Worte der Profeten in neuer Übertragung und mit Erläuterungen [Reprint 2021 ed.] 9783112421260


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Worte der Profeten in neuer Übertragung und mit Erläuterungen [Reprint 2021 ed.]
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WORTE DER PROFETEN in neuer U e b e r t r a g u n g undmit Erläuterungen

von

JOHANNES HEMPEI

A L F R E D T Ö P E L M A N N / B E R L I N W 35 1949

Druck: Heinrich Soltau, Buchdruckerei und Verlagsanstalt (23) Norden (Ostfr.) Einbandzeichnung Karl Helmut Wagner

FIDELIBUS

INHALTSVERZEICHNIS Erstes Buch: DER RAHMEN S. 5—82 I. Der geschichtliche Rahmen 1. Die außenpolitischen Geschehnisse 2. Die innenpolitischen Geschehnisse A) Die wirtschaftliche Entwicklung B) Die religiöse Entwicklung 3. Die Grundzüge der Profetie A) Die Seher und die Verzückten B) Die Einzelnen und ihre Jünger 4. Die zeitliche Entwicklung II. Der literarische Rahmen 1. Die Wortüberlieferung A) Die Mündlichkeit der Überlieferung a) Die Tatsache b) Sicherheit und Unsicherheit B) Das göttliche Ich C) Das Verstehen des göttlichen Wortes a) Grundsätzliches b) Das Verstehen des Zungenredens c) Die Begründung des Heilswortes d) Die Begründung des Gerichtswortes D) Gotteswort und Profetenwort a) Das Erkennen des Gotteswortes b) Die Verpersönlichung des Profetenspruches . aa) Die Verpersönlichung in der Frage . . . . bb) Die Verpersönlichung in der Liturgie . . . cc) Die Verpersönlichung bei Jeremia . . . . dd) Die Grenze der Verpersönlichung E) Die Bildung größerer Zusammenhänge F) Die schriftliche Festlegung a) Die Einzelworte b) Die „Urroile" des Jeremia 2. Die Erzählungen A) Das Material und die Leitgedanken a) Der Wunderglaube aa) Die an den Profeten geschehenen Wunder bb) Die Wunder des Profeten cc) Gebet und Glaube b) Die Verpersönlichung der Erzählung aa) Der Profet als Glaubenskämpfer bb) Der tragische Zug c) Das Abstandsbewußtsein B) Der geschichtliche Wert VI

Seite 6 6 8 8 10 12 12 15 16 19 19 19 . 19 21 24 27 27 29 34 37 40 40 _ 44 44 46 48 50 .53 57 57 61 62 .62 63 . 63 .65 69 72 72 74 77 80

Zweites Buch: DER RUF S. 83—189 I. Der Weg des Rufes 1. Der mittelbare Ruf A) Die Ansteckungskraft der Gilden B) Der Ruf durch den Meister 2. Der unmittelbare Ruf A) Der äußere Vorgang B) Name und Person des Rufenden II. Die Wirkung des Rufes 1. Die Möglichkeit des Ausweichens? 2. Die Fortwirkung des Rufes A) Die Überwindung der Versuchung B) Profet und Schuld a) Das Bewußtsein eigener Verschuldung b) Beruf und Schuld III. Die Gerufenen 1. Arnos 2. Hosea .' 3. Jesaja A) Die äußeren Voraussetzungen a) Der Judäer b) Der Jerusalemer c) Der Konservative B) Der Charakter a) Die Geschlossenheit b) Die Ironie c) Der Gläubige 4. Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja 5. Jeremia A) Der Priester ohne Gottesdienst B) Der Judäer ohne Volk G) Der Einsame ohne Freunde 6. Ezechiel A) Der Gefangene B) Der Theologe 7. Der Zweite Jesaja A) Der Hintergrund B) Der Glaubensbegeisterte C) Der Zionist D) Die Enttäuschung 8. Der Ausklang

Seite 83 83 83 86 88 88 89 94 94 97 97 104 . . . . 104 108 113 113 115 117 117 118 119 121 123 123 125 130 133 138 138 142 149 155 156 162 169 169 177 182 186 188

Drittes Buch: DER LEBENDIGE GOTT S. 192—300 I. Der sittliche Monotheismus 1. Der Eine Gott 2. Die Sittlichkeit Jahves im Bundesgedanken A) Das Wesen der Sittlichkeit B) Die Gerechtigkeit C) Die Grenzen

192 192 196 196 199 202 VII

Seite 3. Die Sittlichkeit des Menschen 205 A) Das Gottesgebot als Grundlage der Sittlichkeit . . 205 a) Das seelische Wesen des Menschen 205 b) Das „gesagte" Gebot 208 B) Die soziale Fürsorge als Gottesgebot 213 a) Der Nachdruck der Forderung 213 b),Der Kultus kein Gottesgebot 216 C) Das unbekannte Gebot 219 a) Grundsätzliches 219 b) Demut und Barmherzigkeit 220 D) Das trügerische Gebot 226 II. Das Weltverständnis 229 1. Das Naturverständnis 229 A) Die Schrecknisse der Natur 229 B) Die Ordnung 232 C) Die Natur und Israels Geschichte 235 D) Dfer Bußruf der Natur 239 a) Der Bestand der Ordnung als Gnade 239 b) Die Zerreißung der Ordnung als Zorn . . . . 242 c) Der Bußruf des Todes 246 aa) Die Allgemeinheit des Todes . . . . . . . 246 bb) Die Überwindimg des Todes 249 2. Das Geschichtsverständnis 250 A) Die dichterische Erfassung 250 B) Das Einzelereignis $ls unmittelbares Gotteswalten . 254 C) Die Einheit der Geschichte in der Einheit Gottes . 258 a) Gotteswille und Wirklichkeit 258 b) Die innere Spannung des Jahveglaubens . . . 259 3. Die Forderung der Geschichte 262 A) Der Glaubensgehorsam gegenüber dem einzelnen Wort 262 B) Die grundsätzliche Entscheidung 263 a) Die Buße 263 b) Glaube und Politik 264 c) Glaube und „Kirche" 268 III. Der kommende Gott 273 1. Die Doppelseitigkeit des Heiligen 273 A) Die Gefährlichkeit der Gottesnähe 273 B) Die Aufgliederung der Doppelseitigkeit 276 a) Das Gericht über die Heiden 276 b) Die zeitliche Aufeinanderfolge 278 2. Der Herrscher der Heilszeit 284 A) Der Davidsohn als Segensträger 284 B) Jahve, der Herr der Endzeit 290 a) Der Messias als Gabe Jahves 290 b) Der Geistbesitz der Endzeit 292 c) Der Gottesknecht des Zweiten Jesaja 297 Anmerkungen 301 Personenregister 317 Register der übersetzten Stellen 319 Nachträge 323 VIII

VORWORT Der Text des vorliegenden Buches ist auf Anregung des Herrn Paul Georg Hopfer in Norden/Ostfriesland während meines Aufenthaltes in der Landeskrankenanstalt Hage zwischen Mai 1946 und Februar 1947 ohne wissenschaftliche Hilfsmittel entstanden, die Anmerkungen in Gebhardshagen über Salzgitter im Sommer und Herbst 1947, nachdem mir deutsche wie ausländische Kollegen, vor allem die Herren W. F. Albright, D. Daube und H. H. Rowley, ihre neueren Veröffentlichungen zugänglich gemacht hatten. Widrige Umstände haben bisher das Erscheinen des am 18. März 1948 abgeschlossenen Buches vereitelt; ich danke dem Verleger der Zeitschrift f ü r die Alttestamentliche Wissenschaft, daß er es durch Übernahme in seinen Verlag nunmehr ermöglicht. Da der Nachdruck für diesmal auf unserer deutschen Sprache liegt, besagt die Verzögerung weniger, als es bei einer rein fachwissenschaftlichen Arbeit der Fall wäre. Das Nietzsche-Wort: „Es ist weder das Beste noch das Schlechteste an einem Buche, was unübersetzbar ist", hat mich stetig gemahnt, über der Form nicht den ewigen sachlichen Gehalt der Profetenworte zu vernachlässigen. Abweichungen vom hebräischen Konsonantenbestand sind durch , ' gekennzeichnet, Auslassungen durch entsprechende Angabe der Wortzahl (z. B. ,1'). Ich widme dieses Buch den Freunden in der Heimat wie draussen in Amerika, England und Schweden, die mir durch ihre Treue Mut gemacht haben, die Arbeit wieder zu beginnen. Zweien von ihnen kann ich den Dank nur in die Ewigkeit nachrufen. Die Reinschrift überwachte mein Sohn Gotthilf, bei der Korrektur half auch diesmal meine Frau. Der Mangel an geeigneten Typen zwang zu starker Vereinfachung in der Umschrift semitischer Worte. Lebenstedt über Braunschweig, am 31. März 1949. Bruchmachternsenstraße 7.

Joh. Hempel.

Wer den Dichter will verstehn muß in Dichters Lande gehn, und wer den Profeten begreifen will, muß des Profeten Straße ziehen. Denn sein Spruch, unter schwersten Erschütterungen Leibes und der Seele geboren, ist kein zeitloses Wort, das ohne Bindung an die notvolle Stunde seiner Entstehung gesagt wäre. Vielmehr gilt es ihr ganz und gar, und den Menschen, dife sie durchleben. Auf i h r e Fragen gibt es Antwort, verklärt ihre Freuden, vertieft ihre Schmerzen, straft ihre Sünden, erhebt ihre Herzen zur Hoffnung, stellt ihre Seele vor die Gewißheit des Gerichtes, des tödlichen Verderbens. Das gilt auch dort, wo Schrecken und Wonnen nicht der unmittelbaren Gegenwart bevorstehen, wo die zu rächende Schuld der fernen Vergangenheit angehört. Denn alle Zeit, die da war und die da wird, hat ihre Mitte in dem Leben, das jetzt beides ist: Frucht des Gewesenen und Wurzel des Zukünftigen. Alles, was geschieht, ist ja „von Ewigkeit zu Ewigkeit" Wille und Werk desselben Gottes, Lohn oder „Last" von seiner Hand. In der Abfolge ihrer Geschlechter gelten im Leben einer Nation Bund und Fluch nicht nur denen, welchen sie unmittelbar auferlegt werden, sondern auch jenen, die sie als Erbteil empfangen (V. Mose 29, 13 f.), die an der Schuld mittragen und den Segen mitgenießen: Ich, Jahve, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der bei denen, so mich hassen, die Schuld der Väter ein den Söhnen heimsucht bis ins dritte und vierte Glied, der bei denen, so mich lieben und meine Gebote bewahren, Güte gewährt bis ins tausendste Glied (II. Mose 20, 5 f.). Daher ist es nur sachgemäß, wenn L u t h e r auch die von ihm messianisch verstandenen und auf die Gemeinde Jesu Christi in seiner (und unserer) Gegenwart gedeuteten Worte nicht von der Beziehung auf die besondere Lage des Volkes, dem sie einst gesagt wurden, ausnimmt: „So sagt Jesaja viel von seinem Volk und dem 3

irdischen Reich, streift bald die Schuld, lobt bald die (vorhandene) Gerechtigkeit, und es mag scheinen, als sei die ganze Profetie fest auf das Volk ausgerichtet. Dennoch aber bereitet und lenkt er die Seele des Volkes auf das kommende Reich Christi... So lehrt er, wie Reich und Geschichte jenes Volkes bald in Gottes Schutz sicher, bald von ihm verlassen im Gerichte standen, aber mit diesen Vorgängen verbindet der Profet sowohl den Christus als auch uns. Wir lesen diese Dinge zu einem Beispiel für uns, die dasselbe zu erwarten haben, wenn wir dasselbe Leben führen." Und nicht minder sachgemäß ist es, wenn er für die Auslegung nicht nur ein gründliches grammatisches (und stilistisches) Verständnis des Textes, sondern auch genaue geschichtliche Kenntnisse fordert: „Haben wir zu allererst die Grammatik genutzt, so müssen wir alsobald zur Geschichte gehen, das heißt zu den Taten der Könige, unter denen Jesaja gewirkt hat, und die sind genau zu betrachten und zu erforschen."

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I. DER GESCHICHTLICHE RAHMEN 1. DIE A U S S E N P O L I T I S C H E N G E S C H E H N I S S E Nur vorübergehend hat Israel in seiner Geschichte sein Leben aus seinen eigenen Kräften gestalten können. Die Landnahme der in ihm vereinten Stämme und Stammgruppen war, bald kriegerisch erobernd, bald friedlich unterwandernd und rodend, im 12. Jahrhundert im wesentlichen abgeschlossen. Das G e b i e t , in dem sie dabei heimisch wurden und allmählich, bis ins 10. Jahrhundert, auch die ihnen zunächst widerstehenden Städte mit ihrer entwickelteren materiellen, militärischen und geistigen Kultur aufsogen, ist von jeher der Streitgegenstand zwischen Ägypten und der jeweils in Vorderasien herrschenden Großmacht gewesen. Von Pepi I., der um 2500 v. Chr. mit Heer und Flotte zum „Lande der Gazellennase", des Karmelgebirges, fuhr, bis zum Vorstoß Napoleons auf Akko und dem Durchbruch Allenbys durch die deutsch-türkische Gaza-Stellung haben Schlag und Gegenschlag den Einfluß der Natur auf die Geschichte widergespiegelt. Stellt doch die palästinische Küstenebene, zwischen dem von der See her nur an wenigen Stellen leicht zugänglichen Gestade des Mittelmeeres und der hochaufgetürmten, durch die Gewalt des Winterwassers stark zernagten Kalksteinplatte des Berglandes eingeschaltet, den einzigen Weg für den friedlichen Handel wie für den Heerzug dar, welcher „Asien" und Afrika miteinander verbindet. Der Sturm der „Seevölker" hat diesen Küstensaum um 1200 unter Zerschlagung des spätbronzezeitlichen ägyptisch-hetitischen Machtgefüges in die Hand der Philister und ihrer Genossen gebracht. Das Gebirgsland aber konnte der im Kampfe mit ihnen zur p o l i t i s c h e n E i n h e i t u n t e r k ö n i g l i c h e r F ü h r u n g erstarkende Bund der Jahvestämme behaupterf und — vor allem durch die bei allen Schwächen dennoch überragende Persönlichkeit des David — um die 6

Jahrtausendwende ein staatliches Eigenleben aufbauen. Aber bereits beim Tode seines Sohnes Salomo, der den Tempel erbaute (Mai 948), der durch seine Heiratspolitik, durch Handel und Seefahrt über die engen Grenzen des kleinen Landes energisch hinausgedrängt hatte, zerfiel diese Geschlossenheit. In unfruchtbaren Grenzkriegen untereinander und mit dem gleichzeitig erwachsenen Aramäerstaat von Damaskus verzehren die beiden Teilreiche ihre Kräfte: „Juda" mit dem Tempel der Heiligen Lade des „Kriegsherrn Jahve" (Jahve Zebaoth) und dem davidischen Herrscherhaus enger an die Überlieferung gebunden, und „Israel" im mehrfachen Wechsel seines Königsgeschlechtes immer wieder vom Umsturz erschüttert. So konnte der Assyrer bei seinem Vordringen gegen Ägypten sie einzeln zerschlagen. Nach einer letzten politischen und wirtschaftlichen Blütezeit unter Jerobeam II. von Israel und Uzzia von Juda (um 750) wurden 732 Galiläa und das Ostjordanland, 722 Samaria samt dem Jahvetempel des ,,Goldenen Stiers" von Bethel seiner Provinzverwaltung eingegliedert, 701 die Herrschaft der Davididen auf Jerusalem und seine nächste Umgebung beschränkt. Ein Versuch, im beginnenden Zerfall der assyrischen Macht auf Grund der Bestimmungen des V. Mosebuches (Kap. 12 ff.) unter der Parole „E i n Gott, e i n Altar und e i n Volk" das staatliche Leben in den Grenzen der davidischen Zeit zu erneuern (622—609), scheiterte im Tode des Königs Josia bei Megiddo. Auch das Ringen mit dem Bezwinger und Rechtsnachfolger des Assyrers, dem Babylonier unter Nebukadnezar, endete mit der Vernichtung des davidischen Königstums, des Tempels und der Stadt (597-—586), mit der „Babylonischen Gefangenschaft" des Volkes. Selbst als das Perserreich unter Kyros. die Herrschaft über den Vorderen Orient antrat, erlangte das Judentum trotz aller klugen Einstellung auf den neuen Gewalthaber nicht mehr denn die Anerkennung des Jerusalemer Heiligtums als des rechtmäßigen Mittelpunktes (538) einer auf Grund ihres politisch für die Staatsführung ungefährlichen „Gesetzes" im Rahmen des achämenidischen Reiches (457) geduldeten G e m e i n d e . Das gleiche Gesetz (die fünf Mosebücher, den sog. Pentateuch) — aber auch* nur dieses, nicht die beiden anderen Teile der Heiligen Sammlung („Profeten" 7

und „Schriften") — übernimmt die jüdische Religionsgemeinde in Samarien. Nur dort weicht ihr Text in mehr denn in belanglosen Kleinigkeiten von dem in Jerusalem herrschend gewordenen ab, wo es sich um den Heiligen Berg handelt (Joh. 4, 20). Beide „Sekten" haben auch von Alexander dem Großen, dem Zertrümmerer der Perserherrschaft, und seinen Nachfolgern dieselbe Duldung erfahren. Nur kurze Zeit (168—165) währte das Verbot des Jahvedienstes unter Antiochus IV. Epiphanes von Syrien, bis der Aufstand der Makkabäer den Tempel freigekämpft hatte. 2. D I E I N N E N P O L I T I S C H E N A) D I E W I R T S C H A F T L I C H E

GESCHEHNISSE JENTWICKLÜNG

Mit dieser, äußeren Geschichte geht eine vollständige Umschichtung des gesellschaftlichen und w i r t s c h a f t l i c h e n A u f b a u s ' H a n d in Hand. Am Anfang stehen die in ihren Großfamilien lebenden Stämme unter ihren Ältesten als handelnde und leidende Einheiten, in Bündnissen zur gemeinsamen Verehrung eines Gottes, wie zu Abwehr und Angriff nach außen zusammengeschlossen. Die religiöse Verbindung bedeutet die Annahme eines einigenden Rechtes, das den Frevler, sei es ein einzelner Mann, sei es eine Sippe oder ein Stamm (Ri. 19—21), aus den eigenen Reihen ausschließt, damit er die Gemeinschaft nicht befleckt. Der zwischen den Bundesgliedern herrschende „Gottesfriede" lenkt die kriegerischen Gelüste um so kräftiger nach außen. Die wirtschaftliche Grundlage des Stammes ist dabei sein Viehbestand, und zwar, wie die überragende Bedeutung des Passahfestes belegt, vor allem an Schafen (und Ziegen). Solche „Kleinviehnomaden" sind sowohl den Kamelnomaden der Wüste durch ihre geringe Marschgeschwindigkeit, dem grundbesitzenden Bauern gegenüber aber durch den Zwang unterlegen, sich mit ihm über die Brach- und Stoppelweide wie über die Brunnenbenutzung zu verständigen,, soweit nicht kriegerische Eroberung oder die Rodung des Landes freien Raum schafft. Daraus ergeben sich allerhand Rechtsbeziehungen, etwa Arbeitsverträge und Einheiraten, bei denen in der ältesten Zeit 8

vielfach der Mann in die Sippe der Frau eintritt (I. Mose 2, 24). Am Ende stehen das Seßhaftwerden und die allmähliche Verschmelzung mit solchen „einheimischen" Sippen, die in die religiöse Genossenschaft eingegliedert werden. Das K ö n i g t u m mit seinen Beamten, deren Machtbefugnis an die Stelle der natürlichen Führerstellung der Ältesten tritt, mit seinen Frohnden und Lasten, vor allem zu militärischen Zwecken, hat diesen Volksaufbau ausgehöhlt. Das gleiche Menschenalter bringt in der Aufsaugung der „kananäischen" Städte einen neuen Zustrom fremden Blutes und zugleich eine steigende Bedeutung des Geldbesitzes und die Verflechtung in den Fernhandel mit sich. Jede derartige Entwicklung bedeutet ein Absinken der wirtschaftlich schwächeren Gruppen, in diesem Falle der Kleinviehhirten. Auch macht die allmähliche Ersetzung der Groß- durch die patriarchale Kleinfamilie diejenigen Frauen eines Mannes (und ihre Kinder), deren Sohn nicht Erbe des Besitzes ist, eines besonderen Rechtsschutzes bedürftig, vor allem in Zeiten sozialer Spannungen, wie sie die Aramäer- und Assyrerkriege notwendig bedeuteten. Allein so tiefgreifend schon diese Wandlungen waren, so blieb doch über die Reichstrennung hinaus ein Bewußtsein religiöser — und das heißt zugleich rechtlicher — Zusammengehörigkeit der' zu den „Zwölf Stämmen" „Israels" Gehörigen lebendig. Der Untergang der zehn Nordstämme verschiebt das Schwergewicht, .das wirtschaftlich und politisch bei ihnen gelegen hatte, nach Juda, und als auch dort der staatliche Zusammenbruch kam, auf die nach Babylonien verschleppte Führerschicht. Sie hat sich, wie die Funde im Bankhaus „Murasu Söhne" zeigen, überraschend schnell wirtschaftlich erholt, und Anspielungen im Alten Testament bestätigen dies Bild: Nimm von den Verbannten, . . . die aus Babel gekommen, Silber und Gold und mache daraus ,eine' Krone (Sach. 6, 10, IIa).

Auch belegen die Ereignisse unter Esra und Nehemia, daß sie Vertrauensleute in der persischen Reichsverwaltung besaßen, und die Bücher Daniel und Esther setzen den gleichen Tatbestand als Grundlage ihrer Erzählungen voraus. Das W e i t e r l e b e n a l s G e m e i n s c h a f t i n 9

d e r F r e m d e ermöglicht ihnen nur eines: die religiöse Zusammengehörigkeit, die sich auch dort, wo kein Opfer stattfinden darf, in drei Dingen auswirken kann: dem gemeinsamen Gotteswort und dem gemeinsamen Gebet am gemeinsam heilig gehaltenen Tage. Träger dieser Gemeinsamkeit ist aber der einzelne Familienvater, der sich mit seinem Haus dieser den Sabbath mit Gesetzeslesung und Psalmengesang begehenden „Gemeinde" anschließt, oder der aus dem Familienverbande gelöste Einzelne für sich. Diese Gesialt der Kultgenossenschaft haben die nach Jerusalem heimkehrenden „Zionisten" auch den in der Heimat Verbliebenen, dort äußerlich und innerlich kümmerlich Dahinlebenden aufgeprägt und durch den Opferdienst in dem von Serubbabel neugebauten Tempel ergänzt. Die Anbetung an der heiligen Stätte der Väter wurde die große Lebenssehnsucht der in der Ferne Wohnenden, ihr „synagogaler" Gottesdienst aber galt für die übrige Zeit als zureichende Erfüllung des göttlichen Anspruches. Bleibt auch die blutmäßige Zusammengehörigkeit notwendig die äußere Grundlage der Gemeinde — denn mit Abraham und den von ihm Stammenden ist einst der Bund geschlossen — so ist doch in der Uebernahme des Gesetzes auch Blutsfremden der Zutritt geöffnet. Die Pilgerfahrt nach der heiligen Stadt mit ihren wirtschaftlichen Belastungen schafft dabei neue Möglichkeiten, durch Liebestätigkeit dem „sozialen" Qrundzug des Gesetzes gerecht zu werden, Treue gegen den alten Gott der Väter oder den neuerwählten Gott in die Tat umzusetzen. B) DIE R E L I G I Ö S E

ENTWICKLUNG

Damit ist deutlich, daß die letzten Entscheidungen auf religiösem Gebiete fallen mußten. Der G l a u b e a n J a h v e , d e n B u n d e s g o t t , hat sich gegen die Großgötter der siegreichen Völker zu behaupten, die s e i n Volk vernichten, seinen Tempel verbrennen, seinen Opfern ein Ende bereiten. Das überreiche Material an bildlichen Darstellungen,, heiligen und rechtlichen Texten aus Ägypten, dem Zweistromland und dem Hetiterreich läßt diese Gegner heute klarer in ihrer Eigenart erkennen, als es früheren Zeiten möglich war. 10

Fast noch schwerer ist ein anderes Ringen. Das Volksleben Israels ruht nicht auf dem natürlichen Boden eines einheitlichen Blutes. In der Form der Herleitung der Stämme von vier Müttern-, aber einem Vater hat die Überlieferung die Tatsache verschiedenen Verwandschaftsgrades der im Jahvebund vereinigten bewahrt, und für die beiden wichtigsten Städte des Südens die Besiedlung durch solche, die nicht zu den „Zwölf" gehört haben. Hebron, Davids erste Hauptstadt, ist kalebbitisch (Ri. 1, 20), und von Jerusalem weiß noch Ezechiel: Du stammst nach Herkunft und Geburt aus dem Kananäerland: dein Vater war ein Amurru, deine Mutter eine »Hetiterin (Hes. 16, 3).

Die Jahvereligion hat vielmehr zur künstlichen Grundlage einen Bund, eine gottgestiftete Lebens- und Tatgemeinschaft. Als solche umschließt sie a u c h rechtliche Bindungen des Gottes gegen die von ihm in den Bund gerufenen Stämme, vor allem für das Gebiet des „Heil i g e n Krieges", in dem religiöse und nationale Ziele zusammenklingen. Jeder Rückschlag hier läßt nicht nur die Macht des Bundeskriegsgottes, sondern auch seine „Sittlichkeit" anzweifeln. Ist der ein „Gott", der nicht zu seinem Worte steht? Aber auch damit ist die ganze Wucht des Ringens noch nicht umschrieben. Der heilige Krieg des Stammesbundes tritt im Gesamtleben überhaupt in den Hintergrund; die heilige Formel „dem Jahve zu Hilfe kommen unter den Recken" (Ri. 5, 23)

begegnet in der Königszeit nicht mehr. Dafür ist das Königtum des „Gesalbten" als solches eine „göttliche" Einrichtung. Die Not des Königs stellt damit dieselbe Frage wie der Mißerfolg des heiligen Krieges (vgl. etwa Ps. 89, 39). Je mehr sich vollends in diesen Kämpfen und Zusammenbrüchen die alten Einheiten des Gesellschaftslebens zersetzen, dafür aber der Einzelne, seine Verantwortung wie sein Ergehen sich verselbständigt, desto dringender wird die Frage nach dem Handeln des Bundesgottes im Leben des einzelnen Gliedes des Bundesvolkes und damit — wie in der Krankenheilung — auf Gebieten, die zum „Zuständigkeitsbereich" anderer 11

Gottheiten, etwa des der einzelnen Sippe verbundenen und nach ihrem Ahnherrn benannten „Gottes der Väter" gehören. Erst recht galt es, auf dem im Kulturland lebensentscheidenden Gebiet des Ackerbaues nicht nur den N a m e n des eigenen Gottes siegreich zu behaupten, sondern vor allem sein W e s e n . Hier war es erforderlich, sich kräftig zu wehren wider die das eigene religiöse Leben überfremdende Angleichung des in der Wüste beheimateten Jahveglaubens an die Formen und Inhalte des kananäischen A c k e r b a u k u l t u s . Die Texte in der eigenartigen Keilschrift von ras schamra lassen, durch die mitgefundenen Bildwerke unterstützt, den im Stier verkörperten Ba'al und seine Genossin, die Astarte, den sterbenden und auferstehenden Gott, aus Eigenzeugnissen des vorisraelitischen Syriens erkennen. Sie berichtigen oder ergänzen die aus den Streitaussagen des A. T. oder aus dem religionsgeschichtlichen Vergleich gewonnenen Vorstellungen. Dies Ringen bildet einen wesentlichen Inhalt der profetischen Verkündigung und kann daher hier nur nach seiner Fragestellung herausgehoben werden. 3. D I E G R U N D Z U G E D E R A) D I E S E H E R U N D D I E

PROFETIE

VERZÜCKTEN

In den Profeten haben Israel und sein Gott die eigenwüchsigsten Vorkämpfer für diesen Streit besessen. Zwar ist die F o r m ihrer Erlebnisse bei den S e h e r n alten Schlages nach Art eines Bileam oder Samuel der des arabischen kahin nahe verwandt. Der Sprachgebrauch ist sich des Zusammenhanges zwischen „Profet" und „Seher" dauernd bewußt geblieben: Was man heute „Profet" ( n a b i ) nennt, das nannte man früher „Seher" ( r o ' a e h ) (1. Sam. 9, 9),

ein Wechsel in der Bezeichnung, der auch durch das Zurücktreten des „Sehens" hinter dem „Hören" (s. u. S. 77) begünstigt sein mag. Könige und Bauern dingen um den „Lohn des Sehers" (vgl. noch II. Kön. 5, 20 ff.) ihre Kraft, im Zauberspruch Zukunft zu gestalten und unbekannte Dinge zu wissen: Balak, der Sohn des Sippor, war damals König in Moab . . . und sandte Boten zu Biram, dem Sohn des Be'or, nach 12

Pethor, das am ,Bache des Ammoniterlandes' liegt, ihn herbeizurufen: „... komm doch, verfluche mir dies Volk, denn es ist stärker als ich. Vielleicht kann ich es dann .schlagen' und aus dem Lande treiben! Denn ich weiß: Wen du segnest, der ist gesegnet, wen du verfluchst, der ,ist' verflucht!" Und die Scheiche der Moabiter und die Scheiche der Midianiter gingen hin und nahmen den Sold für den Zauberer mit (IV. Mose 22, 4—7). Dem Kis, Sauls Vater, waren Eselinnen abhanden gekommen, und Kis sprach zu Saul, seinem Sohne: „Nimm einen der Jungknechte und geh, die Eselinnen zu suchen." . . . Als sie ins Land Zuph kamen, sprach Saul zu diesem Knecht: „Komm, wir wollen heimkehren, sonst sorgt sich mein Vater um uns statt um die Eselinnen!" Der aber sprach: „In der Stadt vor uns wohnt ein gar berühmter Gottesmann! Alles, was er sagt, geschieht gewiß! Dahin wollen wir gehen! Vielleicht sagt der uns, welchen Weg wir nehmen müssen." Und Saul sprach zu seinem Knecht: „Ja, wir wollen hingehen. Aber was sollen wir dem Manne geben? Unser Brotbeutel ist leer, so daß wir kein Geschenk für den Gottesmann besitzen. Was haben wir denn bei uns?" Der Knecht antwortete dem Saul: „Ich hab* da einen Viertelsilbergroschen. Den kannst du dem Gottesmanne geben, dann zeigt er uns den rechten Weg" (I. Sam. 9, 3—9). Eine entscheidende Rolle im Volksleben haben diese Seher nicht mehr gespielt, seitdem die von stärkeren Kräften vorwärts getragene „ekstatische" Bewegung auf den Plan getreten war. Mit ihren oft seltsamen Gesichten, eigenartigen Erregungszuständen und „symbolischen" Handlungen, die uns ausführlich beschäftigen werden, stehen die „ e k s t a t i s c h e n " P r o f e t e n im Zusammenhang mit jener großen Strömung, die (von Kleinasien aus) den ganzen vorderen Orient und Griechenland durchzogen hat und in den tanzenden Derwischen bis heute nachklingt. Um 1100 wird sie für uns im Reisebericht des Ägypters UnAmmon in Byblos nachweisbar, und im A. T. tauchen sie, zuerst wenig geachtet, in Sauls Frühzeit auf. So verkündet ihm Samuel: „Kommst du dort in die Stadt, begegnet dir ein Profetenschwarm ( c h a e b e l n e b i ' i m ) , die von der Höhe herab13

kommen, vor ihnen her Harfe und Pauke, Flöte und Zither, und die werden in Verzückung sein. Da wird der Geist Jahves auf dich überspringen, und auch du gerätst in Verzückung wie sie und wandelst dich in einen anderen Menschen!" . . . Und als sie von ,dort' nach Gibea kamen, kam ihnen ein Profetenschwarm entgegen, und der Gottesgeist sprang auf ihn über, und er ward verzückt mitten unter ihnen. Wer ihn aber von gestern und ehegestern her kannte und ihn so sah, wie er unter Verzückten („Profeten") verzückt war, . . . sprachen si,e untereinander: „Was ist denn dem Sohn des Kis geschehen? Ist auch Saul unter den Profeten?" Und einer ,von ihnen' sprach: „Wer ist denn deren Vater?" Daher kommt das Sprichwort: „Ist auch Saul unter den Profeten?" (I. Sam. 10, 5, 6. 10. 11-, vgl. 19, 20 ff.). Auch bei dieser Bezeichnung bleibt die ursprüngliche Färbung lebendig, wenn noch im 8. Jahrhundert „Profet" und „Narr", noch im 6. Jahrhundert „Profet" (mit Einschluß des Jeremia) und „Verrückter" nebeneinander gestellt werden: Ein Narr ist der Profet (nabi'), verrückt (meschugga') der Geistbegabte (Hos. 9, 7). Jahve hat dich zum Priester bestellt..., daß du im Jahvetempel die Aufsicht führest über alle Verrückten und Verzückten ( m e s c h u g g a ' u m i t n a b b e ' ) (Jer. 29, 26). Denn wie den kananäischen Fruchtbarkeitskultus der übernommenen Heiligtümer, so hat der Jahveglaube auch diese Genossenschaften seinem Gottesdienst einzugliedern die K r a f t gehabt. Mußte aber ein Jahrtausend später der Apostel f ü r die urchristliche Gemeinde Kennzeichen des wahren Gottesgeistes, den man nicht dämpfen darf (I. Thess. 5, 19), namhaft machen und Formen suchen, in denen seine Äußerungen sich f ü r die Erbauung fruchtbar machen ließen (I. Kor. 12, 3; 14, 1 ff.), so bedürfen auch diese Scharen in den Tempeln der Aufsicht und der Zucht, die nicht allein Sache ihrer Ordensmeister bleiben konnte. Sicherlich sind sie ja der Verachtung, die z. B. aus Jes. 28, 7 spricht, nicht ohne Grund verfallen (s. u. S. 84). Aber der begeisternde Schwung wichtiger Zeugnisse der israelitischen Kultdichtung mit ihrem Wechsel von Gottes- und Menschenstimmen (vgl. etwa Ps. 20 u. S. 264), auch der tiefe Ernst, in dem in den 14

Klageliturgien Jahves Antwort auf Beichte und Gebet der Gemeinde erfleht wird (s. u. S. 47), ist schwerlich ohne die Belebung des Gottesdienstes durch diese Scharen erwachsen. „Liturgische" Stücke wie der Jubelsang des Nahum (s. u. S. 134) oder die Zukunftsschau in Jes. 24—27 mögen in ihrer Mitte entstanden sein. Doch ist das meiste von dem, was sie geschaffen haben, ebenso vergangen wie die priesterlichen Orakelsprüche, mit denen sie im Wettbewerb standen. B) D I E

EINZELNEN

UND

IHRE

JÜNGER

Von diesen Scharen aber heben sich e i n z e l n e P e r s ö n l i c h k e i t e n ab. Sie haben mit ihnen zwar so viel Gemeinsames — in der Form des Erlebens und des sinnbildlichen Handelns —, daß man sie mit ihnen unter e i n e m Ausdruck zusammenfassen konnte. Aber für ihr eigenes Bewußtsein überwiegt das Trennende. Sie stehen im Leben ihres Volkes nicht als Glieder einer Gilde, mag immerhin die heilige Scheu, mit der der Orientale alles seelisch (und körperlich) Außergewöhnliche betrachtet (vgl. z. B. I. Sam. 21, 13 ff.), auch ihnen Gehör verschafft und bisweilen ihr Leben gerettet haben. Sie stehen im Leben ihres Volkes nicht als Vertreter ihres Stammes oder ihrer Sippe; wissen wir doch von einigen nicht einmal den Vatersnamen. Sie stehen im Leben ihres Volkes als die Vertreter, die . H e r o l d e i h r e s G o t t e s und seiner Weisung (torah). Seine zukunftgestaltenden Worte künden sie, seine Befehle erteilen sie und erfüllen sie selbst. Ihre Berufung bedeutet nicht, daß mit ihnen ihre Sippe in ein besonderes Verhältnis zu ihrem Gotte tritt, wie das bei Priestergeschlechtern — in Israel den „Leviten" — der Fall ist. Sie stehen allein jenseits der „sozialen" Bindungen, und von ihnen könnte mit besserem Rechte das Wort gesagt werden: „der von seinem Vater (und von seiner Mutter) sagt: Ich sehe ihn nicht, der seine Brüder nicht anschaut, seinen Sohn nicht kennt" (V. Mose 33, 9).

Und doch wäre es nur halb richtig, sie als die großen „Individualisten" zu bezeichnen. Es ist der Gott ihrer Väter, der Gott ihres Volkes, der Gott des Bundes, der 15

durch sie handelt. An das Volk, an die Genossen des Bundes, des Reiches sind sie gesandt, Gemeinschaft zu bauen, wo Gemeinschaft zerbrach. In einer Zeit, in der die alten Einheiten ihre verpflichtende Kraft verlieren, stiften sie neue Bruderschaften, die „Kinder" (Jes. 8, 18; s. u. S. 55), die „Jünger". Sie sind nicht Adepten, die des Meisters geheime Künste aufnehmen, sondern sie lernen von ihm, was Gott lehrt, und gewinnen Anteil auch an seinem Leiden. So steht der „Gottesknecht" zu seinem Gott, — wie der „Belehrte" zu seinem (geistlichen) Vater, — Der Herr Jahve gab mir der Jünger Zunge (wörtlich: „der Belehrten"). Der Herr Jahve tut ,morgens' auf mein Ohr, damit ich hören kann, wie Jünger (hören). Er weckt mich morgens ,1', daß ich wisse, den Müden aufzurichten mit dem Wort ,2*. Ich war nicht widerspenstig, wich auch nicht zurück. Den Schlagenden bot ich den Rücken, den Häufenden die Backen dar, verbarg mein Antlitz nicht vor Schimpf und Spei. Der Herr Jahve, der hilft mir, stehe nicht in Schanden. Mach' mein Gesicht Wie Kieselstein so hart. Ich weiß, ich hab' mich nicht zu schämen! Der Recht mir schallt, ist nah! kommt her, wer mit mir streitet! Der Herr Jahve, der hilft mir! wer will mich verdammen? Sie allzumal vergehen wie ein Kleid, das Motten fressen! (Jes. 50, 4. 5a. 4c. 4b. 5b—10).

Denn der Inhalt dessen, was diese einsamen, Verfolgten zu künden haben, gewinnt sein Daseinsrecht aus dem Glauben an des „Herrn Jahve" Lebendigkeit, die dem Profeten begegnet. Zugleich aber erneuert das, was sie erfahren, diesen Glauben aus seinen urtümlichen Kräften und sichert ihm einen unzerstörbaren Bestand. Noch der Bußruf Johannes des Täufers wie die Frohbotschaft des Jesus von Nazareth, den sie einen großen Profeten aus Galiläa nannten (Matth. 21, 11 Lk. 7, 16; 24, 19), und die „Jünger", die sie um sich scharten, sind des Zeuge. 16

4. D I E Z E I T L I C H E

EINGLIEDERUNG

„Als die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn" (Gal. 4. 4), und die gefährdetsten Stunden sind es, in denen- jene Großen wirken, gleich als stellte sich der Gefahr des Zusammenbruches von außen und innen eine Abwehrkraft aus geheimer Daseinstiefe — der Glaube sagt: aus Gottes Lebenstiefe — entgegen. Mit der Philisternot und dem Werden des Königstums verbindet die Überlieferung die Gestalt des S a m u e l . Die Dynastie des Ornri, dessen Bedeutung sich in assyrischen wie moabitischen Zeugnissen noch kräftiger spiegelt als im Alten Testament (I. Kön. 16, 24), und seines Sohnes Ahab, der im Bunde mit anderen syrischen Staaten dem Assyrer bei Qarqar (854) Trutz bot, zersetzt durch fremden, vor allem an Isebel gebundenen, Einfluß die alten religiösen und rechtlichen Formen. Sie ruft E l i a s und E l i s a gegen sich auf den Plan, wie ein Jahrhundert später unter Jerobeam II., dem „Heiland" (II. Kön. 13, 5, vgl. 14, 27) die mit dem wachsenden Reichtum sich verstärkende Sozialkrise den Hirten Arnos aus Thekoa in Juda. Was er erwartet, den Zusammenbruch des Herrscherhauses im revolutionären Strudel und im Eingreifen des Assyrers, hat H o s e a mit seinen Sprüchen begleitet. In Juda stehen J e s a j a und sein etwas jüngerer Zeitgenosse M i c h a im Sturm jener Kämpfe, die Israel vernichten und den Davididen nur einen kleinen Rest ihrer Herrschaft belassen. Nur Jerusalem blieb das Schwerste, die Einnahme und feindliche Plünderung, erspart. Als Assurs Zeit im Vorbrechen der Skythen, der Meder und Babylonier zu Ende g£ht, singt N a h u m seine Jubelliturgie auf den Fall von Ninive (612), kann H a b a k u k das Ende der Satansherrschaft nicht erwarten, graust dem Z e p h a n j a vor dem Jahvetag, der sein eigenes Volk zerschlagen wird, ehe seinem Rest das Heil zuteil wird. Selbst gegenüber den Hoffnungen des Königs Josia und des Volkes, durch neuen Gottesbund (622) einen tragfähigen Grund f ü r eine lichtere Zukunft zu legen, weiß J e r e m i a um die unausrottbaren Schäden, darf er in der Heimat nur von dem kommenden Ende der Stadt, des Königs und des Tempels sprechen. Zur gleichen Zeit schaut der 597 nach Babylonien weggeführte E z e c h i e l dort in der Fremde das gleiche Verderben; erst als es ganz vollstreckt, kündet er des Volkes Auferstehung. Nun heben auch andere an, von Heil zu reden, von Liebe zum eigenen Volk und von Grimm wider die Feinde beseelt.. Haß gegen Edom, das auf Babels Seite mitgekämpft, durchzieht die Heilssprüche, in denen O b a d j a die Schicksalswende ankündigt. Auch Babel herrscht ja nicht auf ewig. Kyros von Ansan, der Gründer des persischen Reiches, zieht siegreich in die Stadt des Marduk ein. Wie die Priesterschaft jenes Gottes begrüßt ihn auch ein jüdischer Unbekannter im Namen Jahves, s e i n e s Gottes, ein Mann von hoher Begeisterung des Glaubens und starker dichterischer Begabung. Man nennt ihn den „ Z w e i t e n J e s a j a "