Wohnformen im Alter: Analysen, Konzepte, Best - Practice 9783748602828

Wie lassen sich passgenaue Wohnformen für das Alter entwickeln? Welche Bedürfnisse alter Menschen haben sich geändert? W

203 41 10MB

German Pages 98 [97] Year 2019

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Wohnformen im Alter: Analysen, Konzepte, Best - Practice
 9783748602828

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Wohnformen im Alter Analysen, Konzepte, Best-Practice

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Wohnformen im Alter Analysen, Konzepte, Best-Practice

4



Inhalt Einleitung Michael Schlenke, CARE Invest – Redaktion Teil I

Analysen Dr. Michael Held 1. Versorgungssituation und Investitionspotenzial für Betreutes Wohnen Sebastian Meißner 2. Die Pflegebedarfsstatistik 2018 Klaus-Peter Hesse 3. Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen Dr. Malte Maurer 4. Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen

Teil II

7

12

20

30

42

Konzepte und Best Practice Julian Weyer 1. Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

54

Prof. Ritz Ritzer 2. Genossenschaftliches Wohnen in einer Metropole

68

Maik Greb 3. Wohnen im Denkmal

76

Torsten Rieckmann 4. WOODIE – ein Universal-Design-Projekt, Hamburg

86

Prof. Dr. Christoph Metzger 5. Sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen Neurowissenschaftliche Raumkonzepte

92

Wohnformen im Alter

5

Einleitung von Michael Schlenke

W

ohnen ist ein Grundbedürfnis des Menschen und gerade die Bereitstellung von lebenslaufbeständigem Wohnraum ist eine zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft und im Besonderen für die Akteure der Wohnungs-, Immobilien- und Pflegewirtschaft. In einem Land des langen Lebens ist es umso wichtiger, sich der Herausforderung, Wohnraum für alle zu schaffen, zu stellen. Der Fokus dieses Buchs liegt auf dem Wohnen im Alter und beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven, wie passgenaue Wohnformen für das Alter entwickelt werden können. Es basiert auf Vorträgen, die im Rahmen von Veranstaltungen der Redaktion CARE Invest gehalten wurden. Wie also gehen wir mit der demografischen Struktur Deutschlands um und verwandeln das sich daraus ergebende Marktpotenzial in konkrete Strategien? Das beschreiben unsere Autoren im Teil I ‚Analysen‘. Michael Held von der Terragon AG untersucht in seinem Beitrag die ‚Versorgungssituation und Investitionspotenziale für Betreutes Wohnen‘. Sein Fazit: Es herrscht eine kaufkräftige Nachfrage nach differenzierten Angeboten. Diese trifft jedoch auf eine deutliche Versorgungslücke. Es gibt seiner Meinung nach reichlich Chancen für Investitionen und attraktive Renditen. Wie aber kann man das Marktpotenzial exakt beziffern? Das fällt schwer, da die Begriffe Betreutes Wohnen oder Serviceswohnen nicht gesetzlich geschützt sind. Somit wird dieses Marktsegment auch nicht über die amtlichen Statistiken erfasst. Das macht Sebastian Meißner vom Datenanalysten Pflegemarkt.com in seinem Beitrag über die Pflegebedarfsstatistik deutlich. Für den Analyseprofi steht fest, dass die verschiedenen Teilmärkte sich aufeinander zubewegen und Versorgungsangebote wie Tagespflege, ambulante Pflege sowie das Betreute Wohnen zukünftig stark wachsen werden. Die Perspektive der Immobilienwirtschaft nimmt Klaus-Peter Hesse vom Zentralen Immobilien Ausschuss ein. Unter der Überschrift ‚Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen‘ ruft er Politik und Immobilienwirtschaft dazu auf, an einem Strang zu ziehen. Denn die Aufgabe, moderne Quartiere zu schaffen,

Wohnformen im Alter7

Neue Perspektiven für das Wohnen im Alter. Foto: Hospiz Djursland, C.F. Møller Architects / Adam Mørk

die ein selbstbestimmtes Leben bis in hohe Alter ermöglichen, wird sich nur gemeinsam, im Zusammenspiel aller am Prozess beteiligten Akteure, lösen lassen. Angesichts immer knapper werdender Baugrundstücke und einer damit einhergehenden Kostenexplosion bei den Grundstückspreisen wird die Nachfrage nach lebenslaufbeständigem Wohnraum nicht ausschließlich über Neubau-Aktivitäten zu befriedigen sein. Deshalb zeigt Malte Maurer, Deutsche Wohnen SE, in seinem Beitrag ‚Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen‘ auf, was bei Sanierungsprozessen im laufenden Betrieb zu beachten ist. Der Spagat zwischen der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und die Einhaltung von baurechtlichen Erfordernissen fordert ein gut aufeinander abgestimmtes Management. Am Ende können dann, gerade durch die Sanierung von Baudenkmälern, wertsteigernde Resultate erzielt werden. Teil II ‚Konzepte und Best Practice‘ widmet sich klug und kreativ umgesetzten Strategien zur Schaffung von nutzergerechten Lebensräumen. Den Anfang macht

8

Einleitung

Julian Weyer von C. F. Møller in seinem Beitrag‚ Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen‘. Für C. F. Møller ist Architektur kein Selbstzweck, sondern sollte gestalterische Rahmenbedingungen schaffen, welche Lebensqualität, Selbstwertgefühl und Würde vermitteln. Dass Immobilien kein spekulatives Gut sein sollten, ist der Kern des genossenschaftlichen Gedankens, der ein Generationen-Wohnprojekt in München beherrscht. Das genossenschaftliche Wohnen begreift sich als Prozess der Inklusion, meint Architekt Ritz Ritzer und stellt in seinem Beitrag ‚Genossenschaftliches Wohnen in einer Metropole‘ das Projekt Wagnisart vor. Wie schwierig und doch lösbar es ist, ein Denkmal so in einen Neubau zu integrieren, dass selbst das Bauamt eine Ausnahme macht, zeigt das Beispiel des Hartwig-Hesse-Quartiers in Hamburg. ‚Wohnen im Denkmal‘ heißt dann auch der Beitrag von Maik Greb, der sich mit einem ebenfalls generationenübergreifenden Bau beschäftigt. Auch wenn die Kosten für die Sanierung höher liegen als für einen Neubau, ist es bei diesem Best-Practice-Beispiel gelungen, einen lebenswerten Sozialraum im Quartier zu schaffen. Ein starkes Plädoyer für die Verwendung des Rohstoffs Holz als Basis für nachhaltiges Bauen ist ‚Woodie – ein Universal-Design-Projekt‘. Torsten Rieckmann vom Projektentwickler Senectus erklärt, wie man mit vorgefertigten Holzmodulen viel kostbare Bauzeit einsparen und gleichzeitig modular und flexibel bauen kann. Woodie ist ein Projekt, das für Studenten konzipiert worden ist. Es kann jedoch auch als Blaupause für das Wohnen im Alter verwendet werden. Zum Abschluss vermittelt der Kunstwissenschaftler und Projektentwickler Christoph Metzger seine Vision davon, wie landschaftliche Qualitäten in urbane Räume integriert werden können. Sein Beitrag ‚Sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen. Neurowissenschaftliche Raumkonzepte‘ zeigt auf sehr anschauliche Weise, welche sensorischen Fähigkeiten durch sinnvolle Architektur und Innenraumgestaltung gefördert und angesprochen werden können. Michael Schlenke ist Redakteur bei CARE Invest. Einer seiner Schwerpunkte liegt auf zukunftsorientierten Formen des Wohnens im Alter.

Wohnformen im Alter9

1 Versorgungssituation und Investitionspotenzial für Betreutes Wohnen Dr. Michael Held

Seite 12

2 Die Pflegebedarfsstatistik 2018 Sebastian Meißner

Seite 20

3 Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen Klaus-Peter Hesse

Seite 30

4 Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen Dr. Malte Maurer

Seite 42

Dr. Michael Held Vorstandsvorsitzender der TERRAGON AG

12

1

Versorgungssituation und Investitionspotenzial für Betreutes Wohnen 

von Dr. Michael Held

D

er demografische Wandel ist bereits in vollem Gange. Bis 2030 wird die Zahl der über 65-jährigen Deutschen voraussichtlich auf knapp 22 Millionen steigen, die der über 80-Jährigen auf mehr als sechs Millionen. Die weit überwiegende Mehrheit der aktuellen und zukünftigen Senioren wünscht sich, in der eigenen Wohnung alt zu werden. Nicht jede Wohnung ist dafür allerdings geeignet, und viele ältere Menschen benötigen – heute oder in der Zukunft – Unterstützung im Alltag, die bis zu professionellen ambulanten Pflegeleistungen reichen kann. Um möglichst vielen Bürgern ein Alter in Würde mit einer lebenswerten Umgebung und angemessenen Versorgung zu ermöglichen, braucht Deutschland einen flächendeckenden Ausbau von Angeboten des Betreuten Wohnens. Der Bedarf an altersgerechten Wohnmodellen in Deutschland ist nicht zu übersehen. Das Angebot bleibt bislang allerdings weit dahinter zurück: 94 Prozent aller deutschen Kommunen sind im Bereich des Betreuten Wohnens unterversorgt, in den 30 größten Städten können im Durchschnitt nur 3,3 Prozent aller über 65-Jährigen in entsprechenden Einrichtungen versorgt werden. Vor allem in Klein- und Mittelstädten ist die Quote zu niedrig, obwohl hier mehr als die Hälfte der Bevölkerung (und ein entsprechend hoher Anteil der Senioren) lebt. Unter den Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern finden sich zwar einige der besten, aber auch die schlechtesten Quoten. Über alle Gemeindegrößen hinweg existiert also eine deutliche Versorgungslücke. Hinzu kommt, dass die potenziellen Nutzer unterschiedliche Ansprüche an die Einrichtungen haben, was deren bauliche und ästhetische Ausgestaltung, die angebotenen Dienstleistungen und mögliche zusätzliche Services betrifft. Das bedeutet, dass selbst diejenigen Senioren, denen ein Platz in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens zur Verfügung stehen würde, Schwierigkeiten haben, unter den kleinteilig differenzierten Angeboten eine passende Auswahl zu finden, die ihren Wünschen entgegenkommt und gleichzeitig in der Nähe ihres aktuellen Wohnortes (und damit ihres sozialen Netzes) liegt.

Wohnformen im Alter13

Bevölkerungsentwicklung bis 2030 in Deutschland nach Altersklassen +28%

7,0

+4,8 Mio. (von 17,0 auf 21,8 Mio. ü. 65-jährige)

6,32

6,0

Millionen

über 65 Jährige

5,20

5,0

4,43

4,0

4,0

+38%

4,10

3,0

2,39

über 80 Jährige

+1,7 Mio. (von 4,5 auf 6,2 Mio. ü. 80-jährige)

2,91

2,0

1,45

1,88 0,58

1,0

1,14 0,10 0,29

0,0 65 - 69

70 - 74

75 - 79

80 - 84 2014

85 - 89

90 - 94

95+

2030

Quelle: Destatis: Annahmen: Geburtenrate 1,4 Kinder je Frau, Lebenserwartung bei Geburt für Jungen 84,8/Mädchen 88,8 Jahre, langfristiger Wanderungssaldo 200 080 (G1-L1-W2)

Prognostizierte Bevölkerungsentwicklung bis 2030 der Altersgruppen ab 65: Die Anzahl der Deutschen im Rentenalter wird deutlich zunehmen. Das stärkste Wachstum weisen die Neurentner von 65 bis 69 Jahren sowie die Hochbetagten ab 80 Jahren auf.

Bevorzugte Wohnform von älteren Menschen 100

in %

90 80 70 60 50 40 30

Allein oder mit dem Partner zu Hause

20

Wohnen mit besonderem Service (Seniorenstift / Residenz) Senioren - WG

10

Generationen - WG Zusammen mit den Kindern

0

50 - 60 Jahre

61 - 70 Jahre

71 - 75 Jahre

Quelle: Jones Lang LASalle & DPF AG 2013

Bevorzugte Wohnform von älteren Menschen: Mehr als 90 Prozent wollen in ihrem Zuhause bleiben. Vor allem Ältere bevorzugen das Wohnen mit Service als Alternative. Während sich die Altersgruppe zwischen 50 und 60 Jahren neuen Wohnformen wie Senioren- oder Generationen-WGs gegenüber offen zeigt, gehört auch dort das Servicewohnen für mehr als die Hälfte der Befragten zu den besten Alternativen.

14

Versorgungssituation und Investitionspotenzial für Betreutes Wohnen

Die 30 größten deutschen Städte nach BW-Versorgungsgrad (in % der 65+) Frankfurt am Main Leipzig Stuttgart Hamburg Hannover Nürnberg Kiel Essen Wiesbaden Braunschweig Chemnitz Berlin Augsburg Karlsruhe Müsnter Köln Bielefeld Dresden Bremen Düsseldorf Bonn Aachen Dortmund München Mannheim Bochum Wuppertal Duisburg Gelsenkirchen Mönchengladbach Top - 5 -Städte Top - 10 - Städte Top - 30 - Städte

7,7 7,6 6,1 4,8 4,6 4,5 4,5 4,5

Ø Top-5-Städte 6,0% der 65+

4,3 4,1 3,8 3,8 3,6 3,4 3,2 3,1 3,1 3,0

Ø Top-10-Städte 5,2% der 65+

2,9 2,8 2,6 2,1 2,0 1,8 1,6 1,3 1,0 0,9 0,7 0,5

Ø Top-30-Städte 3,3% der 65+

3,3

5,2

6,0

Quelle: eigenen Darstellung (e.D.) und Berechnung nach GFK Geomarketing 2014

Die Versorgung mit Betreutem Wohnen in den 30 größten deutschen Städten: Spitzenreiter in dieser Hinsicht ist Frankfurt am Main, wo für 7,7 Prozent der über 65-Jährigen Betreute Wohnungen verfügbar sind. Durchschnittlich haben nach aktuellem Stand nur 3,3 Prozent der über 65-Jährigen in den 30 größten deutschen Städten die Möglichkeit, in Einrichtungen des Betreuten Wohnens unterzukommen.

Ein Großteil der Betroffenen verfügt über die finanziellen Mittel, um sich adäquate Angebote des Betreuten Wohnens leisten zu können: Bei einer angestrebten Mietbelastung von nicht mehr als 50 Prozent des verfügbaren Monatseinkommens können gegenwärtig 58 Prozent der Rentner monatlich bis zu 1.000 Euro für Unterkunft und Dienstleistungsangebote ausgeben, 27 Prozent (also deutlich mehr als ein Viertel) sogar 2.000 Euro. Die durchaus vorhandenen regionalen Unterschiede weisen dabei einige Überraschungen auf: Neben bekanntermaßen wohlhabenden Landkreisen wie München und Starnberg können beispielsweise auch in Aachen mehr als 80 Prozent der Seniorenhaushalte bis zu 1.000 Euro monatlich für Miete und Service aufbringen. Das Kaufkraftpotenzial ist also vorhanden, und zwar nicht nur in ausgewählten Regionen, sondern in weiten Teilen Deutschlands. Nun gilt es, entsprechende Angebote zu machen. Prinzipiell besteht Betreutes Wohnen aus der Kombination von barrierefreiem Wohnraum (gemäß DIN 18040-2) mit Grund- und Wahldienstleistungen. Die DIN 77800 definiert die Mindestanforderungen an Einrichtungen,

Wohnformen im Alter15

Durchschnittliche BW-Versorgungsgrad (%) nach Gemeindeklasse 20.000 - 50.000

50.000 - 100.000

100.000 - 250.000

250.000 - 500.000

> 500.000

4,5 4,09

Versorgungsquote (65+) in %

4 3,5 in der Gemeindeklasse < 20.000 befinden sich sowohl die best- als auch die schlecht-versorgtesten

3

Gemeinden/ Städte mit BW 2,5

2,36

2,14 1,9

2

1,63

1,5

1,26

1 0,5 0 500.000

Einwohnerzahl in Klassen

Durchschnittlicher Versorgungsgrad mit Betreutem Wohnen nach Gemeindegrößen: In den Metropolen ab 500.000 Einwohnern gibt es durchschnittlich 4,09 Betreute Wohnungen je 100 Einwohner über 65. Dennoch gehören die Spitzenreiter nicht unbedingt in diese Größenklasse: Kleinstädte und Gemeinden unter 20.000 Einwohnern sind zwar im Durchschnitt schlechter versorgt, weisen aber mehrere positive Ausreißer auf. Potenzial

Anteil

16.000

100 % 85%

14.000

90% 80%

12.000

71%

HH (60+) in Tausende

70% 53%

10.000

60% 48%

8.000

50% 39%

6.000

40%

32% 27%

4.000

23%

30% 19%

2.000

20% 10%

0

0% 500

750

1.000

1.250

1.500

1.750

2.000

2.250

2.500

Miete in Euro/Monat

Mietenpotenzial der Senioren in Deutschland: Wenn die Bruttowarmmiete maximal 50 Prozent des monatlich verfügbaren Einkommens betragen soll, können sich gut zwölf Millionen Haushalte von über 60-Jährigen eine Miete von 500 Euro oder mehr leisten. Das entspricht einem Anteil von 86 Prozent der Haushalte in dieser Altersgruppe.

16

Versorgungssituation und Investitionspotenzial für Betreutes Wohnen

Service-Wohnen für Senioren: Bedarf & Potenzial finanzierbarer WE 900.000

850.000

Bedarf und Angebot BW gesamt

„BW“ bis 600€/m.

Selbst finanzierbare BW ab 600€/Monat (höherw. prio.) Nach 4*, 2*, Basic

Gesamt

Zum Vergleich 5% d. Haushalte

700.000 600.000

600.000

550.000

500.000

450.000

400.000

350.000

300.000 200.000

Bestand BW

200.000

150.000 100.000

100.000

4 **** plus (60m2, 1800Euro/Monat)

2** (50m2, 900Euro/Monat)

100.000 0

Bedarf und Finanzierungspotenzial von Servicewohnen für Senioren: Bei einem Gesamtbedarf von fünf Prozent aller Einwohner ab 65 ergibt sich eine Nachfrage von insgesamt rund 850.000 Betreuten Wohnungen. Dem steht ein aktueller Bestand von nur 300.000 Wohneinheiten gegenüber. Von den 550.000 neu zu errichtenden Wohnungen können etwa 100.000 Wohneinheiten in die Preisklasse um 1.800 Euro pro Monat fallen. So viel kostet normalerweise eine Wohnung in einer Vier-Sterne-Einrichtung.

ist allerdings für die Vielfalt des Marktes ebenso wie die der Kundenwünsche nicht feinmaschig genug. Um den stark ausdifferenzierten Markt transparenter und die zahlreichen unterschiedlichen Angebote vergleichbar zu machen, können Nutzer wie Investoren sich stattdessen (beziehungsweise zusätzlich dazu) am Klassifizierungssystem der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) e. V. orientieren, das anhand von über 300 Kriterien analog zu den Hotelbewertungen der DEHOGA fünf Stufen definiert. Zwei-Sterne-Einrichtungen nach dieser Klassifizierung, die einer soliden Mittelklasse entsprechen, kosten bei 50 Quadratmetern Wohnfläche im Bundesdurchschnitt etwa 900 Euro, Vier-Sterne-Angebote, die hochwertigen Wohnkomfort und Service versprechen, schlagen mit etwa 1.800 Euro pro Monat zu Buche. Verrechnet man diese Kosten mit dem vorhandenen Kaufkraftpo-

Wohnformen im Alter17

5% aller Haushalte 65+

5% aller Haushalte 70+

-300.000

Gesamt-Potenzial BW (davon 70+ / Basic 2**+4****)

-400.000

Basic (30m2, 600Euro/Monat)

-300.000

Bedarf-Rest-Volumen

-200.000

Saldo-Bedarf BW

-100.000

Gesamtbedarf BW: 5% der Einwohner 65+

WE: Bedarf, Angebot, Potenzial, Haushalte

800.000

Wohneinheiten nach Einrichtungen in Deutschland nach Größe (Anzahl der Wohneinheiten)

6,86%

1,13%

0,00%

17,86%

13,31%

38,49% 22,35%

k.A. 1-29 WE 30-79 WE 80-149 WE 150-299 WE 300-599 WE 600-999 WE * Grundgesamtheit: 6.860 Einrichtungen

Wohneinheiten des Betreuten Wohnens in Deutschland nach Größe der Einrichtung: Knapp 18 Prozent aller Betreuten Wohnungen befinden sich in Einrichtungen, die jeweils weniger als 30 Wohnungen umfassen. Die größten Einrichtungen mit 600 und mehr Wohneinheiten stellen nur 1,13 Prozent des Gesamtangebots an Betreuten Wohnungen.

tenzial sowie dem Bedarf, der sich aus der Versorgungslücke ergibt, erweist sich allein in diesen beiden Kategorien ein Bedarf beziehungsweise ein Investitionspotenzial von rund 100.000 Wohneinheiten. Insgesamt lässt sich das Potenzial mit rund 65 Milliarden Euro beziffern. Bei genauer Betrachtung der derzeitigen Marktsituation in Deutschland zeigt sich, dass vor allem kleinere Einrichtungen mit bis zu 30 Wohnungen dominieren. Etwa die Hälfte der knapp 7.000 Häuser in der Bundesrepublik fällt in diese Kategorie, weitere 36 Prozent bieten bis zu 80 Wohneinheiten an. Aufgrund von organisatorischen und baulichen Gegebenheiten können diese Einrichtungen nur ein eingeschränktes Angebot machen, da bestimmte Services erst ab einer gewissen Mindestgröße wirtschaftlich – oder überhaupt – interessant werden. Ein Inhouse-Wellnessbereich wird etwa nur von einem kleinen Teil der Bewohner genutzt, ist im Betrieb aber relativ aufwendig – in Einrichtungen mit unter 100 Bewohnern

18

Versorgungssituation und Investitionspotenzial für Betreutes Wohnen

ist er also wenig sinnvoll. Dementsprechend gibt es, wie bereits erwähnt, nicht nur zu wenige Angebote insgesamt. Es fehlen insbesondere Einrichtungen, die der zahlungskräftigen Mittelschicht einen adäquaten Service in der Nähe ihres aktuellen Wohnortes bieten – unabhängig davon, in welchem Teil Deutschlands sich dieser Wohnort befindet. Das Fazit liegt auf der Hand: Es existiert eine kaufkräftige Nachfrage nach ausdifferenzierten Angeboten des Betreuten Wohnens in den deutschen Städten. Demografische und ökonomische Prognosen zeigen, dass diese Nachfrage in den kommenden Jahren noch steigen wird. Potenziale für erfolgreiche Investitionen bieten sich dabei in allen Gemeindegrößen und Qualitätsstufen sowie unabhängig von der Anzahl der Wohneinheiten. Da der Anteil von Service-, Gemeinschafts- und Nutzflächen in Einrichtungen des Betreuten Wohnens deutlich über dem von gewöhnlichen Mehrfamilienhäusern liegt, ist die Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche höher. Hinzu kommen die hohe Qualität der Ausführung und die für Barrierefreiheit sowie gegebenenfalls bestimmte Serviceangebote nötigen baulichen Sonderausstattungen. Je höher die Kategorie einer Einrichtung nach dem Klassifizierungssystem der gif, desto größer ist der Abstand der Nettokaltmiete pro Quadratmeter zu dem von vergleichbaren normalen Wohnungen.

Wohnformen im Alter19

Sebastian Meißner Produktmanager Pflegedatendank pm pflegemarkt.com GmbH

20

2

Die Pflegebedarfsstatistik 2018 Wachstumschancen und Bedarfe von Sebastian Meißner

O

ft sind die Bedarfe und Entwicklungen nicht eindeutig zu erkennen. Die wichtigste Grundlage der Bedarfsberechnung, die amtliche Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes, ist bereits bei Erscheinen veraltet, basiert sie doch auf einem bereits zwei Jahre zurückliegenden Stand der Informationsgrundlage. Hier greift die offizielle Pflegebedarfsstatistik von pflegemarkt.com – mit tagesaktuellen Daten wird endlich ein fundierter und vollumfänglicher Blick auf den deutschen Pflegemarkt ermöglicht. Kaum ein anderer Markt ist in Deutschland aktuell so präsent wie der Pflegeund Gesundheitsmarkt. Der demografische Wandel ist in vollen Gange, Fachkräfte sind typischerweise knapp und der Bedarf an ambulanten und vollstationären sowie alternativen Pflegekonzepten steigt folglich weiter stark an. Doch die regionale Entwicklung und aktuelle Versorgungsquote weist große Unterschiede auf. Während einigen Regionen Deutschlands in der Tendenz eine Abnahme der Bevölkerung und somit sinkender Bedarf prognostiziert wird, sind andere Regionen bereits heute deutlich unterversorgt. In einem so dynamisch und extrem schnell wachsenden Markt wie dem Pflegemarkt in Deutschland, in dem auch die Abgrenzung zwischen den einzelnen Segmenten zunehmend schwerer fällt, fehlt somit eine valide wie aktuelle und insbesondere einheitliche Datenbasis für die Pflegebedarfsrechnung. Neben den klassischen Segmenten der ambulanten und vollstationären Pflege nehmen Angebote für Tagespflege und betreutes Wohnen mittlerweile erheblichen Einfluss auf den Markt, finden aber aufgrund fehlender einheitlicher Definitionen und Regelungen keine Berücksichtigung in statistischen Auswertungen. Nicht zuletzt die Kommunen, in deren Aufgabenbereich im Zuge des Pflegestärkungsgesetzes 3 (PSG 3) die Koordinierung und Steuerung der Pflege- und Beratungsangebote fällt, tun sich schwer. Unter diesen Gesichtspunkten hat pflegemarkt.com auf Basis der Pflegedatenbank eine Pflegebedarfsstatistik entwickelt, die eine Darstellung aktueller Versorgungsquoten auf Regionalebene ermöglicht und die Bevölkerungsprognose bis 2030 berücksichtigt.

Wohnformen im Alter21

Wachstumsrate Tagespflege bei über 10 Prozent pro Jahr Während der Gesamtmarkt weiterhin kräftig wächst, sinkt die Wachstumsrate vollstationärer Pflegeplätze. Lag die Zunahme der Jahre 2013 und 2015 jeweils noch deutlich über 2 Prozent, beträgt das Wachstum aktuell nur noch 1,9 Prozent in drei Jahren. Insgesamt stehen in den rund 11.500 stationären Pflegeeinrichtungen derzeit rund 880.000 Pflegeplätze zur Verfügung. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der Einrichtungen stärker als in den Auswertungszeiträumen zuvor. Dies unterstreicht die Tendenz zu kleineren, spezialisierten Häusern und Residenzkonzepten. Einen wahren Boom erfahren dagegen teilstationäre Versorgungsformen wie beispielsweise der Bereich der Tagespflege. Mit einer Wachstumsrate von jährlich über 10 Prozent wird dieses Segment immer interessanter und zunehmend zu einer zentralen Säule in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Insbesondere in Kombination mit ambulanten Pflegediensten, deren Anzahl weiterhin zwischen 5 und 8 Prozent jährlich steigt, sowie alternativen Wohnformen lassen sich Konzepte realisieren, die sowohl auf Patienten- als auch auf Betreiberseite großen Anklang finden.

Versorgungsquote im stationären Bereich bei 10 Prozent Besondere Relevanz in der Prognose von Bedarfsanalysen hat die Bevölkerungsschicht im fortgeschrittenen Alter. Die zugrunde liegende Analyse basiert auf der Altersgruppe ab 75 Jahren, deren Pflegebedürftigkeit in der Pflegestatistik 2015 mit einer Quote von 25 Prozent ausgewiesen ist. Im Bundesschnitt stehen für 10 Prozent der Bevölkerung ab 75 Jahre Plätze mit einer vollstationären Versorgung in Pflegeheimen zur Verfügung. Dabei sind teils erhebliche regionale Abweichungen festzustellen. Bereits auf Bundeslandebene schwankt die Versorgungsquote zwischen 9,4 Prozent in Brandenburg und 13,7 Prozent in Schleswig-Holstein; dies bedeutet, dass Schleswig-Holstein die bundesweit höchste Dichte stationärer Pflegeplätze in Relation zur Bevölkerung ab 75 Jahre aufweist. Auf der anderen Seite ergeben sich regional große Chancen für Betreiber, in Bereichen mit einer niedrigen Quote aktiv zu werden. Neben Großstädten wie München (5,8 Prozent) und Düsseldorf (8,95 Prozent) ergibt die Analyse teils auch für weitere große und größere Städte mit bis zu 100.000 Einwohnern eine deutlich unterdurchschnittliche Versorgungsquote im stationären Segment.

22

Die Pflegebedarfsstatistik 2018

14,5* 14,0 13,5

Versorgungsquote stationär (in Prozent) in Relation zur Bevölkerung ab 75 Jahren 12,94

13,0 12,5 12,0 11,5

11,74

11,0 10,5 10,0 9,5 9,0

13,74

10,02 10,06 10,09

10,33 10,36

10,64 10,71

11,98

12,20

10,97 Ø 10,57

9,65 9,37 9,49

8,5 8,0 7,5 7,0

BB *in Prozent

RP

BW

NW

HE

BY

TH

SN

ST

HB

SL

MV

BE

HH

NI

SH

Quelle: Offizielle Pflegebedarfsstatistik, pflegemarkt.com, abgerufen am 03.09.2018

Ambulante Versorgung bundesweit bei knapp 30 Prozent Die stärkste Säule in der Pflegebedarfsermittlung stellen ambulante Pflegedienste, deren Anzahl weiterhin stark zunimmt. An bundesweit rund 15.000 Standorten versorgen die Anbieter insgesamt 1,35 Millionen Menschen. Bei der Berechnung werden sämtliche gemäß aktuellen Angaben in den MDK-Transparenzberichten der Unternehmen durch ambulante Pflegedienste versorgte Personen berücksichtigt. Im Gegensatz hierzu werden in der Pflegestatistik, die für das Jahr 2015 rund 700.000 ambulante Versorgungen ausweist, ausschließlich Personen mit einer tatsächlichen Pflegebedürftigkeit gezählt, durch ambulante Dienste versorgte Patienten mit Privat- oder Krankenkassenleistungen werden hingegen nicht erfasst. Insgesamt ergibt sich somit in Relation zur Bevölkerung ab 75 Jahre eine Quote von 27,9 Prozent. Im Vergleich der beiden Segmente lässt sich so der Ambulantisierungsgrad ableiten. Bundesweit liegt dieser aktuell bei 1,57. Den höchsten Ambulantisierungsgrad,

Wohnformen im Alter23

Ambulantisierungsgrad nach Bundesländern (Verhältnis ambulant zu stationär)

Quelle: Offizielle Pflegebedarfsstatistik, pflegemarkt.com, abgerufen am 03.09.2018

also das Verhältnis ambulanter zu stationären Angeboten, weist das Bundesland Brandenburg auf, während der Pflegemarkt in Bayern, Schleswig-Holstein und im Saarland deutlich stationärer geprägt ist. Noch größere Schwankungen zeigen die Statistiken auf Landkreis- und Gemeindeebene. Mit einem Ambulantisierungsgrad von 0,71 weist der Landkreis Landshut in Bayern den bundesweit niedrigsten Wert aus, während der Landkreis Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz mit 3,54 eine außergewöhnlich starke ambulante Prägung zeigt. Wird die Zahl der ambulanten Neugründungen im Verlauf von einem Jahr (September 2017 bis September 2018) zu der Anzahl der Einwohner ab 75 Jahren in Relation gesetzt, zeigt sich vor allem Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Zwar macht die Anzahl der Neugründungen in dem nordöstlichen Bundesland nur 4 % der Gesamtgründungen aus, es ergibt sich bei einer Zahl von 198.969 Einwohnern ab 75 Jahren dennoch ein Index von 1,21 ambulanten Neugründen pro 10.000 Einwohner ab 75. Auch in Sachsen-Anhalt, dem Saarland und Brandenburg wurden im Vergleich zur Anzahl der betagten Einwohner sehr viele Einrichtungen gegründet. Die

24

Die Pflegebedarfsstatistik 2018

gründungsstarken Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen gehören letztlich auch zu den Bundesländern mit den meisten älteren Bewohnern und liegen somit im Indexvergleich nur im Mittelfeld. In Baden-Württemberg indes leben zwar 1.124.991 Einwohner ab 75 Jahren, mit 57 Neugründungen liegt das Bundesland jedoch eher am unteren Ende der Indexskala.

Größtes Potenzial im Segment der Tagespflege Trotz der hohen Wachstumsrate im Segment der Tagespflege liegt die Versorgungsquote aktuell noch in einem sehr niedrigen Bereich. Bundesweit stehen derzeit etwa 62.000 Plätze in Tagespflegeeinrichtungen zur Verfügung – in Relation zur Bevölkerung ab 75 Jahre beträgt die Quote somit deutlich weniger als 1 Prozent. Auffällig ist, dass in den neuen Bundesländern durchweg deutlich mehr Plätze zur Verfügung stehen. In Mecklenburg-Vorpommern (1,81 %), Brandenburg (1,34 %) und Sachsen-Anhalt (1,13 %) liegt die Quote mehr als doppelt so hoch wie beispielsweise in Bayern (0,53 %), Hessen (0,57 %) oder Rheinland-Pfalz (0,58 %). In Relation zur Bevölkerung stehen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen nur 68 Plätze je 10.000 Einwohner ab 75 Jahre zur Verfügung. Noch größere Abweichungen wurden in den Bundesländern Rheinland-Pfalz (65 Plätze je 10.000 Einwohner ab 75) und Hessen (62 Plätze je 10.000 Einwohner) ermittelt. Das größte Steigerungspotenzial zeigt sich in Bayern: Hier kommen auf 10.000 Einwohner ab 75 Jahren nur 59 Tagespflegeplätze. Mit 83 Plätzen je 10.000 Einwohner ab 75 liegt von den südlichen Ländern einzig Baden-Württemberg genau im Bundesschnitt. Ein anderes Bild zeichnet sich beim Blick in den Osten der Republik. Die neuen Bundesländer weisen eine überdurchschnittlich hohe Versorgungsquote auf. Während der Bundesschnitt für Tagespflegeplätze pro 10.000 Bewohner ab 75 Jahren bei 83 Plätzen liegt, weisen alle östlichen Bundesländer im Mittel über 100 Plätze pro 10.000 Bewohner in besagter Bevölkerungsgruppe auf. Zu begründen ist diese Entwicklung unter anderem auch mit der „Überalterung“ der Bevölkerung, der Anteil der Bevölkerung ab 75 Jahre liegt in den neuen Bundesländern mit 10,2 Prozent deutlich über dem Wert in den alten Bundesländern. Dort beträgt der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe 9,2 Prozent. Eine auffallend niedrige Versorgungsquote gibt es in Metropol- und Ballungsgebieten. Dies liegt nicht zuletzt an hohen Mieten und fehlenden Immobilien. In Bundesländern mit hohen Mietspiegeln sind die teuren Immobilien durch Tages-

Wohnformen im Alter25

Tagespflegequote in Relation zur Bevölkerung ab 75 Jahre HH

0,51

BY

0,53

BE

0,54

HE

0,57

RP

0,58

NW

0,62

SL

0,69

BW

0,75

SH

0,78

HB

0,92

TH

0,94

NI

0,95

SN

0,96

ST

1,13

BB

1,34

MV

1,81 Ø 0,85

Quelle: Offizielle Pflegebedarfsstatistik, pflegemarkt.com, abgerufen am 03.09.2018

pflegen oftmals nicht refinanzierbar und somit für Betreiber wenig attraktiv. Besonders deutlich wird dies bei Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg, welche beide eine unterdurchschnittliche Versorgung aufweisen. Wenngleich Berlin (8 % Einwohner ab 75) sowie Hamburg (9 % Einwohner ab 75) zu den Bundesländern mit dem geringsten Seniorenanteil zählen, weisen die beiden Städte mit 62 und 56 Tagespflegeplätzen pro 10.000 Bewohner ab 75 Jahre die niedrigsten Werte im Ranking der Bundesländer auf.

Betreutes Wohnen mit erheblichem Einfluss auf die Bedarfsanalyse Ein Segment, welches in den amtlichen Statistiken nicht zu finden ist, aber dennoch einen erheblichen Einfluss auf die vollständige Bedarfsanalyse hat, ist der Bereich

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Die Pflegebedarfsstatistik 2018

Bundesländer mit dem höchsten ungedeckten Bedarf an Betreutem Wohnen

100.000 90.000 80.000 70.000

Anzahl Wohnungen Prognostizierter Bedarf

60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000

Hessen

Niedersachsen

Bayern

Baden Württemberg

Nordrhein Westfalen

0

Quelle: Offizielle Pflegebedarfsstatistik, pflegemarkt.com, abgerufen am 03.09.2018

um das betreute Wohnen. Aufgrund fehlender Reglementierung und nicht einheitlicher Definitionen fällt die Datenerhebung hier umso schwerer. Im Zuge der Ambulantisierung und der zunehmend verschmelzenden Abgrenzungsmöglichkeiten der einzelnen Segmente des Pflegemarktes nimmt die Bedeutung des betreuten Wohnens weiter zu. Bundesweit befinden sich derzeit rund 300 solcher Einrichtungen entweder in der Planung oder bereits im Bau. Zum Vergleich: Im Segment der Pflegeheime gibt es mit aktuell 240 Bauprojekten deutlich weniger Einheiten. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Einrichtungen auf etwa 6.000 bis 7.000 Standorte, je nach Zählweise. Entscheidend ist, dass jedem Bewohner eine eigene, abschließbare Wohnung zur Verfügung steht und Pflegeleistungen hinzugebucht werden können. Die exakte Bedarfsermittlung schwankt derzeit noch stark – während optimistische Rechnungen von einem Bedarf in Höhe von 5 Prozent der Bevölkerung ab 65 Jahre ausgehen, ist im Zusammenhang der segmentübergreifenden Pflegebedarfsstatistik ein realistischer Bedarf in Höhe von 2,5 Prozent der Bevölkerung ab 65 Jahre an-

Wohnformen im Alter27

zunehmen. Fakt ist, dass selbst bei dieser Quote die aktuelle Deckung des Bedarfs bei unter 70 Prozent liegt und somit weiterhin Wachstumspotenzial bildet.

Fazit In dem sich zunehmend konsolidierenden Markt wird das weitere Wachstum zukünftig vermutlich verstärkt durch Bauaktivitäten realisiert. Die permanenten Änderungen der Angebotskultur sowie schwindende Abgrenzungsmöglichkeiten der einzelnen Sektoren erschweren die Einschätzung potenzieller Standorte. Daher muss eine zukunftsorientierte Pflegebedarfsplanung unter anderem zwingend auch die regionalen Angebote des betreuten Wohnens und der ambulanten Wohnkonzepte berücksichtigen. Amtliche Veröffentlichungen und Statistiken zeigen an dieser Stelle große Schwächen aufgrund fehlender Standards und veralteter Informationen. Die aktuelle Pflegebedarfsstatistik ermöglicht hierbei eine sektorübergreifende Darstellung der regionalen Versorgungsstrukturen auf Gemeinde-, Landkreis- und Bundeslandebene. In Kombination mit demografischen Merkmalen und Prognosedaten werden Bürgermeister, Gemeinden und Kommunen, denen im Zuge des PSG 3 die Zuständigkeit für die Pflegebedarfsermittlung und -koordination zugefallen ist, unterstützt.

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Die Pflegebedarfsstatistik 2018

Klaus-Peter Hesse Sprecher der Geschäftsführung beim ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss

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3

Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen von Klaus-Peter Hesse

„A

uf die Beiträge und Potenziale, die ältere Menschen für unsere Gesellschaft leisten, können, dürfen und wollen wir nicht verzichten. Ihre Lebenserfahrung und ihr Rat sind wichtig. Sie sollen möglichst lange gesund und aktiv bleiben, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben und selbstbestimmt in Würde alt werden können.“ So haben es sich CDU, CSU und SPD 2018 vollmundig in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Weiter heißt es: „Das bedeutet vor allem eine gute Infrastruktur in unseren Kommunen und den Aufbau eines seniorengerechten Wohnumfelds und einer entsprechenden Nachbarschaft. Wir setzen auf einen weiteren Ausbau unterschiedlicher und ortsnaher Beratungs-, Bildungsund Unterstützungsangebote sowie unterschiedlicher Wohnformen, um den vielfältigen Bedürfnissen und Wünschen älterer Menschen gerecht zu werden und die Selbstbestimmung im Alter zu ermöglichen. Wir wollen Hürden beim Ausbau alternativer Unterstützungs- und Wohnformen […] beseitigen und Seniorengenossenschaften stärken.“ Menschen wollen möglichst lange selbstständig in ihrer gewohnten Umgebung leben. Diese gesellschaftliche Entwicklung ist mittlerweile auch politischer Konsens. Jedoch laufen die Schlüsse, die für die Gesetzgebung bislang daraus gezogen werden, diesem Ziel zuwider oder gehen nicht weit genug. Der moderne Quartiersgedanke und die Digitalisierung sind jedoch Entwicklungen, die ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter ermöglichen. Ebenso steht die Immobilienwirtschaft zur gemeinsamen Verantwortung, mit der Politik für bezahlbaren Wohnraum bis ins hohe Alter zu sorgen. Seit mehreren Jahren steht beim ZIA, dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, eine Nutzungsklasse auf der Agenda, die die Politik aktuell eher stiefmütterlich behandelt – Gesundheits- und Pflegeimmobilien. Als die Bundesregierung im vergangenen Jahr ihre Konzertierte Aktion Pflege vorstellte, lag die Hoffnung in der Luft, dass die Politik den Ernst der Lage erkannt hat: Aufgrund der Alterung der Gesellschaft ist laut einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung bis 2030 insgesamt mit 3,4 bis 3,5 Mil-

Wohnformen im Alter31

lionen Pflegebedürftigen zu rechnen. Bei gleicher Pflege- und Heimquote werden bis 2030 bis zu 321.000 neue stationäre Pflegeplätze benötigt. Zur Deckung der Nachfrage bis 2030 sind voraussichtlich weitere 30 Milliarden Euro an Neu-Investitionen nötig und zur Substanzerhaltung bereits bestehender Einrichtungen weitere rund 40 Milliarden Euro. Auch im Bereich barrierefreier oder barrierearmer Wohnungen gibt es erheblichen Bedarf. Die Prognos AG und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehen von einer Lücke von zwei Millionen Wohnungen aus, die entsprechend ertüchtigt werden müssen. Ohne privates Kapital wird dies nicht zu bewältigen sein. Ohne private Investoren aus dem In- und Ausland werden wir es schlichtweg nicht schaffen, auf den wachsenden Bedarf an bezahlbaren Pflegeplätzen in Deutschland zu reagieren. Beides – die Beseitigung des baulichen Pflegenotstands und die Förderung des Älterwerdens im Quartier – muss Hand in Hand gehen und gehört zu den großen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit, bei der die Immobilienwirtschaft eine tragende Rolle spielt. Unsere Branche ermöglicht bereits heute eine Pflegeinfrastruktur, die einerseits das Älterwerden in den eigenen vier Wänden, andererseits aber auch die stationäre Pflege deutlich verbessert. Wenn wir nicht aufpassen, steuern wir also auf eine riesige Verknappung von dringend benötigten Flächen für Pflegebedürftige zu. Im Koalitionsvertrag hat die Regierung zumindest Handlungsbedarf festgestellt und in Bezug auf die Fachkräftegewinnung sowie die familiären Rahmenbedingungen ausführliche Maßnahmen festgehalten. Es ist richtig, dass sie beschreibt, wie der dortige Fachkräftemangel gelöst werden soll. Es ist wichtig zu klären, wie die ambulante Versorgung finanziert werden soll. Dies sind wahrhaftig elementare Fragen. Doch aus der immobilienwirtschaftlichen Sicht muss man leider feststellen, dass Gesundheitsimmobilien mit keinem Wort erwähnt werden. Auch die sogenannte Konzertierte Aktion Pflege (KAP), an der immerhin drei Bundesministerien beteiligt sind, fokussiert sich leider auf den personellen, nicht aber auf den baulichen Pflegenotstand. Die Immobilienwirtschaft hätte sich gewünscht, dass etwa auch das Bundeswirtschafts- und das Bundesbauministerium an der Aktion beteiligt werden – was nicht geschehen ist. Zudem ist eine Einbindung der Länder bei diesem Thema zwingend notwendig, denn insbesondere bei den baulichen Anforderungen der Landesbauordnungen zeigt sich, wie unterschiedlich die einzelnen Länder agieren. Für die Immobilienwirtschaft ergibt sich daraus ein erheblicher Mehraufwand bei der Schaffung von neuen altersgerechten Flächen. Eine Harmonisierung der Bauordnungen auf Bundesebene – wenn nicht sogar eine einheitliche Bundesbauordnung – würde das länderübergreifende Engagement von Investoren und Entwicklern

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Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen

und die entsprechende Lösung des baulichen Pflegenotstands nachhaltig vereinfachen. Das Problem der drohenden Verknappung bei Gesundheitsimmobilien – in Verbindung mit der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Konkurrenz der Nutzungsarten in den Städten – müssen wir zwingend meistern. Denn die Politik unterschätzt, dass der Pflegesektor auch Platz zum Arbeiten braucht.

Neun Kernforderungen für Gesundheitsund Sozialimmobilien Vor diesem Hintergrund hat der ZIA mit seinem Ausschuss Gesundheitsimmobilien neun Kernforderungen formuliert, die wir konstant an Bund, Länder und Gemeinden weitergeben. Wir fordern endlich politische Aufmerksamkeit für Gesundheitsund Sozialimmobilien ein, denn hier gibt es einiges zu tun. 1. Die realistische Versorgungsperspektive „ambulant und stationär“ erfordert die Gleichberechtigung der stationären Pflegeversorgung. 2. Es bedarf angemessener finanzieller Rahmenbedingungen und Qualitätsanforderungen für die verschiedenen Pflegeformen, ob ambulant oder stationär, für die Pflegeanbieter wie für die Pflegebedürftigen. 3. Bei regulatorisch gefordertem Umbau von bestehenden Pflegeheimen müssen die Refinanzierungsmöglichkeiten sichergestellt werden, zum Beispiel analog der Modernisierungsregelungen im Wohnungsmietrecht durch Umlagemöglichkeit auf den Investitionskostensatz. 4. Die Modernisierung des Bestandes ist notwendig, aber angesichts der angespannten Versorgungssituation in verschiedenen Regionen sollten bestehende Pflegeplätze nicht vernichtet werden, bevor ausreichend neue Kapazitäten geschaffen sind. Es muss praktikable Übergangsregelungen geben, die sowohl die baurechtlichen und betrieblichen sowie auch finanziellen Belange des Umbaus berücksichtigen. 5. Um alternative Wohnformen, wie ambulant betreute Wohngruppen, Pflege-WGs etc. im nennenswerten Umfang umzusetzen, müssen die rechtlichen Regelungen auf Länderebene vereinheitlicht und erleichtert werden. Dazu braucht es eine verbindliche und praxisnahe Abgrenzung dieser Pflegeformen von Pflegeheimen. Es muss klar geregelt werden, welche Wohnformen unter welchen Bedingungen die hohen baulichen Auflagen von Pflegeeinrichtungen erfüllen müssen und welche nicht.

Wohnformen im Alter33

6. Die Rechtsprechung hat zu nicht praktikablen Anforderungen für die Vereinbarung von Investitionskostensätzen der Ansätze zur Refinanzierung der Bauund Grundstückskosten zwischen Kommunen und Trägern geführt. Die damit verbundenen Unsicherheiten sind ein erhebliches Investitionshindernis. Die Länder sind aufgerufen, die Berechnung marktgerechter Investitionskostensätze zur realistischen Refinanzierung von Bau- und Grundstückskosten für qualitätsvolle Pflegeheime gesetzlich neu zu regeln und damit für Planungssicherheit zu sorgen. Die Möglichkeit der marktgerechten Indexierung des Investitionskostensatzes beziehungsweise der Gebäudemieten muss sichergestellt werden. 7. Anstelle der von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen baulichen Vorgaben für stationäre Pflegeeinrichtungen ist die zügige Umsetzung einer einheitlichen „Musterbauordnung“ notwendig, mit dem Ziel, zu einer bundeseinheitlichen Harmonisierung der baulichen Anforderungen zu kommen. 8. Die Vorgaben von maximalen Pflegeheimgrößen oder einer Einzelzimmerquote halten wir für unnötig. Doppelzimmer können in bestimmten Lebenssituationen durchaus sinnvoll sein. Der Pflegebedürftige selbst, also der Wettbewerb, soll entscheiden, in welcher Einrichtung er gepflegt werden will. Verlässliche Investitionsbedingungen schaffen ein der Nachfrage entsprechendes redundantes Angebot und einen für den Pflegebedürftigen vorteilhaften Qualitätswettbewerb. Das führt für die Sozialsysteme zu keinen Mehrkosten. Sie bezahlen nur für belegte Pflegebetten. 9. Kein Rückbau der marktwirtschaftlichen Elemente im Pflegesystem durch kommunale Bedarfslenkung. Schutzreflexe für den kommunalen Haushalt und für ortsansässige Anbieter führen zu einer systematischen Unterschätzung der künftigen Nachfrage und bürokratischen Behinderung von Neubauten. Das wirtschaftliche Risiko für ein bedarfsgerechtes Angebot liegt beim Betreiber und Eigentümer und dort soll es auch weiterhin bleiben. Eine wichtige Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge bleibt, das Angebot vielfältiger Pflegeformen zu ermöglichen und einer Unterversorgung vorzubeugen. Ein erprobtes Mittel ist das Angebot kommunaler Grundstücke für stationäre und alternative Pflegeeinrichtungen. Dies schafft die Voraussetzungen für eine quartiersnahe Pflege und senkt die Pflegekosten für die Bürger und den kommunalen Haushalt.

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Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen

Älterwerden im Quartier: WohnenPlus Insbesondere der letzte Punkt – das Älterwerden im Quartier – wird beim ZIA als ein wichtiger Teil angesehen, der zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen herangezogen werden kann. Der ZIA hat bereits vor rund drei Jahren mit seiner Initiative WohnenPlus und der Übergabe des Positionspapiers an die Bundesregierung ein Umdenken gefordert. Die Initiative will den Staat bei den anstehenden Aufgaben nicht allein lassen und bringt sich mit eigenen Aufwendungen und Ideen in die Quartierslösung ein. Ältere Menschen benötigen andere Wohnungen und ein angepasstes Wohnumfeld. Sie benötigen Wohnraum plus, der an ihre jeweiligen Bedürfnisse angepasst ist. Dazu sind technische Veränderungen in den Wohnungen, aber insbesondere auch soziale Dienste nötig, die ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung überhaupt erst ermöglichen. Die Kompetenz der Wohnungsunternehmen liegt darin, bedarfsgerechte Wohnungen zu bauen und zu bewirtschaften. Ziel der Wohnungsunternehmen im Kontext WohnenPlus ist es daher, diese Maßnahmen im volkswirtschaftlichen Rahmen optimal umzusetzen. Hierzu müssen Wohnungen, insbesondere im Bestand, umgestaltet beziehungsweise modernisiert werden. Dies geschieht durch die Anpassung der Bäder (ebenerdige Dusche statt Wanne, Griffe, rutschfeste Böden etc.) und teilweise durch breitere Türen. Ebenso bietet die Digitalisierung vielfältige Chancen. Technische Assistenzsysteme (Ambient assisted living, AAL) können dazu beitragen, sich in der Wohnung sicherer zu fühlen und den Alltag zu erleichtern. Aber auch das Gesamtgebäude muss hierbei betrachtet werden. Wie kommen die Menschen in ihre Wohnung? Hier schaffen erst Rampen und Aufzüge echte Barrierefreiheit. Des Weiteren setzt die Immobilienwirtschaft auf zeitgemäße Quartierslösungen, um dem Wunsch der Menschen gerecht zu werden, möglichst lange in den eigenen vier Wänden oder zumindest in der gewohnten Nachbarschaft zu leben. Die Ideen von Concierge-Service über Pflegestützpunkte im Quartier bis hin zu Demenz-WGs sind vielfältig. Hier ist die Politik gefragt, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Oftmals haben solche Projekte mit Überregulierungen oder einem unklaren Rechtsrahmen zu kämpfen. Mehr Raum für neue Wohnformen im Alter hilft Konzepte weiterzuentwickeln und der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Im Mittelpunkt steht stets ein Älterwerden in Würde.

Wohnformen im Alter35

Die Frage nach der Finanzierung Die heutigen Finanzierungsmodelle sind für eine faire Finanzierung leider nur bedingt tauglich. Typischerweise werden insbesondere bauliche Maßnahmen an den Allgemeinflächen der Wohngebäude über die Miete auf alle Bewohner umgelegt. Es ist mit Konfliktpotenzial verbunden, wenn alle Bewohner dafür zahlen müssen, aber nur wenige diese Umgestaltungen nutzen. Eine Umlage nur auf die Nutzer zu beschränken, würde allerdings zu einer Überlastung führen. Hier muss die Wohnungswirtschaft neue Finanzierungsmodelle entwickeln. Diese Modelle sollten vor allem diejenigen in einer volkswirtschaftlichen Perspektive angemessen honorieren, die Staat und Gesellschaft helfen, erhebliche Ausgaben für die Pflege in Alten- und Pflegeheimen zu sparen. Die Wohnungswirtschaft benötigt eine angemessene Rendite für ihre Investitionen. Maßgeschneiderte Programme der sozialen Wohnraumförderung dürften die Anreize, in diesem Segment zu investieren, deutlich erhöhen. Wo es der Wohnungswirtschaft gelingt, über standardisierte Bauverfahren und Großeinkauf von Gebäudetechnik preiswerten Wohnraum neu zu bauen, stellt sie sich auch der Herausforderung, die Kosten bei Sanierungsmaßnahmen in ähnlicher Weise zu minimieren. Ein Beispiel dafür ist der „Volkslift“, also ein standardisierter und normierter Fahrstuhl, der häufig nachträglich an der Außenfassade installiert wird. Ohne privates Kapital wird der bauliche Pflegenotstand nicht zu beheben sein. Die Immobilienwirtschaft fühlt sich dabei dem Gedanken der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet. Wenn Standards eingehalten werden und insbesondere ein selbstbestimmtes Altern in Würde gewährleistet ist, muss es Unternehmen auch gestattet sein, Gewinne zu erwirtschaften.

Wiederbelebung des Quartiers Eine rein bauliche Anpassung der Wohngebäude wird aber den Bedürfnissen der alternden Gesellschaft nicht gerecht. Es gilt ebenso, das Quartier selbst wiederzubeleben. Die Wohnungswirtschaft kann hier lokale Netzwerke initiieren, stärken und unterstützen. Diesen Netzwerken aus gewerblichen Anbietern (beispielsweise zur Nahversorgung „Emmas Enkel“, Apotheken etc.) sowie Akteuren der Sozialwirtschaft (etwa Kontaktnetzwerke, ambulante Pflegedienste etc.) muss und will die Wohnungswirtschaft sprichwörtlich „Raum“ geben. Hier können in unterschied-

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Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen

lichsten Organisationsformen Quartierstreffpunkte entstehen, die zum Beispiel als Begegnungsorte sowohl soziale als auch Versorgungsfunktionen übernehmen. Weitergedacht führt dies bis hin zum Quartiersconcierge, der Pakete entgegennimmt und sich um die Verteilung von Medikamenten (Apotheken-Bringdienst) kümmert. An solchen Treffpunkten kann die Infrastruktur für eine zeitgemäße und umweltfreundliche Mobilität errichtet werden, etwa wenn die Quartiersplaner Zapfstellen für Elektromobilität bereitstellen. Dies sollte idealerweise aus dem regelmäßigen Betrieb selbst finanziert werden. Dort, wo die sozialen Aspekte überwiegen, sind Zuschüsse der öffentlichen Hand notwendig. Diese Entwicklung von Quartieren ist die konsequente Umsetzung einer zukunftsorientierten Pflege, wie sie sich mit den Pflegestärkungsgesetzen I und II auch in der bisher größten Pflegeversicherungsreform widerspiegelt und von der Politik gewünscht ist. Nur muss dieser Wunsch in weiteren Schritten auch in konkrete, gesetzliche Maßnahmen übersetzt werden.

Fehlende Anschubfinanzierung für neue Wohnformen Während die klassischen Betreuungsformen – ambulante Dienste, Altenheime und Tagespflegeeinrichtungen – weitestgehend über die Pflege- und Krankenversicherung refinanziert werden, fehlt eine solche Anschubfinanzierung für die neuen Wohnformen. Ohne diese ambulanten Wohnformen kann aber der Verbleib in einer ambulanten Versorgungsstruktur nicht gewährleistet werden. In der politischen Diskussion herrscht oftmals noch der Grundsatz „ambulant vor stationär“ vor. Wenn man diesem Anspruch jedoch gerecht werden möchte, geht es nur „ambulant und stationär“. Die Planung und Errichtung von barrierearmen Wohnformen einschließlich der besonderen Anforderungen beim Brandschutz ist nur dann wirtschaftlich rentabel, wenn die so geschaffenen Wohnflächen wohngeldfähig sind. Gleiches gilt für den Bestand: Immer weniger Pflegebedürftige werden in Zukunft in der Lage sein, die Anpassung ihrer Wohnung mit eigenen Mitteln zu finanzieren. Hier bedarf es dringend einer Korrektur. Die Wohnungswirtschaft verschließt sich nicht der Idee, beim Umbau von Quartieren für sogenannte Seniorenwohngemeinschaften Bestandsflächen zu erschließen. Dieser Umbau muss jedoch ebenfalls wirtschaftlich sein. Der ZIA fordert daher, Investitionskostenförderungen für neue Wohnformen aufseiten von Bund und Ländern bereitzustellen. Nur wenn Quartiere in ausreichender Anzahl eine geschlos-

Wohnformen im Alter37

sene, ambulante Versorgungskette aufweisen, kann die Gesellschaft auf Dauer einen Versorgungsnotstand in der Pflege verhindern.

Das Plus an Service Durch das Konzept WohnenPlus kann letztlich ein leistungsfähiger Dreiklang geschaffen werden, um die gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe des selbstbestimmten Wohnens im Alter Wirklichkeit werden zu lassen. Durch eine neue Partnerschaft von Pflegebedürftigen, Staat, Sozialwirtschaft, Gesundheitswirtschaft und Immobilienwirtschaft können Synergien entstehen, die eine Win-win-Situation für die Unternehmen, aber auch für die Sozialkassen schaffen. Die Immobilienwirtschaft kann sich hierbei eine Partnerschaft mit folgendem Inhalt vorstellen: 1. Leistungen/Systeme, die das Wohnungsunternehmen kostengünstig/ -frei bereitstellen kann 2. Leistungspakete, die über die staatliche Förderung begleitet werden (KfW-Förderprogramme, Umbau im Quartier, Städtebauförderung) 3. Leistungspakete, die durch die Pflegeversicherung übernommen werden Wenn das Ziel der längst mögliche Verbleib in einer altersgerechten Wohnumgebung bei gesicherter Pflege sowie Betreuung – also selbstbestimmtes Wohnen im Alter – ist, kann eine Allianz aus Immobilienwirtschaft und Stadtplanung, Pflegeversicherung sowie Gesundheits- und Sozialwirtschaft hierfür die Basis schaffen. Der ZIA hatte diesen Vorschlag bereits vor mehreren Jahren als „Allianz der Immobilienwirtschaft und der Pflegeversicherung“ in die politische Diskussion eingebracht und sieht darin eine der ganz großen Generationsaufgaben, die bislang vor allem im Hinblick auf ihre Finanzierung noch nicht abschließend gelöst ist. Bei der technischen Umsetzung dieser Frage ist die Branche hingegen bereits weit fortgeschritten.

Langfristige Angebote für, Mieter schaffen Große Wohnungsunternehmen wollen moderne Wohnkonzepte mit Serviceangeboten, wohnortnaher Beratung und koordinierter Versorgung im Quartier umsetzen, um den Bedürfnissen und Interessen ihrer älter werdenden Mieter künftig ge-

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Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen

recht zu werden. Nur wenn Mieter entsprechende Angebotsstrukturen vorfinden, werden sie langfristig in ihren Wohnungen bleiben können und auch eigene Investitionen in wohnraumverbessernde Maßnahmen erwägen. Über eine für das Quartier zuständige koordinierende Beratungs- und Servicestelle sollten alle von Mietern gewünschten und benötigten Leistungen als individuelles Servicepaket abrufbar sein. Gleichzeitig können die Mieter sich im Rahmen einer Beratung über Leistungen und Angebote beispielsweise der Pflegeversicherung informieren. Zu dem Angebot der Beratungs- und Servicestelle sollten soziale und haushaltsnahe Dienstleistungen, alltagsunterstützende Betreuungsleistungen, Gesundheitsleistungen sowie ein Fallmanagement für komplexe Versorgungssituationen einzelner Menschen gehören. Die Beratungs- und Servicestelle dient somit als kompetente Ansprechpartnerin, koordiniert ehrenamtliche und professionelle Hilfen und Leistungen für Mieter und sorgt für eine stetige Vernetzung von bereits vorhandenen, jedoch häufig noch isoliert agierenden Angeboten und Akteuren im Quartier. Bei der Betrachtung der Quartiersperspektive sind insbesondere die folgenden Aspekte relevant: A. Versorgungsstruktur –– Bezahlbarkeit auch für einkommensschwache Haushalte muss gewährleistet sein –– Ehrenamt/Nachbarschaftshilfen/Freiwilligenagenturen –– Quartiersmanagement (inklusive Unterstützung bei der Koordination von Hilfeleistungen, Verzahnung von Dienstleistungen) –– Entlastung der Angehörigen –– Pflege-WGs, z. B. für Menschen mit Demenz –– Angebot von haushaltsnahen Dienstleistungen im Quartier –– Angebot von Tagespflege im Quartier –– Wohnortnahe Treffpunkte und Anlaufstellen –– Angebot niedrigschwelliger Beratung (Servicebüros im Quartier) –– Gästewohnung/Pflegewohnung auf Zeit im Quartier –– 24-stündige Präsenz von professioneller Pflege ohne Betreuungspauschale –– Telemedizin –– Barrierefreie Arzt- und Therapiepraxen –– Concierge-Dienstleistungen

Wohnformen im Alter39

B. Soziales Miteinander –– Förderung nachbarschaftlichen Zusammenlebens und sozialer Aktivitäten im Quartier –– Quartiersbezogene Gemeinschaftsräume/Nachbarschaftstreffs/Cafés –– Aufsuchende Angebote in der Seniorenarbeit; soziale Kontakte verhindern Vereinsamung Die Möglichkeiten des privaten Handelns sind vielfältig: Sie können direkt durch Wohnungsgesellschaften, durch ehrenamtliches Engagement oder in Form einer Stiftung erfolgen. Ehrenamtliches Engagement muss an der Basis angeleitet werden. Zusätzlich können durch eine oder mehrere regionale Stiftungen privaten Rechts Synergieeffekte entstehen. Dabei kommt zum Beispiel eine Wohnungsgesellschaft als Stifterin in Betracht. Moderne Stiftungen finanzieren sich aufgrund der Zinslage eher durch ständige Zustiftungen entlang des jährlichen Arbeitskataloges und benötigen daher kein umfangreicheres Stiftungskapital mehr. In die Stiftungsgremien kann die Wohnungsgesellschaft Experten berufen, die für das Engagement der ehrenamtlichen Helfer im Quartier Leitlinien, organisatorische Rahmen etc. entwickeln. Die Gremien können auch der Wohnungsgesellschaft inhaltliche Hilfestellungen geben und damit Ressourcen bei der Gesellschaft sparen. Diese Vorgehensweise schafft zudem identitätsstiftende Systeme für Jung und Alt – mit dem Label der Gemeinnützigkeit. So entsteht ein Netzwerk mit Erfahrungen für die private Gestaltung von Wohnen im Alter, das letztlich den Staat bei der Daseinsfürsorge enorm entlastet.

Hand in Hand: Quartiersgedanken und Investitionen fördern Die beschriebenen Perspektiven und Inhalte können zu einem entscheidenden Faktor bei den anstehenden Herausforderungen werden und den gleichzeitig benötigten Investitionsbedarf an Pflege- und Gesundheitseinrichtungen ideal ergänzen. Hierzu brauchen wir ganzheitliche Lösungsansätze. Dies beginnt bei einem verbesserten Investitionsumfeld, geht über die Gebäudeausstattung bis hin zu wohnungsnahen Dienstleistungsangeboten und einem auf die Betreuung älterer Menschen spezialisierten Quartiersmanagement. Nur die Schaffung eines vielfältigen und differenzierten Pflegeangebots auf mehreren Ebenen ver-

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Ambulant und stationär – Voraussetzungen für beides schaffen

setzt unsere Gesellschaft in die Lage, über ausreichend altersgerechten Wohnraum zu verfügen. Weiterführende Literatur: –– Pflegeimmobilien – Forderungen des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. für verbesserte Rahmenbedingungen von Gesundheits- und Sozialimmobilien in Deutschland (Berlin; 2017) –– Positionspapier WohnenPlus des ZIA (Berlin; 2016) –– Faktenbuch Pflege 2016 – Forschungsprojekt im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Pflege (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen; 2016) –– Pflegeimmobilienreport 2016/2017 – Deutschlands Pflegeheime im weltweiten Fokus (CBRE, Frankfurt am Main/immoTISS care GmbH, Oberursel/KATHARINENHOF Seniorenwohn- und Pflegeanlage Betriebs-GmbH, Berlin; 2017)

Wohnformen im Alter41

Dr. Malte Maurer M & A – Managing Director Corporate Development der Deutsche Wohnen SE

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Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen Sanierung von Altenpflegeeinrichtungen im laufenden Betrieb von Dr. Malte Maurer

Zusammenfassung Gründe für die Interventionen Steigende Ansprüche an Pflegeimmobilien werden vonseiten der Bewohner, Angehörigen und Behörden sowie durch die Konkurrenz gestellt. Das erzeugt baulichen Anpassungsbedarf. Kernthemen Geänderte Anforderungen aus der Landesheimgesetzgebung oder der Verlust des Bestandsschutzes der Baugenehmigung sind frühzeitig zu klärende rechtliche Voraussetzungen. Es ist sinnvoll, größere Instandhaltungsmaßnahmen zeitlich zusammenzulegen. Gleichzeitig sollten regulatorische Anforderungen und Erweiterungsmöglichkeiten umgesetzt werden, um kurz aufeinander folgende Baustellen zu verhindern. Herausforderungen Einige Herausforderungen betreffen direkt die Bewohner und Mitarbeiter in Form von reduzierten Zimmerzahlen, Umzügen und wechselnden Wegeführungen während der einzelnen Bauabschnitte. Chancen und positive Ziele Man kann gegenüber Bewohnern und Mitarbeitern gestalterisch und technisch Fortschritte aufzeigen, die das Wohlbefinden und die Arbeitsbedingungen verbessern. Besondere Bauten sind fast nur auf diesem Wege zu erlangen, da die Qualität einiger Denkmäler nahezu nicht reproduzierbar ist. Wichtig sind auch Wertsteigerungspotenzial und ein hoher Steuerungseinfluss in Bezug auf Bauzeiten und Kosten.

Wohnformen im Alter43

Optimierungen Für einen optimalen Ablauf müssen Inhaber und Betreiber der Immobilie eng kooperieren. Auch gemeinsame Abstimmungen mit Behörden sind zeitnah anzustreben. Wichtig sind auch ein sinnvoller Planungsvorlauf und vorbereitende Termine mit Bewohnern und Mitarbeitern.

Warum tut man das? Neue Anforderungen Ansprüche der Bewohner –– Immer mehr Bewohner sind einen gehobenen Lebensstandard mit einem höheren Bedarf an individuellem Raum gewohnt. –– Oft wünschen auch Angehörige für ihre Eltern einen hohen Lebensstandard. Ansprüche des Gesetzgebers –– Landesgesetze zu den Mindestanforderungen an Altenpflegeheime stellen einen zunehmenden Regulationsdruck dar. –– Einige Bundesländer haben bereits recht hohe Anforderungen, eine bundesweite Angleichung wird erwartet. –– Die existierenden Strukturen in bestehenden Altenpflegeheimen können diesen Ansprüchen oft nicht gerecht werden.

Altern der Immobilien Konkurrenzsituation und Alter der Immobilien –– Die Konkurrenz durch Altenpflegeheime in Neubauten oder frisch sanierten Gebäuden nimmt zu. –– Das Altern der bestehenden Gebäude zwingt bei Technischen Anlagen und der Baukonstruktion zu Investitionen.

Aufrechterhalten des Betriebes Versorgungssicherheit und Präsenz bei Bewohnern –– Es gibt ein öffentliches Interesse an der Versorgungssicherheit im Bereich der stationären Altenpflege.

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Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen

–– Die Neueröffnung eines Hauses ist kostspielig und mit hohem organisatorischen Aufwand behaftet. –– Die beste Werbung bei künftigen Bewohnern ist eine frühzeitige Präsenz, bevor das Thema aktuell wird. –– Beispielhaft ist die Verknüpfung von stationärer Altenpflege mit mobilen Diensten.

Welche Themen gilt es zu beachten? Baurechtsthemen Bestandsschutz –– Umfangreiche Maßnahmen können zum Verlust des Bestandsschutzes aus Baugenehmigungen führen. –– In diesem Fall können auch an gut funktionierende Strukturen oder Technische Anlagen neue Anforderungen gestellt werden. –– Unnötige Umbauten sind eine mögliche Folge. –– Mindestbauverordnungen –– Je Bundesland gibt es unterschiedliche Anforderungen an stationäre Altenpflege. –– Niedrige Anforderungen aus dem Geltungsbereich der alten Heimmindestbauverordnung können nicht verlässlich auf die Zukunft projiziert werden. –– Hohe Anforderungen sind eventuell nicht umsetzungsfähig.

Strukturelle Änderungen Entwicklungen in der Pflege –– Betriebsrelevante Strukturen wie Personalschlüssel und maximal mögliche Gruppengrößen hängen an der Refinanzierung der Kostenträger und den regulatorischen Bedingungen. –– Dadurch können ehemals rentable Einrichtungen unrentabel werden. –– Ein besonderes Augenmerk muss auf mögliche zukünftige Entwicklungen gelegt werden. –– Externe Dienstleister –– Zunehmend werden einzelne Dienstleistungen extern vergeben. –– Beispiele sind separate Unternehmen für die Speisenversorgung oder Reinigung.

Wohnformen im Alter45

–– Die Arbeit verschiedener Unternehmen im gleichen Haus macht aus Sicherheitsgründen räumliche Änderungen notwendig.

Technische Themen Lebensdauer einzelner Bauteile –– Die Sanierung einzelner Bauteile kann für eine Komplexsanierung den Anlass bieten. –– Einfache Maßnahmen können noch separat durchgeführt werden. –– Bei tiefer gehenden Eingriffen wie einer Strangsanierung empfiehlt sich die begleitende Sanierung der angrenzenden Bereiche. –– Dadurch ist der Zeitpunkt einer Komplexsanierung vorab planbar. –– Ziel sind möglichst wenige Maßnahmen mit jeweils großem Umfang. –– Erweiterungsmöglichkeiten –– Baureserven auf dem Grundstück bieten die Möglichkeit einer Sanierung bei vollständig laufendem Betrieb mit dem Ergebnis einer größeren Einrichtung. –– Nachbargrundstücke können einen Ersatzneubau in bestehender Nachbarschaft mit Aufrechterhalten des Betriebes ermöglichen.

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Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen

Abb. v. l. n. r.: © DeutscheWohnen, AdobeStock Evrymmnt, © DeutscheWohnen_Bau Chemnitz, © DeutscheWohnen_Felix Eisenmeier, AdobeStock_tl6781

Herausforderungen Funktion Zimmeranzahl –– Ein Umbau im laufenden Betrieb reduziert die Anzahl der Zimmer und Betten. –– Gleichzeitig soll wertvolles Personal gehalten werden, während weniger Arbeit anfällt. –– Möglichkeiten bieten hier Langzeitarbeitskonten oder Teilzeit. Geimeinschaftseinrichtungen –– Bei Funktionsbereichen wie Küchen oder Wäschereien existieren in der Regel keine Ausweichmöglichkeiten. –– Hier ist während der Sanierung eine Ersatzmaßnahme durch externe Dienstleister oder temporäre Bauten notwendig.

Baustellenmanagement Umzugsmanagement –– Umzüge sind bei älteren Bewohnern unbeliebt. –– Ziel ist exakt ein Umzug je Bewohner in einen sanierten Bereich. –– Dazu wird der erste Bauabschnitt mittels natürlicher Fluktuation leergezogen, bevor die bauabschnittsweise Sanierung beginnt. –– Niemand wohnt am Ende dort, wo er zuvor gewohnt hat.

Wohnformen im Alter47

–– –– –– ––

–– Wegemanagement und Emissionen der Baustelle Niemand wohnt oder arbeitet gern auf einer Baustelle. Die Baustellenlogistik ist vom Betrieb der Einrichtung zu trennen. Möglichkeiten bieten redundante Wege im Inneren (Rundlauf) und außenliegende Baustellenaufzüge. Die Trennung der Wege ermöglicht eine Reduktion der Geräuschund Schmutzemission der Baustelle durch bauliche Abgrenzung.

Kosten und Termine Schnittstellenthemen –– Im Rahmen von Double Net Mietverträgen sind die Zuständigkeiten zwischen Mieter und Vermieter teilweise komplex aufgeteilt. –– Bei umfassenden Maßnahmen ist oft von einer gemischten Zuständigkeit auszugehen. –– Hier sind im Vorfeld genaue Klärungen zur Trägerschaft der Gesamtmaßnahme und finanziellem Ausgleich zu treffen. Baupreise und Bauzeiten –– Durch eine Vielzahl an Bauabschnitten sind die Bauzeiten hoch. –– Die Kosten sind aufgrund des kleinen Leistungsumfanges pro Bauabschnitt mit hohem logistischem Aufwand ebenfalls höher.

48

Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen

Abb. v. l. n. r.: © DeutscheWohnen, DeutscheWohnen_Felix Eisenmeier, © DeutscheWohnen, AdobeStock_kokliang1981, AdobeStock_ Karin & Uwe Annas

4. Potenziale Finanzen Steuerung der Kosten und Wertsteigerungen –– Durch die Vielzahl an aufeinanderfolgenden Maßnahmen kann im Falle von Kosten- oder Terminschwierigkeiten besser gesteuert werden. –– Hierzu werden die Maßnahmenpakete des folgenden Ausschreibungszyklus’ in Umfang oder Qualität angepasst, um die jeweiligen Ziele zu erreichen. –– Im Rahmen der Planung wird der Fokus auf aktivierungsfähige und wertsteigernde Maßnahmen gelegt.

Image Besondere Bauten –– Der Erhalt von Baudenkmälern ist eine langfristig werbewirksame Maßnahme. –– Die sichtbare Qualität einer denkmalgeschützten Immobilie ist bei Neubauten kaum refinanzierbar. –– Damit ist die Sanierung historischer Bausubstanz besonders für Anbieter im Premiumbereich eine wichtige Alternative zum Neubau. Bewohner –– Man zeigt den Bewohnern, dass man ihre Belange ernst nimmt und für sie tätig wird.

Wohnformen im Alter49

–– Besonders zukünftige Bewohner und ihre Angehörigen legen oftmals Wert auf den guten Ruf eines eingespielten Betriebes. –– Gleichzeitig soll die Immobilie den neuesten strukturellen und baulichen Anforderungen genügen.

5. Optimierungen Baumaßnahme Planung –– Aufgrund der zahlreichen betroffenen Themen ist die Federführung frühzeitig zu klären. –– Möglichkeiten sind Generalplaner, Projektsteuerer und eigene Technische Abteilungen. –– Lange Vorlaufzeiten von einem Jahr oder länger ermöglichen hohe Genauigkeit und umfassende Voruntersuchungen. –– Bestandsanalysen mit Bauteilöffnung sind erforderlich. –– Erst denken, dann handeln.

Kommunikation Vor Ort –– Für eine gelungene Sanierung im laufenden Betrieb müssen Mieter und Vermieter an einem Strang ziehen. –– Frühzeitige Einbindung des Personalmanagements bezüglich der Personalstruktur während der Bauzeit und der Einstellung des Personals zu den Baumaßnahmen. –– Baubeauftragter für Bewohnerinformation. –– Einbindung des Pflegepersonals in die Planung um den konkreten Bedarf vor Ort möglichst genau zu treffen. Extern –– Frühzeitige Abstimmung mit Ämtern, um die Belange von Bestandsschutz, Heimaufsicht und Denkmalschutz zu klären. –– I-Kostenverhandlung frühzeitig beginnen.

50

Herausforderung Bauen im Bestand: Operation am offenen Herzen

–– Für Teile der Kommunikation ist der Betreiber verantwortlich. –– Hier hilft ein Vertrauensverhältnis zwischen Mieter und Vermieter.

6. Resultate In der Regel bleibt ein altes Haus ein altes Haus.

Wohnformen im Alter51

Julian Weyer Architekt maa., Partner C.F. Møller Architects (Aarhus/Kopenhagen/Aalborg/Oslo/Stockholm/ London/Berlin)

54

1

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen von Julian Weyer

D

as Thema der Quartiersentwicklung beschäftigt uns aktuell sehr in den Skandinavischen Ländern, weil es die Chance bietet, einerseits die Qualität der Pflege zu erhöhen und andererseits sozialer Isolation entgegenzuwirken. Im Prinzip geht es um genau dieselben Werte und Ziele, wie wir sie z. B. im Städtebau, der Hochschulcampusentwicklung oder in strategischem Masterplanning wiederfinden und anwenden, unter Überschriften wie „Less Space, more Place“ – also nicht bloß das Schaffen von Fläche, sondern vor allem guten Orten der Begegnung und Räumen, wo man sich gerne aufhält. Kombiniert mit einem anderen Thema, welches für uns zentral ist, das Potenzial der größeren Integration von Gebäude und Landschaft, ergeben sich dadurch Chancen für neue Ansätze, wie unsere Institutionen menschlicher und attraktiver gestaltet werden können. In dem Folgenden stellen wir die Bedeutung von und unseren Umgang mit architektonischer Qualität und Landschaft als Strategie für bessere Umgebungen im Gesundheits- und Pflegebau vor, sowie drei unterschiedliche Beispiele von Quartiersstrategien, die dieses Prinzip auf dem Niveau der Stadt angewandt darstellen – jeweils zu den Themen Stadtintegration, Transformation und Quartier als Gestaltungsleitbild.

Die Bedeutung von Landschaft – Hospiz Djursland Unser Leben beginnt mit einem Einatmen und endet mit einem Ausatmen, und diese Tatsache ist von großer menschlicher Bedeutung. Für die meisten von uns werden diese beiden unvermeidlichen und endgültigen Lebensphasen im klinischen Umfeld liegen – mit klinischer Betreuung. Bei der Gestaltung der heutigen Gesundheitsfürsorge sollten wir mit dem Ende beginnen: Natur und Nähe. Dies ist es, was in den letzten Tagen vor dem Ende des Lebens wichtig ist. Ein neues Hospizdesign von C.F. Møller Architects war der

Wohnformen im Alter55

Hintergrund für eine Forschungsstudie zu Patientenerfahrung und Wohlbefinden im Hospice Djursland in Dänemark. In einer Zeit, in der alles gezählt, gemessen und als Patientenzahlen, Verweildauern, Sterblichkeitszahlen und Zahl der entlassenen gewogen wird, versuchte diese Studie etwas zu zählen, das normalerweise nicht gezählt wird: Lebensqualität in einem Hospiz. Patienten und Angehörige erfassten durch ein Kameraobjektiv Alltagserfahrungen, Ereignisse und Routinen in den Tagen vor ihrem Tod. Die Forscher verwendeten die ZMET-Analyse, bei der Patienten und ihre Familien mit einer Kamera versorgt wurden und gebeten wurden zu fotografieren, was ihren Alltag in einem Hospiz beeinflusst. Das Ergebnis war das Buch mit dem Titel „Det som har betydning“ (Was wirklich wichtig ist) - eine berührende und ehrliche Dokumentation des Lebens, das wider Erwarten in einem Hospiz gelebt wird. Ein Leben, das im Hospice Djursland noch lebenswert sein muss. Eine im Dokument vorgestellte Patientin, Lise, 39, berichtete über ihre zweimonatige Erfahrung im Hospiz im Jahr 2012, ihre Worte können wie folgt übersetzt werden: „Dies ist die beste Aussicht in Dänemark, das Licht ändert sich ständig und man kann weit in die Ferne blicken. Dies gibt ein Gefühl von Frieden und hat einen therapeutischen Effekt. Sie können Ihre Gedanken schweifen lassen und über alles nachdenken, weil es Platz gibt – viel Platz. Die Schönheit lässt mich wünschen hier zu bleiben. Wenn ich sitze und die Natur genieße, kann ich den kognitiven Teil meines Gehirns abschalten und einfach meditieren. Die Natur ist für mich wichtig.“ Die Natur und die Nähe zwischen Patienten, Personal und Angehörigen sind in einer schwierigen Zeit wichtige Alltagsressourcen. Wo auch immer man sich im Hospiz Djursland befindet – die umgebende Landschaft ist stets präsent. Das Hospiz ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch die bewusste Verschmelzung von Gebäude und Landschaft diese Landschaft zur umarmenden physischen Kulisse für die Begegnung zwischen Menschen, die Begegnung mit sich selbst und die Begegnung mit dem Tod gebracht werden kann.

Landschaft und Urbanismus als Design-Drivers Die wichtigste Aufgabe eines Architekten beim Bau einer jeden Pflegeeinrichtung, ob Hospiz, Krankenhaus oder Pflegeheim, besteht darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die bestmöglichen Voraussetzungen für Lebensqualität, Selbstwertgefühl und Würde bieten.

56

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

Der barrierefreie Sinnesgarten wirkt als Verlängerung der sozialen Gemeinschaftsräume. 

Alle Zimmer orientieren sich zum Licht und zur Landschaft mit großzügigen Blicken über die Bucht von Aarhus.

Statt einer traditionellen Institutions-Atmosphäre wirken die Umgebungen eher wie ein Dänisches Sommerhaus im Grünen. Wintergärten und Patios erlauben die Nähe zum Grün zu allen Jahreszeiten. alle Fotos: Adam Mørk

Wohnformen im Alter57

Das Hospiz Djursland war ein wegweisendes Demonstrationsprojekt für das Potenzial der Integration von Gebäude und Landschaft im Pflege- und Gesundheitswesen. Die durchgehende Materialpalette besteht aus Kupfer, Eichenholz und Glas; Materialien, die gut mit der Landschaft einhergehen und im Interieur Wärme ausstrahlen. An der Ostseite des Gebäudes wurde zudem ein Sinnesgarten angelegt, als intimer Außenraum im Kontrast zur natürlichen Vegetation der restlichen Umgebung. Sowohl Rollstühle als auch Pflegebetten können in den Garten hinausgerollt werden, sodass sich alle Bewohner an der Anlage erfreuen können. Eine rasch zunehmende Anzahl von Forschungsberichten und wissenschaftlichen Studien belegen die gesundheitsfördernden Aspekte guter Architektur und attraktiver Umgebungen, z. B. die Bedeutung von Tageslicht für das körperliche und psychische Wohlbefinden, die Motivation und Leistungsfähigkeit, und deshalb beschäftigen wir uns intensiv mit diesen Fragen bei der Gestaltung von Pflegeeinrichtungen und Gesundheitsprojekten. Der erste Krankenhausbau der Firma im Jahr 1931 verkörpert dies bereits deutlich, und die Firma arbeitet weiterhin mit einer Mischung aus evidenzbasiertem, aber auch erfahrungsorientiertem Design, das die humanistischen Werte der skandinavischen Moderne widerspiegelt. Die Integration von Healthcare-Architektur in die Landschaft, das Sehen und Verwenden von grünen Umgebungen wirkt sich auch positiv auf das körperliche und psychische Wohlbefinden der Menschen in Krankenhäusern, Wohnungen und an Arbeitsplätzen aus. Landschaften und Gärten können zum Stressabbau beitragen und eine Schlüsselrolle sowohl für die sozialen Beziehungen als auch für die Privatsphäre des Individuums spielen, unabhängig davon, ob es sich um Patienten, Angestellte oder Angehörige handelt. Wie klar und überzeugend die Erfahrungen vom Hospice Djursland auch sind, es ist dennoch ein Modell, was nicht unbedingt auf alle Pflegeeinrichtungen übertragen werden kann. Die außergewöhnliche landschaftliche Umgebung war dort die Inspiration des gesamten Konzepts, aber viel öfter geht es genauso sehr darum, die soziale Isolation zu vermeiden, die für Pflegebedürftige ein reelles Risiko ist. So sehen wir heute die größte Herausforderung darin, nicht einfach neue Institutionen außerhalb der Städte zu schaffen, sondern diese so weit möglich als Teil des Stadtlebens zu behalten und dieses sogar zu stärken – ohne dabei die Qualität einer grünen Umgebung zu verlieren. So entsteht der Fokus auf Quartiersentwicklung, wo Institution und Stadt eine Symbiose bilden, die beiden neue Möglichkeiten eröffnet.

58

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

Generationsübergreifend und stadtintegriert – das zukünftige Sølund in Kopenhagen C.F. Møllers Entwurf für das größte Pflegeheim Dänemarks, Sølund, ist ein wegweisendes Beispiel für stadtintegrierte Pflegezentren, die es älteren Menschen ermöglichen, mit anderen Generationen zu leben und zu interagieren. Senioren, Jugendliche und Kinder leben nicht nur nahe beieinander, sondern ergänzen sich und profitieren voneinander, um neue Standards für Wohlbefinden, Sicherheit und Funktionalität zu setzen. Der Komplex liegt zentral im lebhaften Stadtteil Nørrebro von Kopenhagen, in allerbester Lage an den innerstädtischen Seen. Das Projekt wurde 2016 im Wettbewerb von C.F. Møller Architects und Tredje Natur gewonnen. Sølunds Mischung aus Wohnformen und Bewohnern ist einzigartig in einem dänischen Kontext: 360 Pflegewohnungen, 150 Jugendwohnungen (20 davon für Jugendliche mit Autismus-Spektrum), 20 Seniorenwohnungen, eine Kindertagesstätte, Mikrogeschäfte, Cafés und Workshops – ein wahres „Haus der Generationen“. Das Design und die Architektur des Gebäudes zielen darauf ab, das Wohngefühl in Nørrebro einzufangen und den Bewohnern bedeutende Qualitäten in Form von Stadtleben, Tageslicht, Aussichten und Interaktion mit anderen Menschen und der Natur zu vermitteln. Die Architektur erinnert an den Raum in der klassischen Wohnblockstruktur, die an diesem besonderen Ort in Nørrebro so markant ist, und schafft durch diese Struktur einen sehr zeitgemäßen Komplex, der auch in die Zukunft blickt. So hat Sølund als Quartier ein enormes Potenzial als städtischer Generator, der durch die vielen Bewohner, Mitarbeiter und Besucher zum Leben und zur Atmosphäre des gesamten Stadtgebiets beitragen kann. Wir haben die städtischen Räume als Begegnungsräume und sozialen Leim gestaltet, der auf der Art und Weise basiert, wie der gemischte Stadtteil bereits funktioniert. Der Ansatz besteht darin, sinnvolle Aktivitäten einfach zusammenzubringen und gleichzeitig eine gewisse physische Distanz zwischen ihnen zuzulassen. Zum Beispiel haben die Pflegewohnungen und die Wohnheime für Jugendliche von der Straßenseite aus Zugang zu intimen Passagen, um einen friedlicheren Haupteingang für das Pflegezentrum zu schaffen. Das Hauptmerkmal ist der gemeinsame „Platz der Generationen“ im zentralen Innenhof. Dies ist der Treffpunkt für alle Bewohner und Gäste. Er ist umgeben von einer geschlossenen inneren Straße, die die verschiedenen Funktionen im Erdgeschoss miteinander verbindet. Diese innere Straße spricht den gemeinschaft-

Wohnformen im Alter59

Der zentrale „Platz der Generationen“ vebindet Wohnen, Stadtleben und vielfältige Aktivitäten in den Erdgeschossen.

Das Pflegezentrum fügt sich bewusst in die bestehende Stadtstruktur ein, als natürliche Verlängerung des Kiez Nørrebro.

Ein innerer „Straßenzug“ bringt auch Bewohner, welche die Außenräume schwer nutzen können, nah an das soziale Stadtleben.

 Dachterrassen mit Kleingärten und Gemeinschaftsräumen vollenden das Ensemble.

60

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

Besondere Sorgfalt wurde auf die Randzonen gelegt, dort wo sich Wohnen und Stadtleben treffen, sodass der unterschiedliche Charakter der Umgebungen aufgenommen wird und ein positives Zusammenleben ermöglicht wird. (c) C.F. Møller Architects & Tredje Natur

lichen Kontext mit einem Friseursalon, Geschäften, Cafés und anderen öffentlichen Programmen an, die auf die städtische Seite gerichtet sind, mit öffentlichen Werkstätten und Rehabilitationseinrichtungen, die auf die ruhigen Innenhöfe gerichtet sind, und einem Café und einem multifunktionalen Veranstaltungsort, der sich neben der Kindertagesstätte befindet, mit Blick auf einen neuen Pocket-Park am Seeufer. Durch sorgfältige Stadt- und Landschaftsgestaltung schafft Sølund ein eigenes grünes Stadtbild, wo besonderer Fokus auf die Kanten und Übergangszonen zwischen Stadtraum und Wohnraum, öffentlich und privat gelegt wurde, da gerade dieses oft der Schlüssel für erfolgreichen Städtebau ausmacht. Das Quartier lädt Kinder, Jugendliche, Senioren und ältere Menschen dazu ein, sich an gemeinsamen Aktivitäten zu beteiligen, sich gegenseitig in den Werkstätten und in der Küche zu inspirieren oder einfach in den zahlreichen Grünflächen zwischen verschiedenen Altersgruppen zu treffen. Diese gestalteten Interaktionen schaffen eine Umgebung, in der pflegebedürftige Menschen nicht mehr vom städtischen Leben ausgeschlossen und von ihren Mitmenschen distanziert werden.

Wohnformen im Alter61

Das typische 70‘er Jahre Wohnviertel Varbergparken wurde etappenweise modernisiert und transformiert, um soziale und energetische Themen zu addressieren. Foto: Anders Sanderbo

Ein zentraler Aktivitätspark ist Teil der neuen Landschaftsgestaltung des gesamten Gebiets. Foto: Julian Weyer Beispiel eines Blocks vor und nach der Transformation, mit neuen Fassaden, barrierefreien Wohnungslayouts und Gemeinschaftsräumen. Foto: Julian Weyer

Das transformierte Quartier – HAB Varbergparken Hadersleben Varbergparken, ein soziales Wohngebiet mit über 500 Wohnungen der Wohnbaugesellschaft HAB, das zwischen 1970 und 1980 erbaut wurde, durchläuft eine Metamorphose. Der beispielhafte Transformationsprozess führt ein neues physisches und soziales Gesamtkonzept ein; Wohnräume werden modernisiert, Energiesysteme, Infrastruktur und Freiräume werden erneuert und neue Arbeitsplätze in das Quartier integriert. Gleichzeitig befasst sich das Projekt mit der veränderten Demografie, wo sowohl die Chance für Senioren, länger im eigenen Heim und Viertel bleiben zu können, durch Umbauten ermöglicht wird als auch neue Pflege- und Behandlungseinrichtungen als Teil der neuen Gesundheitsinfrastruktur der gesamten Stadt und der Introduktion von täglichen Arbeitsplätzen in einem bisher reinen Wohnviertel mit geschaffen werden.

62

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

Drei vorherige Wohnblöcke wurden in ein Gesundheitszentrum sowie ein Pflegezentrum für Demenzkranke umgewandelt, wodurch das Quartier neue Arbeitsplätze und Belebung bekommen hat.  Foto: Julian Weyer Das Demenzzentrum hat Zugang zu einer geborgenen Gartenanlage für alle Bewohner.  Fotos: Julian Weyer

Unser neues Gesamtkonzept für den Bereich umfasst Verbesserungen der grünen Außenumgebung und die Zukunftssicherung aller Wohnungen in Bezug auf ihre Architektur und Nachhaltigkeit. Auch die Vernetzung mit der umgebenden Stadt wird verstärkt durch neue Wegeverbindungen, öffentliche Verkehrsmittel und Durchbrüche in den Wohnzeilen. Anstatt die monotone Formgebung einer periodentypischen Plattenbausiedlung durch eine zeitgenössische Einheitlichkeit zu ersetzen, liegt der Fokus des Projekts auf der Einführung von Variation und Diversität in dem Bereich, in dem verschiedene Strategien auf die einzelnen Stufen der Konvertierung der einzelnen Blöcke angewendet werden. So wurden einzelne Blöcke geöffnet, mit neuen Fassaden, großzügigen Balkons und seniorengerechten Wohnungslayouts versehen, während andere in freistehende „Stadtvillen“ umgewandelt wurden. Drei zusammenhängende Blöcke wurden komplett umgebaut und in ein Pflegezentrum für Menschen mit Demenzerkrankungen transformiert. In den drei

Wohnformen im Alter63

Das neue Wohn- und Freiraumkonzept für Varbergparken zielt darauf undefinierte Flächen nutzbar und menschlich zu machen, indem klarere öffentliche und private Bereiche geschaffen und die Zwischenräume belebt werden.  (c) C.F. Møller Architects

Die Transformationen der einzelnen, früher identischen Blöcke zielt darauf ab, keine neue Einheitlichkeit zu schaffen, sondern Variation und Diversität zu introduzieren.  Foto: Julian Weyer

Die Seniorensiedlung Strandhusene bietet eine attraktive Wohnumgebung für ein graduiertes soziales Miteinanderleben. Fotos: Julian Weyer

64

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

ehemaligen Wohnblöcken befinden sich neben den 70 Wohneinheiten auch ein Tageszentrum, ein Gesundheitszentrum, Personaleinrichtungen und verschiedene Einrichtungen für die Gemeinde Hadersleben. So wurden unter anderem 300 neue Arbeitsplätze geschaffen, die eine wichtige Anforderung im Kommunalen Aktionsplan für das früher sozial belastete Gebiet erfüllen. Alle Demenzwohneinheiten haben Zugang zu einem attraktiven geschlossenen Gartenbereich, der Teil der größeren landschaftlichen Gestaltung der Freiräume ist, in der unter anderem auch ein zentraler Aktivitätspark geschaffen wurde, in dem Installationen unterschiedlicher Art zu körperlichen Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen einladen, je nach Alter und Fitness. Im nahegelegen Konversionsgebiet des Hafens von Hadersleben haben wir für dieselbe Wohnbaugesellschaft, HAB, basierend auf den soziologischen Erfahrungen aus der Varbergpark-Transformation, die kollektive Seniorensiedlung Strandhusene geschaffen; völlig in den neuen Stadtteil integriert, in einer Architektur, die sowohl die Privatsphäre als auch die soziale Gemeinschaft fördert. Die vier Punkthäuser befinden sich in einer grünen Gartenlandschaft, in der die Bewohner Zugang zu einem Gemeinschaftshaus mit Terrasse haben, von der aus sie auch den Hafen und den Fjord überblicken. Im Inneren der Häuser mit jeweils 12 Wohnungen bildet ein gemeinsamer Zugangsraum einen Treffpunkt für die Bewohner: So wie der soziale Gedanke das Layout der Siedlung beeinflusst, so zeigt er sich auch in diesem Bereich, wo ein schmales Fenster an jeder Eingangstür einen Einblick in die einzelne Wohnung gewährt und kleine Nischen an jedem Eingang es den Bewohnern ermöglichen, sich auch im Treppenhaus mit persönlichen Gegenständen und Möbeln individuell zu manifestieren – wie eine Art innenliegender Vorgarten, der eine heimische Geborgenheit sichert.

Die Institution als Anziehungspunkt – Krebsebo in Gjesing Das Pflegeheim Krebsebo in Gjesing an der dänischen Westküste ist ein Beispiel dafür, wie eine Pflegeeinrichtung mit Blick für die Institution als Quartier in sich geschaffen werden kann und so auch eine weiterreichende Anziehungskraft bekommen kann. Krebsebo wird nicht nur über 100 neue Wohnungen verfügen, sondern auch das Zentrum eines neuen Stadtteils, der Seniorenstadt werden, die das Pflegeheim mit dem Rest von Gjesing vernetzt. Das Hauptziel des Projekts ist es, einen Ort zu schaffen, der eben nicht nur wie eine Institution, sondern eher als ein reguläres Wohnviertel erscheint. Die hei-

Wohnformen im Alter65

Das „Kulturhaus“ des Pflegeheims Krebsebo ist als sozialer Treffpunkt für Stadt und Bewohner gleichermaßen zugänglich, und von den Wohnungen bewusst abgesetzt. (c) C.F. Møller Architects

Im Inneren ist das Kulturhaus als Wohnzimmer des Stadtteils gedacht.

(c) C.F. Møller Architects

Eine innere, geborgene Gartenanlage verbindet alle Teile des Pflegeheims.

(c) C.F. Møller Architects

66

Quartiersentwicklung als Lebensraum für Generationen

mische Atmosphäre kann durch die Aufrechterhaltung von Elementen des Alltags geschaffen werden, an die die Bewohner in ihrem Leben gewöhnt sind. Die Seniorenstadt bietet Senioren die Möglichkeit, „in die Stadt zu gehen“, um ihre täglichen Besorgungen zu erledigen, so wie sie es ihr ganzes Leben lang getan haben. Die Seniorenstadt besteht aus zwei größeren Wohnkomplexen in Form des Pflegeheimzentrums und einer seniorenfreundlichen Wohnanlage. Dazwischen befindet sich ein Stadtraum, in dem das Alltagsleben der Seniorenstadt sich entfalten kann. Das Pflegeheim umfasst vier Gebäude, darunter drei für Wohnungen und Aufenthaltsräume. Das vierte Gebäude, das Kulturhaus, beinhaltet öffentliche Funktionen wie ein Café und eine Pflegeklinik. In der Mitte befindet sich ein Hofgarten, der eine offene, aber klar abgegrenzte Umgebung schafft, die auch für Bewohner mit Demenz sicher ist. Durch die Kombination der öffentlichen Funktionen im Kulturhaus kann es vom gesamten Viertel genutzt werden und erhält dadurch den Charakter eines Gemeindezentrums. Durch die Trennung der Wohnungen von den praktischen Funktionen wird auch die Wohnungsqualität und heimische Atmosphäre der Wohnhäuser verstärkt. Die therapeutische und heilende Wirkung der Natur wird im Innenhofgarten des Pflegeheimzentrums, in dem sich ein gepflegter Garten befindet, und auf den umliegenden Waldlichtungen mit in die Natur integrierten Aktivitäten genutzt. Ein neues Netz von Routen für unterschiedliche konditionelle Grundlagen und Interessen erschließt die grüne Umgebung und schafft ein attraktives Umfeld für die Bewohner der Seniorenstadt sowie für Kinder und Erwachsene aus der lokalen Gemeinschaft.

Wohnformen im Alter67

Prof. H. P. Ritz Ritzer Geschäftsführender Gesellschafter in bogevischs buero architekten & stadtplaner GmbH München

68

2

Genossenschaftliches Wohnen in einer Metropole Ein Zuhause für alle Generationen von Prof. H. P. Ritz Ritzer

Genossenschaftlicher Wohnungsbau kann viel ... Dem demografischen Wandel zufolge suchen ältere Menschen vermehrt nach alternativen Wohnformen, die ihnen Selbstbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten gewähren, als Beispiel dafür ist das Zusammenschließen zu Wohn- und Lebensgemeinschaften oder Mehrgenerationenwohnen zu nennen.1 ...Genossenschaftliches Wohnen versteht sich als ein Prozess der Inklusion, durch den auch ein gesellschaftlicher Beitrag geleistet wird, der im Rahmen von neuen Nachbarschaften über das eigentliche Wohnprojekt hinaus wirkt.* Der Zweck der Genossenschaft ... ist die Bereitstellung guten, sicheren, ökologisch und sozial verantwortbaren Wohnraums für ihre Mitglieder.* ... Daneben fördert die Genossenschaft die sozialen, kulturellen und ökologischen Belange ihrer Mitglieder, insbesondere das Leben in einer generationenübergreifenden Gemeinschaft.* ... Den Gründungsmitgliedern der Genossenschaft ist es wichtig, dass ihre Immobilien keine spekulative Verwendung finden.* Wohnungsbau-Genossenschaften ... gibt es seit dem 19. Jahrhundert, 2016 wird die Genossenschaftsidee als erster deutscher Beitrag zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO erklärt. ... Aktuell existieren etwa 2000 Wohnungsbau-Genossenschaften mit 2,2 Mio. Wohnungen. 1  aus einer Genossenschaftssatzung

Wohnformen im Alter69

... Im genossenschaftlichen Wohnungsbau werden die Mitglieder mit Wohnraum versorgt, unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Status. ... Jedes Mitglied hat EINE Stimme – unabhängig von der Kapitalbeteiligung. ... Die Genossenschaftsidee verknüpft ökonomische, ökologische und soziale Belange. ... Genossen sind Eigentümer UND Kunden ihrer Genossenschaft. ... Das sog. Identitätsprinzip unterscheidet eine Genossenschaft von allen anderen Formen der kooperativen Zusammenarbeit.* ... Es entsteht nicht nur Kooperation, sondern IDENTIFIKATION + PARTIZIPATION !

wagnisART Das Projekt wagnisART befindet sich auf einem ehemaligen innerstädtischen Militärgelände im Norden Münchens, das nach der Auflassung und bis 2010 einer großen Künstlerkolonie zur Zwischennutzung diente und dessen Grundstücke dann im Rahmen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ausgeschrieben wurden. Das Grundstück in Nachbarschaft zum sogenannten Kunsthof wurde mit fünf unregelmäßig geformten Baukörpern und einem Kontinuum von Höfen und offenen Platzräumen bebaut. Das Projekt befindet sich derzeit in der Fertigstellung. Das erste Haus „Asien“ wird gerade bezogen, Australien, Europa und Amerika werden im April fertig, das Haus „Afrika“ voraussichtlich im Mai 2016. Neben 138 Wohnungen in fünf Häusern (mit ca. 200 Bewohner*innen) auf 9565 m² Wohnfläche gibt es einen großen Veranstaltungsraum, ein großes Speiserestaurant mit 206 m², das von einer gerade in Gründung befindlichen Sozialgenossenschaft aus Bewohnern von wagnisART und Nachbarn getragen wird. Außerdem bereichern die Quartiersvernetzung und das Wohnen und Arbeiten im Quartier Ateliers, Werkstätten, Büros, Gemeinschaftsräume, Gästeappartements, ein Waschcafé mit Nähstube und ein halböffentlicher Hof, der von diesen Einrichtungen eingefasst wird. Verbindende Brücken, großzügige Gemeinschaftsterrassen und zwei Dachgärten mit Gemüse- und Blumenbeeten wirken besonders gemeinschaftsfördernd. Alle Wohnungen werden über innenliegende Treppenhäuser und Aufzüge barrierefrei erschlossen. Der Zugang aller Häuser erfolgt vom Inneren der Wohnanlage über die gemeinschaftlichen Höfe. Alle Wohnungen sind mit privaten Freibereichen ausgestattet, die als Loggien geplant werden. In wagnisART finden Menschen jeden Alters und mit sehr unterschiedlichen Biografien ihr Zuhause, das heißt, es ist ein gemeinschaftliches Mehrgeneratio-

70

Genossenschaftliches Wohnen in einer Metropole

Masterplan

© Stadt München

Workshop: Parametrische Fassadenentwicklung.  © Udo Schindler

Fensterplan: Die Regel lautet: „Nie gleiche Fenster nebeneinander“. © arge bogevischs buero architekten & stadtplaner GmbH/ SHAG Schindler Hable Architekten GbR

Wohnformen im Alter71

© arge bogevischs buero architekten & stadtplaner GmbH/ SHAG Schindler Hable Architekten GbR

72

Genossenschaftliches Wohnen in einer Metropole

1,93

1,10

+15,38 20 2520 35 275

1,93

schlafen

bad

22

+9,47

2,50

+11,44

20 flur

bad

+15,73

küche +8,44

+8,58

36 20 2,30 20 36

flur

36

bad

küche OKFFB EG= +/- 0,00= 503,00 ü.NN

-0,14

22

22

34

+2,86

+2,50

20

eingang OKFFB EG= +/- 0,00 = 503,00 ü.NN

-0,90

-0,36

10

3,3%

-3,04

2,68

mieterkeller

-3,18

-3,04

10 20 50

10

20

50

schleuse

499,945m

2,7%

-3,50

14

-2,97 2,5%

2,68

-1,30 2,20

14

-3,385

2,5%

2,68

2,5%

-1,1851

2,20

Decke 6,0%

Rampe 6,0%

2,20

2,24

2,68

50 10

90

küche +2,72

14

OKFFB EG= +/- 0,00 = 503,00 ü.NN

-0,7851

-3,04 OKFFB UG 499,96

20

+5,72

+5,36

bad

90

schlafen

2,30 2,20

14

OKFFB EG= +/- 0,00 = 503,00 ü.NN

tiefgarage

14

küche

2,30

2,50

2,30 3,09

90 14

36 22

2,68

hof

schleuse -3,18

+8,22

+5,58

3022 14

20 3,19

3,19

eingang OKFFB EG= +/- 0,00= 503,00 ü.NN -0,14

wc

500,20

+499,80

bad

bad

+3,75

+3,39

-0,36

2,68

Höchststand Hochwasser 1940 mit 499,80 - 500,20m ü.NN

flur

30 36

90 22 14

20 36

+3,61

22 2,50

flur

flur

37

2,50

2,30

wohnen

schlafen

22 14

+6,25

20

22

36

14

bad

+6,61 20 36

90

flur +6,47

2,30

flur

2,20

2,86

2,66

16,265

wohnen

praxisräume

OK Baugrubensohle 499,02

+11,80

36

+11,66

+11,08

schlafen

14

20

küche

+11,80

90

+12,90

90 22 20 20 30

90

+9,83

36

14

+9,69

22

+10,73

2,30

2,50

1,60

36 14

36

22

20

+12,33

14,30

2,30

+12,69

36

14

+12,55

1,10

flur

90

wohnen

+14,55

90

3,215

flur

1,10

2,50

wohnen

2,66

5

30 32

20

25

+15,68

+15,91

2,30

20

+16,48

1,835

+16,27 +16,13 22 14

+16,27

16,47 5

1,10

2,20

+17,37

1,09

3,02

10 22 20 1020

+19,29

+17,37

Schnitt A-A Haus Asien

Schnitt A-A Haus Amerika

16,46 +16,10 +15,96 10 2220 30 20 2,50

flur

+12,02

+11,80

34

flur

küche

schlafen

schlafen

wohnen essen

schacht wc

bad

flur

küche

schlafen

schlafen

wohnen essen

schacht

wc

bad

flur

küche

schlafen

schlafen

wohnen essen

schacht

wc

bad

flur

küche

schlafen

schlafen

wohnen essen

+11,80

gemeinschaft

gemeinschaft

loggia

2,50

502,90m

22 20 14

+2,86

müll OKFFB EG= +/- 0,00= 503,00 ü.NN -0,14

502,91m 76

502,65m

3,295

fahrräder

503,41m 502,91m

2,30

gemeinschaft

14

gemeinschaft

+3,22

2,66

20

+2,50

OKFFB EG= +/- 0,00= 503,00 ü.NN -0,14

+3,08

2,415

22 20 14

gemeinschaft

+2,86

36

-0,44

-3,04

tiefgarage

OKFFB UG 499,96

2,20

2,22

schleuse

2,185

kellerabteile

2,165

20,00%

kellerabteile -3,18

499,50m

tiefgarage

500,025m

2,20

20 2,30 14 22

2,50

+5,72

gemeinschaft kochen/ essen

-0,36

2,68

+6,08

36

36 2,50

+5,36

36

+5,94

+5,72

20

34

gemeinschaft

2,86

2,86

15,24

15,24

2,50

flur kochen/ esssen

16,32 5

20

34

36

+8,94

+8,22

+2,72

+9,30 36

+9,16

+8,58

2,50

2,50

flur

gemeinschaft 36

2,86

kochen/ essen

+5,58

500,20

bad

+12,16

+11,44

+8,44

+499,80

schacht

wohnen

+10,20

Höchststand Hochwasser 1940 mit 499,80 - 500,20m ü.NN

+14,88

gemeinschaft

2,50

20

flur

36

2,50

bad

36

+11,66

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+14,66 +13,62 +12,90

wohnen

36

20 10 22 20 22

+14,30

10 22 2030 20

+15,68

+15,24 +14,52

-2,935

-2,97

OK Baugrubensohle 499,02

Schnitt B-B Haus Europa

Schnitt B-B Haus Australien

© arge bogevischs buero architekten & stadtplaner GmbH/ SHAG Schindler Hable Architekten GbR

Außenansichten © Michael Heinrich

Innenansicht © Julia Knop

Wohnformen im Alter73

nen-Wohnen geplant. Darüber hinaus gibt es hausübergreifend eine Mischung aus geförderten und frei finanzierten Wohnungen und neue Wohnformen, die dem demografischen Wandel gerecht werden sollen. Diese „Wohncluster“ werden aus Appartements für 1 – 3 Personen gebildet, die sich um große Gemeinschaftsbereiche für Kochen, Wohnen und Arbeiten gruppieren. Auch in den Wohnclustern werden geförderte und frei finanzierte Haushalte gemischt, der Gemeinschaftsbereich wird anteilig angerechnet. Hierzu hat es besondere Absprachen mit der Stadt gegeben.

Projektdaten Planungs-/Bauzeit:2012 – 2015 Bauherr:

Wohnbaugenossenschaft wagnis eG, München

Architekten:

Arge bogevischs buero architekten & stadtplaner GmbH, München SHAG Schindler Hable Architekten GbR

Landschaftsarchitekten:

Arge bauchplan ).( Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, München Auböck Kárász Landschaftsarchitekten, Wien

HLS/ E:

Ingenieurbüro EST, Miesbach

Statik:

henke rapolder frühe, Ingenieurgesellschaft mbH, München

Projektgröße:

BGF 20.275 m²

Wohneinheiten:

138 Wohneinheiten von 35 m² bis 400 m² (Clusterwohnungen)

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Genossenschaftliches Wohnen in einer Metropole

Maik Greb Geschäftsführer der Hartwig-Hesse-Stiftung

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3

Wohnen im Denkmal Mission Impossible? – Vom denkmalgeschützten Witwen-Stift zum modernen Quartier von Maik Greb

Wer ist die Hartwig-Hesse-Stiftung? Damals: Als Hartwig Hesse`s Witwen-Stift wurde die Stiftung 1826 von dem Hamburger Kaufmann Hartwig Hesse gegründet. Hier konnten Witwen aus dem sogenannten Maklerstande oder ähnlichen Berufen – möglichst mit einer unverheirateten Tochter – unentgeltlich wohnen. Versorgung, Betreuung und Pflege im Alter sollten so gewährleistet bleiben. Heute: Diese Ziele haben sich nie geändert. Die Stiftung wird auch heute von einem ehrenamtlichen Kuratorium (Vorsitzende: Frau Annette Teichler) und einer Geschäftsführung (Herr Maik Greb) geleitet, denen 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Seite stehen.

Die Hartwig-Hesse-Stiftung unterhält folgende Einrichtungen: –– die vollstationäre Wohn-Pflege-Einrichtung Hartwig Hesse Haus am Klövensteen in Hamburg Rissen, –– eine teilstationäre Pflegeeinrichtung „Tagespflege im Parkquartier Hohenfelde“, –– zwei Ambulante Pflegedienste mit verschiedenen Einsatzgebieten in Hamburg und 24-Stunden-Betreuung von fünf selbst organisierten Wohn-Pflege-Gemeinschaften für Menschen mit Demenz , –– eine Mehrgenerationenwohnanlage: das Heine‘sche Wohnstift in Hamburg Neustadt, –– sie ist Vermieter von drei Wohn-Pflege-Gemeinschaften mit Sitz in Hamburg Rissen und im Parkquartier Hohenfelde.

Wohnformen im Alter77

Das historische Hartwig Hesse‘s Witwen-Stift. 

Vogelperspektive „nachher“.  © alle Abbildungen: Hartung-Hesse-Stiftung

78

Wohnen im Denkmal

Kriterien für ein neues Nutzungskonzept

Weitere Einrichtungen der Hartwig-Hesse-Stiftung: –– Sie bietet zudem einen Verwaltungsservice für eigenständige Stiftungen: Kunden sind die Heerlein- und Zindler-Stiftung in St. Georg, die Keitel-Stiftung in Barmbek sowie das St. Gertrud-Stift in Borgfelde –– die Stiftung ist des Weiteren Betreuungsdienstleister –– im Gagfah-Hesse-Haus in Hamburg-Steilshoop –– und hälftiger Grundstückseigentümer des Hesse-Diederichsen-Heimes, eine vollstationäre Pflegeeinrichtung in Hamburg-Barmbek –– sowie natürlich von der Gründung an: Hartwig Hesse`s Witwen-Stift in Hamburg-St. Georg.

Wohnformen im Alter79

Neues Nutzungskonzept -Chance für Hartwig Hesse`sWitwen-Stift

Vollstationäre Pflege

Wohnen für Menschen mit Unterstützungsbedarf

Servicewohnen für Senioren und Tagespflege

Diese Angebote existierten bereits rund um das Hartwig-Hesse`s Witwen-Stift und war Ausgangslage für ein neues Nutzungskonzept. 

Die Ausgangslage 2010/2011 Das Hartwig Hesse`s Witwen-Stift ist das Ursprungsobjekt der 1826 gegründeten Stiftung. Die Gebäude wurden im 2. Weltkrieg zerstört. Ende der 1940er-Jahre begann auf Schuttresten der Wiederaufbau auf einer Wohn- / Nutzfläche von 3.400 m². Es liegt in zentraler Lage im traditionsreichen Stiftsviertel St.Georg: Inmitten von etablierten Stiftungen und Einrichtungen, u. A. mit Angeboten der stationären Pflege und Tagespflege. 2010 beherbergt das Stift 90 Wohnungen für ältere Damen und Herren und ist Sitz des Ambulanten Pflegedienstes sowie der Verwaltung. Die alte Bausubstanz mit hohem Instandsetzungsbedarf bietet jedoch keine zeitgemäße Wohnungsausstattung (fehlende Barrierefreiheit, Fahrstühle usw.) und zudem Mängel an Schallschutz, Brandschutz und der energetischen Ausstattung. Die Kosten für Sanierung und Instandhaltung liegen somit höher als die eines Neubaus: „Erneuern durch Ersetzen“

Neues Nutzungskonzept – Chance für Hartwig Hesse`s Witwen-Stift Durch eine Erweiterung der Freizeit- und Kulturangebote soll die Vernetzung im Quartier und somit die Nachbarschaft gefördert werden -> Quartiers- und Sozialraumori-

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Wohnen im Denkmal

entierung. Das vorhandene Angebot im Viertel wird aktiv mit einbezogen und ergänzt. Ziel ist es, ein vollständiges Versorgungsnetz im Quartier zu schaffen und somit eine Verbesserung der Versorgung und der individuellen Lebensgestaltung der Bewohner.

Ergebnis: Das Hartwig-Hesse-Quartier –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– ––

eine Servicewohnanlage für Senioren ab 60 Jahren, (90 % gefördert mit Kaltmieten von 6,30 €), eine Senioren-WG, eine Baugemeinschaft für Familien, eine Kindertagesstätte, eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft für 10 Menschen mit Demenz, Wohnen für (pflegebedürftige) ehemalige Obdachlose, barrierefreie Gemeinschaftsräume, ergänzende Angebote wie ein Café, Fußpflege oder Physiotherapie, die Zentralverwaltung der Hartwig-Hesse-Stiftung, Einsatzstelle des hauseigenen Ambulanten Pflegedienstes.

Die Stolpersteine Das Hartwig Hesse`s Witwen Stift ist als anerkanntes Denkmal eingestuft. Ziel des Denkmalschutzamtes ist eine Sanierung - die nutzerabhängigen Notwendigkeiten, wie z. B. Barrierefreiheit, spielen dabei keine Rolle. Die Beauftragung eines Statikers zur Prüfung der vorhandenen Sanierungsfähigkeit mithilfe von Kernbohrungen im bewohnten Objekt ergab eine Einstufung des Hauses als standunsicher und eine sofortige Räumung. Dieser Prozess dauerte zwei Jahre. Zudem galt ein Bebauungsplan aus den 1960er-Jahren und daher üblicherweise ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan unter Beteiligung aller Nachbarn“. Aufgrund der langjährigen Verbundenheit im Stiftsviertel St. Georg und einer Vereinbarung mit dem „nördlich“ gelegenen Nachbarn erfolgte die bezirkliche Absprache: Baugenehmigung durch Ausnahmegenehmigung zum bisherigen Planrecht. Gemeinsam mit Kommunalpolitik und Stadtteilgremien wurde über einen Bauvorbescheid ein Bau- und Abbruchantrag erarbeitet.

Wohnformen im Alter81

Nutzungsverteilung

Wohngemeinschaft besondere Zielgruppe 1%

Verwaltung 4%

Serviceangebote Gemeinschaftsraum (u.a. Bistro) 2% 2%

Kindergarten 3%

Besondere Wohnformen (ehemals Obdachlose) 2% Wohn-PflegeGemeinschaft 4%

Baugemeinschaft 16%

Wohnen öffentlich gefördert 58%

Wohnen frei finanziert 8%

Ca.90% des Angebots betreffen das“Wohnen„. 

Unterstützung durch die Bild-Zeitung Das Amt prüft und prüft und prüft. Im „Hartwig Hesse’s Witwen-Stift“ in der Alexanderstraße im Hamburger Stadtteil St. Georg herrscht deshalb Sanierungsrückstand – seit mehr als einem Jahr. Im Winter zieht eisige Luft durch die Wohnzimmer. JETZT PACKT DIE BEWOHNERINNEN DIE KALTE WUT! Die Frauen haben einen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz geschrieben. Sie fordern Aufklärung, wann das Amt endlich entscheidet, ob die marode Wohnanlage unter Denkmalschutz gestellt wird. Denn so lange kann weder modernisiert noch neu gebaut werden.

Weitere Stolpersteine Ein Nachbar hat trotz Nachbarschaftsvereinbarung Widersprüche gegen den Bauvorbescheid und die entsprechende Baugenehmigung eingereicht.

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Wohnen im Denkmal

Das Ergebnis: Hartwig-Hesse-Quartier 

Doch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes fiel positiv aus: alle Genehmigungen blieben statthaft. Das Witwen-Stift war immer voll vermietet, trotz Mängeln gab es stets lange Wartelisten und somit die Notwendigkeit eines „Entmietungsmanagements“: Die Vermietung an Senioren wurde ausgesetzt, nur eine befristete Vermietung z. B. an Studenten fand noch statt. Die Bewohnerinnen wurden bereits seit 2012 über die Planungen informiert und die Mietverhältnisse ordnungsgemäß gekündigt (Rückzugsrecht). Maßgabe der Stiftung war es entsprechenden Ersatzwohnraum anzubieten und sämtliche mit dem Umzug verbundenen Kosten zu übernehmen. Der Ersatzwohnraum wurde mithilfe von verwalteten und befreundeten Stiftungen, Genossenschaften, der SAGA usw. von St. Georg und Barmbek bis nach Steilshoop organisiert, sodass alle Bewohner vollständig versorgt werden konnten. Zum 01.04.2016 war die Anlage komplett geräumt.

Wohnformen im Alter83

Finanzierungsvolumen von 23,24 Mio. € Eigenmittel

1,90 Mio. €

KFW Darlehen (KFW 70)

6,80 Mio. €

Zuschüsse Stadt Hamburg

1,53 Mio. €

IFB Darlehen I

8,17 Mio. €

IFB Darlehen II

0,56 Mio. €

Haspa Darlehen

4,28 Mio. €

(Zusätzlich hat die Stiftung das Grundstück eingebracht) EK Quote inkl. städtische Zuschüsse: EK Quote inkl. Städt. Zuschüsse und Grundstück: (Grundstück 800 € x 8130 qm Wohnfläche)

14,76 % 33,40 %

Zeitlicher Verlauf 2010

Interner Zukunftsworkshop

2011 – 2012

Ausarbeitung eines Nutzungskonzeptes

2012 – 2014

Klärung Denkmalschutz

2013 / 2014

Klärung Baurechtsfrage mit Bezirk und Oberbaudirektor

2014

Gespräche mit Nachbarn und Kommunalpolitik

2014

Bewohnerumquartierung eingeleitet

2015

Positiver Bauvorbescheid

2015

Einreichung Bau- und Abbruchantrag

01.04.2016

Abbruchbeginn April 2016

01.07.2016

Baubeginn Juli 2016

15.05.2018

Fertigstellung

21.09.2018

Eröffnungsfeier

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Wohnen im Denkmal

Torsten Rieckmann geschäftsführender Gesellschafter der Senectus GmbH

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4

WOODIE – ein Universal-Design-Projekt von Torsten Rieckmann

E

ine der größten Herausforderungen unserer Zeit im Immobiliensektor ist es, Gebäude zu schaffen, die heute und später von unterschiedlichen Personengruppen genutzt werden können. Wir beobachten Trends in den Großstädten, in denen wir 50 Prozent und mehr Single-Haushalte vorfinden und zunehmend altert die Bevölkerung. Parallel verzeichnen wir in den letzten Jahren steigende Geburtenraten. Die Zahl der Studenten in unserem Land ist auf einem Höchsttand. In dieser Gemengelage stellt sich die Frage: Welche Immobilien planen wir? Weltweit steigt die Nachfrage nach Baustoffen wie Stahl und Beton. Es drängt sich die Frage auf, ob sich auch mit anderen Baustoffen bauen und damit der CO2-Footprint eines Gebäudes verringern lässt? Mit diesen Fragen haben sich die Senectus GmbH (Bed. Senectus „hohes Alter“) und die PRIMUS developments GmbH bei einer Grundstücksentwicklung nahe der Neuen Mitte Wilhelmsburg, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Hamburg 2013 entstanden ist, beschäftigt. In Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Sauerbruch Hutton, Berlin, entstand dabei WOODIE: ein siebengeschossiger Hybrid-Bau aus Holzmodulen für Studenten. Der tragende Betontisch oberhalb des Luftgeschosses und die Treppenhäuser entstehen in konventionellem Stahlbeton. Die fertigen Holzmodule, die inklusive integrierter Gebäudetechnik und Möblierung auf die Baustelle geliefert werden, werden mithilfe eines Telekrans aufeinandergestapelt. Damit beträgt der Grad der Vorfertigung gut 80 Prozent. Das Holzmodul bietet in seinen 20 Quadratmetern ein Duschbad samt Spiegel, ein Bett, einen Schreibtisch, einen Kleiderschrank und eine Pantryküche. Nach dem Aufeinanderstapeln wird der dann entstandene Kubus mit einer Holzfassade und einem Dach versehen. Die Bauzeit der rund 13.000 m2 BGF (Brutto-Grundfläche) betrug gerade einmal neun Monate und damit nur die Hälfte der Bauzeit eines konventionellen Gebäudes. Der Clou in der Flexibilität: im Sinne der Universal Designs lassen sich bis zu vier Holzmodule zu einer Wohneinheit verbinden und damit für andere Personengruppen nutzbar machen.

Wohnformen im Alter87

Fotos: Götz Wrage

STÄDTEBAU STÄDTEBAU Querverbindungen/Quartier Querverbindungen/Quartier

Studenten Studenten

Senioren Senioren

Berufsschulzentrum Berufsschulzentrum

Familien Familien

IBA Gelände IBA Gelände Zeichnungen: Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten, Berlin

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WOODIE – ein Universal-Design-Projekt

PLANUNG

Optimierung modulare Bauweise > 371 Studentenapartments > 14.700 m2 BGF

Wohnformen im Alter89

l, komplett ausgestattet

Holzmodul, komplett ausgestattet

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Holzmodul komplett ausgestattet

WOODIE – ein Universal-Design-Projekt

Fassade

Fassade

Fassade

Holzmodul Montage auf der Baustelle

Holzmodul, Montage auf der Baustelle

Wohnformen im Alter91

Dr. phil. Dr. Ing. habil. Christoph Metzger  Institut für Kunstwissenschaft Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig Verwaltung der Professur

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5

Sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen. Neurowissenschaftliche Raumkonzepte. von Dr. phil. Dr. Ing. habil. Christoph Metzger 

D

as Ziel der Open Mainded Projektentwicklung AG besteht darin, Projekte im Bereich der Gesundheitsimmobilie zu realisieren. Unsere Schwerpunkte liegen im Bereich der Erstellung von vollstationären Altenpflege-Einrichtungen sowie der Planung neuerer Wohnformen, die zeitgemäß einen starken Anteil an Service-Aspekten aufweisen. Mein Vorstandskollege Bernhard Kaiser hat BWL und Medizin studiert, verfügt über eine langjährige Erfahrung als Projektentwickler und hat sich schon früh auf den Bereich der Gesundheitsimmobilie spezialisiert. Unser CFO Andreas Rüger ist gelernter Bankkaufmann und hat u. a. für die Commerzbank in London einen Bereich des Investment-Banking geleitet. Ein Zufall hat uns bei einem Konzert auf der Ostseeinsel Usedom zusammengebracht und schließlich zur Gründung der Open Mainded Projektentwicklung AG im Jahr 2012 geführt. Die erste Gesellschaft der heutigen Open Mainded Gruppe war bereits seit 2008 aktiv tätig. Mein Bereich liegt im Feld der Konzeption und Ausformulierung von Projektansätzen, der Architektur, die durch Spuren meiner musikwissenschaftlichen und anthropologischen Kenntnis bestimmt sind. Interdisziplinäre Studien und Forschungsansätze haben Grundlagen erbracht, die uns zur idealen Gestaltung von Wohnformen für Ältere führen. Unser Interesse an Wohnformen für ältere Menschen haben wir aus der Kenntnis klingender Räumen der Musik und sensorisch wirksamen Formen der Kunst in die Architektur übersetzt. Es zeigt sich, dass gute Räume und Raumfolgen im Kontext neuronaler Aktivitäten nachweisbar sind und zum Spiegel der mentalen Verfassung werden. Ein Feld wurde von uns erschlossen, das für ältere Menschen und solche mit kognitiven Einschränkungen gute Wohnqualitäten bietet. Durch meine Habilitation im Bereich der Architekturtheorie wurde es möglich zu erforschen, unter welchen Voraussetzungen Menschen aller Altersgruppen auf Räume mit natürlichen Qualitäten angewiesen sind. Natürlich besonders dann, wenn sie älter werden. Und da zähle ich mich auch dazu, da ich weiß und täglich erfahre, dass wir mit zunehmendem Alter auf Orientierung durch Klang lebensnotwendig angewiesen sind. In einer Studie − vom Bayerischen Ministerium

Wohnformen im Alter93

Aus einer Altenwohnanlage im historischen Stadtkern, Groß Umstadt, Hessen.

Blick über den Litzensee, Berlin-Charlottenburg

für Sport und Gesundheit gefördert – konnte, in Zusammenarbeit mit einem Team von Kolleginnen und Kollegen aus München, der Nachweis erbracht werden, dass nicht das Hören akustischer Signale für die Ortung und Identifikation verantwortlich ist, sondern vielmehr die individuelle kognitive Verarbeitung über den Grad des Erkennens entscheidet. Identifikationen akustischer, visueller, haptischer wie olfaktorischer Formen sind immer vom Grad der Bekanntheit und der Präsenz des Erinnerungsvermögens abhängig. Erkannte Muster und Formen geben Sicherheit und stärken das Selbstbewusstsein, abstrakte Gestalten benötigen ein hohes Maß geistiger Kompetenz, um überhaupt erkannt und identifiziert zu werden. Ohne tägliche Übungen verlernen wir unweigerlich und in allen Lebensphasen sensorische Qualitäten zu identifizieren. Aktivitäten unserer Sinne und deren Zusammenspiel, wie Riechen, Schmecken, Hören, Fühlen und Sehen, verschieben sich jeden Tag und – je nachdem, wie wir konditioniert sind, wie wir uns ernähren, wie wir uns bewegen, wie wir mit anderen Menschen in Kontakt stehen und auch schlafen − bestimmen darüber, wie wir körperlich und geistig vital bleiben. Prozesse des Alterns verlaufen unterschiedlich. Der mentale Status erlaubt Rückschlüsse auf die Lebensführung.

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Sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen. Neurowissenschaftliche Raumkonzepte.

London, City of Westminster, historisches Handwerkerviertel. © Alle Bilder: Dr. phil. Dr. Ing. habil. Christoph Metzger 

Ich berichte im Folgenden über eine kurze „Reise“, die im Kontext der Bücher „Architektur und Resonanz“, „Bauen für Demenz“ sowie „Neuroarchitektur steht“. Es geht um sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen. Neurowissenschaftliche Raumkonzepte. Das klingt zunächst kompliziert, ist in der Summe aber schließlich völlig einfach, weil es darum geht, wie Räume gestaltet werden können, die intuitiv und ohne große Übung schnell positiv erfahren werden. Kurz: Gute Räume und Raumfolgen bieten schnell Haltepunkte und Orte der Orientierung an. Planungsvorgaben also für eine Architektur alternder Gesellschaften. Ich gebe im Folgenden ein paar Hinweise dazu, wie Räume gestaltet werden können, die man in allen Lebensphasen, ja in allen Kompetenzphasen unmittelbar erfassen kann, und das betrifft nicht nur Entscheider, es betrifft das pflegende Personal wie Bewohner von Einrichtungen. Es geht auch bei meinen Überlegungen immer um das Menschenbild und die Frage, wie wir Umgebungen gestalten können und welche Qualitäten wir als Entwickler bereit sind anzubieten. Und es geht dabei um Architekturen und Umgebungen in urbanen Kontexten, die in der Summe versuchen, landschaftliche Qualitäten der Natur in den urbanen Raum zu integrieren.

Wohnformen im Alter95

Das erste Bild zeigt nicht Frankfurt am Main, auch nicht in Hamburg, sondern wir befinden uns in London bei Nacht und erkennen die große Kuppel der Saint Pauls Cathedral, jener stilprägenden und wirkungsmächtigen Kathedrale, die es durch ihre Konstruktion ermöglicht, einen akustischen Impuls, an einer Seite in der Kuppel gesprochen oder gesungen, am anderen Ende, gut 30 Meter weiter, zu hören, ohne dass der Klang diagonal durch den Raum wandert. Hier wurde ein sensorisches Feld, nämlich das Hören, zum Zentrum der Architektur. Ein erster Einstieg führt zu weiteren Überlegungen, die ich am Beispiel von London erläutern werde. Leben in der Stadt und vor allem im Alter hat so manche Hürden zu nehmen. Meist mangelt es älteren Menschen an täglicher Bewegung. Doch in den herbstlichen Morgenstunden habe ich eine Entdeckung im Hyde Park gemacht. Im eingegrenzten Bereich des zentralen Sees (The Serpentine) konnte ich Schwimmer erkennen, mitten in London, offensichtlich Anwohner, aus der unmittelbaren Umgebung kommend, die ein morgendliches Ritual pflegten. Besser, so denke ich, kann man kaum in einer Stadt leben. Zunächst habe ich das Bild als einzelnes Ereignis gesehen, es hat weitergewirkt. Jahre später fiel mir die Beilage der Financial Times, London (How to spend it) in die Hände. Die Anzeige einer Residenz für ältere, wohlhabende Menschen warb nicht etwa mit der Zurschaustellung von Vorzügen einer Immobilie, deren Ausstattung, Service und Programm, nein, es wurde ein anderer Weg gewählt. Präsentiert wurden Bewohner der Londoner Einrichtung, die mit ihren Leidenschaften vorgestellt wurden. So fand sich ein weibliches Modell im schönen Profil einer Tänzerin, die mit ihren 88 Jahren noch regelmäßig gebucht wird. Oder ein eleganter Herr, ein Geigenbauer, der mit 85 Jahren täglich der Kunst des Geigenbaues nachgeht, ein mongolischer Bergsteiger, ein Taucher sowie ein Segler, die nach wie vor allesamt mit gut 85 Jahren aktiv sind, neue Rekorde erreichen und die alle ihren Aktivitäten, nach Eintritt in das Rentenalter nachgehen. Das Bild und die Botschaft begeistern mich. Wie auch jener Cowboy, der noch sicher im Sattel sitzt, und ein Triathlet, der mit erstaunlichen 105 Jahren mit seinen Leistungen mich im Vergleich alt aussehen lässt. Ich hatte kurz den Eindruck, dass eben gerade diese Personen es waren, die ich im Hyde Park habe schwimmen sehen. Was durchaus realistisch scheint, da die erwähnte Altenresidenz nur 600 Meter entfernt gelegen ist. Schwimmen in der Stadt, zudem im Alter wurde mir zum Sinnbild. Natürlich handelt es sich bei dieser Einrichtung um eine hochpreisige Residenz, die sich die wenigsten älteren Menschen ohne Probleme leisten können. Doch es lassen sich auch Beispiele anführen, die zeigen, dass ein gesundes und offensichtlich auch erfülltes Altern auch und gerade ohne nennenswerten finanziellen Aufwand genauso gut möglich ist. So attraktiv London mit seinem internationalen Flair sein mag, auch

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Sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen. Neurowissenschaftliche Raumkonzepte.

London, St. Paul’s Cathrdral bei Nacht.

© Dr. phil. Dr. Ing. habil. Christoph Metzger 

auf dem Land und sogar in ärmeren Regionen von Europa finden sich Orte, wo gesundes Altern verbreitet ist. Es gibt einen besonderen Ort, der ältere Menschen auf eine ironisch zu nennende Weise diskriminiert. Auf Sardinien gibt es einen solchen Landstrich, der einen Friedhof hat, auf dem nur über 100-Jährige ihre letzte Ruhestätte finden dürfen: Nuoro liegt 550 Meter über dem Meeresspiegel und so müssen und mussten die Bewohner, wenn Sie denn täglich frischen Fisch haben wollten, den Weg des Abstiegs und den folgenden Aufstieg meistern, um sich ihre eiweißhaltige Ernährung zu sichern. Bewegung und sparsamer Genuss von Rotwein hat offensichtlich dazu geführt, dass dort eine besonders alte und gesunde Bevölkerung sich entwickeln kann, die bis zu 300 Personen von über 100- Jährigen aufzuweisen hat. Natürlich stelle ich Ihnen diese Beispiele vor, um eben auch zu zeigen, wie man das Bild des individuellen Alterns positiv besetzen kann. Es gilt daran zu lernen und Voraussetzungen zu identifizieren, die in Einrichtungen des Altenwohnens letztlich ein hohes Maß an Mobilität fördern. Bewegung sollte eigentlich Normalität sein. Wenn der Satz gilt, das Leben Bewegung ist und Bewegung zum Sinnbild des Lebens wird,

Wohnformen im Alter97

so lohnt es sich, auf einzelne Bereiche der Wahrnehmung zu blicken, um zu verstehen, wie sich unsere Wahrnehmung verändert, und eben auch, wie wir Bewegung mit den Augen, Ohren und unseren Gliedmaßen im Laufe des Lebens erfahren. Am Phänomen der Bewegung richten sich Anforderungen für Menschen im jungen und besonders fortgeschrittenen Alter aus. Wie die Bewegung den geistigen und kognitiven Zustand des Menschen spiegelt, so sollte dessen Umfeld mit zahlreichen Attraktionen gestaltet werden. Sinnvoll gestalten kann schließlich nur der, der die Bedürfnisse älterer Menschen, ihre Umgebungen und veränderten sensorischen Fähigkeiten kennt. Dabei denke ich mir, dass wir andere Fragen stellen sollten, um Hinweise für die Gestaltung zu erhalten. Was, so frage ich mich, macht neben der topografischen Lage Nuoro so einzigartig? Welche architektonischen Elemente fördern Vitalität? Auf der Suche nach Ansätzen kann der Graubündner Architekt Peter Zumthor angeführt werden, der durch besondere Werke wie eine kleine Kapelle in Sumvitg, die Felsentherme in Vals oder den Umbau von Almhütten (Vals) den Körper des Menschen und dessen Wohlbefinden in den Mittelpunkt der Planung stellt. Raumverhältnisse, so Zumthor, ähneln in ihrer Beschaffenheit Instrumenten, die, aus Holz gefertigt, auch Körpern und Gestalten von Holzbooten gleichen. In der Region, wo durch die Therme eine touristische Attraktion geschaffen wurde, findet man Häuser, für die Altenpflege erstellt, selten. Bezeichnenderweise ist das einzige Objekt in Vals, das über 15 Zimmer verfügt, seit Jahren nur zur Hälfte besetzt. Wie in Nuoro sind Lebensgewohnheiten die Grundlage guter Gesundheit. Wenn ältere Menschen in den Vorgärten ihrer Häuser bei der Gartenarbeit beobachtet werden können, dann liegt darin neben vielfältigen Formen der Bewegung und guter Ernährung der Schlüssel gesunden Alterns. Das, was noch an verschiedenen Beispielen guter Einrichtungen in Frankfurt am Main in der Hügelstraße oder in Hamburg am Naturschutzgebiet Klövensteen weiter darzustellen wäre, hat ein skandinavischer Autor, Tomas Espedal, auf wunderbare Weise beschrieben. Der Titel: GEHEN oder die Kunst ein wildes und poetisches Lebens zu führen, das Buch muss als umfassende Architektur- und Zivilisationskritik gelesen werden, die uns die Bedeutung täglicher Bewegung und deren Verhinderung durch eine funktionalistische Architektur vor Augen führt. Architektur wird als Auslöser von Krankheiten identifiziert. Wie schon Kinder vor Beginn der Einschulung auf ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten getestet werden, so auch gilt der Zusammenhang von Motorik und Kognition in allen Lebensphasen. Also bleiben Sie in Bewegung!

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Sinnvolle Gestaltung von Lebensräumen. Neurowissenschaftliche Raumkonzepte.

Unser Tipp

... zum Thema „Wohnkonzepte“

Wohnen und die Pflege von Senioren Neue Versorgungsarrangements, neue Geschäftsmodelle Berthold Becher, Martin Hölscher Die im Pflegemarkt etablierten Geschäftsmodelle können nicht mehr einfach weitergeführt werden. Nachfrage und Versorgungskonzepte verändern sich. Staat und Gebietskörperschaft nutzen immer mehr ihren Einfluss auf die Entwicklung der Leistungsarchitektur. Erfahren Sie von den Experten für Wohnungswirtschaft und Pflegeleistungen Wissenswertes zu: innovativen Leistungsangeboten, neuen Versorgungsarrangements, erweiterten Geschäftsmodellen, aktualisierten Verfahren der Versorgungssteuerung. Grundlegende Beiträge und Fallbeispiele aus der Praxis führen Weiterentwicklungen und neue Erfahrungen auf. Profitieren Sie von dem Fachbuch, um Ihre eigene Position zu schärfen, Ihre Angebote anzupassen. Auch als eBook (ePub) erhältlich. 2015, 2. überarbeitete Auflage, 372 Seiten, kart., Format: 17 x 24 cm, ISBN 978-3-86630-334-8, Best.-Nr. 801

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