Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie. Band 3 Vasallenstaaten - Zwangsverschickung: Mit Anhang. Abessinien - Weltgerichtshof, Sachverzeichnis und Mitarbeiterregister [Reprint 2016 ed.] 9783111474809, 9783111107844


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Anhang
Nachträge und Ergänzungen. Abessinien – „ King-Stephen"-Fall.
Nachträge und Ergänzungen. Kogrundrinnenfrage – Weltgerichtshof
Nachträge und Ergänzungen. Ergänzung: Strittige Gebiete
Sachverzeichnis
Mitarbeiter-Register
Berichtigungen
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Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie. Band 3 Vasallenstaaten - Zwangsverschickung: Mit Anhang. Abessinien - Weltgerichtshof, Sachverzeichnis und Mitarbeiterregister [Reprint 2016 ed.]
 9783111474809, 9783111107844

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WÖRTERBUCH DES

VÖLKERRECHTS UND DER

DIPLOMATIE BEGONNEN VON

PROF. DR. J U L I U S HATSCHEK f

FORTGESETZT UND HERAUSGEGEBEN VON

DR. KARL STRUPP

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT FRANKFURT Α. M. ASSOCIÉ DE L'INSTITUT DE DROIT INTERNATIONAL MEMBRE DE L'ACADÉMIE DIPLOMATIQUE INTERNATIONALE

DRITTER BAND

VASALLENSTAATEN ZWANGSVERSCHICKUNG MIT ANHANG:

ABESSINIEN -

WELTGERICHTSHOF

SACHVERZEICHNIS UND MITARBEITERREGISTER

WALTER DE GRUYTER & CO.

VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAG. VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER - VEIT & COMP. BERLIN und LEIPZIG 1929

Alle Rechte

vorbehalten.

Copyright 1929 by W a l t e r d e G r u y t e r fügte 3 0 % hinzu, Florida (1819) 2 % , Texas (1845) 12%, der Nordwesten (1846) 8 % , das von Mexiko abgerissene Land (1848) 18% und endlich der Gadsden-Kauf (1853) 2 % . Das Gebiet der ersten 13 Staaten beruhte auf Vergabungen seitens der englischen Krone, und zwar auf Grund von Entdeckung oder Abtretung. Von dem Gebietszuwachs handelt es sich in den Jahren 1803, 1819, 1853 und 1867 im Fall Alaskas um Kauf, 1783 und 1846 in Verträgen mit Großbritannien um Abtretung, während 1845 Texas annektiert und das südwestliche Gebiet 1848 nach einem Kriege mit Mexiko „abgetreten" wurden. Von den Inselbesitzungen ist Hawaii 1898 annektiert worden, die Philippinen mit Porto Rico und Guam wurden 1898 infolge des Krieges mit Spanien „abgetreten"; Tutuila kam 1899 durch den Samoa-Vertrag mit dem Deutschen Reiche und Großbritannien an die USA. Der letzte Landkauf (1917) betraf die Jungferninseln, nachdem sich die Union ein halbes Jahrhundert unter Staatssekretär Seward, dem Erwerber Alaskas, und Präsident Roosevelt vergeblich darum bemüht hatte. Die Panamakanalzone wurde 1903 — nach Beseitigung diplomatischer Schwierigkeiten mit Großbritannien (s. Hay-Pauncefote-Vertrag 1901) — durch die „Isthmian Canal Convention" zwischen Panama und den USA. geschaffen, und zwar erhielt die Union kein Besitzrecht, sondern nur das Recht ewiger Benutzung, des Gebrauchs und der vollen Kontrolle. Den nackten T a t sachen nach handelt es sich um einen ziemlich erzwungenen „Pachtvertrag" auf Grund einer rechtzeitig gemachten Revolution, die eine „unabhängige" und willige Republik des Namens Panama von der nicht willfährigen Republik Kolumbien abriß. Kolumbien, das die Bildung dieser Republik f ü r rechtswidrig ansehen mußte, wurde mit seinen Ansprüchen erst unter Präsident Harding befriedigt. Ein Vertrag, der ihm eine Entschädigung von 25 Mill. $ zuspricht, wurde 1921 beiderseits ratifiziert. Neue Probleme sind durch die Regulierung

Vereinigte Staaten von Amerika der Grenzen Panamas entstanden. Die Grenze gegen Kolumbien wurde 1921 durch den Thompson-Urrutia-Vertrag bestimmt. Die Grenze gegen Costa Rica ist schon 1900 Gegenstand eines Schiedsspruchs des französischen Präsidenten Loubet gewesen; dieser Spruch wurde 1914 durch Oberrichter White des „Supreme Court" in Washington interpretiert, aber Panama widersetzte sich dem heftig. Ein Grenzkrieg drohte. Schließlich kam es zwischen USA. und Costa Rica am 8. II. 1923 zu einem „Protokoll", wodurch besonders die Rechte Costa Ricas (nicht Panamas!) auf das Gebiet festgelegt sind, durch das der neugeplante Nicaragua-Kanal gehen soll. Ein neuer Vertrag der Union mit Panama ist unter Erwägung. II. Der Weltkrieg hat Amerika ein gewisses Anrecht auf die Insel Y a p , eine der deutschen Karolinen-Inseln, verschafft. Yap ist durch seine Lage zwischen Amerika, den Philippinen und J a p a n von strategischer Bedeutung und wird von einem amerikanischen Kabel San Francisco—Guam berührt. Durch den „Friedensvertrag" von Versailles wurde es japanisches „ M a n d a t " , was jedoch die Union zuerst nicht anerkannte. Eine Einigung kam erst auf der Washingtoner Konferenz von 1921 zustande. Der YapVertrag zwischen den USA. und Japan wurde am 12. X I I . 1921 in Washington veröffentlicht und am 1. III. 1922 vom US.-Senat ratifiziert. Er wahrt Amerika alle Rechte, freien Zugang und freie Benutzung, Befreiung von jeder Kabelzensur, von Besteuerung oder Kontrolle, im übrigen volle Gleichheit mit J a p a n , dessen Verwaltung anerkannt wird, das aber die Insel nicht militarisieren und nicht als Flottenstützpunkt ausbauen darf. III. Für die Staatsentwicklung der Union ist der nordamerikanische Kontinent die natürliche Gegebenheit. Die ursprünglichen Kolonien im Osten begannen als einseitige maritime Staatsgebilde, dann schob sich das Staatsleben zusammen mit der Bevölkerung langsam nach Westen, bis das Gestade des Stillen Ozeans erreicht war. Mit dem Jahre 1880 läßt die amtliche Volkszählung die Grenze in der Westbewegung aufhören. Damit ist, wie der amerikanische Historiker Frederick J . Turner grundlegend nachgewiesen hat, das Ende einer großen historischen Bewegung bezeichnet, einer Entwicklung, die auch f ü r das staatliche Werden von allergrößter Bedeutung ist; denn die Grenze in der amerikanischen Geschichte ist nicht nur Siedlungs- und Freilandsgrenze, sondern auch Amerikanisationsgrenze im staats- und gesellschaftsbildenden Sinne. Schon der Begriff dieser amerikanischen Grenze war uneuropäisch. Die Westwärtsbewegung der Grenze

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bedeutete zugleich eine Fortbewegung von Europas Einfluß und einen steten Fortschritt nach einem unabhängigen Amerikanertum. Mit dieser Grenze hängt die amerikanische Demokratie unzertrennlich zusammen, die weniger aus politischer Theorie oder einer inspirierten Verfassung reifte, als vielmehr aus dem amerikanischen Wald kam. Sie wirkte aus dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustand des Pioniertums heraus gegen den Provinzialismus besonders der Küstenstaaten; schon die fließende Bevölkerung des Grenzlandes verhinderte jeden starren „Lokalismus"; sie formte den Nationalismus, der nach dem Bürgerkrieg (1861 bis 1865) dann ein das ganze Land umfassender Amerikanismus werden konnte. Nicht zuletzt auch lernte Amerika an der Grenze das Massenproblem in seinem Staatsleben lösen. Nur so konnte eine Republik größten Stils erwachsen. Zur amerikanischen Demokratie gehört wesentlich der amerikanische Individualismus, der erst im Weltkrieg eine entscheidende Wendung erhalten zu haben scheint. Die Grenze züchtete diesen Individualismus mit geradezu antisozialer Tendenz, der deshalb gegen alle staatliche Kontrolle eingenommen war und der Ende des 18. Jahrhunderts in der sog. Revolution die Freiheit des einzelnen oft mit der Abwesenheit jeder wirksamen Regierung verwechselte; auch die Scheu vor Steuern, besonders der Einkommensteuer, erklärt sich hieraus. Erst 1913 konnte ein Einkommensteuergesetz für die gesamte Union auf Grund einer Verfassungsänderung (I § 9 und Zusatzart. XVI) erlassen werden. Aus den jeweils westlichen Teilen des Landes kamen alle freiheitlichen Bestrebungen wie die Erweiterung des Wahlrechts, kamen die liberalsten einzelnen Staatsverfassungen, kamen aber auch die Nachteile und Mißstände, welche das amerikanische Staatsleben noch heute korrumpieren. Dieser Individualismus züchtete nämlich eine gründliche Laxheit bezüglich aller Regierungsangelegenheiten und des Geschäfts- und Bankwesens, eine schrankenlose Ichsucht in Politik und Wirtschaft mit „spoils system", wilder Spekulation und Raubbau, ermutigte das Experimentieren mit politischen und wirtschaftlichen Einrichtungen, am liebsten mit Währungsfragen, und lebte sich gern in theoretischem Radikalismus und gutgemeintem, aber erfolglosem Reformeifer aus. Kurz, wie der amerikanische Kontinent die Grenze bedingte, so bedingte diese ihrerseits das Amerikanertum in Politik und Wirtschaft, ja in allen Fragen der Kultur. Die Grenze gab schließlich auch allem amerikanischem Streben die erfolgsichere praktische Art und den großen freien

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expansiven Zug, der Ende des 19. Jahrhunderts zu einem hemmungslosen Kapitalismus und wirtschaftspolitisch gerichteten Imperialismus führte. IV. Amerikas Lage zwischen den beiden Weltmeeren bleibt der geopolitische Schlüssel zu seiner Weltgeltung, die ganz natürlich im amerikanischen Erdteil begann. Der Union Vormachtstellung in Mittel- und Südamerika beruht auf einer naturgesetzlichen politischen Bewegung. Auf dem Wege nach dem Westen von Nord- und Südamerika benötigte sie die mittelamerikanischen Republiken mit ihrer Zweiweltmeerlage, die verkehrsgeographisch von größter Wichtigkeit ist (Panama- und Nicaragua-Kanal). Zur Sicherung dieses Weges brauchte sie im Karibischen Meer eine starke Stellung. Ihre Politik in diesem Gebiet von Kuba bis zu den Jungferninseln ist so leicht zu verstehen. In absehbarer Zeit wird das gesamte Westindien in der Gewalt der Union sein. Selbst Großbritannien wird das nicht aufhalten können, sondern sich mit einem möglichst großen Anteil an der „friedlichen Durchdringung" Südamerikas begnügen müssen. Bei den diplomatischen Verhandlungen über den Panamakanal hat es die entsprechenden politischen Konsequenzen bereits gezogen. Dasselbe gilt auch f ü r die amerikanische Expansion im Stillen Ozean, mit der sich Großbritannien übrigens ähnlich klug abgefunden hat, weil auch hier die Vormachtstellung der Union von vornherein geopolitisch gesichert war. Mit der festen Besiedlung der nordamerikanischen Westküste ergab sich der Stille Ozean von selbst als besonderes Einflußgebiet, in dem dann seit dem Sieg über Spanien 1898 bewußte imperialistische Politik getrieben wurde. Die Eroberungen von den Philippinen, Guam und anderen kleinen Inseln, die Annexion von Hawaii und die Erwerbung von Samoa sind Glieder ein und derselben Kette. Schon bei der unmittelbaren Vorgeschichte der Monroedoktrin, in dem Streit zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland 1821, zeigte sich Amerikas besonderes Interesse an Schifffahrt und Fischfang im nördlichen Stillen Ozean, und der Kauf Alaskas 1867 verriet wenigstens bei dem bedeutenden Staatssekretär Seward, der den Kauf abschloß, die volle Erkenntnis von der Bedeutung dieses Ozeans für Nordamerika. Der Panamakanal, dessen Hauptnutzen außer New Yorks Hafen die ganze Westküste von Nord- und Südamerika haben wird, gibt der amerikanischen Stellung im Stillen Ozean eine überaus wichtige neue Bedeutung.

wie auch Großbritannien mit J a p a n auseinandersetzen, für das der Pazifik nicht minder als f ü r Amerika natürlicher Spielplatz seiner Expansion ist. Was Großbritannien durch verschiedene Bündnisverträge mit J a p a n (1902, 1905, 1911) erstrebte, bewirkte die Union zunächst durch die Lansing-IshiiÜbereinkunft vom 2. XI. 1917, worin vorzüglich Japans Sonderinteressen in China anerkannt wurden. Auf der sog. Abrüstungskonferenz zu Washington, die vor allem die Interessen des Stillen Ozeans zum Ziel hatte, wurde zwischen Großbritannien, der Union und J a p a n ein Flottenprogramm im Verhältnis von 5 : 5 : 3 festgesetzt. Das beseitigte ein gewisses japanisch-amerikanisches Wettrüsten. Wichtiger jedoch war der Viermächte-Vertrag (Four-Power Pacific Treaty) vom 13. X I I . 1921, durch den sich die drei genannten und Frankreich ihre Besitzungen und Herrschaftsrechte für die nächsten 10 J a h r e gegenseitig garantierten und sich verpflichteten, etwaige Schwierigkeiten im Stillen Ozean im Wege einer gemeinsamen Konferenz zu erledigen. Zu diesem Vertrag gehört inhaltlich das Yap-Übereinkommen. Mit der Ratifizierung des Viermächtevertrags wurde das alte britisch-amerikanische Sonderbündnis gegenstandslos und automatisch aufgehoben. Hiermit deuteten jedenfalls Amerikas diplomatische Anstrengungen auf ein geschäftskluges Zusammengehen mit Japan.

VI. Freilich werden diese Bemühungen schon seit Jahrzehnten durch die sog. j a p a nische Frage innerhalb der Union gehemmt. Es stoßen hier außenpolitische Nützlichkeiten mit innerpolitischen Forderungen oder Notwendigkeiten zusammen. Eine ernstliche japanische Einwanderung fand erst nach 1880 statt, und zwar einige Dekaden lang bedeutend mehr nach Hawaii als nach dem Kontinent, bis 1910 die Zahlen f ü r beide Plätze ungefähr gleich wurden; 1920 waren 110010 Japaner im kontinentalen Amerika gegenüber 109274 in Hawaii. Die meisten (71952 und 17387) finden sich in den westlichsten Staaten Kalifornien und Washington, wo sie einen beträchtlichen wirtschaftlichen Faktor darstellen. Von einer Wirtschaftsg e f a h r läßt sich selbst da kaum reden, es sei denn in der Form gefährlicher Arbeitskonkurrenz; wichtiger sind sozialpolitische und -ethische und neuerdings rassenpolitische Gründe, die gegen die „gelbe Gefahr" ins Feld geführt werden. Die Ausnahmegesetze ( F r i s c h , Fremdenrecht, S. 108ff.; F r e u n d , Öffentliches Recht der V. St. § 60) begannen in dem sich zumeist bedroht fühlenden Kalifornien. Von Bundes wegen mußten jedoch verschiedene scharfe Maßregeln dieses Staates V. Im Stillen Ozean mußte sich die Union aufgehoben werden, ζ. T. weil sie verfassungs-

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widrig waren oder gegen internationale Ver- bei ihrem Vorgehen die Unterstützung von Großbritannien sowie ganz besonders von träge verstießen. Die Bundesregierung versuchte es ihrer- Kanada und Australien, die alle ähnlich wie seits mit diplomatischen Verhandlungen. die USA. ihre gelbe Frage zu lösen streben. VII. Die Einwandererfrage ( F r i s c h , Zahlreiche Verträge mit China zwecks gänzlicher Aufhebung der chinesischen Einwande- Fremdenrecht, S. 94ff.) hat noch eine berung brachten nur teilweise Erfolge; immerhin achtenswerte rechtliche Seite. Daß die Entwaren die 71531 Chinesen der Union nach der I Scheidung über die Zulassung erst im ameriVolkszählung von 1910 auf 61639 im Jahre ί kanischen Hafen erfolgt, ist an sich schon 1920 zurückgegangen. Ähnlich strebte die j eine Härte f ü r die Auswanderer, aber beUnion nach einer Verständigung mit Japan. ¡ denklich ist das gesamte Ausschluß-VerDas „Gentlemen's Agreement" von 1907, das f a h r e n . Die letzte Instanz in allen Einwandie japanische Regierung verpflichtete, neuen derungsfragen liegt beim Secretary of Labor, japanischen Arbeitern Pässe nicht mehr aus- an den sich der Einwanderer wenden darf, zustellen, wirkte aber nur unvollkommen. nachdem die Einwanderungsinspektoren und Kalifornien ließ deshalb in seiner Abwehr eine Sonderbehörde (Board of special inquiry) nicht nach und gewann langsam die öffent- über ihn entschieden haben. Hierbei fehlt liche Meinung der Union. Hinzu kommt, daß jede Vorbedingung eines geregelten RechtsKalifornien heute die maßgebende Rolle im verfahrens, und der Willkür politischer Beganzen Westen spielt (vgl. F. T e r m e r , amten ist kein Zügel angelegt (vgl. L o u i s Ztschr. f. Geopolitik I, 5, S. 328ff.) und auf F. P o s t , Administrative Decisions in Conseine Stimmen bei der Präsidentenwahl nection with Immigration, Am. Pol. Science parteipolitisch Rücksicht zu nehmen ist. Rev. 251 ff. [1916]; Z. C h a f e e , Freedom of Schließlich nahm der Kongreß wohl oder Speech, New York 1920, besonders S. 229ff.; übel zur japanischen Frage Stellung. Seit The Deportation Cases of 1919—1920. A dem Weltkrieg hatte überdies im ganzen study by Constanine M. Panunzio, New York Lande die Unbeliebtheit der „aliens" ständig 1921). zugenommen und zu einer entsprechenden Solchem Mangel an echtem Rechtsschutz allgemeinen Verschärfung der Einwanderungs- f ü r die Einwanderer entspricht eine allgegesetze geführt. Das Burnett-Dillingham- meine Rechtlosigkeit oder wenigstens RechtsGesetz von 1917, das den sog. literacy test unsicherheit hinsichtlich der Ausländer, die für alle Einwanderer einführte, erlebte eine im Gebiete der Union wohnen. Ursprünglich Reihe Zusätze und zuletzt eine Erweiterung bestimmte Art. III § 2 der Bundesverfassung, vom 19. V. 1921, wonach die Zahl der zu- daß sich die richterliche Gewalt des Obersten lässigen Einwanderer auf 3 % der Zahl der Gerichtshofs auch auf Streitfragen erstrecke betreffenden Nationalität beschränkt wurde, ,,zwischen einem Staat oder dessen Bürgern die nach der Volkszählung von 1910 in den und fremden Staaten, Bürgern oder UnterUSA. wohnte. Dieses bis zum 30. VI. 1924 tanen". Das wurde aber bereits 1794/98 verlängerte Gesetz wurde 1924 noch weiter durch den Zusatzartikel X I ausdrücklich verschärft, indem die Quote auf 2 % nach eingeschränkt; bei Rechtsstreiten eines Staats der Volkszählung von 1890 festgesetzt und der Union mit Bürgern eines anderen Staats die Einwanderung von Japanern einfach ver- oder mit Bürgern oder Untertanen eines boten wurde. Daß hinter diesem Gesetz das fremden Staats erlosch die Zuständigkeit der amerikanische Volk in überwiegender Mehr- Bundesgerichte. Damit wurde die Haftung heit steht, ist zweifellos, und ebenso, daß es des Bundes gegenüber Ausländern beseitigt, sich in diesem Fall nicht um eine Mißachtung also die Staatenhaftung tatsächlich prakdes Völkerrechts handelt. Hier stehen nach tisch unwirksam gemacht (vgl. dagegen v o n F r i s c h „die vitalen Interessen eines „Ausländer" und „Versagen der Bundesselbstbewußten und mächtigen Reiches auf kontrolle", F r e u n d , öffentliches Recht der dem Spiel, das sich nie und nimmer wird V. St. §§ 59, 40). Fremde Staaten können die Mittel vorschreiben lassen, die es für sich unmöglich an die Einzelstaaten der seine E r h a l t u n g f ü r notwendig hält." Union halten. Andererseits dürfte Japan jedoch in dem VIII. Nach J a m e s B r y c e (Modern neuen Gesetz ein»? Rechtsverletzung seiner Verträge mit der Union erblicken, ja sogar Democracies, New York 1921, II, 27) haben in dieser Abweisung „die Natur eines die USA. hauptsächlich dreierlei zur angebeigetragen: unfreundlichen Aktes" annehmen, gegen wandten Staatswissenschaft 1. feste geschriebene Verfassungen, 2. die Verden Vergeltungsmaßnahmen zulässig sind ( S t r u p p , Grundzüge 2 , S. 68). Es ist aber wendung der Gerichtshöfe zur Auslegung der zu bezweifeln, ob es die M a c h t zu wirksamer Verfassung und 3. die Organisation der poliVergeltung hat. Die Union hat außerdem tischen Parteien. Der erste Beitrag kann noch umfassender bezeichnet werden als:

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Bundesstaat, mit dessen Werden die Entstehung der Bundesverfassung unzertrennlich verknüpft ist. Erst diese Verfassung machte die amerikanische Nation zu einem Staat. Zum ersten Male in der Geschichte wurde in den USA. der Föderalismus in großem Maßstab durchgeführt, und ebenso wurde die republikanische Regierungsform in einem umfänglichen Staatswesen erprobt. Zu diesem föderativen und republikanischen Charakter der amerikanischen Regierung kommt an dritter Stelle der demokratische, und als ein großes demokratisches Experiment sind die Vereinigten Staaten seit ihrer Unabhängigkeit von der Welt und nicht zuletzt ihren eigenen Bürgern betrachtet und gewertet worden. Nur darf man in diesem ganzen staatlichen Werden keine starren Prinzipien suchen. Am konsequentesten durchgeführt erscheint noch der Republikanismus. Die Verfassung garantiert von Bundes wegen jedem Einzelstaat die republikanische Regierungsform (Art. IV § 4). Freilich findet sich nirgendwo eine Definition der Republik als solcher. IX. Der amerikanische Föderalismus ist schon weniger nach Theorie oder Grundsatz zu beurteilen. Man denke allein an das Größenverhältnis der einzelnen Staaten zueinander. Texas ist so groß wie England, Wales und Frankreich zusammen, Rhode Island ist V213 von Texas. Ihre Grenzen verdankten sie oft dem reinen Zufall, einem Wasserlauf als natürlicher Grenze oder der Willkür oder praktischen Bequemlichkeit des Landmessers, der seinen Grenzstrich nicht selten einen Breitengrad entlang zog. An Größe und Gestalt, Bodenbeschaffenheit und Bevölkerung (New York Staat 10 Millionen, Nevada 77000 Einwohner !) sind diese Staaten nicht weniger mannigfaltig als die politischen Teile des Deutschen Reiches. Und da sie noch zielloser geformt wurden, als es in Deutschland durch die Hauspolitik gewisser Fürsten schlimmstenfalls geschah, so erübrigt sich fast die Feststellung, daß drüben ebensowenig wie hüben staatliche Gebilde mit in sich abgeschlossenen Wirtschaftsgebieten zusammenfallen. Nur das Sonderdasein der einmal vorhandenen Staaten der Union wurde von vornherein stark geschützt durch Art. IV § 3 der Verfassung. So verschieden die heute 48 Staaten nach ihren Staatsverfassungen sind, nach Gesetzen und Gerichten, nach Steuersystem und Lokalverwaltung, trotzdem sind sie vor der Bundesverfassung alle gleich, sie haben denselben gesetzlichen Status. Kein Staat besitzt Separatrechte. Beschränkungen, die durch die Bundesverfassung den Einzelstaaten auferlegt sind, gelten für alle in gleicher Weise.

Nur eine Einschränkung ist zu machen: bei Neuaufnahmen kann der Bundeskongreß dem neuaufzunehmenden Staat Bedingungen stellen, die anderen Staaten nicht auferlegt wurden. Die Beispiele sind zahlreich. Aber diese Beschränkung der staatlichen Gleichheit ist mehr scheinbar als wirklich. Einmal in den Bund aufgenommen, braucht sich der neue Staat nicht mehr um die Aufnahmebedingung zu kümmern. So wurde der letzte Staat Arizona 1912 unter der Bedingung zugelassen, daß eine Klausel seiner Staatsverfassung gestrichen wurde, und innerhalb eines J a h r e s nach der Aufnahme wurde der gestrichene Paragraph wieder als Zusatz zur Staatsverfassung aufgenommen. Es handelte sich dabei um die Abberufung von Richtern durch Volksabstimmung. Über Vor- und Nachteile des Bundesstaats ist viel zu sagen, in neuerer Zeit scheint der Einheitsstaatsgedanke an Boden zu gewinnen (Britisch-Südafrika 1909/10; China 1911 . . .), und selbst in den Vereinigten Staaten wird die Zentralregierung auf Kosten der einzelnen staatlichen immer mehr verstärkt, und zwar infolge Verfassungserweiterung, Interpretation und Gebrauchs (ζ. B. Bundes- Einkommensteuer, interstaatlicher Handel und Verkehr, Antialkoholgesetzgebung). Der Weltkrieg hat eine ungemein große Bedeutung für die Stärkung der Bundesgewalt im allgemeinen und der Exekutive im besonderen. X. Über die Demokratie in den Vereinigten Staaten ist vielleicht am schwierigsten Klarheit zu gewinnen. Vorbedingung ist dabei, keine extremen Forderungen zu stellen. Am besten durchleuchtet heute das ganze Problem J a m e s B r y c e in „Modern Democracies" (1. Teil des I. Bd.), der anschließend eine im ganzen vorzügliche Darstellung der USA. gibt. Während der kolonialen Periode bis zu den ersten Unabhängigkeitsbestrebungen finden wir erst Ansätze zur demokratischen Regierung. Die Puritaner Neuenglands begründeten eine streng aristokratische Theokratie oder genauer eine theokratische Oligarchie, die aber schließlich unter Einfluß des „Plymouth-Ideals" und auf Antriebe vom englischen Mutterland demokratisiert wurde. Über die koloniale Staatsentwicklung ein Gesamturteil zu geben, ist unmöglich, da die ursprünglichen 13 Kolonien in ihrer politischen Organisation und Arbeit recht verschieden waren. Immerhin bestand ein gewisses Streben nach Einheitlichkeit. Sie wurden schließlich mit Ausnahme von Rhode Island, Connecticut, Maryland, Pennsylvania und Delaware „royal provinces" mit Gouverneuren, die anderen hatten Charters, die ähnliche Regierungen

Vereinigte Staaten von Amerika vorsahen. Ausnahmslos alle hatten Legislaturen, die ständig an Macht gewannen, und besaßen praktisch dasselbe Gerichtswesen. Neben dem „Gouverneurs-Rat" gab es ein Haus mit gewählten Abgeordneten, und zwar wurde nach einem allgemeinen Gesetz gewählt; im übrigen war die Wählerschaft an Zahl gering und keineswegs „repräsentativ". Ausnahmsweise liberale Staaten waren Connecticut und Rhode Island, und eine gute Schule der Demokratie war die lokale Selbstverwaltung vor allem in den Nordstaaten (New England town). Bis 1775 hatten die Kolonisten keinen Wunsch, die politische Organisation zu zerstören, unter der sie lebten, und auch in der Revolution, die besser eine Sezession genannt wird, lebte das meiste davon weiter. XI. Es war für die Kolonien nicht leicht zusammenzuarbeiten. Zu verschieden waren sie nach der Religion und dem Kulturstand ihrer Bevölkerung, auch nach ihren wirtschaftlichen und politischen Interessen, die sich wieder aus Bodenbeschaffenheit, Klima und Beschäftigung ergaben, außerdem ermutigte auch die britische Regierung keinerlei Solidarität außer zur Verteidigung gegen Feinde Großbritanniens. Anstatt eines Bundes bestand Mißtrauen und Zwist über Grenzen, Handel und Indianerbeziehungen. Aber trotzdem fanden sich Vereinigungsbestrebungen auch schon in frühester Zeit, ζ. B. die Neuengland-Konföderation von 1643. Am wichtigsten wurde der Stempelsteuerkongreß von 9 Kolonien im Jahre 1765, zwar ohne juristische Vollmachten und ohne Einigungsplan, aber von höchst praktischen Folgen. Der 1. „kontinentale Kongreß" von 1774 in Philadelphia war eine unregelmäßige, revolutionäre Körperschaft, aber er bekam Ansehen als Symbol eines zur Verteidigung seiner Rechte geeinten Amerika. Und als am 19. IV. 1775 das erste blutige Gefecht zwischen britischen Truppen und amerikanischen Rebellen stattfand, waren bereits Delegaten zu einem 2. Kongreß ernannt, der im Mai desselben Jahres zusammentrat und im Feuer der Ereignisse zu einer de factoRegierung wurde. Von ihm ging am 4. VII. 1776 die Unabhängigkeitserklärung aus. Damit wurden aus den Kolonien „freie und unabhängige Staaten", die sich ein J a h r später „die Artikel der Konföderation und ewigen Union" schufen. Inzwischen und bis 1780 gaben sich die einzelnen Staaten ihre Verfassungen und neuen Regierungen, die teilweise recht unregelmäßig und undemokratisch eingeführt wurden, aber jahrzehntelang praktisch arbeiteten; Massachusetts z. B. erneuerte seine Verfassung von 1780 erst 1918 gründlich.

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Das wesentlich neue an diesen Verfassungen war die Auffassung, daß das Volk die einzige Quelle aller staatlichen Autorität ausmache; die Volkssouveränität wurde aber nicht sehr weit getrieben; eine volle politische Demokratie wurde allein schon durch die Eigentumsbesitzklausel für die Wahlfähigkeit verhindert. Stärker als in den Kolonialregierungen wurde betont, daß im Regierungssystem Exekutive, Legislatur und Justiz voneinander getrennt wirken müßten. Endlich verlor der Staatsgouverneur als Nachfolger des bekämpften Kolonial-Gouverneurs viel von seiner Gewalt; in den meisten Fällen wurde er einfach der Legislatur unterstellt. Die Artikel der Konföderation von 1777 formten bis 1789 einen lockeren Staatenbund von ganz unabhängigen souveränen Staaten mit all den Schwächen des „Deutschen Bundes". Man hatte einen Kongreß, aber der hatte es nur mit einzelnen Staaten, nicht mit dem Volk zu t u n ; es wurde auch nach Staaten abgestimmt. Die Folge davon war Beschlußunfähigkeit, Hilflosigkeit, Ohnmacht, besonders auf finanziellem Gebiet. Er spiegelte den Zustand der Staaten selber wieder, die einer gegen den anderen standen. Da trafen wirtschaftliche und politische Not und die Einsicht bei den Besten der Nation (Annapolis Konvention 1787) zusammen. 1787 endlich wurde eine Art Nationalversammlung in Philadelphia einberufen, die nun eine bessere, eine wirkliche Einheit herbeiführen sollte. Trotz aller Schwierigkeiten kam in verhältnismäßig kurzer Zeit eine nationale Verfassung, die richtige B u n d e s v e r f a s s u n g zustande. Mit staatsklugen Kompromissen erschlug man erstmal die staatsfeindliche Prinzipienreiterei und den Partikularismus. Durch den sog. ConnecticutKompromiß errichtete man eine gleiche Vertretung nach Staaten für den Senat (im Sinne der alten Einzelstaatssouveränität) und eine Vertretung nach der Bevölkerungszahl für das Abgeordnetenhaus. Die Proportionalvertretung in der 2. Kammer brachte die Schwierigkeit, wie man die Bevölkerung samt Sklaven zählen sollte. Man einigte sich mehr praktisch als logisch darauf, drei Fünftel der Sklaven zu zählen und entsprechend auch etwaige direkte Abgaben zu verteilen. Schließlich beschnitt man dem Kongreß das Recht, Ausfuhrzölle zu erheben und den Sklavenhandel vor 1808 zu verhindern. Mit welchen Hemmungen die Bundesverfassung auf dem Wege zur allgemeinen Anerkennung in den Staaten rechnen mußte, das kann man aus dem „Federalist" ersehen, den Hamilton, Madison und J a y 1788 in New York veröffentlichten (vgl. A. R e i n , Hamilton, Jefferson, Washington, S. 54—83).

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Vereinigte Staaten von Amerika

X I I . Die B u n d e s v e r f a s s u n g v o n 1789 ist die Grundlage der Demokratie geworden, wie sie sich heute in der Union findet. Als kurze, praktische Urkunde, ein Produkt mehr der kolonialen Erfahrung als der politischen Theorie hat sie sich fast anderthalb Jahrhunderte bewährt, wenn auch seitdem etliche Abschnitte veraltet sind und 19 Zusätze gemacht wurden. Im ganzen vergleicht man sie am besten mit einem „weiten, lebendigen, wachsenden Organismus in beständigem Fluß". Die ersten 10 Zusätze von 1789/91 waren eher „Hinzufügungen" als „Verbesserungen", sie umfaßten den Schutz der Rechte des einzelnen, die „bills of right", die einzelne Staaten — darin demokratischer als der Bund! — schon besaßen, vor allen ehrenvoll Virginia (1776). Seit 1789 ist die Entwicklung der Vereinigten Staaten immer entschiedener in der Richtung einer starken nationalen Regierung auf Grund einer unauflöslichen Vereinigung der Staaten verlaufen. Das Oberste Bundesgericht (Supreme Court) hat sich in einer Reihe wichtiger Entscheidungen juristisch wie patriotisch gleich verantwortungsvoll auf die Seite der „Nationalisten" gestellt („Federalist", W e b s t e r , Joseph Story's „Commentaries on the Constitution", 1833 . . .) und den Ansprüchen der „state rights"-Schule (besonders Calhoun) entgegen. Bedeutsam geschah das während der langen Tätigkeit von John Marshall als Oberrichter (1801 bis 1835). Auch die Zeiten der „Nullifikation" in Nord-Karolina (1832) und Georgia sind ohne Schaden vorübergegangen. Aber nicht nur über das sog. Recht des Einzelstaates, Kongreßgesetze zu nullifizieren, sondern auch über das andere „ R e c h t " der Sezession hat die Geschichte entschieden. Der Bürgerkrieg (1861—1865) hat der Union endgültig die Zukunft gesichert, und damit die innere und äußere Machtfülle, die wir heute an den USA. kennen. X I I I . Die Bundesverfassung im einzelnen zu interpretieren und ihr Wachstum und ihre internationale Bedeutung klarzulegen, ist eine Aufgabe f ü r sich. Hier sei nur noch auf einiges allgemeinere aufmerksam gemacht. Der Prozeß der Verfassungsänderung selber (Art. V) ist seit einiger Zeit unter Behandlung. So bemüht sich Senator La Follette seit 1912 um eine Vereinfachung und Demokratisierung des Verfahrens. Erfahrungen während des Weltkrieges, besonders betreffs des nationalen Alkoholverbots (Art. XVIII) weisen jedoch in die gänzlich entgegengesetzte Richtung, d. i. eine Erschwerung des „Amendment"-Verfahrens (vgl. J . T a n g e r , Amending Procedure of the

Federal Constitution, Am. Pol. Science Rev. X, 689 ff, Nov. 1916). Der 1. Zusatzartikel, der dem Kongreß Gesetze verbietet „zur Beeinträchtigung der Rede- und Preßfreiheit" ist während des Weltkrieges ohne merklichen Protest des amerikanischen Volkes gröblich verletzt worden (vgl. F r i s c h , Fremdenrecht §§ 32,33. — Z. C h a f e e , Freedom of Speech, S. 199ff.). Damit wurde das innerste Wesen der Demokratie berührt. In gewissem Sinne gehören hierher auch die staatlichen Verbote der deutschen Sprache in Schulen und in der Öffentlichkeit (vgl. Language-Bills in State Legislatures. The American Scandinavian Review, Juli-August 1919). Erst im August 1923 wurden diese Schulgesetze vom Obersten Bundesgericht für ungültig erklärt. Als wirklicher Erfolg ist zu buchen, daß sich die gesamte Regierungsgrundlage in den USA. verbreitert hat, und zwar nicht nur durch Änderungen im System, sondern auch und mehr noch durch das Erstarken der Öffentlichen Meinung. Freilich scheinen auch hier infolge des Weltkrieges unheilvolle Rückwirkungen erfolgt zu sein. XIV. Der w i r t s c h a f t l i c h e Hintergrund der Bundesverfassung ist erst sehr spät in seiner Wichtigkeit erkannt worden. Von R e v o l u t i o n zu reden, wenn es sich nur um eine politische Trennung vom Mutterlande handelte, hat keinen Sinn. Die amerikanische Revolution war aber zuerst auch ein klarer Kampf gegen Klassenvorrechte und f ü r die amerikanische Demokratie in S t a a t u n d Gesellschaft. Die feurigsten Patrioten waren zugleich radikal gesinnte Reformer. Nur so versteht man die Einführung der „bills of right" in die Verfassung mehrerer Staaten und zuletzt sogar in die des Bundes und versteht man die Unabhängigkeitserklärung, die schließlich die alte absolute Idee der Staatssouveränität durch die neue Volkssouveränität ersetzte. Die Gefühle und Tendenzen der Unabhängigkeitserklärung blieben aber fromme Wünsche; denn bei der Entstehung der Verfassung erlangten die herrschenden besitzenden Klassen den entscheidenden Einfluß. Vielleicht wäre durch die Radikalen niemals eine „arbeitende" Verfassung zustande gekommen, sicher jedoch haben die Interessen bestimmter Wirtschaftsgruppen ebendiese Verfassung gefärbt. Es nimmt deshalb nicht Wunder, daß neuerdings f ü r das neue Amerika mit politischen und wirtschaftlichen Anforderungen, von denen sich die „Väter der amerikanischen Verfassung" nicht träumen ließen, auch eine neue Verfassung gefordert wird. Nur steht dem der erfahrungsgläubige konservative Sinn der Mehrzahl der Amerikaner entgegen, die durch die großen

Vereinigte Staaten von Amerika — Verjährung Erfolge ihrer Geschichte nicht liberaler geworden sind. „ L e t us leave t h e Constitution alone in f u t u r e , and reform ourselves" (Atlantic Monthly vom Dezember 1921). Dieselbe Stellung wie zur Bundesverfassung als der Grundlage ihres gesamten Staatslebens nehmen die Amerikaner zu anderen Richtlinien ihrer Politik ein, ζ. B. zur M o n r o e d o k t r i n , die einerseits als „noni n t e r e s t m e n t " eine Fortsetzung gewisser Prinzipien aus George Washingtons Abschiedsbotschaft ist und andererseits als Verbot europäischer Einmischung in amerikanische Angelegenheiten amerikanisches Selbstgefühl u n d mehr noch: bewußte amerikanischenglische Politik v e r r ä t . Dieses Nichtinterventionsprinzip f ü r Europa wurde von der Union immer mehr als Interventionsprinzip f ü r sie selber in Amerika, in Asien, j a sogar in E u r o p a und in der übrigen Welt praktisch ausgestaltet. Ob die „UninteressiertheitP o l i t i k " einmal formell aufgegeben wird, bleibe dahingestellt. Das ganze offizielle Verhalten Amerikas die Völkerliga betreffend deutet nicht dahin (vgl. R a y m o n d B. F o s d i c k , The State D e p a r t m e n t a n d the League of Nations. T h e American Review of Reviews, April 1924). „ P r a k t i s c h ü b e r h o l t " ( S t r u p p , Grundzüge, S. 2 2 f . , 61 f.) ist die Monroedoktrin so lange nicht, wie sich u n t e r ihrer Flagge die Interessen der USA. m i t Erfolg v e r t r e t e n lassen. In diesem Lichte gesehen ist auch der P a n a m e r i k a n i s m u s nichts als eine großzügige Erweiterung der Monroedoktrin. Literatur : Viscount Bryce, The Study of American History, New York 1922. — F. Termer, Die natürlichen Grundlagen amerikanischer Staatsentwicklung, Ztschr. f. Geopol. 1, J a n . 1924. — K. Hassert, Die V. St. v. A. als pol. und wirtsch. Weltmacht geogr. bet r a c h t e t , Tübingen 1924. — The World Almanac, New York 1922ff. — E. Freund, Das öff. Recht der V. St. ν . Α., Tübingen 1911. — Frederick J. Turner, The Frontier in American History, New York 1921. — F. Schönemann, Kunst der Massenbeeinflussung in den Ver. St. ν . Α., S t u t t g a r t 1924. — Derselbe, U. S. Amerika Artikel im „Politischen H a n d w ö r t e r b u c h " , Leipzig 1923. — The Immigration Policy of the ü . S., Proceedings of the Academy of Pol. Science X, 4, J a n . 1924, S. 83ff. — Z. Chafee, Freedom of Speech, New York 1920. — James Bryce, The American Commonwealth, 2 Bde, Neue Ausg., New York 1921 (erscheint auch deutsch, Leipzig 1924). — Derselbe, Modern Democracies, 2 Bde., New York 1921, bes. II, 154ff. (auch deutsch, München 1924). — Great Political Documents of the USA. „ P a n d o r a " , Leipzig 1921. — Ch. E. Merriam, Am. Poli-

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Verjährung. In allen menschlichen Dingen ist der Ablauf einer gewissen Zeit von Einfluß und B e d e u t u n g ; denn durch fortgesetzte Übung gewöhnen wir Menschen uns a n das ununterbrochen Wahrgenommene u n d ebenso können wir uns auch etwas abgewöhnen, aber während diesem An- und Abgewöhnen in privatrechtlichen Verhältnissen die private Akquisitiv-Verjährung bzw. die Exstiηktiv-Verjährung als Rechtsinstitut entspricht, fehlt es im öffentlichen Rechte an einer derartigen Anerkennung des Zeiteinflusses, mit anderen Worten in staatsrechtlichen und namentlich in völkerrechtlichen Beziehungen mangelt es an einer solchen Anerkennung des rechtsbegründenden bzw. rechtsvernichtenden Einflusses des bloßen Zeitablaufes d. h. also f ü r

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Verjährung

das Völkerrecht. In den Beziehungen von S t a a t zu Staat hat die Verjährung weder die akquisitive (ζ. B. die im P r i v a t r e c h t der Ersitzung zukommende) noch die extinktive K r a f t einer praktischen Tatsache f ü r sich allein. Damit soll nicht geleugnet werden, d a ß dem Zeitablauf in völkerrechtlichen Verhältnissen irgendein Einfluß zukomme, im Gegenteil: es ist Bluntschli vollkommen beizustimmen, wenn er ausdrücklich die Verj ä h r u n g f ü r „völkerrechtlich geradezu unentbehrlich" erklärt, aber sie ist im Völkerrecht kein Rechtsinstitut, es fehlt hier die Vorschrift des Ablaufs einer b e s t i m m t fixierten Anzahl von J a h r e n , es fehlt das Erfordernis eines justus titulus, wie auch das der bona fides etwa wie im Sinne der Privatrechte und auch im Staatsrecht gibt es im allgemeinen keine V e r j ä h r u n g ; es kommt dies daher, daß entweder der angegriffene oder leidende Staat ausdrücklich oder stillschweigend sich die Rechtsänderung aus irgendeinem Grunde gefallen läßt, ihr mehr oder weniger freiwillig beistimmt u. dgl. oder d a ß der zunehmende oder mächtigere Staat andererseits von seiner Machtfülle oder Gewalt einen ihm angemessenen oder ihm wenigstens angemessen scheinenden Geb r a u c h macht, gegen welchen kein entsprechender Widerspruch erfolgt. Im Staatsleben sind eben vorherrschend die Tatsachen und die diesen entsprechenden Machtverhältnisse und daher auch die so beherrschenden der Zeit entsprechenden Umstände vor allem entscheidend, daher also auch Verjährungen maßgebend, ohne eine bestimmte Jahrzahl oder andere Requisite bestimmte Art vorauszusetzen. Aber solche Erfordernisse können selbstverständlich durch Staatsvertrag vereinbart werden — es gibt im öffentlichen Rechte p a k t i e r t e Verjährungen und die sie vereinbarenden Staaten sind dann a n die vertragsmäßigen Fristen und an die sonstigen Bedingungen der Verjährung gebunden, ebenso wie auch die privatrechtlichen Vorschriften ζ. B. des Frachtvertrags, welche international maßgebend sein sollen. So können also im öffentlichen Recht ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung, Gewalt und Vertrag im Laufe der Zeit von erwerbendem oder aufreibendem Einfluß sein oder werden, auch kann so ein Verzicht auf Kolonien oder Schutzgebietes eines Staates m i t der Zeit angenommen werden, wenn er zuläßt, daß ein anderer S t a a t sie besitzt, hält oder dauernd verwaltet, ohne daß erst durch Ablauf einer gewissen Periode, und sei es auch unvordenkliche Zeit, wie einige annehmen (v. Bulmerincq, Nyß), eine Art Verj ä h r u n g abgewartet zu werden brauchte. —

Literatur : Fr. v. Liszt, Das Völkerrecht, § 20 I. — Karl Gareis, Institutionen des Völkerrechts, § 22 A. — A. v. Bulmerincq im H a n d b u c h Marg. I § 20. — Audinet, Revue générale de droit international public. Vol. I I I S. 313. — Oppenheim, International Law I 293. — Nys, Ernest, Le droit international, les principes, les théories, les faits, Tome II, 39. v. G a r e i s f .

Seit der vorliegende Aufsatz geschrieben wurde, hat sich das Institut f ü r Internationales Recht auf seiner Haager Tagung Juli/August 1925 mit dem Probleme der erlöschenden Verjährung im Völkerrechte auf Grund eines Berichtes von Politisde Visscher befaßt. Mit überwältigender Mehrheit wurde eine Resolution angenommen, die etwa folgenden Inhalt h a t : Praktische Erwägungen der Ordnung, der Rechtssicherheit und des Friedens sprächen dafür, die erlöschende Verjährung unter die allgemein anerkannten Prinzipien des Völkerrechts aufzunehmen, die von den internationalen Schiedsgerichten anzuwenden seien. Mangels einer besonderen vertraglichen Vereinbarung müsse die Bestimmung der Verjährungsfrist dem souverainen Ermessen des internationalen Richters von Fall zu Fall überlassen bleiben. Dabei solle der öffentliche oder private, der vertragliche oder deliktische Anspruch der Schuld berücksichtigt, und die Verjährung f ü r die öffentlichen Schulden schwerer zugelassen werden als f ü r die privaten, f ü r die vertraglichen schwerer als für die deliktischen. Eine bereits geltend gemachte Forderung könne durch die nachträgliche Untätigkeit eines Staates nur verjähren, wenn diese nicht auf das Verhalten der Gegenpartei oder auf höhere Gewalt zurückzuführen sei. Die Tatsache, daß eine Schuld privaten Ursprungs v e r j ä h r t sei, schließe jede Möglichkeit ihrer diplomatischen Geltendmachung aus. Der Bericht über die Haager Verhandlungen wird erst im 32. Bande des „Annuaire de l ' I n s t i t u t de Droit international" vorliegen. Aus ihm wird sich ergeben, daß gegen obige Grundsätze von vereinzelten, insbesondere auch deutschen Mitgliedern (Neumeyer, Schücking, Wehberg) des Instituts Bedenken geltend gemacht worden sind, die eine erneute P r ü f u n g der Frage empfehlenswert erscheinen lassen. Das um so mehr, als inzwischen die vom Völkerbundrate eingesetzte Kommission betr. die Kodifikation des Völkerrechts das Problem der erlöschenden Verjährung auf die vor-

Verjährung — Verkehrskonferenz von Barcelona läufige Liste derjenigen Gegenstände gesetzt hat, deren baldige internationale Regelung sie vorschlagen will. Wehberg. Verkehrskonferenz von Barcelona. Diese Konferenz wurde vom Völkerbund einberufen, um die im Art. 23e der Völkerbundssatzung ausgesprochene „liberté des communications et du transit" zu gewährleisten, angeregt wurde sie von der französischen Regierung. Als Grundlage hierzu diente ihr ein Beschluß der „Commission des ports, voies d'eau et voies ferrées" der Versailler Friedenskonferenz sowie Art. 338 des Versailler Friedensvertrages, wonach die Prinzipien der Freiheit des Wirtschaftsverkehrs bzw. ein allgemeines Übereinkommen über die internationalen Wasserstraßen in einer späteren Konferenz festgesetzt werden sollten. Das Prinzip der Freiheit des internationalen Wirtschaftsverkehrs wurde in der Völkerbundssatzung nicht zum erstenmal ausgesprochen, sondern ist bereits in den Verträgen des Westfälischen Friedens enthalten. Schon der Vertrag von Münster vom 30. I. 1648 (Art. IV) sprach den Wunsch aus, daß der Wirtschaftsverkehr der europäischen Staaten auf dem Prinzip der „guten Vereinbarung und guten Freundschaft" beruhen möge; eine ähnliche Bestimmung finden wir im Vertrag von Osnabrück vom 24. X. 1648 (Art. IX): „ E t quia publice interest ut facta pace commercia vicissim reflorescant, ideo conventum est . . ." Es trifft indessen zu, was Nys („Le droit international, Les Principes, Les Théories, Les Faits") über den letzteren Vertrag sagt, daß er bloß einen „voeu général" zum Ausdruck bringt, aber von der Verkehrskonferenz von Barcelona kann man das nicht behaupten. Die von der französischen Regierung nach Paris einberufene „Commission pour l'étude de la liberté des communications et du transit" verfaßte bereits im Monat Oktober 1919 einen Entwurf, der die einschlägigen Fragen behandelte; er erfuhr aber infolge der Abänderungsvorschläge der „Commission du Régime international des Ports, Vorés d'eau et voies ferrées" des Völkerbundes eine neuerliche Textierung. Sämtliche hierauf bezügliche Daten veröffentlichte die französische Regierung in einem „Libre vert" unter dem Titel „Conférence générale des Communications et du Transit, documents préparatoires". Von nun an übernahm der Völkerbund selbst die Aufgabe der Vorbereitung. Im

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Verlaufe der 7. Sitzung des Völkerbundrates in San Sebastian (vom 30. VII. bis zum 6. VIII. 1920) wurde auf den Antrag des Bevollmächtigten Brasiliens, M. Da Cunha, beschlossen, der Bundesversammlung vorzuschlagen, man möge, „um auf den Eisenbahnen und Wasserstraßen die Prinzipien der Freiheit des internationalen Wirtschaftsverkehrs zu verwirklichen", eine Konferenz nach Barcelona einberufen; wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 31. VII. 1920 hervorgeht, erwartete man von der Konferenz außerdem noch „eine Verminderung der an den Grenzen herrschenden vexatorischen Art der Zollgebarung". Der Antrag des Rates wurde von der 2. Bundesversammlung (vom 15. XI. bis zum 18. XII. 1920) angenommen; infolge dessen schritt der Rat im Verlaufe seiner nächsten Sitzung in Rom zur Konstituierung eines vorbereitenden Komitees. Dieses Komitee ließ an sämtliche Staaten, ohne Rücksicht darauf, ob sie Mitglieder des Völkerbundes sind oder nicht, auf ihre Verkehrsverhältnisse bezughabende Fragebogen und Einladungen für die Konferenz versenden; der Bevollmächtigte Spaniens wurde beauftragt, das Reglement und die Geschäftsordnung der Konferenz auszuarbeiten, die Ausarbeitung eines Konventionsentwurfs über die Freiheit des Durchgangsverkehrs übernahm der außerordentliche Gesandte Hollands in Paris, Loudon; außerdem wurde beschlossen, da die prinzipielle Erklärung der Freiheit des Durchgangsverkehrs allein kaum genügt, den internationalen Verkehr auf den Eisenbahnen und den Wasserstraßen in je einer Konvention zu regeln (da für den Luftverkehr im Sinne des Art. 320 des Versailler Friedensvertrages eine besondere Konvention zustandekam [13. X. 1919], wurde dieser Gegenstand vom Vorbereitungskomitee ausgeschaltet); der Bevollmächtigte Japans wurde beauftragt, für die internationalen Häfen und die Seeschiffahrt der Staaten ohne Küsten, deren Zahl infolge der Friedensverträge bekanntlich vermehrt wurde, einen Konventionsentwurf auszuarbeiten. Die Konferenz, an der sich 44 Staaten beteiligten, tagte vom 10. III. bis zum 24. IV. 1921; den Vorsitz führte Hanotaux. Die Konventions- und Statutentwürfe, die den Durchgangsverkehr behandelten (die Benennung wurde auf den Vorschlag des Vorsitzenden des Juristenkomitees, Sir Cecil Hurst angenommen), bedeuteten, wie auch der Berichterstatter betonte, „une page nouvelle dans l'histoire du droit international". Bis dahin wurde für die einschlägige völkerrechtliche Normierung durch

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die Bestimmungen einzelner Handelsverträge gesorgt, doch wurden, wie der Bevollmächtigte der tschechoslovakischen Republik in der Generaldebatte richtig betonte, die in den obigen Entwürfen enthaltenen Prinzipien vor dem Weltkrieg auch ohne eine allgemeine völkerrechtliche Regelung befolgt. Hiervon können wir uns durch die Erkenntnis der wichtigsten Bestimmungen der Konferenzbeschlüsse überzeugen. Nachdem im Art. 2 des Statuts die Staaten sich verpflichten, „den Durchgangsverkehr möglichst zu erleichtern", enthält Art. 3 das Verbot einer Gebühreneinhebung, die sich allein auf den Durchgangsverkehr stützen könnte; es dürfen nur solche Gebühren erhoben werden, die zur Deckung der Überwachungs- und Verwaltungskosten erforderlich sind, wobei berücksichtigt werden muß, daß im Wesen des Durchgangsverkehrs infolge einer etwaigen Umladung, Einmagasinierung oder Ermangelung eines Einheitsfrachtsatzes keine Änderung eintritt. Es steht aber fest, daß die Durchgangszölle, deren Rechtstitel bekanntlich der Durchgangsverkehr war, schon ohne dies längst abgeschafft sind. Zuletzt wurden sie in den 60 er Jahren in Österreich und nach wiederholten Herabsetzungen in den Donaufürstentümern beseitigt, nachdem der Berliner Kongreß diese zur Abschließung von Handelsverträgen befähigte. Von den sonstigen Bestimmungen des Statuts sind noch hervorzuheben: Art. 1, der eine Definition des „transport en transit" enthält und insbesondere deshalb einen Fortschritt bedeutet, weil — den Bestrebungen vor dem Weltkrieg entsprechend — auch die Passagiere und das Gepäck in die Begriffsbestimmung aufgenommen wurden. (Über die Postbeförderung wurde nichts beschlossen, da diese Materie bereits vermittels der Postkonventionen von Madrid im Jahre 1920 geregelt war.) Im Sinne des bereits angeführten Art. 2 können in den Durchgangsverkehr auch Binnengewässer herangezogen werden. Art. 4 ermöglicht eine Bevorzugung des heimischen Handels für Durchgangsverkehr. Laut Art. 5 kann kein Staat verpflichtet werden, Güter durchzulassen, deren Beförderung âus Rücksichten der öffentlichen Sicherheit, Hygiene oder des unlauteren Wettbewerbs verboten ist. Durch die Bestimmungen des Art. 6 schützt die Flagge eines Vertragsstaates auch die Güter solcher Staaten, die dem Statut bzw. der Konvention nicht beigetreten sind. Im weiteren werden die Fälle geregelt, in denen das Statut nicht zur Anwendung gelangt, und zwar: wenn es sich um wichtige

Interessen eines Staates handelt (Art. 7), im Kriegsfall (ist jedoch trotzdem womöglich zu berücksichtigen, Art. 8) und im Falle außerordentlicher Ereignisse in den geographischen, wirtschaftlichen oder verkehrstechnischen Verhältnissen (Art. 10). Im Sinne der Bestimmungen des Art. 12 werden, entsprechend dem im Art. 23 e der Völkerbundssatzung ausgesprochenen Prinzipe, die infolge des Weltkrieges verwüsteten Gegenden ausgenommen. Aus dem Art. 13 geht die Schaffung eines neuen Organs des Völkerbundes, der „commission consultative et technique des communications et du transit" hervor, das berufen ist, im Falle von Streitigkeiten eine freundschaftliche Vereinbarung herbeizuführen, bevor die Staaten sich an den ständigen internationalen Gerichtshof wenden würden. Für denselben Gegenstand wurde gleichzeitig eine Konvention geschaffen, die aus 9 Artikeln und einer Einleitung besteht. In dieser wird das Behördenrecht der Staaten, das diesen auf den Verkehrsstraßen gebührt, aufrechterhalten. Von den sonstigen Bestimmungen sind Art. 8 und 9 hervorzuheben, die bestimmen, daß nach Ablauf von 5 Jahren eine Kündigung stattfinden kann und auch früher eine Revision zulässig ist, wenn sie von den vertragschließenden Staaten mit */s Majorität beantragt wurde. Zur Inkraftsetzung beider Instrumente war die Ratifizierung von 5 Staaten erforderlich. Über den derzeitigen Stand der Ratifikationen (bereits mehr als 5 Staaten) siehe Ziv.R. X X X I V , 400, Heft 3—6. Die Konferenzberatungen im Plenum, wie in den Unterausschüssen waren gründlich und lehrreich (insbesondere verdient der Hinweis des belgischen Delegierten, Pierrard, gelegentlich der Beratung des Art. 5 der Konvention hervorgehoben zu werden, wonach der Begriff des unlauterett Wettbewerbs im Völkerrecht noch einer Präzisierung bedarf). Im allgemeinen kann man der Kritik des Bevollmächtigten der tschechoslovakischen Republik, Lankas, beitreten, die er im Plenum über diese Kodifizierung äußerte: „très inoffensive et tèrs importante". „ L a liberté du transit elle même ne serait qu' un leurre si elle ne pouvait pas s'exercer en fait sur les voies ferrées", mit diesen Worten begründete die französische Regierung im oben erwähnten Grünbuch die Notwendigkeit der Schaffung einer neuen Eisenbahnkonvention, trotzdem die bisherige völkerrechtliche Entwicklung auf diesem Gebiet als zufriedenstellend bezeichnet werden muß und Art. 366 des Versailler

Verkehrskonferenz von Barcelona Friedensvertrages verfügte, daß die einschlägigen völkerrechtlichen Normen wieder zur Anwendung gelangen sollten. Es ist ja bekannt, daß kurz nach dem Zustandekommen der ersten internationalen Eisenbahnanschlüsse, im J a h r e 1846, der Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen gegründet wurde, dessen Satzungen später auch Holland und Rumänien annahmen. Als infolge der Bestimmungen des Berliner Vertrages (1878) die Eisenbahnlinien zwischen Konstantinopel bzw. Saloniki und Belgrad ausgebaut wurden, kam zwischen Österreich-Ungarn, der Türkei, Serbien und Bulgarien die „Convention à quatre" zustande. Am 15. V. 1886 wurde die erste Berner Konvention geschlossen, die in technischer Beziehung einheitliche Prinzipien einführte; hierauf folgte nach 4 Jahren die zweite Berner Konvention, die bekanntlich die eigentlichen Verkehrsfragen regelte. Diese Konventionen wurden seither wiederholt, zuletzt im Jahre 1907, ergänzt und fanden vermittels einzelner zwischenstaatlicher Verträge auch auf den kombinierten Eisenbahn- und Wasserstraßenwarenverkehr Anwendung. Im Monat Mai 1911 beschäftigte sich die Berner Internationale Konferenz sogar mit dem Plan, die Konvention auch auf den Passagierverkehr und die Gepäckbeförderung auszudehnen. Trotz dieser fortgeschrittenen völkerrechtlichen Entwicklung wurde Sir Francis Dent, der mit der Aufteilung des rollenden Eisenbahnmaterials der gewesenen österreichisch-ungarischen Monarchie betraute Schiedsrichter beauftragt, den Entwurf einer internationalen Eisenbahnkonvention auszuarbeiten. Diese Konvention kam jedoch nicht zustande. Die Schwierigkeiten ergaben sich schon in der Kommission, gleich bei der Beratung des Art. 1, wonach der direkte Verkehr vermittels einheitlicher Frachtbriefe und internationaler Frachtsätze ausgeführt werden sollte. Infolgedessen beantragte der französische Delegierte, Loiseau, die Konferenz möge sich anstelle einer Konvention mit einem V o r s c h l a g begnügen. Die Delegierten Rumäniens und Polens traten ebenfalls hierfür ein, die Vertreter Italiens und der Tschechoslovakei erklärten sich dagegen. Im Plenum begründete der französische Bevollmächtigte, Sibille, die Form eines Vorschlages damit, daß der Entwurf kaum solche Bestimmungen enthalte, die geeignet wären, in eine Konvention aufgenommen zu werden. Bloß die Bestimmungen, wonach die Nationalität der Passagiere nicht als Grundlage einer differentiellen Behandlung dienen könne; die zur Verfrachtung bestimmten Güter ohne RückWörterbuch des Völkerrechts.

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sieht auf ihre Herkunft und Bestimmung gleichartig behandelt werden müssen und einzelnen Parteien keine besonderen Vorteile zugesichert werden dürfen, könnten als für eine Konvention geeignet betrachtet werden, diese Prinzipien seien aber von den Staaten schon ohnedies längst anerkannt; — die Schaffung einer Eisenbahnkonvention sei auch verfrüht, da zuerst die Eisenbahnen sich untereinander über die zu befolgenden Prinzipien einigen müßten. Es steht außer Zweifel, daß diese Begründung des französischen Bevollmächtigten zu dem eingangs angeführten Zitat aus dem „Libre vert" in einem scharfen Widerspruch stand. Sie rief auch eine strenge Kritik des Bevollmächtigten Griechenlands, des ausgezeichneten Völkerrechtslehrers, Politis, hervor, der vorwurfsvoll die Frage stellte, weshalb dann eigentlich die französische Regierung im Jahre 1919 aus sämtlichen Weltgegenden eine Konferenz zusammenrief, wenn sie jetzt selbst gegen die Schaffung einer Konvention Stellung nehme? Der Bevollmächtigte Italiens, Bignanie, sprach in noch schärferem Ton und bezeichnete den Vorfall als eine schwere Niederlage des Völkerbundes. Über diese Schwierigkeit trachtete man dadurch hinwegzukommen, daß die Konferenz beschloß, dem Völkerbund zwar bloß einen Vorschlag zu unterbreiten, aber gleichzeitig den Wunsch auszusprechen, daß innerhalb 2 Jahren eine Konvention geschaffen werde. Bekanntlich wurde dieser Mißerfolg in der zweiten Verkehrskonferenz von Genf (15. XI./8. X I I . 1923) gutgemacht. Besseren Erfolg hatte die Schaffung der „Convention et Statut sur le régime des voies navigables d'intérêt international", die dem im Art. 23 e der Völkerbundsatzung ausgesprochenen Prinzipe dienen sollten und denen die im Art. 338 des Versailler Friedensvertrages (St. Germain Art. 299) Neuilly Art. 227, Trianon Art. 283) enthaltene Bestimmung zugrunde lag. Auch hierfür wurde der Entwurf auf die Anregung der französischen Regierung von der oben angeführten Commission d'étude verfaßt. Berichterstatter war der Bevollmächtigte Japans, der Botschafter in Bruxelles, Adatchi. Mit Rücksicht darauf, daß die Konvention die Schiffahrt nicht nur auf den internationalen Flüssen Europas, sondern auch Süd-Amerikas im allgemeinen zu regeln hatte, und die Rechtsnormen der beiden Kontinente von einander abweichen, war die Konferenz auch hier in einer schwierigen Lage. Während für die internationalen Flüsse Europas die Prinzipien des 3

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Wiener Kongresses (1815) galten, wonach Rechtstitel einer solchen Teilnahme zu ζ. B. die sogenannte „petit cabotage" auf gelten hätte: die Schiffahrtsinteressen oder den internationalen Flüssen sämtlichen Ufer- dieOroßmachtstellung des betreffenden Nichtstaaten freisteht, waren f ü r die süd- uferstaates? Eine Frage, die noch immer amerikanischen Flüsse die Beschlüsse der nicht beantwortet ist und fortwährend Anlaß Washingtoner Konferenz (1889) maßgebend, zu Meinungsverschiedenheiten gibt. Ebenso die dieses Recht auf die einzelnen Ufer- wäre Art. 15, wo vom Kriegsfall gesprochen staaten beschränken. Es ergaben sich daher wird, f ü r eine ausführlichere Regelung wert zahlreiche Schwierigkeiten, die erst unter gewesen: es ist klar, daß die internationale dem Vorsitz des Bevollmächtigten Chiles, Schiffahrt sich im Krieg nur soweit bedes ausgezeichneten Völkerrechtslehrers tätigen kann, als es die berechtigten InterAlejandro Alvarez, beseitigt werden konnten. essen der Kriegführung zulassen. Auch in Von den Bestimmungen der Konvention dieser Konvention wird die Vermittlung der sind hervorzuheben: Die Benennung „Commission consultative et technique des „d'intérêt international", Art. 2, wonach Communication et du transit" in Streitdie Bestimmungen des Versailler Friedens- fällen vorgesehen (Art. 22). vertrages unberührt bleiben, Art. 6, in dem Was den Stand der Ratifikationen bezur Inkraftsetzung die Ratifikation von trifft (bereits mehr als 5 Staaten), siehe mindestens 5 Staaten erforderlich war, und NiZ. X X X I V , 399, Heft 3—6. Es ist beArt. 8, wonach die Konvention nach Ablauf merkenswert, daß Holland sich bis nun von 5 Jahren gekündigt werden kann. weigerte, dieser Konvention beizutreten. Das Statut erklärt im Art. 1, daß durch Von den im Verlaufe der Beratungen eine etwaige Umladung der internationale eingenommenen Standpunkten ist der des Charakter des Wasserlaufes nicht berührt Bevollmächtigten Polens, des ausgezeichneten wird (a) und daß auch die Seitenkanäle als Völkerrechtslehrers Winiarski, hervorzuinternationale zu betrachten sind. Ver- heben, der mit genauer Sachkenntnis und mittels Art. 2 a werden die internationalen tiefer Gründlichkeit darauf hinwies, daß die Flüsse, die unter der Aufsicht internationaler diesbezüglichen Bestimmungen der FriedensFlußkommissionen stehen, von den Be- verträge nicht als neues Völkerrecht zu b2stimmungen der Artt. 5, 10, 12 und 14 aus- trachten sind. genommen. Art. 3 ist deshalb bemerkensAuf die Anregung des Bevollmächtigten wert, weil die Freiheit nicht f ü r sämtliche Hollands, Lelly, wurde noch ein ZusatzNationen deklariert wird, wie es der Wiener protokoll verfaßt, das auch die BinnenKongreß tat, sondern bloß auf die Vertrags- gewässer den obigen Bestimmungen unterparteien beschränkt wurde. Art. 5 be- ordnet. Es wurde den Konferenzteilnehmern schränkt die sogenannte „petit cabotage" freigestellt, auch diesem beizutreten. auf die einzelnen Uferstaaten. Im Art. 7 Art. 273 Abs. 3 des Versailler Friedenswird den Uferstaaten das Recht eingeräumt, vertrages veranlaßte die Regelung der AnAbgaben nicht bloß für Verbesserungs- erkennung von Flaggen solcher Staaten, arbeiten, sondern auch zur Deckung der die über keine Meeresküste verfügen, eine Kosten der Aufrechterhaltung der Schiff- Frage, die bekanntlich in den 60 er Jahren fahrtsstraße einzuheben. In Art. 9 Abs. 2, von der Schweiz aufgeworfen wurde, aber der sich mit den Verbesserungsarbeiten der keine Regelung erfuhr. Diese wurde jetzt Wasserstraße beschäftigt, wird den Inter- im Einklang mit der obigen Bestimmung essen des Hochwasserschutzes, der Be- des Versailler Vertrages vollzogen, d. i. wässerung und der Ausnutzung der Wasser- die Anerkennung wurde davon abhängig kräfte gegenüber den Schiffahrtsinteressen gemacht, daß das Schiff in irgendeinem der Vorzug gegeben. Laut Art. 12 Abs. 2 im Gebiete des Staates liegenden Orte wird die Übereinstimmung des Schiffahrts- registriert werde. Ursprünglich war eine reglements der einzelnen Uferstaaten bloß Konvention hierfür geplant, man wählte als wünschenswert erklärt, während im jedoch auf die Anregung des BevollmächArt. 116 der Wiener Kongreßakte dies- tigten Großbritanniens, Mance, hin die bezüglich eine Verpflichtung der Uferstaaten Form einer ^Deklaration, weil, wie dieser ausgesprochen wurde; offenbar war diese sehr richtig ausführte, eine Deklaration Art der Regelung eine Folge des ver- nicht gekündigt werden kann, daher den schiedenen Charakters der einzelnen Fluß- interessierten Staaten mehr Sicherheit bietet. strecken in Südamerika. Im Art. 14 wird Im Sinne des Art. 379 des Versailler die Teilnahme von Nichtuferstaaten in den Friedensvertrages ist innerhalb 5 Jahren, Flußkommissionen im Prinzip zugelassen; von dessen Inkraftsetzung gerechnet, für bei dieser Gelegenheit wäre es am Platze die internationalen Häfen eine Konvention gewesen, näher zu bezeichnen, was als zu schaffen. Da jedoch im Verlaufe der

Verkehrskonferenz von Barcelona — Veröffentlichungen, obszöne Pariser Beratungen Zweifel darüber entstanden, welche Häfen als international zu betrachten sind, begnügte sich die Konferenz mit einem V o r s c h l a g . Von den Bestimmungen desselben sei hervorgehoben: Art. 3, wonach der Territorialstaat zur Schaffung der für die öffentliche Sicherheit erforderlichen Einrichtungen verpflichtet wird, andererseits ihm aber die Ausübung der Jurisdiktion und der Verwaltung gebührt. Laut Art. 9 ist außer der Ankergebühr die Einhebung einer Gebühr von l / e e für die Kosten der statistischen Dienste zulässig. (Gelegentlich der 2. Verkehrskonferenz in Genf gelangten eine Konvention und ein Statut auch über die internationale Seehafenordnung zum Abschluß.) Die übrigen W ü n s c h e der Konferenz wurden in 14 Punkten zusammengefaßt. Sie wurden samt sämtlichen Beschlüssen und der Geschäftsordnung der oben erwähnten „Commission consultative et technique" vom R a t des Völkerbundes in seiner Sitzung vom Monat Juli 1921 angenommen. Literatur : Strupp, Doc. V, 453. — Prof. Kraus, Die Internationale Verkehrskonferenz in Barcelona, D J Z . 1921, S. 452ff. — L' oeuvre de Barcelone, Exposée par cjuelquesuns de ses auteurs, 1922. — Le droit international des communications, par charles de Visscher Gand-Paris 1923. — Les fleuves et canaux internationaux, Jonkheer W. J . M. van Eysinga 1923 (Bibliotheca Visseriana).— The Barcelona Conference on Communications and Transit (British Jearbook of International Law 1922—23, p. 167 bis 178). — Bloczlsewski, De la Compétence de la Cour Permanente de Justice Internationale, R. G. de droit intern. Public. 1922, I—IV. — Hajnal, Die Konferenz von Barcelona (ung.) Budapest 1922. Hajnal. Verkehrsverbot s. Wirtschaftskrieg.

Verlags- und Urheberrecht, internationale Regelung s. Urheberrecht.

Veröffentlichungen, obszöne, Abkommen über. Die Verbreitung unzüchtiger Schriften oder solcher, die einen outrage public à la pudeur enthalten, steht nach dem Strafrecht der meisten Staaten unter Strafe. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß die Verbreiter in sehr geschickter Weise sich die das Territorialitätsprinzip in den Vordergrund stellenden Sätze des internationalen Strafrechts zunutze machten und daß vielfach der Einfuhr unzüchtiger Schriften nicht wirksam

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genug entgegengetreten werden konnte. Auf den verschiedenen Konferenzen gegen den Mädchenhandel (s. oben II, S. 4) wurde die Anregung gegeben, man möchte der Verbreitung der sog. pornographischen Literatur entgegentreten. Im englischen Parlament — man war in England und seinen Nebenländern (s. Lit. Encycl. Britt.) schon früher den indecent printers zu Leibe gegangen — wurde im April 1907 über diesen Gegenstand verhandelt und die Times brachte (Sept. 1908) eingehende Mitteilungen. Der Deutsche RT. und die Deutsche Regierung nahmen sich der Sache a n : im RT. fand eine eingehende Begründung eines dahinzielenden Antrags (31. III. 1909) statt, nachdem schon 1906 der Abg. Stöcker die erste Anregung gegeben und der Verein zur Hebung der Sittlichkeit Uber die Bekämpfung verhandelt hatte. Schließlich fand im Mai 1908 unter dem Vorsitz des auf dem Gebiete des Strafrechts und der Sittlichkeitsbestrebungen hochverdienten Senators Bérenger eine Zusammenkunft von Vertretern von 82 Gesellschaften (4 deutsche) statt. Der Kongreß verlangte internationale Maßnahmen zur Unterdrückung der Herstellung und Verbreitung von Schriften, Abbildungen und Gegenständen, die die guten Sitten verletzen. Die Straftat soll nicht nur am Orte, wo Verkauf und Versendung stattgefunden, sondern auch da, wo der Erfolg eingetreten, als begangen angesehen werden. Zu diesem Zweck sollen die nötigen Unterlagen und Auskünfte durch die Regierungen gegenseitig erteilt werden. Die verschiedenen Gesellschaften sollen sich zusammen und dem Bureau international contre la littératur immorale in Genf anschließen; es solle aber vor allem eine diplomatische Konferenz hierüber einberufen werden. Dies ist geschehen und die Konferenz tagte in Paris vom 18. IV. bis 4. V. 1910 gleichzeitig mit der Konferenz gegen den Mädchenhandel. Sie f u ß t e auf den Vorschlägen, die schon 1902 auf einer Pariser Konferenz gemacht waren und gelangte sehr bald zu dem Arrangement relatif à la répression de la circulation des publications obscènes vom 4. Mai 1910, das Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Brasilien, Dänemark, Spanien, die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Rußland, Schweiz sofort, einige andere Staaten später beitrat. Die Hauptbestimmung der Vereinbarung geht dahin, daß jede Regierung sich verpflichtet, eine Behörde zu bezeichnen oder einzurichten, der es obliegt 1. alle Nachrichten zu sammeln, die die Ermittlung und Bekämpfung derjenigen Handlungen erleichtern können, die als Zuwiderhandlungen gegen die Landes3*

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Veröffentlichungen, obszöne — Versailler Frieden (Überblick)

gesetze, betr. unzüchtige Schriften, Bilder usw. sich darstellen und einen „caractère international" darstellen; 2. alle Nachrichten zu liefern, die geeignet sind, die Einfuhr der bezeichneten Gegenstände zu verhindern, wie auch ihre Beschlagnahme zu sichern und 3. die Gesetze mitzuteilen, die mit Beziehung auf diesen Gegenstand in den einzelnen Staaten bestehen oder noch erlassen werden. Die übrigen Bestimmungen sind die üblichen über Beitritt, Kündigung und sonstige Formalitäten. Somit ist erreicht, was die Vereine zur Förderung der Sittlichkeit schon lange erstrebt, was Otto v. Leixner als notwendig erklärt hatte und wofür die Kammern in England, Deutschland und anderwärts eingetreten waren und die Verbreitung einer Literatur wenigstens sehr erschwert. Das Deutsche Reich hat die Vereinbarung sofort ausgeführt und im Vollzug derselben beim Polizeipräsidium Berlin die „Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Schriften" eingerichtet.

hungen" sowie in einzelnen Artikeln des Teils X I I „Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen". Entsprechend der Natur des Vertrags tragen alle diese Bestimmungen den ausschließlichen Charakter einseitiger Vorschriften (Diktate) für Deutschland, wodurch sie sich grundlegend von allen bisherigen, international getroffenen Vereinbarungen auf dem Gebiete der Handelspolitik unterscheiden. I. E i n s e i t i g e M e i s t b e g ü n s t i g u n g s verpflichtungen Deutschlands. Das Kernstück des Abschnitts 1 von Teil X ist die Deutschland auferlegte Verpflichtung, die alliierten und assoziierten Staaten (a. u. a. St.) meistbegünstigt zu behandeln, während diesen Staaten eine Verpflichtung zur gleichen Behandlung Deutschlands nicht obliegt. Die Artt. 264—267 enthalten die Bestimmungen über den W a r e n v e r k e h r . Im einzelnen schreibt Art. 264 die meistbegünstigte Behandlung jeder E i n f u h r aus den a. u. a. St. nach Deutschland hinsichtlich der Zahlung von Abgaben jeder Art und der Literatur : Anwendung von Einfuhrverboten und -beDer Vertrag ist im RGBl. 1911 Nr. 26 ver- schränkungen vor. Der Art. 265 verpflichtet öffentlicht. Zentralblatt für das Deutsche Deutschland, in seinen Grundsätzen für die Reich, 1911, S. 507. — Verhandlungen und Regelung der Einfuhr (einschließlich der Text vollständig in Martens, Nouveau Zollverwaltungs- oder ZollabfertigungsvorRecueil, s. III, tome VII, S. 200—266. — schriften, der Untersuchungs- oder AnalysierVorarbeiten in der Zeitschr. d. Deutschen Sittlichkeitsvereine (Korrespondenzbl. v. methoden, der Vorschriften über GebührenB o h n , Leipzig. — Vgl. Sten. Ber. zahlung, der Tarifierungs- oder Tarifausd. Dtsch. RT. v. 31. III. 1909 mit den legungsgrundsätze, der Monopole) keinen Anlagen Nr. 1090 u. 1317, XII, 1. Sitzung | Unterschied zum Nachteil eines a. u. a. St. 238, S. 7885ff., auch Encyclopaedia Britt. gegenüber irgendeinem anderen Lande zu XIX, S. 953. v. K i r c h e n h e i m f . machen. Die gleichen Vorschriften wie Art. 264 für die Einfuhr enthält Art. 266 f ü r die Behandlung der A u s f u h r aus Deutschland nach den a. u. a. St. und f ü r die AnVerona, KongreB zu s. Heilige Allianz. wendung der Ausfuhrverbote und -beschränVerpfändung von Staatseinnahmen s. kungen. Die Verpflichtungen Deutschlands Nachtrag. für die Behandlung der D u r c h f u h r , denen Verproviantierung belagerter Festungen in Teil X ein besonderer Artikel nicht ges. Festungen. widmet ist, sind in Teil X I I Art. 321 festgelegt. Hier ist vorgeschrieben, daß Deutschland dem Personen-, Güter- usw. Verkehr von oder nach den a. u. a. St. freien DurchVersailler Frieden gang durch Deutschland zu gewähren hat, s. auch „Kriegsentschädigungen und die daß dieser Verkehr keinen Durchgangszöllen Reparationen", „Vers. Frieden: Schieds- oder Beschränkungen unterworfen werden gerichte, gemischte" (im Nachtrag), „Frank- darf, und daß er in bezug auf Gebühren, reich" (im Nachtrag), „Reichsland, ehe- Verkehrserleichterungen usw. mit dem innermaliges", „Kehler Hafen" (im Nachtrag). deutschen Verkehr gleich zu behandeln ist. Die Durchgangsgüter bleiben von allen Zolla) D i e B e s c h r ä n k u n g e n des d e u t s c h e n oder ähnlichen Abgaben frei. Alle Gebühren oder Abgaben müssen entsprechend den VerHandels. berechnet Die Bestimmungen des Versailler Vertrags, kehrsverhältnissen angemessen die dem deutschen Handel Beschränkungen werden. Die Person des Eigentümers oder auferlegen, finden sich in dessen Teil X die Staatszugehörigkeit des Beförderungs„Wirtschaftliche Bestimmungen" in Ab- mittels darf für die Abgaben, Verkehrsschnitt 1 (Artt. 264—281) „Handelsbezie- erleichterungen oder Beschränkungen nicht

Versailler Frieden (Überblick) ausschlaggebend sein. Zusammenfassend f ü r E i n f u h r , A u s f u h r u n d D u r c h f u h r bes t i m m t Art. 267, daß alle Vergünstigungen, Befreiungen oder Vorzugsrechte, die Deutschland einem der a. u. a. St. oder einem anderen Lande einräumt, gleichzeitig und bedingungslos ohne besonderen Antrag und ohne Gegenleistung für sämtliche a. u. a. St. in Geltung treten. Für die B e h a n d l u n g d e r S t a a t s a n g e h ö r i g e n d e r a. u. a. St. in D e u t s c h l a n d schreibt Art. 276 vor, daß diese hinsichtlich ihrer Berufsausübung keiner Ausschlußmaßregel, keinen Vorschriften oder Beschränkungen unterworfen werden dürfen, die nicht in gleicher Weise und ausnahmslos f ü r alle Ausländer gelten. Bezüglich der Zahlung von Abgaben, Steuern usw. werden die Staatsangehörigen der a. u. a. St., deren Güter, Rechte oder Interessen mit den Reichsangehörigen oder deren Gütern, Rechten oder Interessen gleichgestellt. Schließlich ist bestimmt, daß den Staatsangehörigen der a. u. a. St. keinerlei Beschränkung auferlegt werden darf, die nicht am 1. VII. 1914 auf die Staatsangehörigen dieser Mächte anwendbar war, sofern nicht den Reichsangehörigen dieselbe Beschränkung gleichfalls auferlegt wird. Nach Art. 280 erlöschen die dem Deutschen Reiche durch die Artt. 264—272 auferlegten Verpflichtungen 5 Jahre nach dem ( a m 10. I. 1920 erfolgten) Inkrafttreten des Vertrags (d. h. am 10. I. 1925), sofern nicht der R a t des Völkerbundes spätestens 12 Monate vor Ablauf dieser Frist entscheidet, daß die Verpflichtungen für einen weiteren Zeitraum aufrechterhalten bleiben. Da bis zum 10. I. 1924 vom Rate des Völkerbundes ein solcher Beschluß nicht gefaßt worden ist, treten die Artt. 264—272 am 10. I. 1925 außer Kraft. Für den Art. 276 sieht der Art. 280 die Aufrechterhaltung über den 10. I. 1925 hinaus vor, wenn dies die Mehrheit des Rates des Völkerbundes unter Festsetzung der Dauer der Verlängerung, die weitere 5 Jahre nicht überschreiten darf, beschließt. Wegen der Befristung des Art. 321 s. unter V. Zur Begründung der Deutschland auferlegten einseitigen Verpflichtungen wird in der dem Ultimatum der Friedenskonferenz vom 16. VI. 1919 beigefügten Antwort der a. u. a. Mächte auf die Bemerkungen der deutschen Delegation zu den Friedensbedingungen darauf hingewiesen, daß die von dem Präsidenten Wilson proklamierten und in Art. 23 e des Vertrags von Versailles niedergelegten Grundsätze erst nach vollständiger Errichtung des Völkerbundes und nach Rückkehr der Welt zu normalen Handelsverhält-

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nissen als anwendbar betrachtet werden könnten. Während der Übergangszeit verlange es „die billige Behandlung des Handels aller Mitglieder des Völkerbundes", daß Deutschland zeitweilig das von ihm geforderte Recht, auf dem Fuße völliger Gleichberechtigung mit den anderen Nationen behandelt zu werden, entzogen wird. Im Hinblick auf „die gesetzwidrigen Handlungen" Deutschlands, die viele der a. u. a. St. in eine Lage wirtschaftlicher Unterlegenheit gegenüber Deutschland gebracht hätten, sei es „eine Erwägung der Gerechtigkeit", die die a. u. a. Mächte bewogen habe, Deutschland für eine Mindestzeit von 5 Jahren Bedingungen ohne Gegenseitigkeit im Handelsverkehr aufzuerlegen. Das Meistbegünstigungsverhältnis war bis zum Ausbruch des Weltkrieges eines der Grundprinzipien der internationalen Handelsbeziehungen, und es hat insbesondere die Grundlage aller von Deutschland abgeschlossenen Handelsverträge gebildet. Die Meistbegünstigung war ausnahmslos eine gegenseitige, und die Auffassung, daß sie überhaupt nur als ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Verhältnis zweier Staaten gedacht werden kann, war so selbstverständlich, daß in internationalen Verträgen Abweichungen von diesem Prinzip bis zu den den Weltkrieg abschließenden Friedensverträgen niemals vorkamen. Dementsprechend war die Meistbegünstigung auch in den früher von Deutschlandabgeschlossenen Friedensverträgen (Frankfurter Frieden vom 10. V. 1871 Art. 11, Friedensvertrag mit Rußland vom 3./7. III. 1918 Anlage 2 Nr. 2 und Unteranlage 1 zu Anlage 2, Artt. 6ff., Friedensvertrag mit der Ukraine vom 9. II. 1918 Art. 7 Ziff. I I A , das gleichzeitig mit dem Friedensvertrag mit Finnland abgeschlossene deutsch-finnische Handels- und Schiffahrtsabkommen vom 7. III. 1918 Art. 2ff., der gleichzeitig mit dem Friedensvertrag mit Rumänien abgeschlossene deutsch-rumänische wirtschaftspolitische Zusatzvertrag vom 7. V. 1918 A. 9) vorbehaltslos auf Gegenseitigkeit abgestellt. Ebenso unvereinbar wie mit dem Wesen der Meistbegünstigung als einem auf Gegenseitigkeit beruhenden Verhältnis ist die Deutschland auferlegte einseitige Meistbegünstigungsverpflichtung mit dem dritten der von dem Präsidenten Wilson in der Kongreßrede am 8. I. 1918 proklamierten 14 Punkte: „Beseitigung, soweit möglich, aller wirtschaftlichen Schranken und Errichtung gleicher Handelsbedingungen unter allen Nationen, die dem Frieden zustimmen und sich zu seiner Aufrechterhaltung zusammenschließen."

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Versailler Frieden (Überblick)

Auf der Konferenz von Genua 1922 ist von Deutschland ein Antrag auf Einführung der allgemeinen Meistbegünstigung gestellt worden, der von England, Italien, Japan, Holland, der kleinen Entente und der Schweiz grundsätzlich gebilligt, von Frankreich dagegen bekämpft wurde, das in dem Antrag den Versuch einer materiellen Änderung des Vertrags von Versailles sehen wollte und den Schutz der nationalen Erzeugung in den Vordergrund stellte. Zur Annahme gelangte der folgende, dem deutschen Antrag nahekommende schweizerische Vermittlungsantrag (Weißbuch 1922 „Material über die Konferenz von Genua", III. „Bericht über die Arbeiten der 3. Kommission für Wirtschaftsfragen", Anlage Art. 9): „Die Konferenz bringt den im Art. 23 der Völkerbundssatzung zum Ausdruck gebrachten Grundsatz einer gerechten Behandlung des Handels in Erinnerung und empfiehlt dringend die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen auf der Grundlage von Handelsverträgen, die einerseits auf dem System einer den jeweiligen Verhältnissen angepaßten Gegenseitigkeit beruhen und andererseits soweit als möglich den Grundsatz der Meistbegünstigung in sich schließen." Eine auf englischen Antrag hinzugefügte Anmerkung erklärt darüber hinaus das Einverständnis der Mehrzahl der Konferenzteilnehmer damit, daß die gegenseitige Gewährung der allgemeinen Meistbegünstigung das handelspolitische Endziel sein müsse. Von den im folgenden Absatz aufgeführten vier Ausnahmen abgesehen ist diesen Beschlüssen eine praktische Auswirkung versagt geblieben. Dadurch, daß die a. u. a. St. dem Deutschen Reiche die meistbegünstigte Behandlung versagt haben, ist jede Willkür gegen den deutschen Handel in den a. u. a. St. und gegen die Betätigung deutscher Reichsangehöriger in deren Gebieten ermöglicht worden. Eine große Anzahl von a. u. a. St. hat von dieser Möglichkeit der Schädigung des deutschen Außenhandels durch Einfuhrverbote, Differenzierung in den Zollsätzen, Nichtzulassung von Deutschen zum Geschäftsbetrieb umfangreichen Gebrauch gemacht. Als besonders nachteilig für Deutschland hat es sich erwiesen, daß die Bindung durch die einseitige Meistbegünstigung die Möglichkeit ausschloß, f ü r den deutschen Außenhandel durch den Abschluß von langfristigen Handelsverträgen mit Vertragszolltarifen den einzelnen Ländern gegenüber wieder zu einzelnen (a. u. a. oder im Weltkrieg neutral gebliebenen) Ländern gegenüber wieder zu rechtlich gesicherten Verhältnissen zu kommen. Jedes Zugeständnis, das Deutschland einem Gegenkontrahenten macht, fällt ipso

jure den a. u. a. St. zu und verliert deshalb für den Gegenkontrahenten selbst seine besondere Bedeutung. Innerhalb der Geltungsdauer der einseitigen Meistbegünstigung ist es bis Mitte Juni 1924 nur gelungen, aus der Reihe der a. u. a. St. von der Tschechoslowakei in dem provisorischen Handelsabkommen vom 29. VI. 1920, von Jugoslawien in dem vorläufigen Handelsvertrag vom 4. II. und 5. X I I . 1921, von den Vereinigten Staaten von Amerika in dem (noch nicht ratifizierten) Handelsvertrag vom 8. X I I . 1923, von Ecuador durch den (noch nicht ratifizierten) Notenwechsel vom3./19. I. 1924 über das nicht unterbrochene Fortbestehen des Freundschaftsvertrags vom 28. III. 1887, von Siam in dem (noch nicht ratifizierten) vorläufigen Wirtschaftsabkommen vom 28.11. 1924, von Nicaragua durch den (noch nicht ratifizierten) Notenwechsel vom 11. I., 27. II. und 6. III. 1924 über die Wiederinkraftsetzung des Handelsvertrags vom 4. II. 1896 und von Bolivien durch die (noch nicht ratifizierte) Vereinbarung vom 12. III. 1924 über die Wiederinkraftsetzung des Handelsvertrags vom 22. VII. 1908 die Zusicherung der Gegenseitigkeit in der Meistbegünstigung zu erhalten. II. B i n d u n g e n d e s d e u t s c h e n Z o l l t a r i f s . Durch Art. 269 wurden die deutschen Zölle auf die Einfuhr aus den a. u. a. St. für die Dauer von 6 Monaten nach dem Inkrafttreten des Vertrags in Höhe der günstigsten am 31. VII. 1914 gültig gewesenen Sätze gebunden. Auf weitere 30 Monate (zusammen also für 3 Jahre, d. i. bis zum 10. I. 1923) blieben die Sätze des deutschen Zolltarifs vom 25. X I I . 1902 Abschnitt 1, Unterabschnitt A (Erzeugnisse des Acker-, Garten- und Wiesenbaues) insoweit gebunden, als sie auf Verträgen mit einem der a. u. a. St. beruhten. Ferner blieben ohne die letztere Einschränkung die günstigsten, am 31. VII. 1914 gültig gewesenen Zollsätze für Weine, Pflanzenöle, Kunstseide und Wolle für die gleichen weiteren 30 Monate gebunden. Autonom ist durch eine Verfügung des Reichsfinanzministeriums vom 19. VI. 1920 (Reichszollblatt S. 289) angeordnet worden, daß, soweit nach dem 10. VII. 1920 (Ablauf der ersten 6 Monate nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags) noch eine vertragsmäßige Zollbehandlung für den Wareneingang aus dem Auslande zugelassen ist, diese bis auf weiteres allgemein für Waren jeder Herkunft Platz zu greifen hat. Durch diese Bestimmung, die durch das Gesetz vom 21. VII. 1920 (RGBl. S. 1488) und die Bekanntmachung der Reichsregierung vom 28. VII. 1920 (RGBl. S. 1489) sanktioniert

Versailler Frieden (Überblick) worden ist, wird einerseits vermieden, daß die neutralen Länder gegenüber den a. u. a. St. schlechter gestellt werden, andererseits wird durch sie dem Umstand Rechnung getragen, daß sich angesichts des großen Gebietsumfangs der a. u. a. St. eine Differenzierung einzelner Länder hinsichtlich bestimmter Einganszölle praktisch nicht hätte durchführen lassen. III. Z o l l f r e i e E i n f u h r k o n t i n g e n t e . Nach Art. 268 genießen die aus Elsaß-Lothringen stammenden Waren bei der Einfuhr nach Deutschland in der jährlichen Begrenzung auf den Jahresdurchschnitt der 1911/1913 versandten Mengen der einzelnen Waren f ü r die Dauer von 5 Jahren vollständige Zollfreiheit. Weiter ist Deutschland verpflichtet, für die gleiche Zeitdauer die aus seinem Gebiet zwecks Veredelung nach ElsaßLothringen versandten Garne, Gewebe und Gespinstwaren frei ausgehen und frei von allen Zöllen und sonstigen Abgaben wieder nach Deutschland eingehen zu lassen. Dieselbe Bestimmung ist auch in Art. 68 enthalten. Für die Dauer von 3 Jahren genossen die Waren, die aus den vor dem Krieg zu Deutschland gehörenden polnischen Gebieten stammen, in der gleichen mengenmäßigen Begrenzung wie für Elsaß-Lothringen bei der Einfuhr nach Deutschland vollständige Zollfreiheit. Bezüglich Luxemburgs haben sich die a. u. a. St. das Recht vorbehalten, Deutschland die Verpflichtung aufzuerlegen, die aus diesem Lande stammenden, nach Deutschland eingeführten Waren für die Dauer von 5 Jahren in der gleichen mengenmäßigen Begrenzung wie für Elsaß-Lothringen vollständig zollfrei zuzulassen. Von diesem Rechte haben die a. u. a. St. zugunsten Luxemburgs Gebrauch gemacht. Diese f ü r Polen am 10. 1.1923 abgelaufene, f ü r Elsaß-Lothringen und Luxemburg am 10. I. 1925 ablaufende Vorzugsbehandlung, die im ersten Absatz von Art. 268 als nicht unter die Meistbegünstigung fallend charakterisiert ist, zwang Deutschland zum Verzicht auf nicht unbeträchtliche Zolleinnahmen, zur Duldung einer zollpolitisch unbelasteten Konkurrenz f ü r zahlreiche deutsche Industrien und, soweit es sich um Erzeugnisse handelt, die in Deutschland Einfuhrverboten unterliegen, zum Verzicht auf die Anwendung dieser Verbote gegenüber den Kontingentseinfuhren. Der letztere Gesichtspunkt gewinnt dadurch besondere Bedeutung, daß in den gemäß der Vertragsbestimmung einseitig von der französischen Regierung festgestellten Freilisten für elsaß-lothringische Waren alljährlich erhebliche Mengen aus-

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gesprochener Luxuswaren (ζ. B. Seidengewebe, Modeartikel, Pelzwaren, Konserven, Konfitüren, Schokolade, Liköre, Wein, Schaumwein usw.) erscheinen, die wegen der Rückwirkung ihres Konsums auf die Lage der deutschen Währung von der Einfuhr sonst grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, bei der Einfuhr aus Elsaß-Lothringen aber nicht zurückgewiesen werden können. Zum Vergleich sei erwähnt, daß die in Ausführung des Art. V der deutsch-fran zösischen Friedenspräliminarien vom 26. II. 1871 und des Art. 9 des Frankfurter Friedens vom 10. V. 1871 geschlossene deutschfranzösische zusätzliche Übereinkunft vom 12. X. 1871 unter gleichzeitiger Einräumung weitgehender Zugeständnisse an Frankreich f ü r die Einfuhr elsaß-lothringischer Erzeugnisse nach Frankreich nur bis zum 31. X I I . 1871 volle Zollfreiheit, bis zum 30. VI. 1872 Verzollung mit einem Viertel und bis zum 31. X I I . 1872 mit der Hälfte der sonst gegenüber der deutschen Einfuhr nach Frankreich geltenden Zollsätze vorsah. IV. Z o l l v e r h ä l t n i s s e in d e n b e s e t z t e n G e b i e t e n ; L o c h im W e s t e n . In Art. 270 haben sich die a. u. a. St. das Recht vorbehalten, für das besetzte Gebiet eine eigene Zollordnung einzuführen, „sofern ihnen eine solche Maßnahme erforderlich erscheint, um die wirtschaftlichen Interessen der Bevölkerung dieser Gebiete zu wahren". Schon vor der Ruhrbesetzung entstand das erste sog. „Loch im Westen", indem zwar das deutsche Zollregime aufrecht erhalten und die Zollverwaltung in deutschen Händen blieb, die Handhabung der deutschen Einund Ausfuhrverbote jedoch einem unter überwiegendem Einfluß der Besatzungsmächte stehenden Organe übertragen wurde. Durch die den eigenen handelspolitischen Rücksichten der Besatzungsmächte entsprechende Behandlung des Einfuhrwesens kamen zum Nachteil der deutschen Handelsbilanz große Mengen einfuhrverbotener Waren in das besetzte und durch dieses in das unbesetzte Deutschland. Nach der Ruhrbesetzung wurde auch die Zollverwaltung der besetzten Gebiete von den Besatzungsmächten übernommen, die Handhabung der Ein- und Ausfuhrverbote ausschließlich den Organen dieser Mächte übertragen, und es wurden die Sätze des deutschen Zolltarifs für zahlreiche Waren (etwa 250 von insgesamt 946 Tarifpositionen), an deren Ausfuhr Frankreich und Belgien besonders interessiert sind, unter die im unbesetzten Deutschland geltenden Sätze herabgesetzt. Da eine Zollgrenze zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet auf deutscher Seite nicht besteht, gelangen die im be-

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Versailler Frieden (Überblick)

setzten Gebiet von den Zollstellen der Besatzungsmächte verzollten ausländischen Waren ungehindert und unkontrolliert auch in das unbesetzte Deutschland (zweites ,,Loch im Westen") und bereiten hier der deutschen Produktion durch ihre zu niedrige Verzollung eine unberechtigte Konkurrenz, schädigen durch den infolge der zu geringen Verkaufspreise veranlaßten vermehrten Luxuskonsum die deutsche Währung und verleiten die Importeure dazu, sich wegen der Zollersparnis der Einfuhr über das besetzte Gebiet statt über die legalen Grenzen (Hansastädte usw.) zuzuwenden. Ein besonders schwerer Schlag wurde dem deutschen Handel dadurch versetzt, daß mit der Ruhrbesetzung von den Besatzungsmächten eine Zollgrenze zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet errichtet und die Einfuhr aus dem unbesetzten nach dem besetzten Gebiet der Verzollung zu anfangs 2 5 % der Sätze des deutschen Zolltarifs unterworfen wurde. Anstatt der erwarteten Aufhebung dieser Binnenzollinie wurden nach Aufgabe der deutschen Ruhrabwehr die Zólle von 25 % auf die volle Höhe der deutschen Tarifsätze erhöht und damit die Binneneinfuhr aus dem unbesetzten nach dem besetzten Gebiet genau derjenigen aus irgendeinem Auslandsstaat gleichgestellt. Das besetzte Gebiet ist dadurch gegenüber dem unbesetzten Deutschland wirtschaftspolitisch vollständig zum Ausland geworden. Die durch das zweite „Loch im Westen" geschaffenen Verhältnisse haben zur Nebenfolge, daß Deutschland nicht in der Lage ist, die als Grundlage der Wirtschaftspolitik erforderliche genaue Handelsbilanz festzustellen. Die amtlichen Außenhandelsstatistiken weisen hierauf regelmäßig durch folgende Vorbemerkung hin: „Die Zuverlässigkeit der veröffentlichten Ergebnisse ist infolge des Einbruchs in das Ruhrgebiet erheblich beeinträchtigt, da das seit Februar 1923 angefallene handelsstatistische Material infolge der Besetzung der Zollstellen und der Ausweisung der Beamten zum größten Teil nicht hat an das Statistische Reichsamt gelangen können u n d s e i t h e r d i e d o r t ein- und a u s g e f ü h r t e n Güter von deutscher Seite ü b e r h a u p t nicht mehr h a n d e l s s t a t i s t i s c h e r f a ß t werden." Wegen der Einzelheiten der während der Ruhrabwehr ergangenen wirtschaftspolitischen Anordnungen der Besatzungsmächte wird auf die vier Weißbücher von 1923: „Aktenstücke über den französisch-belgischen Einmarsch in das Ruhrgebiet" verwiesen. Von den Bestimmungen über Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen in Teil XII

(Artt. 321^386), die als Nebenwirkung in vielen Beziehungen die Freiheit der deutschen Handelspolitik beeinträchtigen, ist hier nur auf diejenigen hinzuweisen, die unmittelbar ein wesentliches Instrument der staatlichen Handelspolitik betreffen, nämlich auf die Bestimmungen über V. D i e E i s e n b a h n t a r i f e . Art. 323, der nochmals auf die Zollpolitik zurückkommt, nimmt Deutschland das Recht, bei seinen Ein- und Ausfuhrzöllen, -Abgaben und -Verboten Unterschiede zu machen nach der Ein- oder Ausgangsgrenze, nach Art, Eigentumsverhältnissen oder Flagge des Beförderungsmittels, nach Abgangs-, Bestimmungsort, Reiseweg oder Umladeplätzen des letzteren oder danach, ob der Hafen, über den die Ein- oder Ausfuhr erfolgt, ein deutscher oder ausländischer ist, oder ob die Ein- oder Ausfuhr zu Wasser, zu Lande oder durch die Luft erfolgt. Ferner wird Deutschland das Recht abgesprochen, zum Nachteil der Häfen oder Schiffe der a. u. a. St. Zuschlagsgebühren oder Prämien auf die Aus- oder Einfuhr über deutsche oder nichtdeutsche Häfen oder auf deutschen oder nichtdeutschen Schiffen insbesondere in Form von kombinierten Tarifen festzusetzen. Die Bestimmung des Art. 323 bezieht sich auf Unterscheidungszölle nach Art der französischen „surtaxe d'entrepôt" und „surtaxe d'origine", die dem deutschen Zollrecht fremd sind. Die Vorschrift stellt sich demnach als eine Sicherheitsmaßnahme der a. u. a. St. f ü r den Fall dar, daß Deutschland beabsichtigen sollte, zur Einführung derartiger Unterscheidungszölle überzugehen. Nach Art. 325 genießen die Seehäfen der a. u. a. St. alle Vorteile und Tarifermäßigungen, die auf den deutschen Eisenbahnen oder Schiffahrtsstraßen zugunsten deutscher Häfen oder irgendeines Hafens einer dritten Macht gewährt werden. Art. 326 schreibt vor, daß Deutschland seine Teilnahme an Tarifen nicht verweigern darf, die den Häfen eines der a. u. a. St. ähnliche Vorteile, wie es seinen eigenen Häfen oder denen einer anderen Macht gewährt, zuwenden. Art. 365 sichert den a. u. a. St. für die aus ihren Gebieten kommenden, für Deutschland bestimmten Güter sowie f ü r die durch Deutschland aus oder nach den Gebieten der a. u. a. St. durchgeführten Güter bezüglich der Gebühren, Verkehrserleichterungen usw. die günstigste Behandlung zu, die für Güter gleicher Art gilt, welche auf irgendeiner deutschen Strecke im Binnen- oder internationalen Verkehr unter ähnlichen Beförderungsverhältnissen, insbesondere bezüglich der Länge der durchlaufenen Strecken, be-

Versailler Frieden (Überblick) fördert werden. Das gleiche gilt, wenn es von a. u. a. St. für namentlich zu bezeichnende Güter verlangt wird, für aus Deutschland kommende, nach diesen Staaten bestimmte Güter. Ferner müssen auf ein an Deutschland gerichtetes Ersuchen einer a. u. a Macht internationale, nach den Sätzen des Art. 365 aufgestellte Tarife mit Durchgangsfrachtbriefen geschaffen werden. Nach Art. 378 dürfen die Bestimmungen der Artt. 321—330, 332, 365 und 367—369 nach Ablauf von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags jederzeit vom Rat des Völkerbundes nachgeprüft werden. Nach Ablauf der fünfjährigen Frist kann mangels einer solchen Nachprüfung keiner der a. u. a. St. den Vorteil einer dieser Bestimmungen ohne Gewährung der Gegenseitigkeit beanspruchen. Die fünfjährige Frist, während der Deutschland keine Gegenseitigkeit fordern darf, kann vom Rat des Völkerbundes verlängert werden. Die Bestimmungen der Artt. 325, 326 und 365 über Eisenbahntarife gehen weit über das hinaus, was in den Handelsverträgen früher vereinbart worden war. In den Handelsverträgen blieb das Grundprinzip der vollen Tarifautonomie beider Kontrahenten ausnahmslos unangetastet. Vereinbart wurde nur, daß die aus dem Gebiete des einen Vertragsstaates in das Gebiet des anderen übergehenden oder das letztere transitierenden Sendungen weder in bezug auf die Abfertigung noch hinsichtlich der Beförderungspreise ungünstiger als die in dem betreffenden Gebiet nach einem inländischen Bestimmungsort oder nach dem Auslande abgehenden Sendungen zu behandeln sind, „ s o f e r n sie auf d e r s e l b e n B a h n s t r e c k e u n d in d e r s e l b e n Verk e h r s r i c h t u n g b e f ö r d e r t w e r d e n " (vgl. die Handelsverträge Deutschlands mit Belgien vom 6. XII. 1891/22. VI. 1904 Art. 10, mit Italien vom 6. X I I . 1891/3. X I I . 1904 Art. 10a, mit Österreich-Ungarn vom 6. X I I . 1891/25. I. 1905 Schlußprotokoli zu Art. 15, mit Rußland vom 10. II. 1894/28. VII. 1904 Art. 19, mit Schweden vom 8. V. 1906 Art. 12, mit Serbien vom 21. VIII. 1892/29. XI. 1904 Art. IX b). Die Bestimmungen des Vertrags von Versailles verpflichten Deutschland, jeden auf einer deutschen Eisenbahnstrecke f ü r bestimmte Güter bestehenden günstigeren Tarif f ü r die gleichen Gütersendungen auf allen übrigen deutschen Strecken bei der Einfuhr nach oder der Durchfuhr durch Deutschland den a. u. a. St. insoweit zur Verfügung zu stellen, als der Transport unter ähnlichen Verhältnissen insbesondere bezüglich der Streckenlänge erfolgt. Ferner ist Deutschland verpflichtet, etwaige Ausnahmetarife für Transporte nach oder von den

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deutschen Seehäfen auch für solche Strecken einzuräumen, die Verbindungen mit Seehäfen der a. u. a. St. herstellen. Diese Bestimmungen nehmen Deutschland die Möglichkeit, das Eisenbahntarifwesen im Interesse seiner Handelspolitik zu verwenden und es den vielgestaltigen Sonderbedürfnissen seines Handels, seiner Industrie, Landwirtschaft und Seeschiffahrt anzupassen. VI. D e r R e p r e s s a l i e n p a r a g r a p h 18. Es ist schließlich noch eine Bestimmung anzuführen, die sich außerhalb der die Handelspolitik betreffenden Vorschriften des Versailler Vertrages findet, nämlich der berüchtigte § 18 der Anlage 2 zu Abschnitt 1 von Teil V I I I „Wiedergutmachungen". Der Paragraph sieht vor, daß die Maßnahmen, zu denen die a. u. a. Regierungen, falls Deutschland vorsätzlich seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, berechtigt sind, und die Deutschland sich verpflichtet, nicht als feindselige Handlungen zu betrachten, in wirtschaftlichen und finanziellen Sperrund Vergeltungsmaßregeln, überhaupt in solchen Maßnahmen bestehen können, welche die genannten Regierungen als durch die Umstände geboten erachten. Diese Bestimmung benahm dem deutschen Handel die Möglichkeit der Wiederaufnahme regelrechter und weitsichtiger Geschäfte mit den ehemals feindlichen Ländern, indem sie die deutschen Interessen im Auslande jederzeit der Gefahr von Sequestrationen, Liquidationen, Beschlagnahme von Schiffen oder ihrer Ladungen, usw. aussetzte. Die nachteiligen Folgen, die sich aus dieser Rechtsunsicherheit des deutschen Handels auch für die a. u. a. St. insbesondere dadurch ergeben mußten, daß sich die Geschäfte über die neutralen Staaten unter Stärkung der internationalen Bedeutung ihrer Banken entwickeln mußten, wurden von den a. u. a. St. bald erkannt. Schon am 16. X. 1920 verzichtete England auf die Anwendung des § 18 gegenüber dem Eigentum deutscher Reichsangehöriger. Die Frage wurde sodann deutscherseits auf der Brüsseler Konferenz in der Sitzung vom 18. X I I . 1920 (vgl. das Weißbuch 1921 „Sammlung von Aktenstücken über die Verhandlungen auf der Sachverständigenkonferenz zu Brüssel vom 16. bis 22. X I I . 1920", S. 19) zur Sprache gebracht. Nachdem in der Folge die Mehrzahl der übrigen a. u. a. St. auf die Anwendung des Repressalienparagraphen verzichtet hatte, steht sie Mitte Juni 1924 noch gegenüber folgenden Staaten in K r a f t : „Frankreich, Bolivien, Brasilien, Cuba, Griechenland, Haiti, Liberia, Panama, Polen, Rumänien und Uruguay. Italien hat zwar nicht förmlich verzichtet, doch haben maßgebende

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Versailler Frieden (Überblick — Auslieferungsforderungen)

italienische Stellen wiederholt versichert, d a ß Italien von d e m Recht aus § 18 keinen Gebrauch machen werde. Es sei noch darauf hingewiesen, daß der § 18 von Frankreich u n d Belgien mißbräuchlich zur Rechtfertigung der Ruhrbesetzung herangezogen wurde. Die im ersten Ruhrweißbuch 1923 „Aktenstücke über den französisch-belgischen Einmarsch in das Ruhrgebiet" auf S. 20—22 abgedruckte „ E r k l ä r u n g des Reichsministers des Auswärtigen über die Rechtslage in der Sanktionsfrage" weist nach, daß aus § 18 eine Rechtsgrundlage f ü r territoriale Eingriffe gegenüber Deutschland nicht hergeleitet werden k a n n . Literatur : Dr. Eduard Rosenbaum, Die Bedrohung der deutschen Wirtschaftshoheit durch den Frieden von Versailles (Die Friedenslast, herausgegeben von der Deutschen Liga f ü r Völkerbund, III, Berlin 1920). — F. Lusensky, Der deutsche Außenhandel auf der Grundlage des Friedensvertrages (Handelspolitische Flugschriften, herausgegeben vom Handelsvertragsverein, H e f t 20, Berlin 1919). — Dr. Alfred Zimmermann, Deutschlands handetópolitische Lage nach dem Versailler Vertrage (Volkswirtschaftliche Zeitfragen, herausgegeben von der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in Berlin, Nr. 317, Berlin 1921). Gg. F i s c h e r .

b) Auslieferungsforderungen. I. Sehr verschieden ist die Behandlung, die der Gedanke der Straffreiheit in den Friedensverträgen erfahren hat (s. die Amnestieklausel in den Friedensverträgen). Der Versailler Vertrag vom 28. VI. 1919 (RGBl. S. 687) — und gleiches gilt f ü r die Staatsverträge von St. Germain und Trianon — steht darin im Gegensatz zu den Friedensverträgen zwischen dem Deutschen Reich und Finnland vom 7. III. 1918 (RGBl. S. 701) sowie den Friedensverträgen zwischen den Mittelmächten u n d Rußland vom 3./7. III. 1918 (RGBl. S. 479) und zwischen den Mittelm ä c h t e n und der Ukrainischen Volksrepublik vom 9. II. 1918 (RGBl. S. 1009). Der Versailler Vertrag lehnt es ab, die Versöhnung der kriegführenden Völker durch Vereinbarung der Straffreiheit zu erleichtern. Er geht im Gegenteil über das einfache Versagen der Straffreiheit hinaus, indem er einseitig das Deutsche Reich als den unterlegenen Teil zwingt, Strafverfolgungen in den Siegers t a a t e n durch Auslieferung der Verfolgten zu ermöglichen. Und zwar bezieht sich die dem Deutschen Reich auferlegte Verpflichtung nicht nur auf S t r a f t a t e n , die vor der Unterzeichnung des Vertrags begangen sind,

sondern auch auf solche, die erst später begangen werden. Der Versailler Vertrag u n t e r n i m m t es sogar in einem Falle, einen bei seinem Abschluß unbeteiligten, während des großen Krieges neutralgebliebenen S t a a t zu der gleichen Willfährigkeit zu veranlassen. Im einzelnen handelt es sich um drei verschiedene Gruppen von Auslieferungsforderungen, die in folgenden Bestimmungen niedergelegt s i n d : 1. Art. 227 des Versailler Vertrags (Auslieferung Kaiser Wilhelms II.); 2. A r t t . 228—230 des Versailler Vertrags (Auslieferung der sog. Kriegsbeschuldigten); 3. A r t t . 4 und 3 Abs. d und e des Rheinlandabkommens vom 28. VI. 1919. 11. Art. 227 des Versailler Vertrags lautet im englischen U r t e x t : The Allied and Associated Powers publicly arraign William II of Hohenzollern, formerly German Emperor, for a supreme offence against international morality and the s a n c t i t y of treaties. A special tribunal will be constituted to t r y the accused, thereby assuring him the guarantees essential to the right of defence. It will be composed of five judges, one appointed b y each of the following Powers: namely, the United States of America, Great Britain, France, Italy and J a p a n . In its decision the tribunal will be guided by the highest motives of international policy, with a view to vindicating the solemn obligations of international undertakings and the valid i t y of international morality. It will be its d u t y to f i x the punishment which it considers should be imposed. The Allied and Associated Powers will address a request to the Government of the Netherlands for the surrender to them of the ex-Emperor in order t h a t he m a y be put on trial. Zunächst wurde indessen der Versuch gemacht, ohne Auslieferungsersuchen ans Ziel zu kommen. Am Tage der Unterzeichnung des Vertrags, am 28. VI. 1919, teilte der diplomatische Vertreter der Französischen Regierung im Haag mit, die Verbandsmächte erblickten in der Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. und des Kronprinzen Friedrich Wilhelm auf niederländischem Boden eine Gefahr f ü r die Niederlande und seien bereit, den Niederlanden die Internierung beider Personen abzunehmen. Die Niederländische Regierung lehnte aber den Vorschlag ab. Nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags richtete Clémenceau am 15. I. 1920 ein Schreiben an den Niederländischen Vertreter in Paris, in dem unter Hinweis auf Art. 227 des Vertrags nunmehr ausdrücklich gebeten wurde, den früheren deutschen Kaiser zur Aburteilung auszuliefern. In der Begründung des Ersuchens

Versailler Frieden (Auslieferungsforderungen) hieß es, die Niederländische Regierung wisse, daß die vorsätzlichen Vertragsverletzungen und die fortgesetzte Mißachtung der wichtigsten Sätze des Völkerrechts an jedermann, auch an den höchstgestellten Personen, geahndet werden m ü ß t e n ; an allem, was vorgefallen wäre — es sei nur erinnert an die schamlose Verletzung der belgischen und luxemburgischen Neutralität, an das mittelalterlich grausame Verfahren, Geiseln zu nehmen, an die scharenweise Wegführung von Einwohnern der besetzten Gebiete, insbesondere der Mädchen aus Lille, an die militärisch zwecklose Verwüstung großer Gebietszonen, an den unbeschränkten Unterseebootkrieg mit der Preisgabe von Menschenleben auf offener See, an die zahlreichen Maßnahmen gegen Nichtkämpfer usw. — trage die höchste Spitze eine mindestens moralische Verantwortung, da sie die Normen für menschliches Verhalten übertreten habe oder habe übertreten lassen. Die Niederländische Regierung würde ihre Pflicht gegen die Völkergemeinschaft versäumen, wenn sie sich bei der Ahndung der begangenen Straftaten versage. Das Ersuchen um Auslieferung sei ganz besonderer Art; Art. 227 müsse auch Gegengründen zum Trotz durchgeführt werden, denn es handle sich nicht um eine Anklage im Rechtssinne, sondern um eine Maßnahme der Politik, die das Weltgewissen gebiete, bei der aber die gewählte Rechtsform dem Verfolgten eine sonst ganz unbekanntes Maß von Rechtsschutz zuteil werden ließe. Die Niederlande als ein rechtlich denkender Staat, die von Anfang an in der Völkergemeinschaft einen Platz beansprucht hätten, würden die Mißachtung der Grundregeln des Völkerrechts nicht dadurch decken wollen, daß sie dem Hauptschuldigen auf ihrem Gebiet Asyl gewährten. — Durch Schreiben des Ministers van Karnebeek vom 21. I. 1920 lehnte die Niederländische Regierung das Auslieferungsersuchen ab. Sie erklärte, sie könne sich bei ihrer Entschließung nur von ihrer eigenen Auffassung ihrer Pflichten bestimmen lassen. Während des Krieges seien die Niederlande neutral geblieben; sie beurteilten daher auch die Kriegsmaßnahmen anders als das in dem Schreiben der Verbandsmächte vom 15. I. geschehen sei. Jeden Verdacht, als ob sie Völkerrechtsverletzungen decken wollten, müßten sie nachdrücklich zurückweisen. Sie fühlten sich aber nicht verpflichtet, sich politischen Maßnahmen anzuschließen. Sollte einmal der Völkerbund ein Strafrecht schaffen, nach dem künftige Verletzungen des Kriegsrechts geahndet werden sollten, und einen internationalen Gerichtshof ins Leben rufen, der solche Taten abzuurteilen hätte, so würden die Nieder-

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lande sich an diesen neuen Aufgaben beteiligen. Bei der gegenwärtigen Rechtslage könnten sie sich nur an ihre, auf allgemein anerkannten Rechtssätzen beruhenden Landesgesetze und ihre Jahrhunderte alten Überlieferungen stützen. Sie könnten es mit Recht und Ehre, ihren heiligen Gütern, nicht vereinbaren, dem früheren Kaiser den Vorteil der niederländischen Gesetze und der niederländischen Überlieferungen zu entziehen, die Holland zu einem Zufluchtsort für die Verfolgten bei internationalen Zusammenstößen gemacht hätten. Diese Auffassung werde man als berechtigt anerkennen müssen. — Am 14. II. 1920 wurde indessen von den Verbandsmächten das Auslieferungsersuchen wiederholt. Sie erklärten, die Niederländische Regierung habe bei der Ablehnung die besondere Art des Ersuchens nicht berücksichtigt. Auf einen internationalen Gerichtshof könne man unmöglich warten, um die Anstifter des großen Krieges zur Verantwortung zu ziehen; die niederländische Entschließung erleichtere aber auch kaum das zukünftige Einschreiten gegen hochgestellte Verbrecher durch einen internationalen Gerichtshof. Die Völkergemeinschaft sei sich in der Beurteilung der Handlungsweise des früheren deutschen Kaisers, die zehn Millionen Menschen das Leben gekostet habe, einig, und es müsse Verwunderung hervorrufen, daß das niederländische Schreiben kein Wort der Mißbilligung für den Anstifter des großen Krieges enthalte. Man könne nicht annehmen, daß die Niederlande sichaußerhalb der Völkergemeinschaft stellen wollten. Jedenfalls übernähmen sie eine große Verantwortung, wenn sie die Auslieferung verweigerten und die Sicherheitsmaßnahmen, die der Aufenthalt der kaiserlichen Familie auf niederländischem Boden dicht an der deutschen Grenze erforderlich mache, vernachlässigten. Sie hätten, so habe man erwarten dürfen, wenigstens zusagen sollen, daß derartige Sicherheitsmaßnahmen, sei es durch Bewachung an Ort und Stelle, sei es durch Entfernung des Kaisers aus der Nähe des Schauplatzes seiner früheren Tätigkeit, getroffen werden sollten. Die Verbandsmächte würden tun müssen, was ihre eigene Sicherheit erfordere. Sie bäten, ihr Ersuchen aufs neue zu prüfen, und müßten darauf hinweisen, welch ernste Lage für die Niederlande entstehen könnte, wenn sie die europäische Sicherheit nicht schützten. — Die Niederlande erwiderten am 2. III. 1920, sie könnten auch nach wiederholter Prüfung der gesamten Lage nicht zu einem anderen Ergebnis gelangen und seien außerstande, dem Wunsche der Verbandsmächte zu entsprechen. Die Verstöße gegen menschliche

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Gesittung, die der Krieg gezeitigt habe, seien ihnen n i c h t u n b e k a n n t und h ä t t e n jedesmal ihren E i n s p r u c h hervorgerufen, wenn niederländische Staatsangehörige davon betroffen worden wären. Am Versailler Vert r a g seien sie aber nicht beteiligt und den Kriegsereignissen s t ä n d e n sie anders gegenüber wie die Verbandsmächte. Sie seien e r s t a u n t , d a ß die Beobachtung ihrer Gesetze und ihrer E h r e geeignet sein sollten, sich a u ß e r h a l b der Völkergemeinschaft zu stellen. Ein solcher Vorwurf könne unmöglich berechtigt sein. Mit der Frage der Sicherheitsm a ß n a h m e n h ä t t e sich ihre Erwiderung auf das Auslieferungsersuchen nicht zu befassen brauchen. Sie k ö n n t e n aber versichern, daß dieser Frage volle A u f m e r k s a m k e i t geschenkt werde. Im R a h m e n des niederländischen Rechts werde alles Gebotene geschehen, um die Freiheit des früheren deutschen Kaisers in den notwendigen Schranken zu halten. Diese E r k l ä r u n g werde geeignet sein, den V e r b a n d s m ä c h t e n die F u r c h t zu benehmen. — In einem Schreiben vom 24. I I I . 1920 erklärten die V e r b a n d s m ä c h t e , die Niederlande trügen die V e r a n t w o r t u n g f ü r alle Verwicklungen, die sich aus ihrer H a l t u n g ergeben sollten. Der Verfolgte selbst h a t sich zu der Absicht, ihn vor einen Gerichtshof der Verb a n d s m ä c h t e zu stellen, in dem später veröffentlichten Brief an den Generalfeldmarschall von H i n d e n b u r g vom 5. IV. 1921 (Kölnische Ztg. vom 18. X I I . 1921, Nr. 861 ; Deutsche Allg. Ztg. vom 18. X I I . 1921, Nr. 583) u n d in seinem Buche „Ereignisse u n d Gestalten aus den J a h r e n 1878 bis 1918" g e ä u ß e r t . E r erklärt, weshalb er sich nicht freiwillig den V e r b a n d s m ä c h t e n gestellt habe, und f ü h r t dabei a u s : , , . . . ein Gerichtshof, in dem der F e i n d b u n d gleichzeitig Ankläger u n d Richter wäre, würde nicht ein Organ des Rechts, sondern ein I n s t r u m e n t politischer Willkür sein u n d nur dazu dienen, d u r c h meine selbstverständliche Verurteilung die uns auferlegten unerhörten Friedensbedingungen nachträglich zu rechtfertigen." Aber auch einem neutralen Gericht habe er sich nicht stellen können. „ I c h erkenne wegen der A n o r d n u n g e n , die ich als Kaiser u n d König, also als verfassungsmäßig unv e r a n t w o r t l i c h e r R e p r ä s e n t a n t der deutschen N a t i o n , nach bestem Wissen und Gewissen getroffen habe, das strafrechtliche Urteil irgendeines irdischen Richters, wie hoch er a u c h immer gestellt sein m a g , nicht an, da ich d a d u r c h die Ehre u n d W ü r d e des von m i r v e r t r e t e n e n deutschen Volkes preisgeben würde."

s t e c k u n g der Aufgabe des von den V e r b a n d s m ä c h t e n zur Aburteilung des Kaisers gep l a n t e n Gerichtshofs den G r u n d s ä t z e n ges i t t e t e r Rechtspflege. Wie die russischen Bolschewisten zeitweilig zur N i e d e r w e r f u n g jeden Widerstands K a m p f g e r i c h t e ins Leben riefen, die als „ G e r i c h t e politischer Zweckm ä ß i g k e i t " t ä t i g waren, so k a n n auch der in Art. 227 des Versailler Vertrags in Aussicht genommene Gerichtshof nur als politisches K a m p f g e r i c h t bezeichnet werden, das eine einseitige deutsche Schuld a m Kriege zu unterstellen und durch alleinige Verurteilung des f r ü h e r e n Kaisers als des deutschen Oberh a u p t s zu verkünden h a t t e . Das an die Niederlande gerichtete Ersuchen, den Verfolgten zur Aburteilung zur V e r f ü g u n g zu stellen, sollte nach der Auffassung der Verb a n d s m ä c h t e nicht eine M a ß n a h m e des Rechts, sondern der Politik sein. Ein Rechtss t a a t wie die Niederlande konnte aber t r o t z dem das Ersuchen n u r nach rechtlichen Gesichtspunkten prüfen. Dann e r g a b sich, d a ß f ü r eine rechtlich v e r t r e t b a r e Bewilligung der begehrten Auslieferung die Voraussetzungen fehlten. Zwar h a t t e Wilhelm II. nach seiner T h r o n e n t s a g u n g als d e u t s c h e r Kaiser und König von Preußen v ö l k e r r e c h t lich wie innerstaatlich seine f r ü h e r e Sonderstellung verloren; rechtlich s t a n d a u c h nichts m e h r im Wege, ihn wegen solcher H a n d lungen zur V e r a n t w o r t u n g zu ziehen, die w ä h r e n d der Zeit seiner Sonderstellung begangen waren. Unerläßliche Voraussetzungen f ü r ein begründetes Auslieferungsverlangen aber waren, daß den ersuchenden V e r b a n d s m ä c h t e n die Gerichtsbarkeit über den Verfolgten zustand, daß sie ihn nicht vor ein Ausnahmegericht stellten, daß die Verfolgung wegen S t r a f t a t e n im eigentlichen Sinne und solche nichtpolitischer Art betrieben wurde und daß ein entsprechender H a f t b e f e h l vorgelegt werden k o n n t e . Bei ihrem Fehlen war die Ablehnung der begehrten Auslieferung d u r c h die Niederländische Regierung vom R e c h t s s t a n d p u n k t aus selbstverständlich — eine Auffassung, die sich auch in den V e r b a n d s s t a a t e n selbst m e h r und mehr d u r c h s e t z t .

II. Auf die Kriegsbeschuldigten, wie m a n sie später g e n a n n t h a t , beziehen sich folgende Bestimmungen des Versailler V e r t r a g s : A r t . 2 2 8 : T h e German Government recognises t h e right of the Allied a n d Associated Powers t o bring before m i l i t a r y t r i b u n a l s persons accused of having c o m m i t t e d acts in violation of the laws a n d customs of war. Such persons shall, if found guilty, be sentenced t o p u n i s h m e n t s laid down b y law. This provision will Vom R e c h t s s t a n d p u n k t aus widerstreitet a p p l y n o t w i t h s t a n d i n g a n y proceedings or die Art der Z u s a m m e n s e t z u n g und die Ab- prosecution before a t r i b u n a l in G e r m a n y

Versailler Frieden (Auslieferungsforderungen) or in the territory of her allies. — The German Government shall hand over to the Allied and Associated Powers, or to such one of them as shall so request, all persons accused of having committed an act in violation of the laws and customs of war, who are specified either by name or by the rank, office or employment which they held under the German authorities. Art. 229: Persons guilty of criminal acts against the nationals of one of the Allied and Associated Powers will be brought before the military tribunals of that Power. — Persons guilty of criminal acts against the nationals of more than one of the Allied and Associated Powers will be brought before military tribunals composed of members of the military tribunals of the Powers concerned. — In every case the accused will be entitled to name his own counsel. Art. 230: The German Gouvernment undertakes to furnish all documents and information of every kind, the production of which m a y be considered necessary to ensure the full knowledge of the incriminating acts, the discovery of offenders and the just appreciation of responsibility. In dem Protokoll, das die Ausführung einzelner Bestimmungen des Versailler Vertrags regelte, wurde vereinbart, daß das Verzeichnis der Personen, die gemäß Art. 228 Abs. 2 ausgeliefert werden sollten, der deutschen Regierung innerhalb eines Monats nach dem Inkrafttreten des Vertrags mitgeteilt werden würde (RGBl. 1919 S. 1333). Schon in den Bemerkungen, welche die deutsche Friedensdelegation am 29. V. 1919 zu den am 7. V. Ubergebenen Friedensbedingungen dem Vorsitzenden der Friedenskonferenz schriftlich zugehen ließ, wurde gegen die Auslieferungsforderungen Einspruch erhoben. Es wurde auf § 9 des deutschen Strafgesetzbuchs verwiesen, der in Übereinstimmung mit den Rechtsanschauungen der meisten Staaten die Auslieferung der eigenen Staatsangehörigen verbiete und es der deutschen Regierung unmöglich mache, dem Auslieferungsverlangen zu entsprechen; es wurde der Völkerrechtssatz unterstrichen, daß ausschließlich der Staat selbst für Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges verantwortlich sei, daß also nur die Bestrafung der Schuldigen durch das Deutsche Reich gefordert werden könne. Deutschland sei bereit, Verletzungen des Völkerrechts zu ahnden; es sei sogar bereit — vorausgesetzt, daß jedermanns Verstöße vor dieses Gericht gebracht werden könnten — die Vorfrage, ob eine Handlung eine Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges sei, einem neutralen Gerichtshof zu überlassen. In der Erwiderung vom 16. VI. erklärten indessen

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die Verbandsmächte, sie hielten die Aburteilung der Kriegsbeschuldigten durch ihre eigenen Gerichte für geboten; die Liste der auszuliefernden Personen werde innerhalb eines Monats nach dem Inkrafttreten des Friedens übersandt werden. Am 21. VI. erklärte sich die deutsche Regierung bereit, den Friedens vertrag mit Ausschluß der Artt. 227—230 zu unterzeichnen. Als die Verbandsstaaten am folgenden Tage vorbehaltlose Annahme forderten, wurde die Unterzeichnung unter Betonung der „unerhörten Ungerechtigkeit" der Bedingungen beschlossen. Dennoch wurden die deutschen Bedenken gegen die Auslieferungsforderungen nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags in einer Aufzeichnung vom 5. XI. 1919 den Hauptmächten unter den Verbandsstaaten noch einmal besonders vorgetragen. Man wies deutscherseits darauf hin, daß die Rechtspflicht zur Auslieferung nichts daran ändere, daß die Auslieferung tatsächlich unmöglich sei; die Machtmittel der deutschen Regierung reichten nicht aus, um etwaigen Auslieferungsforderungen nachzukommen. Jeder Versuch, die Verfolgten festzunehmen und auszuliefern, würde an dem einmütigen Widerstand des ganzen Volkes scheitern. Dagegen sei die deutsche Regierung bereit, durch deutsche Gerichte unter Aufhebung aller rechtlichen Hindernisse, insbesondere der Amnestiebestimmungen, gegen die Verfolgten Strafverfahren einzuleiten und Vertretern der Verbandsmächte eine weitgehende Beteiligung daran einzuräumen; die Schuldigen solle die gerechte Strafe treffen. In Ausführung dieses Vorschlags, zu dem die Verbandsmächte sich nicht äußerten, erging das deutsche Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. X I I . 1919 (RGBl. S. 2125). Nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags schrieb der Vorsitzende der deutschen Friedensdelegation am 25. I. 1920 an den Präsidenten der Friedenskonferenz, die deutsche Regierung wiederhole ihre Bereitwilligkeit, gegen jeden Deutschen, der eines Verstoßes gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges beschuldigt werde, ein Strafverfahren einzuleiten, bei dem Vertreter der Verbandsmächte in noch zu erörternder Weise mitwirken könnten; auch über eine zweite Instanz ließe sich sprechen. Die Auslieferung der Verfolgten sei nach wie vor eine t a t sächliche Unmöglichkeit. Am 3. II. 1920 übersandte indessen Millerand als Präsident der Friedenskonferenz dem Freiherrn von Lersner als Vorsitzendem der deutschen Friedensdelegation das Verzeichnis der Personen, deren Auslieferung gemäß Art. 228 Abs. 2 des Versailler Vertrags von der Groß-

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britannischen, Französischen, Italienischen, faßt worden. Nunmehr sei das „Gesetz zur Belgischen, Polnischen, Rumänischen und Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von und Kriegsvergehen" Serbokroatoslowenischen Regierung begehrt Kriegsverbrechen werde, und bemerkte dabei, daß von den (RGBl. 1920 S. 341) entworfen worden, das zahllosen deutschen Kriegsverbrechern nur alle rechtlichen Hindernisse gegen die Durcheinige besonders Belastete aufgenommen führung der Verfahren beseitigen solle. Die worden seien. Den übrigen sei aber keines- Verfahren selbst würden vor dem Reichswegs Straffreiheit in dem Sinne gewährt, daß gericht nach deutschem Recht durchgeführt sie nicht in den Verbandsstaaten zur Ver- werden und seien jeder politischen Einantwortung gezogen werden könnten. Die wirkung entzogen. Am 7. V. wiederholten Rechte aus Art. 230 des Vertrags blieben die Verbandsmächte den Inhalt ihres Schreiausdrücklich vorbehalten; eine weitere Mit- bens vom 13. II. und übermittelten die erste teilung werde in Erwiderung auf das Schrei- von der Kommission zusammengestellte Liste, Es ben vom 25. I. von der Art Nachricht geben, die 45 Kriegsbeschuldigte aufzählte. in der die Verbandsmächte die in Betracht wurde erklärt, Ersuchen um Beweiserhekommenden Vertragsbestimmungen ausge- bungen werde entsprochen werden, und verführt zu sehen wünschten. Frhr. von Lersner langt, daß Zeugen, die aus den Verbandssandte am gleichen Tage das Verzeichnis der staaten vor dem Reichsgericht erschienen, auszuliefernden Personen mit der Mitteilung hinsichtlich ihrer Aussagen völlige Immuzurück, daß er als deutscher Beamter nicht nität für Gegenwart und Zukunft gewährt in der Lage sei, das ihm aller wiederholten werde. Die deutsche Regierung antwortete Vorstellungen ungeachtet übersandte Aus- am 31. V., daß der Oberreichsanwalt mit der lieferungsverlangen an die deutsche Regierung Strafverfolgung der in der „ersten Liste" Personen beauftragt sei; weiterzuleiten. Das Verzeichnis wurde nun- verzeichneten mehr in Berlin dem Reichskanzler vom fran- Zeugen, die nach Leipzig reisten, ständen zösischen Geschäftsträger übergeben. In unter dem Schutz der deutschen Gesetze und dem Begleitschreiben vom 7. II. unterstrich seien deren Bestimmungen unterworfen; von Millerand, daß über die weitere Behandlung dem Anerbieten, Beweiserhebungen vorzuder Angelegenheit nach Prüfung der deut- nehmen, werde der Oberreichsanwalt Geschen Gegenvorstellungen Mitteilung ge- brauch machen. In Spa wurden bald darauf macht werden würde. Es ergab sich, daß erleichterte Formen f ü r den Rechtshilfeetwa 900 Personen in dem Verzeichnis verkehr mit den Verbandsstaaten vereinbart. standen; die Empörung im deutschen Volk Zu weiterem Ausbau der Gesetzgebung in wuchs. Am 13. II. teilte Lloyd George unter der Kriegsbeschuldigtenfrage erging am 21. V. Bezugnahme auf die deutschen Vorstellungen 1921 das „Gesetz zur weiteren Ergänzung vom 25. I. dem Reichskanzler mit, die Ver- des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsbandsmächte hätten davon Kenntnis ge- verbrechen und Kriegs vergehen" (RGBl. 1921 nommen, daß die deutsche Regierung sich S. 508). In demselben Monat begannen die außerstande erkläre, den Verpflichtungen der ersten Strafverfahren vor dem Reichsgericht, Artt. 228—230 des Versailler Vertrags zu und zwar auch solche gegen Personen, die Anfänglich entsprechen, und behielten sich alle Rechte, auf keiner Liste standen. die ihnen der Vertrag in einem solchen Fall wohnten den Verhandlungen Vertreter der gebe, vor. Im übrigen sei die Strafverfolgung, beteiligten Verbandsmächte bei ; später wurde welche die deutsche Regierung beabsichtige, die französische Abordnung zurückgerufen. mit Art. 228 vereinbar. Die Verbandsmächte Anfänglich wurde auch den Anträgen des würden sich in keiner Weise in das Verfahren Oberreichsanwalts um Beweiserhebungen enteinmischen; die deutsche Regierung trage sprochen; später wurde die Unterstützung In einzelnen Verbandsdie Verantwortung dafür, daß die Schuldigen vielfach versagt. wirklich bestraft würden. Eine Kommission staaten zeigte sich lebhafte Unzufriedenheit sei beauftragt, das Belastungsmaterial für die mit dem Ergebnis der Strafverfahren. Am Verfolgten mitzuteilen, deren Schuld nach- 23. VIII. 1922 teilte die Botschafterkonferenz gewiesen sei. Artt. 227—230 des Vertrags der deutschen Regierung mit, daß das Reichsseien nicht aufgehoben; die Verbandsmächte gericht sich, mit Ausnahme einer kleinen würden ihre eigenen Gerichte mit den Ver- Anzahl von Fällen, nicht genügend bemüht fahren befassen, wenn sich herausstelle, daß habe, die Wahrheit zu ergründen, daß in fast die Schuldigen nur ihrer Strafe entzogen allen Fällen Angeschuldigte freigesprochen würden. Die deutsche Regierung erwiderte worden wären, die hätten verurteilt werden am 7. III., der Oberreichsanwalt sei gemäß müssen, und daß die erkannten Strafen zu dem Gesetz vom 18. X I I . 1919 alsbald mit niedrig gewesen seien. Die vor deutschen der Verfolgung der Anschuldigungen, welche Gerichten betriebenen Kriegsbeschuldigtendie vorgelegte Auslieferungsliste enthalte, be- verfahren würden nicht weiter berücksichtigt

Versailler Frieden (Auslieferungsforderungen) werden; die Rechte aus "dem Versailler Vertrag, insbesondere das Recht, Kriegsbeschuldigte vor den eigenen Gerichten, gegebenenfalls im Abwesenheitsverfahren, zu verfolgen, blieben unberührt. Von einer Auslieferung war — wohl auch mit Rücksicht auf die entschiedenen Erklärungen der Reichsregierung in der Reichstagssitzung vom 26. I. 1922 — keine Rede mehr. Es ist rechtlich nicht unbestritten, ob eine kriegführende Macht Militärpersonen, die während ihrer Zugehörigkeit zur kriegführenden Truppe des Gegners S t r a f t a t e n begangen haben, zur Verantwortung ziehen darf. Die Frage hat namentlich Bedeutung, wenn solche Personen kriegsgefangen gemacht werden. Ausdrückliche Verbote enthält das Haager Landkriegsabkommen von 1907 in Art. 8 Abs. 3 hinsichtlich der disziplinarischen Bestrafung entwichener Kriegsgefangener und in Art. 31 hinsichtlich der Bestrafung kriegsgefangener Spione. Deutscherseits wurde während des großen Krieges im allgemeinen keine Gerichtsbarkeit über die Truppenangehörigen der Feinde, die sich vor der Gefangennahme s t r a f b a r gemacht hatten, beansprucht. Den gleichen, dieser Übung zugrundeliegenden Rechtsstandpunkt hat die Niederländische Regierung in dem bekanntgewordenen Auslieferungsfall Kadden eingenommen. Alfred Kadden, deutscher Staatsangehöriger, während der Besetzung Feldwebel bei der K o m m a n d a n t u r in Gent, war im J a h r e 1918 bei der Beschlagnahme und Sammlung von Metallen verwandt worden; im J a h r e 1919 verlangte Belgien seine Auslieferung von den Niederlanden, da er sich auf belgischem Boden des Diebstahls von Kunstgegenständen schuldig gemacht habe. Die Niederlande lehnten die begehrte Auslieferung mit der Begründung ab, daß Kadden als deutscher Heeresangehöriger nicht der belgischen Gerichtsbarkeit unterfalle. Selbst wenn aber den Gerichten der Verbandsstaaten Strafgerichtsbarkeit über die deutschen Kriegsbeschuldigten zugestanden h ä t t e , so setzte sich doch ihr Auslieferungsverlangen mit dem im europäischkontinentalen Recht feststehenden Grundsatz in Widerspruch, daß kein Land seine eigenen Angehörigen ausliefert. Sich bereitfinden, die eigenen Kriegsbeschuldigten an den Sieger auszuliefern, das hieße „ d e n letzten Rest von Selbstbewußtsein und Ehre preisgeben" — hat Louis Renault 1918 geschrieben.

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Staaten von Amerika, Belgien, dem Britischen Reiche u n d Frankreich einerseits und Deutschland andererseits, betreffend die militärische Besetzung der Rheinlande vom 28. VI. 1919 ( R G B l . S. 687, 1337), dem sog. Rheinlandabkommen. Die Bestimmungen l a u t e n : Art. 4 : The German authorities, both in the occupied a n d in the unoccupied territories, shall, on the demand of a n y duly authorised military officer of the occupying forces, arrest and hand over to the nearest commander of the Allied or Associated troops a n y person charged with an offence who is amenable under paragraph (d) or paragraph (e) of Article 3 above to the military jurisdiction of the Allied or Associated Forces. Art. 3 Abs. d : The Armed Forces of the Allied and Associated Powers a n d the persons accompanying them, to whom the General Officers Commanding the Armies of Occupation shall have issued a revokable pass, and a n y persons employed by, or in the service of such troops, shall be exclusively subject to the military law and jurisdiction of such forces. Abs. e : Any person who commits a n y offence against the persons or property of the armed forces of the Allied a n d Associated Powers m a y be m a d e amenable to the military jurisdiction of t h e said forces. —• Es handelt sich hier um echte Auslieferungen im Sinne des internationalen Rechtshilfeverkehrs, m u ß doch die deutsche Regierung die Verfolgten zwar nicht über die Landesgrenze hinaus, aber einer sich auf deutschem Boden betätigenden f r e m d e n Justizhoheit überliefern. Es gelten also f ü r diesen Auslieferungsverkehr dieselben Regeln, wie sie f ü r den sonstigen Auslieferungsverkehr allgemein a n e r k a n n t sind. Ausnahmen müssen sich nach dem Rheinlandabkommen oder sonstigen Vereinbarungen besonders begründen lassen. Eine solche Ausnahme ist es vor allem, daß auch deutsche Staatsangehörige dieser Auslieferung an die Besatzungsbehörden unterliegen. Der in Art. 112 Abs. 3 der deutschen Reichsverfassung ausgesprochene Grundsatz, daß ein Deutscher einer fremden Regierung zur Verfolgung u n d Bes t r a f u n g nicht überliefert werden d a r f , steht nach Art. 178 Abs. 2 der Verfassung der hier vereinbarten Auslieferung nicht entgegen, zwingt aber die deutsche Regierung dazu, ihre Verpflichtungen eng auszulegen. Ein Deut scher darf nur dann ausgeliefert werden, wenn die Verpflichtung zur Auslieferung unzweifelhaft rechtlich begründet ist.

I I I . Auslieferungsforderungen, die den Literatur: gleichen Grundsatz verletzen und sich über- Zu I : Ed. Heilfron, Die Auslieferung Kaiser dies auf Straftaten der Z u k u n f t beziehen, Wilhelms II. in der Deutschen Allg. Ztg. enthalten die A r t t . 4 u n d 3 Abs. d und e der vom 8. X I I . 1918 (Nr. 624) und vom 20. I. Vereinbarung zwischen den Vereinigten 1920 (Nr. 35). — Otto Zoller, Ein gericht-

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Versailler Frieden (Auslieferungsforderungen — Privatrechtl. Bestimmungen)

Iiches Verfahren gegen alt Kaiser Wilhelm ? 14. II. 1920 (Nr. 38). — Derselbe, Das in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. XII. Verhalten der von der Auslieferung Be1918 (Nr. 1684). — Walter Jellinek, Wil- . drohten vor und nach der Auslieferung. helm II. in den Niederlanden in der Ebendort vom 4. II. 1920 (Nr. 29). — Deutschen Juristenzeitung vom 1. I. 1919, Derselbe, Die Verteidigung der AusgeS. 42. — Wolfg. Mettgenberg, Rechtsfragen lieferten vor den fremden Gerichten. zur Auslieferung Kaiser Wilhelms II. in der Ebendort vom 7. II. 1920 (Nr. 32). — Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht, A. Mérignhac, De la responsabilité pénale 1919, S. 24. — N. Gjelsvik, Der Prozeß des actes criminels commis au cours de la gegen Kaiser Wilhelm II. im Morgenbladet guerre de 1914—1918 in der Revue de droit (Kristiania) vom 4. 11. u. 18. X. 1919 international, Bd. 47 (1920). S. 34. — (Nr. 502, 515, 528). — W. Geuting, Die Louis Renault, De l'application du droit Frage der Verantwortung Wilhelms II. pénal aux faits de guerre (1918) in der Greifswalder Diss. 1919). — Brenske, Die Revue de droit international public, Bd. 25, Auslieferung Wilhelms II. und seine strafS. 1. — Fr. W. Jerusalem, Deutschland und rechtliche Verantwortlichkeit in der Kondie Auslieferungsopfer des Versailler Frieservativen Monatsschrift 1919, S. 493. — dens (1919), in „ R e c h t und Wissenschaft", Heinr. Triepel, Die Auslieferung des Kaisers Bd. 8, S. 154. — Friedrich Prinz zu Löwenin „Deutsche Politik", 1919, Heft 10. — stein, Das Gericht über die AuszuliefernH. Delius, Zur Frage der Auslieferung den (1919), in Süddeutsche Monatshefte, unseres letzten Kaisers und deutscher Bd. 17, S. 245. — Alfred Verdroß, Die Heerführer in „Gesetz und Recht", 1919, völkerrechtswidrige Kriegshandlung und H e f t 2. — Finger, Die Auslieferung Kaiser der Strafanspruch der Staaten (Berlin Wilhelms II. im „Gerichtssaal", Bd. 87 1920). — A. Mendelssohn Bartholdy, Die 1919), S. 1. — H. Wittmaack, Über die „Sanktionen" des Vertrags von Versailles Auslieferung des Kaisers in der Deutschen (1920), in „Festgabe für Dr. Otto LiebRevue, 1919, S. 201. — Derselbe, Welche mann (Berlin 1920), S. 103. — E. Hafter, rechtliche Bedeutung hat die Zustimmung Straf recht und Gerichtsbarkeit der Ender deutschen Regierung zu dem Antrag tente über deutsche Staatsangehörige (1919 auf Auslieferung des Kaisers? in der in der Schweizerischen Zeitschrift für „ T r a d i t i o n " , 1919, S. 461. — E. Hafter, Strafrecht, Bd. 32, S. 313. — Deutsches Die Auslieferung Kaiser Wilhelms II. in Weißbuch mit dem Abdruck der reichsder Neuen Zürcher Zeitung vom 14. I. 1920 gerichtlichen Urteile (Reichstagsdruck(Nr. 68). — de Benito, EI proceso de saché 1920/21, Nr. 2584). — Feisenberger, Guillermo II ante el derecho penal in der Die Verfolgung der Kriegsverbrechen und (argentinischen Zeitung) Union, 1919 (11 Kriegs vergehen (1920), in der Deutschen Aufsätze, abgeschlossen Juli 1919). — Strafrechtszeitung, Bd. 8, S. 20. — DerLuthard Frhr. von Hodenberg, Kann der selbe, Zusammenstellung der bisher durch Kaiser ausgeliefert werden? (Hamburg das Reichsgericht abgeurteilten Kriegs1919?). — R. Frank und F. Rachfahl, verbrechen (1921). Ebendort Bd. 9, S. 263. Kann Kaiser Wilhelm II. ausgeliefert — Lundstedt, Die Auslieferungsforderung werden? 2 Gutachten (Berlin 1919). — der Entente nach strafrechtlichen GesichtsLarnaude und de Lapradelle, Examen de la punkten (1920) in der Deutschen Juristenresponsabilité pénale de l'empereur GuilZeitung, Bd. 25, S. 241. — Claud Mulllns, laume II d'Allemagne! (1919) in Clunet, The Leipzig trials (London 1921). Bd. 46, S. 131. — Simons, L'extradition de Zu I I I : Die Auslieferung Deutscher an franl'ex-Empereur d'Allemagne et la Hollande zösische Kriegsgerichte (1921), in der Köl(1919) in Clunet, Bd. 46, S. 953. — nischen Zeitung vom 26. V I I I . 1921 E. Dreyfus, L'extradition de l'ex-Empereur (Nr. 565). Mettgenberg. d'Allemagne Guillaume II in Clunet, Bd. 47 (1920), S. 132. — M. Travers, Les traités de paix et les idées courantes en matière d'extradition (1921) in der Revue c) Privatrechtliche Bestimmungen. de droit international, S. 125. Inhaltsübersicht. Zu I I : Kraus-Rödlger, Urkunden zum FrieI. Allgemeine Gesichtspunkte. II. Der densvertrage von Versailles (Berlin 1921), II, S. 942ff. — K. Binding, Die rechtliche Weg von der privatrechtlichen Form zum III. Das AusgleichsverUngeheuerlichkeit der sog. Strafbestim- Dawesgutachten. 1. Ausgleichsvermungen des Versailler Friedensvertrages fahren im besonderen. gegen auszuliefernde Deutsche (Art. 227, fahren und Zahlungen an den Treuhänder. 228) in „Der T a g " (Ausg. A) vom 5. u. 6. 2. Ausgleichsverfahren und Unternehmungen X I I . 1919 (Nr. 270, 271). — Derselbe, Das mit feindlicher Beteiligung. 3. ZusammenAuslieferungsbegehren der Entente und das hang zwischen ausgleichfähigen Forderungen Recht im Berner Tageblatt vom 30. und 31. I. 1920 (Nr. 42, 43, 44). — Derselbe, und liquidiertem Vermögen. 4. Besondere Die absolute rechtliche Nichtigkeit der wirtschaftliche Interessen der Alliierten am 5. Valorisation und Artt. 227/228 des Versailler Friedens- Ausgleichsverfahren. 6. Interalliierte Fragen. vertrags in „Der T a g " (Ausg. A) vom Geldentwertung.

Versailler Frieden (Privatrechtliche Bestimmungen) 7. Globalabkommen und Ausgleichskrise. 8. Entwicklung des innerdeutschen Ausgleichsrechts. IV. Die sonstigen materiellen Normen des Vertrages über Privatrechte. 1. Alliiertes Vermögen im Deutschen Reich. 2. Deutsches Vermögen in den alliierten Ländern. 3. Einwirkungen auf innerdeutsche öffentliche und private Rechtsbeziehungen. 4. Interalliierte Fragen. 5. Lusitaniaklausel und amerikanische Ansprüche. 6. Vorkriegsurteile, Verjährungen und Urteile. V. Die gemischten Schiedsgerichte. VI. Staatsangehörigkeitsfragen, insbesondere die Behandlung juristischer Personen. 1. Staatsangehörigkeitswechsel und allgemeines Völkerrecht. 2. Kein einheitlicher Gesichtspunkt für die „Staatsangehörigkeit" juristischer Personen. 3. Juristische Personen im Ausgleichsverfahren und als Kontrahenten von Vorkriegsverträgen. 4 Kontrollgesichtspunkte und Wirtschaftskrieg. 5 J u ristische Personen und Liquidationen. 6. Die juristischen Personen in den abgetrennten Gebieten insbesondere. 7. Die juristischen Personen und die Zuständigkeit der gemischten Schiedsgerichtshöfe. VII. Juristische Auswirkungen. V I I I . Literatur. I. A l l g e m e i n e G e s i c h t s p u n k t e . Die nachstehenden Ausführungen verfolgen nicht den Zweck, das Privatrecht des Vertrages von Versailles im einzelnen darzustellen. Es soll vielmehr versucht werden, die Bestimmungen, die sich im 10. Teil des Vertrages von Versailles finden, in ihrem Zusammenhang zu betrachten mit der internationalen Situation und den Auffassungen über das Verhältnis vom Einzelnen zum Staat, von Volk zu Volk, wie sie sich unter dem Einfluß des Krieges entwickelt haben. Weiter soll einigen allgemeinen Auswirkungen dieser Vorschriften — die sie sich im wesentlichen übereinstimmend auch in den Verträgen von Saint Germain, Trianon und Neuilly finden — nachgegangen werden. Die Intensität der Kriege ist eine verschiedene. Es liegt daher in der Natur der Dinge, daß ein Krieg, der an die Existenz der Nationen rührt, die Einzelnen in jeder Beziehung weit mehr zum Gliede der Kriegsmacht zwingt, als es der Auffassung und der Theorie des 19. Jahrhunderts entsprochen hat. Wenn man die Verhältnisse innerhalb eines Landes zwischen Staat und Einzelnen betrachtet, springt das ins Auge an der kriegswirtschaftlichen Verstrickung, die — übrigens nicht nur in Deutschland — jeden Einzelnen in seiner Privatsphäre immer mehr erfaßte, und etwa an der allmählichen Umgestaltung und Intensivierung des Begriffs Wörterbuch des Völkerrechts.

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des Landesverrats. J e gewaltigere Ausmaße der Krieg, der entbrannt ist, annimmt, je länger er dauert, desto kräftiger und umfassender wird demgemäß auch die Tendenz hervorbrechen, in jedem Angehörigen einer feindlichen Nation in voller Wirklichkeit einen „ F e i n d " zu sehen, den man in jeder Hinsicht bekämpfen und verdrängen muß. Der Ausbau des englischen Wirtschaftskrieges bildet hierfür ein gutes Beispiel. Von den territorial auf das feindliche Land begrenzten alten Sätzen über den „Handel mit dem Feind" schritt man zu der „statutory black list", in der zunächst deutsche Firmen in neutralen Ländern verzeichnet waren, mit denen der Handel gleichfalls verboten sein sollte. Dann ging man dazu über, auch Firmen, die neutralen Inhabern gehörten und in neutralen Ländern — und zwar nicht nur in Skandinavien und Holland, sondern auch in Südamerika — domizilierten, auf die schwarze Liste zu setzen, wegen Deutschfreundlichkeit der Inhaber, oder Handels der Firmen mit Deutschland oder mit auf der schwarzen Liste bereits befindlichen Firmen. Daneben stand dann in der Veröffentlichung der Zusätze zur schwarzen Liste in der „London Gazette" — um, wie es hieß, den früheren Kunden dieser Firmen Mühe zu ersparen — eine Empfehlung britischer Firmen zu lesen, an die man sich s t a t t der proskribierten Firmen wenden solle. In einem solchen Kriege Aller gegen Alle zerflattern die Bedenken, die aus der gemeinsamen Kulturgeschichte des Abendlandes und dem Christentum sich entwickelt haben und denen Napoleon I., freilich erst auf St. Helena, die Formulierung gegeben haben soll: „Sich in Europa schlagen, heißt einen Bürgerkrieg führen". (Zitiert in der Antwort Napoleons III. auf die Adresse des Senats vom 19. X I I . 1863, Arch. Dipl. 1864, Bd. I, S. 82). Es fällt die Achtung vor den rechtlichen Grundlagen, die den europäischen Staaten in bezug auf das Privateigentum und die privaten Verhältnisse der Bürger allgemein sind. Man kennt das Privateigentum nicht mehr, und was Mahan gegen die Bestrebungen auf Freistellung des Privateigentums im Seekrieg gesagt hat, wird unausgesprochen zum Leitsatz aller Maßnahmen gegenüber dem feindlichen Privateigentum überhaupt, das sich außerhalb der Grenzen des feindlichen Staates dem Zugriff bietet: „ I t is . . . national in its employement, only in ownership private." („War of 1812" Bd. I, S. 144, vgl. übrigens auch ebenda Bd. I, S. 286 und die unter dem Stichwort „Miramichi" zitierten Sätze aus der Anm. von D a n a in seiner amerikanischen Ausgabe von 4

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Wheaton „Elements of International Law" zu § 365). Wird durch das gewaltige Ausmaß eines Krieges dieses Gemeinschaftsgefühl einer Nation gegenüber der anderen, dieses Feindsein in jeder Beziehung, dieser Gedanke des homo homini lupus — ins Nationale gewandt — immer allgemeiner, wie muß dann die Situation des Staatsmannes eines siegreichen Staates sein, der am Ende eines langen und erbitterten Krieges in der Lage ist, einen Frieden zu diktieren? Wer sich ganz in den Gedanken des Krieges von Volk gegen Volk, Schicksalsgemeinschaft gegen Schicksalsgemeinschaft, Interessengemeinschaft gegen Interessengemeinschaft, eingelebt hat, — w i e es schließlich einem Staatsmanne nicht zu verdenken ist, der in einem solchen Krieg ein Volk zu führen hat —, dem wird es am Schlüsse des Krieges nicht unnatürlich erscheinen, das feindliche Privateigentum im Auslande für gute Beute zu erklären, soweit er desselben h a b h a f t zu werden in der Lage ist. Es werden ihm die rechtlichen Bedenken nicht von allzu großem Gewicht erscheinen, die schon so bald nach dem Kriege, bei der 33. Tagung der International Law Association in Stockholm 1924 auf Antrag eines englischen Mitgliedes zu dem Beschluß geführt haben:

zulässigkeit der Wegnahme von eigentum — Rechnung trägt".

Privat-

Mit Bezug auf diese Sätze heißt es — unter Aufnahme des Gesichtspunktes des staatlichen Opferzwanges — in der Antwort der alliierten und assoziierten Mächte vom 16. VI. 1919: „ E s ist richtig, daß es f ü r ein Land grundsätzlich nicht wünschenswert erscheint, das Eigentum eines Teiles seiner Staatsangehörigen zur Deckung staatlicher Verbindlichkeiten zu benutzen; es können jedoch Umstände eintreten, welche ein solches Verfahren notwendig machen. In dem gegenwärtigen Kriege haben die alliierten Mächte es selbst f ü r notwendig erachtet, auswärtige Kapitalanlagen ihrer Staatsangehörigen in Anspruch zu nehmen, um ihren auswärtigen Verpflichtungen nachzukommen. Sie haben dafür ihre eigenen inneren Anleihen ihren Staatsangehörigen gegeben, welche auf diese Weise berufen wurden, durch solche Verwendung ihres privaten Eigentums einen Anteil der staatlichen Verpflichtungen auf sich zu nehmen. J e t z t ist die Zeit gekommen, wo Deutschland dasselbe tun muß, wozu es seine Gegner gezwungen hat. Die Notwendigkeit f ü r Deutschland, ein solches Verfahren anzunehmen, ist von der deutschen Friedensdelegation klar eingesehen worden und ist von ihr in folgenden Sätzen angenommen, welche wörtlich in der Note vom 22. V. zitiert werden:

„Resolved that this Conference is firmly of opinion that the revived practice of warring States, by which they confiscate Es folgen dann die oben angeführten the available private property of alien Sätze der deutschen Note bis „Dazu ist es citizens is a relic of barbarism worthy of bereit", und es wird fortgefahren: the most severe condemnation". - „Der oben erwähnte grundsätzliche Diese Kriegsvorstellungen bzw. die VorEinwand — über Unantastbarkeit des stellung eines Rechts des Staates zum Privateigentums — beantwortet sich so„Opferzwang" gegenüber seinen Angehörigen mit vollständig aus der deutschen Note waren übrigens während der Versailler Verselbst." handlungen selbst auf deutscher Seite so (Übrigens besteht ein erheblicher Unterschied zwischen ausländischen Wertpastark, daß es in der Note der deutschen pieren — einer liquiden Anlage — und demFriedensdele ation vom 22. V. 1919 nach jenigen Auslandsbesitz (insbesondere HanBetonung des Rechtsstandpunktes über Undelsunternehmungen, Pachtungen usw.), antastbarkeit des Privateigentums heißt: der schwer liquidierbar ist, und dessen Wegnahme neben dem finanziellen Zweck „Andererseits ist sich die deutsche („Reparationsliquidation") mit der AbFriedensdelegation dessen bewußt, daß sicht zusammenhängt, den wirtschaftlichen der Druck, den die aus dem FriedensEinfluß und die etwaige wirtschaftliche vertrage hinzukommenden Lasten in ZuMachtstellung Deutscher im Auslande k u n f t auf das gesamte deutsche Wirtzu beseitigen („Entdeutschungsliquidaschaftsleben ausüben werden, es nicht getion"). Ausländische Wertpapiere, die in stattet, den deutschen Auslandsbesitz in deutschem Besitz waren, und sich in dem bisherigen Umfange aufrecht zu erDeutschland befanden, sind, ganz enthalten. Um seinen Zahlungsverpflichsprechend dem Vorgehen der Ententetungen nachkommen zu können, wird staaten, im Deutschen Reich zur FinanDeutschland vielmehr diesen Auslandszierung des Krieges und auch der Folgezeit besitz in weitem Maße opfern müssen; auf Grund von deutschen Gesetzen ohne dazu ist es bereit. Nur muß deutscherseits Zusammenhang mit dem Versailler Verdaran festgehalten werden, daß die Vertrag herangezogen werden. (Vgl. die Verfügung über den Auslandsbesitz in einer ordnung vom 22. III. 1917 (RGBl. S. 260) Weise geregelt wird, die dem oben darund das Gesetz vom 1. III. 1919 (RGBl. gelegten Rechtsstandpunkt — über die Un-

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S. 264) und etwa die Bekanntmachung : tum wegzunehmen, dies aber nicht in die vom 26. III. 1919 (RGBl. S. 333)). ! einfache Form zu kleiden einer Wegnahme Wie sehr aber sich in einem Kriege in als solchen unter Überlassung aller weiVerfolg von dessen Tendenz nach dem „Ab- teren Sorgen an den Gegner, also an das soluten" der Gedanke einer Nation als einer Deutsche Reich. So ergibt sich das Bestreben, Schicksalsgemeinschaft in jedem Sinne ver- einen möglichst engen Anschluß an prlvatwirklicht, am Ende des Krieges tauchen doch und verwaltungsrechtliche Formen zu suchen die Gegensätze wieder auf, die innerhalb und ein kompliziertes System für die Wegjedes Landes bestehen, Gegensätze, die ihre nahme zu erfinden, s t a t t durchweg eine materielle Grundlage haben gerade in dem klare einfache und auch äußerlich brutale Wesen des Privateigentums, und f ü r die die Regelung zu wählen. Mißachtung fremden Privateigentums ein Es Iäßt sich für einen Außenstehenden gefährlicher Präzedenzfall ist. nicht beurteilen, inwieweit die Schöpfer des Nirgends vielleicht in der Welt ist der Vertrages von Versailles, von denen ja auch nationale Zusammenhalt enger und wirk- wieder jeder besondere Interessen vertrat licher als in den protestantischen Graf- und jeder eine besondere Anschauung hatte, schaften Nordirlands, bei den „Orangemen", bei den Vorschriften des 10. Teiles des Verund doch wird man sich des Eindrucks nicht sailler Vertrages in der privat- und verentziehen, daß etwas an dem Paradox waltungsrechtlichen Aufmachung nur eine ist, das G. B. S h a w vor kurzem ausge- F o r m sahen. sprochen h a t : Nicht eher, aber dann vollII. D e r W e g v o n d e r p r i v a t r e c h t kommen, werde der Grenzstreit zwischen l i c h e n F o r m z u m D a w e s g u t a c h t e n . dem irischen Freistaat und Nordirland sein Daß in Wirklichkeit die Aufmachung auch Ende finden, als bis mit Rücksicht auf den bäuerlichen und katholischen Charakter Süd- des Ausgleichsverfahrens nur eine solche irlands und die Industrialisierung Nordirlands privatrechtliche Form ist, bei der Deutschdie Besitzenden im Norden vor der Wahl land gewisse Summen gut gebracht werden, ständen, regiert zu werden von einem nord- läßt sich, was die Wirkung betrifft, kaum irdischen Belfast-Sowjet oder einem gesamt- mehr bestreiten, nachdem das Dawesgutachten in seinem Abschnitt 11 ausdrücklich irischen Dublin-Parlament. festgestellt hat, daß aus den im Plan vorDerartige, mehr allgemeine Erwägungen gesehenen Leistungen a l l e durch den Krieg der inneren Politik werden sich bei dem siegverursachten Kosten zu decken sind, einreichen Staatsmanne beim Abschluß des schließlich Reparationen, Restitutionen, BeFriedens in dieser oder jener Form immer satzungskosten und der zu deutschen Lasten melden. Der R a t der alliierten und assoziverbleibenden Salden des Ausgleichsverierten Mächte am Schlüsse des Weltkrieges fahrens, nachdem somit bestimmt ist, daß hatte aber weiter nicht nur mit den Ideen alle externen Lasten aus dem Versailler Wilsons auf Errichtung eines Bundes für Vertrage ausschließlich durch das Dawesden ewigen Frieden und den überall starken gutachten und die nach ihm aufzubringenden Bestrebungen auf eine Festigung des VölkerSummen zu regeln sind. rechtes zu rechnen, er sah sich vielmehr auch Seitdem ist es klar, daß die privatrechteiner Situation gegenüber, in der das bolschewistische Rußland auch in den eigenen liche Aufmachung der Ausgleichsansprüche Grenzen mit dem Satz des Kriegsrechtes eben nur eine privatrechtliche Aufmachung Ernst zu machen suchte, das Kapital sei ist, ein besonderer Titel in der allgemeinen „national in its employment", Leute an die Kriegsrechnung, der ζ. B. für die Verteilung Macht kamen und ein böses Vorbild zu wer- der Leistungen Deutschlands unter die alliden drohten, die, wie Lloyd George später ierten und assoziierten Mächte eine erhebin Genua gesagt hat, das europäische Vor- liche Bedeutung haben mag, vielleicht auch urteil nicht teilten, man müsse seine für die innere Ausgleichung in Deutschland, daß aber alles in allem die rein privatrechtSchulden bezahlen. Wenn ein Staatsmann nach einem Kom- liche Konstruktion des Ausgleichsverfahrens promiß zwischen diesen widerstrebenden Ge- mit ihrer Zwischenschiebung des Staates dankenreihen sucht, also zwar möglichst lediglich als eines Vermittlers und Bürgen viel feindliches Privateigentum in Fort- praktisch ihr Ende gefunden hat. wirkung der Kriegsanschauungen zur Beute Nur soweit gemäß Art. 304 b des Vermachen, aber doch möglichst wenig sub- trages von Versailles Ansprüche gegen versiven gegen die Gesellschaftsordnung bestimmte deutsche Personen aus Vorgerichteten Tendenzen Vorschub leisten kriegsverträgen und einigen anderen T a t möchte, so liegt die Lösung nahe, am Ende beständen geltend gemacht werden können, des Krieges zwar das feindliche Privateigen- kommen heute noch Zahlungen neben dem 4*

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Dawesplan und außerhalb desselben in Betracht. Alles andere sind Rechnungsgrößen. Ist somit auf Grund des Dawesgutachtens und des Londoner Abkommens der ganze kunstreiche Aufbau des Ausgleichsverfahrens über den Haufen geworfen und an Stelle des privatrechtlichen Gegenüberstehens von Ansprüchen eine Gesamtverrechnung gesetzt worden, so bleibt doch zu zeigen, an wie vielen Ecken und Enden der privatrechtliche Aufbau der Ausgleichsbestimmungen schon vorher gescheitert ist, sei es auf Grund des Versailler Vertrages selbst, sei es auf Grund der Auslegung desselben; wie das System des Versailler Vertrages schließlich die Quelle neuer Belastungen des Deutschen Reiches geworden ist, die von einem reinen Liquidationsgesichtspunkte aus betrachtet, also von dem Gesichtspunkte der Wegnahrae des deutschen Vermögens im Auslande, unbegründet waren. Der Vertrag von Versailles sieht selber in seinem § 14 des Anhangs hinter Art. 298 vor, daß das Ausgleichsverfahren, welches j a n i c h t o b l i g a t o r i s c h ist, dessen Anwendung vielmehr in dem Entschluß jeder einzelnen der alliierten oder assoziierten Mächte gestellt war, nur eine Methode der Liquidation sei. E r hat demgemäß ausgesprochen, daß etwaige Salden z u g u n s t e n D e u t s c h l a n d s auf Reparationskonto abzubuchen sind (Art. 297 h Abs. 1). Schon hierdurch ist insbesondere in Verbindung mit der Staatsbürgschaft (Art. 296 Abs. 4 b) eine erhebliche Belastung des deutschen Reiches, zum mindesten seiner Zahlungsbilanz, eingetreten in Abweichung von der privatrechtlichen Grundidee der Verrechnung von Schulden der Angehörigen beider Teile. Diese Abweichung ist noch verstärkt, oder, je nach der Auffassung der Rechtslage, bestätigt worden durch die Abkommen des Jahres 1921, durch welche die strenge Trennung zwischen Ausgleich und Liquidation -r- den sog. Konten 296 und 297 — anerkannt und die Verwendung der Aktivsalden Deutschlands, die aus der Gutschrift des Erlöses aus liquidiertem deutschen Eigentum herstammten, zur Verminderung und Abdeckung der Passivsalden aus dem Ausgleichsverfahren unmöglich gemacht wurde (vgl. auch § 4 der Ani. hinter Art. 298). III. D a s A u s g l e i c h s v e r f a h r e n . Hierzu kommt eine Anzahl besonderer Momente, bei deren Erörterung eine Vollständigkeit natürlich hier nicht erstrebt werden kann. 1. A u s g l e i c h s v e r f a h r e n u n d Z a h l u n g e n an den T r e u h ä n d e r . Alle am Kriege beteiligten Mächte haben Verordnungen erlassen, durch die die Schuldner

feindlicher Staatsangehöriger ermächtigt wurden, ihre während des Krieges fällig werdenden Schulden an einen Treuhänder für feindliches Vermögen („public custodian") zu zahlen. Von dieser Befugnis ist vielfach Gebrauch gemacht worden. Zwischen Deutschland und Frankreich ist durch Vereinbarung vom 9. IV. 1921 (Recueil Bd. I, S. 435) vorgesehen worden, es solle bei Zahlungen an den Treuhänder so angesehen werden, als ob eine Zahlung an den Treuhänder nicht erfolgt sei, die Ansprüche sollten also ins Ausgleichsverfahren fallen. England und der deutsch-englische gemischte Schiedsgerichtshof haben sich auf einen anderen Standpunkt gestellt. Nach diesem sind sowohl die englischen Schuldner deutscher Gläubiger durch die Zahlung an den englischen custodian als auch die deutschen Schuldner englischer Gläubiger durch die Zahlung an den deutschen Treuhänder von ihrer Verpflichtung frei geworden, weil es sich dabei um außerordentliche Kriegsmaßnahmen handle, die durch Art. 297 d des Vertrages von Versailles als beiderseits endgültig und wirksam bestätigt sind. Dem englischen Gläubiger wird aber ein Anspruch auf Schadensersatz gegen das D e u t s c h e R e i c h auf Grund des Art. 297e des Vertrages von Versailles zugebilligt. Die englischen Gläubiger werden auf diese Weise, indem das Deutsche Reich an Stelle des Privatschuldners tritt, im Ergebnis so gestellt, als ob die Summe nicht an den Treuhänder für feindliches Vermögen gezahlt worden wäre, sondern vielmehr ins Ausgleichsverfahren fallen würde (vgl. die Entscheidungen Recueil Bd. II, S. 198ff, 200ff. und andere mehr; vgl. auch III, 762 (766ff.), ein Fall, der zeigt, daß gewisse Differenzen gegenüber einer Ausgleichsforderung doch entstehen können). Das Deutsche Reich wird also hierdurch materiell mit der vollen Valutadifferenz zwischen der Einzahlung an den deutschen Treuhänder und der Zahlung der Schuld nach den Regeln des Ausgleichsverfahrens auf Grund der englischen Währung belastet (vgl. auch Art. 297h Abs. 1 und Recueil III 762 (766ff.) sowie IV 621). Freilich darf nicht verkannt werden, daß bei der inneren Abrechnung zwischen dem Deutschen Reich und dem deutschen Schuldner, der an den Treuhänder gezahlt hat, es immer als Ungerechtigkeit empfunden werden m u ß , wenn der Schuldner sich dem Deutschen Reich gegenüber nicht auf die Zahlung an den Treuhänder als schuldbefreiend berufen könnte. Demgemäß hat auch das Reichswirtschaftsgericht in mehreren E n t scheidungen, die sich insbesondere be-

Versailler Frieden (Privatrechtliche Bestimmungen) fassen mit den Zahlungen deutscher Schuldner an den Treuhänder auf Grund von Schulden gegen Franzosen, eine Nachforderung des Reiches f ü r unberechtigt erklärt (vgl. Entsch. des Reichswirtschaftsgerichts Bd. I, S. 200, Bd. II, S. 66 sowie ferner Bd. I, S. 190). So bleibt — oder blieb — die Last auf Grund innerdeutschen Rechts bei dem Reich. Übrigens war für die Z a h l u n g s b i l a n z des Deutschen Reichs die englische Konstruktion die vorteilhaftere, denn — vorbehaltlich der Fragen der Barguthaben — waren die Entschädigungszahlungen dem Liquidationserlös deutschen Eigentums zu entnehmen, die Ausgleichssalden aber bar zu zahlen. 2. A u s g l e i c h s v e r f a h r e n u n d U n t e r n e h m u n g e n mit f e i n d l i c h e r Beteiligung. Im Ausgleichsverfahren sind ferner nicht einzusetzen die Ansprüche, die Staatsangehörigen der beteiligten Mächte zustehen gegen im feindlichen Lande gelegene Unternehmungen (Aktiengesellschaften usw.), die wegen feindlicher Beteiligung liquidiert worden sind (§ 4 der Ani. zu Art. 296). Dagegen hat sich der deutsch-englische gemischte Schiedsgerichtshof auf den Standpunkt gestellt, daß Ansprüche von Angehörigen der Alliierten gegen — nicht liquidierte — Unternehmungen in Deutschland, die von Staatsangehörigen der Alliierten, insbesondere von den Gläubigern selbst, kontrolliert wurden, im Ausgleichsverfahren zu regeln sind. Die Betroffenen können danach, obwohl sie, wirtschaftlich betrachtet, Unternehmer des betreffenden deutschen Unternehmens waren, die Vorschüsse, die sie als solche bzw. als Darlehen diesen Unternehmungen gewährt haben, oder ausstehende Beträge aus Warenlieferungen für überlassene und durch diese Unternehmungen zu vertreibende Waren im Ausgleichsverfahren — materiell oft vom Deutschen Reich — in ausländischer Währung ersetzt verlangen.

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mungen, die in England wegen deutscher Beteiligung liquidiert worden waren, gegen Deutsche, insbesondere auch gegen die betreffenden deutschen Muttergesellschaften, im Ausgleichsverfahren von dem englischen Liquidator des betreffenden Unternehmens bzw. von dem in britische Hände auf Grund von Liquidationsmaßnahmen übergegangenen Unternehmen selbst geltend gemacht werden können (vgl. Recueil Bd. IV, S. 182, 193 und 274). 3. Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n a u s gleichsfähigen Forderungen und l i q u i d i e r t e m V e r m ö g e n . Weiter ist in Abweichung von dem Gesichtspunkt des Zusammenhangs zwischen den Aktiven und Passiven eines Unternehmens zunächst im deutsch-englischen gemischten Schiedsgerichtshof und dann auch in den anderen Schiedsgerichtshöfen, insbesondere auch im deutsch-französischen, angenommen worden, daß bei Niederlassungen von Deutschen im Auslande das Vermögen dieser Niederlassungen liquidiert werden könne, ohne, trotz Vorhandenseins von Mitteln hierfür, die Gläubiger zu befriedigen, die Staatsangehörige der betreffenden Macht bzw. der anderen alliierten und assoziierten Mächte sind. Nach dieser Auffassung können vielmehr derartige Gläubiger deutscher Niederlassungen im Auslande, die k e i n e selbständige juristische Persönlichk e i t waren, ihre Forderungen, obwohl sie wirtschaftlich auf dem liquidierten zu ihrer Befriedigung ausreichenden Vermögen lasten, im Ausgleichsverfahren von dem deutschen Schuldner bezahlt verlangen. Dies läuft materiell darauf hinaus, daß das Reich die Beträge zu zahlen hat, sei es wegen Zahlungsunfähigkeit der Schuldner, sei es mit Rücksicht auf die innere deutsche Gesetzgebung, die schwerlich diese Schuldner mit den Zahlungen belasten kann, während das f ü r die Bezahlung ausreichende Vermögen im Auslande, das den betreffenden Personen gehörte, liquidiert wird.

(Vgl. dazu auch die deutsche Bekanntmachung vom 18. I. 1917 (RGBl. S. 65) und die Begründung hierzu bei Güthe(Vgl. Reichsausgleichsgesetz § 24 in Schlegelberger, Kriegsbuch Bd. V, S. 113, der Fassung der Bekanntmachung vom ferner die Entsch. Recueil Bd. II, S. 192, 20. XI. 1923 RGBl. I, S. 1135 in Verbin378, 533, Bd. III, S. 647, Bd. IV, S. 274 dung mit § 9 des Liquidationsschädenu. a. m., schließlich auch Art. 27 des gesetzes in der Fassung der Bekanntdeutsch-französischen Abkommens vom machung vom 20. XI. 1923, RGBl. I, 1. II. 1924, Recueil Bd. IV, S. 566, 567 S. 1148). und das österreichisch-französische Abkommen vom 1. VII. 1921, BundesgesetzDasselbe ist angenommen worden bei blatt Nr. 334. Frankreich hat in dieser Pfändern, insbesondere Lombardunterlagen Hinsicht einen entgegenkommenderen f ü r Bankschulden, die Deutsche englischen Standpunkt eingenommen als Großbri- Banken gegeben hatten. Auch hier sollen tannien). die Pfänder, insbesondere Wertpapiere, als Vom deutsch-englischen gemischten solche liquidiert werden können, und daSchiedsgerichtshof ist sogar angenommen neben die Schuld ohne Rücksicht auf die worden, daß Forderungen von Unterneh- Pfänder im Ausgleichsverfahren beitreibbar

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sein. (Vgl. zu dem allen die Entsch. Recueil Bd. I, S. 554, 869, Bd. II, S. 123, 192, Bd. I I I , S. 647 u. a. m.) 4. B e s o n d e r e w i r t s c h a f t l i c h e I n teressen der A l l i i e r t e n am Ausgleichsverfahren. Von allen Einzelheiten abgesehen und abgesehen auch von der Valutaklausel des Ausgleichsverfahrens (Art. 296 Abs. 4d) kommt eben auf Grund der staatlichen Zwangsbürgschaft (Art. 296 Abs. 4 b) eine sehr erhebliche Belastung des Deutschen Reiches heraus, die den privatrechtlichen Charakter des Ausgleichsverfahrens notwendig verwischt. Man muß daher fragen, ob es nicht in jeder Hinsicht sparsamer gewesen wäre, man hätte bestimmt, das Deutsche Reich solle unter dem Titel der Reparationen einen bestimmten Betrag an die einzelnen Länder f ü r die Schulden seiner eigenen Angehörigen zahlen, die alliierten Schuldner würden von ihrer Schuldverpflichtung gegenüber Deutschen frei und müßten statt dessen an den Treuhänder leisten; das Deutsche Reich hätte die deutschen Gläubiger zu entschädigen, ebenso wie das in Art. 29 7 i für Liquidationsschäden festgesetzt worden ist; es sei berechtigt, die Forderungen von allierten Gläubigern gegen deutsche Staatsangehörige einzutreiben. Es ist das de facto der Zustand, der nach vielem Hin und Her und nach unendlichem Zeit- und Arbeitsverbrauch durch Dawesgutachten und Londoner Abkommen eingetreten ist, und dessen arbeitsparende Bedeutung, bei aller Notwendigkeit von Auskünften und Nachforschungen auch bei einer derartigen Regelung auf der Hand liegt. (Vgl. auch den jetzigen Abschnitt III des Reichsausgleichsgesetzes §§44—49 in der Fassung vom 20. XI. 1923 RGBl. I, S. 1135.) Wenn man erörtert, warum diese Lösung nicht seinerzeit in Versailles gewählt wurde, so ist natürlich grundsätzlich nicht zu verkennen, daß derartige Maßnahmen, die Gefahr in großem Umfange mit sich bringen, daß einerseits gänzlich unberechtigte Forderungen aufgestellt, andererseits bestehende Schulden nicht erfaßt werden, — eine Gefahr, der freilich auch das Ausgleichsverfahren des Versailler Vertrages nicht voll entgangen ist. Die Antwort liegt aber wohl nicht in diesen Bedenken, sondern viel eher in jenen allgemeinen Erwägungen über Achtung vor dem Privateigentum, die oben erörtert worden sind. Dazu kamen gewisse Befürchtungen der englischen Regierung wegen derjenigen Vorschüsse, die sie beim Kriegsausbruch zur Aufrechterhaltung des britischen Handels und zur Vermeidung eines Zusammenbruchs in der City englischen Bankhäusern und so-

gar Filialen der deutschen Großbanken in London durch Vermittlung der Bank von England gewährt hatte, um diese Banken in den Stand zu setzen, die von ihnen im Dokumentengeschäft ausgestellten Akzepte für Verschiffungen nach Deutschland einzulösen. Frankreich hatte ein Interesse an dem Ausgleichsverfahren mit Rücksicht auf die Forderungen von Elsaß-Lothringern, auf die das Verfahren auf Grund des Art. 72 des Versailler Vertrages mit den dort vorgesehenen Maßgaben f ü r anwendbar erklärt wurde, und so gab es auch noch weitere Sonderinteressen (vgl. wegen der Interessenlage Nußbaum: Ausgleichsverfahren S. 2ff.). Die Vorschüsse, die die Bank von England im Auftrage der englischen Regierung gewährt hat, sind infolge der Tatsache, daß der Krieg mitten in einer Periode großer Verschiffungen ausgebrochen war, nicht unerheblich gewesen. Wegen der Ansprüche englischer Bankhäuser aus derartigen Akzepten gegen Deutsche ist beispielsweise auf die Entscheidungen Recueil Bd. I, S. 286 und 860 u. a. m. hinzuweisen. Dort ist auch über die Zinsgewinne, die hierbei den englischen Banken zugebilligt wurden trotz der Rückvergütung, die ihnen die Bank von England gewährte, Näheres zu ersehen (vgl. auch Oberlandesgericht Hamburg in J u r . Wochenschrift 1924, S. 1539). Infolge der technischen Bestimmungen des Ausgleichsverfahrens (Ansprüche aus der Zeit v o r dem Kriege) fallen unter das Ausgleichsverfahren nicht die Vorschüsse, die die Bank von England bzw. die englische Regierung nach Kriegsausbruch den Bankfilialen der deutschen Großbanken in London gegeben hat, sondern nur die Ansprüche englischer Firmen als solcher gegen deutsche Firmen auf E r s t a t t u n g der auf Grund der von den englischen Bankfirmen gegebenen Akzepten an die amerikanischen usw. Verschiffer gezahlten Beträge. Die Vorschüsse der Bank von England bzw. der englischen Regierung treten also nach außen niemals in Erscheinung. (Vgl. auch unten S. 57.) Vom Liquidationsstandpunkt aus gesehen, d. h. von einem Standpunkt aus, der Aktiven und Passiven im Verhältnis von Land zu Land zusammenfaßt, liegt übrigens vielfach eine Doppelzahlung vor. Denn ein großer Teil der damals verschifften Waren, für deren Bezahlung die fraglichen Akzepte in Anspruch genommen wurden, ist kostenlos auf Grund prisenrechtlicher Maßnahmen in die Hände der alliierten Mächte, insbesondere Englands, gefallen, — welche auch auf deutsche Waren in e n g l i s c h e n Schiffen das Seebeuterecht zur Anwendung brachten (vgl. die Stichworte „Miramichi" und „Rou-

Versailler Frieden (Privatrechtliche m a n í a n " und die dort angezogenen Entscheidungen). 5. V a l o r i s a t i o n u n d G e l d e n t w e r t u n g . Bei Eingehung des Versailler Vertrages war der H a u p t g e g e n s t a n d deutscher Einwend u n g e n bezüglich des Ausgleichsverfahrens die Vorschrift des A r t . 296 Abs. 4 d , nach der die Schulden sämtlich nach dem Vorkriegskurs in die W ä h r u n g der betreffenden alliierten Macht umzurechnen sind (vgl. die A u s f ü h rungen in dem A n h a n g „Besondere Rechtsf r a g e n " zu der deutschen Gesamtnote vom 29. V. 1919, insbesondere über die „willkürliche V e r ä n d e r u n g des S c h u l d i n h a l t s " , u n d die A n t w o r t n o t e der alliierten Mächte v o m 16. VI. 1919). N a c h d e m bei Ablauf der Inflation in D e u t s c h l a n d der Satz Mark gleich Mark ganz fallen gelassen worden ist, wird m a n die damalige Stellungnahme, vom p r i v a t r e c h t l i c h e n S t a n d p u n k t aus b e t r a c h t e t , erheblich anders beurteilen und wird sich von diesem S t a n d p u n k t aus vielleicht sogar w u n d e r n , w a r u m nicht hier Goldmark oder ein fester M a ß s t a b eingesetzt worden ist, w ä h r e n d sonst im Versailler V e r t r a g des öfteren von G o l d m a r k gesprochen worden ist (vgl. auch die Definition der Goldmark in A r t . 262). Die E r k l ä r u n g d ü r f t e u. a. darin liegen, d a ß bis ins F r ü h j a h r 1919 hinein, also bis in die Zeit, in der der Vertrag von Versailles aufgesetzt wurde, die alliierten Mächte im Verein mit den Vereinigten S t a a t e n gem e i n s a m eine künstliche P a r i t ä t zwischen den einzelnen V a l u t e n der b e t r e f f e n d e n Länder aufrechterhielten, — das sog. „ p e g g i n g " — u n d auf diese Weise d a m a l s noch keine Valutaunterschiede zwischen den einzelnen Ländern und den Vereinigten S t a a t e n bestanden h a b e n . Auch waren wohl diejenigen Mächte, die, wie Frankreich und Belgien, einen V a l u t a s t u r z zu f ü r c h t e n h a t t e n , sich ü b e r die Gefahr, die ihren heimischen Valuten d r o h t e , nicht vollkommen klar. N a c h d e m die Gemeinsamkeit der Valuten aufgegeben worden ist, h a t insbesondere Frankreich die Nachteile dieser Bes t i m m u n g e n über U m r e c h n u n g in die einzelnen Valuten in A n b e t r a c h t der E n t w e r t u n g des französischen Geldes g e s p ü r t , so d a ß schließlich a u c h in dem A b k o m m e n v o n London v o m 2. X I . 1923 ü b e r die Zahlungen von Beträgen f ü r das Ausgleichsverf a h r e n f ü r die Zeit d e r U n t e r b r e c h u n g desselben während des R u h r w i d e r s t a n d e s Goldf r a n k e n b e s t i m m t wurden (vgl. Recueil B d . III, S. 1034). Die sog. neuen S t a a t e n , die keine eigene W ä h r u n g vor Kriegsausbruch h a t t e n , sind in dieser Beziehung übrigens g u t weggek o m m e n . Denn nach A r t . 296d Abs. 4 des

Bestimmungen)

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Versailler Vertrages soll im Verhältnis zwischen ihnen und dem Deutschen Reich der U m r e c h n u n g s s a t z von der R e p a r a t i o n s k o m mission festgesetzt werden, u n d diese h a t , soweit mangels Beteiligung dieser Staaten a m Ausgleichsverfahren ü b e r h a u p t Umrechnungen in B e t r a c h t k o m m e n , den Schweizer F r a n k e n zum U m r e c h n u n g s m a ß s t a b bes t i m m t , also eine Valuta, die sich im wesentlichen auf der Goldbasis gehalten h a t . In diesem Z u s a m m e n h a n g ist vielleicht auch erwähnenswert, daß, soweit b e k a n n t , jedenfalls die erste E n t s c h e i d u n g ü b e r Aufw e r t u n g eines Kaufpreises wegen Valutadifferenz v o n einem der gemischten Schiedsgerichtshöfe gefällt worden ist, nämlich in dem Urteile „ J a w o r s k i gegen E v e r t s " (Recueil B d . II, S. 107). Es ist vielleicht ü b e r h a u p t einmal die Frage zu überlegen, inwieweit d u r c h die Bes t i m m u n g e n des Versailler Vertrages und ihre H a n d h a b u n g die A b k e h r in der allgemeinen deutschen R e c h t s a u f f a s s u n g von dem Satze „ M a r k gleich M a r k " gefördert worden ist, — wobei natürlich nicht v e r k a n n t werden k a n n , d a ß in der B e s t i m m u n g des A r t . 299 b Abs. 2 des Versailler Vertrages über angemessene E n t s c h ä d i g u n g eine Grundlage v o r h a n d e n war, die die N e u b e s t i m m u n g des in deutschen Mark b e s t i m m t e n Kaufpreises angesichts deren v e r ä n d e r t e n Wertes f ü r die gemischten Schiedsgerichtshöfe erheischt. (Über die „ A u f w e r t u n g " in den gemischten Schiedsgerichten vgl. im übrigen den Aufsatz von Bukofzer: J u r . Wochenschrift 1924, S. 56, sowie ferner die vielen Urteile des deutsch-belgischen und des deutsch-französischen Schiedsgerichtshofes über Schadensersatz mit ihren Multiplikationen, sowie dieAufwertungsentscheidungen III, 291 und IV, 78) 6. I n t e r a l l i i e r t e F r a g e n . Erhebliche Schwierigkeiten erwachsen auch im Verhältnis der alliierten Mächte zueinander aus der privatrechtlichen Regelung des Ausgleichsverfahrens und seiner Abwicklung zwischen jedem einzelnen Land allein und dem Deutschen Reich. Gewisse Unstimmigkeiten, die sich daraus ergeben, d a ß ein alliierter Staatsangehöriger in dem Lande einer a n d e r e m alliierten Macht w o h n t , sind freilich durch verschiedene A b m a c h u n g e n , die ihre Grundlage in A r t . 296f. des Versailler Vertrages finden, ausgeglichen worden. Wo sich aber Ausgleichsverfahren m i t der Liquidation von Zweigniederlassungen t r i f f t , da t a u c h e n alle f ü r das Verhältnis zwischen D e u t s c h l a n d und den alliierten Mächten bestehenden Schwierigkeiten wieder a u f . (Z. B, ein französischer Gläubiger h a t Ansprüche

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gegen einen deutschen aus Geschäften von dessen liquidierter Zweigniederlassung in England, oder ein Engländer gegen einen Deutschen aus Geschäften einer ägyptischen Zweigniederlassung usw.) Freilich dürften bei Sequestrationen während des Krieges in derartigen Fällen die Ansprüche alliierter Staatsangehöriger an Deutsche durchweg von den Sequestern der betreffenden Unternehmen berücksichtigt und demgemäß getilgt worden sein; es bleibt aber, wenn auch rechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichsrechts, sondern des Rechts zur Liquidation des in der Hand des Staats der Niederlassung befindlichen Vermögens, eine Menge von Zweifelsfragen, die im wesentlichen wohl nur durch Vereinbarungen gelöst werden konnten und gelöst worden sind. Auch hier scheitert die privatrechtliche Betrachtungsweise, die an Stelle des Ganzen immer nur den einzelnen Anspruch zwischen zwei Rechtssubjekten sieht. 7. G l o b a l a b k o m m e n und Ausgleichskrise. Der allgemeine Zusammenhang der Ausgleichszahlungen mit der Reparationsfrage überhaupt ist nicht erst durch das Dawesgutachten zum Ausdruck gekommen. Schon das sog. Globalabkommen vom 10. VI. 1921 sah vor, daß Deutschland auf Grund der Ausgleichsverrechnung höchstens einen Gesamtbetrag von 2 Mill. engl. Pfund monatlich zu zahlen habe, der zwischen den Alliierten zu verteilen sei. Hiermit war der erste Schritt getan in Abweichung von der privatrechtlichen Aufmachung des Verfahrens, ein Schritt, der erfolgt war einerseits im Hinblick auf die Bürgschaftsverpflichtung Deutschlands nach dem Versailler Vertrage f ü r die Ausgleichsbeträge, andererseits im Hinblick auf die Währungs- und Überweisungsschwierigkeiten und zur Verhinderung ungleicher Leistungen an die verschiedenen beteiligten Staaten. Der Zusammenhang t r a t noch klarer hervor, als sich das Deutsche Reich im Sommer 1922 außerstande erklärte, diese monatlichen Zahlungen von 2 Mill. Pfund in der vereinbarten Höhe zu leisten, und zwar gerade mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Beschaffung ausländischer Valuten und die deutschen Währungsverhältnisse. Die Verhandlungen, die deswegen im Sommer und Herbst 1922 nach Rathenaus Tod geführt wurden, und die den Anlaß zu den ersten französischen Repressalien gaben, fallen in die Zeit des großen Währungssturzes in der zweiten Hälfte des Jahres 1922, und es ist vielleicht f ü r den späteren Geschichtsschreiber dieser Epoche und des deutschen Währungsverfalles eine interessante Aufgabe, gerade diesen

Zusammenhängen und dieser Vorgeschichte der Ruhrepisode und des Sachverständigengutachtens nachzugehen. Es wurde damals auch der Entwurf eines nicht zustande gekommenen Abkommens aufgestellt, das gewisse Ähnlichkeiten mit einem Teil des Dawesplanes hat. In unserem Zusammenhange ist auf diese Verhandlungen, die in der Reichstagsdrucksache 5304 von 1920/22 zusammengestellt sind, hinzuweisen als den empirischen Nachweis dafür, daß die privatrechtliche Aufmachung des Ausgleichsverfahrens Schiffbruch gelitten hat, und man sich dessen auch auf Seiten der alliierten Mächte bewußt war, bevor es zur Einsetzung des Sachverständigenausschusses kam. Diese Vorgänge bilden die Brücke auf dem Wege: privatrechtlicher Aufmachung — Globalabkommen vom 10. VI. 1921 mit Höchstbegrenzung — Sachverständigengutachten mit Einbeziehung des Ausgleichsverfahrens bei Entwurzelung d. h. wenn der Geschädigte infolge einer Entziehung eine wirtschaftliche Lebensgrundlage nicht mehr besitzt, 5 / 1 0 0 0 des Friedenswertes in Goldmark vergütet, bei Verlust von Hausrat, Kleidungsstücken, Berufsgegenständen wird volle Entschädigung

Versailler Frieden (Reichsschädengesetze) bis zum Höchstbetrage von 2000 GM. gewährt. Das Entschädigungsverfahren bei Gewaltund Liquidationsschäden richtet sich nach der Reichsentschädigungsordnung vom 30. V I I . 1921 (RGBl. S. 1046) (Spruchkammern, Berufung an das RWG.), es ist inquisitorisch und an Formen nicht gebunden. a) Für die zur Ausführung des Friedensvertrages angeforderten Leistungen (Ausführungsgesetz zum Friedensvertrag vom 31. V I I I . 1919, RGBl. S. 1530, VO. vom 22. 7. 1921, RGBl. S. 948), b) f ü r Gegenstände, die an die Feindstaaten oder ihre Angehörigen zu übertragen sind (Gesetz vom 31. V I I I . 1919, RGBl. S. 1527, VO. vom 11. V. 1920, RGBl. S. 970), c) bei Rückgabe der aus Belgien und Frankreich entfernten Maschinen (VO. vom 28. III. 1919, RGBl. S. 349) sind den Betroffenen angemessene E n t schädigungen zu zahlen, die sich nach den Gestehungskosten richten und die Geldentwertung nur gering berücksichtigen. Verfahren: zu a) und b) Festsetzung durch die Enteignungsbehörde, dagegen Anrufung des RWG., zu c) Festsetzung durch das RWG. Die den Eigentümern deutscher Handelsund Binnenschiffe entstandenen Schäden sind durch den Reedereiabfindungsvertrag vom 23. II. 1921 (Zusatzvertr. vom 9. III. 1921) und den Binnenschiffahrtsabfindungsvertrag vom 11. V. 1921 (Zusatzvertr. vom 14. VII. 1922) entschädigt. Nach Art. 296 Nr. 1 bis 4, Art. 72 des Friedensvertrages sollen sämtliche bei Kriegsausbruch (bzw. hinsichtlich Elsaß-Lothringens a m , 11. X I . 1918) schwebenden Verbindlichkeiten zwischen Deutschen einerseits und den Angehörigen der kriegführenden Länder, die dieses Verfahren wählen (England mit Kolonien außer Südafrika und Ägypten, Frankreich, Belgien, Italien, Griechenland, Siam und Haiti) und den in Elsaß-Lothringen wohnenden Elsaß-Lothringern andererseits unter Ausschaltung allen Privatverkehrs durch staatliche Ausgleichsämter abgewickelt werden. Das feindliche Ausgleichsa m t rechnet darüber mit dem deutschen Ausgleichsamt (externes oder völkerrechtliches Clearing), das deutsche Ausgleichsamt seinerseits mit den deutschen Gläubigern und Schuldnern ab (internes oder staatsrechtliches Clearing). Das interne Clearing ist durch das Reichsausgleichsgesetz vom 24. IV. 1920 (RGBl. S. 597) geregelt. Dieses bestimmt insbesondere die Höhe der an die deutschen Gläubiger zu bewirkenden und der von den

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deutschen Schuldnern zu leistenden Zahlungen. Die Abrechnung geschah bei in Reichswährung ausgedrückten Forderungen und Schulden zum Nennbetrage, bei in ausländischer Währung ausgedrückten Forderungen Deutscher unter Umrechnung der Währung ihres Nennbetrages zum Berliner Börsenkurse des Tages, an dem dem deutschen Ausgleichsamt die Nachricht von der Gutschrift zugegangen w a r , bei in ausländischer Währung ausgedrückten Schulden Deutscher unter Umrechnung des Nennbetrages zum Vorkriegskurse. Eine Novelle vom 4. VI. 1923 (RGBl. I, S. 324) änderte dies dahin, daß in ausländischer Währung ausgedrückte Forderungen und Schulden Deutscher grundsätzlich zum zehnfachen Vorkriegskurse umzurechnen waren. Auf Grund der VO. vom 28. X. 1923 (RGBl. I, S. 1011) erfolgt nach Einführung der Goldmarkrechnung die Umrechnung aller Forderungen und Schulden grundsätzlich zum zweihundertsten Teile des Vorkriegskurses. Neufassung des Gesetzes vom 20. XI. 1923 (RGBl. I, S. 1135). Verfahren: Entscheidung des Reichsausgleichsamtes, Beschwerde an das R W G . Die Entschädigung für die durch die Besetzung deutschen Gebietes entstandenen Schäden wird auf Grund des Okkupationsleistungsgesetzes vom 2. III. 1919, 27. III. 1920 und 8. X I I . 1923 (RGBl. I, S. 261, S. 353 und S. 1193) gewährt. Obwohl dieses an sich nur von Leistungen an die Besatzungsmächte spricht, h a t die Rechtsprechung es doch vermöge des Begriffes der passiven Leistung auch auf Schäden, welche die Bewohner sich durch die Besatzungstruppen gefallen lassen müssen, ausgedehnt. Die Rechtsprechung wendet das Gesetz, das an sich f ü r die altbesetzten Gebiete bestimmt gewesen ist, auch auf das Ruhrgebiet an, verlangt aber überall, daß es sich nicht um die Ausübung von Hoheitsakten, sondern um Leistungen f ü r die Besatzungstruppen oder um Schäden, die durch sie hervorgerufen sind, handelt. Spruchbehörden: Feststellungsbehörde bei den Regierungen, Beschwerde an das R W G . (Verfahrensbekanntmachungen vom 22. IV. 1919 (RGBl. S. 405), vom 26. V. 1920 (RGBl. S. 1086), 8. X I I . 1923 (RGBl. 1193). Literatur : Kommentare zum Reichsversorgungsgesetz von Kerschensteiner, Gerth und Breme. — v. Olshausen-Dorn, Versorgungsansprüche. — Wirz, Kriegsschädengesetze. — Weck, Entschädigungsgesetze. — Purper, Verdrängungsschädengesetz. — Rukser, Rechtsstellung der Deutschen in Polen. — Schalfejew-Lazarus, Liquidationsschäden-

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Versailler Frieden (Reparationen)

gesetz. — Lehmann, Reichsausgleichsgesetz — Nußbaum, Ausgleichsverfahren. — Zum Okkupationsleistungsgesetz Kommentar u. Systematik von Dreist. Müller-Machens.

g) Reparationen. V o r b e m e r k u n g : Der Inhalt des achten Teils des „Friedensvertrags" und die Geschichte der deutschen Reparationsverhandlungen bis zum F r ü h j a h r 1924 sind mit theoretischen Ausführungen unter „ K r i e g s entschädigungen und die R e p a r a tionen der g r o ß e n F r i e d e n s v e r t r ä g e d e s W e l t k r i e g s " im ersten Band dieses Wörterbuchs mitgeteilt worden. Die hier folgende Darstellung der „Sachverständigeng u t a c h t e n " u n d der Londoner Konferenz von 1924 ist die Fortsetzung des erwähnten Artikels und zugleich die Fortsetzung des ersten Teils („Die wichtigsten T a t b e s t ä n d e " ) der Abhandlung „Staatsschuldenverw a l t u n g , i n t e r n a t i o n a l e " im zweiten Band dieses Wörterbuchs. Die Sachverständigengutachten und die Londoner Konferenz. Das D a w e s - Q u t a c h t e n enthält einen Plan, den die Verfasser als „unteilbares Ganzes" ausgearbeitet haben. Zweck des Plans sind Einrichtungen zur Erzielung höchster Jahresleistungen Deutschlands an die Alliierten, Ermöglichung höchster Übertragungen solcher Leistungen von der deutschen Wirtschaft in die der alliierten Länder, praktische Lösung der Frage nach der Leistungsfähigkeit Deutschlands und Erleichterung endgültiger und umfassender Vereinbarungen über alle Reparationsfragen. Der Plan r u h t nach der Erklärung der Sachverständigen in ihrem Begleitbrief an die Reparationskommission auf den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Billigkeit und des gemeinsamen Interesses. Nicht als Strafen („penalties"), sondern als „Mittel zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung aller Völker Europas und des Eintritts in ein neues Zeitalter eines nicht vom Kriege bedrohten Glückes und Gedeihens" wollen die Sachverständigen ihre Vorschläge aufgefaßt wissen. Auf den bereits in der deutschen Note vom 29. V. 1919 ausgesprochenen Grundsatz, daß die deutsche Steuerlast „verhältnismäßig genau ebenso schwer sein müsse wie die irgendeiner der in der Kommission vertretenen Mächte", legten die Sachverständigen besondern Wert. Ihr Plan will ferner nicht ein starres System von Maßnahmen sein, sondern enthält „elastische Änderungsmöglichkeiten", die eine deutsche

Höchstleistung an Reparationen der fortdauernden und steigenden Produktivität des Landes anpassen will. Um „einem neuen wirtschaftlichen Frieden zwischen den Alliierten und Deutschland" Dauer zu sichern, sind „Gegenstücke jener üblichen wirtschaftlichen Vorsichtsmaßregeln gegen Nichterfüllung" vorgesehen, die in allen geschäftlichen, bestimmte Verpflichtungen enthaltenden Beziehungen als wesentlich a n e r k a n n t seien. Dabei glauben die Sachverständigen, große Sorgfalt auf die Festlegung der Bedingungen f ü r die Überwachung der innern Organisation Deutschlands in der Richtung aufgewandt zu haben, daß sie „ein mit gehörigem Schutz noch verträgliches Mindestm a ß an Einmischung auferlegen" („so as t o impose the minimum of interference consistent with proper protection"). Im Bericht selbst erklärten die Sachverständigen, daß sie sich nicht von politischen, sondern von technischen Gesichtsp u n k t e n haben leiten lassen. Ein Versuch rein wirtschaftlicher Lösung des Reparationsproblems war auch nach ihrer Ansicht ausgeschlossen. „Deutlich haben wir erk a n n t , daß p o l i t i s c h e Rücksichten notwendig gewisse Grenzen ziehen, i n n e r h a l b d e r e n eine Lösung gefunden werden m u ß . . . " Der Plan kann also vom rein wirtschaftlichen S t a n d p u n k t nicht bewertet werden, da das Problem von den Sachverständigen als gemischt wirtschaftliches und politisches behandelt worden ist. Die praktischen Mittel zur Beitreibung der Reparationsschuld sind im Sinne des Plans wirtschaftliche und nicht politische. Irgendwelche Mittel zur Sicherung einer dauernden Stabilit ä t des Reichshaushalts und der Währung zu finden, die Aufgabe der Wiederherstellung von Deutschlands äußerem wie innerem Kredit zu lösen, konnten die Sachverständigen nach ihrer ausdrücklichen Erklärung nur unter der Voraussetzung unternehmen, d a ß „die fiskalische und wirtschaftliche Einheit des Deutschen Reichs wiederhergestellt" würde („the fiscal and economic unity of t h e Reich will be r e s t o r e d . . . " ) . Vgl. ζ. Β. die „ B e k a n n t m a c h u n g über das a m 20./28. X . 1924 in Coblenz unterzeichnete Abkommen zur Durchführung des Londoner Schlußprotokolls vom 10. II. 1925" und den Wortlaut dieses Abkommens „über die Beendigung der Pfänderverwaltungen" (RGBl. 1925 II, S. 54ff.). Politische Garantien und Strafen, vor allem auch die Fragen militärischer Besetzung gehörten nach Ansicht des Ausschusses nicht zum Gegenstand seiner Untersuchungen u n d Vorschläge. Negativ ist aber der Plan auf die Annahme gegründet, daß

Versailler Frieden (Reparationen) Deutschlands „wirtschaftliche Tätigkeit durch keine andere fremde Organisation als die hier vorgesehenen Kontrollmaßnahmen behindert und beeinträchtigt wird" („that economic activity will be unhampered and unaffected by any foreign organisation other than the controls herein provided"). Somit beruht der Plan auf der Voraussetzung, daß derartige bestehende Maßnahmen, soweit sie die wirtschaftliche Tätigkeit behindern, aufgehoben oder entsprechend abgeändert werden, „sobald Deutschland mit der Ausführung des vorgeschlagenen Planes begonnen h a t " („so soon as Germany has put into execution the plan recommended"), „und daß sie nur im Falle einer offenkundigen Versäumnis in der Erfüllung der allseitig angenommenen Bedingungen wieder angewendet werden" („and t h a t they will not be re-imposed except in the case of flagrant failure to fulfil the conditions accepted by common agreement"). In diesem Fall ist es Sache der Oläubigerregierungen, im Bewußtsein des gemeinsamen Amts eines Treuhänders („joint trusteeship") f ü r die eigenen finanziellen Interessen und die finanziellen Interessen derjenigen, die auf Grundlage dieses Plans Geld hergegeben haben, die Art der anzuwendenden Strafmaßnahmen und die Art und Weise ihrer schnellen und wirksamen Durchführung zu bestimmen. Der Plan fordert einerseits Änderung des bestehenden „Wirtschaftssystems" im besetzten Gebiet, anderseits aber angemessene und produktive Sicherheiten für die Neuordnung der Reparationen. Deshalb wird ein Kontrollsystem („system of control") vorgeschlagen, das nach Ansicht der Sachverständigen wirksam ist, ohne die Rückkehr zur finanziellen Stabilität zu behindern. Die beiden Hauptprobleme, die der Ausschuß zu untersuchen hatte, waren die Stabilisierung der deutschen Währung und der Ausgleich des deutschen Haushalts. Beide wurden unabhängig voneinander geprüft, aber doch stets unter Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und stets im Hinblick auf den Zweck der Lösung beider Probleme, „Deutschland in die Lage zu versetzen, sowohl seinen eigenen wesentlichen Bedürfnissen zu genügen als auch seine Vertragsverpflichtungen zu erfüllen, was für den Wiederaufbau Westeuropas eine Lebensfrage ist". Grundlage des Plans ist die potentielle Leistungsfähigkeit („potential capacity") Deutschlands; sein gegenwärtiger Zustand wird aber f ü r eine Reihe von Jahren in Betracht gezogen und berücksichtigt. Im Rahmen des Währungsproblems wird eine neue N o t e n b a n k oder eine Umgestaltung der Reichsbank vorgeschlagen. Die Bank

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soll eine Privatbank sein und mit unwesentlichen Einschränkungen zugunsten der Bayrischen Notenbank, der Württembergischen Notenbank, der Sächsischen Bank und der Badischen Bank das ausschließliche Recht zur Notenausgabe für die 50 Jahre ihres Bestehens haben. Ihre Noten sollen allmählich das einzige und einheitliche Papiergeld werden, durch eine normale gesetzliche Reserve von 3 3 % % und andere flüssige Aktiva gedeckt und grundsätzlich dauernd in Gold einlösbar sein. Die Einlösbarkeit wird nicht immer durchgeführt werden können, und deshalb wird eine Währung vorgeschlagen, die in einem wertbeständigen Verhältnis zum Gold erhalten und, sobald es die Umstände erlauben, einlösbar gemacht wird. Die Einlösungsbestimmungen können mit Zustimmung aller Mitglieder bis auf eines: 1. des Organisationskomitees, 2. des Direktoriums und 3. des Generalrats abgeändert werden. Der Metallbestand der Bank und die Notendruckstelle sollen sich in Deutschland befinden; der Generalrat kann jedoch mit Dreiviertel-Stimmenmehrheit beschließen, daß eins von beiden oder beide in ein neutrales Land verlegt werden. Die neue Bank wird, frei von Regierungskontrolle oder Regierungseinmischung, kurzfristige Handelskredite geben, Wechsel diskontieren, Überweisungen besorgen und Einlagen annehmen. Sie wird Kassenführung und Bankgeschäfte für die deutsche Regierung besorgen und ihr kurzfristige Anleihen gewähren, wobei der jeweils ausstehende Betrag 100 Mill. M. nie übersteigen darf. (Vgl. das der Ausführung des Dawes-Report dienende „Bankgesetz" vom 30. VIII. 1924, RGBl. 1924 II, S. 235 ff.) Alle von Deutschland geleisteten Reparationszahlungen werden bei der neuen Bank auf einem besondern Konto hinterlegt, über das nur die Gläubigernationen in gewissen Schranken verfügen dürfen, die je nach der Lage des deutschen Wechselkursmarkts, der deutschen Volkswirtschaft und der Interessen der Gläubigerstaaten verschieden sein werden. Das Kapital der Bank soll mindestens 400 Mill. Goldmark betragen und teils in Deutschland, teils im Ausland gezeichnet werden. Dem mit der Verwaltung der Reparationszahlungen betrauten Komitee steht die Bank lediglich wie einem Kunden gegenüber. Ein vorübergehendes O r g a n i s a t i o n s k o m i t e e , das aus dem Präsidenten der Reichsbank und einem mit den Untersuchungen über den Bankplan vertrauten Mitglied eines der Sachverständigenausschüsse besteht, hat die Aufgabe, die Vorarbeiten f ü r die Bankorganisation auszu-

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führen, besonders das Bankstatut in der vom Dawes-Report vorgeschriebenen Weise auszuarbeiten . Die Verwaltung und Leitung der Bank („Administration and Management") liegt in Händen eines deutschen D i r e k t o r i u m s („Managing Board") unter dem Vorsitz eines deutschen Präsidenten, der zugleich Vorsitzender des Generalrats ist. Der erste P r ä s i d e n t ist der Präsident der Reichsbank f ü r die Dauer von 6 Monaten. Sodann wird der Präsident mit einer Mehrheit von mindestens 9 Mitgliedern, von denen wenigstens 6 Deutsche sein müssen, vom Generalrat gewählt. (Zweimal kann der deutsche Reichspräsident durch Verweigerung seiner Unterschrift unter die Ernennungsurkunde eine Neuwahl herbeiführen. Die dritte Wahl ist endgültig, Bankgesetz § 6, RGBl. 1924 II, S. 236.) Der besondere Abschnitt des Bankstatuts über die Befugnisse des Präsidenten bedarf der Genehmigung des Generalrats. Die Mitglieder des Direktoriums werden vom Präsidenten mit Zustimmung des Generalrats ernannt, der sie mit dem Stimmenverhältnis wie bei der Präsidentenwahl erteilt. Der G en e r a l r a t besteht aus 14 Mitgliedern, die zur Hälfte Deutsche, zur Hälfte Ausländer sein müssen. J e ein Mitglied muß die britische, französische, italienische, belgische, amerikanische (Vereinigte Staaten), holländische und schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen. Die Zahl der deutschen Mitglieder kann durch einstimmigen Beschluß des Generalrats erhöht werden. Die deutschen Mitglieder werden von den deutschen Anteilseignern der Bank gewählt. Die ausländischen Mitglieder werden zum erstenmal vom Organisationskomitee ernannt, das hierfür Rat bei den bedeutendsten ausländischen Notenbanken oder andern Finanzautoritäten einholt. Später wird an Stelle eines ausscheidenden Mitglieds ein Mitglied gleicher Staatsangehörigkeit von den im Amt befindlichen ausländischen Mitgliedern (mit Einstimmigkeit bis auf eine Stimme) gewählt, nachdem eine gutachtliche Äußerung der Zentralnotenbank des Landes eingeholt worden ist, dem das zu wählende Mitglied angehört. Personen, die deutsche oder ausländische unmittelbare Staatsbeamte sind oder Bezahlung vom Reich oder den Ländern oder einer ausländischen Regierung erhalten, können nicht Mitglieder des Generalrats sein. Der Generalrat faßt seine Beschlüsse mit einer Mehrheit von zehn Stimmen oder mit einfacher Mehrheit, sofern der Präsident und der Kommissar in dieser Mehrheit vertreten sind. In seinen Sitzungen, mindestens aber einmal im Monat, hat der Generalrat die Pflicht, die Berichte des

Präsidenten und des Kommissars zu prüfen und über die Vorschläge Beschluß zu fassen, ohne damit in die Rechte des Direktoriums einzugreifen. Der K o m m i s s a r , der eine der im Generalrat vertretenen ausländischen Staatsangehörigkeiten besitzen muß, wird vom Generalrat mit einer mindestens 6 ausländische Stimmen umfassenden Mehrheit von mindestens 9 Stimmen gewählt und wird durch die Wahl Mitglied des Generalrats. Seine Hauptaufgabe ist es, die Ausführung der Vorschriften des Gesetzes und Statuts über die Notenausgabe und die Erhaltung der Golddeckung für die im Umlauf befindlichen Noten durchzusetzen („to enforce"). Die mit der Sorge für die Notenreserve betraute Stelle darf Noten nur mit Ermächtigung des Kommissars ausgeben. Die Noten der Bank tragen eine Faksimileunterschrift des Präsidenten und das Siegel des Kommissars. („Ausfertigungskontrollstempel" im Sinne des § 27 des Bankgesetzes.) Deshalb hat er das Recht, sich alle zur Erfüllung seiner Pflicht v o n i h m für zweckdienlich angesehenen Statistiken und Urkunden vorlegen zu lassen und selbst oder durch seine Hilfsarbeiter alle von ihm f ü r notwendig erachteten Untersuchungen anzustellen. Er ist auch befugt, an den Sitzungen des Direktoriums in Berlin teilzunehmen. Die Leitung der Bank hat die Pflicht, dem Kommissar „die täglichen Nachweisungen über die Notendeckung und die im Umlauf befindlichen Noten fortlaufend vorzulegen", und zwar „zur Prüfung und Billigung". Hinsichtlich jeder Auskunft über die Handelsoperationen der Bank ist er zu strengster Verschwiegenheit verpflichtet. Personen, die vorsätzlich dem Präsidenten, dem Generalrat, dem Kommissar oder seinen Hilfskräften unmittelbar oder mittelbar falsche Auskünfte geben, sollen mit Geld- oder Gefängnisstrafen oder beiden bestraft werden (vgl. hierzu § 42 des Bankgesetzes). Die Verpflichtungen der deutschen Regierung im Rahmen dieses Bankplans werden in einem besondern Vertrag zwischen ihr und der Bank zusammengefaßt. Der Vertrag und das Bankstatut bedürfen der Genehmigung des Reichstags. Neben dem Erfordernis der wirtschaftlichen Einheit und einer wertbeständigen Währung ist der Ausgleich des Reichshaushalts Hauptgegenstand des Dawes-Berichts. Wie die Stabilisierung der Währung muß der Ausgleich des Reichshaushalts auf die Dauer gesichert werden. Die Sachverständigen lehnten den Standpunkt ab, „daß aus Deutschlands Hilfsquellen zunächst seine vollen inneren Bedürfnisse erfüllt werden

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Versailler Frieden (Reparationen) müssen, und daß f ü r die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Vertrage lediglich das verfügbar ist, was ihm etwa an Überschüssen herauszuwirtschaften beliebt". Eine die Steuerkraft („taxable capacity") des Deutschen Reichs übersteigende Jahresleistung an Reparationszahlungen und innern Ausgaben würde aber nach ihrer Ansicht das Gleichgewicht des Haushalts und die Stabilität der Währung gefährden oder sogar aufheben. Demnach sind die Leistungen aus dem Versailler Vertrag, nachdem die Ausgaben f ü r die eigenen Bedürfnisse Deutschlands auf ein Mindestmaß herabgesetzt sind, innerhalb einer Wiederaufbauperiode von mehreren Jahren auf bestimmte, von J a h r zu J a h r mit der Zahlungsfähigkeit steigende Beträge herabzusetzen. Die Wiederherstellung des Vertrauens zu den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Deutschland ist die Voraussetzung f ü r die Rückkehr abgewanderten Kapitals und für ausländische Anleihen. Der Dawes-Plan enthält deshalb feste jährliche Zahlungen mit veränderlichen Zuschlägen, deren Höhe von einer die Zahlungsfähigkeit Deutschlands anzeigenden Indexzahl abhängt. Weder die Zahl der Jahre noch die Summe, f ü r die der Index zu gelten hat, noch die Zahl der Jahresleistungen festzustellen, hielt sich der Sachverständigenausschuß für zuständig. Den Grundsatz einer gleichhohen Besteuerung wie in den alliierten Ländern sucht der Plan zu realisieren. Einschränkungen, sofern sie in Frage kommen, müssen „aus praktischen und allgemein wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitsgründen im Interesse der Alliierten selbst erfolgen". Veränderliche Jahreszahlungen haben im Londoner Zahlungsplan ihre Rechtsgrundlage. Der Dawes-Bericht verwirft jedoch den auf dem Wert der Ausfuhr beruhenden Index und schlägt für die Zukunft nach einer kurzen „Erholungszeit" („period of recovery") die Anwendung eines W o h l s t a n d s i n d e x mit folgenden sechs Gliedern zu seiner Berechnung vor: 1. Gesamtsumme der deutschen Ein- und Ausfuhr; 2. Gesamtsumme der Einnahmen und Ausgaben des Reichs und der Länder (abzüglich der Jahresleistungen aus dem Versailler Vertrag); 3. Eisenbahnverkehr nach der beförderten Gewichtsmenge; 4. Gesamtgeldwert des Verbrauchs an Zucker, Tabak, Bier und Branntwein in Deutschland; 5. Gesamtbevölkerung Deutschlands; 6. Verbrauch an Kohle pro Kopf der Bevölkerung. Da die Verpflichtungen Deutschlands aus dem Vertrag von Versailles und auch im Dawes-Plan in Gold ausgedrückt sind, wird bei Schwankungen der allgemeinen Kaufkraft des Goldes von Wörterbuch des Vülkeirechts.

Bd. ΙΠ.

mehr als 10% eine automatische Änderung der im Plan vorgesehenen Normalleistungen und Zuschläge in Aussicht genommen. Die Frage der Übertragung der von Deutschland geleisteten Zahlungen nach dem Auslande, das sog. T r a n s f e r i e r u n g s problem, wird streng von der Frage des „größtmöglichen Haushaltsüberschusses" getrennt behandelt, und zur Sicherung gegen Stabilität zerstörende und künftige Reparationsleistungen gefährdende Transfers wird das Verfahren höchstmöglicher Zahlungen auf Reparationskonto i n n e r h a l b Deutschlands und der je nach der Wirtschaftslage variablen Übertragung in fremde Währung sowie die Verwendung nicht übertragener Summen zur Anlage innerhalb Deutschlands vorgeschlagen. Der Plan sieht Zahlungen Deutschlands aus seinem ordentlichen Haushalt, aus Eisenbahnobligationen und Beförderungssteuer und aus Industrieobligationen vor. Die Sachverständigen hielten für die Übergangszeit eine äußere Anleihe zu dem besondern Zweck der Deckung von Fehlbeträgen des ordentlichen Haushalts, wie sie f ü r Österreich und Ungarn notwendig waren, f ü r Deutschland nicht für erforderlich. Solange die Jahresreparationsleistungen nicht seine Leistungsfähigkeit übersteigen, wird es nach Ansicht der Sachverständigen unter den Voraussetzungen der wirtschaftlichen und fiskalischen Einheit, einer wertbeständigen Währung und vorübergehender Entlastung des Haushalts von Leistungen auf Grund des Vertrags von Versailles den Reichshaushalt im Gleichgewicht halten können. Ausländisches Geld wird aber zur Errichtung der Notenbanken, der Aufrechterhaltung der Sachlieferungen während der Übergangszeit und zur Wiederherstellung des Vertrauens notwendig sein. Der Dawes-Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß bei zweijähriger Entlastung des Reichshaushalts von den Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles und nach Wiederherstellung der Währung das Deutsche Reich bis 1928 „den normalen Stand seiner Wirtschaft" erreichen müßte. Es hat nach dem Dawes-Plan folgende H ö c h s t b e t r ä g e f ü r R e p a r a t i o n s z a h l u n g e n in seinen Haushalt einzustellen: 1926/27: llOMill.Goldmark, 1927/28: 500 Mill. Goldmark, 1928/29: 1250 Mill. Goldmark. Dabei wird die Möglichkeit einer Erhöhung oder Verminderung dieser Beträge um höchstens 250 Mill. Goldmark (stets um ein Drittel des Überschusses) vorgesehen, falls die „kontrollierten Einkünfte" (s. unten S. 86) in den Jahren 1926/27 eine Milliarde und in den Jahren 1927/28 ein und eine viertel Milliarde übersteigen oder nicht erreichen. Vom Jahre 1929/30 an würde die 6

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normale Jahreszahlung von 1250 Mill. Goldm a r k mit dem nach dem Wohlstandsindex berechneten Zuschlag zu leisten sein. Der Wohlstandsindex soll aber für die fünf Jahre von 1929/30 bis 1933/34 nur auf den „reinen Beitrag aus dem Reichshaushalt" (d. h. auf 1250 Mill. GM. oder die Hälfte der gesamten Normaljahresleistung), von 1934/35 an auf die Gesamtjahresleistung von 2500 Mill. GM. Anwendung finden. D a die E i s e n b a h n e n seinerzeit nichts zum allgemeinen deutschen Reichshaushalt beitrugen, behandelte sie der Dawes-Bericht getrennt. Eine wirtschaftliche Verwaltung, d. h. im Sinne des Berichts eine Entlastung der Betriebs- und Instandhaltungskosten von überflüssigen Aufwendungen und auf Kapitalkonto gehörenden Ausgaben, und die Umwandlung der deutschen Reichsbahn vom Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft sollen eine Verzinsung des auf 26 Milliarden Goldm a r k geschätzten Kapitalwerts der Reichsbahn ermöglichen, die eine Milliarde pro Jahr, also weniger als 4 % erreicht. Dabei geht der Dawes-Bericht von der Tatsache aus, daß die an Kapitalwert geringem englischen Eisenbahnen einen Reingewinn von rund einer Milliarde, die amerikanischen Bahnen 5 % % als nach Ansicht der „ I n t e r s t a t e Commerce Commission" angemessenen Reinertrag erzielen, ihre Tarife also dementsprechend einrichten müssen. Die deutsche Reichsbahn soll umorganisiert werden, und es sollen 11 Milliarden Goldmark in Form von erststellig hypothekarisch gesicherten, mit 5 % jährlich zu verzinsenden und mit 1 % zu tilgenden O b l i g a t i o n e n zu den Reparationszahlungen beitragen. F ü r die Übergangszeit sind mit Rücksicht auf die Neuorganisation beschränkte Zinszahlungen vorgesehen (1924/25: 330Mill. GM., 1925/26: 465 Mill. GM., 1926/27: 550 Mill. GM., 1927/28 und die folgenden J a h r e : 660 Mill. GM. als Normalleistung). Neben den 11 Milliarden Obligationen soll die neue Gesellschaft 2 Milliarden GM. Vorzugsaktien und als Rest ihres Anlagekapitals 13 Milliarden GM. Stammaktien haben. 1 % Milliarden GM. Vorzugsaktien werden für den Verkauf an die Öffentlichkeit reserviert, und der Erlös wird zur Bezahlung vorhandener Schulden und künftiger Kapitalaufwendungen bestimmt. Der Erlös aus dem Verkauf der restlichen 500 Mill. GM. Vorzugsaktien steht der deutschen Regierung zu. Die Vertreter der Vorzugsaktionäre müssen Deutsche sein. (Vgl. hierzu „Gesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft" [Reichsbahngesetz] vom 30. V I I I . 1924, R G B l . 1924 II, S . 272ff., Satzung, a. a. O. S. 283.) Der

von

Acworth

und

Leverve

das erste Sachverständigenkomitee ausgearbeitete, von diesem im wesentlichen angenommene Eisenbahnreorganisationsplan geht von der seltsamen Überzeugung dieser Sachverständigen aus, daß keine deutsche Verwaltung die notwendige K r a f t besitzen wird, um erfolgreich gegen die traditionelle Geisteseinstellung anzukämpfen, wenn nicht dauernd der Druck einer im Interesse der Alliierten eingesetzten und aufrechterhaltenen Sachverständigenkontrolle dahintersteht, um die Verwaltung in bezug auf die Tarife wie die Ausgaben zu überwachen ( „ B u t we do not believe that any German management will have the strength necessary to fight successfully against the traditional mental attitude, unless there is behind it the constant pressure of an expert control, established and maintained in the interests of the Allies, to supervise the management of the matters both of tariffs and of expenditure"). Die traditionelle Geisteseinstellung zeige sich darin, daß die deutschen Eisenbahntarife „ i m m e r noch wie vor dem Kriege in erster Linie als eine Waffe in Händen des deutschen Handels und erst in zweiter Linie als eine Einnahmequelle der Eisenbahn angesehen" werden.

Die Umorganisation selbst bezweckt unter Verbleib des Eigentumsrechts beim Deutschen Reich die Übertragung der Verwaltung der Bahn für eine Reihe von Jahren an ein kaufmännisches Unternehmen, „ d a s zwar deutsch sein wird, dessen Verwaltungsrat aber Vertreter sowohl der Aktionäre als auch der alliierten Gläubigermächte umfassen w i r d " („which will be German, but with a b o a r d of d i r e c t o r s containing representatives both of the share holders and of the creditor Allied Powers"). Für die Neuorganisation sieht der Dawes-Bericht einen aus 18 Mitgliedern bestehenden V e r w a l t u n g s r a t vor, von denen die Hälfte von der deutschen Regierung ( „ u n d den privaten Inhabern von Vorzugsaktien", wurde nicht in das Gesetz aufgenommen), die andere Hälfte vom Treuhänder für die Obligationen ernannt wird. Fünf der vom Treuhänder ernannten Mitglieder können Deutsche sein. Der Bericht rechnet ausdrücklich mit 14 deutschen Verwaltungsratmitgliedern. Der P r ä s i d e n t des Verwaltungsrats und der Generaldirektor müssen Deutsche sein. Der Präsident wird mit Dreiviertelmehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrats gewählt. Neben seiner Stimme als Mitglied hat er eine zweite oder entscheidende Stimme („casting v o t e " ) . Der Generaldirektor wird mit gleicher Mehrheit ernannt, kann aber nicht Mitglied des Verwaltungsrats sein. (Nach der Satzung der Reichsbahn-Gesellschaft vom für Deutschen

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30. V i l i . 1924 besteht ihr Vorstand aus wiedergewählt werden. Er soll nicht Mitglied dem deutschen Generaldirektor und einem des Verwaltungsrats sein. Er vertritt nach oder mehreren deutschen Direktoren. „Der dem Dawes-Plan die Interessen der Inhaber Solange keine UnterVorstand führt die Geschäfte der Gesellschaft der Obligationen. unter der Aufsicht des Verwaltungsrats." brechung im Zinsendienst („default in interÜber die Aufgaben des Verwaltungsrats est") festzustellen ist, besteht seine Hauptvgl. § 15 der Satzung, RGBl. 1924 II, aufgabe darin, sich Berichte, statistische und finanzielle Übersichten vorlegen zu lassen S. 284.) Die Grenzen der Befugnisse der deutschen und im allgemeinen darauf zu sehen, daß Regierung hinsichtlich der Reichsbahn sind die Interessen der Obligationeninhaber nicht im Dawes-Bericht generell folgendermaßen gefährdet werden. festgelegt worden: „ E s ist beabsichtigt, der Die Befugnisse des Eisenbahnkommissars Eisenbahngesellschaft Freiheit zu lassen, ihre sind in dem Bericht von Acworth und Geschäfte so zu führen, wie sie es für gut Leverve, dessen Schlußfolgerungen vom befindet, jedoch mit der Maßgabe, daß die Dawes-Ausschuß angenommen worden sind, deutsche Regierung die erforderliche Tarif- näher dargelegt: „ E s muß ihm nach seiner und Betriebskontrolle („control over its Ernennung überlassen bleiben, zu bestimmen, tariffs and service") behält, um jede unter- welche Unterstützung er nötig hat, um die schiedliche Behandlung verhindern und das Verantwortung für die Kontrolle aller Zweige Publikum schützen zu können. Jedoch darf der Eisenbahnverwaltung übernehmen zu diese Regierungsaufsicht („Government können" ( „ ! t must be left for him, when control") niemals derart ausgeübt werden, appointed to say what assistance he needs, daß sie die Eisenbahngesellschaft außer- in order to be able to assume responsibility stand setzt, „eine billige und angemessene for control of all branches of railway manaVerzinsung des Anlagekapitals zu erzielen." gement"). Er kann nötigenfalls örtliche Ver(Die Reichsaufsicht ist durch das Reichs- treter ernennen. Er hat im einzelnen das bahngesetz im einzelnen umgrenzt worden. Recht, alle Berichte, statistische und finanSiehe §§ 6 Abs. 2, 7, 9, 10 Abs. 3, 12, 13 zielle Übersichten, Vorschläge für außerAbs. 1, 31, 32, 33, 34, 36, 44.) gewöhnliche Ausgaben auf Kapital- oder Von eigenartiger Bedeutung sind die Betriebsrechnung, Vorschläge für TarifGründe, welche Acworth und Leverve und I änderungen oder für die Genehmigung damit den ersten Sachverständigenausschuß ι von Ausnahmetarifen u. a. entgegenzuveranlaßt haben, einen besondern E i s e n - nehmen („to receive"), sofern sie normalerb a h n k o m m i s s a r zu verlangen. Der Bericht weise der Genehmigung des Generaldirektors lautet wörtlich: „Nun wird die bloße Über- bedürfen. Er hat auch das Recht, von ihm tragung der Reichsbahn vom Staate auf eine f ü r nötig erachtete weitere Berichte, ÜberPrivatgesellschaft diese geistige Einstellung sichten und Statistiken zu verlangen („to (s. oben S. 82) nicht von selbst ändern. Ein call for"). Er ist befugt, sich zustimmend oder großer Teil des Verwaltungsrates wird deutsch ablehnend zu äußern. Im Fall der Ablehnung sein; der Ge'neralverwalter wird ein Deutscher oder auch nur zögernder Zustimmung (nach sein; und seine verantwortlichen Beamten dem Dawes-Gutachten nur im Falle der Gewerden dieselben Männer sein, die die bis- fährdung der Rechte und Interessen der herige Eisenbahnpolitik angeregt und aus- Obligationsinhaber oder der Reparationsgeführt haben. Wir halten es daher für kommission, insbesondere aber der fälligen wesentlich, daß seitens und im Namen der Zahlungen) wird er die betreffende AnAlliierten ein Eisenbahnkommissar ernannt gelegenheit mit dem Generaldirektor beErscheint ihm auf wird, um in ihrem Interesse die deutsche sprechen („discuss"). Verwaltung zu überwachen und, falls dies dem eingeschlagenen Weg ein finanzieller später notwendig werden sollte, die Kon- Ertrag der Eisenbahn nicht möglich, und trolle über sie zu übernehmen" („We kann er den Generaldirektor nicht zur think it therefore essential t h a t a Railway Änderung bewegen, so ist er befugt, die Commissioner should be appointed by and Angelegenheit dem Verwaltungsrat zu unteron behalf of the Allies to supervise and, if it breiten, der dann die geeigneten Maßnahmen should hereafter become necessary, to control treffen kann. Der Bericht nimmt aber ausin their interest the German management"). drücklich an, daß ein passender Generaldirektor die Unterstützung des Kommissars Dieser Eisenbahnkommissar „muß eine begrüßen und seine Einmischung nicht Persönlichkeit von anerkanntem Ruf in der etwa unangenehm empfinden wird („that Eisenbahnwelt sein". Er wird von den aus- the general manager, so far from resenting ländischen Mitgliedern des Verwaltungsrats his interference, will welcome his supmit einfacher Mehrheit der abgegebenen port . . ."). Anlage IV zum Dawes-GutStimmen für 3 Jahre gewählt und kann 6*

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Gesellschaft und die deutsche Regierung können mit Zustimmung des Treuhänders („with the consent of the Trustee") jederzeit über einzelne Vermögensstücke der Gesellschaft verfügen. Sind die Einnahmen der Reichsbahn in einem Jahre nicht genügend zur Leistung der festgesetzten Zahlungen, so hat der Eisenbahnkommissar das Recht, die Maßnahmen zu ergreifen, die der Treuhänder für die Obligationeninhaber zum Schutze ihrer Rechte f ü r nötig hält, einschließlich des Rechts, die Eisenbahnen oder das Eigentum, auf denen die Hypothek oder die Belastungen zugunsten der Obligationen ruhen, ganz oder teilweise in Betrieb zu nehmen, zu verpachten oder zu verkaufen („to take such action as the Trustee for the bondholders may consider is necessary to protect the rights of the bondholders, including the right to .operate, to lease, or to sell all or any of the railways and property subject to the mortgage or charge of the bonds"). (Nach § 24 der wie alle Gesetze vom 30. VIII. 1924 von der Reparationskommission genehmigten „Gesellschaftssatzung" kann der Kommissar, dessen weitgehende Aufgaben in § 22 und dessen Ausnahmebefugnisse in § 24 festgesetzt sind, unter gewissen Voraussetzungen den Betrieb selbst übernehmen und nur für die Betriebsführung entbehrliche Fahrzeuge oder andere bewegliche und unbewegliche Sachen veräußern. Letzten Endes kann er das Betriebsrecht verpachten, falls der in § 45 vorgesehene Schiedsrichter diese Maßnahme für nötig und geeignet hält, RGBl. 1924 II, S. 286.) Die Bedingungen der nach 4 Jahren beginnenden Tilgung der Obligationen werden vom Treuhänder mit Zustimmung der Reparationskommission festgesetzt. ' Ohne Ermächtigung einer Dreiviertelmehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrats, in der zwei Ausländer sein müssen, können keine andern als die ausdrücklich bezeichneten Obligationen ausgegeben werden. Der Treuhänder regelt mit Zustimmung der Reparationskommission die Form der ObligaDie bereits erwähnten R e p a r a t i o n s - tionen und trifft Maßregeln zu ihrer Durchs c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n im Nennwert setzung und Einlösung einschließlich der Ausvon 11 Milliarden Goldmark (s. oben S. 82) losungen und Stundungen. sind sofort nach Gründung der Gesellschaft an einen von der Reparationskommission Wird der Zinsen- und Tilgungsdienst der ernannten Treuhänder auszuhändigen. Obligationen nicht vorschriftsmäßig erfüllt, Die Obligationen sind im Namen der Ge- so kann der Treuhänder, statt der oder neben sellschaft und vom Finanzminister im den bereits erwähnten Maßnahmen, die fälligen Namen der deutschen Regierung, die ihre Zinsscheine oder die zu tilgenden Stücke dem Zahlung garantiert, zu unterzeichnen. von der Reparationskommission ernannten Die der Sicherstellung dieser Obligationen „Kommissar f ü r die kontrollierten Eindienende erststellige „ H y p o t h e k " wird aus- nahmen" vorlegen, damit dieser sie zum drücklich zugunsten des Treuhänders ein- Nennwert aus den von ihm an die deutsche getragen und ist nicht durch die Dauer der Regierung zurückzuzahlenden Überschüssen Konzession der Gesellschaft begrenzt. Die der verpfändeten Einnahmen bezahlt.

achten bestimmt zunächst ganz allgemein, daB der Kommissar ein „general right of inspection" über das gesamte Eisenbahnsystem und alle Eisenbahnanlagen und Verwaltungsstellen habe. Der Kommissar hat nach dem Bericht von Acworth und Leverve die vom DawesPlan nicht übernommene Pflicht, den ausländischen Mitgliedern des Verwaltungsrats über alle Punkte Bericht zu erstatten, die i h n e n von erheblicher Wichtigkeit erscheinen („to make for the foreign members of the Board reports on any points which they may regard as of serious importance"). Dazu bemerkt der Bericht: „Hierher gehört beispielsweise die Frage, wieweit die stark herabgesetzten deutschen Ausfuhrtarife ihre Berechtigung haben. Es ist klar, daß die Reineinnahmen der deutschen Reichsbahn nicht gekürzt werden, um der deutschen Industrie einen angemessenen Vorteil auf überseeischen Märkten zu verschaffen." Für den Fall, daß die deutsche Reichsbahn „den als angemessen festgesetzten Reingewinn für Reparationszwecke" („the net revenue fixed as reasonable for reparation purposes") nicht erreicht, übernimmt der Generalkommissar die Funktionen des Generaldirektors („the Commissioner General will take over the functions of the General Manager") und, anstatt mit dem Generaldirektor zu verhandeln oder dem Verwaltungsrat Vorschläge zu machen, würde er ermächtigt sein, positive Anordnungen zu erlassen („he would be empowered to issue positive orders"), die die Einstellung ungerechtfertigter Ausgaben oder die ihm angemessen erscheinende Heraufsetzung der Tarife zum Gegenstand hätten. Der Kommissar kann endlich die Absetzung des Generaldirektors wegen Verletzung der Gesellschaftssatzung oder wegen Nichtausführung der Anordnungen des Verwaltungsrats verlangen. In diesem Fall kann der Generaldirektor durch einfache Stimmenmehrheit des Verwaltungsrats abgesetzt werden.

Versailler Frieden (Reparationen) Die EisenbahngeseLlschaft hat die Erträge der Beförderungssteuer nach dem am 1. IV. 1924 geltenden Tarif grundsätzlich an die Reparationskommission zu überweisen. Sie können vom Treuhänder zur Sicherstellung einer besondern Serie von Obligationen in Höhe von 3 Milliarden Goldmark verwendet werden. Diese Regelung des Dawes-Report ist später in der Weise abgeändert worden, daß die Gesellschaft im ersten Geschäftsjahr die ganzen Erträge der Beförderungssteuer an die deutsche Regierung, im zweiten 250 Millionen Goldmark dieser Erträge und in den folgenden Jahren bis zum Ablauf des Betriebsrechts jährlich 290 Mill. Goldmark auf das Konto des Agenten für Reparationszahlungen, den Rest aber jeweils an die deutsche Regierung überweisen soll (§ 15 des Gesetzes über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft vom 30. VIII. 1924, RGBl. 1924 II, S. 274). Werden alle durch die erststellige Reparationshypothek garantierten Obligationen vor Ablauf des Betriebsrechts eingelöst, so hat die deutsche Regierung das Recht, die Beendigung der Tätigkeit des Eisenbahnkommissars und an Stelle der ausländischen Mitglieder des Verwaltungsrats deutsche zu verlangen. Zur Ausarbeitung der einzelnen Maßnahmen, die f ü r die Gründung der Reichsbahngesellschaft und die vom Dawes-Bericht vorgeschriebenen Einrichtungen notwendig sind, wird ein O r g a n i s a t i o n s k o m i t e e aus zwei vom deutschen Reichsverkehrsminister ernannten Delegierten und den beiden Eisenbahnsachverständigen Acworth und Leverve oder von ihnen bezeichneten Personen und einem fünften neutralen Mitglied gebildet. Als Beitrag der industriellen und gewerblichen Betriebe einschließlich der bergbaulichen, der Schiffahrtsbetriebe, der Privatbahnen, Kleinbahnen und Straßenbahnen zu den Reparationszahlungen fordert der Dawes-Bericht 5 Milliarden Goldmark in erststellig hypothekarisch sichergestellten, mit 5 % verzinslichen und 1 % zu tilgenden, von der deutschen Regierung garantierten I n d u s t r i e - O b l i g a t i o n e n . Auch hier hat im Fall der Nichtleistung fälliger Zahlungen der Kommissar für die kontrollierten Einkünfte aus den an die deutsche Regierung zurückzuüberweisenden Summen Zahlungen zu bewirken. Die Obligationen sind dem von der Reparationskommission ernannten T r e u h ä n d e r auszuhändigen, der sie verwahrt, die Zinsscheine zur Einlösung bringt und den Erlös auf das Konto des Agenten f ü r Reparationszahlungen überweist oder nach Anordnung der Reparationskommission darüber verfügt. Das

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vorläufige Organisationskomitee für die Ausarbeitung des Plans der Industrieobligationen besteht aus je einem Vertreter der deutschen Regierung und der deutschen Industrie, zwei von der Reparationskommission ernannten Mitgliedern und einem fünften von diesen vier Mitgliedern oder, falls durch sie eine Wahl nicht zustande kommt, von der Reparationskommission ernannten Delegierten. (Näheres über die Industrieobligationen in Anlage 5 des Dawes-Gutachtens und besonders im Gesetz über die Industriebelastung [Industriebelastungsgesetz] vom 30. VIII. 1924, RGBl. 1924 II, S. 257ff., wo die Organisation einer besondern „Bank für deutsche Industrieobligationen" vorgesehen ist, deren Vorstand nur aus Deutschen, deren Aufsichtsrat aber aus sieben von der Reichsregierung ernannten Deutschen und sieben teils (3) von der Reparationskommission, teils (4) von den ausländischen Mitgliedern des Generalrats der Reichsbank gewählten Mitgliedern besteht. Die Bank vermittelt die Beziehungen zwischen dem Treuhänder und den Schuldnern der Obligationen. Der Treuhänder für die Industrieobligationen hat zwar auch die Kontrollrechte eines Kommissars, ist aber im allgemeinen koordinierenden Ausschuß (s. unten S. 87) nicht vertreten. Er hat die Sicherung der Gläubiger, die „Pfandverwertung" (Terhalle) und den Dienst der Obligationen zu bewirken. Die vom Dawes-Report vorgesehenen J a h r e s l e i s t u n g e n Deutschlands (Normaljahresleistung 2500 Mill. GM.) enthalten alle Summen, die das Reich f ü r Reparationen, Restitutionen, Besetzungskosten, Ausgleichsverfahren, Kontroll- und Überwachungskommissionen („Commissions of control and supervision") zu zahlen verpflichtet ist. Die Sachlieferungen werden von dem DawesGutachten den Barzahlungen gleichgestellt. Zahlungen f ü r Sachlieferungen sind auch die auf Grund des englischen „Reparation Recovery A c t " von Deutschland zu leistenden Summen. (Näheres hierüber H. J . H e l d , Die Rechtsgrundlagen der englischen Reparationsabgabe, Wirtschaftsdienst, „Weltwirtschaftliche Nachrichten" vom 21. V I I I . 1924, S. 1144ff., d e r s e l b e , Die Reparationsabgabe [und ihre völkerrechtliche Zulässigkeit] a. a. O. vom 10. X. 1924, S. 1373ff.) Die Zinsen- und Tilgungssummen der Eisenbahn- und Industrieobligationen, die Erträge der Beförderungssteuer und etwaige Haushaltsüberschüsse, d. h. die gesamten Leistungen auf Reparationskonto, sind in deutscher Währung an die Notenbank auf das Konto des Agenten f ü r Reparationszahlungen zu überweisen. Damit hat die deutsche Regierung jeweils ihre Pflicht erfüllt.

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Die Verfügung über die Reparationssummen, besonders ihre Übertragung in fremde Währungen ist Aufgabe des Generalagenten für Reparationsz a h l u n g e n unter Kontrolle eines besondern „ Ü b e r t r a g u n g s k o m i t e e s " ( „ T r a n s fer C o m m i t t e e " ) , das aus sechs Mitgliedern besteht. Der Generalagent ist Mitglied und zugleich Vorsitzender des Komitees, die übrigen fünf Mitglieder müssen Finanz- und Währungssachverständige amerikanischer, englischer, französischer, italienischer und belgischer Staatsangehörigkeit sein. Das K o m i t e e ist befugt und verpflichtet, 1. Banküberschüsse zur Zahlung v o n Sachlieferungen und Leistungen auf Grund des englischen Reparation R e c o v e r y A c t nach dem von Zeit zu Zeit von der Reparationskommission aufgestellten Programm zu verwenden, 2. diese Überschüsse in fremde Währung umzuwandeln und nach den Anordnungen der Reparationskommission zu überweisen, ohne die Stabilität der deutschen Währung zu gefährden, und 3. Beträge in zweckmäßiger H ö h e in Obligationen oder andern Anleihen innerhalb Deutschlands anzulegen. Deutsche Sachlieferungen an alliierte reparationsberechtigte Länder dürfen v o n diesen nur nach Einigung des in solchen Fällen einstimmig beschließenden Übertragungskomitees mit der deutschen Regierung wieder ausgeführt werden. A u f das Gesuch v o n Gläubigerstaaten und Anordnung der Reparationskommission kann das K o m i t e e unter diesen Bedingungen Privatpersonen Mark zu Einkäufen in Deutschland übertragen, muß aber das K o n t o des betreffenden Gläubigerstaats entsprechend belasten. Der deutschen Regierung legt der Dawes-Bericht die Pflicht auf, die Übertragung v o n Summen in ausländische Währung in jeder möglichen Weise zu erleichtern und dabei auch für die Erhaltung der Stabilität fremder Währungen Sorge zu tragen. Gegen „verabredete Finanzm a n ö v e r " ( „ c o n c e r t e d financial manœuvres") v o n Seiten der deutschen Regierung oder einer andern Seite zur Verhinderung von Übertragungen kann das Komitee geeignete Maßnahmen ergreifen, besonders die A n sammlung v o n Goldmark bei der Bank über die vorgeschriebene Summe von 5 Milliarden hinaus zulassen oder zum Ankauf v o n Vermögensstücken aller A r t innerhalb Deutschlands verwenden. Das Komitee kann mit Zweidrittelmehrheit die Beschränkung der Ansammlung unter den Betrag v o n fünf Milliarden oder eine Überschreitung dieser Summe beschließen.

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gationen die E i n k ü n f t e aus den Z ö l l e n und den A b g a b e n von Branntwein, T a b a k , B i e r und Z u c k e r in der Weise herangezogen, daß ihre gesamten Erträge einer „unparteiischen und wirksamen A u f sichtsstelle" („impartial and effective cont r o l " ) überwiesen werden, die sie zu R e parationszahlungen verwendet und nur den etwa verbleibenden Überschuß der deutschen Regierung zurückzahlt. Dabei betont der Dawes-Bericht, daß er jedes System unmittelbarer oder mittelbarer t a t sächlicher Kontrolle ( „ a n y system which would involve directly or indirectly the virtual c o n t r o l " ) über Deutschlands gesamte Einnahmen und Ausgaben, abgesehen von extremen Ausnahmefällen, schon deshalb zurückweist, weil die Kontrollbehörde die Verantwortung für etwaige Finanzwirren zu tragen hätte. Eine allgemeine Haushaltskontrolle soll nur dann eingeführt werden, wenn Deutschland absichtlich die ihm nunmehr auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt. Die genannten Staatseinkünfte werden ohne Beeinträchtigung des bereits auf dem gesamten deutschen Vermögen lastenden privilegierten Pfandrechts den Gläubigern Deutschlands überwiesen und ihrer Kontrolle unterstellt („assigned to, and under the control of, Germany's creditors"). „ D i e Einnahmen sind eine S i c h e r h e i t für eine in anderer Form festgesetzte Z a h l u n g " ( „ t h e revenues are security f o r a payment otherwise f i x e d " ) . Der Gesamtbetrag der kontrollierten Einnahmen wird auf das K o n t o des Generalagenten für Reparationszahlungen überwiesen. Bleibt der Ertrag aus diesen Einkünften hinter einer Milliarde im Jahre 1926/27 oder 1 y4 Milliarden im Jahre 1927/28 zurück, so werden die Reparationszahlungen um die einem Drittel des jeweiligen Fehlbetrags entsprechende Summe vermindert. Im entgegengesetzten Fall sind entsprechende Zusatzzahlungen vorgeschrieben.

Zur Beaufsichtigung ( „ s u p e r v i s i o n " ) der kontrollierten Einnahmen wird ein K o m m i s s a r und für jede der fünf verpfändeten Einkünfte ein Unterkommissar ernannt. Der Kommissar ist der Reparationskommission zur Berichterstattung über die Lage und den Ertrag der verpfändeten Einkünfte in regelmäßigen Zeitabschnitten verpflichtet. Ein beratender Ausschuß („consultative and advisory comm i t t e e " ) , in dem jedes beteiligte alliierte Land vertreten ist, ergänzt diese Organisation. Der Kommissar kann unabhängige Rechnungsprüfung anordnen zur Feststellung, ob Zur Sicherstellung der deutschen Repa- die verpfändeten Einkünfte ordnungsgemäß rationszahlungen hat das Dawes- Gutachten von den abgabepflichtigen Personen erhoben neben den Eisenbahn- und Industrieobli- und der Kontrollverwaltung ( „ c o n t r o l ad-

Versailler Frieden (Reparationen) ministration") zugeführt worden sind. Die Verantwortung für die Verwaltung im einzelnen („responsibility for detailed administration") zu übernehmen, ist der Kommissar normalerweise nicht verpflichtet, aber stets berechtigt. Wenn es aber notwendig wird, weil die Einkünfte nicht genügend sind, würde er die Verwaltung im einzelnen umgestalten und leiten müssen („reform and direct administration in detail"). Das würde jedoch weder Aufsicht noch Kontrolle, sondern die Übernahme der Verwaltung selbst bedeuten. Die technische Kontrolle des Kommissars besteht in dem Recht, jede Auskunft zu verlangen und alle Bücher zu prüfen, die abgabepflichtigen Fabrikanlagen zu besichtigen und die Ausführung der Vorschriften zu überwachen, Sachverständige zur Berichterstattung und Beratung zu senden und nötigenfalls eingehende Kontrolle zu üben („exercise detailed control"), technische Verbesserungen vorzuschlagen und vorherige Mitteilung aller in Aussicht genommenen Verwaltungsverordnungen zu verlangen. Die Kontrollorganisation muß so erfolgen, daß gegebenenfalls neben den Eisenbahnobligationen andere durch die verpfändeten Staatseinkünfte sichergestellte Schuldverschreibungen ausgegeben werden können. Ohne die erst nach Mehrheitsbeschluß des beratenden Komitees erfolgende Einwilligung des Kommissars darf die deutsche Regierung die Abgabensätze der verpfändeten Einkünfte nicht herabsetzen. Jede Einmischung in die deutsche Abgabenpolitik muß aber vermieden werden („all interference in the German Government's tariff policy is to be avoided"). Die Grundzüge der Kontrollorganisation müssen von den betreffenden alliierten Regierungen bestimmt und von internationalen Sachverständigen zu ausführlichen Instruktionen ausgearbeitet werden. Reichen die Einnahmen aus den verpfändeten Staatseinkünften in einem bestimmten J a h r nicht aus, so wird die Dauer der Anwendung des Systems bis zum Ausgleich des Fehlbetrags ausgedehnt. Das Dawes-Gutachten sieht als wesentlichen Bestandteil seines Plans eine ä u ß e r e A n l e i h e von 800 Millionen Goldmark vor, die als Teil der Goldreserven und als Grundlage f ü r die Umlaufsmittel der Notenbank und die Sicherung der Währungsstabilisierung und in zweiter Linie zur Erfüllung unmittelbarer und dringender deutscher Verpflichtungen (Finanzierung der Sachlieferungen und Leistungen auf Grund des Reparation Recovery Act, Deckung eines Teils der Besetzungskosten) dienen sollen. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten

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zwischen einem der bisher erwähnten Kommissare und dem Generalagenten für Reparationszahlungen kann der betreffende Kommissar sich an die Reparationskommission wenden („right of appeal"). In einem a l l g e meinen koordinierenden Ausschuß sollen alle Kommissare oder ihre Vertreter mit dem Generalagenten ^ R e p a r a t i o n s z a h l u n g e n und dem Treuhänder zusammenarbeiten. Dieser Ausschuß soll nur beratende Funktionen ausüben, vor allem dem Generalagenten Informationen liefern. Der Dawes-Bericht bestimmt ferner: Der T r e u h ä n d e r nimmt die Eisenbahn- und Industrieobligationen entgegen, verwaltet sie und stellt den Zinsen- und Tilgungsdienst sicher. Er ist der Reparationskommission zur Rechenschaft über diese und alle andern Obligationen verpflichtet. Mit Genehmigung der Reparationskommission und zu ihren Gunsten kann er Obligationen veräußern und Hypothekenbriefe zur Sicherstellung neuer, von ihm ausgegebener Wertpapiere verwenden. (Die Ausführungsgesetzgebung hat die Rechtstellung des Treuhänders für Industrieobligationen abweichend gestaltet, vgl. oben S. 85). Grundsatz der Kontrollorganisation des Dawes-Gutachtens ist es, daß kein Kommissar für die deutsche Verwaltung verantwortlich ist, solange nicht ein Fall von Nichterfüllung („default") die Übernahme der Verwaltung selbst notwendig macht. Das zweite SâchverstândigenG u t a c h t e n („McKenna Report") kam zu dem Ergebnis, daß der einzige Weg, die Kapitalabwanderung aus Deutschland zu verhindern, in der dauernden Beseitigung der Inflation besteht. Gesetze zur Erzwingung der Rückführung des Kapitals nach Deutschland haben nach Ansicht der Sachverständigen das Gegenteil der gewünschten Wirkung zur Folge. Die B e r i c h t e d e r b e i d e n S a c h v e r s t ä n d i g e n a u s s c h ü s s e wurden durch Beschluß der Reparationskommission vom 11. IV. 1924 den alliierten Regierungen zur Annahme empfohlen. Die deutsche Reichsregierung teilte nach Beratungen mit den Ländern der Reparationskommission mit, daß „die Berichte als praktische Grundlage für eine schnelle Lösung der Reparationsfrage anerkannt" würden und Deutschland zur Mitarbeit für die Durchführung des Plans bereit sei. Die deutsche Regierung wurde aufgefordert, die notwendigen Gesetzentwürfe vorzubereiten. Die französische Regierung vertrat den Standpunkt, daß es Aufgabe der Reparationskommission sei, auf Grund der Sachverständigenberichte ein Programm für die Regelung der Reparationsfrage auszuarbeiten. England und Belgien nahmen je-

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doch die Berichte vorbehaltlos an. Frankreich wünschte eine Reihe von Änderungen zugunsten der Autorität der Reparationskommission. Der französische Regierungswechsel und die Zusammenkünfte Herriots mit MacDonald in Chequers und in Paris führten zu einer Einigung, die auch von Italien und Belgien angenommen wurde. Sie ist in dem völkerrechtlich besonders wichtigen englisch-französischen Memorandum vom 9. VII. 1924 enthalten. (Miscellaneous No. 17,1924. Proceedings of the London Reparation Conference, July and August 1924. Cmd.2270, London 1924, S. 104ff., englischer und französischer amtlicher Wortlaut. — „Die Londoner Konferenz Juli-August 1924", Reichstag III, 1925, Drucks. Nr. 263, ausgegeben am 14. I. 1925, S. 81 ff., englischer und französischer Wortlaut und deutsche amtliche Übersetzung.) Als Zweck der zum 16. VII. einberufenen Londoner Konferenz der Alliierten wurde in dem Memorandum die Regelung der Durchführung des Sachverständigenplans bezeichnet, soweit er Fragen enthält, deren Lösung den beteiligten Regierungen obliegt. Die Alliierten erkannten zwar die Bedeutung der wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkte, besonders die Notwendigkeit der Herstellung des Vertrauens, das den Anleihegläubigern die erforderliche Sicherheit gewähre; sie betonten aber, daß diese Notwendigkeit mit der Achtung vor den Bestimmungen des Versailler Vertrags durchaus vereinbar sei. Eine Verletzung dieser Bestimmungen würde die dauernde Grundlage des so mühsam erreichten Friedens und das Vertrauen in die feierlichen Verpflichtungen der Nationen zerstören und zu neuen Konflikten Anlaß geben. Die Reparationskommission habe auf Grund des Art. 234 des Vertrags von Versailles gehandelt und, um f ü r die Ausübung ihrer Befugnisse Klarheit zu erhalten, gemäß § 7 der Anlage II zu Teil V I I I des Vertrags den Rat der Sachverständigen eingeholt. Der DawesBericht (Abschnitt III) und die Mitteilung der Reparationskommission stellen fest, daß eine Reihe von Maßnahmen ausschließlich in die Zuständigkeit der alliierten Regierungen fällt. Deshalb sind besondere Vereinbarungen notwendig. Und die britische und französische Regierung erklären, es sei von höchster Bedeutung, daß der Sachverständigenbericht unverzüglich ins Werk gesetzt werde, damit die Reparationszahlungen von Deutschland gesichert und die Alliierten zu gemeinschaftlichem Handeln zurückgebracht würden. Deshalb haben sich England und Frankreich dahin geeinigt, daß am 16. VII. 1924 eine Konferenz in London zusammen-

treten solle, für die auch die Vereinigten Staaten ihre Beteiligung zugesagt hätten. Zunächst würde die Annahme der Ergebnisse des Dawes-Berichts („acceptance of the conclusions of the Dawes Report"), die der Reparationskommission gegenüber einzeln erklärt worden sei, zu bestätigen („confirm") sein. Die sodann abzuschließenden Vereinbarungen dürfen die Autorität der Reparationskommission nicht verringern. Im Hinblick auf die Sicherung der Gläubiger der 800-MiIlionen-Anleihe und der Inhaber der Schuldverschreibungen soll im Falle einer Nichterfüllung seitens Deutschlands ein Vertreter der Vereinigten Staaten in der Reparationskommission anwesend sein. Das Memorandum stellt weiter fest, daß der DawesBericht für die Fälle geringerer Nichterfüllung Deutschlands („minor defaults", „manquements de détail") verschiedenartige Überwachungsorganisationen vorsehe („various supervisory organisations", „divers organismes de contrôle"), daß aber eine wichtige vorsätzliche Nichterfüllung („important wilful default", „manquement volontaire important") sofort die Frage nach Deutschlands gutem Willen („good faith", „bonne foi") aufwerfen werde. Der Plan der Wiederherstellung der wirtschaftlichen und fiskalischen Einheit Deutschlands solle von der Reparationskommission ausgearbeitet werden. Später notwendig werdende Änderungen des Dawes-Plans dürfen nur durch gemeinsame Vereinbarung erfolgen, soweit nicht die Reparationskommission bereits die Befugnis dazu besitzt. Die Frage, welche Instanz nötigenfalls mit der Auslegung des DawesBerichts und der abzuschließenden Vereinbarungen zu betrauen sei, ist ebenfalls auf der Londoner Konferenz zu entscheiden. Außer diesem Memorandum an die alliierten Regierungen erging eine englischfranzösische Einladung an die R e ρ a r a t i ο η sk o m m i s s i o n , die in einstimmigem Beschluß folgende Maßnahmen zur Durchführung des Dawes-Plans für notwendig erklärte: 1. Reichstagsabstimmungen über die notwendigen Ausführungsgesetze in der von der Reparationskommission genehmigten („approved") Form und Verkündung dieser Gesetze. 2. Die Einrichtung aller im Plan vorgesehenen Verwaltungs- und Kontrollorgane. 3. Die endgültige Errichtung der Bank und der deutschen Eisenbahn-Gesellschaft in Übereinstimmung mit den betreffenden Gesetzen. 4. Die Hinterlegung der die Eisenbahn- und Industrieobligationen repräsentierenden Zertifikate, entsprechend dem Bericht des Organisationskomitees. 5. Abschluß von Verträgen zur Sicherung der

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Subskription der Anleihe von 800 Millionen leihe zu schaffen und demgemäß Sicherungen Goldmark, sobald der Dawes-Plan zur Durch- in Vorschlag bringen zu können. Wegen führung gebracht und alle in ihm enthaltenen verschiedener Schwierigkeiten beschloß das Bedingungen erfüllt sind (Miscellaneous erste Komitee, den Bericht des zweiten aba . a . O . S. 110, 111). zuwarten und dann erst den Versuch einer Am 16. VII. 1924 trat die L o n d o n e r einstimmigen Lösung der ihm übertragenen K o n f e r e n z zum erstenmal zusammen. Die Fragen zu machen und Bericht zu erstatten. fünf Hauptmächte im Sinne des Vertrags von Die Konferenz befaßte sich sodann mit textVersailles, das Britische Reich, Frankreich, lichen Unterschieden im englischen und franItalien, J a p a n und die Vereinigten Staaten zösischen Wortlaut des Memorandums, mit (diese als Nichtbeteiligte am Vertrag von der Frage der Sachlieferungen auf Grund des Versailles nur mit beratender Stimme), ferner Dawes-PIans und der Schiedsgerichtsbarkeit Meinungsverschiedenheiten Belgien, Griechenland, Portugal, Rumänien im Fall von und der Serbisch-Kroatisch-Slowenische zwischen der deutschen Regierung und dem Staat waren vertreten. Die Tagesordnung Transfer-Komitee über die Liste der Sachbildete der Inhalt des englisch-französischen lieferungen und die Erleichterung ihrer DurchMemorandums, dessen einzelne Punkte zur führung. Hinsichtlich der Frage der „finanBeratung auf d r e i von der Versammlung ziellen Manöver" (nach Herriot z. B. Modigebildete S a c h v e r s t ä n d i g e n k o m i t e e s fikation des Diskontsatzes durch die Bank verteilt wurden. In diesen Ausschüssen waren oder Maßnahmen gegen die Beschaffung von die Hauptmächte durch je einen Minister Sachlieferungen) wurde das dritte Komitee und einige Sachverständige, die kleinern j[ mit der Feststellung beauftragt, in welchem Mächte durch je einen Delegierten vertreten. Verfahren solche finanzielle Manöver nachEines der Komitees wurde ermächtigt, Unter- gewiesen und anerkannt werden müßten, ausschüsse zu bilden. Daraufhin vertagte sich damit dann die besondern im Dawes-Plan die Konferenz bis zum 23. V11. Auf der zweiten vorgesehenen „Sanktionen" (siel, ParmenKindersley Sitzung gab der englische Ministerpräsident tier) in Kraft gesetzt würden. bekannt, daß Vertreter derjenigen britischen stellte fest, daß es nach der ausdrücklichen Dominions, die sich an der Konferenz zu Bestimmung 8 der Anlage 6 des Dawes-Bebeteiligen wünschen, und Indiens nach dem richts Sache des Übertragungskomitees sei, „panel system" Mitglieder der britischen gegebenenfalls finanzielle Manöver festzuDelegation werden und an Tagen, an denen stellen. sie nicht an der Reihe sind, bei den VerDie dritte Sitzung der Konferenz fand handlungen der Konferenz anwesend sein am 28. VII. 1924 statt. Die Konferenz nahm könnten, damit sie über die Vorgänge laufend den B e r i c h t des Juristenkomitees unterrichtet seien. Der besonders für diese (a. a. O. S. 132ff.) an, in dem das Verhältnis außerordentliche Konferenz angenommene des Dawes-Berichts zum Vertrag von VerPlan der Vertretung der Dominions unter- sailles festgestellt und das Verfahren für die scheide sich von dem auf der Friedens- völkerrechtliche Durchführung des Daweskonferenz zu Paris und der Abrüstungs- Berichts dargelegt wurde. Der Vertrag von konferenz zu Washington eingeschlagenen Versailles enthält keine Vorschrift, die den Verfahren und dürfe in Zukunft nicht als alliierten Regierungen die Befugnis gibt, Präzedenzfall angerufen werden. in die Ausübung souveräner Rechte DeutschAuf der zweiten Sitzung wurde sodann lands hinsichtlich der Methoden einzugreifen, ein Komitee von zwei Juristen (einem eng- mit welchen die deutsche Regierung die f ü r Reparationszahlungen erforderlichen lischen und einem französischen) gebildet, das die Nach der Note der Bericht zu erstatten hatte, über welche Summen beschafft. Punkte und unter welchen Bedingungen Ver- Alliierten vom 16. VII. 1919 (Cmd. 258) legt handlungen mit einer deutschen Delegation der Vertrag der Reparationskommission nur gepflogen werden könnten, ohne daß dadurch die Pflicht auf, die Gesamtsumme der Repagegen den Vertrag von Versailles verstoßen rationen festzusetzen, einen Zahlungsplan würde. Denn, so bemerkte Herriot, die aufzustellen, die Leistungsfähigkeit DeutschAlliierten müßten zuerst unter sich einig lands zu prüfen und weitgehende Kontrollwerden, damit die Deutschen nicht gelegent- rechte in dieser Hinsicht auszuüben („to liche Schiedsrichter („eventual arbiters of exercise large powers of control", Art. 240 our discussions") ihrer Diskussionen würden. und Anlage II § 12), den alliierten RegieDas erste Komitee der Konferenz hatte rungen eine Nichterfüllung Deutschlands zu inzwischen eine Zusammenkunft mit zwei notifizieren und den Teil V I I I des Vertrags führenden Finanzmännern Englands und ' auszulegen. Die Reparationskommission ist Amerikas herbeigeführt, um Klarheit ü b e r j aber nicht befugt, die Heranziehung bedie Voraussetzungen einer erfolgreichen An-, stimmter Hilfsquellen und die Anwendung

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bestimmter Mittel zur Aufbringung der zu Reparationszahlungen erforderlichen Summen zu verlangen. Sie ist auch nicht berechtigt, Deutschlands innere Gesetzgebung zu diktieren („dictate"), die Einführung und Erhebung von Steuern vorzuschreiben („prescribe") oder den Charakter des Staatshaushalts einseitig zu bestimmen. Abgesehen von Sondervorschriften des Vertrags über bestimmte Reparationsleistungen (Auslieferung der Handelsflotte, Lieferung von Wiederaufbaumaterial, Kohle, Chemikalien, Übertragung, Beteiligungen an Auslandunternehmen) behält Deutschland hinsichtlich der Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Erfüllung seiner Reparationsverpflichtungen freie H a n d . Anders nach dem Dawes-Plan. Dieser bezeichnet die Hilfsquellen, nämlich den ordentlichen Haushalt, die Eisenbahn- und Industrieobligationen und die Beförderungssteuer, die für die Reparationszahlungen herangezogen werden sollen. Ohne Beeinträchtigung des erststelligen Pfandrechts auf das gesamte deutsche Vermögen und die deutschen Einkünfte zugunsten der Reparationen nach dem Vertrag von Versailles überweist der Dawes-Plan den Gläubigern Deutschlands bestimmte Staatseinkünfte (Zölle, Tabak-, Bier-, Branntwein- und Zuckerabgaben) und unterwirft sie ihrer Kontrolle. Weiterhin zwingt er Deutschland gewisse innere Gesetzesmaßnahmen auf („It forces on Germany certain measures of internal legislation"), ζ. B. die Errichtung einer bestimmt gearteten Notenbank, die Schaffung neuer finanzieller Lasten (ζ. B. die Industrieobligationen) und diktiert den Charakter des deutschen Budgets („and dictates the character of the German budget"). Die Juristenkommission stellte aber fest, daß keine der Schlußfolgerungen des DawesPlans im Widerspruch zum Vertrag von Versailles stehe, daß sie vielmehr nur als Erleichterung der Vertragserfüllung beabsichtigt sei. Da die Durchführung des Dawes-Plans jedoch Maßnahmen notwendig macht, die im Vertrag von Versailles nicht enthalten sind, müssen sie Gegenstand besonderer Vereinbarung mit Deutschland bilden. Daß kein neues Ultimatum beabsichtigt war, geht aus den Worten MacDonalds zu Beginn der Sitzung vom 28. VII. 1924 hervor: „With reference to the German representation, it is perfectly obvious t h a t we will not be in a position to discuss anything with the German representatives until we have come to an agreement amongst ourselves. I do not mean by t h a t t h a t we will merely present an ultimatum to them . . ." Und er schlug vor, daß nach Einigung der Alliierten

unter sich von den drei auf der Konferenz vertretenen Ministerpräsidenten, die in Verbindung mit dem ersten Delegierten Italiens und den Botschaftern der Vereinigten Staaten und Italiens vorgehen, eine Einladung an die deutsche Regierung gerichtet werden solle. Zur Inkraftsetzung des Dawes-Plans war nun nach dem Bericht der Juristenkommission 1. eine Vereinbarung notwendig, in der die deutsche Regierung die Verpflichtung zur Durchführung des Plans der Reparationskommission gegenüber als ausschließlicher Vertretung der alliierten Regierungen für die Entgegennahme von Reparationszahlungen ausdrücklich übernehmen sollte; 2. eine Vereinbarung der alliierten Regierungen mit der deutschen Regierung über die Wiederherstellung der fiskalischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands und die dazu notwendigen Maßnahmen, besonders die Evakuierung besetzten Gebiets; 3. eine Vereinbarung der Alliierten unter sich, vor allem über die im Fall der Nichterfüllung deutscher Verpflichtungen zu verhängenden Maßnahmen und über die Auslegung des § 18 der Anlage II zu Teil VIII des Vertrags von Versailles, der anläßlich der Ruhrbesetzung tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Alliierten veranlaßt hatte. Die Aufgabe des französischen Standpunkts bedeutete für Frankreich einen Verzicht auf angebliche Rechte und damit eine Änderung des Vertrags von Versailles, die nur im Wege der Vereinbarung der Alliierten unter sich erfolgen konnte. Da aber die im DawesBericht vorgesehene Anleihe von dem Vertrauen der Anleihegläubiger in die Aufrechterhaltung des deutschen Wirtschaftslebens abhing, mußte die Vereinbarung der Alliierten über etwaige Sanktionen nach Ansicht der Juristenkommission der deutschen Regierung in einer Weise notifiziert werden, daß sie in den Verhandlungen mit den Bankiers davon Gebrauch machen konnte. Der Dawes-Plan bildet eine Einheit und deshalb schlug die Juristenkommission die Zusammenfassung der genannten drei auf der Konferenz abzuschließenden Vereinbarungen in der Art vor, daß sie einer Schlußakte oder einem Protokoll als Anlage beigefügt werden. Am 2. VIII. trafen sich die Delegationen der Alliierten in der vierten Plenarsitzung der Konferenz und beschlossen die Einsetzung eines aus Juristen bestehenden „General Drafting Committee". Der Bericht der ersten Kommission wurde angenommen, derjenige der Dritten gab Anlaß zu Auseinandersetzungen, die vor allem die Frage der „measures of hostile discrimination or of hostile obstruction" Deutschlands bei Sach-

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lieferungen u n d die Behandlung v o n „con- schen Jahreszahlungen auch an „die assocerted financial m a n œ u v r e s " Deutschlands, ziierte M a c h t " , d. h. an die Vereinigten ζ. Β. diskontpolitische M a ß n a h m e n , im Sinne S t a a t e n gerichtet werde (s. u n t e n S. 96). der Anlage 6 des Abschnitts V I I I des Dawes- D u r c h besondere Note der interalliierten R e p o r t b e t r a f e n . Nach entsprechenden Ab- Konferenz vom 9. V I I I . 1924 wurde die ermächtigt, auch ä n d e r u n g e n w u r d e sodann auch der Bericht Reparationskommission alle nicht in Teil V I I I des Vertrags von Verder d r i t t e n Kommission a n g e n o m m e n . In der Plenarsitzung vom 5. V I I I . 1924 sailles vorgesehenen Zahlungen im Sinne des in die Jahreszahlungen erschien zum erstenmal die deutsche Dele- Dawes-Report g a t i o n . Der englische Ministerpräsident er- Deutschlands einzubeziehen. klärte, daß es die Absicht der Alliierten sei, A m 16. V I I I . hielten die Alliierten u n t e r ihre Vereinbarungen der deutschen Dele- sich die siebente Plenarsitzung ab, auf der g a t i o n zur K e n n t n i s vorzulegen u n d , soweit der Bericht des aus deutschen, belgischen die Z u s t i m m u n g der deutschen Regierung u n d französischen J u r i s t e n bestehenden notwendig sei, Verhandlungen mit der deut- Ausschusses über die Amnestie in den beschen Delegation zu pflegen. Zu diesem setzten Gebieten genehmigt, die Regelung Zweck überreichte er ihr das englisch- der Sachlieferungen mitgeteilt (die deutsche französische M e m o r a n d u m vom 9. VII. Delegation erklärte sich bereit, die Londoner 1924, die endgültigen Berichte der drei Vereinbarungen über Sachlieferungen nach interalliierten Konferenzausschüsse u n d die Ablauf der Verpflichtung zu solchen gemäß Berichte des interalliierten und des er- Versailler Vertrag als Teil des Dawesweiterten interalliierten Juristenausschusses. R e p o r t zu behandeln) und die Beteiligung Die deutsche Delegation p r ü f t e den Inhalt der kleinen S t a a t e n an den vom Dawesu n d richtete ein M e m o r a n d u m (s. den Wort- R e p o r t vorgesehenen Komitees im Sinne l a u t in Miscellaneous No. 17 1924 a. a. O. einer beratenden Teilnahme in besonderen S. 199ff.) an die Konferenz, in dem sie gegen ii Fällen in Aussicht genommen wurden. einzelne P u n k t e der interalliierten Verein- P o r t u g a l verlangte seine Beteiligung beim b a r u n g e n Stellung n a h m . T r a n s f e r - K o m i t e e wie f r ü h e r bei der RepaAuf den Hinweis Mac A m 12. V I I I . 1924 t r a t die Plenarsitzung rationskommission. der Alliierten wieder zusammen. Dem § 22 Donalds, daß man den Dawes-Plan in dieser der Anlage II zu Teil V I I I des Vertrags von Hinsicht nicht ä n d e r n könne, wurde betont, Versailles war eine b e s t i m m t e Auslegung d a ß die Konferenz einen Ausschuß von gegeben worden, die von der deutschen 6 Mitgliedern, der im Dawes-Plan nicht vorDelegation nicht f ü r die Z u k u n f t a n e r k a n n t gesehen war, eingerichtet habe. wurde, obwohl sie den Vorschlag f ü r den A m A b e n d des 16. V I I I . f a n d die a c h t e k o n k r e t e n Fall a n n a h m (s. den W o r t l a u t des u n d letzte Plenarsitzung s t a t t , a n der die Vorschlags, a. a. O. S. 148ff.). Ferner sollte deutsche Delegation t e i l n a h m . Die Wiederbei B e s t i m m u n g eines „ f l a g r a n t d e f a u l t " die einsetzung der deutschen B e a m t e n bildete Größe der Nichterfüllung („largeness of the den ersten P u n k t der Tagesordnung. Die d e f a u l t " ) u n d besonders der Vorsatz Deutsch- Regierungen Deutschlands, Frankreichs u n d lands („wilfulness of G e r m a n y " ) in B e t r a c h t Belgiens waren zu einer Einigung über die gezogen werden. Bei dieser Gelegenheit M a ß n a h m e n zur A u f h e b u n g der Ausweisungsstellte Herriot fest, daß es nach Ansicht der v e r f ü g u n g e n gekommen. Das A b k o m m e n Alliierten auf „ t h e v o l u n t a r y character of zwischen der deutschen Regierung und der t h e d e f a u l t " a n k o m m e . D a s I n k r a f t t r e t e n Reparationskommission wurde angenommen. der Terminvorschriften wurde u m 10 Tage Inzwischen war auch eine Verständigung ü b e r f r ü h e r angesetzt. die Lieferung v o n chemischen P r o d u k t e n Die Beteiligung des amerikanischen Mit- erzielt. Nach A n n a h m e der Schlußakte der glieds bei der Feststellung einer Nichterfüllung Konferenz und den abschließenden Reden der d u r c h die Reparationskommission u m f a ß t , f ü h r e n d e n S t a a t s m ä n n e r wurde die KonMac Donald erklärte auf einen deutschen, von den Alliierten an- ferenz geschlossen. genommenen Vorschlag hin, das Teilnahme- u. a . : „ W e are now offering the first really u n d Mitstimmrecht in allen Angelegenheiten negotiated agreement since the w a r ; every des D a w e s - R e p o r t . Da dieser sämtliche p a r t y here represented is morally bound t o Verpflichtungen Deutschlands (nicht n u r die- do its best t o carry it out. because it is not jenigen aus Teil V I I I des Vertrags von Ver- t h e result of an u l t i m a t u m ; we have tried sailles) also auch die Besetzungskosten ent- t o meet each other as f a r as t h e public opinion h ä l t , b e a n t r a g t e der amerikanische Bot- of the various countries would allow us. s c h a f t e r in London, daß die E i n l a d u n g an die This agreement m a y be regarded as t h e alliierten Finanzminister zur s p ä t e m Be- first Peace T r e a t y , because we sign it with r a t u n g des Verteilungsmodus f ü r die deut- a feeling t h a t we have t u r n e d our backs on

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the terrible years of war and war mentality." Und ferner: „ I should like to impress upon the German people if I might, t h a t as the result of this Conference we have created a system of arbitration, of examination, of revision, which will enable both them and us to observe the working of the Dawes plan; to watch projects that may be doubtful in their effects, and to come together in a sincere desire to rectify mistakes so soon as those mistakes are discovered. In other words, the time of national isolation is ended and t h a t of exchange of views and reasonable dealing with experience has begun." . . . „Our work, however, is only beginning." . . . ,,We must now go on step by step with our work of peace-making and of restoration". In seiner Schlußrede stellte der englische Ministerpräsident fest, daß durch Notenwechsel zwischen Deutschland, Frankreich und Belgien die Räumung des Ruhrgebiets auf spätestens 12 Monate nach dem Abschluß der Konferenz vereinbart worden sei und gewisse Gebietsteile unverzüglich geräumt werden sollten. Ein Ergebnis der Londoner Konferenz war das „ A b k o m m e n z w i s c h e n der deutschen R e g i e r u n g und der Rep a r a t i o n s k o m m i s s i o n " (RGBl. 1924 II, S. 294ff.), die neben ihren Rechten aus dem Vertrag von Versailles auch die ihr von der Konferenz übertragenen Vollmachten hinsichtlich aller im Dawes-Plan vorgesehenen Zahlungsverpflichtungen ausübte. Die deutsche Regierung verpflichtete sich, die zur Durchführung des Dawes-Plans notwendigen Gesetze in der von der Reparationskommission genehmigten Form zu erlassen, ihre Ausführung sicherzustellen und die Vorschriften über die Kontrolle der verpfändeten Staatseinkünfte zu beobachten. Die Reparationskommission übernahm die Pflicht, die äußere Anleihe Deutschlands zu erleichtern und alle Maßnahmen zur wirksamen und dauernden Ausführung des Dawes-Plans zu treffen. Meinungsverschiedenheiten zwischen der deutschen Regierung und der Reparationskommission über die Auslegung dieser Vereinbarung und ihrer Anlagen oder des DawesPlans und der zu seiner Ausführung erlassenen deutschen Gesetze werden durch das von der Londoner Konferenz beschlossene gerichtliche Verfahren erledigt, soweit nicht im Dawes-Plan oder den deutschen Gesetzen selbst schon schiedsrichterliche Entscheidungen in bestimmten Fällen vorgesehen sind. In der Anlage zu der Vereinbarung werden die Zahlungen aus dem deutschen Haushalt und das Verfahren zur Festsetzung zusätzlicher Zahlungen im einzelnen bestimmt. Ein Komitee, das aus je zwei von der deutschen

Regierung und der Reparationskommission ernannten Mitgliedern besteht, hat die Methode der Errechnung des Index u. dgl. anzuordnen. Können sich die Mitglieder nicht einigen, so hat die Finanzabteilung des Völkerbunds einen Obmann zu ernennen, der weder Angehöriger Deutschlands noch eines in der Reparationskommission vertretenen Landes sein darf, falls die deutsche Regierung einen dahingehenden Antrag stellt. Als Sicherheit f ü r diese Leistung und als Zusatzsicherheit zu der Haftung der deutschen Regierung im Sinn des Statuts der deutschen Reichsbahngesellschaft und des Gesetzes über die Industriebelastung verpfändet die deutsche Regierung die bereits erwähnten Staatseinkünfte. Die Aufsicht über diese Einkünfte wird in der Anlage näher geregelt. In dem beratenden Ausschuß, der dem Kommissar beigegeben wird, sind die Vereinigten Staaten von Amerika, England, Frankreich, Italien und Belgien mit je einem Delegierten vertreten. In den Jahren 1924/25 und 1925/26 hat der Kommissar die auf sein Konto bei der Reichsbank von den zehn größten Zollkassen, den Oberfinanzkassen und der Branntweinmonopolverwaltung eingezahlten Summen sofort wieder der deutschen Regierung zur Verfügung zu stellen. Vom dritten J a h r ab hält er von den monatlich eingehenden Zahlungen die Summe zurück, die zur Deckung eines Zehntels der fälligen, aus dem Reichshaushalt zu leistenden Annuitäten notwendig ist, und überweist monatlich ein Zwölftel der jeweils fälligen jährlichen Haushaltsverpflichtungen an den Agenten f ü r Reparationszahlungen. Den Rest verwendet er zur Ansammlung eines bestmöglich anzulegenden Reservefonds, der unter gewissen Voraussetzungen zur Deckung der jeweiligen Fehlbeträge der kontrollierten Einnahmen dienen soll. Der Kommissar hat Anspruch auf monatlich bescheinigte Zusammenstellungen über den Lauf jeder der verpfändeten Einnahmen, auf Einsicht in die Unterlagen der Reichsrechnungsstelle, auf Mitteilung der Gesetzentwürfe und Verordnungen über die verpfändeten Einkünfte zu gleicher Zeit wie der Reichsrat und auf Zustellung der Runderlasse über diese Einkünfte gleichzeitig mit den Landesfinanzämtern. Der Kommissar und die Unterkommissare stehen in dauernder Fühlung mit dem Reichsfinanzministerium, haben Zutritt beim Minister, dem zuständigen Staatssekretär, dem zuständigen Abteilungsleiter und den übrigen in Frage kommenden Beamten. Der Kommissar hat Anspruch auf alle Auskünfte mit Unterlagen, die er für nötig hält, und auf Einsicht in Bücher und Belege. Unter be-

Versailler Frieden (Reparationen) stimmt bezeichneten Voraussetzungen erweitern sich die Rechte des Kommissars: er kann dem Reichsfinanzminister den schärfsten Gebrauch seiner gesetzlichen Ermächtigungen zur Erhöhung der verpfändeten Einkünfte, Aufhebung von Erleichterungen und Vergünstigungen vorschlagen und, außer bei den Zöllen, Einspruch gegen Tarifermäßigungen, Strafmilderungen u. dgl. erheben. Er kann Maßnahmen zur Feststellung der Ursachen des Rückgangs der Einnahmen treffen, gegebenenfalls die Erweiterung der Zahl der großen unmittelbar abliefernden Zollkassen über zehn hinaus verlangen. Unter gewissen näher bezeichneten Umständen verpflichtet sich die deutsche Regierung, vorübergehend andere indirekte Steuern in gleicher Weise zu verpfänden. Gehen die Einnahmen aus diesen neu verpfändeten Abgaben und den frühern so weit zurück, daß nicht einmal drei Zehntel der fälligen Annuitäten gedeckt sind, so kann der Kommissar im Einverständnis mit dem Agenten f ü r Reparationszahlungen Maßnahmen zur Steigerung der Erträge und, falls dies nichts nützt, eine Änderung der Organisation des betreffenden Abgabenzweigs, ζ. B. getrennte, vom Staat unabhängige Verwaltung fordern, wenn der f ü r den Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommissar und Reichsregierung durch den Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zu ernennende Schiedsrichter eine solche Maßnahme für notwendig und geeignet erklärt hat. (Im übrigen sind die Rechte des Kommissars, soweit der Dawes-Bericht sie abgegrenzt hat, oben S. 86/87 erwähnt worden.) Das zweite Ergebnis der Londoner Konferenz war das „ A b k o m m e n z w i s c h e n den Alliierten R e g i e r u n g e n u n d der d e u t s c h e n Regierung über das Abk o m m e n zwischen der d e u t s c h e n Reg i e r u n g und der Reparationskomm i s s i o n vom 9. VIII. 1924" (RGBl. 1924 II, S. 308ff.). Darin wird das im vorigen Abkommen erwähnte schiedsrichterliche Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Reparationskommission und der deutschen Regierung über die Auslegung des Abkommens sowie des Dawes-Plans und der deutschen Ausführungsgesetze näher bestimmt. Drei Schiedsrichter, von denen der eine durch die deutsche Regierung, der zweite durch die Reparationskommission und der dritte (Vorsitzende) durch Vereinbarung der deutschen Regierung mit der Reparationskommission oder mangels einer solchen Vereinbarung durch den Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs ernannt werden soll, entscheiden im Rahmen der Verfahrensvorschriften der Haager Kon-

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vention vom 18. X. 1907 über die friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten. Die deutsche Regierung erkennt ferner in dem Abkommen ausdrücklich die freie, lediglich durch den Dawes-Plan begrenzte Verfügungsberechtigung des Übertragungskomitees über die ihm zugehenden Mittel zur Zahlung von Sach- und Dienstleistungen „auf gewöhnlicher geschäftlicher Grundlage" („on customary commercial conditions") an. Sie erkennt weiter an, daß die von der Reparationskommission nach Beratung mit dem Übertragungskomitee oder von der im Fall von Meinungsverschiedenheiten endgültig entscheidenden, aus drei unabhängigen und unparteiischen Schiedsrichtern bestehenden „Schiedskommission" (deren Vorsitzender ein Amerikaner sein muß und die von der deutschen Regierung und der einstimmig beschließenden Reparationskommission oder mangels Einigung vom Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs ernannt wird) aufgestellten Sachlieferungsprogramme hinsichtlich der Art der Gegenstände den Grenzen des Versailler Vertrags nicht unterworfen sind. Auf die deutschen Produktionsmöglichkeiten, die deutsche Rohstoffversorgung und die innerdeutschen Bedürfnisse muß bei Aufstellung der Programme Rücksicht genommen und die Grenzen des Dawes-Plans müssen innegehalten werden. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, die Durchführung der Sachlieferungsprogramme zu erleichtern und keine Maßnahmen zu dulden, welche Lieferungen „unter gewöhnlichen geschäftlichen Bedingungen" („under ordinary commercial conditions") unmöglich machen. Nimmt eine alliierte Regierung an, daß „Maßnahmen absichtlicher Diskriminierung oder absichtlicher Obstruktion" („measures of wilful discrimination or wilful obstruction") seitens der deutschen Regierung oder deutscher Staatsangehöriger geschäftliche Lieferungsverträge verhindert haben, so kann die erwähnte Schiedskommission zur Feststellung angerufen werden. Bestätigt das Ergebnis der Untersuchung jene Annahme, so hat die Kommission die deutsche Regierung zur Sicherstellung der Lieferung bestimmter Mengen zu bestimmten Bedingungen aufzufordern. Dieses Verfahren findet auf Kohle, Koks, Braunkohlenbriketts, synthetische Stickstofferzeugnisse und die in § 5 der Anlage VI zu Teil V I I I des Vertrags von Versailles aufgeführten Erzeugnisse Anwendung, mit Ausnahme der pharmazeutischen Spezialprodukte eines einzelnen Konzerns. Im Einverständnis mit der deutschen Regierung wird aus drei alliierten, die von der Reparationskommission, und drei deut-

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sehen Mitgliedern, die von der deutschen Regierung ernannt werden, ein Sonderausschuß gebildet zur Festsetzung des Verfahrens f ü r die Erteilung von Aufträgen und die Aufstellung von Bedingungen zur Ausführung von Sachlieferungen, die Prüfung der besten Mittel zur Ermöglichung von geschäftlichen Lieferungsverträgen, zur Beschränkung der Lieferungen auf die der deutschen Wirtschaft nicht schädlichen im Sinne des Dawes-Gutachtens und Verweisung von Streitigkeiten an die Schiedsrichter. Meinungsverschiedenheiten zwischen der deutschen Regierung und dem Übertragungskomitee über die Aufnahme gewisser Arten von Gegenständen in die Liste oder über die Änderung der Liste, den Umfang einer in die Liste aufgenommenen Warengruppe oder über die Maßnahmen zur Vermeidung nur vorübergehender Investierungen sollen auf Antrag der Parteien einem von beiden gewählten oder mangels Einigung vom Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs ernannten Schiedsrichter zur Entscheidung darüber unterbreitet werden, ob ein Anspruch oder eine Einwendung begründet ist oder nicht. Dabei soll die Pflicht der deutschen Regierung zu Höchstleistungen an die Alliierten, aber auch ihr Recht, die Kontrolle über die eigene innere Wirtschaft aufrechtzuerhalten („maintaining its control of its own internal economy"), berücksichtigt werden. Das Übertragungskomitee darf Markbeträge f ü r Ankäufe im Sinne der Anlage 6, VI, des Dawes-Report nur übertragen, wenn die angesammelten Summen den Betrag übersteigen, den die Emissionsbank in Form von kurzfristigen Depositen annehmen will. Im Fall der Stimmengleichheit bei der Entscheidung des Übertragungskomitees über die Frage, ob verabredete Finanzmanöver Deutschlands vorliegen, soll ein Finanzsachverständiger von den Mitgliedern des Komitees gemeinsam als Schiedsrichter gewählt oder mangels Einigung vom Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs bestimmt werden. In allen andern Fällen entscheidet die Stimme des Vorsitzenden des Komitees. Erreicht die zur Verfügung des Agenten für Reparationszahlungen angesammelte Summe 5 Milliarden Goldmark oder einen vom Übertragungskomitee festgesetzten niedrigem Betrag und entscheidet die Mehrheit des Übertragungskomitees, daß verabredete finanzielle Manöver nicht vorliegen, Gegenmaßnahmen also nicht ergriffen werden sollen, so kann die Minderheit des Komitees ein Schiedsgericht anrufen, das aus drei vom Komitee einstimmig gewählten oder mangels Einstimmigkeit vom Präsidenten des Ständigen Internationalen

Gerichtshofs bestimmten Finanzsachverständigen besteht. Der Vorsitzende des Schiedsgerichts muß Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Ergeben sich bei der Durchführung des Dawes-Report technische Mängel, die ohne Verletzung der wesentlichen Grundsätze des Plans vermieden werden können, so wird ein Komitee zur Untersuchung, Begutachtung und Berichterstattung an die Reparationskommission gebildet. Es besteht aus dem Generalagenten f ü r Reparationszahlungen, dem Treuhänder oder den Treuhändern f ü r Eisenbahn- und Industrieobligationen, dem Eisenbahnkommissar, dem Bankkommissar und dem Kommissar für die verpfändeten Einnahmen. Über das Gutachten dieses Komitees soll die Reparationskommission einstimmig entscheiden und ihren Beschluß der deutschen Regierung zur Annahme vorlegen. Falls diese zustimmt, sind die vorgeschlagenen Maßnahmen sofort durchzuführen. Kommt ein einstimmiger Beschluß der Reparationskommission nicht zustande oder nimmt die deutsche Regierung eine einstimmige Entscheidung nicht an, so kann jede der Parteien ein endgültig entscheidendes Komitee anrufen, das aus drei von der Reparationskommission einstimmig und gemeinsam mit der deutschen Regierung oder mangels Einigung vom Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs ernannten Sachverständigen besteht. Fragen, die ausschließlich in den Zuständigkeitskreis des Übertragungskomitees gehören oder sich auf die Verwendung der auf Konto des Generalagenten f ü r Reparationszahlungen überwiesenen Summen beziehen, können nicht Gegenstand des Verfahrens sein. In einem d r i t t e n A b k o m m e n der Londoner Konferenz, das die A l l i i e r t e n m i t D e u t s c h l a n d abschlossen, wurde der Beginn der Ausführung des Dawes-Plans mit Ausnahme der von den Alliierten zu bewirkenden Maßnahmen auf den Zeitpunkt festgesetzt, in dem die Reparationskommission erklärt, daß die von ihr im Beschluß vom 15. VII. 1924 (s. oben S. 88) angegebenen Maßnahmen durchgeführt seien. Die fiskalische und wirtschaftliche Einheit Deutschlands gilt als wiederhergestellt, wenn 1. alle seit 11. I. 1923 der deutschen fiskalischen und wirtschaftlichen Gesetzgebung auferlegten Beschränkungen beseitigt; 2. die deutschen Behörden in ihre vollen Befugnisse hinsichtlich der Zollund Steuerverwaltung, des Außenhandels, der Forstwirtschaft, der Eisenbahnen (unter Sonderbedingungen) und ganz allgemein hinsichtlich aller andern Zweige der wirtschaftlichen und fiskalischen Verwaltung („in

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Streitigkeiten, die zwischen alliierten Kaufleuten und deutschen Behörden infolge des Wechsels des Regimes entstanden sind, werden durch deutsch-alliierte Schiedskommissionen erledigt. Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und den alliierten Regierungen über das Abkommen sind, wenn sie nicht durch Verhandlungen geschlichtet werden können, dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten. Das v i e r t e A b k o m m e n der Londoner Konferenz ist eine Vereinbarung z w i s c h e n d e n a l l i i e r t e n R e g i e r u n g e n , in der sie auf Grund des § 22 der Anlage II zu Teil V I I I (Reparationen) des Vertrags von Versailles dieser Anlage folgende grundlegende Änderungen einfügten: „§ 2 a . Wenn die Reparationskommission über eine Frage bezüglich des Berichts zu befinden hat, der der Reparationskommission a m 9. April 1924 von dem von ihr am I 3 0 . November 1923 ernannten ersten SachDie Vereinbarung regelt sodann die Ter- I verständigenausschuß vorgelegt worden ist, mine für die Durchführung der einzelnen ι wird ein in der nachstehend bezeichneten nach dem Dawes-Report und den Londoner ι Weise ernannter Bürger der Vereinigten Abmachungen vorgeschriebenen Maßnahmen, j S t a a t e n von Amerika in der gleichen Weise trifft Sonderbestimmungen für eine „Über- ¡ an den Beratungen teilnehmen und a b gangsperiode", die zwischen eine erste Fest- stimmen, als wenn er auf Grund des Parastellung der Reparationskommission über die ! graphen 2 dieser Anlage ernannt worden Verkündung der deutschen Ausführungs- ! wäre. gesetze und den Beginn der Tätigkeit des j Dieser amerikanische Bürger wird innerAgenten für Reparationszahlungen und eine j halb von dreißig Tagen nach Annahme der zweite über die Ausführung der übrigen Maß- I gegenwärtigen Ergänzung durch einstimnahmen im Sinne der Entscheidung der ( migen Beschluß der Reparationskommission Reparationskommission vom 15. V I I . 1924 ί ernannt werden. gelegt worden ist. Auch die Ratenzahlungen Falls die Reparationskommission nicht zu Deutschlands für diese Zeit wurden u. a. ge- einer einstimmigen Entscheidung kommt, regelt. Belgien und Frankreich verpflichteten wird die Ernennung dem amtierenden Präsisich, nach der ersten Feststellung die E r - denten des Ständigen Internationalen Gehebung von Abgaben an der Zollgrenze richtshofs im Haag anvertraut werden. zwischen dem besetzten und dem unbesetzten Die Ernennung erfolgt für fünf J a h r e und deutschen Gebiet einzustellen und die Zoll- kann erneuert werden. Im Falle einer Vakanz grenze und die Beschränkung des Personen-, erfolgt die Ernennung des Nachfolgers in der Güter- und Wagenverkehrs aufzuheben. Die gleichen Weise. französisch-belgische Eisenbahnregie konnte Wenn die Vereinigten S t a a t e n von Amevorerst ihre eigenen Tarife weiter anwenden. rika einen Bevollmächtigten zu ihrer amtNach der zweiten Feststellung waren die lichen Vertretung in der Reparationskomgesamten Eisenbahnstrecken auf schnellstem mission ernennen, hört die Vollmacht des Wege der neuen Reichsbahngesellschaft zu nach den vorstehenden Bestimmungen erübertragen. nannten amerikanischen Bürgers auf, auch E s wurde ferner eine Amnestie auf beiden wird auf Grund der Bestimmungen dieses Seiten für Delikte vereinbart, die zwischen Paragraphen keine neue Ernennung vorgedem 11. I. 1923 und dem Inkrafttreten des nommen, solange die Vereinigten Staaten Abkommens in den besetzten Gebieten aus- amtlich vertreten sind. schließlich oder überwiegend aus politischen § 16a. E s ist Sache der ReparationskomGründen begangen worden sind. Urteile und mission, über jeden Antrag auf Feststellung Strafen wegen solcher T a t e n wurden auf- einer Nichterfüllung Deutschlands zu begehoben, geleistete Geldbußen und Geld- finden, die sich auf irgendeine der Verpflichstrafen aber nicht zurückgezahlt. Verbrechen tungen bezieht, die entweder in diesem Teile gegen das Leben, die den T o d zur Folge dieses Vertrags, wie er am 10. J a n u a r 1920 hatten, fallen nicht unter die Amnestie. in K r a f t gesetzt und in der Folge auf

general, all other branches of economic and fiscal administration", „en général, toutes les branches de l'administration fiscale et économ i q u e " ) wieder eingesetzt worden (s. ζ. Β . Coblenzer Abkommen über die Beendigung der Pfänderverwaltungen vom 20./28. χ . 1924, R G B l . 1925 I I , S. 5 4 f f . ) ; 3 . die in alliierter Regie seit dem 11. I. 1923 ausgebeuteten oder vorläufig gepachteten Bergwerke, Kokereien und andern industriellen, land- und forstwirtschaftlichen Betriebe und Schiffahrtsunternehmungen ihren Eigentümern zurückgegeben; 4. die mit ihrer Ausbeutung beauftragten Organe der Alliierten zurückgezogen und die für sie erfolgten Requisitionen aufgehoben; 5. die nicht im Rheinlandabkommen vorgesehenen Beschränkungen des Personen-, Güter- und Wagenverkehrs beseitigt; 6. die seit 11. I. 1923 erlassenen, im Rheinlandabkommen nicht begründeten Verordnungen der Alliierten „ b e r i c h t i g t " worden sind.

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Grund des Paragraphen 22 dieser Anlage ergänzt worden ist, oder in dem Plane der Sachverständigen vom 9. April 1924 vorgesehen sind. Wenn die Entscheidung der Reparationskommission, die den Antrag ablehnt oder ihm stattgibt, mit Stimmenmehrheit getroffen worden ist, kann jedes Mitglied der Reparationskommission, das an der Abstimmung teilgenommen hat, innerhalb von acht Tagen nach jener Entscheidung dagegen Berufung einlegen bei einer Schiedskommission, die sich aus drei unparteiischen und unabhängigen Personen zusammensetzt und deren Entscheidung endgültig ist. Die Mitglieder der Schiedskommission werden von der Reparationskommission durch einstimmigen Beschluß oder mangels dieser Einstimmigkeit von dem amtierenden Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes im Haag für die Dauer von fünf Jahren ernannt. Nach Ablauf des Zeitraumes von fünf Jahren oder im Falle einer Vakanz während dieses Zeitraumes wird ebenso wie bei den ersten Ernennungen verfahren. Der Vorsitzende der Schiedskommission wird ein Bürger der Vereinigten Staaten sein. § 17. Falls unter den vorstehenden Voraussetzungen eine Nichterfüllung Deutschlands festgestellt wird, wird die Reparationskommission diese Nichterfüllung jeder der beteiligten Mächte unverzüglich mitteilen und dabei gleichzeitig alle ihr angebracht erscheinenden Vorschläge hinsichtlich der wegen dieser Nichterfüllung zu treffenden Maßnahmen bezeichnen." Sanktionen auf Grund des § 18 der Anlage 11, auf den Frankreich die Ruhrbesetzung zu stützen versucht hatte, können nach dem neuen Abkommen nur beschlossen werden, wenn die Voraussetzungen der abgeänderten Vorschriften der Anlage vorliegen und eine Nichterfüllung („default") im Sinne des Abschnitts III, Teil I des Dawes-Report festgestellt worden ist. In einem solchen Fall „werden die Regierungen der Signatarstaaten im Bewußtsein ihrer gemeinsamen Verantwortlichkeit f ü r ihre eigenen Interessen und f ü r die Interessen der Privatpersonen, die zum Zwecke der Ingangsetzung des Planes Geldmittel vorgeschossen haben, unverzüglich miteinander ins Benehmen treten, um die Art der anzuwendenden Sanktionen zu bestimmen und um sie so durchzuführen, daß sie schnell und wirksam sind". Dem Dienst der Anleihe von 800 Millionen Goldmark steht unbedingte Priorität hinsichtlich aller, auch der etwa durch Sanktionen erschlossenen Einnahmequellen Deutschlands zu. Streitigkeiten der alliierten Regierungen über dieses Abkommen, die nicht im Ver-

handlungsweg erledigt werden können, sind dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten. Alle Rechte der alliierten Regierungen aus dem Vertrag von Versailles und dem Dawes-Report bleiben unberührt, soweit nicht die Vorschriften des Londoner Abkommens ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Die Abkommen wurden am 30. VIII. 1924 in London unterzeichnet, und gleichzeitig wurden die d e u t s c h e n A u s f ü h r u n g s g e s e t z e zum Dawes-Plan und den Londoner Vereinbarungen erlassen. (S. Bankgesetz, Privatnotenbankgesetz, Gesetz über die Liquidierung des Umlaufs von Rentenbankscheinen, Münzgesetz, Industriebelastungsgesetz, Aufbringungsgesetz, Reichsbahngesetz, Reichsbahn-Personalgesetz, Gesetz über die Londoner Konferenz, Verordnungen über das Inkrafttreten der Gesetze zur Durchführung des Sachverständigengutachtens, — alle vom 30. VIII. 1924, RGBl. 1924 II, S. 235—358.) Am 14. I. 1925 kam zu Paris eine Einigung der Regierungen Englands, Frankreichs, Italiens, Japans, der Vereinigten Staaten von Amerika, Belgiens, Brasiliens, Griechenlands, Polens, Portugals, Rumäniens, des Serbisch-Kroatisch-Slowenischen Staats und der Tschechoslowakischen Republik über die V e r t e i l u n g d e r D a w e s A n n u i t ä t e n zustande. (Misc. No. 4 [1925]. Agreement between the Governments of Great Britain, Belgium, France, Italy, Japan, the United States of America, Brazil, Greece, Poland, Portugal, Roumania, the Serb-CroatSlovene State and Czechoslovakia regarding the Distribution of the Dawes Annuities, signed at Paris, J a n u a r y 14,1925, Cmd. 2339, London 1925.) [Es ist verfrüht, schon im ersten J a h r die Durchführung und Auswirkung der Londoner Abkommen im einzelnen darzustellen. — Der theoretische Teil dieses Artikels findet sich im zweiten Teil der Abhandlung „Staatsschuldenverwaltung, internationale" im Anhang dieses Bandes.] Grundsätzlich im Januar 1925 abgeschlossen. Literatur: Q u e l l e n : Die Berichte der von der Reparationskommission eingesetzten beiden Sachverständigenkomitees vom 9. IV. 1924, Nr. 2 , Berlin 1924 (amtliche Ausgabe in deutscher, englischer und franzosischer Sprache). — Miscellaneous No. 10 (1924): Correspondence concerning the Conference which is proposed to be hold in London on July 16, 1924, to consider the Measures necessary to bring the Dawes Plan into Operation, Cmd. 2184, London 1924. — Miscellaneous No. 12 (1924): FrancoBritish Memorandum of July 9, 1924,

Versailler Frieden (Reparationen) concerning t h e Application of t h e Dawes Scheme, Cmd. 2191, London 1924. — Miscellaneous No. 17 (1924): Proceedings of t h e London R e p a r a t i o n Conference, J u l y and A u g u s t 1924, Cmd. 2270, London 1924 (englischer u n d französischer a m t licher W o r t l a u t ) . — ,,Die Londoner Konferenz Juli-August 1924", Reichstag, 3. Wahlperiode 1924/25, Drucksache N r . 263, ausgegeben a m 14. I. 1925 (englischer und französischer W o r t l a u t u n d deutsche amtliche Übersetzung). — Anleihedenkschrift f ü r das Reich (1924), Reichstag, 3. Wahlperiode 1924/25, Nr. 709. — Miscellaneous No. 4 (1925): Agreement between the G o v e r n m e n t s of Great Brit a i n , Belgium, France, Italy, J a p a n , t h e U n i t e d S t a t e s of America, Brazil, Greece, P o l a n d , P o r t u g a l , Roumania, t h e SerbCroat-Slovene S t a t e and Czechoslovakia regarding the Distribution of t h e Dawes Annuities, signed a t Paris, J a n u a r y 14, 1925, Cmd. 2339, London 1925. — Reichsgesetzblatt 1924ff., besonders Teil II (1924) Nr. 32. — Reichsanzeiger 1924ff. — G e r m a n y , P a y m e n t of reparations under Dawes plan, report in response t o resolution, requesting copy of agreement signed by Messrs. Kellogg, Herrik and Logan relating t o Dawes plan a n d p a y m e n t of reparations b y Germany, w i t h information respecting negotiations, Febr. 3, 1925 (S. doc. 192, 68 t h e Cong. 2 d sess.). S c h r i f t e n : Soweit die obigen A u s f ü h r u n g e n n i c h t den Inhalt des Dawes-Gutachtens betreffen, stimmen sie t e i l w e i s e überein mit den entsprechenden Teilen von Held, Chronik des Völkerrechts f ü r die J a h r e 1923 und 1924, Weltwirtschaftliches Archiv X X I (1925), S. 371 * f f . — Alpha, Reparations and the Policy of Repudiation, Foreign Affairs (an American Quarterly Review) II. — Angas, G e r m a n y and h e r Debts, Political Science Quarterly X X X I X . — Arlt, Industriebelastungsgesetz u n d Aufbringungsgesetz, Deutsches Steuerblatt V I I . — Auld, T h e Reparation Problem T o d a y , Foreign Affairs (an American Q u a r t e r l y Review) II, Supplement. — Aust, Interalliierte Verschuldung und Rep a r a t i o n e n , Bankwissenschaft II. — Ball, Zweifelsfragen aus dem Industriebelastungsgesetz, Steuer-Archiv X X V I I I , 1. — Becher, Die Belastung von H a n d e l und Industrie nach den Gesetzen z u r Durchf ü h r u n g des Sachverständigen-Gutachtens, Berlin 1925. — v. Beckerath, Muß der T r a n s f e r gelingen, Wirtschaftsdienst 1925, H . 5. — Bonn, Sachverständigengutachten und Leistungsfähigkeit, I, II, W i r t s c h a f t s dienst 1924, H . 18, 19. — Boyden, T h e Dawes R e p o r t , Foreign Affairs (an American Q u a r t e r l y Review) II. — Brandt, Der A g e n t f ü r Reparationszahlungen nach dem internationalen SachverständigenG u t a c h t e n , Deutsche W i r t s c h a f t s z e i t u n g X X I . — Braun, Das finanzielle Verhältnis zwischen Reich, Ländern und Gemeinden WSrterbuch des Völkerrechts.

Bd. ΙΠ.

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Versailler Frieden (Reparationen — Reparationskommission)

of International Affairs, held under the oint Auspices of the Chicago Council on oreign Relations and the Illinois League of Women Voters, April 11 th and 12 th 1924, Chicago o. J . — Interallied Debts, The Times, Dec. 11,1924,S.7.—The Interallied Debts as a Banking Problem, The Chase Economic Bulletin IV. — Les Problèmes des Réparations et des Dettes interalliées à l'Union Interparlementaire, Extrait du compte rendu de la 21. Conférence Interparlementaire tenue à Copenhague, du 15 au 17 août 1923, Genève, Bureau Interparlementaire. — The Report of the Dawes Committee, The Chase Economic Bulletin IV. — The United States and the Dawes Annuities, International Conciliation, April 1925, No. 209. — Reparation, Part VI: The Dawes Plan in Operation, World Peace Foundation Pamphlets VIII Nos. 5—6, Boston 1925. — Siehe im übrigen besonders die Zeitschriften (und die in ihnen angezeigte Literatur): W e l t w i r t s c h a f t l i c h e s A r c h i v (Zeitschrift des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr an der Universität Kiel), Jena, und die dort laufend angezeigten Bücher u. dgl. — W i r t s c h a f t s d i e n s t , „ W e l t w i r t s c h a f t l i c h e N a c h r i c h t e n " , herausgeg. vom Hamburgischen Welt-WirtschaftsArchiv an der Universität Hamburg in Verbindung mit dem Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr an der Universität Kiel, Hamburg. — E u r o p ä i s c h e G e s p r ä c h e , Hamburger Monatshefte für Auswärtige Politik, Stuttgart und Berlin. — The American Political Science R e v i e w , Baltimore. — B u l l e t i n de l'Institut I n t e r m é d i a i r e I n t e r n a t i o n a l , La Haye. — T h e C o n t e m p o r a r y R e v i e w , London. — D e u t s c h e J u r i s t e n - Z e i t u n g , Berlin. — The E c o n o m i s t , London. — L ' E c o n o m i s t e F r a n ç a i s , Paris. ·— L ' E c o n o m i s t a , Roma. — R i v i s t a B a n c a r i a , Milano. — L ' E u r o p e N o u v e l l e , Paris. — The S t a t i s t , London. — D e r D a w e s w e g , Internationale Korrespondenz für Besprechung von wirtschaftlichen Fragen der Landwirtschaft, der Industrie, des Handels, die mit der Erfüllung des Dawesabkommens verbunden sind (in deutscher, englischer und französischer Ausgabe), I, Berlin 1925. — Ferner die Zeitschriften für Internationales Recht des In- und Auslands. Diese Literaturübersicht wird durch die unter „Kriegsentschädigungen und die Reparationen der großen Friedensverträge des Weltkriegs" sowie unter „Staatsschuldenverwaltung, internationale", in diesem Wörterbuch 1(1924), 11(1925) und III (1926) aufgeführten Quellen und Schriften ergänzt. H. J. Held.

h) Reparationskommission. (Commission des réparations, Reparation Commission.) I. I n t e r n a t i o n a l e Kommissionen spielen im V ö l k e r r e c h t seit dem 19. J a h r h . eine bedeutende Rolle. Man denke an Schifffahrtskommissionen (für Rhein, Donau, Congo (nicht in Kraft getreten), Suezkanal), die stets Verwaltung, z. T. Verordnungsrecht und Gerichtsbarkeit ausüben, Sanitätskommissionen, Kommission zur Überwachung der Finanzverwaltung einzelner Staaten (Türkei, Ägypten, Griechenland). Nur auf Tatsachenfeststellung beschränkt sind die Enquetekommissionen nach dem Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung von Streitfällen, 1899 und 1907. Der Versailler Vertrag ( = VV.) hat ein ganzes Netz internationaler Kommissionen geschaffen, die sich folgendermaßen gruppieren lassen: Ausschüsse für die Arbeit (Ständiger Verband für Arbeit, Artt. 387ff., 403, 411 ff.) ; die Prüfungs- und Ausgleichsämter (Artt. 72, 243, 296, 297 f, h), Versicherungsausschuß für die abgetretenen Gebiete (Art. 312), für Grenzfestlegung, Verwaltung und Abstimmung (Artt. 35, 83,87, 88, 95, 97, 101, 109, 111); Interalliierte Überwachungsausschüsse (Artt. 163, 203ff.); Interalliierter Hoher Ausschuß für die Rheinlande (Rheinlandabkommen); Ausschuß für die Regierung des Saarbeckengebiets (Art. 45ff.); Ausschüsse für Schiffahrt und Flüsse (Artt. 340ff., 346ff., 355ff., 364), für Grabstätten (Art. 225), für Heimschaffung von Kriegsgefangenen und Internierten (Art. 215), zur Nachforschung nach Vermieten (Art. 222), für die Kolonien (Art. 22), für Gutachten an den Völkerbundsrat (Art. 9). Der wichtigste dieser Ausschüsse ist aber der Wiedergutmachungsausschuß ( = RepKo.). II. O r g a n i s a t i o n d e r R e p K o . Diese wurzelt in Art. 233 VV. und Ani. II zu Teil VIII VV. Die hierdurch geschaffene Kommission ist dieselbe, die auch für Österreich (Art. 179 St. Germain = StG.), f ü r Ungarn (Trianon Art. 163 und Ani. II) und für Bulgarien (Art. 121 Neuilly), doch mit veränderter Mitgliedschaft, vorgesehen ist. 1. Z u s a m m e n s e t z u n g d e r R e p K o . Nach dem VV. besteht die RepKo. aus je einem Vertreter der fünf Hauptmächte (Amerika, England, Frankreich, Italien, Japan), ferner von Belgien und Jugoslawien. Für jeden Delegierten ist ein Hilfsdelegierter (délégué adjoint) zu ernennen, der, solange ein Vertretungsfall nicht gegeben, nur ein Anwesenheitsrecht hat. Da die Vereinigten Staaten den VV. nicht ratifiziert haben, so I haben sie kein Recht auf Teilnahme; doch

Versailler Frieden (Reparationskomtnission) h a b e n sie vorübergehend einen Beobachter ( o h n e S t i m m r e c h t ) e n t s a n d t , sich auch im F r V . m i t Deutschland vom 25. V I I I . 1921, A r t . II Nr. 4, ein Teilnahmerecht ausbed u n g e n . Nicht m e h r als fünf S t a a t s v e r t r e t e r d ü r f e n an Beratungen und A b s t i m m u n g e n teilnehmen, u n t e r ihnen die von (Amerika), E n g l a n d , Frankreich, Italien stets, diejenigen v o n J a p a n (obwohl H a u p t m a c h t ) und J u g o slawien n u r in s t a r k e r gegenständlicher Bes c h r ä n k u n g , der belgische stets a u ß e r da, wo die beiden letztgenannten m i t w i r k e n d ü r f e n . Alle übrigen aa. Staaten d ü r f e n nur f ü r Sachen, die ihre Interessen b e t r e f f e n , einen Beisitzer (Délégué assesseur) entsenden, d e r aber kein S t i m m r e c h t h a t . H i e r a u s folgt ein bedeutendes Übergewicht von England, F r a n k r e i c h , Italien, Belgien. F ü r Österreich, U n g a r n , Bulgarien t r i t t an Stelle des jugoslawischen Vertreters ein gemeinsamer Vert r e t e r von Griechenland, Polen, R u m ä n i e n , J u g o s l a w i e n , Tschechei.

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Mehrheitsbeschluß der stimmberechtigten Mitglieder. S t i m m e n e n t h a l t u n g gilt als A b lehnung. Dies m u ß a u c h f ü r den Fall der Abwesenheit gelten. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende (Art. 427). In gewissen Fällen ist E i n s t i m m i g k e i t nötig, z. B. f ü r gewisse Moratoriumsfälle, f ü r gänzlichen oder Teilerlaß der deutschen (österreichischen usw.) Verbindlichkeiten, f ü r F r a gen der Interpretation des Teil V I I I . Eine Interpretation wird zwar in jeder E n t scheidung zu t r e f f e n sein; hiei gilt das Erfordernis der E i n s t i m m i g k e i t nicht, vielm e h r n u r dann, wenn ein besonderer Beschluß über Interpretation einer Vorschrift des Teil V I I I g e f a ß t werden soll, oder wenn eine Entscheidung ausnahmsweise eine Beg r ü n d u n g e n t h ä l t und in dieser eine Bes t i m m u n g des Teil V I I I als streitige interpretiert wird. Nur soweit es sich u m Erlaß oder Teilerlaß der festgestellten Reparationsschuld handelt (dies ist enger als „ o b l i g a t i o n s " Die R e p K o . w ä h l t unter ihren Mitgliedern in Ani. 11 § 13 Abs. 3 a ) , m u ß die Entscheidung einen Vorsitzenden und Stellvertreter, die m i t Gründen versehen sein (Ani. II § 12 f). 4. D i e E n t s c h e i d u n g e n (décisions), die ein J a h r im A m t e bleiben und wiederwählbar s i n d . Sie ernennt das ihr nötig erscheinende ,,en conformité des pouvoirs qui lui sont Personal, dessen Bezüge sie selbstherrlich c o n f é r é s " ergehen, sind ohne R a t i f i k a t i o n , f e s t s e t z t . Sie k a n n ihre Befugnisse delegieren u n d ohne daß ein R e c h t s m i t t e l gegeben wäre, u n d Sonderausschüsse (comités) bilden, deren sofort wirksam und vollstreckbar (Ani. II Mitglieder nicht der R e p K o . selbst a n z u - § 14). Dies ist natürlich nach Maßgabe des gehören b r a u c h e n . Sonderausschüsse wurden Inhalts der jeweiligen E n t s c h e i d u n g zu verFraglich ist, in welchen Fällen ζ. B. durch das Spaaer Kohlenabkommen vom stehen. zu be16. V I I . 1920 geschaffen, sind auch als Sach- Entscheidungen als u n w i r k s a m verständigenausschüsse zur P r ü f u n g der handeln sind. deutschen Zahlungsfähigkeit zulässig. Zum a) Dies b e t r i f f t zunächst die Z u s t ä n d i g Vorsitzenden ist bisher stets der französische k e i t . Innerhalb der d u r c h den F r V . überV e r t r e t e r gewählt worden. Daraus ergibt sich tragenen „ p o u v o i r s " müssen die Entscheiein Ubergewicht Frankreichs in der R e p K o . dungen liegen. N u n h a t die R e p K o . aber Denn da diese in den meisten und f ü r Deutsch- selbst den „ p o u v o i r " , den Teil V I I I FrV. land wichtigsten Fragen nur aus von E n g l a n d , zu i n t e r p r e t i e r e n (Ani. II § 12 Abs. 2). F r a n k r e i c h , Belgien, Italien e r n a n n t e n Ver- Dies b e d e u t e t aber nicht Willkür, n i c h t Aust r e t e r n besteht (s. oben), so sind hier nur d e h n u n g ihrer Befugnisse oder der Lasten vier stimmberechtigte Mitglieder v o r h a n d e n ; Deutschlands, so wie sie in den materiellen die S t i m m e des Vorsitzenden gibt aber bei Vorschriften des Teil V I I I , besonders seiner Stimmengleichheit den Ausschlag ( A r t . 427; Ani. I, festgestellt sind, s o n d e r n nur „ I n t e r u n t e n 3). p r e t a t i o n " , d. h. soweit eine Auslegung 2. S i t z der R e p K o . ist Paris (ständiges vernünftigerweise möglich ist. W i r d diese H a u p t b ü r o ) . Doch kann sie an jedem anderen Grenze überschritten, so ist der Beschluß O r t e tagen (§ 5 der Anlage II zu Teil V I I I ) . weder f ü r die aa. Mächte, noch f ü r DeutschEine 3. B e r a t u n g u n d A b s t i m m u n g . Alle land (Österreich usw.) verbindlich. Beratungen der R e p K o . sind geheim, soweit z u t r e f f e n d e Interpretation ist z. B. erfolgt, diese nicht selbst anders beschließt (Ani. II als die bei den Gemischten Schiedsgerichts§ 8). Dies gilt n i c h t gegenüber den oben 1 höfen ( A r t . 304) streitig gewordene Frage, g e n a n n t e n Stellvertretern u n d Beisitzern, ob die von Deutschland w ä h r e n d des Krieges wohl aber gegenüber den — in der R e p K o . im okkupierten feindlichen Gebiet vorgen i c h t vertretenen — Staaten D e u t s c h l a n d , n o m m e n e n Requisitionen u n t e r Teil V I I I Österreich usw., was um so empfindlicher fallen, von der R e p K o . b e j a h t w u r d e . (Da w i r k t , als die Beschlüsse der R e p K o . , von f ü r Teil V I I I die I n t e r p r e t a t i o n der R e p K o . einer A u s n a h m e abgesehen (s. unten), einer m a ß g e b e n d ist, so ist es schon d e s h a l b ausB e g r ü n d u n g nicht b e d ü r f e n . Die A b s t i m m u n g geschlossen, die g e n a n n t e n Requisitionen (Ani. II § 13) erfolgt in der Regel d u r c h nochmals nach A r t . 297 e der Entscheidung

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erfolgen müssen, ist spätere Änderung ausgeschlossen. Im übrigen sind die von der RepKo. aufzustellenden Verfahrensgrundsätze(Anl. II § 11) maßgebend, und wird man, soweit diese schweigen, eine Abänderbar keit auf Grund neuer Tatsachen stets zulassen müssen. Eine Entscheidung über die Zahlungsfähigkeit Deutschlands ist nach dem VV. (Art. 234, Ani. II § 9) stets abänderbar. 5. Jede in der RepKo. vertretene Regierung hat das Recht des A u s s c h e i d e n s , doch muß die Erklärung mit zwölfmonatiger Kündigungsfrist der RepKo. zugehen und im Laufe des 6. Monats nach Zustellung nochmals bestätigt werden (Ani. II § 2 a. E.). Diese Formvorschrift gilt aber nur für die stimmberechtigten Mitglieder, die allein in Ani. II § 2 genannt werden, nicht für die in § 3 genannten Beisitzer. Die Wirkung des Ausscheidens ist nicht geregelt. Jedenfalls bleibt die RepKo. bestehen. Sie wird erst a u f g e l ö s t , wenn Deutschland und seine Verbündeten alle aus den FrV. und den Beschlüssen der RepKo. geschuldeten Summen getilgt haben, und wenn alle Summen oder ihr Gegenwert unter die beteiligten Mächte verteilt sind (Ani. II § 23). 6. Die mehrgenannte Ani. II kann durch einstimmigen Beschluß der in der RepKo. vertretenen Regierungen a b g e ä n d e r t Wersen (Ani. 11 § 22). Es ist zweifelhaft, ob nur die Regierungen mit stimmberechtigten Delegierten, oder auch die mit Beisitzern, oder ob sämtliche aa. Regierungen gemeint sind (unten III), und ob die Abänderungsbefugnis sich nur auf die organisatorischen, oder auch auf die materiellen Bestimmungen der Ani. II bezieht. Jedenfalls können die im FrV. (Ani. I u. II) niedergelegten materiellen Reparationspflichten ohne Zustimmung Deutschlands (Österreichs usw.) nicht erweitert werden. Hiergegen verstieß das Londoner Ultimatum vom 5. V. 1921. Vgl. unten IV 1 b ß . III. R e c h t s s t e l l u n g u n d B e d e u t u n g . Die RepKo. ist ein gemeinsames Organ aller aa. Mächte, nicht nur derjenigen, die Vertreter in die RepKo. entsenden (Ani. II § 12 Abs. 2), aber nicht etwa auch ein Organ der besiegten Staaten. Sie vertritt einheitlich die Siegerstaaten gegenüber Deutschland und, nur in veränderter Zusammensetzung (oben II 1), auch gegenüber Österreich, Ungarn, Bulgarien. Diese haben nur ein Recht auf Gehör (Ani. II § § 9 , 10). Sie ist an keine Gesetzgebung, an kein besonderes Verfahren gebunden, interpretiert den von der Reparation handelnden Teil V I I I authentisch c) Wieweit die RepKo. ihre Entscheidungen (oben II 4 a ) und hat bezüglich dieses Teils a b ä n d e r n kann, ist zweifelhaft. Soweit die weitgehendsten Überwachungs- und Ausdiese nach den FrV. innerhalb einer Frist führungsbefugnisse (Ani. II § 12 Abs. 2).

der Gemischten Schiedsgerichte zu unterstellen.) Zutreffend waren auch die über den Umfang der nach Teil V i l i Ani. I zu ersetzenden Schäden in den Beschlüssen der RepKo. vom 4. und 25. I I I . und 3. IV. 1921 getroffenen Entscheidungen: Ausschluß der H a f t u n g f ü r indirekten Schaden, f ü r Gebrauchsentziehung und entgangenen Gewinn. b) Die Machtstellung der RepKo. ist durch den F r V . b e g r e n z t . Zwar ist sie nach Ani. II § I I a n keine bestimmte Gesetzgebung, an keine besonderen Verfahrensvorschriften geb u n d e n ; dies schließt aber Bindung an die materiellen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen des FrV. nicht aus, und im unmittelbaren Anschluß an jene Vorschrift heißt es: „sie läßt sich von der G e r e c h t i g k e i t , der B i l l i g k e i t und T r e u u n d G l a u b e n leiten". Nach § 10 hat sie der deutschen (österreichischen usw.) Regierung nach Billigkeit Gehör zu gewähren. Bei der souveränen Machtstellung, die die FrV. der RepKo. im übrigen zuweisen (unten III), m u ß diesen wenigen Schranken eine Bedeutung zukommen. Versagung des rechtlichen Gehörs einer Partei ist immer ein Nichtigkeitsgrund ; Treu und Glauben haben auch in Staatsverträgen, zu denen die Friedensverträge gehören, ihre Geltung und müssen selbst die einzig in der Geschichte dastehenden Friedensverträge, die den Weltkrieg beendeten, beherrschen: etiam hosti fides servanda. Freilich greift auch bezüglich der Frage, ob diese Grundsätze im Einzelfall beobachtet sind, das Interpretationsrecht der RepKo. ein. Wo aber überhaupt kein Gehör gewährt, oder wo sich ergibt, daß Treu und Glauben und Billigkeit nicht Leitmotiv waren, ist der Entscheidung die Anerkennung zu versagen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn eine Entscheidung die „Billigkeit" einseitig im Interesse der aa. Mächte suchte, nicht auch in dem Deutschlands, das nach den Sätzen „in dubio m i t i u s " u n d : Verträge sind im Zweifel zuungunsten ihres Redaktors auszulegen, in erster Linie zu beachten ist; wenn z. B. aus dem unmoralischen Zwang zur Anerkennung der moralischen Alleinverantwortlichkeit Deutschlands für den Krieg (Art. 231) eine über den Rahmen des Art. 232 Abs. 1, 2 und Ani. I dazu hinausgehende H a f t u n g des Reichs (oder gar seiner Angehörigen) hergeleitet würde. Andererseits werden Verstöße gegen die von der RepKo. nach Ani. 11 § 11 aufzustellenden Verfahrensgrundsätze (besonders über das Beweisverfahren), zu einer Anfechtung der Entscheidung nicht führen können.

Versailler Frieden (Reparationskommission) Ausgerüstet mit ungeahnter Machtvollkommenheit, hält die RepKo. das wirtschaftliche Schicksal Deutschlands, Österreichs usw. in der Hand. Indem dies Organ nicht nur zu prüfen, festzustellen, abzuschätzen, sondern auch zu befehlen und in erster und letzter Instanz zu entscheiden hat, ist es im wahrsten Sinne Richter in eigener Sache (also kein Schiedsgericht), Diktator des deutschen Volkslebens, Herr der Ernährung und Industrie. Vergebens hat die Note der deutschen Priedensdelegation vom 25. V. 1919 hierauf hingewiesen. Die Antwort der aa. Mächte vom 16. VI. 1919 enthielt lediglich Beschwichtigungen. Deutscherseits war vorgeschlagen, der RepKo. eine deutsche Kommission gegenüberzustellen und Streitpunkte zwischen beiden durch ein Gemischtes Schiedsgericht mit neutralem Obmann entscheiden zu lassen. Auch dies wurde abgelehnt, weil die Sieger Objektivität scheuten. Doch fand der Gedanke einer deutschen Gegenkommission Anklang: Durch VO. vom 31. VII. 1919, RGBl. S. 1363), wurde die deutsche „Kriegslastenkommission" gebildet, die das Reich gegenüber der RepKo. vertritt, aber nicht als gleichberechtigtes Organ, nur zur Vereinfachung des Verkehrs zwischen RepKo. und Reich. In Österreich vollzieht sich dieser Verkehr durch einen der österreichischen Sektion der RepKo. (Art. 179 Abs. 1 und Ani. II § 3 dazu StG.) beigegebenen österreichischen Kommissar ohne Stimmrecht. In Bulgarien tritt eine besondere „Interalliierte Kommission" dazwischen, bei der Bulgarien sich durch einen Kommissar ohne Stimmrecht vertreten lassen kann (Neuilly Artt. 121, 130, 131 und Ani.). Wenn auch die RepKo. die Gesamtheit der aa. Mächte vertritt, so ist es doch naheliegend, daß das einzelne Mitglied in erster Linie für die Interessen seiner Regierung eintritt. Da es sich um kein Schiedsgericht handelt, können die Mitglieder Instruktionen erhalten, an die sie gebunden sind (StG., Ani. II § 12b). In einem Sonderfall (Saargruben) hat die RepKo. sich nach den Weisungen des Völkerbunds zu richten ('§ 36 Abs. 3 Ani. nach Art. 50 VV.). Jedes Mitglied kann daher auch von seiner Regierung abberufen werden (Ani. II § 4), was bezüglich der Gemischten Schiedsgerichtshöfe nicht vorgesehen ist (Art. 304 Ani. § 1), und jedes Mitglied ist für seine Handlungen und Unterlassungen nur seiner eigenen Regierung verantwortlich; keine aa. Regierung haftet für eine andere (Ani. II § 21). Es werden auch da, wo im FrV. von den „ i n der Kommission vertretenen Regierungen" gesprochen wird (Ani. II § 22; Art. 234), nur die Regierungen gemeint sein, die einen Delegierten zur

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RepKo. entsendet haben. Andererseits ist an mehreren Stellen der FrV., wo von den aa. Mächten die Rede ist, an die RepKo. als deren Gesamtorgan gedacht, so in Teil V i l i Ani. IV §§ 1, 4, wohl auch in Art. 248 Abs. 2 (Art. 197 Abs. 2 StG.) und in Art. 251 a. E. Konflikte aus dieser Doppelstellung der Mitglieder als verantwortlicher Vertreter ihrer Regierungen und als unverantwortlicher Vertreter der Gesamtheit der aa. Mächte sind unausbleiblich, z. B. in ihrer Tätigkeit bei Verteilung der Beute (Ani. II § 12 Abs. 2, § 15). Die Mitglieder der RepKo. und ihre „agents autorisés" genießen in Deutschland und Österreich d i p l o m a t i s c h e V o r r e c h t e (Art. 240 Abs. 3 VV.; Art. 186 Abs. 1 StG.). Hierher gehören auch die in Ani. II § 7 genannten Beamten, Agenten, Angestellte, comités, aber, nach diplomatischem Recht, auch die Familienangehörigen und ausländischen Bediensteten der genannten Personen. Den Umfang ihres Personals sowie dessen Bezüge setzt die RepKo. selbstherrlich fest (Ani. II § 7). Diese Bezüge und alle Kosten der RepKo. haben Deutschland, Österreich und Ungarn zu tragen (Art. 240 Abs. 4 VV., Art. 186 Abs. 2 StG. und Trianon; nicht auch Bulgarien, das nur die Kosten der Interalliierten Kommission (siehe oben) t r ä g t : Neuilly Art. 121 und Ani. nach Art. 131). Eine Verteilung der Last zwischen den drei Schuldnerstaaten ist nicht vorgesehen; es wird Gesamtschuldverhältnis anzunehmen sein. V o l l s t r e c k u n g s m a c h t (Exekutive) steht der RepKo. nicht zu. Sie hat nur gemäß Ani. II § 17, falls Deutschland (Österreich, Ungarn) seine in Teil V I I I umschriebenen Reparationspflichten nicht erfüllt, an die beteiligten aa. Regierungen zu berichten und Vorschläge hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen zu machen. Bei „vorsätzlicher" Nichterfüllung kann die Gesamtheit der aa. Regierungen (nicht einzelne von ihnen!) die in Ani. II § 18 vorgesehenen berüchtigten Sanktionen ergreifen. Ferner hat eine Feststellung der RepKf ·, daß Deutschland sich „weigere", seine Reparationspflichten aus Teil V I I I zu erfüllen, und nur in diesem Falle, die aus Art. 430 ersichtliche Folge der Besetzung deutschen Gebiets. Hieraus folgt, daß die auf Anlage II § 18 gestützte Ruhrbesetzung ein Rechtsbruch war, was außer Deutschland auch England anerkannt hat (s. Ruhreinmarsch). IV. W i r k u n g s b e r e i c h . Trotzdem das Statut der RepKo. in Ani. II zu Teil V I I I sich findet, greifen deren Zuständigkeiten über die Regelung der in Teil VIII behandelten Reparation hinaus. So ist die RepKo. zu-

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s t ä n d i g , von der Generalhypothek der aa. Mächte an den deutschen (österreichischen) S t a a t s e i n k ü n f t e n und von dem (zeitlich bes c h r ä n k t e n ) G o l d a u s f u h r v e r b o t Ausnahmen zu bewilligen (Art. 248 VV., A r t . 197 StG.). Sie selbst, nicht die aa. Mächte, wird auch zuständig sein zur Regelung des Vorrechts f ü r die deutsche Lebensmittel- und Rohstoffversorgung nach Art. 251 VV. (Art. 200 StG.). 1. D i e R e p a r a t i o n (Teil V I I I VV., StG., T r i a n o n ; Teil V I I Neuilly). Diese bezweckt nach dem G r u n d s a t z des A r t . 232 Abs. 2 ( A r t . 178 Abs. 2 S t G . ; der A r t . 231 VV. h a t keine rechtliche, nur moralische Bedeutung) E r s a t z aller d u r c h den Krieg und während desselben den a a . Zivilpersonen, in beschränkten Grenzen auch a a . S t a a t s e i g e n t u m , direkt zugefügten Schäden. Diese werden in einer Globalsumme b e r e c h n e t ; die Leistungen des Schuldners t a a t s werden auf sog. R e p a r a t i o n s k o n t o gutgeschrieben. Daneben k e n n t Teil V I I I noch eine besondere Rücklieferung (restit u t i o n ) nach dem S a t z e : Auge um Auge, Zahn um Zahn ( A r t . 238) und sog. besondere Lieferungen, die zum Teil über die Reparation hinausgehen ( A r t . 232 Abs. 3 ; A r t t . 245 bis 247). F ü r diese G e s a m t r e p a r a t i o n gilt das in Ani. II § 12 vorgesehene Überwachungsund A u s f ü h r u n g s r e c h t der R e p K o . , das Recht a u t h e n t i s c h e r Interpretation (oben II 4 a ) und die Pflicht der deutschen Regierung zu Ausk ü n f t e n an die R e p K o . über Finanzlage und Finanzgeschäfte, Güter, P r o d u k t i o n s k r ä f t e , Vorräte u n d laufende Erzeugnisse von Rohs t o f f e n und gewerblichen Erzeugnissen des Reichs und seiner Angehörigen ( A r t . 240 VV., A r t . 186 StG.). Doch darf die R e p K o . nicht Verrat von Fabrikgeheimnissen u n d anderen vertraulichen Mitteilungen verlangen (Schlußp r o t . VV. N r . 4 ; S t G . Nr. 2 ; Antwortnote der a a . Mächte vom 16. VI. 1919). Vgl. auch § 13 der Ani. nach A r t . 297, 298 V V . : Ausk u n f t s p f l i c h t zugunsten der beteiligten aa. Macht. Das Recht der P r ü f u n g des deutschen Steuersystems (Ani. II § 12b) ist kein Interventionsrecht, kann nicht die Vorschrift bes t i m m t e r Steuergesetze r e c h t f e r t i g e n . Auf die Bedenken der deutschen Friedensdelegation (Note vom 29. V. 1919) erging die zynische A n t w o r t der a a . M ä c h t e : Die deutsche Delegation , , n ' a pas compris que l ' e x a m e n d u système fiscal allemand auquel la Commission devra procéder a pour effet de protéger le peuple allemand au même t i t r e que les peuples alliés". a) Reparationssumme, Zahlung, Zahlungsfähigkeit. Die H a u p t a u f g a b e der R e p K o . war die Feststellung der Höhe der von Deutschland (Österreich usw.) nach Teil V I I I zu ersetzenden S c h ä d e n (Repara-

tionssumme). Diese sollte spätestens bis zum 1. V. 1921 der deutschen Regierung b e k a n n t gegeben w e r d e n , , c o m m e r e p r é s e n t a n t lê t o t a l de ses obligations" ( A r t . 233; ähnlich f ü r Österreich und U n g a r n ; die Höhe der E r s a t z pflicht Bulgariens wurde in A r t . 121 Neuilly endgültig festgesetzt). Bis zur gleichen Zeit h a t t e die R e p K o . einen Zahlungsplan a u f z u stellen. Sie k a n n fällige Schuldteile s t u n d e n , die Form der Zahlung ändern u n d m u ß periodisch die Zahlungsfähigkeit Deutschlands nachprüfen ( A r t . 234; natürlich u n t e r Berücksichtigung der sonstigen und K u l t u r pflichten des S c h u l d n e r s t a a t s ; vgl. Sèvres A r t . 236), m u ß auch in angemessenen Fristen alle von Deutschland zur Frage seiner Zahlungsfähigkeit angebotenen Beweise erheben (Ani. II § 9). Doch darf sie ohne E r m ä c h t i g u n g der in ihr vertretenen Regierungen keine Zahlung ganz erlassen ( A r t t . 233, 234). Die R e p a r a t i o n s s u m m e wurde von der RepKo. a m 27. IV. 1921 auf 132 Milliarden Goldmark festgesetzt. Einen Zahlungsplan h a t sie a m 5. V. 1921 aufgestellt; er sah A n n u i t ä t e n vor, bestehend aus einem festen Teile von 2 Milliarden Goldmark u n d einem variablen Teil. Hiernach war grundsätzlich in b a r zu zahlen; darauf waren die Sachlieferungen (Ani. I I I — V I zu Teil V I I I ) a n z u rechnen. Am 21. I I I . 1922 bewilligte die R e p K o . ein Teilmoratorium f ü r 1922, insofern sie die Leistungen f ü r 1922 auf 720 Millionen Goldmark bar und 1450 Mill. Goldmark Sachleistungen herabsetzte. Wegen angeblicher „vorsätzlicher V e r f e h l u n g " (Ani. II § 18) an der letzten Monatssachleistung erfolgte am 11. I. 1923 die R u h r b e s e t z u n g . Schon vor Festsetzung des ersten Zahlungsplans h a t t e die R e p K o . zu regeln: die in Art. 235 vorgeschriebene Vorleistung von 20 Milliarden Goldmark in Geld oder Sachwerten u n d die Aushändigung von Schatzscheinen (Ani. II § 12c). b) S a c h l e i s t u n g e n a u f R e p a r a t i o n s konto. W ä h r e n d die R e p K o . im übrigen souverän b e s t i m m t , wieweit die Vorleistung von 20 Milliarden Goldmark (s. oben) u n d die nach dem Zahlungsplan zu leistenden A n n u i t ä t e n bar oder in Sachwerten a b z u gelten sind, sehen die Anlagen I I I — V I I zu Teil V I I I deutsche Sachlieferungen zur Abgeltung der Reparationsschuld v o r : α ) Die sog. P f l i c h t l i e f e r u n g e n (Ani. I I I , V, VI). Nach Ani. I I I h a t t e Deutschland See- und Binnenschiffe auszuliefern. Die Auslieferung der Schiffe und der nötigen Begleitu r k u n d e n h a t t e an die R e p K o . zu erfolgen, der nähere Vorschriften vorbehalten waren. Ihre Zuständigkeit konkurrierte aber hinsichtlich der A b t r e t u n g von Flußfahrzeugen m i t derjenigen eines von den Vereinigten

Versailler Frieden (Reparationskommission) Staaten zu ernennenden Schiedsrichters (Ani. III § 6 Abs. 2, 3). Nach Ani. V haben Frankreich, Belgien, Italien und Luxemburg ein Recht auf Lieferung von Kohlen, Frankreich auch auf Kohlennebenprodukte. Die Anforderungen und die Einzelheiten hat die RepKo. zu bestimmen. Die Durchführung dieser Anforderungen hat große Schwierigkeiten gemacht. Nach Ani. VI hat die RepKo. ein Bezugsrecht (option) auf Farbstoffe und chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse innerhalb einer Höchstgrenze. Im übrigen werden Menge, Art und Einzelheiten von der RepKo. bestimmt, die hinsichtlich der Bewertung an die Vorschriften in § 3 Ani. VI gebunden ist. Die Durchführung ist jetzt durch besondere Vereinbarungen geregelt. β) D i e f r e i w i l l i g e n L i e f e r u n g e n (Ani. II § 19). Neben den Pflichtlieferungen kann die RepKo. jederzeit freiwillige Sachlieferungen der deutschen Regierung in Anrechnung auf die Reparationsschuld entgegennehmen; ihren Gegenwert hat sie ,,gerecht und loyal" festzusetzen. Eine Verpflichtung Deutschlands wird hierdurch nicht begründet. Durch das Londoner Ultimatum vom 5. V. 1921, das Deutschland anzunehmen gezwungen wurde, ist jedoch dem § 19 der Ani. II ein zweiter Absatz hinzugefügt, der von der RepKo. in ihren gleichzeitig aufgestellten Zahlungsplan (oben a) aufgenommen wurde. Danach hat Deutschland, vorbehaltlich der Zustimmung der RepKo., das Material zu beschaffen und die Arbeit zu leisten, die eine der aa. Mächte zum Zwecke der Wiederherstellung der zerstörten Gebiete dieser Macht oder zur wirtschaftlichen Entwicklung einer der aa. Mächte anfordert. Der Wert soll durch je einen von Deutschland und der beteiligten Macht ernannten Schätzer oder, mangels einer Vereinbarung, durch einen von der RepKo. ernannten Schiedsrichter bestimmt werden. Die Anforderungen von Arbeitsleistung und von Leistungen zur wirtschaftlichen Entwicklung gehen über den FrV. hinaus und sind durch Ani. II § 22, auf den das Ultimatum sich bezog, nicht zu rechtfertigen (s. oben 116). Von der Anforderung von Arbeitsleistungen ist bisher kein Gebrauch gemacht. Die RepKo., deren Zustimmung zu den Anforderungen erforderlich ist, wird die Notwendigkeiten des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland loyal zu berücksichtigen haben. Die Feststellung des Werts durch einen Schiedsrichter ist ein Fortschritt gegenüber der sonst der RepKo. anvertrauten eigenen Wertfestsetzung. Soweit es sich um Lieferungen zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete handelt, stellt die neue Vorschrift eine Erweiterung der unter γ zu behandelnden Lieferungen dar.

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γ) Die Wiederaufbaulieferungen (Ani. IV). Es handelt sich um Lieferungen von Tieren, Maschinen und anderen Stoffen, deren Zweckbestimmung der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete ist. Die Anforderungen der aa. Mächte mußten listenmäßig innerhalb bestimmter Frist erfolgen. Dies ist im Jahre 1920 geschehen; weitere Lieferungen aus Ani. IV. können nicht verlangt werden. Der Umfang ist im FrV. nicht bestimmt, abgesehen von bestimmten Mengen von Tieren an Frankreich und Belgien als Abschlagslieferungen auf die listenmäßige Anforderung. Alles Weitere ist der RepKo. überlassen, die hierdurch eine souveräne Stellung erlangt hat. Sie hatte nach Eingang der Listen der deutschen Regierung Gehör zu gewähren und sodann zu prüfen, inwieweit die in den Listen aufgeführten Tiere und Stoffe von Deutschland gefordert werden können. Dabei mußte die RepKo. den Notwendigkeiten des sozialen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland Rechnung tragen. Sie hat auch den Gegenwert, der Deutschland gutgeschrieben ist, endgültig festzusetzen; dabei war der „normale W e r t " anzusetzen (Ani. IV § 5 Abs. 2), eine Vorschrift, die von der RepKo. als unverbindlich behandelt worden ist. Die aa. Mächte sind verpflichtet, die von der RepKo. als geeignet bezeichneten Tiere und Stoffe anzunehmen. Über die Tierlieferungen an Frankreich und Belgien sind später besondere Abkommen getroffen worden. Diese Listenanforderung und der Durchgang durch die RepKo. erwiesen sich als zu schwerfällig; andererseits ging das deutsche Interesse dahin, möglichst die Barzahlungen des Londoner Zahlungsplans (oben a) in Sachleistungen umzuwandeln. Dies führte im Verhältnis zu F r a n k r e i c h zu dem W i e s b a d e n e r A b k o m m e n vom 6. X. 1921 (abgeschlossen von R a t h e n a u und L o u c h e u r , RGBl. 1922 Teil II S. 625). Es t r a t im Verhältnis zu Frankreich an Stelle der vorgenannten Ani. IV und der Londoner Zusatzverpflichtung zu § 19 Ani. II, soweit diese sich auf die zerstörten französischen Gebiete bezieht (oben ß). Das Abkommen betrifft Lieferungen (nicht Arbeitsleistung) zu Wiederaufbauzwecken. Diese Lieferungen sollten sich lediglich zwischen privaten Organisationen in Form typischer Privatlieferungsverträge vollziehen. Zur Bildung dieser Organisationen ist es wegen des RuppelGillet-Abkommens (s. unten) nicht gekommen. Auf Grund des letztgenannten Abkommens, § 5, trat an Stelle der deutschen Organisation der Reichskommissar zur Aufführung von Aufbauarbeiten in den zerstörten Gebieten (VO. vom 8. XI. 1919,

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ROBI. S. 1895; jetzige Amtsbezeichnung: Reichskommissar für Reparationslieferungen, Vdg. vom 13. IX. 1923, RGBl. Teil I S. 893). Die RepKo. wurde in diesem Lieferungsverfahren gänzlich ausgeschaltet. Sie wirkt im Rahmen dieser Abkommen auch bei der Preisfestsetzung nicht m i t ; nötigenfalls entscheidet hier eine besondere Schiedskommission. Die RepKo. ist auch im Antrage auf Sanktionen nach Ani. II §§ 17, 18 beschränkt, da die Repressalienklausel des § 18 f ü r den Bereich des Wiesbadener Abkommens fast ganz außer Anwendung gesetzt ist. Dieses Verfahren war, weil in die friedensvertraglichen Rechte der RepKo. eingreifend, ohne deren Genehmigung nicht möglich. Nach Anhörung der in ihr vertretenen Mächte hat die RepKo. das Abkommen grundsätzlich, doch unter Beschränkung auf die Jahre 1922—1924 und unter gewissen Bedingungen hinsichtlich der Gutschrift, genehmigt. Im Februar 1922 trat die RepKo. auf Anregung Belgiens an die deutsche Regierung mit dem Wunsche heran, den gebundenen, zwischen den Regierungen durch Vermittlung der RepKo. sich vollziehenden Sachlieferungsverkehr durch den freien Verkehr zwischen deutschen und aa. Staatsangehörigen zu ersetzen. Das Ergebnis war das Cuntze - Bemelmans-Abkommen vom 2, VI. 1922 (RGBl. 1922 Teil II S. 638), abgeschlossen zwischen der RepKo. und der deutschen Regierung. Es enthält ein bindendes Angebot Deutschlands zugunsten der durch die RepKo. vertretenen reparationsberechtigten aa. Mächte. Die Annahme des Angebots erfolgt durch Erklärungen der einzelnen Regierungen an die RepKo. Dieses Verfahren t r i t t im Verhältnis zu der aa. Regierung, die es annimmt (geschehen von Belgien, Portugal, Tschechei) an Stelle des Listenverfahrens aus Ani. IV (s. oben), doch mit Ausnahme gewisser Warengattungen. Es ist jedoch nicht auf Wiederaufbaulieferungen beschränkt. Die Zuständigkeit der RepKo. ist hier folgende: Jeder einzelne Privatlieferungsvertrag bedarf der Genehmigung der RepKo. Diese Genehmigung ist zunächst eine vorläufige und wird nach 14 Tagen endgültig, wenn nicht inzwischen ein auf bestimmte, in Art. IX des Abkommens vorgesehene Gründe gestützter Versagungsantrag seitens der beteiligten Regierungen bei der RepKo. eingeht. Im Falle solchen Antrags entscheidet die RepKo. endgültig und nach Anhörung der beteiligten Regierungen. Die RepKo. entscheidet ferner über jede Schwierigkeit, die bei der Ausführung des Abkommens zwischen den aa. Regierungen, die das Ver-

fahren angenommen haben, oder zwischen einer oder mehreren von ihnen und der deutschen Regierung entsteht. Im Gegensatz zum Wiesbadener Abkommen, das die RepKo. gänzlich ausschaltet, bleibt sie also hier, wie nach dem FrV., die höchste entscheidende Instanz. Inzwischen war mit F r a n k r e i c h , das zunächst an das Wiesbadener Abkommen gebunden blieb, im gleichen Sinne verhandelt worden, was zum Ruppel-Gillet-Abk o m m e n vom 15. III. 1922, R G ß l . 1922 Teil II S. 657) führte und am 3. VI. 1922 durch ein Zusatzabkommen ergänzt wurde. Diese Abkommen sind von der Rep'Ko. unverändert genehmigt worden. Sie ersetzen den organisierten Verkehr, wie er im Wiesbadener Abkommen vorgesehen war, durch den freien Verkehr nach dem Cuntze-Bemelmans-Abkommen, doch nur im Rahmen des alten Abkommens, d. h. nur für französische Wiederaufbauzwecke, was durch Einzelheiten des Abkommens sichergestellt ist. Die Rechtsstellung der RepKo. ist im übrigen dieselbe wie nach dem C.-B.-Abkommen. c) Die R ü c k l i e f e r u n g e n (Art. 238 VV.). Diese sind nach Art. 243, Schlußabs., nicht auf Reparationskonto gutgeschrieben. Doch auch hier ist die RepKo. zuständig; sie hat das Verfahren zu regeln. Es handelt sich um Naturalrestitution der aus den im Kriege von Deutschland besetzten Gebieten fortgeschafften Gegenstände. Das an sich unverständliche Verbot der Gutschrift auf Reparationskonto ist durch Beschluß der RepKo. vom 27. IV. 1921 dahin ausgelegt worden, daß in die Reparationssumme (oben a) der Wert dieser Rücklieferungen einzurechnen gewesen sei, was auch geschehen sei! (Wie diese Feststellung tatsächlich möglich war, bleibt unverständlich.) Die zur Durchführung des Art. 238 erlassene deutsche VO. vom 6. IV. 1921, RGBl. S. 478, erging im Einverständnis mit der RepKo.; diese hat sich dadurch auch mit der Auslegung des Art. 238, wie er sich aus der Verordnung ergibt, einverstanden erklärt. Darüber hinaus h a t sie aber auch, trotz Regelung dieser Materie im Waffenstillstandsabkommen, rollendes Eisenbahnmaterial f ü r restitutionspflichtig erklärt. Zuständig ist nach der deutschen VO. vom 3. I. 1920 (RGBl. S. 15) jetzt die dem Wiederaufbauministerium nachgeordnete Reichsrücklieferungskommission (aufgelöst durch VO. vom 30. VI. 1923, RGBl. Teil I S. 615), auf der Gegenseite das der RepKo. unterstellte „Office de la Commission des Réparations à Wiesbaden" mit angegliederten Dienststellen der einzelnen aa. Staaten. Das in Art. 238 vorgesehene Verfahren ist von der RepKo. in mehreren

Versailler Frieden (Reparationskommission) umfangreichen Protokollen festgelegt und der Kriegslastenkommission als verbindlich notifiziert worden. Trotzdem die RepKo. nach Art.238 nur die Befugnis hat, das „Verfahren" zu regeln, hat sie auch in das materielle Recht eingegriffen, ζ. B. durch Erstreckung der Reparationspflicht auf Gegenstände, die bei neutralen Eigentümern beschlagnahmt worden waren, ferner durchdieim Widerspruchzu Art. 238 stehende Vorschrift guten Gebrauchszustandes der rückzuliefernden Gegenstände und der Ersatzpflicht für nicht mehr feststellbare Sachen. Falls restitutionspflichtiges Material durch inzwischen eingetretene Verarbeitung oder Veränderung eine Werterhöhung erfahren hat, mußte insoweit Gutschrift auf Reparationskonto erfolgen. Die RepKo. hat sich hier souveränes Ermessen vorbehalten (Spezialprot. C, Anh. 1). Zur Ablösung dieses langwierigen und kostspieligen Verfahrens sind deutscherseits mit den restitutionsberechtigten aa. Mächtcn zahlreiche S u b s t i t u t i o n s a b k o m m e n abgeschlossen worden (Lieferung von Ersatzgegenständen an Stelle der seinerzeit beschlagnahmten), eine Möglichkeit, die teils fakultativ, teils obligatorisch, von der RepKo. durch Art. 9 ihres Generalprot. A schon vorgesehen war. Die bisher abgeschlossenen Substitutionsabkommen haben die nach Art. 238 erforderliche Genehmigung der RepKo. gefunden. Über Rücklieferungen vgl. auch unten e. Ferner Artt. 131, 223, wo aber die RepKo. nicht zuständig ist. d) Die in Ani. VII zu Teil V I I I aufgeführten deutschen U n t e r s e e k a b e l sind abzutreten. „Soweit sie Privateigentum sind", hat die RepKo. ihren Wert zu berechnen und Deutschland auf Reparationskonto gutzuschreiben (auch Art. 233 Abs. 1). Tatsächlich sind aber alle in Ani. VII· aufgeführte Kabel Privateigentum, so daß die Frage, wie es mit der Gutschrift des Wertes reichseigener Kabel stehen würde, nicht aufgeworfen zu werden braucht. Reichseigene Kabel sind im FrV. nur in Art. 156 erwähnt und hiernach ohne Gutschrift an Japan abgetreten. e) D i e B e s o n d e r e n L e i s t u n g e n . Nach Art. 232 Abs. 3 hat die RepKo. die durch Deutschland zu erstattenden Anleihen Belgiens bei den Alliierten festzustellen, die von Deutschland auf seine Ersatzpflicht auszustellenden Schatzscheine der Form nach festzusetzen und f ü r Belgien in Empfang zu nehmen. Nach Artt. 245—247 haben Naturalrestitutionen (wie die oben c genannten Rücklieferungen, übrigens auch die in § 6 Abs. 1 Ani. III erwähnten Binnenschiffe) zu erfolgen: Rückgabe von Kriegstrophäen an Frankreich; Rückgabe des (überhaupt nicht

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vorhandenen) Korans des Kalifen Osman und des Sultanschädels aus Afrika; Wiederherstellung der Bestände der Löwener Bibliothek; Lieferung von Kunstwerken an Belgien. Die Zuständigkeit für die Regelung dieser Lieferungen ist nur z. T. ausdrücklich vorgesehen (Art. 247). Aus der systematischen Stellung folgt aber die Notwendigkeit der Gutschrift auf Reparationskonto und damit die Tätigkeit der RepKo. Letztere hat jedoch entschieden, daß nur für die nach Löwen zu liefernden Bücher Gutschrift zu erfolgen habe. f) G u t s c h r i f t e n a u ß e r h a l b d e s T e i l s V I I I . Auch außerhalb des Teils V111 kommt, im Zusammenhang mit erdrückenden Vorschriften der Beraubung Deutschlands, Gutschrift des Gegenwerts auf Reparationskonto und die Mitwirkung der RepKo. in Frage: Nach §§ 5, 37 der Ani. hinter Art. 50 hat die RepKo. den Wert der an den französischen Staat abgetretenen, im Saargebiet belegenen Kohlenfelder festzusetzen und Deutschland auf Reparationskonto gutzuschreiben. Soweit später das Saargebiet in die deutsche Verwaltung zurückfällt, hat Deutschland die Saargruben von Frankreich zurückzukaufen. Der Rückkaufspreis wird zwar nicht durch die RepKo., sondern durch Sachverständige festgesetzt; doch hat die RepKo. die Zahlungsa r t zu regeln und, mangels Zahlung, die Sache anderweit, z. B. durch Liquidation der Gruben, zu ordnen. — Nach Art. 145 sind die deutschen Aktien an der Marokkanischen Staatsbank abzutreten; die RepKo. stellt den Wert fest, ist Zahlungsempfängerin und schreibt den Wert auf Reparationskonto gut. — Nach Art. 156 Abs. 2 gehen deutsche Eisenbahnen, Bergwerke usw. auf J a p a n über. Soweit aus diesem Anlaß Deutschland seine Angehörigen zu entschädigen hat, werden diese Beträge durch die RepKo. dem deutschen Reparationskonto gutgeschrieben (Schlußprot. Nr. 2). — Nach Art. 250 ist das auf Grund des Waffenstillstandsvertrages und seiner Nachträge ausgelieferte nichtmilitärische Material, 'Eisenbahnwagen usw., auf Reparationskonto gutzuschreiben. Die RepKo. schätzt die Werte ab und entscheidet darüber, ob es sich um militärisches Material handelt oder nicht. — Nach Art. 256, Art. 92 Abs. 3 (Art. 208 Abs. 4 StG.) hat die RepKo. den Wert des in den abgetretenen Gebieten belegenen und auf die Zessionarstaaten übergegangenen deutschen Staatsguts abzuschätzen, vom Zessionarstaat den Gegenwert in Empfang zu nehmen und auf Reparationskonto gutzuschreiben. — Nach Art. 260 (Art. 211 StG.) konnte die RepKo. fordern, daß das Reich (Österreich) gewisse deutsche (österreichische) Anteilsrechte in Österreich usw. (Deutschland usw.) erwirbt und auf die

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Versailler Frieden (Reparationskommission — Die Schleswig-Bestimmungen)

RepKo. überträgt. Vorher war eine entsprechende Aufstellung der R e p K o . zu überm i t t e l n . Den W e r t h a t sie festzusetzen und gutzuschreiben. — Zweifelhaft ist die Zus t ä n d i g k e i t der R e p K o . aus A r t t . 259, 261. Die A u s a n t w o r t u n g der hier genannten S u m m e n h a t wohl n i c h t an die R e p K o . zu erfolgen. Aber G u t s c h r i f t auf Reparationsk o n t o (Art. 2 4 3 b ) w i r d durch sie zu erfolgen haben (so ausdrücklich A r t . 213 Abs. 2 StG.). Ähnlich liegt es bei A r t . 3 3 9 : U m f a n g und W e r t des hiernach auszuliefernden Schiffsm a t e r i a l s ist durch einen Schiedsrichter festz u s e t z e n ; die R e p K o . h a t aber f ü r G u t s c h r i f t des Gegenwerts zu sorgen (ähnlich Teil V I I I Ani. I I I § 6 Abs. 3). Nur auf R e p a r a t i o n s k o n t o gutzuschreiben, n i c h t n a c h z u p r ü f e n , h a t die R e p K o . schließlich ( A r t . 243): jeden deutschen Aktivsaldo im Ausgleichsverfahren ( A r t t . 72, 74, 296) u n d , außer in den Neuen S t a a t e n , wo unm i t t e l b a r e Auszahlung an den Eigentümer durch die liquidierende Regierung zu erfolgen h a t (Art. 297 h Abs. 2; Art. 92 Abs. 4) jeden Erlös aus der Liquidation deutschen E i g e n t u m s sowie deutsche Barguthaben ( A r t t . 297h, 243a). Schließlich h a t sie Generalvollmacht, den W e r t j e d e s nach dem F r V . a b z u t r e t e n d e n deutschen Rechts, abgesehen von den Rücklieferungen nach A r t . 238, auf die deutsche Reparationsschuld g u t z u s c h r e i b e n : A r t . 243c. 2. S o n s t i g e r W i r k u n g s k r e i s . Dieser zerfällt in drei G r u p p e n : a) E i n z e l h e i t e n : Die nach A r t . 124, 125 an F r a n k r e i c h zu ersetzenden KolonialVorkriegsschäden und rückzugebenden Kolonialwerte bedürfen hinsichtlich ihrer Berechnung der Genehmigung der R e p K o . E i n e Gutschrift und sonstige Mitwirkung der R e p K o . ist nicht vorgesehen. Vgl. ferner A r t t . 248, 251 Abs. 2, oben vor 1. b) D i e V e r t e i l u n g der aus den deutschen Reparationsleistungen gewonnenen Beute u n t e r die aa. Mächte. Über Verteilung und Schlüsselbildung vgl. A r t . 237. (Ein Teilungsschlüssel ist im S p a - A b k o m m e n vom Juli 1920 vorgesehen.) Die Zuständigkeit der R e p K o . ergibt sich aus Teil V i l i Ani. II § 12 Abs. 2. Die Verteilung des Wertes nach A r t . 237 h a t auch bei solchen Sachleistungen zu erfolgen, die nicht an alle der aa. Mächte gehen, wie z. B. die Kabel (Ani. V I I ; eine Teilung dieser Beute ist anscheinend noch n i c h t erfolgt) und die Leistungen aus A r t t . 245—247. c) D i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g Deutschlands (Österreichs) m i t den Neuen S t a a t e n als Zessionarstaaten. Nach A r t t . 254, 255 haben letztere einen entsprechenden Teil der deutschen Reichs- und Staatsschulden zu

ü b e r n e h m e r . Die R e p K o . h a t die Berechnungsgrundlagen nach Vorschrift in A r t . 254 Ziff. 1 aufzustellen, die Anteile festzusetzen u n d die A r t der A u s f ü h r u n g zu b e s t i m m e n . Die R e p K o . h a t ferner über die in A r t . 255 Ziff. 2—3, A r t . 92 Abs. 2 vorgesehenen Ausn a h m e n von der S c h u l d e n ü b e r n a h m e zu entscheiden. Wegen Bewertung der zu übern e h m e n d e n S t a a t s g ü t e r vgl. A r t . 256, A r t . 92 Abs. 3, oben 1 f. Bezüglich der Neuen S t a a t e n h a t die R e p K o . ferner f ü r das Ausgleichsverfahren den U m r e c h n u n g s k u r s festzustellen (Art. 296d). In gewissem Sinne gehört hierher a u c h der oben bei l f e r w ä h n t e A r t . 260, insofern die R e p K o . die Vernichtung des deutschen Einflusses in den Ländern seiner f r ü h e r e n Verbündeten, insbesondere in den Neuen S t a a t e n , in der H a n d h a t . — Ähnliche und weit eingehendere Vorschriften gelten f ü r das Verhältnis Österreichs bzw. Ungarns zu seinen Sukzessionsstaaten ( A r t t . 2 0 3 f f . S t G . , A r t t . 186ff. Trianon). Hier ist auch f ü r alle aus der Gebietszerstückelung sich ergebenden finanziellen Streitfragen die Z u s t ä n d i g k e i t der R e p K o . zur E r n e n n u n g von Schiedsrichtern vorgesehen ( A r t . 215 S t G . , Art. 198 Trianon). F ü r die Sanierung Österreichs h a t die R e p K o . viel g e t a n ; andererseits h a t sie das L a n d in die größte Abhängigkeit g e b r a c h t u n d besonders in ihrer Note vom 21. V. 1920 sich E i n m i s c h u n g s rechte a n g e m a ß t , die weit über die Grenzen des F r V . von St. Germain hinausgingen. Literatur : Cuntze-Ruppel, Die Reparationssachleistungen, 1922. — Gelbhaar, Die R e s t i t u t i o n (Art. 238 FrV.), 1922 u n d in Deutsche WirtschZtg. 1923, S. 613ff. — Hatschek, Völkerrecht, 1923 S. 371—374. — Helfferich, Die Politik der Erfüllung, 1922. — Jemolo in der Rivista di Diritto internazionale Bd. 12 (1919) p. 433ff. — J. M. Keynes, Revision des Friedensvertrags, 1922. — Reichert, R a t h e n a u s R e p a r a t i o n s politik, 1922. — Strispwer, Die . R e p a rationskommission in Österreich, Österr. Zeitschr. f. Öff. Recht, 1921, S. 255ff. Scholz. i) Die Schleswig-Bestimmungen. I. E n t s t e h u n g . Das Wilsonprogramm enthielt nichts, was sich ausdrücklich auf die s. (schleswigsche) Frage bezog. Bei den Vorv e r h a n d l u n g e n war in der deutschen Note vom 12. X. 1918 die Bedingung der a m e r i k a nischen Note vom 8. X . a n g e n o m m e n worden, d a ß das Wilsonprogramm nicht Grundlage der Friedensdiskussion, sondern die Friedensbedingung selber sein sollte. N a c h dem Abschluß des Vorvertrages vom 5. II. 1918 k o n n t e daher die S.-Frage r e c h t m ä ß i g nicht

Versailler Frieden