle Gegenbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Lockerung des Erforderlichkeitskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (3) Auswirkungen des Art. 16 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Wettbewerbsregeln und kollektives Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Beihilfevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Rechtlicher Gehalt des Art. 87 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 cc) Aktuelle Gegenbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

§ 16 Struktur des WTO-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I. Traditionelles GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Rechtserzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Inhaltsverzeichnis

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3. Materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Veränderungen durch die Gründung der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Rechtserzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4. Einheitlichkeit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Vertiefte Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6. Entwicklung hin zu einer Weltwirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 § 17 Erwartbare Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen 215 I. Exkurs: Auswirkungen im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes . . . . 216 1. Erfahrungen im Rahmen der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Positive Integration? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Sozialpolitische Neutralität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III. Vergleich der Wirkungsmechanismen von EG- und WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Zentrale Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Unmittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Keine Individualklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Keine Vorrangstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Konstitutionalisierung als Leitbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Alternative Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Besondere Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Völkerrechtliche Bindung und politische Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 IV. Die Auswirkungen der allgemeinen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Allgemeine Prinzipien im GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Meistbegünstigungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

16

Inhaltsverzeichnis b) Verbot nichttarifärer Handelsbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 cc) Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Allgemeine Prinzipien im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Allgemeine Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Fortschreitende Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 cc) Spezifische Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Marktzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (2) Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (3) Innerstaatliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Allgemeine Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 bb) Spezifische Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (1) Theoretische Reichweite der Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Marktzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Sozialversicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Beitragsfreie Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Arbeitsrechtliche Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Innerstaatliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

251 251 253 253 257 258 259

(2) Einschränkungen im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausnahmen für hoheitliches Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Allgemeine Vorschriften im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sonderbestimmungen für Finanzdienstleistungen . . . . . (cc) Sonderbestimmungen für öffentliches Beschaffungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Sonderbestimmungen für Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausnahmen für den grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260 261 261 262 265 268 270 271

Inhaltsverzeichnis (3) Bisherige Liberalisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Sektorspezifische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Besondere Verhandlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Innerstaatliche Regelungen – das Beispiel Rechnungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Staatliche Monopole – das Beispiel Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Exemplarische Analyse: Verpflichtungen der EG . . . . . . . . . . (aa) Horizontale Ausnahmebestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sektorspezifische Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Sonderfall öffentliches Beschaffungswesen . . . . . . . . . . .

17 272 272 274 274 276 280 281 282 284

(4) Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (b) Das Beispiel EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3. Allgemeine Prinzipien im TRIPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 V. Die Auswirkungen der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Kein eigenständiges Wettbewerbsrecht in der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Funktional wettbewerbsrechtliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 aa) Antidumpingrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Subventionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (1) Bestimmungen des Subventionsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . 300 (2) Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 c) TRIPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 § 18 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 I. Gemeinsame Sozialpolitik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Öffnungsklausel für nationale Sozialpolitik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2 Spelten

18

Inhaltsverzeichnis 5. Teil Rechtspolitische Schlussfolgerungen

319

§ 19 Eine allgemeine Sozialklausel für die WTO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 § 20 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. EG Abs. a.F. AKP-Staaten Am. Econ. Rev. Am. J. Int’l L. amtl. Am. U. Int’l L. Rev. Am. U. J. Int’l L. & Pol’y AöR APuZ ARSP Art. AStG ATC AuA Aufl. AuR AVR AWD BArbBl. BB Bd. BGBl. BGH BISD BMZ Brook. J. Int’l L. BSHG BT-Drs. Buff. Hum. Rts. L. Rev. 2*

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alte Fassung Gruppe von Entwicklungsländern aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik American Economic Review American Journal of International Law amtlichen American University International Law Review American University Journal of International Law and Policy Archiv des öffentlichen Rechts Aus Politik und Zeitgeschichte Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Außensteuergesetz Agreement on Textiles and Clothing (Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung) Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Arbeit und Recht Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Bundesarbeitsblatt Der Betriebs-Berater Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Basic Instruments and Selected Documents (herausgegeben vom General Agreement on Tariffs and Trade) Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Brooklyn Journal of International Law Bundessozialhilfegesetz Drucksachen des Deutschen Bundestages Buffalo Human Rights Law Review

20

Abkürzungsverzeichnis

B.U. Int’l L.J. Bull. World Health Org. Case W. Res. J. Int’l L. CMLR Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y

Boston University International Law Journal Bulletin of the World Health Organization Case Western Reserve Journal of International Law Common Market Law Review Colorado Journal of International Environmental Law and Policy Columbia Human Rights Law Review Columbia Journal of Transnational Law Columbia Law Review Common Law Conspectus Comparative Labor Law Journal Connecticut Journal of International Law Constitutional Political Economy Der Betrieb derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund Dickinson Journal of International Law dieselbe(n) Deutsches Institut für Normung Die Öffentliche Verwaltung Dispute Settlement Body (Streitbeilegungsorgan) Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes (Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten) Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ebenda Economic and Social Council (Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen) Europäische Gemeinschaft, Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (n.F.) Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (a.F.) European Journal of International Law Europäische Union, Vertrag über die Europäische Union (n.F.) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der EWG Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht und folgende Seite

Colum. Hum. Rts. L. Rev. Colum. J. Transnat’l L. Colum. L. Rev. Common L. Conspectus Comp. Lab. L.J. Conn. J. Int’l L. Const. Pol. Econ. DB ders. DGB Dick. J. Int’l L. dies. DIN DÖV DSB DSU

DVBl. DZWiR ebd. ECOSOC EG EGV EJIL EU EuGH EuGRZ EuR EuZW EWG EWGV EWS f.

Abkürzungsverzeichnis FAZ Fed. Com. L.J. ff. Fla. L. Rev. Fordham Int’l L.J. FS GATS GATT Geo. Wash. L. Rev. GmbH GmbHR GPA GRUR Int. GSP Harv. Bus. Rev. Harv. Int’l L.J. Harv. L. Rev. Harv. Negotiation L. Rev. Hb. Hbg. Jb. Wirt. & Ges.pol. Hrsg. Hum. Rts. Q. ICSID i.d.F. IGH I.L.M. ILO Int’l J. Hum. Resource Mgmt. Int’l Lab. Rev. Int’l Org. Int’l Rev. L. & Econ. IPbpR IPRax IPS

21

Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Communications Law Journal und folgende Seiten Florida Law Review Fordham International Law Journal Festschrift General Agreement on Trade in Services (Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen) General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) George Washington International Law Review Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Agreement on Government Procurement (Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil General System of Preferences (Allgemeines Präferenzsystem) Harvard Business Review Harvard International Law Journal Harvard Law Review Harvard Negotiation Law Review Handbuch Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Herausgeber Human Rights Quarterly International Centre for Settlement of Investment Disputes in der Fassung Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) International Journal of Human Resource Management International Labour Review International Organization International Review of Law and Economics Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts International Politics and Society

22

Abkürzungsverzeichnis

IPwsR

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Sinne des / der International Trade Organization (Internationalen Handelsorganisation) in Verbindung mit Internationaler Währungsfonds Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie Jahrbuch für Politische Ökonomie Jahrbuch für Sozialwissenschaft Journal of International Economic Law Journal of International Relations and Development Journal of Law and Economics Journal of the Patent and Trademark Office Society Journal of Small and Emerging Business Law Journal of Transnational Law and Policy Journal of World Trade Juristenzeitung Kritische Justiz Die Krankenversicherung Law and Policy in International Business Law and Business Review of the Americas Least Developed Countries (Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder) Minnesota Journal of Global Trade mit weiteren Nachweisen North American Free Trade Agreement (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen) North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation neue Fassung Non-Governmental Organizations (Nichtregierungsorganisationen) Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Organization for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Oberlandesgericht

i. S. d. ITO i.V.m. IWF Jb. N. Polit. Ökon. Jb. Polit. Ökon. Jb. Soz.wiss. J. Int’l Econ. L. J. Int’l Rel. & Dev. J.L. & Econ. J. Pat. & Trademark Off. Soc’y J. Small & Emerging Bus. L. J. Transnat’l L. & Pol’y JWT JZ KJ KrV Law & Pol’y Int’l Bus. Law Bus. Rev. Am. LDCs Minn. J. Global Trade m. w. N. NAFTA N.C. J. Int’l L. & Com. Reg. n.F. NGOs NJW Nr. NVwZ NZA NZBau NZS OECD

OLG

Abkürzungsverzeichnis PVS RabelsZ Rep. Inst. for Phil. & Pub. Pol’y Rev. Gén. Droit Int. Publ. RIW Rn. Rs. S. SGb SGB Slg. sog. SozVers SPS

Stetson L. Rev. st. Rspr. str. TBT Temp. Int’l & Comp. L.J. TRIMs

TRIPS

Tulsa J. Comp. & Int’l L. u. a. U.C. Davis L. Rev. UCLA J. Int’l L. & For. Aff. U. Miami Inter-Am. L. Rev. UN UNCTAD UNDP UNICEF U. Pa. J. Int’l Econ. L. Va. J. Int’l L.

23

Politische Vierteljahresschrift Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Report from the Institute for Philosophy and Public Policy Revue Générale de Droit International Public Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtssache Seite Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch Sammlung sogenannte / r / n Die Sozialversicherung Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures (Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen) Stetson Law Review stetige Rechtsprechung streitig Agreement on Technical Barriers to Trade (Übereinkommen über technische Handelshemmnisse) Temple International and Comparative Law Journal Agreement on Trade-Related Investment Measures (Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen) Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) Tulsa Journal of Comparative and International Law und andere, unter anderem / n University of California at Davis Law Review UCLA Journal of International Law and Foreign Affairs University of Miami Inter-American Law Review United Nations (Vereinte Nationen) United Nations Conference on Trade and Development (Welthandelskonferenz) United Nations Development Programme (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) United Nations International Children’s Emergency Fund (Internationaler Kinderhilfsfonds) University of Pennsylvania Journal of International Economic Law Virginia Journal of International Law

24

Abkürzungsverzeichnis

VersR Verw. VerwArch. vgl. VN Vorbem. VSSR VVDStRL

Versicherungsrecht Die Verwaltung Verwaltungsarchiv vergleiche Vereinte Nationen Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer The Washington Quarterly Washington University Global Studies Law Review World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation) Widener Law Symposium Journal Wertpapiermitteilungen William Mitchell Law Review World Trade Organization (Welthandelsorganisation) WTO-Dokumentennummer (diese Dokumente sind, soweit nicht anders angegeben, über http: / / docsonline. wto.org / zu finden) WTO-Übereinkommen Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Vertragsrechtskonvention Yale Law Journal Yearbook of European Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform

Wash. Q. Wash. U. Global Stud. L. Rev. WHO Widener L. Symp. J. WM Wm. Mitchell L. Rev. WTO WTO-Dok.

WTO-Ü WuW WVRK Yale L.J. Y.B. Eur. L. ZaöRV z. B. ZeuS ZfSH / SGB ZfW ZHR ZIAS ZIP ZLR ZRP ZSR

1. Teil

Hintergrund und Problemaufriss § 1 Die Diskussion über Sozialstandards im Welthandel Das Feilschen von Staatenvertretern aus aller Welt um Zollsätze, Importbeschränkungen und Handelsabkommen gehörte lange Zeit nicht zu den Themen, die über den Wirtschaftsteil überregionaler Tageszeitungen hinaus besonders viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten. Spätestens seit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahre 1994 hat sich die öffentliche Wahrnehmung des internationalen Wirtschaftsrechts jedoch von Grund auf gewandelt: Gipfeltreffen und Konferenzen, ob in Seattle, Davos, Genua oder Cancún, werden zum Medienereignis. Eine schillernde, international vernetzte Protestbewegung tritt lautstark in Erscheinung. Auf der Straße, im Internet und in den Diskussionsforen der internationalen Organisationen werden grundlegende Einwände gegen die Beschlüsse der Staatenvertreter formuliert. Kurz: Ein fundamentaler Konflikt um die Zukunft der internationalen Wirtschaftsordnung ist nicht mehr zu übersehen. In der öffentlichen Diskussion erscheint der Konflikt oft als holzschnittartiger Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der „Globalisierung“. Unabhängig von der Unklarheit dieses Begriffs1 verdeckt eine solche vereinfachende Polarisierung, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Problemkreise angesprochen ist – vom Umweltschutz bis zum Schicksal des französischen Films, von der Besteuerung internationaler Kapitalbewegungen bis zum Schutz indigener Bevölkerungsgruppen. Ein Streitpunkt, bei dem sich die Beteiligten besonders unversöhnlich gegenüberstehen, ist die Verknüpfung des internationalen Handelsrechts mit Sozialstandards. Hier geht es um die Frage, ob in internationale Handelsverträge, insbesondere das Recht der WTO, soziale Mindeststandards einbezogen werden sollen, bei deren Verletzung die Handelspartner Schutzzölle, Handelsbeschränkungen oder ähnliche Maßnahmen erlassen können. Diese Frage gehört zu den umstrittensten Themen des Welthandelssystems. Sie steht überdies beispielhaft für den grundlegenden Konflikt, der sich wie ein roter Faden auch durch viele ähnlich umstrittene Sachgebiete des Handelsrechts zieht: Wie weit soll die WTO hinter nationale Grenzen eindringen? Denn während die 1

Dazu unten § 11 I.

26

1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

Festlegung von Zöllen (zumindest unmittelbar) allein die Außenbeziehungen eines Staates betrifft, greifen internationale Regelungen zum Wettbewerbs-, Umweltschutz- oder eben auch Sozialrecht direkt in den innerstaatlichen Rechtsraum ein. Ob es in Zukunft gelingen wird, diese „non-trade issues“ mit der WTO zu versöhnen, wird nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der wissenschaftlichen Literatur als entscheidende Frage des internationalen Wirtschaftsrechts angesehen.2 In der politischen Auseinandersetzung um die Integration von Sozialstandards in das Recht der WTO scheint dabei die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Interessengruppe den Ausschlag für die jeweils vertretene Position zu geben: Während die Gewerkschaften der Industrieländer3 bei Öffnung der Märkte um die Löhne bzw. Stellen ihrer Mitglieder bangen, sehen die Regierungsvertreter der Entwicklungsländer4 in Sozialklauseln einen protektionistischen Abschottungsmechanismus der reichen Länder. So hat sich beispielsweise der DGB 1994 für Sozialklauseln im Welthandel ausgesprochen,5 während Vertreter der Entwicklungsländer 1999 in Seattle androhten, dies würde das Ende des multilateralen Handelssystems bedeuten6. Allerdings verlaufen die Linien nicht so klar zwischen Nord und Süd, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag: Viele Nichtregierungsorganisationen aus den Entwicklungsländern sowie der Internationale Bund Freier Gewerkschaften sprechen sich für eine Sozialklausel aus,7 während die überwiegende Mehrheit der Arbeitgebervertreter der Industrieländer den Vorschlag ablehnt8. Dieser politischen Auseinandersetzung liegt zugleich eine Reihe komplexer wissenschaftlicher Fragestellungen zugrunde, die zum Teil seit langem diskutiert werden. Erörtert wird beispielsweise, welche Gefahren der freie Handel von Waren 2 Vgl. nur Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (Fn. 2); Howse, J. Small & Emerging Bus. L. 3 (1999), S. 131 ff. (132); Hohmann, RIW 2001, S. 649 ff. (658) m. w. N. 3 Auch wenn für den Begriff „Industrieländer“ in Abgrenzung zu den „Entwicklungsländern“ keine allgemein akzeptierte Definition existiert (vgl. etwa Nohlen, Entwicklung [1994]; Seidelmann, Entwicklung / Unterentwicklung [1995]), soll in dieser Arbeit auf diese Unterscheidung zurückgegriffen werden, weil die Begriffe in der wissenschaftlichen Debatte etabliert sind und weil es im Rahmen dieser Arbeit nicht auf eine trennscharfe Unterscheidung ankommt, sondern lediglich die grobe Zugehörigkeit eines Landes zu einem bestimmten Typus angezeigt werden soll. 4 Vgl. die vorhergehende Fn. 5 Beschluss des Bundesvorstandes vom 05. 07. 1994: „Sozialklauseln und internationaler Handel“, abgedruckt in Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 18 f. Vgl. dazu auch Adamy, Durchsetzung sozialer Standards (1996), S. 136 ff. und allgemein Evans, Trade Union View (1995). 6 Vgl. Summers, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 61 (2001), S. 61 ff. (61 f.); zur Position der Entwicklungsländer siehe auch Salazar-Xirinachs, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 377 ff. (377). 7 Vgl. Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 20 ff. 8 Vgl. Hess, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln (1995), S. 22 ff.; Scherrer, WSIMitteilungen 11 / 1995, S. 712 ff. (712). Teilweise wird deshalb von einem Konflikt zwischen Arbeit und Kapital gesprochen, Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 28.

§ 2 Defizite der bisherigen Diskussion

27

und die Mobilität von Kapital und Arbeit für nationale Sozialsysteme bergen, ob wirtschaftliche und soziale Menschenrechte universelle Gültigkeit beanspruchen können und ob die Verknüpfung des internationalen Handelsrechts mit sozialen Fragen zu einer neuen Welle des Protektionismus führen könnte. Schon an der Vielfalt der Fragestellungen lässt sich erkennen, dass sich die Problematik schwer in eines der klassischen Fachgebiete einordnen lässt – handelt es sich um eine politische, rechtliche, ökonomische oder gar philosophische Frage? So finden sich auch aus jeder der wissenschaftlichen Teilrichtungen zahlreiche Diskussionsbeiträge, was nicht zuletzt die Gesamtmenge an einschlägiger Literatur in ansehnliche Höhen treibt.

§ 2 Defizite der bisherigen Diskussion Die interdisziplinäre Reichweite des Themas hat jedoch auch dazu geführt, dass die bisherige Diskussion an verschiedenen grundlegenden Defiziten leidet:

I. Verengte disziplinäre Sichtweise und Vermischung der Analyseebenen Viele Beiträge der Debatte argumentieren innerhalb eines geschlossenen disziplinären Systems. Es wird auf die jeweils eigenen Theoriemodelle und Untersuchungsmethoden zurückgegriffen, ohne auf die interdisziplinären Verflechtungen der Problematik einzugehen. Gleichzeitig werden jedoch die zentralen Begriffe der Debatte, also etwa „Sozialstandards“ oder „Sozialklausel“, in allen beteiligten Disziplinen verwendet. Dies verdeckt, dass die jeweilige Fragestellung und damit auch der jeweilige Untersuchungsgegenstand keine Deckungsgleichheit aufweisen. Dadurch kommt es zu verschiedenen Dysfunktionalitäten: Zahlreiche Autoren beachten die beschränkte Aussagekraft des eigenen Ansatzes nicht, sondern ziehen aus dem sektorspezifischen Blickwinkel heraus allgemeine Folgerungen. Dieses Vorgehen lässt sich insbesondere bei den wirtschaftswissenschaftlichen Beiträgen beobachten, in denen basierend auf voraussetzungsvollen Theoriemodellen Politikempfehlungen für die weitaus vielschichtigere Realität abgeleitet werden.9 Aber auch von politik- und rechtswissenschaftlicher Seite werden oft Konzepte entwickelt und Vorschläge vorgebracht, ohne die fachfremden, insbesondere die wirtschaftlichen Dimensionen der Problematik richtig erfasst zu haben. Nur selten werden ökonomische Zusammenhänge dabei vollständig ausgeblendet.10 Häufiger 9 Beispielhaft Brown / Deardorff / Stern, International Labor Standards and Trade (1996), S. 269 ff.; Bagwell / Mavroidis / Staiger, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 56 ff. (74); Knorr, Ökonomische Aspekte (2002), S. 145. 10 So aber etwa Cappuyns, Colum. J. Transnat’l L. 37 (1998), S. 659 ff.

28

1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

werden dagegen einzelne Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und wirtschaftswissenschaftliche Begriffe mit normativen sozialwissenschaftlichen Konzepten auf eine Weise verknüpft, die berechtigterweise von wirtschaftswissenschaftlicher Seite scharfe Kritik hervorruft11. Im Ergebnis werden durch die verengte disziplinäre Vorgehensweise somit die verschiedenen Analyseebenen nicht erkenntniserweiternd verknüpft, sondern auf eine unproduktive Weise miteinander vermischt. Das Problem besteht darin, dass die aus dem jeweiligen Blickwinkel gewonnenen Erkenntnisse als abschließende Lösung für eine Fragestellung missverstanden werden, die nur unter Berücksichtigung aller einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen geklärt werden kann.12

II. Beschränkter Untersuchungsgegenstand Ein zweites Defizit der bisherigen Debatte besteht in einer weit verbreiteten Verengung des Untersuchungsgegenstandes. In der Regel werden die Überlegungen auf einen engen Bereich von Sozialstandards beschränkt, der sich aus den Kernarbeitsrechten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ergibt13. Ob diese inhaltliche Beschränkung der jeweiligen Fragestellung gerecht wird, wird meist nicht reflektiert. Dabei besteht durchaus Diskussionsbedarf darüber, ob sich beispielsweise ein entwicklungspolitischer Ansatz auf diesen engen Kernbereich an Standards beschränken sollte.14 Auch die Kongruenz zwischen den ILO-Kernrechten und den mit einer Sozialklausel aus ökonomischer Perspektive verbundenen Zielen ist fraglich.15 Insgesamt wird also die enge Verknüpfung zwischen den Zielsetzungen und dem Inhalt einer Sozialklausel nicht hinreichend beachtet.

11 Vgl. dazu nur die prägnante Kritik bei Krugman, Mythos (1999). Zu den problematischen Begriffen „Sozialdumping“ (verwendet beispielsweise bei Adamy, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln [1995], S. 12, Lempp, Sozialdumping [1995]) oder „legitimer komparativer Vorteil“ (verwendet bei Cappuyns, Colum. J. Transnat’l L. 37 [1998], S. 659 ff. [670]) vgl. unten bei § 8 II.3.a) und § 12 II.3. Allgemein zu „uninformierten Theorieimporten“ auch Voßkuhle, Methode und Pragmatik (2002), S. 182 ff. m. w. N. 12 Ein Indiz für die einseitige Ausrichtung der jeweiligen disziplinären Diskurse kann auch darin gesehen werden, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Fachrichtung der jeweiligen Beteiligten und ihrer inhaltlichen Position besteht: Während die meisten Ökonomen einer Integration von Sozialstandards in das Recht der WTO ablehnend gegenüberstehen, finden sich im sozialwissenschaftlichen Schrifttum viele Befürworter (vgl. dazu neben den Literaturangaben im 2. und 3. Teil der Arbeit auch die Angaben bei Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln [1998], S. 34 ff.). Trotz Weiterentwicklung und Verfeinerung der Positionen in den letzten Jahren zeichnet sich hier keine grundlegende Annäherung ab. 13 Vgl. dazu aktuell Burianski, Globalisierung und Sozialstandards (2004) sowie ausführlich unten unter § 7 II.1. 14 Dazu unten § 7. 15 Vgl. dazu unten § 10 und § 12 II.3.b).

§ 3 Konzeption der Arbeit

29

Darüber hinaus ist bisher eine wichtige Analyseebene unterbelichtet geblieben: Die zunehmende Verrechtlichung der WTO hat zur Folge, dass dem Welthandelsrecht weitreichende Auswirkungen auf die nationalen Rechtsordnungen zukommen. Welche Bedeutung dies für nationale Sozialordnungen hat, und ob die Integration von Sozialstandards in das Recht der WTO eine notwendige Reaktion auf diese Entwicklung darstellt, ist bisher nicht systematisch erforscht worden. Die bisherige Diskussion einer Sozialklausel hat sich weitgehend auf entwicklungspolitische und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte der Problematik beschränkt und die – ohnehin noch rudimentären – institutionellen Überlegungen nicht integriert.

§ 3 Konzeption der Arbeit Ziel dieser Arbeit ist nicht die lückenlose Dokumentation der bisherigen Diskussion um die Integration von Sozialstandards in das Recht der WTO. Das Schrifttum ist ausufernd,16 eine umfassende Würdigung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vor allem aber würde eine solche Art der Darstellung zwangsläufig die bestehenden Defizite teilen. Stattdessen soll versucht werden, die Gratwanderung zwischen disziplinärer Verengung und laienhafter Vermischung durch eine neue Form der Fragestellung zu ermöglichen. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass die Frage, ob eine Sozialklausel befürwortet oder abgelehnt werden muss, nicht beantwortet werden kann, wenn nicht geklärt ist, was das Ziel dieser Sozialklausel sein soll. Forscht man in der aktuellen Debatte um eine Sozialklausel nach den damit verbundenen Zielen, entdeckt man jedoch zwei völlig unterschiedliche Konzepte: Einerseits wird vorgebracht, eine Sozialklausel könne dazu verwendet werden, soziale Standards in Entwicklungsländern anzuheben, also mit dem Druckmittel des Handelsrechts die soziale Situation der dortigen Bevölkerung zu verbessern. Hintergrund dieses ethisch motivierten Ansatzes ist ein Konzept des Helfens. Andererseits versprechen sich zahlreiche Beteiligte von einer Sozialklausel den Schutz nationaler Sozialordnungen vor einer durch den internationalen Wettbewerb angetriebenen Abwärtsspirale. Hintergrund ist ein Konzept des Schützens, im Mittelpunkt stehen die ökonomischen Auswirkungen des internationalen Wirtschaftsrechts. Neuerdings tritt außerdem eine dritte Ebene hinzu: Es besteht die Befürchtung, dass von der ökonomischen Systemrationalität des WTO-Rechts Anpassungszwänge auf nationale Sozialordnungen ausgehen. Zu untersuchen ist, ob diese Auswir16 Als Beleg mag die Tatsache zu werten sein, dass trotz eines sehr begrenzten Untersuchungsgegenstandes (vgl. dazu unten bei § 10) die Übersicht über die aktuelle einschlägige Literatur bei OECD, Survey On the Recent Literature (2000) insgesamt 62 Seiten in Anspruch nimmt.

30

1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

kungen von einer Sozialklausel abgefedert werden könnten. Auch hinter diesem Ansatz steht ein Konzept des Schützens, allerdings stehen nicht die ökonomischen, sondern die rechtlich-institutionellen Auswirkungen des internationalen Wirtschaftsrechts im Mittelpunkt. Dass diese drei Ziele alle mit demselben Mittel erreicht werden könnten, ist bereits auf den ersten Blick unwahrscheinlich. Es ist stattdessen davon auszugehen, dass ihre Unterschiede jeweils eine Lösung erfordern, deren Inhalt auf die entsprechende Zielsetzung abgestimmt ist. Ob eine Sozialklausel eine solche Lösung darstellt und wie sie gegebenenfalls ausgestaltet sein muss, ist somit für jede der Fragestellungen separat zu untersuchen. Nimmt man die Unterschiedlichkeit der Zielsetzungen ernst, gelangt man also zu drei getrennten Diskursen über drei unterschiedliche Sozialklauseln. Diese Diskurse sollen im 2., 3. und 4. Teil der Arbeit dargestellt werden. Erst in einem letzten Schritt gilt es zu untersuchen, ob es eine Sozialklausel gibt, die allen drei Konzepten gerecht wird, also ob es eine gemeinsame Lösung für die drei unterschiedlichen Fragestellungen geben kann. Dieser Frage widmet sich der 5. Teil der Arbeit. Um den Untersuchungsgegenstand nicht vorschnell zu beschränken, soll dabei die Fragestellung jeweils weit gefasst werden. Die inhaltliche Einschränkung der Analyse auf bestimmte Sozialstandards ist zwar notwendig, aber begründungsbedürftig und muss im Rahmen aller drei Diskursebenen eigenständig erfolgen. Maßgebend ist dabei die der jeweiligen Fragestellung zugrundeliegende Zielsetzung. Auch wenn die drei verschiedenen Diskurse aus der jeweiligen Art der Fragestellung entwickelt werden, zeigt sich eine Parallele zu den klassischen disziplinären Analyseebenen: Das Konzept einer Sozialklausel, die der Hebung sozialer Standards in den Entwicklungsländern dient, entspricht in vieler Hinsicht dem Gegenstand der sozialwissenschaftlichen, insbesondere entwicklungspolitischen Debatte. Eine Sozialklausel, die dem Schutz bestehender sozialer Standards vor einer ökonomischen Abwärtsspirale dienen soll, steht dagegen in enger Verbindung zur wirtschaftswissenschaftlichen Debatte. Überlegungen, eine Sozialklausel in das WTO-Recht zu integrieren, um ein Gegengewicht zur rechtlichen Beeinflussung der nationalen Sozialordnungen zu schaffen, weisen Parallelen zu der noch jungen institutionellen Debatte über die Ergänzung der WTO um soziale Elemente auf. Diese Parallelität hat erstens den Vorteil, dass keine der einschlägigen Disziplinen ausgeblendet wird. Die bisherigen Untersuchungen können relativ bruchlos in die Konzeption der Arbeit einbezogen werden. Darüber hinaus sollen jedoch durch die hier gewählte Vorgehensweise die bisherigen Defizite bei der interdisziplinären Verknüpfung der Ansätze vermieden werden: Die Offenlegung der unterschiedlichen Fragestellungen und die damit verbundene Dreiteilung der Untersuchung erlauben ein Nebeneinander verschiedener Ergebnisse und verhindert damit eine unfruchtbare Vermischung der Analyseebenen. Gleichzeitig ist sie aber auch die

§ 4 Begrifflichkeiten

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Grundlage für den am Ende der Arbeit zu leistenden Versuch, die drei verschiedenen Lösungskonzepte zusammenzubringen. Weil die institutionelle Dimension der Problematik bisher unterbelichtet geblieben ist, soll auf dieser Analyseebene der Schwerpunkt der Arbeit liegen. In geringerem Maße als im Rahmen der ethischen und ökonomischen Dimension kann dabei an bestehende Untersuchungen angeknüpft werden. Allerdings besteht eine Parallelproblematik auf europäischer Ebene, denn auch dort stand die wirtschaftliche Integration am Anfang einer Entwicklung, in der die Sozialordnungen der Mitgliedstaaten zunehmend an Eigenständigkeit verloren. Diese Entwicklung weist eine stärkere wissenschaftliche Durchdringung auf und hält deshalb möglicherweise fruchtbare Systematisierungs- und Erkenntnishilfen bereit. Die europäischen Erfahrungen sollen daher den Ausgangspunkt für die Überlegungen auf globaler Ebene bilden. Allerdings müssen dabei die institutionellen Unterschiede zwischen der europäischen Gemeinschaft und der WTO beachtet werden, die eine Übertragung der europäischen Untersuchungsergebnisse erschweren.

§ 4 Begrifflichkeiten I. Sozialordnungen Im Mittelpunkt der drei Fragestellungen stehen die staatlichen Sozialordnungen: Wie kann man mit Hilfe des Handelsrechts die Sozialordnungen der Entwicklungsländer verbessern, und wie können nationale Sozialordnungen vor ökonomischen und vor rechtlichen Zwängen geschützt werden? In dieser Arbeit soll ein weiter Begriff der Sozialordnungen verwendet werden: Neben dem Sozialrecht im engeren Sinne, das insbesondere (grundsätzlich beitragsfreie) soziale Fürsorgesysteme und (grundsätzlich beitragspflichtige) Sozialversicherungssysteme betrifft,17 soll auch das Arbeitsrecht, also beispielsweise das Arbeitsschutz- oder das Kollektivvertragsrecht,18 unter den Begriff subsumiert werden.19 Eine vor die Klammer ge17 Vgl. etwa Maydell, Sozialrecht (1994), S. 447 ff.; Gitter / Schmitt, Sozialrecht (2001), S. 9 ff.; Muckel, Sozialrecht (2003), S. 18 ff.; Eichenhofer, Sozialrecht (2003), Rn. 10 ff.; Waltermann, Sozialrecht (2004), Rn. 32 ff. 18 Vgl. etwa Söllner / Waltermann, Grundriß des Arbeitsrechts (2003), S. 69 ff., 243 ff.; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht (1998), S. 341 ff., 365 ff.; Otto, Arbeitsrecht (2003), S. 226 ff., 253 ff.; Löwisch, Arbeitsrecht (2004), S. 54 ff., 29 ff. 19 Damit unterscheidet sich die Verwendung des Begriffs von der im deutschen Recht verbreiteten Terminologie, die Arbeits- und Sozialrecht als unterschiedliche Rechtsgebiete versteht; vgl. nur Maydell, Sozialrecht (1994), S. 447; Muckel, Sozialrecht (2003), S. 16 f.; Waltermann, Sozialrecht (2004), Rn. 34. Im Europarecht hingegen herrscht das in dieser Arbeit gewählte weite Begriffsverständnis vor, vgl. Schiek, Europäisches Arbeitsrecht (1997), S. 26 f.; Stahlberg, Europäisches Sozialrecht (1997), Rn. 3; Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 37; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (193); Schrammel / Winkler, Arbeitsund Sozialrecht der Europäischen Gemeinschaft (2002), S. 2; Wank / Steinmeyer, in:

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

zogene Beschränkung auf bestimmte international anerkannte Kernbestimmungen würde möglicherweise wesentliche Aspekte der Problematik übergehen und der konzeptionellen Weite der Fragestellungen nicht gerecht werden.

II. Sozialstandards Eng verknüpft mit den staatlichen Sozialordnungen ist der Begriff der Sozialstandards. Generell versteht man unter dem Terminus Standard eine Norm, ein Richtmaß20. Aus einer funktionalen Sichtweise sollen Standards durch Vereinheitlichung bestimmter Merkmale konkrete gemeinschaftliche Zwecke erfüllen;21 Beispiele sind Maßeinheiten oder DIN-Normen. Im juristischen Bereich wird der Begriff uneinheitlich verwendet: Im innerstaatlichen Kontext versteht man darunter teilweise (insbesondere im angelsächsischen common law) Maßstäbe sozialen Normalverhaltens, etwa im Haftungsrecht22. Teilweise wird der Begriff aber auch als übergeordneter Beurteilungsmaßstab einfacher Rechtsregeln verwendet, beispielsweise im Verfassungsrecht23. Auch im Völkerrecht gibt es eine schwankende Verwendung: So wird zum Beispiel im internationalen Wirtschaftsrecht der Begriff sowohl für die allgemeinen Grundsätze wie etwa der Meistbegünstigung oder Inländerbehandlung, aber auch für komplexe Verhaltenskodizes für Unternehmen (sog. „codes of conduct“) verwendet, also für Maßstäbe mit sehr unterschiedlicher Regelungsdichte und schwankendem Verpflichtungsgrad24. Jedenfalls erfolgt in der juristischen Verwendung eine normative Anreicherung der faktischen Richtgrößen: Standards sind Beurteilungsmaßstäbe, nach denen ein bestimmtes Verhalten als rechtmäßig oder rechtswidrig bezeichnet werden kann. Sozialstandards im rechtlichen Sinne sind also normative Richtgrößen für den gesamten Bereich des Sozialen. Trotzdem wird der Begriff in der Literatur oftmals beschränkt auf Standards, die sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen. So definiert beispielsweise auch die Enquete-Kommission des Bundestages zur „Globalisierung der Weltwirtschaft“ in ihrem Abschlussbericht Sozialstandards als „umfassende[n] und allgemeine[n] Begriff für Standards bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen (Arbeitszeit, Lohn, Sozialversicherung etc.) und für ArbeitnehmerrechHanau / Steinmeyer / Wank (Hrsg.), Hb. des europäischen Arbeits- und Sozialrechts (2002), § 4 Rn. 1; Eichenhofer, Sozialrecht (2003), Rn. 86 ff. Kritisch dazu Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht (2001), S. 9 f. 20 Vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 21 (1998), S. 10; Duden, Wörterbuch, Bd. 7 (1995), S. 3215 f. 21 Vgl. dazu Casella, Evolving Standards (1996), S. 122 ff. 22 Vgl. Riedel, Theorie der Menschenrechtsstandards (1986), S. 261 ff. m. w. N. 23 Vgl. beispielsweise Lenz, EuGRZ 1993, S. 585 ff.; Giegerich, EuGRZ 1995, S. 1 ff.; Kischel, Der Staat 39 (2000), S. 523 ff. 24 Vgl. Riedel, Theorie der Menschenrechtsstandards (1986), S. 290 f.; Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 61 ff.

§ 4 Begrifflichkeiten

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te“25. Diese Definition erleichtert zwar den Anschluss an die englischsprachige Diskussion, in der meist mit dem Begriff der „labour standards“ gearbeitet wird26. Trotzdem erscheint diese meist nicht weiter begründete Einschränkung mit dem Begriff der Sozialstandards nur schwer vereinbar, weshalb in diesen Fällen treffender von Arbeitsstandards gesprochen werden sollte. Sonst geraten auch wesentliche Elemente der Problematik aus dem Blickwinkel, insbesondere die Frage, ob sich die normativen Richtgrößen auch auf die soziale Situation der Nichtarbeitenden beziehen soll.

III. Sozialklausel Die normative Anreicherung des Standard-Begriffs in der juristischen Verwendung impliziert auch die Möglichkeit, dass bei Nichteinhaltung der Standards eine bestimmte Sanktionierung erfolgen kann. Bei der hier untersuchten Verknüpfung des internationalen Handelsrechts mit Sozialstandards rückt damit das Konzept einer Sozialklausel ins Blickfeld. Darunter versteht man die Operationalisierung von bestimmten Sozialstandards mit dem Druckmittel der Handelsbeziehungen durch einen oder mehrere Handelspartner des betroffenen Staates.27 Dies kann auf zweierlei Art geschehen: Erstens kann die Nichteinhaltung der Standards mit einem Sanktionsmechanismus verknüpft werden – dann handelt es sich um klassische Handelssanktionen oder um eine sogenannte negative Sozialklausel28. Es können aber auch bei Einhaltung der Standards weitergehende Handelspräferenzen gewährt werden – dann handelt es sich um einen Anreizmechanismus oder um eine sogenannte positive Sozialklausel29. Die scharfe Trennung zwischen diesen beiden Unterarten der Sozialklauseln ist aber problematisch:30 So stellt es beispielsweise eine verbreitete Praxis unter OECD-Ländern dar, die im Rahmen der Allgemeinen Präferenzsysteme (General Systems of Preferences) gewährten Handelsvergünstigungen für Entwicklungsländer bei Nichteinhaltung bestimmter sozialer Standards zurückzunehmen31. Dies hat zwar die Wirkung einer Handelssanktion, also einer negativen Sozialklausel, BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 169. Vgl. neben dem Überblick von Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. das relativ frühe Werk Hansson, Social Clauses and International Trade (1981), die zentralen Beiträge Sengenberger / Campbell (Hrsg.), International Labour Standards (1994) und OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996) sowie beispielsweise Tsogas, Int’l J. Hum. Resource Mgmt. 10 (1999), S. 351 ff.; Moorman, Colum. J. Transnat’l L. 40 (2001), S. 555 ff. 27 Vgl. etwa Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 12. 28 So beispielsweise Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 14. 29 Ebd. 30 So auch Poeschke, Politische Steuerung durch Sanktionen? (2003), S. 23. 31 Siehe dazu unten § 5 I. 25 26

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

stellt jedoch lediglich einen Zustand her, der dem Anreizsystem einer positiven Sozialklausel gleicht. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten basieren auf der Tatsache, dass es schwierig ist, ein „normales“ Niveau an Handelsbeziehungen zu definieren: Alle Staaten sehen unterschiedliche, sich ständig verändernde Handelsbeschränkungen vor, die grundsätzlich32 auch völkerrechtlich zulässig sind. Präferenzen gegenüber einer Gruppe von Staaten bedeuten in solch einer Situation nichts anderes als die Beibehaltung von Handelsbeschränkungen für die andere Gruppe33. Allenfalls durch die Abkommen im Rahmen des Welthandelsregimes, insbesondere durch den sie tragenden Grundsatz der Meistbegünstigung34, könnte ein bestimmtes Basisniveau entstehen, das als Maßstab für die Unterteilung in positive und negative Sozialklauseln dienen könnte. Da sich ein solches Basisniveau jedoch noch nicht herausgebildet hat, soll im Rahmen dieser Arbeit mit einem einheitlichen Begriff gearbeitet werden: Eine Sozialklausel liegt vor, wenn die Nichteinhaltung bestimmter Sozialstandards zu einem geringeren Umfang an Handelsbeziehungen mit dem Verwender der Klausel führen kann als bei der Einhaltung der Standards.

IV. Materielle und strategische Verknüpfung Kernelement der Diskussion um die Integration von Sozialstandards in das WTO-Recht ist das Konzept einer Verknüpfung von sozialen mit handelsrechtlichen Fragen, also der beiden Sachbereiche „Soziales“ und „Handel“35. Eine zentrale Unterscheidung bei Verknüpfungsdebatten leitet sich daraus ab, ob eine materielle Verbindung zwischen den jeweiligen Sachbereichen bereits besteht, oder ob sie erst durch rechtliche Mittel hergestellt werden soll. Der amerikanische Handelsrechtler David Leebron hat für diese zwei Fälle die treffenden Bezeichnungen „substantive“ und „strategic linkage“ geprägt36. Unter die erste Alternative, die in dieser Arbeit als materielle Verknüpfung bezeichnet werden soll, fallen Konstellationen, in denen auch ohne rechtliche Verbindung eine Wechselwirkung zwischen zwei Sachbereichen besteht, also etwa bei der Existenz unerwünschter Auswirkungen eines Sachbereichs auf den anderen. Um eine materielle Verknüpfung würde es sich beispielsweise handeln, wenn aufgrund der hohen UmweltbelastunVgl. aber unten § 7 II.2. So auch Großmann / Koopmann, Wirtschaftsdienst 1994 / XI, S. 585 ff. (591). 34 Vgl. dazu unten § 17 IV.1.a) und § 17 IV.2.b) aa). 35 Aus Sicht der politikwissenschaftlichen Policy-Analyse handelt es sich um zwei verschiedene „issue areas“; siehe dazu nur Behrens / Noack (1984), S. 100 ff. Das Denken in solchen „Politikfeldern“ findet sich im Rahmen der Analyse internationaler Beziehungen insbesondere in der Regimetheorie wieder; vgl. dazu Krasner (Hrsg.), International Regimes (1989 [1983]); Young, Int’l Org. 39 (1986), S. 104 ff.; Kohler-Koch (Hrsg.), Regime in den internationalen Beziehungen (1989); Rittberger / Mayer (Hrsg.), Regime Theory (1993). 36 Leebron, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 5 ff. (11 ff.). 32 33

§ 5 Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards

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gen durch Warentransporte eine Ergänzung des internationalen Handelsrechts um ökologische Mindestbestimmungen im Transportwesen erfolgen würde. Die zweite Alternative, eine strategische Verknüpfung, bezieht sich auf die Verbindung zweier Sachbereiche, die keine materiellen Wechselwirkungen aufweisen. Durch die Verknüpfung sollen also nicht negative Auswirkungen des einen Sachbereichs auf den anderen beseitigt werden, sondern ein Ziel verfolgt werden, das keine Verbindung mit den beiden Sachbereichen aufweisen muss37. Ein Beispiel für eine solche strategische Verknüpfung wäre die Koppelung des Welthandelsrechts mit internationalen Abrüstungsverträgen, indem ein bevorzugter handelsrechtlicher Status eines Landes von der Einhaltung dieser Verträge abhängig gemacht wird, um einen Anreiz zur Entwaffnung zu schaffen. Diese beiden Arten von Verknüpfung schließen sich gegenseitig allerdings nicht aus.38 So kann etwa die angesprochene Ergänzung des Handelsrechts um ökologische Normen neben materiellen Gründen auch das strategische Ziel verfolgen, der hochentwickelten heimischen Industrie einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Diese Überlagerung der verschiedenen Verknüpfungsebenen erschwert eine fokussierte politische und wissenschaftliche Auseinandersetzung und ist eine der Hauptursachen für die geschilderten Defizite der Debatte um Sozialklauseln im Welthandelsrecht.

§ 5 Bisherige Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards Die Diskussion um die Einbeziehung von Sozialklauseln in das internationale Handelsrecht steht zwar seit einigen Jahren in besonderem Maße auf der politischen Agenda. Seine Ursache hat dies einerseits im stärker werdenden (oder zumindest stärker empfundenen) Druck einer zunehmend global vernetzten Wirtschaft39, andererseits in der mit dem Zeitalter der Massenmedien einhergehenden stärkeren Wahrnehmung der schlechten Lebensbedingungen in Entwicklungsländern40. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass die Problematik eine lange Geschichte hat, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht: Jacques Necker, Finanzminister unter Louis XVI, beschrieb schon 1788, dass ein Land durch die Aufhebung der Sonntagsruhe im internationalen Handel Vorteile erreichen könnte.41 37 In der Regel wird jedoch ein gewisser Bezug des angestrebten Zieles zu einem der beiden Sachbereiche vorliegen, weil ansonsten die Verknüpfung als willkürlich wahrgenommen würde und politisch nur schwer durchzusetzen wäre. 38 So auch Leebron, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 5 ff. (11). 39 Dazu unten § 11 I. 40 So auch Liemt, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 433 ff. (433); Cappuyns, Colum. J. Transnat’l L. 37 (1998), S. 659 ff. (664).

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

Die Idee, das Problem auf internationaler Ebene anzugehen, ist kein Kind der Internationalisierungsbewegungen des 20. Jahrhunderts, denn bereits 1833 schlug der britische Abgeordnete Charles Frederick Hindley einen internationalen Vertrag über Arbeitszeiten vor42. Und auch die Verknüpfung mit internationalem Handelsrecht wurde früh betrieben: Im ersten multilateralen Abkommen, das internationale Sozialstandards zum Gegenstand hatte, nämlich einem gegen Sklaverei gerichteten Vertrag aus dem Jahre 1890, versuchte man die Einhaltung der Verpflichtungen durch ein Einfuhrverbot von Sklaven abzusichern.43

I. Sozialklauseln auf nationaler und regionaler Ebene Meistens war die Verknüpfung von internationalem Handel und sozialen Standards dagegen Gegenstand nationaler Gesetzgebungsinitiativen, mit denen vorwiegend die heimische Industrie geschützt werden sollte. Eine Vorreiterrolle kommt dabei den USA zu: Bereits in den Tariff Acts von 1922 und 1930 wurde der Präsident ermächtigt, mittels Einfuhrzöllen die unterschiedlichen Produktionskosten zwischen einem importierten und einem heimischen Gut nach dem Prinzip der „cost equalisation“ auszugleichen.44 In den 80er Jahren wurden zahlreiche weitere unilaterale Gesetze erlassen, in denen der internationale Handel der USA mit Sozialklauseln verknüpft wird: Einmal besteht die Möglichkeit, bestimmte handelsrelevante Vergünstigungen beispielsweise gegenüber Entwicklungsländern bei Nichteinhaltung sozialer Mindeststandards auszusetzen – hierzu gehören insbesondere das 1984 erneuerte General System of Preferences (GSP) sowie die Caribbean Basin Initiative (CBI, von 1983)45. Außerdem existiert seit 1988 mit Section 301 des Handelsgesetzes auch eine heftig umstrittene Handhabe, bei Verletzung bestimmter Mindeststandards unilaterale Handelssanktionen zu verhängen46 – allerdings ist von dieser Ermächtigung bisher nur sehr vorsichtig Gebrauch gemacht worden47. Vgl. Servais, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 423 ff. (424). Vgl. Leary, Workers’ Rights (1996), S. 184. 43 Vgl. Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (569); Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 15. 44 Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (568). Der Anwendungsbereich der Vorschrift wurde allerdings 1962 auf die Bereiche beschränkt, die nicht von Handelsabkommen umfasst waren. 45 Vgl. neben dem umfangreichen amerikanischen Schrifttum (beispielsweise Perez-Lopez, Comp. Lab. L.J. 9 [1988], S. 253 ff.; Compa, Conn. J. Int’l L. 10 [1995], S. 337 ff.) auch Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 117 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 145 ff. 46 Vgl. Jackson, World Trading System (1997), S. 127 ff.; Bhagwati / Patrick, Aggressive Unilateralism (1990); Lempp, Sozialdumping (1995), S. 59 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 153 ff. 47 Dazu Hohmann, RIW 2001, S. 649 ff. (655) m. w. N.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 155. 41 42

§ 5 Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards

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Auf regionaler Ebene wurde 1994 das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA um ein Nebenabkommen ergänzt, dem North American Agreement on Labor Cooperation (NAALC). Zwar werden dort die Vertragsparteien Kanada, Mexiko und USA nur dazu verpflichtet, ihr jeweiliges nationales Arbeitsrecht effektiv umzusetzen. Bei Implementationsdefiziten ist jedoch – nach einem Streitbeilegungsverfahren – auch die Verhängung von Geldbußen und Handelssanktionen zulässig48. Von der internen Debatte um eine europäische Sozialunion49 einmal abgesehen, reagierte die EG relativ spät:50 Sie ergänzte erst 1994 ihr GSP um eine Sozialklausel.51 Neben den generellen Handelspräferenzen können sich nun Entwicklungsländer, die bestimmte international anerkannte Mindeststandards einhalten, für weitergehende Erleichterungen bewerben. Gleichzeitig können bei Verstößen gegen Kernrechte, wie etwa dem Verbot von Zwangsarbeit, auch die Präferenzen komplett entzogen werden – eine Option, die 1997 gegen Myanmar eingesetzt wurde52. Der Anwendungsbereich des GSP wurde in den folgenden Jahren sowohl hinsichtlich des inhaltlichen als auch des geographischen Anwendungsbereichs erweitert: Inzwischen wird auch die Einhaltung der Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Vereinigungsfreiheit (Nr. 87), zu gewerkschaftlichen Rechten (Nr. 98) und zum Verbot von Kinderarbeit (Nr. 138) zur Voraussetzung für weitergehende Präferenzen gemacht. Außerdem wurde die Anerkennung grundlegender ILO-Normen im Lomé-Abkommen auch mit den sogenannten AKP-Staaten verankert, die einen wichtigen Handelspartner der EG darstellen53 – in den späten 70er Jahren war ein entsprechender Vorschlag der Europäischen Kommission noch vom Ministerrat verhindert worden54. In den Europa-Abkommen mit den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern wurde allerdings kein Bezug auf Sozialstandards genommen.55

48 Perez-Lopez, Conn. J. Int’l L. 10 (1995), S. 427 ff.; Compa, Law Bus. Rev. Am. 3 (1997), S. 6 ff.; Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 206 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 135 ff. 49 Dazu unten § 15 III.1.c). 50 Umfangreich dazu Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln (1998). 51 Verordnung (EG) Nr. 3281 / 94 des Rates vom 19. 12. 1994 über ein Mehrjahresschema allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern für den Zeitraum 1995 – 98, ABl. EG Nr. L 348 / 1. Vgl. dazu etwa Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 143 ff. 52 Verordnung (EG) Nr. 552 / 97 des Rates vom 24. 03. 1997 zur vorübergehenden Rücknahme der allgemeinen Zollpräferenzen für Waren aus der Union Myanmar, ABl. EG Nr. L 85 / 8; vgl. auch OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 70. 53 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 67; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 142. Vgl. auch Sanchez Rydelski, EuZW 1998, S. 398 ff. 54 Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (573). 55 Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 61.

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

II. Sozialklauseln auf internationaler Ebene Auch im Rahmen der WTO bzw. dem ihr zeitlich vorgelagerten GATT ist das Ringen um eine Sozialklausel kein Novum.56

1. Sozialklausel in der ITO Ausgangspunkt war die geplante Gründung der Internationalen Handelsorganisation (ITO) im Jahre 1948, bei der die Idee der Verknüpfung von Handel und Sozialstandards kurz vor der Realisierung stand. 1946 war auf Betreiben der USA in Havanna die „Internationale Konferenz für Handel und Beschäftigung“ einberufen worden.57 Ziel war, durch das Errichten einer internationalen Wirtschaftsordnung die wirtschaftlichen Zerstörungen der Nachkriegszeit zu beseitigen und einen prosperierenden Güteraustausch zu ermöglichen. Hintergrund waren vor allem die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise von 1929, in der – angetrieben durch eine Protektionismusspirale – die Welthandelsbeziehungen und damit auch die nationalen Volkswirtschaften eingebrochen waren.58 Ursprünglich sollte zu diesem Zweck eine Internationale Organisation mit umfassenden Kompetenzen geschaffen werden, die ITO. Die Vorschriften in Kapitel 2, Art. 7 des Entwurfs für eine ITO-Charta enthielten eine ausdrückliche Anerkennung der Wechselwirkungen zwischen Handel und „fairen“ Arbeitsbedingungen, auch wenn kein spezieller Sanktionsmechanismus vorgesehen war: „The Members recognize that unfair labour conditions, particularly in production for export, create difficulties in international trade and, accordingly, each Member shall take whatever action may be appropriate and feasible to eliminate such conditions within its territory.“59

56 Einen anderen Versuch, Sozialstandards in multilaterale Handelsverträge zu integrieren, stellen die in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts abgeschlossenen Rohstoffabkommen (etwa das Kakao-Abkommen von 1986 oder die Zucker- und Kautschuk-Abkommen von 1987) dar, in denen auf soziale Mindeststandards Bezug genommen wird; vgl. dazu Servais, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 423 ff. (425 ff.). Diese Abkommen erlangten aber nie eine prägende Bedeutung, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass es sich dabei um Absichtserklärungen und nicht um rechtlich bindende Vorschriften handelte. 57 Liebich, Grundriss des GATT (1967), S. 11; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 34 ff.; Siebold, Ordnung des internationalen Handels (2002), S. 53 ff. 58 Vgl. Jackson, World Trading System (1997), S. 36 f.; Rode, Regimewandel (1998), S. 5. Diese Wirtschaftskrise wurde von vielen als mitursächlich nicht nur für große Wohlstandseinbußen der betroffenen Bevölkerungen, sondern auch für das Ausbrechen des Zweiten Weltkrieges angesehen; siehe nur Senti, WTO (2000), S. 2. 59 U.N. Doc. E / Conf.2 / 78 (1950), zitiert aus Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (566 f.).

§ 5 Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards

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Wegen protektionistischer Vorbehalte, aber auch aufgrund von Unstimmigkeiten über die Regelungsbefugnis der ITO in sozialen und beschäftigungspolitischen Fragen, lehnte der amerikanische Kongress die Havanna-Charta schließlich trotz vorangegangener Unterzeichnung des Vertragswerks durch die Regierung ab.60 Da die Beteiligung der USA als bedeutendste Handelsmacht von allen Beteiligten als conditio sine qua non betrachtet wurde,61 bedeutete diese Entscheidung das Ende der ITO. 2. Exkurs: Die Struktur des GATT Bereits im Oktober 1947 war jedoch ein Teilbereich62 der geplanten Weltwirtschaftsordnung unterzeichnet worden, das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)63. Das Vertragsprovisorium trat am 01. Januar 1948 in Kraft und regelt trotz Scheitern der ITO als Rumpfregelung bis heute den internationalen Warenhandel. Das GATT ist ein äußerst komplexes Vertragswerk, das wegen seiner „ungewöhnlichen Kompliziertheit“64 oft gescholten worden ist. Zentrales Ziel ist der weltweite Abbau von Handelsbeschränkungen65. Dazu wird zunächst zwischen tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen unterschieden: Die bestehenden tarifären Beschränkungen, also Zölle und zollgleiche Abgaben, werden in Listen niedergelegt. Sie können grundsätzlich beibehalten werden, aber ihre Reduzierung ist als Ziel in der Präambel des GATT niedergelegt und Gegenstand der im Rahmen des GATT regelmäßig stattfindenden Handelsrunden. Nichttarifäre Handelshemmnisse – also Kontingente, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen und ähnliche Maßnahmen – dürfen dagegen grundsätzlich „weder erlassen noch beibehalten“ werden (Art. XI GATT). Dahinter steht die Überlegung, zunächst für Transparenz bei Handelsbeschränkungen zu sorgen und beim zukünftigen Aushandlungsprozess nur noch mit den leichter handhabbaren Zöllen arbeiten zu müssen.66 Fortbestehende Handelsbeschränkungen müssen noch weitere Kriterien erfüllen, um GATT-konform zu sein: Insbesondere gilt das Prinzip der Meistbegünstigung, 60 Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 40 ff.; Senti, WTO (2000), S. 14 ff.; Krenzler, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.I., Rn. 11. 61 Vgl. Bratschi, GATT (1973), S. 14 m. w. N. 62 Dieser Teilbereich war vorgezogen worden, da ein Angebot zum Zollabbau, das der amerikanische Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Vorbereitungskonferenz in London im Oktober 1946 abgegeben hatte, auf Ende 1947 befristet war – danach hätte es einer erneuten Zustimmung durch den Kongress bedurft; vgl. Senti, WTO (2000), S. 20. 63 Die deutsche Fassung (BGBl. 1951 II, S. 173 und Anlagenbände I-III) ist nicht völkerrechtlich verbindlich. Der englische Text ist zu finden unter http: / / www.wto.org / english / docs_e / legal_e / gatt47.pdf (01. 09. 2004). 64 Bratschi, GATT (1973), S. 9. 65 Vgl. den zweiten Erwägungsgrund der GATT-Präambel. 66 Vgl. dazu nur Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 143.

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

nach dem die einem Land gewährten Präferenzen auch jedem anderen Land gewährt werden müssen (Art. I GATT); das Inländerprinzip, das in Ergänzung zum Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse keine Benachteiligung ausländischer Waren im innerstaatlichen Recht erlaubt (Art. III GATT); sowie das in vielen Bestimmungen aufgeführte Prinzip der Reziprozität, nach dem sich die Verhandlungspartner bei den Verhandlungen gleichgewichtige Konzessionen gewähren müssen. Von diesen grundsätzlichen Regelungen gibt es aber eine Vielzahl von Ausnahmebestimmungen.67 Aufgrund des ursprünglichen Plans, das GATT in die ITO einzugliedern, hatte das GATT zu Beginn keinerlei organisatorischen Gehalt. Oberstes „Organ“ waren die „VERTRAGSPARTEIEN“68, die periodisch zusammentrafen, Art. XXV GATT. Erst 1960 wurden diese Kompetenzen an den neu gegründeten GATT-Rat delegiert, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestand und dem zur Erledigung der Verwaltung ein Sekretariat zur Seite gestellt wurde.69 Für Streitbeilegungen wurden jeweils besondere Arbeitsgruppen beauftragt, die sogenannten Panels.70 Trotz dieser organisatorischen Verfestigungen war die Völkerrechtssubjektivität des GATT jedoch bis zur Gründung der WTO umstritten; es handelte sich allenfalls „gewohnheitsrechtlich“ um eine Internationale Organisation71. Neben den institutionellen erfuhr das GATT im Laufe der Zeit jedoch auch einige inhaltliche Veränderungen: Nachdem das Scheitern der ITO feststand, versuchten die betroffenen Länder zunächst in der „Review Session“ im Jahre 1955, aber auch in allen weiteren Handelsrunden, die ursprünglich der ITO zugedachten Sachbereiche in das GATT zu integrieren. So wurden beispielsweise die Forderungen der Entwicklungsländer, eine Sonderstellung im internationalen Handelsrecht einzunehmen und zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwäche umfangreiche Präferenzen eingeräumt zu bekommen (ursprünglich Kapitel III der Havanna-Charta), durch das Einfügen von Teil IV des GATT („Handlung und Entwicklung“) im Jahre 1964 von einem gewissen Erfolg gekrönt.72 Zahlreiche Erweiterungen des GATT erfolgten auch durch Zusatzabkommen, etwa dem Antidumpingabkommen von 1967, dem Abkommen über Technische Handelshemmnisse von 1980 oder dem Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen von 1981. Diese Abkommen banden aber nur die Vertragsparteien, die sich zu einer Unterzeichnung bereit erklärten, und führten zu einer Zersplitterung des GATT-Rechts.73 67 Vgl. dazu etwa Perez-Lopez, Case W. Res. J. Int’l L. 23 (1991), S. 517 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 175 ff. und unten § 8 II.3.a). 68 Anders als der Begriff der „Vertragsparteien“, der sich auf die individuell handelnden Länder bezieht, bezeichnet „VERTRAGSPARTEIEN“ die Länder in ihrer Funktion als kollektives Entscheidungsorgan, vgl. Art. XXV:1 GATT und Senti, GATT (1986), S. 44. 69 Bratschi, GATT (1973), S. 17; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 52. 70 Vgl. dazu unten § 16 II.3 und Senti, WTO (2000), S. 136 f. 71 So beispielsweise Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 248 ff., ablehnend Bratschi, GATT (1973), S. 16. 72 Vgl. dazu nur Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 312.

§ 5 Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards

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3. Sozialklausel im GATT? Im Rahmen der GATT-Handelsrunden wurde auch kontinuierlich, insbesondere von Seiten der USA, die Ergänzung des GATT um eine Sozialklausel gefordert.74 Schon 1953 zielte ein US-Vorschlag darauf ab, beim Vorliegen von „unfairen Arbeitsbedingungen“ eines Handelspartners Zugeständnisse zurücknehmen zu dürfen. Darunter verstand man Arbeitsbedingungen „below those which the productivity of the industry and the economy at large would justify“75. Auch während der Tokio-Runde (1973 – 1979) wurden diesbezügliche Vorschläge der USA gemacht, die jedoch nur von den skandinavischen Ländern aktiv unterstützt wurden und an der ablehnenden Haltung der Entwicklungsländer scheiterten76.

4. Exkurs: Die Entstehung der WTO Das GATT erwies sich, trotz allerlei Geburtsfehler, für den weltweiten Abbau von Zöllen als sehr erfolgreich: Betrug der durchschnittliche Zollsatz der Industriestaaten während der Gründung des GATT noch 40% des Importwerts, sank dieser Satz bis zur Uruguay-Runde zu Beginn der 90er Jahre auf gerade einmal 3,9%.77 Viele nichttarifäre Handelhemmnisse konnten jedoch nicht verhindert werden – Schätzungen gehen davon aus, dass bei Beginn der Uruguay-Runde etwa 18% des Welthandels von diesen Beschränkungen betroffen waren.78 In den 80er Jahren sorgten außerdem sogenannte Grauzonenmaßnahmen für eine deutliche Schwächung des GATT. Darunter verstand man einerseits versteckten Protektionismus – innerstaatliche Maßnahmen im Grenzbereich zwischen legitimer staatlicher Regulierung und nichttarifärem Handelshemmnis –, aber auch die damals immer stärker verbreitete Praxis der „freiwilligen“ Exportbeschränkungen, zu denen sich schwächere Länder unter Druck der USA oder Europas unter Umgehung der GATT-Bestimmungen zwingen ließen.79 Die Maßnahmen wurden durch die Unübersichtlichkeit und immer stärkere Zersplitterung des GATT-Rechts erleichtert. Hinzu kam die steigende Bedeutung neuer Produkte, die keine „Güter“ im Sinne des Siehe dazu Senti, WTO (2000), S. 33 ff. Vgl. allgemein dazu Weiss, Internationally Recognized Labour Standards (1998), S. 92 ff.; Alben, Colum. L. Rev. 101 (2001), S. 1410 ff. 75 Zitiert aus Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (574). 76 Großmann / Koopmann, Wirtschaftsdienst 1994 / XI, S. 585 ff. (588 f.); Leary, Workers’ Rights (1996), S. 199; Cappuyns, Colum. J. Transnat’l L. 37 (1998), S. 659 ff. (665 f.). 77 Senti, WTO (2000), S. 219; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 99 f. Vgl. auch Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 107 f. 78 Teilweise wurde sogar von bis zu 50% ausgegangen; vgl. die Nachweise in Senti, WTO (2000), S. 241 ff.; siehe auch Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 175. 79 Vgl. dazu allgemein Müller, Chance der Kooperation (1993), S. 71 ff.; Beise / Oppermann / Sander, Grauzonen im Welthandel (1998). 73 74

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

GATT waren und deswegen seinen Regelungen nicht unterfielen – insbesondere Dienstleistungen, aber beispielsweise auch geistige Eigentumsrechte. Schließlich fehlte dem GATT ein schlagkräftiger Durchsetzungsmechanismus: Die für die Streitentscheidung zuständigen Panels konnten kein Urteil, sondern lediglich einen Bericht verfassen, der vom GATT-Rat auf der Grundlage des Konsensprinzips angenommen werden musste80. Dies bedeutete, dass die unterlegene Partei ein VetoRecht besaß – ein häufiger Grund für Verzögerungen und Missachtungen der Entscheidungen81. Angetrieben durch die Einschätzung, die internationale Handelsordnung sei ernsthaft in Gefahr, einigten sich die Staatenvertreter 1985 darauf, eine neue Handelsrunde einzuläuten.82 Der Erfolg dieser Uruguay-Runde erstaunte viele Beobachter:83 Neben vielen Fortschritten im Bereich des materiellen Rechts, etwa der Integration des Dienstleistungshandels und der geistigen Eigentumsrechte, der Einschränkung der nichttarifären Handelshemmnisse und der Vereinbarung eines sukzessiven Abbaus von Importbeschränkungen im Textilbereich,84 wurde eine Internationale Organisation gegründet: die WTO85. Unter dem Dach der WTO wurden zum einen die verschiedenen Abkommen, also vor allem das neue GATT 199486, das Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS87) sowie das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS88) zusammengefasst89. Neu war auch der so genannte „single Vgl. dazu unten § 16 I.2. Ausführlich dazu unten § 16 I.2. 82 Zum Verlauf der Verhandlungen siehe Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 63 ff.; Krenzler, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.I., Rn. 20 ff. und die ausführliche WTO-Veröffentlichung Croome, Reshaping the World Trading System (1995). 83 Umfangreich zur neuen Ordnung der WTO siehe unten § 16 II. 84 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 463 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 107 f.; Molsberger, FS Oppermann (2001), S. 539 f.; Krenzler, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.I., Rn. 36 ff.; Berz, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.4. 85 Agreement Establishing the World Trade Organization vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 3, im Folgenden WTO-Ü. Der Text ist auch zu finden unter http: / / www.wto.org / english / docs_e / legal_e / 04-wto.pdf (01. 09. 2004). Überblicksartige Darstellung bei Petersmann, Rights and Duties of States (1995), S. 1107 ff.; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 60 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 88 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 9 ff.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III. 86 Das GATT 1994 ist weitgehend textgleich mit dem alten GATT 1947 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 08. 02. 1965. Deshalb soll in dieser Arbeit die Bezeichnung „GATT“ gleichermaßen für das alte und das neue GATT verwendet werden. Rechtlich sind die beiden Vertragswerke gemäß Art. II:4 WTO-Ü jedoch zu unterscheiden: Das GATT 1947 bestand bis zum 31. 12. 1995 parallel zum GATT 1994 und ist danach erloschen. Vgl. dazu Marceau, JWT 29 (1995), S. 147 ff.; Moore, Am. J. Int’l L. 90 (1996), S. 317 ff. 87 General Agreement on Trade in Services (GATS) vom 15. 04. 1994, Anhang 1 B zum WTO-Übereinkommen, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191. 88 Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) vom 15. 04. 1994, Anhang 1 C zum WTO-Übereinkommen, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 214. 80 81

§ 5 Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards

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package-approach“90, nach dem die Mitgliedstaaten praktisch allen91 Übereinkommen der Uruguay-Runde beitreten mussten. Darüber hinaus entstand durch das WTO-Übereinkommen aber erstmals auch eine explizite Organisationsstruktur, die neben der Einrichtung einer mindestens alle zwei Jahre tagenden Ministerkonferenz als oberstes Organ auch eine Stärkung des Rates, die Einrichtung eines Gremiums zur Überprüfung der Handelspolitik der Staaten und eines Streitsbeilegungsorgans („Dispute Settlement Body“, DSB) beinhaltete 92. Vor allem die Streitbeilegungsmechanismen wurden im Vergleich zum GATT 1947 erheblich gestärkt, indem die Verfahren zeitlich straffer gestaltet wurden, eine Berufungsinstanz eingerichtet und das Veto-Recht der unterlegenen Partei dadurch beseitigt wurde, dass die Entscheidungen des DSB nun einstimmig abgelehnt (statt angenommen) werden müssen (vgl. Art. 17:14 DSU93). Außerdem hat die obsiegende Partei, falls die unterliegende Partei die Entscheidung nicht beachtet, die Möglichkeit Zugeständnisse auszusetzen, um die Umsetzung zu erzwingen (vgl. Art. 22:6 DSU). Dabei ist nun auch eine sogenannte „cross retaliation“ zulässig, also die Aussetzung von Zugeständnissen aus einem anderen Sachbereich, was gerade schwächeren Parteien eine schlagkräftige Waffe in die Hand gibt – man denke nur an die Aussetzung der Bestimmungen zu den geistigen Eigentumsrechten.94

5. Sozialklausel in der WTO? Während der Uruguay-Runde gewannen auch die Vorstöße zur Integration einer Sozialklausel in das Handelsregime eine neue Dynamik. Zwar war die zu Beginn der Verhandlungen von den USA eingebrachte Initiative, auch soziale Mindeststandards auf die Agenda zu setzen („to consider possible ways of dealing with 89 Final Act Embodying the Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 1. 90 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 91 f. 91 Eine Ausnahme gilt lediglich für die Nebenabkommen zu Zivilluftfahrzeugen, dem öffentlichen Beschaffungswesen sowie Milcherzeugnissen und Rindfleisch, vgl. Art. II:2, 3 WTO-Ü und Kareseit, Welthandelsorganisation (1998), S. 91 f. 92 Vgl. nur Senti, WTO (2000), S. 113 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 186 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 24 ff. 93 Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes (DSU) vom 15. 04. 1994, Anhang 2 zum WTO-Übereinkommen, ABl. EG Nr. L 336 / 234. 94 Vgl. Schroeder / Schonard, RIW 2001, S. 658 ff. (663); Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 658 und allgemein Vranes, EuZW 2001, S. 10 ff. Dass die Aussetzung von Verpflichtungen aus dem TRIPS eine zulässige Sanktionierung sein kann, wurde im EU-Bananenstreit von den Streitbeilegungsorganen ausdrücklich anerkannt, vgl. European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas – Recourse to Arbitration by the European Communities under Article 22.6 of the DSU, Decision by the Arbitrators vom 24. 03. 2000, WTO-Dok. Nr. WT / DS27 / ARB / ECU, para 69 ff.

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1. Teil: Hintergrund und Problemaufriss

worker rights issues in the GATT so as to ensure that the expanded trade benefits all workers in all countries“95), wieder einmal erfolglos geblieben. Kurz vor Abschluss der Runde wurde jedoch ein neuer Anlauf versucht, diesmal mit Unterstützung Frankreichs. Wegen der damals noch ablehnenden Haltung Deutschlands, Großbritanniens und der Niederlande96 konnte der EG-Ministerrat aber keine einheitliche Position vertreten, was den Vorschlag der USA in den GATT-Verhandlungen schwächte. Das Europäische Parlament hatte sich 1994 zwar mit großer Mehrheit für die Aufnahme einer Sozialklausel in das GATT ausgesprochen,97 ist jedoch nicht für die Gemeinsame Handelspolitik der EG zuständig98. Somit konnte sich die Initiative – anders als das viele Parallelen aufweisende Verlangen nach Umweltstandards99 – nicht gegen die Einwände der Entwicklungsländer durchsetzen. Symptomatisch für das Ringen um eine Sozialklausel waren auch die Vorgänge während der ersten Ministerkonferenz der neugegründeten WTO im Dezember 1996 in Singapur. Obwohl der damalige ILO-Generaldirektor Michel Hansenne bereits als Redner geladen worden war, wurde er auf Druck der Gruppe der 15 Schwellenländer (G15) wieder ausgeladen.100 Im weiteren Verlauf der Konferenz konnte man sich auf den in der Singapore-Declaration festgehaltenen Kompromiss101 einigen, in dem die Geltung internationaler Kernarbeitsrechte bekräftigt wurde, aber die protektionistische Verwendung einer Sozialklausel abgelehnt und im übrigen die ILO als zuständige Organisation bezeichnet wurde: „We renew our commitment to the observance of internationally recognized core labour standards. The International Labour Organization (ILO) is the competent body to set and deal with these standards, and we affirm our support for its work in promoting them. We believe that economic growth and development fostered by increased trade and further trade liberalization contribute to the promotion of these standards. We reject the use of labour standards for protectionist purposes, and agree that the comparative advantage of countries, particularly low-wage countries, must in no way be put into question. In this

95 GATT doc. PREP.COM(86) W / 43 vom 25. 06. 1986, zitiert aus Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (565). 96 Großmann / Koopmann, Wirtschaftsdienst 1994 / XI, S. 585 ff. (586). 97 Entschließung des Europäischen Parlaments A3 / 007 / 94 zu Sozialklauseln vom Februar 1994, zitiert nach Piepel (Hrsg.), Sozialklauseln im Welthandel (1995), S. 90; vgl. dazu Hess, Der Arbeitgeber 3 / 1995, S. 81 ff. (81); Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 25. 98 Art. 133 EG-Vertrag. Vgl. dazu Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 664 ff. Zur umstrittenen Stellung der EG im GATT bzw. in der WTO vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 919 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 36. 99 Vgl. Leary, Workers’ Rights (1996), S. 199 und die Ausführungen unten § 17 I. 100 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 25; Howse, J. Small & Emerging Bus. L. 3 (1999), S. 131 ff. (166). 101 Teilweise wird die Singapore-Declaration aber auch als „kaum verhüllte Niederlage der Befürworter“ von Sozialklauseln gewertet, so etwa von Hilpert, Streit um die Weltwirtschaftsordnung (2002). S. 3 f. Zur Bewertung der Declaration siehe auch Charnovitz, Temp. Int’l & Comp. L.J. 11 (1997), S. 131 ff. (156 ff.); Coxson, Dick. J. Int’l L. 17 (1999), S. 469 ff.

§ 5 Verknüpfungen von Handel und Sozialstandards

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regard, we note that the WTO and ILO Secretariats will continue their existing collaboration.“102

Auch wenn dies nach einem zumindest vorläufigen Ende der Debatte im Rahmen der WTO aussah, bewiesen die Vorgänge bei der dritten Ministerkonferenz in Seattle 1999 das Gegenteil. Die Forderung nach einer Einbeziehung der Problematik in den Aushandlungsprozess der nächsten Handelsrunde wurde dort nicht nur von Demonstranten auf der Straße, sondern auch innerhalb der WTO von mehreren Mitgliedstaaten erhoben: Unter anderem forderten die USA die Einsetzung einer WTO-Arbeitsgruppe zu diesem Thema, die EG begehrte ein gemeinsames Gremium von WTO und ILO, während Kanada eine WTO-Arbeitsgruppe generell zum Zusammenhang von Handel und Entwicklungs-, Sozial- und Umweltpolitik im Kontext der Globalisierung vorschlug.103 Bei der vierten Ministerkonferenz in Doha im November 2001 konnten sich diese Vorstöße gegen die ablehnende Haltung der meisten Vertreter der Entwicklungsländer jedoch nicht durchsetzen. So beschränkten sich die Mitgliedstaaten in ihrer Abschlusserklärung darauf, die in der Singapore-Declaration eingenommene Position zu bekräftigen: „We reaffirm our declaration made at the Singapore Ministerial Conference regarding internationally recognized core labour standards. We take note of work under way in the International Labour Organization (ILO) on the social dimension of globalization.“104

Die im November 2001 ins Leben gerufene ILO-Kommission zum Thema „Soziale Dimensionen der Globalisierung“, auf die in dieser Abschlusserklärung Bezug genommen wurde, betonte in ihrem Abschlussbericht die Bedeutung einer kohärenten Strategie aller internationalen Organisationen bei der Schaffung „fairer Regeln“ in der Weltwirtschaft, bezog jedoch zum Thema einer Integration von sozialen Mindeststandards in das WTO-Recht nicht ausdrücklich Stellung.105 Das Schicksal einer Sozialklausel in der WTO ist daher weiterhin offen.

102 Singapore Ministerial Declaration vom 18. 12. 1996, WTO-Dok. Nr. WT / Min(96) / DEC, ad 4; der gesamte Wortlaut findet sich unter http: / / www.wto.org / english / thewto_e / minist_e / min96_e / wtodec_e.htm (01. 09. 2004). 103 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 60 f. 104 Doha Ministerial Declaration vom 20. 11. 2001, WTO-Dok. Nr. WT / MIN(01) / DEC / 1, ad 8 (http: / / www.wto.org / english / thewto_e / minist_e / min01_e / mindecl_e.htm) (01. 09. 2004). 105 ILO, Eine faire Globalisierung (2004), S. 88 ff. Zur Arbeit der „World Commission on the Social Dimension of Globalization“, die nicht mit der seit 1994 ebenfalls im Rahmen der ILO existierenden „Working Party on the Social Dimension of Globalization“ verwechselt werden darf, siehe allgemein http: / / www.ilo.org / public / english / wcsdg / index.htm (01. 09. 2004); Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 181 ff. Vgl. dazu auch unten § 8 II.1.c).

2. Teil

Ethisch motivierte Sozialklausel § 6 Zielsetzung Der Ausgangspunkt einer ethisch motivierten Sozialklausel sind die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen in vielen Entwicklungsländern. Im Fokus stehen etwa birmanische Zwangsarbeiter, pakistanische Kinderarbeiter oder Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. An dieser Stelle geht es nicht um die Frage, welche Auswirkungen internationaler Handel auf die Sozialstandards in Entwicklungsländern hat. Stattdessen wird untersucht, ob der internationale Handel als Druckmittel benutzt werden kann, um diese Bedingungen zu verbessern. Thematisiert wird somit keine materielle Verknüpfung, sondern die Verwendung des Handelsrechts zur Hebung der Sozialstandards in Entwicklungsländern. Es handelt sich also um eine strategische Form von Verknüpfung.1 Eine ethisch motivierte Sozialklausel weist eine Parallele zur allgemeinen Entwicklungszusammenarbeit auf: Auch dort ist das Ziel die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Menschen in Entwicklungsländern. Zwar steht eine Sozialklausel im Ruf, mit dem Mittel negativer Sanktionierung zu arbeiten, statt wie die Entwicklungszusammenarbeit auf ein Anreizmodell unterstützender Zusammenarbeit zu setzen. Doch erstens gibt es, wie bereits geschildert,2 bestimmte Unterformen der Sozialklauseln, die ebenfalls mit einem Anreizmodell arbeiten. Außerdem existiert eine Verknüpfung der Hilfe mit materiellen Kriterien, also die Androhung der Mittelkürzung bei Nichteinhaltung bestimmter Standards, auch auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit: Inzwischen wird die Zusammenarbeit in den meisten Fällen von zum Teil weitgehenden Bedingungen abhängig gemacht, man spricht von konditionierter Entwicklungszusammenarbeit. 3 Gerade die Verwendung einer Sozialklausel im Rahmen Allgemeiner Präferenzsys1 Zur Unterscheidung zwischen materieller und strategischer Verknüpfung siehe oben unter § 4 IV. 2 Siehe oben unter § 4 III. 3 Schon 1991 wurde beispielsweise die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands von menschenrechtlichen und ordnungspolitischen Kriterien abhängig gemacht, vgl. BMZ (Hrsg.), Neue politische Kriterien (1991); Waller, Menschenrechtsorientierung in der Entwicklungszusammenarbeit (1993). Zu den aktuellen Anforderungen siehe http: / / www.bmz. de / de / service / infothek / fach / konzeptebmz / index.html (01. 09. 2004).

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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teme hat von ihrer Zielrichtung und Vorgehensweise viele Gemeinsamkeiten mit dieser Form der Konditionierung. Gleichzeitig umfasst Entwicklungszusammenarbeit aber mehr als eine auf reine Handelsbeziehungen reduzierte Beziehung zwischen den beteiligten Staaten: Daneben kommen vielfältige Elemente wie beispielsweise technische Hilfe, Projektfinanzierung oder Politikberatung zum Einsatz. Die Fokussierung einer ethisch motivierten Sozialklausel auf die Handelsbeziehungen der beteiligten Länder betrifft daher nur einen Teilbereich dessen, was Gegenstand von Entwicklungszusammenarbeit sein kann. Aus einer ethischen Perspektive kann man eine Sozialklausel deshalb als eine Unterform der Entwicklungszusammenarbeit verstehen.

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel Bezüglich staatlicher Entwicklungszusammenarbeit liegt es auf der Hand, dass es keine pauschale Antwort auf die Frage geben kann, ob diese Zusammenarbeit zu befürworten ist oder nicht: Das hängt zu einem entscheidenden Teil vom jeweiligen Inhalt ab. Das Gleiche gilt für eine ethisch motivierte Sozialklausel: Ob sie in das WTO-Recht integriert werden soll oder nicht, hängt nicht zuletzt davon ab, welcher Inhalt ihr zukommt. Statt also generell die Argumente für oder wider eine solche Sozialklausel zu diskutieren, muss an erster Stelle untersucht werden, welche Sozialstandards aus ethischer Perspektive mit dem internationalen Handel verknüpft werden sollten. Aus einer ethischen Perspektive kommen grundsätzlich alle wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Betroffenen in Betracht. Anders als durch den oft verwendeten Begriff der Arbeitsstandards angedeutet, gibt es aus dieser Perspektive keinen erkennbaren Grund, weshalb nur die Arbeitsbedingungen mit dem Druckmittel der Handelsbeziehungen verbessert werden sollten, nicht aber die Lage der nichtarbeitenden Bevölkerung.

I. Sichtung der möglichen Standards Wird wie an dieser Stelle die Frage der Integration einer Sozialklausel in eine Internationale Organisation erörtert, erscheint es unumgänglich, den materiellen Gehalt an internationalen Übereinkünften zu orientieren. Eine ethische Perspektive geht zwar konzeptionell über das positive Recht hinaus. Eine Einigung der Staatengemeinschaft in der Frage einer Sozialklausel ist realistischerweise jedoch nur dann zu erwarten, wenn dabei an bestehende Normen angeknüpft werden kann, anstatt völlig neue Standards zu entwickeln. Dass dabei der Ausgangspunkt nicht nationale, sondern internationale Bestimmungen sein müssen, folgt neben diesen pragmatischen Erwägungen auch aus dem inhärent universalen Anspruch des ethi-

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

schen Konzepts, das ja grundsätzlich auf die Besserung der Lebensbedingungen unabhängig von Ort und Umständen abzielt4. Anders als bei unilateralen Sozialklauseln, die zum Teil auf nationalen oder regionalen sozial- und arbeitsrechtlichen Standards basieren,5 sollten also Kodifikationen auf globaler Ebene zum Ausgangspunkt der Überlegungen gemacht werden.

1. Internationale Menschenrechtsverträge Eine Reihe von sozialen Mindeststandards findet sich in völkerrechtlichen Bestimmungen zu Menschenrechtsfragen.

a) Entstehung und Systematik Im klassischen Völkerrecht, das lediglich Staaten als souveräne Akteure kannte, existierten keine international verbindlichen Individualrechte. Selbst elementare Freiheiten wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit wurden als exklusive Staatsdomäne verstanden, in die einzugreifen eine Einmischung in innere Angelegenheiten bedeutet hätte.6 Einen Wendepunkt stellte der Zweite Weltkrieg dar: Die Erfahrung, dass die massiven Menschenrechtsverstöße im nationalsozialistischen Deutschland keine klaren Verstöße gegen internationales Recht darstellten, stärkte die Vorstellung, dass Menschenrechte ein internationales Anliegen seien. Das sich in den Nachkriegsjahren schnell entwickelnde Menschenrechtsregime stellt einen Versuch dar, staatliche Souveränität an universell geltende Werte und Normen zu binden und bringt damit die staatliche Handlungsfreiheit in ein Spannungsverhältnis zu Individualrechten.7 Die internationalen Menschenrechte können grob in drei „Generationen“ unterteilt werden:8 Eine erste Generation von Menschenrechten bezieht sich auf eine Vgl. dazu unten § 6. Insbesondere die USA verwenden in verschiedenen Fällen nationale Standards, vgl. Scherrer / Greven, Global Rules for Trade (2001), S. 70 und die historische Übersicht bei Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (568 f.). 6 Blanke, AVR 36 (1998), S. 257 ff. (262 f.); Hailbronner, Der Staat und der Einzelne (2001), Rn. 224 m. w. N.; Stichwort „Nichteinmischung“, in: Seidl-Hoheveldern (Hrsg), Völkerrecht-Lexikon (2001), S. 296 ff. (297). 7 Vgl. Ermacora, Menschenrechte (1974), S. 441 ff.; Donelly, Int’l Org. 40 (1986), S. 599 ff. (614 f.); Schaber, Internationale Verrechtlichung (1996), S. 76 ff.; Blanke, AVR 36 (1998), S. 257 ff. (264). 8 Vgl. Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1250; Hinkmann, Philosophische Argumente (1996), S. 10 ff.; Schaber, Internationale Verrechtlichung (1996), S. 74 f.; Hailbronner, Der Staat und der Einzelne (2001), Rn. 243. 4 5

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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abwehrrechtliche Position, also auf den Schutz bürgerlicher und politischer Freiheiten vor dem Staat. Zu dieser liberalen Generation gehören beispielsweise das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf freie Religionsausübung. Eine zweite Generation umfasst Teilhaberechte im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich, wie beispielsweise das Recht auf Arbeit, Gesundheit und soziale Sicherheit. Diese soziale Dimension liegt im Fokus der vorliegenden Arbeit. Eine dritte Generation zeichnet sich durch ihre Loslösung von einem individualistischen Konzept aus und beinhaltet kollektive Rechte wie etwa das Recht auf Selbstbestimmung der Völker, auf Entwicklung und eine intakte Umwelt. Zwar bestehen durchaus Überschneidungen und Wechselwirkungen zwischen diesen kollektiven Rechten und Sozialstandards: Beispielsweise können arbeitsrechtliche Minimalstandards als Teilelement des Rechts auf Entwicklung verstanden werden. Das Konzept der kollektiven Rechte kann jedoch – wie beispielsweise das Selbstbestimmungsrecht zeigt – quer liegen zur ursprünglichen Idee der Menschenrechte als Kontrapunkt zur umfassend verstandenen staatlichen Souveränität. Vor allem aber ist es wegen der Unbestimmtheit von Inhalt und Trägern der kollektiven Rechte bisher nicht gelungen, sie rechtlich handhabbar zu gestalten.9 Deshalb sollen sie hier ausgeklammert bleiben. b) Das Menschenrechtssystem der UN Gemäß Art. 55 UN-Charta10 haben die UN die Aufgabe, „die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg“ sowie „die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion“ zu fördern. Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung dieser Aufgabe erfolgte im Jahre 1948, als die UN-Generalversammlung das erste umfassende Dokument internationaler Menschenrechte verabschiedete, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.11 Dieses Dokument entwickelte sich zur Grundlage der weiteren Kodifizierung der internationalen Menschenrechte. Die Erklärung enthält neben einer umfassenden Aufzählung verschiedener Rechte der ersten Generation auch eine Anzahl sozialer Rechte, etwa das Recht auf soziale Sicherheit (Art. 22), auf Arbeit, gleichen Lohn und Koalitionsfreiheit (Art. 23), auf Erholung und Freizeit (Art. 24) sowie auf soziale Betreuung (Art. 25). 9 Kritisch beispielsweise auch Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1250; Partsch, VN 34 (1986), S. 153 ff. (156 ff.); Barthel, Menschenrechte der dritten Generation (1991). 10 BGBl. 1973 II, S. 431, zu finden auch unter http: / / www.runiceurope.org / german / charta / charta.htm (01. 09. 2004). 11 UN Doc. GA Res. 217 A (III) vom 10. 12. 1948. Eine deutsche Fassung ist zu finden im Sartorius II Nr. 19 und unter http: / / www.unhchr.ch / udhr / lang / ger.htm (01. 09. 2004).

4 Spelten

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

Die Einheit liberaler und sozialer Rechte, die sich in der Erklärung noch widerspiegelt, fand jedoch mit dem Aufkommen des Ost-West-Konflikts ein Ende, so dass die Ausarbeitung einer bindenden Kodifikation der Menschenrechte 1966 zu einer Aufspaltung in zwei Konventionen führte – den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwsR)12. Während beispielsweise die Vereinigungsfreiheit und das Diskriminierungsverbot in Art. 22 bzw. 26 IPbpR statuiert werden, finden sich im IPwsR eine differenzierte Niederlegung des Rechts auf Arbeit (Art. 6), auf gerechte Arbeitsbedingungen (Art. 7), auf soziale Sicherheit (Art. 9), angemessenen Lebensstandard (Art. 11) und Gesundheit (Art. 12) sowie Gewerkschaftsfreiheiten (Art. 8). Zu erwähnen sind auch die ergänzenden UNÜbereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 196613 und zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau von 197914 sowie die UN-Kinderrechtskonvention von 198915, in der neben dem Recht auf Gesundheitsschutz und soziale Sicherheit (Art. 24 und 26) auch Arbeitsschutzbestimmungen (Art. 32) enthalten sind – allerdings ohne Festlegung eines bestimmten Mindestalters oder maximaler Arbeitszeiten. Diese Konventionen wurden von einer Vielzahl von Staaten ratifiziert16 und stellen für die Vertragsparteien bindendes Recht dar. Allerdings haben einige der Länder, in denen soziale Mindeststandards besonders oft unterschritten werden – wie etwa China, Indonesien und verschiedene arabische Staaten – eine Ratifizierung der Konventionen bisher abgelehnt,17 und viele weitere Staaten haben die Ratifikation mit Reservationen verbunden, die oft eine erhebliche Einschränkung der Verpflichtungen bedeuten.18 Außerdem verpflichtet der IPwsR jeden Vertragsstaat nur dazu, „unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln ( . . . ) die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu gewährleisten“19 – eine starke Relativierung der darin enthaltenen Rechte.

UN Doc. GA Res. 2200 A (XXI) vom 16. 12. 1966; BGBl. 1973 II, S. 1534 und 1570. BGBl. 1969 II, S. 961. 14 BGBl. 1985 II, S. 648. 15 BGBl. 1992 II, S. 122. 16 Im Juni 2004 waren 152 Staaten Vertragsparteien des IPbürgR und 149 Staaten Vertragsparteien des IPwirtR; vgl. http: / / www.unhchr.ch / pdf / report.pdf (01. 09. 2004); die Kinderrechtskonvention ist inzwischen von fast allen Staaten ratifiziert worden, Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 87. 17 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 87. 18 Eine Auflistung der Reservationen findet sich in der Datenbank unter http: / / untreaty.un.org (01. 09. 2004). 19 Art. 2 Abs. 1 IPwirtR (Hervorhebung des Verf.). 12 13

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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2. Die ILO Während soziale Rechte und Arbeitsstandards in allgemeinen Menschenrechtsverträgen nur einen Aspekt unter vielen darstellen, existiert mit der 1919 gegründeten ILO eine Internationale Organisation, deren Aufgabenbereich ausschließlich in diesem Bereich liegt. Diese Organisation mit ihrem unkonventionellen Aufbau und der sozialen Zielsetzung wird manchmal als „wohl idealistischste und zukunftsgerichtetste“ internationale Institution bezeichnet, die je geschaffen wurde.20

a) Gründung Bereits 1901 war die International Association for Labor Legislation, die direkte Vorgängerin der ILO, in Paris gegründet worden. Unter Teil XIII des Versailler Friedensvertrages, also mit der Zielrichtung einer friedlichen Nachkriegsordnung,21 entstand im Jahre 1919 dann die ILO als Internationale Organisation mit Sitz in Genf22. Mit Gründung der UN 1945 wurde die ILO als einzige überlebende Organisation des Völkerbundes in deren institutionelle Struktur eingebunden und war damit die erste selbstständige UN-Sonderorganisation23. Ihre Kompetenzen übt sie jedoch unabhängig von den UN-Organen aus, denn Sonderorganisationen der UN sind unmittelbar nur dem jeweiligen Leitungsgremium verantwortlich.24 Basierend auf der Erklärung von Philadelphia25 erfolgte in der Nachkriegszeit eine Neuausrichtung der Organisation: Bis zum Jahre 1970 war 20 Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (175) (Übersetzung des Verf.). Im Jahre 1969 erhielt die ILO den Friedensnobelpreis. Vgl. umfassend zur Entstehung und Arbeitsweise der ILO Cruz / Potobsky / Swepson (Hrsg.), The International Labor Organization (1996); Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 46 ff. 21 Vgl. dazu Leary, Workers’ Rights (1996), S. 186; Kreuzaler, Internationale Arbeitsorganisation (2002), S. 45. 22 Aus der Präambel der ILO lassen sich drei Motive für deren Gründung ersehen: Erstens bestand eine humanitäre Überzeugung, die schlimmsten Formen von sozialer Not nicht zulassen zu dürfen. Gleichzeitig war diese Überzeugung aber – insbesondere mit Blick auf die Entwicklungen in den UdSSR – nie frei von der Furcht, diese Not könnte zu Aufständen und Revolutionen führen. Schließlich bestand auch die Furcht, dass niedrige Sozialstandards in einem Land die Entwicklung höherer Standards in anderen Ländern erschweren könnten. Vgl. den Text der Präambel unter http: / / www.ilo.org / public / english / about / iloconst.htm (01. 09. 2004) sowie Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (170); Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (8); McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (44); Murer, ZIAS 2001, S. 342 ff. (344 ff.); Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte (2002), S. 17 und Darstellung unter http: / / www.ilo.org / public / english / about / history.htm (01. 09. 2004). 23 Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (170); Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 8. 24 Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 72. 25 Vgl. dazu Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte (2002), S. 21 f.

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

aus der ursprünglich auf Industrieländer beschränkten ILO eine Organisation mit quasi-universeller Mitgliedschaft geworden, in der die Industrieländer eine Minderheit darstellten.26

b) Aufbau und Funktionsweise Zentrales Beschlussorgan der ILO ist die jährlich stattfindende Internationale Arbeitskonferenz27. Ihre Zusammensetzung spiegelt die dreigliedrige Struktur der ILO wider: Aus jedem Mitgliedstaat nehmen neben zwei Regierungsvertretern auch je ein Vertreter der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberverbände mit vollen Stimmrechten teil28. Sämtliche Delegierte sind nicht weisungsgebunden, sondern können ihre Stimme unabhängig abgeben29. Formal untergeordnetes, aber in der Praxis wohl wichtigstes Organ ist der Verwaltungsrat, der ebenfalls dreigliedrig aufgebaut ist. Zusammen mit dem Internationalen Arbeitsamt und dem diesem vorstehenden Generaldirektor nimmt er die exekutiven Aufgaben wahr30. Die ILO hat vier Hauptaktivitäten: Erstens werden von der Internationalen Arbeitskonferenz mit Zweidrittelmehrheit Konventionen verabschiedet, die von den Staaten durch Ratifikation angenommen werden. Zweitens kann die Konferenz auch nichtbindende, konkrete Empfehlungen abgeben.31 Drittens leistet die Organisation technische Hilfe bei der Umsetzung der Konventionen und allgemein zur Förderung der Arbeitsbedingungen in den Mitgliedstaaten.32 Schließlich gibt es auch einen differenzierten Kontroll- und Überwachungsmechanismus.33

c) Sozialstandards im Recht der ILO Schon die Vorgängerorganisation der ILO, die International Association for Labor Legislation, verabschiedete im Jahre 1905 Konventionen zu zwei relativ unstreitigen, aber auch begrenzten Themen, nämlich dem Verbot der industriellen Nutzung von weißem Phosphor (und damit auch des Handels mit Streichhölzern mit dieser Chemikalie) und dem Verbot der Nachtarbeit von Frauen. Diese Konventionen wurden in Europa umfassend ratifiziert.34 Erst nach dem Ende des zweiVgl. http: / / www.ilo.org / public / english / about / history.htm (01. 09. 2004). Art. 2a ILO-Verfassung. 28 Art. 3 Abs. 1 ILO-Verfassung. 29 Art. 4 Abs. 1 ILO-Verfassung. 30 Art. 7 und 14 ILO-Verfassung. Vgl. dazu Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte (2002), S. 24 f. 31 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 16; Leary, Workers’ Rights (1996), S. 187. 32 Vgl. dazu Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 47 ff. 33 Dazu unten § 8 II.1.b). 26 27

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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ten Weltkriegs änderte sich die Qualität der Konventionen. Statt der Regulierung reiner Arbeitsbedingungen wurden nun zunehmend auch Menschenrechte zum Gegenstand des ILO-Rechts. Inzwischen existieren 185 Konventionen,35 und sie stellen für wohl alle wichtigen Bereiche der Arbeitsbeziehungen Mindestbestimmungen auf – genannt seien nur gewerkschaftliche Rechte, das Verbot von Zwangsarbeit, Diskriminierungsverbote, Arbeitszeit-, Gesundheits- sowie Sicherheitsstandards, Mindestlohnbestimmungen und Einschränkungen der Kinderarbeit. Daneben gibt es aber auch Konventionen zu den verschiedensten Sonderfragen: So findet man beispielsweise Regelungen zur Zahlung einer Abfindung an Matrosen im Fall eines Schiffsuntergangs (Konvention Nr. 8 aus dem Jahre 1920) oder zu den Rechten von Ureinwohnern (Konvention Nr. 169 aus dem Jahre 1989). Zu Beginn der 90er Jahre hatte dies der ILO den Ruf einer inhaltlich völlig überfrachteten Organisation erbracht. Durch diese Ausuferung des ILO-Rechts, aber auch aufgrund fundamentaler Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Inhalts mancher Konventionen besteht ein erhebliches Ratifikationsdefizit: Zahlreiche Konventionen sind nur von einem kleinen Teil der Staaten ratifiziert worden – so ist beispielsweise die Konvention Nr. 168 (1988) zum Schutz vor Arbeitslosigkeit nur von 6 Ländern, die Konvention Nr. 157 (1982) zu bestimmten Fragen der Sozialversicherung sogar nur von 3 der insgesamt 177 Mitgliedstaaten ratifiziert worden.36 Auch Industrienationen weisen zum Teil eine niedrige Ratifizierungsquote auf; so haben etwa die USA nur 14 Konventionen ratifiziert.37 Diese Defizite mindern die Geeignetheit der ILOKonventionen, als Basis für den materiellen Gehalt einer Sozialklausel zu dienen.

3. Codes of Conduct Eine dritte mögliche Quelle für internationale Sozialstandards sind Verhaltensstandards für Unternehmen, sogenannte „codes of conduct“.38 Dabei sind Kodizes, die staatlichem Handeln in internationalen Organisationen entspringen, zu unterscheiden von Kodizes, die auf privater Ebene zwischen einzelnen Unternehmen oder Unternehmensgruppen vereinbart werden. 34 Leary, Workers’ Rights (1996), S. 185, Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 15. 35 Stand: September 2004, vgl. die ILO-Datenbank unter http: / / www.ilo.org / ilolex / english / index.htm (01. 09. 2004). Siehe auch Scherrer / Greven (2001), S. 42 ff. 36 Stand: September 2004, vgl. http: / / www.ilo.org / ilolex / english / index.htm (01. 09. 2004). 37 Ebd.; zum Vergleich: Deutschland 83; Niederlande 105; Frankreich 128. 38 Allgemein dazu etwa Scherrer, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 245 ff. (253 f.); ders. / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 99 ff.; Howse, J. Small & Emerging Bus. L. 3 (1999), S. 131 ff. (160 f.); Dickerson, Fla. L. Rev. 53 (2001), S. 611 ff.; Palm, IPS 3 / 2001, S. 322 ff.

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

Im Rahmen der Debatte um eine „Neue Weltwirtschaftsordnung“39 in den 70er Jahren wurden mehrere staatliche Kodizes auf internationaler Ebene verabschiedet. Den Anfang machte der Wirtschafts- und Sozialrat der UN, der 1972 eine Kommission zur Erarbeitung eines code of conduct für transnationale Unternehmen gründete. Allerdings wurde der erarbeitete Entwurf nie von der Generalversammlung behandelt40. 1976 folgten die „Guidelines for Multinational Enterprises“ der OECD, die neben einigen wirtschaftlichen Richtlinien in einem separaten Kapitel auch die Rechte von Arbeitnehmern (beispielsweise Gewerkschaftsrechte, Nichtdiskriminierung und Arbeitsplatzsicherheit) behandeln.41 Im Jahre 2000 wurden diese Guidelines überarbeitet und insbesondere um bestimmte Sozialstandards (etwa das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit) erweitert.42 Im Rahmen der ILO wurde 1977 die „Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy“ verabschiedet, in der Unternehmen zur Einhaltung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Menschenrechtspakte, der ILO-Verfassung und verschiedener ILO-Konventionen aufgerufen werden.43 Schließlich wurde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos am 31. Januar 1999 von UN-Generalsekretär Kofi Annan das Netzwerk „Global Compact“ ins Leben gerufen, an dem verschiedene UN-Organisationen, Staatenvertreter, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen beteiligt sind.44 Als inhaltliche Leitlinien dienen neun Prinzipien aus den Bereichen der Menschenrechte, der Arbeitsbeziehungen (hier insbesondere das Verbot der Zwangsarbeit, der Kinderarbeit und der Geschlechterdiskriminierung) sowie des Umweltschutzes. Auf privater Ebene gibt es eine unüberschaubare Zahl von Kodizes, die von einzelnen Unternehmen, Industriezweigen, Nichtregierungsorganisationen und sogar Schulen aufgestellt werden.45 Gerade in den USA und Großbritannien haben die meisten der großen Unternehmen die Einhaltung bestimmter Richtlinien erklärt, und in den letzten Jahren ist hier ein regelrechter Boom zu erkennen.46 Obwohl Arbeitsbeziehungen neben Umweltschutz zu den Hauptelementen der Kodizes ge39 Vgl. dazu z. B. BMZ, Weltwirtschaftsordnung (1978); Matthies, Neue Weltwirtschaftsordnung (1980); Wolfrum, Austausch von Waren und Dienstleistungen (1996), Rn. 56 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 232 ff. 40 Siehe dazu Tiewul, Transnational Corporations (1988), S. 110 ff. 41 Vgl. dazu Blanpain, OECD Guidelines (1979 – 85) und die Zusammenfassung bei OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 192 ff. 42 Vgl. dazu OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 71 f. 43 http: / / www.ilo.org / public / english / standards / norm / sources / mne.htm#added (01. 09. 2004). 44 http: / / www.unglobalcompact.org / Portal / Default.asp (01. 09. 2004). Vgl. dazu Blüthner, Global Compact (2003). 45 Siehe dazu etwa die Zusammenstellung bei http: / / www.codesofconduct.org / (01. 09. 2004). 46 Vgl. OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 72 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 103 ff. Beispielhaft dazu Henke, Globalization and Social Standards (2002).

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hören, haben sich jedoch keine gemeinsamen Sozialstandards entwickelt, die als Grundlage für eine Sozialklausel herangezogen werden könnten47. Eine ähnliche Zielrichtung verfolgen auch Siegelungskampagnen beispielsweise im Kaffee- oder Teppichsektor48. Auch hier ist jedoch keine kohärente Standardentwicklung auszumachen, denn die Kriterien beschränken sich jeweils auf einzelne Standards und sind auf enge Produktgruppen beschränkt49.

4. Sonstige Quellen Eine weitere mögliche Quellen internationaler Sozialstandards stellt die Entwicklungszusammenarbeit dar. Aus der Verwendung bestimmter Kriterien im Rahmen der bereits angesprochenen Konditionierung von Entwicklungszusammenarbeit50 lassen sich soziale Standards ableiten. Auch die Kreditvergaben von Weltbank und IWF werden oftmals an materielle Bedingungen geknüpft („conditional lending“)51. In beiden Fällen gehen die Anforderungen aber in der Regel weit über soziale Mindeststandards hinaus; oft steht ökonomische Stabilität im Mittelpunkt oder wird ein umfassendes Konzept nachhaltiger Entwicklung verfolgt. Außerdem ist auch hier keine Vereinheitlichung der Kriterien zu erkennen. Somit ist in diesen Bereichen keine taugliche Grundlage für den materiellen Gehalt einer Sozialklausel zu entdecken.

5. Systematisierung und Hierarchisierung Der Vielfalt und Zersplitterung der internationalen Sozialstandards wird seit einiger Zeit dadurch entgegengewirkt, dass Versuche der Systematisierung und Hierarchisierung unternommen werden. Zunächst kann die Komplexität der Regelungen dadurch verringert werden, dass Überschneidungen zwischen den verschiedenen Rechtsquellen aufgezeigt werden. Einen interessanten Vorstoß stellt dabei das auf Riedel zurückgehende Konzept der „Kombinationsstandards“ dar:52 Danach zeichnen sich völkerrechtliche Menschenrechtsstandards durch eine Kombination verschiedener Rechtsquellen mit unterSiehe OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 73. Vgl. etwa Betz, IPS 2 / 2000, S. 310 ff.; Trabold, APuZ 48 / 2000, S. 23 ff.; Benner / Reinicke / Witte, Innovating Governance (2002), S. 105 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 115 ff. 49 Vgl. Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 101 f. 50 Siehe oben unter § 6. 51 Siehe für den IWF http: / / www.imf.org / external / np / exr / facts / conditio.htm (01. 09. 2004); vgl. auch OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 57 ff. 52 Riedel, Theorie der Menschenrechtsstandards (1986), S. 302 ff. 47 48

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

schiedlichem Abstraktionsniveau, Verpflichtungsgrad und unterschiedlicher Normverdichtung aus. Allgemein formulierte, nicht rechtsverbindliche Grundsätze etwa der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte könnten danach zusammen mit den konkreteren Normierungen der Menschenrechtspakte oder der ILO-Konventionen einen einheitlichen Standard bilden. Konzeptionell ist dieses Modell auch für Verhaltenskodizes offen. Ein Beispiel für einen solchen Kombinationsstandard ist das Recht der Koalitionsfreiheit. Es findet sich nicht nur in Art. 23 Abs. 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in Art. 22 des IPbpR oder Art. 8 des IPwsR, sondern sehr differenziert auch in den ILO-Konventionen Nr. 87 (1948) und 98 (1949). Bis auf geringfügige Unterschiede besteht hier eine Deckungsgleichheit der Bestimmungen.53 Selbst in dem umstrittenen Bereich der Kinderarbeit gibt es zwar in vielen Fragen noch keinen allgemeinen Konsens,54 aber die verschiedenen internationalen Rechtsquellen ergänzen sich mit ihren unterschiedlichen Verpflichtungsgraden: Art. 10 Nr. 3 des IPwsR fordert allgemein den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor wirtschaftlicher und sozialer Ausbeutung und verpflichtet die Staaten zur Festsetzung von nicht weiter spezifizierten Altersgrenzen. Auch die UN-Kinderrechtskonvention beschränkt sich in Art. 32 auf eine solche offene Formulierung. Dagegen wird im Rahmen der ILO seit langem versucht, konkretere Regelungen zu erstreiten. Inzwischen beschäftigen sich 10 verschiedene ILO-Konventionen mit Fragen des Kinderschutzes – so regeln etwa die Konventionen Nr. 6 (aus dem Jahre 1919) und Nr. 90 (1949) das Verbot der Nachtarbeit für Kinder, Konvention Nr. 123 (1965) stipuliert ein Mindestalter von 16 Jahren für Minenarbeiter, und die umstrittene55 Konvention Nr. 138 (1973) setzt das allgemeine Mindestalter auf das Ende der Schulpflicht, mindestens aber auf 15 Jahre, fest (Art. 2 Abs. 3), wobei in Abs. 4 allerdings für Entwicklungsländer auch das Mindestalter von 14 Jahren zulässig sein soll. Neuerdings verbietet Konvention Nr. 182 (1999) die „schlimmsten Formen“ der Kinderarbeit, namentlich Sklaverei, Prostitution, illegale Tätigkeiten wie etwa Drogenhandel sowie Tätigkeiten, die „Gesundheit, Sicherheit oder Moral“ der unter Achtzehnjährigen schädigen könnten (Art. 3). Eine solche Querschnittsbetrachtung der Standards ergibt zwar immer noch eine Vielzahl von Standards, schärft aber den Blick für eine qualitative Kategorisierung: Ein besonderer Verpflichtungsgrad könnte den Regelungen zukommen, die einen „overlapping consensus“ darstellen, sich also in allen relevanten Rechtsquellen wiederfinden.

53 Swepston, Int’l Lab. Rev. 137 (1998), S. 169 ff. (173); vgl. auch Sautter, Hbg. Jb. Wirt. & Ges.pol. 40 (1995), S. 235 ff. (242). 54 Vgl. Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (19 ff.). 55 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 84 f.

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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Die Bemühungen, die Sozialstandards im internationalen Recht zu hierarchisieren, münden in der Regel im Versuch, einen Kernbereich an Regelungen von der Vielfalt der Standards abzusetzen. Ihren bisher stärksten Ausdruck haben diese Bemühungen in einer ILO-Erklärung im Juni 1998 gefunden. Die „Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work“56 wurde maßgeblich vom Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995 beeinflusst. In dieser einstimmigen Erklärung der Internationalen Arbeitskonferenz wird eine Hierarchisierung der Konventionen vorgenommen, indem bestimmte fundamentale Rechte für alle Mitgliedstaaten der ILO für verbindlich erklärt werden – unabhängig davon, ob eine Ratifikation erfolgte oder nicht. Dabei handelt es sich um die Rechte, die in den sieben sogenannten fundamental conventions57 niedergelegt sind, nämlich gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit,58 das Recht auf Kollektivverhandlungen, die Eliminierung aller Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit und die Eliminierung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf. Ergänzt wurden diese Kernrechte durch die neue Kinderarbeitskonvention59. Von der Declaration ging eine erhebliche Dynamik für die Ratifizierung der fundamental conventions aus – die Anzahl der Staaten, die alle sieben dieser Konventionen ratifiziert haben, verdoppelte sich von 1995 bis 200060. Inzwischen sind alle von einer großen Mehrheit der 177 Mitgliedstaaten ratifiziert worden; das „Schlusslicht“ bildet die noch immer umstrittene Mindestalter-Konvention Nr. 138 mit momentan 134 Ratifikationen61. Was die Declaration jedoch zu einer Wasserscheide im Recht der internationalen Sozialstandards macht, ist ihre Ausstrahlungswirkung auf andere Rechtsquellen: So beziehen beispielsweise die neuen OECD Guidelines, aber auch das Global Compact-Programm der UN62 diese Kernbestimmungen ausdrücklich mit ein. Möglicherweise dient sie auch als Kristallisationspunkt für eine Vereinheitlichung der privaten codes of conduct, so dass langfristig ein ungewöhnlich starker internationaler Konsens für diesen Kernbereich an Sozialstandards entstehen könnte. 56 ILO-Dokument CIT / 1998 / PR20A, zu finden unter http: / / www.ilo.org / public / english / standards / relm / ilc / ilc 86 / com-dtxt.htm (01. 09. 2004); siehe dazu OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 17 ff.; Kreuzaler, Internationale Arbeitsorganisation (2002), S. 50 f.; Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte (2002), S. 292 f. Kritisch dazu Alston, EJIL15 (2004), S. 457 ff. 57 Dazu zählen die Konventionen Nr. 29 (1930), 87 (1948), 98 (1949), 100 (1951), 105 (1957), 111 (1958), 138 (1973); vgl. auch Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 14 ff. 58 Dieses Recht hatte schon zuvor eine Sonderstellung, da es ausdrücklich in der ILO-Verfassung niedergelegt ist und somit alle Mitgliedstaaten bindet, vgl. Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 84. 59 Konvention Nr. 182 (1999). 60 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 21 f. 61 Siehe http: / / www.ilo.org / ilolex / english / docs / declworld.htm (01. 09. 2004). 62 Siehe oben unter § 7 I.3.

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

II. Auswahl der Sozialstandards Welche Standards aus diesem komplexen Bereich internationalen Rechts für eine Sozialklausel herangezogen werden sollen, ist das Schlüsselproblem der Debatte.63 Ausgeklammert bleiben muss im Rahmen einer ethisch motivierten Untersuchung zunächst die Überlegung, welche Standards aus ökonomischen Motiven der Handelspartner – also insbesondere aus Angst vor einer Abwärtsspirale – in eine Sozialklausel integriert werden sollten.64 Ausschlaggebend sind an dieser Stelle lediglich Überlegungen, in welchem Umfang Verbesserungen der sozialen und wirtschaftlichen Lebenssituation der Menschen in den betroffenen Ländern durch den Druck einer Sozialklausel forciert werden können. Außerdem ist aus dieser Perspektive der jeweils gewählte materielle Gehalt für ein höheres Regelungsniveau offen: Ethisch motivierte Sozialstandards sind immer Mindeststandards. Die Auswahl der Sozialstandards ist jedoch untrennbar mit der Frage verbunden, ob eine Sozialklausel aus ethischer Perspektive überhaupt zu befürworten ist oder nicht: Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, richten sich viele Argumente gegen eine Sozialklausel nicht pauschal gegen das Konzept als solches, sondern beziehen sich in unterschiedlichem Maße auf die verschiedenen Standards. Statt also pauschal die Argumente für und wider „die“ Sozialklausel abzuwägen, ist eine gezielte Auswahl geeigneter Sozialstandards vorzugswürdig. In Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen eine Sozialklausel kann durch diese Vorgehensweise ein maßgeschneiderter Inhalt entwickelt werden.

1. Menschenrechtlicher Kerngehalt? Schon in einem relativ frühen Diskussionsstadium wurde in der Literatur – unabhängig von der jeweiligen Position, ob eine Sozialklausel das richtige Mittel zur Umsetzung dieser Standards sei – gefordert, den eventuellen Gehalt einer Sozialklausel auf einen Kernbestand an Normen zu reduzieren. Hauptgrund war die Vielfalt an Standards, die eine differenzierte Prüfung der Zweckgeeignetheit der Sozialklausel sonst praktisch unmöglich gemacht hätte. Über den Umfang dieses Kernbestandes gab es jedoch keine Einigung: Deckungsgleichheit wiesen die Vorschläge zwar meistens bezüglich der Koalitionsfreiheit und dem Verbot der Zwangsarbeit auf, aber die Aufnahme von Antidiskriminierungsbestimmungen und des Verbots der Kinderarbeit waren ebenso umstritten wie Bestimmungen zur Arbeitsplatzsicherheit, zu Arbeitszeitregelungen und Mindestlohnbestimmungen.65 So auch Leary, Workers’ Rights (1996), S. 214. Siehe dazu den 3.Teil der Arbeit. 65 Vgl. die Darstellung von acht verschiedenen Vorschlägen bei Liemt, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 433 ff. (436 ff.). Siehe auch Leary, Workers’ Rights (1996), S. 214 ff. sowie Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 15 ff. m. w. N. 63 64

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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Inzwischen lehnen sich viele Autoren bei ihrer Prüfung an die Inhalte der ILO-Declaration an,66 der somit auch für die wissenschaftliche Diskussion um eine Sozialklausel eine konsensstiftende Funktion zukommt. Allerdings gibt es auch aktuelle Ansätze, die den Kerngehalt weiter fassen, indem beispielsweise die Gewährleitung „angemessener Arbeitsbedingungen“ miteinbezogen wird67. Dabei ist erstaunlich, dass die Beschränkung auf den jeweiligen Kernbereich meistens68 nur sehr oberflächlich begründet wird. Gerade in den neueren Arbeiten beschränkt man sich oft darauf, pauschal darauf zu verweisen, es handele sich dabei um „universally accepted“69, „fundamental“70 oder „basic human rights“71. Insgesamt ist dabei gerade in der englischsprachigen Literatur eine terminologische Veränderung festzustellen – statt von Standards wird zunehmend der Begriff der Menschenrechte verwendet72. Auch nach der Enquete-Kommission des Bundestages „präzisieren und konkretisieren“ Sozialstandards „wirtschaftliche und soziale Menschenrechte“73 Zwar gibt es, wie bereits dargestellt, zahlreiche Überschneidungen, doch diese Sichtweise vernachlässigt Bereiche, die im Rahmen einer ethischen Betrachtung durchaus von Relevanz sind und die auch wichtige Ziele von Entwicklungszusammenarbeit sein können, wie beispielsweise Gesundheitsund Sicherheitsbestimmungen am Arbeitsplatz, soziale Absicherung und staatliche Gesundheitssysteme74. Teilweise wird zwischen den beiden Begriffen Arbeiterrechten und Sozialstandards unterschieden, um mit ersterem den Kernbereich des rechtlich Verbindlichen zu bezeichnen.75 Dadurch würden jedoch ebenfalls die Belange derjenigen, die kein formales Arbeitsverhältnis innehaben, ausgeklammert. Hier zeigen sich die 66 Vgl. etwa Wolffgang / Feuerhake, Internationale Sozialordnung (2000), S. 148 ff.; Moorman, Colum. J. Transnat’l L. 40 (2001), S. 555 ff. (581 ff.); Scherrer / Greven, Global Rules for Trade (2001), S. 42 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 10 ff.; Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 14 ff. Dies ist auch die von verschiedenen Gewerkschaften vertretene Position, vgl. Adamy, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln (1995), S. 14 f. 67 So etwa Bal, Minn. J. Global Trade 10 (2001), S. 62 ff. (67 ff.). 68 Vorsichtiger aber Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 122 f. 69 Scherrer / Greven, Global Rules for Trade (2001), S. 19. 70 Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (13 f.) m. w. N. 71 OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 26 f. 72 Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (26 ff.) m. w. N. So etwa auch Schulte, Arbeitnehmerrechte sind Menschenrechte (1995); Alben, Colum. L. Rev. 101 (2001), S. 1410 ff. (1410); Bal, Minn. J. Global Trade 10 (2001), S. 62 ff. (Fn. 1); Lim, JWT 35 (2001), S. 275 ff.; Vázquez, J. Int’l Econ. L. 6 (2003), S. 797 ff. 73 BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 170. Von einer „Nähe“ der ILO-Kernnormen zu Menschenrechten sprechen auch Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 15. 74 So auch Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (28 ff.) m. w. N. 75 Vgl. etwa Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 12; McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (50).

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

Schranken der ILO, die durch die Fokussierung ihrer Mitgliedschaft und ihrer Aufgabe auf das klassische Arbeitsverhältnis Defizite aufweist, sobald es um die Rechte der daran nicht beteiligten Personen geht.76 Trotz der begrüßenswerten Entwicklung im Recht der ILO darf also die Diskussion darüber, welche Standards mittels einer ethisch motivierten Sozialklausel umgesetzt werden sollten, nicht automatisch auf diesen hervorgehobenen Bereich beschränkt werden. Aus einer Perspektive, die einer entwicklungspolitischen Zielsetzung nahe steht, ist zunächst nicht einsichtig, warum nur ein bestimmter Kernbereich an Menschen- bzw. Arbeiterrechten gefördert werden soll.

2. Verletzung der staatlichen Souveränität? Ein gerade von Seiten der Entwicklungsländer oft geäußerter Grund, eine Sozialklausel abzulehnen oder zumindest den materiellen Umfang einer Sozialklausel möglichst gering zu halten, ist die Befürchtung, die Souveränität des betroffenen Staates werde beeinträchtigt. Sicherlich ist auf den ersten Blick die Handlungsfreiheit eines Staates um so geringer, je umfassender die Möglichkeiten seiner Handelspartner sind, durch wirtschaftliche Maßnahmen die Einhaltung sozialer Standards auf seinem Hoheitsgebiet zu forcieren. In welchem Maße diese Handlungsfreiheit völkerrechtlich geschützt ist, bedarf jedoch einer eingehenden Prüfung.77 a) Rechtliche Rahmenbedingungen Im internationalen System, das in weitem Maße immer noch dezentral aufgebaut ist, stellt staatliche Souveränität ein zentrales Prinzip dar: Grundsätzlich hat ein Staat die Berechtigung, frei über sein nach innen und nach außen gerichtetes Handeln zu entscheiden (vgl. Art. 2 Ziff. 1 UN-Charta). Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes im Nicaragua-Urteil von 1986 gehört dazu grundsätzlich auch die Wahl eines politischen, ökonomischen und sozialen Systems.78 Das bedeutet zwar einerseits, dass die Wahl bestimmter Sozialstandards im Hoheitsgebiet eines Staates – und damit auch die Freiheit von äußerem wirtschaftlichem Zwang, der darauf abzielt, diese Wahl zu korrigieren – von seiner inneren 76 Vgl. Leary, Workers’ Rights (1996), S. 215; Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (10 f.). Dagegen beschränkt sich der IPwsR nicht auf die Situation der formell Beschäftigten, sondern enthält beispielsweise eine Verpflichtung der Staaten zur Durchführung von gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen, die eine soziale Mindestsicherung zum Ziel haben, vgl. Sautter, Hbg. Jb. Wirt. & Ges.pol. 40 (1995), S. 235 ff. (242). 77 Geprüft werden soll hier nur die allgemeine völkerrechtliche Zulässigkeit einer Sozialklausel. Ausgeklammert werden an dieser Stelle Vorschriften aus besonderen vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere dem WTO-Recht; vgl. dazu unten § 8 II.3. 78 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Merits), Urteil des IGH vom 27. 06. 1986, ICJ Reports 1986, 14 (108).

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Souveränität geschützt wird. Gleichzeitig ist jedoch auch die Aufnahme bzw. der Abbruch wirtschaftlicher Verbindungen von der äußeren Souveränität der anderen Staaten geschützt und damit freiwillig – ein „ius commercii“, also eine Verpflichtung zu Handelsbeziehungen, kann dem Völkerrecht nicht entnommen werden79. Ein pauschaler Verweis auf das völkerrechtliche Prinzip staatlicher Souveränität hilft für dieses Problem also nicht weiter; eine unbeschränkte Souveränität aller beteiligten Staaten ist in diesem Bereich logisch ausgeschlossen. Wie dieses Spannungsverhältnis der miteinander konfligierenden Rechte gelöst wird, muss sich also aus anderen völkerrechtlichen Normen ergeben. Hintergrund für die völkerrechtliche Bewertung einer Sozialklausel ist die Diskussion um das Gebot der Nichtintervention. Der in Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta niedergelegte Grundsatz der Nichtintervention bindet nur die Organe der UN.80 Für den zwischenstaatlichen Bereich gilt zwar das Gewaltverbot des Art. 2 Ziff. 4 UNCharta, doch aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich eindeutig, dass wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen keine Gewalt im Sinne dieser Vorschrift darstellen81. Zwar gab es von Seiten der Entwicklungsländer, der sozialistischen Staaten und (während des Ölembargos) auch von einigen westlichen Autoren Versuche, auch nichtmilitärische Maßnahmen unter Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta zu subsumieren, die sich aber nicht durchsetzen konnten.82 Allerdings enthält die 1970 von der UN-Generalversammlung verabschiedete „Friendly Relations Declaration“ ein umfassenderes Interventionsverbot, denn neben bewaffneten werden auch „all other forms of interference or attempted threats against the personality of the State or against its political, economic and cultural elements“ als völkerrechtswidrig bezeichnet83. Die Friendly Relations Declaration hat zwar nur empfehlenden Charakter, stellt aber wohl inzwischen weitgehend bindendes Völkergewohnheitsrecht dar.84 Aller79 Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 179 ff. m. w. N.; Schröder, Verantwortlichkeit (2001), S. 601 f. Zum völkerrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit siehe etwa Kimminich / Hobe, Völkerrecht (2000), S. 201 f.; Stichwort „Verträge, allgemeines“, in: Seidl-Hoheveldern (Hrsg), Völkerrecht-Lexikon (2001), S. 472 ff. (472). 80 Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 491; Beyerlin, Nichteinmischung (2001), S. 296; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Quellen (2001), Rn. 76; Ermacora, in: Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Ziff. 7, Rn. 22. 81 Vgl. Kewenig, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen (1982), S. 11 ff.; Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 156 f.; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Ziff. 4, Rn. 29. 82 Vgl. Bryde, FS Schlochauer (1981), S. 229 ff. m. w. N.; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 498; Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 154 ff. 83 Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States, UN Doc. GA Res. 2625 (XXV) vom 24. 10. 1970, . 84 Davon geht auch der IGH in seinem Nicaragua-Urteil aus, vgl. ICJ Reports 1986, 14 (106 ff.). Vgl. Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 169 m. w. N.; Beyerlin, Nichteinmischung (2001), S. 296; Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Ziff. 4, Rn. 25.

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dings lässt ihre Formulierung offen, welche Kriterien herangezogen werden müssen, um eine bloße Auswirkung einer staatlichen Maßnahme auf einen anderen Staat (die bei praktisch jedem außenhandelsrelevanten Tun anzunehmen sein wird) von einer unzulässigen wirtschaftlichen Intervention abzugrenzen. Verschiedene Resolutionen der UN-Generalversammlung, die jede Form von Wirtschaftssanktionen als unzulässig bezeichnen,85 können wegen des ablehnenden Stimmverhaltens fast aller Industriestaaten nicht als bindendes Völkerrecht angesehen werden.86 In der Literatur besteht inzwischen weitgehende Einigkeit darüber, dass die wirtschaftliche Maßnahme eine gewisse Schwere aufweisen muss, um grundsätzlich als völkerrechtswidrig qualifiziert zu werden.87 Als Kriterium für die Schwere der Maßnahme wird angeführt, ob der Zwang für den sanktionierten Staat so groß ist, dass seine Entscheidungsfreiheit praktisch beseitigt ist. Über die Intensität der Maßnahme hinaus wird aber zum Teil auch auf das angestrebte Ziel der Sanktionierung abgestellt, also ob beispielsweise ein Rechtsanspruch auf das erwünschte Verhalten besteht oder ob Eigeninteressen des sanktionierenden Staates verfolgt werden.88 Schließlich wird teilweise auch die Sozialadäquanz oder Verwerflichkeit des Verhaltens als Kriterium seiner Rechtmäßigkeit angeführt.89 Während sich dem letzten Kriterium in Anbetracht der sehr schwankenden Verwendung wirtschaftlicher Sanktionierung im internationalen Bereich90 nur schwer ein greifbarer Gehalt zuordnen lässt,91 ergeben sich aus dem objektiven Zwangskriterium und dem subjektiven Zielerfordernis Grenzen für eine wirtschaftliche Sanktionierung, an denen im Folgenden eine Sozialklausel zu messen ist.

85 Insbesondere die Charter of Economic Rights and and Duties of the States, UN Doc. GA Res. 3281 (XXIX) vom 12. 12. 1974 sowie die Declaration on the Inadmissibility of Intervention and Interference in the Internal Affairs of States, UN Doc. GA Res. 360 / 103 vom 09. 12. 1981. 86 Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot (1987), S. 51 ff.; Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 169 f.; Schröder, Verantwortlichkeit (2001), S. 602; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I / 3 (2002), S. 799 ff.; Fischer, Friedenssicherung (2004), S. 1102 f. 87 Vgl. Oppermann, AVR 14 (1969 / 70), S. 321 ff. (339 f.); Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 175 f.; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln (1998), S. 183 f. m. w. N.; Beyerlin, Nichteinmischung (2001), S. 297. Kritisch Fischer, Friedenssicherung (2004), S. 1104. Ein abweichendes Konzept verfolgt Bockslaff, Interventionsverbot (1987). Allerdings können Rechtfertigungsgründe die Rechtswidrigkeit entfallen lassen; vgl. dazu unten § 7 II.2.c). 88 Z. B. Kewenig, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen (1982), S. 15 f.; Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 171 ff.; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 163; wohl auch Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot (1987), S. 91; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I / 3 (2002), S. 803 f. 89 Siehe etwa Bryde, FS Schlochauer (1981), S. 241 ff. m. w. N. 90 Vgl. dazu die umfassende aktuelle Darstellung von Hufbauer / Schott / Elliott, Economic Sanctions Reconsidered (2000). 91 So auch Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 176 f.

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b) Zwangswirkung einer Sozialklausel Für die Frage, ob auf die betroffenen Staaten durch eine Sozialklausel ein unzulässiger Zwang ausgeübt wird, müssen zunächst zwei Rahmenbedingungen beachtet werden: In einer immer stärker wirtschaftlich vernetzten internationalen Gemeinschaft92 befinden sich die meisten Staaten in einer starken Abhängigkeit vom internationalen Handel.93 Die internationale Arbeitsteilung führt zu einem Grad an Interdependenz, der eine autarke Lebensweise für Staaten praktisch unmöglich macht. Zweitens kann eine multilaterale Sozialklausel, wie sie hier diskutiert wird, einen viel stärkeren Druck auf die betroffenen Staaten ausüben als einseitige Maßnahmen einzelner Staaten. Durch die quasi-universelle Mitgliedschaft der WTO94 bestehen – ein gemeinschaftliches Vorgehen vorausgesetzt – kaum noch Ausweichmöglichkeiten. Grundsätzlich hat eine Sozialklausel im Recht der WTO also das Potential, erheblichen Zwang auf die sanktionierten Staaten auszuüben. Für das Ausmaß der Zwangswirkung entscheidend sind verschiedene Faktoren, die in der politischen und wissenschaftlichen Debatte meistens nicht differenziert beleuchtet werden, wenn die Möglichkeit einer Souveränitätsverletzung durch eine Sozialklausel diskutiert wird: Zunächst ist zu bedenken, dass es im Zusammenhang mit einer Sozialklausel eine Vielzahl von Unterformen wirtschaftlicher Sanktionierung gibt. Es können „Generalized Trade Sanctions“95 verhängt werden, also eine vollständige oder teilweise Blockade der Exportwaren des sanktionierten Staates (dann spricht man von einem Boykott) oder des Imports von ausländischen Gütern (dann spricht man von einem Embargo96). Demgegenüber beziehen sich „Preconditions for Trade in Specific Products“97 nur auf diejenigen Produkte, bei deren Herstellung die Sozialstandards verletzt werden.98 Vgl. dazu unten § 11 I. Darauf weist zum Beispiel auch Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 160 f. soowie Starck, Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen (2000), S. 30 f. hin. 94 Mit dem Beitritt Chinas und Taiwans Ende 2001 (vgl. dazu Berrisch, in: Prieß / Berrisch [Hrsg.], WTO-Hb. [2003], B.I.1., Rn. 173 f.) ist Russland nunmehr die letzte größere Handelsnation, die noch kein WTO-Mitglied ist, vgl. die Mitgliederliste unter http: / / www. wto.org / english / thewto_e / whatis_e / tif_e / org6_e.htm (01. 09. 2004) sowie die Informationen zu laufenden Beitrittsverhandlungen unter http: / / www.wto.org / english / thewto_e / acc_e / acc_e.htm (01. 09. 2004). 95 Terminologie von Bhagwati, Trade Linkage and Human Rights (1998), S. 242 f., vgl. dazu auch Stirling, Am. U. J. Int’l L. & Pol’y 11 (1996), S. 1 ff. (42 f.); Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 36 ff. 96 Vgl. Starck, Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen (2000), S. 26. Diese Unterscheidung geht auf die klassische Einteilung der Sanktionen bei Hufbauer / Schott, Economic Sanctions Reconsidered (1985), S. 28 zurück: Neben Exportlimitation und Importlimitation wird dort als drittes die Limitierung von Hilfeleistungen aufgeführt, die aber im Rahmen einer Sozialklausel keine Rolle spielt, sondern in den Bereich der konditionierten Entwicklungszusammenarbeit einzuordnen ist. 92 93

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Die Frage, welche dieser Arten wirtschaftlicher Sanktionierung im Rahmen einer Sozialklausel zur Anwendung kommen sollen, stößt auf Probleme, die mit dem komplexen materiellen Gehalt der Sozialklausel zusammenhängen: Beim Unterschreiten von Arbeitsplatzsicherheitsbestimmungen oder der Beschäftigung von Kindern kann ein direkter Bezug zu einem Produkt noch hergestellt werden, dessen Import in Drittländer unterbunden werden könnte. Andere Sozialstandards, wie etwa die Gewährung von Koalitionsfreiheit oder die Bereitstellung von Sozialversicherungssystemen, sind jedoch nicht betriebsbezogen, sondern erfordern ein Tätigwerden des jeweiligen Staates. In diesen Fällen ist also eine produktbezogene Sanktionierung gar nicht möglich. Einer einheitlichen Beurteilung entziehen sich auch die zu erwartenden Zwangswirkungen der verschiedenen Sanktionsarten: Empirische Studien zeigen zwar für viele Fälle genereller Wirtschaftssanktionen eine recht begrenzte Erfolgsquote, besonders wenn damit bezweckt wird, die menschenrechtliche Situation im betreffenden Staat zu verbessern.99 Trotzdem muss man angesichts der hohen Interdependenz der Staaten davon ausgehen, dass Boykotte und Embargos bei den meisten Staaten eine Zwangswirkung entfalten, die als grundsätzlich100 rechtswidrige Intervention zu qualifizieren ist. Dagegen verursacht der gezielte Einfuhrstopp bestimmter Produkte durch den dadurch verursachten Wegfall von Absatzmärkten zwar einen gewissen Druck auf den betroffenen Staat, jedoch in der Regel wohl keine die Entscheidungsfreiheit aufhebende Zwangslage. Ausnahmen gelten allerdings bei solchen Ländern, deren Wirtschaft sehr stark auf ein bestimmtes Produkt ausgerichtet ist, beispielsweise ein Entwicklungsland, das nahezu ausschließlich einen bestimmten Rohstoff exportiert. Damit ist ein weiterer ausschlaggebender Faktor angesprochen, die jeweilige Position des betroffenen Landes im Weltmarkt: Je nach Größe, Wirtschaftskraft, Außenhandelsquote und genereller Exportabhängigkeit können die gleichen Sanktionen sehr unterschiedliche Zwangslagen hervorrufen101. Spätestens hier zeigt sich, dass eine allgemeine Antwort auf die Frage der unzulässigen Zwangswirkung einer Sozialklausel unmöglich ist. Festgehalten werden kann nur, dass generelle Wirtschaftssanktionen völkerrechtlich problematischer sind als zielgerichtete Einfuhrverbote, ansonsten aber die jeweilige Verwendung Terminologie von Bhagwati, Trade Linkage and Human Rights (1998), S. 242 f. Eine andere Terminologie verwendet Cleveland, J. Int’l Econ. L. 5 (2002), S. 133 ff. (138 ff.) („tailored, semi-tailored, and general sanctions“). 99 Neben dem bereits erwähnten umfangreichen Werk Hufbauer / Schott / Elliott, Economic Sanctions Reconsidered (2000) vgl. auch die Belege in Dicke, Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln (1978), S. 207 ff.; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 139; Howse / Mutua, Protecting Human Rights (2000), S. 14; Rollo / Winters, World Economy 23 (2000), S. 561 ff. (569); Poeschke, Politische Steuerung durch Sanktionen? (2003), S. 101 ff. 100 Zu den Rechtfertigungsmöglichkeiten siehe sogleich unter c). 101 Sautter, Hbg. Jb. Wirt. & Ges.pol. 40 (1995), S. 235 ff. (239). 97 98

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der Klausel den Ausschlag gibt. Da jedoch eine Sozialklausel gerade darauf abzielt, das Verhalten des sanktionierten Staates zu ändern, also eine möglicht effektive Zwangslage zu erzeugen, besteht grundsätzlich durchaus ein Konflikt mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot.

c) Zielsetzung der Sozialklausel Zu untersuchen bleibt aber, welche Rolle die jeweils verfolgte Zielsetzung der Sanktionierung spielt. Eine auf ethische Motive gegründete Sozialklausel hat nicht das Ziel, die eigene wirtschaftliche oder politische Position zu stärken, sondern soll die sozialen Rechte der Betroffenen unterstützen und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des sanktionierten Staates fördern. Daraus könnte sich ein Rechtfertigungsgrund für eine ansonsten völkerrechtlich unzulässige Sanktion ergeben. Versteht man die Zielsetzung einer Wirtschaftssanktion als Rechtfertigungsmöglichkeit, kommt das allgemeine Repressalienrecht zur Anwendung. Eine Repressalie stellt, anders als eine Retorsion102, eine ansonsten rechtswidrige Maßnahme eines Völkerrechtssubjekts dar, die auf die Beseitigung einer Rechtsverletzung durch ein anderes Völkerrechtssubjekt gerichtet ist.103 Dabei müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, wie etwa die erfolglose Ausschöpfung einvernehmlicher Streitbeilegungsmechanismen oder die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.104 Die Verwendung einer Sozialklausel könnte also auch bei grundsätzlicher Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerechtfertigt sein, wenn der sanktionierte Staat seinerseits rechtswidrig gehandelt hätte.105 Im Rahmen der Sozialklausel-Debatte wird diese Parallele meist106 nicht gesehen, sondern allgemein unter der Problematik einer durch Menschenrechte relativierten Souveränität diskutiert.107 Entscheidend ist also erstens, welchen Verpflichtungsgrad die verschiedenen Sozialstandards aufweisen, die mit Hilfe einer Sozialklausel angestrebt werden.108 102 Darunter versteht man eine rechtmäßige Maßnahme, die nicht weiter legitimationsbedürftig ist, vgl. Hahn, Retorsion (2001), S. 339; Schröder, Verantwortlichkeit (2001), 597. 103 Vgl. Kimminich / Hobe, Völkerrecht (2000), S. 228 f.; Schröder, Verantwortlichkeit (2001), S. 600 f.; Steinkamm, Repressalie (2001), S. 335; Fischer, Friedenssicherung (2004), S. 1089. Zu den im Entwurf der International Law Commission niedergelegten Anforderungen vgl. Ipsen, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit (2004), S. 653 f. 104 Einzelheiten dazu gehören zu den „umstrittensten Fragen des Völkerrechts“, vgl. Schröder, Verantwortlichkeit (2001), S. 597, 598 ff. 105 Eine ähnliche Konstellation besteht bei der Problematik der (militärischen) humanitären Intervention. 106 Vgl. aber Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln (1998), S. 188 f., 208 ff.; Unger, KJ 2004, S. 37 ff. (44 ff.). 107 Vgl. etwa Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 156 ff.; siehe auch Dicke, Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln (1978), S. 107 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot (1987), S. 92 ff. Allgemein dazu Bindschedler, Schutz der Menschenrechte (1981) m. w. N.; Beyerlin, Nichteinmischung (2001), S. 297.

5 Spelten

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Allgemeine sozialpolitische Ziele werden im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zwar zunehmend zum Gegenstand internationaler Beratungen. Völkerrechtlich kann dem jeweiligen Staat bei abweichendem Verhalten aber wohl kein Rechtsverstoß angelastet werden. Nur internationale Menschenrechte und ILOKonventionen scheinen überhaupt hinreichend konkretisiert zu sein, um als Grundlage einer Repression angesehen werden zu können. Doch beide Rechtsquellen leiden daran, dass ihnen von verschiedenen Seiten eine universelle Geltung abgesprochen wird. Den ethischen Hintergrund für diese ablehnende Haltung bildet die allgemeine Diskussion um die Universalität von Menschenrechten, in der insbesondere Vertreter islamischer und asiatischer Staaten den weltweiten Geltungsanspruch eines westlichen Konzepts109 hinterfragen. Diese schwierige Auseinandersetzung kann hier nicht ausgetragen werden.110 Folgende Überlegung sollte aber im Hinterkopf behalten werden: Die angeblich abweichenden „Werte“ werden oft von autoritären Regierungen formuliert und repräsentieren dann keine freie Wahl der Betroffenen – es kann wohl davon ausgegangen werden, dass keine Kultur Fabrikarbeit als eine erstrebenswerte Erfahrung für Kinder betrachtet oder das Arbeiten in einem gesundheitsschädlichen Umfeld befürwortet111. Verdächtig ist hier insbesondere, dass die marktwirtschaftlichen Prinzipien des Freihandels, die ähnlich stark in der westlichen Kultur verankert sind, von diesen Regierungen oft sehr viel unkritischer akzeptiert werden. Dies hat den politischen Akteuren den Vorwurf einer von Eigeninteresse geleiteten Auswahl der Werte fremder Kulturen eingebracht.112 Durch ein solches selektives Verhalten wird die Glaubwürdigkeit der Berufung auf eine eigenständige Kultur im Bereich der Menschenrechte geschwächt. Als Grund für den Widerstand gegen die Umsetzung vieler Sozialstandards in den Entwicklungsländern wird in der Literatur deswegen oft ein Eigeninteresse der autoritären Regierungen vermutet113. Die Befürchtung, gerade starke Gewerkschaften könnten zu einem Hort politischer Opposition werden, die internationale Kontrolle sozialer Mindeststandards könnte Licht auf manche lieber im Verborgenen gehalteAllgemein dazu Künzli, Zwischen Rigidität und Flexibilität (2001), S. 189 ff. Dies gilt zumindest hinsichtlich der geschichtlichen Wirksamkeit dieser Idee und ihrer staatsbezogenen Interpretation, auch wenn in anderen Kulturen ebenfalls religiöse und philosophische Ansätze einer Menschenrechtsidee existieren, Sautter, Jb. Polit. Ökon. 19 (2000), S. 234 ff. (235). Vgl. dazu allgemein Li, Rep. Inst. for Phil. & Pub. Pol’y 16 (1996); Kim, Menschenrechte im Konfuzianismus (2001); Saberschinsky, Begründung universeller Menschenrechte (2001); Tönnies, Der westliche Universalismus (2001). 110 Vgl. dazu etwa Hinkmann, Philosophische Argumente (1996); Voigt, Menschenrechte im interkulturellen Dialog (1998); Reuter, Ethik der Menschenrechte (1999). 111 Tsogas, Int’l J. Hum. Resource Mgmt. 10 (1999), S. 351 ff. (366). Ähnlich auch Sautter, Jb. Polit. Ökon. 19 (2000), S. 234 ff. (237). 112 „Leaders from the region pick and choose freely from other cultures, adopting whatever is in their political interest“; Li, Rep. Inst. for Phil. & Pub. Pol’y 16 (1996), S. 2 m. w. N. 113 Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (186); Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 27; Summers, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 61 (2001), S. 61 ff. (75). 108 109

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nen Zustände werfen, oder auch das Interesse an kurzfristigen Vorteilen durch Zwangs- und Kinderarbeit sind in der Tat einleuchtende Quellen für ablehnende Positionen zu allgemeinverbindlichen Standards. Im Rahmen einer völkerrechtlichen Prüfung muss jedoch grundsätzlich von der Zustimmung der Staaten als Geltungsgrundlage ausgegangen werden. Wie bereits oben im Rahmen des Ratifizierungsstandes von ILO-Konventionen und UN-Menschenrechtsverträgen angesprochen,114 ist die Zustimmung zu vielen Sozialstandards lückenhaft. Trotz zum Teil überzeugender ethischer Argumente für eine universelle Geltung kommt diesen Sozialstandards daher nur ein begrenzter rechtlicher Verpflichtungsgrad zu. Zu beachten ist auch, dass nach den allgemeinen Regeln des Repressionsrechts eine Sanktionierung grundsätzlich nur von dem Staat ergriffen werden darf, dessen Rechte verletzt wurden. Eine Erweiterung der Sanktionsberechtigten kommt außerhalb spezieller vertraglicher Vereinbarungen nur für den Bereich der erga omnesVerpflichtungen in Betracht, also derjenigen Pflichten, die jedes Völkerrechtssubjekt binden.115 Der genaue Umfang dieser Verpflichtungen ist zwar umstritten,116 aber es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass nur ein Kernbereich der Menschenrechte dazu gehört. So erklärte der IGH im Barcelona Traction-Urteil nur die „basic human rights of the human person“ zu erga omnes-Verpflichtungen und zählte dazu etwa den Schutz vor Sklaverei und Rassendiskriminierung.117 Auch wenn es noch einige Einwände gegen manche der von der ILO definierten Kernarbeitsrechte gibt,118 spricht doch inzwischen insbesondere die hohe Ratifikationsrate dafür, dass ihnen eine universelle Gültigkeit zukommt119 und sie deswegen auch als erga omnes-Verpflichtungen angesehen werden können. Teilweise wird zwar argumentiert, die Staaten hätten die ILO-Normen nur deswegen ratifiziert, weil die tatsächliche Durchsetzung nicht erzwungen werden könne,120 doch Vgl. oben § 7 I.2.c) und § 7 I.1.b). Vgl. Frowein, FS Mosler (1983), S. 246 ff.; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1343; Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 220 f.; Schröder, Verantwortlichkeit (2001), S. 600 (jeweils m. w. N.). 116 Vgl. Kimminich / Hobe, Völkerrecht (2000), S. 170 f.; Schröder, Verantwortlichkeit (2001), 557; Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge (2004), S. 190 ff. 117 Barcelona Traction, Light and Power Co, Ltd (Second Phase), Urteil des IGH vom 05. 02. 1970, ICJ Reports 1970, 3 (32). Vgl. dazu Frowein, HbStR VII (1992), § 180 (S. 733); Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge (2004), S. 192. 118 So wird beispielsweise argumentiert, wegen der Nichteinhaltung zahlreicher dieser Standards in vielen Ländern könne es sich dabei nicht um universell gültige Normen handeln, vgl. die Nachweise in Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 83; Tsogas, Int’l J. Hum. Resource Mgmt. 10 (1999), S. 351 ff. (364). Dies verkennt jedoch den Sinn von Rechtsregeln: Eine Regel wird gerade dann notwendig, wenn Regelverletzungen auftreten. 119 So etwa auch Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (13 f.); Molsberger, FS Oppermann (2001), S. 548; Summers, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 61 (2001), S. 61 ff. (67 f.). Kritisch bezüglich Gewerkschaftsfreiheiten und bestimmten Elementen des Verbots der Kinderarbeit dagegen Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 127 f. 114 115

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ist dieser geheime Vorbehalt nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen121 unerheblich. Für wirtschaftliche Sanktionen, die ein hohes Maß an Zwang für den sanktionierten Staat bedeuten, spricht daher die völkerrechtliche Prüfung für eine Beschränkung auf die Kernrechte der ILO-Declaration von 1998. Ein zweites Rechtmäßigkeitskriterium für eine Repression ist die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 122 Eine absolute Grenze wird dabei gerade in jüngster Zeit aus dem humanitären Völkerrecht abgeleitet: Weil Wirtschaftssanktionen zum Teil verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung haben können,123 sollen selbst Sanktionen des Sicherheitsrates (und somit a maiore ad minus auch der WTO) unzulässig sein, wenn sie zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Menschenrechte im sanktionierten Land führen.124 Darunter werden jedoch nur Regeln des zwingenden Völkerrechts, also insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot der Folter oder der Rassendiskriminierung angesehen, nicht jedoch etwa das Recht auf Nahrung oder angemessene Gesundheitsversorgung.125 Hier zeigt sich also eine doppelte Wirkung der Menschenrechte: Sie rechtfertigen, aber beschränken auch den zulässigen Umfang der wirtschaftlichen Sanktionen. Diese Grenze wird im Rahmen einer Sozialklausel aber wohl nur bei langanhaltenden Totalblockaden eine Rolle spielen. Relevanter ist die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung, nach der die durch die Sanktionierung hervorgerufenen Schäden „nach Art, Umfang und Intensität das ursächliche Unrecht nicht wesentlich (hors de toute proportion) überschreiten“ dürfen126. Im Rahmen dieser Prüfung müssen also die Belastungen der Betroffenen durch die Sanktionen und durch die ursprünglichen Rechtsverletzungen in einem 120 Vgl. Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 126 f.; Tsogas, Int’l J. Hum. Resource Mgmt. 10 (1999), S. 351 ff. (363). 121 Vgl. Art. 19 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. 05. 1969, BGBl. 1985 II, S. 927. 122 Vgl. etwa Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1343; Garçon, Handelsembargen der Europäischen Union (1997), S. 217; Kimminich / Hobe, Völkerrecht (2000), S. 228; Stichwort „Repressalie“, in: Seidl-Hoheveldern (Hrsg), Völkerrecht-Lexikon (2001), S. 335 ff. (336 f.); Fischer, Friedenssicherung (2004), S. 1098; Ipsen, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit (2004), S. 653. 123 Zum Teil werden sogar zielgerichtete Militäraktionen als schonender angesehen, vgl. Nolte, ZRP 1994, S. 237 ff. (238); Reisman, EJIL 9 (1998), S. 86 ff. (91 ff.). Vgl. auch Poeschke, Politische Steuerung durch Sanktionen? (2003), S. 81 ff. 124 Vgl. etwa Starck, Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen (2000), S. 329 ff.; Stichwort „Repressalie“, in: Seidl-Hoheveldern (Hrsg), Völkerrecht-Lexikon (2001), S. 335 ff. (336 f.). Teilweise wird aber auch vertreten, in Sonderfällen sei auch der Menschenrechtsschutz keine „unübersteigbare Hürde“ der Repressalienanwendung, vgl. Schröder, Verantwortlichkeit (2001), S. 599 m. w. N. 125 Vgl. Starck, Rechtmäßigkeit von UNO-Wirtschaftssanktionen (2000), S. 329 ff. m. w. N. Bereits Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1343 befürwortet eine Beschränkung des Repressalienrechts auf Maßnahmen, die nicht in ius cogens eingreifen. 126 Steinkamm, Repressalie (2001), S. 336 f.

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Abwägungsvorgang verglichen werden. Damit öffnet sich die rechtliche Prüfung für komplexe entwicklungspolitische Fragestellungen, die sogleich detailliert angesprochen werden. Schließlich ist auch ein letztes Rechtmäßigkeitserfordernis der Repressalie zu beachten, die vorherige Ausschöpfung von Streitbeilegungsmaßnahmen 127. Dabei handelt es sich jedoch um eine Verfahrensanforderung, die keine Auswirkungen auf die Frage des materiellen Gehalts oder der generellen Rechtmäßigkeit einer Sozialklausel hat.128

3. Entwicklungspolitische Einwände Zahlreiche Einwände gegen eine Sozialklausel werden von entwicklungspolitischer Seite geltend gemacht: Bei manchen Autoren herrscht die Einschätzung vor, Entwicklungsländern werde durch die Erzwingung von Sozialstandards oft wirtschaftlicher Schaden zugefügt, so dass die Standards eher sänken als stiegen. Oft seien die Staaten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch administrativ und infrastrukturell gar nicht in der Lage, die entsprechenden Standards einzuhalten bzw. zu überprüfen. Eine bessere Möglichkeit zur Steigerung des Niveaus sozialer Standards sei daher in der Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit sowie der finanziellen und technischen Hilfe zu sehen. Eine Schlüsselfunktion komme dabei der Öffnung der Märkte in den Industrienationen zu.129

a) Relative Standards Viele Sozialstandards, wie etwa Mindestlöhne oder Krankenversicherungsleistungen, sind offensichtlich ökonomisch sehr voraussetzungsvoll: Ein Niveau, das in den Industrieländern als akzeptabel angesehen würde, wäre in Entwicklungsländern schlicht nicht finanzierbar, während umgekehrt ein der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Entwicklungsländer angepasstes Niveau einen massiven Sozialabbau in den Industrieländern bedeuten würde. Hier absolute Standards einzuführen, wäre also weder möglich noch sinnvoll.130 127 Str., vgl. Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1343; Stichwort „Repressalie“, in: Seidl-Hoheveldern (Hrsg), Völkerrecht-Lexikon (2001), S. 335 ff. (336); Fischer, Friedenssicherung (2004), S. 1099; Ipsen, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit (2004), S. 653; Tomuschat, in: Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Ziff. 3, Rn. 28. 128 Dazu unten § 8 I. 129 Vgl. Servais, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 423 ff. (432); Hess, Der Arbeitgeber 3 / 1995, S. 81 ff. (85); Cappuyns, Colum. J. Transnat’l L. 37 (1998), S. 659 ff. (670 f.); Salazar-Xirinachs, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 377 ff. (382 f.). 130 So auch Brand / Hoffmann, IFO-Schnelldienst 25 – 26 / 1994, S. 23 ff. (24); Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (177); Cable, Globalization and Global Governance (1999),

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

Schon in den 50er Jahren wurde deswegen im Zusammenhang mit der Debatte um internationale „fair wages“ überlegt, ob eine Abstufung vorgenommen werden kann. Damals wurde jedoch gefordert, nur das Unterschreiten des jeweils durchschnittlichen Niveaus im Exportland zu sanktionieren.131 Damit ein Land nicht einfach sein Durchschnittsniveau senken kann, erscheint es aber sinnvoller, als Referenzwert die Produktivität des jeweiligen Landes zu wählen, so dass beispielsweise der Mindestlohn einen bestimmten Anteil an der Pro-Kopf-Wertschöpfung eines Landes darstellen könnte132. Konzeptionell ist damit eine Entwicklung von absoluten zu relativen Sozialstandards verbunden. Auch wenn dieses Konzept verschiedene Probleme mit sich bringt – etwa die mit der Feststellung des Referenzwertes verbundenen Kosten und zu erwartenden politischen Auseinandersetzungen133 – ist es doch umsetzbar, wie auch erste Schritte in diese Richtung im Rahmen zahlreicher ILO-Konventionen beweisen: Schon früh wurden sogenannte „flexibility clauses“ eingebaut, um Staaten mit einem niedrigeren Stand wirtschaftlicher Entwicklung (damals z. B. Indien und Japan) eine Ratifizierung zu ermöglichen. Auch in der aktuellen Kinderarbeitskonvention gibt es Öffnungsklauseln und Ausnahmevorbehalte, die den weniger entwickelten Ländern eine schrittweise Umsetzung ermöglichen sollen.134 Nicht zuletzt sind auch die bereits erwähnten135 dynamischen Formulierungen des IPwsR ein Schritt in diese Richtung.

b) Marktöffnung statt Sozialklausel Offen bleibt aber auch nach dieser Relativierung der Standards, ob ein hohes soziales Niveau nicht statt über das wirtschaftliche Druckmittel einer Sozialklausel über eine Ausweitung des internationalen Handels erreicht werden könnte. Die dadurch zu erwartenden Wohlstandsgewinne, so eine verbreitete Einschätzung,136 S. 117; Wolffgang / Feuerhake, Internationale Sozialordnung (2000), S. 164 f.; Molsberger, FS Oppermann (2001), S. 547. Vgl. dazu auch Dalberg-Larsen, International Labour Law and National Legal Cultures (1999 / 2000); Pham, Harv. Negotiation L. Rev. 9 (2004), S. 331 ff. (354 ff.). 131 Vgl. Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (572). 132 Scherrer, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 245 ff. (252); ders. / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 272. Ähnlich Okogwu, Labour Standards (1994), S. 151 ff. 133 Darauf machen etwa Scherrer, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 245 ff. (253) und Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 130 aufmerksam. 134 Leary, Workers’ Rights (1996), S. 187; Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (20 f.); Tsogas, Int’l J. Hum. Resource Mgmt. 10 (1999), S. 351 ff. (366). 135 Siehe oben unter § 7 I.1.b). 136 Als Hauptvertreter dieser These gelten die Ökonomen Krugman, Bhagwati und Srinivasan, vgl. etwa Krugman, Harv. Bus. Rev. 72 (1994), S. 113 ff.; Bhagwati, Trade Linkage and Human Rights (1998), S. 249 f. So auch Bender, Globalisierung (1998), S. 256 f.; Warner, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 99 ff. (111).

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würden zu einer automatischen Hebung der sozialen Standards im jeweiligen Staat führen. Von der später anzusprechenden Gefahr einer Abwärtsspirale137 abgesehen, gehen von der Verstärkung der internationalen Austauschbeziehungen sicher zahlreiche Chancen für den wirtschaftlichen Aufschwung eines Staates aus.138 In welchem Zusammenhang dieses erwartete Wirtschaftswachstum mit sozialen Standards steht, ist eine komplexe Problematik:139 Meist wird auf der Seite der Liberalisierungsbefürworter darauf verwiesen, dass empirische Studien eine Korrelation zwischen dem Grad wirtschaftlicher Öffnung und der Einhaltung grundlegender menschenrechtlicher Standards zeigen.140 Von anderen Autoren wird die Aussagekraft dieser Studien mit der Überlegung angezweifelt, diese Korrelation spiegele „weniger ein Kausalverhältnis als die bekannte Tatsache wider, dass der Welthandel im wesentlichen zwischen den reichen OECD-Ländern abgewickelt wird.“141 Außerdem zeigen zahlreiche empirische Studien, dass eine Liberalisierung des Handels nicht automatisch zu einer Steigerung des Niveaus an Sozialstandards führt.142 Dies steht auch in Einklang mit der bereits angeführten Überlegung, dass gerade Regierungen undemokratischer Staaten häufig ein Interesse daran haben, das Niveau bestimmter sozialer Standards niedrig zu halten. An Bedeutung für eine ethisch motivierte Sozialklausel verliert diese Kontroverse, wenn man sich vor Augen führt, dass das Konzept dieser Sozialklausel einer verstärkten wirtschaftlichen Öffnung nicht entgegen steht, sondern sich dazu weitgehend neutral verhält.143 Sie soll als Druckmittel dienen, wenn soziale Mindeststandards nicht eingehalten werden, schließt aber andere Methoden, diese Standards anzuheben, keinesfalls aus. Allenfalls ein überhastetes Vorgehen, das wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen anwendet, bevor einem Staat die Möglichkeit gegeben wurde, die Sozialstandards in seinem Hoheitsgebiet zu verbessern, müsste aus dieser Sicht abgelehnt werden. Hier treffen sich entwicklungspolitische Überlegungen mit den völkerrechtlichen Anforderungen an Sozialklauseln, denn wie bereits angesprochen wurde,144 ist eine Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit einer Repression die vorherige Ausschöpfung von Streitbeilegungsmechanismen.

Dazu unten § 11. Vgl. dazu unten § 7 II.3.b). 139 Eine vertiefende Auseinandersetzung mit der ökonomischen Dimension der Sozialstandards erfolgt unten bei § 11. 140 Siehe etwa die Untersuchungen der OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 105 ff. 141 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 99. 142 Vgl. die Nachweise bei Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 98 f. Siehe dazu auch unten § 11 II. 143 Anders aber bei einer ökonomisch motivierten Sozialklausel, vgl. dazu den 3. Teil der Arbeit. 144 Vgl. oben unter § 7 II.2.c). 137 138

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

Teilweise wird auch überlegt, ob viele Sozialstandards nicht automatisch eingehalten würden, wenn Koalitionsfreiheiten und Tarifvertragsrechte garantiert sind: Seien die Gewerkschaften erst einmal mit diesen Rechten ausgestattet, könnten sie die anderen Sozialstandards selbstständig erkämpfen.145 Dieser optimistische Ansatz übersieht, dass dadurch das Konzept der Sozialstandards auf die Interessen von Arbeitern in einem formellen Beschäftigungsverhältnis reduziert würde. Das bedeutete, wie bereits angesprochen,146 eine Verkürzung der Zielsetzungen einer ethisch motivierten Sozialklausel in unzulässiger Weise.

c) Codes of Conduct als Alternative? Überlegt wird insbesondere von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), ob zur Durchsetzung der Sozialstandards nicht der Umweg über eine staatliche Regulierung vermieden und unmittelbar an den Produktionsbedingungen der Unternehmen oder dem Kaufverhalten der Konsumenten angesetzt werden könnte, also codes of conduct oder Gütesiegel zu verwenden. Die Effektivität von codes of conduct wird jedoch durch verschiedene Überlegungen in Frage gestellt: Die Hauptschwierigkeit eines konzerninternen Verhaltenskodexes ist das Fehlen einer unabhängigen Kontrolle147. Außerdem sind diese Kodizes bei amerikanischen und europäischen Großunternehmen zwar weit verbreitet.148 Viele ausländische Betriebe – vor allem im Zulieferbereich – haben aber mangels Medienpräsenz kein nennenswertes Interesse an einem solchen Verhalten. Bei Gütesiegeln hat sich gezeigt, dass nur in einem oberen Preissegment der höhere Preis als kaufbestimmender Faktor durch moralische Bedenken aufgewogen werden kann – insbesondere die Bilanz der Siegelungskampagnen im Teppichsektor ist als ernüchternd bezeichnet worden.149 Auch wenn diese freiwilligen Mechanismen also unterstützend150 herangezogen werden können, muss eine wirk145 So etwa Edgren, Int’l Lab. Rev. 118 (1979), S. 523 ff. (528); vgl. auch Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 21. 146 Siehe oben unter § 7 II.1. 147 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 30; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 112 f.; DeRuisseau, Social Auditing (2002), S. 224 ff.; Piepel, Verhaltenskodizes (2002), S. 254 ff. 148 Nach Angaben der OECD haben sich die meisten der „Fortune 500“-Unternehmen in den USA und etwa 60% der „Top 500“ in Großbritannien inzwischen solche codes of conduct gegeben, OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 12 f. 149 Betz, IPS 2 / 2000, S. 310 ff. Optimistischer Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 118. 150 Auf die Tatsache, dass sich die unterschiedlichen Maßnahmen keineswegs ausschließen, verweist neben Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 282 auch Freeman, Hard-Headed Look (1994), S. 85. Zur Vereinbarkeit von Gütesiegeln mit WTO-Recht siehe allerdings Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 472 f.; Joshi, JWT 38 (2004), S. 69 ff.

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same Durchsetzung der Sozialstandards wohl mit effektiveren Druckmitteln abgesichert werden.

d) Verhältnis zur Entwicklungszusammenarbeit Fraglich bleibt aber auch bei der Einführung relativer Sozialstandards, in welchem Verhältnis eine Sozialklausel zur Entwicklungszusammenarbeit steht. Bekanntes Beispiel ist insoweit die Frage, auf welche Weise Kinderarbeit am besten bekämpft werden kann. Da in Entwicklungsländern die Erwerbstätigkeit von Kindern oft entscheidend zum Lebensunterhalt ihrer Familien beiträgt, könnte ein bloßes Verbot die Kinder zu Kriminalität, Prostitution oder Schwarzarbeit zwingen. Sinnvoller erschiene etwa der Aufbau eines kostenlosen Schulsystems oder die finanzielle Unterstützung der betroffenen Familien.151 Teilweise wird sogar von Entwicklungshilfeorganisationen ein „Recht auf Kinderarbeit“ gefordert, das kindgerechte Arbeitsbedingungen mit einschlösse.152 Sicherlich sind Handelssanktionen in diesen Fällen kein Allheilmittel, ja sie können sogar großen Schaden anrichten153. Allerdings wäre es verfehlt, nur den Ernstfall der Verwirklichung der Sanktionsdrohung in die Überlegung mit einzubeziehen: Die Steuerungswirkung entfaltet sich bei einer dauerhaften und konsequent angewendeten Sozialklausel primär durch das Element der Drohung, während der tatsächlichen Sanktionierung vor allem die Funktion zukommt, diese Drohung glaubwürdig zu machen.154 Auch wenn Handelssanktionen in manchen Fällen also kontraproduktiv sein können, bedeutet dies keinesfalls die generelle entwicklungspolitische Schädlichkeit einer Sozialklausel. Trotzdem wird es sinnvoll sein, die möglichen Schäden von Handelssanktionen durch eine Verfeinerung der Sozialklausel zu minimieren. Denkbar wäre, um im Beispiel zu bleiben, eine graduell abgestufte Verpflichtung der Staaten zur Abschaffung der Kinderarbeit je nach Entwicklungsstand, kombiniert mit technischen Hilfsprogrammen und finanzieller Unterstützung. Handelssanktionen wären dann nur das letzte Mittel, mit dem ein Staat belegt werden könnte, der die seinem Entwicklungsstand angemessenen Anstrengungen nicht unternimmt. Diese beispielhaften Überlegungen können auf andere Sozialstandards übertragen werden: Die Drohung mit Sanktionen schließt eine zielgenaue Entwicklungszusammenarbeit keineswegs aus, sondern die beiden Maßnahmen ergeben eine ef151 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 40 f., 53 ff.; Ashraf, IPS 3 / 2001, S. 303 ff.; Kuschnereit, IPS 3 / 2001, S. 287 ff. 152 Der Vorschlag stammt von terre des hommes, siehe dazu Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 144. 153 Vgl. beispielsweise die Untersuchung bei Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 29 ff. 154 So auch Poeschke, Politische Steuerung durch Sanktionen? (2003), S. 133 f.

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fektive Mischung aus Druck und Anreiz. Während dem Argument des wirtschaftlichen Unvermögens zur Umsetzung der Standards also das Konzept der relativen Standards entgegengesetzt werden kann, wird der Einwand administrativen oder infrastrukturellen Unvermögens dadurch entkräftet, dass dem Staat an diesen Stellen bei der Umsetzung geholfen wird.

e) Umfang der Sanktionen Nicht nur bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen Sanktionen ergriffen werden sollten, sondern auch, wie diese Sanktionen ausgestaltet sein sollten, sind entwicklungspolitische Erkenntnisse mit einzubeziehen155. Gegen allgemeine, also staatsbezogene Sanktionen spricht, dass damit möglicherweise auch diejenigen Unternehmen und deren Beschäftigte mitgeschädigt werden, die die Standards einhalten. Allerdings würde bei einer produktbezogenen Sanktionierung nur ein Bruchteil der möglichen Verletzungen angegangen: Für die im Binnenbereich tätigen Unternehmen entfaltet die Drohung mit einer Sozialklausel keine direkten Anreize, ihr Verhalten an internationale Standards anzupassen, und zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass in diesem Bereich die weitreichendsten Verletzungen internationaler Sozialstandards auftreten.156 Eine ethisch motivierte Sozialklausel kann also nur dann effektiv sein, wenn die Sanktionen gegen einen Staat gerichtet sind und auch für den Fall angedroht werden, dass die Regierung die Sozialstandards nicht gegen die allein für den Binnenmarkt produzierenden Unternehmen durchsetzt.157 Für eine solche staatsbezogene Sanktionsdrohung spricht auch eine praktische Erwägung: Müsste man bei jedem Produkt die jeweiligen Bedingungen in allen an der Herstellung beteiligten Firmen (also auch Zulieferbetrieben etc.) von internationaler Warte aus kontrollieren, wäre die Sozialklausel kaum praktikabel158.

Dazu Kulessa, Sozialklauseln aus entwicklungspolitischer Sicht (1995), S. 61 ff. Vgl. Edgren, Int’l Lab. Rev. 118 (1979), S. 523 ff. (525); Portes, By-passing the Rules (1994), S. 163 ff.; Hess, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln (1995), S. 25 f.; Kulessa, Sozialklauseln aus entwicklungspolitischer Sicht (1995), S. 66; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 140 m. w. N. 157 Darauf werden wahrscheinlich schon die Exportbetriebe im jeweiligen Land drängen: Diese produzieren meist nicht ausschließlich für den Export, sondern auch für Abnehmer im eigenen Land. Somit besteht ein Interesse daran, den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterworfen zu sein wie die reinen Binnenproduzenten, vgl. Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 97. 158 Vgl. dazu Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 140 f. 155 156

§ 7 Materieller Gehalt der Sozialklausel

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4. Missbrauchsgefahr und Operationalisierungsprobleme Ein gerade von Seiten der Entwicklungsländer oft eingebrachter Einwand gegen eine Sozialklausel ist die Befürchtung, sie könnte selbst bei ethisch orientiertem materiellem Zuschnitt zu protektionistischen Zwecken missbraucht werden. Insbesondere die Interessengruppen in den Industrieländern, die sich traditionell für eine umfassende Marktabschottung einsetzen – beispielsweise in der Landwirtschaft und der Schwerindustrie – könnten auf ihre Regierungen einen effektiven Druck ausüben, die Anforderungen an Sozialstandards in den Entwicklungsländern so in die Höhe zu schrauben, dass deren Wettbewerbsfähigkeit faktisch zerstört würde.159 Diese Gefahr erfordert, dass der materielle Gehalt der Sozialklausel möglichst klar und eindeutig festgelegt wird. Das scheint für Koalitionsfreiheiten und für das Verbot von Zwangsarbeit und von Diskriminierungen aufgrund von Rasse oder Geschlecht gut möglich zu sein.160 Dagegen erfordern die Bereiche, in denen eine Relativierung der Sozialstandards erforderlich ist – also etwa Mindestlohnbestimmungen, soziale Sicherheitssysteme, Arbeitsplatzsicherheitsbestimmungen und auch die genaue Ausgestaltung des Verbots von Kinderarbeit – eine Berücksichtigung des jeweiligen Entwicklungsstandes. Dies macht beispielsweise Öffnungsklauseln und die Verschränkung mit komplexen Prüfmechanismen notwendig, was eine klare Formulierung erschwert. Es besteht also ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel eines möglichst breit angelegten Inhalts der Sozialklausel und ihrer Operationalisierbarkeit 161. 5. Zweistufige Sozialklausel Eine ethisch motivierte Sozialklausel ist grundsätzlich auf eine umfassende Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen gerichtet. Wie eine rechtliche und politische Prüfung gezeigt hat, bereitet eine solche breite Fassung einer Sozialklausel aber verschiedene Probleme: Erstens können Sanktionen außerhalb des Schutzes eines menschenrechtlichen Kernbereichs mit der Souveränität des betroffenen Staates kollidieren. Zweitens können die unterschiedlichen ökonomischen und infrastrukturellen Voraussetzungen zwar über relative Standards ausgeglichen werden, aber es treten Schwierigkeiten auf, diese Standards zu operationalisieren. Als Lösung für dieses Dilemma bietet sich eine Aufspaltung der Sozialklausel an: 159 Vgl. Emmerij, Contemporary Challenges (1994), S. 323 f.; Maskus, Core Labor Standards (1997), S. 61 f.; Salazar-Xirinachs, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 377 ff. (382); Summers, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 61 (2001), S. 61 ff. (69 f.). 160 So auch Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 124. 161 So auch Sautter, Jb. Polit. Ökon. 19 (2000), S. 234 ff. (257); Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 124 ff.

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

In einem ersten Bereich, der eine breite Palette von internationalen Sozialstandards enthält, wird primär mit kooperativen Prozessen gearbeitet, um eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen zu erreichen. Die Staatengemeinschaft könnte mit den betroffenen Staaten Zeitpläne ausarbeiten, die eine stufenweise Hebung der sozialen Standards vorsehen und dabei an den ökonomischen und institutionellen Entwicklungsstand anknüpfen. Die Rolle der Staatengemeinschaft erschöpft sich jedoch nicht in klassischer Entwicklungszusammenarbeit, sondern kann mit einer Kombination aus Anreizund Druckmechanismen verbunden werden. Dabei wird der fließende Übergang zwischen konditionierter Entwicklungszusammenarbeit und einer milden Art von Handelssanktionen deutlich: Erstens wird den jeweiligen Staaten technische oder finanzielle Unterstützung oder ein erleichterter Marktzugang in Aussicht gestellt, wenn sie die im Zeitplan vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Zweitens können diese Unterstützungen oder Handelspräferenzen bei mangelnden Bemühungen von Seiten des Staates aber auch wieder entzogen werden. Schließlich sind in Fällen, in denen der jeweilige Staat kein kooperatives Verhalten zeigt, aber auch Formen von Wirtschaftssanktionen denkbar, die zwar einen gewissen Druck ausüben, aber keinen souveränitätsbedrohenden Zwang erzeugen. Dabei ist etwa an einen Boykott bestimmter Produkte zu denken, die ein besonderes Näheverhältnis zu den verletzten Sozialstandards aufweisen – etwa Textilwaren, wenn in dieser Branche Kinderarbeit besonders häufig auftritt, oder bestimmte Rohstoffe, wenn bei deren Förderung grundlegende Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten werden. Zu achten ist in diesen Fällen aber darauf, dass die Bevölkerung nicht unverhältnismäßig hart getroffen wird. Ausgangspunkt für eine Sanktionierung ist in diesen Fällen also nicht die nur schwer festzustellende Einhaltung eines bestimmten relativen Niveaus an Sozialstandards, sondern die Einhaltung eines konkreten Zeitplanes. Dies erhöht die Operationalisierbarkeit der Sozialklausel. In einem zweiten Bereich, der die Kernbestimmungen der sozialen Rechte umfasst, gilt grundsätzlich das gleiche Verfahren: Auch hier bietet sich zunächst ein kooperatives Verfahren an, innerhalb dessen ein Zeitplan ausgearbeitet wird, der auf die Verbesserung der sozialen Standards abzielt. So wird den Staaten, in denen diese grundlegenden Standards missachtet werden, nicht von vornherein die ökonomische Grundlage für deren Erreichung entzogen. Anders als für die anderen Standards können für den Kernbereich die Sanktionen jedoch schärfer ausfallen, wenn der Staat die ihm zumutbaren Schritte nicht unternimmt. Hier ist an einschneidende Boykotte und Embargos zu denken, die darauf gerichtet sind, den Staat zu einem Kurswechsel zu zwingen. Allerdings ist auch hier auf die Verhältnismäßigkeit der Sanktionierung zu achten. Insbesondere dürfen die grundlegenden Menschenrechte der Bevölkerung nicht verletzt werden. Insgesamt ergibt sich also die Notwendigkeit eines zweigeteilten Verfahrens, das auf einer ersten Ebene mit Anreizen und „weichen“ Sanktionen eine umfassen-

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de Verbesserung der sozialen Standards anstrebt und auf einer zweiten Ebene mit durchgreifenden Wirtschaftssanktionen gegen eine andauernde Missachtung grundlegender Standards vorgeht. Damit zeigt sich, dass die Frage, welchen materiellen Gehalt eine Sozialklausel haben soll, untrennbar mit der Art ihrer Umsetzung verknüpft ist: Nur wenn ein zweistufiges Verfahren von Kooperation und Zwang gewählt wird, können die rechtlichen und entwicklungspolitischen Bedenken gegen eine Sozialklausel allgemein und gegen ihre weite Fassung im Besonderen ausgeräumt werden.

§ 8 Organisatorische Umsetzung der Sozialklausel I. Allgemeine Verfahrensanforderungen Bei der Umsetzung der entwickelten zweistufigen Sozialklausel sind verschiedene allgemeine Verfahrensanforderungen zu beachten. Wie bereits angesprochen, sind gerade relative Standards in ihrer Anwendung missbrauchsgefährdet. In eine ähnliche Richtung zielen die Befürchtungen, aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Machtverteilung könnte eine einseitige Durchsetzung zu erwarten sein, oder aus sachfremden Motiven (z. B. aufgrund strategisch wichtiger Ressourcenvorkommen, bedeutender Absatzmärkte oder allgemeiner politischer Erwägungen) würden die Sanktionen nur gegen bestimmte Länder verhängt werden.162 Damit die Ausarbeitung eines Zeitplanes zur Standardverbesserung, die Feststellung einer Standardunterschreitung, die Verhängung einer bestimmten Sanktion und deren Umsetzung und Überwachung nicht zu stark von den Interessen einzelner Staaten beeinflusst werden, müssen diese Verfahrensschritte möglichst entpolitisiert werden. Dazu bieten sich gerichtsähnliche Verfahren an, in denen keine Staatenvertreter, sondern unabhängige Experten über die einzelnen Schritte entscheiden können. Diese Forderung ist bezüglich eines so heiklen Bereichs wie sozialer Standards und einer möglicherweise schmerzhaften Sanktionierung in einer noch immer weitgehend machtbasierten internationalen Ordnung nicht leicht durchzusetzen. Trotzdem muss sie das anzustrebende Ziel bilden, damit die Legitimität des Verfahrens und damit des gesamten Konzepts nicht durch einseitige Interessenspolitik untergraben wird. Ein damit verknüpftes Problem ist die Frage, wer das Recht haben soll, das Sanktionsverfahren zu initiieren. Da eine ethisch motivierte Sozialklausel nicht die Rechte von anderen Staaten schützen, sondern der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der betroffenen Menschen dienen soll, ist ein auf Betroffenheit basierendes Klagerecht von Staaten von vornherein ausgeschlossen. Auch ein Klagerecht aller Staaten ist jedoch anfällig gegenüber sachfremden poli162 Vgl. Liemt, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 433 ff. (443); Scherrer, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 245 ff. (251).

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tischen Erwägungen, die zum Beispiel eine Klage dann als unwahrscheinlich erscheinen lassen, wenn das Verhalten einer wichtigen Handelsnation überprüft werden soll. Deshalb sollte überlegt werden, ob das Klagerecht etwa auf Nichtregierungsorganisationen oder Vertreter der Gewerkschafts- beziehungsweise der Unternehmerseite erweitert werden kann.

II. Zuständige Organisation Auch bei einer grundsätzlichen Bejahung einer Sozialklausel stellt sich die Frage, ob die WTO die geeignete Organisation zu ihrer Umsetzung darstellt. Diese Frage wird, wie bereits angesprochen,163 nicht erst seit der Gründung der WTO in Literatur und Praxis ausführlich diskutiert.164 Statt eines allgemeinen Überblicks über die Diskussion soll an dieser Stelle untersucht werden, welche spezifischen Argumente für bzw. gegen die Integration einer zweistufigen ethisch motivierten Sozialklausel in das Recht der WTO sprechen. 1. Zuständigkeit der ILO? Zentral ist der sich auch in der Singapore Declaration der WTO widerspiegelnde Einwand, eine Zuständigkeit der WTO sei schon deswegen nicht gegeben, weil für diese Frage die ILO sachlich zuständig sei. Dieses Argument scheint insbesondere auf eine ethisch motivierte Sozialklausel zuzutreffen: Ihre Zielrichtung einer Verbesserung der Lebenssituation von Menschen, die unter niedrigen Sozialstandards leiden, entspricht auch der primären Zielsetzung der ILO.165 a) Problem der zu engen Zielrichtung Wie im Rahmen des materiellen Umfangs der Sozialklausel ergeben sich jedoch auch auf Umsetzungsebene Bedenken, ob der Horizont dieser Organisation nicht zu eng ist: Schon die dreigliedrige Organisationsstruktur, aber auch die in der Präambel der ILO-Verfassung niedergelegte Zielsetzung dieser Organisation zeigen eine Beschränkung auf das klassische Arbeitsverhältnis,166 was ihre Eignung mindert, diese Sozialklausel umzusetzen.167 Siehe oben unter § 5 II. Vgl. neben den im Folgenden Genannten etwa Wet, Hum. Rts. Q. 17 (1995), S. 443 ff.; Stirling, Am. U. J. Int’l L. & Pol’y 11 (1996), S. 1 ff.; Anderson, Environmental and Labor Standards (1998); Jordan, Building a WTO (2001); Kelly, Widener L. Symp. J. 7 (2001), S. 109 ff.; Wolffgang / Feuerhake, JWT 36 (2002), S. 883 ff. 165 Für eine Sozialklausel im Rahmen der ILO sprechen sich beispielsweise aus: Charnovitz, Temp. Int’l & Comp. L.J. 11 (1997), S. 131 ff. (163); McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (56 f.). Differenzierend Caire, Labour Standards and International Trade (1994), S. 310 ff. 166 Vgl. dazu oben § 7 I.2.b). 163 164

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b) Problem der mangelnden Effizienz Fraglich erscheint außerdem, ob die ILO effizient genug arbeitet und genügend Durchsetzungsstärke aufweist, um eine Sozialklausel umsetzen zu können, die auch eine Androhung von wirtschaftlichem Zwang enthält. Dazu muss zunächst ein kurzer Blick auf den Überwachungsmechanismus der ILO geworfen werden:168 Die Staaten, die eine Konvention ratifiziert haben, haben nach Art. 22 ILO-Verfassung eine Pflicht zur jährlichen Abgabe eines Berichtes über die erzielten Fortschritte. Auch die Staaten, die eine bestimmte Konvention nicht ratifiziert haben, müssen regelmäßig einen Bericht einreichen, haben aber – bis auf den Bereich, der von den fundamental conventions abgedeckt wird169 – einen größeren zeitlichen Spielraum170. Anschließend prüft ein Sachverständigenausschuss aus unabhängigen Experten die Einhaltung der Konventionen.171 Der Ausschuss kann bei Nichteinhaltung der Konventionen die Mitgliedstaaten öffentlich anmahnen.172 Daneben besteht auch ein Klagerecht der Mitgliedstaaten oder des Verwaltungsrates gegen Staaten, die eine Konvention ratifiziert haben. Die Klage hat ein mehrstufiges Verfahren vor einer „Commission of Inquiry“ zur Folge.173 Zeigt sich der betroffene Staat nicht kooperativ, können von dieser Kommission bindende „Vorschläge“ verabschiedet werden, gegen die dem betroffenen Staat ein Beschwerderecht vor dem Internationalen Gerichtshof zusteht. Werden die (eventuell vom IGH bestätigten) Vorschläge nicht umgesetzt, steht dem Verwaltungsrat nach Art. 33 ILO-Verfassung das Recht zu, der Internationalen Arbeitskonferenz „such action as it may deem wise and expedient to secure compliance“ zu empfehlen. Nach dieser offenen Formulierung könnten im Rahmen der ILO theoretisch auch Wirtschaftssanktionen gegen ein Land erlassen werden, das gegen seine ILO-Verpflichtungen verstößt.174 Die Praxis der ILO ist aber von diesen vielversprechenden Mechanismen weit entfernt.175 Neben dem bereits angesprochenen Ratifikationsdefizit besteht auch 167 Ähnlich auch Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (322); McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (61). 168 Allgemein dazu Maupain, J. Int’l Econ. L. 2 (1999), S. 273 ff. 169 Vgl. dazu Kellerson, Int’l Lab. Rev. 137 (1998), S. 223 ff. (225 ff.); OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 10. 170 Art. 19 Abs. 5e ILO-Verfassung. 171 Daneben gibt es seit 1950 auch ein Sonderverfahren für Gewerkschaftsfreiheiten. Vgl. dazu OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 43 f.; Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte (2002), S. 49 ff. 172 Art. 25 ILO-Verfassung. 173 Art. 26 ff. ILO-Verfassung. 174 Siehe Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 73 m. w. N. 175 So auch Piepel, Soziale Mindeststandards im globalen Wettbewerb (1998), S. 65 f.

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ein großes Umsetzungsdefizit: Erstens finden in vielen Ländern massive Verletzungen selbst der grundlegendsten Rechte statt. Dies ist auch in vielen Ländern der Fall, die die entsprechenden Konventionen ratifiziert haben.176 Außerdem werden selbst die Verpflichtungen des Berichtsverfahrens, das keine über eine öffentliche Anmahnung hinausgehende Rechtsfolgen mit sich bringen kann, von vielen Staaten nicht beachtet. So wurden in den 90er Jahren beispielsweise nur etwa 60 bis 70% der Berichte rechtzeitig eingereicht.177 Dies gilt auch für den Bereich der Kernarbeitsrechte, denn obwohl alle ILO-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, reichten nur 55% der Länder, die die fundamental conventions nicht ratifiziert hatten, im folgenden Jahr überhaupt einen Bericht bei der ILO ein.178 Nicht besser ist die Lage beim Klageverfahren. Grundsätzlich wird nur sehr sporadisch davon Gebrauch gemacht,179 und Zwangsmaßnahmen nach Art. 33 ILOVerfassung wurden bisher in noch keinem Fall ergriffen180. Immerhin wurde aber im Juni 2000 zum ersten Mal auf der Grundlage dieser Norm ein Staat unter einen gewissen Druck gesetzt: Aufgrund der massiven und anhaltenden Verstöße Myanmars gegen die Konvention 29, die das Verbot von Zwangsarbeit betrifft, erließ die Internationale Arbeitskonferenz eine Resolution, nach der die Beziehungen zwischen der ILO und Myanmar überprüft und Notifikationen an verschiedene UNOrgane geschickt würden, sollte das Land nicht gegen die Verstöße vorgehen.181 Insgesamt scheinen durchgreifende Erfolge vor allem bei den Ländern erreicht zu werden, die schon eine gewisse Bereitschaft zur Zusammenarbeit aufweisen, während gegenüber kooperationsunwilligen Staaten mangels Sanktionsinstrumentarium kaum eine Handhabe besteht.182

Vgl. Scherrer / Greven (2001), S. 37 ff. OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 46. 178 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 49; vgl. auch OECD, Policy Brief (2000), S. 2. 179 Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 44 f. 180 Adamy, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln (1995), S. 13; Wagner, Internationaler Schutz sozialer Rechte (2002), S. 47 ff. 181 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 47 f.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 60 ff. Myanmar ratifizierte diese Konvention bereits im Jahre 1955. Auf der 92. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2004 wurde dem Verwaltungsrat der ILO vorgeschlagen, die Staatengemeinschaft zur Überprüfung von Direktinvestitionen in Myanmar aufzufordern, sollte es nicht bis November 2004 zu wesentlichen Verbesserungen kommen. Zu den Tagungsdokumenten siehe http: / / www.ilo.org / public / english / standards / relm / ilc / ilc92 / index.htm (01. 09. 2004). 182 Vgl. etwa Adamy, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln (1995), S. 13; McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (56 f.) m. w. N. 176 177

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c) Gründe für die Defizite Als Grund für diese schwache Arbeitsweise der ILO wurde früher oft angeführt, auch diese Internationale Organisation sei in die Mühlen der Blockpolitik geraten.183 Wie bereits geschildert, hat die Arbeit zumindest auf rechtlicher Ebene seit Zusammenbruch des Kommunismus zwar entscheidende Fortschritte machen können. Trotzdem besteht noch immer eine Kluft zwischen Rechtssetzung und Rechtsverwirklichung. Das hat seine Ursache einerseits in der Struktur der Organisation: In den Gremien der ILO, in denen mit den Vertretern der Arbeitnehmer gewissermaßen die „Opfer“ repräsentiert sind, kann oftmals eine progressive Einigung auf hohem Niveau erreicht werden. Die Ratifikation und tatsächliche Umsetzung erfolgt jedoch auf nationaler Ebene, ohne dass eine starke operative Verbindung bestehen würde, so dass dort keine vergleichbaren Ergebnisse erzielt werden. Andererseits griffe es jedoch zu kurz, das vorsichtige Vorgehen der ILO nur als Folge von politischen und institutionellen Unzulänglichkeiten zu bewerten. Es sollte skeptisch stimmen, dass die zum Teil recht weitgehenden Handlungsmöglichkeiten auch nach dem Ende des kalten Krieges nur sehr zögerlich wahrgenommen wurden und selbst gegen lang anhaltende, massive Verstöße bislang nur Androhungen erfolgt sind. Offensichtlich scheinen selbst bei rechtlicher Möglichkeit sowohl Regierungsvertreter als auch Sozialpartner davor zurückzuschrecken, im Rahmen der ILO Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Verständlich wird dies, wenn man sich auf die Funktionsweise der Organisation besinnt: Ein Hauptpfeiler der Arbeit besteht in der technischen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, die neben Beratungstätigkeiten auch konkrete Projektarbeiten umfasst. In diesem Bereich kann die ILO auch ein beachtliches Ausmaß an Fachwissen und Implementationserfahrung aufweisen. Damit hilft sie effektiv, die Rahmenbedingungen zur Verwirklichung von sozialen Mindeststandards zu schaffen.184 Auch der Überwachungsmechanismus ist auf Konsens und Überzeugung ausgerichtet und arbeitet, wenn man sonstige internationale Gremien zum Vergleich heranzieht, relativ unpolitisch185. Diese vorsichtige Vorgehensweise hat im Vergleich zu einem auf Konfrontation ausgerichteten justizförmigen Verfahren den Vorteil, ein Klima für vertrauliche Verhandlungen zu schaffen. So kann auch festgestellt werden, dass die Berichte des Sachverständigenausschusses in vielen Fällen zu einer Veränderung der nationalen Politiken geführt haben.186 183 Durch die unterschiedlichen ideologischen Konzeptionen und die machtpolitischen Schaukämpfe wurde die Organisation fast zur Handlungsunfähigkeit gebracht; die USA traten zwischen 1977 und 1980 wegen der „Politisierung“ sogar aus der ILO aus, vgl. dazu Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (170 ff.); Leary, Workers’ Rights (1996), S. 187; McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (45). 184 Vgl. Hess, Internationale Arbeitsnormen (1994), S. 112 ff.; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 47 ff. 185 Donelly, Int’l Org. 40 (1986), S. 599 ff. (630 f.).

6 Spelten

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Dieses differenzierte und ausgewogene Überwachungssystem, die enge Zusammenarbeit im Rahmen der technischen Hilfe und die verhältnismäßig entpolitisierte Arbeitsweise der Gremien könnten gefährdet sein, wenn die betroffenen Länder von der gleichen Organisation mit Sanktionen belegt werden könnten.187 Insgesamt scheint also ein politisches trade-off zwischen der Stärke und dem Umfang einer Regelung zu bestehen:188 Je behutsamer von Seiten der ILO die Umsetzung der Konventionen angegangen wird, desto weiter sind die Zugeständnisse, die die betroffenen Staaten zu machen bereit sind. Außerdem darf auch der kognitive Prozess, der mit der Propagierung relativ weitreichender Sozialstandards einhergeht, nicht unterschätzt werden: Es ist zu beobachten, dass ein kollektives Bewusstsein geschaffen wird, welches die Legitimität der internationalen Sozialstandards anerkennt.189 Beispielsweise berufen sich selbst hartnäckige Fälle wie Myanmar bei ihren Rechtfertigungen immer weniger auf ihre völkerrechtliche Souveränität, sondern versuchen darzulegen, dass die spezifische Situation eine längere Anpassungsphase erfordere oder dass eine Verletzung der ILO-Normen gar nicht erst vorliege.190 So verwundert es nicht, dass eine Sozialklausel im Rahmen der ILO bisher abgelehnt wurde. Ein solches Vorgehen mit wirtschaftlichem Zwang wurde zwar häufig diskutiert, aber nie umgesetzt: Schon bei Gründung der ILO im Jahre 1919 war eine Sanktionsmöglichkeit wegen Verletzung der Arbeitsstandards vorgesehen, doch diese Regelung wurde durch Art. 33 ILO-Verfassung ersetzt.191 Auch in den kommenden Jahrzehnten wurden im Rahmen der ILO kaum ernsthafte Versuche in diese Richtung unternommen. Erst 1994 flammte die Diskussion im Anschluss an einen Bericht des Generaldirektors der ILO wieder auf,192 doch wegen der ablehnenden Haltung der Vertreter der Entwicklungsländer und der auf Konsens und Überzeugung ausgerichteten Arbeitsweise der Organisation konnten sich Vorschläge, die Sanktionen als Durchsetzungsmechanismus enthielten, nicht durchsetzen193. Zwar wird im Abschlussbericht der World Commission on the Social Di186 Vgl. Donelly, Int’l Org. 40 (1986), S. 599 ff. (629); Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 43 m. w. N. 187 So etwa Myrdal, The ILO in the Cross-fire (1994), S. 351 ff.; Charnovitz, Wash. Q. 6 / 22 / 1995, S. 167 ff. (181); Hess, Notwendigkeit elementarer Sozialklauseln (1995), S. 25; Sautter, Institutionen als Objekt und als Rahmenbedingung (1998), S. 51; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 54 ff.; Gehring, Schutzstandards in der WTO? (2002), S. 120. 188 Vgl. Donelly, Int’l Org. 40 (1986), S. 599 ff. (632). 189 Vgl. Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 51 ff. 190 Vgl. beispielsweise das Memorandum of the Government of Myanmar on the Report of the Director-General to the members of the Governing Body vom 21. 05. 1999 (ILO-Doc. Nr. GB.267 / 16 / 2), im Internet unter http: / / www.ilo.org / public / english / standards / relm / gb / docs / gb276 / gb-6-a2.htm (01. 09. 2004). 191 Leary, Workers’ Rights (1996), S. 186 ff. Vgl. auch Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 44. 192 Vgl. Leary, Workers’ Rights (1996), S. 190 ff.

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mension of Globalization die Berechtigung der ILO, als letztes Mittel Sanktionen gem. Art. 33 ILO-Verfassung zu verhängen, ausdrücklich erwähnt.194 Trotzdem ist zu erwarten, dass die ILO auch in Zukunft eine eher souveränitätsschonende Herangehensweise wählt, anstatt auf die konfliktträchtige Sanktionsbewehrung internationaler Sozialstandards hinzuarbeiten.

d) Zwischenergebnis Somit ergibt sich eine zwiespältige Antwort auf die Frage, ob die ILO ein geeignetes Forum für eine Sozialklausel darstellen könnte: Für kooperative Prozesse und vorsichtigen Druck erscheint sie, zumindest im Rahmen ihres Sachbereichs, gut geeignet zu sein. Eine auf wirtschaftlichen Zwang setzende Sozialklausel würde das fragile Kooperationsverhältnis der Mitglieder jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit stark beeinträchtigen und könnte sich daher als kontraproduktiv erweisen.

2. Zuständigkeit der UN? Überlegenswert ist auch, ob die UN-Organe im Bereich der Menschenrechte der geeignete Ort für die Umsetzung einer Sozialklausel sein könnten. Dies scheint aufgrund der breiten Herangehensweise der UN, insbesondere der Einbeziehung von sozialen Rechten, die über Arbeiterrechte hinausgehen, zunächst plausibel zu sein. Doch ähnlich wie das Überwachungssystem der ILO weist auch dasjenige der UN erhebliche Schwächen auf. Zu unterscheiden sind dabei zwei Organe: Zum einen wurde vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN (ECOSOC) die Menschenrechtskommission mit einigen Überwachungskompetenzen ausgestattet, insbesondere durch die ECOSOC-Resolutionen Nr. 1235 von 1967195 und Nr. 1503 von 1970196. Ihre Mitglieder sind Repräsentanten der Staaten, und sie kann lediglich Empfehlungen zu einzelnen Fällen schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen abgeben, so dass ihre Arbeit allgemein als nicht sehr effektiv angesehen wird.197

193 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 24; Tsogas, Int’l J. Hum. Resource Mgmt. 10 (1999), S. 351 ff. (370 f.). 194 ILO, Eine faire Globalisierung (2004), S. 104. 195 ECOSOC Resolution Nr. 1235 (XLII) vom 06. 06. 1967. Vgl. dazu etwa Pfetsch, in: Wolfrum (Hrsg.), Hb. Vereinte Nationen (1991), S. 550. 196 ECOSOC Resolution Nr. 1503 (XLVIII) vom 27. 05. 1970. Vgl. dazu etwa Noll-Wagenfeld, Aktionsmöglichkeiten der Vereinten Nationen (1978), S. 28 ff.; Tomuschat, in: Wolfrum (Hrsg.), Hb. Vereinte Nationen (1991), S. 553 ff. 197 Vgl. Donelly, Int’l Org. 40 (1986), S. 599 ff. (611 ff.); Alston, Commission on Human Rights (1992); Schaber, Internationale Verrechtlichung (1996), S. 139 ff.

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

Demgegenüber ist unter Art. 28 ff. IPbpR der Menschenrechtsausschuss als Vertragsorgan entstanden. Wegen seiner Zusammensetzung aus 18 unabhängigen Experten ist er zu einer weitaus unpolitischeren Arbeitsweise in der Lage. Die Vertragsparteien müssen jährliche Berichte einreichen, in denen die menschenrechtliche Situation geschildert wird, und müssen sich den Expertenfragen in einem Überprüfungsverfahren stellen.198 Gestärkt wird die Überwachungstätigkeit durch die unter einem Fakultativprotokoll mögliche Individualbeschwerde. Allerdings verfügt auch der Menschenrechtsausschuss nicht über Sanktionsmöglichkeiten, so dass seine Wirkung auf die Gewinnung und Verbreitung von Informationen und die „mobilization of shame“ beschränkt ist. Außerdem ist die Arbeit des Ausschusses auf den Bereich des IPbpR beschränkt. Im Rahmen des IPwsR besteht zwar ein Parallelausschuss. Er konnte jedoch keine ähnlich dominante Position entwickeln, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass der IPwsR lediglich zur progressiven Verwirklichung der sozialen Rechte verpflichtet.199 Am dynamischen Verpflichtungscharakter des IPwsR scheiterte bisher auch die Einführung eines Fakultativprotokolls für Individualbeschwerdeverfahren.200 Gegen eine Verschärfung des Mechanismus sprechen dieselben Gründe, die im Rahmen der ILO dargestellt wurden. Dazu kommt noch, dass es für eine Sozialklausel keine einheitliche Zuständigkeit gäbe, da die Überwachung von Sozialstandards auf verschiedene Organe der UN verteilt ist.201 Trotzdem sollte auch hier festgehalten werden, dass der Sachverstand der UN-Organe für die erste, kooperative Ebene der Sozialklausel von Nutzen wäre.

3. Zuständigkeit der WTO? Der vielleicht schwerwiegendste Einwand gegen eine Integration einer ethisch motivierten Sozialklausel in das WTO-Recht betrifft die fehlende Geeignetheit dieser Organisation. Dabei lassen sich zwei Fragen unterscheiden: Erstens gilt es zu untersuchen, ob die WTO generell eine sachfremde Organisation darstellen würde, oder ob sie bereits soziale Elemente aufweist. Darüber hinaus müssen konkrete Einwände analysiert werden, die sich auf die institutionelle Geeignetheit der WTO für die Umsetzung einer Sozialklausel beziehen.

Vgl. Schaber, Internationale Verrechtlichung (1996), S. 180 ff. Vgl. Donelly, Int’l Org. 40 (1986), S. 599 ff. (611). 200 Vgl. die Diskussion bei Engels, Verbesserter Menschenrechtsschutz (2000). 201 Teilweise wird sogar überlegt, ob für die Überwachung des Verbots von Kinderarbeit auch UNICEF zuständig sein könnte, vgl. Bhagwati, Trade Linkage and Human Rights (1998), S. 248. 198 199

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a) Bisherige soziale Elemente in der WTO Auch wenn inzwischen die Zuständigkeiten der WTO inhaltlich weit über das ehemalige GATT hinausgehen,202 erscheinen soziale Mindeststandards auf den ersten Blick als sachfremde Materie. Das gilt in besonderem Maße für eine ethisch, nicht ökonomisch motivierte Integration sozialer Standards. Eine strategische Verwendung einer Organisation zur Durchsetzung sachfremder Ziele kann als „sanction linkage“ oder allgemeiner als Regimeleihe bezeichnet werden.203 Dieser Form von organisatorischer Verknüpfung wird allgemeine Skepsis entgegen gebracht, da primärer Anknüpfungspunkt für Veränderungen einer als unbefriedigend empfundenen Situation das sachlich zuständige Regime sei.204 Zu prüfen gilt es deshalb, ob die WTO tatsächlich sachfremd ist, also ihr Anwendungsbereich allein handelsrechtlicher Natur ist, oder ob sie bereits soziale Elemente aufweist.

aa) Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer Eine direkte soziale Ausrichtung kann darin gesehen werden, dass schon in der Präambel205 des WTO-Übereinkommens eine „nachhaltige Entwicklung“ als Leitbild aufgestellt wird und unterstrichen wird, „dass es positiver Bemühungen bedarf, damit sich die Entwicklungsländer ( . . . ) einen Anteil am Wachstum des internationalen Handels sichern, der den Erfordernissen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entspricht“. Konkretisiert wird diese Zielsetzung in verschiedenen Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer. In Art. XVIII und XXXVI – XXXVIII GATT, aber auch in den Übereinkommen etwa über Textilwaren und Bekleidung (ATC)206, über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS)207 sowie über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs)208 sowie im GATS und im TRIPS finden sich verschiedene Normen, die dazu dienen sollen, sich entwickelnde Volkswirtschaften vor dem Druck des Weltmarktes zu schützen oder ihnen bestimmte Handelspräferenzen zu gewähren.209 In Vgl. oben § 5 II.4. Leebron, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 5 ff. (14 f.). 204 Leebron, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 5 ff. (27). Vgl. dazu auch Charnovitz, Temp. Int’l & Comp. L.J. 11 (1997), S. 131 ff. (163). 205 Zu den rechtlichen Wirkungen der Präambel vgl. Neumann, Koordination des WTORechts (2002), S. 161 ff. m. w. N. 206 Agreement on Textiles and Clothing vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 50. 207 Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 40. 208 Agreement on Trade-Related Investment Measures, vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 100. 209 Vgl. dazu umfassend Hudec, Developing Countries (1987); Martin / Winters (Hrsg.), Uruguay Round and Developing Countries (1996). Siehe auch Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 71 ff. m. w. N. zur aktuellen Situation. 202 203

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

sehr beschränktem Maße findet auch eine technische Zusammenarbeit der WTO statt, die ebenfalls die wirtschaftliche Situation der Entwicklungsländer stärken soll210. Diesen Bestimmungen liegt zwar nicht die Idee zugrunde, direkt die sozialen Bedingungen in den betroffenen Ländern zu verbessern, aber sie spiegeln die Vorstellung wider, dass durch wirtschaftliches Wachstum indirekt Verbesserungen erzielt werden können211. Zu bedenken ist jedoch, dass sich diese Sonderbestimmungen als wenig wirksam erwiesen haben, denn positive Auswirkungen sind kaum festzustellen, wichtige Handelsbeschränkungen der Industrieländer sind beibehalten worden und durch die generell sinkenden Zölle haben die gewährten Präferenzen an Gewicht verloren212. Dennoch zeigen diese Elemente, dass entwicklungspolitische Ziele der Logik der WTO nicht fremd sind.

bb) Dumping- und Subventionsbestimmungen Neben den Bestimmungen, die auf eine positive Förderung von Ländern mit niedrigem wirtschaftlichen und sozialen Niveau gerichtet sind, ist für die Diskussion um eine Sozialklausel vor allem nach Normen zu suchen, die eine Reaktionsmöglichkeit auf die Unterschreitung sozialer Mindeststandards durch einen Mitgliedstaat vorsehen. Nicht nur in der öffentlichen Debatte, sondern auch in der wissenschaftlichen Literatur wird oft erwogen, ob die Antidumpingbestimmungen der WTO einen solchen Ansatzpunkt liefern könnten.213 Überlegt wird, die Unterschreitung bestimmter sozialer Mindeststandards, die die Produktionskosten einer Ware senken, als Dumping zu verstehen und deswegen eine Berechtigung der Staaten zu statuieren, die so produzierten Güter mit Antidumpingzöllen zu belegen.214 Dagegen spricht jedoch erstens die Legaldefinition des Art. VI:1 GATT in Verbindung mit dem Antidumping-Übereinkommen215: Dumping liegt danach nur vor, wenn die Waren im Vgl. etwa Art. XXV:2 GATS. Vgl. dazu Martin / Winters, Uruguay Round: A Milestone (1996). 212 Vgl. Müller, Chance der Kooperation (1993), S. 87 f.; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 107 ff. 213 An dieser Stelle soll nur untersucht werden, ob die Dumping-Bestimmungen der WTO eine ethisch motivierte Sanktionierung zulassen. Die mit dem Dumping-Vorwurf zumeist verbundene Vorstellung eines race to the bottom (vgl. zu dieser Verknüpfung Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 [1999], S. 1 ff. [48 ff.]) soll erst im 3. Teil der Arbeit diskutiert werden. 214 Vgl. die systematische Übersicht bei Hilpert, Streit um die Weltwirtschaftsordnung (2002), S. 7 f. sowie Brand / Hoffmann, IFO-Schnelldienst 25 – 26 / 1994, S. 23 ff. (26 f.); OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 170 f.; Adlung / Langhammer / Klemmer / Hüther, ZfW 46 / 2 (1997), S. 167 ff. (169); Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), 97 m. w. N. Allgemein zum Dumping im Rahmen der WTO siehe Hoekman / Kostecki, Political Economy (2001), S. 315 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 301 ff. 210 211

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Einfuhrland billiger verkauft werden als im Ursprungsland oder – wenn ein solcher Vergleichspreis nicht existiert – der Verkaufspreis unter den Herstellungskosten liegt.216 Dies ist jedoch bei der Unterschreitung von Sozialstandards nicht der Fall, da zwar dadurch eventuell billiger produziert und verkauft werden kann als vom jeweiligen Konkurrenten, der Verkaufspreis aber nicht unter dem Verkaufspreis im Herstellungsland oder den Herstellungskosten des eigenen Produkts liegt.217 Aus der Entstehungsgeschichte der Antidumpingbestimmungen des GATT geht außerdem eindeutig hervor, dass nur Preisdumping, nicht jedoch „Sozialdumping“ von den Vorschriften erfasst werden sollte.218 Ähnlich überzeugungsschwach sind die Versuche, die staatliche Duldung einer standardverletzenden Güterproduktion als Subvention i. S. d. Art. XVI GATT und Art. 1 Subventionsübereinkommen219 zu verstehen, was gem. Art. VI:3 GATT in Verbindung mit dem Subventionsübereinkommen das Einfuhrland zu Ausgleichszöllen berechtigen würde. Dem GATT220 liegt jedoch ein Subventionsbegriff zugrunde, der nur „spezifische“ staatliche Leistungen umfasst, also für ein oder mehrere Unternehmen bzw. Wirtschaftszweige gilt. Dies liegt wohl nicht vor, wenn es ein Staat unterlässt, allgemein seine Produzenten zur Beachtung internationaler Sozialstandards zu verpflichten.221 cc) Allgemeine Ausnahmen Soziale Elemente könnten auch die Bestimmungen zu allgemeinen Ausnahmen sein, die in Art. XX GATT222 und Art. XIV GATS223 niedergelegt sind. Stärker als 215 Agreement on Implementation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 103. 216 Vgl. dazu nur Jackson, World Trading System (1997), S. 251 ff.; Berrisch / Düerkop, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.7., Rn. 24 ff. 217 A.A. wohl nur Maupain, Rev. Gén. Droit Int. Publ. 100 (1996), S. 45 ff. (63) (zitiert nach Neumann, Koordination des WTO-Rechts [2002], S. 283). 218 Vgl. die Nachweise in Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (48 ff.). 219 Agreement on Subsidies and Countervailing Measures vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 156. 220 Zu den Subventionsbestimmungen des GATS siehe unten § 17 V.2.b). 221 Vgl. Howse, J. Small & Emerging Bus. L. 3 (1999), S. 131 ff. (136); Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 95; Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 66. Allenfalls für die Fälle der sogenannten „Export Processing Zones“, also in den von manchen (Entwicklungs-)Ländern eingerichteten Sonderwirtschaftszonen, in denen teilweise unter Aussetzung der allgemeinen nationalen Arbeitsgesetze ausschließlich für den Export produziert wird, könnten eventuell Subventionsvorschriften des GATT einschlägig sein. Vgl. Brand / Hoffmann, IFO-Schnelldienst 25 – 26 / 1994, S. 23 ff. (27 f.); OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 114 ff.; 171 ff. 222 Vgl. dazu allgemein Garcia, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 65 ff. (91 ff.); Jansen / Lugard, J. Int’l Econ. L. 2 (1999), S. 530 ff. (531 ff.); Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 226 ff.

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der in vieler Hinsicht parallele, tatbestandlich aber enger gefasste Art. XIV GATS scheint Art. XX GATT sozial motivierte Handelsbeschränkungen zuzulassen: Er billigt den Mitgliedstaaten unilaterale Schutzmaßnahmen zu, wenn einer der aufgelisteten Bereiche einschlägig ist und wenn die Maßnahmen nicht zu einer „willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung“ oder „verschleierten Beschränkung des internationalen Handels“ führen. Aufgelistet werden beispielsweise der Schutz der „öffentlichen Sittlichkeit“ (Abschnitt a), des „Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen“ (Abschnitt b) oder des „nationalen Kulturgutes“ (Abschnitt f) sowie „Maßnahmen hinsichtlich der in Strafvollzugsanstalten hergestellten Waren“ (Abschnitt e). Den engsten Bezug zu einer ethisch motivierten Sozialklausel weist Abschnitt e) auf. Bei genauerem Hinsehen erweist sich jedoch, dass diese Bestimmung keine soziale, sondern vielmehr eine protektionistische Zielrichtung hat: Die Bestimmung bezieht sich nicht auf Zwangsarbeit, sondern auf Gefängnisarbeit. Da im internationalen humanitären Recht aber anerkannt ist, dass es durchaus bestimmte zulässige Formen von Gefängnisarbeit gibt,224 wird deutlich, dass nicht eine die Rechte der Betroffenen verletzende, sondern eine in der Regel nicht nach Marktpreisen entlohnte und damit besonders billige Form der Herstellung als Grundlage für Schutzmaßnahmen dient.225 Eine Überschneidung mit dem materiellen Gehalt einer Sozialklausel ist also eher zufällig und betrifft auch nur einen Teilbereich der Zwangsarbeit.226 Manche der anderen Bestimmungen, insbesondere Abschnitt a), werden zwar in der Literatur als mögliche Grundlage für eine Sozialklausel angesehen.227 In der Praxis der GATT-Streitbeilegung wurden diese Bestimmungen aber so restriktiv ausgelegt, dass ethisch motivierte Wirtschaftssanktionen mit ihnen unvereinbar sein dürften: Zentrale Hürde ist die Frage, ob extraterritoriale Sachverhalte von einem Mitgliedstaat überhaupt zum Anlass genommen werden dürfen, Schutzmaßnahmen zu erlassen. Soll Art. XX GATT also den Schutz der „öffentlichen Sittlichkeit“ oder der „Gesundheit von Menschen“ nur im jeweiligen Hoheitsgebiet erlauben, oder legitimiert diese Norm auch Versuche, durch handelsbeschränkende Vgl. dazu etwa Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 153 ff. Vergleiche etwa Art. 2 Abs. 2 c) der ILO-Konvention Nr. 29 zur Zwangsarbeit: „Nevertheless, for the purposes of this Convention, the term forced or compulsory labour shall not include . . . any work or service exacted from any person as a consequence of a conviction in a court of law, provided that the said work or service is carried out under the supervision and control of a public authority and that the said person is not hired to or placed at the disposal of private individuals, companies or associations.“ 225 Hess, Der Arbeitgeber 3 / 1995, S. 81 ff. (82 f., Fn. 15); Leary, Workers’ Rights (1996), S. 227, Fn. 57. 226 Der Abschnitt wurde beispielsweise auch nie gegen China als Haupterzeuger solcher Produkte angewendet, Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 21. Vgl. auch Leary, Workers’ Rights (1996), S. 227. 227 Vgl. dazu Cleveland, J. Int’l Econ. L. 5 (2002), S. 133 ff. (157 ff.) und unten § 8 III.2.a). 223 224

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Maßnahmen diese Anliegen auch außerhalb des Hoheitsgebietes zu verfolgen? Auch wenn zu dieser Frage bisher noch kein bindendes228 Fallrecht entstehen konnte, weil die dazu ergangenen Panel-Berichte von den Mitgliedstaaten nicht angenommen wurden, zeigt sich in den Streitfällen eine enge Interpretation durch die Streitbeilegungsorgane.229 Das gleiche gilt für die Prüfung des „necessity“230-Erfordernisses231 und der „chapeau“ genannten Bestimmung, dass keine ungerechtfertigte Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels eintreten darf232. In der Vergangenheit wurden daher die weitaus meisten staatlichen Maßnahmen von den Panels verworfen – in der Literatur herrscht der Eindruck einer „Marginalisierung“ des Artikels vor233.

dd) Sonstige Ausnahmeklauseln Das WTO-Recht enthält noch eine Vielzahl anderer Ausnahmeklauseln, deren lückenlose Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Allein im GATT finden sich beispielsweise unter anderen die folgenden Befreiungs- und Rücktrittsklauseln: 234 Art. XI:2 Abschnitt a bis c ermöglicht mengenmäßige Be-

228 Die rechtliche Bindungswirkung der Entscheidungen ist allerdings umstritten, vgl. unten § 17 III.1.a). 229 Vgl. dazu insbesondere die beiden Tuna / Dolphin-Berichte; United States – Restrictions on Imports of Tuna I, Report of the Panel Nr. DS21 / R vom 16. 08. 1991, nicht angenommen, I.L.M. 30 (1991), S. 1594 ff., im Internet zu finden unter http: / / www.worldtradelaw.net / reports / gattpanels / tunadolphinI.pdf (01. 09. 2004); United States – Restrictions on Imports of Tuna II, Report of the Panel Nr. DS29 / R vom 20. 05. 1994, nicht angenommen, I.L.M. 33 (1994), S. 839 ff., im Internet zu finden unter http: / / www.worldtradelaw.net / reports / gattpanels / tunadolphinII.pdf (01. 09. 2004). 230 Durch eine fehlerhafte Übersetzung findet sich in der deutschen Version des Art. XX Abschnitt a) bis d) GATT keine Entsprechung zu der authentischen englischen Formulierung, die Maßnahmen müßten „necessary to . . .“ sein, um den jeweiligen Schutzzweck zu erreichen; vgl. Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 232. 231 So im Thai Cigarettes-Fall, siehe Thailand – Restrictions on Importation of and Internal Taxes on Cigarettes, Report of the Panel Nr. DS10 / R vom 05. 10. 1990, GATT BISD 37S / 200, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 90cigart.asp (01. 09. 2004). Vgl. dazu Garcia, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 65 ff. (96 f.) und Gathii, Widener L. Symp. J. 7 (2001), S. 137 ff. (153 ff.). Allgemein dazu Neumann / Türk, Necessity Revisited (2003). 232 Zur Auslegung vgl. Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 143 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 269 ff. 233 Adlung / Langhammer / Klemmer / Hüther, ZfW 46 / 2 (1997), S. 167 ff. (185); Maskus, Core Labor Standards (1997), S. 59 f.; Howse / Mutua, Protecting Human Rights (2000), S. 3; Gathii, Widener L. Symp. J. 7 (2001), S. 137 ff. (153). Wegen der unklaren Erfolgsaussichten hat sich bisher auch noch kein Staat auf die Ausnahmeklausel des Art. XX a) GATT berufen, vgl. Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 141 m. w. N. 234 Systematische Übersicht bei Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 160 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 207 ff. Zur politischen

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schränkungen zur Verhinderung von Lebensmittelknappheit und zum Schutz landwirtschaftlicher Produkte, Art. XII ermöglicht Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz, nach Art. XIX235 kann die Öffnung des einheimischen Marktes für ein bestimmtes Produkt vorübergehend ausgesetzt werden, wenn durch die Einfuhr einer Ware „den inländischen Erzeugern gleichartiger oder unmittelbar konkurrierender Waren in diesem Gebiet ein ernsthafter Schaden zugefügt wird oder zugefügt zu werden droht“, und auch aus Art. XXIII ist verschiedentlich das Recht auf Rücknahme von Zugeständnissen abgeleitet worden236. Diese Ausnahmebestimmungen dienen jedoch alle dem Schutz der heimischen Wirtschaft und werden von den Vertragsparteien und den Streitbeilegungsorganen äußerst restriktiv ausgelegt, so dass sie mit ethisch motivierten Wirtschaftssanktionen inkompatibel sind237. Eine andere Zielrichtung hat nur die „security exception“ des Art. XXI GATT238, nach der ein Staat Maßnahmen zum Schutz seiner „wesentlichen Sicherheitsinteressen“ ergreifen darf. Diese Bestimmung war zwar in der Vergangenheit oft Grundlage von Wirtschaftssanktionen, aber von großflächigen, durch umfassende Menschenrechtsverletzungen hervorgerufenen Migrationsbewegungen einmal abgesehen sind kaum Fälle denkbar, in denen sie bei der Unterschreitung von sozialen Mindeststandards im Ausland einschlägig sein könnte239. ee) Zwischenergebnis Insgesamt enthält das WTO-Recht also nur vereinzelte Normen, die auf den Schutz von sozialen Standards in anderen Ländern gerichtet sind. Die Integration einer Sozialklausel würde somit eine inhaltliche Erweiterung der Zuständigkeit dieser Organisation bedeuten, was gegen ihre Geeignetheit für eine ethisch motivierte Sozialklausel spricht. Bedeutung der Befreiungsklauseln siehe Hoekman / Kostecki, Political Economy (2001), S. 303 ff.; Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 137 ff. 235 In Verbindung mit dem Agreement on Safeguards vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 184. Siehe zu dieser Ausnahmebestimmung umfassend Perez-Lopez, Case W. Res. J. Int’l L. 23 (1991), S. 517 ff. 236 Vgl. dazu etwa OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 174 f.; Maskus, Core Labor Standards (1997), S. 59; Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 65. 237 Vgl. etwa Hoekman / Kostecki, Political Economy (2001), S. 311; Hohmann, RIW 2001, S. 649 ff. (653). 238 Vgl. dazu Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 217 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 279 ff.). Parallele Bestimmungen finden sich in Art. XIVbis GATS und Art. 73 TRIPS. 239 So auch Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 98. Allgemein zum materiellen Gehalt dieser Bestimmung siehe Bhala, U.C. Davis L. Rev. 31 (1997), S. 1 ff. (6 ff.); Spanogle, Stetson L. Rev. 27 (1998), S. 1313 ff. (1328 ff.); Schloemann / Ohlhoff, Am. J. Int’l L. (1999), S. 424 ff. (430 ff.).

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b) Institutionelle Geeignetheit der WTO Darüber hinaus werden konkrete Einwände formuliert, die sich auf die institutionelle Geeignetheit der WTO für die Integration einer Sozialklausel beziehen.

aa) Überfrachtungsgefahr Einmal bestehe die Gefahr einer inhaltlichen Überfrachtung der WTO. Dies sei erstens beim Prozess der Integration der Sozialklausel der Fall: Der ohnehin komplizierte Verhandlungsprozess werde mit einem sensiblen, hochstreitigen Thema belastet, was weitere Handelsrunden zumindest bremsen, wenn nicht sogar scheitern lassen werde.240 Handelshemmnisse seien nur deshalb so erfolgreich abgebaut worden, weil sie von anderen politischen Zielen abgekoppelt worden seien. Bezeichnenderweise sei die Uruguay-Runde wegen Forderungen nach einer Sozialklausel fast gescheitert.241 Zweitens würde bei der Umsetzung einer Sozialklausel die Effizienz der WTO beeinträchtigt: Insbesondere die Prozeduren des Streitbeilegungsmechanismus würden geschwächt, weil der Streit um Umfang und Grad der Verpflichtungen aus internationalen Sozialstandards die Bereitschaft sinken lasse, sich den DSB-Entscheidungen zu unterwerfen.242 Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass die Verknüpfung des Handelsregimes mit anderen sensiblen Bereichen im Zuge der WTO-Gründung bereits erfolgreich verwirklicht worden ist: Insbesondere die bereits angesprochenen Regelungen zu geistigen Eigentumsrechten (TRIPS) und zu Dienstleistungen (GATS), aber auch die Übereinkommen zu gesundheitspolizeilichen Maßnahmen (SPS), über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs) oder technische Handelshemmnisse (TBT) zeigen, dass die Einbeziehung neuer Sachbereiche durchaus möglich ist. Außerdem ist seit Gründung der WTO das institutionelle Rüstzeug für Erweiterungen geschaffen worden: Die unregelmäßigen, oft langwierigen Handelsrunden sind durch regelmäßige Ministerkonferenzen ergänzt worden, und für die progressive Liberalisierung in den neuen Bereichen sind spezielle Verfahren geschaffen worden243. Trotzdem ist natürlich nicht zu leugnen, dass die Integration des hoch umstrittenen, den Kernbereich nationaler Souveränität berührenden Themas sozialer Standards zusätzliche Belastungen für die WTO mit sich brächte. Diese Gefahr ist al240 So beispielsweise Liemt, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 433 ff. (176). Vgl. dazu allgemein auch Charnovitz, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 28 ff. (30 ff.). 241 Vgl. dazu Scherrer, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 245 ff. (250 f.); Salazar-Xirinachs, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 377 ff. (379). 242 So beispielsweise Dunoff, EJIL 10 (1999), S. 733 ff. (754 ff.). Vgl. auch Leebron, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 5 ff. (25). 243 Vgl. etwa Art. XIX GATS. Dazu ausführlich unten § 17 IV.2.b) bb).

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lerdings für den Kernbereich der sozialen Rechte geringer, da sie sich auf eine breite internationale Anerkennung stützen können und in der Regel eine höhere Operationalisierbarkeit aufweisen.

bb) Mangel an Expertise Ein zweiter Einwand betrifft den Mangel an Sachverstand und Erfahrung bezüglich sozialer Problemstellungen: Weder seien Vertreter der betroffenen Gruppierungen institutionell vertreten, wie dies beispielsweise durch die dreigliedrige Struktur der ILO der Fall sei. Noch hätten die Organe der WTO die Kapazität, die konkrete Situation in den jeweiligen Ländern einzuschätzen bzw. die Einhaltung bestimmter sozialer Standards zu überprüfen.244 In der Tat scheinen Panels, die aus Handelsrechts-Spezialisten zusammengesetzt sind, nicht das ideale Organ zur Beurteilung des komplexen Zusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und sozialen Standards zu sein, der sich gerade im Zusammenhang mit relativen Standards stellt.245 Eine solche einseitige organisatorische Ausrichtung beinhaltet außerdem die Gefahr einer Voreingenommenheit, die im Zweifel den handelspolitischen Prinzipien der WTO das ausschlaggebende Gewicht zubilligt und damit soziale Belange zu kurz kommen lässt. Aus dieser Perspektive spricht also vieles dafür, die WTO nicht mit dem gesamten Prüfungsmechanismus zu betrauen, sondern sie erst in einer späten Verfahrensphase einzuschalten, in der die entwicklungspolitische Komplexität der zu prüfenden Kriterien bereits reduziert wurde.

III. Zusammenarbeit als Lösungsmöglichkeit Es ist also festzustellen, dass das hier entwickelte Konzept einer zweistufigen Sozialklausel in keine der bestehenden Internationalen Organisationen als Ganzes integrierbar ist, ohne auf massive Umsetzungsprobleme zu stoßen oder sogar kontraproduktive Ergebnisse zu erzielen. Nicht zuletzt diese Tatsache mag dafür ursächlich sein, dass das Thema in den vergangenen Jahren zwischen den verschiedenen Organisationen hin- und hergeschoben wurde.246 Will man jedoch die 244 Vgl. beispielsweise Rollo / Winters, World Economy 23 (2000), S. 561 ff. (568); Salazar-Xirinachs, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 377 ff. (384). 245 Auch der im Rahmen der WTO neu eingerichtete Überwachungsmechanismus (Trade Policy Review Mechanism [TPRM], Anhang 3 zum WTO-Übereinkommen, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 251) ist nicht auf die Beurteilung entwicklungspolitischer Fragestellungen ausgerichtet; vgl. dazu etwa Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 214 f.); Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.1. (jeweils m. w. N.). Auf die Tatsache, dass die Einrichtung relativ komplexer Überwachungsmechanismen im Rahmen des TRIPS funktioniert hat, verweisen allerdings Scherrer, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 245 ff. (251); ders. / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 93.

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Schwächen der bisherigen Mechanismen zur Steigerung sozialer Standards überwinden, sollte man sich nicht vollständig vom Konzept einer Sozialklausel verabschieden, sondern über alternative Umsetzungsmöglichkeiten nachdenken. Sinnvoll erscheint es erstens, nicht eine völlig neue organisatorische Struktur zu entwerfen, sondern so weit wie möglich an die bestehenden Regimestrukturen anzuknüpfen. Dann sinkt die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen und Abgrenzungsschwierigkeiten, der Sachverstand und die Strukturen der bestehenden Institutionen können genutzt werden, und außerdem ist mit geringeren Kosten zu rechnen, was insgesamt auch die Wahrscheinlichkeit der politischen Zustimmung vergrößert. Zweitens gilt es, die bestehende funktionale Differenzierung zwischen der ILO, den UN und der WTO für das Gebiet der Sozialstandards zu überwinden. Zu prüfen ist, auf welche Art diese Organisationen zusammenarbeiten können, damit ihre jeweiligen Stärken genutzt und die geschilderten Probleme vermieden werden können.247 Parallel zur materiellen Zweiteilung der Sozialklausel scheint auch eine Zweistufigkeit des Verfahrens ein vielversprechender Lösungsansatz zu sein: Die erste, kooperative Ebene könnte von ILO und UN übernommen werden, während die zweite, erzwingende Ebene der WTO zufiele.

1. Kooperative Verfahrensstufe im Rahmen der ILO Den ersten Verfahrensschritt in die Hände von ILO und UN zu legen generiert das Problem, dass eine klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den beiden Organisationen getroffen werden muss. Im Rahmen der Darstellung der Kombinationsstandards248 ist deutlich geworden, dass ILO-Standards und UN-Menschenrechte 246 Neben dem oft geäußerten Einwand, die WTO sei nicht für soziale Fragen zuständig, wird auch das Argument geäußert, die ILO sei nicht für den Handel zuständig, vgl. dazu etwa Cappuyns, Colum. J. Transnat’l L. 37 (1998), S. 659 ff. (684). 247 Verschiedene Vorschläge zur Zusammenarbeit insbesondere der ILO und der WTO werden schon seit einigen Jahren in Literatur und Praxis vorgebracht. So wurden etwa Vorschläge vom Internationalen Bund Freier Gewerkschaften und dem europäischen Gewerkschaftsbund ETUC (dazu Leary, Workers’ Rights [1996], S. 202 f.), dem DGB (vgl. Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln [1998], S. 19) und auch einer ILO-Working Group (vgl. Leary, Workers’ Rights [1996], S. 192 f.) gemacht. Aus der Literatur siehe etwa die Vorschläge bei Charnovitz, Int’l Lab. Rev. 126 (1987), S. 565 ff. (580); Wet, Hum. Rts. Q. 17 (1995), S. 443 ff. (458 ff.); Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 181 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 177 ff.; Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 82 sowie die Nachweise bei Ehrenberg, From Intention to Action (1996), S. 178 und Taylor, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 639 ff. (688 ff.). Diese Vorschläge orientieren sich jedoch an einem engen, auf einen Kernbereich reduzierten Konzept einer Sozialklausel und lassen sich deswegen mit dem hier entwickelten Modell nicht vereinbaren. Allgemein zur Koordination verschiedener Internationaler Organisationen auch Wahl, FS Hollerbach (2001), S. 214; Sampson, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 717 ff.

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zu eng miteinander verflochten sind, um eine materielle Aufteilung der verschiedenen Aufgabenbereiche vorzunehmen. Diese Art von Parallelverfahren wäre auch organisatorisch unbefriedigend. Stattdessen könnte der Zuständigkeitsbereich einer der beiden Organisationen erweitert werden, um so eine Alleinzuständigkeit herbeizuführen. Dabei bietet sich vornehmlich eine Erweiterung des ILO-Überwachungsmechanismus an, da er durch seine hohe Differenziertheit und die eingespielten Formen der Zusammenarbeit der Beteiligten das wohl effektivste kooperative Verfahren im sozialen Bereich darstellt. Außerdem wäre durch die Aufsplitterung der UN-Zuständigkeiten für menschenrechtliche Fragen dort eine Verknüpfung mit einem konkreten Verfahren schwierig. Das bedeutet also erstens, dass der Prüfungsumfang des ILO-Berichtsverfahrens und des Klageverfahrens auf die in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und dem IPwsR niedergelegten sozialen Rechte ausgeweitet werden sollte. Probleme bereitet dies allerdings insofern, als einige ILO-Mitgliedstaaten den IPwsR nicht ratifiziert haben oder ihre Ratifikation mit umfangreichen Reservationen verbunden haben. Allerdings sind Ratifikationsdefizite im Rahmen der ILO keine unbekannte Erscheinung, und das kooperative Verfahren der ersten Stufe zielt ja gerade darauf ab, auf eine dem jeweiligen Entwicklungsstand angemessene Anerkennung und Anwendung der sozialen Rechte hinzuwirken. Problematischer erscheint die organisatorische Umsetzung, die momentan stark von der auf das klassische Arbeitsverhältnis bezogenen Zielsetzung der ILO geprägt ist. Insbesondere der dreigliedrige Aufbau des höchsten Beschlussorgans – der Internationalen Arbeitskonferenz – sowie des Verwaltungsrates würde die erweiterte Zuständigkeit der ILO nicht angemessen widerspiegeln. Eine Stärkung der Staatenvertreter wäre deshalb ebenso anzudenken wie die Integration von Nichtregierungsorganisationen, wobei Letzteres komplexe Legitimitätsprobleme aufwirft249. Weniger Schwierigkeiten schafft die Erweiterung des für das Berichtsverfahren zuständigen Sachverständigenausschusses und der für das Klageverfahren zuständigen Commission of Inquiry, die jeweils um Experten für nicht-arbeitsbezogene soziale Standards ergänzt werden könnten. Um das Konzept relativer Standards verfahrenstechnisch zu verankern, müsste im Rahmen des Berichtsverfahrens ein konkreter Zeitplan mit den betroffenen Ländern ausgearbeitet werden, dessen Einhaltung im Klageverfahren überprüft werden könnte. Ist der betroffene Staat trotz angemessener Umsetzungsfrist nicht dazu bereit, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, könnte der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitskonferenz bestimmte milde Formen von wirtschaftlichem Druck empfehlen, um dem jeweiligen Zeitplan Effektivität zu verleihen. Siehe oben unter § 7 I.5. Vgl. dazu etwa Altvater / Brunnengräber (Hrsg.), Vernetzt und verstrickt (1997); Beisheim, APuZ 43 / 1997, S. 21 ff.; Schmidt / Take, APuZ 43 / 1997, S. 12 ff.; Bergstedt, Reich oder rechts? (2002); Leggewie, Die Globalisierung und ihre Gegner (2002), S. 90 ff., 147 ff. Vgl. allgemein auch Esty, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 123 ff. 248 249

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Tritt dagegen eine anhaltende Verletzung der Kernarbeitsrechte auf, so leitet der Verwaltungsrat den Fall an die WTO weiter. Problematisch ist daran allerdings, dass dadurch auf der Ebene der ILO bereits eine partielle Vorentscheidung über eine „harte“ wirtschaftliche Sanktionierung getroffen wird. Auch das Bewusstsein der Beteiligten, dass bei Nichteinhaltung der Zeitpläne in bestimmten Fällen eine Weiterleitung an die WTO erfolgen kann, könnte die Bereitschaft zur Kooperation senken. Allerdings ist diese mittelbare Form von Zwangsbewehrung mit der kontraproduktiven Wirkung einer direkten ILO-Sanktionierung nicht zu vergleichen. Außerdem erscheint eine gewisse Verschärfung der Tätigkeit der ILO angesichts ihrer Machtlosigkeit gegenüber hartnäckigen Fällen schon aus dem Grund angebracht, ein klares Zeichen für die Grenzen der Toleranz im Bereich sozialer Standards zu setzen.250 Neben dieser Erweiterung gilt es jedoch auch, die Arbeit der ILO mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP)251, der nationalen Entwicklungszusammenarbeit sowie den sozialen Projekten etwa der Weltbank enger zu verzahnen, um dem Zusammenhang zwischen sozialen Rechten und allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Die erste Stufe einer ethisch motivierten Sozialklausel wird dann am erfolgversprechendsten sein, wenn sie in eine umfassende Politik eingebettet ist, die auf die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Entwicklungsländer gerichtet ist.

2. Erzwingende Verfahrensstufe im Rahmen der WTO Zu untersuchen bleibt, welche Änderungen im Recht der WTO erforderlich sind.

a) Anknüpfungspunkte im geltenden Recht Zunächst ist zu betonen, dass das Konzept der Zusammenarbeit mit anderen Internationalen Organisationen kein völliges Novum für die WTO darstellt. Basierend auf einer Ministererklärung im Zusammenhang mit dem Abschluss der Uruguay-Runde hat die WTO im Jahre 1996 Kooperationsabkommen mit dem IWF und der Weltbank geschlossen, die auch einen Beobachterstatus dieser beiden Organisationen bei der WTO umfassen.252 Seit 1997 besteht ein „Integrierter Rah250 Insofern könnte man eine Parallele zu der Diskussion um Strafzwecke ziehen: Auch dort ist anerkannt, dass ein Grund für die Sanktionierung regelwidrigen Verhaltens in der positiven Stützung der verletzten Norm zu finden ist (sog. „positive Generalprävention“), vgl. nur Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil (1991), S. 6 ff.; Köhler, Strafrecht Allgemeiner Teil (1997), S. 42 f.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1 (1997), S. 50 f. 251 Dazu Hampe, Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (1997); Klingebiel, Leistungsfähigkeit und Reform (1998).

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men“ (IF) für handelsbezogene technische Unterstützung der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), bei dem die WTO unter anderem auch mit dem UNDP, der UNCTAD und dem Internationalen Handelszentrum (ITC) zusammenarbeitet.253 Die ILO dagegen hat nicht einmal einen Beobachterstatus bei der WTO inne.254 Das Ziel der Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen ist auch in der Präambel und in Art. V:1 des WTO-Übereinkommens (WTO-Ü) ausdrücklich niedergelegt. Fraglich ist aber, welche konkreten Bestimmungen des WTO-Rechts sich als Anknüpfungspunkt für eine Sozialklausel eignen. Als erstes fällt Art. XX GATT ins Auge, der durch seine Auflistung von „Allgemeinen Ausnahmen“ und seine bereits geschilderte Nähe zu sozialen Fragen systematisch geeignet erscheint. So forderte beispielsweise das Europäische Parlament im Jahre 1994, Art. XX Abschnitt e) GATT um Kernarbeiterrechte zu ergänzen,255 und auch in der Literatur ist verschiedentlich eine solche Integration in Abschnitt a), b) oder e) gefordert worden256. Teilweise wird auch unter Hinweis auf den ius cogens-Charakter des Kernbereichs der sozialen Menschenrechte eine völkerrechtskonforme Auslegung des Art. XX GATT als ausreichend angesehen, um Ausnahmen zum Schutz dieser Rechte im Ausland zu legitimieren.257 Problematisch daran ist jedoch, dass Art. XX GATT keine multilaterale Abstimmung über das Vorliegen dieser Voraussetzungen erfordert, sondern unilaterale Maßnahmen erlaubt, die lediglich im Streitbeilegungsverfahren zum Gegenstand 252 Vgl. Trachtman, Am. J. Int’l L. 96 (2002), S. 77 ff. (90); Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 78 m. w. N. Siehe dazu auch Art. III:5 WTO-Ü. 253 Vgl. dazu Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 75 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 40 ff.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 78; WTO, Annual Report 2003, S. 118 ff. 254 Siehe die Auflistung bei WTO, Annual Report 2004, S. 78 ff. Vgl. dazu auch Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (45). 255 Entschließung zur Einführung der Sozialklausel in das uni- und multilaterale Handelssystem vom 28. 02. 1994, ABl. EG 1994 Nr. C 61 / 89. 256 Vgl. etwa Maupain, Rev. Gén. Droit Int. Publ. 100 (1996), S. 45 ff. (81 f.) (zitiert aus Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 [1999], S. 1 ff. [34 f.]); Garcia, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 65 ff. (100). 257 So etwa Waart, Minimum Labour Standards (1996), S. 260; Charnovitz, Va. J. Int’l L. 38 (1998), S. 689 ff. (741 ff.) m. w. N.; Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (56 ff.); Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 141, 282 ff.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 471; Unger, KJ 2004, S. 37 ff. Differenzierend Cleveland, J. Int’l Econ. L. 5 (2002), S. 133 ff. (157 ff.); vgl. auch Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 164 ff. Zum Teil wird auch auf die Präambel der WTO verwiesen, vgl. etwa Howse / Mutua, Protecting Human Rights (2000), S. 9 ff.; Schroeder / Schonard, RIW 2001, S. 658 ff. (661 f.). Ablehnend aber Feddersen, Minn. J. Global Trade 7 (1998), S. 75 ff.; ders., Ordre public in der WTO (2002). Zur Bindung der WTO an menschenrechtliche Verträge vgl. Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 289 ff., allgemein zu den Rechtsquellen des Streitbeilegungsverfahrens Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 22 ff.

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einer gemeinsamen Prüfung der Mitgliedstaaten werden können. Dies birgt aber in hohem Maße die Gefahr des Missbrauchs für protektionistische und andere politische Zwecke258 und führt zu einem starken Ungleichgewicht zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Staaten, die ein sehr unterschiedliches Droh- und Sanktionspotential aufbauen können. Außerdem könnten, wenn nicht im GATS und den anderen Abkommen parallele Ergänzungen vorgenommen würden, nur Sanktionen im Bereich des Warenhandels ergehen, denn die Bestimmung erlaubt nur Ausnahmen von den Verpflichtungen des GATT. Überlegenswert wäre auch eine Erweiterung der security exception des Art. XXI GATT, der den Vertragsparteien in Abschnitt c) „Maßnahmen auf Grund ihrer Verpflichtungen aus der Satzung der Vereinten Nationen zur Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit“ erlaubt259. Allerdings spricht neben den soeben genannten Gründen der Unilateralität und des begrenzten Anwendungsbereichs auch die systematische Stellung gegen eine Integration der zweiten Stufe der Sozialklausel an dieser Stelle, denn dabei handelt es sich um „Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit“. Die sonstigen Ausnahmebestimmungen eignen sich schon aufgrund der Schutzrichtung, die sich vorwiegend auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen bezieht, kaum für eine Verknüpfung mit einer Sozialklausel.

b) Ergänzung Somit erscheint es unausweichlich, die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Sanktionierung aufgrund von anhaltenden Verletzungen grundlegender sozialer Rechte durch das Einfügen eines neuen Artikels in das Recht der WTO zu schaffen. Dafür bietet sich das WTO-Übereinkommen an, da die verschiedenen materiellen Übereinkommen unter diesem Dach versammelt sind. Eine solche Änderung, die Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten hat, erfordert allerdings – wie im Übrigen auch die Ergänzung eines existierenden Artikels – gem. Art. X:3 WTO-Ü entweder einen Konsens der Mitglieder oder sie gilt, falls der Beschluss nur mit Zweidrittelmehrheit ergeht, nur für die zustimmenden Mitglieder.260 Aufgrund der bisher ablehnenden Haltung vieler Entwicklungsländer dürfte diese umfassende politische Zustimmung nicht leicht zu erringen sein. Möglicherweise hilft jedoch die rein ethische Ausrichtung der hier entworfenen Sozialklausel und ihre missbrauchsbeschränkende Ausformung bei der Überzeugungsarbeit. 258 Auf das Vorliegen dieser Gefahr im Rahmen des Art. XX weisen auch Leary, Workers’ Rights (1996), S. 204 und Tay, Trade and Labor (2002) hin. 259 Vgl. dazu etwa Maskus, Core Labor Standards (1997), S. 60; Cleveland, J. Int’l Econ. L. 5 (2002), S. 133 ff. (181 ff.). 260 Zu den WTO-Entscheidungsverfahren siehe ausführlich unten § 16 II.2.

7 Spelten

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

c) Verfahrenstechnische Ausgestaltung Um eine Missbrauchgefahr auszuschalten, muss das Verfahren möglichst weitgehend multilateralisiert werden. Das bedeutet erstens, dass ein Panel aus unabhängigen Sachverständigen, die nach dem üblichen Verfahren des Art. 8 DSU gebildet werden, über den von der ILO vorgelegten Fall zu entscheiden hat. Dabei ist erstens das Vorliegen einer Verletzung der Verpflichtungen zu prüfen, die aus dem zwischen der ILO und dem betroffenen Staat ausgehandelten Zeitplan hervorgehen. Anders als im sonstigen Streitbeilegungsverfahren sollte jedoch auch der Umfang der Sanktionierung von diesem Organ festgelegt werden, um eine einheitliche Anwendung der Sozialklausel und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu gewährleisten. Diese Art des Vorgehens ergibt sich notwendigerweise schon aus der Tatsache, dass kein Geschädigter existiert, der unilaterale Gegenmaßnahmen wie etwa Strafzölle erlassen könnte, um seine durch die Rechtsverletzungen entstandenen Kosten auszugleichen. Orientierungspunkt für den Umfang der Sanktion sind im Rahmen einer ethisch motivierten Sozialklausel generell nicht die für andere Staaten entstandenen Kosten, sondern die Schwere der Standardverletzung und die zu erwartenden Folgen für die Bevölkerung. Auch wäre zu überlegen, ob zum Aufbrechen der einseitigen Handelsbezogenheit neben Staatenvertretern etwa Tarifpartner und Nichtregierungsorganisationen in den Prozess miteinbezogen werden könnten. Allgemein sind diesbezüglich seit Seattle große Fortschritte erkennbar geworden – die WTO ist transparenter geworden, und die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit „nichtstaatlichen Organisationen“ wurde in Art. V:2 WTO-Ü ausdrücklich niedergelegt.261

3. Notwendigkeit einer Öffnungsklausel? Fraglich ist allerdings, ob die Notwendigkeit besteht, in das WTO-Übereinkommen neben dem Sanktionsmechanismus der zweiten Stufe auch eine Öffnungsklausel für die ILO-Sanktionen der ersten Stufe einzufügen. Im Rahmen der Prüfung der Verletzung staatlicher Souveränität durch eine Sozialklausel war festgestellt worden, dass diese „weichen“ Sanktionen grundsätzlich völkerrechtskonform sind.262 In der Literatur ist aber umstritten, ob solche Sanktionen mit dem WTORecht vereinbar sind oder ob es sich bei der WTO um ein self-contained regime 261 Vgl. dazu Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 82 f. Allerdings bleibt ein direktes Mitbestimmungsrecht von Nichtregierungsorganisationen aufgrund fehlender demokratischer Legitimation problematisch, siehe die Angaben oben 2. Teil, Fn. 249 sowie Hoekman / Kostecki, Political Economy (2001), S. 470 f. Auf die mangelnde demokratische Legitimation der WTO selbst verweisen allerdings Krajewski, Legitimation und demokratische Kontrolle (1999), S. 267 ff.; Hilf, FS Oppermann (2001). 262 Siehe oben unter § 7 II.2.b).

§ 9 Ergebnis

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handelt, dem für die Entscheidung über Handelssanktionen eine ausschließliche263 Zuständigkeit zukommt.264 Grundsätzlich spricht viel dafür, dass auch „weiche“ Wirtschaftssanktionen etwa gegen den Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. I GATT und das Inländerprinzip des Art. III GATT verstoßen,265 und dass das Streitbeilegungsverfahren der WTO gemäß Art. 23 DSU für alle Sachverhalte, die von einem unter ihrem Dach versammelten Handelsabkommen erfasst werden, eine abschließende Möglichkeit der Konfliktaustragung darstellt, denn jede weitergehende Verhängung von Wirtschaftssanktionen würde die engen Ausnahmetatbestände des Handelsregimes untergraben. Unterstrichen wird dies durch eine aktuelle Entscheidung des DSB, in der Teile des europäischen Präferenzsystems für Entwicklungsländer266 als diskriminierend verworfen wurden:267 Jede Ungleichbehandlung wirtschaftlicher Art ist unter der Geltung des WTO-Recht rechtfertigungsbedürftig. Auch diese Frage ist aber von dem Streit überlagert, ob internationale Menschenrechte nicht eine weite Auslegung der WTO-Bestimmungen erforderlich werden lassen, um allgemeinen völkerrechtlichen Prinzipien gerecht zu werden268. Da jedoch im Rahmen der ersten Stufe der Sozialklausel wirtschaftlicher Druck nicht nur zur Einhaltung allgemein anerkannter sozialer Kernrechte, sondern auch zur Umsetzung weitergehender Sozialstandards eingesetzt werden könnte, ist das Argument an dieser Stelle nur von geringer Überzeugungskraft. Deshalb sollten schon zur Klarstellung die Maßnahmen der ILO als vereinbar mit dem WTO-Recht erklärt werden. Vorbild für eine solche Öffnungsklausel stellt der bereits besprochene Art. XXI Abschnitt c) GATT269 dar.

§ 9 Ergebnis Das Konzept einer ethisch motivierten Sozialklausel ist strategischer Natur. Es zielt auf die Förderung eines möglichst breiten Spektrums an sozialen Zielen. Aus völkerrechtlichen und entwicklungspolitischen Gründen kann aber nur ein all263 Eine Ausnahme stellen natürlich die ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeklauseln dar, die zum Teil unilaterale Maßnahmen zulassen. 264 Vgl. umfassend Hahn, Einseitige Aussetzung (1996), S. 363 ff. m. w. N. Siehe auch Schroeder / Schonard, RIW 2001, S. 658 ff. (661 f.); Gehring, Schutzstandards in der WTO? (2002), S. 119. 265 So etwa Garcia, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 65 ff. (90). 266 Vgl. dazu oben unter § 5 I. 267 European Communities – Conditions for the Granting of Tariff Preferences to Developing Countries, Report of the Panel vom 01. 12. 2003, WTO-Dok. Nr. WT / DS246 / R, ad 7.1 ff.; Report of the Appellate Body 07. 04. 2004, WT / DS246 / AB / R. 268 Vgl. etwa die Argumente bei Howse / Mutua, Protecting Human Rights (2000), S. 9. 269 Vgl. oben unter § 8 II.3.a) dd).

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2. Teil: Ethisch motivierte Sozialklausel

gemein anerkannter Kernbereich an sozialen Rechten mit wirtschaftlichem Zwang durchgesetzt werden, während ansonsten eine kooperative Förderung mit allenfalls sanftem wirtschaftlichen Druck gewählt werden sollte. Für die Umsetzung bietet sich an, den kooperativen Teil in ein erweitertes ILO-Überwachungsverfahren zu integrieren, während der wirtschaftliche Zwang von einem unparteiischen WTOPanel ausgeübt werden sollte. Dazu muss das WTO-Übereinkommen ergänzt werden.

3. Teil

Ökonomisch motivierte Sozialklausel § 10 Zielsetzung Ausgangspunkt der ökonomisch motivierten Sozialklausel sind Befürchtungen insbesondere in den Industrieländern, durch die billige Konkurrenz aus Entwicklungsländern die eigenen hohen Sozialstandards nicht aufrecht erhalten zu können. Im Fokus stehen etwa existenzbedrohte Kohlekumpel, entlassene Textilhersteller oder Bauern mit Absatzproblemen für ihre Produkte. Überlegt wird, ob durch Einfuhrbeschränkungen der Druck auf nationale Standards verringert werden kann. Eine zentrale Annahme dieser Befürchtungen ist die Vorstellung, dass durch eine Konkurrenzsituation zwischen Staaten mit verschiedenen Sozialstandards ein „Wettlauf nach unten“ (race to the bottom) in Gang gesetzt werden könne. Diese Annahme von Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlicher Öffnung und Sozialstandards zeigt, dass es sich bei der ökonomisch motivierten Sozialklausel grundsätzlich nicht um eine strategische, sondern um eine materielle Verknüpfung1 handelt. In der öffentlichen Diskussion herrscht oft der Eindruck vor, die Problematik einer Abwärtsspirale beziehe sich ausschließlich auf die Auswirkungen der niedrigen Standards in Entwicklungsländern auf die Sozialordnungen der Industriestaaten.2 Eine Konkurrenzsituation zwischen Staaten mit unterschiedlichen Standards besteht jedoch auch innerhalb der beiden Gruppen, so dass sich Entwicklungsländer auch gegenseitig unterbieten können. Das Kernelement einer ökonomisch motivierten Sozialklausel ist also die allgemeine Befürchtung, der ökonomische Wettbewerb führe weltweit zu einer Angleichung der Sozialstandards auf niedrigstem Niveau. Wird von einer Konkurrenzsituation ausgegangen, muss geklärt werden, was Gegenstand des Wettbewerbs ist. Klassische Vorstellung ist der internationale Warenhandel, bei dem die Sachgüter der verschiedenen Länder miteinander konkurrieren. Nicht erst seit Ergänzung der WTO um die Bestimmungen des GATS besteht aber ein internationaler Wettbewerb auch im Bereich der immateriellen Güter, also der Dienstleistungen, so dass allgemeiner von einer Konkurrenzsituation 1 2

Zur Terminologie siehe oben unter § 4 IV. Vgl. etwa die Nachweise bei Bhala, Colum. J. Transnat’l L. 37 (1998), S. 11 ff. (17 ff.).

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

im Bereich des grenzüberschreitenden Handels gesprochen werden muss. Überlagert wird diese Situation durch international mobile Arbeitskräfte und internationale Kapitaltransfers wie beispielsweise Direktinvestitionen oder Portfolio-Investitionen, die völlig neue Wettbewerbsebenen entstehen lassen. Welche Auswirkungen diese verschiedenen Wettbewerbsebenen auf nationale Sozialstandards haben, stellt die zentrale Frage der ökonomischen Debatte um eine Sozialklausel dar. Eine ökonomische Zielrichtung führt auch zu einem anderen Fokus auf den materiellen Gehalt der Sozialklausel: Befürchtet man negative Auswirkungen einer Konkurrenzsituation, kommen diejenigen Standards ins Blickfeld, die wettbewerbsrelevant sind, also eine Auswirkung auf die Produktionskosten von international gehandelten Gütern haben oder entscheidend für internationale Kapitaltransfers sein könnten. Darunter fallen insbesondere die Lohnhöhe und Lohnnebenkosten durch Sozialabgaben, aber auch Arbeitszeitregelungen, kostenrelevante Arbeitsplatzsicherheitsbestimmungen und Weiteres mehr. So wie eine ethisch motivierte Sozialklausel eng mit Entwicklungspolitik verknüpft ist, weist ihre ökonomische Schwester also enge Bezüge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik auf: Auch diese staatlichen Politiken zielen auf die Förderung der Konkurrenzfähigkeit der Betriebe, den Schutz vor Arbeitslosigkeit und einen möglichst hohen Lebensstandard der Bürger. Damit wird deutlich, dass eine Orientierung an international akzeptierten Normen, insbesondere an Mindeststandards, an dieser Stelle verfehlt wäre, denn es sollen ja gerade nationale Unterschiede geschützt, nicht dagegen universell akzeptierten Menschenrechten zur allgemeinen Durchsetzung verholfen werden. Deshalb ist es verwunderlich, dass selbst umfangreiche ökonomische Untersuchungen einer Sozialklausel ihren Prüfungsumfang oft auf den im vorherigen Kapitel angesprochenen3 Kernbereich von Standards beschränken. Exemplarisch sei auf die Untersuchung der OECD verwiesen, die als Grund für diese Auswahl die menschenrechtliche Qualität der Kernrechte betont, bevor sie ausführlich die Wechselwirkungen zwischen diesen Standards und internationalem Handel bzw. Direktinvestitionen untersucht.4 Zielrichtung der ökonomischen Überlegungen sollte jedoch nicht nur der Schutz von einem engen Kreis unveräußerlicher Menschenrechte, sondern von staatlichen Sozialordnungen sein, die Gegenstand nationaler politischer Entscheidungen sind und dabei weit über die Mindestanforderungen des Völkerrechts hinausgehen können. Eine inhaltlich auf einen internationalen Kernbereich an Rechten beschränkte Sozialklausel könnte lediglich ein Unterschreiten dieser Kernrechte verhindern, wäre aber untauglich zum Schutz darüber hinausgehender nationaler Sozialstandards.5 Da aber die Gewährung von Gewerkschaftsrechten und die Abwesenheit Siehe oben unter § 7 II.1. Siehe OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 25 f., 77 ff. 5 So auch Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 266; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 4. 3 4

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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von Zwangs- und Kinderarbeit sowie von Diskriminierung im Beruf allein wohl nur den wenigsten als erstrebenswertes Regelungsniveau gelten wird, erscheint diese Zielsetzung sehr verkürzt.

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft? Die entscheidende Frage der ökonomischen Debatte ist, ob tatsächlich die Gefahr einer Abwärtsspirale besteht. Da es internationalen Handel in gewissem Ausmaß schon seit geraumer Zeit gibt und sich trotzdem nationale Verschiedenheiten im Niveau sozialer Regulierung bilden und bewahren konnten, müssen Vertreter dieser These das Vorliegen einer neuen Situation belegen. Der zentrale Topos für die behauptete neue Qualität internationaler Austauschbeziehungen ist der Begriff der Globalisierung.

I. Hintergrund: Globalisierung der Wirtschaft 1. Begriff „Globalisierung ist sicher das am meisten gebrauchte – missbrauchte – und am seltensten definierte, wahrscheinlich missverständlichste, nebulöseste und politisch wirkungsvollste (Schlag- und Streit-) Wort der letzten, aber auch der kommenden Jahre.“6

Der Begriff der Globalisierung ist in aller Munde – nicht nur in der tagespolitischen Diskussion und in den Medien, sondern auch in der wissenschaftlichen Debatte. Der Umfang der Literatur zu diesem Themenkomplex ist gewaltig,7 obwohl der Begriff relativ neu ist: Seine Prägung fand er erst 1984 auf einem betriebswirtschaftlichen Kolloquium der Harvard Business School.8 Leider ist jedoch die Popularität des Begriffs proportional zur Diffusität seiner Verwendung; oft wird er als Schlagwort für eine recht undifferenzierte Verheißung oder Bedrohung gebraucht. Bevor analysiert werden kann, ob und in welcher Form eine Globalisierung vorliegt, muss deshalb eine genaue Definition des Begriffs erfolgen.

Beck, Was ist Globalisierung? (1998), S. 42. Vgl. etwa die zahlreichen Literaturnachweise bei Grote-Hesse, Globalisierung der Weltwirtschaft (2000). 8 Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 80. 6 7

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

a) Dimensionen der Globalisierung Auffällig an der Globalisierungsdiskussion ist die Tatsache, dass sie sich über eine ganze Reihe von Disziplinen erstreckt: So beschreiben beispielsweise Ökonomen die Globalisierung der Märkte,9 Juristen die des Rechts,10 Politologen die der Politik11 und Soziologen die der Gesellschaft12. Bedingt durch diese Komplexität hat sich auch noch keine allgemein akzeptierte Definition herausgeschält.13 Stattdessen handelt es sich um einen mehrdimensionalen Begriff, der interdependente Entwicklungen in sehr verschiedenen Teilbereichen beschreiben soll. Ob diese Prozesse in den Bereichen Wirtschaft, Recht, Politik, Technologie, Ökologie, Militär, Kultur, Kommunikation, Wissen und Wahrnehmung zusammengefasst werden können zu einer neuen „Großen Erzählung“ (im Sinne von Lyotard), sei hier dahingestellt14. Für die Zielrichtung dieser Arbeit genügt es, zunächst den Bereich der Wirtschaft herauszugreifen. Damit soll keinesfalls eine monokausale Beschreibung oder Erklärung der Globalisierung über ökonomische Veränderungen erfolgen,15 sondern lediglich ein Teilaspekt beleuchtet werden, dem für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit eine zentrale Bedeutung zukommt.

b) Wirtschaftliche Globalisierung als Prozess und Idealtyp Was in Diskussionen über Chancen und Gefahren der Globalisierung oft zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass das Vorliegen selbst einer wirtschaftlichen Entwicklung, die diesen Namen verdient, alles andere als unbestritten ist. In der wissenschaftlichen Debatte sind – in Anlehnung an Held und McGrew16 – drei grundsätzliche Positionen erkennbar, die zwar zum Teil als „Schulen“ bezeichnet werden,17 mangels innerer Geschlossenheit aber wohl eher grobe „Lager“ bilden: „Hyper-Globalisierungstheoretiker“ wie zum Beispiel der ehemalige Leiter einer Unternehmensberatung Kenichi Ohmae gehen davon aus, dass bereits überall Vgl. z. B. Porter, Wettbewerb auf globalen Märkten (1989). Vgl. z. B. Voigt (Hrsg.), Globalisierung des Rechts (1999 / 2000). 11 Vgl. z. B. Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999). 12 Vgl. z. B. Beck, Was ist Globalisierung? (1998). 13 So auch Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs (1997), S. 48; Schaeffer, Understanding Globalization (2003), S. 1. 14 In diesem Sinne z. B. Beck, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (1998), S. 8. 15 Auf die Gefahr dieser reduktionistischen Sichtweise, die in der öffentlichen Auseinandersetzung oft zu beobachten ist, machen Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 12 und Schaeffer, Understanding Globalization (2003), S. 3 f. aufmerksam. 16 Perraton / Goldblatt / Held / McGrew, Globalisierung der Wirtschaft (1998), S. 135 f.; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 2 ff. 17 Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 2 ff. 9

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§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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vollständig integrierte globale Märkte existieren18. Besonderes Augenmerk wird auf so genannte „Region States“ gelegt, worunter Ballungsgebiete der globalen Wirtschaft verstanden werden, die in keiner Beziehung zu dem oder den Nationalstaaten mehr stehen, auf deren Territorium sie sich befinden.19 Der Begriff der nationalen Wirtschaft sei somit überholt, was zu einem Ende einer Politik führe, die über bloßes Wirtschaftsmanagement hinausgeht.20 Dagegen behaupten „Globalisierungsskeptiker“, die wirtschaftlichen Aktivitäten seien noch weitgehend national ausgerichtet21. Der Anteil des weltweiten Handels an der Gesamtproduktion entspreche lediglich dem Stand um das Jahr 1900 und vollziehe sich zum Großteil innerhalb von Wirtschaftsblöcken. Nationalstaaten seien noch immer die zentralen Akteure, so dass statt von Globalisierung eher von Regionalisierung, allenfalls aber von einer gewissen Internationalisierung der Wirtschaft gesprochen werden könne.22 Insbesondere liege kein qualitativer Sprung, sondern ein kontinuierlicher Prozess vor, in dem die Nationalstaaten nicht die Opfer, sondern die Architekten seien; somit sei der Prozess auch reversibel. Einen „vermittelnden Ansatz“ vertreten die „Transformationalisten“23: Eine qualitative Veränderung durch eine globalisierte Wirtschaft wird nicht geleugnet. Diese sei auch eine zentrale Triebkraft für rapide soziale, politische und ökonomische Umstürze. Im Unterschied zu den „Hyper-Globalisierungstheoretikern“ gehen sie jedoch davon aus, dass es sich bei der Globalisierung nicht um einen abgeschlossenen, sondern um einen voraussetzungsvollen, widersprüchlichen Prozess mit offenem Ausgang handle. Der Staat habe zwar noch immer die höchste rechtliche Gewalt, werde aber durch internationale Institutionen und globale nichtstaatliche Akteure in seiner Souveränität zunehmend beschränkt.24 Bevor mittels empirischen Materials die Globalisierung der Wirtschaft im Spannungsfeld dieser drei Ansätze analysiert werden kann, muss eine begriffliche Vorfrage geklärt werden: In der Debatte besteht keine Einigkeit, ob unter dem Begriff der Globalisierung ein Prozess oder ein Idealtypus im Sinne Max Webers zu ver18 Ohmae, Die neue Logik der Weltwirtschaft (1994); Ohmae, End of the Nation State (1995); vgl. auch Guéhenno, Das Ende der Demokratie (1994). 19 Ohmae, End of the Nation State (1995), S. 79 ff. 20 Vgl. insbesondere Ohmae, End of the Nation State (1995), S. 136 ff. 21 Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998); Weiss, Myth of the Powerless State (1998); Hirst / Thompson, Globalization in Question (1999); vgl. auch Cohen, Fehldiagnose Globalisierung (1998). 22 Perraton / Goldblatt / Held / McGrew, Globalisierung der Wirtschaft (1998), S. 135 f. 23 Rosenau, Turbulence in World Politics (1990); Giddens, Consequences of Modernity (1991). 24 Vgl. Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates (1998), S. 65 ff. Interessanterweise liegen diese Lager quer zu traditionellen Ideologien: So finden sich beispielsweise bei den „Hyper-Globalisierungstheoretikern“ sowohl Neomarxisten als auch Neoliberale, die sich allerdings nur in der Beschreibung dieser Entwicklung, nicht jedoch in ihrer Bewertung einig sind, vgl. Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 3 f.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

stehen ist: Während viele „Transformationalisten“ den Prozesscharakter der Entwicklung hervorheben,25 arbeiten gerade Vertreter einer skeptischen Position mit einem Idealtypus der vollständig globalisierten Wirtschaft, mit dem die heutige Situation verglichen wird26. Der Begriff selbst ist grundsätzlich in beiderlei Hinsicht – als Bewegung oder Zustand – interpretierbar. Da es sich bei der Ausweitung und Intensivierung der wirtschaftlichen Verflechtung aber um kontinuierliche Entwicklungen handelt (es erscheint offensichtlich, dass nationale Volkswirtschaften nicht schlagartig zu einer neuen Einheit verschmelzen), wirkt zunächst eine Deutung als Prozess überzeugender. Allerdings ist der Begriff als Analyseinstrument nur dann von Wert, wenn es Kriterien gibt, die diese Veränderungen in der Realität überprüfbar machen. Dafür bietet sich als Referenzpunkt ein Idealtypus an, der eine vollständig integrierte Weltwirtschaft beschreibt. Darunter soll eine Weltwirtschaft verstanden werden, bei der ähnlich einer nationalen Wirtschaft Ländergrenzen keine Rolle spielen, bei der die Konkurrenz der Unternehmen von staatlichen Export- und Importbestimmungen unbeeinflusst direkt auf einem länderübergreifenden Markt stattfindet. Insoweit schließen sich die Meinungen nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig: Globalisierung als Prozess liegt vor, wenn sich die Weltwirtschaft in Richtung einer idealtypischen, globalisierten Wirtschaft entwickelt.27 Für die Frage, welche Auswirkungen die Entwicklung auf die nationalen Sozialstandards hat, ist dabei auch zu untersuchen, wie weit der Prozess bereits fortgeschritten ist. Fehlerhaft wäre es allerdings, den heutigen Zustand mit dem Idealtypus zu vergleichen und bei Nichtübereinstimmung den Prozess der Globalisierung zu verneinen.

c) Kriterien der Analyse Selbst wenn nur die ökonomische Dimension der Globalisierung untersucht wird, bleibt ein komplexes Bündel an Faktoren, die zur Analyse herangezogen werden können.28 Oft wird recht unspezifisch all das genannt, was in irgend einer Form über eine geschlossene nationale Wirtschaft hinausgeht.29 Entscheidend ist es jedoch, zwei Formen von Austauschbeziehungen zu trennen: 25 Z. B. Perraton / Goldblatt / Held / McGrew, Globalisierung der Wirtschaft (1998), S. 136, auch Habermas, Die postnationale Konstellation (1998), S. 101. 26 Z. B. Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 86 ff. 27 Damit soll allerdings nicht impliziert werden, dass der Prozess unumkehrbar wäre, dass sich also eine vollständig globalisierte Wirtschaft notwendigerweise herausbilden müsse. Vgl. dazu auch Schaeffer, Understanding Globalization (2003), S. 12 f. 28 Siehe beispielsweise Beck, Was ist Globalisierung? (1998), S. 42 f. 29 Z. B. Habermas, Die postnationale Konstellation (1998), S. 102 f.

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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Klassischerweise wurde – und wird manchmal auch heute noch ausschließlich30 – der Welthandel, also der Austausch von Waren und Dienstleistungen über nationale Grenzen hinweg, als Maßstab der internationalen Verflechtung angesehen. Da aber schon seit Jahrhunderten Handelsbeziehungen zwischen Staaten belegt sind,31 wäre eine neuartige, die aktuellen Befürchtungen einer Abwärtsspirale stützende Qualität der Entwicklung wohl nur bei einem sprunghaften Anwachsen anzunehmen. Da bei grenzüberschreitendem Handel die nationalen Volkswirtschaften als Einheiten erhalten bleiben, kann der Prozess eher als Internationalisierung statt als Globalisierung bezeichnet werden32. Eine zweite Ebene stellt jedoch die Mobilität von Produktionsfaktoren dar, insbesondere von Arbeitskräften und Kapital. Komplex sind dabei vor allem die Arten der internationalen Kapitalbewegungen, die in kurzfristige und langfristige, letztere wiederum in Portfolioinvestitionen und Direktinvestitionen unterschieden werden können33. Direktinvestitionen, die als ausländische Beteiligung an einem Unternehmen zum Zweck der Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens definiert werden,34 sind an dieser Stelle von speziellem Interesse, da sie besonders deutlich das Aufbrechen der nationalen Ordnungsstruktur wiedergeben: Statt eines Handels zwischen Unternehmen in verschiedenen Staaten entstehen transnationale35 Unternehmensstrukturen, die einen konzerninternen Handel über Staatengrenzen hinweg erlauben. Die Wertschöpfungskette wird durch die Organisation dieser konzerninternen internationalen Arbeitsteilung in immer kleinere, funktionale Segmente unterteilt. Durch diese Flexibilität können nationalstaatliche Steuermechanismen umgangen werden, so dass die Bedeutung des Staates als zentraler Akteur in Frage gestellt wird.36 Durch die Mobilität von Kapital erhält die wirtschaftliche Globalisierung also auch eine betriebswirtschaftliche Komponente.37 Z. B. Rösner, Globaler Wettbewerb (1996), S. 173. Zur geschichtlichen Entwicklung des internationalen Handels siehe Braudel, Aufbruch zur Weltwirtschaft (1986); Müller / Kornmeier, Streitfall Globalisierung (2001), S. 9 ff. 32 So auch Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs (1997), S. 44 f.; Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 86 ff. 33 Vgl. Stichwort „internationale Kapitalbewegungen“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 2, S. 1584. 34 Vgl. Jahrreiß, Theorie der Direktinvestitionen (1984), S. 26 f.; Stichwort „Direktinvestition“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 1, S. 746. Teilweise wird als quantitativer Maßstab für diese geplante Einflußnahme eine Mindestbeteiligung am Unternehmen von 10% aufgestellt, vgl. etwa Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 171 f. 35 Die Terminologie ist nicht einheitlich: Teilweise wird auch von multinationalen oder globalen Unternehmensstrukturen gesprochen, vgl. Müller / Kornmeier, Streitfall Globalisierung (2001), S. 13 ff. 36 Dazu unten § 11 II.2. 37 So auch Perraton / Goldblatt / Held / McGrew, Globalisierung der Wirtschaft (1998), S. 146; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 43 f.; Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 80 ff. Allgemein zu dieser Entwicklung Albert, Neue Weltwirtschaft (1999). 30 31

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

Bei der Untersuchung dieser Kriterien sind neben quantitativen auch qualitative Dimensionen zu beachten: So kommt es nicht nur auf das bloße Ansteigen von Außenhandel und mobilen Produktionsfaktoren an, sondern entscheidend sind auch das Verhältnis dieses Anstiegs zu dem bestimmter Vergleichsgrößen (z. B. Anstieg der weltweiten Produktion) sowie die regionale Verteilung.38

2. Empirischer Befund a) Zunahme des Welthandels als Kennzeichen einer Internationalisierung Untersucht man die Zunahme des grenzüberschreitenden Warenhandels in absoluten Zahlen, so scheint auf den ersten Blick ein explosionsartiges Wachstum in der Nachkriegszeit erkennbar zu sein: Während 1948 der Wert der exportierten Sachgüter noch bei 58 Milliarden Dollar lag, stieg diese Zahl bis 1963 auf 157 Milliarden, bis 1983 auf 1,8 Billionen und im Jahre 2000 sogar auf 6,2 Billionen Dollar an39 – ein Wachstum um mehr als das Hundertfache. Allerdings sank der Warenhandel im Jahre 2001 um 1,5% auf knapp 6 Billionen Dollar.40 Dass es sich hierbei aber um ein eher vorübergehendes Ereignis handelte, das unter anderem durch die Krise des „Neuen Marktes“ und die Ereignisse des 11. Septembers bedingt war, zeigen die wieder ansteigenden Zahlen ab 200241. Zusätzlich kommt noch der internationale Dienstleistungshandel hinzu, so dass insgesamt ein Exportvolumen von 7,5 Billionen Dollar erreicht wird42. Diese hohen Zahlen müssen jedoch in mehrfacher Hinsicht relativiert werden: Erstens sind diese Daten nicht inflationsbereinigt. Doch selbst bei Berechnung auf der Grundlage heutiger Preise oder nach Statistiken, die das Volumen statt den Wert des Handels zur Grundlage haben, ergibt sich eine massive Steigerung des Außenhandels.43 Zweitens ist zweifelhaft, ob diese Steigerung des Ausmaßes auch eine Steigerung der Intensität des Außenhandels bedeutet:44 Die absolute Zunahme der gehandelten Güter bedeutet dann keine stärkere Wirtschaftsverflechtung, wenn die Men38 Vgl. Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs (1997), S. 50; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 15 f. 39 Quelle: WTO, International Trade Statistics 2001, S. 30. 40 WTO, International Trade Statistics 2002, S. 23 f. 41 Vgl. WTO, International Trade Statistics 2002, S. 20 f.; dies., International Trade Statistics 2003, S. 1 ff., 29 f.; WTO, Press Release on Latest International Trade Statistics vom 05. 04. 2004, zu finden unter http: / / www.wto.org / english / news_e / pres04_e / pr373_e.htm (01. 09. 2004). 42 WTO, International Trade Statistics 2002, S. 28. 43 Vgl. WTO, International Trade Statistics 2001, S. 28 f. 44 Vgl. Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 150 f.

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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ge der nicht-gehandelten Güter genauso stark ansteigt. Deswegen wird meist auf relative Zahlen zurückgegriffen, indem der Anteil des Außenhandels an der Weltgesamtproduktion oder die durchschnittliche nationale Außenhandelsquote (Anteil des Außenhandels am BIP) berechnet wird. Für eine Berechnung der Weltgesamtproduktion fehlen zuverlässige Daten vieler Länder, deswegen ist die Außenhandelsquote wohl der aussagekräftigere Wert. Trotz gewisser Messprobleme45 zeigt sich gerade in jüngster Zeit ein relativ klarer Trend: Von 1950 bis 1990 konnte man einen langsamen, aber (bis auf einen Einbruch in den 80er Jahren) kontinuierlichen Anstieg von knapp 10% auf etwa 15% beobachten.46 Von 1990 bis zum Jahr 2000 verdoppelte sich jedoch der Welthandel fast, während die Welt-BIPs nur um etwa 25% zulegen konnten; nach Angaben der WTO liegt die durchschnittliche Außenhandelsquote deshalb nun bei über 29%47. Bis vor wenigen Jahren konnten Globalisierungsskeptiker ihre Bedenken noch auf einen Vergleich mit der Zeit des Goldstandards stützen:48 Nachdem 1870 ein stabiles internationales Zahlungssystem eingeführt worden war, wuchs die Außenhandelsquote nach verschiedenen Schätzungen bis zum ersten Weltkrieg auf bis zu 17% an.49 Durch die Entwicklungen der letzten Jahre ist dieses Argument aber wohl kaum noch aufrechtzuerhalten: Die Internationalisierung der Wirtschaft ist stärker als je zuvor.

b) Zunehmende Mobilität der Produktionsfaktoren Noch stärker als der internationale Handel haben sich in den letzten 20 Jahren die internationalen Kapitalströme ausgeweitet. Entscheidend für die Fragestellung dieser Arbeit sind langfristige Kapitalströme. Ausländische Direktinvestitionen, die einen der wichtigsten Indikatoren für die Integration der Weltwirtschaft darstellen,50 haben seit den 80er Jahren einen jährlichen Anstieg zwischen 15 und 30% 45 Schwierigkeiten bereitet z. B. die Frage, ob Durchlieferungen oder Re-Exporte nach nur geringer Arbeitsleistung miteingerechnet werden sollen. Problematisch ist außerdem die Bedeutung vieler nicht-handelbarer Werte im BIP (wie z. B. staatliche oder ortsgebundene persönliche Dienstleistungen), vgl. Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 151; WTO, International Trade Statistics 2001, S. 215 ff. 46 Beisheim / Dreher / Walter / Zangl / Zürn, Zeitalter der Globalisierung? (1998), S. 168 ff.; Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 99. 47 WTO, Statistics on Globalization (2001), S. 7; aktuelle Daten unter WTO, Recent Trends in International Trade Policy Developments, Report vom 11. 06. 2004, zu finden unter http: / / www.wto.org / english / news_e / pres04_e / press378annex_e.pdf (01. 09. 2004). 48 So z. B. Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 98. 49 Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 156; Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 14. 50 So beispielsweise auch Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 91 f.; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 236 ff.; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 45.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

zu verzeichnen – ein Wert, der auch das Außenhandelswachstum weit übersteigt. Insgesamt handelte es sich im Jahre 2000 um eine Summe von 1,3 Billionen US-Dollar.51 Allerdings gab es einen scharfen Einbruch der Direktinvestitionen in den Jahren 2001 und 2002,52 und es bleibt offen, ob die hohen früheren Werte wieder erreicht werden können. Trotzdem ist das Ergebnis dieser jahrelangen Verflechtungsbewegungen wohl kaum noch rückgängig zu machen, denn trotz des reduzierten Wachstums sind die Anzahl der Mitarbeiter und der Umsatz bei den etwa 65.000 transnationalen Konzernen im Jahr 2001 um knapp 10% gestiegen53. Ein etwas anderes Bild ergibt sich beim Blick auf die Mobilität des Faktors Arbeit: Zwar leben nach verschiedenen Schätzungen 125 bis 200 Millionen Menschen außerhalb ihres Heimatlandes,54 doch von grenznahen Pendlern abgesehen stellt der Grenzübertritt für Arbeitskräfte unter anderem wegen des hohen Aufwands eines Umzugs noch immer eine große Hürde dar55. Deshalb kann die Mobilität dieses Produktionsfaktors als gering angesehen werden, in der Literatur gelten die dadurch erzeugten wirtschaftlichen Verflechtungen oft als vernachlässigbar56. Neben dem grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungshandel führt also auch eine vorwiegend durch Kapitalmobilität bedingte internationale Arbeitsteilung zu einer immer stärkeren Integration der Weltwirtschaft.

c) Regionalisierung statt Globalisierung? Manche Globalisierungsskeptiker weisen jedoch darauf hin, dass die Warenund Finanzströme sehr ungleich verteilt seien und somit eher von „Regionalisierung“ beziehungsweise neutral von „Denationalisierung“ gesprochen werden solle57. Dabei wird vor allem auf die so genannte Triade USA, EG und Japan verwie51 UNCTAD, World Investment Report 2001, S. 10; Vgl. auch die Auflistung bei UNCTAD, Handbook of Statistics (2001), S. 242 ff. 52 Um 59 bzw. 21%, vgl. UNCTAD, World Investment Report 2002, S. 4 f.; dies., World Investment Report 2003, S. 3. 53 UNCTAD, World Investment Report 2002, S. 1. Vgl. auch die Angaben bei Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 27 f. 54 Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 47 m. w. N. 55 Dies gilt selbst in der Europäischen Union, vgl. etwa Berthold, Sozialunion in Europa (1993), S. 31 m. w. N. 56 So etwa Klodt, Jb. N. Polit. Ökon. 17 (1998), S. 7 ff. (13). Allerdings wird auch auf verschiedene historische Migrationsschübe sowie die zu erwartende steigende Bedeutung in der Zukunft hingewiesen, vgl. Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 144 ff. m. w. N.; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 49. 57 Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 85 ff.; Menzel, Globalisierung versus Fragmentierung (1998), S. 119 ff.; Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates (1998), S. 65 ff.; Flörkemeier, Globalisierung ohne Grenzen? (2001), S. 143 ff.

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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sen, die einen Hauptteil der globalen wirtschaftlichen Austauschbeziehungen auf sich vereine.58 Die Datenlage ist jedoch mehrdeutig: Der internationale Warenhandel vollzieht sich zwar noch immer zum Großteil zwischen den Industrieländern. Andererseits ist der Anteil der Entwicklungsländer seit Ende der 80er Jahre langsam von 20% auf knapp 30% gestiegen;59 der traditionell niedrige Anteil an Fertigprodukten konnte sich immerhin von 13% auf 20% steigern, wodurch ein direkterer Wettbewerb mit den Industrienationen entstanden ist60. Der Handel innerhalb von regionalen Freihandelszonen macht etwa 35% des Welthandels aus und ist damit in den letzten Jahren zurückgegangen,61 während sich der Anteil des Handels zwischen Entwicklungsländern von 3,8% im Jahre 1965 auf 14,1% im Jahre 1995 erhöhen konnte62. Die durchschnittliche Anzahl der Handelspartner ist heute so hoch wie noch nie zuvor; bei den meisten Industriestaaten umfasst sie 100% aller Länder.63 Bei den Direktinvestitionen ergibt sich ein etwas anderes Bild: Insgesamt werden etwa 3/4 der ausländischen Direktinvestitionen in Industrieländern gemacht, und dieser Wert hatte sich bis zum Jahre 2001 nicht nennenswert verändert.64 Misst man den sogenannten „Inward FDI Index“, der das Verhältnis von ausländischen Direktinvestitionen zur Wirtschaftskraft eines Landes angibt, ergeben sich für die meisten Industrieländer ebenfalls deutlich bessere Werte als für Entwicklungsländer: Diese ziehen somit nicht nur in absoluten, sondern auch relativen Zahlen weniger ausländisches Kapital an.65 Allerdings gingen die Rückgänge seit dem Spitzenjahr 2000 hauptsächlich zulasten der Industrieländer; dort sanken die Werte um 59%, während die Entwicklungsländer nur Einbußen von 14% verzeichneten und manche Länder wie etwa China sogar deutlich zulegten.66 Wenngleich die Daten nicht eindeutig sind, so widerlegen sie aber jedenfalls die Theorie, Entwicklungsländer seien komplett von den Integrationsentwicklungen Vgl. dazu Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs (1997), S. 108 ff. Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 97; WTO, International Trade Statistics 2001, S. 3; vgl. auch Bender, APuZ 9 / 2000, S. 9 ff. (10). Speziell für die aktuelle Entwicklung der afrikanischen Staaten siehe WTO, International Trade Statistics 2003, S. 20 ff. 60 Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 171 ff.; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 24 f. 61 WTO, International Trade Statistics 2001, S. 5; dies., International Trade Statistics 2003, S. 28. 62 Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 172. 63 Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 167. 64 OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 116; UNCTAD, World Investment Report 2001, S. 291 ff. Andere Angaben sprechen von bis zu 90%, beziehen sich aber auf OECD- und Schwellenländer, vgl. Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates (1998), S. 66. 65 UNCTAD, World Investment Report 2001, S. 43; dies., World Investment Report 2003, S. 286 ff. 66 Vgl. UNCTAD, World Investment Report 2002, S. 4 f. Vgl. auch die aktuellen Werte bei dies., World Investment Report 2003, S. 33 ff., 249 ff. 58 59

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

abgekoppelt: Stattdessen beweist auch nach der Asienkrise gerade der Erfolg einiger südostasiatischer Länder, dass sich die Entwicklung nicht auf die klassische Triade beschränkt. Globalisierung und Regionalisierung scheinen also keine gegenläufigen Tendenzen, sondern zwei Seiten derselben Medaille zu sein.67

d) Bedeutung von Anpassungsmechanismen Während also schon die statistischen Daten für eine deutliche wirtschaftliche Integration sprechen, ist außerdem zu bedenken, dass sich manche wesentliche Impulse für eine stärker vernetzte, integrierte Weltwirtschaft gar nicht in diesen Daten niederschlagen: Letztlich ist nicht die tatsächliche Organisation einer wirtschaftlichen Tätigkeit in globalen Wertschöpfungsketten entscheidend, sondern die Möglichkeit dieser Organisation.68 Denn wenn transnationale Akteure den Entscheidungsträgern in den Nationalstaaten deutlich machen können, dass sie bestimmte Produktionszweige auch im Ausland ansiedeln könnten, entsteht eine „optout“-Möglichkeit, die die einzelnen Staaten zu Anpassungsmaßnahmen motivieren kann, um der Abwanderung zuvorzukommen.69 So kann eine direkte Konkurrenzsituation zwischen Unternehmen in unterschiedlichen Ländern entstanden sein, ohne dass sich dies in den Außenhandels- oder Investitionsströmen niederschlägt. Grundlage dieser Möglichkeiten sind erstens technische Entwicklungen im Transportwesen und in der Kommunikationstechnologie, durch die sich alle Formen von Raumüberwindung schnell, zuverlässig und günstig gestalten lassen.70 Daneben kommt auch den veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle zu, denn wirtschaftliche Planung profitiert von erhöhter weltweiter Rechtssicherheit und vereinheitlichten Normensystemen (hier sind z. B. das UNKaufrecht und die lex mercatoria zu nennen),71 und seit dem Zusammenbruch des Ostblocks fördert auch eine die marktwirtschaftlichen Kräfte entfesselnde Privati67 So auch Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 168; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 52. Vgl. auch die Daten bei WTO, Annual Report 2003, S. 26 f., die eine starke Zunahme von regionalen Handelsabkommen seit Gründung der WTO belegen und somit ebenfalls darauf hinweisen, dass globale und regionale wirtschaftliche Integration parallel stattfindet. 68 Beck, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (1998), S. 25; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 171; Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 85; vgl. auch Marchlewitz (1997), S. 776. 69 Dazu ausführlich unten § 11 II.2. 70 Während beispielsweise die Flugmeile pro Passagier 1950 durchschnittlich 0,30 USDollar (in Preisen von 1990) kostete, waren es 1990 nur noch 0,11 US-Dollar. Die Kosten für ein dreiminütiges Telefonat von New York nach London sanken in derselben Zeit von 53,20 auf 3,32 US-Dollar, inzwischen handelt es sich nur noch um Cent-Beträge. Vgl. Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 170; Müller / Kornmeier, Streitfall Globalisierung (2001), S. 30. 71 Vgl. Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 38.

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sierung und Deregulierung in vielen Ländern die Möglichkeit der wirtschaftlichen Vernetzung72. Dabei zeigt sich, dass die weltwirtschaftliche Integration auch politisch sehr voraussetzungsvoll ist: Die Mobilität von Gütern, Arbeitskräften und Kapital ist an eine Erlaubnis der betreffenden Staaten gebunden. Erst durch die politische Entscheidung, die Grenzen durchlässig zu gestalten, können vernetzte Strukturen überhaupt entstehen.73 Hervorzuheben ist hier einmal der bereits erwähnte starke Abbau von Handelsbeschränkungen. Parallel zur Liberalisierung des Außenhandels haben viele Staaten außerdem ihre Kapitalverkehrsbeziehungen durch Beschränkung ihrer Devisenkontrollen liberalisiert.74 Zentral ist, dass die Staaten auf internationaler Ebene diese Entwicklung nicht bloß passiv erlauben, sondern auch aktiv fördern: Die Entstehung eines leistungsfähigen Weltwährungssystems mit unbeschränkter Konvertibilität der Leitwährungen im Rahmen des IWF75 sowie die Schaffung weiterer Institutionen wie der Weltbank oder eben auch der WTO ermöglichen die Integration der Weltwirtschaft über jedes bisherige Niveau hinaus. Somit besteht für Unternehmen die reelle Möglichkeit der globalen Produktion und Vermarktung. Angesichts dieser direkten Konkurrenzsituation und dem dadurch erzeugten Wettbewerbsdruck sind die oben festgestellten Anstiege von Außenhandel und mobilem Kapital wohl nur die Spitze des Eisbergs: Die „Wirklichkeit der Möglichkeit wirtschaftlicher Globalisierung“76 besteht – und somit ein Zustand, der trotz aller notwendigen Relativierungen als historisch einzigartig und qualitativ neu zu bestimmen ist77.

II. Auswirkungen auf nationale Sozialstandards Entscheidend ist nun, welche Auswirkungen die wirtschaftliche Globalisierung auf nationale Sozialstandards hat. Diese Frage ist ein Teilelement einer vielschichtigen Debatte über die allgemeine Steuerungsfähigkeit des Staates in einer globalen Ökonomie78. Dabei reicht das Themenspektrum vom Umweltschutz79 über 72 Vgl. Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs (1997), S. 63 ff.; Müller / Kornmeier, Streitfall Globalisierung (2001), S. 29. 73 So auch Windfuhr, Globale Wirtschaft (1998), S. 100 ff. 74 Vgl. Theurl, International mobiles Kapital (2001). 75 Vgl. List / Behrens / Reichardt / Simonis, Internationale Politik (1995), S. 54; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 213 ff. 76 Beck, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (1998), S. 23. 77 So u. a. auch Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 424 ff. 78 Vgl. etwa Scharpf, PVS 1991, S. 621 ff.; Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Regieren im dynamischen Mehrebenensystem (1996); Neyer, Spiel ohne Grenzen (1996); Bernauer, Staaten im Weltmarkt (2000); Zürn, Regieren im Zeitalter der Denationalisierung (2001).

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Produktsicherheit80 bis zu Fragen der Bildungspolitik81. Überlagert werden alle Themenfelder von einer Legitimitätsdebatte, also von der Frage, wie in einer Welt, in der die staatlichen Einheiten zunehmend aufgebrochen werden, demokratische Entscheidungen getroffen werden können82. Die Diskussion um das Schicksal der nationalen Sozialstandards spielt sich vorwiegend auf ökonomischer Ebene ab. Dabei gibt es erstens eine Reihe von populärwissenschaftlichen Werken, die zum Teil recht unbefangen Urteile über wirtschaftliche Zusammenhänge fällen.83 Diese Herangehensweise wird andererseits von Ökonomen heftig kritisiert, die mit den komplexen Theoriemodellen der Außenwirtschaftslehre argumentieren.84 Schließlich gibt es auch eine Reihe von Arbeiten, die die Aussagen der Außenwirtschaftstheorie über das Schicksal nationaler Sozialstandards empirisch untersuchen, um einen höheren Realitätsbezug dieser oft auf umfangreichen Prämissen aufbauenden Theoriemodelle herzustellen.85 Diese Arbeit verfolgt zunächst einen deskriptiven Ansatz, indem die grundlegenden hier relevanten Aussagen der verschiedenen Modelle der Außenwirtschaftstheorie dargestellt werden. Zwar ist deren Aussagekraft wegen ihrer voraussetzungsvollen Annahmen nur begrenzt, aber ein Grundverständnis ist unabdingbar, um Fehleinschätzungen über die Mechanismen und die Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung vorzubeugen. Zu bedenken ist außerdem, dass diese Theoriemodelle auch bei großer Realitätsferne zur self fulfilling prophecy werden können: Durch die prägende Bedeutung von theoriebasierten ökonomischen Prognosen etwa für unternehmerische Entscheidungen können sich die Vorhersagen auch dann erfüllen, wenn sie ursprünglich unzutreffend waren.86 Weichen die verschiedenen ökonomischen Modelle in ihrem Erklärungsmuster voneinander ab und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, muss jedoch die rein deskriptive Ebene verlassen werden. Auf der Basis einer Plausibilitätskontrol79 Vgl. aus der umfassenden Literatur etwa Fichter / Schneidewind (Hrsg.), Umweltschutz im globalen Wettbewerb (2000); Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz (2000); Althammer, Handelsliberalisierung kontra Umweltschutz? (2001) sowie die Angaben unten bei § 17 I. 80 Vgl. Peckham, Wm. Mitchell L. Rev. 27 (2000), S. 373 ff.; Wiemer, Produktsicherheit und freier Warenverkehr (2001), S. 25 ff. sowie die Angaben unten bei § 16 II.5. 81 Siehe etwa Marti, Bildungspolitik und Wettbewerbsfähigkeit (1994); Foders, Bildungspolitik für den Standort D (2001); Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 55 ff. 82 Siehe dazu unten § 18 I. 83 So etwa Martin / Schumann, Globalisierungsfalle (1997); Mander (Hrsg.), Schwarzbuch Globalisierung (2002). 84 Am prägnantesten Krugman, Mythos (1999). 85 Die bisher umfangreichsten Untersuchungen sind die beiden aufeinander aufbauenden Studien der OECD: Trade, Employment and Labour Standards (1996); International Trade and Core Labour Standards (2000). 86 So argumentiert auch Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (327 f.).

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le soll in diesen Fällen versucht werden, den jeweils überzeugendsten Ansatz herauszuarbeiten. Ergänzend soll auch empirisches Material herangezogen werden, um den Erklärungsgehalt der theoretischen Aussagen zu überprüfen. Erst aufbauend auf einer Kombination dieser Erkenntnisse können sinnvolle juristische und rechtspolitische Überlegungen zu einer ökonomisch motivierten Sozialklausel angestellt werden.87 Die Außenwirtschaftslehre teilt sich in zwei zentrale Stränge: Die reine oder reale Außenwirtschaftstheorie abstrahiert von der Existenz des Geldes und beschäftigt sich mit grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, während die monetäre Theorie von der Existenz der Güter abstrahiert und somit auch als Zahlungsbilanztheorie bezeichnet werden kann.88 Anders als in der allgemeinen Volkswirtschaftstheorie, wo eine ähnliche Zweigleisigkeit überwunden werden konnte,89 bereitet diese Aufspaltung der Theorie bei der Untersuchung konkreter Problemstellungen gewisse Schwierigkeiten. Für die Beschreibung der Austauschbeziehungen durch internationalen Handel und mobile Produktionsfaktoren ist jedoch vorwiegend die reale Außenwirtschaftstheorie einschlägig. Klar getrennt werden muss dabei zwischen den beiden angesprochenen Mechanismen der wirtschaftlichen Globalisierung, Außenhandel und Mobilität der Produktionsfaktoren, denn die jeweiligen Auswirkungen auf nationale Sozialstandards unterscheiden sich erheblich.

1. Auswirkungen durch Außenhandel Zunächst muss untersucht werden, welche Auswirkungen grenzüberschreitender Handel auf nationale Sozialstandards hat. Eine Untersuchung der Wohlfahrtswirkungen des Außenhandels stellt den Klassiker in der realen Außenwirtschaftstheorie dar. Dabei gibt es verschiedene Theoriestränge, die sich vor allem dadurch unterscheiden, welche Ursachen des Außenhandels den Modellen zugrundegelegt werden: Die klassische Theorie argumentiert mit Unterschieden in der Kostenstruktur der Güter, während modernere Ansätze Größenvorteile und Produktdifferenzierungen als Gründe anführen. Diese verschiedenen Ursachen schließen sich nicht aus, sondern überlagern und ergänzen sich gegenseitig. Die Modelle arbeiten mit verschiedenen voraussetzungsvollen Annahmen, auf die noch im Einzelnen einzugehen sein wird. Gemeinsam ist ihnen in ihrer traditio87 Zur schwierigen Rolle des Juristen bei der Diskussion um eine Fortentwicklung der internationalen Wirtschaftsordnung vgl. VerLoren van Themaat, RabelsZ 43 (1979), S. 632 ff. (632 f.); Beise / Oppermann / Sander, Grauzonen im Welthandel (1998), S. 25 f. m. w. N. Zur Rolle der Ökonomen in dieser Diskussion vgl. auch Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 90 ff. 88 Vgl. Glastetter, Außenwirtschaftspolitik (1998), S. 20 ff.; Stichwort „Außenwirtschaftstheorie“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 1, S. 297 f. 89 Vgl. Glastetter, Außenwirtschaftspolitik (1998), S. 21.

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nellen Variante jedoch die Annahme der vollständigen Immobilität der Produktionsfaktoren.

a) Die klassische Freihandelstheorie „Wenn es eine unangefochtene Lehre in der Wirtschaftswissenschaft seit den Tagen von Adam Smith und David Ricardo gibt, dann ist es die von der Vorteilhaftigkeit des Freihandels.“90

Tatsächlich hat sich kaum ein Dogma der Wirtschaftswissenschaft als so erfolgreich und langlebig erwiesen wie die bereits um 1800 entstandene klassische Freihandelstheorie. Ausgangspunkt ist die Auseinandersetzung mit dem bis ins späte 18. Jahrhundert vorherrschenden Merkantilismus.91 Schon 1776 widerlegt Adam Smith in seinem Buch Wealth of Nations dessen verengte Fixierung auf einen Zufluss an Edelmetallen und betont die Vorteilhaftigkeit der internationalen Arbeitsteilung.92 Weiterentwickelt wird dieser Ansatz durch die Theorie der komparativen Vorteile, die vor allem auf den Ökonomen David Ricardo (1772 – 1864) zurückgeht93. Ausgehend von einem modellhaften Beispiel zweier Länder (er wählte England und Portugal) mit zwei Waren (im Beispiel Tuch und Wein) beweist er, dass es nicht auf die absoluten Produktionskosten in einem Land, sondern allein auf die jeweiligen komparativen Vorteile ankommt. Diese werden auf Produktivitätsunterschiede zurückgeführt, die in dauerhaften örtlichen Bedingungen ihren Ursprung haben. Die Folge ist eine unterschiedliche relative Preisstruktur der Produkte in den verschiedenen Ländern, die einen Warenaustausch für beide Länder vorteilhaft Rieger / Leibfried, APuZ 48 / 2000, S. 12 ff. (12). Diese Theorie maß die Vorteile des Handels allein mittels der Handelsbilanz. Ziel war eine aktive Zahlungsbilanz, also ein Zufluss an Geld in Form von Gold und Silber. Das bedeutete aber auch, dass der Schwerpunkt auf den Interessen der herrschenden politischen und ökonomischen Oberschicht lag, denn dieser Kapitalzuwachs im Staatshaushalt bedeutete einen Machtzuwachs der Führungsschicht. Internationaler Handel wurde als Nullsummenspiel, als Machtkampf angesehen, in dem es darum geht, möglichst viel zu exportieren und möglichst wenig Importe ins Land gelangen zu lassen. Vgl. dazu Glastetter, Außenwirtschaftspolitik (1998), S. 288 ff. sowie Niehans, Geschichte der Außenwirtschaftstheorie (1995), S. 1 ff.; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 154. 92 Smith behandelt Edelmetalle als normale Waren und stellt das Sozialprodukt anstelle der Handelsbilanz in den Mittelpunkt. Allerdings erkennt er noch nicht die Besonderheit des Außenhandels im Vergleich zum Binnenmarkt und argumentiert auch hier mit dem berühmten Bild der „unsichtbaren Hand“: Wenn jeder Staat die Güter einführe, die in einem anderen Staat absolut gesehen billiger hergestellt würden, ergäbe sich eine insgesamt vorteilhafte internationale Arbeitsteilung. Immerhin hat Smith aber den entscheidenden Schritt vollzogen, zwischenstaatlichen Handel zum ersten Mal als Positiv-Summenspiel zu begreifen, bei dem alle Beteiligten gewinnen. Vgl. Niehans, Geschichte der Außenwirtschaftstheorie (1995), S. 25 ff.; Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 9. 93 Ricardo, Principles of Political Economy (1977 [1817]). 90 91

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macht: Wenn beispielsweise in England für eine bestimmte Einheit Tuch weniger Arbeitseinheiten benötigt werden als für eine Einheit Wein, und dieses Verhältnis in Portugal umgekehrt gegeben ist, dann lohnt sich der Export von Tuch nach Portugal und der von Wein nach England, selbst wenn eines der beiden Länder beide Güter absolut gesehen kostengünstiger herstellen könnte als das andere Land.94 Spätere Arbeiten beispielsweise von Haberler beweisen, dass sich die Theorie auch auf das Modell mehrerer Länder und mehrerer Güter übertragen lässt.95 Eine fundamentale Weiterentwicklung stellen dann vor allem die Arbeiten von Eli Heckscher (1879 – 1952) und seinem Schüler Bertil Ohlin (1899 – 1979) dar, die sich von der Vorstellung eines singulären Produktionsfaktors lösen und komparative Vorteile auch auf eine unterschiedliche relative Faktorausstattung zurückführen.96 Anders als bei Ricardo wird hier von gleichen Produktionstechniken der beteiligten Länder ausgegangen, dafür jedoch von unterschiedlichen Knappheitsgraden der Produktionsfaktoren. Diese bewirken unterschiedliche Faktorpreisverhältnisse, d. h. in einem Land, das beispielsweise reich an Arbeitskräften und arm an Kapital ist, sind arbeitsintensive Produkte relativ zu kapitalintensiven Produkten billiger als in einem Land mit umgekehrter Faktorknappheit. Öffnen sich diese Länder dem Außenhandel, so wird jedes Land diejenigen Güter exportieren, dessen Produktion den relativ billigen Faktor intensiv nutzt, und diejenigen Güter importieren, bei deren Produktion besonders viel der relativ knappen Faktoren eingesetzt werden. Ein Land mit Arbeitskräfteknappheit wird also beispielsweise arbeitsintensive Güter importieren und dafür kapitalintensive exportieren.97 Sowohl bei Produktivitätsunterschieden (Ricardo) als auch bei Unterschieden in der relativen Faktorausstattung (Heckscher-Ohlin) führt der Güteraustausch zu internationaler Arbeitsteilung, also zu Spezialisierung und effektiverer Nutzung der jeweiligen Produktionsfaktoren. Dies führt zu dem sogenannten „Gains-from-Trade-Theorem“, der Vorhersage eines Wohlstandszuwachses jedes einzelnen der beteiligten Staaten98 – die Grundaussage der Freihandelstheorie. Nach der Freihandelstheorie ist grundsätzlich selbst die einseitige Marktöffnung für einen Staat vorteilhaft. Zwar wird dadurch weltweit gesehen nicht das Wohlfahrts-Optimum erreicht, der öffnende Staat profitiert jedoch von der Möglichkeit, Güter zu importieren, die er selbst nur mit größerem Ressourcenaufwand hätte pro94 Vgl. die Darstellungen in Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 379 ff.; Borchert, Außenwirtschaftslehre (2001), S. 26 ff. 95 Vgl. Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 58. 96 Siehe Niehans, Geschichte der Außenwirtschaftstheorie (1995), S. 78 ff. 97 Vgl. dazu Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 412 ff. sowie ausführlich Flam (Hrsg.), Heckscher-Ohlin Trade Theory (1991). 98 Vgl. Stichwort „Gains-from-Trade-Theorem“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 2, S. 1175. Vgl. auch Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 23 ff.; Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 174 ff.

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duzieren können.99 Allerdings folgt aus der Superiorität des Freihandels gegenüber vollständiger Autarkie nicht automatisch, dass gewisse zielgenaue Zölle nicht wohlstandsoptimierend sein könnten. So kann die Theorie des „Optimalzolls“ beweisen, dass gerade große Länder durch strategische Zölle die möglichen Gewinne der Handelspartner minimieren und den eigenen Gewinn auch über denjenigen eines vollkommenen Freihandels steigern können100 – allerdings sinkt die weltweite Wohlfahrt durch dieses Verhalten, weil mangels optimaler Ressourcenallokation die Verluste des Handelspartners größer sind als die Gewinne des zollerhebenden Landes101. Schon der Theorie nach gibt es jedoch nur einen engen Anwendungsbereich für Optimalzölle, und in Anbetracht der Gefahr von Retorsionsmaßnahmen der Handelspartner wird die Bedeutung dieser einseitig wohlfahrtssteigernden Maßnahmen als sehr gering eingeschätzt102. b) Neue Außenhandelstheorie Ernsthaft in Frage gestellt wurde die Theorie, als empirische Beobachtungen die Grundaussagen der klassischen Freihandelstheorie erschütterten: Zu nennen ist hier erstens die Untersuchung des Ökonomen Leontief aus dem Jahre 1947, in der er zur allgemeinen Überraschung nachwies, dass die kapitalreichen USA einen höheren Anteil an kapitalintensiven Produkten ein- als ausführte103. Nach den Aussagen der Theorie der relativen Faktorausstattung hätte dieses Verhältnis genau umgekehrt sein müssen.104 Zweitens – und folgenreicher – stand das Aufkommen sogenannten „intra-industriellen“ Außenhandels, also des internationalen Austauschs ähnlicher Güter, der vor allem zwischen Ländern mit einem ähnlichen Entwicklungsstand zu beobachten ist, im Widerspruch zu den Aussagen der klassischen Theoriemodelle. 105 Diese Spezialisierung zwischen Subsektoren eines Wirtschaftszweiges, also zum Beispiel die parallele Herstellung von und der internatio99 Frey, Internationale Politische Ökonomie (1985), S. 12 ff.; Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 27 f. 100 Vgl. Frey, Internationale Politische Ökonomie (1985), S. 16; Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 602 ff. 101 Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 38. 102 Vgl. Dixit / Norman, Außenhandelstheorie (1998), S. 165 ff.; Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 609 ff.; Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 187 ff. Außerdem hat Protektionismus auch eine innere Tendenz zur Ausweitung: Schützt beispielsweise ein Staat seine im Weltmarkt unproduktive Stahlindustrie durch Einfuhrbeschränkungen, muss die stahlverarbeitende Industrie dieses Staates mit teurerem Stahl produzieren als ihre Konkurrenz in anderen Ländern. Dies bedeutet einen Wettbewerbsnachteil, der leicht das Bedürfnis nach weiteren Schutzmaßnahmen nach sich zieht – ein Teufelskreis, der Auswirkungen auf die gesamte Handelspolitik haben kann. Vgl. dazu beispielsweise Edgren, Int’l Lab. Rev. 118 (1979), S. 523 ff. (523 f.). 103 Siehe Borchert, Außenwirtschaftslehre (2001), S. 87 ff. 104 Vgl. Niehans, Geschichte der Außenwirtschaftstheorie (1995), S. 97 ff. 105 Broll / Gilroy, Außenwirtschaftstheorie (1989), S. 26 f.

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nale Handel mit Autos verschiedener Marken, kann über die klassische Außenhandelstheorie nicht erklärt werden. Hier setzt die in den 80er Jahren entwickelte „Neue Außenhandelstheorie“ (New International Economics) an: In diesem heterogenen106 Strang der Außenwirtschaftstheorie wird eine zentrale Annahme der klassischen Theorie, die vollkommene Konkurrenz, in Frage gestellt und versucht, „Marktmacht“ in die Außenhandelslehre einzubeziehen. Darunter versteht man nicht nur die enge Form der monopolartigen Stellung von Unternehmen im Weltmarkt, sondern auch die sogenannte „monopolistische Konkurrenz“ bei heterogenen Gütern.107 Durch diese Modellerweiterung konnte erklärt werden, dass der betriebswirtschaftliche Vorteil, der sich durch die Spezialisierung auf ein bestimmtes Produkt ergibt (insbesondere steigende Skalenerträge108), gerade bei Ländern mit ähnlichen Faktorverteilungen eine Triebkraft für internationalen Handel darstellen kann. Nach der Neuen Außenhandelstheorie kommt es nicht bloß zu Spezialisierungen in der Produktion, sondern auch zu räumlichen Konzentrationsbewegungen: An einem bestimmten Produktionsstandort können positive externe Effekte entstehen, etwa durch die Anziehungswirkungen und Lerneffekte der entstehenden Infrastruktur, des Technologievorsprungs oder des Humankapitals. Die Skaleneffekte können sich also nicht nur auf einzelne Unternehmen beziehen, sondern auch auf Regionen109. Diese Erklärung für den empirisch nachgewiesenen intra-industriellen Handel lässt sich jedoch weniger als Widerlegung, sondern vielmehr als Ergänzung der klassischen Freihandelstheorie verstehen, denn auch nach der Neuen Außenhandelstheorie profitieren die beteiligten Länder grundsätzlich von der durch die Marktöffnung ermöglichten effektiveren Nutzung ihrer Produktionsfaktoren. Somit ist auch nach dieser Theorie der Begriff des Freihandels positiv besetzt – dies erkennt auch einer der Hauptvertreter der Neuen Außenhandelstheorie, Paul Krugman, ausdrücklich an110. Ähnlich wie im Rahmen der klassischen Handelspolitik gibt es jedoch auch hier einen schmalen Anwendungsbereich für einseitig wohlfahrtssteigernde Maßnahmen von Staaten, die den freien Handel beschränken: Mit einer „strategischen Handelspolitik“ können Staaten in einem gewissen Ausmaß auf Kosten ihrer Han106 Vgl. etwa Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 120 ff. sowie die Kurzübersicht bei Betz, Internationale Arbeitsteilung (1994), S. 33 ff. 107 Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 53 ff.; Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 549 ff.; Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 120 ff. 108 Definiert als: „A reduction in long-run average cost as a result of an expansion in output“, Rutherford (1992), S. 141. Vgl. auch Stichwort „Skalenertrag“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 4, S. 2773. 109 Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 106. 110 Krugman (1987), S. 143.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

delspartner noch höhere Gewinne erwirtschaften als bei vollständigem Freihandel, riskieren aber Retorsionsmaßnahmen.111

c) Auswirkungen auf nationale Sozialstandards aa) Auswirkungen auf absolute Arbeitskosten Zentral in der gesellschaftlichen Diskussion ist die Angst, dass Länder, die höhere Arbeitskosten als andere aufweisen, keine international konkurrenzfähigen Produkte mehr herstellen können.112 Diese Befürchtung ist allerdings nach Ricardos Theorie der komparativen Vorteile unbegründet: Danach kann ein Land auch dann am internationalen Handel teilnehmen und davon profitieren, wenn die Produktionskosten sämtlicher Güter höher sind als bei seinen Handelspartnern.113 Allerdings ergibt sich im Rahmen des Ricardo-Modells das Problem, dass durch die Produktionsverlagerungen, die mit einer Spezialisierung notwendigerweise einhergehen, gewisse Anpassungskosten entstehen können. Spezialisiert sich, um im klassischen Beispiel zu bleiben, England auf die Produktion von Tuch, verlieren dort Arbeitskräfte in der Weinproduktion ihre Stelle und müssen die Kenntnisse zur Tuchherstellung erlernen. Dadurch können vorübergehende Wohlfahrtsverluste eintreten.114

bb) Verteilungsprobleme Neben diesen temporären Effekten gibt es auf der Grundlage des Heckscher-Ohlin-Modells allerdings noch weitere prognostizierte Auswirkungen auf die nationalen Sozialstandards: Nach dem sogenannten Stolper-Samuelson-Theorem führt der ungehinderte Austausch von Waren aufgrund unterschiedlicher relativer Faktorausstattungen zu einer Angleichung der Faktorpreise.115 Grund hierfür ist, dass die 111 Siebert, Außenwirtschaft 43 (1988), S. 549 ff.; Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 61 ff., Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 278 ff. Hier bestehen Parallelen zu der auf Friedrich List (1789 – 1846) zurückgehenden „infant industries“-Theorie, nach der sich entwickelnde Industrien sogenannte „Erziehungszölle“ benötigen; vgl. Niehans, Geschichte der Außenwirtschaftstheorie (1995), S. 30 ff.; Weiler, „Infant-industry“-Argument (1996); Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 621 ff. 112 Vgl. dazu beispielsweise Martin / Schumann, Globalisierungsfalle (1997), S. 212 ff. 113 Deutlich dazu auch Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 23 f. 114 Diese zwangsläufig aus der klassischen Freihandelstheorie ableitbare Aussage wird von Ökonomen oft unterschlagen, so etwa im Beispielsfall bei Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 285 f.: „US workers, all of whom are now employed in high-tech, can purchase more low-tech goods than before.“ Dafür weisen Sozialwissenschaftler auf diese Problematik hin, vgl. etwa Perraton / Goldblatt / Held / McGrew, Globalisierung der Wirtschaft (1998), S. 149. Allgemein dazu Westermann, Strukturelle Arbeitslosigkeit (1993); Pauer, Strukturelle Arbeitslosigkeit (2000).

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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Besitzer relativ knapper und deswegen bisher teurer Faktoren wegen der reicheren Ausstattung des Handelspartners mit diesen Faktoren einer höheren Konkurrenz ausgesetzt sind. Das bedeutet, dass etwa der Preis für den Produktionsfaktor Arbeit, also die Lohnhöhe für eine bestimmte Tätigkeit, weltweit das selbe Niveau annehmen würde – ein Arbeiter in einem Industrieland bekäme denselben Lohn wie sein Kollege in einem Entwicklungsland. Diese Aussage lässt sich auf andere Produktionskosten erweitern, also etwa auf Aufwendungen für Arbeitsplatzsicherheit, Lohnnebenkosten usw. Das Theorem der Faktorpreisequalisierung basiert jedoch auf einigen unrealistischen Annahmen, so dass seine Aussagekraft für die Realität begrenzt ist:116 Eine Prämisse des Heckscher-Ohlin-Modells ist das Bestehen gleicher Produktionstechniken der beteiligten Länder. Bezieht man aber die Produktivität in einem bestimmten Land in die Theorie mit ein, indem man etwa auf die Lohnstückkosten117 statt auf absolute Lohnhöhen abstellt, relativieren sich die Aussagen des Stolper-Samuelson-Theorems, da die Produktivität in den Industrieländern in aller Regel deutlich höher liegt als in den Entwicklungsländern. Auch die Außerachtlassung von Transportkosten entspricht trotz deren Sinkens nicht der Realität, so dass auch in diesem Bereich der Faktorpreisequalisierung eine Hürde gesetzt ist. Somit ist keine vollständige Angleichung der Faktorpreise zu erwarten.118 Trotzdem ist nach der klassischen Freihandelstheorie in bestimmten wirtschaftlichen Bereichen, in denen die unrealistischen Prämissen der Theorie nur in geringem Maße ins Gewicht fallen – etwa bei der Beschäftigung ungelernter Arbeiter, bei leicht transportierbaren Gütern oder bei nicht ortsgebundenen Dienstleistungen – mit einem starken Druck auf nationale Standards zu rechnen.

cc) Empirische Untersuchungen Der Gehalt des Stolper-Samuelson-Theorems wurde in zahlreichen empirischen Untersuchungen überprüft. Klar erkennbar sind die sich in den letzten Jahrzehnten verschlechternden Chancen geringqualifizierter Arbeiter in den Industrienationen, was etwa zu Reallohnsenkungen in den USA und höherer Arbeitslosigkeit in den EU-Staaten geführt hat.119 Umstritten ist jedoch der schwer festzustellende Kau115 Dargestellt beispielsweise in Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 615 ff.; Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 64 ff. 116 Vgl. dazu Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 431 ff.; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 62 ff.; Klodt, Internationale Direktinvestitionen und Standortwettbewerb (2001), S. 79. 117 Definiert als Verhältnis von Arbeitnehmerentgelt je beschäftigtem Arbeitnehmer zum BIP je Erwerbstätigen, vgl. Stichwort „Lohnstückkosten“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 3, S. 2021. 118 So etwa auch Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 431.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

salbeitrag des zunehmenden Welthandels für diese Entwicklung: Es wird argumentiert, dass auch die steigende Technisierung der Produktion für die schlechte Lage der Arbeiter in den Industrieländern verantwortlich sein könne. Diese Technisierung könnte allerdings wiederum mit der steigenden Offenheit der Industrieländer gegenüber Konkurrenz aus Entwicklungsländern zusammenhängen, so dass man es mit einem schwer entwirrbaren Knäuel von Kausalbeiträgen zu tun hat.120 Trotz dieser offenen Fragen ist jedoch wohl unstreitig, dass eine wirtschaftliche Öffnung nach außen und die damit verbundene neue Wettbewerbssituation Gewinner und Verlierer innerhalb jedes einzelnen Staates schafft.121

d) Möglichkeit der Umverteilung Allerdings wäre es verfehlt, die Überlegungen auf dieser primären Ebene abzubrechen. Schließlich bleiben die staatlichen Einheiten im hier untersuchten Szenario des Außenhandels bestehen, was eine Umverteilung zwischen Gewinnern und Verlierern innerhalb dieser Einheiten grundsätzlich ermöglicht. So wird von Ökonomen darauf verwiesen, dass nach dem „Gains-from-Trade-Theorem“ eine Volkswirtschaft insgesamt vom Handel profitiert, weswegen die Verlierer der Marktöffnung vollständig kompensiert werden könnten und am Ende trotzdem zumindest ein Individuum einen Vorteil gegenüber der autarken Situation aufweise.122 Die Möglichkeit einer „adjustment for losers“123-Politik wird anschaulich, wenn man sich den im internationalen Konkurrenzkampf zustande kommenden „Wettbewerbslohn“ vorstellt als Summe eines Individuallohns, der an den jeweiligen Arbeiter ausgezahlt wird, und eines Kollektivlohns, der aus sozialen Abgaben besteht, die umverteilt werden können. Ist der Wettbewerbslohn beispielsweise eines unqualifizierten Arbeiters niedriger als der politisch erwünschte Individuallohn, kann er mit Mitteln aus dem Kollektivlohn der Gewinner der wirtschaftlichen Öffnung ergänzt werden.124 119 Vgl. etwa die Angaben bei Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 56 ff.; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 174, 185; Fehn, Globalisierung (2001), S. 125; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 28 ff. 120 Vgl. zu dieser Diskussion Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 22 ff.; (25 / 717 f.); Masson, Globalization (2001), S. 11 ff. 121 Vgl. nur Rösner, Globaler Wettbewerb (1996), S. 181; Bender, Globalisierung (1998), S. 252 f. Zur steigenden wirtschaftlichen Polarisierung in Deutschland siehe Schäfer, Entmythologisierung der „Standort“-Debatte (1999), S. 65 ff. 122 Siehe etwa Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 54 ff. Vgl. dazu auch Stichwort „Außenhandelstheorie“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 1, S. 284 ff. (286). 123 Leary, Workers’ Rights (1996), S. 249. Auch Leebron, Lying Down with Procrustes (1996), S. 59 betont: „From an overall welfare point of view, the best alternative is to compensate those harmed by the imports.“ 124 Vgl. Weizsäcker, Logik der Globalisierung (1999), S. 59 ff.

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Dass diese Form von Kompensation nicht nur eine Möglichkeit darstellt, sondern in einem gewissen Maße tatsächlich erfolgt ist, zeigen die Arbeiten von Rieger und Leibfried.125 Nach ihren Aussagen entwickelt sich die wirtschaftliche Öffnung von Staaten parallel zum Ausbau einer umfassenden Wohlfahrtsstaatlichkeit. Erst der Ausbau des Wohlfahrtsstaates habe die Regierungen der Industrieländer in die Lage versetzt, eine liberale Außenhandelspolitik zu verfolgen. Empirisch belegt wird diese Aussage durch die parallele Entwicklung von Freihandel und Wohlfahrtsstaat im ausgehenden 19. Jahrhundert und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sowie durch ein relativ klares Verhältnis zwischen dem Grad der wirtschaftlichen Integration und der Höhe der Sozialausgaben in den westlichen Industrienationen.126 Allerdings ist unklar, inwieweit diese Untersuchungen auf andere Länder übertragbar sind, denn zahlreiche Staaten, beispielsweise in Südostasien, weisen eine hohe Weltmarktintegration auf, ohne dass die Sozialausgaben ähnlich hoch wie in den westeuropäischen Staaten wären.127

e) Zwischenergebnis Betrachtet man allein die Auswirkungen des steigenden Außenhandels, gibt es zwar Anpassungskosten in bestimmten Branchen für die beteiligten Staaten. Deshalb sind der Geschwindigkeit einer weiteren wirtschaftlichen Öffnung Grenzen gesetzt. Auch sind Verteilungswirkungen zu erwarten, die gerade in den Industrieländern einen hohen Druck auf soziale Standards bewirken können. Allerdings spricht vieles dafür, dass hohe soziale Standards durch Umverteilungsleistungen zwischen den Gewinnern und Verlierern der wirtschaftlichen Öffnung beibehalten werden können. Es ist also letztlich eine politische Entscheidung der Staaten, wel125 Unter anderem Leibfried / Rieger, ZeS-Arbeitspapier Nr. 15 / 1995, S. 5 ff.; Rieger / Leibfried, APuZ 48 / 2000, S. 12 ff.; und dies., Grundlagen der Globalisierung (2001). Ausgangspunkt ihrer Arbeiten sind Untersuchungen Katzensteins, der bei kleineren europäischen Staaten die Beobachtung eines hohen Niveaus sozialstaatlicher Leistungen machte und dies darauf zurückführte, dass mit dieser Art von Puffer die größere Verletzbarkeit durch Weltmarktschwankungen ausgeglichen werden sollte; siehe Katzenstein, Small States in World Markets (1985). Schon Polanyi, The Great Transformation (1944) vertrat übrigens die These, die Steigerung der Sozialausgaben seien ein Versuch, die Auswirkungen der Handelsliberalisierung abzufedern. 126 Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 62 f. Vgl. auch die Nachweise und das Schaubild bei Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 69 ff. sowie die empirischen Untersuchungen bei Bernauer, Staaten im Weltmarkt (2000), S. 87 f. Beispielhaft kann auch die Entwicklung in den USA angeführt werden: Dort ging eine wirtschaftliche Öffnung in einem bestimmten Bereich in der Regel mit einer entsprechenden Sozialregel einher. Neoprotektionistische Tendenzen wurden häufig dann erkennbar, wenn soziale Sicherungsregelungen abgebaut wurden; vgl. Rieger / Leibfried, APuZ 48 / 2000, S. 12 ff. (17); Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 25. 127 Vgl. beispielsweise die Weltbank-Daten zur Handels- und Staatsquote von Thailand unter http: / / www.worldbank.org / cgi-bin / sendoff.cgi?page=%2Fdata%2Fcountrydata%2Fa ag%2Fthaaag.pdf (01. 09. 2004).

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

chen Teil ihrer wirtschaftlichen Leistung sie für soziale Standards verwenden. Das mögliche Niveau an Sozialstandards ist nach der Außenhandelstheorie nur von der durchschnittlichen Produktivität des jeweiligen Staates abhängig, und diese steigt durch die mit freiem Außenhandel verbundene Arbeitsteilung. 2. Auswirkungen durch mobile Produktionsfaktoren Sowohl die klassische Freihandelstheorie als auch der Grundansatz der Neuen Handelstheorie basieren auf der Prämisse der vollständigen Immobilität der Produktionsfaktoren.128 Dass von dieser Annahme allenfalls noch vereinfachend für den Faktor Arbeit ausgegangen werden kann, Kapital jedoch aufgrund der veränderten globalen Rahmenbedingungen international mobil geworden ist, wurde bereits dargelegt.129 Welche Auswirkungen mobile Produktionsfaktoren auf die einzelnen Volkswirtschaften allgemein und auf nationale Sozialstandards im Besonderen haben, ist eine relativ neue Fragestellung der Außenwirtschaftstheorie, für die sich noch kein allgemeiner Kanon herausgebildet hat.130 a) Klassische Theorie Nach der klassischen Außenhandelstheorie sind mobile Produktionsfaktoren auf den ersten Blick schwer zu erklären: Eine vollständige Mobilität von Waren und Dienstleistungen führt nach dieser Theorie bereits zu einem optimalen Zustand, da in jedem Land die produktivste Form der Faktornutzung herbeigeführt wird. Deshalb können die umfangreichen Kapitalflüsse nur damit erklärt werden, dass eine vollständige Gütermobilität noch nicht gegeben ist.131 Aufgrund von tatsächlichen und rechtlichen Hindernissen, also etwa Transportkosten und Zöllen, befindet sich die Welt noch in einem suboptimalen Zustand der Arbeitsteilung. Eine Investition eines Unternehmens im Ausland oder die Wanderung einer Arbeitskraft dient dazu, diese Hürden zu überwinden, indem ein direkter Zugang zum Auslandsmarkt erlangt wird. Faktorbewegungen gibt es nach der klassischen Theorie deshalb so lange, wie die Rendite eines Faktors in einem Land höher ist als in einem anderen, solange also noch keine Faktorpreisequalisierung eingetreten ist.132 Untersucht man die Auswirkungen der Faktormobilität auf die nationalen Wirtschaftsordnungen, muss zwischen Kapital und Arbeitskräften unterschieden wer128 Vgl. Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 143; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 57 f.; Kerber, Standortwettbewerb und Ordnungspolitik (2001), S. 87. 129 Vgl. oben § 11 I.2.b). Dazu auch Neyer, Spiel ohne Grenzen (1996), S. 100 f.; Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 67 ff. 130 Vgl. Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 172. 131 Klodt, Internationale Direktinvestitionen und Standortwettbewerb (2001), S. 79. 132 Vgl. Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 161; Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 136 f.

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den: Zu Kapitalmobilität, also beispielsweise Direktinvestitionen, kommt es, wenn im Ausland eine höhere Rendite zu erwarten ist als im Inland. Im Empfängerland sinkt nach dem Kapitalfluss die Kapitalrendite, während diejenige des Produktionsfaktors Arbeit – und damit beispielsweise auch die Lohnhöhe oder das Niveau sonstiger Arbeitskonditionen – steigt. Umgekehrt verhält es sich im Herkunftsland, in dem die Kapitalrendite steigt, während der Faktor Arbeit durch die niedrigere Kapitalausstattung weniger Rendite erwirtschaftet.133 Entscheidend ist, dass der Gesamtnutzen durch die produktivere Faktorverwendung nicht nur weltweit, sondern in jedem einzelnen Land steigt. Dies liegt für das Empfängerland, das einen Zustrom an Kapital erhält, auf der Hand, gilt jedoch entgegen weit verbreiteter Befürchtungen134 auch für das Herkunftsland: Dort erhalten die Kapitalgeber für das im Ausland angelegte Kapital Zinserträge, die höher sind als die zu erwartenden Erträge im Inland – sonst wäre es nicht zu einer Auslandsinvestition gekommen. Diese zusätzlichen Einnahmen sind in jedem Fall höher als der Einkommensverlust, der im Inland durch die niedrigere Kapitalausstattung entsteht.135 Der Versuch, ausländisches Kapital durch Vergünstigungen irgendwelcher Art anzulocken, wäre also nicht nur unnötig, sondern würde die optimale Faktorallokation behindern und wäre damit auch wohlfahrtsschädlich.136 Vernachlässigt man tatsächliche und rechtliche Hürden für die Mobilität des Kapitals, wird sich die relative Faktorausstattung der Länder so lang annähern, bis eine gleiche Kapitalrendite im In- wie im Ausland und somit eine Faktorpreisequalisierung eingetreten ist. Damit bewirkt allein die Mobilität des Faktors Kapital eine Situation, die dem Ergebnis des Stolper-Samuelson-Theorems entspricht, nämlich eine Maximierung des Gesamtnutzens aller Länder, aber auch eine weltweite Angleichung der Faktorpreise, also etwa auch der Lohnhöhe.137 Wegen dieser identischen Auswirkungen stehen internationaler Handel und internationale Kapitalmobilität nach der klassischen Theorie also in einer substitutiven Beziehung.138 Allerdings gelten auch hier die Relativierungen, die sich aus den wirklichkeitsfremden Annahmen der klassischen Theorie ergeben: Erstens dürfen die etwa mit einer Direktinvestition verbundenen tatsächlichen Schwierigkeiten und Kosten nicht unterschätzt werden, so dass selbst bei Außerachtlassung der rechtlichen Schranken nicht von einer vollständigen Mobilität des Kapitals ausgegangen wer133 Ausführlich dazu Markusen / Melvin, Theory of International Trade (1988), S. 285 ff.; Smeets, Vorteile des EG-Binnenmarktes (1990), S. 67 ff.; Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 165 f.; Eckel, Verteilungswirkungen der Globalisierung (2000), S. 44 ff. 134 Vgl. dazu Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 161. 135 Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 28. 136 Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 166. 137 Vgl. dazu auch Schwab / Smadja, Harv. Bus. Rev. 72 (1994), S. 40 ff. 138 Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 134; Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 160. Darauf weist schon Mundell, Am. Econ. Rev. 47 (1957), S. 321 ff. hin.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

den kann. Auch ist beispielsweise nicht nur die relative Knappheit des Faktors Arbeit ausschlaggebend für die Kapitalrendite, sondern auch die jeweilige Produktivität. Weisen Industrieländer also eine hohe Produktivität auf, bremst dies den Abfluss von Kapital und damit den Druck auf hohe Arbeitskosten.139 Etwas anders stellt sich die Situation bei mobilen Arbeitskräften dar:140 Zwar kommt es auch hier zu einer Faktorpreisequalisierung, da im Einwanderungsland durch die höhere Verfügbarkeit des Faktors Arbeit die Preise für diesen Faktor sinken und die Rentabilität des Kapitals steigt, während im Herkunftsland die Besitzer des Faktors Arbeit profitieren und der Ertrag des Kapitals sinkt.141 Anders als bei Kapitalmobilität erhält das Herkunftsland jedoch keine Zinserträge für die ausgewanderten Arbeitskräfte, so dass dort der Gesamtnutzen sinkt – das Land schrumpft.142 Der weltweite Gesamtnutzen dagegen steigt, da durch die produktivere Faktorverwendung der Gewinn des Einwanderungslandes größer ist als der Verlust des Herkunftslandes.143 Von den Schrumpfungsgefahren eines Landes bei mobilen Arbeitskräften einmal abgesehen, führen nach der klassischen Theorie mobile Produktionsfaktoren also zu denselben Ergebnissen wie freier Außenhandel: Die Gewinne und Verluste sind innerhalb eines Staates sehr ungleich verteilt. In einer kapitalreichen Industrienation führt dies zu einem Absinken der Lohnhöhe und anderer sozialer Standards. Allerdings können diese Verluste kompensiert werden, denn jeder Staat profitiert insgesamt von der Öffnung. Beim Versuch, diese Umverteilung vorzunehmen, sieht sich ein Industriestaat jedoch einem Umsetzungsproblem gegenüber: Löst man sich von der Vorstellung, Produktionsfaktoren seien immobil, werden Schwierigkeiten erkennbar, eine ausreichend große Steuerbasis zu erlangen. Kapitalbesitzer in Industrieländern, die zu den Gewinnern der wirtschaftlichen Öffnung gehören, können ihre Werte durch Transferierung ins Ausland dem staatlichen Zugriff entziehen. Zwar kann theoretisch eine Besteuerung von Kapitaleinkünften über die Einkommenssteuer des Herkunftslandes erfolgen, doch dieses Wohnsitzlandprinzip lässt sich in der Realität nur Vgl. Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 164 f. Siehe umfangreich Hülshorst, Sozialpolitik in einer Föderation (2000). 141 Es gibt auch empirische Belege für diese erwartete Anpassung der Lohnhöhen, etwa für die Zeit der Masseneinwanderung in die USA zwischen den Jahren 1870 und 1913, vgl. die Nachweise bei Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 165. 142 Zwar argumentiert Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 266, auch grenzüberschreitende Arbeitskräftebewegungen führten zu „Wohlstandszuwächsen für das Faktorexport- und das Faktorimportland“. Diese Aussage basiert jedoch auf einem Modell, bei dem der Ertrag der Arbeitskräfte auch nach ihrer Wanderungsbewegung dem Herkunftsland zugerechnet wird, vgl. ebd., S. 149 ff. Dies trifft bei dauerhaften Migrationsbewegungen jedoch nicht zu, und auch bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten wird nicht der komplette Verdienst in das Heimatland überwiesen. 143 Vgl. Krugman / Obstfeld, International Economics (2003), S. 161 ff. So auch Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 149 m. w. N. 139 140

§ 11 Abwärtsspirale durch Globalisierung der Wirtschaft?

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schwer verwirklichen144. Deshalb müssen Staaten, die ein bestimmtes Niveau an Sozialstandards aufrechterhalten wollen, versuchen, das Abfließen von Kapital zu verhindern und ausländisches Kapital anzulocken.145

b) Neue Außenhandelstheorie Die Neue Handelstheorie weist, wie bereits geschildert,146 über das statische Modell der klassischen Theorie hinaus und beschreibt die Bedeutung von Agglomerationsprozessen. Daraus ergibt sich für den Fall internationaler Faktormobilität ein von der klassischen Außenhandelstheorie verschiedenes Szenario. Entscheidend ist, dass durch die Größe einer bestimmten wirtschaftlichen Ansiedlung Vorteile nicht bloß für den jeweils investierenden Kapitaleigentümer entstehen, sondern positive externe Effekte für den Staat oder die Region zu erwarten sind. Mit steigender Ansiedlung bestimmter, oft kapitalintensiver Wachstumsbranchen bildet sich eine produktive Infrastruktur heraus und entwickelt sich ein Fundus an gut ausgebildeten Arbeitskräften mit hohem technischem Know-how. Diese Basis wirtschaftlichen Wachstums entwickelt einen Anreiz für weitere Ansiedlungen, so dass ein dynamischer, sich selbst verstärkender Prozess entsteht, in dem sich hochindustrialisierte und wohlhabende Zentren von der wirtschaftlich weitgehend stagnierenden Peripherie abkoppeln.147 Die relative Faktorausstattung, die im Rahmen der klassischen Außenhandelstheorie die Ursache der Faktormobilität darstellt, ist für diesen Prozess nicht ausschlaggebend.148 Damit fällt aber auch die inhärente Grenze der Faktorbewegungen im klassischen Modell weg, nämlich der maximal erreichbare Punkt wirtschaftlicher Verflechtung, der nach dem StolperSamuelson-Theorem beim Ausgleich der Faktorpreise erreicht wäre. Das Wachstumspotential einer Region ist damit ebenso wie das Schrumpfungspotential einer anderen Region grundsätzlich unbegrenzt. Die wirtschaftliche Öffnung der Staaten führt nach der Neuen Außenhandelstheorie also nicht notwendigerweise zu einem steigenden Gesamtnutzen jedes einzelnen Staates – neben Gewinnern gibt es auch Verlierer. Wird von einem Staat der Anschluss an die Wachstumsprozesse verpasst, kann es sogar zu einer so genannten „lock-in“-Situation kommen, also einer dauerhaften wirtschaftlichen Stagnation, Siehe etwa Fuest, Sozialstaat (2000), S. 70 ff. Marchlewitz, WSI-Mitteilungen 11 / 1997, S. 771 ff. (776 f.); Pfaller, IPS 2 / 2000, S. 160 ff.; Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 58. Vgl. dazu auch unten unter § 11 II.2.d) dd). 146 Siehe oben unter § 11 II.1.b). 147 Grundlegend dazu bereits Myrdal, Ökonomische Theorie (1974). Dazu auch Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 167 ff.; Fujita / Krugman / Venables, Spatial Economy (2000), S. 251; Siebert, Außenwirtschaft (2000), S. 134 f. Vgl. auch Stichwort „dynamische Größenvorteile“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 1, S. 795. 148 Vgl. Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (327). 144 145

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aus der nur mit Schwierigkeiten wieder ausgebrochen werden kann.149 Somit ist es nach den Aussagen der Neuen Handelstheorie entscheidend, dass ein Staat ausländische Arbeitskräfte (insbesondere hochqualifizierte Kräfte) und ausländisches Kapital (insbesondere Investitionskapital für bestimmte Wachstumsbranchen) möglichst früh und in möglichst großem Umfang auf sein Hoheitsgebiet lenken kann.150

c) Wettbewerb der Systeme Nach den verschiedenen Theoriemodellen des Außenhandels spricht also viel dafür, dass ein Staat mobile Produktionsfaktoren anlocken muss, um die Kompensation der Globalisierungsverlierer zu gewährleisten und um seine Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern. Wegen der weitgehenden Immobilität des Faktors Arbeit gilt dies in besonderem Maße für mobiles Kapital. Dabei steht der Staat jedoch in Konkurrenz zu allen anderen Staaten, die die gleichen Ziele verfolgen. Ein Modellrahmen, der diese Konkurrenzsituation fassbar werden lässt, ist das Konzept des Systemwettbewerbs.151 Im Systemwettbewerb sind zwei unterschiedliche Wettbewerbsprozesse miteinander verwoben: Einmal besteht ein klassischer Faktorpreiswettbewerb der Unternehmen, die versuchen, für ein bestimmtes Produkt die jeweils günstigsten Herstellungskosten zu erlangen. Da die Unternehmen aber verschiedene Standorte mit jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen haben, strahlt der unternehmerische Wettbewerb auf die staatlichen Regelungssysteme ab,152 denn die Faktorpreise werden heute weniger über geographische Bedingungen, sondern maßgeblich von der institutionellen Struktur beeinflusst. Wenn Regierungen Unternehmen also Konditionen anbieten wollen, die diese im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten begünstigen sollen, verändern sie ihre Regelungssysteme und stehen dabei in einer Konkurrenzsituation zu anderen Staaten; ein institutioneller Wettbewerb ist die Folge.153 149 Teilweise wird die These vertreten, transnationale Unternehmen könnten diese Situation durch Wissenstransfer aufbrechen, vgl. etwa Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 176 ff. 150 Vgl. die Überlegungen bei Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (328 f.). 151 Zur ausufernden Diskussion vgl. exemplarisch Streit, ZfW 44 (1995), S. 113 ff.; Theurl, Globalisierung als Selektionsprozess (1999); Esty, Regulatory Competition (2001). 152 Siehe etwa Klodt, Internationale Direktinvestitionen und Standortwettbewerb (2001), S. 80 sowie Siebert, Paradigma des Standortwettbewerbs (2000), S. 7 ff., der allerdings den Wettbewerb der Unternehmen und den Wettbewerb der Arbeitnehmer gedanklich voneinander trennt und deswegen zu drei voneinander abhängigen Wettbewerbsebenen gelangt. Allerdings erkennt auch er an, dass der Faktor Arbeit von wenigen Ausnahmen abgesehen räumlich gebunden sei, S. 9. 153 Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 174 f. m. w. N.; Meyer, Globalisierung der Ordnungspolitik (2001), S. 193. Eine Übersicht zu den verschiedenen Modellen des Systemwettbewerbs gibt Keller, Europäische Arbeits- und Sozialpolitik (2001), S. 29 ff.

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Dass aus unternehmerischem Wettbewerb über den Mechanismus der Faktormobilität ein Wettbewerb zwischen Staaten entsteht, wird allerdings teilweise bestritten. So behaupten etwa Heise und Küchle, es sei „zweifelhaft, ob es Sinn hat, von der Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes zu sprechen, weil ja nur einzelne Unternehmen und ihre Produkte, nicht aber ganze Volkswirtschaften miteinander konkurrieren“154.

Auch Krugman führt an: „It is simply not the case that the world’s leading nations are to any important degree in economic competition with each other.“155

Diese Einschätzungen werden von den meisten anderen Ökonomen nicht geteilt. So bewertet beispielsweise Siebert, eine der zentralen Figuren der Analyse eines Systemwettbewerbs, die Aussagen als „glattes Fehlurteil“156. Um die dargestellten ökonomischen Zusammenhänge für eine rechtspolitische Untersuchung fruchtbar zu machen, muss an dieser Stelle eine rein deskriptive Herangehensweise aufgegeben werden. Bei der Entscheidung, welche der sich widersprechenden Meinungen dieser Arbeit zugrunde gelegt werden soll, ist auf die hohe Plausibilität der geschilderten Ableitung eines Systemwettbewerbs aus den Grundannahmen der Außenhandelstheorie zu verweisen. Es erscheint nicht nachvollziehbar, wie bei einem Wettbewerb zwischen Unternehmen, die zur Produktivitätssteigerung ihren Standort wechseln können, jegliche Auswirkung auf staatliche Politikentscheidungen geleugnet werden kann. Somit wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die Globalisierung der Wirtschaft einen Systemwettbewerb hervorruft.

d) Auswirkungen auf nationale Sozialstandards Wichtigste konzeptionelle Folge des Systemwettbewerbs ist das Aufbrechen der nationalen Einheit: Klassischerweise liefen Marktprozesse innerhalb eines geschlossenen Systems ab. Dessen Rahmen wurde durch den Staat vorgegeben, der damit eine Monopolstellung gegenüber den in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Marktteilnehmern einnahm.157 Bildet sich jedoch ein Systemwettbewerb heraus, wird der Staat zum Marktteilnehmer, seine institutionellen Leistungen zu Waren, die Unternehmen zu Kunden.158 Es entsteht ein globaler Markt der politischen Produkte. Heise / Küchle, WSI-Mitteilungen 4 / 1996, S. 237 ff. (238). Krugman, Foreign Affairs 73 (1994), S. 28 ff. (30). 156 Siebert, Paradigma des Standortwettbewerbs (2000), S. 9. 157 Vgl. nur Kerber, Standortwettbewerb und Ordnungspolitik (2001), S. 87. 158 Damit wird übrigens auch die zentrale Unterscheidung bei North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung (1992), S. 4 ff. zwischen Institutionen (also den Spielregeln) und Organisationen (den Spielern) fragwürdig. Zumindest entsteht hier ein Zuordnungsproblem für das staatliche Regelungssystem. 154 155

9 Spelten

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

Zu untersuchen ist nun, welche Auswirkungen dies auf nationale Sozialstandards hat. Der Wettbewerb zwischen staatlichen Regelungssystemen ist zwar nicht erst seit dem Aufkommen der Globalisierungsdebatte Gegenstand grundlegender ökonomischer Auseinandersetzungen.159 Die frühesten Untersuchungen entstanden im Zusammenhang mit der Theorie des Finanzföderalismus,160 später spalteten sich die Untersuchungen in neoklassisch-statische161 und evolutorisch-dynamische Modelle162 auf. Regional gesehen gibt es zahlreiche Arbeiten zum Wettbewerb der Nationalstaaten im Rahmen der EU,163 aber auch zur Konkurrenz zwischen amerikanischen Bundesstaaten164. Trotzdem ist das Thema auch heute heiß umstritten, so dass kein allgemein geteiltes Ergebnis formuliert werden kann. Allerdings gibt es unter Ökonomen eine breite Strömung, die eine optimistische Position einnimmt und eine Verbesserung der nationalen Standards erwartet. Die Hintergründe und Argumente dieser Strömung sollen daher im Folgenden dargestellt werden, bevor auf ihre Probleme eingegangen wird.

aa) Optimistische Einschätzungen Ausgangspunkt einer optimistischen Position ist eine negative Einschätzung des Status quo. Als defizitär wird in diesem Fall das Zustandekommen politischer Entscheidungen im Innenbereich der Staaten wahrgenommen. Dass die Entscheidungen in einem undemokratischen Staat nicht nur aus Legitimitäts-, sondern meist auch aus Effizienzgesichtspunkten unbefriedigend sind, liegt auf der Hand angesichts der wohl sehr geringen Zahl von Diktatoren, deren zentrales Politikziel die Steigerung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes ist. Die Überlegungen der Ökonomen beziehen sich jedoch fast ausschließlich auf demokratische Staaten und kritisieren auch dort die Unzulänglichkeiten des Entscheidungsprozesses. Theoretischer Hintergrund sind die Annahmen des public choice-Ansatzes, also die Konzeption der politischen Akteure als rationale Nutzenmaximierer 165. Diese 159 Einen guten Überblick vermittelt die Aufsatzsammlung von Gerken (Hrsg.), Competition Among Institutions (1995). 160 Z. B. Tullock (1969). 161 Beispielsweise Sinn, Empirica 17 (1990), S. 3 ff.; Siebert, Disziplinierung der nationalen Wirtschaftspolitik (1998). 162 Beispielsweise Vanberg, ORDO 43 (1992), S. 375 ff.; Streit, ZfW 44 (1995), S. 113 ff.; Gerken, Wettbewerb der Staaten (2000). 163 Beispielsweise Gerken (Hrsg.), Europa zwischen Ordnungswettbewerb und Harmonisierung (1995); Mussler / Wohlgemuth, Institutionen im Wettbewerb (1995); Leibfried (1999), S. 30 ff. 164 Siehe Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (319 ff.). Vgl. auch die Nachweise bei Langille, General Reflexions (1996), S. 255. Dazu auch Graser, Dezentrale Wohlfahrtsstaatlichkeit (2001), S. 121 ff. 165 Grundlegend dazu Downs, Economic Theory of Democracy (1957); Olson, Logic of Collective Action (1965). Eine kurze Einführung findet sich bei Posner, Economic Analysis

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Annahme bezieht sich sowohl auf die Wähler und ihre Interessenvereinigungen als auch auf die gewählten Vertreter. In einem solchen politikökonomischen Modell ergeben sich bei der Entscheidung über die Öffnung des heimischen Marktes und die Rahmenbedingungen unternehmerischer Ansiedlungen Dysfunktionalitäten, die zu ineffizienten Entscheidungen führen: Nach den Ansätzen der Politischen Ökonomie haben politische Akteure vor allem ein Interesse an ihrer Wiederwahl. Da der Nutzen eines Abbaus von Zöllen meist komplex und weitgestreut ist (z. B. Konsumentenvorteile durch günstigere Produkte), die Kosten jedoch deutlich erkennbar sind und bestimmte Bevölkerungsgruppen unmittelbar treffen (z. B. Arbeitsplatzverluste in unrentablen Industrien), kommt es zu Asymmetrien bei Informationskosten und politischen Einflussmöglichkeiten der Interessengruppen.166 Die Gegner von Zollsenkungen können sich somit einfacher organisieren und politischen Druck mobilisieren, was am politischen „Markt“ zur Nachfrage nach Protektionismus führt. Außerdem sind auch heute noch Zolleinnahmen eine einfache Art, die Staatseinnahmen politisch verträglich zu steigern, um damit Forderungen von wichtigen Wählergruppen zu befriedigen.167 Somit führt der innenpolitische Prozess zu einer ineffizienten Abschottung gegenüber einer auf Außenhandel basierenden wohlfahrtssteigernden internationalen Arbeitsteilung.168 Auf den überproportionalen Einfluss von gut organisierten Interessengruppen werden auch zahlreiche andere Politiken zurückgeführt, die störend auf den wirtschaftlichen Prozess wirken können. Hierzu gehörten etwa die zunehmende staatliche Umverteilungspolitik, hohe arbeitsrechtliche Hürden im Kündigungsschutz, bürokratische Behinderungen bei unternehmerischen Entscheidungen etc.169 Dies alles bremse die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und sei daher langfristig wohlstandsmindernd. of Law (2003), S. 534 ff., 545 ff.; Richter / Furubotn, Neue Institutionenökonomik (2003), S. 512 ff. 166 Frey, Internationale Politische Ökonomie (1985), S. 18 ff.; Broll / Gilroy, Außenwirtschaftstheorie (1989), S. 43 ff., 190 ff.; Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 253 ff.; McGinnis / Movsesian, Harv. L. Rev. 114 (2000), S. 512 ff. (521 ff.) 167 Das Argument der Einnahmesteigerung lässt sich, anders als die meisten anderen Forschungsergebnisse der Politischen Ökonomie, übrigens auch auf nichtdemokratische Staaten übertragen, da dort die Gewinnabschöpfung für politischen Eliten – ähnlich der Situation des Merkantilismus im 18. Jahrhundert – ein bestimmendes Moment der Politik darstellt. 168 Exemplarisch seien Beise / Oppermann / Sander, Grauzonen im Welthandel (1998), S. 18 zitiert, die protektionistische Bestrebungen deshalb als eine „relativ willkürliche, undurchsichtige und obendrein kostspielige Form des politischen Umverteilungskampfes“ bezeichnen; es handle sich um ein „Symptom unserer unzureichenden Fähigkeit, mit den Herausforderungen der Industriegesellschaft und Weltwirtschaft von morgen fertig zu werden“. 169 Vgl. etwa die theoretische Analyse bei Lorz, Standortwettbewerb bei internationaler Kapitalmobilität (1997), S. 273 ff. Siehe dazu auch Ludwig, Globalisierung der Märkte (1998), S. 236 ff.; Hilpert, Streit um die Weltwirtschaftsordnung (2002), S. 233. 9*

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Von der opt-out-Möglichkeit der Unternehmer und Kapitalbesitzer verspricht man sich einen heilsamen Effekt auf diese ineffizienten Prozesse:170 Es entwickle sich ein Gegengewicht zur innerstaatlichen Interessenpolitik, indem durch Abwanderungsbewegungen und damit verbundenen Wohlstandseinbußen die wirtschaftlichen Kosten der politischen Entscheidungen unmittelbarer deutlich gemacht würden. Die Informationsasymmetrien würden dadurch beseitigt, so dass eine rationalere und effizientere Wirtschaftspolitik möglich werde.171 Außerdem gebe es auch eine evolutorische Komponente des Systemwettbewerbs, die langfristige wirtschaftliche Vorteile zur Folge habe: Parallel zu den auf Hayek zurückgehenden Überlegungen bei allgemeinen Märkten könne auch die Konkurrenz zwischen verschiedenen Systemen als Entdeckungsverfahren verstanden werden.172 Im institutionellen Wettbewerb könnten neue Konzepte entwickelt, durch die direkte Konkurrenzsituation zu anderen Ordnungsmodellen aber auch falsifiziert werden. Somit werde ein Prozess der Wissensgenerierung ermöglicht, der alle beteiligten Systeme verbessere und damit zu einem langfristigen Wohlstandszuwachs führe.173 Durch den Systemwettbewerb komme es also zu Produktivitäts- und Wohlstandssteigerungen in allen Staaten, was eine höhere Entlohnung des Faktors Arbeit ermögliche und auch den finanziellen Spielraum für soziale Maßnahmen vergrößere. Somit führt nach dieser Ansicht der Wettbewerb der Systeme zu steigenden Sozialstandards.

bb) Effizienz als problematischer Maßstab An dieser Stelle kann kein Urteil über das „richtige“ Kräfteverhältnis im politischen Prozess, insbesondere bezogen auf die Arbeitsbeziehungen, gefällt werden.174 Das zentrale Problem an der von ökonomischer Seite vertretenen Position 170 Vgl. etwa Sinn, Const. Pol. Econ. 3 (1992), S. 177 ff.; Siebert, Disziplinierung der nationalen Wirtschaftspolitik (1998). Auch Rieger und Leibfried begrüßen, dass die Träger von Kapital durch das Nebeneinander von Weltwirtschaft und geschlossenen Nationalstaaten ein „glaubhaftes territoriales exit“ haben und befürchten, dass durch eine internationale Regelung dieses Problems ein „bürokratisches Gehäuse der Hörigkeit mit globalen Dimensionen“ geschaffen werden könnte. Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 73. 171 Siehe dazu auch Wolffgang / Feuerhake, Internationale Sozialordnung (2000), S. 176 ff. Skeptisch zu diesem Mechanismus Berthold, Arbeitslosigkeit, Subsidiarität und institutioneller Wettbewerb (1995), S. 272 ff. 172 Siebert, Paradigma des Standortwettbewerbs (2000), S. 42; Kerber, Standortwettbewerb und Ordnungspolitik (2001), S. 89 f. 173 Vgl. Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 266 ff.; ders. / Märkt / Schick, Internationaler Steuerwettbewerb (2000), S. 155 ff. 174 Zu bedenken ist allerdings das reduzierte Verständnis von Interessengruppen, das der optimistischen Sichtweise zugrunde liegt. Auch Gewerkschaften zählen zu Interessengruppen, deren Ziele nicht a priori als illegitim bezeichnet werden können, da sie einen Teil des

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ist aber auch nicht eine vielleicht einseitige Wahrnehmung von Machtasymmetrien, sondern die ausschließliche Orientierung an Effizienzgesichtspunkten. Der Vorteil des Systemwettbewerbs wird ja gerade darin gesehen, dass ineffiziente innerstaatliche Politikentscheidungen unter Druck geraten, was folgende Formulierung anschaulich wiedergibt: „Der Sozialstaat ist bei voller Kapitalmobilität nur noch insoweit dauerhaft tragbar, als er Produktivitätsfortschritte auslöst, welche die mit einem Sozialstaat nahezu zwangsläufig einhergehenden Kostensteigerungen zumindest ausgleichen, wenn nicht überkompensieren.“175

Was bedeutet dies aber für nationale Sozialstandards? Sicherlich falsch ist die teilweise geäußerte Befürchtung, die Mobilität der Produktionsfaktoren führe zu einer Abwanderung der „gesamten Produktion“ in das Land mit den jeweils niedrigsten Standards176. Im Systemwettbewerb ist allerdings konsequenterweise zu erwarten, dass sich nur diejenigen Standards behaupten können, die ökonomisch effizient sind, deren volkswirtschaftlicher Nutzen also die Kosten überwiegt. Um das Schicksal nationaler Sozialstandards einschätzen zu können, müssen sie also auf ihre jeweilige Effizienz untersucht werden. (1) Theoretische Überlegungen Bis vor wenigen Jahren gab es zwar nur sporadische Untersuchungen zu den ökonomischen Kosten von Sozialstandards wie etwa die Pionierarbeit Göte Hanssons aus dem Jahre 1981177. Noch 1996 stellte eine erste umfassende Studie der gewachsenen Kräftespiels im Bereich der Arbeitsbeziehungen darstellen. Die einseitige optout-Möglichkeit der Unternehmerseite führt jedoch zu einer umfassenden Neuausrichtung des Machtverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern: Den Unternehmen werden neue exit-Möglichkeiten verschafft, dementsprechend steigt das Gewicht ihres politischen Widerspruchs (voice). Die Konsensfindungsbereitschaft der Unternehmensseite nimmt also ab, was zu einem Rückgang des politischen Einflusses und der wirtschaftlichen Stärke der international substituierbaren Arbeitnehmer führt; Langille, General Reflexions (1996), S. 237 f.; Hirst / Thompson, Globalisierung? (1998), S. 93. Entscheidend ist dabei weniger eine generelle Verringerung der Nachfrage nach Arbeit, sondern die größere Nachfrageelastizität; so insbesondere Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 26 ff. sowie Fuest, Sozialstaat (2000), S. 68; Trabold (2000), S. 24. Für diese Verschiebung der Verhandlungsmacht gibt es einige empirische Belege: Beispielsweise ergab eine Umfrage unter US-amerikanischen Gewerkschaftsfunktionären, dass die Hälfte aller Firmen Forderungen der Arbeitnehmerseite mit der Drohung zurückgewiesen hatten, die Produktion ins Ausland zu verlagern, und dass diese Drohungen der Hauptgrund für Zugeständnisse der Gewerkschaften waren; siehe die Nachweise bei Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 71. Die sinkende Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite wird selbst von überzeugten Freihändlern wie Jagdish Bhagwati eingeräumt, vgl. die Angaben bei Scherrer, WSI-Mitteilungen 11 / 1995, S. 712 ff. (719). Skeptisch dazu allerdings Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates (1998), S. 126 f. 175 Fehn, Globalisierung (2001), S. 139. Nach Ansicht dieses Autors ist dies für die „aufgeblähte Umverteilungsmaschinerie“ in Deutschland keineswegs der Fall, ebd. 176 So etwa Neyer, Spiel ohne Grenzen (1996), S. 100 f. 177 Hansson, Social Clauses and International Trade (1981).

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OECD fest: „Economic research in this area is practically non-existent.“178 Inzwischen gibt es jedoch eine wahre Flut von Arbeiten zu diesem Thema,179 unter denen sich die genannte OECD-Studie in aktualisierter Fassung aus dem Jahre 2000180 durch ihre Fülle an empirischem Datenmaterial besonders hervortut. Allerdings sind diese Untersuchungen, wie bereits angesprochen,181 in der Regel auf Kernarbeitsrechte beschränkt. In der OECD-Studie wird in weiten Teilen wegen der Schwierigkeit der Datenerlangung sogar allein auf die Gewährleistung von Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen abgestellt.182 Nach diesen Studien können die ökonomischen Auswirkungen der Kernarbeitsrechte nicht einheitlich beurteilt werden. Manche Standards hätten effizienzsteigernde Wirkungen, da durch sie bestimmte Fälle von Marktversagen behoben werden könnten183 – so führe etwa das Verbot von Zwangsarbeit dazu, den Betroffenen produktivere Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen,184 und Gewerkschaftsrechte könnten zu einer effizienteren Gestaltung der Arbeitsabläufe führen, indem Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben würde, ihr produktionsnahes Wissen einzubringen185. Allerdings könnten sie auch produktivitätssenkende Wirkungen aufweisen, etwa im Fall der Tarifvertragsfreiheit, die zu überhöhten Löhnen führen könne186. Die Komplexität der Frage nimmt zu, wenn bei der Berechnung der ökonomischen Effizienz bestimmter Sozialstandards neben der unmittelbare Wirkung auch die mittelbaren Folgen berücksichtigt werden.187 Manche Sozialstandards, etwa Versicherungsleistungen, können als Lohnersatz verstanden werden, so dass die Vergütung entsprechend niedriger ausfallen kann.188 Oftmals können die Kosten für bestimmte Standards auch durch Einsparungen an anderer Stelle wieder ausOECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 77. Vgl. etwa für die Zeit bis zum Jahre 2000 den Literaturüberblick in OECD, Survey On the Recent Literature (2000). Für aktuellere Literatur siehe die Nachweise bei Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 39 ff. 180 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000). 181 Siehe oben unter § 10. 182 Vgl. OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 12. 183 Wegen ihrer Wirkung als Korrektiv von Marktversagen lassen sich Sozialstandards also zu einem bestimmten Umfang als positive externe Effekte verstehen, vgl. dazu Stichwort „Externe Effekte“ in Handwörterbuch Wirtschaftswissenschaft (1980), S. 524 ff. Allgemein zum „Referenzmaßstab“ des Marktversagens im Zusammenhang mit Sozialstandards Hilpert, Streit um die Weltwirtschaftsordnung (2002), S. 13 ff. 184 OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 80 f. Allgemein dazu auch Marshall, Importance of International Labor Standards (1994), S. 68 ff. 185 Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 42; Charny, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 281 ff. (291 ff.). 186 OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 81 f. 187 So auch Adlung / Langhammer / Klemmer / Hüther, ZfW 46 / 2 (1997), S. 167 ff. (202 f.). 188 Charny, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 281 ff. (286 f.). 178 179

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geglichen werden – so können bessere Arbeitsplatzsicherheitsvorschriften die Anzahl der Unfälle und damit die Krankheits- und Ausfallkosten senken, die Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen von Gewerkschaftsrechte können zu größerer Zufriedenheit und damit Arbeitseffizienz führen usw.189 Außerdem muss man sich, wie die Überlegungen im Zusammenhang mit der Neuen Außenhandelstheorie bereits gezeigt haben, von einer statischen Vorstellung des Zusammenhangs zwischen Sozialstandards und Effizienz lösen:190 Sozialstandards können Auswirkungen auf die Kapitalbildung, technische Entwicklungen und Humankapitalbildung in der Zukunft haben – als Beispiel können hier das Verbot von Kinderarbeit oder die Einführung eines Mindestlohns genannt werden191. Umgekehrt können dann aber Vorschriften zum Kündigungsschutz oder Tarifvertragsregelungen die Innovationsfähigkeit auch senken192. (2) Empirische Untersuchungen Diese Komplexität der zu berücksichtigenden Faktoren, ihre Rückkoppelungen und schwer zu prognostizierenden Folgewirkungen führen manche Autoren dazu, den Versuch der Kostenabschätzung einzelner Standards als unmöglich zu erklären193. Dann bleibt nur noch der Versuch, durch die Heranziehung von empirischen Untersuchungen Klarheit über die Effizienz von Sozialstandards zu gewinnen. Aussagekräftig könnten hierbei insbesondere die langfristigen internationalen Kapitalbewegungen sein, da sie unternehmerische Einschätzungen der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter nationaler Rahmenordnungen widerspiegeln. Heranzuziehen sind aber auch Daten zum langfristigen wirtschaftlichen Erfolg von Staaten, in denen sich ein effizientes Sozialsystem niederschlagen könnte. Die OECD-Studie verweist darauf, dass der Großteil der ausländischen Direktinvestitionen in Staaten mit hochqualifizierten Arbeitern und hohen Standards fließt, was beweise, dass eine Absenkung der Standards ein Land nicht zum Kapitalmagneten mache.194 Auch zeigten Länder, die die Kernarbeitsrechte nicht einhielten, keine bessere Handelsentwicklung als andere.195 Danach wären also hohe Standards nicht ineffizienter als niedrige. 189 Vgl. Adlung / Langhammer / Klemmer / Hüther, ZfW 46 / 2 (1997), S. 167 ff. (202 f.); Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 42. 190 So insbesondere Charny, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 281 ff. (288 ff.). 191 Vgl. Scherrer, WSI-Mitteilungen 11 / 1995, S. 712 ff. (715 f.); ders. / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 63 f.; Charny, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 281 ff. (288 ff.). 192 Vgl. Leibfried / Rieger, ZeS-Arbeitspapier Nr. 15 / 1995, S. 5 ff. (5); Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 79 f. 193 So etwa Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 182. Zu den verschiedenen Klassifizierungsversuchen von Sozialstandards in der Literatur vgl. auch Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 20 f. 194 OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 34 f. 195 OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 88 ff.

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Gegen dieses einfache Argument gibt es jedoch verschiedene Einwände: Erstens beschränkt sich die Studie in ihren Untersuchungen auf die Auswirkungen bestimmter Kernarbeitsrechte. Bei Einbeziehung einer größeren Bandbreite an Sozialstandards ergibt sich ein anderes Bild: Eine Studie von 1998 belegt, dass das Anheben der Sozialstandards im Bereich der Arbeitszeitregelungen und des Mindestlohns über ein bestimmtes Niveau hinaus exportmindernd wirkt, und eine Studie aus dem Jahre 1999 zeigt, wie der Importanteil von Gütern aus politisch freien Entwicklungsländern (die meistens auch ein höheres Niveau von Sozialstandards aufweisen) zwischen 1989 und 1998 20 Prozentpunkte zugunsten des Anteils von politisch unfreien Entwicklungsländern verlor.196 Zweitens haben die Überlegungen der Neuen Außenhandelstheorie gezeigt, dass neben reinen Arbeitskosten auch weitere Faktoren für Investitionen ausschlaggebend sind. So kann die Attraktivität vieler Industrieländer für ausländisches Kapital mit der dort gegebenen größeren politischen Stabilität, der besseren Infrastruktur oder Skalenvorteilen erklärt werden.197 Welche Attraktivität Staaten mit niedrigen Sozialstandards haben könnten, wenn diese Faktoren erfüllt wären, lässt sich am Beispiel Chinas, das als einziges Nicht-OECD-Land einen großen Anteil der ausländischen Direktinvestitionen empfangen konnte,198 allenfalls erahnen. Jedenfalls kann festgestellt werden, dass Länder wie China, Indonesien und Malaysia, in denen auch relativ gesehen – also verglichen mit anderen Staaten mit einem ähnlichen Entwicklungsstand – niedrige Standards herrschen, anderen Schwellenländern Marktanteile abgenommen haben199. Weniger von Seiten der Entwicklungsländer mit ihren extrem niedrigen Arbeitskosten, aber auch mit generell niedrigem technischen Wissen und geringer Produktivität, könnte also ein Druck auf die Sozialstandards der Industrienationen zu erwarten sein, sondern von den ähnlich qualifizierten, mit ähnlichen Produkten direkt konkurrierenden Ländern der OECD-Welt. Die Zahlen der Investitionsströme in Industrieländer sind jedoch nicht eindeutig: Deutschland mit seinen sehr hohen Sozialstandards beispielsweise hatte zwar bis zum Jahr 1999 eine durchgehend negative Bilanz internationaler Direktinvestitionen, dies kehrte sich aber im Jahr 2000 schlagartig um.200 Im selben Zeitraum sanken die ausländischen Direktinves196 Vgl. die Diskussion in OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 33; dies., Policy Brief (2000), S. 3. Ähnliche Aussagen lassen sich aus Fallstudien etwa zur Teppichherstellung und dem Abwandern vieler Textilhersteller aus Sri Lanka nach Vietnam oder Myanmar ablesen, siehe dazu beispielsweise Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 72 f.; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 152. Kritisch zur OECD-Studie von 1996 auch Taylor, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 639 ff. (658 ff.). 197 Vgl. Koch, Relativer Wohlstand der Nationen (2000), S. 178 ff. Siehe auch Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 80. Das bedeutet also, dass Agglomerationseffekte die Faktorpreiseffekte überlagern können, vgl. Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (327). 198 Siehe oben unter § 11 I.2.c). Vgl. dazu auch OECD, International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 13 f., 34 f. 199 Vgl. die Angaben bei Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 76.; UNCTAD, World Investment Report 2003, S. 40 ff.

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titionen in die USA und nach Frankreich leicht, während etwa Kanada und Spanien jeweils mehr als doppelt so viele Investitionen anziehen konnten wie im Vorjahr.201 Keine eindeutigen Aussagen liefern auch die empirischen Untersuchungen zu föderalen oder quasi-föderalen Systemen, in denen ein Wettbewerb der Gliedstaaten untereinander existiert202: Zwar gibt es einige Belege dafür, dass der Wettbewerb zwischen den amerikanischen Bundesstaaten zu relativ niedrigen sozialen Standards geführt hat.203 Auch hat eine umfangreiche Untersuchung204 zum Zusammenhang zwischen dem Niveau an sozialer Regulierung und dem wirtschaftlichen Erfolg der EU-Staaten ergeben, dass deren wohlfahrtsstaatliche Regelungen nur dann überlebensfähig sind, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Ein eindeutiger Bezug zu bestimmten Sozialstandards oder einem bestimmten Niveau an sozialer Regulierung konnte aber auch hier nicht festgestellt werden.205 Allerdings zeigen Vergleiche demokratischer Staaten, dass im Durchschnitt das Niveau an Sozialstaatlichkeit mit steigender föderaler Struktur eines Staates sinkt,206 doch daraus eine kausale Beziehung abzuleiten, wäre wohl problematisch.

200 Siehe das Schaubild bei Klodt, Internationale Direktinvestitionen und Standortwettbewerb (2001), S. 81. Dieser einmalige Sprung hängt aber eng mit einem Einzelereignis zusammen, nämlich der Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone, ebd. S. 82. 201 Siehe die Daten bei UNCTAD, Handbook of Statistics (2001), S. 242 f. Dass bei Industrieländern der Zusammenhang weniger eindeutig ausfällt als bei Entwicklungsländern liegt wohl an der unterschiedlichen Bedeutung derjenigen Rahmenbedingungen, die über die reinen Arbeitskosten hinausgehen. Je ähnlicher die Faktorausstattung ist und je stärker der Markterfolg auf nur einem Faktor beruht, desto direkter setzt das Unterbieten durch einen Konkurrenten die eigenen Standards unter Druck. Da Entwicklungsländer oft allein durch ihre Ausstattung mit billigen Arbeitskräften wettbewerbsfähig sind, ist hier die Wahrscheinlichkeit eines race to the bottom besonders groß; vgl. Scherrer, WSI-Mitteilungen 11 / 1995, S. 712 ff. (716); Wachtel, IPS 3 / 2000, S. 247 ff. (253); Wolffgang / Feuerhake, Internationale Sozialordnung (2000), S. 150. 202 Dies ist im deutschen Föderalismus mangels ausreichender sozialpolitischer Kompetenzen der Länder und Gemeinden nicht der Fall, vgl. etwa Münch, Sozialpolitik und Föderalismus (1997), S. 108 ff. Vorschläge, die auf die Einführung eines kompetitiven Föderalismus abzielen, werden in jüngster Zeit jedoch häufig gemacht, vgl. etwa Bauer, DÖV 2002, S. 837 ff.; Berthold, FAZ vom 18. 10. 2003, S. 13. 203 Siehe etwa Peterson / Rom, Welfare Magnets (1990); Pierson, Creeping Nationalization of Income Transfers (1995). Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang insbesondere der sogenannte Delaware-Effekt: Dem Recht dieses amerikanischen Bundesstaates mit seinen besonders günstigen Rahmenbedingungen für Unternehmen unterliegen inzwischen 40% der börsennotierten Gesellschaften. Außerdem entschieden sich in den vergangenen 25 Jahren 80% der umziehenden Gesellschaften für diesen Staat; vgl. die Darstellung in Müller, Systemwettbewerb, Harmonisierung und Wettbewerbsverzerrung (2000), S. 199 ff. m. w. N. 204 Scharpf / Schmidt (Hrsg.), Welfare and Works in the Open Economy (2000). 205 Scharpf / Schmidt, Conclusions (2000), S. 324. 206 Lijphart, Patterns of Democracy (1999), S. 282 ff., 293 ff.

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(3) Defizite einer reinen Effizienzorientierung Weder die theoretischen Überlegungen noch die empirischen Daten ergeben also eine klare Antwort auf die Frage, welche konkreten Sozialstandards als effizient eingeschätzt werden können. Dazu ist die Anzahl an Einflussfaktoren zu groß und der Wirkungszusammenhang zu komplex. Auch wenn bestimmte Sozialstandards mit größerer Wahrscheinlichkeit unter Druck geraten als andere,207 scheint es für das konkrete Schicksal einer nationalen Regelung auf die jeweiligen Umstände anzukommen. Entscheidend ist also beispielsweise, welchen Entwicklungsstand das Land hat, welche wirtschaftliche Strategie verfolgt wird, wie sich die Regelung in das wirtschaftliche System einpasst oder welche Wechselwirkungen mit anderen nationalen Standards zu erwarten sind208. Trotz dieser Pfadabhängigkeit ist jedoch festzustellen, dass die jeweils ineffizienten Standards einem hohen Druck ausgesetzt sind, wenn das Land wettbewerbsfähig bleiben soll. Durch den Systemwettbewerb entsteht also ein äußerer Zwang, die Effizienz der jeweiligen Sozialordnung zu verbessern. Effizientere staatliche Sozialordnungen sind zwar zunächst einmal durchaus erstrebenswert, denn mit den gleichen finanziellen Mitteln kann dann ein höheres Niveau sozialer Standards erreicht werden. Die durch den Systemwettbewerb erzwungene ausschließliche Ausrichtung staatlicher Sozialpolitik an Effizienzgesichtspunkten ist jedoch problematisch: Im sozialen Bereich nehmen Politikziele, die nicht aus dem Effizienzkriterium abgeleitet werden können, sondern einer eigenen Systemrationalität folgen, eine zentrale Rolle ein. Insbesondere das Ziel einer gerechten Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands ist ein Kernelement staatlicher Sozialpolitik,209 das mit Effizienzgesichtspunkten grundsätzlich im Widerspruch steht, weil dadurch die Leistungsanreize der Marktteilnehmer reduziert werden können. Gerechtigkeitserwägungen hätten demnach in einer durch den Systemwettbewerb geformten Sozialordnung keinen Platz. Hier zeigen sich Parallelen 210 zwischen den Auswirkungen des Systemwettbewerbs und den Forderungen einer ökonomischen Theorie des Sozialstaates211: 207 Es spricht z. B. viel dafür, dass soziale Standards mit einem hohen Maß an sozialer Umverteilung besonders stark gefährdet sind, Charny, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 281 ff. (294 f.). Zu dieser Unterscheidung vgl. auch Trabold, APuZ 48 / 2000, S. 23 ff. (24); Kube, Der Staat 41 (2002), S. 452 ff. 208 Vgl. etwa Hilpert, Streit um die Weltwirtschaftsordnung (2002), S. 27 ff. 209 Vgl. dazu die umfangreichen Untersuchungen bei Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 41 ff., wonach Sozialpolitik auf die Schaffung von Gerechtigkeit und Sicherheit gerichtet ist. 210 Ähnlich die Einschätzung bei Heinze / Strünk, Politisches Projekt (2000), S. 494: „Im Schatten der Globalisierungs-Diskussion wird eine tradierte Debatte um die Funktion von Sozialpolitik wieder aufgenommen, nämlich die These vom ,wirtschaftlichen Wert der Sozialpolitik’.“

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Auch dieser auf das Menschenbild eines homo oeconomicus aufbauende, der Maximierung des volkswirtschaftlichen Gesamtnutzens212 verpflichtete Ansatz versteht ökonomische Effizienz als alleiniges Ziel staatlicher Sozialordnungen. Eine solche ökonomische Herangehensweise übersieht jedoch, dass die Erreichung des größtmöglichen wirtschaftlichen Wohlstands nur ein Politikziel unter vielen darstellt. Die Abwägung zwischen diesen Zielen, also die Entscheidung eines Volkes, ob lediglich effiziente soziale Regelungen aufgestellt werden sollen, oder ob – aus welchen Gründen auch immer – daneben auch ineffiziente Standards beibehalten werden, ist eine originär politische Aufgabe.213 Die Entscheidung für die absolute Priorität von Effizienzgesichtspunkten darf deshalb nicht mittels äußeren Drucks – gewissermaßen durch die Hintertür der wirtschaftlichen Öffnung – erzwungen werden.214 Allerdings zeigen Überlegungen im Rahmen der ökonomischen Theorie des Sozialstaats, dass viele Elemente gerechtigkeitsfördernder Sozialpolitik auch aus einem rein effizienzorientierten Ansatz ableitbar sind. Hintergrund ist die Einsicht, dass etwa die Absicherung grundlegender Lebensrisiken und eine gewisse soziale Umverteilung der Maximierung des volkswirtschaftlichen Gesamtnutzens dienen können. Parallel zu den soeben angestellten Analysen, die die Effizienz bestimmter Sozialstandards betrafen, wird etwa darauf hingewiesen, dass Sozialpolitik die Humankapitalbildung fördern, den wirtschaftlichen Strukturwandel absichern, „weiche“ Wachstumsfaktoren unterstützen und generell den sozialen Frieden festigen könne215. Dennoch bleibt der Umfang einer rein ökonomisch begründeten Sozialordnung unbefriedigend, denn wichtige Elemente einer auf Gerechtigkeit ausgerichteten Sozialpolitik können aus dieser Perspektive nicht begründet werden. Beispielswei211 Dazu grundlegend Liefmann-Keil, Ökonomische Theorie der Sozialpolitik (1961); außerdem Knappe, Einkommensverteilung in der Demokratie (1980); Tullock, Economics of Income Redistribution (1984); Berthold, Jb. Soz.wiss. 42 (1991), S. 145 ff.; Knappe / Berthold (Hrsg.), Ökonomische Theorie der Sozialpolitik (1998); Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 185 ff. m. w. N. 212 In der neueren Wohlfahrtsökonomik orientiert sich die Nutzenmessung am Paretooder Kaldor-Hicks-Kriterium, vgl. dazu nur das Stichwort „Wohlfahrtsökonomik“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 4, S. 3548 ff. sowie anschaulich Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1998), S. 47 ff. 213 So auch Bogdandy, KJ 2001, S. 425 ff. (428 f.); Wahl, Der Staat 40 (2001), S. 45 ff. (68 f.). 214 Dieser Eindruck drängt sich jedoch bei manchen der ökonomischen Beiträge auf, etwa wenn bei Fehn, Globalisierung (2001), S. 140 der Prozess der Globalisierung „auf jeden Fall positiv“ eingeschätzt wird, „weil dadurch am ehesten der politische Reformstau durchbrochen wird und die unumgängliche Entschlackungskur für den dickleibig gewordenen Sozialstaat angegangen wird“. 215 Vgl. etwa Kleinhenz, Elend der Nationalökonomie (1989), S. 91 ff.; Haslinger, Sozialstaat als Standortfaktor? (2000), S. 194 ff.; Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 222 ff. Skeptisch zur Rolle des Staates bei diesem Mechanismus Voigt, ZIAS 1998, 53 ff. (57 f.).

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se steigert eine Umverteilung zugunsten von Personen, die von Geburt an nicht arbeitsfähig sind – etwa Schwerbehinderte –, den wirtschaftlichen Gesamtnutzen nicht. Stattdessen wird langfristig der Gesamtnutzen reduziert, da die für eine solche Umverteilung aufgewendeten Mittel nicht für wirtschaftliche Investitionen zur Verfügung stehen.216 In einer bloß effizienzorientierten Sozialordnung wären diese Personen demnach auf private Almosen angewiesen oder müssten verhungern, denn die wirtschaftlichen Kosten zur Herstellung des sozialen Friedens, also zur Abwehr ihres gewalttätigen Widerstands,217 werden geringer sein als die Finanzierung eines lebenslangen Existenzminimums. Überlegenswert wäre, ob man auf dem Boden einer ökonomischen Theorie des Gesellschaftsvertrages solchen Konsequenzen entgehen könnte. Nach diesen Theoriemodellen werden grundlegende Verteilungsfragen aus dem allgemeinen politischen Verfahren herausgenommen und auf der vorgelagerten Ebene des Verfassungsvertrages angesiedelt.218 Auch in einer ökonomischen Theorie des Gesellschaftsvertrages besteht jedoch, um im Beispiel zu bleiben, kein Anreiz für eine ohne Behinderung geborene Person, soziale Umverteilungsmaßnahmen auch Menschen zugute kommen zu lassen, die von Geburt an arbeitsunfähig sind.219 Keinen Ausweg bietet auch der Rawls’sche Ansatz, die Kenntnis der anfänglichen Arbeitsfähigkeit durch einen „Schleier des Nichtwissens“ zu beseitigen220. Auf dieser Grundlage lässt sich zwar ein relativ hohes Maß an Umverteilung auch für arbeitsunfähige Personen begründen. Der Ansatz kommt jedoch nicht ohne gerechtigkeitsorientierte Prämissen aus221 und verlässt damit den Boden der ökonomischen 216 Wenig überzeugend sind die Versuche, solche Transfers als „Kompensationen von Folgeexternalitäten“ zu begreifen, also etwa zur Entschädigung der Familie oder zur Verhinderung einer Kettenreaktion, die letztlich auch Nichtbehinderten eine soziale Absicherung entziehen würde. Vgl. dazu nur Volkert, Sozialstaat aus vertragstheoretischer Perspektive (2000), S. 23 ff. 217 Man könnte zwar argumentieren, dass bei einer solchen Politik der soziale Frieden auch durch die Reaktionen Dritter gefährdet sein könnte, was die Unterstützung der Arbeitsunfähigen zur kostengünstigeren Alternative werden lassen könnte. Dann würde sich die Sozialordnung jedoch gegenüber altruistischen Präferenzen der Bürger öffnen und würde die Probleme einer (auch) gerechtigkeitsorientierten Ordnung teilen: Beide enthielten im Ergebnis ineffiziente Elemente, die im Wettbewerb der Systeme keinen Bestand haben könnten. 218 Als Hauptvertreter gilt Buchanan; vgl. ders. / Tullock, Calculus of Consent (1962), S. 93 ff.; ders., Political Economy of the Welfare State (1988); ders., Grenzen der Freiheit (1994), S. 33 ff.; 79 ff. Vgl. dazu auch Bund, Ökonomische Theorie der Verfassung (1984); Külp, Verteilung (1994), S. 228 ff.; Petersen, Individuelle Freiheit (1996); Volkert, Sozialstaat aus vertragstheoretischer Perspektive (2000). 219 Anders Volkert, Sozialstaat aus vertragstheoretischer Perspektive (2000), S. 25 ff., der eine „bescheidene Mindestunterstützung“ (ebd., S. 27) für Arbeitsunfähige auch ohne altruistische Motive für begründbar hält. 220 Vgl. Rawls, Theorie der Gerechtigkeit (1975), S. 159 ff.; Rawls, Idee des politischen Liberalismus (1992), S. 124 ff., 270 ff. 221 Das erkennt auch Rawls in Idee des politischen Liberalismus (1992), S. 274 und Gerechtigkeit als Fairness (2003), S. 41 ff., 139 ff. selbst an.

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Theorie. Außerdem könnte eine solche Ordnung im Systemwettbewerb nicht bestehen: Konkurrierende Sozialordnungen, die auf der Grundlage vollständiger Informationen bezüglich der Leistungsfähigkeit ihrer Bürger erstellt würden, wären deutlich effizienter. Die ökonomische Theorie des Sozialstaates greift also zu kurz. Sie reduziert den Bürger auf einen homo oeconomicus und den Staat auf eine Plattform für wirtschaftliches Tätigwerden. Indem ökonomische Effizienz als einzig legitimes Ziel verstanden wird, wird die zentrale Bedeutung von politischen Werten übersehen, die über die Schaffung einer allein wirtschaftlich prosperierenden gesellschaftlichen Ordnung hinausgehen. Dieses Defizit überträgt sich auch auf die hier untersuchte Fragestellung der Auswirkungen eines Systemwettbewerbs. Der Effizienzdruck der wirtschaftlichen Globalisierung führt somit zu einer problematischen Verengung der sozialpolitischen Gestaltungsfreiheit der Staaten. Eventuelle innerstaatliche Defizite des politischen Entscheidungsprozesses, die keinen Bezug zu grenzüberschreitenden Fragen haben, sollten auch innerstaatlich angegangen werden, statt den jeweiligen Staat einem Wettbewerb auszusetzen, der massive Einschränkungen seiner politischen Optionen mit sich bringt.222

cc) Spill over-Effekte undemokratischer Regime Eine zusätzliche Problemstellung ergibt sich aus der Tatsache, dass nicht nur demokratische Staaten miteinander konkurrieren. Die Argumentation der Politikökonomie, die einen heilsamen Effekt auf innerstaatliche Defizite prognostiziert, geht von einer Abwahlmöglichkeit aus, wenn die jeweilige Regierung wirtschaftspolitische Entscheidungen trifft, die nicht den Präferenzen der Bevölkerung eines Staates entsprechen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, sind Fälle denkbar, in 222 Die dargestellte, unter Ökonomen verbreitete Position ist möglicherweise ein Hinweis unter vielen auf das Entstehen einer grundlegenden Neuausrichtung von gesellschaftlicher Solidarität: Zahlreiche Stimmen weisen darauf hin, dass die wirtschaftliche Globalisierung durch die Auflösung abgegrenzter Räume und die Ermöglichung länderübergreifender „Trans-Border-Kulturen“ die klassische Deckungsgleichheit von Staat und Solidaritätsgemeinschaft auch gesellschaftlich in Frage stellt, vgl. nur Kaufmann, Herausforderungen des Sozialstaates (1997), S. 141 ff.; Beck, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung (1998), S. 50 f.; Habermas, Die postnationale Konstellation (1998), S. 114 ff.; Butterwegge, Neoliberalismus, Globalisierung und Sozialpolitik (1999), S. 37 ff. Offenbar können zahlreiche Indizien dafür gefunden werden, dass der Nationalstaat immer weniger als „umfassender Schicksalsraum“ oder als „gesellschaftlicher Horizont“ erfahren wird, vgl. Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 87, und durch diese soziale Desintegration wird eine allgemeine Entsolidarisierung wahrscheinlicher. Vgl. dazu allgemein auch Hochhuth, Staatsräson – Geldräson – Menschenräson (2002). Interessant auch Guéhenno, Territorial Communities (1998), S. 143 f., der darauf hinweist, dass in sog. „gated communities“ in den USA zunehmend die Finanzierung von öffentlichen Aufgaben, die innerhalb dieser abgegrenzten Wohngebiete auch privat erbracht werden können, in Frage gestellt wird.

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denen auch ökonomisch effiziente Standards unterschritten werden, um kurzfristige Vorteile zu erzielen: Diese Problematik stellt sich insbesondere bei dynamisch wirkenden Standards, deren Anhebung kurzfristig erhebliche Kosten mit sich bringen kann bzw. deren Senkung die Wettbewerbsposition eines Staates kurzfristig verbessern kann. In einem undemokratischen Staat kann dies dazu führen, dass beispielsweise auf langfristige Gesundheitsplanung, Ausbildung und soziale Absicherung verzichtet wird, um kurzfristig Marktanteile und damit Staatseinnahmen zu erlangen.223 Der Wettbewerb der Systeme kann dann aber auch für demokratische Staaten einen Anreiz schaffen, ebenfalls dieses niedrige Niveau an Sozialstandards einzuführen, um dem Risiko eines hohen Kapitalabflusses entgegenzuwirken.224 Dieser spill overEffekt der undemokratischen Systeme könnte also auch Sozialstandards, die langfristig effizient sind, unter wirtschaftlichen Druck setzen.225 dd) Finanzierungsprobleme durch Steuerwettbewerb Schließlich hat der Systemwettbewerb auch negative Auswirkungen auf eine effektive Besteuerung: Hat das mobile Kapital eine opt-out-Möglichkeit, besteht ein Anreiz der konkurrierenden Staaten, eine kapitalfreundlichere, niedrige Besteuerung dieses Faktors einzuführen, um das Abfließen zu verhindern. Da jedoch dasselbe Verhalten von den anderen Staaten zu erwarten ist, können die verschiedenen Steuersysteme gegeneinander ausgespielt werden, wodurch ein kontinuierliches Absinken des Steuersatzes auf Kapital hervorgerufen werden kann.226 Um das erreichte Niveau an sozialen Standards trotz Absinkens der staatlichen Steuereinnahmen aus Kapitaleinkünften zu halten, müssen die Staaten auf die Besteuerung von immobilen Faktoren ausweichen. Anders als das Kapital hat der 223 Die Wahl eines solch niedrigen Regelungsniveaus wird aus Kreisen der Wirtschaft oft als unterschiedliche Ausprägung von Präferenzen verharmlost. Vgl. beispielsweise Rollo / Winters, World Economy 23 (2000), S. 561 ff. (568): „Differences in taste (including the ability to bear or carry pollution, or to work in unpleasant conditions) provide a classical reason for international trade – those best able to cope should produce the dirty / unpleasant goods.“ Kritisch dazu auch Sunstein, Free Markets (1997), S. 5 f. 224 Vgl. dazu Marchlewitz, WSI-Mitteilungen 11 / 1997, S. 771 ff. (777 f.); Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 66 ff.; 77; McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (50). Allerdings besteht dann die Gefahr, langfristige Wachstumschancen einzubüßen. Welcher Anreiz überwiegt, ist daher wohl eine Frage des Einzelfalls. 225 Möglicherweise erklärt dieser Mechanismus auch die Existenz sogenannter „export processing zones“, in denen manche Länder unter Aussetzung ihrer nationalen Arbeitsgesetze ausschließlich für den Export produzieren, vgl. dazu oben 2. Teil, Fn. 221 sowie OECD, Trade, Employment and Labour Standards (1996), S. 114 ff.; dies., International Trade and Core Labour Standards (2000), S. 36; Brupbacher, Fundamentale Arbeitsnormen (2002), S. 39 ff. 226 Vgl. Marchlewitz, WSI-Mitteilungen 11 / 1997, S. 771 ff. (776 f.); Pfaller, IPS 2 / 2000, S. 160 ff.; Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 58.

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Faktor Arbeit aber aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen fast keine opt-outOptionen – somit geht die Steuerlast zur Finanzierung der sozialen Sicherung mit fortschreitender wirtschaftlicher Integration vom Kapital auf die Arbeit über.227 Doch ist die Belastbarkeit des Faktors Arbeit beschränkt, so dass die Mobilität von Kapital zu einer steigenden Notwendigkeit von Kompensation führt, aber gleichzeitig die dazu benötigten finanziellen Quellen versiegen lässt.228 Angesichts der Komplexität der Wechselwirkungen ist es nicht einfach, empirische Belege für diese aus einem Theoriemodell abgeleiteten Aussagen zu finden. Allerdings kann darauf verwiesen werden, dass in fast allen OECD-Staaten der Anteil des Steueraufkommens aus einkommensbezogenen Einkünften stark gestiegen ist, während der Anteil aus Kapitaleinkünften kontinuierlich zurückgeht.229 Auch die Steuerreformen in den 80er Jahren in den USA und Großbritannien, bei denen die steuerliche Belastung von Kapital reduziert wurde, werden als mögliche Auswirkung eines Steuerwettbewerbs behandelt.230 Außerdem ist bemerkenswert, dass in den OECD-Ländern, insbesondere in den besonders offenen skandinavischen Ländern, in den letzten Jahren trotz zunehmender wirtschaftlicher Liberalisierung die Regierungsausgaben zurückgingen.231

e) Zwischenergebnis Löst man sich von der überkommenen Vorstellung, Produktionsfaktoren seien immobil, sind bei wirtschaftlicher Öffnung eines Landes mit relativ hohen Sozialstandards verschiedene einschneidende Folgen zu erwarten: Erstens führt die insbesondere durch Kapitalmobilität zu erwartende Spezialisierung zu ähnlichen Folgen wie klassischer grenzüberschreitender Handel, nämlich zu Anpassungskosten und Verteilungswirkungen zuungunsten der Arbeitnehmer. Anders als dort sind jedoch steuerliche Probleme zu erwarten, wenn auf den von der Öffnung profitierenden Faktor Kapital zur Finanzierung einer Kompensation zurückgegriffen werden soll. Zweitens entsteht ein Systemwettbewerb, der entgegen optimistischer Einschätzungen vieler Ökonomen zu einem Druck insbesondere auf ökonomisch inef227 Langille, General Reflexions (1996), S. 257; Neyer, Spiel ohne Grenzen (1996), S. 103 ff.; Adlung / Langhammer / Klemmer / Hüther, ZfW 46 / 2 (1997), S. 167 ff. (210); Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 81; Müller / Kornmeier, Streitfall Globalisierung (2001), S. 216 ff.; Sinn, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 3 (2002), S. 391 ff. (401 f.). 228 So auch Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 184. 229 Vgl. das Schaubild bei Sinn, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 3 (2002), S. 391 ff. (396) und die Angaben bei Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates (1998), S. 133 ff.; Bernauer, Staaten im Weltmarkt (2000), S. 219. Für die Situation in Deutschland vgl. Fels / Kirchgässner / Savioz, Institutioneller Wettbewerb (1997), S. 17; Schäfer, Entmythologisierung der „Standort“-Debatte (1999), S. 65 ff. 230 Siehe etwa OECD, Harmful Tax Competition (1998), S. 20. 231 Vgl. Jordan, ZeS-Arbeitspapier Nr. 15 / 1995, S. 13 ff. (16 f.); Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 80 f.; Siegel, Baustelle Sozialpolitik (2002), S. 146 ff.

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fiziente Sozialstandards führt und deshalb die demokratischen Wahlmöglichkeiten der betroffenen Bevölkerungen im sozialen Bereich beschneidet. Somit erscheint es zutreffend, wenn Rodrik warnt, in einer zunehmend integrierten Weltwirtschaft entstehe ein „ernste[r] Konflikt zwischen Offenheit und Wahrung des sozialen Konsenses“232.

§ 12 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept? Von Seiten vieler Ökonomen wird die Position vertreten, die Herausforderungen durch eine globalisierte Wirtschaft seien allein durch innerstaatliche Reformen zu meistern.233 Eine Analyse der Auswirkungen der Globalisierung hat jedoch gezeigt, dass diese Vorgehensweise für eine dauerhafte Aufrechterhaltung des bestehenden Niveaus an sozialen Standards nicht ausreicht. Stattdessen erfordert die Öffnung der Grenzen für Güter und Kapital einen internationalen Ansatz, also eine Kooperation der einzelstaatlichen Politiken.234 Dann stellt sich die Frage, ob eine multilaterale Sozialklausel diesen Kooperationsbedarf befriedigen könnte, ob sie also ein geeignetes Mittel darstellt, den geschilderten Problemen entgegenzuwirken. Um eine zielgenaue Untersuchung zu ermöglichen, muss dabei zwischen den verschiedenen Mechanismen unterschieden werden, über die sich der Druck auf nationale Sozialstandards entfaltet. Eine solche differenzierte Analyse einer ökonomisch motivierten WTO-Sozialklausel ist in der Literatur, die weitgehend den ILO-Kernrechten verhaftet bleibt, bisher nicht unternommen worden.

I. Auswirkungen des Außenhandels Zunächst gilt es, die Tauglichkeit einer Sozialklausel zum Schutz nationaler Sozialstandards vor den Auswirkungen des grenzüberschreitenden Handels zu prüfen.

1. Anpassungskosten Die erste Ebene der handelsinduzierten Auswirkungen auf nationale Sozialstandards sind die Kosten wirtschaftlicher Anpassung, die durch einen Anstieg des Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 73. So etwa Rösner, Globaler Wettbewerb (1996), S. 185 ff.; Bürklin, APuZ 48 / 2000, S. 31 ff. (34 f.); Siebert, Paradigma des Standortwettbewerbs (2000), S. 44 ff.; Apolte, Substitutionalität (2001), S. 205 ff.; Fehn, Globalisierung (2001), S. 140. Vertreter dieser Position werden bei Leibfried, Nationale Wohlfahrtsstaaten (2001), S. 197 f. als „Internalisten“ bezeichnet. 234 So im Ergebnis auch BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 229 f. 232 233

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grenzüberschreitenden Handels verursacht werden. Dabei handelt es sich um vorübergehende Effekte, die beispielsweise zu niedrigen Löhnen oder Arbeitslosigkeit in denjenigen Branchen führen, die gegenüber der neuen ausländischen Konkurrenz nicht wettbewerbsfähig sind, bis die dort Beschäftigten in anderen Branchen untergekommen sind. Eine Sozialklausel, die konkrete Mindeststandards enthielte, ist ein ungeeignetes Lösungskonzept für diesen Problembereich: Nicht eine bestimmte Art von Sozialstandards ist bedroht, sondern allgemein die wirtschaftliche Lage bestimmter Branchen. Auch die Art dieser Branchen kann nicht abstrakt bestimmt werden, da je nach konkreter wirtschaftlicher Öffnung, relativer Faktorausstattung und wirtschaftlicher Entwicklung der beteiligten Staaten bestimmte fallabhängige Spezialisierungsanreize entstehen. Allgemein kann allenfalls prognostiziert werden, dass etwa Produktionsschritte mit einem hohen Aufwand an unqualifizierter Arbeit in den kapitalreichen Industrieländern einem recht hohen Druck ausgesetzt sein werden,235 doch auch dies führt nicht zu einem greifbaren materiellen Gehalt von Standards, die auf internationaler Ebene geschützt werden könnten. Es könnte aber überlegt werden, den Anpassungskosten dadurch entgegenzuwirken, dass die weitere wirtschaftliche Öffnung insgesamt verlangsamt oder gestoppt wird. Der Grad wirtschaftlicher Öffnung hängt erstens vom Stand der Liberalisierung im WTO-Recht ab, also vom rechtlichen Dürfen. Eine über den Status quo hinausgehende Liberalisierung im Rahmen der WTO steht jedoch vor hohen rechtlichen Hürden: Die Beschlussfassung bei Vertragsänderungen erfolgt grundsätzlich nach dem Konsensprinzip,236 und die listengebundenen tarifären Handelsbeschränkungen237 im Rahmen des GATT sowie die spezifischen Verpflichtungen238 im Rahmen des GATS können ohne Zustimmung des jeweiligen Landes nicht verändert werden239. Will ein Staat die weitere Liberalisierung des Welthandels verlangsamen oder verhindern, steht ihm dies also nach geltendem WTO-Recht offen.240 Zweitens hängt der Grad wirtschaftlicher Öffnung jedoch von den tatsächlichen Handelbeziehungen ab: Auch innerhalb der bereits bestehenden WTO-Regelungen ist in Zukunft eine weitere wirtschaftliche Vernetzung zu erwarten, denn die dort Vgl. oben unter § 11 II.1.c). Art. X WTO-Ü. 237 Zum Begriff vgl. oben unter § 5 II.2. 238 Zum Begriff siehe unten § 17 IV.2.b) cc). 239 Zwar betont Art. XXVIIIbis:1 GATT die Bedeutung von Zollsenkungen, aber eine diesbezügliche Verpflichtung der Vertragspartner erwächst aus dieser Bestimmung nicht, Senti, WTO (2000), S. 235. Zum Verfahren im Rahmen des GATS siehe unten § 17 IV.2.b) bb). 240 Dass von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht wird, zeigt etwa der Verlauf der Handelsliberalisierungen im Agrarbereich, in dem insbesondere EU-Staaten mit einer international nicht konkurrenzfähigen Landwirtschaft bisher eine weitere Öffnung verhindert haben. Siehe zum Verhalten der EU etwa Prieß / Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.2., Rn. 120 ff. und die aktuellen Angaben unter http: / / europa.eu.int / comm / trade / goods / agri / index_en.htm (01. 09. 2004). 235 236

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geschaffenen Möglichkeiten internationaler Arbeitsteilung sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Um zukünftige Anpassungskosten zu verhindern, müssten also bereits eingegangene Liberalisierungsverpflichtungen zurückgenommen werden. Auch dieses Vorgehen ist unter dem geltenden WTO-Recht möglich.241 Allerdings können dann im Gegenzug die anderen Vertragsparteien ebenfalls Zugeständnisse zurücknehmen.242 Jedoch wären mit einer Verhinderung der weiteren wirtschaftlichen Öffnung umfassende Wohlstandseinbußen verbunden, denn einem Staat, der auf diese Entwicklungsmöglichkeit verzichtet, entgehen die mit Freihandel und internationaler Arbeitsteilung langfristig verbundenen Spezialisierungsgewinne243. Deshalb ist es für einen Staat wohl günstiger, die weitere wirtschaftliche Öffnung nicht zu verweigern, sondern mit Übergangsregelungen abzufedern, um zielgenauer die Anpassungsprobleme anzugehen. So bieten sich etwa befristete Ausnahmeklauseln und Subventionen für besonders bedrohte Industriezweige an, und Sozialprogramme können die Umschulung der freigesetzten Arbeitskräfte unterstützen. Auch diese Übergangsregeln sind dem WTO-Recht nicht fremd. So ruft Art. XXVIIIbis:3a) GATT bei Zollverhandlungen dazu auf, „die Bedürfnisse einzelner Vertragsparteien und einzelner Wirtschaftszweige“ zu berücksichtigen. Dementsprechend sieht beispielsweise das Protokoll von Marrakesch zum GATT aus dem Jahre 1994244 in Punkt zwei eine stufenweise Senkung der vereinbarten Zollsenkungen vor. Ausnahmeklauseln und Übergangsregelungen finden sich beispielsweise in Art. XVIII:4a) GATT oder Art. 65 TRIPS. Eine befristete Beibehaltung von unzulässigen Subventionsprogrammen erlauben Art. 28 und 29 des Subventionsübereinkommens. Auch die bereits angesprochenen245 allgemeinen Ausnahmebestimmungen ermöglichen einen Schutz von Branchen, in denen besonders hohe Anpassungskosten entstehen. Die mit steigender wirtschaftlicher Öffnung verbundenen Anpassungskosten sind also keine tragfähige Grundlage für die Forderung nach einer Sozialklausel. Die Mittel, mit denen solche standardbedrohenden Kosten begrenzt oder vermieden werden können, sind im Welthandelsregime bereits vorhanden; einer Ergänzung bedarf es nicht. 241 Im GATT kann in Zeitabschnitten von je drei Jahren jede Vertragspartei die gewährten Zugeständnisse ändern oder zurücknehmen, Art. XXVIII:1 GATT. Beim Vorliegen „besonderer Umstände“ können sogar jederzeit Zugeständnisse zurückgenommen werden, Abs. 4; das gleiche gilt unter den Voraussetzungen der Ausnahmebestimmungen des Art. II:6 oder des Art. XIX GATT i.V. mit dem Schutzmaßnahmenübereinkommen (Agreement on Safeguards vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 184). Zu der Regelung des Art. XXI GATS siehe ausführlich unten § 17 IV.2.b) bb). 242 Vgl. Art. XXVIII:3a GATT und Art. XXI:2 GATS. 243 Vgl. oben § 11 II.1.a). 244 Marrakesh Protocol to the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 20. 245 Siehe oben unter § 8 II.3.a) cc).

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2. Verteilungswirkungen Die zweite Ebene der handelsinduzierten Auswirkungen auf nationale Sozialstandards geht auf die Verteilungswirkungen des Außenhandels zurück. Dabei handelt es sich nicht um vorübergehende Effekte, sondern um langfristige Auswirkungen für die Nachfrage nach bestimmten Produktionsfaktoren im Inland. Wie bereits dargestellt, können mit den Spezialisierungsgewinnen des grenzüberschreitenden Gütertausches die Verlierer grundsätzlich kompensiert werden.246 Im Rahmen der Untersuchung, welche Auswirkungen die Kapitalmobilität auf nationale Sozialordnungen hat, konnte aber gezeigt werden, dass die Erschließung ausreichender Besteuerungsgrundlagen für Umverteilungsmaßnahmen problematisch geworden ist.247 Diese Schwierigkeiten gelten auch für den Ausgleich handelsinduzierter Verteilungswirkungen: Die opt-out-Möglichkeit des Kapitals verhindert die Kompensation der Verlierer einer wirtschaftlichen Öffnung.

a) Reduzierung des Außenhandels? Die einfachste Vorgehensweise gegen dieses Problem wäre eine Reduzierung des Außenhandels. Dann würde weniger Bedarf nach Kompensation entstehen und die sozialen Standards bei den Verlierern einer wirtschaftlichen Öffnung wären nicht gefährdet. In der Tat wird diese Rückgängigmachung der wirtschaftlichen Globalisierung und die Rückkehr zu weitgehend autarker Wirtschaftsweise vereinzelt gefordert.248 Eine Reduzierung des Außenhandels würde die Zurücknahme von Liberalisierungsverpflichtungen im Rahmen des WTO-Rechts erfordern. Dass diese Möglichkeit rechtlich gegeben ist, wurde bereits erwähnt.249 Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob eine solche Vorgehensweise empfehlenswert wäre: Abgesehen davon, dass die wirtschaftliche Verflechtung in vielen Bereichen schon so weit fortgeschritten ist, dass eine Trennung in nationale Einheiten kaum noch möglich erscheint,250 handelt es sich dabei auch um eine rückwärtsgewandte Lösung, die für alle Beteiligten massive Wohlstandseinbußen mit sich bringen würde. Neben der Gefährdung zahlreicher Arbeitsplätze in den Industrienationen, deren Lohnniveau von dem bereits erreichten Grad internationaler Arbeitsteilung abhängt, ist auch der mit der Öffnung der Märkte verbundene Wohlstandsgewinn für Entwicklungsländer schützenswert – die globale Wirtschaft eröffnet den dort lebenden Menschen „MöglichVgl. oben § 11 II.1.d). Vgl. oben unter § 11 II.2.d) dd). 248 So etwa Afheldt, Wohlstand für niemand? (1996), S. 210 ff. Vgl. auch die Nachweise bei Neyer, Spiel ohne Grenzen (1996), S. 151 f. und Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 91 f. 249 Vgl. oben unter § 12 I.1. 250 Vgl. Rodrik, Grenzen der Globalisierung (2000), S. 89. 246 247

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keiten, von denen niemand in der ersten Welt wünschen sollte, sie nicht zugänglich zu machen“251. Eine Reduzierung des Außenhandels wäre also nur eine sogenannte second bestLösung252, die einen erheblichen wirtschaftlichen Rückschritt bedeuten und deshalb insgesamt eher zu einer allgemeinen Absenkung der sozialen Standards führen würde. b) Koordinierung der Steuersysteme? Als first best-Lösung kommt daher nicht eine Beschränkung des Handels, sondern vielmehr eine Kooperation im Bereich des Steuerrechts in Betracht. Ob dafür eine konsequente koordinierte Anwendung entweder des Quellenprinzips oder des Ansässigkeitsprinzips, eine Harmonisierung der Steuersätze auf Kapital oder eine Besteuerung des internationalen Kapitalverkehrs am geeignetsten wäre, soll an dieser Stelle nicht ausgeführt werden253. Zu fragen ist hier aber, ob die WTO einen geeigneten Ort für diese internationale Kooperation darstellt. Eine grundsätzliche Zuständigkeit für Steuerfragen kommt 251 Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), S. 93. Vgl. auch Bürklin, APuZ 48 / 2000, S. 31 ff. (34). 252 In Abgrenzung zur first best-Lösung versteht man darunter ein Vorgehen, das nicht pareto-optimal wäre, also zu einem Zustand führen würde, in dem die Wohlfahrt mindestens eines Individuums erhöht werden könnte, ohne diejenige eines anderen Individuums zu verringern, vgl. Stichwort „Pareto-Optimum“ in Gabler, Wirtschaftslexikon (2000), Bd. 3, S. 2353 f. sowie „Theorie des Zweitbesten“, ebd., Bd. 4, S. 3053. Handelshemmnisse werden in der ökonomischen Theorie in aller Regel nur als second best-Lösung zur Korrektur von Marktunvollkommenheiten angesehen, vgl. etwa Gerken, Freiheit und Freihandel (1999), S. 51 f.; Rose / Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft (1999), S. 548 f. 253 Die Debatte um eine angemessene Reaktion auf die Mobilität von Besteuerungsgrundlagen ist kein Kind der Globalisierung: Schon 1918 wurde in Deutschland ein „Gesetz gegen die Steuerflucht“ erlassen (RGBl. 1918 S. 951; vgl. dazu Kluge, Das internationale Steuerrecht [2000], S. 45). Seit 1972 wird insbesondere auf der Grundlage des Außensteuergesetzes (AStG; BGBl. 1972 I, S. 1713) gegen unzulässige Vorteile aus internationalen Steuervorteilen vorgegangen, vgl. dazu etwa Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen (1996), S. 263 ff. sowie allgemein zu den Rechtsquellen des internationalen Steuerrechts Beermann, Steuerharmonisierung (1995); Bächle / Rupp, Internationales Steuerrecht, (2002), S. 4 ff.; Jacobs (Hrsg), Internationale Unternehmensbesteuerung (2002). Zu den komplexen Fragestellungen der Doppelbesteuerungsabkommen siehe nur Bächle / Rupp, Internationales Steuerrecht, (2002), S. 20 ff.; Jütte, Internationales Steuerrecht (2002), S. 309 ff. Eine intensive Diskussion wird momentan über die Möglichkeit einer sog. Tobin-Tax geführt, eine internationale Steuer auf grenzüberschreitenden Kapitalverkehr, die in gewissem Umfang auf Vorschläge des Ökonomen James Tobin zurückgeht. Vgl. dazu etwa Buch / Heinrich / Pierdzioch, Globalisierung der Finanzmärkte (2001); Chesnais, Tobin or not Tobin (2001); Weber, WM 2001, S. 2338 ff.; Hessler, Friedens-Warte 77 (2002), S. 249 ff.; Wahl / Waldow, Tobin Steuer (2002). Ein Überblick über Politikkonzepte zum Umgang mit Steuerwettbewerb findet sich bei Gerken / Märkt / Schick, Internationaler Steuerwettbewerb (2000), S. 224 ff. Ausführlich zur Problematik Schenk, Effiziente Steuersysteme (2002); Brosius, Internationaler Steuerwettbewerb (2003).

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ihr bisher noch nicht zu.254 Anders als für den Fall des menschenrechtlichen Kernbereichs an Sozialstandards, dem zentralen Arbeitsfeld der ILO, gibt es für die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen allerdings momentan keine zuständige Internationale Organisation. Immerhin gab es aber verschiedene internationale Vorstöße zur Koordinierung des Steuerrechts: So legten beispielsweise die OECD und die UN Musterentwürfe für Doppelbesteuerungsabkommen vor.255 Auch Initiativen zum Vorgehen gegen „schädlichen“ Steuerwettbewerb sind auf internationaler Ebene zu finden, etwa im Rahmen der OECD und der EU.256 Die Frage ist also, ob das WTO-Recht um eine Zuständigkeit für diesen Problembereich erweitert werden sollte. Diese Frage weist einige Parallelen zum Problemkreis der Integration von sozialen Kernrechten auf, der im vorigen Teil untersucht wurde: Auch hier ließe sich die mit einer Ausweitung der sachlichen Zuständigkeit verbundene Überfrachtungsgefahr und der Mangel an Expertise in steuerrechtlichen Fragen anführen. Allerdings ist auch hier der wirtschaftliche Druck, der durch den bestehenden Sanktionsmechanismus ausgeübt werden könnte, eine geeignete Möglichkeit, die gemeinsamen Regeln konsequent gegen unwillige Staaten umzusetzen. Als Anknüpfungspunkt bieten sich die Subventionsbestimmungen des GATT und des GATS an, doch auch ein eigenständiges Zusatzabkommen erschiene für diesen Bereich geeignet. Mit einer Sozialklausel im hier verwendeten Sinne257 haben diese Überlegungen jedoch wenig gemeinsam. Zwar würde die Voraussetzung zur Beseitigung bestimmter negativer Folgen des Außenhandels für soziale Standards geschaffen. Eine Operationalisierung von bestimmten Sozialstandards mit dem Druckmittel der Handelsbeziehungen läge jedoch nicht vor. Auch wenn die mit einer wirtschaftlichen Öffnung verbundenen Verteilungswirkungen also Anlass zu einer international abgestimmten Vorgehensweise geben, für das die WTO ein mögliches Forum 254 Allenfalls im Rahmen der Subventionskontrolle sind auch steuerliche Maßnahmen Gegenstand des WTO-Rechts; vgl. etwa Art. 1.1 a) ii) des Subventionsübereinkommens und Schön, RIW 2004, S. 50 ff. (58 ff.). Wegen des bereits oben unter § 8 II.3.a) bb) geschilderten Spezifitätskriteriums unterfällt die hier interessierende absolute Höhe steuerlicher Belastungen eines bestimmten Faktors jedoch keinen WTO-Regelungen. Nur Ausnahmeregelungen vom allgemeinen Steuerniveau eines Staates, beispielsweise für bestimmte Arten von Auslandseinkommen, müssen den Bestimmungen der Subventionskontrolle genügen; so ausdrücklich der Appelate Body in der Sache United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Report vom 24. 02. 2000, WTO-Dok. Nr. WT / DS108 / AB / R, para 90. Anders aber Gross, RIW 2002, S. 46 ff., der unter der Annahme, zur Verhinderung eines schädlichen Steuerwettbewerbs müsse ein geregelter Steuerwettbewerb geschaffen werden, der Meinung ist, das Selektionsprinzip im Subventionsrecht diene der dazu notwendigen Unterscheidung zwischen schädlichem und nützlichem Steuerwettbewerb. 255 Vgl. dazu Bächle / Rupp, Internationales Steuerrecht, (2002), S. 5; Jütte, Internationales Steuerrecht (2002), S. 310 f. 256 Siehe etwa die Schlussfolgerungen des Rats „Wirtschafts- und Finanzpolitik“ (ECOFIN) zur Wirtschafts- und Finanzpolitik vom 01. 12. 1997, ABl. EG 1998 Nr. C 2 / 1, sowie OECD, Harmful Tax Competition (1998), Kapitel 3. 257 Vgl. oben unter § 4 III.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

wäre, sind sie kein tauglicher Ausgangspunkt für die Forderung nach einer Sozialklausel.

II. Auswirkungen der Kapitalmobilität Zweitens muss untersucht werden, ob eine Sozialklausel ein geeignetes Mittel zum Schutz nationaler Sozialstandards vor den Auswirkungen der internationalen Kapitalmobilität ist. 1. Kapitalverkehrskontrollen? Parallel zu den oben angestellten Überlegungen zur Reduzierung des Außenhandels könnte an dieser Stelle überlegt werden, den Kapitalverkehr zu beschränken. Neben einem Verbot bestimmter Formen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs könnte eine Beschränkung auch über eine allgemeine Verteuerung dieser Transaktionen erfolgen.258 Auch für diesen Sachbereich gab es in der Vergangenheit Regelungsversuche auf internationaler Ebene, die allerdings auf eine weitergehende Liberalisierung der grenzüberschreitenden Investitionen ausgerichtet waren. Besonders prominent war der 1998 gescheiterte Versuch der OECD, ein Multilateral Agreement on Investments (MAI) abzuschließen.259 Hervorzuheben ist auch das 1965 von der Weltbank gegründete Internationale Zentrum für die Schlichtung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), das privaten Investoren die Anrufung eines internationalen Schiedsgerichts ermöglicht.260 Im Rahmen der WTO besteht ein Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs)261, das sich jedoch nur auf die handelsbezogenen Auswirkungen der Fragestellung bezieht. Eine Regelung der Investitionen selbst ist dort nicht niedergelegt.262 258 Zur Diskussion über eine Tobin-Tax siehe die oben im 3. Teil, Fn. 253 aufgeführte Literatur. 259 Vgl. dazu Krajewski, Legitimation und demokratische Kontrolle (1999), S. 293 ff.; Wartha, Das Multilaterale Abkommen über Investitionen (2002); Nunnenkamp / Pant, Case for a Multilateral Agreement on Investment (2003); Stoll, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTOHb. (2003), B.I.6., Rn. 28 m. w. N. 260 Vgl. Art. 1 I der Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States, abgedruckt in ICSID (Hrsg.), ICSID Convention (2003), S. 7 ff. Zur Entstehung siehe Pirrung, Schiedsgerichtsbarkeit (1972), S. 21 ff.; ein Überblick über das Abkommen findet sich bei Wolfrum, Austausch von Waren und Dienstleistungen (1996), Rn. 153 ff.; Anoldt, Praxis des Weltbankübereinkommens (1997), S. 23 ff.; Schreuer, Access to ICSID Dispute Settlement (1998). 261 Vgl. dazu etwa Brewer / Young, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 457 ff.; Otten, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 523 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 703 ff. und das WTO-Portal unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / invest_e / invest_e.htm (01. 09. 2004). 262 Vgl. etwa Senti, WTO (2000), S. 535 ff.; Stoll, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.6., Rn. 3 f., 8 f. Weitere für den internationalen Zahlungsverkehr relevanten Bestimmungen finden sich im Zusammenhang mit dem internationalen Dienstleistungshandel,

§ 12 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept?

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Auch hier könnte eine Ausdehnung der Zuständigkeit der WTO erwogen werden, entweder durch eine Erweiterung des TRIMs oder in einem Zusatzabkommen. Doch auch diese Regelungen würden zwar gegen eine Ursache der Gefährdung nationaler Sozialstandards vorgehen, das Handelsrecht aber nicht mit bestimmten sozialen Standards verknüpfen und deswegen keine Sozialklausel darstellen. 2. Koordinierung der Steuersysteme? Speziell für die durch Kapitalmobilität hervorgerufenen Verteilungswirkungen wäre, parallel zum Fall des in dieser Hinsicht substitutiven Außenhandels, an eine Koordination der Steuersysteme zu denken. Wie bereits geschildert, gibt es zwar einige Argumente für die Integration dieses Problemfeldes in das Recht der WTO, eine Sozialklausel im hier verwendeten Sinne könnte diese Funktion aber nicht übernehmen. 3. Mindeststandards als Rahmen des Systemwettbewerbs? Plausiblere Argumente für eine Sozialklausel können allerdings vorgebracht werden, um den geschilderten Auswirkungen des Systemwettbewerbs auf nationale Sozialstandards entgegenzuwirken. Zu überlegen wäre, bestimmte Standards als Mindestniveau festzulegen. Der Systemwettbewerb würde dann nur innerhalb eines international vereinbarten Rahmens stattfinden. Staatliche Anreize, die dieses Mindestniveau unterschritten, wären unzulässig und könnten eventuell mit Handelssanktionen belegt werden. Diese Art von Regulierung würde eine Verknüpfung des internationalen Handelsrechts mit sozialen Standards bedeuten und deshalb eine Sozialklausel darstellen. Allerdings ist zu beachten, dass mit dieser Form der Sozialklausel die Ebene der materiellen Verknüpfung263 verlassen würde: Der Systemwettbewerb vollzieht sich über den Mechanismus des mobilen Kapitals, nicht des grenzüberschreitenden Handels. Diese Sozialklausel wäre also strategischer Natur. a) „Legitime komparative Vorteile“ und Souveränität Auch an dieser Stelle muss allerdings der Einwand beachtet werden, die staatliche Souveränität eines Staates werde verletzt, wenn ihm die Unterschreitung bestimmter Sozialstandards verboten wird. Im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte um eine Sozialklausel wird diese Problematik meist mit anderer Teretwa in Art. XI GATS und dem 5. Abkommen zu Finanzdienstleistungen; vgl. dazu Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 342 f. sowie unten § 17 IV.2.b) cc) (1) und § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (bb). Allgemein dazu Sidhu, Direktinvestitionen (2004). 263 Zur Begrifflichkeit vgl. oben unter § 4 IV.

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

minologie geführt: Insbesondere von Seiten der Entwicklungsländer wird angeführt, niedrige Sozialstandards stellten „legitime komparative Vorteile“ dar, die ihnen durch internationale Mindeststandards nicht genommen werden dürften.264 Ob jedoch ein komparativer Vorteil legitim ist oder nicht, ergibt sich nicht aus einem ökonomischen Modell, sondern ist eine normative Frage. Außerdem ist zu bedenken, dass der Systemwettbewerb zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Staaten im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik führt. In solch einer Situation des ökonomischen spill over gibt es aus ökonomischer Sicht keinen wertneutralen Weg, um festzustellen, welchem der beiden Akteure eine Berechtigung für die Durchsetzung seiner Präferenzen gegeben werden soll.265 Statt die Grenzen einer ökonomisch motivierten Sozialklausel aus der Legitimität bestimmter komparativer Vorteile ableiten zu können, muss also auch in diesem Rahmen auf das völkerrechtliche Konzept der staatlichen Souveränität zurückgegriffen werden. Die ökonomisch motivierte Sozialklausel zielt zwar darauf ab, das Verhalten anderer Staaten zu verändern. Dies soll aber der Wiederherstellung der eigenen staatlichen Handlungsfreiheit in sozialen Fragen dienen.266 Deswegen könnte argumentiert werden, dass der sanktionierende Staat mit dem Ziel der Wiederherstellung der staatlichen Handlungsfreiheit ein rechtlich geschütztes Interesse verfolgt, das dem Souveränitätsanspruch des sanktionierten Staates entgegengehalten werden kann. Gleichzeitig ist aber zu bedenken, dass für jeden Staat die Möglichkeit besteht, durch Schließung seiner Grenzen für Kapitalbewegungen seine Entscheidungsfreiheit wiederherzustellen. Dass ein Staat den Folgen des Systemwettbewerbs ausgesetzt ist, ist kein naturgegebenes Schicksal, sondern eine politische Entscheidung, die in der Regel von ökonomischen Interessen geleitet ist. Diese Interessen sind jedoch, da eine Verpflichtung der anderen Staaten zur Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen grundsätzlich nicht besteht,267 völkerrechtlich nicht geschützt. Somit existiert ein zumutbares milderes Mittel zur Abwehr der negativen Auswirkungen des Systemwettbewerbs. Eine Sanktionierung zur Wiederherstellung der staatlichen Handlungsfreiheit in sozialen Fragen erfüllt deshalb nicht das Erforderlichkeitskriterium, das eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von Sanktionen ist268. 264 Vgl. etwa Leary, Workers’ Rights (1996), S. 182; Salazar-Xirinachs, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 377 ff. (380). Siehe auch Langer, Grundlagen (1995), S. 317. 265 Vgl. dazu etwa Barenberg, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 303 ff. (325 f.). Allgemein zur Unmöglichkeit der wertneutralen Zuordnung von Verfügungsrechten beim Vorliegen externer Kosten Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), S. 1 ff. („We are dealing with a problem of a reciprocal nature“; ebd., S. 2). Dazu Medema, Ronald H. Coase (1994), S. 68 ff.; Leschke / Sauerland, „Zwischen“ Pigou und Buchanan? (2000); Pies, Theoretische Grundlagen (2000), S. 13 ff. 266 Darauf verweisen etwa Langille, General Reflexions (1996), S. 252 f.; Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 81; Reuß, Menschenrechte durch Handelssanktionen (1999), S. 165 f. 267 Vgl. oben unter § 7 II.2.a). 268 Siehe oben unter § 7 II.2.c).

§ 12 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept?

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Das Interesse an der Wiederherstellung der staatlichen Handlungsfreiheit schafft also keine weitergehende Legitimationsgrundlage für wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen. Deshalb spricht vieles dafür, dass die völkerrechtliche Bewertung trotz der ökonomischen Wechselwirkungen zu den gleichen Ergebnissen führt wie im Rahmen der Debatte um eine ethisch motivierte Sozialklausel269. Außerhalb eines Kernbereichs an Menschenrechten steht der völkerrechtliche Souveränitätsgrundsatz also einer zwangsweisen Durchsetzung von sozialen Mindeststandards auch dann entgegen, wenn dies zum Schutz der eigenen staatlichen Regelungen erfolgt.

b) Materieller Gehalt Neben diesen rechtlichen Problemen erweist sich auch die Suche nach einem geeigneten materiellen Gehalt einer ökonomisch motivierten Sozialklausel als schwierig. Wie bereits angesprochen,270 wäre jedenfalls die alleinige Inbezugnahme der ILO-Kernrechte verfehlt, da es an dieser Stelle nicht um den Schutz eines menschenrechtlichen Mindestniveaus an Sozialstandards geht, sondern um die Bewahrung umfangreicher staatlicher Regelungssysteme. Überlegenswert ist jedoch, ob das Konzept relativer Standards, also einer Abstufung je nach Grad der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes,271 dem geschilderten Bedrohungsszenario gerecht werden könnte. Dieses Konzept setzt an der Unterschiedlichkeit der staatlichen Sozialsysteme an und scheint daher ein international abgestuftes, aber trotzdem nach unten abgesichertes Niveau an Sozialstandards zu ermöglichen.272 Zu bedenken ist allerdings, dass der Wettbewerb der Systeme nicht das absolute Niveau sozialer Regulierung unter Druck setzt: Wie die Überlegungen zur Effizienz der einzelnen Standards gezeigt haben, kommt vielen sozialen Regelungen, darunter auch solchen mit einem hohen Schutzniveau, eine die Wettbewerbsposition verbessernde Funktion zu.273 Nicht diese Standards müssen geschützt werden, sondern diejenigen Bestimmungen, die ökonomisch ineffizient sind oder nur langfristige wirtschaftliche Vorteile erbringen274. Da es sich bei diesen Bestimmungen jedoch um Regelungen handelt, die vom jeweiligen Staat aus den verschiedensten historischen, kulturellen oder politischen Gründen selbst gewählt werden, ist ihr allgemeiner materieller Gehalt kaum zu fassen. Vgl. dazu oben unter § 7 II.2. Vgl. oben § 10. 271 Siehe dazu oben § 7 II.3.a). 272 Vgl. zu diesen Überlegungen die Handlungsempfehlung bei BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 231: Zumindest im Rahmen der EU sollten „Mindestsozialleistungsquoten“ eingeführt werden, um zu verhindern, dass sich die Länder gegenseitig unterbieten. Gegen diese Forderung aber das Minderheitenvotum der CDU / CSU-Fraktion ebd., S. 492. 273 Vgl. oben unter § 11 II.2.d) bb). 274 Vgl. oben unter § 11 II.2.d) cc). 269 270

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3. Teil: Ökonomisch motivierte Sozialklausel

Selbst wenn dies möglich sein sollte, wäre ein internationales Unterschreitungsverbot aber auch deswegen verfehlt, weil keinesfalls alle Staaten zur Übernahme dieser von einem Staat gewählten ineffizienten Standards gezwungen werden sollen: Die hier untersuchte Art einer Sozialklausel soll politische Entscheidungsfreiheit herstellen, nicht eine neue Form von Einheitlichkeit erzeugen. Ein konkreter materieller Gehalt einer Sozialklausel, die staatliche Sozialstandards vor den Zwängen des Systemwettbewerbs schützen würde, kann demnach nicht bestimmt werden. Stattdessen wird deutlich, dass die symptombezogene Herangehensweise einer Sozialklausel den Problemen des Systemwettbewerbs nicht gerecht wird.

§ 13 Fazit Den Auswirkungen des Außenhandels und der Kapitalmobilität auf nationale Sozialstandards muss zwar durch internationale Kooperation entgegengewirkt werden. Für manche Formen dieser Kooperation, etwa Übergangsregelungen bei steigender wirtschaftlicher Öffnung, bietet die WTO bereits jetzt ausreichende Mittel. Für andere Formen der Kooperation, etwa der Koordinierung der staatlichen Steuersysteme oder Kapitalverkehrskontrollen, bietet die WTO zwar möglicherweise einen geeigneten Ort. Eine Sozialklausel, verstanden als Verknüpfung des internationalen Handelsrechts mit sozialen Standards, ist jedoch kein geeignetes Mittel, um diese Konzepte zum Schutz der nationalen Sozialsysteme umzusetzen.

4. Teil

Institutionell motivierte Sozialklausel § 14 Zielsetzung Ausgangspunkt einer institutionell motivierten Sozialklausel ist die Beobachtung, dass wirtschaftspolitische Regelungen zunehmend auf internationaler Ebene getroffen werden, während sozialpolitische Entscheidungen auf nationaler Ebene verbleiben1. Dieses Auseinanderfallen der Regelungsebenen führt zu der Besorgnis, durch Wechselwirkungen institutioneller Art könne es zu einem Überspielen der nationalen Regelungen kommen. Befürchtet wird insbesondere, dass eine einseitige ökonomische Systemrationalität des internationalen Handelsrechts in ein Spannungsverhältnis zu den Zielsetzungen nationaler Sozialpolitik gelangen könnte. Eine institutionell motivierte Sozialklausel stellt, ebenso wie ihre ökonomisch motivierte Schwester,2 eine materielle Verknüpfung3 der Sachbereiche Handel und Soziales dar. Anders als diese zielt sie jedoch nicht auf den Schutz vor den ökonomischen, sondern den rechtlichen Auswirkungen einer steigenden wirtschaftlichen Integration auf nationale Sozialstandards ab. Diese institutionelle Dimension ist in der Diskussion um eine Sozialklausel bisher unterbelichtet geblieben. Die bisherigen Überlegungen sind auf ethische und ökonomische Fragestellungen fokussiert und streifen institutionelle Aspekte allenfalls bei der Diskussion um die Umsetzbarkeit einer Sozialklausel.4 Im Folgenden soll jedoch dargelegt werden, dass dieser Problematik in einer WTO mit ständig steigender Integrationsdichte eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt und deswegen die institutionelle Ebene in der Debatte um eine Sozialklausel einen zentralen Platz einnehmen sollte. 1 Klassischerweise sind soziale Regelungen eng mit der nationalstaatlichen Ebene verwoben; vgl. dazu etwa Giddens, Consequences of Modernity (1991), S. 55 ff.; Albrow, Abschied vom Nationalstaat (1998), S. 51 ff.; Beck, Was ist Globalisierung? (1998), S. 115 ff.; Habermas, Die postnationale Konstellation (1998), S. 99 f.; Zürn, Regieren im Zeitalter der Denationalisierung (2001), S. 427 ff. und die Nachweise bei Leibfried / Pierson, Halbsouveräne Wohlfahrtsstaaten (1998), S. 58 f. 2 Vgl. aber auch § 12 II.3. 3 Zur Terminologie siehe oben unter § 4 IV. 4 Vgl. die Diskussion oben § 8.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Anders als im Rahmen der Debatte um eine WTO-Sozialklausel wird auf europäischer Ebene eine umfangreiche Diskussion geführt, die viele Parallelen zur hier untersuchten institutionellen Problematik aufweist: Auch im europäischen Rahmen klaffen die Ebenen für ökonomische und soziale Regelungen zum Teil auseinander, und die nationalen Sozialordnungen sehen sich dem Druck durch europäische Normen ausgesetzt. Die europäischen Erfahrungen mit diesen Mehrebenen-Phänomenen bieten sich daher als fruchtbarer Ausgangspunkt für Überlegungen auf globaler Ebene an. Bei der Übertragung der dort gewonnen Erkenntnisse auf die hier vorliegende Problematik ist jedoch Vorsicht geboten, da sich die beiden Konstellationen zugleich in vielerlei Hinsicht unterscheiden. Nach einer Eruierung des gegenwärtigen Diskussionsstandes auf europäischer Ebene muss deswegen untersucht werden, welchen der Aussagen auch im Rahmen der WTO Geltung zukommt, bevor die Eignung einer Sozialklausel zur Lösung der bestehenden und zu erwartenden institutionellen Probleme beleuchtet werden kann.

§ 15 Europäische Parallelproblematik I. Negative und positive Integration Einen aufschlussreichen Hintergrund für die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlicher und sozialer Dimension der Europäischen Union bildet die Unterscheidung zwischen negativer und positiver Integration5. Diese ursprünglich aus der Ökonomie stammende Gegenüberstellung6 ordnet einer negativen Integration diejenigen Politikentscheidungen zu, die den Abbau rechtlicher Hemmnisse für den wirtschaftlichen Austausch zwischen den beteiligten Einheiten bezwecken, während unter einer positiven Integration eine darüber hinausgehende gemeinsame Rechtssetzung verstanden wird, also etwa eine gemeinsame Wirtschafts-, Justiz- oder Sicherheitspolitik. Diese Unterscheidung ist nicht deckungsgleich mit den beiden Polen marktschaffend und marktkorrigierend7, denn positive Integration kann sowohl marktkorrigierende als auch marktschaffende Politikentscheidungen beinhalten: So sind beispielsweise eine gemeinsame Wettbewerbspolitik, die zur Schaffung eines funktionierenden Marktes betrieben wird, oder die Harmonisierung nationaler Produktstandards zur Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse trotz ihrer marktschaffenden Funktion der positiven Integration zuzuordnen.8 5 Dazu Münch, Sozialpolitik und Föderalismus (1997), S. 251 ff.; Scharpf, Regieren in Europa (1999), S. 47 ff.; Eichhorst, Europäische Sozialpolitik (2000), S. 51 ff. Im Zusammenhang mit der globalen Ordnungsebene wird die Unterscheidung beispielsweise verwendet von Meyer, Soziale Demokratie und Globalisierung (2002), S. 29 ff. 6 Vgl. Tinbergen, International Economic Integration (1965), S. 76 ff. 7 Vgl. dazu etwa Sbragia, Building Markets (2002), S. 240 ff. 8 Vgl. Scharpf, Regieren in Europa (1999), S. 49.

§ 15 Europäische Parallelproblematik

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Eine europäische Sozialpolitik wäre eine Form positiver Integration, da es sich hierbei um gemeinsame Rechtsetzung handeln würde, die über den Abbau von rechtlichen Hindernissen des freien Marktes hinausgeht. Wenn das Auseinanderfallen der ökonomischen und sozialen Regelungsebene in der Europäischen Union untersucht wird, steht daher die Frage im Mittelpunkt, ob eine negative Integration, also der Abbau von Handelshemmnissen, ohne positive Integration auf dem Gebiet der Sozialpolitik möglich ist.

II. Soziale Bestimmungen in der Gründungsphase der EWG Die Diskussion um die Notwendigkeit positiver Integration im sozialen Bereich lässt sich bis in die Gründungsphase der EWG zurückverfolgen. In den Verhandlungen war umstritten, ob eine wirtschaftliche Integration eine Angleichung der Sozialordnungen der Mitgliedstaaten erfordere. Dabei standen jedoch die ökonomischen Wechselwirkungen im Mittelpunkt: Während insbesondere die französische Delegation darauf verwies, ein fairer Wettbewerb erfordere eine gleichmäßige Belastung der Unternehmen in allen Mitgliedstaaten, sprach sich die deutsche Delegation unter Berufung auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile und einen Bericht von ILO-Experten9 gegen eine Harmonisierung aus.10 Letztere Position konnte sich in den Verhandlungen weitgehend durchsetzen. Der Kompromiss, der in den EWG-Vertrag11 einging, enthielt letztlich nur in sehr beschränktem Maße soziale Bestimmungen. Zwar gab es ein eigenes Kapitel zur Sozialpolitik, doch dort waren fast ausschließlich unverbindliche Programmsätze formuliert.12 Auch mit der Schaffung eines Europäischen Sozialfonds in Art. 123 ff. EWGV (jetzt Art. 146 ff. EG13) bezweckte man keine eigenständige europäische Sozialpolitik.14 Statt der Vorstellung von einer Bedrohung der nationalen SozialILO, Social Aspects of European Economic Co-operation (1956) („Ohlin-Report“). Vgl. dazu Pieters, ZIAS 1991, S. 72 ff. (79 f.); Kuhn, Soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft (1995), S. 34 ff.; Sapir, Trade Liberalization (1996), S. 545 ff.; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (192); Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 12 ff. (jeweils m. w. N.). 11 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 03. 1957, BGBl. 1957 II, S. 766; zu finden auch unter http: / / europa.eu.int / eur-lex / de / treaties / dat / CEE.html (01. 09. 2004). 12 So die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 117 EWGV, vgl. etwa Rs. 149 / 77, Slg. 1978, 1365, Rn. 19, 23 – Defrenne III; ebenso die überwiegende Literatur, vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht (1972), S. 932; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (200 f.) und die Nachweise bei Krebber, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 136 EG Rn. 28. 13 Die Zitierung erfolgt entsprechend den Grundsätzen des EuGH, vgl. die Mitteilung vom 28. 08. 1999, ABl. EG 1999 Nr. C 246 / 1. 14 Vgl. Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 452, 456 f.; Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 1671; Graser, ZIAS 2000, S. 336 ff. (346); Eichenhofer, Sozialrecht 9

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

ordnungen durch den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten hatte sich maßgeblich die Überzeugung durchgesetzt, dieser Wettbewerb werde automatisch zu einer Verbesserung der sozialen Situation führen.15 Einzige Ausnahme zum Grundsatz der Abstinenz in Fragen der Sozialpolitik war Art. 119 EWGV (jetzt Art. 141 EG), in dem die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Entgeltfragen verpflichtet wurden. Auch bei der Einbeziehung dieser Bestimmung waren jedoch weniger sozialpolitische als vielmehr ökonomische Überlegungen ausschlaggebend: Die Antidiskriminierungsvorschriften waren auf Drängen Frankreichs in den Vertrag aufgenommen worden, das in diesem Bereich über einen hohen Schutzstandard verfügte und befürchtete, wegen der damit verbundenen Kosten einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden.16 Die Zuständigkeit für Soziales blieb also grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten;17 eine positive Integration im sozialen Bereich fand nur punktuell statt. Allerdings wurde schon damals ansatzweise erkannt, dass ökonomische und soziale Regeln nicht vollständig voneinander isoliert bestehen können. Das zeigte sich insbesondere in Art. 51 EWGV (jetzt Art. 42 EG). Durch diese Norm wurde der europäische Gesetzgeber dazu ermächtigt, „die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen“ zu erlassen. Gegenstand dieser Ermächtigung war also ein einheitliches europäisches Koordinierungsrecht für den Bereich der sozialen Sicherungssysteme, um Nachteile für Arbeitnehmer zu vermeiden, die ihren Wohnsitz in ein anderes Mitgliedsland verlegen. Ziel war die praktische Realisierung einer Marktfreiheit, während die soziale Komponente ein Mittel zu seiner Erreichung blieb. Die daraufhin erlassenen koordinationsrechtlichen Bestimmungen der „Wanderarbeitnehmer“-Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 7118 und ihrer Durchführungsverordder EU (2003), Rn. 380. Allerdings wurde durch den Vertrag von Maastricht der Zweck des Sozialfonds erweitert; nun dient er auch dazu, „die Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse und an Veränderungen der Produktionssysteme insbesondere durch berufliche Bildung und Umschulung zu erleichtern“, Art. 146 EG. Vgl. dazu auch Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 452 f. 15 So etwa Heinze, FS Söllner (2000), S. 424; Maydell, FS Söllner (2000), S. 745; Heinze, SGb 2001, S. 157 ff. (157); Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 287. Allerdings ist in Art. 117 II EWGV (jetzt Art. 136 III EG), der einen gewissen Kompromisscharakter aufweist, auch die gegenteilige Ansicht berücksichtigt, wenn ausgeführt wird, dass sich eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen „sowohl aus dem eine Abstimmung der Sozialordnungen begünstigenden Wirken des gemeinsamen Marktes als auch aus den in diesem Vertrag geltenden Verfahren sowie aus der Angleichung [der] Rechts- und Verwaltungsvorschriften [der Mitgliedstaaten] ergeben wird.“ 16 Langenfeld, Gleichbehandlung von Mann und Frau (1990), S. 29 ff.; Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 286; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 286. 17 So auch die st. Rspr. des EuGH; etwa in Rs. 238 / 82, Slg. 1984, 523, Rn. 16 – Duphar; Rs. C-70 / 95, Slg. 1997, I-3395, Rn. 27 – Sodemare.

§ 15 Europäische Parallelproblematik

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nung Nr. 574 / 7219 stellen noch heute den in der Praxis wichtigsten Teil des europäischen Sozialrechts dar.20 Die sozialrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten blieben von dieser Regelung zwar grundsätzlich unberührt.21 Trotzdem geht die Kompetenz über die bloße Schaffung eines einheitlichen Kollisionsrechts, also der Bestimmung des jeweils einschlägigen nationalen Sozialrechts,22 deutlich hinaus, denn Art. 42 a) und b) EG ermächtigen den Rat auch zur Schaffung eines einheitlichen Systems im Bereich der Zusammenrechnung der Versicherungszeiten und des Leistungsexports23. Diese Ermächtigung führte wegen der Verschiedenartigkeit der mitgliedstaatlichen Sozialordnungen zu einem komplizierten Normensystem, das recht weitgehende Anforderungen an die nationalen Bestimmungen stellt.

III. Auswirkungen der ökonomischen Bestimmungen auf nationale Sozialordnungen Die wirtschaftliche Integration in Europa wurde entgegen den Befürchtungen Frankreichs auch für Länder mit hohen sozialen Standards bekanntermaßen eine Erfolgsgeschichte. Schon bald nach Ablaufen der Übergangsfristen des EWG-Vertrages24 wurde aber deutlich, dass über die im Vertrag ausdrücklich niedergelegten Sozialbestimmungen hinaus von anderen Normen ohne expliziten sozialen Gehalt viel tiefgreifendere Auswirkungen auf die nationalen Sozialordnungen ausgingen. Ins Blickfeld gerieten nun diejenigen Bereiche des europäischen Rechts, die der Herstellung des Gemeinsamen Marktes dienten, also insbesondere die Marktfreiheiten und das europäische Wettbewerbsrecht.25 Aus diesen Bereichen wurde mit 18 Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71 des Rates vom 14. 06. 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. EG 1971 Nr. L 149 / 2. 19 Verordnung (EWG) Nr. 574 / 72 des Rates vom 21. 03. 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71, ABl. EG 1972 Nr. L 74 / 1. 20 Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 33. 21 Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 36. 22 Die aus dem Internationalen Privatrecht geläufige Unterscheidung zwischen Sach- und Kollisionsrecht findet auch im Internationalen Sozialrecht Anwendung. Dazu grundlegend Maydell, Sach- und Kollisionsnormen (1967); außerdem Eichenhofer, Internationales Sozialrecht (1994), Rn. 13 ff.; Giesen, Vorgaben des EG-Vertrages (1999), S. 4 f. m. w. N.; Eichenhofer, FS Maydell (2002). 23 Zu diesen Grundprinzipien siehe nur Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 68 ff. 24 Vgl. Art. 7 EWGV. Da der EWG-Vertrag am 01. 01. 1958 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 247 EWGV und die Bek. vom 27. 12. 1957, BGBl. 1958 II, S. 1), endete die zwölfjährige Übergangszeit am 31. 12. 1969. 25 Ein weiteres Beispiel für die Auswirkung wirtschaftlicher Bestimmungen auf die nationalen Sozialordnungen, das hier nicht weiter vertieft werden soll, sind die Maastricht-Kriterien der europäischen Währungsunion. Obwohl sie eine rein ökonomisches Zielsetzung verfolgten – die Stabilisierung der gemeinsamen Währung – nehmen die Fälle zu, in denen unter

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

jeweils unterschiedlicher Stoßrichtung die nationale Souveränität im sozialen Bereich in Frage gestellt. Die geschilderte Grundentscheidung, die Kompetenz für Sozialpolitik bei den Mitgliedstaaten zu belassen,26 wurde zwar vom EuGH in zahlreichen Entscheidungen unter Hinweis auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung27 bekräftigt28. Allerdings gilt seit den bahnbrechenden Urteilen des EuGH in den frühen 60er Jahren29 der Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht30 und damit in einem Konfliktfall auch vor dem nationalen Sozialrecht. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten ihre sozialpolitischen Kompetenzen nur in den durch das Europarecht gesetzten Grenzen ausüben können. Ein Spannungsverhältnis zwischen der Ausübung der nationalen Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik und der Einhaltung der vorrangigen europäischen Bestimmungen ist also in der Struktur des Verhältnisses zwischen europäischem und nationalem Recht bereits angelegt.

1. Auswirkungen der Grundfreiheiten a) Dynamik der Grundfreiheiten durch die Rechtsprechung des EuGH Wie schon der bereits geschilderte Art. 51 EWGV (jetzt Art. 42 EG) erahnen lässt, ging der früheste Impuls von den europäischen Grundfreiheiten aus, also von den in Art. 23 ff. EG (ex-Art. 9 ff. EGV) niedergelegten Freiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten31. Ihre Funktion als zentrale Ordnungsprinzipien der europäischen Wirtschaftsverfassung erlangten sie insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH. Er setzte Berufung auf diese Vorschriften umfangreiche Veränderungen der nationalen Sozialordnungen gefordert und auch umgesetzt werden, vgl. dazu etwa Terwey, SozVers 1998, S. 289 ff. (290); Pigeau / Sesselmeier, Reorganisation der sozialen Sicherung (2000); Rürup, Auswirkungen des Euro (2000); Auktor, ZIAS 2001, S. 200 ff. (205); Pieters, SozVers 2001, S. 57 ff. (58). 26 Dass das europäische Wirtschaftsrecht überhaupt rechtliche Auswirkungen auf die mitgliedstaatlichen Sozialordnungen haben würde, war von den Gründungsakteuren der EG nicht beabsichtigt; vgl. etwa Streit / Mussler, Wettbewerb der Systeme (1995), S. 87; Scharpf, Regieren in Europa (1999), S. 59; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 287 f. 27 Vgl. dazu nur Bleckmann, Europarecht (1997), Rn. 380 ff.; Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 513 ff. 28 St. Rspr., vgl. etwa EuGH, Rs. 238 / 82, Slg. 1984, 523, Rn. 16 – Duphar; Rs. C-70 / 95, Slg. 1997, I-3395, Rn. 27 – Sodemare. Dazu allgemein auch Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, vor Art. 39 – 55 EGV, Rn. 190 ff. 29 Insbesondere EuGH Rs. 6 / 64, Slg. 1964, 1251, S. 1269 f. – Costa / ENEL. 30 Vgl. dazu nur Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 616 ff.; Wegener, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 220 EG, Rn. 22 ff. 31 Vgl. dazu allgemein §§ 7 – 12 in Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2003).

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mit einer teleologischen, auf die effiziente Wirksamkeit des Europarechts („effet utile“) ausgerichteten Interpretation dieser Normen32 eine Dynamik in Gang, deren Folgen bei Gründung der EWG für die Mitgliedstaaten kaum abzusehen gewesen waren33. Neben der unmittelbaren Anwendbarkeit der Grundfreiheiten34 und ihrer subjektiven Einklagbarkeit35 erwies sich insbesondere die Erweiterung ihres sachlichen Regelungsgehaltes durch den EuGH als treibende Kraft: Über reine Diskriminierungsverbote hinaus wurden sie zunehmend als umfassende Beschränkungsverbote verstanden.36 Damit verschob sich die Schutzrichtung von der Verhinderung einer Schlechterstellung eines ausländischen Produkts oder einer Person hin zu der Verhinderung einer Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Waren-, Personen-, Dienstleistungs- oder Kapitalverkehrs selbst.37 Eine Einschränkung dieser weiten Auslegung erfolgte jedoch durch die Entwicklung von ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen durch den EuGH, der inzwischen bei allen Grundfreiheiten die Zulässigkeit nationaler Ausnahmebestimmungen aus „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ anerkennt38.

32 So schon EuGH, Rs. 8 / 55, Slg. 1955, 297, S. 311 f. – Fédéchar. Vgl. dazu Streinz, FS Everling (1995); Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 686; Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EUKommentar, Art. 10 EGV, Rn. 16. 33 So auch Streit / Mussler, Wettbewerb der Systeme (1995), S. 86 f. 34 Grundlegend EuGH Rs. 26 / 62, Slg. 1963, 1, S. 24 ff. – Van Gend & Loos; vgl. dazu Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 629 ff.; Ruffert, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 249 EG Rn. 17 ff. 35 Vgl. nur Danwitz, NJW 1993, S. 1108 ff.; Allkemper, Rechtsschutz des Einzelnen (1995); Schwarze, in: ders. (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 234 EGV, Rn. 1 ff. 36 Allerdings erfolgte diese Erweiterung des sachlichen Regelungsgehaltes schrittweise, so dass erst seit jüngerer Zeit von einer diesbezüglichen „Konvergenz der Grundfreiheiten“ gesprochen werden kann. Vgl. dazu etwa Behrens, EuR 1992, S. 145 ff.; Eberhartinger, EWS 1997, S. 43 ff.; Schimming, Konvergenz der Grundfreiheiten (2002); Steinberg, EuGRZ 2002, S. 13 ff. (18 ff.); sowie die Übersicht bei Epiney, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 28 EG Rn. 56 ff. 37 Vgl. dazu Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten (1999), S. 38 ff. und den Schlussantrag des Generalanwalts Lenz zu EuGH, Rs. C-415 / 93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 165 ff. – Bosman. Umstritten ist allerdings, ob ein (potentieller) grenzüberschreitender Bezug des jeweiligen Falles erforderlich ist, vgl. dazu Lackhoff, Niederlassungsfreiheit (2000), S. 416 ff.; Steinberg, EuGRZ 2002, S. 13 ff. (18) (jeweils m. w. N.). 38 Grundlegend für die Warenverkehrsfreiheit EuGH, Rs. 120 / 78, Slg. 1979, 649, Rn. 8 – Cassis de Dijon. Die Erweiterung dieser Rechtsprechung auf andere Grundfreiheiten erfolgte durch EuGH, Rs. C-55 / 94, Slg. 1995, 4165, Rn. 37 – Gebhard. Vgl. dazu Bröhmer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 43 EG, Rn. 26 f. Ebenso Brechmann, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 39 EG, Rn. 47; Schneider / Wunderlich, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 39 EGV, Rn. 43.

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b) Folgen für die nationalen Sozialordnungen Die dynamische Interpretation der Grundfreiheiten führte in zahlreichen Fällen dazu, dass nationale sozialrechtliche Bestimmungen in ein Spannungsverhältnis zum höherrangigen europäischen Recht gerieten. Inzwischen sind mehrere hundert Entscheidungen des EuGH zu sozialrechtlichen Fragen ergangen,39 doch die Abgrenzung zwischen den Ebenen ist noch immer im Fluss.

aa) Sozialversicherungssysteme Durch den bereits angesprochenen Art. 42 EG (ex-Art. 51 EGV) bereits besonders exponiert, bereitet das Verhältnis zwischen den Grundfreiheiten und den sozialen Sicherungssystemen der Mitgliedstaaten bis heute große Schwierigkeiten. Zwar regelt das europäische Sekundärrecht inzwischen zentrale Bereiche dieser Fragestellung, doch sind viele Änderungen dieser Vorschriften auf die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten zurückzuführen,40 und deren Geltung kommt bei der Auslegung der sekundärrechtlichen Bestimmungen noch immer eine zentrale Bedeutung zu41. (1) Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71 Eine erste Auswirkung der dynamischen Interpretation der Grundfreiheiten schlug sich in einer Erweiterung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiches der bereits besprochenen Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71 nieder, von der erhebliche Anpassungszwänge für die staatlichen Sozialordnungen ausgingen. Der persönliche Anwendungsbereich musste aufgrund der Rechtsprechung des EuGH auf Selbständige, Beamte und Studierende erweitert werden.42 Eine Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs ergab sich durch die Komplexität der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme: Ursprünglich waren von der Verordnung nur Leistungen der sozialen Versicherungssysteme, nicht jedoch Fürsorgeleistungen wie etwa die Sozialhilfe erfasst. In den historisch gewachsenen Sozialsystemen der Mitgliedstaaten gibt es jedoch zahlreiche Mischleistungen, bei denen VersicheHeinze, SGb 2001, S. 157 ff. (157). In der Literatur wird der EuGH deshalb als „Motor der Entwicklung des koordinierenden Sozialrechts“ angesehen; Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 101. Diese Rolle beinhaltet auch die Außerkraftsetzung von Sekundärrecht wegen Verstoßes gegen Normen des EG-Vertrages, vgl. Langer, Beitrag des Europäischen Gerichtshofs (2000), S. 43. 41 So etwa EuGH, Rs. 24 / 75, Slg. 1975, 1149, Rn. 11 – Petroni: Die Bestimmungen des EG-Vertrages über die Freizügigkeit sind „Grundlage, Rahmen und Grenzen der Verordnungen über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer“. 42 Vgl. Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 98 ff.; Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 42. 39 40

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rungsleistungen mit Fürsorgeelementen verknüpft werden.43 Diese Leistungen wurden vom EuGH in verschiedenen Entscheidungen, in denen er auf die Bedeutung der Freizügigkeit verwies, unter bestimmten Voraussetzungen als Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne des Art. 4 der Verordnung eingeordnet.44 Dies hatte zur Folge, dass die Bestimmungen der Verordnung, insbesondere die Pflicht zum Leistungsexport, zur Anwendung kamen. Somit ergab sich beispielsweise eine Exportpflichtigkeit für eine italienische Sozialrente, die den Betroffenen das Erreichen des (italienischen) Existenzminimums ermöglichen sollte, unabhängig von den konkreten Bedürfnissen, die sie in ihrem jeweiligen Aufenthaltsort hatten.45 (2) Leistungsexport im Gesundheitswesen Neben der Frage der beitragsunabhängigen Sonderleistungen gibt in jüngerer Zeit auch die Exportpflichtigkeit von Gesundheitsleistungen Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen. Ausgangspunkt war die Praxis vieler Krankenversicherungen, nur unter engen Voraussetzungen die Erstattung von im Ausland angefallenen Kosten für Gesundheitsleistungen zu übernehmen. Der EuGH überprüfte diese Einschränkungen im Urteil Decker46 an der Warenverkehrsfreiheit und im gleichzeitig ergangenen Urteil Kohll47 an der Dienstleistungsfreiheit. Da die eingeschränkte Erstattungsmöglichkeit für eine im EU-Ausland gekaufte Brille (Decker) eine Beschränkung48 der Warenverkehrsfreiheit und für eine dort durchgeführte Zahnbehandlung (Kohll) eine Beschränkung der passiven Dienstleistungsfreiheit49 darstellte, prüfte der EuGH die Rechtfertigungsmöglichkeit der Maßnah43 Vgl. Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 101 f. und allgemein Weber, Systeme der Sozialen Sichgerung (2000). 44 Vgl. die Nachweise bei Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 102; Fuchs, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, Art. 4 Rn. 27 ff. 45 EuGH, Rs. 139 / 82, Slg. 1993, 1427, Rn. 13 – Piscitello. Der Anpassungsdruck auf die nationalen Sozialsysteme wurde allerdings inzwischen teilweise dadurch gemildert, dass der Verordnungsgeber im Jahre 1992 die Kriterien des EuGH in die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71 aufnahm und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gab, für diese sogenannten „beitragsunabhängigen Sonderleistungen“ die Exportpflichtigkeit auszuschließen. Vgl. Art. 4 IIa, 10a und Anhang IIa der Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71, eingefügt durch Verordnung (EWG) Nr. 1247 / 92 des Rates vom 30. 04. 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71, ABl. EG 1992 Nr. L 136 / 1. Dieses Vorgehen wurde vom EuGH auch als mit Art. 42 EG vereinbar angesehen, EuGH, Rs. C-20 / 96, Slg. 1997, I-6057, Rn. 49 – Snares. 46 EuGH, Rs. C-120 / 95, Slg. 1998, I-1831 – Decker. 47 EuGH, Rs. C-158 / 96, Slg. 1998, I-1931 – Kohll. 48 Auf der Grundlage eines neuartigen „gleichheitsrechtlichen“ Verständnisses der Grundfreiheiten behandelt Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 371 f. diesen Fall unter dem Aspekt des Diskriminierungsverbots. Der EuGH argumentiert jedoch unmissverständlich auf der Grundlage eines Beschränkungsverbotes; vgl. EuGH, Rs. C-120 / 95, Slg. 1998, I-1831, Rn. 31 ff.

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men50. Der Rechtfertigungsgrund des Gesundheitsschutzes aus Art. 30 und 46, 55 EG sei wegen der Gleichwertigkeit der ärztlichen Qualifikation in den Mitgliedstaaten nicht gegeben. Allerdings könne eine „erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit“51 einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und damit einen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund darstellen. Weil die beiden Kläger jedoch nur den jeweiligen Tarif des Versicherungsstaates verlangten, konnte der EuGH keine zusätzliche finanzielle Belastung der Versicherungsträgers erkennen und sah deswegen auch diese Rechtfertigungsmöglichkeit als nicht gegeben an.52 In einem späteren Urteil, das die Kostenerstattung für stationäre Krankenhausleistungen zum Gegenstand hatte, sah der EuGH zwar wegen der hohen Investitionskosten und den Planungserfordernissen in diesem Sektor die Gefahr einer „erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit“ als gegeben an. Somit kam er nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu der Einschätzung, unter bestimmten Voraussetzungen sei dort das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung zulässig.53 Diese Ausnahme ist jedoch, wie auch in einem aktuellen Urteil hervorgehoben wurde,54 ausdrücklich auf die spezifische Situation des Krankenhaussektors beschränkt. Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung, die eine Flut von Beiträgen auslöste,55 auf das Gesundheitssystem gerade in Deutschland sind unübersehbar. In Frage gestellt wird insbesondere die Europarechtskonformität des Sachleistungsprinzips, also der Praxis der gesetzlichen Krankenkassen, über ein Netz von Vertragsärzten und Krankenhäusern die Gesundheitsleistung direkt zu erbringen, statt den Patienten eine Erstattung der Kosten zu gewähren.56 Nicht nur in der Krankenversiche49 Seit der Entscheidung EuGH, Rs. 286 / 82, 26 / 83, Slg. 1984, 377, Rn. 10 – Luisi & Carbone ist anerkannt, dass Art. 49 EG diese sogenannte „Dienstleistungsempfängerfreiheit“ mitumfasst, vgl. Kluth, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 50 EG, Rn. 27 f.; Roth, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, E I Rn. 108 f. 50 EuGH, Rs. C-120 / 95, Slg. 1998, I-1831, Rn. 39 ff. – Decker; EuGH, Rs. C-158 / 96, Slg. 1998, I-1931, Rn. 38 ff. – Kohll. 51 EuGH, Rs. C-120 / 95, Slg. 1998, I-1831, Rn. 39 – Decker; EuGH, Rs. C-158 / 96, Slg. 1998, I-1931, Rn. 41 – Kohll. 52 Dass Art. 22 I c Verordnung (EWG) Nr. 1408 / 71 vom Versicherten verlangt, vor einer Behandlung im Ausland eine Genehmigung des Versicherungsträgers einzuholen, überging der EuGH, indem er die Einschlägigkeit der Bestimmung bei „zweckgerichteter Auslegung“ verneint; EuGH, Rs. C-120 / 95, Slg. 1998, I-1831, Rn. 29 – Decker; EuGH, Rs. C-158 / 96, Slg. 1998, I-1931, Rn. 27 – Kohll. 53 EuGH, Rs. C-157 / 99, Slg. 2001, I-5473, Rn. 76 ff. – Smits / Peerboms. 54 EuGH, Rs. C-385 / 99, Slg. 2003, I-4509, Rn. 76 ff., 93 ff. – Müller-Fauré. Vgl. dazu Fuchs, NZS 2004, S. 225 ff. (227 f.). 55 Siehe die umfangreichen Nachweise bei Giesen, Vorgaben des EG-Vertrages (1999), S. 101; Lorff / Maier-Rigaud, SGb 2000, S. 393 ff. (394); Maydell, FS Söllner (2000), S. 748 sowie aktuell Fuchs, NZS 2004, S. 225 ff. 56 Vgl. Sodan, JZ 1998, 1168 ff. (1172); Pitschas, Territorialitäts-Prinzip im Sachleistungssystem (2000); Schulte, Europäisches Wirtschaftsrecht (2000), S. 30 ff.; ders., EG-rechtliche

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rung, auch in der Unfall-57, der Renten-58 und Pflegeversicherung59 kommt das in den meisten Mitgliedstaaten vorherrschende Territorialitätsprinzip 60 zunehmend in Bedrängnis. Das führt nicht nur zur Unterwanderung der klassischen Steuerungsinstrumente wie etwa Budgetierung, Bedarfsplanung oder Festbetragsregelungen,61 sondern zu einer grundsätzlichen Infragestellung der Unterschiede in den Sozialversicherungssystemen der Mitgliedstaaten und damit zu einem Konvergenzdruck62. In der Literatur wird deswegen für den Bereich der Krankenversicherung bereits gefordert, auf europäischer Ebene gesetzgeberisch aktiv zu werden und zunächst eine europaweite Kostenerstattung zu ermöglichen, im Anschluss aber auch europäische Krankenversicherungsträger zu gründen, statt jeweils der letzten Entscheidung des EuGH hinterherzuhinken.63 Diese wegen der Geltung der europäischen Grundfreiheiten naheliegenden „marktgängigen Konzepte“64 würden jedoch die bisherige soziale Umverteilung innerhalb der nationalen Sozialversicherungssysteme unmöglich machen und deswegen nicht nur die Struktur oder Regelungsebene, sondern auch die Qualität der Sozialversicherungssysteme verändern. Im Vorschlag der Kommission für eine allgemeine Rahmenrichtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom Frühjahr 200465 werden die EntwicklunRahmenbedingungen (2001), S. 51 ff.; Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 87 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 539. 57 Siehe dazu Willms, Soziale Sicherung durch europäische Integration (1990), S. 143 ff.; Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 203 ff.; Jung, Versicherungspflicht und Sachleistungsprinzip (2000). 58 Siehe dazu Willms, Soziale Sicherung durch europäische Integration (1990), S. 152 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Hb. (2002), § 3 Rn. 204 ff. 59 Siehe dazu Zuleeg, Europarechtliche Probleme (2000). Im Urteil Molenaar hat der EuGH bereits die Exportpflichtigkeit der Pflegeversicherung bejaht; EuGH, Rs. C-160 / 96, Slg. 1998, I-843 – Molenaar; Vgl. dazu Füßer, NJW 1998, S. 1762 ff.; Kukla, KrV 1998, S. 251 ff. 60 Zum Begriff vgl. Gitter / Schmitt, Sozialrecht (2001), S. 17 f.; Eichenhofer, Sozialrecht (2003), Rn. 83; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 415, 500 ff. m. w. N.; Waltermann, Sozialrecht (2004), Rn. 89, 551. 61 Vgl. Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 360 f.; Schulte, Europäisches Wirtschaftsrecht (2000), S. 32; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 548 ff.; Wille, FS Duwendag (2003), S. 373 ff. 62 So etwa auch Pitschas, Territorialitäts-Prinzip im Sachleistungssystem (2000), S. 91; Schulte, Europäisches Wirtschaftsrecht (2000), S. 35 f.; ders., EG-rechtliche Rahmenbedingungen (2001), S. 58 f. 63 So beispielsweise die progressiven Ideen bei Lorff / Maier-Rigaud, SGb 2000, S. 393 ff. (395 ff.) m. w. N.; Kaufmann, Einfluss des Europarechts (2003), S. 71 ff. Vgl. zum sogenannten „Modell des 13. Staates“ auch Pieters, ZIAS 1991, S. 72 ff. (85 ff.); Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 398 und allgemein Henke, Gemeinwohl und Wettbewerb (2003). Erste Ansätze zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit finden sich in den sogenannten „Euregios“, vgl. dazu Lorff / Maier-Rigaud, SGb 2000, S. 393 ff. (395 f.); Schulte, EGrechtliche Rahmenbedingungen (2001), S. 55 f.; Kaufmann, Einfluss des Europarechts (2003), S. 80 ff. 64 Pitschas, Territorialitäts-Prinzip im Sachleistungssystem (2000), S. 91.

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gen, die durch die EuGH-Rechtsprechung angestoßen wurden, weiterentwickelt. So sieht etwa Art. 23 des Vorschlags vor, dass außerhalb von Krankenhausbehandlungen eine genehmigungsfreie Kostenerstattung für Behandlungskosten von den Mitgliedstaaten gewährleistet werden muss. Auch die Höhe der Kostenerstattung dürfe nicht unter dem Betrag liegen, der für eine Behandlung im jeweiligen Herkunftsstaat erstattet worden wäre.66 bb) Sonstige Sozialleistungen Neben der im EG-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme herrschte schon bald die Überzeugung vor, es bedürfe weiterer Maßnahmen im Bereich der Sozialleistungen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Zentral ist in diesem Zusammenhang die 1968 auf der Grundlage des Art. 40 EG („Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit“) erlassene Verordnung (EWG) Nr. 1612 / 6867, die für EU-Arbeitnehmer ein umfassendes Diskriminierungsverbot hinsichtlich sozialer und steuerlicher Vergünstigungen (Art. 7 II), des Zugangs zu Wohnraum (Art. 9) und zu Bildungseinrichtungen (Art. 12) enthält. Der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung ist auf Arbeitnehmer beschränkt, so dass sich Selbständige und andere Personengruppen ursprünglich nicht auf ihre Bestimmungen berufen konnten.68 Unter Berufung auf die passive Dienstleistungsfreiheit dieser Personen und das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG weitete der EuGH jedoch die Reichweite der Bestimmungen aus: Im Fall Cowan69 entschied das Gericht, dass ein britischer Tourist, der in Paris überfallen wurde, einen Anspruch auf die französische Opferentschädigung habe, die an sich den eigenen Staatsbürgern vorbehalten war. Zur Begründung verwies der EuGH darauf, ein Tourist könne sich auf die passive Dienstleistungsfreiheit berufen und werde gegenüber einem einheimischen Dienstleistungsempfänger benachteiligt, wenn er weniger Ansprüche auf eine Entschädigung für etwaige bei der Ausübung dieser Freiheit an ihm verübte Gewalttaten habe als dieser.70 65 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 25. 02. 2004, KOM (2004) 2 endg. 66 Art. 23 III des Vorschlags. 67 Verordnung (EWG) Nr. 1612 / 68 des Rates vom 15. 10. 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. EG 1968 Nr. L 257 / 2, ber. Nr. L 295 / 12. Vgl. Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 89 f. 68 Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 224 f. Allerdings hat der EuGH den Anwendungsbereich in gewissem Umfang auf Studenten erweitert, vgl. Steinmeyer, Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung (2002), Rn. 15. 69 EuGH, Rs. 186 / 87, Slg. 1989, 195 – Cowan. 70 EuGH, Rs. 186 / 87, Slg. 1989, 195, Rn. 17 – Cowan. Aufgrund dieses Urteils wurde der persönliche Anwendungsbereich des deutschen Opferentschädigungsgesetzes auf Staatsangehörige eines EG-Mitgliedstaates erweitert (§ 1 IV), siehe Art. 1 des Zweiten Gesetzes

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Da praktisch jeder Auslandsaufenthalt mit der Inanspruchnahme von Dienstleistungen verbunden ist,71 öffnet dieses Urteil das Tor zu einer Gleichbehandlung aller Bürger der Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialleistungen.72 Nach Stimmen in der Literatur ist die logische Konsequenz dieser Rechtsprechung, dass jeder EUBürger einen Anspruch auf diejenigen sozialen Leistungen hat, die ein Inländer unter den gleichen Bedingungen erhalten würde.73 Eine Ausnahme zum generellen Anspruch auf die den Inländern zustehenden Sozialleistungen könnte allenfalls für die Bereiche gelten, in denen ein ansonsten mittelloser Bürger, der im EG-Ausland lebt, dort Sozialleistungen beantragt: Teilweise wird davon ausgegangen, in diesen Fällen sei Art. 49 EG mangels der Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht einschlägig.74

cc) Arbeitsrechtliche Bestimmungen Die dynamische Interpretation der europäischen Grundfreiheiten führte auch zu zahlreichen Auswirkungen auf das nationale Arbeitsrecht, was an zwei Beispielen verdeutlicht werden soll: zur Änderung es über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 21. 07. 1993, BGBl. 1993 I, S. 1262. Vgl. dazu Held / Wältermann, BArbBl. 9 / 1993, S. 9 ff. 71 Der EuGH stellte schon im Urteil Luisi & Carbone (Rs. 286 / 82, 26 / 83, Slg. 1984, 377, Rn. 16) fest, dass neben Touristen auch „Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, und solche, die Studien- oder Geschäftsreisen unternehmen“ als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind. 72 So auch Willms, Soziale Sicherung durch europäische Integration (1990), S. 86 m. w. N.; Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 233 ff.; Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 412. Relativierend aber Kuhn, Soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft (1995), S. 359, die darauf verweist, es bedürfe zunächst einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation, bevor eine Einschlägigkeit des Diskriminierungsverbotes gegeben sei. Dies ist wegen der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Dienstleistungen jedoch gerade der Regelfall. Allerdings hat der EuGH in manchen Urteilen anklingen lassen, dass er eine Einschränkung der Cowan-Rechtsprechung bei nicht europarechtlich geregelten Materien vornehmen wolle, vgl. die Nachweise bei Hailbronner, EuZW 1991, S. 171 ff. (179). Diese Entscheidungen sind jedoch durch die Entscheidung Grzelczyk (EuGH, Rs. C-184 / 99, Slg. 2001, I-6193, Rn. 34 f.) überholt; so auch Obwexer, EuZW 2002, S. 56 ff. (57). Kritisch zur Argumentationsweise des EuGH Hailbronner, NJW 2004, S. 2185 ff. 73 So etwa Pechstein, EuGRZ 1997, S. 547 ff. (553); Borchardt, NJW 2000, S. 2057 ff. (2057); Langer, Beitrag des Europäischen Gerichtshofs (2000), S. 45; Höfler, NVwZ 2002, S. 1206 ff. (1208); Hilf, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 18 EGV, Rn. 7. Kritisch dazu aber Bode, EuZW 2003, S. 552 ff. (553 ff.). 74 So etwa Woude / Mead, CMLR 1988, S. 117 ff. (123); Willms, Soziale Sicherung durch europäische Integration (1990), S. 86 f. Vgl. dazu auch die deutsche Bestimmung § 120 III BSHG, die Ausländern, die sich zur Erlangung von Sozialhilfe nach Deutschland begeben haben, diesen Anspruch verweigert. Er ist jedoch auf EG-Arbeitnehmer und Verbleibeberechtigte nicht anwendbar, vgl. Birk, in: Armborst (Hrsg.), BSHG-Kommentar, § 120, Rn. 51; Fasselt, in: Fichtner (Hrsg.), BSHG-Kommentar, § 120, Rn. 10.

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Eine klassische Problematik, in der die Bedeutung der Dienstleistungsfreiheit zum Ausdruck kam, besteht im Bereich der Arbeitnehmerentsendung. Art. 49 I EG gibt Arbeitgebern grundsätzlich das Recht, ihre Arbeitnehmer ins Ausland zu entsenden,75 was beispielsweise in der Bauwirtschaft weit verbreitet ist. Ob die unterschiedlich gehandhabte Praxis der Empfangsländer, diesen Arbeitern die eigenen arbeitsrechtlichen Vorschriften aufzuerlegen, eine unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt, war lange Zeit heftig umstritten.76 Die 1996 erlassene europäische Entsenderichtlinie 77 bestimmt nun, dass die länger als einen Monat entsandten Arbeitnehmer unter anderem hinsichtlich Vergütung, Arbeitszeit und Arbeitsschutz den Mindestbestimmungen des Empfängerstaates unterliegen müssen.78 Damit schützt die Richtlinie zwar die nationalen arbeitsrechtlichen Regelungen und verzichtet weitgehend auf harmonisierende Bestimmungen.79 Trotzdem ist sie ein Beispiel für die sich durch ökonomische Freiheiten ergebende Notwendigkeit gemeinsamen Vorgehens im sozialen Bereich. Außerdem ist umstritten, ob diese Einschränkungen mit Art. 49 EG überhaupt vereinbar sind,80 und die Geltung nationaler Umsetzungsbestimmungen wie etwa des deutschen Endsendegesetzes81 ist noch ungeklärt82. Eine weitere Einschränkung des nationalen Handlungsspielraums bei der Arbeitnehmerentsendung könnte von dem bereits angesprochenen Vorschlag der Kommission für eine allgemeine Dienstleistungsrichtlinie 83 ausgehen. Weitreichende 75 Vgl. Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht (2001), S. 293; Schaub, Arbeitsrechts-Hb. (2002), § 208 Rn. 29. 76 Vgl. nur Boecken, ZIAS 1999, S. 219 ff.; Eichhorst, Europäische Sozialpolitik (2000), S. 123 ff.; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht (2001), S. 293 ff. 77 Richtlinie 96 / 71 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 16. 12. 1996, ABl. EG Nr. L 18 / 1. Vgl. dazu Däubler, EuZW 1997, S. 613 ff.; Koenigs, DB 1997, S. 225 ff.; Krebber, IPRax 2001, S. 22 ff. 78 Art. 3 der Richtlinie. 79 So etwa auch das Fazit bei Eichhorst, Europäische Sozialpolitik (2000), S. 301 ff.; Lunk / Nehl, DB 2001, S. 1934 ff. 80 Steck, EuZW 1994, S. 140 ff. (141 f.); Däubler, EuZW 1997, 613 ff.; Roloff, Beschränkungsverbot des Art. 39 EG (2003), S. 168 ff.; Schlachter, in: Dieterich u. a. (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 1 AEntG, Rn. 3 f. Allerdings hat der EuGH festgestellt, die Übertragung der nationalen Arbeitsbedingungen auf entsandte Arbeitnehmer sei grundsätzlich mit der Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren, da der Arbeitnehmerschutz zu den „zwingenden Gründen des Allgemeinwohls“ gezählt wird, siehe EuGH, Rs. C-113 / 89, Slg. 1990, I-455, Rn. 18 – Rush Portugesa; Rs. C-369 / 96 und C-376 / 96, Slg. 1999, I-8453, Rn. 36 – Arblade. 81 Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) vom 26. 02. 1996, BGBl. 1996 I, S. 227. 82 Vgl. bereits Gerken / Löwisch / Rieble, BB 1995, S. 2370 ff. (2373); Junker / Wichmann, NZA 1996, S. 505 ff. Die Europäische Kommission hat im Juli 2002 beim EuGH Klage gegen das deutsche Entsendegesetz wegen Verletzung der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsfreiheit eingereicht; Rs. C 341 / 02, ABl. EG 2002 Nr. C 305 / 10. Das Verfahren ist anhängig. 83 KOM (2004) 2 endg.

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Folgen wären insbesondere bei einer Umsetzung der in Art. 24 und 25 des Vorschlags niedergelegten Bestimmungen zu erwarten.84 Ein aktueller Streitfall betrifft die Niederlassungsfreiheit ausländischer Unternehmen. Zur Vermeidung strenger gesellschaftsrechtlicher Regelungen, wie sie etwa in den Niederlanden oder in Deutschland gelten, besteht für Unternehmen der Anreiz, den Hauptsitz formal in einem anderen Mitgliedstaat zu errichten. Besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei die britische Rechtsform der „private company limited by shares“ (Ltd). Der EuGH entschied in zwei Urteilen, dass ein solches Vorgehen auch bei offensichtlicher Umgehungsabsicht und schwerpunktmäßigem Tätigwerden des jeweiligen Unternehmens außerhalb des formalen Sitzstaates von Art. 43 I EG geschützt sei.85 Nationale Beschränkungen, also etwa der Versuch einer Übertragung des jeweiligen Gesellschaftsrechts auf die Zweigniederlassung des ausländischen Unternehmens, könnten zwar aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. In den zu entscheidenden Fällen sah der EuGH eine solche Rechtfertigung aber als nicht gegeben an, obwohl verschiedene Gründe – wie etwa der Gläubigerschutz, die Missbrauchskontrolle und die Lauterkeit des Handelsverkehrs – geltend gemacht worden waren.86 Zu befürchten ist, dass durch diese Wahlmöglichkeit auch arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen unterwandert werden könnten. Da beispielsweise das deutsche Mitbestimmungsrecht nicht auf ausländische Zweigniederlassungen anwendbar ist,87 könnten Unternehmen durch die Wahl einer britischen Rechtsform diese arbeitsrechtlichen Bestimmungen umgehen. Eine Änderung des Mitbestimmungsrechts zur Absicherung des hohen arbeitsrechtlichen Schutzniveaus ist problematisch: Zwar kann nach Ansicht des EuGH auch der Schutz der Arbeitnehmer grundsätzlich einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen.88 Ob die Schutzbestimmungen jedoch auch der vom EuGH strikt angewendeten Erforderlichkeitsprüfung standhalten würden, ist jedoch zu bezweifeln.89 Eine neue Dynamik erhält die Problematik außerdem durch den Vorschlag der Kommission für eine allgemeine Dienstleistungsrichtlinie 90, nach dessen Art. 14 84 Skeptisch dazu auch der Beschluss des Deutschen Bundesrates zum Vorschlag KOM (2004) 2 endg., Drucksache 128 / 04 vom 02. 04. 2004, ad 24, 48. 85 EuGH, Rs. C-212 / 97, Slg. 1999, I-1459, Rn. 27 – Centros; EuGH, Urteil vom 30. 09. 2003, Rs. C-167 / 01, noch nicht in der amtl. Slg., Rn. 136 ff. – Inspire Art, abgedruckt in EuZW 2003, S. 687 ff. Vgl. dazu die Anmerkung Leible / Hoffmann, EuZW 2003, S. 677 ff.; Spindler / Berner, RIW 2003, S. 949 ff. 86 Vgl. EuGH, Rs. C-212 / 97, Slg. 1999, I-1459, Rn. 35 ff. – Centros; EuGH, Urteil vom 30. 09. 2003, Rs. C-167 / 01, noch nicht in der amtl. Slg., Rn. 132 ff. – Inspire Art. 87 Vgl. nur Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff. (1237). 88 EuGH, Rs. C-208 / 00, Slg. 2002, I-9919; Rn. 92 – Überseering. 89 So auch Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233 ff. (2242); Binz, GmbHR 2003, S. 249 ff. (257); Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff. (1237); Ziemons, ZIP 2003, S. 1913 ff. (1917). 90 KOM (2004) 2 endg.

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eine Reihe von staatlichen Anforderungen an die Niederlassung ausländischer Unternehmen als unzulässig qualifiziert werden soll.

c) Ansätze einer europäischen Sozialpolitik Die Dynamik der Grundfreiheiten führte somit zwar nicht zu einer generellen Verdrängung des Sozialen, setzte aber die Eigenständigkeit der nationalen Regelungen unter Druck und ordnete die an sozialen Zielen ausgerichteten nationalen Sozialordnung nach ökonomischen Kriterien neu. Dem wirkt jedoch der schrittweise Versuch der Mitgliedstaaten entgegen, auf Gemeinschaftsebene eine eigenständige Sozialpolitik zu rekonstruieren.91 Erstens wurde versucht, den in vielen Bereichen als defizitär empfundenen92 Schutz sozialer Rechte durch die Formulierung von europäischen sozialen Grundrechten auszubauen.93 Zu nennen sind hier etwa die Europäische Sozialcharta von 196194, die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 198995 sowie die Aufnahme eines Kapitels IV „Solidarität“ in die GrundrechteCharta aus dem Jahre 200096, die in die neue europäische Verfassung integriert werden soll97. 91 Dass ein gesetzgeberisches Tätigwerden einzelfallbezogenen Reaktionen auf EuGH-Urteile vorzuziehen sei, betont auch Schulte, Europäisches Wirtschaftsrecht (2000), S. 35 f. Zu den ökonomischen Hintergründen dieses Anliegens vgl. etwa Sapir, Trade Liberalization (1996), S. 555 ff.; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (202 ff.); Großmann / Busse / Fuchs / Koopmann, Sozialstandards in der Welthandelsordnung (2002), S. 57 f. Vgl. auch Graser, ZIAS 2000, S. 336 ff. (350 f.); Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (197); Pieters, SozVers 2001, S. 57 ff. (64) und Terwey, SozVers 1998, S. 289 ff. (292): „Wer auch künftig einen starken Sozialstaat will, muss ihn auf europäischer Ebene neu begründen.“ 92 Vgl. nur Heinze, SGb 2001, S. 157 ff. (157); Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 114 m. w. N.; Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2003), § 19 Rn. 2. 93 Zur Bedeutung von sozialen Grundrechten als Steuerungsprinzipien der Sozialpolitik vgl. Pitschas, VSSR 2000, S. 207 ff. (219 f.). 94 Europäische Sozialcharta vom 18. 10. 1961, BGBl. 1964 II, S. 1262. Die 1996 erfolgte und 1999 in Kraft getretene Revision ist bisher nur von einer Minderheit der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert worden, vgl. dazu Birk, FS Söllner (2000); Dötsch, AuA 2001, S. 27 ff.; ders., AuA 2001, S. 362 ff. (362); Zachert, NZA 2001, S. 1041 ff. (1041). 95 Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 02. 10. 1989, vorgelegt von der Kommission, KOM (89) 248 endg., vom Europäischen Rat (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs) angenommen am 09. 12. 1989, abgedruckt in Soziales Europa 1990, S. 52 ff. Vgl. dazu Lampert, Bedeutung der Gemeinschaftscharta (1991); Heinze, Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte (1996); Ringler, Europäische Sozialunion (1997), S. 173 ff. 96 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 07. 12. 2000, ABl. EG 2000 Nr. C 364 / 1. Zur Entstehung vgl. Bernsdorff, VSSR 2001, S. 1 ff. (1 ff.); Zachert, NZA 2001, S. 1041 ff. (1042 f.) und die Sammlung bei Bernsdorff / Borowsky, Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2002). Allgemein dazu siehe Dötsch, AuA 2001, S. 362 ff.; Cal-

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Zweitens entwickelte sich in mehreren Stufen eine gemeinschaftliche Sozialpolitik.98 Schon 1974 wurde ein „Sozialpolitisches Aktionsprogramm“99 erlassen, das auf eine gemeinsame Beschäftigungspolitik, die Einbeziehung der Sozialpartner in die Entscheidungsfindung und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgerichtet war.100 Weitere Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sozialpolitik stellten die Einheitliche Europäische Akte101, das „Abkommen über die Sozialpolitik“ 102 sowie insbesondere der Amsterdamer Vertrag dar, der die sozialen Bestimmungen in den EG-Vertrag (Art. 136 ff. EG) integrierte.103 Zentrale Kompetenznorm ist nun Art. 137 EG, der – in seiner durch den Vertrag von Nizza geringfügig modifizierten Fassung104 – eine Gemeinschaftskompetenz in einer Fülle von Politikbereichen begründet.105 Ein eigenständiger Titel existiert mit Art. 125 ff. EG seit Amsterdam auch für die europäische Beschäftigungspolitik.106 Zwar verbleiben dort die Kompetenzen grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten,107 aber die Gemeinschaft arbeitet auf eine „koordinierte Beschäftigungsstrategie“ hin108. Bereits seit Maastricht kommen der EG auch gewisse Kompetenzen für das Gesundheitswesen zu.109 Neue Dynamik liess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2003), § 19; Meyer (Hrsg.), Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2003). 97 Vgl. Art. 7 I und Teil II des Vertragsentwurfes über eine Verfassung für Europa vom 20. 06. 2003, ABl. EG 2003 Nr. C 169 / 1. 98 Vgl. allgemein Berié, Europäische Sozialpolitik (1993); Ringler, Europäische Sozialunion (1997), S. 89 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 289 ff. 99 Entschließung des Rates über ein Sozialpolitisches Aktionsprogramm vom 21. 01. 1974, ABl. EG 1974 Nr. C 13 / 1. 100 Vgl. Sapir, Trade Liberalization (1996), S. 555 f.; Ringler, Europäische Sozialunion (1997), S. 105 ff.; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (202 f.). 101 Vom 17. / 28. 02. 1986, ABl. EG 1987 Nr. L 169 / 1. 102 Annex zum Protokoll Nr. 14 zum Vertrag über die Europäische Union vom 07. 02. 1992 („Protokoll über die Sozialpolitik“), ABl. EG 1992 Nr. C 191 / 1 (90 ff.). 103 Vgl. Heinze, FS Söllner (2000), S. 431 f.; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (207); Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 292; Koenig / Haratsch, Europarecht (2003), S. 295 f. Eine Synopse zu den inhaltlichen Veränderungen findet sich bei Berié, Freiraum für nationale Sozialpolitik (2001), S. 97 ff. 104 Vgl. den Vertrag von Nizza vom 26. 02. 2001, ABl. EG 2001 Nr. C 80 / 1, Nr. 9 (S. 17). 105 Vgl. dazu Buchner, FS Söllner (2000); Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (207 ff.); Krebber, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 137 EG, Rn. 4 ff.; Langenfeld, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 137 EGV, Rn. 76 ff. 106 Siehe allgemein Keller, Europäische Arbeits- und Sozialpolitik (2001), S. 285 ff.; Krebber, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 125 EG, Rn. 1 ff. 107 Vgl. Heinze, FS Söllner (2000), S. 433; Joussen, ZIAS 2000, S. 191 ff. (210 f.); Krebber, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 125 EG, Rn. 3 ff.; Kreßel, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 126 EGV, Rn. 5. 108 Art. 125 EG. Eine Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften ist gem. Art. 129 2. Unterabsatz EG aber ausgeschlossen.

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verspricht auch die vom Europäischen Rat im Jahre 2000 beschlossene neue Strategie einer „offenen Koordinierung“. Dabei soll zwar die Vielfalt der mitgliedstaatlichen Sozialsysteme beachtet werden, auf der Grundlage gemeinsam formulierter Zielvorstellungen sollen jedoch auch bindende Handlungsempfehlungen an die Mitgliedstaaten gerichtet werden können.110 Im Konventsentwurf für die neue europäische Verfassung sind die bestehenden Regeln des EG-Vertrages im Wesentlichen unverändert übernommen worden.111 Insgesamt ist festzustellen, dass die Integration sozialer Bestimmungen in das Gemeinschaftsrecht schrittweise vor sich ging. Rechtlich unverbindliches „weiches“ Recht verfestigte sich im Laufe des wirtschaftlichen Zusammenwachsens unehmend112 und wurde in den EG-Vertrag integriert. Das in Art. 5 EG (ex-Art. 3 b EGV) niedergelegte Subsidiaritätsprinzip, das nur die Ausübung bestehender, nicht die Verteilung neuer Kompetenzen regelt,113 konnte diese Dynamik nicht bremsen.

d) Zwischenergebnis Die wirtschaftlichen Grundfreiheiten des Vertrages ziehen weitere Kreise als bei Gründung der Europäischen Gemeinschaft erwartet: Die Vorstellung, durch bloße Koordinierung in einzelnen Fällen ließe sich die Souveränität der Mitgliedstaaten im sozialen Bereich bewahren, stellte sich als falsch heraus. Inzwischen werden alle Bereiche der mitgliedstaatlichen Sozialordnungen von der Geltung der Grund109 Art. 152 EG (ex-Art 129 EGV). Die Gemeinschaft fördert beispielsweise die Zusammenarbeit im Bereich der Krankheitsverhütung (Abs. 2) und kann Maßnahmen etwa zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Blut oder zur Regelung des Veterinärwesens und des Pflanzenschutzes erlassen (Abs. 4). Vgl. dazu Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU (1997), S. 289 ff., 433 ff.; Ringler, Europäische Sozialunion (1997), S. 232 ff.; Schulte, EG-rechtliche Rahmenbedingungen (2001), S. 66; Berg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 152 EG Rn. 17 ff. 110 Vgl. dazu Europäischer Rat von Lissabon, Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 23. / 24. 03. 2000, SN 100 / 00, Tz. 24 ff., 37 ff.; Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 390 ff. m. w. N. 111 Vgl. Art. III-103 ff. (Sozialpolitik), III-97 ff. (Beschäftigung) und III-179 (Gesundheitswesen) des Vertragsentwurfes über eine Verfassung für Europa vom 20. 06. 2003, ABl. EG 2003 Nr. C 169 / 1. Keine Modifikationen haben diese Bestimmungen auch im Rahmen der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten im Juni 2004 erfahren, vgl. die Vorläufige konsolidierte Fassung des Vertrags über eine Verfassung für Europa vom 25. 06. 2004, CIG 86 / 02. 112 Vgl. dazu nur Graser, ZIAS 2000, S. 336 ff. (341 ff.) m. w. N. 113 Beutler / Epiney / Haag, Europäische Union (2001), Rn. 130 ff.; Streinz, Europarecht, (2003), Rn. 145a; Zuleeg, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 1, Art. 5 EG, Rn. 26. Allgemein zum Subsidiaritätsprinzip Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip (1999), S. 62 ff.; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 5 EG, Rn. 30 ff. Vgl. dazu auch Kahil, Europäisches Sozialrecht und Subsidiarität (1996).

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freiheiten berührt, und zur Herstellung einer tragfähigen Lösung waren zum Teil umfassende Anpassungsprozesse der staatlichen Rechtsordnungen erforderlich. Die Absicherung der sozialen Bestimmungen erfolgte aber zunehmend auch auf Gemeinschaftsebene, so dass eine doppelte Entwicklung zu beobachten ist: Die verstärkte wirtschaftliche Integration führte nicht nur zu Anpassungszwängen auf nationaler Ebene, sondern auch zu einer Kompetenzverschiebung hin zur EU.

2. Auswirkungen des Wettbewerbsrechts Nicht nur aus den Grundfreiheiten, sondern auch aus dem europäischen Wettbewerbsrecht ergaben sich in der Vergangenheit zahlreiche Anpassungszwänge für die nationalen Sozialordnungen. Neben den Beihilfevorschriften der Art. 87 – 89 EG (ex-Art. 92 – 94 EGV) sind hier insbesondere die kartellrechtlichen Bestimmungen der Art. 81 – 86 EG (ex-Art. 85 – 90 EGV) von zentraler Bedeutung. Während noch vor wenigen Jahren davon gesprochen werden konnte, deren Auswirkungen auf die nationalen Sozialordnungen seien eher eine Rechtsfrage als ein Rechtsbereich, denn es sei „gerade erst die Wahrnehmungsschwelle der juristischen Diskussion überschritten“,114 ist diese Problematik heute Gegenstand einer umfangreichen politischen wie rechtswissenschaftlichen Debatte115. Gemäß Art. 81 und 82 EG sind wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen und der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Unternehmen verboten, gemäß Art. 87 EG sind Beihilfen an bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige grundsätzlich unzulässig. Sowohl im Sozialrecht im engeren Sinne mit seinen Sozialversicherungsmonopolen, den umfangreichen staatlichen Zuschüssen und der Sonderstellung bestimmter freier Wohlfahrtsverbände, als auch im Arbeitsrecht mit seinen gewerkschaftlichen Sonderrechten und der herausgehobenen Rolle des Staates etwa im Bereich der Ausbildung oder der Absicherung bestimmter Risiken, besteht unzweifelhaft eine Situation, die von diesem Konzept eines ungehinderten Marktes abweicht. Zentral für die Frage der Vereinbarkeit der nationalen Sozialordnungen mit dem Gemeinschaftsrecht ist daher, ob die Wettbewerbsvorschriften im sozialen Bereich Anwendung finden, und wenn ja, ob Rechtfertigungsmöglichkeiten bestehen.

114 Graser, ZIAS 2000, S. 336 ff. (339). Ähnlich auch Schulte, Europäisches Wirtschaftsrecht (2000), S. 23 sowie Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 285: „Viele haben noch nicht einmal erfasst, dass in diesem Bereich eine lebhafte Entwicklung in Gang gekommen ist.“ 115 Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (253) bezeichnet die Problematik als eine der in den letzten Jahren „meistbeachtetsten Fragen des Europarechts“. Vgl. dort auch die umfassenden Nachweise zur Diskussion.

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a) Wettbewerbsregeln und Sozialversicherungsmonopole Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist die Frage der Vereinbarkeit der in den EG-Mitgliedstaaten weit verbreiteten Sozialversicherungsmonopole116 mit den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften.117 aa) Parallelproblem im Rahmen der Grundfreiheiten Diese Frage ist nicht nur ein wettbewerbsrechtliches Problem, sondern könnte auch als Debatte im Rahmen der Geltung der Grundfreiheiten geführt werden: Schließlich beeinträchtigt die Pflichtmitgliedschaft in einem Versicherungssystem die passive Dienstleistungsfreiheit der Versicherten ebenso wie die aktive Dienstleistungsfreiheit oder Niederlassungsfreiheit von denjenigen ausländischen Unternehmen, die eine marktförmige Absicherung dieser Risiken anbieten wollen.118 Die bisherigen Entscheidungen des EuGH weisen darauf hin, dass diese Einschränkungen als europarechtskonform angesehen werden.119 Überlegenswert wäre in diesem Zusammenhang auch, bei der Tätigkeit von Sozialversicherungsmonopolen die Ausnahmebestimmung des Art. 45 I EG heranzuziehen. Nach dieser Norm findet die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit120 bei der „Ausübung hoheitlicher Gewalt“ keine Anwendung. Sie wird in der Rechtsprechung des EuGH jedoch eng ausgelegt und hat bisher keine große praktische Bedeutung erlangt.121 In der Literatur wird die Problematik der Sozialversicherungsmonopole zwar angesprochen,122 doch wird auch hier der Schwerpunkt meist auf das Wettbewerbsrecht verlagert, indem diesbezüglich eine Kongruenz gefordert wird: Scheitere die Anwendung der Art. 81 ff. EG mangels der Unternehmenseigenschaft des jeweiligen Sozialversicherungsträgers123, sei auch das Vorliegen einer Dienstleistung zu 116 „Sozialrecht beruht auf staatlichen Monopolen.“ Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 45. 117 Vgl. allgemein Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 112 ff.; Fuchs, ZIAS 1996, S. 338 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 482 ff. 118 Vgl. Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 129 f. 119 Siehe etwa EuGH, Rs. C-238 / 94, Slg. 1996, I-1673, Rn. 14 ff. – García (dazu Fuchs, ZIAS 1996, S. 338 ff. [343 ff.]; ders., Europäisches Sozialrecht [2002], Rn. 83 ff. m. w. N.) sowie EuGH, Rs. C-70 / 95, Slg. 1997, I-3395, Rn. 32 – Sodemare. 120 Vgl. Art. 55 EG. 121 So auch Bröhmer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 45 EG, Rn. 8; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 45 EGV, Rn. 4. 122 Vgl. etwa Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 128 ff.; Giesen, Vorgaben des EG-Vertrages (1999), S. 91 ff.; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 53 ff. m. w. N. In Deutschland wurde insbesondere über die Zulassungsbeschränkungen von Ärzten diskutiert, vgl. die umfangreichen Nachweise zum Streitstand bei Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 359 f. 123 Dazu unten § 15 III.2.a) bb).

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verneinen124. In den anderen Fällen könne wie im Wettbewerbsrecht die Rechtfertigungsmöglichkeit des Art. 86 II EG herangezogen werden, da dieser für bestimmte Unternehmen nicht nur Ausnahmen vom europäischen Wettbewerbsrecht, sondern allgemein für „die Vorschriften dieses Vertrages“ zulasse.125 Insgesamt handelt es sich also wohl um „zwei Seiten derselben Medaille“126, die einer parallelen Lösung zugeführt werden sollten. Der Schwerpunkt der aktuellen Debatte liegt dabei jedoch eindeutig im Bereich des Wettbewerbsrechts, und dort treten auch die zentralen Probleme deutlicher hervor.

bb) Unternehmensbegriff Die Wettbewerbsregeln der Art. 81 ff. EG gelten nur für Unternehmen. Entscheidend ist deshalb, ob Sozialleistungsträger dem gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff unterfallen. Seit seinem ersten Urteil zu dieser Frage, in dem die Rechtmäßigkeit des Arbeitsvermittlungsmonopols des deutschen Arbeitsamtes zur Debatte stand,127 vertritt der EuGH einen funktionalen Unternehmensbegriff: Da „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung“128 darunter falle, also etwa auch Stellen der öffentlichen Verwaltung ohne eigene Rechtspersönlichkeit,129 verschiebt sich die Problematik auf den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit. In einer Reihe von Urteilen grenzte der EuGH den Begriff ein, ohne eine eindeutige Definition zu entwickeln. Entscheidende Negativkriterien seien die soziale Natur der Tätigkeit, die Organisation der Aufgabenerfüllung nach dem „Grundsatz der Solidarität“ und die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. So wurde die Unternehmensqualität des deutschen Arbeitsamtes130, einer französischen Zusatzrenten124 Vgl. etwa Hailbronner, NJW 1991, S. 593 ff. (595); Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole (1996), S. 119 f.; Becker, JZ 1997, S. 534 ff. (540). A.A. aber Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (53 f.), der darauf verweist, dass es nicht auf die Dienstleistungsqualität des erbrachten Schutzes ankomme, sondern auf diejenige der dadurch verdrängten privaten Leistungen: Es sei „wenig sachgerecht, die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit nur deshalb zu verneinen, weil der Monopolist selbst keine Dienstleistung erbringt“. Ähnlich Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 369. 125 So etwa Hailbronner, NJW 1991, S. 593 ff. (600); Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (57). Skeptisch dagegen Becker, JZ 1997, S. 534 ff. (540). 126 Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 354 f. 127 EuGH, Rs. C-41 / 90; Slg. 1991, I-1979 – Höfner und Elsner. 128 EuGH, Rs. C-41 / 90; Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 – Höfner und Elsner. Ebenso EuGH, C-159, 160 / 91, Slg. 1993, I-637, Rn. 17 – Poucet und Pistre; EuGH, Rs. C-244 / 94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 14 – Fédération française des sociétés d’assurances. 129 Vgl. Ipsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht (1997), S. 48; Neumann, Kartellrechtliche Sanktionierung (2000), S. 100 f.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 314; Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 Rn. 11 m. w. N.

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versicherung131, zweier niederländischer Betriebspensionsfonds132 sowie einer Sanitätsorganisation, die Notfall- und Krankentransportleistungen erbrachte,133 bejaht, während dies bei einem französischen Versicherungsträger für Krankheit, Mutterschaft und Altersvorsorge bei bestimmten Selbständigen134 und bei dem Träger einer italienischen Unfallversicherung135 verneint wurde. Unklar blieb bei diesen Entscheidungen jedoch, welchen Grad an Solidarität das System aufweisen muss, um von den Wettbewerbsbestimmungen ausgenommen zu werden.136 Zusätzlich verkompliziert wird die Rechtsprechung dadurch, dass auch ohne Vorliegen eines Unternehmens nach der Rechtsprechung des EuGH die Mitgliedstaaten bei ihrem Handeln die „praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln“ nicht aufheben dürfen137 – „welche Konsequenzen daraus im Einzelnen zu ziehen sind, ist im Moment noch ungeklärt“138.

cc) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Liegt die Unternehmenseigenschaft vor, bedeutet dies jedoch noch nicht automatisch die Europarechtswidrigkeit eines Sozialversicherungsmonopols. Der 130 EuGH, Rs. C-41 / 90; Slg. 1991, I-1979, Rn. 22 – Höfner und Elsner. Vgl. dazu Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 32 ff.; Ipsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht (1997), S. 48 ff.; Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 297 f.; Schröter, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 EG, Rn. 21 ff. 131 EuGH, Rs. C-244 / 94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 19 ff. – Fédération française des sociétés d’assurances. Dazu Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 347 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 321 ff. 132 EuGH, Rs. C-67 / 96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 71 ff. – Albany International; Rs. C-115 – 117 / 97, Slg. 1999, I-6025, Rn. 71 ff. – Brentjens. Vgl. dazu Berg, EuZW 2000, S. 170 ff. 133 EuGH, Rs. C-475 / 99, Slg. 2001, I-8089, Rn. 19 ff. – Ambulanz Glöckner. 134 EuGH, Rs. C-159, 160 / 91, Slg. 1993, I-637, Rn. 10 ff. – Poucet und Pistre. Dazu Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 300 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 319 ff.; Schröter, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 EG, Rn. 36. 135 EuGH, Rs. C-218 / 00, Slg. 2002, I- 691, Rn. 34 ff. – INAIL. Dazu Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 325 ff. 136 So etwa auch Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (34). Kritisch auch Nettesheim, Mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge (2002), S. 45; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 328; Koenig / Kühler, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 EG, Rn. 11 f. 137 St. Rspr.; so etwa EuGH, Rs. 267 / 86, Slg. 1988, 4769, Rn. 16 – Van Eycke, Rs. C-96 / 94, Slg. 1995, I-2883, Rn. 20 – Centro Servici; Rs. 70 / 95, Rs. C-115 – 117 / 97, Slg. 1999, I-6025, Rn. 65 – Brentjens. 138 Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 98 m. w. N. Ebenso Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 75. Vgl. dazu auch Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 316 f. Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 126 folgert daraus, dass „der gesamte Bereich der sozialen Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrages unterworfen [werde]“.

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EuGH betont immer wieder, dass die alleinige Existenz eines Monopols noch keinen Verstoß gegen Art. 81 oder 82 EG darstelle139. Allerdings dürfte ein Sozialleistungsmonopol leicht mit den speziellen Missbrauchstatbeständen des Art. 82 EG in Konflikt kommen: Erstens wird vom EuGH die Ausweitung eines Monopols auf sachlich getrennte Aufgabenfelder ohne sachlichen Grund als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen.140 Demnach können viele Veränderungen der Unternehmensaufgaben als Ausweitung interpretiert werden.141 Schwierigkeiten dürfte auch das Verbot „unangemessener“ Verkaufspreise in Art. 82 II a) EG bereiten, worunter der EuGH einen überhöhten Preis versteht, „der in keinem vernünftigen Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht“142. Auch ein Verstoß gegen das Verbot des Art. 82 II b) EG, eine „Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher“ zu verursachen, kann aus der Arbeitsweise eines Sozialleistungsmonopols leicht abgeleitet werden.143 Die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, ein weiteres Tatbestandsmerkmal des Art. 82 EG, stellt bei einem sämtliche ausländische Anbieter ausschließenden Monopol in der Regel ebenfalls keine hohe Hürde dar.144 139 EuGH, Rs. 322 / 81, Slg. 1983, 3461, Rn. 57 – Michelin; Rs. 391 / 84, Slg. 1985, 3261, Rn. 17 – CBEM. Vgl. dazu auch Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (46 ff.) sowie Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 EG Rn 27 m. w. N. 140 So etwa EuGH, Rs. C-18 / 88, Slg. 1991, I-5941, Rn. 24 – GB-Inno-BM; Rs. C-271, 281 und 289 / 90, Slg. 1992, I-5883, Rn. 36 – Telekommunikationsdienste. Kritisch dazu die Literatur, vgl. etwa Ehricke, EuZW 1993, S. 211 ff. (212); Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 72. 141 So wurde etwa die Erweiterung des Aufgabenbereichs eines Monopols für Notfalltransporte auf nicht-notfallbedingte Krankentransporte als Missbrauch im Sinne des Art. 82 EG angesehen (EuGH, Rs. C-475 / 99, Slg. 2001, I-8089, Rn. 40 ff. – Ambulanz Glöckner). Verschärfend wirkt hierbei die Rechtsprechung, dass es keines tatsächlichen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung bedürfe, sondern dessen potentielle Ermöglichung durch die staatlicherseits gewährten Privilegien ausreiche (vgl. EuGH, Rs. C-260 / 89, Slg. 1991, I-2925, Rn. 37 – ERT; Rs. 179 / 90, Slg. 1991, I-5889, Rn. 17 – Porto di Genova). Außerdem ist seit dem Corbeau-Urteil im Jahre 1993 unklar, ob über die effet utile-Rechtsprechung im Ergebnis doch allein die Existenz eines Monopols für die grundsätzliche Annahme eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsbestimmungen genügt (vgl. EuGH, Rs. C-320 / 91, Slg. 1993, I-2533, Rn. 11 ff.; so auch Everling, EuR 1994, S. 386 ff. [398]; Giesen, Sozialversicherungsmonopol [1995], S. 73; ders., Vorgaben des EG-Vertrages [1999], S. 133; Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. [47 f.]). 142 EuGH, Rs. 27 / 76, Slg. 1978, 207, Rn. 250 – United Brands; Rs. C-242 / 95, Slg. 1997, I-4449, Rn. 39 – GT-Link. 143 So bejahte der EuGH beispielsweise im bereits angesprochenen Urteil Höfner und Elsner diesen Missbrauchstatbestand, weil das Arbeitsamt „offensichtlich“ keine angemessene Vermittlung von Führungskräften leisten könne (EuGH, Rs. C-41 / 90; Slg. 1991, I-1979, Rn. 30 f. – Höfner und Elsner). Als Beweis genügte dem Gericht die Existenz privater Personalberater. Vgl. dazu Füller, ARSP-Beiheft 83 (2002), S. 121 ff. (127) („versagendes Monopol“); v. Burchardt, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 86 EG Rn. 43. 144 Vgl. dazu Neumann, Kartellrechtliche Sanktionierung (2000), S. 158 und oben § 15 III.2.a) aa).

12 Spelten

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dd) Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 86 II EG Ein Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften kann allerdings über Art. 86 II EG gerechtfertigt sein: Danach gelten die Vertragsvorschriften für „Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind“ nur insoweit, als ihnen dadurch nicht „die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“ wird (S. 1). Allerdings darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, „das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft“ (S. 2). Das Ziel dieser Norm, die auf Drängen Frankreichs in den Vertrag aufgenommen wurde, besteht im Schutz dessen, was in Deutschland klassischerweise als Daseinsvorsorge145, in Frankreich als service public und in Großbritannien als public utilities bezeichnet wird146. Allerdings weist das Schutzgut von Art. 86 II EG keine Deckungsgleichheit zu diesen Begriffen auf, sondern ist gemeinschaftsrechtlicher Natur und hat einen eigenständigen Gehalt. Deshalb steht die Norm in einem Spannungsverhältnis zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen und setzt Grenzen für die staatliche Gestaltungsfreiheit.147 Nachdem der Norm bis in die späten 80er Jahre kaum eine praktische Bedeutung zukam, entwickelte sie sich nach und nach zur zentralen Schaltstelle für die Frage der Vereinbarkeit öffentlicher Unternehmen mit europäischem Wettbewerbsrecht. Hintergrund war das Binnenmarktprogramm der EG148, das auf eine umfassende Liberalisierung abzielte und dabei zunehmend auch den bisher staatlich geprägten Bereich der Daseinsvorsorge mit einbezog. Nach der Telekommunikation und dem Postwesen gerieten staatliche Monopole zunehmend auch im Luft- und Bahnverkehr, im Energiesektor und inzwischen auch im Bereich der Wasserversorgung149 unter Druck.150 145 Der Begriff geht auf Forsthoff, Verwaltung als Leitungsträger (1938) zurück. Vgl. dazu Mestmäcker, FS Zacher (1998), S. 635 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 102 ff. Zum Begriff vgl. auch Schwarze, EuZW 2001, S. 334 ff. (334 f.); Püttner, Konzept der Daseinsvorsorge (2002), S. 33 ff.; Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff (2003); Klotz, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 1, Art. 16, Rn. 14 ff. 146 Zu den verschiedenen Konzeptionen in den Mitgliedstaaten vgl. nur Hellermann, Daseinsvorsorge im europäischen Vergleich (2001), S. 80 ff. 147 Storr, DÖV 2002, S. 357 ff. (359); Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 146. Zur Anwendbarkeit des Art. 86 II auf staatliches Handeln vgl. auch Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 88 ff. 148 Verkörpert insbesondere im Weißbuch der Kommission über die Vollendung des Binnenmarktes vom 14. 06. 1985, KOM (85) 310 endg., vgl. dazu Thieffry / Doorn / Radtke, RIW 1989, S. 123 ff.; Seidel, FS Steindorff (1990); Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 1267 ff.; Scharpf, Regieren in Europa (1999), S. 60 ff.; Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 14 Rn. 1 ff. 149 Vgl. nur Geiger / Freund, EuZW 2003, S. 490 ff.; Lederer, Strukturwandel (2004), S. 442 ff. 150 Vgl. überblicksartig: Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung der Kommission vom 20. 09. 2000, KOM (2000) 580 endg., ABl. EG 2001 Nr. C 17 / 4, Rn. 37 ff. und

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Welches Schicksal sich durch diesen Bedeutungszuwachs für die staatliche Aufgabenerfüllung im sozialen Bereich ergibt, hängt von der Auslegung des Art. 86 II EG ab: Maßgeblich für die Reichweite des Artikels ist der Begriff des allgemeinen wirtschaftlichen Interesses, der anfangs eng am Wortlaut ausgelegt wurde und deswegen keine nicht-wirtschaftlichen Zwecke beinhaltete. Das bedeutete, dass Unternehmen, die mit der Wahrnehmung sozialer Interessen betraut waren, schon nicht dem Anwendungsbereich dieser Norm unterfielen.151 Diese enge, maßgeblich von der Kommission geprägte Interpretation wurde wegen der oft untrennbaren Verknüpfung von wirtschaftlichen mit sonstigen Interessen jedoch später aufgegeben.152 Inzwischen werden unter Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Tätigkeiten verstanden, „die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden“153. In verschiedenen neueren Urteilen des EuGH ist dementsprechend die Anwendbarkeit des Art. 86 II EG auf Unternehmen bejaht worden, die soziale Leistungen – etwa die bereits erwähnte Arbeitsvermittlung154 oder die Verwaltung eines Zusatzrentensystems155 – erbringen. Die weiteren Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift Art. 86 II EG wurden vom EuGH jedoch lange Zeit äußerst restriktiv interpretiert.156 Insbesondere das Erfordernis, nur eine tatsächliche oder rechtliche „Verhinderung“ der Erfüllung der Anhang I; Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 290 ff.; Britz, DVBl. 2000, S. 1641 ff.; Paulweber / Weinand, EuZW 2001, S. 232 ff.; Hochbaum / Klotz, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Art. 86 EG, Rn. 119 ff. Von einer „Norm mit zunehmender gemeinschaftsweiter Liberalisierungskraft“ spricht auch Oppermann, Europarecht (1999), Rn. 1058. Ebenso Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 345. 151 Vgl. Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 339; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 347; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 151 f. m. w. N.; v. Burchard, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 86 EGV, Rn. 64. Kritisch dazu Mestmäcker, FS Zacher (1998), S. 645; Magiera, FS Rauschning (2001), S. 284. Vgl. zum Begriff des allgemeinen wirtschaftlichen Interesses auch Hochbaum / Klotz, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Art. 86 EG, Rn. 60 ff. 152 Vgl. dazu Mestmäcker, FS Zacher (1998), S. 645; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 348. 153 Vgl. KOM (2000) 580 endg., Anhang II. 154 Außer in EuGH, Rs. C-41 / 90; Slg. 1991, I-1979 – Höfner und Elsner wurde dies auch in Rs. C-55 / 96, Slg. 1997, I-7119, Rn. 26 – Job Centre vertreten. 155 EuGH, Rs. C-67 / 96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 102 ff. – Albany International; Rs. C-115 – 117 / 97, Slg. 1999, I-6025, Rn. 102 ff. – Brentjens. 156 Vgl. EuGH, Rs. 127 / 73, Slg. 1974, 313, Rn. 19 / 22 – BRT II; so noch immer EuGH, Rs. C-242 / 95, Slg. 1997, I-4449, Rn. 50 – GT-Link; Rs. C-159 / 94, Slg. 1997, I-5815, Rn. 53 – Kommission / Frankreich. So auch Mestmäcker, FS Zacher (1998), S. 641; Storr, DÖV 2002, S. 357 ff. (359); Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 Rn. 34 f. m. w. N.; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 144; Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 86 EGV, Rn. 33. Kritisch dazu Füller, ARSP-Beiheft 83 (2002), S. 121 ff. (129). 12*

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Unternehmensaufgaben erlaube eine Ausnahme von der Geltung der Wettbewerbsvorschriften, erwies sich als fast157 unüberwindliche Hürde: Eine bloße Behinderung oder auch Einnahmeverluste wurden nicht als ausreichend anerkannt, sondern die Vertragstreue musste den vollständigen Verzicht auf die weitere Aufgabenerfüllung bedeuten.158 Zusätzliche Erschwernis bedeutete die Einschränkung in Satz 2, der eine Abwägung zwischen den mitgliedstaatlichen und gemeinschaftlichen Interessen erforderlich werden lässt,159 wegen der hohen Hürden von Satz 1 aber lange keine praktische Relevanz erlangte.160 Die enge Auslegung führte dazu, dass von Stimmen in der Literatur Art. 86 II EG bereits als obsolet angesehen wurde161. ee) Auswirkungen Wegen dieser restriktiven Interpretation des Art. 86 II EG bestand daher die Befürchtung, bei der sich abzeichnenden immer umfassenderen Anwendung des Wettbewerbsrechts auf den sozialen Bereich bestünden nur noch sehr begrenzte Möglichkeiten, ein Sozialleistungsmonopol mit Unternehmenseigenschaft zu rechtfertigen. So wurde etwa im Fall des Vermittlungsmonopols des Arbeitsamtes die Norm zwar angesprochen, ihre Voraussetzungen aber mit einer knappen Begründung als nicht gegeben angesehen.162 Eine Ausweitung dieser Rechtsprechung auf andere Bereiche der Sozialversicherungssysteme hätte zu einem erheblichen Anpassungsdruck auf die nationalen Sozialordnungen geführt: Den Staaten wäre zwar die Wahlmöglichkeit geblieben, für die Umsetzung der jeweiligen sozialen Aufgabe entweder einen klar am Prinzip der Solidarität ausgerichteten Leistungserbringer ohne Unternehmenseigenschaft zu betrauen, oder jedoch ein reines Marktmodell zu wählen, das uneingeschränkt dem europäischen Wettbewerbsrecht unterfallen würde. Eine Mischform, in der die Prinzipien der Solidarität und des Marktes miteinander verknüpft würden, stünde in der Gefahr, europarechtlich als Unternehmen qualifiziert zu werden und wegen der engen Voraussetzungen des Art. 86 II EG keine wettbewerbsrechtliche Sonderstellung zu genießen. 157 Siehe aber die (knappe) Aufzählung von anerkannten Fällen bei Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 Rn. 48. 158 Vgl. EuGH, Rs. 155 / 73, Slg. 1974, 409, Rn. 15 – Sacchi; Rs. 41 / 83, Slg. 1995, 873, Rn. 33 – Italien / Kommission. Vgl. auch Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 349; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 160. 159 EuGH, Rs. 10 / 71, Slg. 1971, 723, Rn. 13 / 16; Albin, DÖV 2001, S. 890 ff. (896 f.); Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 Rn. 53; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 166 f.; Koenig / Kühler, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 EG, Rn. 76 ff. 160 Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 350; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EUWirtschaftsrecht, H II Rn. 164. 161 So etwa Reich, Rundfunk im Wettbewerbsrecht (1988), S. 229; Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545 ff. (553). Dazu auch Mestmäcker, FS Zacher (1998), S. 641 f. m. w. N. 162 EuGH, Rs. C-41 / 90; Slg. 1991, I-1979, Rn. 25 – Höfner und Elsner.

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Dies hätte gerade für das Sozialversicherungssystem in Deutschland, das traditionell beispielsweise im Bereich der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung eine Verknüpfung eines marktnahen Versicherungsprinzips mit solidarischen Aspekten kennt, einschneidende Folgen gehabt. Insbesondere Reformbemühungen, die auf die weitere Einbeziehung von Marktelementen abzielen, hätten entweder zurückgenommen werden müssen oder hätten die Systeme in die Gefahr gebracht, den wettbewerbssichernden Vorschriften der Art. 81 ff. EG zu unterfallen.163 Darüber hinaus wurden in der Literatur die Prüfungsschritte des EuGH dahingehend interpretiert, dass eine Unternehmenseigenschaft immer dann bejaht werden könne, wenn die Aufgaben auch durch private Anbieter geleistet werden könnten.164 Das hätte zur Folge gehabt, dass nicht nur durch die Einführung von Marktelementen in das eigene Sozialversicherungssystem, sondern auch durch ein derartiges Vorgehen in einem anderen Mitgliedstaat die nationalen Regelungen unter Druck gesetzt würden: Schließlich könnte man unter Verweis auf die im anderen Land gewählten Marktlösungen argumentieren, der jeweilige Bereich des Sozialrechts lasse sich offensichtlich auch unter Einhaltung der Verbote aus Art. 81 und 82 EG organisieren, so dass eine Abweichung von diesen Bestimmungen nicht erforderlich sei.165 In letzter Konsequenz wäre sogar immer dann, wenn auch nur theoretisch das sozialpolitisch angestrebte Ziel auf marktkonformem Wege erreichbar wäre – etwa durch eine steuerfinanzierte Umverteilung oder eine marktnahe Lösung mit staatlichen Ausgleichszahlungen166 – der Weg über staatliche Monopole verbaut.167 163 So auch Auktor, ZIAS 2001, S. 200 ff. (205); Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (64); Pieters, SozVers 2001, S. 57 ff. (59); Schulte, EG-rechtliche Rahmenbedingungen (2001), S. 68. Beispiele bei Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 343; Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 98; Kingreen, Die sozialen Sicherungssysteme (2002), S. 113 ff.; ders., Sozialstaatsprinzip (2003), S. 334 f., 473 f., 489 f., 566 ff.; Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 357 ff. 164 Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 290; Schulz-Weidner, Sozialversicherungsmonopole (2000), S. 61; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 44; weitere Nachweise bei Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (36 f.). 165 So Schulz-Weidner, Sozialversicherungsmonopole (2000), S. 61 f.; ähnlich Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (255). Ablehnend Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 340. 166 Vgl. dazu unten § 15 III.2.c) bb). 167 So etwa Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 517 f. Vgl. dazu Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (38) m. w. N., der allerdings betont, eine solche Interpretation des Erforderlichkeitskriteriums könne aus der EuGH-Rechtsprechung nicht entnommen werden. Siehe auch Storr, DÖV 2002, S. 357 ff. (360): „Regelmäßig führt die Regulierung von Wettbewerb zu einer geringeren Beschränkung der Wettbewerbsgesetze als die einseitige Privilegierung einzelner Unternehmen“. Zum Teil wird auch Art. 295 EG (ex-Art. 222 EGV), nach dessen Wortlaut die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, als Argument gegen einen Zwang zur Privatisierung angeführt, vgl. dazu Schwarze, EuZW 2001, S. 334 ff. (336) und KOM (2000) 580 endg., Rn. 21. Ablehnend hierzu aber Giesen, Sozialversicherungsmonopol (1995), S. 82 ff. m. w. N.; Kingreen, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 295 EG, Rn. 12; ähnlich Karpenstein, in: Schwarze (Hrsg), EU-Kommentar, Art. 295 Rn 7.

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ff) Aktuelle Gegenbewegungen Das Unbehagen mit der steigenden Einengung der staatlichen Sozialsysteme durch das europäische Wettbewerbsrecht hat aber in den letzten Jahren eine Gegenbewegung hervorgerufen, die sich in Vertragsänderungen, einer teilweisen Änderung der Rechtsprechung des EuGH und der Modifizierung der Position der Kommission niedergeschlagen hat. (1) Unternehmensbegriff Erstens verdichten sich die Hinweise darauf, dass den Grundversorgungssystemen der sozialen Sicherheit schon die Unternehmensqualität abgesprochen wird und sie deswegen aus dem Anwendungsbereich der Art. 81 ff. EG ausscheiden. So verallgemeinerte etwa die Kommission in ihren Mitteilungen aus dem Jahre 2000 die Poucet und Pistre-Rechtsprechung, indem sie die europäischen Wettbewerbsregeln für „Dienstleistungen im Zusammenhang mit ( . . . ) der Pflichtmitgliedschaft in Grundversorgungssystemen der sozialen Sicherheit“ als nicht anwendbar erklärte.168 Hier lässt sich möglicherweise eine Parallele zu den anderen Bereichen der Daseinsvorsorge ziehen, in denen die vom europäischen Wettbewerbsrecht angestoßene Liberalisierung einherging mit einer ausdrücklichen Absicherung der sogenannten Universaldienste, also dem allgemeinen Zugang zu einer Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen169. Auf einen größeren Spielraum der Nationalstaaten weist auch das jüngste Urteil des EuGH hin, in dem die Unternehmenseigenschaft der deutschen Krankenkassen verneint wurde.170 Besonderes Gewicht legt der Gerichtshof dabei auf die Feststellung, dass der Spielraum der Krankenkassen innerhalb der Erfüllung der gesetzlichen Rahmenbedingungen gering sei. Die Möglichkeit der Kassen, über die Beitragssatzhöhe in einen gewissen Wettbewerb miteinander zu treten, diene lediglich der Effizienzsteigerung und könne die Ausrichtung am Grundsatz der Solidarität nicht in Frage stellen.171 168 KOM (2000) 580 endg., Rn. 29. Ein enger Unternehmensbegriff wird auch vertreten im Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz, Rs. T-319 / 99, Slg. 2003, II-357; vgl. dazu kritisch Schröter, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 EG, Rn. 22. 169 Zum Begriff vgl. Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung der Kommission vom 01. 09. 1996, KOM (96) 443 endg., ABl. EG 1996 Nr. C 281 / 1 (3 ff.); Engel, Verw. 30 (1997), S. 429 ff.; Pohl, Universaldienst in der Telekommunikation (1998), S. 35 ff.; Windthorst, Universaldienst im Bereich der Telekommunikation (2000), S. 112 ff.; aus ökonomischer Perspektive Elsenbast, Universaldienst unter Wettbewerb (1999), S. 25 ff. Vgl. auch Grünbuch der Kommission zu Dienstleistungen von Allgemeinem Interesse vom 21. 05. 2003, KOM (2003) 270 endg., Rn. 50 ff. 170 EuGH, Urteil vom 16. 03. 2004, Rs. C-264, 306, 354 und 355 / 01, noch nicht in der amtl. Slg., Rn. 45 ff. – AOK Bundesverband, abgedruckt in EuZW 2004, S. 241 ff. Siehe dazu Riedel, EuZW 2004, S. 245 ff.

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Allerdings hatte die offene Frage der Rechtmäßigkeit der Festbetragsregelungen im Jahre 2001 zu einer Übergangsregelung geführt172, die deutlich staatsnäher ausgestaltet wurde als die bisherige Praxis. Es ist daher nachvollziehbar, wenn es in der Literatur als „grotesk“ bezeichnet wird, dass „im Namen des Wettbewerbsrechts die wettbewerbsnahe Lösung zu scheitern [droht]“173. Folge der noch immer unsicheren Rechtslage für Mischformen aus solidarischen und marktförmigen Elementen174 ist also nicht notwendigerweise eine Ökonomisierung der Sozialversicherungsmonopole, sondern ein gewisser Zwang zur Entflechtung der beiden Organisationsformen. Ein solches „unbundling“ konnte bereits in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge beobachtet werden.175

(2) Lockerung des Erforderlichkeitskriteriums Zweitens ist in der Auslegung des Erforderlichkeitskriteriums durch den EuGH seit einiger Zeit eine gewisse Großzügigkeit zu spüren. Um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu vermeiden, wird etwa die Quersubventionierung von unrentablen Aufgaben durch Gewinne aus wirtschaftlich lukrativeren Tätigkeiten für zulässig erachtet.176 Im Bereich der Sozialversicherungsmonopole wurde anerkannt, dass aufgrund der Gefahr einer Aussonderung „guter“ und „schlechter“ Risiken eine allgemeine Versicherungspflicht zulässig sein kann.177 Somit kann die Gefahr des „Rosinenpickens“ als Rechtfertigungsgrund für staatliche Maßnahmen herangezogen werden.178

171 EuGH, Rs. C-264, 306, 354 und 355 / 01, noch nicht in der amtl. Slg., Rn. 52, 56 – AOK Bundesverband. 172 Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (Festbetrags-Anpassungsgesetz – FBAG) vom 27. 07. 2001, BGBl. 2001 I, S. 1948. 173 Rebscher, FS Maydell (2002), S. 559. 174 Auch im aktuellen Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 12. 05. 2004, KOM (2004) 374 endg., S. 20 stellt die Kommission die Mitgliedstaaten vor die „politischen Option“, ihre Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen entweder durch marktgestützte Systeme oder – steuerfinanziert – direkt durch staatliche Stellen zu erbringen. Die Möglichkeit von Mischsystemen wird nicht erwähnt. 175 Vgl. nur Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H II Rn. 45 f. m. w. N. 176 Siehe bereits EuGH, Rs. C-320 / 91, Slg. 1993, I-2533, Rn. 16 ff. – Corbeau sowie EuGH, Rs. C-393 / 92, Slg. 1994, Rn. 49 – Almelo; Rs. C-157 / 94, Slg. 1997, I-5699, Rn. 43 – Kommission / Niederlande; Rs. C-159 / 94, Slg. 1997, I-5815, Rn. 43 – Kommission / Frankreich. Dazu Bartosch, EuZW 1999, S. 176 ff. (179 f.); Albin, DÖV 2001, S. 890 ff. (896); Storr, DÖV 2002, S. 357 ff. (360, 362) m.w.N; Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 ff. (246 f.); Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 86 Rn. 35. 177 EuGH, Rs. C-67 / 96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 111 – Albany International; Rs. C-115 – 117 / 97, Slg. 1999, I-6025, Rn. 111 – Brentjens.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Auch wenn die dogmatische Einordnung nicht immer klar ist – im Urteil INAIL wird diese Überlegung auf Tatbestandsebene angeführt, also im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Unternehmens179 –, wird doch deutlich, dass der EuGH den Mitgliedstaaten inzwischen aus Gründen der Finanzierungssicherung im Rahmen des Art. 86 II EG einen gewissen Spielraum zugesteht180. Zu einer Untermauerung dieser Richtung könnte auch der durch den Vertrag von Nizza neu eingefügte Art. 137 IV EG führen: Danach berühren die aufgrund dieses Artikels erlassenen Bestimmungen „nicht die anerkannte Befugnis der Mitgliedstaaten, die Grundprinzipien ihres Systems der sozialen Sicherheit festzulegen, und dürfen das finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme nicht erheblich beeinträchtigen.“ (3) Auswirkungen des Art. 16 EG Noch offen sind die Auswirkungen des im Zuge des Amsterdamer Vertrages neu eingefügten Art. 16 EG. Dort wird „unbeschadet der Artikel 73, 86 und 87“ EG die Bedeutung der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse hervorgehoben und betont, die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten trügen „im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse“ dafür Sorge, „dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können“. Durch diese kompromisshafte181 Formulierung könnte Art. 16 EG Grundlage für eine durchaus zweischneidige Entwicklung werden; eine Stärkung der Daseinsvorsorge, aber auch eine Kompetenzverlagerung auf Gemeinschaftsebene: Einerseits schafft er durch das Bekenntnis zum hohen Stellenwert der Daseinsvorsorge ein Gegengewicht zum Marktmodell der Grundfreiheiten und des Wettbewerbsrechts.182 Niederschlagen könnte sich dies insbesondere in einem größeren Spielraum der Mitgliedstaaten im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung des Art. 86 II 1 EG. Denkbar wäre zusätzlich auch eine Aufwertung des Interesses an einer effektiven Daseinsvorsorge im Zusammenhang mit der Abwägung in Satz 2.183 178 So etwa auch bei EuGH, Rs. C-475 / 99, Slg. 2001, I-8089, Rn. 61 – Ambulanz Glöckner. 179 Siehe EuGH, Rs. C-218 / 00, Slg. 2002, I- 691, Rn. 43 f. – INAIL. 180 Skeptisch aber Möller, VSSR 2001, S. 25 ff. (45), der darauf verweist, dass sich die momentan gewährte niedrige Kontrolldichte jederzeit ändern könne. 181 Vgl. dazu Mavroidis / Zdouc, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 407 ff. (409 ff.); Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 ff. (226); Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 1 ff.; Klotz, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 1, Art. 16, Rn. 2 ff. 182 Vgl. Scharpf, Regieren in Europa (1999), S. 144 ff.; Frenz, EuR 2000, S. 901 ff. (913 ff.); Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (254); Storr, DÖV 2002, S. 357 ff. (361); Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 ff. (226). 183 Ebenso Frenz, EuR 2000, S. 901 ff. (913 f.); Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 13; Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 16 EGV, Rn. 26. Die rechtliche Bedeutung des Art. 16 EG ist allerdings umstritten, vgl. etwa Schwarze, EuZW 2001, S. 334 ff. (336) einerseits und Nettesheim, Mitgliedstaatliche Da-

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Andererseits könnte Art. 16 EG jedoch auch zu einer Kompetenzverschiebung in Richtung Gemeinschaftsebene führen. Wegen der Formulierung, ein Tätigwerden erfolge nur „im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse“, ist zwar unstreitig, dass die Norm keine Kompetenzerweiterung zugunsten der Gemeinschaft beinhaltet.184 Trotzdem wird teilweise aus der Aufgabenzuweisung185, sich um die Funktionsfähigkeit der Dienste zu sorgen, ein „Gestaltungsauftrag“ der EG abgeleitet.186 Festzustellen ist auch, dass sich eine Reihe von Gesetzgebungsinitiativen inzwischen auf Art. 16 EG stützt.187 Dieses Vorgehen, das in der Literatur zum Teil unter dem Gesichtspunkt des Subsidiaritätsprinzips als problematisch angesehen wird,188 wurde vom Europäischen Rat in Nizza jedoch ausdrücklich unterstützt189. Das Ringen um eine Kompetenzverschiebung zeigt sich nicht zuletzt an den Verhandlungen um den neuen Art. III-6, der in der zukünftigen europäischen Verfassung an die Stelle des Art. 16 EG treten soll. Nach dem Konventsentwurf wurden die „Grundsätze und Bedingungen“ für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse noch „durch Europäische Gesetze festgelegt“.190 In der von den Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten im Juni 2004 ausgehandelten Version des Verfassungsvertrages erfuhr diese Regelung die Einseinsvorsorge (2002), S. 50 f.; Kühling, Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge (2002), S. 141 f. andererseits; eine Übersicht zum Streitstand findet sich bei Klotz, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 1, Art. 16, Rn. 24 ff. 184 Frenz, EuR 2000, S. 901 ff. (918); Schwarze, EuZW 2001, S. 334 ff. (337); Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 11; Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 16 EGV, Rn. 19; Klotz, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 1, Art. 16, Rn. 22; Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 16 EGV, Rn. 8; Koenig / Kühler, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 13. 185 Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 10; Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 16 EG, Rn. 7. 186 So etwa Frenz, EuR 2000, S. 901 ff. (920 ff.). Ähnlich auch der Standpunkt der Kommission, die zwar die „Gestaltungsfreiheit“ der Mitgliedstaaten bei der Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betont, KOM (2000) 580 endg., Rn. 22, gleichzeitig aber ein „gemeinsames Konzept“ für diesen Bereich fordert und ein „aktiveres Vorgehen“ ankündigt, ebd., Rn. 57, 64. Vorsichtiger die Formulierungen bei KOM (2003) 270 endg., Rn. 11, 26 ff. Ablehnend Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 16 EGV, Rn. 24. 187 Neben den bei Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 13, Fn. 49 genannten vgl. insbesondere die Konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes, Mitteilung der Kommission vom 14. 07. 1999, KOM (99) 347 endg. Vgl. dazu auch KOM (2000) 580 endg., Rn. 68. 188 Vgl. etwa Jung, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 16 EG, Rn. 10. 189 Europäischer Rat von Nizza vom 07.-09. 12. 2000, Schlussfolgerungen des Vorstandes 400 / 1 / 00 vom 08. 12. 2000, http: / / europa.eu.int / council / off / conclu / dec2000 / dec2000_ de.htm (01. 09. 2004), Rn. 45 und Anlage II. Vgl. auch die aktuellen Nachweise bei KOM (2003) 270 endg., Rn. 8. 190 Art. III-6 des Vertragsentwurfes über eine Verfassung für Europa vom 20. 06. 2003, ABl. EG 2003 Nr. C 169 / 1. Vgl. dazu Schwarze, EuZW 2004, S. 135 ff. (138). Begrüßt wird diese Entwicklung bei KOM (2004) 374 endg., S. 7.

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schränkung, dass dies „unbeschadet der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ( . . . ), diese Dienste im Einklang mit der Verfassung zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren“, geschehen müsse.191

b) Wettbewerbsregeln und kollektives Arbeitsrecht Lange Zeit unbeachtet geblieben sind die Auswirkungen des europäischen Wettbewerbsrechts auf das kollektive Arbeitsrecht der Mitgliedstaaten.192 Problematisch ist die „Kartellwirkung“ der Tarifverträge, die als Verstoß gegen Art. 81 f. EG verstanden werden könnte. Eine Grundsatzentscheidung zu dieser Frage stellt das Albany-Urteil aus dem Jahre 1999 dar, in dem das Gericht die im Rahmen von Tarifverträgen geschlossenen Vereinbarungen generell nicht den Art. 81 f. EG unterfallen lässt.193 Zur Begründung beruft der EuGH sich insbesondere darauf, dass die Erreichung der Ziele aus Art. 118a und b EGV (jetzt Art. 138 f. EG) und aus dem Abkommen über die Sozialpolitik ernsthaft gefährdet wären, wenn Tarifverträge dem allgemeinen Wettbewerbsrecht unterfielen.194 Dieses Vorgehen hat dem Gericht in der Literatur zwar einige dogmatische Vorwürfe eingebracht, scheint aber den Konflikt zwischen kollektivem Arbeitsrecht und Wettbewerbsrecht zugunsten der Tarifautonomie gelöst zu haben.195

c) Beihilfevorschriften Eine weitere Reibefläche zwischen sozialen und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften stellt das Beihilfeverbot des Art. 87 I EG (ex-Art. 92 I EGV) dar.

191 Vorläufige konsolidierte Fassung des Vertrags über eine Verfassung für Europa vom 25. 06. 2004, CIG 86 / 02. 192 So auch Wallwitz, Tarifverträge und die Wettbewerbsordnung (1997), S. 23 f.; Fleischer, DB 2000, S. 821 ff. (821). 193 EuGH, Rs. C-67 / 96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 65 – Albany International. Zu beachten ist allerdings, dass in diesem Fall nur die Errichtung des Betriebsrentensystems von den Wettbewerbsregeln ausgenommen wurde, während seine Tätigkeiten durchaus in Konflikt mit europäischen Normen stehen können, vgl. dazu Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 312 und oben unter § 15 III.2.a) bb). 194 EuGH, Rs. C-67 / 96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 54 ff. – Albany International. 195 Vgl. etwa Blanke, AuR 2000, S. 28 ff. (30 f.); Fleischer, DB 2000, S. 821 ff. (822 ff.); Zachert, NZA 2000, 621 ff. (625); Weiß, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 81 EG, Rn. 1; Schröter, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Vorbem. zu den Art. 81 bis 85 EG, Rn. 24.

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aa) Rechtlicher Gehalt des Art. 87 EG Der Begriff der Beihilfe wird im Europarecht weit verstanden und umfasst alle staatlichen Begünstigungen, die einem bestimmten Unternehmen oder Produktionszweig gewährt werden. Somit fallen nicht nur aktive Leistungen wie etwa verlorene Zuschüsse unter das Verbot des Art. 87 EG, sondern auch die Befreiung von Abgaben und sonstigen Belastungen,196 also etwa Steuererleichterungen197 oder die Befreiung von Sozialbeiträgen198. Da es nicht auf das Ziel, sondern allein auf die begünstigende Wirkung einer Beihilfe ankommt, ist unstreitig, dass auch im Bereich der sozialen Sicherheit ein grundsätzliches Beihilfeverbot gilt.199 Eine staatliche Begünstigung ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen unzulässig. Erstens muss es sich dabei um einen Vorteil eines oder mehrerer Unternehmen handeln. Damit fallen Zuwendungen an Träger sozialer Aufgaben, die keine Unternehmen sind,200 nicht unter den Verbotstatbestand. Auch Begünstigungen, die weder rechtlich noch tatsächlich auf spezifische Unternehmen beschränkt sind, wie etwa die allgemeine Senkung von steuerlichen Belastungen, die Gewährung von Lohnzuschüssen oder Abfindungen, sind keine Beihilfen.201 Zweitens muss die Beihilfe „den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen“. Auch wenn umstritten ist, ob dieses Merkmal durch das Vorliegen einer Beihilfe bereits induziert ist, oder ob sein Vorliegen mittels einer Marktanalyse belegt werden muss, ist seine Bejahung in der Regel unproblematisch, wenn es sich nicht bloß um sogenannte de minimis-Beihilfen handelt.202 Allerdings wird 196 St. Rspr. seit EuGH, Rs. 30 / 59, Slg. 1961, 3, S. 42 ff. – De Gezamenlijke Steenkolenmijnen. Vgl. nur Oppermann, Europarecht (1999), 1110; Schlegel, FS Söllner (2000), S. 1030; Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 345; Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 7, 18; Bär-Bouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG, Rn. 27. 197 Rs. 62, 72 / 87, Slg. 1988, 1573, Rn. 13 – Exécutif régional wallon. 198 EuGH, Rs. C-301 / 87, Slg. 1990, I-307 Rn. 41 – Frankreich / Kommission; Rs. C-251 / 97, Slg. 1999, I-6639, Rn. 36 – Frankreich / Kommission. 199 Vgl. EuGH, Rs. 173 / 73, Slg. 1974, 709, Rn. 27 – Italien / Kommission; Rs. C-241 / 94, Slg. 1996, I-4551, Rn. 20 ff. – Kommission / Frankreich. Vgl. auch Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2002), Rn. 99; Koenig / Kühler, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 10 ff. 200 Dazu oben § 15 III.2.a)bb). 201 Schlegel, FS Söllner (2000), S. 1032 f.; Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (255); Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 9; Götz, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H III, Rn. 27; Koenig / Kühler, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 51. 202 Vgl. dazu EuGH, Rs. 730 / 79, Slg. 1980, 2671, Rn. 8 ff. – Philip Morris; Rs. 296, 318 / 82, Slg. 1985, 809, Rn. 24 – Niederlande u. Leeuwarder Papierwarenfabriek / Kommission; Rs. 248 / 84, Slg. 1987, 4013, Rn. 18 – Kommission / Deutschland; Koenig / Kühling, NJW 2000, S. 1065 ff. (1069); Albin, DÖV 2001, S. 890 ff. (894); Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 353; Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 12 ff. m.w.N; Mederer, in: Groeben / Schwarze (Hrsg.), EUV / EGV, Bd. 2, Art. 87 EG, Rn. 51 ff.; Bär-Bouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG, Rn. 38.

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das Merkmal dann verneint, wenn das begünstigte Unternehmen eine Monopolstellung innehat, da dann kein Wettbewerb existiere, der verfälscht werden könne.203 Drittens schließlich beschränkt sich auch der Anwendungsbereich des Beihilferechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte: Erforderlich ist, dass die Beihilfe „den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtig[t]“. Auch diese Voraussetzung ist jedoch nur selten zu verneinen, da bereits die Möglichkeit einer Beeinträchtigung als ausreichend angesehen wird204. Die speziellen Ausnahmen vom Beihilfeverbot in Art. 87 II EG haben für allgemeine staatlichen Sozialleistungen nur eine geringe Bedeutung.205 Ein weiter Ermessenspielraum kommt der Kommission jedoch bei den Ausnahmen des Abs. 3 zu.206 In den Fallgruppen dieses Absatzes finden sich jedoch u. a. Förderungsmaßnahmen für wirtschaftlich unterentwickelte Gebiete, für bestimmte Wirtschaftszweige oder zur Förderung der Kultur, aber keine Ausnahmevorschrift für Beihilfen sozialer Art. Von der Ermächtigung des Abs. 3 e), mit qualifizierter Mehrheit weitere Arten von Beihilfen in diesen Katalog aufzunehmen, hat der Rat bisher keinen Gebrauch gemacht.207 Allerdings gewährt der bereits diskutierte208 Art. 86 II EG eine Freistellung auch von den Bestimmungen des Art. 87 EG, denn es gelten „die Vorschriften dieses Vertrages“ nur soweit dadurch die Aufgabenerfüllung der betrauten Unternehmen nicht verhindert wird (Art. 86 II S. 1)209. 203 Vgl. Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (222 f.); Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (255); Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 353; Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 13. 204 Vgl. die Ausführungen bei EuGH, Rs. C-280 / 00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 77 f. – Altmark; Schlegel, FS Söllner (2000), S. 1038 f.; Albin, DÖV 2001, S. 890 ff. (893); Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 346; Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 353 f.; Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 16 f. m. w. N.; Bär-Bouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG, Rn. 39. Vgl. auch Götz, in: Dauses (Hrsg.), Hb. EU-Wirtschaftsrecht, H III, Rn. 44: „Bei exportfähigen Waren und Dienstleistungen spricht eine Vermutung für den Handel zwischen Mitgliedstaaten.“ Anders aber noch Ipsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht (1997), S. 52 f.: Bislang sei ein „sozialer Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft nicht zu verzeichnen“. 205 Vgl. hierzu Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 20; BärBouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG, Rn. 47; Schlegel, FS Söllner (2000), S. 1042 f. 206 EuGH, Rs. 730 / 79, Slg. 1980, 2671, Rn. 17 – Philip Morris; Rs. C-301 / 87, Slg. 1990, I-307, Rn. 15 – Frankreich / Kommission; Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 350; Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 25; Bär-Bouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG, Rn. 50. 207 Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 44. 208 Vgl. oben unter § 15 III.2.a) dd). 209 Vgl. EuGH, Rs. C-159 / 94, Slg. 1997, I-5816, Rn. 45 ff. – Kommission / Frankreich; Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (228); Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 1 m. w. N.; v. Burchhard, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 86 EG, Rn. 54.

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bb) Auswirkungen Die Kriterien der Spezifität und der Wettbewerbsverfälschung führten dazu, dass staatliche Leistungen im sozialen Bereich unproblematisch waren, wenn diese allen Unternehmen gleichermaßen zukamen oder wenn ein staatliches Sozialleistungsmonopol den jeweiligen Bereich vollständig abdeckte. Parallel zur Problematik der Art. 81 f. EG210 waren aber auch im Beihilferecht immer dann europarechtliche Hürden zu erwarten, wenn ein Bereich der staatlichen Sozialordnung ein Mischverhältnis zwischen Solidarprinzip und Markt aufwies. Wegen der restriktiven Auslegung der Ausnahmen des Art. 87 II, III EG und der Voraussetzungen von Art. 86 II EG bestand dann keine Rechtfertigungsmöglichkeit für die staatlichen Vergünstigungen.211 Welche Auswirkungen von dieser Rechtslage auf die Sozialordnungen der Mitgliedstaaten zu erwarten waren, soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Eine Vermischung von marktwirtschaftlichen und solidarischen Elementen hätte insbesondere im Bereich der freien Wohlfahrtspflege einen umfassenden Anpassungsdruck hervorrufen können. Die Träger des „Dritten Sektors“, der in jedem Mitgliedstaat der EG existiert, erhalten in der Regel staatliche Fördermittel. Sobald jedoch auch andere Wettbewerber in einem bestimmten Aufgabenfeld zugelassen werden, hätten nach der Rechtsprechung des EuGH diese Fördermittel als Beihilfe eingeordnet werden müssen.212 Diese Befürchtung wurde durch die Perspektive der Einführung des Universaldienstmodells213 in diesem Bereich noch verstärkt, da die finanziellen Ausgleichszahlungen in einem solchen marktnahen Modell verstärkt der Kontrolle der Kommission und des EuGH unterliegen.214 Ein Spannungsverhältnis ergab sich außerdem im Bereich der Beschäftigungsförderung. So wurde etwa eine Initiative der französischen Regierung, zur Erleichterung der Umsetzung der 35-Stunden-Woche in bestimmten Branchen die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber zu reduzieren, vom EuGH als unzulässige Beihilfe bewertet.215 In einem anderen Fall aus dem Jahre 1996 ging es um die Siehe dazu oben § 15 III.2.a) ee). Vgl. dazu Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (222 f.); Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 369 ff. Für den Fall öffentlicher Krankenhäuser vgl. Kuchinke / Schubert, WuW 2002, S. 710 ff. (717). Siehe auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Private Sozialdienste ohne Erwerbszweck im Kontext der Daseinsvorsorge in Europa“ vom 12. 09. 2001, ABl. EG 2001 Nr. C 311 / 33 unter 3. („Besorgnisse“). 212 Vgl. Evers, ZSR 1997, S. 208 ff.; Haverkate / Huster, Europäisches Sozialrecht (1999), S. 365 ff.; Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 342 f., 367 f. und die Nachweise bei Kingreen, Sozialstaatsprinzip (2003), S. 351, Fn. 253. Nicht überzeugend Ipsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht (1997), S. 51, der im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH die Unternehmenseigenschaft der Träger der freien Wohlfahrtspflege verneint. 213 Zum Begriff siehe oben 4. Teil, Fn. 169. 214 So etwa Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (223). Die Tendenz weg von der Verleihung ausschließlicher Rechte hin zu einer Öffnung der Märkte und die daraus folgende Notwendigkeit neuer Finanzierungskonzepte wird auch konstatiert bei KOM (2003) 270 endg., Rn. 87. 210 211

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Frage, ob die staatliche Mitfinanzierung eines Sozialplanes bei betrieblichen Umstrukturierungen als Beihilfe zu beurteilen sei.216 Insbesondere weil der Subventionsgeber ein Ermessen bei der Vergabe der Mittel habe ausüben können, sei – so der EuGH – diese Art der Unterstützung als Beihilfe zu qualifizieren.217 Da in anderen Entscheidungen ähnliche Beihilfen teilweise als europarechtskonform eingestuft worden waren, setzte sich der EuGH dem Vorwurf aus, er beurteile und gewichte eigenständig sozialpolitische Konzepte.218 cc) Aktuelle Gegenbewegungen Ähnlich wie im Bereich der Art. 81 f. EG sind jedoch auch im Beihilferecht neuerdings Gegenbewegungen zu erkennen, die auf den Schutz der sozialen Elemente in den nationalen Rechtsordnungen gerichtet sind. Erstens wirkt sich die erweiterte Auslegung des Art. 86 II EG auch auf das Beihilferecht aus. So wurde beispielsweise im Fall FFSA, in dem steuerliche Begünstigungen der französischen Post auf dem beihilferechtlichen Prüfstand standen, das tatbestandliche Vorliegen einer Beihilfe zwar bejaht.219 Wegen Art. 86 II EG sei sie aber gerechtfertigt, wenn sie „nur die Mehrkosten ausgleichen soll, die mit dem mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauten Unternehmen durch die Erfüllung der ihm übertragenen besonderen Aufgabe entstehen“ und wenn das Erforderlichkeitskriterium erfüllt sei.220 Im nur wenig später ergangenen Ferring-Urteil qualifizierte der EuGH einen reinen Mehrkosten-Ausgleich schon tabestandlich nicht als Beihilfe221. Allerdings 215 EuGH, Rs. C-251 / 97, Slg. 1999, I-6639, Rn. 38 ff. – Kommission / Frankreich. Vgl. dazu Dübbers, AuR 2000, S. 25 f.; Zachert, NZA 2000, 621 ff. (625); Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (255). 216 EuGH, Rs. C-241 / 94, Slg. 1996, I-4551 – Frankreich / Kommission. Vgl. dazu Schlegel, FS Söllner (2000), S. 1031; Pieters, SozVers 2001, S. 57 ff. (64); Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (225); Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (255). 217 EuGH, Rs. C-241 / 94, Slg. 1996, I-4551, Rn. 21 – Frankreich / Kommission. Allerdings zeigt die Kommission in diesen Fällen eine gewisse Großzügigkeit bei der Auslegung der Ausnahmebestimmungen des Art. 87 III EG (vgl. Schlegel, FS Söllner [2000], S. 1032 m. w. N.), was auch im angesprochenen Fall letztlich zur (vom EuGH nicht zu prüfenden) Europarechtskonformität der Beihilfe führte, siehe EuGH, Rs. C-241 / 94, Slg. 1996, I-4551, Rn. 6 – Frankreich / Kommission. 218 Dübbers, AuR 2000, S. 25 f. (26). Ablehnend auch Eichenhofer, Sozialrecht der EU (2003), Rn. 373. 219 EuG, Rs. T-106 / 95, Slg. 1997, II-229, Rn. 167 ff., 192 – FFSA / Kommission; bestätigt durch EuGH, Rs. C-174 / 97 P, Slg. 1998, I-1303 – FFSA / Kommission. 220 EuGH, Rs. C-174 / 97 P, Slg. 1998, I-1303, Rn. 6 – FFSA / Kommission. Dazu Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (226); Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge, Bericht für den Europäischen Rat in Laeken vom 17. 10. 2001, KOM (2001) 598 endg., Rn. 16. 221 EuGH, Rs. C-53 / 00, Slg. 2001, I-9067, Rn. 26 f. – Ferring / ACOSS. Vgl. dazu Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (222). Bestätigend EuGH, Rs. C-280 / 00, Slg. 2003, I-7747,

§ 15 Europäische Parallelproblematik

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betont der EuGH in dieser Entscheidung auch, dass die Zahlungen, die über einen Mehrkosten-Ausgleich hinausgehen, nicht über Art. 86 II EG gerechtfertigt werden können.222 Zweitens ist in den letzten Jahren eine zunehmende Ausweitung der Ausnahmebestimmungen des Art. 87 III EG durch die Kommission zu beobachten. Insbesondere die Vorschrift des Abs. III c) wird neben den im Text vorgesehenen sektoralen und regionalen inzwischen auch auf horizontale223 Beihilfen erstreckt,224 zu denen unter anderem auch Ausbildungs-225 und Beschäftigungsbeihilfen226 zu zählen sind. Zu nennen ist auch die Neufassung der Transparenz-Richtlinie, 227 die die Problemstellungen zu entflechten versucht, die sich beim Tätigwerden eines Unternehmens sowohl im monopolistischen „Sonderrechtsbereich“ als auch am Markt ergeben.228 Geplant ist auch, Beihilfen für Unternehmen, denen die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse obliegt, vollständig von der europäischen Beihilfeaufsicht auszunehmen, wenn es sich um Beträge unter einem bestimmten Schwellenwert handelt.229 Unterstützt durch den EuropäiRn. 86 f. – Altmark. Vgl. dazu Ysendyck / Zühlke, RIW 2003, S. 717 ff.; Louis / Vallery, World Competition 27 (2004), S. 53 ff. Inhaltlich wird sich durch die neue Einordnung nur insofern etwas ändern, als die beihilferechtlichen Verfahrensanforderungen bei einer tatbestandlichen Lösung entfallen. Zum umfangreichen Streit über die dogmatische Einordnung siehe nur Albin, DÖV 2001, S. 890 ff. (892); Nettesheim, EWS 2002, S. 253 ff. (258 ff.). Dazu auch Kube, EuR 2004, S. 230 ff. 222 EuGH, Rs. C-53 / 00, Slg. 2001, I-9067, Rn. 32 f. – Ferring / ACOSS. 223 Zu den Begriffen vgl. nur Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 35 ff. 224 Ermöglicht durch die Ermächtigung der Kommission in der Verordnung (EG) Nr. 994 / 98 des Rates vom 07. 05. 1998 über die Anwendung der Artikel 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. EG 1998 Nr. L 142 / 1. Vgl. dazu Koenig / Kühling, NJW 2000, S. 1065 ff. (1071 f.). 225 Vgl. den Gemeinschaftsrahmen für Ausbildungsbeihilfen, Mitteilung der Kommission, ABl. EG 1998 Nr. C 343 / 10 vom 11. 11. 1998; Verordnung (EG) Nr. 68 / 2001 der Kommission vom 12. 01. 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf Ausbildungsbeihilfen, ABl. EG 2001 Nr. L 10 / 20. Dazu Bartosch, NJW 2001, S. 921 ff. (925); Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 42a; Bär-Bouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG Rn. 111. 226 Vgl. die Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen, Mitteilung der Kommission, ABl. 1995 Nr. C 334 / 4 vom 12. 12. 1995. Dazu Schlegel, FS Söllner (2000), S. 1044 ff.; Cremer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 87 EG, Rn. 42b; Bär-Bouyssière, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 87 EG Rn. 109. 227 Richtlinie 2000 / 52 / EG der Kommission vom 26. 07. 2000 zur Änderung der Richtlinie 80 / 733 / EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen, ABl. EG 2000 Nr. L 193 / 75. 228 Vgl. dazu nur Bartosch, EuZW 2000, S. 333 ff.; Britz, DVBl. 2000, S. 1641 ff.; Gundel, RIW 2002, S. 222 ff. (226). 229 KOM (2004) 374 endg., S. 16; EU-Staaten erhalten mehr Spielraum in der Daseinsvorsorge, FAZ vom 30. 01. 2004, S. 11.

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schen Rat von Nizza im Dezember 2000 sind jedoch weitere Maßnahmen zur Schaffung eines „gemeinschaftsrechtlichen Rahmen[s] für staatliche Beihilfen“ geplant230, so dass sich auch im Beihilferecht ein doppelter Trend zur Absicherung der sozialen Regelungen auf staatlicher Ebene unter gleichzeitiger Kompetenzverschiebung auf die gemeinschaftliche Ebene feststellen lässt.231

IV. Fazit Die Auswirkungen des europäischen Wirtschaftsrechts auf die Sozialordnungen der Mitgliedstaaten sind erheblich. Sowohl die Grundfreiheiten als auch das Wettbewerbsrecht entwickelten unter maßgeblicher Mitwirkung des EuGH eine Dynamik, die kaum einen Bereich des Sozialrechts unbeeinflusst ließ. Allerdings erwiesen sich die Befürchtungen einer völligen Zurückdrängung des Sozialen als unbegründet: Zwar standen klassische staatliche Organisationsformen unter Druck, aber die grundsätzliche soziale Ausrichtung der mitgliedstaatlichen Politik wurde durch die Integration sozialer Elemente in den EG-Vertrag, durch Einschränkungen auf tatbestandlicher Ebene und durch die zunehmend weite Auslegung von Rechtfertigungsmöglichkeiten im Grundsatz nicht in Frage gestellt. Allerdings ging diese Zurückdrängung der rein ökonomischen Systemrationalität einher mit einer Kompetenzverschiebung auf die Gemeinschaftsebene. Es scheint also schwierig zu sein, den Auswirkungen der grenzüberschreitenden Geltung wirtschaftlicher Bestimmungen auf nationale Sozialordnungen durch unilaterale Maßnahmen entgegenzuwirken. Eine wirtschaftliche Integration, so zeigt das Beispiel der EU, ist ab einer gewissen Integrationstiefe wohl nicht ohne Vergemeinschaftung bestimmter sozialer Fragen realisierbar.

§ 16 Struktur des WTO-Rechts Wenn die ökonomischen Bestimmungen der EG weitreichende Auswirkungen auf die Sozialordnungen der Mitgliedstaaten hatten und haben, stellt sich die Frage, ob Gleiches auch für das Welthandelsrecht gilt oder zu erwarten ist. Um der Eigenrationalität dieses Rechtsregimes gerecht zu werden, soll bei der Untersuchung der Fragestellung jedoch nicht pauschal überprüft werden, ob die im europäischen Rahmen herausgearbeiteten Konfliktfelder auf die internationale Ebene KOM (2001) 598 endg., Rn. 5, 27 ff. Vgl. auch KOM (2003) 270 endg., Rn. 37 ff., 88. Vgl. auch die 38. Erklärung für die Schlussakte der Amsterdamer Konferenz vom 02. 10. 1997, ABl. EG 1997 Nr. C 340 / 133, in der zwar die Bedeutung der „freiwilligen Dienste“ hervorgehoben wird, gleichzeitig aber die Förderung der „europäischen Dimension“ durch die Gemeinschaft betont wird. Siehe dazu auch Giesen, Vorgaben des EG-Vertrages (1999), S. 95. 230 231

§ 16 Struktur des WTO-Rechts

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übertragbar sind. Ausgangspunkt ist vielmehr das WTO-Recht selbst, dessen Struktur und Wirkmechanismen den Gang der Untersuchung vorgeben. Die europäischen Erfahrungen dienen aber als Vergleichsgröße, um das rechtliche Konfliktpotential des noch jungen internationalen Wirtschaftsrechts abschätzen zu können. Das klassische GATT besitzt eine anders strukturierte Organisationsform als die EG und weist einen deutlich geringeren Integrationsgrad auf. Die Ordnung der Weltwirtschaft hat aber mit der Gründung der WTO zahlreiche Veränderungen erfahren, deren Ausmaß detailliert geprüft werden muss, um die Auswirkungen des Welthandelsrechts auf den sozialen Bereich untersuchen zu können.

I. Traditionelles GATT Das traditionelle internationale Wirtschaftsrecht war verhandlungsorientiert. Es wuchs aus einer Vielzahl von bi- und multilateralen Abkommen und wurde maßgeblich von den sektorspezifischen Interessen der jeweiligen Staaten geprägt. Auch das klassische GATT stand in vielerlei Hinsicht in der verhandlungsorientierten Tradition. Eine treffende Charakterisierung für diese Ausrichtung geht auf Langer zurück, der die verschiedenen Formen internationaler Wirtschaftsorganisation auf zwei Prototypen zurückführt232. Im Gegensatz zu einem Gebilde wie der EU, das durch ein „Primat der Wirtschaft“ geprägt sei, ordnet er das GATT einem Typus zu, in dem das „Primat der Politik“ gelte.233 Statt einer Ausrichtung auf eine funktionale Marktintegration sei für diesen Typus die Existenz eines „normativen Organisationszwecks“234 charakteristisch, also einer jeweils politisch gesetzten, durchaus auch verhandel- und veränderbaren Zielbestimmung. Das Primat der Politik durchdrang im klassischen GATT die Verfahren der Erzeugung und der Durchsetzung des Rechts ebenso wie dessen materiellen Gehalt.

1. Rechtserzeugung Zentral für die Einschätzung, das klassische GATT repräsentiere den Typus der politikbasierten internationalen Wirtschaftsorganisation, ist der Forumcharakter dieses Vertragswerkes, der insbesondere in den auf weitere Liberalisierung angelegten Handelsrunden zum Ausdruck kam. Die Weiterentwicklung des Systems wurde also durch schrittweise Einigungen der Vertragsparteien angetrieben, während die aus dem europäischen Rahmen bekannte Eigendynamik der rechtlichen Langer, Grundlagen (1995), S. 7 ff., 74 ff. Eine gewisse Parallele zeigt sich dabei zu der auf Jackson zurückgehenden Unterscheidung zwischen den beiden Polen rule-oriented und power-oriented; vgl. Jackson, Law & Pol’y Int’l Bus. 21 (1980); S. 21 ff.; ders., World Trading System (1997), S. 109 ff. 234 Langer, Grundlagen (1995), S. 75. 232 233

13 Spelten

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Bestimmungen in den Hintergrund trat. Damit blieb der Prozess diskontinuierlich und grundsätzlich auch kontrollierbar.235 Anschaulich wird diese organisatorische Ausrichtung in den bereits angesprochenen236 Zolllisten, in denen der jeweilige Stand der wirtschaftlichen Liberalisierung niedergelegt wurde und die als „Konkretisierung der Ziele der Organisation durch den jeweils aktuell-gültigen zwischenstaatlichen Ausgleich“237 verstanden werden können. Charakteristisch für das politikbasierte Modell ist das Prinzip der Reziprozität238, das als grundlegendes Strukturmerkmal des GATT-Systems verstanden wird239. Es fand sich in unmittelbarer oder mittelbarer Form in verschiedenen GATT-Bestimmungen wieder,240 unter anderem auch in der Formulierung der Präambel, nach der die Mitgliedstaaten den Abschluss von Vereinbarungen „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen“ anstreben241. Allerdings ist ein operationalisierbarer Gehalt dieses Prinzips allgemein und im Rahmen des GATT im Besonderen schwer zu bestimmen: Über die formale Bedeutung hinaus, dass Zugeständnisse in Verhandlungen regelmäßig242 nur unter der Voraussetzung von Gegenleistungen erbracht werden243, fällt eine materielle Interpretation nicht leicht. Die jeweiligen Zugeständnisse entziehen sich meist einer exakten ökonomischen Bewertung,244 und auch eine politikökonomische BetrachLanger, Grundlagen (1995), S. 79 f. So auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 70 ff. Vgl. oben unter § 5 II.2. 237 Langer, Grundlagen (1995), S. 75 f. 238 Dazu bereits oben unter § 5 II.2. 239 Vgl. neben Langer, Grundlagen (1995), S. 85 ff. etwa Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 63 ff.; Senti, WTO (2000), S. 200 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 97 ff., 109 ff. Das Prinzip spielt traditionell in Gesellschaften ohne hochentwickelte Rechtsordnung und ohne Zentralorgane, ebenso aber auch im Völkerrecht eine große Rolle; dazu Simma, Reziprozitätselement (1972), S. 43 ff.; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 64 ff.; Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 46 ff.; Ipsen, Regelungsbereich, Geschichte und Funktion (2004), S. 48 f. 240 Vgl. etwa Art. XXVIIIbis:1, Art. XIX:3 a), XXVIII:3 GATT. Weitere Nachweise bei Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 63 ff.; Langer, Grundlagen (1995), S. 86 f. 241 Abs. 3 der GATT-Präambel. 242 Vgl. aber die Ausnahmebestimmung in Art. XXXVI:8 GATT, in dem das Reziprozitätsprinzip gegenüber Entwicklungsländern dadurch eingeschränkt wird, dass „die entwickelten Vertragsparteien ( . . . ) keine Gewährung der Gegenseitigkeit für die von ihnen in Handelsverhandlungen übernommenen Verpflichtungen [erwarten]“; dazu Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 27; Senti, WTO (2000), S. 278. 243 So bereits Jackson, World Trade and the Law of GATT (1969), S. 241 f. Vgl. dazu auch Langer, Grundlagen (1995), S. 87 f. m. w. N. 244 So zu Recht Langer, Grundlagen (1995), S. 88 m. w. N. Vgl. dazu auch Senti, WTO (2000), S. 206. Außerdem ist zu bedenken, dass zumindest nach der klassischen Außenhandelstheorie auch einseitige Liberalisierungsmaßnahmen für alle Beteiligten vorteilhaft sind, vgl. oben § 11 II.1.a). Dazu auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 98: „Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Reziprozitätsprinzip paradox.“ 235 236

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tung, die auf eine wechselseitige Einschränkung von Partikularinteressen abstellt,245 kann keine Aussagen über die quantitative Vergleichbarkeit der jeweiligen nationalen Einschränkungen treffen. Die mangelnde rechtliche Bestimmtheit des Reziprozitätsprinzips ist allerdings strukturell bedingt: Diesem Prinzip kam gerade deshalb eine zentrale Rolle im klassischen GATT zu, weil es keinen materiell greifbaren Gehalt aufweist. Das Primat der Politik beinhaltet auch, dass die Vorteilhaftigkeit einer Übereinkunft ungleich verteilt sein kann und dass sich Machtungleichgewichte im Verhandlungsergebnis widerspiegeln können.246 Reziprozität im Rahmen des klassischen GATT steht also für einen offenen Verhandlungsprozess ohne rechtliche Vorgaben bezüglich des Ergebnisses.

2. Rechtsdurchsetzung Der Rechtsdurchsetzung, die auch im internationalen Wirtschaftsrecht als „Lackmustest der Gestaltungskraft einer Rechtsordnung“ verstanden werden kann,247 kommt eine besonders wichtige Rolle zu, wenn das Organisationsprinzip des traditionellen GATT untersucht wird. Insbesondere am bereits angesprochenen248 Streitbeilegungsmechanismus zeigte sich dabei deutlich die Fortsetzung des verhandlungsbasierten Modells: Während in der gescheiterten Havanna-Charta ein relativ schlagkräftiges und ausdifferenziertes Streitbeilegungssystem vorgesehen war,249 existierte im GATT neben der allgemeinen Möglichkeit von Konsultationen (Art. XXII) nur die Rumpfregelung des Art. XXIII.250 Nach dieser Bestimmung konnte jede Vertragspartei Streitigkeiten, über die „innerhalb einer angemessenen Zeitspanne“ zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt worden war, den „VERTRAGSPARTEIEN“ vorlegen. Waren sie „der Ansicht, dass die Umstände hinreichend schwer wieg245 So etwa Hillman / Moser, Trade Liberalization (1996), S. 295 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 101 f. Vgl. allgemein auch Frey, Internationale Politische Ökonomie (1985), S. 36 ff. m. w. N. 246 Auch Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 86 f. spricht vom „politischen Machtfaktor der Gegenseitigkeit“. Anders dagegen Langer, Grundlagen (1995), S. 89, der die kaum nachvollziehbare These vertritt, der „politische Mechanismus der Verhandlungen“ allein verbürge schon die „Gleichgewichtigkeit“ der gegenseitigen Zugeständnisse. 247 So etwa Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 206. 248 Siehe oben unter § 5 II.4. 249 Vgl. Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 309; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 117 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 417. 250 Daneben entwickelten sich ein Schiedsverfahren und eigenständige Streitbeilegungsmechanismen im Rahmen der Sonderabkommen, auf deren Darstellung wegen der zentralen und typisierenden Rolle des Panel-Verfahrens hier aber verzichtet werden soll. Vgl. dazu etwa Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 311 ff., 324 f., 329 ff.

13*

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[t]en, um eine solche Maßnahme zu rechtfertigen“, konnte neben Empfehlungen und Weisungen die jeweilige Vertragspartei auch dazu ermächtigt werden, die Erfüllung von Zugeständnissen oder sonstigen Verpflichtungen aus dem GATT auszusetzen.251 Verfahrensfragen blieben bei dieser Ermächtigung weitgehend252 offen. So war auch die institutionelle Umsetzung der Bestimmung lange Zeit schwankend: Zunächst wurden die Fälle von sogenannten „working-parties“ beraten, die sich aus bis zu zwanzig Repräsentanten der Vertragsparteien zusammensetzten. Da sich dieses Vorgehen als äußerst ineffizient erwies, bildete sich langsam ein Vorgehen mittels ad hoc einberufenen Expertengremien (panels of experts) heraus, die aus drei oder fünf Personen ohne direkte Verbindung zu den Streitparteien bestanden.253 Das Verfahren wurde 1979 kodifiziert,254 in den Folgejahren noch mehrfach modifiziert und dabei zum Teil auch rechtsförmig ausgestaltet255. Außerdem wurde zur Erhöhung der Transparenz ein Überwachungsverfahren eingeführt, das dem GATTSekretariat die regelmäßige Erfassung der Handelspolitiken der Vertragsparteien ermöglichte.256 Trotz dieser teilweisen Entpolitisierung blieb das Primat der Politik im gesamten Verfahren jedoch weitgehend unangetastet: Schon der Gegenstand der Streitbeilegung wies auf ihre politische Natur hin, denn neben der Nichterfüllung einer Abkommensverpflichtung konnten auch andere „Maßnahmen“, ja sogar „irgendeine andere Sachlage“ zum Anlass genommen werden, ein Verfahren einzuleiten, wenn die Vertragspartei der Auffassung war, dadurch würden „Zugeständnisse oder sonstige Vorteile, die sich mittelbar oder unmittelbar“ aus dem GATT ergeben, „zunichte gemacht oder geschmälert“257. Diese Fokussierung auf die Wahrung wirtschaftlicher Vorteile statt Rechte kann als Ausprägung des Reziprozitätsprinzips im Rahmen der Rechtsdurchsetzung verstanden werden.258 Art. XXIII:2 S. 4 GATT. Allerdings sollten die vorgelegten Fragen „unverzüglich“ geprüft werden, und es bestand die Möglichkeit, „den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen und jede andere zuständige zwischenstaatliche Organisation zu Rate [zu] ziehen“; Art. XXIII:2 S. 2 – 3. 253 Vgl. Jackson, World Trade and the Law of GATT (1969), S. 164 ff.; Hudec, GATT Legal System (1975), S. 66 ff.; Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (78 ff.); Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 130 ff.; Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 142 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 418 f. 254 Understanding Regarding Notification, Consultation, Dispute Settlement and Surveillance vom 28. 11. 1979, BISD 26S / 210; abgedruckt auch bei GATT, Analytical Index (1994), S. 586 ff. Vgl. dazu Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (86 ff.). 255 Vgl. dazu Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 314 f.; Canal-Forgues, JWT 24 / 2 (1990), S. 67 ff.; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 65 ff.; Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 143 f. m. w. N. 256 Vgl. dazu Long, Law and its Limitations (1985), S. 65 ff.; Blackhurst, Außenwirtschaft 41 (1986), S. 361 ff. (361 ff.); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 299 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 210 f. 257 Art. XXIII:1 GATT. 251 252

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Die Verfahrenseinleitung stand im Ermessen der VERTRAGSPARTEIEN bzw. des GATT-Rates.259 Nach überwiegender Meinung hatte die streitführende Partei grundsätzlich260 keinen rechtlichen Anspruch auf ein Panel-Verfahren.261 Zwar wurde in der Praxis die Einsetzung eines Panels nie endgültig verweigert, die Beteiligung der Streitparteien an dieser Entscheidung führte jedoch zu teilweise langwierigen Verzögerungen.262 Das Verfahren selbst war zwar weitgehend verrechtlicht, doch wirkten hier die Machtungleichgewichte auf eine andere Art fort: Die Panels waren personell und sachlich schlecht ausgestattet, und auch dem GATT-Sekretariat fehlten die Mittel zur Unterstützung des Verfahrens.263 Da viele Entwicklungsländer nicht über einen leistungsfähigen personellen Stab verfügten und wirtschaftlich nicht für langwierige rechtliche Streitigkeiten gewappnet waren, spielten die Machtungleichgewichte in der Realität eine entscheidende Rolle.264 Das wirkte sich beispielsweise dahingehend aus, dass nur ein sehr geringer Anteil der Streitbeilegungsverfahren von Seiten der Entwicklungsländern angestrengt wurde,265 und dass es in vielen Fällen nach Verfahrensbeginn zu einer einvernehmlichen Lösung kam266. Das Primat der Politik wirkte sich auch durch seine Verkörperung in den jeweils streitentscheidenden materiellen GATT-Bestimmungen negativ auf die Entscheidungsfindung aus: Da bei der Entstehung vieler Normen die Interessenskonflikte nicht vollständig ausgeräumt werden konnten, war das Übereinkommen reich an Formelkompromissen. Die Auslegung dieser Bestimmungen überforderte das Panel-Verfahren, weil das Gremium rechtsfortbildend hätte tätig werden müssen, 258

So etwa Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 105 f. Ähnlich Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff.

(77). Vgl. dazu oben § 5 II.2. Eine Ausnahme galt seit 1966 aber für Entwicklungsländer, vgl. Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (92); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 316, 327. 261 Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (92 f.); Petersmann, The World Economy 11 (1988), S. 55 ff. (72); Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 145 m. w. N.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 147. A.A. jedoch Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 316 f. 262 Vgl. Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (93); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 332 f.; Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 145; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 147. 263 Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (92). Das GATT-Sekretariat hatte vor 1981 beispielsweise nicht einmal einen Rechtsberater für die Experten in den Panels; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 178 f.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 225. 264 Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (82, 98); Liemt, Int’l Lab. Rev. 128 (1989), S. 433 ff. (446); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 326. Änderungsvorschläge, die auf eine Stärkung des Sekretariats, eine zeitliche Straffung des Verfahrens und auf die Möglichkeit eines kollektiven Vorgehens aller am Streitfall interessierter Mitgliedstaaten gerichtet waren, konnten sich nur zum Teil durchsetzen; vgl. Hudec, GATT Legal System (1975), S. 220 ff.; Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (83 f.); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 326 ff. 265 Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 325, 340 ff.; Kopke, Rechtsbeachtung und -durchsetzung (1995), S. 49 ff. 266 Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (81). 259 260

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durch das Konsensprinzip jedoch einer dynamischen Interpretation enge Schranken gesetzt waren.267 Die Panel-Berichte stellten lediglich ein Rechtsgutachten dar und mussten vom GATT-Rat angenommen werden, um wirksam zu sein. Zwar sah Art. XXV:4 GATT den Grundsatz der Mehrheitsentscheidung vor. Seit Bestehen des GATT wurde in der Praxis jedoch nur nach dem Konsensverfahren vorgegangen, so dass der unterlegenen Partei ein Veto-Recht zukam.268 Für das Vorgehen des GATT-Rates gegenüber der unterlegenen Streitpartei galt eine Priorisierung, nach der zunächst auf eine Einigung und Rücknahme der rechtswidrigen oder schädlichen Maßnahme hingewirkt werden musste, bevor sie zu Kompensationszahlungen aufgefordert wurde oder – als ultima ratio – die obsiegende Partei zu Vergeltungsmaßnahmen ermächtigt wurde.269 Nahm diese die Ermächtigung wahr, hatte die unterlegene Partei allerdings gem. Art. XXIII:2 S. 5 GATT das Recht, vom GATT-Vertrag zurückzutreten. In der Praxis gab es zahlreiche Fälle, in denen die Annahme der Panel-Berichte entweder hinausgezögert oder ganz verhindert wurde. So kam es in keinem Fall zu einer verbindlichen Weisung und nur ein einziges Mal zu einer Aussetzungsermächtigung.270 Auch nach Überwindung dieser verfahrensrechtlichen Hürde bestanden wirksame Möglichkeiten der unterlegenen Partei, die Durchsetzung der Entscheidung zu obstruieren – teilweise dauerte es mehrere Jahre, bis der Entscheidung nachgekommen wurde, und in immerhin 10 Prozent der Fälle verweigerten die Parteien dies endgültig.271 Es liegt auf der Hand, dass dieses Panel-Verfahren ein Gegenstück zur gerichtsförmigen und in der Praxis effektiven EuGH-Rechtsprechung darstellt. Falsch wäre es allerdings, die traditionelle GATT-Streitbeilegung wegen ihrer fehlenden Rechtsförmigkeit als gescheitert zu betrachten. Dagegen spricht allein schon die häufige Inanspruchnahme, denn bis zur Gründung der WTO waren bereits über 200 Fälle behandelt worden272. Darüber hinaus muss dieses in weiten Teilen politisierte Verfahren vor dem allgemeinen Hintergrund des GATT-Systems betrachtet werden: Eine Organisationsform ohne starke Institutionen und ein Rechtssystem 267 Dazu Hudec, GATT Legal System (1975), S. 159 ff.; Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (95); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 335 ff. m. w. N.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 213. 268 Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 232 ff., 321; Bast, RIW 1991, S. 929 ff. (933). 269 Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (86); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 322 f. 270 Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (98); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 323; Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 147. Vgl. allgemein Hudec / Kennedy / Sgarbossa, Minn. J. Global Trade 2 (1993), S. 1 ff.; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 194 ff. 271 Vgl. Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (81); Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 334 f., 339 f.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 212 ff. 272 Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 211 f.

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mit vielen politischen Elementen hätte sich nur schlecht mit einem Streitbeilegungsverfahren verbinden lassen, das einer echten Gerichtsbarkeit nachempfunden ist. Wenn die Panel-Verfahren also eine Zwischenform von Verhandlungs- und Schiedsverfahren darstellten,273 so entsprach dies einer Wirtschaftsordnung, in der die gegenseitige Vorteilswahrung, nicht die Erzwingbarkeit von Normen die stabilisierende Klammer darstellte274.

3. Materielles Recht Auch die materiellen Bestimmungen des klassischen GATT wiesen auf seine politische Ausrichtung hin. Bereits erwähnt wurde die verbreitete Verwendung von Formelkompromissen, in denen sich weiterbestehende Interessengegensätze verbargen. Beispiele dafür fanden sich insbesondere bei den bereits im Rahmen der ethischen Untersuchung dargestellten275 Ausnahmebestimmungen, etwa der Zulässigkeit von Maßnahmen „zum Schutze der öffentlichen Sittlichkeit“ (Art. XX a) GATT) oder „zum Schutz [der] wesentlichen Sicherheitsinteressen“ der Vertragsparteien (Art. XXI b) GATT). Die Ausnahmebestimmungen stellten jedoch noch in einer zweiten Hinsicht eine Verkörperung des Primats der Politik dar: Sie dienten dem Schutz der (meist wirtschaftlichen) Interessen eines Staates und ermöglichten zum Teil auch unilaterale Rücknahmen von Verpflichtungen.276 Damit enthielt das GATT in großem Umfang legale Formen der Durchbrechung seiner allgemeinen Rechtsordnung. Diese „Spielräume für eine Änderung und Anpassung bestimmter Rechte und Pflichten der Mitglieder im Verhandlungswege“277 stellten ein Strukturmerkmal des GATT dar, das eng mit seiner politiknahen Konzeption zusammenhing.278 Zur Veranschaulichung der Bedeutung der Ausnahmeklauseln kann beispielsweise auf die Schutzklausel des Art. XIX GATT verwiesen werden. Danach konnten in „unvorhergesehenen“ Fällen, in denen durch die Einfuhr einer Ware „den inländischen Erzeugern gleichartiger oder unmittelbar konkurrierender Waren in diesem Gebiet ein ernsthafter Schaden zugefügt wird oder zugefügt zu werden 273 Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 209. Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 354 f. qualifiziert den Streitbeilegungsmechanismus als Vergleichsverfahren. 274 So auch Meng, ZaöRV 1981, S. 69 ff. (101 f.). Vgl. außerdem Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 349 ff., 365 ff.; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 217 ff. (jeweils m. w. N.). 275 Vgl. oben § 8 II.3.a) cc) und dd). 276 Vgl. die systematische Übersicht bei Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 164. 277 Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 88. 278 Zur politischen Bedeutung der Befreiungsklauseln siehe Hoekman / Kostecki, Political Economy (2001), S. 303 ff.; Rieger / Leibfried, Grundlagen der Globalisierung (2001), S. 137 ff.

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droht“, von der betroffenen Vertragspartei Verpflichtungen zurückgenommen werden, um diesen Schaden abzuwenden.279 Gelang ein Konsultationsverfahren mit denjenigen Vertragsparteien, „die als Ausfuhrländer der betreffenden Ware ein wesentliches Interesse haben“, zu keinem Ergebnis, so hatten diese Staaten ihrerseits das Recht, „im wesentlichen gleichwertig[e] Zugeständnisse oder sonstig[e] Verpflichtungen“ des GATT auszusetzen.280 Zwar konnte das Vorgehen der Beteiligten in einem Panel-Verfahren überprüft werden, wegen der geschilderten Blockademöglichkeiten jeder Partei versprach dies jedoch in der Praxis nur begrenzte Hilfe. Schutzklauseln sind im internationalen Wirtschaftsrecht zwar weit verbreitet und können grundsätzlich durch ihre Legitimierung von meist temporären Ausnahmen der Festigung der Regel selbst dienen.281 Art. XIX GATT spiegelte durch die Anerkennung des Vorrangs wirtschaftlicher Interessen vor den allgemeinen Bestimmungen des GATT auch deutlich das politische Element wider282 und war im Rahmen der Gegenmaßnahmen ganz dem Gedanken der Reziprozität verbunden. Er konnte somit durchaus als notwendiges Ventil für Ausnahmesituationen angesehen werden, die ansonsten das gesamte Vertragswerk bedroht hätten. Allerdings bestand die Gefahr, dass durch die Öffnung für wirtschaftliche Erwägungen die Regelhaftigkeit des jeweiligen Abkommens ausgehöhlt würde. Diese Gefahr realisierte sich in der Praxis des Art. XIX GATT auch, denn die Norm konnte wegen der großen Machtungleichgewichte der Beteiligten die ständige Zunahme von Grauzonenmaßnahmen nicht verhindern, die von wirtschaftlich starken Vertragsparteien schwächeren Nationen ohne Möglichkeiten schlagkräftiger Gegenmaßnahmen aufgezwungen wurden283. Zweitens ist an dieser Stelle die allgemeine rechtliche Wirkung der GATT-Bestimmungen zu beachten. Im Gegensatz zu zahlreichen Bestimmungen des EGRechts, welchen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH schon früh eine unmittelbare Wirkung zukam,284 herrschte im GATT-Recht eine weitgehende Ablehnung dieser Wirkungsebene vor. Zwar wiesen einige der Normen eine Regelungsdichte und Bestimmtheit auf, die einen staatlichen Konkretisierungsakt entbehrlich werden ließen und deshalb für eine unmittelbare Anwendung geeignet erschienen.285 In der Literatur wurden dabei insbesondere Art. I (MeistbegünsArt. XIX:1 a) GATT. Art. XIX:2, 3 a) GATT. 281 Weber, Schutznormen und Wirtschaftsintegration (1982), S. 42; Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 173 f.; Perez-Lopez, Case W. Res. J. Int’l L. 23 (1991), S. 517 ff. (519). 282 So etwa auch Long, Law and its Limitations (1985), S. 61; Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 173; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 182 f. 283 Vgl. dazu Kleen, JWT 23 (1989), S. 73 ff.; Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 176 ff.; Perez-Lopez, Case W. Res. J. Int’l L. 23 (1991), S. 517 ff. (524 ff.). 284 Vgl. oben unter § 15 III.1.a). 279 280

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tigung), Art. III (Inländerbehandlung) und Art. XI (Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen) GATT genannt.286 Eine ausdrückliche Klärung dieser Frage fand sich jedoch weder in den Normen des GATT noch in den Entscheidungen seiner Streitbeilegungsorgane, so dass die Frage den nationalen Rechtsordnungen überlassen blieb. Von einigen Ausnahmen abgesehen287 wurde jedoch in allen Vertragsparteien die unmittelbare Anwendbarkeit der GATT-Bestimmungen abgelehnt. Auch der EuGH befand in ständiger Rechtsprechung in dieser Hinsicht.288 Dabei prüfte er jedoch nicht die Bestimmtheit der einzelnen Normen, sondern stützte seine Entscheidungen auf eine generelle Interpretation des GATT. Dem GATT liege das „Prinzip von Verhandlungen“ zugrunde, und es zeichne sich durch eine „große Flexibilität“ seiner Bestimmungen aus. Ausdrücklich verwies der EuGH dabei auf die politische Natur des Streitbeilegungsverfahrens und die Ausnahmebestimmung des Art. XIX GATT.289 Diese Eigenarten des GATT ließen nach Ansicht des Gerichts erkennen, „dass die Vorschriften des GATT keinen unbedingten Charakter haben und dass die Verpflichtung, ihnen die Bedeutung von Vorschriften des internationalen Rechts beizumessen, die in den internen Rechtsordnungen der Vertragsparteien unmittelbar anwendbar sind, nicht auf Sinn, Aufbau oder Wortlaut des Abkommens gestützt werden kann.“290

Ausnahmen von diesem Grundsatz erkannte der EuGH nur in den so genannten „Vollzugsfällen“291 an, also bei ausdrücklichen Verweisungen des Europarechts 285 Für die allgemeinen Voraussetzungen unmittelbarer Anwendbarkeit im Völkerrecht vgl. Bleckmann, Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge (1970), S. 157 ff., 233 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht (1994), S. 160 ff.; Schweitzer, Staatsrecht III (2004), Rn. 436 ff. 286 Vgl. Zuleeg, ZaöRV 35 (1975), S. 341 ff. (351 f.); Petersmann, JWT 22 / 2 (1988), S. 23 ff. (128); Meng, Gedanken zur Frage unmittelbarer Anwendung (1995), S. 1085; Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 56 f. Siehe auch Fikentscher, Überlegungen zur Rechtsnatur (1993), S. 372 ff.; Drexl, Unmittelbare Anwendbarkeit (1998). 287 Neben der gelegentlichen unmittelbaren Anwendung von GATT-Bestimmungen durch italienische Gerichte (vgl. dazu etwa Sacerdoti / Venturini, GATT as Self-Executing Treaty [1992]) ist hier insbesondere die Proklamation des amerikanischen Präsidenten aus dem Jahre 1947 zu nennen, aufgrund derer das GATT zu innerstaatlich geltendem Recht erklärt wurde. Dies wurde vom amerikanischen Kongress jedoch schrittweise zurückgenommen, vgl. dazu Hudec, GATT in der Rechtsordnung der Vereinigten Staaten (1986); Jackson, World Trading System (1997), S. 91 f.; Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 ff. (128). 288 Vgl. dazu Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 ff. (125 ff.); Petersmann, Grundlagen des Europäischen Wirtschaftsrechts (1998), S. 968 ff.; Danwitz, JZ 2001, S. 721 ff. (722 f.); Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 680. 289 So EuGH, Rs. C-280 / 93, Slg. 1994, I-4973, Rn. 106 ff. – Bananenmarktordnung. Ebenso bereits EuGH, Rs. 21 – 24 / 72, Slg. 1972, 1219, Rn. 21 ff. – International Fruit Company; Rs. 9 / 73, Slg. 1973, 1135, Rn. 29 – Schlüter; Rs. 266 / 81, Slg. 1983, 731, Rn. 28 – SIOT, Rs. 267 – 269 / 81, Slg. 1983, 801, Rn. 23 – SPI / SAMI. 290 EuGH, Rs. C-280 / 93, Slg. 1994, I-4973, Rn. 110 – Bananenmarktordnung 291 Danwitz, JZ 2001, S. 721 ff. (723). Vgl. dazu auch Schroeder / Selmayr, JZ 1998, S. 344 ff. (347); Weber / Moos, EuZW 1999, S. 229 ff. (229); Prieß / Berrisch, in: dies.

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auf bestimmte Normen des GATT292 oder bei der Durchführung spezieller Verpflichtungen293. Somit ergibt sich ein Zusammenhang zwischen dem Primat der Politik im GATT und der unmittelbaren Anwendbarkeit seiner Bestimmungen: Die fehlende Verrechtlichung in den Bestimmungen und Verfahren des GATT setzte sich in einer nur eingeschränkten Wirksamkeit gegenüber Individuen fort.

4. Einwände Dass im klassischen GATT die Politik auf allen Ebenen eine entscheidende Rolle spielte, kann also nicht von der Hand gewiesen werden. Trotzdem griffe es jedoch zu kurz, dem GATT lediglich eine Rolle als Forum für wirtschaftliche Verhandlungen zuzugestehen. Dagegen sprechen in erster Linie die allgemeinen Prinzipien der Art. I (Meistbegünstigung), Art. III (Inländerbehandlung) und Art. XI (Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen) GATT, die dieser Ordnung eine stärkere Rechtsförmigkeit verleihen. Beispielhaft soll hier auf das Prinzip der Meistbegünstigung eingegangen werden. Art. I:1 GATT bestimmt, dass bei Zöllen und Belastungen aller Art „alle Vorteile, Vergünstigungen und Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei für eine Ware gewährt, welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist, unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren gewährt [werden müssen], die aus den Gebieten der anderen Vertragsparteien stammen oder für diese bestimmt sind“.

Das Meistbegünstigungsprinzip findet sich in konkretisierter Form in zahlreichen Bestimmungen des GATT und stellt damit eines seiner zentralen Prinzipien dar.294 Allerdings existieren einige Ausnahmen. Insbesondere können sich Staaten in einer Zollunion oder Freihandelszone untereinander weitergehende Handelserleichterungen zugestehen als gegenüber Drittstaaten,295 und seit 1979 können die Vertragsparteien Entwicklungsländern in Abweichung von Art. I GATT „eine (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 30 ff.; Hahn in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 133 Rn. 164 f. 292 So bei EuGH, Rs. 70 / 87, Slg. 1989, 1781, Rn. 19 ff. – Fediol III. 293 So bei EuGH, Rs. C-69 / 89, Slg. 1991, I-2069, Rn. 27 ff. – Nakajima. 294 Vgl. etwa Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 435; Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 58 ff.; Jackson, World Trading System (1997), S. 157 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 113 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 143 ff. Nach Langer, Grundlagen (1995), S. 85, 107 ff. handelt es sich hierbei um das zentrale „gleichheitsrechtliche“ Prinzip des GATT, also um das grundlegende Ordnungsschema für die Frage, wie die gleichmäßige Erstreckung der bei der Liberalisierung erzielten Fortschritte gewährleistet wird. 295 Art. XXIV:5 GATT. Vgl. dazu GATT, Analytical Index (1994), S. 742 ff.; Senti, WTO (2000), S. 172 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 128.

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differenzierte und günstigere Behandlung gewähren, ohne diese Behandlung den anderen Vertragsparteien zu gewähren“296. Der Zweck des Meistbegünstigungsprinzips besteht einerseits in einer Verfahrensvereinfachung, da sich bilaterale Absprachen mit jedem einzelnen Beteiligten erübrigen. Vor allem bewirkt es jedoch eine „Multiplizierung der Liberalisierungseffekte“297, da die zwischen zwei Staaten ausgehandelten Handelserleichterungen auf alle anderen Vertragsparteien erstreckt werden müssen.298 Dadurch bildet das Prinzip jedoch auch ein Gegengewicht zu einer ungeregelten Form der Machtpolitik, denn gegenüber Staaten, die keine Gegenleistungen erbringen wollen oder können, müssen die gleichen Handelserleichterungen eingeführt werden wie gegenüber dem jeweiligen Verhandlungspartner. Das Reziprozitätsprinzip und damit auch das Primat der Politik werden also durchbrochen,299 indem auch wirtschaftlich schwache Staaten von den gegenseitigen Zugeständnissen der großen Handelsnationen profitieren können.300 Durch die bloße Fixierung auf streitige Fälle, in denen es zur Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens kam, gerät auch die Tatsache in den Hintergrund, dass unter der Geltung des GATT keineswegs ein allgemeiner rechtloser Zustand vorherrschte. Trotz Grauzonenmaßnahmen und zum Teil offener Missachtung von GATT-Bestimmungen galt auch hier der Grundsatz des internationalen Wirtschaftsrechts, dass „die Rechtsbefolgung Regel, nicht Ausnahme ist“301. Der Grund dafür ist allerdings weniger in verrechtlichten Institutionen als vielmehr im rationalen Nutzenkalkül der Staaten zu suchen, die bei einer Verletzung der GATTBestimmungen Gegenmaßnahmen ihrer Handelspartner befürchten mussten. Eine Durchbrechung des Primats der Politik kann in der grundsätzlichen Rechtsbefolgung also nur bedingt gesehen werden. 296 Differential and More Favorable Treatment, Reciprocity and Fuller Participation of Developing Countries, Entscheidung der VERTRAGSPARTEIEN vom 28. 11. 1979, BISD 26S / 203 (sog. „enabling clause“). Vgl. dazu Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 69 ff.; Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 100 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 125. 297 So Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 118. 298 Vgl. allgemein Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 447 ff.; Brößkamp, Meistbegünstigung und Gegenseitigkeit (1990), S. 27 f. 299 So etwa auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 107 f. 300 Unklar bleibt deshalb, weshalb bei Langer, Grundlagen (1995) das Meistbegünstigungsprinzip nicht als klare Durchbrechung des Primats der Politik anerkannt wird, sondern neben dem Reziprozitätsprinzip als zweite Seite „ein und desselben Wirkungszusammenhangs“ (S. 111 f.) angesehen wird. Nach der Meinung Langers aktualisieren beide Prinzipien die „zwischenstaatliche Verantwortung und [die] daraus resultierende umfassende und unentrinnbare Einbindung der Staaten in das internationale System“ (S. 111). Das mag, wenn man wie Langer von einer umfassenden Interdependenz der Staaten ausgeht (S. 26 ff.), richtig sein. Trotzdem stellt ein Prinzip, das die Bedeutung der jeweiligen Machtverhältnisse für die Bewältigung und Formung dieser Interdependenz beschränkt, eine Abkehr vom Prinzip des Primats der Politik dar. 301 Darauf weist Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 208 treffend hin.

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II. Veränderungen durch die Gründung der WTO Während somit im klassischen GATT das Primat der Politik trotz einiger Einschränkungen umfassende Geltung beanspruchen konnte, stellt sich die Frage, ob diese Aussage auch für die neu gegründete WTO zutrifft. Nach der Ansicht Langers ist dies der Fall: Seine Untersuchung bezieht sich auf das gesamte System der WTO, auch wenn er sich im Detail schwerpunktmäßig mit Bestimmungen des GATT auseinandersetzt 302. Ob diese Einschätzung aber trotz der zu Beginn der Arbeit skizzierten303, mit der Gründung der WTO einhergehenden Veränderungen aufrechterhalten werden kann, oder ob dadurch das Primat der Politik zu einem erheblichen Teil aus dem Recht der internationalen Handelsbeziehungen verdrängt wurde, erfordert eine detaillierte Untersuchung.

1. Organisationsform Bereits die neue Organisationsform der WTO weist auf eine grundlegende Neuausrichtung des Welthandelsrechts hin. Statt wie bisher auf der Grundlage eines vorläufig anwendbaren Abkommens ohne klare Organisationsstruktur zusammenzuarbeiten, gründeten die Vertragsparteien eine Internationale Organisation,304 deren weltumfassender Name auch räumlich neue Maßstäbe setzt. Einhergehend mit der neuen Form einigten sich die beteiligten Staaten auch auf eine Stärkung der Organisationsstruktur. Neben der mindestens alle zwei Jahre zusammentretenden Ministerkonferenz, der eine alle Bereiche der verschiedenen Abkommen umfassende Beschlussfassungskompetenz zukommt,305 ist insbesondere die Einrichtung eines Allgemeinen Rates hervorzuheben. Dieser übernimmt neben allgemeinen Exekutivfunktionen auch die Leitung der unter den verschiedenen Abkommen konstituierten Räte für Warenhandel, Dienstleistungshandel und TRIPS.306 Bemerkenswert ist auch die gestärkte Rolle des Sekretariats unter der Leitung eines Generaldirektors. Auch wenn dessen Aufgaben von der Ministerkonferenz festgelegt werden, ist das dort tätige Personal ebenso wie der Generaldirektor selbst weisungsunabhängig,307 so dass eine teilweise Entkoppelung der WTOTätigkeit von mitgliedstaatlicher Einflussnahme möglich ist.

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Vgl. insbesondere Langer, Grundlagen (1995), Teil C (S. 84 ff.). Vgl. oben unter § 5 II.4. Art. VIII WTO-Ü. Art. IV:1 WTO-Ü. Art. IV:2, 5 WTO-Ü. Art. VI:4 S. 2 WTO-Ü.

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2. Rechtserzeugung Einige Veränderungen der Welthandelsordnung betrafen den Bereich der Entscheidungsverfahren.308 Statt der schwerfälligen Mechanismen des GATT,309 nach denen die Entscheidungsfindung grundsätzlich den VERTRAGSPARTEIEN vorbehalten war, enthält das WTO-Übereinkommen ausführliche Regeln der Beschlussfassung und der Vertragsänderung. Auch wenn Art. IX:1 S. 1 WTO-Ü an „die nach dem GATT 1947 übliche Praxis der Beschlussfassung durch Konsens“310 anknüpft, enthüllt S. 2 den rechtlichen Grundsatz der Entscheidungsfindung: „Falls ein Beschluss nicht durch Konsens gefasst werden kann, wird über die strittige Angelegenheit durch Abstimmung beschlossen, sofern nichts anderes vorgesehen ist.“

Grundsätzlich werden dabei gemäß Art. IX:1 S. 3 WTO-Ü die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, wobei jedem Mitgliedstaat eine Stimme zukommt. Somit schafft Art. IX WTO-Ü die Möglichkeit, auch eine erhebliche Anzahl wirtschaftlich starker Nationen zu überstimmen – eine deutliche Abkehr vom Primat der Politik. In einigen wichtigen Bereichen gelten allerdings qualifizierte Mehrheitserfordernisse, so etwa eine Dreiviertelmehrheit für die Auslegung der verschiedenen Übereinkommen und für die Gewährung eines sogenannten waivers.311 Eine komplexe Verfahrensregel für Änderungen des WTO-Übereinkommens selbst oder eines der Multilateralen Abkommen findet sich in Art. X WTO-Ü. Danach kann die Ministerkonferenz beim Nichtzustandekommen eines Konsenses mit Zweidrittelmehrheit eine solche Änderung beschließen, jedoch tritt die Änderung einer Reihe wichtiger Vertragsprinzipien (unter anderem Art. IX WTO-Ü, Art. I und II GATT) erst nach Annahme durch alle Mitglieder in Kraft.312 Sonstige Änderungen, die „die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten ändern würden“, treten nach Annahme durch zwei Drittel der Mitglieder nur für diese in Kraft. Jedoch kann die Ministerkonferenz in diesen Fällen mit Dreiviertelmehrheit beschließen, „dass es jedem Mitglied, das die Änderung innerhalb der von der Ministerkonferenz festgelegten Frist nicht angenommen hat, in jedem Einzelfall freisteht, aus der WTO auszutreten oder mit Zustimmung der Ministerkonferenz Mitglied zu bleiben.“313 308 Einen Überblick bieten etwa Ipsen / Haltern, RIW 1994, S. 717 ff. (720); Senti, WTO (2000), S. 140 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 198 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 38 ff.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 50 ff. 309 Vgl. dazu oben unter § 16 I.1. und umgangreich Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 94 ff. 310 Auf die Tatsache, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Ablehnung im WTO-Recht bereits als Konsens gilt, verweist Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 51. 311 Art. IX:2, 3 WTO-Ü. Zum waiver-Verfahren siehe auch sogleich § 16 II.4. 312 Art. X:1, 2 WTO-Ü. 313 Art. X:3 WTO-Ü.

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Auch wenn die genaue Bedeutung dieser letzten Bestimmung „kryptisch“314 bleibt, zeigt sie doch das Bemühen um eine Verrechtlichung der Entscheidungsfindung auch in Fragen, die für die Mitgliedstaaten eine hohe politische Bedeutung haben. Da bei zunehmender Verflechtung der internationalen Handelsbeziehungen ein Austritt aus der WTO keine realistische Option mehr darstellen dürfte, besteht faktisch eine schlagkräftige Möglichkeit der Vertragsänderung auch gegen den Willen einer nicht unerheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten.315

3. Rechtsdurchsetzung Die deutlichsten Veränderungen haben sich im Bereich der Streitbeilegung ergeben. Das Verfahren ist in einem speziellen Anhang geregelt (DSU316) und gilt für alle Übereinkommen der WTO317. Damit entspricht es dem Konzept eines „single package-approach“318 und verhindert die Gefahr des „forum shopping“, die durch die Zersplitterung des GATT vor allem in den 80er Jahren entstanden war319. Das gesamte Verfahren ist rechtsförmig ausgestaltet, es gelten straffe Fristen und die Transparenz des Verfahrens ist deutlich verbessert worden.320 Unterstützt wird die Streitbeilegung durch die Stärkung des Überwachungsmechanismus. Er wurde in einem eigenständigen Anhang zum WTO-Übereinkommen niedergelegt und hat insbesondere durch eine stärkere Institutionalisierung des Verfahrens und durch die Veröffentlichung der Länderberichte an Bedeutung gewonnen.321 Formell werden wichtige Aufgaben der Streitbeilegung allerdings noch immer vom Allgemeinen Rat wahrgenommen, der sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt und damit eine politisch geprägte Institution ist. Er tagt dabei in besonderer Funktion als Dispute Settlement Body (DSB)322 und ist modifizierten 314 So etwa Meng, WTO-Recht als Steuerungsmechanismus (1998), S. 49. Die Formulierung muss wohl als Möglichkeit eines Ausschlusses aus der WTO interpretiert werden; so auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 39. 315 Skeptischer Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 59. 316 Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes (DSU) vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 234. Zu den verschiedenen Zusatzvereinbarungen vgl. Senti, WTO (2000), S. 134 f. 317 Art. 1 DSU und Anhang 1. 318 Siehe oben unter § 5 II.4. 319 Vgl. Ipsen / Haltern, RIW 1994, S. 717 ff. (722); Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 222 ff. 320 Dazu Meng, WTO-Recht als Steuerungsmechanismus (1998), S. 59 ff.; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 250 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 217 ff.; Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 151 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 446 ff.; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 83 ff. 321 Vgl. dazu bereits oben 2. Teil, Fn. 245 und Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 214 f.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.1. (jeweils m. w. N.). 322 Art. IV:3 WTO-Ü, Art. 2 DSU.

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Verfahrensbestimmungen unterworfen. Der DSB entscheidet über die Einsetzung und Zusammensetzung eines Panels, ist für die Verfahrensordnung der Streitbeilegung zuständig und muss die Panel-Berichte annehmen. Allerdings ist der Möglichkeit einer Verfahrensblockade, die unter der Geltung des GATT jedem Staat gegeben war, dadurch eine wirksame Hürde vorgeschoben, dass die Verfahrensschritte nach einem im DSU vorgesehen Automatismus unternommen werden, der nur im Konsens aufgehalten werden kann. Das Konsensprinzip der GATT-Streitbeilegung ist also umgekehrt worden. So wird auf Antrag eines Mitgliedstaates spätestens auf der zweiten Sitzung des DSB ein Panel eingesetzt, sofern kein gegenteiliger Beschluss im Konsens ergeht.323 Es besteht also faktisch ein Recht auf die Einleitung eines Panel-Verfahrens.324 Auch auf die Zusammensetzung des Panels kann der DSB nur begrenzten Einfluss ausüben: Das Sekretariat schlägt drei oder fünf „hochqualifizierte“ und unabhängige Mitglieder vor, die bei fehlender Einigung des DSB nach Ablauf von 20 Tagen vom Generaldirektor bestimmt werden können.325 Am bedeutendsten ist die Umkehrung des Konsensprinzips bei der Annahme des Panel-Berichts: Er gilt 60 Tage nach seiner Verteilung an die Mitglieder als durch den DSB angenommen, wenn dieser nicht im Konsens entscheidet, den Bericht nicht anzunehmen.326 Alternativ kann die unterlegene Partei auch Rechtsmittel beim Appellate Body einlegen. Diese im Gegensatz zu den ad hoc eingesetzten Panels ständige zweite Instanz wird in der deutschen Übersetzung des DSU als „ständiges Berufungsgremium“ bezeichnet, ist aber wegen ihrer Beschränkung auf die Prüfung von Rechtsfragen327 als Revisionsinstanz zu qualifizieren328. Die Einführung einer zweiten Instanz lässt nicht nur eine Stärkung rechtsstaatlicher Elemente im einzelnen Verfahren, sondern langfristig auch eine homogenere Auslegung der WTO-Bestimmungen erwarten.329 Art. 6:1 DSU. So auch Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 233 f. m. w. N.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 437; i.E. auch Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 90, Fn. 252. 325 Art. 8:1, 2, 5, 7 DSU. 326 Art. 16:4 DSU. 327 Vgl. Art. 17:6 DSU. 328 So auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 441; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 77. 329 So auch Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 379 f.; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 77. Eine Doktrin der stare decisis, nach der spätere Panels an die Auslegung des Appelate Body gebunden sein würden, existiert jedoch nicht. Stattdessen sind nur die beteiligten Parteien an die jeweilige Entscheidung gebunden, Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 373 f.; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 12. Trotzdem ist in der Praxis eine Orientierung der Panels an Entscheidungen des Appelate Body zu erwarten und in einzelnen Fällen auch bereits zu beobachten, Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 234; Lörcher, Neue Verfahren (2001), S. 442 ff. Umfassend dazu Bhala, J. Transnat’l L. & Pol’y 9 (1999), S. 1 ff.; ders., Geo. 323 324

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Verrechtlicht wurde auch die Durchsetzung der Beschlüsse:330 Grundlage dieses Verfahrensschritts sind die „Empfehlungen“ des Panels, die nach der Annahme durch den DSB grundsätzlich sofort umzusetzen sind331. Der DSB überwacht die Umsetzung und kann, wenn den Empfehlungen nicht nachgekommen wird und Verhandlungen zwischen den Parteien über Entschädigungen keinen Erfolg haben, von der obsiegenden Partei um die Genehmigung von Gegenmaßnahmen gebeten werden.332 Auch beim Beschluss über diese Gegenmaßnahmen gilt das umgekehrte Konsensprinzip, so dass die unterlegene Partei keine Blockademöglichkeiten hat.333 Der Umfang der Gegenmaßnahmen „muss dem Umfang der zunichte gemachten oder geschmälerten Vorteile entsprechen“334 und kann sich notfalls auch auf andere Sektoren desselben Übereinkommens oder auf Zugeständnisse eines anderen Übereinkommens erstrecken (sog. „cross retaliation“)335. Dadurch wird die Sanktionsmacht von wirtschaftlich schwachen Staaten entscheidend gestärkt.336 Zwar existieren auch im neuen Streitbeilegungsmechanismus politische Elemente fort. So ist dem Panel-Verfahren beispielsweise ein obligatorisches Konsultationsverfahren vorgeschaltet, und auf die Möglichkeit eines Vergleichs unter Zuhilfenahme „Guter Dienste“ von Dritten wird ausdrücklich hingewiesen.337 Insgesamt ist das Streitbeilegungsverfahren nun jedoch so gerichtsförmig ausgestaltet worden, dass in diesem Bereich durchaus von einem „Primat des Rechts“338 gesprochen werden kann.339 Die Verrechtlichung schlägt sich auch in der Praxis der Streitbeilegung nieder: Seit Gründung der WTO ist ein starkes Anwachsen der Inanspruchnahme der Streitbeilegungsmechanismen zu beobachten, inzwischen strengen zunehmend auch Entwicklungsländer Verfahren an, und die Umsetzung der Entscheidungen konnte erheblich verbessert werden.340 Wash. L. Rev. 33 (2001), S. 873 ff.; Blackmore, N.C. J. Int’l L. & Com. Reg. 29 (2004), S. 487 ff. 330 Dazu ausführlich Stoll, WTO Dispute Settlement (1999); Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 112 ff. 331 Art. 19:1, 21:1 DSU. In besonderen Fällen ist jedoch auch die Einräumung eines „angemessenen Zeitraums“ möglich, dessen Umfang in Art. 21:3 DSU genauer bestimmt wird. 332 Art. 21:4, 22:2 DSU. 333 Art. 22:6 S. 1 DSU. Es besteht allerdings die Möglichkeit, für die Prüfung des Umfangs der beantragten Gegenmaßnahmen ein Schiedsverfahren anzustreben, dessen Ergebnis wiederum nur mit Konsens abgelehnt werden kann, Art. 22:6 S. 2, Abs. 7 DSU. 334 Art. 22:4 DSU. 335 Art. 22:3 a)-c) DSU. Dazu Vranes, EuZW 2001, S. 10 ff. 336 Vgl. dazu bereits oben unter § 5 II.4. 337 Art. 4:2, Art. 5 DSU. 338 So etwa auch Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 214. 339 Vgl. dazu auch Hilf, J. Int’l Econ. L. 4 (2001), S. 111 ff. (114 ff.). Ob die Panels und / oder der Appellate Body völkerrechtlich schon jetzt als Gerichte zu qualifizieren sind, ist umstritten. Vgl. dazu ausführlich Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 346 ff. m. w. N.

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Dass die mit der Gründung der WTO einhergehenden Verrechtlichungstendenzen des Streitbeilegungsmechanismus nicht den Schlusspunkt, sondern nur einen Zwischenschritt einer Entwicklung darstellen, lassen die im Rahmen der DohaRunde stattfindenden Verhandlungen deutlich werden. Diskutiert wird beispielsweise über die Einrichtung eines ständigen Spruchkörpers auch in der ersten Instanz oder die Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten auf Schadensersatzforderungen.341 Diese Reform der Streitbeilegung würde einen weiteren Schritt hin zu einem vollwertigen gerichtlichen Verfahren darstellen. 4. Einheitlichkeit der Rechtsordnung Im materiellen WTO-Recht zeigt sich die Verrechtlichungstendenz durch den an zahlreichen Stellen zum Ausdruck kommenden Versuch, die Zersplitterung und die Ausnahmeregelungen des klassischen GATT zurückzudrängen. Am prägnantesten kommt dies im sogenannten „single package-approach“ zum Ausdruck. Anders als zuvor können sich die Staaten nun nicht mehr die ihnen günstigen Abkommen heraussuchen und den anderen fernbleiben („GATT à la carte“). Vielmehr ist eine WTO-Mitgliedschaft nun bis auf wenige Ausnahmen342 zwingend mit der Übernahme aller 46 unter ihrem Dach versammelten Übereinkommen verbunden.343 Dabei sind – abweichend von den allgemeinen völkervertraglichen Bestimmungen der Art. 19 ff. WVRK344 – Vorbehalte zu den Übereinkommen nur zulässig, wenn 340 Vgl. dazu Hudec, Minn. J. Global Trade 8 (1999), S. 1 ff.; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 376 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 223 ff.; Schroeder / Schonard, RIW 2001, S. 658 ff. (662 ff.); Ohlhoff, EuZW 2002, S. 549 ff.; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 4.; WTO, Annual Report 2003, S. 34 f., 94 ff.; Hohmann, RIW 2004, S. 328 ff.; Leitner / Lester, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 169 ff.; Pham, Harv. Negotiation L. Rev. 9 (2004), S. 331 ff. (346 ff.); Qureshi, Participation (2004), S. 476 ff.; WTO, Annual Report 2004, S. 49 ff. Inzwischen sind bereits mehr Streitfälle vor den DSB gebracht worden als vor die GATT-Panels während ihrer fast 50jährigen Arbeitsdauer, vgl. http: / / www.wto.org / english / news_e / pres03_e / pr353_e.htm (01. 09. 2004). 341 Siehe Van der Borght, Am. U. Int’l L. Rev. 14 (1999), S. 1223 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 508 ff.; Berrisch, RIW 2004, S. 69 ff. (73); Petersmann, Doha Development Round (2004); Cottier, Proposals (2004) und die Dokumente bei http: / / www.wto.org / english / tratop_e / dispu_e / dispu_e.htm#negotiations (01. 09. 2004). Vgl. auch den Zwischenbericht bei WTO, Annual Report 2003, S. 55. Das Scheitern der Verhandlungen in Cancún hatte auf diese Reformvorhaben nur zeitliche, nicht jedoch inhaltliche Auswirkungen, vgl. Decision of the General Council on the Doha Agenda Work Programme vom 02. 08. 2004, WTO-Dok. Nr. WT / L / 579, ad 1 f.). Zu den anstehenden Problemen auch Jackson, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 329 ff. 342 Von den oben im 1. Teil, Fn. 91 genannten vier plurilateralen Nebenabkommen zu Zivilluftfahrzeugen, dem öffentlichen Beschaffungswesen sowie Milcherzeugnissen und Rindfleisch (vgl. Art. II:3 WTO-Ü) sind seit 1997 nur noch die ersten beiden in Kraft, vgl. Kareseit, Welthandelsorganisation (1998), S. 91 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 50. 343 Art. II:2 WTO-Ü. Dies gilt insbesondere auch beim Beitritt neuer Mitglieder, Art. XII:1 S. 2 WTO-Ü.

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dies dort ausdrücklich vorgesehen ist,345 was bei den zentralen Übereinkommen nicht der Fall ist. Somit wird durch die Gründung der WTO eine einheitliche, für alle Mitglieder verbindliche Rechtsordnung geschaffen. Zwar bestehen auch weiterhin zahlreiche Ausnahmebestimmungen zu den WTO-Verpflichtungen. Insbesondere die geschilderten GATT-Sonderregeln sind übernommen worden und schaffen somit auch nach der Gründung der WTO die Möglichkeit einer Modifikation der allgemeinen Bestimmungen. Allerdings sind die Ausnahmebestimmungen an zentralen Stellen eingeschränkt worden, was an zwei Beispielen verdeutlicht werden soll: Einmal wurde die bereits dargestellte Schutzklausel des Art. XIX GATT durch ein eigenständiges „Übereinkommen über Schutzmaßnahmen“346 konkretisiert und beschränkt. Gemäß Art. 10 des Übereinkommens müssen sämtliche bereits bestehenden Maßnahmen spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens außer Kraft gesetzt werden, und für neue Maßnahmen gelten die engen Bestimmungen des Übereinkommens. So verbietet Art. 11:1 b) des Übereinkommens ausdrücklich „freiwillige Ausfuhrbeschränkungen, sonstige Selbstbeschränkungsabkommen oder ähnliche Maßnahmen“, um den bisherigen Grauzonenmaßnahmen einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Außerdem enthält das Übereinkommen detaillierte Notifikations-, Konsultations- und Verfahrensregeln.347 Ähnlich ist auch die im klassischen GATT überhand nehmende Praxis von sogenannten „waivers“ beschränkt worden. Art. XXV:5 GATT erlaubte beim Vorliegen von nicht weiter spezifizierten „außergewöhnlichen Umständen“ die Aufhebung von Verpflichtungen einzelner Mitgliedstaaten durch eine Zweidrittelmehrheit der VERTRAGSPARTEIEN. Hier hatten wirtschaftlich starke Länder teilweise umfangreiche und langlebige Ausnahmeregeln für sich durchsetzen können, so etwa eine Ermächtigung der USA zu Importbeschränkungen bei landwirtschaftlichen Produkten, die bereits 1955 gewährt wurde und bis zur Gründung der WTO Bestand hatte348. Inzwischen fordert Art. IX:3 WTO-Ü nicht nur eine Dreiviertelmehrheit der Ministerkonferenz zur Gewährung eines waivers, sondern alle bisherigen waiver mussten entsprechend einer Sondervereinbarung349 aufgehoben werden, während 344 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. 05. 1969, BGBl. 1985 II, S. 926. 345 Art. XVI:5 WTO-Ü. Auf die Tatsache, dass auch diese Norm den single package-approach widerspiegelt, verweisen auch Ipsen / Haltern, RIW 1994, S. 717 ff. (720 f.). 346 Agreement on Safeguards vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 184. Vgl. dazu Meng, WTO-Recht als Steuerungsmechanismus (1998), S. 51 f.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 110 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 156 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.13. m. w. N. 347 Vgl. etwa Art. 3, 5 – 7, 12 des Übereinkommens über Schutzmaßnahmen. 348 Vgl. dazu Benedek, Rechtsordnung des GATT (1990), S. 169 f.; Meng, WTO-Recht als Steuerungsmechanismus (1998), S. 53; Senti, WTO (2000), S. 466. 349 Understanding in Respect of Waivers of Obligations under the GATT 1994 vom 15. 04. 1994, WTO-Dok. Nr. LT / UR / A-1A / 1 / GATT / U / 5.

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strenge inhaltliche und verfahrensmäßige Anforderungen für neue waiver gelten. Insbesondere müssen sie zeitlich begrenzt sein und werden jährlich von der Ministerkonferenz überprüft.350 5. Vertiefte Regelungsdichte Neben der Einschränkung von Ausnahmen zum bereits bestehenden GATTRecht sind dessen Bestimmungen außerdem in einigen zentralen Bereichen konkretisiert und verdichtet worden.351 Beispielhaft kann dies an zwei Sonderabkommen veranschaulicht werden, dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT)352 und dem Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS)353: Staatliche Maßnahmen, die standardisierte technische Anforderungen an bestimmte Produkte zum Gegenstand haben, stellen oftmals ein Handelshemmnis für ausländische Produkte dar. Sie wurden vor Gründung der WTO an den allgemeinen Vorschriften des GATT gemessen, also insbesondere am Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen (Art. XI:1 GATT), dem Gebot der Inländerbehandlung (Art. III:1, 4 GATT) und den allgemeinen Ausnahmevorschriften des Art. XX GATT. Da diese Bestimmungen jedoch für den schwierigen Ausgleich zwischen begründeten Normierungsinteressen der Staaten und dem Ziel eines ungehinderten internationalen Warenaustausches wenig substantielle Aussagen treffen, wurde bereits in der Tokio-Runde ein Sonderabkommen geschlossen,354 das nun in modifizierter Form in die Rechtsordnung der WTO integriert wurde. Das TBT enthält einige brisante Neuerungen, die stärker als bisher Art und Umfang zulässiger technischer Handelshemmnisse bestimmen. Bemerkenswert ist vor allem, dass das Abkommen nicht bloß Diskriminierungsverbote wie etwa das Prinzip der Inländerbehandlung aufstellt, sondern ansatzweise auch ein Beschränkungsverbot ausspricht: Gemäß Art. 2.2 S. 2 TBT müssen die technischen Bestimmungen ein „berechtigtes Ziel“ verfolgen, worunter „unter anderem“ Gesundheits350 Art. IX:4 WTO-Ü. Vgl. dazu Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 203 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 165 ff. Einen aktuellen Überblick über zugestandene waiver findet sich bei WTO, Annual Report 2003, S. 69. 351 Allgemein zur Problematik eines verschärften standard of review siehe Ehlermann / Lockhart, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 491 ff. 352 Agreement on Technical Barriers to Trade vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 86. Dazu Weiler, JWT 34 (2000), S. 71 ff. (75 f.); Neumann, Koordination des WTORechts (2002), S. 145 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 265 ff.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.5. 353 Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 40. Siehe dazu Weiler, JWT 34 (2000), S. 71 ff. (77 ff.); Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 151 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 297 ff.; Kamann, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.3. 354 Vgl. dazu Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 272 ff.

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und Umweltschutz sowie Erfordernisse der nationalen Sicherheit verstanden werden (S. 3). Darüber hinaus dürfen die nationalen Vorschriften „nicht handelsbeschränkender als notwendig“ sein, um dieses Ziel zu erreichen.355 Dabei dürfen jedoch „die Gefahren, die entständen, wenn dieses Ziel nicht erreicht würde“, berücksichtigt werden.356 Da die Regelungsmaterie des TBT dem allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus der WTO unterworfen ist357, können staatliche Maßnahmen also durch WTO-Organe auf eine Weise überprüft werden, die zumindest den ersten beiden Stufen der deutschen Verhältnismäßigkeitsprüfung entsprechen358. Außerdem verpflichtet Art. 2.4 TBT die Staaten dazu, bei Vorhandensein einschlägiger internationaler Normen diese als „Grundlage für ihre technischen Vorschriften“ zu verwenden. Eine Ausnahme zu dieser Verpflichtung besteht allerdings, wenn die internationalen Normen aufgrund besonderer Umstände (beispielsweise „wegen grundlegender klimatischer oder geographischer Faktoren oder grundlegender technologischer Probleme“) dafür ungeeignet sind. In dieser Bestimmung liegt der Kern eines umfassenden Harmonisierungsgebots.359 Eine ähnliche Verdichtung der GATT-Bestimmungen enthält das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS). Als lex specialis zu den Bestimmungen des GATT, insbesondere zu dessen Art. XX (b),360 verbietet es den Mitgliedstaaten die Anwendung solcher Maßnahmen über ein Maß hinaus, welches „zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen notwendig ist“361. Außerdem sind nur Maßnahmen zulässig, die „auf wissenschaftlichen Grundsätzen“ und „wissenschaftlichen Nachweisen“ beruhen.362 Auch in diesem Abkommen findet sich eine Harmonisierungsverpflichtung: Gemäß Art. 3.1 SPS, der das Ziel verfolgt, Vgl. ausführlich Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.5., Rn. 66 ff. Art. 2.2 S. 2 TBT. Klarer die authentische englische Originalfassung: „For this purpose, technical regulations shall not be more trade-restrictive than necessary to fulfil a legitimate objective, taking account of the risks non-fulfilment would create.“ 357 Art. 14.1 TBT. 358 So auch Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 147. Weitergehend Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.5., Rn. 102 ff., der im Rahmen des Art. 2.2 TBT auch eine Angemessenheitsprüfung durchführen will. 359 Vgl. dazu Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 147 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 283 f.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.5., Rn. 122 ff. 360 Vgl. die Regelung des Art. 2.4 SPS, nach der gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, die mit den Bestimmungen des SPS vereinbar sind, in dieser Hinsicht auch mit den Bestimmungen des GATT – „insbesondere mit Art. XX b)“ – als im Einklang stehend gelten. 361 Art. 2.2 1. Halbsatz SPS. 362 Art. 2.2 2. Halbsatz SPS; vgl. dazu ausführlich Kamann, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.3., Rn. 82 ff. Allerdings besteht beim Fehlen ausreichenden wissenschaftlichen Beweismaterials die Möglichkeit, vorübergehende Maßnahmen zu erlassen, die allerdings innerhalb einer vertretbaren Frist überprüft werden müssen, Art. 5.7 SPS. 355 356

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„eine möglichst weitgehende Harmonisierung der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zu erreichen“, müssen sich die Staaten, falls vorhanden, auf internationale Normen stützen. Allerdings besteht die Möglichkeit, ein höheres Schutzniveau zu wählen, „wenn eine wissenschaftliche Begründung vorliegt“ oder eine nach international anerkannten wissenschaftlichen Kriterien erfolgte Risikobewertung erfolgt ist.363 Beide Sonderabkommen stellen somit eine deutliche Verschärfung der traditionellen GATT-Bestimmungen dar und formulieren rechtliche Anforderungen in Sachbereichen, die zuvor mangels spezifischer internationaler Regelung den Staaten überlassen waren.

6. Entwicklung hin zu einer Weltwirtschaftsordnung Traditionellerweise bezog sich das GATT ausschließlich auf Fragen des internationalen Warenhandels, während die anderen Bereiche der internationalen Wirtschaftsbeziehungen teils in eigenen Organisationen wie etwa dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization, WIPO), teils jedoch auch nur in regionalen und sektoralen Abkommen geregelt waren wie beispielsweise der internationale Dienstleistungshandel364. Eine fundamentale Veränderung erfuhren die internationalen Wirtschaftsbeziehungen deshalb dadurch, dass unter dem Dach der WTO eine Anzahl von Übereinkommen versammelt wurde, deren Inhalte weit über den Bereich des Warenhandels hinausgehen. Neben den bereits angesprochenen Übereinkommen über den Dienstleistungshandel (GATS) und über handelsbezogene Direktinvestitionen (TRIMs) ist hier insbesondere die Integration der geistigen Eigentumsrechte durch das TRIPS365 zu nennen. Detailliert werden dort die Verfügbarkeit, der Umfang und die Ausübung von Urheberrechten, Marken, Patenten und anderen Rechten des geistigen Eigentums geregelt366 und die gesamte Materie dem allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus der WTO unterworfen367. Die Integration weiterer wirtschaftlicher Regelungsmaterien wird momentan im Rahmen der Doha-Runde intensiv diskutiert. Prominentestes Beispiel ist dabei das 363 Art. 3.2 S. 1, Art. 5.1 – 8 SPS. Vgl. dazu Sander, ZEuS 2000, S. 335 ff. (362 ff.); Kamann, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.3., Rn. 37 ff. 364 Vgl. dazu etwa Koehler, GATS (1999), S. 53 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht (2003), § 9, § 11 sowie Mestmäcker (Hrsg.), Rules for Free International Trade in Services (1990). 365 Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) vom 15. 04. 1994, Anhang 1 C zum WTO-Übereinkommen, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 213. 366 Art. 9 ff. TRIPS. 367 Art. 64 TRIPS.

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Wettbewerbsrecht,368 doch auch die weitergehende Integration von Investitionsbestimmungen oder die Ausweitung der Bestimmungen zum internationalen Personenverkehr sind Gegenstand der Verhandlungen369. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang Art. III:2 WTO-Ü. Nach dieser Bestimmung soll die WTO nicht nur als Verhandlungsforum für die Weiterentwicklung der bestehenden Abkommen, sondern auch „für weitere Verhandlungen“ im Bereich multilateraler Handelsbeziehungen dienen. Auch in den Sonderabkommen finden sich zahlreiche Vorschriften, die eine Weiterentwicklung des WTO-Rechts ausdrücklich vorsehen – so etwa im GATS,370 im TRIPS und im Bereich des Agrarhandels371. Diese sogenannte „built-in-agenda“372 dynamisiert die Rolle der WTO über das bisherige Maß hinaus und ermöglicht auch eine inhaltliche Ausweitung ihrer Arbeit. Diesem Trend zur inhaltlichen Ausweitung entspricht eine ständige Erweiterung der Mitgliedschaft in der WTO. Nach dem Beitritt Chinas und Taiwans im Jahre 2001 ist sie bereits quasi-universal und wird nach dem bevorstehenden Beitritt Russlands373 nur sehr wenige, wirtschaftlich unbedeutende Staaten zurücklassen. Insgesamt lässt sich somit eine stetige Entwicklung weg von einer internationalen Handelsordnung hin zu einer Weltwirtschaftsordnung beobachten.

III. Fazit Die Gründung der WTO hat dem internationalen Wirtschaftsrecht eine neue Qualität gegeben. Auch wenn die Integrationsdichte der WTO von derjenigen der supranational ausgerichteten, in vielerlei Hinsicht Staatsqualität genießenden EU noch immer weit entfernt ist, kann und darf eine Tendenz zur Ausweitung, Vertiefung und Verrechtlichung nicht übersehen werden374.

Dazu ausführlich unten § 17 V.1. Siehe dazu unten § 17 IV.2.c) bb) (4). 370 Siehe dazu unten § 17 IV.2.b) bb). 371 Vgl. dazu Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 47 f. 372 Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 47; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 23; Prieß / Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.2., Rn. 124 ff. 373 Vgl. dazu oben 2. Teil, Fn. 94. 374 Die These der Entwicklung von einem power- zu einem rule-oriented system vertritt beispielsweise auch Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 386 ff. Vgl. auch die Analyse bei Tietje, Normative Grundstrukturen (1998), S. 113 ff. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 240 ff. ordnet die Organisationsform der WTO im Mittelfeld seiner „Typologie von Organisationsmodellen“ ein. In ihr herrsche eine Balance zwischen „rule- and power-oriented diplomacy“ vor, ebd., S. 258. 368 369

§ 17 Auswirkungen des WTO-Rechts auf Sozialordnungen

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§ 17 Erwartbare Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen Welche rechtlichen Wirkungen vom WTO-Recht auf nationale375 Sozialordnungen ausgehen oder in Zukunft ausgehen könnten, ist bisher kaum Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Diese beschränkt sich bisher weitgehend auf die Untersuchung der ökonomischen Auswirkungen der Liberalisierung des Welthandels, die im vorigen Kapitel angesprochen wurden. Zwar existiert eine öffentliche Debatte über die allgemeinen rechtlichen Auswirkungen der Globalisierung, doch eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Bestimmungen der WTO für den sozialen Bereich hat bisher nur begrenzt stattgefunden. Als Vorreiter können insofern verschiedene NGOs angesehen werden, die in ihren Kampagnen vor einem Souveränitätsverlust der Staaten im sozialen Bereich insbesondere durch die Bestimmungen des GATS warnen376. Fundierte Untersuchungen sind jedoch rar.377 Nach einem kurzen Exkurs, der die Auswirkungen des WTO-Rechts im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes beleuchtet und damit exemplarisch auf die neue Dynamik des Welthandelsrechts hinweist, soll eine Untersuchung der Auswirkungen des Welthandelsrechts auf nationale Sozialordnungen geleistet werden. Analysiert werden müssen dabei neben der allgemeinen rechtlichen Qualität des WTO-Rechts die komplexen Bestimmungen der verschiedenen Übereinkommen. Dabei bietet es sich an, eine Parallele zu denjenigen europäischen Bestimmungen zu ziehen, die für die Dynamik des europäischen Wirtschaftsrechts ausschlaggebend waren. Dadurch kann die bereits ausgereiftere europäische Diskussion für die Ebene der WTO fruchtbar gemacht und auch eine Prognose gewagt werden, welche Konflikte zwischen der Welthandelsordnung und den staatlichen Sozialordnungen möglicherweise in Zukunft bevorstehen.

375 Vereinfachend soll im Rahmen dieser Untersuchung der Begriff der nationalen bzw. mitgliedstaatlichen Sozialordnungen verwendet werden, obwohl das WTO-Recht gleichermaßen auch Auswirkungen auf kommunale, regionale oder supranationale soziale Bestimmungen haben kann. Inhaltlich führt diese sprachliche Vereinfachung jedoch zu keinen abweichenden Ergebnissen. 376 Vgl. etwa http: / / www.gatswatch.org / health.html (01. 09. 2004); http: / / www.thecor nerhouse.org.uk / briefing / 23gats.html (01. 09. 2004); http: / / www.attac.de / gats / index.php (01. 09. 2004). Eine „attac“-Veröffentlichung zu dieser Problemstellung stellt auch Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002) dar. 377 Eine erste partielle Untersuchung der Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen findet sich bei Health and Social Services, Council for Trade in Services, Background Note by the Secretariat vom 18. 09. 1998, WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, sowie in der gemeinsamen Studie von WTO und WHO, WTO Agreements and Public Health (2002). Dort wird neben Überlegungen zum Gesundheitsschutz in einem Unterkapitel auch das Spannungsverhältnis zwischen GATS und dem nationalen Gesundheitswesen thematisiert, vgl. WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 111 ff.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

I. Exkurs: Auswirkungen im Bereich des Umweltund Gesundheitsschutzes 1. Erfahrungen im Rahmen der Streitbeilegung Eine Vorstellung davon, welche Dynamik das WTO-Recht aufweisen kann, vermitteln die aufgetretenen Streitfälle im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes378. Schon vor der Gründung der WTO gab es dort zahlreiche Fälle, in denen nationales Recht mit den Bestimmungen des GATT kollidierte und in denen ein Panel-Verfahren angestrengt wurde. Für die Materie des Gesundheitsschutzes ist insbesondere der Thai Cigarettes-Fall379 bedeutsam geworden, in dem die VERTRAGSPARTEIEN auf Empfehlung des Panels ein thailändisches Gesetz, welches den Import ausländischer Zigaretten aus angeblich gesundheitlichen Gründen verbot, für unvereinbar mit dem in Art. XI:1 GATT niedergelegten Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen erklärten. Viel öffentliche Aufmerksamkeit gewannen die beiden Panel-Berichte Tuna I und II380 zum US-amerikanischen „Marine Mammal Protection Act“. In diesem Gesetz wurde der Import von Thunfisch verboten, welcher ohne Schutzvorrichtungen gegen den ungewollten Beifang von Delfinen gefangen worden war. Die Panels sahen darin ebenfalls einen Verstoß gegen Art. XI:1 GATT, der auch unter den Ausnahmebestimmungen des Art. XX b) oder g) GATT nicht gerechtfertigt werden könne. Allerdings wurden beide Berichte aufgrund einer gütlichen Einigung der Parteien nicht angenommen381. 378 Vgl. dazu die umfangreichen Nachweise bei Knorr, ORDO 46 (1995), S. 203 ff.; Howse / Trebilcock, Int’l Rev. L. & Econ. 16 (1996), S. 61 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), S. 314 ff.; Beukel, J. Int’l Rel. & Dev. 4 (2001), S. 138 ff.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO (2001), S. 45 ff., 515 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), S. 249 f.; Wolf, Regulative Maßnahmen (2002); Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 439 ff., 485 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 237 ff.; Schmidt / Kahl, Umweltschutz und Handel (2003), Rn. 75 ff. 379 Thailand – Restrictions on Importation of and Internal Taxes on Cigarettes, Report of the Panel Nr. DS10 / R vom 05. 10. 1990, GATT BISD 37S / 200, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 90cigart.asp (01. 09. 2004). Vgl. dazu Petersmann, GATT / WTO Dispute Settlement System (1997), S. 121 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), S. 320; Trüeb, Umweltrecht in der WTO (2001), S. 518 f. 380 United States – Restrictions on Imports of Tuna I, Report of the Panel Nr. DS21 / R vom 16. 08. 1991, nicht angenommen, I.L.M. 30 (1991), S. 1594 ff., im Internet zu finden unter http: / / www.worldtradelaw.net / reports / gattpanels / tunadolphinI.pdf (20. 12. 2003); United States – Restrictions on Imports of Tuna II, Report of the Panel Nr. DS29 / R vom 20. 05. 1994, nicht angenommen, I.L.M. 33 (1994), S. 839 ff., im Internet zu finden unter http: / / www.worldtradelaw.net / reports / gattpanels / tunadolphinII.pdf (01. 09. 2004). Vgl. dazu Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), S. 320 ff.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO (2001), S. 523 ff.; Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 165 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 245 ff. 381 Vgl. Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 166; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 246.

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Mit der Verrechtlichung des Streitbeilegungsverfahrens und der Vertiefung der Regelungsdichte im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes (SPS, TBT) im Zuge der WTO-Gründung erhöhte sich die Anzahl der Fälle beträchtlich382. Beispielhaft kann etwa der Shrimp-Turtle-Fall383 angeführt werden, in dem sowohl das Panel als auch der Appellate Body ein US-amerikanisches Gesetz als Verstoß gegen Art. XI GATT wertete. Das Gesetz hatte den Import von Garnelen verboten, die mit einer für Meeresschildkröten tödlichen Methode gefangen worden waren. Besonders heftig wurden in Europa die Fälle diskutiert, die sich auf das unter der WTO-Ordnung zulässige Maß an Gesundheitsschutz bezogen. Neben dem Asbest-Fall384 erregte dabei insbesondere der Hormon-Fall385 die Gemüter: Um eine Umgehung des in der EG geltenden Verbots zu verhindern, bei der Rindermast Wachstumshormone zu verwenden, versagte die EG die Einfuhr von Fleisch hormonbehandelter Rinder. Bereits vor Gründung der WTO hatten die USA und Kanada gegen dieses Importverbot ein Panel-Verfahren angestrengt, das jedoch erfolglos verlief. Erst die verschärften Anforderungen des SPS führten dazu, dass ein neu einberufenes Panel in der europäischen Regelung einen Verstoß gegen WTORecht sah. Das Importverbot verstoße gegen Art. 3.1 SPS, weil es nicht auf internationalen Normen basiere und weil die EG für die Rechtfertigung eines höheren Schutzniveaus keine hinreichende wissenschaftliche Begründung geliefert habe. Auch liege ein Verstoß gegen Art. 5.1 SPS vor, da keine angemessene Risikoermittlung stattgefunden habe.386 Der Panel-Bericht hatte zwar im Revisionsver382 Siehe die Übersicht bei Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 169 ff. sowie die nach Sachgebieten geordnete Zusammenstellung der Streitbeilegungsverfahren bei http: / / www.wto.org / english / tratop_e / dispu_e / dispu_subjects_index_e.htm (01. 09. 2004). 383 United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, Report of the Panel vom 15. 05. 1998, WTO-Dok. Nr. WT / DS58 / R; Report of the Appellate Body vom 06. 11. 1998, WTO-Dok. Nr. WT / DS58 / AB / R. Vgl. dazu Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), S. 323 f.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO (2001), S. 533 ff.; Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 172 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 248. 384 European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, Report of the Panel vom 18. 09. 2000, WTO-Dok. Nr. WT / DS135 / R. Vgl. dazu Paltrowitz, Brook. J. Int’l L. 26 (2001), S. 1789 ff.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO (2001), S. 538; McConnell, Tulsa J. Comp. & Int’l L. 10 (2002), S. 153 ff.; Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 185 ff.; Yavitz, Minn. J. Global Trade 11 (2002), S. 43 ff. 385 European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products (Hormones), Reports of the Panel vom 18. 08. 1997, WTO-Dok. Nr. WT / DS26 / R und WT / DS48 / R; Reports of the Appellate Body vom 16. 01. 1998, WTO-Dok. Nr. WT / DS26 / AB / R und WT / DS48 / AB / R. Vgl. dazu aus der umfangreichen Literatur etwa Hilf / Eggers, EuZW 1997, S. 559 ff.; Godt, EWS 1998, S. 202 ff.; Vollmöller, Globalisierung des öffentlichen Wirtschaftsrechts (2000), S. 191 ff.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO (2001), S. 531 ff.; Dommen, Hum. Rts. Q. 24 (2002), S. 1 ff. (17 ff.); Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 208 ff. 386 European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products (Hormones), Reports of the Panel vom 18. 08. 1997, WTO-Dok. Nr. WT / DS26 / R und WT / DS48 / R, para 8.43 ff.

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fahren hinsichtlich des Verstoßes gegen Art. 3.1 SPS wegen einer anderen Würdigung der Beweislast keinen Bestand. Trotz der Einräumung eines größeren nationalen Gestaltungsspielraumes sah der Appellate Body die Risikoermittlung der EG aber als unzureichend an und bestätigte deshalb den Verstoß gegen Art. 5.1 SPS, weil wissenschaftlich tragfähige Hinweise auf eine gesundheitsschädigende Wirkung des hormonbehandelten Fleisches fehlten.387 Dass eine Vielzahl solcher Konflikte auch für die Zukunft zu erwarten ist, zeigt sich anhand der ähnlich gelagerten Fallkonstellation im Bereich gentechnisch veränderter Lebensmittel.388 Gegen das Moratorium der EG und deren Pläne, eine umfassende Kennzeichnungspflicht einzuführen, beantragten die USA, Kanada und Argentinien im Mai 2003 die Einleitung eines Panel-Verfahrens. Auch hier wird der EG vorgeworfen, ohne ausreichende wissenschaftliche Belege zum Nachteil von ausländischen Produzenten Handelsbeschränkungen erlassen zu haben.389

2. Positive Integration? Was diese neuen Fälle im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes besonders auszeichnet, ist das zunehmende Eindringen des WTO-Rechts in Politikfelder, die klassischerweise in den ausschließlich nationalen Zuständigkeitsbereich fielen. Zwar wurden in diesen Fällen jeweils nur die Importverbote der beteiligten Länder verworfen und nicht die Bestimmungen, die etwa den eigenen Staatsbürgern verboten, Delfine und Meeresschildkröten zu töten oder bestimmte möglicherweise gesundheitsschädigende Produkte herzustellen. Trotzdem gehen die Auswirkungen der Entscheidungen über eine rein ökonomische Dimension weit hinaus: Für die jeweils unterlegene Partei bedeuten sie nicht bloß die Verpflichtung, ausländische Konkurrenz zuzulassen und deshalb möglicherweise wirtschaftliche Störungen zu erleiden390. Vielmehr werden die Staaten zur Öffnung ihrer Grenzen auch für solche Produkte verpflichtet, deren Herstellung oder Verwendung gegen nichtwirtschaftliche nationale Politikziele verstoßen und die 387 European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products (Hormones), Reports of the Appellate Body vom 16. 01. 1998, WTO-Dok. Nr. WT / DS26 / AB / R und WT / DS48 / AB / R, para 10 ff. 388 Vgl. dazu etwa Burchardi, ZLR 2001, S. 83 ff.; Wolf, Regulative Maßnahmen (2002); Kamann, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.3., Rn. 21 m. w. N.; Ostrovsky, Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y 15 (2004), S. 209 ff. Allgemein zur Lebensmittelsicherheit siehe auch Zhang, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 565 ff. 389 Vgl. European Communities – Measures Affecting the Approval and Marketing of Biotech Products, Request for the Establishment of a Panel by the United States vom 08. 08. 2003, WTO-Dok. Nr. WT / DS291 / 23 sowie die Requests von Kanada und Argentinien vom gleichen Tag, WTO-Dok. Nr. WT / DS292 / 17 und WT / DS293 / 17. 390 Dass diese Furcht zu einem nicht unerheblichen Maße manchen der nationalen Regelungen zugrunde liegen könnte, kann bei der hier vorgenommenen rechtlichen Betrachtung außer Acht bleiben.

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auf die Realisierung dieser Politikziele gerichteten nationalen Maßnahmen außer Kraft setzen. Trotzdem wäre es falsch, wenn man – wie es in der öffentlichen Diskussion oft geschieht – aus diesen Fällen abzuleiten versuchte, dass mit der Erstarkung der WTO eine generelle Tendenz zur Überspielung nichtwirtschaftlicher Politikziele durch eine ökonomische, insbesondere freihändlerische Rationalität zu befürchten sei. Schließlich erkennen die Ausnahmebestimmungen des GATT, des SPS und des TBT solche Ziele durchaus an.391 Entscheidend ist vielmehr, dass die Frage, auf welche Art und in welchem Umfang diese Ziele von ökonomischen Prinzipien verdrängt werden können, internationalisiert wird. Das zeigt sich einerseits durch die Formulierung inhaltlicher Anforderungen im Recht der WTO, wie etwa durch die geschilderten Kriterien der Erforderlichkeit und der wissenschaftlichen Fundierung. Außerdem führt auch der Verweis auf internationale Bestimmungen aus anderen Übereinkünften, wie beispielsweise in Art. 3.1 SPS oder Art. 2.4 TBT, zu einer Kompetenzverschiebung weg von einer einzelstaatlichen Autonomie hin zu einer – wie auch immer gearteten – internationalen Form der Zusammenarbeit 392. Insbesondere die bei diesem Prozess der Kompetenzverschiebung zentrale Bedeutung der WTO-Streitbeilegungsorgane, deren Arbeit für manche Autoren eher die Qualität von „law-making“ denn „law-applying“ hat,393 erinnert an die parallele Entwicklung in der EG. Tatsächlich könnten die Entwicklungen im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes ein erstes Beispiel dafür sein, wie aus der ursprünglich reinen Handelsorganisation eine internationale Ordnung entsteht, die neben negativer wirtschaftlicher auch bestimmte Bereiche positiver Integration in sich vereint.

II. Sozialpolitische Neutralität? Es stellt sich somit die Frage, ob eine Entwicklung wie im Bereich des Umweltund Gesundheitsschutzes auch im Rahmen des Sozialrechts zu erwarten ist. Statt einer detaillierten Prüfung der Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen herrscht in den eher kursorischen Anmerkungen zu diesem Thema meist die Ansicht vor, die Rechtsordnung der WTO ließe die staatlichen SozialsysSiehe oben unter § 16 II.5. Dass sich mit dieser Übernahme von internationalen Übereinkünften komplexe Legitimitätsprobleme ergeben, kann an dieser Stelle nur angemerkt werden. Problematisch ist neben der fehlenden Vertretung mancher WTO-Mitglieder in den entsprechenden internationalen Gremien insbesondere der mangelnde Verpflichtungscharakter vieler dieser Bestimmungen, denen erst durch die Heranziehung im WTO-Streitbeilegungsverfahren eine rechtliche Bindungswirkung zuwächst. Vgl. zu dieser Problematik Marceau, JWT 33 (1999), S. 87 ff.; Howse, Adjudicative Legitimacy (2000); Gehring, Schutzstandards in der WTO? (2002), S. 120 ff. Allgemein zu judikativen Kompetenzkonflikten auf internationaler Ebene auch Lutz, Kompetenzkonflikte (2003), S. 33 ff. 393 Vgl. z. B. Jackson, FS Oppermann (2001), S. 414. 391 392

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teme rechtlich weitgehend unangetastet. So wird etwa die These vertreten, die Bestimmungen der WTO ließen den Mitgliedstaaten die volle Autonomie394 oder seien „sozialpolitisch neutral, das heißt, sie lassen den Mitgliedstaaten inhaltlich weitgehend freie Hand“395. Meist werden die möglichen Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen überhaupt nicht thematisiert, sondern es wird lediglich darauf verwiesen, dass das WTO-Recht keine Auswirkungen auf die (eng mit den sozialen Bestimmungen verknüpften) nationalen Wirtschaftsordnungen habe.396 Unterstützung findet diese Auffassung in der Tatsache, dass bisher rechtliche Konflikte zwischen dem GATT- bzw. WTO-Recht und nationalen Sozialordnungen im Streitbeilegungsmechanismus nicht aufgetreten sind. Nur scheinbar eine Ausnahme stellt der Fall „Belgian Family Allowances“397 aus den Anfangsjahren des GATT dar: Geprüft wurde ein belgisches Gesetz, welches das nationale System von Familienbeihilfen schützen sollte. Dazu wurde in bestimmten Fällen beim Kauf derjenigen ausländischen Produkte, welche aus einem Land ohne vergleichbare Beihilfen stammten, eine Sondersteuer von 7,5% erhoben. Der Panel-Bericht konstatierte einen Verstoß sowohl gegen das Meistbegünstigungsprinzip als auch das Gebot der Inländerbehandlung aus Art. III:2 GATT und empfahl eine Beseitigung der diskriminierenden Wirkung.398 Dieser Fall hat zwar einen Bezug zum Sozialrechts Belgiens, stellt aber dessen materielle Bestimmungen nicht in Frage. Allein der Versuch, sich vor den ökonomischen Auswirkungen des niedrigeren sozialen Regelungsniveaus in anderen Ländern zu schützen, wurde als Verstoß gegen die Rechtsordnung des GATT angesehen. Ein Gegenargument zur These der wirtschafts- und sozialpolitischen Neutralität des internationalen Handelsrechts kann auf diesen Fall also nicht gestützt werden. Roessler, Diverging Domestic Policies (1996), S. 49 f. Adlung / Langhammer / Klemmer / Hüther, ZfW 46 / 2 (1997), S. 167 ff. (175). 396 So geht beispielsweise Langer davon aus, dass die WTO-Ordnung keine unkontrollierten Auswirkungen auf die nationalen Rechtsordnungen habe. Während etwa der Gemeinsame Markt der EG auf einer „basalen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Homogenität der beteiligten Staaten“ begründet sei, zeichne sich die WTO durch eine „Wirtschaftsverfassungsneutralität“ aus und stelle „keine Bedingungen an die Wirtschaftsform der Staaten“; vgl. Langer, Grundlagen (1995), S. 8. Von manchen Autoren wird diese Behauptung untermauert durch den Verweis auf die Tatsache, dass auch kommunistische Länder zu den Mitgliedern der WTO gehören – „Gebote oder Verpflichtungen auf die Ausgestaltung ihres eigenen Wirtschaftssystems“ enthalte die WTO-Rechtsordnung für die Mitgliedstaaten deshalb offensichtlich nicht; vgl. Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 74. Allerdings verweisen Stoll und Schorkopf darauf, dass das WTO-Recht „indirekte, sichernde Wirkungen im Hinblick auf die nationale Wirtschaftspolitik“ haben könne, ebd., Rn. 77. Eine allgemeine Beschreibung der harmonisierenden Wirkungen des WTO-Rechts liefert Reich, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 25 (2004), S. 321 ff., der den Bereich der nationalen Sozialordnungen aber nicht thematisiert. 397 Belgium – Family Allowances (Allocations Familiales), Report of the Panel Nr. G / 32 vom 06. 11. 1952, GATT BISD 1S / 59, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 52famalw.asp (01. 09. 2004). 398 Ebd., para 3, 8. 394 395

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Dass ein Streitfall mit einem rechtlichen Spannungsverhältnis zwischen WTORecht und nationalen Sozialordnungen bisher nicht aufgetreten ist, belegt jedoch noch nicht die Abwesenheit eines rechtlichen Konfliktpotentials. Ursache für das bisherige Ausbleiben dieser Konflikte könnte eine Diskrepanz zwischen dem textlichen Gehalt der GATT- bzw. WTO-Bestimmungen und ihrer bisherigen praktischen Umsetzung sein. Hintergrund dafür könnte die Politiknähe der bisherigen Funktionsweise des internationalen Handelsrechts sein, die oft zur Vermeidung eines förmlichen Vorgehens im Streitbeilegungsverfahren geführt hat399. Dadurch könnten aufgetretene Spannungen geduldet oder auf dem Verhandlungswege gelöst worden sein. Ein faktisches Zurückbleiben einer Norm hinter ihrem rechtlichen Potential ist insbesondere im internationalen Recht nichts Ungewöhnliches; man denke etwa an die zu Beginn der Arbeit geschilderte tiefe Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit internationaler Menschenrechtsverträge. Dass sich gerade im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts die rechtliche Wirkung von Normen im Laufe der Zeit und mit fortschreitender Integration der beteiligten Staaten erheblich ausweiten kann, zeigt die geschilderte Entwicklung der europäischen Wirtschaftsordnung. Bei der Suche nach einer solchen Dynamik im Recht der WTO sind neben den klassischen Bestimmungen des GATT insbesondere die neuen Entwicklungen mit einzubeziehen, da sie Tiefe und Umfang der Rechtsordnung maßgeblich verändert haben.

III. Vergleich der Wirkungsmechanismen von EG- und WTO-Recht 1. Zentrale Unterschiede Zieht man eine Parallele zwischen WTO- und EG-Recht, fallen drei zentrale Unterschiede ins Auge, die für die Auswirkungen auf nationale Rechtsordnungen von Bedeutung sind. a) Unmittelbare Anwendbarkeit Das wohl wichtigste Unterscheidungsmerkmal des WTO-Rechts in Abgrenzung zum europäischen Wirtschaftsrecht ist die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit seiner Bestimmungen. Diese Problematik zählt spätestens seit Gründung der WTO zu den meistbeachtetsten Streitpunkten des internationalen Wirtschaftsrechts und spaltet noch immer die Wissenschaft.400 Anders als im Recht der EG, für das insSiehe dazu oben unter § 16 I.2. Zur umfangreichen Debatte siehe exemplarisch den Streit zwischen Petersmann (EuZW 1997, S. 325 ff.; EuZW 1997, S. 651 ff.) und Sack (EuZW 1997, S. 650 ff.; EuZW 399 400

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besondere im Bereich der Grundfreiheiten eine unmittelbare Anwendbarkeit anerkannt ist,401 ist diese Wirkungsebene im Rahmen der WTO trotz der Verrechtlichungstendenzen der letzten Jahre noch immer problematisch. Das WTO-Recht selbst lässt diese Frage offen. Insbesondere aus Art. XVI:4 WTO-Ü, der jedes Mitglied dazu auffordert, seine Rechtsordnung „mit seinen Verpflichtungen aufgrund der als Anlage beigefügten Übereinkommen in Einklang“ zu bringen, lässt sich keine Aussage zu dieser Frage ableiten.402 Somit richtet sich die Frage nach den internen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.403 Dort wurde die unmittelbare Anwendbarkeit des WTO-Rechts teilweise durch den jeweiligen Ratifikationsgesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen.404 In anderen Staaten gelangten die Gerichte zu dem Ergebnis, eine unmittelbare Anwendbarkeit sei nicht gegeben.405 Kompliziert gestaltet sich die Lage in der EG: Zwar erklärte der Rat im Ratifikationsbeschluss zum WTO-Übereinkommen, dieses sei „nicht so angelegt, dass es unmittelbar vor den Rechtsprechungsorganen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten angeführt werden kann.“406 Die Kompetenz des Rates zu diesem Ausschluss einer unmittelbaren Anwendbarkeit ist jedoch gegenüber den anderen Organen der EG begrenzt, weswegen die Erklärung die offene Frage nicht abschließend beantworten konnte und den Urteilen des EuGH eine zentrale Bedeutung für diese Frage zukommt.407 Außerdem ist die Kompetenz der EG zur 1997, S. 650 ff.) sowie die übersichtlichen Darstellungen bei Cascante, Rechtsschutz (2003), S. 154 ff. und Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1., Rn. 20 ff. m. w. N. 401 Vgl. dazu oben unter § 15 III.1.a). 402 Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 ff. (128 f.); Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 58. A.A. aber Weber / Moos, EuZW 1999, S. 229 ff. (230). Ein in der Uruguay-Runde eingebrachter Vorschlag der Schweiz, die Mitgliedstaaten zur unmittelbaren Anwendung der Bestimmungen des GATT zu verpflichten, fand keinen Eingang in das WTO-Übereinkommen. Vgl. dazu Eeckhout, CMLR 34 (1997), S. 11 ff. (39); Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 ff. (129); Berkey, EJIL 9 (1998), S. 626 ff. (633); Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 68. 403 Vgl. nur Bogdandy, EuZW 2001, S. 357 ff. (360); Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 20. 404 So in den USA und Kanada, vgl. Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 68 f. m. w. N.; Kearns / Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 1 ff. Skeptisch aber Danwitz, JZ 2001, S. 721 ff. (726 f.). 405 So z. B. in Japan, vgl. Danwitz, JZ 2001, S. 721 ff. (727). 406 Beschluss 94 / 800 / EG des Rates vom 22. 12. 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 1 (S. 2). Allgemein dazu Siebold, Welthandelsorganisation und Europäische Gemeinschaft (2003), S. 266 ff. 407 Vgl. dazu Schlussantrag des Generalanwalts Saggio zu EuGH, Rs. C-149 / 96, Slg. 1999, I-8395, Rn. 20 f. – Portugal / Rat sowie Meng, Gedanken zur Frage unmittelbarer Anwendung (1995), S. 1070; Bogdandy, EuZW 2001, S. 357 ff. (360 f.); Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 69 f.; Hahn, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 133 EG, Rn. 170 m. w. N.

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Schließung völkerrechtlicher Verträge auch gegenüber den Mitgliedstaaten begrenzt und umfasst nicht den gesamten Bereich der unter dem Dach der WTO versammelten Übereinkommen.408 Deshalb musste das WTO-Übereinkommen sowohl von Repräsentanten der EG als auch von ihren Mitgliedstaaten ratifiziert werden; es handelt sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen.409 Insbesondere im Bereich des Dienstleistungshandels und der geistigen Eigentumsrechte sind den Mitgliedstaaten Kompetenzen verblieben.410 Das veranlasste beispielsweise die deutsche Bundesregierung, in ihrer Denkschrift zum WTO-Zustimmungsgesetz bestimmte Teile des TRIPS für unmittelbar anwendbar zu erklären411. Eine weitere ungeklärte Ebene der Problematik ist die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Entscheidungen des DSB. Umstritten ist hier insbesondere, ob ihnen eine völkerrechtliche Bindungswirkung zukommt oder ob den Staaten bei deren Umsetzung ein Spielraum für politische Verhandlungen verbleibt.412 408 Gemäß Art. 133 EG kommt der EG die ausschließliche Kompetenz für eine „Gemeinsame Handelspolitik“ zu. Ansonsten kann sie nur tätig werden, wenn ihr die entsprechende Materie auch im Innenverhältnis gegenüber den Mitgliedstaaten zugewiesen wurde, vgl. dazu Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht (1997), S. 189 ff.; Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 1 ff.; Vedder, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 133 EGV, Rn. 6 ff. Zu den Kompetenzerweiterungen des durch den Vertrag von Nizza erweiterten Art. 133 EG vgl. Hahn, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 133 EG, Rn. 68 ff. 409 Vgl. Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht (1997), S. 211 ff.; Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 71 f.; Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht (2002), S. 47 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 664 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 147. Zum Begriff des gemischten Abkommens siehe allgemein Schmalenbach, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 300 EG, Rn. 25 f. m. w. N. 410 So auch das WTO-Gutachten des EuGH 1 / 94, Slg. 1994, I-5267, Rn. 35 ff.; dazu ausführlich Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 5 ff. Insofern erscheint es problematisch, dass die EG bei Hinterlegung der Liste der spezifischen Verpflichtungen im Rahmen des GATS – vgl. dazu unten § 17 c) bb) (3) (c) – die unmittelbare Anwendbarkeit dieses Abkommens ausgeschlossen hat, vgl. dazu Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 57. Vgl. nun aber den erweiterten Art. 133 Abs. 5 EG; dazu Hahn, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 133 EG, Rn. 71 ff. 411 BT-Drs. 12 / 7655 (neu), S. 345. Vgl. dazu Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 228; Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 70; Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht (2002), S. 180 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 155. 412 Gestützt wird diese Argumentation insbesondere auf Art. 22.2 DSU, nach dem die beteiligten Parteien statt der Umsetzung einer bereits ergangenen DSB-Entscheidungen auch einvernehmlich die Zahlung einer Entschädigung vereinbaren können. Vgl. zu diesem Streit Bello, Am. J. Int’l L. 90 (1996), S. 416 ff.; Eeckhout, CMLR 34 (1997), S. 11 ff. (51 ff.); Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 371 ff.; Weber / Moos, EuZW 1999, S. 229 ff. (234 ff.); Senti, WTO (2000), S. 146 f.; Zonnekeyn, JWT 34 (2000), S. 93 ff.; Schroeder / Schonard, RIW 2001, S. 658 ff. (659 ff.); McNelis, JWT 37 (2003), S. 647 ff.; Jackson, Am. J. Int’l L. 98 (2004), S. 109 ff.; Sauer, EuR 2004, S. 463 ff.

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Bei diesem komplexen Geflecht wirkt es etwas vereinfachend, wenn der EuGH in seinem ersten Urteil413 zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des WTORechts diese ganz allgemein mit Gründen ablehnt, die ähnlich schon bei der Beurteilung des alten GATT angeführt wurden. Ohne Beachtung der Kompetenzprobleme und ohne detaillierte Auseinandersetzung mit der neuen Qualität des WTORechts stützt sich das Gericht auf die Bedeutung des Verhandlungsprinzips, die Möglichkeit einvernehmlicher Lösungen im Falle eines Streitbeilegungsverfahrens und die zu befürchtenden Nachteile der EG, wenn dort – anders als in den Rechtsordnungen der maßgeblichen Handelspartner – die Bestimmungen der WTO unmittelbar anwendbar wären.414 Das Urteil ist auf umfassende Kritik in weiten Teilen der Literatur gestoßen.415 Angesichts der zunehmenden Verdrängung politischer Elemente, insbesondere im Bereich der Schutzmaßnahmen und des Streitbeilegungsmechanismus, sei eine pauschale Ablehnung der unmittelbaren Anwendbarkeit nicht mehr vertretbar. Auch der Verweis auf die Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten überzeuge nicht, da deren Verhalten nicht die rechtliche Qualität des WTO-Übereinkommens bestimmen könne. Außerdem wird das Fehlen kompetenzrechtlicher Erläuterungen bemängelt. Inzwischen hat der EuGH seine Rechtsprechung vorsichtig relativiert: Erstens betonte er die Pflicht, das Gemeinschaftsrecht völkerrechtskonform und damit auch im Licht des WTO-Rechts auszulegen.416 Außerdem erkannte er im Dior-Urteil an, dass in den Bereichen des WTO-Rechts, welche in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen, das Gemeinschaftsrecht die unmittelbare Anwendbarkeit weder gebiete noch ausschließe.417 Somit ist es für bestimmte Teile des WTO-Rechts Aufgabe der Mitgliedstaaten, eine Entscheidung über die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit zu treffen.418 Allerdings scheint der Gerichtshof in einem späteren Urteil wiederum seine Rechtsprechung aus dem ersten WTO-Urteil zu bestätigen.419 EuGH, Rs. C-149 / 96, Slg. 1999, I-8395 – Portugal / Rat. EuGH, Rs. C-149 / 96, Slg. 1999, I-8395, Rn 36 ff. – Portugal / Rat. 415 Hilf / Schorkopf, EuR 35 (2000), S. 74 ff. (82 ff.); Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 193 ff.; Bogdandy, EuZW 2001, S. 357 ff. (361 f.); Danwitz, JZ 2001, S. 721 ff. (725 ff.); Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht (2003), § 7 Rn. 47; Hahn in: Calliess / Ruffert Art. 133, Rn. 174 ff. m. w. N. Eine vom Urteil des EuGH deutlich abweichende Position findet sich auch im Schlussantrag des Generalanwalts Saggio zu EuGH, Rs. C-149 / 96, Slg. 1999, I-8395, Rn. 19 ff. – Portugal / Rat. 416 Die „Gerichte [sind] verpflichtet, im Rahmen des Möglichen den Wortlaut und den Zweck des Artikels 50 des TRIPS zu berücksichtigen.“ EuGH, Rs. C-53 / 96, Slg. 1998, I-3603, Rn. 28 – Hermès. Vgl. dazu Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B III., Rn. 157 f. 417 EuGH, Rs. C-300, 392 / 98, Slg. 2000, I-11307, Rn. 48 – Dior. Vgl. dazu Hermes, EuR 36 (2001), S. 253 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 150 ff. 418 So etwa auch Danwitz, JZ 2001, S. 721 ff. (724 f.); Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 153. 413 414

§ 17 Auswirkungen des WTO-Rechts auf Sozialordnungen

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Auch wenn der EuGH gegenüber der unmittelbaren Anwendbarkeit des WTORechts also skeptisch bleibt, können möglicherweise schon jetzt manche der WTO-Bestimmungen vor nationalen Gerichten eingeklagt werden. Insgesamt bestehen im Fragekomplex der unmittelbaren Anwendbarkeit aber noch zahlreiche offene Fragen. Eine gewisse Dynamik könnte sich deswegen aus einer Panel-Entscheidung ergeben, die kurz nach dem ersten WTO-Urteil des EuGH erging. Darin wurde betont, die WTO-Bestimmungen dienten oftmals dem Schutz individueller Interessen, ohne daraus jedoch individuelle Ansprüche abzuleiten.420 Die Entwicklung der Problematik einer unmittelbaren Anwendbarkeit ist also weiterhin offen. b) Keine Individualklage In enger Verbindung mit der Frage einer unmittelbaren Anwendbarkeit steht ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen WTO und EG. Bisher existiert im Streitbeilegungsmechanismus der WTO keine Möglichkeit einer Individualklage,421 was im Rahmen der EG eine der maßgeblichen Triebkräfte der dynamischen Rolle des Europäischen Gerichtshofs war422. Allerdings bestehen gewisse Möglichkeiten einer Verfahrensbeteiligung nichtstaatlicher Akteure. So wurde vom Appellate Body grundsätzlich die Möglichkeit von Stellungnahmen durch Nichtregierungsorganisationen anerkannt, und in der Shrimp-Turtle-Entscheidung zeigte sich das Streitbeilegungsorgan offen gegenüber der Verwertung von so genannten „amicus curiae briefs“ bei der Entscheidungsfindung.423

419 EuGH, Rs. C-307 / 99, Slg. 2001, I-3159, Rn. 22 ff. – OGT Fruchthandelsgesellschaft. So auch Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 25. Vgl. dazu auch Stieglitz, EuZW 2001, S. 530 ff. 420 United States – Sections 301 – 310 of the Trade Act of 1974, Report of the Panel vom 22. 12. 1999, WTO-Dok. Nr. WT / DS152 / R, para 7.73. Vgl. dazu Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.II., Rn. 40 ff. 421 Vgl. dazu Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 ff. (136 ff.); Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO (1999), S. 253 ff.; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.I.2., Rn. 49. 422 Vgl. oben unter § 15 III.1.a). 423 Vgl. Esty, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 123 ff.; Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 52 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 471 ff.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 84; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 55 ff. m. w. N.; Nichols, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 25 (2004), S. 669 ff. Zur Beteiligung von NGOs in der WTO allgemein auch Benedek, Relations of the WTO (1998), S. 491 ff.; Lacarte, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 683 ff.; Shell, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 25 (2004), S. 703 ff. und aktuell WTO, Annual Report 2004, S. 75 ff.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

c) Keine Vorrangstellung Als drittes Unterscheidungsmerkmal ist der Rang des WTO-Rechts im Verhältnis zum Recht der Mitgliedstaaten zu nennen. Da das WTO-Übereinkommen keine Aussagen zu dieser Frage trifft, ist das Verhältnis des WTO-Rechts zum Recht der Vertragsstaaten nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Gemäß diesen Grundsätzen richtet sich die Rangstelle von Völkervertragsrecht nach den Bestimmungen der jeweiligen nationalen Rechtsordnung.424 Für völkerrechtliche Verträge, die von der EG abgeschlossen wurden, bedeutet dies, folgt man der Rechtsprechung des EuGH, eine Stellung zwischen primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht. 425 Wegen der Eigenschaft des WTO-Übereinkommens als gemischtem Vertrag426 können aber nur Teile des WTO-Rechts als „integrierender Bestandteil“427 des Gemeinschaftsrechts Vorrang vor den nationalen Rechtsordnungen beanspruchen, während sich die Stellung der in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fallenden Abkommensteile nach nationalem Recht richtet.428 Jedenfalls sehen sich aber die WTO-Mitgliedstaaten bzw. die sie vertretenden regionalen Zusammenschlüsse nicht einem höherrangigem Geltungsanspruch gegenüber: Zur Vorrangfrage verhält sich das WTO-Recht neutral und unterscheidet sich insofern grundlegend vom europäischen Wirtschaftsrecht.

2. Konstitutionalisierung als Leitbegriff Nicht nur die beschränkte Anerkennung der unmittelbaren Anwendbarkeit, auch der verfahrensrechtliche Ausschluss der Individuen und die fehlende Vorrangstellung des WTO-Rechts werden von einer Reihe von Autoren kritisiert.429 Kristalli424 Vgl. nur Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 859; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I / 1 (1989), S. 101 f.; Kimminich / Hobe, Völkerrecht (2000), S. 217. 425 EuGH, Rs. 21 – 74 / 72, Slg. 1972, 1219, Rn. 14, 18 – International Fruit Company; Rs. 106 / 77, Slg. 1978, 609, Rn. 17 f. – Simmenthal. So auch Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 18; Schmalenbach, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 300 EG, Rn. 77. A.A. nur Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht (1997), S. 244 ff., nach der das WTO-Recht auf gleicher Ebene mit dem primären Gemeinschaftsrecht steht. 426 Vgl. oben unter § 17 II.1.a). 427 So die Formulierung des EuGH, Rs. 21 – 74 / 72, Slg. 1972, 1219, Rn. 14, 18 – International Fruit Company (st. Rspr.). 428 Str., vgl. EuGH, Rs. 181 / 73, Slg. 1974, 460, Rn. 6 – Haegman; Schmalenbach, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 300 EG, Rn. 68 ff.; Mögele, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 300 EG, Rn. 87 ff. 429 So etwa Lukas, JWT 29 (1995), S. 181 ff. (197 ff.); Petersmann, Rights and Duties of States (1995), S. 1121 f.; Jackson, World Trading System (1997), S. 135 f.; Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 ff. (136 f.); Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 92 ff.

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sationspunkt dieser Positionen ist die Debatte um eine Konstitutionalisierung des Welthandelsrechts430. Der Verfassungsbegriff entwickelte sich in Bezug zur nationalstaatlichen Ordnungsebene, wird aber insbesondere im europäischen und internationalen Recht schon seit längerem auch auf andere Organisationsformen übertragen431. Nicht zuletzt aufgrund dieser begrifflichen Erweiterung existiert keine allgemein geteilte Definition des Begriffs. Eine zentrale Bedeutung kommt in den meisten Ansätzen jedoch den Kriterien der Vorrangstellung und der herrschaftsbegrenzenden Funktion der in Frage stehenden Normen zu.432 Bezeichnenderweise wird bei der Diskussion um die Verfassungsqualität des WTO-Rechts, anders als etwa im Rahmen der europäischen Verfassungsdebatte, zumeist der prozesshafte Begriff der Konstitutionalisierung verwendet433. Schon diese Beobachtung weist darauf hin, dass die Ordnung der WTO selbst von einem weiten, vom Staat losgelösten Verständnis einer Verfassung noch weit entfernt ist. Diese Vermutung bestätigt sich bei einer Analyse der gegenwärtigen Rechtsordnung der WTO: Zwar hat das WTO-Recht durch Art. XVI:3 WTO-Ü, der den Vorrang des WTOÜbereinkommens vor den unter seinem Dach versammelten multilateralen Handelsabkommen statuiert, eine gewisse interne Hierarchisierung erfahren.434 Außerdem sieht Art. X:2 WTO-Ü höhere Hürden bei der Abänderung bestimmter Normen vor – unter anderem auch des Meistbegünstigungsprinzips in GATT, GATS und TRIPS –, was eine gewisse Begrenzung der Dispositionsbefugnis der Mitgliedstaaten mit sich bringt. Schließlich könnte auch die bereits angesprochene 430 Vgl. dazu grundlegend Petersmann, Constitutional Functions (1991); umfassend Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 120 ff. m. w. N.; außerdem Jackson, World Trading System (1997), S. 349 ff.; Duvigneau, Außenwirtschaft 56 (2001), S. 295 ff.; Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 389 ff.; Wahl, FS Brohm (2002), S. 202 ff.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.II., Rn. 24 ff.; McGinnis / Movsesian, Harv. L. Rev. 114 (2000), S. 512 ff. Siehe auch die kritischen Überlegungen bei Haltern, AöR 128 (2003), S. 511 ff. 431 Vgl. Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 121 ff., für den europäischen Kontext siehe auch Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 ff. (149 ff.); Peters, Theorie der Verfassung Europas (2001), S. 93 ff. 432 Vgl. beispielhaft Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 129 f.; Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 391 m. w. N.; Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.II., Rn. 25. 433 Darauf weist auch Wahl, FS Brohm (2002), S. 195, 202 hin. 434 Nicht gefolgt werden kann der Argumentation bei Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), die Vorrangstellung des WTO-Rechts gegenüber anderen völkerrechtlichen Handelsverträgen ergebe sich schon aus dem Meistbegünstigungsprinzip. Zwar trifft es zu, dass dieses Prinzip „zugleich die konkludente Vereinbarung [enthält], dass eine von diesem Prinzip abweichende Vereinbarung grundsätzlich unzulässig sein soll“ (ebd., S. 214). Dies belegt aber nur die Möglichkeit von Kollisionen und sagt nichts darüber aus, ob in einem solchen Kollisionsfall das Prinzip der Meistbegünstigung oder die von ihm abweichende Vereinbarung zurücktreten muss.

15*

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

rechtskreative Rolle der Streitbeilegungsorgane zu einer Beschränkung der mitgliedstaatlichen Handlungsfreiheiten bei der Gestaltung des WTO-Rechts führen.435 Die zentralen Prinzipien der WTO-Rechtsordnung – insbesondere die auf eine Liberalisierung des Welthandels abzielenden Prinzipien der Meistbegünstigung, das Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen und die Inländerbehandlung – sind jedoch weder allgemein dem Recht der Mitgliedstaaten noch dem restlichen WTO-Recht gegenüber vorrangig.436 Damit fehlt es an einer zentralen Voraussetzung für die Qualifizierung dieser Elemente der WTO-Rechtsordnung als Verfassungsbestimmungen. Die beschriebenen Verrechtlichungstendenzen sind daher treffend als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine Konstitutionalisierung bezeichnet worden.437 Die Autoren, die zumeist aus politikökonomischen Motiven diesen Prinzipien Verfassungsfunktionen zuzuordnen versuchen, überschreiten also die Grenze des geltenden Rechts.438 Auch wenn die Einsicht, dass trotz dieser ablehnenden Beurteilung gewisse Ansätze zu einer Konstitutionalisierung im WTO-Recht vorhanden sind, kaum zu einer Klärung der gegenwärtigen Auswirkungen des WTO-Rechts beiträgt, hat sie möglicherweise eine Bedeutung für die zukünftige Entwicklung: Konstitutionalisierung ist zu einem populären Leitbegriff geworden und könnte auf den offenen Entwicklungsprozess der WTO einen starken, dynamisierenden Einfluss ausüben.439 3. Alternative Mechanismen Teilweise relativiert werden die Unterschiede zwischen europäischem und internationalem Wirtschaftsrecht durch alternative Mechanismen, die dem WTO-Recht in der Praxis eine stärkere Wirkungskraft verleihen, als eine abstrakte dogmatische Herangehensweise vermuten ließe.

Darauf verweist etwa Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 395 f. So auch Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 146 f.; Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 188 ff.; Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 393, 400; Wahl, FS Brohm (2002), S. 205 f.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 477 f. 437 Wahl, FS Brohm (2002), S. 206. Für Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 389 steht die WTO immerhin „an der Schwelle zum Konstitutionalismus“. 438 Vgl. dazu die Vorwürfe gegenüber Petersmann von Sack (vgl. oben 4. Teil, Fn. 400) und von Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 202 ff. Ähnlich auch Nettesheim, FS Oppermann (2001), S. 401; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 477. 439 Siehe auch Wahl, FS Brohm (2002), S. 191, Fn. 3, der darauf hinweist, dass gerade einem prozesshaften Begriff „ein fordernder oder erwartungsvoller Inhalt“ zukomme. Zur Wirkungskraft von Begriffen im Bereich des Verwaltungsrechts siehe Hoffmann-Riem, DÖV 1997, S. 433 ff. (438 f.); Voßkuhle, VerwArch. 93 (2001), S. 184 ff. (196). 435 436

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a) Besondere Verfahrensarten In manchen Mitgliedstaaten wird dem WTO-Recht über besondere Verfahrensarten eine gesteigerte Wirkung verliehen. Eine Vorreiterrolle nahm dabei Section 301 des US-amerikanischen Trade Act von 1974440 ein. Nach diese Regelung leitet der amerikanische Handelsbeauftragte (United States Trade Representative) auf Eigeninitiative oder auf Antrag von Individuen, Unternehmen oder Verbänden ein Verfahren ein, in dem das Vorliegen einer ungerechtfertigten („unreasonable“) ausländischen Handelsmaßnahme überprüft wird und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen erlassen werden können. Maßnahmen der USA können jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein. Der Handelsbeauftragte ist unter bestimmten Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens verpflichtet, doch die Antragssteller haben keinen Anspruch auf eine gerichtliche Überprüfung seiner Entscheidungen.441 Trotzdem ist das Verfahren in der Praxis äußerst erfolgreich und war wegen der Vielzahl der darauf gestützten unilateral verhängten Gegenmaßnahmen sogar schon Gegenstand eines Panel-Verfahrens442. Parallel dazu existiert in der EG die sogenannte Handelshemmnis-Verordnung443, die Unternehmen, Wirtschaftszweigen und EG-Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, bei der Kommission ein Verfahren gegen schädigende Handelshemmnisse von Drittstaaten zu beantragen444. Die Kommission leitet ein Verfahren ein und verfasst einen Bericht, der dem Rat vorgelegt wird. Dieser entscheidet über das weitere Vorgehen, dabei haben internationale Streitbeilegungsmechanismen wie auch derjenige der WTO Vorrang vor unilateralem Handeln.445 Voraussetzung des Tätigwerdens beider Organe ist jedoch, dass die „Interessen der Gemeinschaft“ 440 19 U.S.C.A. §§ 2411 ff. Siehe dazu Leirer, N.C. J. Int’l L. & Com. Reg. 20 (1994), S. 41 ff. (46 ff.); Barringer / Durling, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 1 (1996), S. 99 ff. (101 ff.); Mavroidis / Zdouc, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 407 ff. (423 ff.); Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 84 ff.; Kearns / Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.2.; Cascante, Rechtsschutz (2003), S. 41 ff. 441 Leirer, N.C. J. Int’l L. & Com. Reg. 20 (1994), S. 41 ff. (65 f.); Mavroidis / Zdouc, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 407 ff. (430); Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 87 f.; Kearns / Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.2., Rn. 26 f. 442 United States – Sections 301 – 310 of the Trade Act of 1974, Report of the Panel vom 22. 12. 1999, WTO-Dok. Nr. WT / DS152 / R. 443 Verordnung (EG) Nr. 3286 / 94 des Rates vom 22. 12. 1994 zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, ABl. EG 1994 Nr. L 349 / 71, ber. 1995 Nr. L 41 / 54, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 356 / 95, ABl. EG 1995 Nr. L 41 / 3. Siehe dazu Mavroidis / Zdouc, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 407 ff.; Ohlhoff, RIW 1999, S. 649 ff. (651 ff.); Prieß / Pitschas, EWS 2000, S. 185 ff. (187 ff.); Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 64 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 687 ff.; Cascante, Rechtsschutz (2003), S. 90 ff.; Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 34 ff. 444 Art. 3, 4, 6 der Verordnung. 445 Art. 12 II der Verordnung.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

ein Eingreifen erfordern.446 Trotz dieses Ermessensspielraums wird jedoch auch das europäische Pendant zu Section 301 intensiv genutzt und hat bereits zur Einleitung verschiedener Panel-Verfahren geführt.447 Neben diesen Möglichkeiten, auf die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen ausländischer Staaten hinzuwirken, bestehen trotz einer weitgehenden Ablehnung der unmittelbaren Anwendbarkeit auch gegenüber der eigenen politischen Einheit gewisse Durchsetzungsmechanismen. Bereits erwähnt wurden die Fallkonstellationen des Vollzugs von WTO-Bestimmungen im Gemeinschaftsrecht448 und die Möglichkeit einer völkerrechtskonformen Auslegung des nationalen oder europäischen Rechts449. Ein weiterer indirekter Mechanismus wird teilweise im Institut der Staatshaftung gesehen: Überlegt wird beispielsweise auf europäischer Ebene, privaten Klägern, die durch einen Verstoß europäischer Organe gegen WTO-Recht finanzielle Einbußen erleiden mussten, einen Schadensersatzanspruch zu gewähren.450 Insbesondere die bereits angesprochenen Ausführungen im Rahmen einer Panel-Entscheidung aus dem Jahre 1999 zur Drittgerichtetheit der WTO-Bestimmungen451 könnten diese These stützen. Allerdings scheinen diese Vorschläge aufgrund ablehnender Urteile des EuGH452 in näherer Zukunft nur wenig erfolgversprechend zu sein.453

b) Völkerrechtliche Bindung und politische Anreize Übersehen werden darf außerdem nicht, dass dem WTO-Recht trotz Fehlens einer allgemeinen Vorrangstellung nicht bloß eine Rechtsgeltung unter Vorbehalt zukommt. Wie im allgemeinen Völkerrecht bleiben auch im internationalen Wirtschaftsrecht die Staaten zur Umsetzung der Bestimmungen unabhängig davon völkerrechtlich verpflichtet, welchen Rang diese im innerstaatlichen Recht einnehmen.454 Ob die völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehalten werden oder nicht,

Art. 11 I, 12 I der Verordnung. Vgl. Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 690 m. w. N.; Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 64 ff. 448 Siehe oben unter § 16 I.3. 449 Siehe oben unter § 17 III.1.a). 450 So etwa Reinisch, EuZW 2000, S. 42 ff. (44 ff.) m. w. N.; Schoißwohl, ZeuS 2001, S. 689 ff. (729). Ähnlich auch der Schlussantrag des Generalanwalt Lenz zu EuGH, Rs. C-469 / 93, Slg. 1995, I-4533, Rn. 21 – Chiquita Italia. Vgl. dazu auch Hörmann / Göttsche, RIW 2003, S. 689 ff.; Zonnekeyn, J. Int’l Econ. L. 6 (2003), S. 761 ff.; Alemanno, Harv. Int’l L.J. 45 (2004), S. 547 ff. 451 Siehe oben unter § 17 III.1.a) (4. Teil, Fn. 420). 452 EuGH, Rs. C-104 / 97 P, Slg. 1999, I-6983, Rn. 17 ff. – Atlanta; Urteil vom 30. 09. 2003, Rs. C-93 und 94 / 02, noch nicht in der amtl. Slg., Rn. 64 f. – Biret International. 453 Ablehenend auch Prieß / Berrisch, in: dies. (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), C.II.1, Rn. 28. Optimistischer dagegen Zonnekeyn, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 483 ff. 446 447

§ 17 Auswirkungen des WTO-Rechts auf Sozialordnungen

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richtet sich mangels Zentralgewalt auch in diesem verrechtlichten Bereich der internationalen Beziehungen maßgeblich nach der politischen Anreizkonstellation. Da mit steigender wirtschaftlicher Vernetzung und zunehmender Effizienz des Streitbeilegungsverfahrens sowohl der Nutzen einer allgemeinen Rechtsbefolgung als auch die Kosten von Rechtsverstößen steigen, ist mit einer stetig wachsenden Wirksamkeit der WTO-Bestimmungen zu rechnen.455 Die verbesserte Umsetzungspraxis bei den DSB-Entscheidungen ist dafür ein erstes Anzeichen, auch wenn noch immer – insbesondere von wirtschaftlich starken Staaten – Fälle der Missachtung von WTO-Recht zu beobachten sind456.

4. Zwischenergebnis Ein Vergleich der Wirkungsmechanismen von EG- und WTO-Recht ergibt also ein gemischtes Bild. Trotz der Verrechtlichung des Verfahrens im Zuge der WTOGründung fehlen dem Streitbeilegungsmechanismus einige der Qualitäten, die zur dynamischen Rolle des EuGH beigetragen haben. Auch das Verhältnis der WTOBestimmungen gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten steht noch hinter der Vorrangstellung des EG-Rechts zurück. Allerdings sind für die Zukunft in diesem Bereich zahlreiche Veränderungen möglich. Es ist insbesondere eine steigende Rechtsförmigkeit des Streitbeilegungsverfahrens zu erwarten. Schon jetzt geht außerdem die tatsächliche Bedeutung der WTO-Bestimmungen über ihre formale innerstaatliche Geltung weit hinaus. Die Auswirkungen des Rechts der Welthandelsorganisation auf die nationalen Rechtsordnungen können also nicht durch einen pauschalen Verweis auf seine politische Natur negiert werden.

454 Vgl. nur Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht (1994), S. 158 f.; Ruffert, AVR 38 (2000), S. 129 ff. (164 f.); Schweitzer, Staatsrecht III (2004), Rn. 23 ff. 455 Auch wenn hier insofern auch ökonomische Erwägungen eine Rolle spielen, sollte dieser Mechanismus nicht mit den im vorigen Kapitel geschilderten ökonomischen Auswirkungen verwechselt werden: Dort waren die ökonomischen Anreize direkt darauf gerichtet, die nationalen Sozialordnungen zu verändern. Hier jedoch sind sie darauf gerichtet, die WTOBestimmungen einzuhalten, was mittelbar zu rechtlichen Auswirkungen auf die nationalen Sozialordnungen führen könnte. Vgl. zum Wechselspiel von rechtlichen und politischen Wirkungsmechanismen des WTO-Rechts auch Princen, EJIL15 (2004), S. 555 ff. 456 So etwa das Verhalten der EG im Bananenstreit, vgl. European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Report of the Appellate Body vom 09. 09. 1997, WTO-Dok. Nr. WT / DS27 / AB / R, oder das der USA im Stahlstreit, vgl. Schmidt, FS Duwendag (2003) und jüngst United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products, Reports of the Appellate Body vom 10. 11. 2003, WTODok. Nr. WT / DS248 – 259 / AB / R.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

IV. Die Auswirkungen der allgemeinen Prinzipien Eine Auswirkung auf nationale Sozialordnungen könnte sich erstens aus den allgemeinen Prinzipien der WTO ergeben, also insbesondere dem Prinzip der Meistbegünstigung (Art. I GATT, Art. II GATS, Art. 4 TRIPS), dem Verbot nichttarifärer Handelsbeschränkungen bzw. Marktzugangsbeschränkungen (Art. XI GATT und Art. XVI GATS) und der Inländerbehandlung (Art. III GATT, Art. XVII GATS, Art. 3 TRIPS). Der Regelungsgehalt dieser Prinzipien könnte insbesondere im Waren- und Dienstleistungshandel Parallelen zu den europäischen Grundfreiheiten aufweisen: Schließlich findet sich hier wie dort das Verbot bestimmter Beeinträchtigungen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs.457 Daraus lassen sich auch Überlegungen ableiten, ob ähnliche Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen wie in der EG für die Zukunft auch im Rahmen der WTO zu erwarten sind. Obwohl die Struktur der Übereinkommen GATT, GATS und TRIPS viele Gemeinsamkeiten aufweist, unterscheidet sich ihre Regelungsdichte noch erheblich. Die Auswirkungen ihrer Bestimmungen müssen deshalb getrennt untersucht werden. 1. Allgemeine Prinzipien im GATT a) Meistbegünstigungsprinzip Das Meistbegünstigungsprinzip des Art. I GATT verbietet eine Diskriminierung gleichartiger Waren, die aus unterschiedlichen ausländischen Staatsgebieten stammen. Es umfasst nicht nur das Verbot unterschiedlicher Zollsätze, sondern auch von Diskriminierungen bei nichttarifären Handelsbeeinträchtigungen. 458 Eine Ungleichbehandlung von eigenen und ausländischen Waren wird dadurch jedoch nicht untersagt: Wie bereits ausgeführt,459 dient es der Multiplizierung von Handelsvorteilen, die ein Mitgliedstaat einem anderen Mitgliedstaat eingeräumt hat. Vor der Öffnung des eigenen Marktes für alle Mitgliedstaaten steht also die politische Entscheidung, den Markt überhaupt zu öffnen. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht.460 Wegen der ausdrücklichen Anerkennung eines höheren Grades wirtschaftlicher Integration in Zollunionen und Freihandelszonen durch das GATT461 ist auch nicht 457 Insofern ist es unverständlich, dass Langer, Grundlagen (1995) den europäischen Marktfreiheiten und Diskriminierungsverboten nur das Reziprozitätsprinzip und die Meistbegünstigungspflicht gegenüberstellt (S. 85 ff.) und insbesondere dem Inländerprinzip nur eine „akzessorische Hilfsfunktion“ (S. 108) zugesteht. Diese Beschränkung auf die beiden „politiknahen“ Prinzipien des GATT wird dem aktuellen Welthandelsrecht nicht gerecht. 458 Vgl. Art. I:1, XIII GATT. 459 Vgl. oben unter § 16 I.4. 460 Vgl. Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 84. 461 Art. XXIV:5 GATT. Vgl. dazu bereits oben unter § 16 I.4.

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zu befürchten, die Mitgliedstaaten solcher Einheiten – also beispielsweise auch der EG – könnten zu einer Übertragung der untereinander erreichten Integrationstiefe auf andere Länder verpflichtet sein. Damit ist eine unkontrollierte Beeinflussung der nationalen Gesundheits- und Sozialsysteme durch das Meistbegünstigungsprinzip ausgeschlossen.

b) Verbot nichttarifärer Handelsbeeinträchtigungen aa) Vorüberlegung Das GATT enthält kein allgemeines Beschränkungsverbot für den internationalen Warenhandel. Stattdessen ist es auf eine schrittweise Liberalisierung ausgerichtet, die auf dem grundsätzlichen Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse aufbaut und gleichzeitig das allmähliche Absenken der Zollsätze bewirken soll.462 Im Rahmen der Handelsrunden konnten die meisten Zölle sehr erfolgreich herabgesetzt werden,463 so dass heute von ihnen nur noch eine geringe Beeinträchtigung des Handels ausgeht.464 Da ein Staat die eingegangenen Zugeständnisse nur mit hohen Kosten zurücknehmen kann,465 stellen die Zolllisten eine erhebliche Beschränkung des staatlichen Handlungsspielraums dar. Für Politikentscheidungen im sozialen Bereich sind jedoch Auswirkungen dieses tarifären Liberalisierungsfortschritts nicht zu erkennen: Dass kein oder nur ein bestimmter Zoll auf eine Ware erhoben werden darf, sagt weder etwas über die Menge aus, in der sie importiert werden darf, noch über die Art ihrer (Ungleich-)Behandlung im Inland. Staatliche Regulierungen beispielsweise im Krankenhaus- oder Arzneimittelbereich sehen sich also keinen Beschränkungen entgegen. Die Bindung von Zöllen und zollgleichen Maßnahmen in den Zolllisten des Art. II GATT scheidet als mögliche Ursache einer beschränkten sozialpolitischen Handlungsfreiheit also aus. Der Fokus dieser Untersuchung liegt somit auf nichttarifären Handelsbeeinträchtigungen. 466

462 Vgl. dazu bereits oben unter § 5 II.2. Zum Gebot der Tarifierung siehe auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 243 ff. 463 In manchen Sektoren finden sich jedoch zum Teil bedeutende Ausnahmen zu dieser Feststellung, so etwa im Bereich der Landwirtschaft. Vgl. dazu nur Senti, WTO (2000), S. 465 ff.; Prieß / Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.2., Rn. 24 ff. 464 Vgl. dazu die Angaben oben unter § 5 II.4. 465 Vgl. dazu § 12 I.1. sowie Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 119 ff. 466 Unerheblich ist im Rahmen dieser Untersuchung, dass die genaue Abgrenzung zwischen tarifären und nichttarifären Handelhemmnissen nicht unproblematisch ist; vgl. dazu etwa Senti, WTO (2000), S. 216 ff., 236 ff. und umfassend OECD, Indicators of Trade Barriers (1996).

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bb) Systematik Das Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse ist im GATT auf verschiedene Vorschriften verteilt. Deren Systematik richtet sich nach den Stufen, die eine Ware beim grenzüberschreitenden Handel durchlaufen muss. Erstens bestimmt Art. XI:1 GATT, dass bei Ein- oder Ausfuhr einer Ware außer tarifären Handelshemmnissen „Verbote oder Beschränkungen, sei es in Form von Kontingenten, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen oder in Form von anderen Maßnahmen, weder erlassen noch beibehalten“ werden dürfen. Diese Bestimmung verbietet also Handelsbeeinträchtigungen beim Grenzübertritt467 und stellt somit ein partielles Beschränkungsverbot dar. Zweitens greift nach dem Grenzübertritt das umfassende Diskriminierungsverbot des Art. III GATT. Sein Abs. 1 bestimmt, dass „die inneren Abgaben und sonstigen Belastungen, die Gesetze, Verordnungen und sonstige Vorschriften über den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung von Waren im Inland ( . . . ) nicht derart angewendet werden sollen, dass die inländische Erzeugung geschützt wird“.

Dieses sogenannte Inländerprinzip erstreckt sich also sowohl auf innere Abgaben als auch auf sonstige rechtliche Regelungen, was in den folgenden Absätzen konkretisiert wird. Ausländische Waren dürfen „weder direkt noch indirekt höheren inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen unterworfen werden als gleichartige inländische Waren“ (Abs. 2), und sie dürfen auch sonst rechtlich „keine weniger günstige Behandlung erfahren als gleichartige Waren inländischen Ursprungs“ (Abs. 4). Auch wenn die beiden Artikel unterschiedliche Stufen des Warenimports regeln, haben sie eine gemeinsame Zielrichtung: Sie sollen verhindern, dass Staaten mit nichttarifären Maßnahmen die Zollbindung des Art. II GATT umgehen.468 Damit schützen sie die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen von inländischen und ausländischen Waren.469 Nach den Entscheidungen der Panels ist dabei eine tatsächliche Handelsbeeinträchtigung für eine Verletzung eines der beiden Artikel nicht erforderlich. Allerdings müsse eine Wettbewerbssituation bestehen, damit ungleiche Wettbewerbsbedingungen überhaupt auftreten könnten.470 467 Senti, WTO (2000), S. 245. Vgl. auch die Auflistung bei GATT, Analytical Index (1994), S. 287 ff. 468 United States – Measures Affecting Alcoholic and Malt Beverages, Report of the Panel Nr. DS23 / R vom 19. 03. 1992, GATT BISD 39S / 206, para 5.25, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 91alcohm.asp (01. 09. 2004). 469 Im Englischen „equality of competitive conditions“, vgl. EG – Payments and Subsidies to Processors and Producers of Oilseeds and Related Animal-Feed Proteins, Report of the Panel Nr. L / 6627 vom 14. 12. 1989, GATT BISD 37S / 86, para 150, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 88oilsds.asp (01. 09. 2004). Vgl. dazu auch GATT, Analytical Index (1994), S. 119 f., 288 f. und Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 135 f., jeweils m. w. N. zu einschlägigen Panel-Entscheidungen.

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cc) Konfliktpotential Anders als die GATT-Bestimmungen zu tarifären Handelshemmnissen kann das Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse tief in den innerstaatlichen Regelungsbereich eingreifen. Den weiten Formulierungen der Art. XI und III GATT unterfallen alle staatlichen Maßnahmen, die einen Einfluss auf Import oder Weiterveräußerung ausländischer Waren haben könnten471. Das könnte zu einem Konfliktpotential im Bereich derjenigen Teile der nationalen Sozialversicherungssysteme führen, deren Leistungen auch Waren umfassen. Beispielhaft soll dieses Konfliktpotential für eine Fallkonstellation geprüft werden, die auch im europäischen Rahmen zum Streitfall geworden ist: Im bereits angesprochenen Urteil des EuGH im Fall Decker sah das Gericht die Warenverkehrsfreiheit dadurch als verletzt an, dass eine nationale Krankenversicherung die Erstattung einer im Ausland gekauften Brille verweigerte.472 Fraglich ist zunächst, ob die gesetzliche Bestimmung, die eine solche Erstattung verhindert, unter den Anwendungsbereich des Art. XI oder III GATT fiele. Einerseits könnte sie als Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. XI angesehen werden, da die mangelnde Erstattung die private Einfuhr von Brillen durch Patienten beeinträchtigen könnte. Andererseits könnte auch eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des Art. III:4 GATT vorliegen, die den Kauf einer solchen Brille beeinflusst. Eine Abgrenzung der beiden Artikel hat sich schon in der Vergangenheit als schwierig erwiesen, da bei einer weiten Interpretation des Art. XI GATT praktisch jegliche staatliche Regulierung wegen ihres abschreckenden Effekts bereits als Importbeschränkung ausgelegt werden könnte.473 Dass dies nicht die Intention der Vertragsparteien war, zeigt einmal die bloße Existenz des Art. III GATT, der sonst größtenteils überflüssig wäre.474 Außerdem verständigten sich die Vertragsparteien auf eine interpretative note zu Art. III GATT, in der klargestellt wird, dass selbst Abgaben oder Regelungen, die beim Grenzübertritt eines Produkts anzuwenden sind, Maßnahmen nach Art. III GATT darstellen können.475 Dies spricht gegen 470 Vgl. die interpretative note zu Art. III:2 GATT, abgedruckt bei GATT, Analytical Index (1994), S. 116. 471 Missverständlich ist insofern die deutsche Übersetzung von Art. III:1 und 4 GATT, denn die englische Formulierung („laws . . . affecting the internal sale . . .“) lässt eine bloße Auswirkung genügen, während die deutsche Fassung („Gesetze . . . über den Verkauf . . .“) dahingehend interpretiert werden könnte, dass nur die staatlichen Maßnahmen vom Verbot mitumfasst sind, die gerade auf den Verkauf usw. von Waren gerichtet sind. 472 Siehe ausführlich oben unter § 15 III.1.b) aa) (2). 473 Vgl. dazu die umfangreichen Nachweise zu einschlägigen Panel-Entscheidungen bei GATT, Analytical Index (1994), S. 184 ff. Zur problematischen Abgrenzung vgl. auch Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 122; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 203 ff. 474 So auch Canada – Administration of the Foreign Investment Review Act (FIRA), Report of the Panel Nr. L / 5504 vom 25. 07. 1983, GATT BISD 30S / 140, para 5.14, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 82fira.asp (01. 09. 2004).

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eine automatische Subsumtion aller einfuhrrelevanten Sachverhalte unter Art. XI GATT. Die Zuordnung eines Falles zu einer der beiden Bestimmungen ist aber nicht zuletzt deswegen erforderlich, weil das Verbot des Art. XI GATT als Beschränkungsverbot über das Diskriminierungsverbot des Art. III:4 GATT inhaltlich weit hinausgeht. Im Fall der Brillenerstattung wird nicht direkt an den Vorgang der Einoder Ausfuhr angeknüpft. Stattdessen liegt eine innerstaatliche Maßnahme vor, die im Ergebnis einer preislichen Subventionierung von im Inland gekauften Brillen entspricht. Das legt die Einschlägigkeit des Inländerprinzips nahe.476 Dann ist aber fraglich, ob das Diskriminierungsverbot des Art. III:4 GATT durch die eingeschränkte Erstattungsmöglichkeit überhaupt verletzt ist. Schließlich stützte sich der EuGH im Urteil Decker auf sein Verständnis der Warenverkehrsfreiheit als einem allgemeinen Beschränkungsverbot.477 Argumentiert werden könnte aber auch, dass die fehlende Kostenerstattung den Warenhandel nicht nur beschränkt, sondern dass die unterschiedliche Behandlung von im Ausland und im Inland gekauften Brillen eine Diskriminierung von ausländischen Brillen darstellt. Schließlich wird der Anteil an einheimischen Brillen in inländischen Verkaufsstellen auch heute noch höher sein als im Ausland, so dass die Verpflichtung, die Brille im Inland zu erwerben, eine faktische Schlechterstellung der Wettbewerbsbedingungen ausländischer Fabrikate darstellt. Dass eine solche faktische Diskriminierung für die Bejahung einer Verletzung des Inländerprinzips ausreicht, wurde – ähnlich wie im Europarecht – in einer Reihe von Panel-Entscheidungen bejaht478. Auch ist anerkannt, dass das Ziel einer staatlichen Maßnahme für die rechtliche Bewertung im Rahmen des Art. III GATT unerheblich ist.479 Schließlich liegt angesichts der verschiedenen Anbieter von Brillen auch eine Wettbewerbssituation vor. Ein Verstoß gegen das Inländerprinzip ist also grundsätzlich gegeben. Ähnlich wie das Europarecht kennt aber auch das GATT-Recht Ausnahme- und Rechtfertigungsmöglichkeiten. Erstens ist entsprechend der Struktur des GATT an 475 Der Text der interpretative note findet sich bei GATT, Analytical Index (1994), S. 115, zu seiner Auslegung siehe ebd,. S. 127 ff. 476 Neben gesetzlichen Regeln, die eine Subventionierung vom Kauf inländischer Produkte abhängig machten, wurde auch die Statuierung von Mindestpreisen in verschiedenen Panel-Entscheidungen als Verstoß gegen Art. III:4 GATT gewertet, vgl. die Nachweise bei GATT, Analytical Index (1994), S. 159 ff. Zur Abgrenzung zwischen Art. III GATT und der Subventionsordnung des GATT siehe Art. III Abs. 8 b) GATT; dazu GATT, Analytical Index (1994), S. 178 ff. 477 Vgl. oben unter § 15 III.1.b) aa) (2). 478 Vgl. nur United States – Section 337 of the Tariff Act of 1930, Report of the Panel Nr. L / 6439 vom 16. 01. 1989, GATT BISD 36S / 345, para 5.11, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas.org / dispute / gatt / 87tar337.asp (01. 09. 2004). Dazu auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 142. 479 Special Import Taxes Instituted by Greece, Report of the Panel Nr. G / 25 vom 31. 10. 1952, GATT BISD 1S / 48, para 5, im Internet zu finden unter http: / / www.sice.oas. org / dispute / gatt / 52imptax.asp (01. 09. 2004).

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die grundsätzliche Möglichkeit zu denken, die Handelhemmnisse zu „tarifieren“, also in Zölle umzuwandeln. Da inzwischen jedoch zumindest die Industriestaaten alle Zölle in gebundene Listen überführt haben,480 ist diese Option nicht mehr gegeben. Zweitens könnten mit dem aus dem europäischen Parallelproblem bekannten Argument, die Finanzierbarkeit des Krankenversicherungssystems stehe auf dem Spiel, die Ausnahmebestimmungen des Art. XIX GATT (Schutzmaßnahmen), des Art. XII GATT (Schutz der Zahlungsbilanz) oder Art. XXV:5 GATT i.V.m. Art. IX:3 WTO-Ü (waiver-Verfahren) bemüht werden. Wie bereits dargestellt,481 sind die Voraussetzungen dieser Ausnahmebestimmungen jedoch mit Gründung der WTO erheblich verschärft worden und erlauben nur noch kurzfristige Befreiungen. Beim waiver-Verfahren ist außerdem eine Dreiviertelmehrheit der Vertragspartner erforderlich, während bei Art. XIX und XII GATT für die betroffenen Handelspartner die Möglichkeit besteht, im Gegenzug ebenfalls Zugeständnisse auszusetzen,482 was ein solches Vorgehen sehr kostspielig machen würde. Insgesamt sind diese Ausnahmebestimmungen deshalb wohl nicht geeignet, staatliche Krankenversicherungssysteme langfristig zu schützen. Drittens könnte eine allgemeine Ausnahme des GATT einschlägig sein. In Frage käme zum einen Art. XX b) GATT, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen staatliche „Maßnahmen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Menschen“ zulässig sind. Typischerweise werden unter diese Ausnahmevorschrift Konstellationen subsumiert, in denen die Ware selbst gesundheitsschädlich ist, so etwa in dem bereits geschilderten483 Thai Cigarettes-Fall oder dem Hormonstreit. Danach wäre der vorliegende Fall, in dem es nicht um die Qualität, sondern die Finanzierbarkeit von Gesundheitsleistungen geht, nicht erfasst. Selbst wenn man jedoch den Anwendungsbereich des Art. XX b) GATT weiter fasst und auch mittelbare Gesundheitsgefahren mit einbezieht,484 ergibt sich keine andere Beurteilung: Man wird kaum behaupten können, die finanziellen und organisatorischen Probleme, die durch den Leistungsexport im Gesundheitswesen entstehen können, würden zu einer so schlechten Versorgungslage führen, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen der Versicherten zu erwarten wären.485 Aus demselben Grund scheidet auch eine Rechtfertigung nach den Bestimmungen des SPS aus. Auch eine Rechtfertigung nach Art. XX d) i.V.m. Art. XVII GATT, der die grundsätzliche Zulässigkeit „staatlicher Handelsunternehmen“ anerkennt, nach Art. II:4 GATT, der Sonderregeln für staatliche Einfuhrmonopole aufstellt, oder Siehe Senti, WTO (2000), S. 137. Vgl. oben unter § 16 II.4. 482 Vgl. Art. XIX:3 a) und XII:4 d) GATT. 483 Siehe oben unter § 17 I.1. 484 So beispielsweise Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 137. 485 Eine weitere wohl unüberwindliche Hürde der Rechtfertigung über Art. XX GATT wäre der „chapeau“ dieses Artikels, vgl. dazu oben unter § 8 II.3.a) cc). 480 481

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nach Art. III:8 a) GATT, der eine Ausnahme vom Inländerprinzip für das öffentliche Beschaffungswesen statuiert, muss im Ergebnis abgelehnt werden.486 Somit würde die Weigerung eines Krankenversicherungsträgers, die Kosten einer im WTO-Ausland gekauften Brille zu erstatten, einen Verstoß gegen das GATT-Recht darstellen. Nicht anders ginge die Prüfung bei anderen Konstellationen etwa im Bereich der Unfall-, Renten- oder Pflegeversicherung aus, in denen warenbezogene Leistungsexporte aufgrund des Sachleistungs- oder Territorialitätsprinzips verweigert werden.487 Der Leistungsexport müsste also über den Kreis der EU-Mitgliedstaaten hinaus auf alle Mitgliedstaaten der WTO ausgeweitet werden. Dies würde die im Rahmen der europäischen Parallelproblematik geschilderten Finanzierungs- und Planungsprobleme erheblich vertiefen. Nur eine scheinbare Hürde für diese Auslegung des Inländerprinzips stellt Art. 3.2 S. 2 DSU488 dar. Diese Norm bestimmt, dass die „Empfehlungen und Entscheidungen des DSB ( . . . ) die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen enthaltenen Rechte und Pflichten weder ergänzen noch einschränken“ können. Stattdessen kommt der Ministerkonferenz und dem WTO-Rat die ausschließliche Befugnis zu, mit Dreiviertelmehrheit über Auslegungsfragen des WTO-Rechts zu entscheiden.489 Verhindert werden soll also eine unkontrollierte, über den Text der WTO-Bestimmungen hinausgehende Rechtsfortbildung durch die Streitbeilegungsorgane.490 Die anhand einer Prüfung des Leistungsexports im Gesundheitswesen angestellten Überlegungen haben jedoch gezeigt, dass schon durch die konsequente Anwen486 Staatshandel im Sinne des Art. XVII GATT liegt nur vor, wenn staatliche Stellen oder mit bestimmten Privilegien ausgestattete private Unternehmen kommerziellen grenzüberschreitenden Warenhandel betreiben; die Krankenversicherungsträger selbst handeln jedoch nicht mit Brillen oder anderen medizinischen Produkten und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung. Aus demselben Grund ist eine Anwendung des Art. II:4 GATT ausgeschlossen. Öffentliche Beschaffung liegt nur vor, wenn staatliche Stellen zum Eigengebrauch Waren kaufen oder verkaufen; auch eine solche Tätigkeit betreiben die Krankenversicherungsträger nicht. Vgl. zu diesen Sonderbestimmungen GATT, Analytical Index (1994), S. 84 ff.; 122 f.; 174 ff., 293 ff.; 537 f.; Kunnert, WTO-Vergaberecht (1998), S. 7; Senti, WTO (2000), S. 188 f., 404 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 406 ff. Davon abgesehen wird teilweise vertreten, dass das Inländerprinzip auch im Bereich des Staatshandels Geltung habe, vgl. Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 152; Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 4; Senti, WTO (2000), S. 411. Die Ausnahme vom Inländerprinzip im öffentlichen Beschaffungswesen ist außerdem aufgehoben worden in Art. III des Agreement on Government Procurement vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 273. Da es ein plurilaterales Abkommen ist, bindet es jedoch nicht alle WTO-Mitglieder. 487 Vgl. dazu die europarechtliche Diskussion unter § 15 III.1.b) aa) (2). 488 Wohl zur Unterstreichung dieser Bestimmung wird diese Norm in Art. 19.2 DSU zitiert und ihr Inhalt wiederholt. 489 Art. IX:2 WTO-Ü. 490 Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 216 bezeichnet die Bestimmung als „Brandmauer gegen zu viel ,case law’“.

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dung der bestehenden Regelungen weitreichende Auswirkungen auf nationale Sozialsysteme zu erwarten sind. Die hier dargelegte Auslegung des Inländerprinzips geht nicht über den Text des Art. III GATT hinaus. Entschlösse sich ein Panel zu einer solchen Interpretation, bedeutete dies somit keine Rechtsfortbildung, so dass Art. 3.2 S. 2 DSU nicht verletzt wäre. Die theoretische Möglichkeit einer einschränkenden Interpretation des Art. III GATT durch den WTO-Rat, die eine solche Auslegung verhindern würde, ist wegen der hohen Verfahrensanforderungen491 in der Praxis kaum zu erwarten. Darüber hinaus zeigt das Beispiel des EuGH, dass selbst beim Bestehen rechtlicher Hürden eine gerichtliche Rechtsfortbildung großen Ausmaßes stattfinden kann.492 Gegenüber dem „hands-tying-effect“493 einer dynamischen Interpretation des Verbots nichttarifärer Handelshemmnisse durch die Streitbeilegungsorgane bestehen also keine wirksamen rechtlichen Hürden.

c) Zwischenergebnis Betrachtet man die bisherige Entscheidungspraxis der Streitbeilegungsorgane, die noch keinen Anstoß an den sozialen Sicherungssystemen der Mitgliedstaaten genommen haben, liegt die Einschätzung nahe, es liege kein aktuelles Konfliktpotential vor. Trotzdem verdeutlicht das Beispiel des Leistungsexports, welche Dynamik den allgemeinen Bestimmungen des GATT zum Verbot nichttarifärer Handelsbeeinträchtigungen zukommen könnte, wenn ihr Wortlaut konsequent umgesetzt würde. Dass die allgemeinen Prinzipien des GATT weiter formuliert sind, als dies in ihrer tatsächlichen anfänglichen Verwendung zum Ausdruck kommt, dass aber im Laufe der Jahre ohne textliche Ergänzungen der Anwendungsbereich erweitert werden könnte, ist dabei nicht bloß eine abstrakte Möglichkeit. Stattdessen lässt sich gerade bei den nichttarifären Handelshemmnissen eine solche Entwicklung in der Vergangenheit aufzeigen: Lange Zeit war diese Form der Handelsbeschränkungen nicht Gegenstand von Auseinandersetzungen im GATT. Erst mit einer zunehmenden Absenkung der Zölle wurde ihr eine stärkere Bedeutung zugemessen, und inzwischen steht die zentrale Stellung der nichttarifären Handelshemmnisse sowohl in der Praxis als auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht mehr in Frage494. Insbesondere wird auch davon ausgegangen, dass die mit nichttarifäVgl. oben unter § 16 II.2. Vgl. dazu oben unter § 15.III.1. 493 So für den europäischen Kontext Streit / Mussler, Wettbewerb der Systeme (1995), S. 87, Fn. 21. 494 Vgl. Wolfrum, Austausch von Waren und Dienstleistungen (1996), S. 634; Tietje, Normative Grundstrukturen (1998), S. 33 f., 98 ff.; Held / McGrew / Goldblatt / Perraton, Global Transformations (1999), S. 176; Senti, WTO (2000), S. 236, 241 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 220 (jeweils m. w. N.). So auch speziell für arbeitsrechtliche Fragen McCrudden / Davies, J. Int’l Econ. L. 3 (2000), S. 43 ff. (52). 491 492

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ren Handelshemmnissen oft verbundenen „behind the border-issues“ eine ständig zunehmende Bedeutung in den Streitbeilegungsverfahren der WTO spielen werden.495

2. Allgemeine Prinzipien im GATS Der internationale Handel mit Dienstleistungen zeichnete sich vor Inkrafttreten des GATS durch eine weitgehende Abwesenheit multilateraler Regelungen aus. Der Vorschlag, neben Waren auch den rasant wachsenden Bereich der Dienstleistungen in einem umfassenden Handelsabkommen zu regeln, wurde anfangs nur von den USA, später aber auch von vielen anderen Industrienationen unterstützt, während die meisten Entwicklungsländer aus Furcht vor einer mangelnden Konkurrenzfähigkeit ihrer Dienstleistungserbringer dieses Vorhaben ablehnten.496 Die weit auseinanderklaffenden Ansätze führten zu einem kompromisshaften Abkommen, das zwar innovative Weichenstellungen enthält, in dem aber auch die große Zurückhaltung vieler Staaten gegenüber einer unkontrollierten Liberalisierung dieses Wirtschaftsbereichs zum Ausdruck kommt.

a) Anwendungsbereich Das GATS findet auf alle Maßnahmen seiner Mitgliedstaaten Anwendung, „die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen“. 497 Eine Legaldefinition des Dienstleistungsbegriffs findet sich im GATS nicht, da sich die Vertragsparteien nicht auf einen gemeinsamen Ansatz einigen konnten.498 Stattdessen knüpft das Abkommen an verschiedene Formen der Dienstleistungserbringung an. Nach der Struktur des Art. I:2 GATS werden dabei vier Arten (Modes) unterschieden: Erstens kann die Dienstleistung „aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds“ erbracht werden (sog. cross-border sup495 Garcia, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 65 ff. (76 f.); Jansen / Lugard, J. Int’l Econ. L. 2 (1999), S. 530 ff. (530); Hohmann, RIW 2001, S. 649 ff. (656 f.). 496 Ausführlich dazu Croome, Reshaping the World Trading System (1995), S. 122 ff., 242 ff.; Koehler, GATS (1999), S. 65 ff. m. w. N. Vgl. auch Stadler, Liberalisierung des Dienstleistungshandels (1992), S. 257; Eiteljörge, Handel mit Dienstleistungen (1998), S. 150 ff.; Krancke, Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels (1999), S. 16 ff.; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 114 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 517 f.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 349 ff. 497 Art. I:1 GATS. Zum Anwendungsbereich des GATS vgl. auch Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (677 ff.). 498 Vgl. Barth, EuZW 1994, S. 455 ff. (455). Zu den Schwierigkeiten einer allgemeinen Definition siehe Barth, Perspektiven (1998), S. 21 f.; Koehler, GATS (1999), S. 27 ff.; Krancke, Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels (1999), S. 4 ff.; McDonald, Begriff der Dienstleistung (2001), S. 23 ff.

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ply). Darunter fallen beispielsweise telefonische Beratungen oder die Erstellung einer Studie für einen Kunden in einem anderen Staat. Zweitens kann die Erbringung „im Hoheitsgebiet eines Mitglieds an den Dienstleistungsnutzer eines anderen Mitglieds“ erfolgen (sog. consumption abroad). Die Inanspruchnahme von Dienstleistungen durch Touristen oder Geschäftsreisende fällt unter diesen Modus. Drittens kann die Dienstleistung „durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds“ erbracht werden (sog. commercial presence). Das umfasst nicht bloß den engen Fall der Gründung einer eigenen Niederlassung, sondern auch verschiedene Formen ausländischer Direktinvestitionen.499 Schließlich ist auch die Erbringung „durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels Präsenz natürlicher Personen eines Mitglieds im Hoheitsgebiets eines anderen Mitglieds“ (sog. presence of natural persons) vom Abkommen mitumfasst, also etwa die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland. Der Anwendungsbereich ist also außerordentlich weit: Zum einen beschränkt sich das GATS nicht auf die Regelung bestimmter Dienstleistungssektoren, sondern bezieht grundsätzlich alle Wirtschaftsbereiche mit ein. Zum anderen geht der Begriff der Dienstleistungserbringung über die im Europarecht geläufige Definition500 weit hinaus, indem auch die Niederlassungsfreiheit, die Freizügigkeit natürlicher Personen und bestimmte Formen der Kapitalverkehrsfreiheit darunter subsumiert werden. b) Struktur Der Kompromisscharakter des GATS spiegelt sich in seiner Struktur wider. Anders als das GATT, dessen Aufbau von allgemeinen Prinzipien geprägt wird, denen grundsätzlich allgemeine Geltung zukommt, teilen sich die Bestimmungen des GATS in „allgemeine Pflichten“ (Art. II-XV GATS501) und „spezifische Verpflichtungen“ (Art. XVI-XVIII GATS) auf. Nur die allgemeinen Pflichten gelten unbedingt, also beginnend mit dem Inkrafttreten des Abkommens für alle in seinen Anwendungsbereich fallenden wirtschaftlichen Tätigkeiten. Die Bestimmungen der Art. XVI bis XVIII GATS finden dagegen nur dann Anwendung, wenn die Mitgliedstaaten sich in bestimmten Dienstleistungssektoren weitergehenden Verpflich499 So auch Koehler, GATS (1999), S. 93 f. m. w. N.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 20. Vgl. dazu die Legaldefinition in Art. XXVIII d) GATS, nach der unter kommerzieller Präsenz „jede Art geschäftlicher oder beruflicher Niederlassung durch – unter anderem – i) die Errichtung, den Erwerb oder die Fortführung einer juristischen Person oder ii) die Errichtung oder Fortführung einer Zweigstelle oder einer Repräsentanz im Hoheitsgebiet eines Mitglieds zur Erbringung einer Dienstleistung“ verstanden wird. 500 Vgl. Art. 50 EG. 501 Allerdings finden sich in diesen Artikeln auch einzelne Bestimmungen, die erst bei der Eingehung spezifischer Verpflichtungen zur Anwendung kommen; vgl. etwa Art. VI:1, XI:1 GATS.

16 Spelten

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tungen unterworfen haben. Diese „fortschreitende Liberalisierung“ sieht das Übereinkommen ausdrücklich vor und stellt dafür einige formale und inhaltliche Anforderungen auf (Art. XIX – XXI GATS).

aa) Allgemeine Pflichten Eine zentrale Stellung im Rahmen der allgemeinen Pflichten nimmt das Meistbegünstigungsprinzip des Art. II GATS ein502. Danach muss den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern aller Handelspartner „sofort und bedingungslos“ eine gleich günstige Behandlung gewährt werden. Das Prinzip kennt allerdings gewisse Ausnahmen: Nicht nur im unmittelbaren Grenzbereich (Art. II:3 GATS), sondern auch innerhalb wirtschaftlicher Integrationsräume wie etwa Zollunionen und Freihandelszonen (Art. V GATS) können Handelspartnern günstigere Konditionen eingeräumt werden. Außerdem ist in einer Anlage zum GATS503 eine Liste von Ausnahmen niedergelegt, die Präferenzsysteme betreffen, welche bei Vertragsschluss bereits bestanden504. Deren Zulässigkeit wird jedoch vom GATS-Rat regelmäßig überprüft und ist zeitlich „grundsätzlich“ auf eine zehnjährige Dauer begrenzt.505 Ein weiteres wichtiges Element stellen die Veröffentlichungs- und Auskunftspflichten des Art. III GATS dar.506 Jedes Mitglied muss „alle einschlägigen allgemeingültigen Maßnahmen, die sich auf die Anwendung dieses Übereinkommens beziehen oder sie beeinträchtigen“, veröffentlichen (Abs. 1). Diese hohe Transparenz erleichtert das Vorgehen gegen andere Vertragspartner im Rahmen der Streitbeilegung507 ebenso wie die Verhandlungen über zusätzliche Liberalisierungsschritte. Allgemeine Geltung kommt auch den verschiedenen Ausnahmeregeln zu. Die Bestimmungen über Notstandsmaßnahmen (Art. X GATS), Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz (Art. XII GATS), über das öffentliche Beschaffungswesen (Art. XIII GATS) und staatliche Monopole (Art. VIII GATS) weisen ebenso 502 Siehe allgemein Weber, Marktzugang von Auslandsbanken (1996), S. 174 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 240 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 40 ff. 503 Annex on Article II – Exemptions, Anlage zum GATS vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191. 504 Sog. Negativlisten. Vgl. dazu Eiteljörge, Handel mit Dienstleistungen (1998), S. 156, 159; Koehler, GATS (1999), S. 106 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 540; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 57 ff. 505 Abs. 3, Abs. 6 der Anlage. 506 Vgl. dazu Koehler, GATS (1999), S. 110 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 547 ff. 507 Zur Geltung der WTO-Streitbeilegung im Rahmen des GATS siehe Art. XXIII GATS i.V. mit den Bestimmungen des DSU sowie Koehler, GATS (1999), S. 147 ff.

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wie die allgemeinen Ausnahmen des Art. XIV GATS viele Gemeinsamkeiten mit den parallelen Bestimmungen des GATT auf.508

bb) Fortschreitende Liberalisierung Deutlicher noch als im GATT oder im WTO-Übereinkommen509 enthält das GATS eine built-in-agenda, also einen Rahmen für weitere Verhandlungen mit dem klaren Ziel weiterer Liberalisierung. Art. XIX:1 bestimmt, dass spätestens 5 Jahre nach Inkrafttreten die erste und danach in regelmäßigen Abständen weitere Verhandlungsrunden stattfinden, die ausdrücklich auf die schrittweise Erreichung eines höheren Liberalisierungsstandes in bestimmten Dienstleistungssektoren ausgerichtet sind510. Die in diesem Rahmen eingegangenen Verpflichtungen werden in Konzessionslisten niedergelegt und können die beschränkte oder unbeschränkte Unterwerfung der entsprechenden Dienstleistungssektoren unter die spezifischen Verpflichtungen vorsehen.511 Die Niederlegung der Verpflichtungen folgt damit einer komplexen Struktur, die Elemente von Positiv- und Negativlisten enthält: Grundsätzlich unterfallen zwar nur diejenigen Dienstleistungssektoren den spezifischen Verpflichtungen der Art. XVI bis XVIII GATS, die von dem jeweiligen Staat ausdrücklich in die Listen aufgenommen wurden. Gleichzeitig kann ein Staat in den Listen jedoch die Geltung der spezifischen Verpflichtungen in einem bestimmten Dienstleistungssektor mit verschiedenen Einschränkungen versehen.512 Die Konzessionslisten bilden einen „wesentlichen Bestandteil des Übereinkommens“513 und binden die Mitglieder rechtlich514. Die dort niedergelegten Verpflichtungen bilden einen Mindeststandard an wirtschaftlicher Öffnung, der nicht unterschritten werden darf.515 Sie können frühestens drei Jahre nach ihrer Vereinbarung verändert werden, doch kommt in diesem Fall einem durch die Änderung 508 Vgl. dazu etwa Koehler, GATS (1999), S. 113 ff., 135 ff.; Senti, WTO (2000), S. 584 ff.; Neumann, Koordination des WTO-Rechts (2002), S. 137; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 153 ff. Beschränkungen nach Art. X und XII GATS sind allerdings nur in den Bereichen möglich, in denen spezifische Verpflichtungen übernommen wurden, vgl. Art. X:2 und XII:1 S. 1 GATT. 509 Vgl. Art. XXVIIIbis GATT bzw. Art. II:2 WTO-Ü. 510 Dieses Ziel findet sich auch im zweiten und dritten Erwägungsgrund der Präambel wieder. 511 Art. XX:1 GATS. 512 Zur Struktur der Listen vgl. Koehler, GATS (1999), S. 119 ff.; Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 36 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 102, 122 ff.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 373 f. Kritisch dazu Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 34 f., 40 ff. 513 Art. XX:3 GATS. 514 Koehler, GATS (1999), S. 125; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 544. 515 Dieser Verpflichtung wird als standstill bezeichnet, vgl. Koehler, GATS (1999), S. 125 m. w. N.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 104.

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betroffenen Mitglied das Recht zu, Ausgleichsmaßnahmen in einer durch bilaterale Einigung oder durch Schiedsverfahren festgelegten Höhe zu verlangen. Kommt das ändernde Mitglied diesem Verlangen nicht nach, besteht für das betroffene Mitglied die Möglichkeit der Zurücknahme gleichwertiger Vergünstigungen.516 Die in den Listen niedergelegten Verpflichtungen erhalten aufgrund dieser Sanktionsmöglichkeit anderer Staaten also eine hohe faktische Bindungswirkung.

cc) Spezifische Verpflichtungen Die Formen grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung sind im Vergleich zum Warenhandel ungleich vielfältiger. Das führt auch zu einer größeren Komplexität an möglichen Handelshemmnissen:517 Innerstaatliche Regelungen, beispielsweise im Bereich des Unternehmens- oder Arbeitsrechts, können direkte Auswirkungen auf die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Erbringung einer Dienstleistung haben. Damit wird eine Unterscheidung zwischen Einfuhrbeschränkungen einerseits und Diskriminierungen nach dem Grenzübertritt andererseits noch schwieriger als im Rahmen des GATT. Deswegen unterscheidet sich auch die Struktur der rechtlichen Prinzipien, die im Rahmen der spezifischen Verpflichtungen des GATS gelten, von derjenigen der allgemeinen GATT-Prinzipien. (1) Marktzugang Ein Äquivalent zum Prinzip der Tarifierung kennt das GATS nicht, da ein solcher singulärer Indikator für den Grad wirtschaftlicher Offenheit eines Marktes im Bereich des Dienstleistungshandels nicht existiert.518 Parallel zum Verbot mengenmäßiger Beschränkungen im GATT untersagt das GATS aber bestimmte Beschränkungen des Marktzugangs, indem es in Art. XVI:2 GATS eine abschließende Reihe unzulässiger staatlicher Maßnahmen auflistet519. Neben dem Verbot zwingender Vorschriften hinsichtlich der Rechtsform des Unternehmens (Abschnitt e) oder der Höchstbeteiligung ausländischer Investitionen (Abschnitt f) stehen hier ähnlich wie im Rahmen des Art. XI GATT quantitative Hürden im Mittelpunkt. Grundsätzlich untersagt werden etwa Beschränkungen der Anzahl der Dienstleistungserbringer (Abschnitt a), des Gesamtwerts der Dienstleistungsgeschäfte oder des Betriebsvermögens (Abschnitt b), der Gesamtzahl oder des Gesamtvolumens der DienstVgl. Art. XXI GATS. Siehe Weber, Marktzugang von Auslandsbanken (1996), S. 161; Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 290 ff. m. w. N. Vgl. auch die beispielhafte Auflistung bei Mukherjee, World Competition 21 (1998), S. 79 ff. (82 f.). 518 So auch Eiteljörge, Handel mit Dienstleistungen (1998), S. 142; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (353 f.). 519 Siehe dazu allgemein Weber, Marktzugang von Auslandsbanken (1996), S. 187 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 106. 516 517

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leistungen (Abschnitt c) oder der Gesamtzahl natürlicher Personen, die in einem bestimmten Dienstleistungssektor beschäftigt werden dürfen (Abschnitt d). Wichtig ist, dass eine diskriminierende Wirkung der quantitativen Beschränkungen nicht erforderlich ist, um unter das Verbot des Art. XVI:2 GATS zu fallen: Nicht nur Höchstgrenzen bezüglich Anzahl und Umfang ausländischer Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer, sondern auch allgemeine nationale Regelungen, die ohne Herkunftsbezug quantitative Vorgaben in den aufgelisteten Bereichen machen, stellen grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. XVI:2 GATS dar.520 Auch der an systematisch falscher Stelle befindliche Art. XI GATS, der die Beschränkung des mit dem Dienstleistungshandel verknüpften Zahlungsverkehrs untersagt, schützt im Rahmen der spezifischen Verpflichtungen bestimmte Voraussetzungen des Marktzugangs.521 (2) Inländerbehandlung Parallel zu Art. III GATT enthält Art. XVII GATS das Gebot der Inländerbehandlung. Grundsätzlich verboten ist eine ungünstigere Behandlung „hinsichtlich aller Maßnahmen, welche die Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen“.522 Sowohl der Begriff der Maßnahme als auch der Dienstleistungserbringung werden gemäß den Legaldefinitionen in Art. XXVIII a)523 und b)524 GATS weit verstanden. Ausdrücklich werden außerdem nicht nur Maßnahmen, die eine Dienstleistung oder einen Dienstleistungserbringer formal ungünstiger behandeln, vom Verbot des Art. XVII GATS erfasst, sondern auch solche, die zwar formal eine identische Behandlung gewähren, jedoch eine faktische Schlechterstellung darstellen.525 Wie in Art. III GATT wird also auch hier das Inländerprinzip als Gewährung von gleichen Wettbewerbsbedingungen verstanden.526 520 So die Guidelines for the Scheduling of Specific Commitments under the General Agreement on Trade in Services (GATS), Council for Trade in Services vom 23. 03. 2001, WTO-Dok. Nr. S / L / 92. Ebenso Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 32; Mattoo, JWT 31 (1997), S. 107 ff. (109 f.); Koehler, GATS (1999), S. 126; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (354). 521 Vgl. dazu Koehler, GATS (1999), S. 134. Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 27 spricht deshalb vom GATS als einem „Handels- und Investitionsabkommen“. 522 Art. XVII:1 GATS. 523 Eine Maßnahme wird definiert als „jede von einem Mitglied getroffene Maßnahme, unabhängig davon, ob sie in Form eines Gesetzes, einer sonstigen Vorschrift, einer Regel, eines Verfahrens, eines Beschlusses, eines Verwaltungshandelns oder in sonstiger Form getroffen wird.“ 524 Die Erbringung einer Dienstleistung umfasst „die Produktion, den Vertrieb, die Vermarktung, den Verkauf und die Bereitstellung der Dienstleistung.“ 525 Art. XVII:2 GATS. Vgl. dazu auch Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 32; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 248; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 111 f.; Zdouc, WTO Dispute Settlement (2004), S. 406 ff.

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Die Abgrenzung zwischen Art. XVII und XVI GATS ist noch ungeklärt.527 Seine Ursache hat dies darin, dass von Art. XVI GATS (Marktzugang) neben nichtdiskriminierenden auch diskriminierende Maßnahmen umfasst sind und dass im Dienstleistungshandel die Grenze zwischen Maßnahmen bei und nach dem Grenzübertritt fließend ist. Zumindest für das Vorgehen eines Staates bei der Erstellung seiner Konzessionslisten gibt allerdings Art. XX:2 GATS eine gewisse Hilfestellung beim Umgang mit diesen Abgrenzungsproblemen: Hiernach sollen „Maßnahmen, die sowohl mit Artikel XVI als auch mit Artikel XVII GATS nicht vereinbar sind, in die für Artikel XVI vorgesehene Spalte eingetragen“ werden und dadurch auch als Bedingung oder Qualifikation zu Art. XVII GATS gelten528. Damit wird eine partielle Überschneidung der beiden Vorschriften anerkannt.529 Sowohl das Verbot von Marktzugangshindernissen als auch das Gebot der Inländerbehandlung gelten jedoch nur dann uneingeschränkt, wenn der jeweilige Staat nicht im Rahmen seiner listengebundenen Zugeständnisse Bedingungen oder Vorbehalte formuliert hat.530 Darüber hinaus können auch zusätzliche, nicht unter Art. XVI oder XVII GATS fallende Verpflichtungen von den Mitgliedstaaten eingegangen und in den Konzessionslisten niedergelegt werden.531 Das GATS erlaubt also sowohl im negativen wie im positiven Sinne eine stufenweise, auf die jeweiligen nationalen Bedürfnisse Rücksicht nehmende Marktöffnung und gewährt den Staaten bei der fortschreitenden Liberalisierung viel Spielraum. (3) Innerstaatliche Regelungen Dass die Regelungen des Dienstleistungshandels eng mit der allgemeinen Rechtsordnung der Staaten verknüpft sind, zeigt sich außer in den Bestimmungen 526 Während im Rahmen des GATT diese Interpretation durch die Panels entwickelt wurde, vgl. oben unter § 17 IV.1.b) bb), ist sie für den Dienstleistungshandel ausdrücklich in Art. XVII:3 GATS niedergelegt. Allerdings geht dies nur aus der englischen Originalfassung des Textes („conditions of competition“) hervor; die deutsche Übersetzung („Wettbewerbsbeschränkungen“) ist fehlerhaft. 527 Vgl. Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 32; Mattoo, JWT 31 (1997), S. 107 ff. (112 ff.); Eiteljörge, Handel mit Dienstleistungen (1998), S. 166; Krancke, Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels (1999), S. 28 f.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 250 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 107, Fn. 230. 528 Art. XX:2 S. 2 GATS. 529 Vgl. dazu auch Koehler, GATS (1999), S. 130 f. 530 Diese Möglichkeit ergibt sich aus den Formulierungen der Art. XVI:2 („sofern in seiner Liste nichts anderes festgelegt ist“) und XVII:1 GATS („unter den darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalten“). 531 Art. XVIII GATS. Darunter fällt beispielsweise die Anerkennung von Qualifikationen, die auch in der Sonderbestimmung des Art. VII GATS geregelt ist. Bisher wurde von der Möglichkeit, spezifische Verpflichtungen einzugehen, jedoch kaum Gebrauch gemacht, vgl. Koehler, GATS (1999), S. 131 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 115.

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des Marktzugangs und der Inländerbehandlung auch in Art. VI GATS. Diese Norm verpflichtet die Mitgliedstaaten, in den Sektoren, in denen spezifische Verpflichtungen eingegangen wurden, „alle allgemein geltenden Maßnahmen, die den Handel mit Dienstleistungen betreffen, angemessen, objektiv und unparteiisch“ anzuwenden (Abs. 1). Darüber hinaus ist jedes Mitglied zur Einrichtung rechtsstaatlicher Verfahren verpflichtet, um Verwaltungsentscheidungen mit Auswirkungen auf den Dienstleistungshandel überprüfen zu können. Dies gilt allerdings nur, wenn es „praktisch durchführbar“ und nicht „mit seiner verfassungsmäßigen Struktur oder seiner Rechtsordnung unvereinbar ist“ (Abs. 2). Der Artikel stellt jedoch nur eine Rumpfregelung dar, welche in Abs. 4 die Erarbeitung von konkretisierenden „Disziplinen“ für Qualifikationserfordernisse und technische Normen durch den GATS-Rat vorsieht. Die Disziplinen sollen gewährleisten, dass die staatlichen Maßnahmen „keine unnötigen Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen darstellen“532, dass sie „auf objektiven und transparenten Kriterien wie Kompetenz und Fähigkeit zur Erbringung der Dienstleistung beruhen“, „nicht belastender sind als nötig, um die Qualität der Dienstleistung zu gewährleisten“ und „im Fall von Zulassungsverfahren nicht an sich die Erbringung der Dienstleistung beschränken“533. Auch vor dem Inkrafttreten dieser Disziplinen dürfen jedoch die staatlichen Normen die spezifischen Verpflichtungen nicht in einer mit diesen Grundsätzen unvereinbaren Weise „nichtig machen oder beeinträchtigen“, wenn dies „zu dem Zeitpunkt, zu dem spezifische Verpflichtungen übernommen wurden, von dem Mitglied vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte“534. Ähnlich wie im Rahmen des SPS und des TBT535 kann ein Staat auf die Befolgung international vereinbarter Normen verweisen, um die Einhaltung dieser vorläufigen Verpflichtungen mit dem GATS zu belegen536. Dadurch besteht für die Mitgliedsstaaten ein Anreiz, ihre Rechtsordnung an bestehenden internationalen Abkommen auszurichten oder solche Abkommen auszuhandeln. Dies lässt einen Trend zur Internationalisierung der Regelungen erwarten. Hintergrund für die unfertige Natur des Art. VI GATS und die Unübersichtlichkeit seiner Bestimmungen ist die Tatsache, dass an dieser Stelle das Liberalisierungsinteresse mit der staatlichen Regelungsautonomie direkt kollidiert537. Den Art. VI Abs. 4 S. 1 GATT. Art. VI Abs. 4 S. 2 Abschnitt a) bis c) GATT. 534 Art. VI Abs. 5 a) GATS. 535 Vgl. dazu oben § 16 II.5. 536 „Bei der Beurteilung, ob ein Mitglied die Pflicht nach Absatz 5 Buchstabe a erfüllt, sind die von dem Mitglied angewendeten internationalen Normen entsprechend internationaler Organisationen zu berücksichtigen.“ (Art. VI:5 b) GATS). Diese Formulierung ist allerdings schwächer als die von Art. 3.2 SPS und Art. 2.5 TBT; eine (widerlegbare) Vermutung der Vereinbarkeit einer auf internationalen Normen basierenden nationalen Bestimmung mit Art. VI:5 a) GATS enthält sie nicht. So auch Article VI:4 of the GATS: Disciplines on Domestic Regulation Applicable to All Services, Note by the Secretariat vom 01. 03. 1999, WTODok. Nr. S / C / W / 96, ad 35 ff. Vgl. dazu auch Smit, Anwendung der GATS-Prinzipien (2000), S. 31 m. w. N. 532 533

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Mitgliedstaaten war bewusst, dass gewisse inhaltliche Anforderungen an die innerstaatlichen Rechtsordnungen gestellt werden mussten, um eine Umgehung der spezifischen Verpflichtungen zu verhindern. Auf eine klare Grenzziehung konnte man sich während der damaligen Verhandlungen jedoch nicht einigen,538 und bis heute verläuft die Arbeit der GATS-Organe zur Ausarbeitung der Bestimmungen schleppend. So wurde zwar zunächst eine Working Party on Professional Services,539 später eine Working Party on Domestic Regulation eingerichtet, 540 doch bis dato sind nur im Bereich Accounting (Rechnungswesen) konkretisierende Disziplinen im Sinne des Art. VI:4 GATS erarbeitet worden541. Der offene Kompromisscharakter der Norm führt auch zu einigen Unklarheiten bezüglich ihres Bedeutungsgehalts. Undurchsichtig ist etwa die Formulierung in Abs. 1, die staatlichen Maßnahmen sollten „angemessen“ angewendet werden. Dies scheint zwar nahe zu legen, dass Art. VI GATS für innerstaatliche Maßnahmen ein Verhältnismäßigkeitserfordernis stipuliert.542 Im englischen Original wird jedoch der Begriff „reasonable“ verwendet, nicht der aus dem GATT bekannte Begriff „necessary“ oder das noch weitergehende „proportional“. Was jedoch unter einer „vernünftigen“ Anwendung staatlicher Maßnahmen verstanden werden soll, bleibt nebulös.543 Deutlicher ist Abs. 4 S. 2 b) formuliert, der sowohl im eng537 So auch Barth, EuZW 1994, S. 455 ff. (457); Koehler, GATS (1999), S. 133; Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 30. 538 Der erste Entwurf (WTO-Dok. Nr. MTN.GNS / 35 vom 23. 06. 1990) enthielt noch eine bindende Vorschrift, die eine allgemeine Erforderlichkeitsprüfung beinhaltete; vgl. dazu WTO-Dok. Nr. S / C / W / 96, ad 2 f. 539 Vgl. Barth, ZeuS 2000, S. 273 ff. (288); Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 295. 540 Decision on Domestic Regulation, Council for Trade in Services vom 26. 04. 1999, WTO-Dok. Nr. S / L / 70. Vgl. dazu auch den Report of the Working Party on Domestic Regulation vom 06. 12. 2002, WTO-Dok. Nr. S / WPDR / 4, ad 4, in dem das Gremium wegen der Schwierigkeit der Fragestellung die Entscheidung trifft, zunächst auf einem pragmatischen Wege die tatsächlich bestehenden rechtlichen Hürden zu bearbeiten („They [the Member states] were generally of the view that it was time to focus more on the regulatory barriers and issues that service suppliers actually faced“). 541 Vgl. dazu Senti, WTO (2000), S. 587; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (355) und unten § 17 IV.2.c) bb) (3) (b) (aa). 542 Diese Position vertreten etwa Koehler, GATS (1999), S. 133; Smit, Anwendung der GATS-Prinzipien (2000), S. 31 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 130, Fn. 287; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 378. Durch eine eigene, von der offiziellen Version abweichende Übersetzung („vernünftig“) scheint Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 199 zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. 543 Auch bei BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 148 zeigt sich eine gewisse Ratlosigkeit: „Der Rat für den Dienstleistungshandel wird in Artikel VI beauftragt, Disziplinen zu entwickeln, die gewährleisten, dass nationale Qualifikationserfordernisse, technische Normen sowie Zulassungsverfahren keine unnötige Belastung des Dienstleistungshandels darstellen. Welche politischen Ziele handelsbeschränkende Maßnahmen legitimieren können, bleibt ungeklärt.“ So nahezu textgleich auch Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 31. Keine klärenden Hinweise zu dieser Frage finden sich bei WTO-Dok. Nr. S / C / W / 96.

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lischen Original544 als auch der deutschen Übersetzung545 den GATS-Rat dazu verpflichtet, eine Erforderlichkeitsprüfung in die neu zu erarbeitenden Disziplinen zu integrieren. c) Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen Die wenige Literatur, die sich mit den konkreten Auswirkungen des GATS auf nationale Sozialordnungen beschäftigt, nimmt eine optimistische Position ein: Die Handelsliberalisierung könne zu Qualitäts- und Effizienzsteigerungen führen und lasse ansonsten den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, in Übereinstimmung mit ihren politischen Präferenzen ein eigenständiges nationales Regelungssystem beizubehalten.546 Die gleiche Einschätzung geht auch aus dem vierten Erwägungsgrund der GATS-Präambel hervor, in dem ausdrücklich das Recht der Mitgliedstaaten anerkannt wird, „die Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln und neue Vorschriften hierfür einzuführen, um ihre nationalen politischen Ziele zu erreichen“. Ob sich dieses Recht hinsichtlich sozialer Zielsetzungen in den Bestimmungen des GATS wiederfindet, bedarf jedoch einer detaillierten Überprüfung. Schließlich ist die Verflechtung zwischen nationalen Regelungssystemen und dem internationalen Dienstleistungshandel so groß, dass auch nach Ansicht des GATS-Sekretariates in den vom Übereinkommen umfassten Sektoren kaum eine staatliche Maßnahme getroffen werden kann, die keine Auswirkungen auf eine der verschiedenen Formen der Dienstleistungserbringung hätte und damit nicht unter den Anwendungsbereich des GATS fallen würde547.

aa) Allgemeine Verpflichtungen Ähnlich wie im Rahmen des GATT sind auch für den Anwendungsbereich des GATS von der Geltung des Meistbegünstigungsprinzips keine wesentlichen Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen zu erwarten. Die mit einigen Ausnahmen versehene Verpflichtung, ausländische Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer untereinander gleichzustellen, stellt die eigene Sozialordnung rechtlich nicht in Frage. Allerdings kann ihr insgesamt ein dynamisierendes, die Liberalisierung vorantreibendes Element zukommen, da – wie bereits erläutert – die einem Handelspartner gewährten Zugeständnisse grundsätzlich auf alle anderen Handelspartner übertragen werden müssen. „. . . not more burdensome than necessary to ensure the quality of the service“. „. . . nicht belastender ( . . . ) als nötig, um die Qualität der Dienstleistung zu gewährleisten“. 546 So etwa WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 215 ff. 547 Vgl. WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 35. 544 545

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Ähnliche Überlegungen lassen sich für die Transparenzverpflichtungen des Art. III GATS anstellen: Ihnen kommen zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf das staatliche Sozialsystem zu. Sie bilden jedoch die Grundlage für eine politische Auseinandersetzung nicht nur in den Handelsrunden, sondern auch gegenüber in- und ausländischen Interessengruppen.548 Die staatlichen Regelungen im Dienstleistungsbereich sind wegen der Verortung der meisten Handelsbeschränkungen im innerstaatlichen Bereich komplexer und klassischerweise auch intransparenter als die Regulierung des Warenverkehrs.549 Deswegen sollte die Bedeutung der Transparenzbestimmungen des GATS für den Aufbau politischen Drucks gegen handelsbeschränkende Maßnahmen im In- und Ausland und damit für ein Fortschreiten der Liberalisierung nicht unterschätzt werden.550

bb) Spezifische Verpflichtungen Entscheidender als die indirekten Auswirkungen der allgemeinen Verpflichtungen sind jedoch die spezifischen Verpflichtungen, die das Kernstück des GATS ausmachen. Hier stellt sich allerdings das Problem, dass durch das Konzept einer fortschreitenden Liberalisierung kaum ein greifbarer Untersuchungsgegenstand zur Verfügung steht:551 Die jeweiligen in den Konzessionslisten niedergelegten staatlichen Verpflichtungen sind erstens äußerst vielfältig, da sie sich zum Teil auf den gesamten Dienstleistungshandel, zum Teil auf bestimmte Dienstleistungssektoren und zum Teil auf Einzelfälle beziehen, und da innerhalb dieser Verpflichtungen zusätzlich nach den verschiedenen Erbringungsarten unterschieden wird.552 Außerdem sind die Verpflichtungen durch die regelmäßig stattfindenden Handelsrunden ständigen Veränderungen unterworfen. Gleichzeitig ist jedoch zu bedenken, dass die Struktur des GATS auf eine schrittweise Ausweitung der Liberalisierung angelegt ist. Damit erweitert sich auch der Anwendungsbereich derjenigen Bestimmungen kontinuierlich, denen nur im Rahmen der spezifischen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten Geltung zukommt, also insbesondere Art. XVI GATS (Marktzugang), XVII GATS (Inländerbehandlung) und VI GATS (Innerstaatliche Regelungen). Deshalb soll in dieser Arbeit eine abstrakte Analyseebene als Ausgangspunkt gewählt werden, um von dort die konkreten Entwicklungen zu interpretieren: Von So auch Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 99 f. Vgl. Barth, Perspektiven (1998), S. 36. 550 Auch die Enquete-Kommission des Bundestages hält unter Verweis auf eine Studie der OECD fest: „Das GATS erzeugt Druck, über nationale Regelungen in einen internationalen Beratungsprozess mit interessierten Parteien einzutreten“, BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 148. 551 Auf dieses Problem weist im Rahmen einer Untersuchung, die staatliche Verpflichtungen im Bereich des grenzüberschreitenden Personenverkehrs behandelt, auch Koehler, GATS (1999), S. 161 f. hin. 552 Zur Struktur der GATS-Listen siehe die oben im 4. Teil, Fn. 519 Genannten. 548 549

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der Annahme einer umfassenden Geltung der Prinzipien ausgehend, werden zunächst die theoretisch denkbaren Auswirkungen dieser GATS-Bestimmungen untersucht (1). Anschließend werden die dem GATS und seinen Anhängen inhärenten Beschränkungen der Prinzipien beleuchtet, die eine solche umfassende Geltung dauerhaft relativieren (2). Danach sollen überblicksartig die bisherigen Liberalisierungsschritte beleuchtet werden, um eine Vorstellung vom bereits erreichten Geltungsumfang der spezifischen Verpflichtungen zu erlangen (3). Schließlich wird die aktuelle Diskussion um eine weitere Öffnung der Märkte der Mitgliedstaaten im Dienstleistungshandel dargestellt, um die zukünftigen Entwicklungen abschätzen zu können (4). (1) Theoretische Reichweite der Prinzipien (a) Marktzugang Wie bereits geschildert, verbietet Art. XVI GATS eine Reihe von quantitativen Beschränkungen von Dienstleistungen und ihren Erbringern. Käme der Bestimmung eine uneingeschränkte Geltung zu, wären Konflikte mit all jenen Elementen der staatlichen Sozialordnung zu erwarten, die eine mengenmäßige Steuerung vorsehen. Wie in der europarechtlichen Parallelproblematik deutlich geworden ist,553 finden sich solche Beschränkungen insbesondere im Gesundheitssystem. Die dortigen Regeln könnten erstens mit der Bestimmung des Art. XVI:2 a) GATS kollidieren. Diese Bestimmung verbietet „Beschränkungen der Dienstleistungserbringer in Form von zahlenmäßigen Quoten, Monopolen oder Dienstleistungserbringern mit ausschließlichen Rechten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung“. Staatliche Vorschriften, die eine bestimmte Höchstzahl von Arztpraxen oder Krankenhäusern in einem bestimmten Gebiet vorsehen, wären mit dieser Bestimmung ebenso unvereinbar554 wie jede Form staatlicher Monopole – so etwa im Bereich der Sozialversicherung, aber auch jenseits des Gesundheitssektors, etwa im Bereich der Arbeitsvermittlung555. Unerheblich wäre, ob es sich bei diesen quantitativen Beschränkungen um diskriminierende BeVgl. oben unter § 15 III.1.b). Darauf verweisen neben dem GATS-Sekretariat (WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 36) auch Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (354). Unverständlich erscheint daher, weshalb letztere Autoren anschließend behaupten, das GATS treffe „a clear distinction between external liberalization, covered essentially by Articles XVI and XVII, and internal regulation for quality and similar purposes“ (ebd, S. 355). 555 Zum gleichen Ergebnis für den Postsektor kommt Smit, Anwendung der GATS-Prinzipien (2000), S. 70. Vgl. dazu auch die während der Uruguay-Runde erstellte beispielhafte Aufzählung von unter Art. XVI GATS fallenden Maßnahmen (Scheduling of Initial Commitments in Trade in Services: Explanatory Note vom 03. 09. 1993, WTO-Dok. Nr. MTN.GNS / W / 164, ad 6), welche „Government or privately owned monopoly for labour exchange agency services“ als Beispiel für eine Beschränkung des Marktzugangs im Sinne des Art. XVI:2 a) GATS ebenso aufführt wie „Nationality requirements for suppliers of services (equivalent to zero quota)“. Vgl. auch Koehler, GATS (1999), S. 126, Fn. 160. 553 554

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stimmungen handeln würde oder nicht, denn wie bereits ausgeführt,556 fallen auch nichtdiskriminierende Beschränkungen unter das Verbot des Art. XVI GATS. Damit käme dem Übereinkommen nicht nur eine liberalisierende, sondern auch eine privatisierende Wirkung zu.557 Auch die Abschnitte b) und c) des Art. XVI:2 GATS, die Beschränkungen des Gesamtwerts oder der Gesamtzahl der Dienstleistungsgeschäfte in Form von Quoten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung untersagen, würden quantitative Steuerungsmechanismen vereiteln. Unzulässig wären beispielsweise die im Arzneimittelbereich und bei ärztlichen Behandlungen verwendeten Maßnahmen der Budgetierung oder der Festbetragsregelung558. Besonders weitreichende Folgen hätte die Bestimmung des Abschnitts d), wonach „Beschränkungen der Gesamtzahl natürlicher Personen, die in einem bestimmten Dienstleistungssektor beschäftigt werden dürfen“, unzulässig wären. Zu bedenken ist, dass gemäß Art. I:2 d) GATS auch eine Dienstleistungserbringung durch die Präsenz natürlicher Personen im Ausland unter den Anwendungsbereich des GATS fällt (Mode 4). Diese Erbringungsart umfasst verschiedene Formen des Tätigwerdens ausländischer Personen im Inland:559 Sie können als eigenständige Dienstleistungserbringer die Grenze überschreiten (z. B. freiberuflich tätige Spezialisten), als Beschäftigte eines ausländischen Unternehmens entsandt werden (z. B. zur Wartung medizinischer Geräte) oder als Beschäftigte eines inländischen Unternehmens tätig werden (z. B. ausländische Pflegekräfte in einem einheimischen Krankenhaus). Ein uneingeschränkt geltendes Marktzugangsprinzip verböte einem Staat jede Form einer mengenmäßigen Beschränkung dieser Wanderung natürlicher Personen, wobei Art. XVI:2 d) GATS als unzulässige Formen ausdrücklich zahlenmäßige Quoten und wirtschaftliche Bedürfnisprüfungen nennt. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf das staatliche Arbeits- und Sozialrecht. Auch eine Beschränkung ausländischer Kapitalbeteiligungen im nationalen Gesundheits- und Sozialsystem wäre aufgrund der Bestimmung des Art. XVI:2 f.) nicht zulässig. Außerdem verbietet Art. XVI:2 e) die rechtliche Erzwingung bestimmter Unternehmensformen, so dass parallel zum europäischen Arbeitsrecht560 eine Unterwanderung des nationalen Mitbestimmungsrechts zu befürchten ist. Unter der Annahme, dass der Regelung des Art. XVI GATS für alle unter das Übereinkommen fallenden Arten der Dienstleistungserbringung eine umfassende Geltung zukommt, ergeben sich also weitreichende Auswirkungen auf die nationalen Sozialordnungen. Vgl. oben unter § 17 IV.2.b) cc) (1). Darauf verweist auch Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 41. 558 Vgl. dazu auch die Überlegungen im Rahmen der europäischen Parallelproblematik unter § 15 III.1.b) aa) (2). 559 Vgl. dazu Koehler, GATS (1999), S. 195 ff. 560 Vgl. oben unter § 15 III.1.b) cc). 556 557

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(b) Inländerbehandlung Komplex sind die möglichen Auswirkungen des Art. XVII GATS auf nationale Sozialordnungen. Als Diskriminierungsverbot561 hat er einerseits eine geringere Regelungstiefe als das Beschränkungsverbot des Art. XVI GATS. Gleichzeitig kommt ihm wegen seines umfassenderen Anwendungsbereichs, der sich auf alle Maßnahmen bezieht, welche „die Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen“562, aber auch eine größere Reichweite zu als Art. XVI, der nur bestimmte Formen von Marktzugangsbeschränkungen verbietet. (aa) Sozialversicherungssysteme Am deutlichsten lassen sich die möglichen Folgen einer uneingeschränkten Geltung des Inländerprinzips an den sozialen Leistungen im Rahmen der beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme zeigen. Ähnlich wie im Europarecht soll als Referenzgebiet563 das Gesundheitsrecht gewählt werden, doch die Ergebnisse können auf andere Sozialversicherungssysteme, etwa auf die Renten- oder Unfallversicherung, wegen der Ähnlichkeit der hier relevanten Organisationsstrukturen übertragen werden. Unterschieden werden kann nach den verschiedenen Erbringungsarten von Dienstleistungen: Wie sich bereits im Rahmen der europarechtlichen Untersuchung gezeigt hat, kommt einer Dienstleistungserbringung nach Mode 2 (consumption abroad) eine besondere Aktualität zu. Konnte für den Geltungsbereich des GATT eine Parallele zum Urteil des EuGH in der Rechtssache Decker gezogen werden,564 könnte sich im Rahmen des GATS das Urteil Kohll565 als fruchtbarer Denkanstoß erweisen. Zwar argumentierte der EuGH auch in diesem Urteil, in dem es um die Erstattung von im Ausland durchgeführten Zahnbehandlungen ging, auf der Grundlage der Dienstleistungsfreiheit als Beschränkungsverbot. Doch eine Verpflichtung zur Erstattung der im Ausland in Anspruch genommenen Leistungen kann – wie im Rahmen der Prüfung einer Verletzung des Inländerprinzips aus 561 Eine rechtsfortbildende Interpretation des Inländerprinzips in Art. XVII GATS zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot durch die Streitbeilegungsorgane ist unwahrscheinlich: Sein Wortlaut statuiert unmissverständlich ein reines Diskriminierungsverbot (vgl. Art. XVII:1 GATS: „. . .eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist. . .“ bzw. „. . .treatment no less favourable than...“), und auch die jahrzehntelange konsequente Interpretation der parallelen Bestimmung des Art. III GATT als bloßes Diskriminierungsverbot (vgl. die Nachweise in GATT, Analytical Index [1994], S. 148 ff.) zeigt, dass ein Verständnis des Inländerprinzips als Beschränkungsverbot der Grundstruktur der WTO-Ordnung widersprechen würde. 562 Art. XVII:1 GATS. 563 Zur Bedeutung der Arbeit mit Referenzgebieten siehe für den Bereich des Verwaltungsrechts nur Schmidt-Aßmann, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts (1993), S. 14 ff.; Voßkuhle, Kompensationsprinzip (1999), S. 11 ff. 564 Vgl. oben unter § 17 IV.1.b) cc). 565 Vgl. dazu oben unter § 15 III.1.b) aa) (1).

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Art. III GATT – auch hier über das Diskriminierungsverbot hergeleitet werden: Wäre eine Erstattung von Zahnbehandlungen nur vorgesehen, wenn diese im Inland durchgeführt wurden, würde die Behandlung im Ausland faktisch diskriminiert.566 Auch wenn im Inland das Gesundheitssystem nicht nach dem Erstattungsprinzip organisiert wäre, sondern die Behandlung kostenlos über einen Vertragszahnarzt erfolgen würde, läge eine Diskriminierung vor, denn die Inanspruchnahme der Behandlung im Ausland wäre dann dieser Form der Leistungserbringung gegenüber benachteiligt. Die Entscheidung darüber, welche Leistungen in welcher Höhe erstattet werden, läge somit zwar weiterhin in den Händen des Versicherungsträgers bzw. des ihn regulierenden staatlichen Gesetzgebers. Doch der Ort der Inanspruchnahme einer Leistung – ob im Rahmen der Kranken-, Unfall- oder auch Rentenversicherung – könnte nicht mehr souverän bestimmt werden.567 Die finanziellen und organisatorischen Auswirkungen auf ein territorial organisiertes Gesundheitssystem wären kaum abzusehen.568 Eine zentrale Bedeutung kommt auch der Erbringung von Dienstleistungen nach Mode 3 (commercial presence) zu. Die uneingeschränkte Geltung des Gebots der Inländerbehandlung würde für diese Erbringungsart bedeuten, dass Niederlassungen auf dem Hoheitsgebiet eines Staates, die eine Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens sind oder mit ausländischem Investitionskapital arbeiten,569 den einheimischen Unternehmen gleichgestellt werden müssten. Wie soeben für Mode 2 hergeleitet, würde dies bedeuten, dass bei Inanspruchnahme einer Dienstleistung aus der Hand dieser Niederlassungen die gleichen Erstattungsmöglichkeiten gegeben sein müssten wie bei einheimischen Unternehmen. Das Gleichstellungserfordernis ist jedoch unbeschränkt und bezöge sich deshalb auf alle staatlichen Leistungen, also auf Subventionen,570 Steuervergünstigungen und sonstige staatliche 566 Auch das GATS-Sekretariat bezeichnet in WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 36 (Fn. 23) den Fall der „non-coverage of health services consumed abroad by certain public insurance schemes“ als grundsätzlich unvereinbar mit Art. XVII GATS. 567 Da die Regeln des GATS jedoch nur für staatliche Maßnahmen Anwendung finden (vgl. Art. XXVIII a) GATS), könnte ein rein privater Versicherungsträger den Ort der Leistungserbringung auch unter uneingeschränkter Geltung des Art. XVII GATS im Vertrag frei bestimmen. Vgl. dazu auch die Darstellung der Sonderbestimmungen für staatliche Monopole und Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten, unten § 17 IV.2. c) bb) (2) (a) (dd). 568 Dass der Dienstleistungserbringung nach Mode 2 nicht nur im engen europäischen, sondern auch im globalen Rahmen eine tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, belegen statistische Daten und die Tatsache, dass einige Länder mit niedrigem Lohnniveau bereits Strategien entwickelt haben, systematisch ausländische Patienten anzuziehen; vgl. WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 22; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 216. 569 Vgl. oben § 17 IV.2.a). 570 Darauf verweisen auch Smit, Anwendung der GATS-Prinzipien (2000), S. 73 f.; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (354); Pitschas, in: Prieß /

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Vergünstigungen. Dies würde auch für den Fall gelten, dass die Leistungserbringung im jeweiligen Staat traditionell durch ein staatliches Monopol oder durch Unternehmen mit bestimmten Sonderrechten erfolgte. Soziale Verpflichtungen aller im Inland tätigen Dienstleistungserbringer, also etwa die gesetzliche Verpflichtung von Krankenhäusern zur kostenlosen Behandlung zahlungsunfähiger Patienten, wären zwar mangels Diskriminierung gegenüber der ausländischen Niederlassung weiterhin zulässig.571 Die Betrauung einzelner staatlich ausgewählter Träger mit der Wahrnehmung bestimmter politisch gewollter Aufgaben wäre rechtlich aber wohl unzulässig, wenn dies mit einer finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand einhergehen würde. Einen Ausweg könnte allenfalls eine Interpretation der staatlichen Begünstigungen entsprechend dem Ferring-Urteil des EuGH darstellen, in dem ein reiner MehrkostenAusgleich für staatlicherseits auferlegte soziale Verpflichtungen schon tatbestandlich nicht als Beihilfe qualifiziert wurde572. Schwer von Mode 3 abzugrenzen, aber weitgehend funktional äquivalent ist die Erbringung einer Dienstleistung nach Mode 4 (presence of natural persons). Auch hier bedeutete eine uneingeschränkte Geltung des Inländerprinzips die Ausweitung aller staatlicher Vergünstigungen auf die im Inland befindlichen ausländischen Dienstleistungserbringer mit den soeben geschilderten Folgen.573 Bisher kaum verbreitet ist eine Erbringung von Gesundheitsleistungen nach Mode 1 (cross-border supply). Allerdings wird wegen neuerer technischer Entwicklungen auf diesem Gebiet davon ausgegangen, dass diese grenzüberschreitende Erbringungsart schon bald eine wesentliche Rolle spielen wird, etwa durch Gesundheitsberatung per Telefon oder Internet („tele-health“) oder auch durch ferngesteuertes, videounterstütztes ärztliches Tätigwerden bei Operationen und anderen Behandlungen.574 Die Anbieter solcher Leistungen müssten im jeweiligen staatlichen Gesundheitssystem den einheimischen Anbietern „gleicher“ Dienstleistungen gleichgestellt werden. Ob die elektronisch vermittelte und die traditionelle Version dieser Beratungen oder Behandlungen als gleichartig im Sinne des GATS angesehen würde, kann hier offen bleiben.575 Jedenfalls wäre eine UngleichbeBerrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 113 sowie die WTO-Veröffentlichungen Scheduling of Initial Commitments in Trade in Services: Explanatory Note vom 03. 09. 1993, WTO-Dok. Nr. MTN.GNS / W / 164, ad 9; Subsidies and Trade in Services, Working Party on GATS Rules, Note by the Secretariat vom 06. 03. 1996, WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 9, ad 29. 571 So auch Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (363); WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 79, 233. 572 Vgl. oben unter § 15 III.2.c) cc). 573 Darüber hinaus wird gerade für den Gesundheitsbereich auf die Gefahr eines brain drain für Länder mit niedrigeren Lohnhöhen verwiesen, siehe WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 217, 232. 574 Vgl. etwa Krancke, Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels (1999), S. 13; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (361).

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handlung gegenüber inländischen Anbietern solcher elektronisch vermittelten Dienstleistungen unzulässig, woraus sich, falls die Krankenversicherungen diese Leistungen grundsätzlich abdecken würden, ebenso wie im Rahmen des Mode 2 (consumption abroad) eine Erstattungspflicht ergeben würde. Nicht nur die Gesundheitsleistung selbst, sondern auch ihre Finanzierung kann außerdem unter die Erbringungsarten der verschiedenen Modes fallen. So kann ein Versicherungsvertrag im Inland mit einem dort niedergelassenen ausländischen Unternehmen oder einer sich dort befindlichen ausländischen Person (Mode 3 und 4), ebenso aber auch mit einem im Ausland niedergelassen Unternehmen per Post oder Telefon oder im Rahmen eines Auslandsaufenthaltes des Versicherten (Mode 1 und 2) abgeschlossen werden. Da auch die Erbringung von Versicherungsdienstleistungen unter den Anwendungsbereich des GATS fällt,576 wäre eine Diskriminierung dieser grenzüberschreitenden Formen der Versicherungsverträge gegenüber der Wahl eines einheimischen Trägers unzulässig. Unzutreffend ist es deshalb, wenn im Rahmen der offiziellen Hinweise für die Erstellung der Konzessionslisten behauptet wird: „There is no obligation in the GATS which requires a Member to take measures outside its territorial jurisdiction. It therefore follows that the national treatment obligation in Article XVII does not require a Member to extend such treatment to a service supplier located in the territory of another Member.“577

Diese Aussage übersieht, dass der Anwendungsbereich des GATS nicht nur die Erbringung von Dienstleistungen durch die im Inland eines Mitgliedstaates befindlichen Unternehmen oder Personen umfasst, sondern aufgrund des Art. I:2 a) und b) GATS (Mode 1 und 2) auch Diskriminierungen gegenüber ausschließlich im Ausland befindlichen Dienstleistungserbringern verbietet, wenn diese gegenüber Staatsangehörigen des Mitgliedstaates tätig werden. Wenn ein Deutscher also beispielsweise einen Versicherungsvertrag mit einem nur in Frankreich ansässigen französischen Unternehmen abschlösse, läge eine unzulässige Diskriminierung vor, sofern dieser Vertrag eine ungünstigere Behandlung durch den deutschen Staat erfahren würde als ein gleicher Vertrag mit einem deutschen Versicherungsträger, etwa indem nur Letzterer steuerlich begünstigt würde. Ob eine „territorial jurisdiction“ des deutschen Staates über den französischen Versicherungsträger existiert oder nicht, ist deshalb für die Anwendbarkeit des Art. XVII GATS unerheblich. 575 Die Kriterien für der „Gleichartigkeit“ von Dienstleistungen dürften ähnlich schwer zu fassen sein wie im Rahmen des Warenhandels. Vgl. zum Dienstleistungshandel etwa Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 46 ff.; zum Warenhandel die umfangreiche Debatte bei GATT, Analytical Index (1994), S. 141 ff., 303 ff.; Senti, WTO (2000), S. 194 f., 311 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 137 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.1., Rn. 33 ff. 576 Ausführlich zu den verschiedenen Dienstleistungsklassifikationen des GATS unten § 17 IV.1.c) (3) (a). 577 Scheduling of Initial Commitments in Trade in Services: Explanatory Note vom 03. 09. 1993, WTO-Dok. Nr. MTN.GNS / W / 164, ad 10.

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Somit dürften, da das Diskriminierungsverbot des Art. XVII GATS alle staatlichen Begünstigungen umfasst, einheimische Versicherungsträger gegenüber ausländischen Konkurrenten in keiner Weise bevorzugt werden. Der Versicherungszwang eines staatlichen Monopols wäre daher als intensivste Form der Ungleichbehandlung ebenso unzulässig wie die Verleihung ausschließlicher Rechte an bestimmte private Unternehmen oder die Zulassung nur bestimmter Träger zu einem Versicherungssystem. Das würde jedes staatliche Gesundheitssystem unmöglich machen, das nicht auf einer marktförmigen privaten Absicherung der Risiken durch die Versicherten aufbaut. Das gleiche gälte für die anderen auf dem Versicherungsprinzip basierenden Bereiche der Sozialordnung. (bb) Beitragsfreie Sozialleistungen Im Rahmen der europäischen Parallelproblematik wurde die Rechtsprechung des EuGH im Fall Cowan angesprochen.578 Dort leitete der Gerichtshof aus der passiven Dienstleistungsfreiheit eines britischen Touristen einen Anspruch auf die französische Opferentschädigung ab, also auf eine beitragsfreie soziale Leistung des bereisten Staates. Dies hatte zu der Befürchtung geführt, jeder EU-Bürger habe im Ausland einen Anspruch auf alle sozialen Leistungen, die ein Inländer unter den gleichen Bedingungen erhalten würde. Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auf das GATS übertragbar wäre, wenn dem Inländerprinzip eine umfassende Geltung zukäme. Die Inanspruchnahme von Dienstleistungen durch einen britischen Touristen in Frankreich ist unter die Erbringungsart des Mode 2 (consumption abroad) zu subsumieren und fällt deshalb in den Anwendungsbereich des GATS. Anders als Art. 49 I EG enthält Art. XVII GATS jedoch kein Diskriminierungsverbot gegenüber ausländischen Dienstleistungsempfängern, sondern gegenüber „Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds“579. Gewährt der französische Staat die Opferentschädigung nur für französische Staatsbürger, so stellt dies zwar eine Diskriminierung gegenüber ausländischen Dienstleistungsempfängern dar. Die Gleichstellung zwischen ausländischen und inländischen Dienstleistungsempfängern ist jedoch vom Wortlaut des Art. XVII GATS nicht erfasst.580 Ausländische Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer – die dem Anwendungsbereich des Art. XVII GATS unterfallen würden – sind dagegen in der Cowan-Konstellation weder beteiligt noch ausgeschlossen, so dass insofern kein diskriminierendes Verhalten des französischen Staates vorliegen kann. Die einseitige Gewährung der französischen Opferentschädigung an französische Staatsbürger steht somit nicht im Widerspruch zu Art. XVII GATS. Vgl. oben unter § 15 III.1.b) bb). Art. XVII:1 GATS (Hervorhebung des Verf.). In der englischen Originalfassung lautet die Formulierung „services and service suppliers of any other Member“. 580 Der beschränkte Geltungsanspruch des Inländerprinzips zeigt, dass dessen Schutzrichtung nicht konsumenten-, sondern unternehmensbezogen ist. 578 579

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Auch bei anderen beitragsfreien staatlichen Sozialleistungen fehlt es an der Beteiligung ausländischer Dienstleistungserbringer im Sinne des Art. XVII:1 GATS. Anders als im europäischen Kontext ist bei beitragsfreien Sozialleistungen eine Ausweitung der Anspruchsberechtigung auf ausländische Besucher deshalb WTOrechtlich nicht geboten.581 Als problematisch könnte sich jedoch eine Konstellation erweisen, die ebenfalls bereits im Rahmen der europäischen Untersuchung angesprochen wurde582: Die Gewährung beitragsfreier Sozialleistungen wird von den Staaten oft davon abhängig gemacht, dass sich die jeweiligen Leistungsempfänger im Inland aufhalten.583 Fraglich ist, ob Einschränkungen dieser Art mit Art. XVII GATS vereinbar wären, wenn dieser Bestimmung eine umfassende Geltung zukäme. Zu bedenken ist, dass durch eine solche Mobilitätsbeschränkung die Leistungsempfänger die empfangenen staatlichen Geldleistungen zum Großteil im Inland ausgeben werden.584 Dadurch werden ausländische Dienstleistungsanbieter faktisch benachteiligt, denn trotz der Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung oder einer Niederlassung im Inland ist der inländische Dienstleistungsmarkt in der Regel national geprägt.585 Das Inländerprinzip des GATS würde daher, wenn ihm eine umfassende Geltung zuteil würde, den Leistungsexport ins Ausland auch bei beitragsfreien Sozialsystemen erfordern. (cc) Arbeitsrechtliche Standards Arbeitsrechtliche Bestimmungen können die freie Erbringung von Dienstleistungen erheblich einschränken, etwa durch tarifvertraglich festgelegte Lohnhöhen und Arbeitszeiten oder durch Schutzbestimmungen im Bereich Kinder- und Nachtarbeit. Mit dem Inländerprinzip des Art. XVII GATS kommen diese Bestimmungen jedoch nur in Konflikt, wenn sie eine diskriminierende Wirkung haben. Auch bei uneingeschränkter Geltung des Prinzips wären Staaten also keinen Beschränkungen bei der Wahl eines generellen arbeitsrechtlichen Schutzniveaus unterworfen. Im Gegensatz zu den europäischen Erfahrungen586 ist deshalb beispielsweise festzustellen, dass die generelle Erstreckung der eigenen arbeitsrechtlichen Be581 Ähnlich auch WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 234: „The GATS does not impose constraints on the terms and conditions on which a host country treats foreigners consuming services within its territory: any restrictions on the services provided to tourists or foreign patients are beyond the Agreement’s scope.“ 582 Vgl. oben § 15 III.1.b) bb). 583 Vgl. beispielsweise die deutschen Regelungen § 30 I SGB I und 3 SGB IV. Siehe dazu auch die Angaben oben 4. Teil, Fn. 60. 584 Diese ökonomische Erwägung dürfte neben der Missbrauchsgefahr ein wesentlicher Grund der eingeschränkten Exportierbarkeit beitragsfreier sozialer Leistungen sein. 585 Vgl. dazu die Argumentation oben § 17 IV.1.b) cc) zu Art. III GATT. 586 Vgl. dazu oben unter § 15 III.1.b) cc).

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stimmungen auf im Inland tätige entsandte Arbeitnehmer ebenso zulässig wäre wie die zwangsweise Übertragung des nationalen Gesellschaftsrechts auf ausländische Zweigniederlassungen. Allerdings dürften bei uneingeschränkter Geltung des Inländerprinzips der Entsendung von Arbeitnehmern keine arbeitsrechtlichen Hürden gestellt werden, die über das für inländische Beschäftigungen geltende Maß hinausgingen. Dies würde auch für die Dienstleistungserbringung durch ausländische Selbständige oder die Niederlassung ausländischer Unternehmen im Inland gelten, so dass das Arbeitsrecht zur quantitativen Steuerung des Arbeitskräftezuflusses aus dem Ausland nicht mehr zur Verfügung stünde. Daraus wären ähnlich große Veränderungen für die nationalen Rechtsordnungen zu erwarten wie im Rahmen des Marktzugangsprinzips geschildert587. (c) Innerstaatliche Regelungen Dass eine Norm wie Art. VI GATS, die das Verhältnis des Übereinkommens zu „innerstaatlichen Regelungen“ regelt, vielfältige Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen haben kann, liegt auf der Hand. Der Artikel ist jedoch nur eine unfertige Teilregelung, die dem GATS-Rat die Aufgabe zuweist, konkretere „Disziplinen“ auszuarbeiten.588 Eine abstrakte, vom jeweiligen Stand dieser Konkretisierung unabhängige Untersuchung der möglichen Auswirkungen der Norm auf nationale Sozialsysteme ist deshalb nicht möglich. Allerdings enthält der Artikel nicht nur einige allgemeine Anforderungen (Abs. 1), sondern gibt auch die Rahmenbedingungen für die auszuarbeitenden Disziplinen vor (Abs. 4), so dass einige generelle Aussagen getroffen werden können. Falls Art. VI:1 GATS so verstanden werden sollte, dass alle innerstaatlichen Maßnahmen, die den Handel mit Dienstleistungen betreffen, einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterwerfen sind,589 wären die Auswirkungen offensichtlich beachtlich.590 Eher scheint es sich beim dort niedergelegten Kriterium der „Vernünftigkeit“ aber um einen Begriff zu handeln, der zwar über ein bloßes Diskriminierungsverbot deutlich hinausgeht, ansonsten aber noch weitgehend konturlos ist. Seine Interpretation wird, zumindest solange keine bindende Auslegung durch die Ministerkonferenz nach Art. IX:2 S. 1 WTO-Ü erfolgt, eine Aufgabe der Streitbeilegungsorgane sein, wodurch ihnen eine wichtige Rolle in dieser zentralen Fragestellung zukommt. Damit könnte sich die Bestimmung als Einfallstor für eine dynamische Weiterentwicklung des GATS erweisen. Im Zusammenhang mit dem ErforderlichkeitskriVgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (a). Vgl. oben unter § 17 IV.2.b) cc) (3). 589 Vgl. ebd. 590 Das belegt schon ein Blick auf die Auswirkungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der deutschen Verfassungsdogmatik; vgl. nur die umfangreichen Nachweise bei Stern, Staatsrecht III / 2 (1994), S. 763 f. 587 588

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terium, welches in Art. VI:4 GATS als Element der zukünftigen Disziplinen für Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse festgelegt wird,591 könnte sich ein Prüfungskonzept für innerstaatliche Maßnahmen entwickeln, welches dem im Warenhandel erkennbaren Trend592 folgt: Dort akzeptieren die Streitbeilegungsorgane, etwa im Zusammenhang mit den Bestimmungen des SPS und des TBT, zwar die souveräne Festlegung bestimmter politischer Ziele. Sie fordern von den Staaten aber zunehmend nachvollziehbare, wissenschaftlich fundierte Begründungen dafür, dass die von ihnen ergriffenen handelsbeschränkenden Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele auch erforderlich sind. Im Bereich des Dienstleistungshandels könnte in Zukunft etwa die Frage gestellt werden, ob ein auf dem Grundsatz der Territorialität aufbauendes Gesundheitssystem,593 die marktferne Organisation vieler sozialer Leistungen594 oder die Statuierung arbeitsschutzrechtlicher Standards erforderlich sind, um bestimmte soziale Ziele zu erreichen. Eine solche Fragestellung würde die nationalen Sozialordnungen unter einen starken Rechtfertigungsdruck setzen und damit die staatliche Gestaltungsfreiheit einschränken. (2) Einschränkungen im GATS Ebenso wie das GATT kennt auch das GATS eine Reihe von Ausnahmebestimmungen, welche die Reichweite seiner Prinzipien beschränken. Das Ausmaß ihrer Bedeutung ist jedoch schwieriger zu bestimmen, da diese Vorschriften entsprechend der komplexen Struktur des GATS zum Teil nur von den allgemeinen,595 zum Teil auch von den spezifischen Verpflichtungen befreien,596 da sie sich zum Teil nur auf eine bestimmte Erbringungsart beziehen597 und da es sich oftmals um unfertige Rumpfregelungen handelt598. Beleuchtet werden sollen hier nur diejenigen Ausnahmebestimmungen, denen für die geschilderten, theoretisch möglichen 591 Das Erforderlichkeitskriterium in Art. VI:4 GATS wird von Weiler, JWT 34 (2000), S. 71 ff. (80) als „a considerable agent for regulatory reform“ bezeichnet. 592 Siehe dazu oben unter § 16 II.5. 593 Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 110 sehen auch das Prinzip des Risikoausgleichs im Gesundheitssystem und die Querfinanzierungen kostenträchtiger Leistungen in Frage gestellt. 594 So etwa auch Pollock, The Lancet 356 (2000), S. 1995 ff. (1999). Kritisch dazu Adlung, Health-Care Systems (2001), S. 1 f. 595 Vgl. etwa Art. VIII:1 GATS (Monopole), der allerdings auch die Achtung des allgemeinen Meistbegünstigungsprinzips fordert. Dazu sogleich unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (dd). 596 Vgl. etwa Art. XII (Schutz der Zahlungsbilanz) und Art. XIV (Allgemeine Ausnahmen) GATS. 597 Vgl. etwa Annex on movement of natural persons supplying services under the Agreement, Anlage zum GATS vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191. Zu finden auch unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / 8-anmvnt_e.htm (01. 09. 2004). Dazu sogleich unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (b). 598 Vgl. etwa Art. XV GATS (Subventionen). Dazu später unter § 17 V.2.b).

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Auswirkungen des GATS-Rechts auf die nationalen Sozialordnungen eine Bedeutung zukommt. (a) Ausnahmen für hoheitliches Tätigwerden Ähnlich wie das Europarecht599 kennt auch das GATS Ausnahmebestimmungen für bestimmte Arten hoheitlichen Tätigwerdens. Die Bestimmungen sind jedoch über das gesamte Abkommen und seine Anlagen verteilt, so dass sich insgesamt ein komplexes und unübersichtliches Bild ergibt. (aa) Allgemeine Vorschriften im GATS Die zentrale Norm für hoheitliches Tätigwerden ist Art. I:3 b) GATS.600 Danach fallen Dienstleistungen, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht werden, nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages. Eine Ausübung hoheitlicher Gewalt im Sinne des GATS liegt nach Abschnitt c) des Artikels vor, wenn die Dienstleistung „weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird“. Ähnlich wie das europäische Wettbewerbsrecht601 kennt also auch das WTO-Recht die Unterscheidung zwischen einer reinen staatlichen Aufgabenerfüllung und einer wettbewerbsorientierten Erbringungsweise. Liegt erstere vor, ist das GATS in seiner Gesamtheit nicht anwendbar, so dass die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung in einem bestimmten Sektor auch dann keinen Restriktionen unterworfen wäre, wenn sich die Geltung der spezifischen Verpflichtungen grundsätzlich auf diesen Sektor erstrecken würde. Der genaue Bedeutungsgehalt dieser Bestimmung ist jedoch problematischer, als dies ihre knappe Formulierung vermuten ließe. Ungeklärt ist, ab welchem Ausmaß oder welcher Art finanzieller Beteiligungen der Betroffenen eine soziale Leistung „zu kommerziellen Zwecken“ erbracht wird. Auch die Frage, wann ein Wettbewerb mit anderen Dienstleistungserbringern vorliegt, ist bisher unbeantwortet geblieben.602 Zwar lassen sich einige Formen staatlichen Tätigwerdens als eindeutige Fälle des Art. I:3 b) GATS einordnen – von Seiten der WTO wird etwa eine medizinische Versorgung und Krankenhausbehandlung „directly through the government, free of charge“ genannt603. Gleichzeitig wird jedoch erkannt, dass solVgl. dazu oben unter § 15 III.2.a) dd). Dazu Koehler, GATS (1999), S. 91 f.; Krajewski, Public Services (2001), S. 6 ff.; ders., J. Int’l Econ. L. 6 (2003), S. 341 ff., Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II. Rn. 13; (jeweils m. w. N.). 601 Vgl. dazu oben § 15 III.2.a) dd). 602 Vgl. dazu etwa Krajewski, Public Services (2001), S. 6 ff.; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 231. Die Background Note des GATS-Sekretariats, WTODok. Nr. S / C / W / 50, ad 62 bezeichnet diese Fragen als ungelöst und regt eine Debatte darüber an. Ebenso Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 127. 599 600

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che „prototypical arrangements“ die Ausnahme, nicht die Regel darstellen.604 Immer dann, wenn es zu einer Durchmischung der beiden Organisationsmodelle kommt, wenn also staatliches Tätigwerden mit Wettbewerbselementen versehen oder in beschränktem Umfang private Konkurrenz zugelassen wird, besteht die Gefahr, dass der gesamte Bereich in den Anwendungsbereich des GATS fällt.605 So bestünde beispielsweise bei einem parallelen Tätigwerden staatlicher und privater Krankenhäuser eine Wettbewerbssituation in diesem Bereich, was die Anwendbarkeit des GATS begründen könnte. Auch die teilweise Öffnung eines Sozialversicherungsmonopols für private Anbieter könnte das gesamte System in den Anwendungsbereich des GATS miteinbeziehen, wenn es sich bei den geöffneten Bereichen nicht jeweils um klar abgrenzbare, eigene Märkte handelte. Somit zeigt sich eine Parallele zum europäischen Wettbewerbsrecht: Auch dort wurde die Befürchtung formuliert, marktnahe Reformen des sozialen Sektors könnten diesen in seiner Gesamtheit dem europäischen Wirtschaftsrecht unterwerfen und somit soziale Zielsetzungen gefährden.606 Auch die dort formulierten Bedenken, private Unternehmen könnten bei einer durch solche Reformen in Gang gesetzten vollständigen wirtschaftlichen Öffnung der sozialen Sicherungssysteme die lukrativsten Elemente an sich ziehen („Rosinenpicken“), ohne dass dem durch Querfinanzierungen der staatlichen Träger entgegnet werden dürfte, lassen sich auf die Ebene der WTO übertragen.607 Ähnlich wie im Europarecht könnte damit auch im GATS die Gefahr entstehen, dass solche Reformen ganz unterlassen werden – das Liberalisierungsziel des GATS würde in sein Gegenteil verkehrt. (bb) Sonderbestimmungen für Finanzdienstleistungen Eine gewisse Modifizierung erfährt Art. I:3 GATS jedoch durch die oft übersehenen608 Sonderbestimmungen zu Finanzdienstleistungen. Dieser Dienstleistungssektor, der insbesondere Bankdienstleistungen und Versicherungsdienstleistungen 603 WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 37. Ebenso Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (356). 604 WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 38. 605 So auch BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 148; WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 39; Sexton, Trading Health Care Away? (2001), bei Fn. 60 ff. und 85 ff.; Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 30, 109 f. Ebenso für den Bildungsbereich Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 56. Unklar Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (356). 606 Vgl. oben unter § 15 III.2.a) ee). 607 So auch WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 29: „For example, private health insurers competing for members may engage in some form of ,cream skimming‘ leaving the basic public system, often funded by the general budget, with low-income and high-risk members.“ 608 So etwa von Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (356); Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 30 f., 38; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 75.

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umfasst,609 war während der Uruguay-Runde äußerst umstritten.610 Ein endgültiger Kompromiss konnte zum Zeitpunkt der Verabschiedung des GATS noch nicht gefunden werden, so dass die insgesamt zwei Anlagen zu Finanzdienstleistungen, die einen integralen Bestandteil des GATS bilden,611 schon bald durch verschiedene „Understandings“, Protokolle und „Decisions“ ergänzt wurden612. Im hiesigen Kontext ist insbesondere § 1 der ersten Anlage zu Finanzdienstleistungen 613 relevant, der für den Geltungsbereich der Anlage und damit auch für alle im Rahmen eines Sozialsystems erbrachten Versicherungsdienstleistungen614 die Reichweite des Art. I:3 b) GATS auf eine kaum zu durchschauende Art und Weise modifiziert: § 1 b) der Anlage definiert den in Art. I:3 b) GATS verwendeten Begriff „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ dergestalt, dass neben den Tätigkeiten von Zentralbanken oder Währungsbehörden (Abschnitt i) auch „Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems der sozialen Sicherheit oder einer staatlichen Alterssicherung“ (Abschnitt ii) sowie „sonstige Tätigkeiten, die von einer öffentlichen Stelle für Rechnung oder aufgrund Gewährleistung oder unter Einsatz finanzieller Mittel der Regierung ausgeübt werden“ (Abschnitt iii) davon mitumfasst sind. Eine Ausnahme zu dieser Definition formuliert jedoch § 1 c) der Anlage: „Gestattet ein Mitglied, dass seine Erbringer von Finanzdienstleistungen eine der unter Buchstabe b Ziffer ii oder iii615 erwähnten Tätigkeiten im Wettbewerb mit öffentlichen Stellen oder Erbringern von Dienstleistungen ausüben, so umfasst der Begriff „Dienstleistungen“ für die Zwecke des Artikels I Absatz 3 Buchstabe b des [GATS] solche Tätigkeiten.“ Vgl. die Legaldefinition in § 5 Abs. a) der Anlage. Zum Gang der Verhandlungen vgl. Welf, Aussenwirtschaft 51 (1996), S. 327 ff. (346 ff.); Eckert, Liberalisierung internationaler Finanzdienstleistungen (1997), S. 63 ff. 611 Art. XXIX GATS. 612 Vgl. dazu die Übersicht bei Eckert, Liberalisierung internationaler Finanzdienstleistungen (1997), S. 120 ff.; Barth, Perspektiven (1998), S. 73 f.; Kokott, RIW 2000, S. 401 ff. (403 ff.); Ohler, ZeuS 2002, S. 321 ff. (326 ff.); Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTOHb. (2003), B.II. Rn. 176 ff. und den Anhang bei Weber, Marktzugang von Auslandsbanken (1996), S. 249 ff. Zur Verhandlungsgeschichte siehe Kampf, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Bd. IV, E 26 Rn. 68 ff. 613 Annex on Financial Services, Anlage zum GATS vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191. Zu finden auch unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / 10-anfin_ e.htm (01. 09. 2004). 614 Zur Definition siehe § 5 a) der Anlage. Dass beispielsweise die Krankenversicherung in den Anwendungsbereich der Anlage fällt, ist unstreitig; vgl. nur Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 107. Allerdings wird diese Versicherung teilweise unter die Lebens- und teilweise unter die Sachversicherungen subsumiert, vgl. Financial Services, Council for Trade in Services, Background Note by the Secretariat vom 02. 12. 1998, WTO-Dok. Nr. S / C / W / 72, ad 9. 615 Die deutsche Fassung, die an dieser Stelle von „Ziffer i und ii“ spricht, ist fehlerhaft. Vgl. das englische Original unter ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191 oder unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / 10-anfin_e.htm (01. 09. 2004). 609 610

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Wenn hoheitliche Aufgaben also im Wettbewerb mit anderen Anbietern ausgeübt werden, sind sie als Dienstleistungen zu qualifizieren und fallen damit nicht unter die Ausnahmebestimmung für hoheitliche Tätigkeiten. Insofern besteht eine Parallele zur Regelung des Art. I:3 c) GATS616, der beim Vorliegen einer Wettbewerbssituation die ansonsten hoheitlichen Tätigkeiten dem Anwendungsbereich des Abkommens unterwirft. Als eine solche Parallelbestimmung zu Art. I:3 c) GATS wird § 1 der Anlage in der Literatur auch meist interpretiert.617 Bei genauerem Lesen zeigt sich jedoch, dass für den Bereich der Finanzdienstleistungen die Ausnahmen für hoheitliches Tätigwerden möglicherweise weiter gezogen sind als unter den allgemeinen Bestimmungen des GATS: Der zitierte § 1 c) der Anlage bezieht sich nur auf Tätigkeiten von „Erbringern von Finanzdienstleistungen“. Dieser Begriff umfasst nach der Legaldefinition des § 5 b) der Anlage618 aber keine öffentlichen Stellen. Somit fallen die in § 1 b) der Anlage genannten und im Wettbewerb mit anderen Anbietern ausgeübten Tätigkeiten nur dann unter den Anwendungsbereich des GATS-Rechts, wenn sie von einer nicht-öffentlichen Stelle erbracht werden, während die Tätigkeiten öffentlicher Stellen generell von der Geltung des GATS-Rechts ausgenommen sind.619 Entscheidend ist demnach, welche Bedeutung der Begriff einer „öffentlichen Stelle“ im Rahmen der Anlage hat. Nach der Legaldefinition des § 5 c) i) der Anlage ist eine öffentliche Stelle „eine Regierung ( . . . ) oder eine im Eigentum eines Mitglieds stehende oder von ihm beherrschte Einrichtung, die hauptsächlich mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben oder von Tätigkeiten für hoheitliche Zwecke befasst ist, jedoch keine Einrichtung, die hauptsächlich mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen zu kommerziellen Bedingungen befasst ist“.

Diese Definition ist nicht frei von zirkulären Elementen, denn die Reichweite der „Ausübung hoheitlicher Gewalt“ hängt, wie dargelegt wurde, von der Bedeutung des Begriffs „öffentlicher Stellen“ ab, während dieser Begriff wiederum durch einen Rückgriff auf den Begriff der „hoheitlichen Aufgaben“ bestimmt wird. Darü616 Dessen Geltung ist für den Bereich der Finanzdienstleistungen ausgeschlossen, vgl. § 1 d) der Anlage. 617 So etwa Senti, WTO (2000), S. 596; Government of British Columbia, GATS and Public Service Systems (2001), Fn. 41; Krajewski, Public Services (2001), S. 14; Leroux, JWT 36 (2002), S. 413 ff. (429 f.). Auch Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II. Rn. 170 hebt die Parallelität der Bestimmungen hervor, betont jedoch einen Unterschied zu Art. I:3 c) GATS: Während dort die Kriterien der Abwesenheit eines Wettbewerbs und der kommerziellen Ausrichtung der in Frage stehenden Tätigkeit kumulativ erfüllt sein müssten, finde das letztgenannte Kriterium im Bereich der Finanzdienstleistungen keine Anwendung. Das übersieht jedoch die Bestimmung des § 5 c) i) der Anlage, dazu sogleich. 618 „[Für die Zwecke dieser Anlage] ist ein Erbringer von Finanzdienstleistungen jede natürliche oder juristische Person eines Mitglieds, die Finanzdienstleistungen erbringt oder zu erbringen wünscht; jedoch umfasst der Begriff ’Erbringer von Finanzdienstleitungen’ keine öffentlichen Stellen.“ 619 So wohl auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 575.

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ber hinaus bleibt auch offen, welchen Grad von hoheitlicher Betätigung eine Einrichtung aufweisen muss, um „hauptsächlich“ mit solchen Tätigkeiten befasst zu sein. Die Bezugnahme auf „kommerzielle Bedingungen“ scheint wieder eine Parallele zu der Wettbewerbsklausel des § 1 c) der Anlage herzustellen, diesmal jedoch in einer institutionellen, nicht auf die jeweilige Einzeltätigkeit bezogenen Betrachtungsweise. Die genaue Bedeutung dieser Bestimmungen bleibt also unklar. Sie könnten allerdings so interpretiert werden, dass die Tätigkeiten einer Einrichtung, die zu mehr als 50% nichtkommerzielle Aufgaben im Bereich der sozialen Sicherheit oder staatlichen Alterssicherung wahrnimmt, auch dann vom Anwendungsbereich des GATS-Rechts620 ausgenommen ist, wenn diese Tätigkeiten ausnahmsweise im Wettbewerb mit anderen Anbietern erbracht werden. Das würde die Ausnahmebestimmung des Art. I:3 b) GATS für hoheitliche Tätigkeiten im Bereich der Sozialversicherungssysteme ausweiten. Dadurch könnte für diesen Bereich auch der Gefahr vorgebeugt werden, durch die teilweise Anreicherung eines Versicherungssystems mit wettbewerblichen Elementen könne das gesamte System unter den Anwendungsbereich des GATS-Rechts fallen. (cc) Sonderbestimmungen für öffentliches Beschaffungswesen Für die Erbringung hoheitlicher Aufgaben kommt auch der Sonderbestimmung des Art. XIII GATS eine gewisse Bedeutung zu.621 Nach dessen Absatz 1 sind alle „Gesetze, sonstige[n] Vorschriften oder Erfordernisse in bezug auf öffentliche Beschaffung von Dienstleistungen, die für staatliche Zwecke beschafft werden und nicht zum kommerziellen Wiederverkauf oder zur Nutzung bei der Erbringung von Dienstleistungen zum kommerziellen Verkauf bestimmt sind“, von der Geltung des Meistbegünstigungsprinzips, der Marktzugangsregeln und des Inländerprinzips ausgenommen. Absatz 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten zu multilateralen Verhandlungen in diesem Bereich. Welche Formen staatlicher Tätigkeit als öffentliche Beschaffung im Sinne des Art. XIII GATS zu verstehen sind, ist noch weitgehend ungeklärt.622 Im Bereich 620 Die Bestimmungen des § 1 b) und c) der Anlage zu Finanzdienstleistungen modifizieren für die ihr unterfallenden Arten von Dienstleistungen die Reichweite des Art. I:3 b) GATS. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der materiellen Bestimmungen der Anlage selbst, sondern sämtlicher Bestimmungen des GATS. 621 Diese Verknüpfung wird auch vom GATS-Sekretariat erkannt, wenn es im Zusammenhang mit umweltbezogenen Dienstleistungen fragt: „Is there need to clarify the scope of government procurement (as referred to in GATS Article XIII) in relation to services supplied in the exercise of governmental authority (covered by GATS Article I:3)?“, Environmental Services, Council for Trade in Services, Background Note by the Secretariat vom 06. 07. 1998, WTO-Dok. Nr. S / C / W / 46, ad 53. 622 Vgl. dazu die bisher weitgehend ergebnislose, sich auf die Sammlung von Daten über das Beschaffungswesen in den Mitgliedstaaten beschränkende Arbeit der Working Party on

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der staatlichen Sozialordnung ist insbesondere dann an eine Einschlägigkeit der Bestimmung zu denken, wenn der Staat private Unternehmen in die Aufgabenerfüllung mit einbezieht. Welche Formen dieser Organisationsstrukturen, die als Public Private Partnership bezeichnet werden können,623 als öffentliche Beschaffung zu qualifizieren sind, dürfte jedoch ähnlich schwierig zu bestimmen sein wie auf nationaler Ebene624. So führt auch das GATS-Sekretariat in seinen Background Notes mit dem sogenannten Built Operate Transfer-Modell nur einen Beispielsfall an und lässt offen, ob solche Arrangements als öffentliche Beschaffung oder als von Art. XIII GATS nicht umfasstes „staatlich reguliertes wirtschaftliches Tätigwerden“ zu qualifizieren sind625. Verkompliziert wird die Thematik dadurch, dass eine Reihe von Staaten – darunter die meisten Industrienationen626 – das plurilaterale „Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen“ (GPA)627 unterzeichnet haben. Dieser Vertrag zielt auf die Unterwerfung des öffentlichen Beschaffungswesens unter die Prinzipien der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung ab. Er erstreckt sich auf Beschaffungsaufträge „jeder vertraglichen Form“628 ab einem bestimmten Schwellenwert629 und umfasst seit 1996 grundsätzlich auch die Beschaffung von DienstGATS Rules, veröffentlicht in der WTO-Dokumentenreihe S / WPGR, zu finden unter http: / / docsonline.wto.org / (01. 09. 2004). Vgl. dazu auch Low / Mattoo / Subramanian, World Competition 20 (1996), S. 5 ff. (23 f.); Stolz, Öffentliches Beschaffungswesen (1999), S. 15 ff.; Sauvé, Completing the GATS Framework (2002), S. 333 f.; Arrowsmith, Government Procurement in the WTO (2003), S. 78 ff. 623 Siehe allgemein dazu nur die Sammelbände Budäus / Eichhorn (Hrsg.), Public private partnership (1997); Ziekow (Hrsg.), Public Private Partnership (2003). 624 Vgl. für die deutsche Debatte dieses Problemkreises nur Jaeger, NZBau 2001, S. 6 ff.; Dreher, NZBau 2002, S. 245 ff. Zur Konzeptionalisierung öffentlicher und privater Stellen im WTO-Vergaberecht siehe neben Kunnert, WTO-Vergaberecht (1998), S. 9 ff., 211 ff. auch Government Procurement of Services, Working Party on GATS Rules, Note by the Secretariat vom 08. 11. 1995, WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 3, ad 12. 625 WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 39 (Übersetzung des Verf.). Ähnliche Überlegungen finden sich bei WTO-Dok. Nr. S / C / W / 46, ad 53. 626 Zu den 28 Vertragsparteien gehören die EU und ihre Mitgliedstaaten, die USA, Kanada, Japan und die Schweiz. Eine vollständige Liste findet sich unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / gproc_e / memobs_e.htm (01. 09. 2004). 627 Agreement on Government Procurement vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 273. Der Vertrag stellt eine revidierte Fassung des seit 1979 bestehenden Tokyo Round Agreement on Government Procurement vom 12. 04. 1979, GATT BISD 26S / 33; geänderte Fassung 1987, GATT BISD 34S / 177 dar. Siehe zur Entstehungsgeschichte Prieß, in: ders. / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.IV., Rn. 7 ff.; Arrowsmith, Government Procurement in the WTO (2003), S. 25 ff.; Stehmann, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Bd. IV, E 28 Rn. 153 ff. Zur rechtspolitischen Würdigung siehe Mosoti, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 25 (2004), S. 593 ff. 628 Art. I:2 GPA. 629 Vgl. Art. I:4 und die Angaben in Anhang I des GPA. Ein Überblick über die jeweiligen nationalen Schwellenwerte findet sich bei WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 3, Table 1; Senti, WTO (2000), S. 672; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 412; Prieß, in: ders. / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.IV., Rn. 43.

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leistungen630. In struktureller Parallele zum GATS existiert jedoch im GPA keine uneingeschränkte Unterwerfung der öffentlichen Beschaffung von Dienstleistungen unter das Inländerprinzip: Erstens legen die Unterzeichnerstaaten in Positivlisten fest, in welchen Dienstleistungssektoren die öffentliche Beschaffung dem GPA überhaupt unterworfen ist.631 Zweitens müssen auch die Behörden und öffentlichen Unternehmen, deren Handeln dem Anwendungsbereich des GPA unterfallen soll, von den Staaten in Positivlisten niedergelegt werden.632 Eine weitere Modifizierung erfährt die Regelung des Art. XIII GATS für den Bereich der Finanzdienstleistungen durch eine zum Abschluss der Uruguay-Runde von den Vertragsparteien formulierte Understanding633. Danach soll das Meistbegünstigungs- und Inländerprinzip bei öffentlicher Beschaffung auf diejenigen Anbieter von Finanzdienstleistungen angewendet werden, die auf dem Gebiet des jeweiligen Staates niedergelassen sind.634 Auch diese Vereinbarung wurde jedoch nur von einem Teil der WTO-Mitgliedstaaten unterzeichnet,635 so dass die Erstreckung der GATS-Prinzipien auf das öffentliche Beschaffungswesen im Bereich der Finanzdienstleistungen sowohl inhaltlich als auch räumlich begrenzt ist. Insgesamt sind die WTO-Regelungen zur öffentlichen Beschaffung von Dienstleistungen also eher im Entstehen begriffen, als dass sie einen geschlossen Rechtskörper bilden würden.636 Die vielen offenen Fragen und die Heterogenität der Re630 Ausführlich zum Anwendungsbereich des GPA Kunnert, WTO-Vergaberecht (1998), S. 209 ff.; Huelmann, Öffentliche Beschaffungen (2000), S. 107 ff.; Prieß, in: ders. / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.IV., Rn. 27 ff.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 436 ff.; Arrowsmith, Government Procurement in the WTO (2003), S. 99 ff.; Stehmann, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Bd. IV, E 28 Rn. 164 ff. Vgl. dazu auch den ersten einschlägigen Streitfall Korea – Measures Affecting Government Procurement, Report of the Panel vom 01. 05. 2000, WTO-Dok. Nr. WT / DS163 / R, para 7.4 ff. Zum Verhältnis von GPA und Art. XIII GATS in den weiteren Verhandlungen vgl. WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 3, ad 31 ff. 631 Anhang I, Anlage 4 des GPA. Diese Positivlisten können wiederum durch Negativlisten relativiert werden, vgl. Senti, WTO (2000), S. 673 f.; Prieß, in: ders. / Berrisch (Hrsg.), WTOHb. (2003), B.IV., Rn. 28. 632 Anhang I, Anlage 1 – 3 des GPA. 633 Understanding on Commitments in Financial Services vom 15. 04. 1994, WTO-Dok. Nr. LT / UR / U / 1. 634 „Notwithstanding Article XIII of the Agreement, each Member shall ensure that financial service suppliers of any other Member established in its territory are accorded most-favoured-nation treatment and national treatment as regards the purchase or acquisition of financial services by public entities of the Member in its territory.“ (Absatz B 2 der Understanding). 635 Vgl. die Auflistung bei WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 3, Annex 1. 636 Zum Entwicklungspotential siehe Bungenberg, Beschaffungsabkommen (2003). Inzwischen wird auch häufig die Frage gestellt, ob die Erstreckung der allgemeinen Prinzipien des GATS auf das Beschaffungswesen überhaupt ausreichen würde, um ein faires Verfahren zu garantieren. Stattdessen wird die Bedeutung von prozeduralen Bestimmungen betont. Vgl. dazu nur Government Procurement of Services, Working Party on GATS Rules, Communication from the European Communities and their Member States vom 12. 07. 2002, WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 39, ad IV 2: „MFN and national treatment requirements are not sufficient

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gelungen erschweren allgemeine Aussagen darüber, welche Bedeutung Art. XIII GATS für die Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen zukommt.637 Festgehalten werden kann aber, dass sich aus dieser Bestimmung gewisse Geltungsbeschränkungen der spezifischen GATS-Verpflichtungen ergeben können. (dd) Sonderbestimmungen für Monopole Auch Art. VIII GATS, der Sonderbestimmungen für Monopole und Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten enthält, scheint auf den ersten Blick die Vorschriften über hoheitliches Tätigwerden wesentlich zu modifizieren. Der Artikel spricht, obwohl dies im Rahmen der Uruguay-Runde teilweise gefordert worden war,638 kein Verbot staatlicher Monopole aus. Stattdessen erkennt er das Recht zur Bildung und Aufrechterhaltung von Dienstleistungserbringern mit Monopolstellung639 implizit dadurch an, dass er die Mitgliedstaaten lediglich dazu verpflichtet, beim Tätigwerden dieser Monopole die Einhaltung bestimmter Verpflichtungen zu gewährleisten640. Staatliche Monopole und Unternehmen mit ausschließlichen Rechten641 sind im Bereich der staatlichen Sozialordnungen also grundsätzlich zulässig.642 Gegen die naheliegende Folgerung, damit seien wichtige Bereiche hoheitlichen Tätigwerdens von der Geltung der GATS-Bestimmungen ausgenommen, sprechen jedoch zwei Argumente: Erstens sei darauf hingewiesen, dass das GATS-Recht trotz dieser grundsätzlichen Anerkennung von staatlichen Monopolen an verschiedenen Stellen deren Sonderstellung beschränkt. So verpflichtet die bereits angesprochene Understanding für den Bereich der Finanzdienstleistungen die Mitgliedstaaten, die to ensure equal treatment and non-discrimination in the area of government procurement. The experiences of the EC Single Market and of the GPA have shown that in order to ensure effective market opening, domestic procedural principles have to be developed.“ Zur Bedeutung eines fairen Verfahrens bei der Auswahl privater Akteure für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben siehe allgemein auch Voßkuhle VVDStRL 62 (2003), S. 266 ff. (312 ff.) m. w. N. Im Rahmen des GPA haben diese Ansätze bereits in den Art. VII bis XXI Niederschlag gefunden. 637 Allgemein zu der Frage, ob bei öffentlichen Beschaffungen die Verfolgung politischer Ziele mit dem WTO-Recht vereinbar sind, siehe Fischer, RIW 2003, S. 347 ff. Siehe auch zur Beschreibung der harmonisierenden Wirkungen der WTO-Sonderbestimmungen für das Beschaffungswesen Reich, U. Pa. J. Int’l Econ. L. 25 (2004), S. 321 ff. (333 ff., 341 ff.). 638 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 584. 639 Vgl. die Legaldefinition in Art. XXVIII h) GATS. Auf den insofern engeren Anwendungsbereich des Art. VIII GATS im Vergleich zu Art. XVII GATT weist Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 2 f. hin. 640 Art. VIII:1, 2 und 4 GATS. 641 Zu den Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten Art. VIII GATS unterfällt, siehe Absatz 5 der Bestimmung. 642 So allgemein auch Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 1, 6.

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in diesem Sektor bestehenden Monopolrechte aufzulisten und sich darum „zu bemühen, sie zu beseitigen oder ihren Umfang zu reduzieren“643. Auch im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen gibt es entsprechende Vorstöße.644 Zweitens bedeutet die (vorläufige) Akzeptanz der Existenz von Monopolen keineswegs die Freistellung ihrer Tätigkeit von den materiellen Verpflichtungen des GATS. Gemäß Art. VIII:1 GATS müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Dienstleistungserbringer mit Monopolstellung nicht in einer Weise handeln, „die mit den Pflichten des Mitglieds nach Artikel II [Meistbegünstigung] sowie mit seinen spezifischen Verpflichtungen unvereinbar ist“. Das Tätigwerden eines solchen Dienstleistungserbringers ist also – gegebenenfalls über den Umweg der staatlichen Gewährleistungspflicht645 – denselben materiellen Bestimmungen unterworfen wie jedes andere staatliche Tätigwerden auch.646 Ausnahmen von den spezifischen Verpflichtungen des Marktzugangs und der Inländerbehandlung bestehen nicht; stattdessen werden sogar weitergehende Umgehungsverbote aufgestellt647. Steht die Gewährung zusätzlicher Monopolrechte im Widerspruch zu den spezifischen Verpflichtungen eines Staates, gelten im Übrigen die bereits angesprochenen648 allgemeinen Änderungsregeln des Art. XXI GATS,649 so dass betroffene Staaten mit Ausgleichsmaßnahmen reagieren können. Insgesamt zeigt sich also, dass für den Bereich der monopolartigen Dienstleistungserbringung dieselben Regeln gelten wie für den restlichen Anwendungsbereich des GATS: Werden keine spezifischen Verpflichtungen eingegangen, gelten nur die allgemeinen Verpflichtungen, insbesondere das Meistbegünstigungsprinzip. Geht ein Staat jedoch spezifische Verpflichtungen ein, gelten sie – sofern dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird – auch für das Tätigwerden der Monopole und können nachträglich zugunsten der Monopole nur mit hohen Kosten abgeändert werden. Aus Art. VIII GATS ergibt sich also keine Relativierung der obigen Untersuchungsergebnisse zu den theoretisch denkbaren Auswirkungen der spezifischen GATS-Bestimmungen auf nationale Sozialordnungen. 643 Understanding on Commitments in Financial Services vom 15. 04. 1994, WTO-Dok. Nr. LT / UR / U / 1, ad B 1 (Übersetzung des Verf.). Vgl. dazu Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 38; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II. Rn. 178 ff. 644 Siehe dazu unten § 17 IV.2.c) (3) (b) (bb). 645 Vgl. dazu Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 145. 646 Zur Bedeutung des Art. VIII GATS für den Gesundheitssektor vgl. auch WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 47. Zum Postsektor vgl. Smit, Anwendung der GATS-Prinzipien (2000), S. 31, 33 f. 647 Vgl. Art. VIII:2 GATS, der Regeln für das Tätigwerden eines Monopols außerhalb seines Monopolbereiches aufstellt (vgl. dazu Pitschas, in: Prieß / Berrisch [Hrsg.], WTO-Hb. [2003], B.II., Rn. 146; kritisch dazu Mattoo, Dealing with Monopolies [1997], S. 20), und Art. VIII:3 GATS, der den Staaten spezifische Informationspflichten auferlegt (siehe dazu Mattoo, Dealing with Monopolies [1997], S. 5 f.). 648 Siehe oben unter § 17 IV.2.b) bb). 649 Vgl. Art. VIII:4 GATS.

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(b) Ausnahmen für den grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen Eine weitere Einschränkung der Reichweite der spezifischen GATS-Verpflichtungen bezieht sich nicht auf einen bestimmten Akteur oder Sektor, sondern auf einen Modus der Dienstleistungserbringung: Die Anwendung des GATS für Mode 4 (presence of natural persons) ist durch die „Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen“650, stark eingeschränkt. Diese Anlage, die einen wesentlichen Bestandteil des Übereinkommens darstellt,651 bestimmt in Abs. 2, dass dem GATS „weder für die Maßnahmen betreffend natürlicher Personen, die sich um Zugang zum Beschäftigungsmarkt eines Mitglieds bemühen, noch für Maßnahmen, welche die Staatsangehörigkeit, den Daueraufenthalt oder die Dauerbeschäftigung betreffen“ Geltung zukommt. Auch hindert gemäß Abs. 4 der Anlage das GATS ein Mitglied nicht daran, „Maßnahmen zur Regelung der Einreise oder des vorübergehenden Aufenthalts natürlicher Personen in seinem Hoheitsgebiet“ zu treffen, solange es dadurch nicht „die Handelsvorteile, die einem Mitglied aufgrund der Bedingungen einer spezifischen Verpflichtung zustehen, zunichte macht oder schmälert“.652 Mit dieser Anlage wurde den insbesondere in den Industriestaaten geäußerten Befürchtungen vor einer unkontrollierten Arbeitsmigration Rechnung getragen.653 Ihr Abs. 2 hat zur Folge, dass nur kurzfristige Personenbewegungen überhaupt unter den Anwendungsbereich des GATS fallen. Dadurch werden einige der Bedenken ausgeräumt, die im Zusammenhang mit den Sozialversicherungssystemen und den arbeitsrechtlichen Standards der Mitgliedstaaten aufgeführt wurden: Eine Pflicht zur Ausweitung aller staatlicher Vergünstigungen auf die im Inland befindlichen ausländischen Dienstleistungserbringer654 oder das Verbot von arbeitsrechtlichen Hürden, die über das für inländische Beschäftigte geltende Maß hinausgehen,655 wird für langfristige Aufenthalte natürlicher Personen vom GATS somit nicht gefordert. 650 Annex on Movement of Natural Persons Supplying Services Under the Agreement, Anlage zum GATS vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191. Zu finden auch unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / 8-anmvnt_e.htm (01. 09. 2004). Dazu umfassend Koehler, GATS (1999), S. 194 ff. m. w. N. Vgl. auch Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 40; Senti, WTO (2000), S. 594 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), 584 ff. 651 Art. XXIX GATS. 652 Inzwischen sind diese Bestimmungen weiter konkretisiert worden. Die entsprechenden Konzessionslisten werden als „außerordentlich unübersichtlich“ bezeichnet, Barth, Perspektiven (1998), S. 119. Einen ausführlichen Überblick gibt Koehler, GATS (1999), S. 216 ff. Vgl. auch die Analyse bei Presence of Natural Persons (Mode 4), Council for Trade in Services, Background Note by the Secretariat vom 08. 12. 1998, WTO-Dok. Nr. S / C / W / 75, ad 37 ff. 653 Vgl. Barth, Perspektiven (1998), S. 118 f.; Koehler, GATS (1999), S. 184 ff. 654 Siehe oben unter § 17 IV.2.c)bb) (1) (b) (aa). 655 Siehe oben unter § 17 IV.2.c)bb) (1) (b) (cc).

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Die auch aus der europäischen Parallelproblematik bekannten weitreichenden Folgen, die sich aus der Freizügigkeit von Arbeitnehmern ergeben,656 sind wegen der Einschränkung der Anlage zu Mode 4 demnach nicht zu erwarten. Allerdings ist zu beachten, dass die Abgrenzung des grenzüberschreitenden Verkehrs natürlicher Personen von der Dienstleistungserbringung nach Mode 3 (commercial presence) oft schwer fällt,657 so dass über den Umweg der Beschäftigung bei einer ausländischen Niederlassung gewisse Möglichkeiten für natürliche Personen bestehen, sich dauerhaft in einem Land aufzuhalten. Abs. 4 der Anlage, der den Staaten die Möglichkeit einräumt, auch kurzfristige Personenbewegungen beschränkenden Regelungen zu unterwerfen, relativiert die allgemeinen Überlegungen zur Auswirkung der GATS-Bestimmungen auf nationale Sozialordnungen allerdings nicht: Ähnlich wie im Rahmen der Monopolbestimmungen dürfen durch die in Abs. 4 der Anlage genannten beschränkenden Regelungen spezifische Verpflichtungen der Staaten nicht verletzt werden. Verschafft ein Staat den spezifischen Verpflichtungen also allgemein eine umfassende Geltung, so kann er aus Abs. 4 keine Ausnahmen ableiten.658 (c) Zwischenergebnis Analysiert man die dem GATS immanenten Einschränkungen, die für die theoretische Reichweite seiner allgemeinen und spezifischen Bestimmungen einschlägig sind, zeichnet sich insgesamt ein vielschichtiges Bild ab. Für hoheitliche Tätigkeiten kennt das GATS eine Reihe von Sonderbestimmungen, die wichtige Bereiche der Dienstleistungserbringung aus seinem Anwendungsbereich ausnehmen. Dies gilt insbesondere für diejenigen Tätigkeiten, die ein Staat nicht im Wettbewerb mit privaten Anbietern ausübt. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch immer dann, wenn wettbewerbsorientierte Elemente in staatliche Sozialleistungssysteme integriert werden. Dann besteht die Gefahr, dass das jeweilige System als Ganzes unter den Anwendungsbereich der GATS-Bestimmungen fällt. Ob dieser Gefahr zumindest für den Bereich der Sozialversicherungssysteme ein Riegel vorgeschoben wurde, ist ebenso unklar wie die Reichweite der Ausnahmen für staatliche Beschaffungsmaßnahmen. Festgehalten werden kann aber, dass sich durch die Monopolbestimmungen des GATS keine Einschränkungen der materiellen Bestimmungen ergeben. Dagegen wurde die Anwendbarkeit des GATS auf Dienstleistungserbringung mittels grenzüberschreitenden Verkehrs natürlicher Personen durch eine Anlage so stark eingeschränkt, dass sich viele der in diesem Zusammenhang formulierten Befürchtungen wohl nicht realisieren werden.

Vgl. dazu oben § 15 III.1.b). Darauf weisen beispielsweise auch Koehler, GATS (1999), S. 94 f. und Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (354) hin. 658 So auch Koehler, GATS (1999), S. 207 f. 656 657

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(3) Bisherige Liberalisierungen Die spezifischen Verpflichtungen des Marktzugangs und des Inländerprinzips erwiesen sich als entscheidend für die Frage, welche Auswirkungen des GATS auf nationale Sozialsysteme zu erwarten sind.659 Die Wirkungskraft dieser Prinzipien liegt jedoch – von den soeben analysierten GATS-immanenten Ausnahmebestimmungen einmal abgesehen – in den Händen der einzelnen Staaten, da ihre Reichweite von den in den Positivlisten niedergelegten Verpflichtungen abhängt. Zu untersuchen ist demnach der bisher erreichte Stand an Liberalisierung. Dabei kann wegen der bereits angesprochenen Komplexität der Listen nur überblicksartig vorgegangen werden. (a) Sektorspezifische Analyse Die Liberalisierungsverpflichtungen in den Konzessionslisten sind nach einer WTO-Klassifikation660 in 12 Sektoren unterteilt, die wiederum insgesamt 155 Subsektoren aufweisen. Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit den nationalen Sozialsystemen stehen, finden sich hauptsächlich in Sektor 8 (Medizinische und Soziale Dienstleistungen), der in vier Subsektoren (Krankenhausdienstleistungen, Sonstige Gesundheitsdienstleistungen, Soziale Dienstleitungen und Andere) unterteilt ist. Freiberufliche Tätigkeiten, wie etwa ärztliche Leistungen, fallen zum Teil auch unter Sektor 1 (Unternehmerische und Berufsbezogene Dienstleistungen), während Versicherungsdienstleistungen dem bereits angesprochenen Sektor 7 (Finanzdienstleistungen) zuzuordnen sind.661 Eine gemeinsame Studie von WHO und WTO662 hat versucht, die bisherigen listenmäßigen Verpflichtungen im Gesundheitsbereich zu quantifizieren. Dabei zeigt sich, dass in diesem Bereich relativ wenig Liberalisierungsfortschritte zu verzeichnen sind. So sind nur etwa 40% der Mitgliedstaaten im Sektor der Gesundheitsdienstleistungen überhaupt listenmäßige Verpflichtungen eingegangen, am häufigsten im Krankenhausbereich.663 Umfangreichere Verpflichtungen existieren im Bereich der Versicherungsdienstleistungen, wo etwa 70% der Mitgliedstaaten Siehe oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1). Services Sectoral Classification List, Uruguay Round – Group of Negotiations on Services, Note by the Secretariat vom 10. 07. 1991, WTO-Dok. Nr. MTN.GNS / W / 120, im Internet unter http: / / tsdb.wto.org / wto / MTN_GNSW120.html (01. 09. 2004). Vgl. dazu auch Barth, Perspektiven (1998), S. 60; Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 25 f. Diese Klassifikation geht zurück auf eine Unterteilung der UN (Central Product Classification, CPC), zu finden unter http: / / unstats.un.org / unsd / cr / registry / regct.asp?Lg=1 (01. 09. 2004). 661 Vgl. dazu WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 50; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (356); Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 107. 662 WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002). 663 Vgl. WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 77 und die Tabellen S. 116 f. 659 660

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Einträge in die Konzessionslisten aufweisen.664 Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass im Subsektor der Sozialen Dienstleistungen lediglich die EG und fünf weitere Staaten Verpflichtungen eingetragen haben.665 Die Aussagekraft dieser Zahlen ist jedoch begrenzt, denn von der Quantität der Verpflichtungen lässt sich nicht auf deren Qualität schließen.666 Die Verpflichtungen sind äußerst heterogen, da sie häufig mit Einschränkungen versehen sind, die sich auf eine bestimmte Art der Dienstleistungserbringung oder sogar auf spezifische, dem nationalen Recht entstammende Fallkonstellationen beziehen. So findet man beispielsweise in den Listen der Gesundheitsdienstleistungen oft Ausnahmebestimmungen, die sich auf mengenmäßige Beschränkungen oder Bedürfnisprüfungen, aber auch auf die Exportierbarkeit von Versicherungsleistungen beziehen.667 Außerdem ist zu beachten, dass aus der Tatsache, dass ein Land in einem bestimmten Dienstleistungssektor keine Verpflichtungen in die Konzessionslisten eingetragen hat, nicht geschlossen werden kann, dass in diesem Sektor kein Marktzugang und keine Inländerbehandlung gewährt wird: Der Grund für die fehlende Niederlegung kann etwa in noch andauernden Verhandlungen mit anderen Staaten liegen oder in dem Wunsch, sich für die Zukunft einen gewissen Spielraum zu bewahren.668 Die quantitativen Analysen geben deshalb nur eine grobe Vorstellung von dem tatsächlichen Grad der Liberalisierung. Allgemein geteilt wird jedoch die Auffassung, dass im Bereich gesundheitlicher und soziale Dienstleistungen im Verhältnis zu anderen Sektoren nur relativ geringe Liberalisierungsfortschritte erzielt worden sind. Es herrscht der Eindruck vor, die Verpflichtungen spiegelten im Wesentlichen den vor dem In-Kraft-Treten des GATS bestehenden Status quo wider.669 Vgl. WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 77. Vgl. die Eintragungen in der GATS-Datenbank unter http: / / tsdb.wto.org / wto / WTO Homepublic.htm (01. 09. 2004). 666 So auch Barth, ZeuS 2000, S. 273 ff. (280 f.). 667 Vgl. neben der GATS-Datenbank unter http: / / tsdb.wto.org / wto / WTOHomepu blic.htm (01. 09. 2004) auch den Überblick bei Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (359 ff.). 668 Darauf weist auch WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 49 hin. 669 Vgl. Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (353); Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 107; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 229; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 103 m. w. N. Siehe dazu auch WTO, World Trade Report 2003, S. 140. Zu den allgemeinen Schwierigkeiten quantitativer Untersuchungen von Handelshemmnissen im Dienstleistungshandel siehe auch Barth, Perspektiven (1998), S. 120 f.; Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 52 f.; WTO, World Trade Report 2003, S. 140 ff. sowie die umfangreiche Studien Economic Effects of Services Liberalization, Council for Trade in Services, Background Note by the Secretariat vom 07. 10. 1997, WTO-Dok. Nr. S / C / W / 26 und Economic Effects of Services Liberalization: Overview of Empirical Studies, Council for Trade in Services, Background Note by the Secretariat, Addendum vom 29. 05. 1998, WTO-Dok. Nr. S / C / W / 26 / Add.1. 664 665

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(b) Besondere Verhandlungsergebnisse Aussagekräftiger als diese allgemeinen Quantifizierungsversuche sind die Resultate, die bei Verhandlungen über konkretisierungsbedürftige Sonderbestimmungen des GATS erzielt wurden. Interessant sind insbesondere die Verhandlungsergebnisse im Bereich innerstaatlicher Regelungen (Art. VI GATS) und staatlicher Monopole (Art. VIII GATS). (aa) Innerstaatliche Regelungen – das Beispiel Rechnungswesen Zwar sind die Fortschritte der zur Ausarbeitung konkreter Disziplinen unter Art. VI GATS eingesetzten Working Party on Domestic Regulation noch begrenzt. Die bisher einzige nennenswerte Einigung konnte im Sektor Rechnungswesen erzielt werden, für den vom GATS-Rat im Jahre 1998 spezielle Disziplinen beschlossen wurden.670 Daraus lassen sich jedoch möglicherweise interessante Schlüsse für den allgemeinen Regelungsgehalt des Art. VI GATS ableiten. Im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Sektor hatte sich erstens das Problem ergeben, dass viele Maßnahmen, die als technische Normen oder Zulassungserfordernisse im Sinne des Art. VI:4 GATS verstanden werden konnten, auch unter den Anwendungsbereich von Art. XVI (Marktzugang) oder XVII (Inländerbehandlung) fielen. Der Vorsitzende der Working Party hatte empfohlen, den Anwendungsbereichs von Art. VI:4 GATS enger zu definieren, um Überschneidungen und damit Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.671 Der GATS-Rat folgte in seiner Entschließung zu den Disziplinen im Rechnungswesen dieser Argumentation, indem er ausführte: „The disciplines therefore do not address measures subject to scheduling under Articles XVI and XVII of the GATS. ( . . .) Such measures are addressed in the GATS through negotiation and scheduling of specific commitments.“672

Der verbleibende Anwendungsbereich des Art. VI:4 GATS, also Maßnahmen im Bereich des Rechnungswesens, die weder in die Liste der marktbeschränkenden Maßnahmen des Art. XVI:2 GATS fallen noch diskriminierende Wirkungen haben, 670 Decision on Disciplines Relating to the Accountancy Sector, Council for Trade in Services vom 15. 12. 1998, WTO-Dok. Nr. S / L / 63 und Disciplines on Domestic Regulation in the Accountancy Sector, Council for Trade in Services vom 17. 12. 1998, WTO-Dok. Nr. S / L / 64. Vgl. dazu allgemein WTO-Dok. Nr. S / C / W / 96, ad 7 ff.; Barth, ZeuS 2000, S. 273 ff. (287 ff.); Senti, WTO (2000), S. 587; Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 295 f. 671 Discussion of Matters Relating to Articles XVI and XVII of the GATS, Working Party on Professional Services, Informal Note by the Chairman vom 25. 11. 1998, Job No. 6496, abgedruckt als Anhang 3 zu Report to the Council for Trade in Services in the Development of Disciplines on Domestic Regulations in the Accountancy Sector, Working Party on Professional Services vom 10. 12. 1998, WTO-Dok. Nr. S / WPPS / 4. 672 WTO-Dok. Nr. S / L / 64, ad 1.

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wurde einem allgemeinen necessity-test unterworfen. Die Maßnahmen dürfen nicht handelsbeschränkender sein als notwendig, um ein legitimes Ziel zu erreichen. Beispielhaft werden für solche legitimen Ziele unter anderem Verbraucherschutz, Qualitätssicherung und „the integrity of the profession“ aufgezählt.673 Bezüglich technischer Standards kann ein Staat auf die Befolgung international vereinbarter Normen verweisen, um die Einhaltung dieses Erfordernisses zu belegen.674 Detailliert geregelt werden außerdem Transparenz- und Verfahrenserfordernisse. Allerdings sind diese Disziplinen gewissen Beschränkungen unterworfen: Sie gelten nur für diejenigen Mitgliedstaaten, die überhaupt spezifische Verpflichtungen im Bereich des Rechnungswesens eingegangen sind. Auch für diese Staaten entfalten die Disziplinen außerdem keine sofortige rechtliche Bindungskraft. Stattdessen sollen sie im Rahmen der nächsten Verhandlungsrunde in das GATS integriert werden. Allerdings sind alle Staaten, also auch jene ohne entsprechende Verpflichtungen im Bereich des Rechnungswesens, bis zu diesem Zeitpunkt dazu verpflichtet, keine Maßnahmen zu ergreifen, welche gegen die Disziplinen verstoßen (sogenannte standstill provision).675 Die Wirkung der Disziplinen beschränkt sich also nicht nur auf den Dienstleistungssektor des Rechnungswesens, sondern ist auch für diesen Sektor rechtlich begrenzt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser erste Schritt zur Konkretisierung des Art. VI:4 GATS prägenden Einfluss auf die weiteren Verhandlungen haben wird.676 So betont auch das GATS-Sekretariat: „Although the work of the [Working Party] on accountancy does not pre-empt future work at the horizontal level and in other sectors, much of the discussion held in the [Working Party] on the accountancy disciplines constitutes helpful background for future work under Article VI:4 in general. ( . . .) The experience of the [Working Party] is important not only for the nature and the scope of future Article VI:4 disciplines, but also for the definition of their content.“677

Die oben678 aufgestellte Vermutung, im Anwendungsbereich des Art. VI:4 GATS könne sich in Zukunft eine umfassende Erforderlichkeitsprüfung staatlicher WTO-Dok. Nr. S / L / 64, ad 2. Vgl. WTO-Dok. Nr. S / L / 64, ad 26. 675 Vgl. WTO-Dok. Nr. S / L / 63, ad 1 – 3. 676 Vgl. etwa die Position der EG, Applicability of the Disciplines on Domestic Regulation in the Accountancy Sector to Other Professional Services, Working Party on GATS Rules, Communication from the European Communities and their Member States vom 19. 05. 2000, WTO-Dok. Nr. S / WPDR / W / 5, ad 9: „The Disciplines [on Accountancy] are seen as well defined rules which, with some modifications, could be applied to other professions.“ Um die Akzeptanz der Regeln zu erhöhen, empfehle sich jedoch die Ergänzung von allgemeinen Disziplinen um sektorale Sonderbestimmungen; ebd. Auch Barth, ZeuS 2000, S. 273 ff. (288) betont, dass die weiteren Verhandlungen an die Ergebnisse im Bereich Rechnungswesen anknüpfen. 677 WTO-Dok. Nr. S / C / W / 96, ad 6, 16. 678 Siehe unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (c). 673 674

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Politiken entfalten, scheint sich also zu bestätigen.679 Auch die allgemein für die Zukunft erwartete enge Verknüpfung nationaler Rechtssysteme mit existierenden internationalen Normen zeigt sich exemplarisch in den Disziplinen zum Rechnungswesen. Allerdings scheint der Anwendungsbereich des Art. VI GATS dadurch erheblich eingeschränkt worden zu sein, dass ihm nur eine Auffangfunktion zu Art. XVI und XVII GATS zugewiesen wird. Die Tatsache, dass etwa wirtschaftliche Bedürfnisprüfungen für Ärzte Beschränkungen des Marktzugangs im Sinne des Art. XVI GATS darstellen,680 oder dass das Territorialitätsprinzip im Gesundheitswesen grundsätzlich als Verstoß gegen das Inländerprinzip im Sinne des Art. XVII GATS gewertet werden muss,681 bedeutet also gleichzeitig, dass diese staatlichen Maßnahmen nicht Art. VI:4 GATS und dessen konkretisierenden Disziplinen unterworfen sind. Da die Regelungstiefe des Art. VI GATS über die der Art. XVI und XVII GATS hinausgeht, erweitert sich somit der Spielraum für staatliches Handeln im Bereich der Sozialordnungen. (bb) Staatliche Monopole – das Beispiel Telekommunikation Ein weiteres Beispiel für die bisherigen Liberalisierungserfolge ist der Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen. Aus den in diesem Sektor erzielten Ergebnissen lassen sich möglicherweise allgemeine Aussagen über die Wirkungen des GATS im Bereich staatlicher Monopole ableiten. Bereits im Laufe der Uruguay-Verhandlungen wurden für den umstrittenen Telekommunikationssektor Sonderregeln erarbeitet, die in der „Anlage zur Telekommunikation“682 niedergelegt sind. Diese Anlage ist Bestandteil des GATS und bindet alle Mitglieder. Die Bestimmungen der Anlage beziehen sich nicht auf den Marktzugang oder die Inländerbehandlung ausländischer Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen, sondern auf die Rechte aller Dienstleistungserbringer, die Nutzer von öffentlichen Telekommunikationsnetzen sind.683 679 Vgl. dazu auch Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 296 f., die vorschlagen, auch für den Bereich der Inländerbehandlung einen allgemeinen necessity-test einzuführen. Als Grund dafür wird angeführt: „It would seem desirable to use the test to create a presumption in favor of the choice of economically efficient policies“, ebd., S. 297. Ähnlich McGinnis / Movsesian, Harv. L. Rev. 114 (2000), S. 512 ff. (577, 579). Eine „Harmonisierung von Qualifizierungsstandards auf niedrigem Niveau“ befürchten dagegen Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 110 f. 680 Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (a). 681 Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (b) (aa). 682 Annex on Telecommunications, Anlage zum GATS vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191. Vgl. dazu Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 38; Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 15 f.; McLarty, Fed. Com. L.J. 51 (1998), S. 1 ff. (38 ff.); Martini, WTO und Dienstleistungsfreiheit (2002), S. 136 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II. Rn. 182 ff.; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Bd. IV, E 27 Rn. 239 ff. Siehe allgemein zur Thematik auch Bronckers / Larouche, JWT 31 (1997), S. 5 ff.

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Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass denjenigen Dienstleistungserbringern, denen gemäß den spezifischen Verpflichtungen das Recht zur Dienstleistungserbringung auf ihrem Hoheitsgebiet zusteht, ein Zugangs- und Nutzungsrecht öffentlicher Telekommunikationsnetze „zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen“ gewährt wird.684 Diese Bestimmung wird konkretisiert, indem die Zugangs- und Nutzungsbedingungen unter anderem einem necessitytest unterworfen werden685. Gleichzeitig wird aber auch die Legitimität von „Gemeinwohlverpflichtungen“ und insbesondere dem Ziel, die „Netze und Dienste der Öffentlichkeit allgemein zur Verfügung zu stellen“, bestätigt.686 Auch wird die Bedeutung internationaler Normen auf dem Gebiet der Telekommunikation anerkannt und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Unterstützung dieser Normen statuiert.687 Für den Bereich der Basistelekommunikationsdienstleistungen688 konnte man sich nur auf einen Verhandlungsauftrag einigen,689 der 1997 im „Vierten Protokoll zum Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen“690 mündete. Darin legt eine Reihe von Mitgliedern – die sogenannte „Negotiating Group on Basic Telecommunications“, der alle größeren Industrienationen angehören – weitreichende spezifische Verpflichtungen nieder.691 Anders als in den meisten anderen Dienstleistungssektoren, in denen durch die Vielzahl individueller Verpflichtungen allgemeine Aussagen über den Fortgang der Liberalisierung nur schwer zu treffen sind, konnte man sich im Kreise der Negotiating Group für den Telekommunikationssektor auf eine gemeinsame Struktur eini683 Hintergrund ist die Anerkennung der „Doppelrolle“ des Sektors Telekommunikationsdienstleistungen „als eigenständiger Wirtschaftssektor einerseits und als Kommunikationsmedium für andere wirtschaftliche Tätigkeiten andererseits“, vgl. § 1 der Anlage. 684 § 5 a) der Anlage. Das Wort „angemessen“ ist wie im Rahmen des Art. VI:4 GATS – vgl. dazu oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (c) – die Übersetzung des englischen Begriffs „reasonable“. Auch hier stellen sich also die bereits geschilderten Auslegungsprobleme. 685 § 5 d) der Anlage. 686 § 5 e) i) der Anlage. Der englische Originaltext spricht an dieser Stelle von „public service responsibilities“. 687 § 7 a) der Anlage. 688 Diese werden von den sogenannten value-added services wie etwa E-mail oder OnlineDienste unterschieden, vgl. Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II. Rn. 186, Fn. 435; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Bd. IV, E 27 Rn. 219 ff. 689 Annex on Negotiations on Basic Telecommunications, Anlage zum GATS vom 15. 04. 1994, ABl. EG 1994 Nr. L 336 / 191; Decision on Negotiations on Basic Telecommunications vom 15. 04. 1994, WTO-Dok. Nr. LT / UR / D-5 / 4, zu finden auch unter http: / / www.wto.org / english / docs_e / legal_e / 50-dstel_e.htm (01. 09. 2004). 690 Fourth Protocol to the General Agreement on Trade in Services vom 30. 04. 1996, ABl. EG 1997 Nr. L 347 / 45. 691 Ein Überblick findet sich bei McLarty, Fed. Com. L.J. 51 (1998), S. 1 ff. (46 ff.); Senti, WTO (2000), S. 600 ff.; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Bd. IV, E 27 Rn. 256 f. Siehe dazu auch Moos, GATS-Rahmenvorschriften (2003).

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gen, die in einem so genannten „Reference Paper“ aus dem Jahre 1996 niedergelegt wurde692. Der Regelungsgehalt des Reference Papers geht über den Horizont von Art. VIII GATS und der Anlage zur Telekommunikation weit hinaus: Einmal stärkt es nicht nur die Rechte der Nutzer, sondern zielt schwerpunktmäßig auf einen erleichterten Marktzugang für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen ab. Zu diesem Zweck werden alle „major suppliers“ von Telekommunikationsdienstleitungen bestimmten Beschränkungen unterworfen. Nach der Legaldefinition des Reference Papers fallen unter diesen Begriff alle Anbieter, die durch die Kontrolle über so genannte „essential facilities“693 oder durch ihre Position im jeweils relevanten Markt „die Möglichkeit haben, die Teilnahmebedingungen bezüglich Preis und Versorgung wesentlich zu beeinflussen“694. Damit bezieht sich das Reference Paper nicht nur auf staatliche Monopole oder Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten, sondern auch auf private Unternehmen, die ohne staatliche Einflussnahme eine monopolartige Position einnehmen. Major suppliers werden einer Reihe von Verpflichtungen unterworfen: Eine „interconnection“, also die Schaffung einer Verbindung zum Netz des monopolartigen Anbieters, muss „an jeder technisch möglichen Stelle“ unter nichtdiskriminierenden, kostenorientierten, transparenten und vernünftigen (reasonable) Bedingungen gewährt werden.695 Der Anbieter muss auch eine ausreichende Entflechtung (unbundling) von Netzanbindung und anderen Leistungen herstellen, damit keine Kosten für nicht benötigte Komponenten entstehen.696 Knappe Ressourcen, wie etwa Sendefrequenzen und Nummern, müssen in einer „objektiven, zügigen, transparenten und nichtdiskriminierenden Weise“ vergeben werden.697 Das Reference Paper enthält auch kartellrechtliche Elemente, indem es die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die major suppliers von „wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen“ abzuhalten. Darunter fallen insbesondere wettbewerbswidrige 692 Telecommunications Services: Reference Paper, Negotiating Group on Basic Telecommunications, WTO-Dok. ohne Nummer vom 24. 04. 1996, im Internet unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / telecom_e / tel23_e.htm (01. 09. 2004). Vgl. dazu Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 17 f.; McLarty, Fed. Com. L.J. 51 (1998), S. 1 ff. (48 ff.); OECD, Agreement on Basic Telecommunications (1999), S. 6 ff.; Vollmöller, Globalisierung des öffentlichen Wirtschaftsrechts (2000), S. 155 ff.; Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 293 f. 693 Diese werden definiert als „facilities of a public telecommunications transport network or service that a) are exclusively or predominantly provided by a single or limited number of suppliers; and b) cannot feasibly be economically or technically substituted in order to provide a service“ (zweite Definition des Reference Papers). 694 Dritte Definition des Reference Papers (Übersetzung des Verf.). 695 § 2 Abs. 1 und 2 des Reference Papers (Übersetzung des Verf.). 696 § 2 Abs. 2 b) des Reference Papers. 697 § 6 des Reference Papers (Übersetzung des Verf.).

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Quersubventionierungen und die Zurückhaltung bestimmter technischer Informationen gegenüber Konkurrenten.698 Ähnlich wie das neuere europäische Wettbewerbsrecht699 enthält auch das Reference Paper eine Anerkennung des Universaldienstmodells, verpflichtet aber auch hier die Mitgliedstaaten zu einem nichtdiskriminierenden und wettbewerbsneutralen Vorgehen und unterwirft den gesamten Bereich einem necessity-test: „Any Member has the right to define the kind of universal service obligation it wishes to maintain. Such obligations will not be regarded as anti-competitive per se, provided they are administered in a transparent, non-discriminatory and competitively neutral manner and are not more burdensome than necessary for the kind of universal service defined by the Member.“700

Abgerundet werden die Bestimmungen durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, unabhängige und unparteiische Regulierungsinstanzen einzurichten und zumindest für den Bereich der Netzanbindung für eine unabhängige Rechtsschutzinstanz zu sorgen.701 Das Reference Paper hat zwar keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung, soll aber von den Staaten durch einen Verweis in den jeweiligen Konzessionslisten in das GATS-Recht miteinbezogen werden. Dies ist beim Großteil der Mitglieder der Negotiating Group erfolgt, so dass den Bestimmungen eine weitreichende Geltung zukommt.702 Inzwischen kam es auch zu zwei Streitfällen auf der Grundlage der Bestimmungen des Reference Papers, in denen es um überhöhte Preise für Netzanbindungen ausländischer Unternehmen durch die jeweiligen marktbeherrschenden Telekommunikationsgesellschaften ging. In den beiden jeweils von den USA angegriffenen Unterzeichnerstaaten Japan und Mexiko kam es daraufhin zu einer Senkung der Verbindungsentgelte.703 Eine formeller Rechtsstreit wurde zwar nur gegenüber Mexiko geführt. In der Entscheidung, in der die einschränkenden mexikanischen Regelungen für unvereinbar mit den GATS-Bestimmungen erklärt werden, stützt sich das Panel jedoch ausdrücklich auf das Reference Paper und unterstreicht damit dessen Bedeutung.704 § 1 Abs. 1 und 2 des Reference Papers (Übersetzung des Verf.). Vgl. oben unter § 15 III.2.a) ff) (1). 700 § 3 des Reference Papers. Vgl. dazu ausführlich McLarty, Fed. Com. L.J. 51 (1998), S. 1 ff. (55 ff.). 701 § 5 und § 2 Abs. 5 des Reference Papers. 702 Vgl. die Angaben bei Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 17, Fn. 19; Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (363); Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 293. Die Enquete-Kommission des Bundestages bezeichnet das Reference Paper als einen „weitreichenden Eingriff in staatliche Regelungshoheit“, BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 150. 703 Vgl. dazu Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 88 ff.; Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 294; Ortiz Nagle, U. Miami Inter-Am. L. Rev. 33 (2002), S. 183 ff.; Rosenthal, Common L. Conspectus 10 (2002), S. 315 ff. 704 Vgl. Mexico – Measures Affecting Telecommunications Services, Report of the Panel vom 02. 04. 2004, WTO-Dok. Nr. WT / DS204 / R, para 7.18 ff. 698 699

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Ob die Liberalisierungsfortschritte auf andere Dienstleistungssektoren, insbesondere auf den Bereich der sozialen Dienstleistungen, in Zukunft übertragen werden, ist zwar noch offen. Diesbezügliche Forderungen werden allerdings bereits gestellt.705 Jedenfalls hat sich aber gezeigt, dass die grundsätzliche Akzeptanz der Existenz von Monopolen in Art. VIII GATS keinen Schutz vor Entwicklungen bietet, die deren Handlungsfreiheit deutlich beschränken. Interessant in diesem Zusammenhang ist darüber hinaus, dass sich auch außerhalb des Art. VI GATS (Innerstaatliche Regelung) mit dem necessity-test ein generelles Prüfungskriterium für staatliche Politiken durchzusetzen scheint. Hier zeigen sich Parallelen zur zunehmenden Bedeutung des necessity-tests im Rahmen des GATT, etwa im TBT oder SPS. Dass man im GATS allerdings dazu bereit zu sein scheint, über diesen Test hinauszugehen, zeigt die Integration des Universaldienstmodells in das Reference Paper: Hier wird eine bestimmte Organisationsform staatlicher Aufgabenerfüllung aus anderen Möglichkeiten, die unter dem necessity-test ebenfalls Bestand haben könnten, herausgehoben. Durch dieses Vorgehen sowie durch den Verweis auf internationale Normensysteme im Anhang zur Telekommunikation findet eine teilweise Internationalisierung in diesem Politikfeld statt. Schließlich ist auch auf die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere das Verbot von Quersubventionierungen und die unbundling-Bestimmungen hinzuweisen. Würden diese Prinzipien auf Akteure mit Monopolcharakter im Bereich des Gesundheitswesens übertragen, ohne entsprechende Rechtfertigungsmöglichkeiten zu schaffen, wären – wie das Europarecht zeigt – weitreichende Auswirkungen zu erwarten. (c) Exemplarische Analyse: Verpflichtungen der EG Ein aufschlussreiches Beispiel für die bisherigen Liberalisierungsfortschritte im Dienstleistungshandel sind die in den Konzessionslisten niedergelegten Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft. Aufgrund der Kompetenzverflechtungen im Bereich der Handelsbeziehungen706 enthalten die Listen zum Teil gemeinschaftliche Verpflichtungen, zum Teil aber auch Bestimmungen, die sich nur auf einzelne Mitgliedsländer beziehen. Die im Rahmen der Uruguay-Runde ausgehandelten spezifischen Verpflichtungen707 sind durch verschiedene Ergänzungen mo705 So etwa Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (363): „It may be worth considering such an approach in health services as well.“ Vgl. auch Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 293: „These principles should be generalized to a variety of other network services“. Ähnlich OECD, Agreement on Basic Telecommunications (1999), S. 11. 706 Vgl. dazu oben unter § 17 III.1.a). 707 Schedule of Specific Commitments, European Communities and their Member States vom 15. 04. 1994, WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31. Die nicht verbindliche deutsche Übersetzung ist auch abgedruckt im BGBl. 1994 II, S. 1678.

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difiziert worden708. Dabei wurden insbesondere die aktuellen Verhandlungsergebnisse im Bereich des Rechnungswesens, der Finanzdienstleistungen und des grenzüberschreitenden Verkehrs natürlicher Personen umgesetzt. (aa) Horizontale Ausnahmebestimmungen Ein Merkmal der europäischen Konzessionslisten, welches das Konzept der sektorspezifischen Positivlisten durchbricht, sind die horizontalen Ausnahmebestimmungen: Bestimmte Beschränkungen des Marktzugangs und der Inländerbehandlung werden den nach Sektoren unterteilten Verpflichtungen vorangestellt und beziehen sich auf alle in den Konzessionslisten enthaltenen Dienstleistungssektoren.709 Die für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bedeutsamste horizontale Ausnahmebestimmung bezieht sich auf den Marktzugang für eine Dienstleistungserbringung nach Mode 3 (commercial presence): „In all EC Member States services considered as public utilities at a national or local level may be subject to public monopolies or to exclusive rights granted to private operators.“710

Über den Ausschluss der Anwendbarkeit des GATS auf hoheitlichen Tätigkeiten711 hinaus sind also bestimmte Marktzugangsbeschränkungen für alle im Rahmen von public utilities erbrachten Dienstleistungen zulässig. Die Einräumung einer Sonderstellung für inländische Dienstleistungserbringer ist in diesem Tätigkeitsbereich auch dann möglich, wenn die EG im jeweils betroffenen Dienstleistungssektor spezifische Verpflichtungen eingegangen ist. Entscheidende Bedeutung erhält somit die Frage, welche Bedeutung dem Begriff public utilities zukommt. Eine an dieser Stelle in die Konzessionsliste eingefügte Fußnote712 definiert diesen Begriff nicht, sondern verweist darauf, dass solche Einrichtungen in den verschiedensten Sektoren zu finden seien – unter anderem im Bereich der Umweltschutz-, der Verkehrs- und der Gesundheitsdienstleistungen. Wegen der großen Vielfalt an Monopolen oder Unternehmen mit ausschließlichen Rechten sei eine abschließende Aufzählung aber nicht möglich. Somit verbleibt die Definitionshoheit über den Begriff der public utilities faktisch bei der EG und ihren Mitgliedstaaten, was einen großen Spielraum für politische Entscheidungen schafft. 708 WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31 / Suppl.1 vom 28. 07. 1995; GATS / SC / 31 / Suppl.1 / Rev.1 vom 04. 10. 1995; GATS / SC / 31 / Suppl.2 vom 28. 07. 1995; GATS / SC / 31 / Suppl.3 vom 11. 04. 1997; GATS / SC / 31 / Suppl.4 vom 26. 02. 1998; GATS / SC / 31 / Suppl.4 / Rev.1 vom 18. 11. 1999. 709 Vgl. dazu Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 58 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 125. Auch BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 149 verweist auf die horizontalen Verpflichtungen der EG. 710 WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 2. 711 Vgl. dazu oben unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (a). 712 WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 2.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Weitere horizontale Ausnahmebestimmungen beziehen sich auf die Inländerbehandlung von ausländischen juristischen Personen, die nach Mode 3 (commercial presence) Dienstleistungen erbringen wollen. Erstens kann Zweigstellen von ausländischen Unternehmen eine weniger günstige Behandlung gewährt werden als Zweigstellen inländischer Unternehmen, wenn sie entweder nach ausländischem Recht in einem EG-Mitgliedstaat errichtet worden sind oder zwar nach inländischem Recht errichtet wurden, jedoch keinen „effective and continuous link“ zur einheimischen Wirtschaft aufweisen.713 Für Subventionen wird die Inländerbehandlung noch weiter eingeschränkt, indem bei deren Zuteilung alle juristischen Personen ausgeschlossen werden können, die nicht im Hoheitsgebiet eines EGMitgliedstaates oder sogar in einem bestimmten geographischen Teil davon niedergelassen sind.714 Eine ähnliche Einschränkung bezieht sich auf die Dienstleistungserbringung nach Mode 4 (presence of natural persons), indem bestimmt wird, Subventionen für natürliche Personen könnten auf Staatsangehörige von EG-Mitgliedstaaten beschränkt werden.715 Die horizontalen Ausnahmen der EG schränken also die Geltung des Marktzugangs- und Inländerprinzips auch dann stark ein, wenn ein bestimmter Sektor in den Konzessionslisten umfassend für den freien Dienstleistungshandel geöffnet wird. Dies führt dazu, dass die meisten der theoretisch möglichen Auswirkungen des GATS-Rechts auf nationale Sozialordnungen, die zu Beginn dieses Abschnitts herausgearbeitet wurden, für die Mitgliedstaaten der EG nicht zu erwarten sind. Die Sonderstellung staatlicher Monopole oder Unternehmen mit ausschließlichen Rechten im Bereich der Sozialversicherungssysteme ist nicht in Frage gestellt, da diese Bereiche staatlichen Tätigwerdens unter den Begriff der public utilities subsumiert werden können. Eine Erstreckung aller staatlichen Leistungen auf ausländische Unternehmen, die im Inland Niederlassungen betreiben, ist ebenfalls nicht erforderlich. Allerdings wird die im Rahmen der Inländerbehandlung beschriebene716 Exportpflichtigkeit von sozialen Leistungen durch die horizontalen Ausnahmen der EG nicht tangiert. Diese Überlegungen, die sich sowohl auf Leistungen im Rahmen eines Sozialversicherungssystems als auch auf beitragsfreie staatliche Leistungen bezogen, behalten deshalb für das in der EG geltende GATS-Recht ihre Gültigkeit. (bb) Sektorspezifische Verpflichtungen Schon die horizontalen Ausnahmen zeigen also für den sozialen Bereich die beschränkten Liberalisierungsverpflichtungen der EG und ihrer Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Drittstaaten. Dieser Eindruck verstärkt sich angesichts der insgesamt 713 714 715 716

WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 2 f. WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 5. WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 5. Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (b) (aa).

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eher spärlichen sektorspezifischen Verpflichtungen, die in diesem Bereich von europäischer Seite eingegangen wurden. In Sektor 8 (Medizinische und Soziale Dienstleistungen) finden sich spezifische Verpflichtung nur für die Subsektoren Krankenhausdienstleistungen und Genesungs- und Erholungsheime.717 Von einer gewissen praktischen Relevanz dürften hier die Verpflichtungen einzelner Staaten bei Krankenhausdienstleistungen sein. Die Erbringung nach Mode 3 (commercial presence) ist zwar zahlreichen Beschränkungen unterworfen.718 Uneingeschränkte Geltung719 kommt dem Marktzugangs- und Inländerprinzip dagegen für eine Dienstleistungserbringung nach Mode 2 (consumption abroad) zu. Da die Verweigerung einer Kostenerstattung für die Inanspruchnahme von Krankenhausdienstleistungen im Ausland einen Verstoß gegen das Inländerprinzip darstellt,720 muss im Rahmen der EG von einer Verpflichtung zum Export von solchen Versicherungsleistungen ausgegangen werden. In Sektor 1 (Unternehmerische und Berufsbezogene Dienstleistungen) finden sich Verpflichtungen für die Dienstleistungserbringung von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen721 sowie von Krankenschwestern und Sanitätern722. Hier ist zum Teil eine Dienstleistungserbringung nach Mode 3 und Mode 4 (presence of natural persons) zugelassen. Zusätzlich zu einem Verweis auf die horizontalen Ausnahmebestimmungen der EG existieren jedoch zahlreiche nationale Beschränkungen.723 Auch an dieser Stelle ist aber die Dienstleistungserbringung nach Mode 2 uneingeschränkt zulässig, was die Verpflichtung zum Leistungsexport zur Folge hat. WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 78 ff. So beschränken etwa Frankreich, Italien und Luxemburg den Marktzugang durch folgende Bestimmung: „The number of beds authorized is limited by a health services plan established on the basis of needs“; WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 78. Ähnliche Beschränkungen gelten für die Niederlande durch einen „quantitative economic needs test fixed by a health plan allowing for a maximum number of beds related to the population of each health region“; WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 79. 719 Eine spezifische Verpflichtung in einem bestimmten Subsektor ist dann unbeschränkt, wenn in der entsprechenden Konzessionsliste bei der jeweiligen Erbringungsart „none“ eingetragen ist, vgl. nur Koehler, GATS (1999), S. 121 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 124 und die Hinweise unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / guide1_e.htm (01. 09. 2004). 720 Siehe oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (b) (aa). 721 WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 23 ff. 722 WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 26 ff. 723 So beschränkt etwa Deutschland die Geltung des Marktzugangsprinzips für eine Dienstleistungserbringung nach Mode 4 durch folgende Bestimmung: „Condition of nationality for doctors and dentists which can be waived on an exceptional basis in cases of public health interest. A zero quota for midwives.“ WTO-Dok. Nr. GATS / SC / 31, S. 25. Beschränkungen stellt Deutschland auch im Apothekenbereich auf: „Establishment of new pharmacies is restricted and only possible through the take-over of an existing pharmacy-store.“ WTODok. Nr. GATS / SC / 31, S. 28. 717 718

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Für Sektor 7 (Finanzdienstleistungen) gelten die bereits an früherer Stelle dargestellten Beschränkungen.724 Hier finden sich trotz verschiedener zusätzlicher Verpflichtungen der EG725, die über die Bestimmungen der Protokolle, Understandings und Decisions hinausgehen, keine nennenswerten Liberalisierungsfortschritte im sozialen Bereich.726 (cc) Sonderfall öffentliches Beschaffungswesen Einen Sonderfall stellen schließlich die Verpflichtungen dar, die die EG unter dem plurilateralen Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA)727 eingegangen ist. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens erstreckt sich nur auf diejenigen Dienstleistungen, die von den Mitgliedstaaten in Positivlisten niedergelegt werden. Dienstleistungen aus dem sozialen Bereich fehlen jedoch in der entsprechenden Liste der EG.728 Allerdings ist der Sektor der Versicherungsdienstleistungen miteinbezogen worden,729 so dass sich für diejenigen Bereiche der Sozialversicherungssysteme, die als öffentliches Beschaffungswesen verstanden werden können, gewisse Auswirkungen ergeben könnten. Die Möglichkeit von Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen steigt außerdem durch die Tatsache, dass die EG-Mitgliedstaaten die Understanding on Commitments in Financial Services unterzeichnet haben, die eine Erstreckung des Meistbegünstigungs- und Inländerprinzip bei öffentlichen Beschaffungsverträgen auf alle Anbieter von Finanzdienstleistungen vorsieht, die auf dem Gebiet des jeweiligen Staates niedergelassen sind730. Welche Auswirkungen dies auf die nationalen Sozialsysteme haben wird, ist momentan aber noch offen. (4) Aktuelle Entwicklungen Um die zukünftigen Entwicklung des GATS einschätzen zu können, soll abschließend ein Überblick über die aktuellen Diskussionen um eine weitere Öffnung der Märkte der WTO-Mitgliedstaaten gegeben werden.

Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (bb). Siehe GATS / SC / 31 / Suppl.4 / Rev.1, S. 18 f. 726 Vgl. GATS / SC / 31 / Suppl.4 / Rev.1, S. 3 ff. 727 Vgl. dazu oben unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (cc). 728 European Communities, Appendix 1, Annex 4 to the Agreement on Government Procurement vom 01. 03. 2000, WTO-Dok. Nr. WT / Let / 330, im Internet unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / gproc_e / ec4.doc (01. 09. 2004). Vgl. zur fehlenden Einbeziehung sozialer Dienstleistungen auch Low / Mattoo / Subramanian, World Competition 20 (1996), S. 5 ff. (13 f.) und die Auflistung bei WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 3, S. 12 f. (Tabelle 2). 729 WT / Let / 330, 7. Zeile. 730 Vgl. dazu oben unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (cc). 724 725

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(a) Allgemeines Die built-in-agenda des Art. XIX GATS verpflichtete die Vertragsparteien zu Neuverhandlungen spätestens zum 01. Januar 2000.731 Diese Verhandlungen wurden zunächst in Sondersitzungen des GATS-Rates geführt,732 bevor im März 2001 konkrete Verhandlungsrichtlinien erstellt wurden733. In materieller Hinsicht formulieren diese Richtlinien einerseits das Ziel einer fortschreitenden Liberalisierung ohne jegliche „a priori exclusion of any service sector or mode of supply“734. Andererseits wird aber in Anlehnung an die GATS-Präambel auch an das Recht der Mitgliedstaaten erinnert, „to regulate, and to introduce new regulations, on the supply of services“735, und es wird betont, der Liberalisierungsprozess solle „with due respect for national policy objectives“ vor sich gehen736. In organisatorischer Hinsicht wird in den Richtlinien festgelegt, dass die multilateralen Verhandlungen vorwiegend in den bereits bestehenden Gremien stattfinden sollen,737 also neben dem GATS-Rat etwa in der Working Party on Domestic Regulation, dem Committee on Trade in Financial Services oder der Working Party on GATS Rules. Als Methode zur Aushandlung der spezifischen Verpflichtungen wird jedoch der so genannte request-offer approach vereinbart,738 der ein Vorgehen mittels bilateraler Liberalisierungsforderungen und -angebote zum Inhalt hat739. Vor einer Einigung im Bereich der spezifischen Verpflichtungen sollen jedoch die in den themenbezogenen Gremien stattfindenden Beratungen zu Art. VI:4 (Innerstaatliche Regelung), Art. XIII (Öffentliches Beschaffungswesen) und Art. XV (Subventionen) abgeschlossen werden.740 Die GATS-Verhandlungen wurden durch die Ministererklärung von Doha in die neue Welthandelsrunde integriert und um einen konkreten Zeitplan ergänzt.741 Ein Abschluss der Handelsrunde wurde ur731 Dies errechnet sich aus der Fünfjahresfrist des Art. XIX:1 GATS und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GATS am 01. 01. 1995. Vgl. dazu auch Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (683) 732 Vgl. den zusammenfassenden Report of the Special Sessions of the Council of Trade in Services to the General Council vom 24. 11. 2000, WTO-Dok. Nr. S / CSS / 3. 733 Guidelines and Procedures for the Negotiations on Trade in Services, Council for Trade in Services vom 29. 03. 2001, WTO-Dok. Nr. S / L / 93. Vgl. dazu auch Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 190 f. 734 WTO-Dok. Nr. S / L / 93, ad 5. Bestätigt wurde diese offene Herangehensweise im Annex C zur Decision of the General Council on the Doha Agenda Work Programme vom 02. 08. 2004, WTO-Dok. Nr. WT / L / 579, ad c). 735 WTO-Dok. Nr. S / L / 93, ad 1. 736 WTO-Dok. Nr. S / L / 93, ad 3. 737 WTO-Dok. Nr. S / L / 93, ad 16. Vgl. auch Barth, ZeuS 2000, S. 273 ff. (289 f.). 738 WTO-Dok. Nr. S / L / 93, ad 11. 739 Vgl. etwa die Erklärungen unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / requests_offers_approach_e.doc (01. 09. 2004) sowie Barth, ZeuS 2000, S. 273 ff. (290); Pitschas, in: Prieû / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 193. 740 WTO-Dok. Nr. S / L / 93, ad 7.

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sprünglich zum 01. Mai 2005 angestrebt.742 Nach dem Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún wurden die Fristen jedoch verlängert, so dass nun die revised offers der Mitgliedstaaten bis zu diesem Datum eingereicht werden können und eine Einigung nicht vor Ende 2005 zu erwarten ist.743 Die Programme und die bisherigen Ergebnisse der für diese Untersuchung relevanten themenbezogenen GATS-Gremien sind bereits an früherer Stelle dargestellt worden.744 Im Rahmen der Doha-Runde sind dort bisher keine für die staatlichen Sozialordnungen relevanten Fortschritte erzielt worden.745 Allerdings haben inzwischen die Verhandlungen über spezifische Verpflichtungen gewisse Fortschritte erzielt.746 Von vielen Mitgliedstaaten wurden Forderungen und Angebote eingebracht, die umfangreiche Veränderungen der Konzessionslisten zum Inhalt haben.747 Sämtliche requests und offers der GATS-Teilnehmer detailliert zu analysieren, würde allerdings den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Außerdem sind viele dieser Dokumente nicht öffentlich zugänglich.748 Zum Teil wird zwar pauschal behauptet, dass im sozialen Bereich das Ausmaß an Liberalisierungsimpulsen recht gering sei.749 Welche Entwicklungen im weiteren Verlauf der Handelsrunde auftreten werden, muss momentan aber noch als offen bezeichnet werden.

741 Doha Ministerial Declaration vom 20. 11. 2001, WTO-Dok. Nr. WT / MIN(01) / DEC / 1, ad 15. Vgl. dazu auch Fritz / Scherrer, GATS 2000 (2002), S. 15; Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (683 f.); ders., in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 195 ff. 742 WT / MIN(01) / DEC / 1, ad 45. Vgl. allgemein zur Doha-Agenda Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 774 ff.; WTO, Annual Report 2003, S. 42 ff. 743 Vgl. Decision of the General Council on the Doha Agenda Work Programme vom 02. 08. 2004, WTO-Dok. Nr. WT / L / 579, ad 1 (e) und 3. 744 Vgl. beispielsweise zur Working Party on Domestic Regulation oben unter § 17 IV.2.c) bb) (3) (b) (aa) und zur Working Party on GATS Rules § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (cc). 745 Vgl. die Zusammenfassung bei Sauvé, Completing the GATS Framework (2002); WTO, Annual Report 2003, S. 47 ff. m. w. N. Insbesondere bei der Ministerkonferenz in Cancún konnte keine Einigung in diesen Fragen erzielt werden, vgl. nur Ministerial Statement vom 14. 09. 2003, WTO-Dok. Nr. WT / Min(03) / 20. 746 Vgl. Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 199 ff. Informationen zum aktuellen Stand der Verhandlungen finden sich unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / s_negs_e.htm (01. 09. 2004). 747 Die „initial offers“ der Mitgliedstaaten finden sich in der Dokumentreihe TN / S / O und sind, soweit sie als öffentlich zugänglich klassifiziert sind, über den Dokumentenserver der WTO unter http: / / docsonline.wto.org / zu erlangen. 748 Vgl. auch Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 66. 749 So etwa Adlung, Health-Care Systems (2001), S. 3; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 239. Nach Angaben der WTO gab es bisher keine Liberalisierungsangebote im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen; vgl. http: / / www.wto.org / english / thewto_e / minist_e / min03_e / brief_e / brief04_e.htm (01. 09. 2004). Über die bilateral ausgetauschten requests liegen der WTO keine systematischen Daten vor; ebd.

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(b) Das Beispiel EG Um eine klarere Vorstellung von dem aktuellen Stand der Verhandlungen zu erlangen, empfiehlt sich deshalb ein beispielhaftes Vorgehen. Exemplarisch soll wiederum der Fall der EG dargestellt werden. In der öffentlich zugänglichen initial offer der EG und ihrer Mitgliedstaaten750 findet sich bereits in der Einleitung eine allgemeine Relativierung des europäischen Angebots: „This offer cannot be construed as offering in any way the privatisation of public undertakings nor as preventing the Community and its Member States from regulating public services in order to meet national policy objectives.“751

Darüber hinaus sollen die horizontalen Verpflichtungen nicht angetastet werden.752 Wesentliche Veränderungen in Sektor 8 (Medizinische und Soziale Dienstleistungen)753 sind ebenso wenig vorgesehen wie in den hier relevanten Teilbereichen von Sektor 1 (Unternehmerische und Berufsbezogene Dienstleistungen)754 und Sektor 7 (Finanzdienstleistungen)755. In anderen Bereichen werden allerdings Vorschläge zur weiteren Liberalisierung vorgetragen, die möglicherweise eine Vorbildfunktion für den Bereich der sozialen Dienstleistungen haben könnten756. So soll etwa im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen die Dienstleistungserbringung nach Mode 1, 2 und 3 bis auf geringfügige Ausnahmen vollständig dem Marktzugangs- und Inländerprinzip unterworfen werden.757 Neben der Beschränkung der Mobilität natürlicher Personen (Mode 4) gelten hier allerdings weiterhin die horizontalen Ausnahmebestimmungen, so dass etwa das europäische Konzept der Versorgung mit Basistelekommunikationsdienstleistungen758 nicht bedroht ist. 750 Trade in Services, Conditional Initial Offer, Communication from the European Communities and its Member States vom 10. 06. 2003, WTO-Dok. Nr. TN / S / O / EEC. Dieses Angebot, das auf den 24. 04. 2003 datiert ist, ist auch veröffentlicht unter http: / / euro pa.eu.int / comm / trade / issues / sectoral / services / wto_nego / index_en.htm (01. 09. 2004). Vgl. dazu auch Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (685 f.). 751 TN / S / O / EEC, S. 1 (General Remarks, 6. Absatz). 752 Vgl. TN / S / O / EEC, S. 4 ff. 753 Vgl. TN / S / O / EEC, S. 80 f. Auch die Europäische Kommission verweist in KOM (2003) 270 endg., Rn. 89 darauf, dass das Angebot der EG und ihrer Mitgliedstaaten „keinerlei“ neue Verpflichtungen im Gesundheitsbereich enthalte. 754 Vgl. TN / S / O / EEC, S. 30 ff. Keine entscheidende Bedeutung dürften einige kleinere Änderungsvorschläge haben, wie beispielsweise das Angebot, in Deutschland im Apothekenwesen statt der bisherigen starren Regel, nur bestehende Apotheken übernehmen zu können (vgl. oben 4. Teil, Fn. 723), einen flexiblen economic needs test einzuführen; vgl. TN / S / O / EEC, S. 34. 755 Vgl. TN / S / O / EEC, S. 68 ff. 756 Vgl. zu dieser Dynamik oben § 17 IV.2.c) bb) (3) (a) (bb). 757 Vgl. TN / S / O / EEC, S. 55 ff. 758 Vgl. zum Universaldienstmodell oben unter § 15 III.2.a) ff) (1).

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Umgekehrt versucht nach Aussage der Europäischen Kommission die EG in ihren initial requests an die Mitgliedstaaten der WTO „weder, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse abzubauen, noch Unternehmen im Staatsbesitz in Drittländern zu privatisieren“. Allerdings werde verlangt „dass Dienstleistungsanbietern der Gemeinschaft Marktzugang eingeräumt wird, damit sie mit den inländischen Dienstleistungsanbietern zu gleichen Bedingungen konkurrieren können“759. Dieser Ansatz, der auf eine klare Trennung zwischen staatlicher und marktförmiger Aufgabenerfüllung ausgerichtet ist, findet sich auch in der Forderung an andere Staaten, im Telekommunikationsbereich eine Marktöffnung nach den Prinzipien des Reference Papers760 durchzuführen761. Im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen wurden jedoch nach Aussage der Kommission keine Liberalisierungsforderungen gestellt; sonstige soziale Dienstleistungen werden nicht erwähnt.762 Anders stellt sich die Situation bezüglich der von Drittstaaten an die EG gerichteten Forderungen dar. Sämtliche der dargestellten Hürden, die in der EG einen Schutz der nationalen Sozialsysteme bewirken, sind Gegenstand von Liberalisierungsforderungen: Erstens werden Einschränkungen der horizontalen Ausnahmen gefordert.763 Im Mittelpunkt steht dabei die Ausweitung der Dienstleistungserbringung nach Mode 4 (presence of natural persons),764 doch auch die Sonderregeln für public utilities und Subventionen765 sollen nach einigen requests begrenzt oder komplett gestrichen werden.766 Die Forderungen, die Sektor 1 (Unternehmerische und Berufsbezogene Dienstleistungen) betreffen, sind so umfangreich, dass die Europäische Kommission feststellt: KOM (2003) 270 endg., Rn. 88. Vgl. dazu oben unter § 17 IV.2.c) bb) (3) (b) (bb). 761 Vgl. die Zusammenfassung der initial requests unter http: / / europa.eu.int / comm / trade / issues / sectoral / services / wto_nego / gats_sum.htm (01. 09. 2004), ad VI d). Die Negotiating Proposals der EG, die sich auf einzelne Dienstleistungssektoren beziehen, finden sich in der WTO-Dokumentenreihe S / CSS / W und können über den Dokumentenserver der WTO unter http: / / docsonline.wto.org / eingesehen werden. 762 Vgl. KOM (2003) 270 endg., Rn. 88 („Anträge für den Bereich der Gesundheitsdienstleistungen [ . . . ] wurden noch für kein Land gestellt.“) und http: / / europa.eu.int / comm / trade / issues / sectoral / services / wto_nego / gats_sum.htm (01. 09. 2004), ad VI b). So auch Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (685). 763 Vgl. Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 74. 764 WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 242; Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (685). 765 Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (3) (c) (aa). 766 Vgl. die Zusammenfassung durch die Europäische Kommission, Generaldirektion Handel: WTO members’ requests to the EC and its Member States for improved market access for services – Consultation Document (2nd Version), ohne Datumsangabe, zu finden unter http: / / europa.eu.int / comm / trade / issues / sectoral / services / docs / imas.pdf (01. 09. 2004), S. 19 ff. 759 760

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„If all requests are put together, the EC is being asked to take full market access and national treatment commitments for all modes of supply in all professional services sub-sectors identified in the services classification (W / 120) without limitation of their coverage.“767

Insbesondere wird auch gefordert, weitere Gesundheitsdienstleistungen in die Konzessionslisten einzubeziehen. 768 In Sektor 8 (Medizinische und Soziale Dienstleistungen) gibt es zwar nur wenige Forderungen von Drittstaaten, doch werden insbesondere von Entwicklungsländern die bestehenden Beschränkungen in den Subsektoren Krankenhausdienstleistungen und Soziale Dienstleistungen angegriffen.769 Die meisten Länder fordern außerdem eine weitergehende Marktöffnung im Bereich von Sektor 7 (Finanzdienstleistungen). Die requests enthalten beispielsweise Forderungen nach der Aufhebung von Wohnsitz- und Staatsangehörigkeitserfordernissen sowie nach einer Liberalisierung des Niederlassungsrechts für ausländische Unternehmen.770 Bei der Bewertung dieser Fülle von Forderungen darf zwar nicht vergessen werden, dass zwischen dem Verlangen nach einer bestimmen Liberalisierung und ihrer tatsächlichen Durchführung ein großer Unterschied besteht – es wäre unrealistisch zu glauben, allen diesen Forderungen würde in der laufenden Handelsrunde stattgegeben.771 Trotzdem sollte der politische Druck, der durch die grundsätzliche Einigung auf die GATS-Prinzipien und auf eine fortschreitende Liberalisierung des Dienstleistungshandels entstanden ist, nicht unterschätzt werden.772 Die requests lassen also erkennen, welche Dynamik ein Vertragswerk entfalten kann, das den Anspruch hat, für einen breiten Anwendungsbereich die Öffnung der Märkte voranzutreiben. d) Fazit Eine Analyse der allgemeinen Prinzipien im GATS ergibt ein vielschichtiges, uneindeutiges Bild. Untersucht man die möglichen Auswirkungen insbesondere des Marktzugangs- und Inländerprinzips, zeichnen sich erhebliche Anpassungszwänge der nationalen Sozialordnungen ab. Dieses große Potential wird jedoch erstens durch ein komplexes Geflecht an vertragsimmanenten AusnahmebestimEbd., S. 25. Ebd., S. 26. 769 Ebd., S. 45. 770 Ebd., S. 43 f. 771 Die Europäische Kommission betont beispielsweise in KOM (2004) 374 endg., S. 25, sie werde „weiterhin sicherstellen, dass die von der Gemeinschaft bei internationalen Handelsverhandlungen vertretenen Positionen in vollem Umfang im Einklang mit dem internen Regelungsrahmen der EU für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse stehen.“ 772 So auch BT-Drs. 14 / 9200 (2000), S. 148; Pitschas, RIW 2003, S. 676 ff. (687, Fn. 134). Vgl. auch Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 99 f., die darauf hinweisen, dass das GATS strategisch von internationalen und nationalen Akteuren gegen bestimmte nationale Regelungen eingesetzt werden könne. 767 768

19 Spelten

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mungen eingeschränkt. Zweitens ergibt sich aus der Verpflichtungsstruktur des GATS, die auf dem Prinzip der Positivlisten basiert, zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen des zögerlichen Verhaltens der Vertragsparteien eine recht begrenzte Geltung der Prinzipien im sozialen Bereich. Andererseits wäre es falsch, die Bedeutung des GATS nur über seine momentane Reichweite zu definieren. Das GATS ist ein „Vertrag im Werden“773 und enthält starke dynamische Elemente. Viele der Bestimmungen, die entscheidend sind für die Auswirkungen des GATS auf nationale Sozialordnungen, existieren nur als unfertige Rumpfregelungen. Bei ihrer Weiterentwicklung gilt zwar grundsätzlich das Konsensprinzip.774 Der vorbereitende Arbeitsprozess ist aber GATS-Organen anvertraut worden, denen nicht zuletzt durch ihre verbesserte personelle und finanzielle Ausstattung775 eine prägende Funktion zukommen kann. Die Entwicklung einer solchen Eigendynamik ist, wie nicht zuletzt die Erfahrungen mit der Europäischen Kommission lehren,776 eine typische Folge der institutionellen Stärkung internationaler Zusammenarbeit 777. Schon jetzt ist zu beobachten, dass mit steigender wirtschaftlicher Vernetzung die Notwendigkeit zunimmt, auch nicht-ökonomische und innerstaatliche Politikfelder zu koordinieren. Augenfälligstes Beispiel sind die Verhandlungsergebnisse im Bereich des Art. VI (Innerstaatliche Regelung) und Art. VIII (Monopole)778. In beiden Fällen zeigt sich eine steigende Internationalisierung der Fragestellung. Es wird deutlich, dass ähnlich wie im nationalen Recht779 eine Marktöffnung in der Regel nicht mit einer vollständigen Abwesenheit von Regeln einhergehen kann, sondern ein bestimmtes Maß von Re-Regulierung erfordert780. Bemerkenswert ist dabei insbesondere der Trend, das nationale Recht einer Erforderlichkeitsprüfung zu unterwerfen. Diese weist den WTO-Streitbeilegungsorganen eine entscheidende Rolle zu, was zu einer dynamischen, der einzelstaatlichen Steuerung zunehmend entzogenen Entwicklung führen kann. Relativierend ist in diesem Zusammenhang zwar auf die im Vergleich zum EuGH deutlich schwächere Position der Streitbeilegungsorgane hinzuweisen.781 Allerdings hat sich gezeigt, So treffend Senti, WTO (2000), S. 606. Vgl. oben unter § 16 II.2. 775 Vgl. dazu Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.III., Rn. 38 ff., 46 ff. 776 Vgl. etwa die Angaben bei Pierson / Leibfried, Dynamik sozialpolitischer Integration (1998), S. 425 ff. und Scharpf, Regieren in Europa (1999), S. 65 ff. 777 Siehe hierzu insbesondere die Untersuchungen der politikwissenschaftlichen Regimetheorie; vgl. die Angaben oben im 1. Teil, Fn. 35. 778 Siehe oben unter § 17 IV.2.c) bb) (3) (b). 779 Zum Beispiel im Telekommunikationsbereich; vgl. dazu etwa Thorein, Telekommunikationspolitik in Deutschland (1997); Eisenblätter, Regulierung in der Telekommunikation (2000); Wegmann, Regulierte Marktöffnung (2001). 780 Darauf verweisen auch Adlung / Carzaniga, Bull. World Health Org. 79 (2001), S. 352 ff. (363); WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 238. 781 Vgl. oben unter § 16 II.3. 773 774

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dass diese Position durch eine stetige Annäherung an ein vollwertiges Gericht wesentlich verstärkt wurde und dass weitere Schritte in dieser Richtung für die Zukunft wahrscheinlich sind. Durch den rechtlichen Mechanismus des necessity-tests könnte die Erfüllung sozialer Aufgaben außerdem auf das aus wirtschaftlicher Sicht notwendige Maß begrenzt werden. Insofern zeigt sich eine Parallele zu den ökonomischen Folgen der Liberalisierung, die im Rahmen der Diskussion eines Wettbewerbs der Systeme angesprochen wurden782: Hier wie dort entsteht ein Zwang, die staatlichen Sozialordnungen an Effizienzerwägungen auszurichten.783 Es ist nicht zu übersehen, dass insbesondere durch das Modell der Konzessionslisten im GATS das Primat der Politik noch deutlich stärker verankert ist als in dem ansonsten in vielerlei Hinsicht parallelen GATT. Doch auch der stärker verrechtlichte Charakter des GATT bildete sich erst allmählich aus einem Vertragswerk heraus, das lange Zeit gerade der Prototyp des politikbasierten Modells war. Wegen der stärkeren Verflechtung des Dienstleistungshandels mit dem innerstaatlichen Recht ist zwar zu erwarten, dass der Verrechtlichungsprozess im Rahmen des GATS langwierig sein wird.784 Wegen dieser Verflechtung wird die Entwicklung im Rahmen des GATS jedoch auch umfassendere Folgen für die nationalen Sozialordnungen haben als die parallele Entwicklung im Rahmen des GATT.

3. Allgemeine Prinzipien im TRIPS Das TRIPS, das den Schutz geistiger Eigentumsrechte zum Inhalt hat, enthält ebenfalls das Inländer- (Art. 3) und das Meistbegünstigungsprinzip (Art. 4).785 Parallel zum GATT und im Gegensatz zum GATS gelten diese allgemeinen Prinzipien unbedingt, also auch ohne die Eingehung von spezifischen Verpflichtungen in einem bestimmten Sektor. Allerdings bestehen zahlreiche Ausnahmen, die teilweise in Art. 3 und 4 TRIPS niedergelegt, teilweise über das gesamte Abkommen verstreut sind786. Die allgemeinen Prinzipien verbieten grundsätzlich eine Diskriminierung zwischen natürlichen Personen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit „in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums“.787 Eine solche UngleichbeVgl. oben unter § 11 II.2.d). Ein Unterschied besteht jedoch insofern, als die Formulierung sozialer Politikziele als solche nur mit den ökonomischen, nicht jedoch den rechtlichen Auswirkungen der Handelsliberalisierung in Konflikt kommt. Vgl. dazu auch Gamberale / Mattoo, Domestic Regulations (2002), S. 300, die den Konflikt zwischen efficiency und equity als zentralen Konflikt des GATS bezeichnen. Ähnlich Garcia, Brook. J. Int’l L. 51 (1999), S. 65 ff. (78). 784 So beispielsweise auch Molsberger, FS Oppermann (2001), S. 541. 785 Vgl. allgemein Senti, WTO (2000), S. 616 ff.; Freytag, Parallelimporte (2001), S. 228 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 13. 786 Vgl. etwa Art. 65, 66 und 73 TRIPS. 787 Art. 3:1 S. 1 und 4:1 S. 1 TRIPS. 782 783

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handlung ist jedoch nicht Gegenstand nationaler Sozial- bzw. Gesundheitspolitik. Auswirkungen der allgemeinen Prinzipien des TRIPS auf nationale Sozialordnungen sind daher nicht erkennbar. Allerdings enthält das TRIPS neben diesen Diskriminierungsverboten auch materielle Bestimmungen, die den Schutz von geistigen Eigentumsrechten in Form von Mindeststandards festlegen.788 Das TRIPS sichert beispielsweise erstmals789 in umfassender Weise das grundsätzliche Recht eines Patentinhabers, Dritte von der Nutzung des patentierten Erzeugnisses oder Verfahrens auszuschließen790. Hier könnten sich rechtliche Auswirkungen auf die Gestaltung nationaler Sozialordnungen ergeben, denn dieser Schutz kommt mit der insbesondere in Entwicklungsländern verbreiteten Praxis in Konflikt, pharmazeutische Produkte ohne Lizenz selbst herzustellen oder auf diese Weise hergestellte Produkte zu importieren791. Trotz der berechtigten Bedenken, eine Aufweichung des Patentschutzes in solchen Fällen könne langfristig zu einer verminderten Investitions- und damit auch Innovationsfähigkeit bei der Entwicklung neuer Medikamente führen,792 enthielt das TRIPS schon zu Beginn recht weitgehende diesbezügliche Ausnahmebestimmungen. Erstens bestehen für Entwicklungsländer langfristige Übergangsregelungen.793 Allgemein bestimmt außerdem Art. 8:1 TRIPS:

788 Vgl. Teil II des Abkommens (Art. 9 ff. TRIPS). Dazu umfassend Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 16 ff. 789 Vor Inkrafttreten des TRIPS bestand zwar neben einer Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen, die den grenzüberschreitenden Schutz von Patentrechten zum Gegenstand hatten, mit der WIPO bereits eine zuständige Internationale Organisation für diese Thematik; vgl. dazu Senti, WTO (2000), S. 608 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 2 m. w. N. Dass es sich dabei um einen sehr lückenhaften Schutz handelte, belegt schon die Tatsache, dass zum damaligen Zeitpunkt im nationalen Recht von über 40 Ländern keinerlei Patentschutz gewährt wurde; vgl. WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 52. 790 Siehe Art. 28 TRIPS. Zur umstrittenen Frage, welche Voraussetzungen zur Patentierbarkeit eines Produktes oder Verfahrens erfüllt sein müssen, vgl. nur Senti, WTO (2000), S. 637 f.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 70 ff. 791 Vgl. Dommen, Hum. Rts. Q. 24 (2002), S. 1 ff. (23 ff.); WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 49 ff.; Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? (2003), S. 25 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 188. Hintergrund ist das finanzielle Unvermögen der Gesundheitssysteme und der Konsumenten in Entwicklungsländern, die in der Regel hohen Preise von geschützten Medikamenten zahlen zu können. Das Verbot dieser Praxis würde die ohnehin mangelhafte Versorgungssituation der Entwicklungsländer weiter verschlechtern, was insbesondere bezüglich Infektionskrankheiten wie AIDS, Malaria und Tuberkulose langfristig zu einer schweren Belastung der nationalen Gesundheitssysteme führen könnte; so etwa Dolmo, Buff. Hum. Rts. L. Rev. 7 (2001), S. 137 ff. (137 ff.); WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 169 ff. m. w. N.; Rott, GRUR Int. 2003, S. 103 ff. (104 f.). 792 Siehe dazu etwa Singham, Brook. J. Int’l L. 26 (2000), S. 363 ff. (372 ff.); WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 172; Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? (2003), S. 25;.

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„Die Mitglieder dürfen bei der Abfassung oder Änderung ihrer Gesetze und sonstigen Vorschriften Maßnahmen ergreifen, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Ernährung sowie zur Förderung des öffentlichen Interesses in den für ihre sozio-ökonomische und technische Entwicklung lebenswichtigen Sektoren notwendig sind; jedoch müssen diese Maßnahmen mit diesem Übereinkommen vereinbar sein.“

Konkretisiert wird diese Norm, deren Inhalt nicht zuletzt wegen ihres letzten Halbsatzes noch im Unklaren liegt,794 unter anderem durch Art. 30 und 31 des Übereinkommens. Die dauerhafte Nutzung eines Patents ohne Zustimmung des Rechtsinhabers, die für die Bekämpfung der geschilderten Probleme der Entwicklungsländer erforderlich wäre, fällt unter den Anwendungsbereich des Art. 31 TRIPS.795 Dieser Artikel stellt keine Beschränkungen hinsichtlich der Gründe solcher Zwangslizenzen („compulsory licences“)796 auf,797 formuliert aber eine Reihe von Bedingungen: Beispielsweise muss zunächst versucht werden, „die Zustimmung des Rechtsinhabers zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen“ zu erlangen.798 Davon kann jedoch abgesehen werden, „wenn ein nationaler Notstand 793 Vgl. Art. 65 und 66 TRIPS. Siehe dazu Senti, WTO (2000), S. 650 f.; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 63 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 131 ff. Diese Fristen wurden im Jahre 2002 für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) hinsichtlich des Patentschutzes bei pharmazeutischen Produkten bis ins Jahr 2016 verlängert, vgl. Extension of the Transition Period Under Article 66.1 of the TRIPS Agreement for Least-developed Country Members for Certain Obligations with Respect to Pharmaceutical Products, Decision of the Council for TRIPS vom 01. 07. 2002, WTO-Dok. Nr. IP / C / 25. 794 Siehe beispielsweise die Diskussion bei Canada – Patent Protection of Pharmaceutical Products, Report of the Panel vom 12. 01. 1998, WTO-Dok. Nr. WT / DS114 / R, para 7.24 ff.; Heinemann, GRUR Int. 1995, S. 535 ff. (536 f.); Rott, GRUR Int. 2003, S. 103 ff. (105 f.); Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? (2003), S. 25 f. 795 So auch Senti, WTO (2000), S. 640; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 60; Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? (2003), S. 27 ff. Art. 30 TRIPS ermöglicht dagegen unter bestimmten Voraussetzungen „begrenzte Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten aus einem Patent“. Anwendungsfälle dieser eng auszulegenden Norm ergeben sich insbesondere in Konstellationen, in denen ein Konkurrent geschützte Medikamente kurz vor Ablaufen des Patentes herstellen möchte, um ein Zulassungsverfahren der Gesundheitsbehörden zum Zeitpunkt des Ablaufens bereits durchlaufen zu haben. Vgl. dazu Canada – Patent Protection of Pharmaceutical Products, Report of the Panel vom 12. 01. 1998, WTO-Dok. Nr. WT / DS114 / R, para 7.39 ff. Eine Herstellung des Medikamentes auf Vorrat wurde vom DSB jedoch schon nicht mehr als „begrenzte Ausnahme“ im Sinne des Art. 30 TRIPS angesehen, vgl. ebd., para 7.27 ff. 796 Freiwillige flexible Preisgestaltungen der Pharmakonzerne sind, da sich die Diskriminierungsvorschriften des TRIPS nur an Staaten richten, im Gegensatz zu diesen erzwungenen Sonderlizenzen zulässig und weit verbreitet, vgl. nur WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 187 ff.; Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? (2003), S. 29 f. 797 WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 61; Rott, GRUR Int. 2003, S. 103 ff. (114); Sichel, Gemeinschaftspatentübereinkommen und TRIPS (2003), S. 96 f.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 94. 798 Art. 31 b) S. 1 TRIPS.

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oder sonstige Umstände von äußerster Dringlichkeit vorliegen oder wenn es sich um eine öffentliche, nicht gewerbliche Benutzung handelt“.799 Dem Rechtsinhaber ist „eine nach den Umständen des Falles angemessene Vergütung zu leisten, wobei der wirtschaftliche Wert der Erlaubnis in Betracht zu ziehen ist“.800 Als problematisch erwies sich für die hier geschilderten Fallkonstellationen neben dem Erfordernis der „angemessenen Vergütung“ insbesondere die Bedingung des Art. 31 f) TRIPS, nach der die Benutzung „vorwiegend für die Versorgung des Binnenmarktes des Mitglieds zu gestatten [ist], das diese Benutzung gestattet“. Umstritten war, ob eine Fabrikation der unter Art. 31 TRIPS hergestellten Medikamente im Ausland und ihr anschließender Import zulässig waren. Mangels einer entwickelten pharmazeutischen Industrie waren viele Entwicklungsländer auf diese Form der Produktion angewiesen.801 Auch aus Art. 6 TRIPS802, der sich auf Parallelimporte bezieht, ergab sich keine Lösung der Fragestellung, da eine sogenannte „Erschöpfung“ der geistigen Eigentumsrechte jedenfalls eine Benutzungshandlung des Rechtsinhabers voraussetzt,803 welche bei Zwangslizenzen per definitionem nicht vorliegt. Während der Ministerkonferenz von Doha konnte noch kein endgültiger Konsens zwischen Industrie- und Entwicklungsländern erreicht werden.804 Erst Ende August 2003 wurde eine Einigung in Form einer Entscheidung des GATS-Rates erzielt.805 Darin werden Ausnahmen sowohl von Art. 31 f) als auch h) TRIPS geArt. 31 b) S. 2 TRIPS. Art. 31 h) TRIPS. 801 Vgl. WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 184; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 100. 802 Dazu allgemein Senti, WTO (2000), S. 619 f.; Freytag, Parallelimporte (2001), S. 215 ff.; WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 62, 185; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 14 m. w. N. 803 Vgl. nur Rott, GRUR Int. 2003, S. 103 ff. (113); Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 14, Fn. 21. 804 Vgl. Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health vom 20. 11. 2001, WTODok. Nr. WT / MIN(01) / DEC / 2, ad 6. Siehe dazu Sun, EJIL15 (2004), S. 123 ff. 805 Implementation of paragraph 6 of the Doha Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health, Decision of the Council for TRIPS vom 02. 09. 2003, WTO-Dok. Nr. WT / L / 540. Vgl. dazu Matthews, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 73 ff.; Nolff, J. Pat. & Trademark Off. Soc’y 86 (2004), S. 291 ff.; Shaffer, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 459 ff. Die Bestimmungen der Entscheidung sollen in das TRIPS integriert werden; bis dahin bestimmt § 10 der Entscheidung: „Members shall not challenge any measures taken in conformity with the provisions of the waivers contained in this Decision under subparagraphs 1 b) and 1 c) of Article XXIII of GATT 1994.“ Diese formale Bestimmung, die für die Übergangszeit einen Verzicht auf die Inanspruchnahme der Streitbeilegungsmechanismen stipuliert, kann nicht verbergen, dass die rechtliche Qualität der Entscheidung unklar ist. Vgl. dazu Hestermeyer, GRUR Int. 2004, S. 194 ff. (195 ff.). Zur ähnlich gelagerten Diskussion um den rechtlichen Gehalt der Ministererklärung von Doha vgl. Charnovitz, J. Int’l Econ. L. 5 (2002), S. 207 ff.; Rott, GRUR Int. 2003, S. 103 ff. (106); Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? (2003), S. 37 f. 799 800

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billigt. Pharmazeutische Produkte können nun unter einer Zwangslizenz auch im Ausland produziert werden, vorausgesetzt, sie werden eindeutig markiert und verschiedene Notifikations- und Transparenzpflichten werden eingehalten.806 Vom importierenden Staat807 und von den restlichen Mitgliedstaaten sind Maßnahmen zur Verhinderung eines Re-Exports zu erlassen.808 Finden Produktion und Verbrauch der pharmazeutischen Produkte innerhalb von regionalen Freihandelszonen statt, denen mehrheitlich am wenigsten entwickelte Länder (LDCs) angehören, wird außerdem eine Befreiung von der Verpflichtung gewährt, dem Rechtsinhaber eine angemessene Vergütung zu zahlen.809 Die Tatsache, dass pharmazeutische Produkte auch in Zukunft regelmäßig Patentschutz genießen, wird natürlich auch weiterhin rechtlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Gestaltung staatlicher Sozialordnungen haben. Trotzdem konnte die jüngste Einigung die Spannungen zwischen den Bestimmungen des TRIPS und nationalen Sozialordnungen weiter reduzieren. 4. Zwischenergebnis Die allgemeinen Prinzipien im WTO-Recht unterscheiden sich in erheblichem Maße von den europäischen Grundfreiheiten: Der Schritt vom Diskriminierungszum Beschränkungsverbot ist bisher nur ansatzweise erfolgt. Die Geltung der Prinzipien ist durch zahlreiche Ausnahmebestimmungen eingeschränkt. Im GATS relativiert zusätzlich das System der Positivlisten ihre Reichweite. Deshalb sind die Auswirkung der allgemeinen Prinzipien auf die nationalen Sozialordnungen momentan deutlich schwächer als die der europäischen Grundfreiheiten. Gleichzeitig darf das Potential der Prinzipien in der WTO nicht unterschätzt werden: Würden sie konsequent umgesetzt, könnten sich – wie insbesondere die Analyse des GATS gezeigt hat – umfangreiche Anpassungszwänge für die nationalen Sozialordnungen ergeben. Diese Entwicklung kann in der noch immer vorwiegend durch die Geltung des Konsensprinzips geprägten WTO in gewissem Umfang durch die Mitgliedstaaten gesteuert werden. In den Sachbereichen, die sich durch eine Verdichtung der rechtlichen Bestimmungen auszeichnen, kommt jedoch den Streitbeilegungsorganen zunehmend eine prägende Rolle zu. In Verbindung mit der neuen verfahrensrechtlichen Stärke des Streitbeilegungsmechanismus kann sich daraus eine Dynamik entwickeln, die viele Parallelen zu den europäischen Erfahrungen aufweist. Vgl. § 2 der Entscheidung. Vgl. die Legaldefinition in § 1 b) der Entscheidung. Eine Reihe von Mitgliedstaaten, darunter alle größeren Industrienationen, haben ausdrücklich darauf verzichtet, das in der Erklärung angelegte System als importierender Staat zu nutzen, vgl. die Fußnote 3 der Entscheidung. 808 §§ 4 und 5 der Entscheidung. 809 § 6 i) der Entscheidung. 806 807

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V. Die Auswirkungen der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Neben den Auswirkungen der europäischen Grundfreiheiten hatten sich weitreichende Folgen für nationale Sozialsysteme auch aus den Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrecht ergeben.810 Fraglich ist, ob eine Parallele dazu im WTORecht gefunden werden kann.

1. Kein eigenständiges Wettbewerbsrecht in der WTO Ein umfassendes, zusammenhängendes Wettbewerbsrecht, wie es sich in Art. 81 ff. EG finden lässt, existiert im Recht der WTO nicht. Dies war zwar ursprünglich in der Havanna-Charta vorgesehen,811 wurde jedoch nach deren Scheitern nicht in das GATT-Recht übernommen. Spätere internationale Ansätze, so etwa 1980 im Rahmen der UNCTAD und 1986 im Rahmen der OECD, blieben rechtlich unverbindlich und konnten sich in der Praxis nicht durchsetzen.812 Stattdessen behelfen sich die Nationalstaaten grundsätzlich noch immer unter Berufung auf die sogenannte „effects-doctrine“ mit einer extraterritorialen Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts.813 Eine Vielzahl von bilateralen Abkommen koordiniert zwar diese Vorgehensweise.814 Weil jedoch trotzdem unterschiedliche Wettbewerbsordnungen parallel zur Anwendung kommen, treten in der Praxis zahlreiche Konfliktfälle auf.815 Seit Gründung der WTO wurde insbesondere von europäischer Seite die Ergänzung des internationalen Handelsrechts um eine Wettbewerbsordnung geforVgl. oben unter § 15 II.2. Kapitel V (Art. 46 ff.) Havanna-Charta, abgedruckt bei Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 124 ff. Vgl. dazu ders., Weltkartellrecht (1998), S. 62 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 698. 812 Vgl. dazu Fikentscher, GRUR Int. 1982, S. 637 ff.; Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 64 ff. m. w. N.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 696. 813 Vgl. dazu schon Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht (1984), § 1188 m. w. N. sowie Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 278 ff. m. w. N.; Wiedemann, Extraterritoriale Anwendung (1999); Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 142 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 697; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 550 ff. Nach Meibom / Geiger, EuZW 2002, S. 261 ff. (261) existieren inzwischen über 90 verschiedene nationale Wettbewerbsordnungen. 814 Siehe nur Wolfrum, Austausch von Waren und Dienstleistungen (1996), Rn. 124 ff.; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht (1999), S. 182 f.; Emmerich, Kartellrecht (2001), S. 21 ff.; Schwarze, WuW 2001, S. 1190 ff. (1191 ff.); Bunte, Kartellrecht (2003), S. 42 ff.; und allgemein Mozet, Internationale Zusammenarbeit (1991). 815 So beispielsweise durch die unterschiedlichen Entscheidungen der US-amerikanischen und europäischen Kartellbehörden bei der geplanten Fusion von General Electric und Honeywell im Jahre 2001, vgl. dazu nur Meibom / Geiger, EuZW 2002, S. 261 ff. (261 f.); Schwarze, WuW 2001, S. 1190 ff. (1201 f.). 810 811

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dert.816 Auf der Ministerkonferenz in Singapur 1996 wurden die Vorschläge aufgegriffen und eine Working Group on the Interaction between Trade and Competition Policy gebildet817. Die Chancen, die umfangreichen Ergebnisse dieser Working Group818 in konkrete Verhandlungsergebnisse umzumünzen, standen nach der Konferenz von Doha gut.819 Nach dem Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún820 wurden die Verhandlungen über die Integration einer eigenständigen Wettbewerbsordnung in das WTO-Recht jedoch wegen des hohen Konfliktpotentials aus der Agenda der laufenden Handelsrunde gestrichen821.

2. Funktional wettbewerbsrechtliche Elemente Die Abwesenheit eines eigenständigen Wettbewerbsrechts bedeutet jedoch nicht, dass keine Regelungen im WTO-Recht enthalten wären, denen eine wettbewerbsrechtliche Relevanz zukommt. Ähnlich wie im europäischen Kontext, in dem eine enge Verknüpfung zwischen Grundfreiheiten und Wettbewerbsrecht nachgewiesen werden konnte,822 sind auch die allgemeinen Prinzipien des WTORechts mit wettbewerbsrechtlichen Fragen – beispielsweise der Monopolkontrolle

816 Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Draft International Antitrust Code zu (abgedruckt in WuW 1994, S. 128 ff.). Vgl. dazu Fikentscher / Drexl, RIW 1994, S. 93 ff.; Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 70 ff.; Freytag / Zimmermann, RabelsZ 62 (1998), S. 38 ff. (47 ff.); Vollmöller, Globalisierung des öffentlichen Wirtschaftsrechts (2000), S. 172 ff. Zur ausufernden Diskussion vgl. die befürwortenden Beiträge von Petersmann, JWT 27 (1993), S. 35 ff.; Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 84 ff.; Grewlich, RIW 2001, 641 ff.; kritisch dagegen Freytag / Zimmermann, RabelsZ 62 (1998), S. 38 ff.; Tarullo, Am. J. Int’l L. 94 (2000), S. 478 ff.; Weiss, Fordham Int’l L.J. 23 (2000); S. 250 ff. Speziell zur Integration in das WTO-Recht vgl. Roessler, J. Int’l Econ. L. 2 (1999), S. 413 ff.; Meessen, WuW 2000, S. 5 ff.; Davidow / Shapiro, JWT 37 (2003), S. 49 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 577 ff. 817 Singapore Ministerial Declaration vom 18. 12. 1996, WTO-Dok. Nr. WT / MIN(96) / DEC, ad 20. 818 Vgl. die Jahresberichte in den WTO-Dokumenten WT / WGTCP / 1 (vom 28. 11. 1997) bis WT / WGTCP / 7 (vom 17. 07. 2003). 819 Vgl. die Doha Ministerial Declaration vom 20. 11. 2001, WTO-Dok. Nr. WT / MIN(01) / DEC / 1, ad 23 ff. Als großen Fortschritt werten auch Meibom / Geiger, EuZW 2002, S. 261 ff. (266) und Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 701 f. diese Erklärung. Zu den aktuellen Entwicklungen siehe Sander, Perspektiven (2003); WTO, World Trade Report 2003, S. 190 ff.; Matsushita, Wash. U. Global Stud. L. Rev. 3 (2004), S. 363 ff. (379 ff.) und das Informationsportal unter http: / / www.wto.org / english / tratop_e / comp_e / comp_e.htm (01. 09. 2004). 820 Siehe Ministerial Statement vom 14. 09. 2003, WTO-Dok. Nr. WT / Min(03) / 20. Dazu Berrisch, RIW 2004, S. 69 ff. (69 f.); Cho, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 219 ff. 821 Decision of the General Council on the Doha Agenda Work Programme vom 02. 08. 2004, WTO-Dok. Nr. WT / L / 579, ad 1 g). Siehe dazu Weinrauch, Competition Law in the WTO (2004), S. 162 ff. 822 Siehe oben unter § 15 III.2.a) aa).

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oder des Subventionswesens – eng verwoben.823 Darüber hinaus kennt das Handelsrecht Mechanismen wie etwa das Antidumpingrecht, die zwar nicht unter die klassischen Formen des Wettbewerbsrechts fallen, in ihrer Zielrichtung jedoch dazu, wie sogleich gezeigt werden soll, in gewissem Umfang funktional äquivalent sind. Welche Auswirkungen diese heterogenen wettbewerbsrechtlichen Elemente auf nationale Sozialordnungen haben könnten, soll im Folgenden skizziert werden.

a) GATT Zahlreiche Normen des GATT enthalten wettbewerbsrechtliche Elemente. Eine Untersuchung der OECD zählt dazu beispielsweise die sich auf Einfuhrmonopole beziehenden Bestimmungen des Art. II:4 GATT, das Inländerprinzip des Art. III GATT, das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen in Art. XI GATT, die sich auf staatliche Handelsunternehmen beziehenden Vorschriften der Art. XX d) und XVII GATT und weitere Bestimmungen.824 Die möglichen Auswirkungen dieser Normen sind bereits im Rahmen der Darstellung der allgemeinen Prinzipien des GATT angesprochen worden;825 eine darüber hinausgehende Relevanz für staatliche Sozialordnungen ist nicht erkennbar. Einer genaueren Untersuchung bedürfen jedoch die Antidumping- und Subventionsbestimmungen des GATT.

aa) Antidumpingrecht Die Antidumpingbestimmungen in Art. VI GATT und dem Antidumping-Übereinkommen von 1994826 zielen darauf ab, die Einfuhr von Waren unter ihrem „Normalwert“ zu verhindern. Einheimische Anbieter sollen vor Preisunterbietungen ausländischer Unternehmen geschützt werden, da solche Verhaltensweisen oft zur Ausschaltung von unliebsamer Konkurrenz genutzt werden. Das Antidumpingrecht dient also dem Schutz vor privaten Wettbewerbsverfälschungen und erfüllt somit wettbewerbsrechtliche Funktionen.827 Überblicksartig dazu siehe Weinrauch, Competition Law in the WTO (2004), S. 131 ff. Vgl. OECD, Competition Elements (1999), S. 5 ff., 15 f. Insgesamt bestehe ein „complex overlap between competition concepts and norms and those of trade liberalisation“; ebd., S. 4 m. w. N. Vgl. dazu auch Holmes, Trade and Competition (2002), S. 161 ff. 825 Vgl. oben unter § 17 IV.1. 826 Vgl. dazu bereits oben unter § 8 II.3.a) bb). 827 So etwa auch Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 273 ff.; Langer, Grundlagen (1995), S. 224 ff.; OECD, Competition Elements (1999), S. 15; Senti, WTO (2000), S. 343; Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 109 f.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 337. Kritisch zur wettbewerbsrechtlichen Funktion des Antidumpingrechts Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 43 f. 823 824

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Die Anwendungspraxis des Antidumpingrechts ging über das Ziel, dieses marktschädigende „räuberische“828 Dumping zu verhindern, jedoch weit hinaus. Die Bestimmungen wurden insbesondere von den großen Industrienationen ausgiebig dazu genutzt, international nicht mehr konkurrenzfähige Industriezweige zu schützen, was sich auch in einer starken Korrelation zwischen der Menge an Dumpingverfahren und der jeweiligen konjunkturellen Entwicklung niederschlug829. Im Dumpingrecht zeigte sich also besonders augenfällig das Primat der Politik im Welthandelsrecht. Um dem entgegenzuwirken, versuchte man zunehmend, den protektionistischen Missbrauch der Antidumping-Maßnahmen einzuschränken.830 Dazu wurde der seit 1967 bestehende und 1979 bereits erweiterte Antidumping-Kodex831, welcher die Bestimmungen von Art. VI GATT konkretisiert, bei Gründung der WTO ergänzt und seine Geltung auf alle Vertragsparteien erstreckt. Das neue Übereinkommen bestimmt nun detailliert die materiellen und formellen Voraussetzungen zur Feststellung des Dumpings832 und der dadurch verursachten wirtschaftlichen Schädigung833 und regelt die Abhilfemöglichkeiten der betroffenen Mitgliedstaaten834. Die klassische Maßnahme gegen Dumping ist der Antidumpingzoll. Er dient der Beseitigung der durch das Dumping hervorgerufenen wirtschaftlichen Schädigung und kann bis zur Höhe der Dumpingspanne835 erhoben werden. Auch das neue Antidumping-Übereinkommen hat an dieser Form der Abhilfemöglichkeit festgehalten. Ein direktes Vorgehen gegen das Verhalten der ausländischen Anbieter ist dagegen nicht vorgesehen.836 Die Bestimmungen des Abkommens sind zwar dem Streitbeilegungsverfahren unterworfen,837 doch mangels eines allgemeinen 828 Zum Begriff Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 275; Berrisch / Düerkop, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.7., Rn. 8 f. 829 Vgl. Freytag / Zimmermann, RabelsZ 62 (1998), S. 38 ff. (42 ff.) und die Nachweise bei Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 73 f.; Senti, WTO (2000), S. 343 ff. 830 Dies wird heute als maßgebliches Ziel des Antidumpingrechts angesehen, vgl. Senti, WTO (2000), S. 343; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 341. 831 Vgl. dazu Horn, AWD 1967, S. 184 ff.; Senti, WTO (2000), S. 348 ff. 832 Art. 2 Antidumping-Übereinkommen. 833 Art. 3 Antidumping-Übereinkommen. 834 Art. 4 – 15 Antidumping-Übereinkommen. 835 Die Dumpingspanne ist definiert als Differenz zwischen Normalwert und Ausfuhrpreis, vgl. Art. 2 Antidumping-Übereinkommen. 836 Vgl. Art. 9 Antidumping-Übereinkommen. Eine sogenannte Preisverpflichtung, also ein Unterlassen des Dumpings durch den ausländischen Anbieters, kann nicht erzwungen werden, sondern stellt lediglich eine freiwillige Alternative der Beendigung des Dumpingverfahrens dar, vgl. Art. 8.1 Antidumping-Übereinkommen und Senti, WTO (2000), S. 360; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 360; Berrisch / Düerkop, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.7., Rn. 96. 837 Allerdings gelten dabei gewisse Modifikationen, siehe Art. 17 Antidumping-Übereinkommen und Senti, WTO (2000), S. 362; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 364; Berrisch / Düerkop, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.7., Rn. 120 ff.

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Dumpingverbots können auch in diesem Verfahren die Dumpingmaßnahmen als solche nicht angegriffen werden. Darin zeigt sich ein entscheidender Unterschied des Dumpingrechts zum klassischen Wettbewerbs- und Kartellrecht: Das GATT verfolgt keinen wettbewerbsrechtlichen, sondern einen handelspolitischen Regelungsansatz.838 Anstatt wettbewerbswidriges Verhalten privater Marktteilnehmer zu unterbinden, können nur dessen Auswirkungen auf den internationalen Handel abgefedert werden. Rechtliche Auswirkungen des Antidumpingrechts auf die nationale Ebene sind damit strukturell ausgeschlossen. Eine rechtliche Beeinträchtigung der staatlichen Autonomie im sozialen Bereich liegt deshalb nicht vor. bb) Subventionsrecht Die am weitesten entwickelten wettbewerbsrechtlichen Elemente des GATT finden sich im Subventionsrecht. Zwar existierten nach dem Scheitern der HavannaCharta, die noch umfangreiche Subventionsbestimmungen vorgesehen hatte,839 nur die rumpfartigen Bestimmungen des Art. XVI GATT, der eine generelle Notifikationspflicht enthielt, und Art. VI:3 GATT, der das Recht zur Erhebung von Ausgleichszöllen statuierte. Schrittweise wurden diese Normen jedoch erweitert und zusätzlich auf plurilateraler Basis eine weitergehende GATT-Subventionsordnung erstellt.840 Seit Gründung der WTO gilt für alle Mitgliedstaaten das inhaltlich erheblich erweiterte „Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen“841. (1) Bestimmungen des Subventionsübereinkommens Der Subventionsbegriff des Übereinkommens ist weit gefasst und umfasst neben jeder Form von finanziellen Beihilfen – sei es in Form eines Transfers von Geldern, eines Verzichts auf Abgaben oder der Zurverfügungstellung von Waren und Dienstleistungen – auch so genannte Einkommens- und Preisstützungen842. VoSo auch Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 337. Vgl. etwa Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 99; Senti, WTO (2000), S. 385 f.; Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 66 f. 840 Vgl. dazu Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 99 ff.; Wilcox, B.U. Int’l L.J. 16 (1998), S. 129 ff. (135 ff.); Senti, WTO (2000), S. 386 ff.; Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 67 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 6 ff. und die Nachweise bei Langer, Grundlagen (1995), S. 253. 841 Vgl. dazu bereits oben unter § 8 II.3.a) bb). 842 Art. 1.1 a) Subventionsübereinkommen i.V.m. Art. XVI:1 GATT. Ausführlich zum Subventionsbegriff des GATT siehe Sanchez Rydelski, EG- und WTO-Antisubventionsrecht (2001), S. 284 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 266 ff. Zum Vergleich mit dem europäischen Beihilfebegriff vgl. nur Slotboom, JWT 36 (2002), S. 517 ff. (520 ff.). 838 839

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raussetzung ist jedoch erstens, dass dem Empfänger dadurch ein Vorteil gewährt wird.843 Außerdem ist das Übereinkommen nur auf „spezifische“ Subventionen anwendbar, also auf Subventionen „für ein Unternehmen oder eine[n] Wirtschaftszweig oder eine Gruppe von Unternehmen oder Wirtschaftszweigen“844. Die Bestimmung der Zulässigkeit einer Subventionen erfolgt im Übereinkommen mittels eines dreiteiligen Ordnungsschemas,845 das unter dem Begriff des „traffic lights approach“ bekannt geworden ist:846 Verboten („rot“) sind Subventionen, die als Ausfuhrbeihilfen oder zur Substitution von Einfuhren gewährt werden.847 Als anfechtbar („gelb“) werden Subventionen bezeichnet, die „nachteilige Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitglieder verursachen“.848 Nichtanfechtbar („grün“) sind Subventionen im Bereich des Forschungswesens, zur Förderung benachteiliger Regionen und zur Hilfe bei der Anpassung an neue Umweltschutzbestimmungen.849 Neben diesen materiellen Bestimmungen enthält das Übereinkommen auch differenzierte Verfahrensvorschriften für Abhilfe- und Ausgleichsmaßnahmen850, Notifikationspflichten 851 und Bestimmungen zur Überwachung der Subventionspraxis durch den neu gebildeten Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen852. Bemerkenswert ist hierbei insbesondere, dass beim Vorliegen verbotener oder anfechtbarer Subventionen die Rücknahme oder vertragskonforme Modifikation einer Subvention von den betroffenen Staaten im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens eingefordert werden kann.853 Kommt der unrechtmäßig subvenArt. 1.1 b) Subventionsübereinkommen. Art. 2.1 Subventionsübereinkommen. 845 Allerdings bestehen bereichsspezifische Ausnahmen, etwa für den Bereich der Landwirtschaft; vgl. dazu O’Brien, Subsidy Regulation (1997), S. 126 ff.; Rodi, Subventionsrechtsordnung (2000), S. 133; Senti, WTO (2000), S. 483 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 390 ff. 846 Vgl. dazu Hauser / Schanz, Das neue GATT (1995), S. 90 ff.; Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 107 ff.; Senti, WTO (2000), S. 392 ff.; Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 33 ff.; Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 83 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 27 ff. 847 Art. 3 Subventionsübereinkommen. Eine beispielhafte Aufzählung von Ausfuhrsubventionen findet sich in Anhang I des Abkommens. Vgl. dazu auch Ohlhoff, EuZW 2000, S. 645 ff. 848 Art. 5 S. 1 Subventionsübereinkommen. Die Bedeutung dieser Formulierung wird in Art. 5 und 6 des Subventionsübereinkommens weiter konkretisiert. 849 Art. 8 Subventionsübereinkommen. 850 Art. 4, 7, 9, 10 ff. Subventionsübereinkommen. 851 Art. 25 Subventionsübereinkommen. 852 Art. 24 und 26 Subventionsübereinkommen. 853 Art. 4.4 ff. und 7.4 ff. i.V.m. Art. 30 Subventionsübereinkommen. Die Verfahrensvorschriften für Abhilfemaßnahmen sind komplex, da für jede der drei Subventionsarten unterschiedliche Vorschriften gelten (Art. 4, 7 und 9 Subventionsübereinkommen). Vgl. dazu Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 112 f.; Senti, WTO (2000), S. 396 ff.; Be843 844

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tionierende Staat der Empfehlung des Streitbeilegungsorgans nicht nach, so besteht neben der Möglichkeit einer Verhängung von Ausgleichszöllen854 auch das allgemeine Sanktionsmittel der Rücknahme von Zugeständnissen, im Notfall auch aus anderen Bereichen des WTO-Rechts (cross retaliation) 855. Damit geht das Subventionsübereinkommen über das Antidumping-Übereinkommen weit hinaus: Es berechtigt nicht nur zum handelspolitischen Ausgleich von bestimmten Formen ausländischer Preissenkungsmaßnahmen, sondern klassifiziert bestimmte Subventionen als unzulässig und erlaubt somit ein direktes Vorgehen gegen diese staatlichen Maßnahmen. Zwar stellt auch die Rücknahme von Zugeständnissen letztlich eine handelspolitische Maßnahme dar. Insbesondere die Möglichkeit einer cross retaliation erzeugt jedoch ein ökonomisches Druckpotential, das weitaus effizienter sein dürfte als der bloße Ausgleich von unzulässig niedrigen Preisen. Gestärkt wird die rechtliche Qualität der Bestimmungen des Subventionsübereinkommens auch durch die Besonderheit, dass bei der Beantragung von Ausgleichsmaßnahmen dem Wirtschaftszweig, der vom Export der subventionierten Waren betroffen ist, ein Initiativrecht zukommt856. Auch bestehen für betroffene private Akteure in verschiedenen Ländern, etwa den USA und der EU, gewisse Möglichkeiten, im Rahmen des nationalen Rechts gegen unzulässige ausländische Subventionen vorzugehen.857 Die oben festgestellte,858 durch das Fehlen einer individuellen Einklagbarkeit bedingte mangelnde Effektivität des WTO-Rechts trifft auf diesen Bereich des Welthandelsrechts also nur in begrenztem Maße zu.859 cker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 41 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 100 ff. Inhaltlich unterscheiden sich die Verfahren für verbotene und anfechtbare Subventionen jedoch nicht wesentlich, so auch Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 103 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 109. 854 Dies richtet sich nach Art. 10 ff. Subventionsübereinkommen. 855 Vgl. Art. 7.9 bzw. 9.4 Subventionsübereinkommen. Siehe dazu auch Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 128 ff.; Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 106 f.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 107 f., 111; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 295 f. 856 Art. 11.1 Subventionsübereinkommen. Vgl. dazu auch Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 130 f.; Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 38 f. 857 Vgl. zur Antisubventionsverordnung der EG (Verordnung [EG] Nr. 2026 / 97 des Rates vom 06. 10. 1997 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern, ABl. EG 1997 Nr. L 288 / 1) und zum amerikanischen Antisubventionsrecht (19 USC §§ 1671 ff., 3571 ff.) etwa Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 58 ff., 81 ff.; Benitah, The Law of Subsidies (2001), S. 101 ff.; Sanchez Rydelski, EG- und WTO-Antisubventionsrecht (2001), S. 25 ff. und die Nachweise bei Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 114, Fn. 295. Zur früheren EG-Verordnung Nr. 3284 / 94 siehe Sanchez Rydelski, EuZW 1996, S. 423 ff.; Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 130 f. 858 Vgl. dazu oben unter § 17 III.1.b).

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(2) Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen Anders als bei den Antidumpingbestimmungen sind Auswirkungen des GATTSubventionsregimes auf nationale Sozialordnungen grundsätzlich also denkbar. Die große Bedeutung staatlicher Subventionen im sozialen Bereich ist im Rahmen der europäischen Parallelproblematik deutlich geworden.860 Früher geäußerten Befürchtungen,861 wegen der Abgrenzungsprobleme zwischen Subventionen und allgemeinen Maßnahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik sei eine schleichende Aushöhlung der staatlichen Autonomie durch das WTO-Subventionsrecht zu erwarten, dürfte durch die Konkretisierung des Spezifitätskriteriums in Art. 2 Subventionsübereinkommen zwar der Boden entzogen sein.862 Gemäß Art. 5 ff. des Subventionsübereinkommens („Anfechtbare Subventionen“) besteht jedoch immer dann, wenn staatliche Subventionen „nachteilige Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitglieder verursachen“, die Möglichkeit der Anrufung der Streitbeilegungsorgane und im Ernstfall auch die Berechtigung zur Aussetzung von Zugeständnissen.863 Das Schicksal derjenigen Bereiche der nationalen Sozialordnungen, in denen private Träger mit staatlicher Unterstützung Aufgaben wahrnehmen, wird durch das GATT-Subventionsrecht somit grundlegend in Frage gestellt, sobald die Subventionierung Auswirkungen auf andere Staaten hat. Eine Ausnahmeregelung, wie sie für die nichtanfechtbaren („grünen“) Subventionen im Bereich der Forschung, der Regionalförderung und des Umweltschutzes gilt, besteht für Subventionen mit sozialer Zielrichtung nicht. Damit fehlt eine Parallelbestimmung zum allgemein formulierten Art. 86 II EG, der sich für die staatliche Regelungsautonomie im sozialen Bereich als entscheidend erwiesen hat864. Allerdings ist zu beachten, dass das Subventionsübereinkommen nur einen begrenzten Anwendungsbereich hat: Als multilaterales Übereinkommen unter An859 Außerdem gilt bei der Untergruppe der verbotenen Subventionen die Besonderheit, dass für Abhilfemaßnahmen ein Antragsrecht jedes Mitgliedstaates besteht, vgl. Art. 4.1 und 4.4 Subventionsübereinkommen. Durch diese Loslösung von einer subjektiv-rechtlichen Betroffenheit der Staaten kann das Verfahren entpolitisiert werden, vgl. auch Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 128 f. 860 Vgl. dazu oben unter § 15 III.2.c). 861 Vgl. Langille, General Reflexions (1996), S. 235 f.; Scherrer / Greven / Frank, Sozialklauseln (1998), S. 46. Kritisch dazu Cass / Boltuck, Antidumping and Countervailing-Duty Law (1996); Blackett, Colum. Hum. Rts. L. Rev. 31 (1999), S. 1 ff. (52 ff.). 862 Zur Bedeutung des Spezifitätskriteriums als Abgrenzungsmaßstab zu allgemeinen wirtschaftspolitischen Maßnahmen auch Langer, Grundlagen (1995), S. 256; Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 105 f.; Rodi, Subventionsrechtsordnung (2000), S. 128; Benitah, The Law of Subsidies (2001), S. 73 f. 863 Zur Verdeutlichung sei angemerkt, dass etwa bei Subventionen in Höhe von mehr als 5% des Warenwertes, bei der Deckung von Betriebsverlusten und direkten Schuldenerlassen generell die (widerlegbare) Vermutung einer nachteiligen Auswirkung aufgestellt wird, vgl. Art. 6.1 a) und d), 6.2 Subventionsübereinkommen. 864 Vgl. oben unter § 15 III.2.a) dd).

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hang 1 A des WTO-Übereinkommens bezieht es sich nur auf den internationalen Warenhandel. Für den Bereich des Dienstleistungshandels kommt ihm dagegen keine Geltung zu.865 Versucht man den Anwendungsbereich exakt zu bestimmen, ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass staatliche Subventionen in der Regel866 keine direkte Verbindung zu einem Produkt aufweisen, sondern empfängerbezogen geleistet werden. Die Frage der Anwendbarkeit des Übereinkommens kann sich somit nicht danach richten, ob eine Ware oder eine Dienstleistung subventioniert wird. Deshalb wird in der Literatur vorgeschlagen, als ausschlaggebendes Kriterium die Tätigkeit des Subventionsempfängers zu wählen: Nur wenn es sich um ein Unternehmen handele, das Waren anbietet, sei das Subventionsübereinkommen anwendbar.867 Werden dagegen Dienstleistungen angeboten, befinde man sich im Anwendungsbereich des GATS,868 in dessen Rahmen sich noch keine eigenständige Subventionsordnung herausgebildet hat869. Offen bleibt dabei allerdings die Frage, in welcher Weise das Subventionsübereinkommen auf finanzielle Beihilfen an Unternehmen angewendet werden kann, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen anbieten870. Andere Stimmen lösen die Frage der Anwendbarkeit von der Tätigkeit des Subventionsempfängers und stellen lediglich darauf ab, ob sich die Subvention auf den Warenhandel auswirkt.871 Für diese Meinung spricht die Tatsache, dass in der beispielhaften Aufzählung von verbotenen Ausfuhrsubventionen in Anhang I des Subventionsübereinkommens auch staatliche Hilfen für den Warentransport genannt werden, also für eine Dienstleistung mit Auswirkungen auf den Warenhandel872. 865 So auch Hahn, Beihilfenkontrolle in der WTO (1998), S. 98, Fn. 6; Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 162; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I 12., Rn. 24. 866 Eine Ausnahme stellen Exportsubventionen i. S. d. Art. 3 Subventionsübereinkommen dar. 867 So Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 159 ff. 868 Ebd., S. 162. 869 Näheres sogleich unter § 17 V.2.b). 870 Für die allgemeine Frage der Abgrenzung zwischen GATT und GATS hat der Appellate Body in European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Report vom 09. 09. 1997, WTO-Dok. Nr. WT / DS27 / AB / R, para 217 ff. die Möglichkeit einer Überschneidung der beiden Übereinkommen und damit einer parallelen Geltendmachung der jeweiligen Verpflichtungen angenommen, vgl. dazu Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 526 ff.; Matsushita / Schoenbaum / Mavroidis, The World Trade Organization (2003), S. 232 ff.; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 7. Denkbar wäre auch das Kriterium des Schwerpunkts der Tätigkeit des Unternehmens. 871 So Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 24. Auch Beviglio Zampetti, JWT 29 / 6 (1995), S. 5 ff. (26) und Collins-Williams / Salemberg, JWT 30 / 1 (1996), S. 5 ff. (12 ff.) scheinen diese Position zu vertreten, da beide auf die Auswirkungen der jeweiligen Maßnahmen abstellen. Anders wohl Rodi, Subventionsrechtsordnung (2000), S. 128.

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Dann stellt sich jedoch die Frage, ob auch diejenigen Subventionen unter den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, die nur entfernte Auswirkungen auf den Warenhandel haben: In den meisten Fällen einer Subventionierung im Dienstleistungsbereich wird es warenexportierende Unternehmen im Inland geben, die von den dadurch verbilligten Dienstleistungen profitieren und deswegen Preisvorteile gegenüber ihren internationalen Konkurrenten aufweisen werden.873 Legt man das Kriterium der „Auswirkung“ weit aus, kommt also auch der Subventionierung von Dienstleistungsunternehmen eine den Warenhandel beeinträchtigende Wirkung zu. Dann liefen die Subventionsbestimmungen des GATS leer. Strebt man dagegen eine einschränkende Interpretation des Kriteriums an, ist nicht erkennbar, wie klare Maßstäbe dafür gefunden werden können, direkte von indirekten Auswirkungen abzugrenzen. Eine befriedigende Lösung für die Abgrenzungsproblematik ist somit noch nicht gefunden worden. Für die Frage der Auswirkungen des Subventionsübereinkommens auf nationale Sozialordnungen ergibt sich deshalb Folgendes: In der Regel handelt es sich bei der Tätigkeit von Sozialleistungsträgern um die Erbringung von Dienstleistungen.874 Auswirkungen einer Subventionierung dieser Tätigkeiten auf den grenzüberschreitenden Warenhandel könnten darin gesehen werden, dass inländische Unternehmen durch die staatlichen Sozialleistungen günstiger produzieren können als ihre ausländische Konkurrenz. Diese Konstruktion entspricht jedoch nicht dem Zweck des Subventionsübereinkommens, nur spezifisches marktverzerrendes Verhalten zu unterbinden, aber die allgemeinen staatlichen Regelungsniveaus unangetastet zu lassen875. Eine Anwendung des Subventionsübereinkommens wurde bisher mit einer solchen Argumentation auch in noch keinem Fall begründet.876 Möglicherweise könnten jedoch diejenigen staatlichen Leistungen dem Subventionsübereinkommen unterworfen sein, die zur Unterstützung von Sozialleistungsträgern gewährt werden, welche selbst Waren anbieten. Das kann beispielsweise im Bereich der Sozialhilfe, aber auch bei einer direkten staatlichen medizinischen Versorgung der Fall sein. Dann fragt sich aber, ob die Subventionsbestimmungen 872 Vgl. die Beispielliste von Ausfuhrsubventionen, Anhang I des Subventionsübereinkommens, Abschnitt c). 873 Das Spezifitätskriterium des Art. 2 Subventionsübereinkommen ist hier kein Hindernis, da die Subvention als solche an bestimmte Unternehmen gewährt wird und lediglich ihre Auswirkungen unspezifisch alle davon mittelbar profitierenden warenexportierenden Unternehmen betreffen. 874 Vgl. dazu auch Art. 86 II 1 EG, der sich auf „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ bezieht (Hervorhebung des Verf.). 875 Zum Regelungsziel des Subventionsübereinkommens vgl. Rodi, Subventionsrechtsordnung (2000), S. 124 ff.; Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 28 f.; Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 111 ff. 876 Vgl. Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.I.12., Rn. 72 und die Rechtsprechungsübersichten bei Cunningham, Law & Pol’y Int’l Bus. 31 (2000), S. 897 ff. (902 ff.); Becker, WTO-Subventionsübereinkommen (2001), S. 102 ff.

20 Spelten

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auch dann anwendbar sind, wenn der Empfänger hoheitlich tätig ist. Ähnlich wie im EG-Recht877 wird in der Literatur auch für das WTO-Recht gefordert, der Subventionsempfänger müsse ein Unternehmen sein, das seine Tätigkeit im tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb mit anderen Anbietern ausübe878. Obwohl diese Voraussetzung dem Wortlaut des Subventionsübereinkommens nicht entnommen werden kann, überzeugt die Forderung insbesondere wegen der parallelen Bestimmungen im Rahmen des GATS879. Fehlt es an einer Wettbewerbssituation, könnte außerdem schon das tatbestandliche Kriterium der Auswirkungen auf die Interessen andere Mitgliedstaaten zu verneinen sein, so dass Art. 5 ff. Subventionsübereinkommen nicht anwendbar wären. Folgt man diesem Ansatz, wären zwar die Kernbereiche hoheitlicher Aufgabenerfüllung, in denen keine Wettbewerbssituation vorliegt, aus dem Anwendungsbereich des Subventionsübereinkommens ausgenommen. Bei einer Integration marktwirtschaftlicher Elemente in die staatlichen Sozialordnungen würden sich jedoch dieselben Probleme stellen, die im Zusammenhang mit Art. 86 II EG und Art. I:3 c) GATS beschrieben wurden880. Das Schicksal der staatlichen Subventionierung von Unternehmen, die im sozialen Bereich tätig sind, ist also noch ungeklärt. Die von den Vertragsparteien vorgesehene Konkretisierung der Subventionsbestimmungen blieb bisher aus, so dass inzwischen gemäß der „sunset provision“ des Art. 31 Subventionsübereinkommen einige Normen wieder außer Kraft getreten sind.881 Die Arbeit in den zuständigen WTO-Gremien ist noch nicht weit genug vorangeschritten, um Aussagen über die zukünftige Entwicklung treffen zu können.882 Die Untersuchung hat aber gezeigt, dass bei einer konsequenten Umsetzung des GATT-Subventionsrechts die Strukturen staatlicher Sozialordnungen in einigen Bereichen grundlegend in Frage gestellt werden könnten.

b) GATS Die Analyse des GATS hat eine starke Verflechtung der allgemeinen Prinzipien mit wettbewerbsrechtlichen Fragen gezeigt. Die Auswirkungen des Marktzugangsund Inländerprinzips sind untrennbar mit der Reichweite der Sonderbestimmungen Dazu oben unter § 15 III.2.c) aa). So etwa Grave, Begriff der Subvention (2002), S. 167 ff. Ähnlich der Appellate Body, der als Vergleichsmaßstab zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der Vorteilserlangung den freien Markt wählt, vgl. Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, Report vom 02. 08. 1999, WTO-Dok. Nr. WT / DS70 / AB / R, para 157 f. 879 Insbesondere Art. I:3 c) GATS. 880 Siehe oben unter § 15 III.2.a) dd) und § 17 IV.2.c) bb) (2) (a). 881 Vgl. dazu Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 374. 882 Vgl. die Zusammenfassung des aktuellen Stands der Diskussion bei WTO, Annual Report 2003, S. 77 ff. 877 878

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zu hoheitlichem Handeln der Mitgliedstaaten verwoben, also mit Art. I:3 b) und c) GATS (Ausübung hoheitlicher Gewalt), Art. VIII GATS (staatliche Monopole), Art. XIII GATS in Verbindung mit dem GPA (Öffentliches Beschaffungswesen) und den einschlägigen Annexen, Understandings und Decisions.883 Diese Normen weisen viele Funktionen auf, die klassischerweise von einem zusammenhängenden Wettbewerbsrecht eingenommen werden.884 Die möglichen Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen wurden bereits geschildert. Sie sind wegen der bisher begrenzten Bereitschaft zur Eingehung spezifischer Verpflichtungen im sozialen Bereich zwar begrenzt, weisen aber einige dynamische Bereiche auf.885 Wie das GATT verfügt auch das GATS mit Art. XV über eine Sonderbestimmung zu Subventionen886. Anders als im GATT ist der Regelungsgehalt der Norm jedoch darauf beschränkt, festzustellen, „dass Subventionen unter bestimmten Umständen zu Verzerrungen im Handel mit Dienstleistungen führen können“887. Die Mitgliedstaaten werden zur Aufnahme von Verhandlungen und zum Informationsaustausch aufgefordert sowie zur „wohlwollenden“ Prüfung von Konsultationsersuchen verpflichtet.888 Die Verhandlungen sind bisher jedoch, wie bereits angesprochen,889 ohne Ergebnis geblieben. Somit richtet sich die Zulässigkeit staatlicher Subventionen nach den allgemeinen Prinzipien des GATS. Zwar stellen sie, wenn sie nur einheimischen Empfängern gewährt werden, grundsätzlich Marktzugangshindernisse dar,890 doch aufgrund der zahlreichen Ausnahmen, die im GATS enthalten sind oder von den Mitgliedstaaten in den Konzessionslisten niedergelegt wurden,891 bestehen momentan wohl nur begrenzte Konfliktpotentiale zwischen den GATS-Bestimmungen und den nationalen Subventionsordnungen. Bisher ebenfalls ungeregelt geblieben ist wettbewerbsschädigendes Verhalten von privaten Marktteilnehmern.892 Antidumpingbestimmungen existieren im GATS nicht, so dass betroffene Staaten auf diese Formen der Preisunterbietung nicht mit Gegenmaßnahmen reagieren dürfen.893 Die einzige Bestimmung, die sich auf privates wettbewerbsschädigendes Verhalten bezieht, ist Art. IX GATS. Dort Vgl. oben unter § 17 IV.2.c). So auch OECD, Competition Elements (1999), S. 12 f. 885 Vgl. oben unter § 17 IV.2.c). 886 Vgl. dazu umfangreich WTO-Dok. Nr. S / WPGR / W / 9; Sauvé, Completing the GATS Framework (2002), S. 330 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 551. 887 Art. XV:1 S. 1 GATS. 888 Art. XV:1 S. 2 – 5 und Abs. 2 GATS. 889 Vgl. dazu oben unter § 17 IV.2.c) bb) (4) (a). 890 Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (1) (a). 891 Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (2) sowie das Beispiel der EG unter § 17 IV.2.c) bb) (3) (c). 892 Dazu WTO-Dok. Nr. S / C / W / 50, ad 46; Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 7 ff.; Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 552, 699 f. 893 Vgl. Hoekman / Sauvé, Liberalizing Trade in Services (1994), S. 36; Eiteljörge, Handel mit Dienstleistungen (1998), S. 163. 883 884

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

erkennen die Mitgliedstaaten zwar an, „dass gewisse Geschäftspraktiken von Dienstleistungserbringern, soweit sie nicht unter [die Sonderbestimmung für Monopole] Art. VIII fallen, den Wettbewerb behindern und damit den Handel mit Dienstleistungen beschränken können“ (Abs. 1). Neben Konsultations- und Informationspflichten (Abs. 2) enthält der Artikel aber keine rechtlich bindenden Vorschriften.894 Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen sind deshalb nicht zu erwarten.

c) TRIPS Schließlich enthält auch das TRIPS gewisse wettbewerbsrechtliche Bestimmungen. Der Titel von Abschnitt 8 des Übereinkommens lautet „Kontrolle wettbewerbswidriger Praktiken in vertraglichen Lizenzen“. Art. 40 TRIPS, der einzige Artikel dieses Abschnitts, ähnelt stark dem soeben dargestellten Art. IX GATS. In Abs. 1 wird festgestellt, „dass gewisse Praktiken oder Bestimmungen bei der Vergabe von Lizenzen an Rechten des geistigen Eigentums, die den Wettbewerb beschränken, nachteilige Auswirkungen auf den Handel haben können“. Abs. 3 und 4 statuieren gewisse Konsultations- und Informationspflichten, doch die „völlig[e] Freiheit einer abschließenden Entscheidung des jeweiligen Mitglieds“ wird ausdrücklich gewährleistet895. Darüber hinaus wird betont, die Mitglieder seien zum Vorgehen gegen solches wettbewerbsbeschränkendes Verhalten berechtigt, solange sie dabei „im Einklang mit den sonstigen Bestimmungen“ des TRIPS handeln.896 Dies soll jedoch nach nationalem Recht geschehen; eigenständige materielle Bestimmungen wettbewerbsrechtlicher Art enthält das TRIPS nicht897. Somit sind Auswirkungen der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des TRIPS auf nationale Sozialordnungen strukturell ausgeschlossen.

3. Zwischenergebnis Die Analyse des WTO-Rechts hat gezeigt, dass wegen der Abwesenheit eines geschlossenen Wettbewerbsrechts manche der im Rahmen der europäischen Paral894 So auch Barth, EuZW 1994, S. 455 ff. (457); Mattoo, Dealing with Monopolies (1997), S. 20 ff.; Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 45; Pitschas, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.II., Rn. 150 f. 895 Art. 40:3 S. 1 TRIPS. 896 Art. 40:2 TRIPS. Dieses Recht ist auch in Art. 8:2 TRIPS niedergelegt. 897 So auch Basedow, Weltkartellrecht (1998), S. 44 f.; Meibom / Geiger, EuZW 2002, S. 261 ff. (266); Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 700; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), B.III., Rn. 119. Vgl. hierzu auch OECD, Competition Elements (1999), S. 14 f.; Senti, WTO (2000), S. 643. Zu den aktuellen rechtspolitischen Vorschlägen vgl. Abbott, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 687 ff.

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lelproblematik aufgetretenen Konflikte zwischen Wirtschaftsrecht und nationalen Sozialordnungen bisher vermieden worden sind. Eine Ausnahme stellt das neue GATT-Subventionsübereinkommen dar, das einen weitreichenden Regelungsanspruch hat, dessen Auswirkungen auf nationales Sozialrecht bisher jedoch noch weitgehend ungeklärt sind. Festzuhalten bleibt jedoch, dass bei einer konsequenten Umsetzung des Übereinkommens die Finanzierung nationaler Sozialleistungsträger grundlegend in Frage gestellt werden könnte. Neben diesen direkten wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen hat sich bereits im Rahmen der früheren Untersuchung eine enge Verknüpfung der allgemeinen Prinzipien von GATT, GATS und TRIPS mit wettbewerbsrechtlichen Fragen gezeigt. Insbesondere im Rahmen des GATS treten einige der aus dem wettbewerbsrechtlichen Kontext bekannten Konflikte unter anderen Vorzeichen auf. Dabei hat sich gezeigt, dass im Ergebnis zwar die staatliche Autonomie bezüglich grundlegender sozialer Zielsetzungen weitgehend unangetastet bleibt, in Umsetzungsfragen jedoch zunehmend Vorgaben des internationalen Handelsrechts zu beachten sind.

VI. Fazit Die Auswirkungen des WTO-Rechts auf nationale Sozialordnungen sind schwer zu fassen. Die Bestimmungen sind komplex und unübersichtlich, teilweise auch unklar und unvollständig. Erkennbar geworden ist jedoch, dass nationale Sozialordnungen in vielfältiger Weise unter den Einfluss des WTO-Rechts geraten und dieser Einfluss im weiteren Verlauf der internationalen wirtschaftlichen Integration noch zunehmen wird: Erstens hat die Untersuchung zwar deutlich werden lassen, dass die grundsätzliche soziale Ausrichtung eines Staates als solche und damit auch die Einhaltung sozialer Kernbestimmungen nicht in Konflikt mit dem WTO-Recht gerät. Das „Ob“ der staatlichen Aufgabenerfüllung im sozialen Bereich wird durch die Bestimmungen des WTO-Rechts also nicht in Frage gestellt. Zweitens hat jedoch eine Analyse insbesondere der allgemeinen Prinzipien des WTO-Rechts gezeigt, dass schon beim heutigen Integrationsstand bei einer konsequenten Umsetzung der geltenden WTO-Bestimmungen eine Reihe von einschneidenden Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen zu erwarten sind. Auffällig sind dabei insbesondere die aus den Diskriminierungsverboten der GATTund GATS-Prinzipien abzuleitenden Exportverpflichtungen sowohl beitragsbezogener als auch beitragsfreier Sozialleistungen. Auch organisationsrechtliche Vorgaben können dem geltenden WTO-Recht entnommen werden; insbesondere die Subventionsbestimmungen des GATT und die Marktzugangsregelungen des GATS haben sich als problematisch für die staatliche Autonomie bei der strukturellen Gestaltung der Sozialordnungen erwiesen. Auf welche Weise Staaten ihre sozialen

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Ziele umsetzen – das „Wie“ der staatlichen Aufgabenerfüllung – kann also nicht mehr ohne Berücksichtigung der welthandelsrechtlichen Vorgaben entschieden werden. Drittens konnte festgestellt werden, dass über das momentan geltende Recht hinaus insbesondere im GATS Entwicklungen angelegt sind, von denen eine noch weitergehende Beeinflussung der nationalen Sozialordnungen ausgehen kann. Insbesondere die Erfahrungen in den Dienstleistungssektoren des Rechnungswesens und der Telekommunikation haben gezeigt, dass eine konsequente Umsetzung des auf wirtschaftliche Öffnung angelegten WTO-Rechts regelmäßig mit einer Internationalisierung der damit zusammenhängenden Politikfelder einhergeht. Der dabei zunehmend zur Anwendung kommende necessity-test wird jedoch der eigenständigen Bedeutung sozialer Zielsetzungen nicht gerecht, sondern trägt die Gefahr in sich, einseitig die ökonomische Systemrationalität zur Geltung kommen zu lassen. Für die Zukunft droht damit eine Überspielung staatlicher Zielsetzungen sozialer Art. Wie problematisch eine solche einseitig ökonomische Ausrichtung einer Rechtsordnung ist, wurde bereits im Rahmen der ökonomischen Analyse dargestellt.898 Die Anwendungspraxis des WTO-Rechts bleibt zwar momentan noch weit hinter diesem aus den zentralen Prinzipien abgeleiteten Geltungsanspruch zurück. Auch ist an die grundsätzliche Geltung des Konsensprinzips bei einer fortschreitenden Liberalisierung und den relativ großen Spielraum zu erinnern, der den Mitgliedstaaten insbesondere im Bereich des Dienstleistungshandels gewährt wird. Aufgrund der Verrechtlichung der materiellen und formellen WTO-Bestimmungen und der Stärkung des Streitbeilegungsmechanismus ist jedoch eine stetige Annäherung der Wirklichkeit der Weltwirtschaftsordnung an ihren Anspruch zu erwarten. Eine zusätzliche Problematik dieser Entwicklung liegt in der Tatsache, dass die steigende wirtschaftliche Integration faktisch unumkehrbar ist. Parallel zu der ökonomischen Beobachtung, dass sich wirtschaftlich vernetzte Volkswirtschaften nur noch schwer voneinander trennen lassen,899 hat auch die rechtliche Analyse hohe Hürden für die Rücknahme oder Ausnahmen von WTO-Verpflichtungen aufgezeigt900. Stimmt ein Staat einem Integrationsschritt also einmal zu, kann er diese Entscheidung später nur unter hohen Kosten zurücknehmen. Dabei geht die im nationalen Rahmen gegebene Möglichkeit einer Politikänderung – beispielsweise nach einem Regierungswechsel – teilweise verloren. Die eingeschränkte Rücknehmbarkeit der WTO-Verpflichtungen führt auch zu einer schleichenden Kompetenzverschiebung auf die internationale Ebene, denn in der Praxis können nur mit Zustimmung der Vertragspartner die Verpflichtungen abgeändert werden. Siehe oben unter § 11 II.2.d) bb) (3). Siehe oben unter § 12 I.2.a). 900 Vgl. oben unter § 16 II.3. sowie § 17 IV.2.b) bb). Das wird übersehen bei WTO / WHO, WTO Agreements and Public Health (2002), ad 83, 218. 898 899

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Eine solche rechtliche Bindungswirkung für die Zukunft ist zwar im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit kein Einzelfall, sondern stellt ein allgemeines Charakteristikum bindender völkerrechtlicher Verträge dar. Je tiefer jedoch die Bestimmungen eines solchen Vertrages hinter die staatliche Grenze eindringen, desto größer ist die Einschränkung politischen Entscheidungsspielraumes und damit der Verlust staatlicher Souveränität. Bezüglich des WTO-Rechts mit seinem Potential zu weitreichenden Vorgaben für nationale Rechtsordnungen ist der beschriebene „hands-tying-effect“ deshalb besonders problematisch, so dass sich für die Zukunft ein grundlegendes Legitimationsproblem stellt.

§ 18 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept? Ausgangspunkt der institutionellen Überlegungen war die Frage, ob den Folgen der ökonomischen Systemrationalität des internationalen Handelsrechts mit dem Instrument einer Sozialklausel entgegengewirkt werden soll. Eine detaillierte Analyse des WTO-Rechts hat ergeben, dass problematische Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen durch die Weiterentwicklung dieses Rechtsregimes tatsächlich zu befürchten sind. Zu klären bleibt somit abschließend, ob eine Sozialklausel ein geeignetes Lösungskonzept für diese Problematik darstellt. Bereits angesprochen wurde die Tatsache, dass soziale Kernrechte, die im Zusammenhang mit einer ethisch motivierten Sozialklausel eine entscheidende Rolle spielen,901 von den Vorgaben des WTO-Rechts nicht beeinträchtigt werden. Daraus folgt, dass die Verankerung dieser Mindestbestimmungen in das WTO-Recht weder geeignet noch erforderlich wäre, die dargestellten Auswirkungen zu verhindern. Statt sozialer Kernrechte betreffen die rechtlichen Auswirkungen – ähnlich wie die durch eine wirtschaftliche Liberalisierung hervorgerufenen ökonomischen Auswirkungen902 – komplexe sozialstaatliche Politikentscheidungen. Damit diese sozialpolitischen Zielsetzungen nicht durch das Recht der WTO überspielt werden, müssen sie dort, also auf internationaler Ebene, rechtlich anerkannt werden. Es ist also unausweichlich, das Welthandelsrecht für soziale Politikentscheidungen zu öffnen. Eine solche Öffnung sagt allerdings nichts über die Frage aus, auf welcher Ebene die sozialpolitischen Entscheidungen selbst getroffen werden sollten. Ob sich die WTO also gegenüber einer nationalen, globalen oder mehrstufigen Sozialpolitik öffnen soll, erfordert eine eigenständige Untersuchung.

901 902

Vgl. oben unter § 7 II. Vgl. oben unter § 11 II.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

I. Gemeinsame Sozialpolitik? Aus systematischen Erwägungen naheliegend wäre es, die sozialpolitische Entscheidungskompetenz auf derselben Ebene anzusiedeln, auf der auch die handelspolitischen Entscheidungen getroffen werden. Dann könnte die Abwägung zwischen ökonomischen und sozialen Politikzielen organisationsintern erfolgen, was Kompetenzkonflikte und materiellrechtliche Kollisionen minimieren würde. Konsequenz dieses Konzepts wäre jedoch eine gemeinsame Sozialpolitik der WTOMitgliedstaaten. Gegen eine solche Internationalisierung der Sozialpolitik sprechen jedoch verschiedene Gründe: Erstens erfordert eine gemeinsame Sozialpolitik ein gewisses Maß an ökonomischer, politischer und kultureller Homogenität der Beteiligten. Schon auf europäischer Ebene ist deutlich geworden, wie schwierig sich eine Einigung auf gemeinsame Standards zwischen Staaten gestaltet, deren ökonomischer Entwicklungsstand deutlich voneinander abweicht und die unterschiedliche historisch gewachsene Sozialsysteme sowie starke Präferenzunterschiede bei der Frage nach dem richtigen Maß und der richtigen Form gesellschaftlicher Solidarität aufweisen.903 Vor dem Hintergrund der Unterschiede, die beispielsweise zwischen Ländern wie Dänemark, China und Burkina Faso bestehen, zeichnen sich die europäischen Staaten jedoch durch eine relativ große Homogenität aus. Es erscheint daher kaum vorstellbar, in sozialpolitischen Fragen einen Konsens zwischen allen WTOMitgliedern erreichen zu können, solange keine substantielle Annäherung in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht stattgefunden hat.904 Zweitens bestehen auch für den unwahrscheinlichen Fall eines solchen Konsenses schwerwiegende Bedenken gegen eine WTO-Sozialpolitik. Schon bezogen auf die jetzige, weitgehend auf wirtschaftliche Fragen beschränkte WTO lassen sich grundlegende Legitimitätsdefizite konstatieren.905 Sozialpolitische Entscheidungen, die tief in den Kernbereich der politischen Auseinandersetzung hineinreichen, erfordern jedoch in einem noch deutlich höheren Maße eine demokratische Mitwirkung und Kontrolle. Auch hier bilden die europäischen Erfahrungen einen aufschlussreichen Hintergrund. Dort hat sich gezeigt, dass die Loslösung von der Regierungsebene und die Stärkung der parlamentarischen Ebene für das Gelingen einer positiven Integration ebenso bedeutsam ist wie das Entstehen einer gemein-

Siehe oben unter § 15 III.1.c). Ebenso beispielsweise Treutner, Globalisierung und Regulierung (1999 / 2000), S. 331; Rollo / Winters, World Economy 23 (2000), S. 561 ff. (567): „If regulatory harmonisation cannot be achieved among 15 relatively homogenous member states, [ . . . ] how likely is it among 134 members of the WTO?“ 905 Vgl. etwa Krajewski, Legitimation und demokratische Kontrolle (1999); Bogdandy, KJ 2001, S. 264 ff.; Hilf, FS Oppermann (2001); Krajewski, Verfassungsperspektiven (2001), S. 217 ff.; Bauer, Internationalisierung des Wirtschaftsrechts (2002), S. 74 ff. Kritisch dazu Tietje, in: Prieß / Berrisch (Hrsg.), WTO-Hb. (2003), A.II., Rn. 54 ff. 903 904

§ 18 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept?

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samen Öffentlichkeit.906 Eine solche organisatorische und kognitive Entwicklung ist jedoch im Rahmen der WTO auf absehbare Zeit utopisch.907 Eine gemeinsame Sozialpolitik auf WTO-Ebene ist deshalb mittelfristig weder möglich noch erstrebenswert. Sie würde die im Rahmen dieser Untersuchung dargestellten Effizienz- und Legitimitätsdefizite bei sozialpolitischen Entscheidungen nicht verringern, sondern verstärken.

II. Öffnungsklausel für nationale Sozialpolitik? Statt einer Übertragung sozialpolitischer Kompetenzen auf die Ebene der WTO scheint die Absicherung der traditionellen Kompetenzverteilung somit der einzig gangbare Weg zu sein. Dieses Lösungskonzept bedeutet, dass in das WTO-Recht eine Öffnungsklausel für die im Rahmen von nationalen Sozialordnungen908 getroffenen Politikentscheidungen integriert werden muss. Ein Mehrebenensystem, also das Auseinanderfallen der handels- und sozialpolitischen Kompetenzen auf verschiedene institutionelle Ebenen, muss also grundsätzlich akzeptiert werden.909 Problematisch an diesem Lösungskonzept ist allerdings die auf europäischer wie globaler Ebene konstatierte Tatsache, dass bei steigender wirtschaftlicher Integrationstiefe eine Beibehaltung der sozialpolitischen Kompetenz auf nationaler Ebene zunehmend schwierig wird – zu eng ist die Verknüpfung von ökonomischen und sozialen Fragestellungen. Der Versuch, zu einer traditionellen Kompetenzverteilung zurückzukehren, scheint vor diesem Hintergrund wenig zukunftsorientiert zu sein. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass die Absicherung der nationalen Kompetenzen keineswegs gemeinsame sozialpolitische Entscheidungen ausschließt. Eine solche Zuweisung der Entscheidungshoheit an die nationale Ebene ermöglicht 906 Einführend Schmidt, Demokratietheorie (2000), S. 424 ff. m. w. N. Vgl. außerdem etwa Weiler, Y.B. Eur. L. 1 (1981); S. 257 ff.; ders., Yale L.J. 100 (1991), S. 2403 ff.; Kielmannsegg, Integration und Demokratie (1996); Majone, Redistributive und sozialregulative Politik (1996), S. 234 ff.; Scharpf, Politische Optionen (1996); Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip (1997), S. 224 ff., 430 ff.; Höreth, Europäische Union im Legitimationstrilemma (1999), S. 179 ff., 247 ff.; Häberle, Europäische Verfassungslehre (2001 / 2002), S. 167 ff. 907 Skeptisch gegenüber der Legitimität einer Sozialpolitik auf internationaler Ebene auch Schönig, Rationale Sozialpolitik (2001), 91. Eine Zusammenfassung der Demokratisierungsvorstöße im Rahmen der WTO findet sich bei Stoll / Schorkopf, WTO (2002), Rn. 759 ff. Zur Stärkung der parlamentarischen Ebene im Rahmen der WTO siehe auch Guzman, Harv. Int’l L.J. 45 (2004), S. 303 ff. (336 ff.); Mann, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 659 ff.; Shaffer, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 629 ff.; Skaggs, J. Int’l Econ. L. 7 (2004), S. 655 ff. Skeptisch aber McGinnis / Movsesian, Harv. Int’l L.J. 45 (2004), S. 353 ff. 908 Zur vereinfachenden Verwendung des Begriffs nationaler Sozialordnungen, der auch regionale soziale Normen umfassen soll, siehe bereits oben 4. Teil, Fn. 375. 909 Vgl. dazu auch das Fazit bei Wahl, Der Staat 40 (2001), S. 45 ff. (69).

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

gerade eine schrittweise, dem jeweiligen wirtschaftlichen und kulturellen Nähegrad angemessene „Hochzonung“ bestimmter sozialpolitischer Kompetenzbereiche. Statt auf internationaler Ebene ein unstrukturiertes Flickwerk von sozialpolitisch relevanten Vorgaben entstehen zu lassen, das nur die ungeplante Folge einer wirtschaftlichen Integration darstellt, sollte den Staaten die Möglichkeit gegeben werden, sich in systematischer Art und mit konsistenten sozialpolitischen Zielsetzungen für den jeweils möglichen und politisch gewollten Stand gemeinsamer Sozialpolitik zu entscheiden. Die Absicherung der nationalen Kompetenz in sozialen Fragen wird somit der dynamischen Rolle des internationalen Wirtschaftsrechts am ehesten gerecht. Zu betonen ist auch, dass eine solche Öffnungsklausel nicht automatisch zur völligen Abschottung der nationalen Sozialordnungen gegenüber ausländischen Waren und Dienstleistungen führen wird. Ein solches Verhalten wäre im Rahmen des hier vertretenen Lösungskonzepts zwar rechtlich zulässig, wird aber in den meisten Fällen schon aufgrund der hohen Kosten, die mit einem Verzicht auf die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung einhergehen, kaum erstrebenswert sein. Ziel der Öffnungsklausel ist nicht die Rückkehr zu geschlossenen Einheiten, sondern die Wahrung der Entscheidungsfreiheit eines politischen Gemeinwesens in sozialen Fragen. Dabei soll nicht geleugnet werden, dass die Abgrenzung zwischen ökonomischen und sozialen Fragen im Einzelfall große Probleme bereiten wird. Erkennt man jedoch an, dass handelsrechtliche Entscheidungen grundsätzlich auf internationaler Ebene getroffen werden sollen, während dies für viele sozialrechtliche Entscheidungen auf absehbare Zeit nicht gelten kann, sind diese Abgrenzungsprobleme unausweichlich. Kompetenzkonflikte dieser Art sind im Übrigen kein neues Phänomen, sondern entstehen beispielsweise auch im Rahmen jeder föderalen Struktur. Dort haben sie sich zwar als konfliktträchtig, aber für pragmatische Lösungen durchaus zugänglich erwiesen.910 Entscheidend zur Schlichtung der zu erwartenden Spannungen ist nicht zuletzt das Vorhandensein einer durchsetzungsstarken Gerichtsbarkeit. Die Verrechtlichung des WTO-Streitbeilegungsmechanismus kann also nicht nur, wie in dieser Arbeit herausgearbeitet, die problematischen Auswirkungen des Welthandelsrechts auf nationale Sozialordnungen vorantreiben. Gleichzeitig ist diese Entwicklung auch Voraussetzung dafür, die durch die neue Qualität des WTO-Rechts entfesselte Dynamik steuern zu können. Schwierig gestaltet sich allerdings die Ausgestaltung einer solchen Öffnungsklausel für nationale Sozialordnungen. Kern des Problems ist, in welchem Umfang das WTO-Recht zurückgenommen werden muss, um die gewünschte staatliche Souveränität in sozialen Fragen wiederzuerlangen. Eine naheliegende Möglichkeit wäre, bei den Bestimmungen anzusetzen, die sich im Rahmen der Untersuchung 910 Hier ist insbesondere auf die Erfahrungen im Rahmen des deutschen und US-amerikanischen Föderalismus hinzuweisen.

§ 18 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept?

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als konfliktträchtig erwiesen haben, also etwa dem Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse in Art. IX und III GATT, dem Marktzugangs- und Inländerprinzip sowie den Bestimmungen für innerstaatliche Regelungen in Art. XVI, XVII und VI GATS, dem Subventionsübereinkommen und einer Reihe weiterer Normen. Denkbar wäre, in allen diesen Bestimmungen jene Elemente, welche ungewünschte Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen haben könnten, herauszunehmen oder jeweils mit Ausnahmeregelungen zu versehen. Ein solches Konzept scheint auch den zahlreichen detaillierten Ausnahmebestimmungen der Staaten in den GATS-Konzessionslisten911 zugrunde zu liegen. Diese ergebnisbezogene Herangehensweise würde jedoch zu einer unübersichtlichen Rechtszersplitterung führen und wegen der Notwendigkeit zahlreicher Wiederholungen rechtstechnisch kaum befriedigen können. Vor allem aber würde die Entwicklung neuer sozialpolitischer Konzepte, deren Unvereinbarkeit mit dem WTO-Recht heute noch nicht erkennbar ist, für die Zukunft verhindert. Deshalb ist ein Lösungskonzept auf einem höheren Abstraktionsniveau vorzugswürdig. In die richtige Richtung weist die Bestimmung des Art. I:3 GATS, die die Erbringung einer Dienstleistung „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ aus dem Anwendungsbereich des Vertrages herausnimmt. Als problematisch an dieser Herangehensweise hat sich allerdings die darin angelegte Tendenz erwiesen, durch die scharfe Trennung zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfüllung dynamische, auf Mischformen aufbauende Entwicklungen zu verhindern.912 Einen effektiven Schutz der staatlichen Souveränität im sozialen Bereich gewährt diese Bestimmung also nicht. Vielversprechender erscheint dagegen der kombinierte Ansatz, der sich im Europarecht herausgebildet hat. Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten können nach der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sein, wenn „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ vorliegen, und nach Art. 86 II EG sind „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ von der Geltung des europäischen Wettbewerbsrechts grundsätzlich freigestellt. Das Konzept findet sich ansatzweise auch in den horizontalen Ausnahmebestimmungen der EG und ihrer Mitgliedstaaten in den GATS-Konzessionslisten wieder913. Inzwischen werden die Ausnahmetatbestände weit ausgelegt – so hat der EuGH etwa die „erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit“ als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkannt und sich von dem missverständlich engen Wortlaut des Art. 86 II EG („wirtschaftliche“ Interessen) gelöst.914 Die darauf basierende Anwendungspraxis dieser Ausnahmebestimmungen konnte viele der Bedenken ausräumen, die gegenüber den Auswir911 912 913 914

Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (3). Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (2) (a) (aa). Vgl. oben unter § 17 IV.2.c) bb) (3) (c) (aa). Vgl. oben unter § 15 III.2.a) dd) und ff).

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

kungen des europäischen Wirtschaftsrechts auf nationale Sozialordnungen bestanden. Kernelement des europäischen Ansatzes ist die normative Setzung, dass beim Vorliegen bestimmter „Allgemeininteressen“ wirtschaftliche Ziele zurücktreten müssen. Damit erweist sich die Reichweite dieses Konzeptes jedoch als zu weit für den Horizont der hier vorliegenden Untersuchung: Die Analyse hat sich auf die Auswirkungen des internationalen Handelsrechts auf nationale Sozialordnungen beschränkt, also auf das Allgemeininteresse an souveränen sozialpolitischen Entscheidungen. Es erscheint zwar nicht unwahrscheinlich, dass ähnliche Auswirkungen des WTO-Rechts auch im Rahmen anderer Politikfelder zu erwarten sind.915 Die Komplexität der Thematik – und nicht zuletzt auch die des WTO-Rechts selbst – verbietet jedoch eine pauschale Übertragung der hier gewonnen Ergebnisse auf andere Teilbereiche der öffentlichen Aufgabenerfüllung. Deshalb soll an dieser Stelle nur ein Lösungskonzept für den Schutz nationaler Sozialordnungen entwickelt werden. In das WTO-Recht muss demnach eine Ausnahmeklausel für Maßnahmen integriert werden, die allgemeine sozialpolitische Interessen verfolgen. Fraglich ist, welche Norm einen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine solche Ausnahmeklausel darstellen könnte. In der Logik des hier verfolgten abstrakten Ansatzes steht es zunächst, die Klausel möglichst weit „vor die Klammer“ zu ziehen, idealerweise also an das WTO-Übereinkommen anzuknüpfen, das sämtliche anderen Abkommen überwölbt. Dagegen sprechen jedoch rechtssystematische Gründe, denn das WTO-Übereinkommen enthält keine materiellen Bestimmungen, sondern allgemeine Vorschriften über Aufgaben, Struktur und Verfahren der Organisation, so dass eine solche Ausnahmeklausel einen Fremdkörper darstellen würde. Günstiger erscheint daher eine Anknüpfung an die materiellen Kernübereinkommen916 GATT, GATS und TRIPS. Zwischen den allgemeinen Prinzipien des TRIPS und nationalen Sozialordnungen hat die Untersuchung jedoch kein Konfliktpotential aufzeigen können, und die Spannungen zwischen den materiellen Schutzstandards dieses Übereinkommens und nationalen Sozialordnungen scheinen inzwischen weitgehend beigelegt worden zu sein.917 Deshalb kann die Geltung der Ausnahmebestimmung auf GATT und GATS, also auf den internationalen Warenund Dienstleistungshandel, beschränkt werden. 915 Vgl. exemplarisch für den Bildungsbereich Fritz / Scherrer, GATS: zu wessen Diensten? (2002), S. 55 ff. m. w. N.; für die Bereiche Ökologie und Gesundheitsschutz oben unter § 17 I. Einen allgemeinen Vorschlag zur Integration von non-trade values als „Schutzschilder“ gegen die einseitig ökonomische Ausrichtung des WTO-Rechts formuliert Kalderimis, Minn. J. Global Trade 13 (2004), S. 305 ff. (344 ff.). 916 Anders als etwa das TBT, das SPS oder das Subventionsübereinkommen, die jeweils Sonderübereinkommen zum GATT sind (Anhang 1 A des WTO-Übereinkommens), stellen GATS und TRIPS eigenständige Übereinkommen dar (Anhang 1 B und 1 C des WTO-Übereinkommens). 917 Vgl. oben unter § 17 IV.3.

§ 18 Sozialklausel als geeignetes Lösungskonzept?

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Einen geeigneten Anknüpfungspunkt in beiden Übereinkommen könnten die jeweiligen Bestimmungen zu Allgemeinen Ausnahmen (Art. XX GATT und Art. XIV GATS) darstellen. Im Rahmen einer ethisch motivierten Sozialklausel war zwar die unilaterale Ausrichtung dieser Normen, also die Möglichkeit einzelner Staaten, sich ohne vorhergehende Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes zu berufen, bemängelt worden.918 Die Zielsetzung einer institutionell motivierten Sozialklausel ist jedoch – anders als die ihrer ethisch motivierten Schwester – nicht darauf gerichtet, gemeinsam die Einhaltung international anerkannter Sozialstandards zu überwachen, sondern darauf, die individuelle staatliche Souveränität im sozialen Bereich zu verteidigen. Ein unilaterales Vorgehen liegt deshalb in der Konsequenz eines solchen Ansatzes. Das verstärkt zwar die Missbrauchsgefahr. Weil aber die Berufung auf die Ausnahmebestimmungen des GATT und GATS wie das gesamte materielle WTO-Recht der Kontrolle des Streitbeilegungsmechanismus unterliegt, ist diese Gefahr begrenzt. Im GATT sollte somit als Buchstabe k) des Art. XX die Formulierung eingefügt werden, keine Bestimmung des Abkommens dürfe so ausgelegt werden, dass dadurch „Maßnahmen im Rahmen der staatlichen Sozialordnung“ verhindert werden.919 Parallel dazu sollte im GATS als neuer Buchstabe f) des Art. XIV die Formulierung eingefügt werden, dass das Übereinkommen nicht dahingehend ausgelegt werden darf, die Annahme oder Durchsetzung von Maßnahmen eines Mitglieds zu verhindern, „die im Rahmen der staatlichen Sozialordnung getroffen werden.“ Das in Art. XX a) bis d) GATT920 sowie Art. XIV a) bis c) GATS vorgesehene necessity-Kriterium sollte wegen der in verschiedenen Zusammenhängen angesprochenen921 souveränitätsbeschränkenden Wirkung eines solchen Erforderlichkeitstests nicht in die Formulierung aufgenommen werden. Die „chapeau“ genannten Einführungsbestimmungen der beiden Artikel, dass keine ungerechtfertigte Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels eintreten darf,922 muss in materieller Hinsicht zur Missbrauchskontrolle genügen. Abschließend stellt sich die Frage, ob diese doppelte Öffnungsklausel eine Sozialklausel im hier verwendeten Sinne darstellt, also eine Operationalisierung bestimmter Sozialstandards mit dem Mittel der Handelsbeziehungen923. Anders als bei einer ethisch motivierten Sozialklausel werden im Rahmen des institutionell motivierten Lösungsvorschlags nicht bestimmte Sozialstandards in das WTO918 919

Vgl. oben unter § 8 III.2.a). Im englischen Original bietet sich insofern die Formulierung „social policy measures“

an. 920 921 922 923

Zur insofern fehlerhaften deutschen Übersetzung siehe 2. Teil, Fn. 230. Vgl. oben unter § 17 I.; § 17 IV.2.c) bb) (1) (c) und § 17 IV.2.c) bb) (3) (b) (aa). Dazu oben unter § 8 II.3.a) cc). Zur Definition siehe oben unter § 4 III.

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4. Teil: Institutionell motivierte Sozialklausel

Recht integriert, sondern die sozial- und handelspolitischen Ebenen gerade getrennt. Ein solches rechtliches Konstrukt ist zwar keine Sozialklausel im Sinne der hier verwendeten Definition, kann aber als soziale Öffnungsklausel bezeichnet werden.

5. Teil

Rechtspolitische Schlussfolgerungen § 19 Eine allgemeine Sozialklausel für die WTO? Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Beobachtung, dass der Diskurs über die Integration einer Sozialklausel in das WTO-Recht bisher unfruchtbar geblieben und von verhärteten Gegensätzen geprägt ist. Als problematisch erwies sich neben einer kaum reflektierten Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes insbesondere die unproduktive Vermischung der verschiedenen disziplinären Analyseebenen. Durch die klare Trennung von drei Fragestellungen wurde im Rahmen der Untersuchung versucht, diese Defizite zu vermeiden. Dass diese Vorgehensweise der engen Verknüpfung zwischen den Zielsetzungen und dem Inhalt einer Sozialklausel eher gerecht wird als eine pauschale Abwägung ihrer Vor- und Nachteile, belegen die großen Divergenzen, die zwischen den drei erarbeiteten Lösungskonzepten bestehen: Aus ethischer Sicht sprechen gute Gründe dafür, die WTO gegenüber Staaten zu Sanktionen zu ermächtigen, die dauerhaft den ihnen möglichen Stand sozialer Standards unterschreiten. Aus völkerrechtlichen und entwicklungspolitischen Gründen erscheint eine in materieller und organisatorischer Hinsicht zweistufige Sozialklausel erstrebenswert. Die kooperative Verfahrensstufe, in der auf die Umsetzung einer komplexen Vielfalt von sozialen Standards hingearbeitet wird, sollte der ILO übertragen werden, während ein Verfahren zur Erzwingung von sozialen Kernrechten in das Recht der WTO integriert werden sollte. Rechtstechnischer Anknüpfungspunkt dieser zweiten Verfahrensstufe ist das WTO-Übereinkommen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Multilateralisierung des Prüfungs- und Sanktionsmechanismus zu. Aus ökonomischer Sicht gibt es zwar überzeugende Argumente dafür, den Wettbewerb der Systeme im Rahmen der WTO zu formen und zu steuern. Die dafür notwendigen Maßnahmen – also etwa Übergangsregelungen bei steigender wirtschaftlicher Öffnung, die Koordinierung der staatlichen Steuersysteme oder Kapitalverkehrskontrollen – sind jedoch entweder im Rahmen der bestehenden Bestimmungen bereits möglich oder erfordern eine Art von internationaler Kooperation, die nicht mehr als Sozialklausel verstanden werden kann. Aus institutioneller Sicht hat sich die Notwendigkeit einer sozialen Öffnungsklausel gezeigt, welche die staatliche Souveränität auf dem Gebiet der Sozialpoli-

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5. Teil: Rechtspolitische Schlussfolgerungen

tik absichert. Rechtstechnischer Anknüpfungspunkt hierfür sind die Ausnahmebestimmungen des Art. XX GATT und XIV GATS. Das Verfahren sollte zwar unilateral ausgestaltet, jedoch dem WTO-Streitbeilegungsmechanismus unterworfen sein und gewisse Missbrauchskontrollen materiellrechtlicher Art enthalten. Angesichts der divergierenden Lösungskonzepte stellt sich die Frage, ob diese Dreiteilung unvermeidbar ist, oder ob sich die Vorschläge zu einer einheitlichen Aussage verknüpfen lassen. Anders formuliert: Lässt sich auf der Grundlage dieser Untersuchungen ein rechtspolitischer Vorschlag für eine allgemeine Sozialklausel ableiten? Zunächst ist daran zu erinnern, dass die drei hier gewählten Analyseebenen trotz ihrer isolierten Darstellung auf vielfache Weise miteinander verknüpft sind. So können beispielsweise soziale Verbesserungen in Entwicklungsländern eine größere wirtschaftliche Öffnung voraussetzen, eine weitere Liberalisierung nicht ohne vertiefte positive Integration realisierbar sein, eine positive Integration wiederum eine wirtschaftliche und soziale Annäherung der beteiligten Staaten erfordern etc. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass trotz Bestehens dieser Zusammenhänge die Herleitung von eigenständigen, an den Zielsetzungen der jeweiligen Fragestellung orientierten Lösungen möglich ist. Die Ergebnisse stehen also zueinander in keinem Abhängigkeitsverhältnis. Lediglich das Verhältnis der ethisch motivierten Sozialklausel zur institutionell motivierten sozialen Öffnungsklausel muss insofern geklärt werden, als im Konfliktfall Erstere der Letzteren vorgeht: Ein Staat kann sich nicht auf die im Rahmen der sozialen Öffnungsklausel neu geschaffenen Ausnahmebestimmungen des Art. XX k) GATT bzw. des Art. XIV f) GATS berufen, um international anerkannte Mindeststandards im sozialen Bereich zu missachten. Denn wie die völkerrechtliche Analyse ergeben hat, ziehen diese sozialen Kernrechte dem staatlichen Souveränitätsanspruch gerade eine Grenze. Ein Schutz vor den rechtlich-institutionellen Auswirkungen der WTO-Bestimmungen soll insofern nicht gewährt werden. Von dieser Hierarchisierung abgesehen, sprechen die Ergebnisse dieser Untersuchung aber gegen eine Zusammenfassung der Vorschläge zu einer allgemeinen Sozialklausel. Zu groß ist die Gefahr, dass die unterschiedlichen Zielsetzungen vermischt werden und die Diskussion wieder in den unfruchtbaren Austausch von Sozialdumping- und Protektionismusvorwürfen abgleitet. Wird in Zukunft also über die Integration sozialer Bestimmungen in das Welthandelsrecht diskutiert, sollte zunächst die jeweilige Zielsetzung offen gelegt werden, bevor die Argumente für oder wider ein bestimmtes Vorgehen ausgetauscht werden. Auch gewinnt die Diskussion an Klarheit, wenn dabei zwischen einer (ethisch motivierten) Sozialklausel und einer (institutionell motivierten) sozialen Öffnungsklausel unterschieden wird. Eine allgemeine Aussage kann jedoch auch auf dem Boden der vorliegenden Untersuchung getroffen werden: Ökonomische Ziele, die insbesondere aus Furcht vor einer Abwärtsspirale formuliert werden, haben sich zur Begründung einer So-

§ 20 Ausblick

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zialklausel als ungeeignet erwiesen. Diese Ziele sollten deshalb, so wichtig ihre Realisierung ansonsten auch sein mag, aus der Diskussion um eine Sozialklausel ausdrücklich herausgenommen werden.

§ 20 Ausblick Die in dieser Arbeit entwickelten Vorschläge sind rechtspolitischer Natur. Die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung ist ungewiss. Es ist jedoch zu erhoffen, dass durch die Ausgrenzung der ökonomisch motivierten Kontroversen eine Versachlichung der Diskussion stattfinden wird und auch die Akzeptanz der Entwicklungsländer für die Integration von sozialen Bestimmungen in das Recht der WTO erhöht werden kann. Dadurch könnte die politische Unterstützung insbesondere für eine ethisch motivierte Sozialklausel leichter zu erreichen sein, als dies die lange Folge ergebnisloser Vorstöße in der Vergangenheit befürchten ließe. Außerdem ist zu erwarten, dass die bisher kaum entfaltete institutionelle Dimension der Problematik bei steigender wirtschaftlicher Integration einen Bedeutungszuwachs erfahren wird. Eine weitere Vertiefung und Verrechtlichung der WTO wird die Auswirkungen auf nationale Sozialordnungen verstärken. Wird die Eigenständigkeit der nationalen sozialen Politikziele dabei rechtlich nicht anerkannt, ist zu befürchten, dass die momentan noch eher gefühlsmäßig geprägte Ablehnung großer Teile der Weltöffentlichkeit gegenüber der WTO zunehmen könnte. Wie die Erfahrungen in Seattle und Cancún zeigen, könnte dadurch die Weiterentwicklung dieser Organisation grundlegend in Frage gestellt werden. Dadurch würden die Wohlfahrtsgewinne vereitelt, die eine wirtschaftliche Integration – bei entsprechender politischer Steuerung – für alle Beteiligten schaffen kann. Die Integration einer sozialen Öffnungsklausel ist also von entscheidender Bedeutung, um die weltweite Akzeptanz für eine vertiefte negative Integration zu erlangen. Zusätzlich stellt sie aber auch, wie bereits ausgeführt, eine wichtige Voraussetzung für eine strukturierte positive Integration im sozialen Bereich dar. Somit kommt der sozialen Öffnungsklausel die Qualität einer Schaltstelle für die zukünftige soziale und wirtschaftliche Zusammenarbeit auf globaler Ebene zu.

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Zuleeg, Manfred, Die innerstaatliche Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge am Beispiel des GATT und der europäischen Sozialcharta, ZaöRV 35 (1975), S. 341 ff. – Europarechtliche Probleme der gesetzlichen Pflegeversicherung, in: I. Ebsen (Hrsg.), Europarechtliche Vorgaben für das deutsche Sozialrecht, Baden-Baden 2000, S. 103 ff. Zürn, Michael, Regieren jenseits des Nationalstaates. Globalisierung und Denationalisierung als Chance, Frankfurt / M 1998 – Regieren im Zeitalter der Denationalisierung, in: C. Leggewie / R. Münch (Hrsg.), Politik im 21. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2001, S. 423 ff.

24 Spelten

Sachwortverzeichnis Abwärtsspirale 101, 103 – 144 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 49, 56 Allgemeine Präferenzsysteme 33, 47, 99 Angleichung von Sozialstandards siehe Abwärtsspirale Anlage zu Finanzdienstleistungen siehe GATS, Finanzdienstleistungen Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen 270 – 271 Antidumping 40, 86, 298 – 300, 307 Appellate Body siehe Streitbeilegung Arbeiterrechte 59 Arbeitnehmerentsendung siehe Grundfreiheiten Arbeitskräftemobilität siehe Mobilität von Produktionsfaktoren Arbeitsteilung, internationale siehe Globalisierung Außenhandel siehe auch Welthandel – Außenhandelsquote 64, 109 – Auswirkungen 115 – 124, 144 – 150 – intra-industrieller 118 – Reduzierung 147 – 148 – Verhältnis zur Sozialklausel 144 – 150 – Verteilungswirkungen 147 – 149 Außenhandelsquote siehe Außenhandel Außenwirtschaftstheorie 115 siehe auch Neue Außenhandelstheorie, Freihandelstheorie Austritt aus der WTO 206 Basistelekommunikationsdienstleistungen siehe Telekommunikation Beihilferecht siehe Europäisches Wettbewerbsrecht Beschaffungswesen siehe öffentliche Beschaffung Boykott 63 – 64 built-in-agenda 214, 243, 285

Codes of Conduct 32, 53 – 55, 57, 73 conditional lending 55 cross retaliation siehe Streitbeilegung Daseinsvorsorge siehe Europäisches Wettbewerbsrecht Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work 57, 59, 68 Denationalisierung 110 siehe auch Globalisierung Deregulierung 113 Devisenkontrollen 113 Dienstleistungsbegriff im GATS siehe GATS, Anwendungsbereich Dienstleistungsfreiheit siehe Grundfreiheiten Dienstleistungsrichtlinie siehe Grundfreiheiten Direktinvestitionen 107, 109 – 111, 135 – 137 siehe auch Mobilität von Produktionsfaktoren Dispute Settlement Body siehe Streitbeilegung Doppelbesteuerungsabkommen 149 DSU siehe auch Streitbeilegung – Art. 3 238 – 239 – Art. 8 98 – Art. 17 43 – Art. 22 43 – Art. 23 99 Dumping siehe Antidumping ECOSOC 83 effet utile siehe Europäische Union Effizienz als problematischer Maßstab 132 – 141 EG-Vertrag – Art. 12 166 – Art. 16 184 – 186 – Art. 42 158, 162 – Art. 45 174

Sachwortverzeichnis – Art. 81 ff. siehe Europäisches Wettbewerbsrecht – Art. 82 176 – 178, 181 – Art. 86 II 178 – 180, 188, 190 – 191, 315 – Art. 87 187 – 189, 191 – Art. 141 158 – Art. 146 ff. 157 – Grundfreiheiten siehe dort Embargo 63 – 64 Entsenderichtlinie siehe Grundfreiheiten Entwicklungsländer 69 – 75, 85 – 86 – Begriff 26 – im Streitbeilegungsverfahren 197 – und TRIPS 293 – 295 Entwicklungszusammenarbeit 46, 73 – 74, 95 – konditionierte 46, 55 Erforderlichkeit – im Europarecht 183 – 184 – im GATS 246 – 249, 275, 317 – im GATT 89, 317 – in SPS und TBT 211 – 213, 217 – 218 erga omnes-Verpflichtungen 67 Europäische Gemeinschaft siehe Europäische Union Europäische Sozialpolitik 170 – 172 Europäische Union – Arbeitnehmerfreizügigkeit 158 – 159 – effet utile 161 – EG-Vertrag siehe dort – Grundfreiheiten siehe dort – Leistungsexport siehe dort – Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 160 – Wettbewerbsrecht siehe Europäisches Wettbewerbsrecht Europäischer Sozialfonds 157 Europäisches Wettbewerbsrecht – Auswirkungen auf Arbeitsrecht 186 – Auswirkungen auf Beschäftigungsförderung 189 – Auswirkungen auf Dritten Sektor 189 – Auswirkungen auf Sozialversicherungsmonopole 174 – 181 – Auswirkungen des Beihilferechts 189 – 190 – Beihilfebegriff 187, 190 – 191 24*

– – – – – –

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Beihilferecht 186 – 192 Daseinsvorsorge 178 – 180 marktbeherrschende Stellung 176 – 178 und Gesundheitswesen 182 Universaldienste 182 Unternehmensbegriff 175 – 176, 181 – 183

fair wages 70 Festbetragsregelungen 183 Finanzdienstleistungen siehe GATS Finanzföderalismus 130 flexibility clauses 70 forum shopping 206 Freihandelstheorie 116 – 118, 120, 124 – 127 Freihandelszonen 111, 232, 242, 295 Freizügigkeit siehe Grundfreiheiten Friendly Relations Declaration 61 fundamental conventions 57, 79, 80 Gains-from-Trade-Theorem 117, 122 GATS – aktuelle Entwicklungen 284 – 289 – Anwendungsbereich 240 – 241 – Arbeitskräftemobilität siehe Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen – Art. I Abs. 2 240 – 241 – Art. I Abs. 3 261 – 265, 315 – Art. II siehe Meistbegünstigungsprinzip – Art. III 242, 250 – Art. V 242 – Art. VI 246 – 249, 259 – 260, 274 – 276, 285 – Art. VIII 242, 268 – 270, 278, 280 – Art. X 242 – Art. XI 245 – Art. XII 242 – Art. XIII 242, 265 – 268, 285 – Art. XIV 87, 243, 317 – Art. XV siehe Subventionen im GATS – Art. XVI 232, 244 – 246, 251 – 253 – Art. XVII siehe Inländerprinzip – Art. XIX 243, 285 – Art. XXVIII 245 – Ausnahmebestimmungen 260 – 272 – Auswirkungen auf Sozialordnungen 249 – 291

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Sachwortverzeichnis

– Beschaffungswesen siehe GATS Art. XIII – bisherige Liberalisierung 272 – 284 – Finanzdienstleistungen 262 – 265, 267, 284 – fortschreitende Liberalisierung 243 – 244 – hoheitliche Tätigkeiten 261 – 270 – innerstaatliche Regelungen siehe GATS Art. VI – Konzessionslisten siehe dort – Marktzugangsprinzip siehe GATS Art. XVI – Monopolkontrolle siehe GATS Art. VIII – Rechnungswesen siehe dort – Struktur 241 – 249 – Telekommunikation siehe dort GATT 39 – 40 – Art. I siehe Meistbegünstigungsprinzip – Art. II 233, 237 – Art. III siehe Inländerprinzip – Art. VI siehe Antidumping – Art. XI 39, 89, 201, 216 – 217, 232 – 239 – Art. XII 90 – Art. XVI siehe Subventionsübereinkommen – Art. XVIII 85, 146 – Art. XIX 90, 199 – 200, 210 – Art. XX 87 – 89, 96 – 97, 199, 212, 237 – 238, 317 – Art. XXI 90, 97, 99, 199 – Art. XXIII 90, 195, 198 – Art. XXV 210 – Auswirkungen auf Sozialordnungen 235 – 240 – Monopolkontrolle siehe GATT Art. II – öffentliches Beschaffungswesen 238 – traditionelle Struktur 193 – 203 – unmittelbare Anwendbarkeit siehe dort geistige Eigentumsrechte siehe TRIPS General Systems of Preferences siehe Allgemeine Präferenzsysteme Gesundheitsschutz 216 – 218 siehe auch SPS Gesundheitswesen und Europarecht siehe dort Gewaltverbot 61 Global Compact 54, 57

Globalisierung 25, 32, 45, 103 – 113 siehe auch Welthandel – als Prozess und Idealtyp 104 – 106 – Anpassungsmechanismen 112 – 113 – Auswirkungen 113 – 144, 215 – Begriff 103 – 108 – Dimensionen 104 – Empirischer Befund 108 – 113 – Kriterien 106 – 108 – Rückgängigmachung 147 – Skeptiker 105, 109 – Transformationalisten 105 Goldstandard 109 GPA 266 – 267, 284 Grauzonenmaßnahmen 41 Grundfreiheiten 160 – 173 siehe auch Europäische Union – als Beschränkungsverbote 161 – Arbeitnehmerentsendung 168 – Auswirkungen auf Sozialversicherungsmonopole 162 – 166 – Dienstleistungsrichtlinie 168 – 169 – Entsenderichtlinie 168 – Freizügigkeitsverordnung 166 – Rechtfertigungsgründe 161 – und Arbeitnehmerentsendung 168 – und Arbeitsrecht 167 – 170 – und Gesellschaftsrecht 169 – und Gesundheitswesen 163 – 166 – und Sozialleistungen 166 – 167 – Wanderarbeitnehmer-Verordnung 158, 162 Gütesiegel 55, 72 Handel siehe Welthandel Handelshemmnis-Verordnung 229 Havanna-Charta 39 Heckscher-Ohlin-Modell 117, 121 hoheitliche Tätigkeiten siehe GATS ICSID 150 ILO 50 – 53 – Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work siehe dort – Effizienz 80 – fundamental conventions siehe dort – Gründung 51 – Konventionen 52 – 53

Sachwortverzeichnis – Struktur 52 – Überwachungsmechanismus 79, 94 ILO-Verfassung Art. 33 79 – 80, 82 – 83 Individualklage 225 Industrieländer, Begriff 26 Inländerprinzip 232 – im GATS 245 – 246, 253 – 259 – im GATT 40, 99, 201, 233 – 239 – im TRIPS 291 institutioneller Wettbewerb siehe Systemwettbewerb Integration, negative und positive 156 – 157, 192, 218 – 219 Interdisziplinarität 27 – 31 Internationale Arbeitsorganisation siehe ILO Internationale Handelsorganisation 38 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 50 Internationaler Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte 50 Internationaler Währungsfonds siehe IWF Internationalisierung 105, 107, 219, 247, 280 siehe auch Globalisierung Interventionsverbot 61, 62 Investitionen, grenzüberschreitende siehe Direktinvestitionen ITO 38 IWF 55, 95, 113, 213 Kapitalmobilität siehe Mobilität von Produktionsfaktoren Kapitalverkehrskontrollen 150 Kernarbeitsrechte siehe Sozialstandards Kernbereich siehe Mindeststandards Kinderarbeit 56, 73 Kinderarbeitskonvention 57 Kinderrechtskonvention 50, 56 Klageverfahren 79, 80 Koalitionsfreiheit 56 Kodizes siehe Codes of Conduct Kombinationsstandards 55 komparative Vorteile siehe Freihandelstheorie Konditionalisierung siehe Entwicklungszusammenarbeit, konditionierte Konsensprinzip siehe Verrechtlichung

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Konstitutionalisierung 226 – 228 Konzessionslisten 243 – 244, 272 – horizontale Ausnahmebestimmungen 281 labour standards 33 legitime komparative Vorteile 151 – 153 Leistungsexport – im Europarecht 159, 163 – 166 – im GATS 258, 283 – im GATT 235 – 239 Leontief-Paradoxon 118 lex mercatoria 112 linkage siehe Verknüpfung Marktfreiheiten siehe Europäische Union Marktöffnung 70 – 72 Marktzugangsprinzip siehe GATS Art. XVI Mehrheitserfordernisse siehe Verrechtlichung der Entscheidungsverfahren Meistbegünstigungsprinzip 232 – im GATS 242, 249 – im GATT 39, 99, 201 – 203, 232 – 233 – im TRIPS 291 Menschenrechte 59 – als Sozialstandards 58 – 60 – Generationen 48 – 49 – internationale 48 – 50 – kollektive 49 – Kulturrelativismus 66 – soziale 49 – Universalität 66 Menschenrechtsausschuss 84 Mindeststandards 58 – 60, 102, 151 – 154 – als Rahmen des Systemwettbewerbs 151 – 154 Mobilität von Produktionsfaktoren 107, 109 – 110 siehe auch Direktinvestitionen, Globalisierung – Arbeitskräftemobilität 110, 126 – Auswirkungen 124 – 144, 150 – 154 – Verhältnis zur Sozialklausel 150 – 154 Monopolkontrolle – im GATS siehe GATS Art. VIII – im GATT siehe GATT Art. II – und Europarecht siehe Europäisches Wettbewerbsrecht Multilateral Agreement of Investments 150

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Sachwortverzeichnis

Myanmar 80, 82 necessary-Kriterium siehe Erforderlichkeit Neue Außenhandelstheorie 118 – 120, 127 – 128 New International Economics siehe Neue Außenhandelstheorie Niederlassungsfreiheit siehe Grundfreiheiten öffentliche Beschaffung – im GATS siehe GATS Art. XIII – im GATT siehe GATT Öffnungsklausel 98 ökonomische Theorie des Gesellschaftsvertrages 140 ökonomische Theorie des Sozialstaates 138 – 139, 141 Optimalzoll 118 Opt-out-Möglichkeit 112, 132, 142 – 143, 147 Panel-Verfahren siehe Streitbeilegung Patente siehe TRIPS Pflanzenschutz siehe SPS Politische Ökonomie 131 Portfolio-Investitionen 102 Privatisierung 113 Produktionsfaktoren siehe Mobilität von Produktionsfaktoren public choice-Theorie 130 public utilities siehe Daseinsvorsorge Quersubventionierung 183 race to the bottom siehe Abwärtsspirale Rechnungswesen 274 – 276 Reference Paper siehe Telekommunikation Regionalisierung 105, 110 – 112, 195 Risikobewertung siehe SPS Schutzklausel siehe GATT Art. XIX Schutzmaßnahmenübereinkommen 210 section 301 229 security exception siehe GATT Art. XXI service public siehe Daseinsvorsorge Singapore-Declaration 44, 78 single package-approach 43, 206, 209 Skalenerträge 119

Souveränität 60 – 69, 151 – 153 Sozialklausel – allgemeine 319 – 321 – als Öffnungsklausel 313 – 318 – Begriff 28 – 29, 33 – 34 – entwicklungspolitische Einwände 69 – 75 – in der WTO 43 – 46 – in ITO und GATT 38 – 43 – materieller Gehalt 75 – 77, 102 – 103, 153 – 154, 311 – Missbrauchsgefahr 75 – nationale 36 – 37 – organisatorische Umsetzung 97 – 99 – Verfahrensanforderungen 77 – 78, 98 – Verhältnis zum Außenhandel 144 – 150 – Verhältnis zur Entwicklungszusammenarbeit 74 – Verhältnis zur Marktöffnung 70 – 72 – Verhältnis zur Mobilität von Produktionsfaktoren 150 – 154 – Zielsetzung 29, 46 – 75, 101 – 103, 155 – 156 – zum Schutz vor Systemwettbewerb 155 – Zusammenarbeit 92 – 99 – zweistufige 75 – 77 Sozialordnung Begriff 31 – 32 Sozialpolitik – europäische siehe dort – globale 312 – 313 Sozialstandards – Begriff 28 – 29, 32 – 33 – Kosten 133 – 137 – menschenrechtlicher Kerngehalt 58 – 60 – Mindeststandards siehe dort – relative 69 – 70, 153 Spezialisierungsgewinne 117, 146, 147 Spill over-Effekte 142 SPS 212 – 213, 217 – 219, 260 Steuerungsfähigkeit 113 Steuerwettbewerb 142 – 143 – Koordinierung 148 – 151 Stolper-Samuelson-Theorem 120 – 121, 125, 127 strategische Handelspolitik 119 Streitbeilegung – abschließende Natur 99 – Appellate Body 207

Sachwortverzeichnis – cross retaliation 43, 208, 302 – Dispute Settlement Body 43, 206 – im traditionellen GATT 195 – 199 – Panel 40, 92, 196, 207 – Primat der Politik 196 – 198 – Verrechtlichung siehe dort – working parties 196 Subventionen im GATS 285, 307 Subventionsübereinkommen 87, 146, 300 – 306 Systemwettbewerb 128 – 129 siehe auch Steuerwettbewerb – Auswirkungen 129 – 144 TBT 211 – 212, 217 – 219, 260 technische Handelshemmnisse siehe TBT Telekommunikation 276 – 280 siehe auch GATS Art. VIII Tobin-Tax 148 TRIMs 150, 213 TRIPS – Art. 3 siehe Inländerprinzip – Art. 4 siehe Meistbegünstigungsprinzip – Art. 8 292 – Art. 31 293 – 295 – Art. 40 308 – Art. 65 146 – Inländerprinzip siehe dort – Meistbegünstigungsprinzip siehe dort Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen siehe GPA Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen siehe SPS Übereinkommen über technische Handelshemmnisse siehe TBT Umweltschutz 216 – 218 UN – ECOSOC 83 – Menschenrechtsausschuss 84 – Menschenrechtssystem 48 – 50 – Zuständigkeit für Sozialklausel 83 – 84 UN-Charta – Art. 2 60, 61 – Art. 55 49 unbundling 183, 278 Universaldienste

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– Begriff 182 UN-Kaufrecht 112 unmittelbare Anwendbarkeit – des GATT 200 – 202 – des WTO-Rechts 221 – 225 Unternehmensbegriff siehe Europäisches Wettbewerbsrecht Verbot nichttarifärer Handelsbeeinträchtigungen siehe Art. III und XI GATT Verfassungsentwicklung siehe Konstitutionalisierung Verflechtung, internationale siehe Globalisierung Vergaberecht siehe öffentliche Beschaffung Verhaltenskodizes siehe Codes of Conduct Verhältnismäßigkeitsprinzip 68 siehe auch Erforderlichkeit Verknüpfung 34 – 35 – materielle 34, 101, 155 – strategische 35, 46, 85, 151 Verrechtlichung – alternative Mechanismen 228 – 231 – der Entscheidungsverfahren 205 – 206 – der Organisationsform 204 – 205 – der Streitbeilegung 206 – 209 – durch Gründung der WTO 215 – Konstitutionalisierung siehe dort Vertragsänderung siehe Verrechtlichung der Entscheidungsverfahren Vorrangstellung 226, 227 waiver-Verfahren 210 – 211, 237 Wanderarbeitnehmer-Verordnung siehe Grundfreiheiten Warenhandel siehe Welthandel Weltbank 55, 95, 113, 150 Welthandel 107 – 109, 111 siehe auch Außenhandel, Globalisierung Weltwährungssystem 113 Weltwirtschaft siehe Globalisierung Wettbewerb der Nationalstaaten siehe Systemwettbewerb Wettbewerbsrecht – europäisches siehe Europäisches Wettbewerbsrecht – im GATS 306 – 308 – im GATT 298 – 306

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Sachwortverzeichnis

– im TRIPS 308 – in der WTO 296 – 297 Wettlauf nach unten siehe Abwärtsspirale Wirtschaftssanktionen 63, 64 – staatsbezogene 74 Wirtschaftsverflechtung siehe Globalisierung Working Party on Domestic Regulation 248, 274, 285 Working Party on Professional Services 248 WTO – als Weltwirtschaftsordnung 213 – 214 – Antidumping siehe dort – Ausnahmebestimmungen 87 – 90 – Dumping siehe Antidumping – Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer 85 – 86

– soziale Elemente 85 – 90 – sozialpolitische Neutralität 219 – 221 – Streitbeilegung siehe dort – Struktur 42 – 43 – Subventionen siehe dort – Überfrachtungsgefahr 91 – 92 – Verrechtlichung siehe dort WTO-Übereinkommen – Art. III 214 – Art. V 96, 98 – Art. IX 205, 210 – Art. X 97, 205, 227 – Art. XVI 222, 227 Zollunionen 232, 242