105 40 15MB
German Pages 155 [156] Year 1962
GERHARD MERK
Wissenschaftliche Marktforschung
Wissenschaftliche Marktforschung Von
Dr. Gerhard Merk
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot, Berlin G e druckt 1962 bei Albert Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
© 1962
Vorwort In der vorliegenden Arbeit habe ich mich bemüht, das Gebiet der Marktforschung wissenschaftlich zu untermauern. Eine solche Studie schien mir vonnöten, weil es bislang einer unter derartiger Zwecksetzung ausgerichteten Monographie gebricht. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Marktforschung ist dies sonder Zweifel ein empfindlicher Mangel. Denn leicht vermag an Beispielen gesehen werden, wie eine jede aus dem praktischen Vollzug emporgewachsene Disziplin nachteiligem inneren Zwiespalt, nicht selten gar abträglichem Zank ausgesetzt ist, kann sie sich nicht frühzeitig auf ein festes logisches und begriffliches Fundament stellen. Diesem besonderen Anliegen der Untersuchung wegen, sind rein praktische Probleme der Marktforschung nur dann und wann zwecks Erläuterung nebenbei erwähnt. Wer daher aus diesem Buch Belehrung über Vollzugsregeln der Marktforschung erwartet, der lege es nur gleich wieder aus der Hand. Ihm sei zunächst das Studium anleitender Fachbücher empfohlen, deren es allerhand schlechte und einige wenige gute gibt. Jeder aber, der bereits marktanalytisch tätig ist, wird aus den Überlegungen - wie ich hoffen möchte - einigen Nutzen ziehen. Der aufmerksame Leser wird mein eifriges Bestreben erkennen, jedwelche neue Terminologie zu vermeiden. Wo immer möglich, habe ich die in der Praxis gängigen Begriffe benützt. Das war mir allerdings nicht in einem jeden Falle möglich. Bisweilen mußte gleichsam eine Brücke von der manchmal recht unbestimmten Sprache des Praktikers zu den mehr oder minder stveng geschiedenen Begriffen der Wissenschaft gebaut werden. Das zwang dazu, streckenweise vorwiegend mit den Mitteln der formalen Logik voranzugehen. Dieserhalb hat sich die flüssige Lesbarkeit der Studie an einigen Stellen aufgehoben. Ich meine aber, daß dieser Mangel durch die dabei gewonnene Klarheit bei weitem aufgewogen wird.
Vorwort
6
Der gedankliche Aufbau der Untersuchung mag aus dem Inhaltsverzeichnis abgelesen werden. Für alle Kritik, die dazu verhilft, das Anliegen dieser Studie zu fördern, möchte ich mich bereits im voraus bedanken. Vielleicht bietet sich die Möglichkeit, den einen oder anderen Gedankenkreis noch genauer zu fassen. "Denn weiter als bis zur Ansicht des Wahrscheinlichen vorzudringen, sehe ich mich außerstande. Das letztgültig Sichere mögen diejenigen verkünden, die es für erkennbar halten und sich selbst für die Wissenden ausgeben" (Cicero: Gespräche in Tusculum. Vom Tode. IX, 17). Essen, den 1. Oktober 1961. Gerhard Merk
Inhaltsverzeichnis Einleitung
11
E r s t e r T e i 1 : Begriffliches . . .. .... . . . .... .. ............... · · . · · ·
13
A. Grundbegriffe
13 13 15 17 18 19
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.
Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marktanalyse - Marktbeobachtung Markterkundung Marktuntersuchung Marketing ....... ..... . .......... .. ... . . . .... . . .... · . · · · · · · · Marketing Research Market Research .......... .. ... . .. . .... . ... . . · . · · · · · · · · · · · · · · · Verbrauchsforschung Zusammenfassung .. . ............. . . . .... · . · . · . · · · · · · · · · · · · · Übersicht über das Verhältnis der Grundbegriffe · ·· · ·· ·· ··· ···
B . Abgeleitete Begriffe
I. II. 111. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII.
Ökoskopische-, demoskopische Marktforschung Volkswirtschaftliche-, betriebswirtschaftliche Marktforschung . . . . Betriebliche-, behördliche-, Instituts-Marktforschung . . . . . . . . . . Globale-. übernationale-, nationale Marktforschung . . . . . . . . . . . . Quantitative-, qualitative Marktforschung .. ........... . . .. . · · . · Prospektive-, retrospektive Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Introduktions-, Ökonomisierungs-Marktforschung .. . · ... · . .. · . · Primäre (unmittelbare)-, sekundäre (mittelbare) Marktforschung Interne-, externe Marktforschung .. . .. . . . . . ..... .. .. . . . . .. · .. . · Beschaffungs-, Finanz-, Absatzmarktforschung . .. .. ... . .. . . . . · Investitionsgüter-, Konsumgüter-Marktforschung .. . · ..... · · · · Übersicht der bedeutensten Arten der Marktforschung · .. · . · . · · ·
20 22
23 24 25
27 27 30 31 32 33 34 35 35 36 38 39 41
Z w e i t e r T e i 1 : Methodologisches
42
A. Methoden der Marktforschung
43
I. Ökoskopische Methoden 1. Sammetmethode ....................... ................... 2. Ökonometrische Methoden a) Abnehmergruppenanalyse .............................. b) Retroanalyse ....................... ..... ............ .. c) Reihenanalyse d) Andere Verfahren
44 45 51 53 54 55 56
8
Inhaltsverzeichnis II. Demoskopische Methoden
............... . .. . .............. . . .
1. Befragung
...... . · · · · . · . · · · · ... · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · a) Befragung verschiedener Gegenstände b) Befragung verschiedener Personenkreise ......... . .... . . c) Befragungsstrategien . ......... . ................. .. ... . ............ ... .. . . . .......... . .... . d) Befragungstaktiken e) Befragung verschiedener Themen .... .. ........... . . . ... . f) Befragung verschieden strukturierter Gegenstände . .... . . . 2. Beobachtung ..... . ............... · . · · · · · . · .. · · · · · · · · · · · · . . a) Beobachtung verschiedener Gegenstände ....... . ... . ..... . . . ..... . . .. .. . . . . ... . . . . . .. . . . . . b) Beobachtungsstrategien c) Beobachtung verschieden strukturierter Gegenstände . .... . B. Das Wesen der Methoden in der Marktforschung .......... .. ... . . .
I. Ökoskopie ......... · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · II. Ökoskopische Methoden . . . . . . .... .... . .... . . . ....... .. . ... . . . 1. Sammelmethode 2. Ökonometrische Methoden 111. Demoskopie IV. Demoskopische Methoden ....... . .... . ... .......... · · ·. · · . ·. · 1. Befragung ...... . . . . ........... · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 2. Beobachtung .. . ... . . . · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · V. Übersicht der Methoden der Marktforschung
57 57 58
59
65 72 74 75
78 78 80
81
82 82 83
84 84 85 88
90 90 92
D r i t t e r T e i 1 : Marktforschung als Wissenschaft ... ... .. ... .. .... .
94
A. Das Wesen der Wissenschaft ............. . ............... .. .... .
94
B. Der Wissenschaftlichkeitscharakter der Marktforschung ..... . .. ... .
Ziel der Marktforschung .......... . ...................... . Gegenstand der Marktforschung .. . .... . . . .. . ...... . . · ... . System in der Mal"ktforschung ... . ........... ... .... . · ... . Begründungen in der Marktforschung .... .. .... . . . . . . . . . .
96 96 96 98 99
C. Der Standort der Marktforschung als Wissenschaft .. . . . ... . .. ... . .
99
I. II. 111. IV.
Das Der Das Die
I. Marktforschung und Betriebswirtschaftslehre 99 II. Marktforschung und Volkswirtschaftslehre . ...... · . · . · · · .. . · · · 102 104 111. Marktforschung als eigene Wissenschaft V i e r t e r T e i 1 : Marktforschung als Gegenstand akademischen Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A . Notwendigkeit des Unterrichts an Hochschulen . . ... . ...... . . .. .... 107 B. Ziel des Hochschulunterrichts i n Marktforschungslehre . . . . . . . . . . . . 110
I. Vermittlung von Fachwissen .. . .. . ... ... .... .. . ... . .... · . . . . . . 110 II. Fähigkeit zu wissenschaftlicher Arbeit . ....... . . . .... .. ....... 112 111. Philosophische Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Inhaltsverzeichnis C. Die Methode des Hochschulunterrichts in Marktforschungslehre
9 117
I. Die Vorlesung in Marktforschungslehre .... . ........ . .. . ....... 118
II. Die Übung in Marktforschungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 D. Der Dozent für Marktforschungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 F ü n f t e r T e i I : Exkurs: Investitionsgüter, Konsumgüter . . . . . . . . . . 123
123
A. Güter
I . Begriffsinhalt II. Begriffsumfang B. Investition
123 123
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
I. Begriffsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Funktionsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
2. Prozeßbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestandsbetrachtung ... . .. . .. . . . ... . . .. . .. ... . ... · .. . · · .. · II. Begriffsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bruttoinvestition, Nettoinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anlageinvestition, Lagerinvestition, Vorratsinvestition . . . . . . . . 3. Geplante Investition, realisierte Investition ... . ........ . · . . . . III. Investieren und Sparen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definitionsgleichung I = S ........ . ............... · · . . . . . . 2. Gleichgewichtsbedingung I = S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 125 126 126 127 128 129 129 131
C. Investitionsgüter
132
D. Konsum
134
E. Konsumgüter
135
Sechster Te i 1 : Exkurs: Marktforschung und Motivforschung . . . . 137 A. Begriffliches
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
B. Relationsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zahl und Art der Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erscheinungsform der Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Methodische Erfassung der Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Überlegungen ...... . . ..... .. ...... . . . . · . . . . 2. Hauptmethoden der Praxis IV. Marktforschung und Relationsuntersuchung ... . ..... · ..... . ..
139 139 140 141 141 144 146
C. Motivforschung . . ................. . . ... . . ... . . ...... . .. . · . · .. · · . · 148
Einleitung "Nie hat es ein Zeitalter gegeben, welches die wirtschaftlichen Interessen höher stellte, als das unsere, niemals war das Bedürfnis nach einer wissenschaftlichen Grundlage des wirtschaftlichen Handeins ein alLgemeineres und tiefer gefühltes, niemals auch die Fähigkeit der Praktiker auf allen Gebieten menschlichen Schaffens, die Errungenschaften der Wissenschaften sich nutzbar zu machen, größer, als in unseren Tagen." Diese F.eststellung von Carl Menger1 könnte für die heute lebende Generation geschrieben sein. Denn tatsächlich kann allerwärts das Bestreben zu einer wissenschaftlichen Untermauerung unternehmerischer Entscheidungen beobachtet werden. Im Fertigungsbereich versucht man dies vornehmlich durch Operations Research, im Finanzbereich durch sorgfältig genaue Kostenrechnung und Finanzplanung, im Beschaffungsbereich durch findige Wertanalysen. Allein jede betriebliche Planung in der Marktwirtschaft muß ihre Ausgangswerte vom Absatzplan nehmen. An erster Stelle bedarf es also einer möglichst genauen Vorausschau der künftigen Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Als wissenschaftliches V erfahren zur Erreichung dieses Zieles ist eine Disziplin hochgekommen, die sich Marktforschung nennt2• Binnen weniger Jahre haben schier alle größeren Unternehmungen eigene Abteilungen für Marktforschung eingerichtet. Eine Vielzahl von Instituten führt die Marktforschung für kleinere Firmen durch. Aus dem reichhaltigen Angebot von Buch- und Zeitschriftenliteratur über das Sachgebiet Marktforschung kann man schließen, daß die Nachfrage nach solchem Schrifttum nicht gering ist. Sieht man aber nur einige der diesbezüglichen Veröffentlichungen durch, so fällt zweierlei auf. Erstens herrscht über die Grundbegriffe noch weitgehend Unklarheit. Fast jeder Autor verwendet andere Begriffe. Zweitens scheint eine Vorstellung über die Systematik der von der Marktforschung angewandten Methoden weitgehend fremd. "Dieser Sachverhalt ist nicht zuletzt darin begründet, daß sich die Marktforschung in erster Linie aus dem praktischen Vollzug entwickelt und an den konkreten Problemen des Tages geschult hat; di·e Klärung begrifflicher Grundlagen trat dabei notwendig zurück oder fand zumindest nur am Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. Wien 1871, Vorrede. Vgl. hierzu M. Rembeck: Anspruch und Leistung der Marktforschung in der Unternehmung. Der Marktforscher, Bd. 4 (1960), S. 1 f. 1
2
12
Einleitung
Rande Interesse", stellt Behrens3 wohl zu Recht fest. Bei diesem Befinden der Marktforschung scheint es nützlich, einige grundsätzliche Überlegungen über vorwiegend begriffliche und methodologische Fragen anzustellen.
3 K. Ch. Behrens: Marktforschung. Wiesbaden 1951 (Die Wirtschaftswissenschaften, Reihe A: Betriebswirtschaftslehre, Beitrag Nr. 15), S. 11.
Erster Teil
Begriffliches "Mit der Wissenschaft steht es wie mit der Philosophie: man muß immer wieder von vorn anfangen. Denn die Grundbegriffe enthalten auch hier schon das Ganze der Erkenntnis, und wenn sie auch nicht alle Ergebnisse der Forschung vorwegnehmen, so bestimmen sie doch die Richtung des Weiteren." Erich Preiser1 war es, der so treffend die Notwendigkeit einer sauberen Begriffsbildung forderte. Dem ist wenig hinzuzufügen. Daß eine angemessene Begriffsfindung geradeangesichtsder Jugend der Marktforschung dringend vonnöten ist, wird wohl kaum jemand ernsthaft bestreiten. A. Grundbegriffe Unter Grundbegriffe sind hier all jene Bezeichnungen zu verstehen, welche in Zusammenhang mit der Marktforschung immer wieder zu hören sind. Dazu muß man das Wort Marktforschung selbst zählen, dann aber auch Ausdrücke wie Marktanalyse, Marktbeobachtung, Markterkundung und Marktuntersuchung. Weil es neuerdings in Mode gekommen ist, möglichst oft Amerikanismen in die Fachsprache der Wirtschaft einzustreuen, bedürfen zumindest auch die Benennungen Marketing, Marketing Research und Market Research einer Erklärung. I. Marktforschung
(1) Es sei der Begriff Marktforschung zuerst durch eine Verbalerklärung zu erhellen versucht. Dann müßte die Marktforschung als das Forschen im Markte bezeichnet werden. Hierbei erscheint aber das Erklärte wieder in der Erklärung. Man gelangt von vornherein zu einer Diallele, nicht aber zu einer befriedigenden Erklärung. 1 Gestalt und Gestaltung der Wirtschaft. Tübingen 1934, S. 7. Preiser schließt dem einen recht rätselhaft anmutenden Satz an: "Der Anfang und das Ende sind eins, weil der Anfang eben nicht ein bloßer Beginn ist, sondern die Grundlage, auf der das Ganze sich aufbaut und die ihrerseits wieder vom Ganzen her bestimmt ist."
14
1. Teil: Begriffliches
(2) Eher scheint eine Nominaldivision geeignet zu sein, den Inhalt des Ausdrucks Marktforschung klarer zu umveißen. Es bedürften dann die Worte Markt und Fovschung einer näheren Bestimmung.
(a) Der Marktbegriff hat drei verschiedene Bedeutungsinhalte. Erstens versteht man unter Markt rein abstrakt eine mögliche, denkbare Form von Angebot und Nachfrage. Die Markttheorie ist in diesem Sinne mit dem Markt befaßt, indem sie ein morphologisches System aller erdenklichen Markttypen errichtet. Zweitens denkt man bei Mar:kt an jedes konkvete Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage überhaupt. Es ist dies der nationalökonomische (globale) Marktbegriff, wie er der Vorstellung von der Verkehrswirtschaft zugrunde liegt2. Drittens versteht man landläufig unter Markt einen begrenzten Bereich von Angebot und Nachfrage. Im Unterschied zum globalen, allgemeinen Marktbegriff wird hier meist eine räumliche (Wochenmarkt, Leipziger Messe) oder sachliche (Gemüsemarkt, Viehmarkt), seltener auch eine juristische (Schwarzer Markt, Grauer Markt) oder zeitliche (Frühjahrsmarkt, Terminmarkt) Be,grenzung vorgenommen. (b) Forschung ist das auf ein festgele.gtes Ziel ausgerichtete systematische (Unter-)Suchen. Dieser Ausdruck hat in unserer Sprache keine anderen Bedeutungsinhalte. Es wird etwa davon gesprochen, daß ein medizinisches Institut nach dem Erreger des Schnupfens (Objekt) forscht, damit eine kausale Therapie gegen diese Erkrankung (Ziel) möglich wird. Forschen verlangt ein Objekt, ein Ziel und wohl in jedem Falle auch eine Methode. Niemand denkt daran, daß das medizinische Institut willkürlich und planlos den Erreger des Schnupfens sucht. Welches ist nun bei der Erforschung des Marktes das Objekt, welches das Ziel: dies muß zunächst beantwortet werden, um zu einer Realdefinition für das Wort Marktforschung zu gelangen. Die Frage nach der Methode sei vorerst zurückgestellt. (3) Ist das Objekt des Forschers der denkbar mögliche Markt und das Ziel eine Systematisierung der Markttypen, so spricht man nie von Marktforschung. Vielmehr werden hierfür die Bezeichnungen Markttheorie oder theoretische Marktlehre angewandt. Die Erforschung des konkreten Globalmarktes, also generell aller Kauf- und Tauschakte in der Verkehrswirtschaft, wird schon immer als das ureigenste Anliegen der Nationalökonomie angesehen. Niemanden würde es einfallen, hier von Marktforschung zu reden. Mithin kann mit Marktforschung nur 2 Vgl. L. v. Mises: Artikel .,Markt". Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 7. Berlin-Göttingen-Tübingen 1959, S.l31 ("Markt nennt die Nationalökonomie den Prozeß, durch den in der auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln bestehenden arbeitsteiligen Wirtschaft (Marktwirtschaft) die Erzeugung in die Wege gelenkt wird, auf denen sie der Befriedigung der dringenden Bedürfnisse der Verbraucher am besten dient.").
A. Grundbegriffe
15
das Erforschen eines begrenzten Marktes (Teilmarktes) gemeint sein. Das Ziel liegt darin, möglichst alle Erscheinungen auf diesem Markt zu erklären (Markttransparenz). (4) Marktforschung muß demnach definiert werden als das systematische Untersuchen eines begrenzten Bereichs von Ang·ebot und (oder) Nachfrage mit dem Ziel, Erscheinungen auf diesem Bereich zu erklären. Das in paranthesi gesetzte Wörtchen oder läßt es zu, daß nur die Angebotsseite ("Beschaffung.smarkt") und nur die Nachfrageseite ("Absatzmarkt") Objekt des Forschens sein mag.
(5) Der zentrale Begrifff Marktforschung gilt nun gemeinhin als Gattungsbegriff. In dem bezüglichen Schrifttum wird er entweder durch Division in Artbegriffie unterteilt oder durch Partition in Bestandteile zerlegt, manclunal auch einem Oberbegriff subordiniert. Nachstehend seien die wichtigsten GrundbegriUe, die mit dem Begriff Marktforschung verwandt sind, auf ihre logische Richtigkeit und ihre Angemessenheit für die Praxis hin untersucht.
II. Marktanalyse -
Marktbeobachtung
(1) Als Marktanalyse bezeichnet man eine einmalige Durchleuchtung der Gesamtgegebenheiten eines Marktes zu einem gewissen Zeitpunkt. Marktbeobachtung ist die laufende, systematische Ergänzung dieser einmaligen Bestandsaufnahme3 . Beide Begriffe, Marktanalyse und Marktbeobachtung, konstituieren zusammen den Begriff Marktforschung. "Die gründliche einmalige Marktanalyse und die dann ständig in gewissen Abständen wieder erfolgende Marktbeobachtung zusammen machen das Wesen der modernen Marktforschung a.us4 ." Diese Partition soll zuerst auf ihre logische Richtigkeit hin überprüft werden. (2) Von der Partition gelten drei Hauptregeln. Einmal müssen die einzelnen Glieder das Ganze des geteilten Begriffes umfassen. Zum anderen muß die Teilung die wirklichen, wesentlichen Bestandteile des Begriffs angeben. Endlich sollen die Teilungsglieder dem Umfang nach koordiniert, dem Inhalt nach disparat geordnet sein.
(a) Gegen die erste Regel lo!g isch einwandfreier Partition verstößt die Zerteilung des Begriffs Marktforschung in Marktanalyse und Marktbeobachtung formal (gemäß den beigefügten Definitionen) nicht. Marktforschung ist zum Subjektsbegriff eines kategorischen Urteils erhoben; Marktanalyse und Marktbeobachtung sind dem Subjekt beigelegte Prädikatsbegriffe. 3
Vgl. E. Schäfer: Grundlagen der Marktforschung. Köln und Opladen s. 12 ff. H. A. Münster: Fibel der Marktforschung. Darmstadt 1957, 8. 16.
1953, 4
16
1. Teil: Begriffliches
(b) Sind die dem Begriff Marktforschung subordinierten beiden koordinierten Teilungsglieder Marktanalyse und Marktbeobachtung disparate Begriffe, wie es die dritte Partitionsregel fordert? Schließt also der Begriff Marktanalyse den Begriff Marktbeobachtung inhaltlich aus und umgekehrt? Schon bei nur formaler Betrachtung wird man Analyse und Beobachtung als kognate Begriffe erkennen müssen. Wer analysiert, beobachtet auch zwangsläufig. Allerdings kann sprachlogisch nicht das Gegentedl behauptet werden: wer beobachtet, analysiert auch. Dies kann aber wohl aufgrund der sich am Objekt Markt vollziehenden praktischen Beobachtung (sachlogisch) behauptet werden. Jeder mit Vernunft ausgestattete Mensch, der Erscheinungen auf dem Markt registriert, fragt nach dem Grund ihres Soseins, ihrer Geschichte und ihrer Änderungen. Um diese Frage zu beantworten, müssen aber die Erscheinungen auf dem Markt in ihre Elemente (Ursachen) zerlegt werden. Wer vielleicht die Schwankungen des Zinnpreises beobachtet, wird ·nach den Preisbildungsfaktoven fragen und diese in die Beobachtung einbeziehen. Er analysiert also den Markt. Auf das Objekt Markt bezogen, können die Begriffe Analyse und Beobachtung nicht als disparate gelten, sie sind hier kognate, wenn nicht gar konjunkte Begriffe. Weil sich aber Marktanalyse und Marktbeobachtung als partial gleiche Begriffe nicht dem Begriff Marktforschung subordinieren lassen, ist die Partition des Begriffes Marktforschung in Marktanalyse und Marktbeobachtung abzulehnens. (3) Was die Angemessenheit für die Praxis anbelangt, so ist der Begriff Marktbeobachtung terminologisch ziemlich unzweckmäßig. Dieser Ausdruck umschreibt nämlich einen wichtigen methodisch-desmoskopischen Begriff, der neben der Befr,agung (und dem Experiment) steht. (4) Es bliebe nun noch der Y.ersuch übrig, den beiden Bezeichnungen Marktanalyse und Marktbeobachtung (ohne Subkoordination als partitive Begriffe unter den Hauptbegriff Marktforschung) einen Platz zuzuweisen. Weil der Ausdruck Beobachtung zur Bezeichnung einer demoskopischen Erhebungsmethode allgemein Eingang gefunden hat, wird man auf die Wortkoppelung Marktbeobachtung ganz verzichten müssen. Der Begriff Marktanalyse ist umfänglich (vereinbar - nicht vereinbar) dem Begriff Marktforschung partial gleich. Beide Termini haben 5 Behrens (Marktforschung, a.a.O., S. 28) weist das Begriffspaar Marktanalyse- Marktbeobachtung mit ähnlicher Begründung zurück: "Nun sind jedoch - wie wir sehen werden - einmalige Untersuchungen in der Regel praktisch nur von begrenztem Wert; die meist kurzfristigen Veränderungen im Verhalten der Marktparteien bedingen, daß die Ergebnisse der Marktforschung nur dann mit Erfolg angewandt werden können, wenn sie sich auf die jeweils aktuelle Marktsituation beziehen. Insofern ist jede sinnvolle Marktforschung ,Marktbeobachtung'."
A. Grundbegriffe
17
eine Reihe von Teilvorstellungen miteinander gemein. Man wäre beinahe geneigt, sie als Wechselbegriffe zu bezeichnen. Wenn der Markt systematisch untersucht ( = erforscht) wird, so muß er auch zwangsläufig in seine ELemente zerlegt, also analysiert werden. Wird der Markt analysiert, so kann dies nur durch eine systematische Untersuchung ( = Forschen) geschehen. Inhaltlich (gleich - ungleich) sind also die Begriffe Marktanalyse und Marktforschung in so hohem Grade kognat, daß man fast von identischen Begriffen reden könntee. Allein der Begriff Marktforschung ruft noch eine andere Vorstellung in das Bewußtsein als nur dte Tätigkeit des systematischen Untersuchens. In der Überschrift dieser Abhandlung wird als Marktforschung die Lehre verstanden, die sich mit systematischen Marktuntersuchungen beschäftigt. Ähnlich spricht man etwa von der Buchhaltung als Lehre, als Institution, und auch als praktischen Vollzug der systematischen Gegenüberstellung aller Aktiva und Passiva. Man kann aber unter Marktanalyse nur eine Tätigkeit v:erstehen, weder eine Institution, noch eine Disziplin. In diesem Sinne ist Behrens7 zuzustimmen, der Marktforschung als Kette von Marktanalysen bezeichnet. Umgekehrt wäre dann unter Marktanalyse der individuelle Vollzug der Marktforschung zu verstehen. 111. Markterkundung
(1) Es sei zunächst versucht, das Wort Markterkundung synthetisch zu bestimmen, ohne Rücksicht auf seine festgelegten Bedeutungsinhalte in der Marktforschungsliteratur. Dann wäre einleitend festzustellen, daß es sich auch hier um einen konnexen Begriff handelt; er ist aus den beiden Substantiva Markt und Erkundung gebildet. Markt kann, so wurde bereits gezeigt, drei verschiedene Bedeutungsinhalte haben. Unter Erkundung versteht man in der deutschen Sprache ein nicht unbedingt systematisches Sammeln von Informationen. Ein Stoßtrupp beim Militär erkundet etwa den Standort der feindlichen Geschützstellungen, ein Abgeordneter erkundet die Meinung seiner Wähler. Der Stoßtrupp späht im Gelände, der Politiker horcht in die Meinung seiner Wähler hinein. Es erfordert die Erkundung wohl ein Objekt (gegnerische Batteriestellung; Stimmung der Wähler) und ein Ziel (Feststellung des Standortes der Geschützstellungen; Wissen um die Ansichten der Wähler), nicht aber eine systematische Vorgehensweise. 6 Der Nachdruck liegt hier bei "fast". Inhaltlich total gleiche Begriffe gibt es nicht. Sind Art und Zahl der Merkmale zweier Begriffe völlig gleich, so sind es nicht zwei Begriffe, sondern ein einziger. Erfüllen sie diese Bedingung nicht, so sind sie nicht identisch. Also gibt es keine identischen Begriffe (und keine begriffliche Identität: Sparen und Investieren!). 7 Vgl. K. Ch. Behrens: Marktforschung, a.a.O., S. 28.
2 Merk, Marktforschung
18
1. Teil: Begriffliches
Erkundung wäre mithin als ein unsystematisches Untersuchen zu definieren. (2) Es ist ungewöhnlich, den abstrakten Markt zu erkunden. Die Markttheorie oder theoretische Marktlehre als Wissenschaft vom abstrakten Markt geht per definitionem systematisch vor. Der konkrete Globalmarkt wird gleichfalls erforscht, nicht aber erkundet. Erkundung kann also nur den konkreten Teilmarkt zum Objekt haben. Es ergibt sich also die Definition für Markterkundung: das mehr zufällige Untersuchen (Ausspähen, Hinhorchen) eines konkreten Teilmarktes mit dem Ziel, Erscheinungen auf diesem Markt zu erklären. IV. Marktuntersuchung
(1) Grammatikalisch betrachtet ist der Begriff Marktuntersuchung ebenfalls konnex; er ist aus den Wörtern Markt und Untersuchung zusammengesetzt. Nun wurde vorher Erkundung als ein mehr zufälliges, unsystematisches Untersuchen definiert. Eine Definition entsteht durch unmittelbare Beziehung zweier Begriffe ruufeinander. Sie ist formallogisch als ein allgemeinbejahendes kategorisches Urteil aufzufassen, dessen Subjektsbegriff (derjenig.e , auf den ein anderer bezogen wird) und Prädikatsbegriff (derjenige, welcher auf einen anderen bezogen wird) Wechselbegriffe sind. Die Definition für Markterkundung muß sich also rein konvertieren und kontrapanieren lassen. Versucht man eine Konversion, so müßte alles zufällige Untersuchen des Marktes eine Markterkundung sein. Bei einer Kontraposition gelangt man zu dem Satz: keine nicht zufällige (systematische) Untersuchung des Marktes ist Markterkundung. Damit wäre auch gleichzeitig das Wesen der Marktuntersuchung begrifflich festgelegt. Sie ist das zufällige oder systematische Bemühen um einen (Teil-)Markt. Prüft man diese Definition ihrerseits wieder durch Konversion, so er hält man den Satz: alles zufällige oder systematische Bemühen um einen (Einzel-) Markt ist Marktuntersuchung. Es ist wohl sprachlogisch den Begriffsbestimmungen beizupflichten. (2) Es gilt nun die Angemessenheit der Definition für Marktuntersuchung im Sprachgebrauch der Praxis zu beurteilen. Hier wird man einräumen müssen, daß mit dem Begriff Marktuntersuchung in der Regel nur die Vorstellung eines systematischen Vorgehens verbunden wird. Der Grund liegt vorderhand darin, daß das Wort Untersuchung im täglichen Sprachgebrauch mit Forschung gleichgesetzt wird. Die Alltagssprache faßt den Begriff Untersuchung zu eng, weil sie das Adjektiv systematisch zu weit faßt. Es wird nämlich jedes beständige Sammeln von Wissen schon systematisch genannt. Die Sprache der Wissenschaft fordert aber dazu noch eine Verknüpfung einzelner Wis-
A. Grundbegriffe
19
sensakte zu einem einheitlichen Ganzen, ehe sie ein Vorgehen als systematisch bezeichnet. Legt man nur diesen Bedeutungsinhalt dem Wort :.ystematisch zugrunde, so vermag eine Untersuchung durchaus auch nicht systematisch (also rhapsodisch) vor sich gehen. Marktuntersuchung kann also auch ein bloßes Agg~egieren sein; Markterkundung ist ein bloßes Aggregieren; Marktforschung verlangt Systematisieren. Mithin ist Marktuntersuchung als Obe~begriff, Markterkundung und Marktforschung als subordinierte Begriffe anzusehen8 • V. Marketing
(1) Diesem Modewort widmet Hans Fischer9 eine begriffserklärende Studie. Wer die Abhandlung zu lesen beginnt, wird eine genaue, logisch saubere Begriffsbestimmung vermissen. Am Ende der Untersuchung angelangt, wird der Leser der Erkenntnis zuneigen, daß eine Definition wohl auch nie möglich sein wird. So wie das Wort Marketing heute allüberall benutzt wird, entzieht es sich einer exakten Definition. Eine genaue Erklärung ist deshalb unmöglich, weil der Begriff extensiv und intensiv zu groß ist. Er ist extensiv zu groß, weil sein Umfang eine Vielzahl zusammengesetzter Vorstellungen (die teilweise sogar mit fremdartigen Elementen durchsetzt sind) in sich faßt. Der Begriff ist intensiv zu groß, weil seinem Inhalt in der Praxis zu viele Merkmale zugerechnet werden. (2) Am ehesten kommt man wohl zurecht, wenn das Wort Marketing einfach mit "Verkauf in weiterem Sinne" oder mit "Gesamtbereich Verkauf" übersetzt wird. Die Ausdrücke Marktschaffen, Marktwecken, Marktmachen und ähnliche scheinen den Sinn des Wortes Marketing alle nicht vollkommen wieder:uugeben. Denn hierbei wird eine Teilvorstellung, nämlich w.erbung für neue Abnehmer, zu sehr betont. Gerade die Pflege des vorhandenen Käuferstammes wird aber als eine sehr wesentliche Aufgabe des Marketing angesehen. Schwenzner erklärt das Wort Marketing "als den Ausdruck für eine schöpferische Erfassung sowie Gestaltung und Formung des Marktes" 10 . Unter "schöp8 So auch K. Ch. Behrens: Marktforschung, a.a.O., S. 21. E. Gutenberg scheint eine ähnliche Unterscheidung vorzunehmen, wenn er schreibt: "Von ,Marktforschung' sprechen wir hier immer nur dann, wenn die Markterkundung in Form systematischer und methodisch gesicherter Marktuntersuchungen durchgeführt wird, d. h. in Formen, die die Bezeichnung Forschung wirklich verdienen"; vgl. Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Band 2: Der Absatz. Berlin-Göttingen-Heidelberg 1956, S. 36. 9 Vgl. H. Fischer: Marketing oder die Verwirrung der Begriffe. Stuttgart 1959. 10 J. E. Schwenzner: Artikel "Marketing". Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 3. Stuttgart 1959, Sp. 3889. Vgl. auch ders.: Marketing und Marktforschung. Wirtschaft und Werbung, Bd. 13 (1959), S. 616 ff.
20
1. Teil: Begriffliches
ferischer Erfassung, Gestaltung und Formung" kann man sich nichts und alles vorstellen. Deutlicher erklärt Crisp: "Marketing, das Absetzen einer Ware oder einer Dienstleistung auf dem Markt, umfaßt alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Ware oder Dienstleistung aus den Händen des Herstellers oder Produzenten in die Hände des Endverbrauchers zu bringenll." (3) Fischer nennt den Marktforscher "Akteur des Marketing"12. Dies ist wohl insoweit zutreffend, als man den Begriff Marktforschung dem Ausdruck Marketing subordinieren muß. Keinesfalls ist jedoch der Marktforscher allein Träger der Marketing. Vielmehr sind dies auch in erster Linie die Verkäufer (Verkaufsplaner, Verkaufsorganisatoren sowie Vertreter und Reisende, wobei man die beiden letzteren neuerdings "sales promotors" zu nennen beliebt), aber auch die Werbefachleute, Produktgestalter und Einkäufer. Denn auch der Beschaffungsmarkt muß in den Begriff Marketing mit einbezogen werden. Eine solche Ausdehnung des Begriffes Marketing ist sachlich gerechtfertigt, weil in den modernen Unternehmen Beschaffungs- und Verkaufsakte in enger Wechselbeziehung verkaufspolitischer Natur stehen. Diese Tatsache findet ihren Ausdruck unter anderem darin, daß die Abteilung Einkauf organisatorisch dem Verkaufsbereich in vielen Unternehmungen beigeordnet ist. VL Marketing Research (1) Marketing Research wird in unsere Sprache allgemein mit Absatzforschung übersetzt. Crisp versteht darunter "die systematische, objektive und erschöpfende Suche nach den Fakten, die für jedes beliebige Problem auf dem Gebiete des Absatzes oder Verkaufs (Marketing) von Bedeutung sind, sowie die Analyse und Ausdeutung der ermittelten Fakten"la. Zur Absatzforschung zählen nach Crisp: "Sekundäre Typen der Forschung, wie Marktanalyse und Verkaufsforschung, die weitgehend eine Analyse der Verkaufsberichte des Unternehmens sind, Kundenforschung, die sich vorwiegend mit der Aufdeckung und Analyse der Einstellungen, Reaktionen und Präfevenzen der Kunden befaßt, und Werbungsforschung, die hauptsächlich zur Unterstützung der Werbeleitung durchgeführt wird14." (2) Mit dieser Beschreibung von Crisp gewinnt man eine Vorstellung vom Inhalt und Umfang des Begriffs Absatzfor:schung. Die deutsche betriebswirtschaftliche Literatur hat diesen Terminus bisher noch nicht
R. H. 1a R. 14 R. 11
12
D. Crisp: Absatzforschung (Marketing Research). Essen 1959, S. 13. Fischer, a.a.O., S. 11. D. Crisp: a.a.O., S. 13. D. Crisp: a.a.O., S. 13 (Fußnote).
A. Grundbegriffe
21
rezeptiert. Hier findet sich aber ein Oberbegriff Absatzvorbereitung, dem die bei.den Begriffe Erkundung der Absatzmöglichkeiten und Absatzplanung untergeordnet sind15. Absatzvorbereitung erklärt Gutenberg als Vorbereitung des absatzpolitischen Instrumentariums16. Eine geschlossene, alle Aspekte systematisch umfassende Aufzählung dieses Instrumentariums vermißt man freilich bei Gutenberg. Absatzplanung ist die gedankliche Vorwegnahme einer künftigen Form des Ablaufs auf dem Absatzsektorn. Die von Gutenberg benutzten Begriffe lassen sich demnach schematisch so darstellen:
-----------··- --·-----. ------Absatzvorbereitung
Erkundung der Absatzmöglichkeiten
Absatzplanung
Es ist zu fragen, wie sich dieser begrifflichen Systematik das mit Ahsatzforschung verdeutschte Marketing Research einordnen läßt. (3) Hierbei gilt es drei Dinge zu beachten. Erstens beschränkt Gutenberg den Begriff Absatz strenggenommen nur auf die Veräußerung von Sechgütern (= Waren). Die "marktliche Verwertung von Dienstleistungen" bleibt ausgeschlossen. Dem engen, inhaltlich nur auf Sechgütern bezogenen Begriff Absatz setzt Gutenberg den weiteren, auch Dienstleistungen einschließenden Begriff "Leistungsverwertung" gegenüber18. Zweitens läßt es Gutenberg nicht zu, auch den Beschaffungsmarkt als Objekt von Absatzvorbereitungen gelten zu lassen. "Da aber in unserem Falle das Absatzproblem vom Einzelunternehmen her betrachtet wird, ist es nicht möglich, den Begriff Absatz im Sinne von Absatzwirtschaft zu gebrauchen und zu sagen, daß der Einkauf ein absatzwirtschaftlicher Vorgang sei19," Drittens liegt für eine Einordnung des gegebenen Begriffes Absatzforschung eine Schwierigkeit darin, daß Forschung immer ein systematisches Vorgehen sein muß. Forschung ist per defirutionem keine Erkundung. (4) Den Begriff Absatz kann man, zumindest in der Sprache der Wissenschaft2(), wohl auch auf Dienstleistungen beziehen. Diese Mög15 Vgl, E. Gutenberg, a.a.O., S. 16. Die enge Anlehnung gerade an Gutenbergs Terminologie empfiehlt sich deshalb, weil dieser Autor wohl unbestritten den weitesten Einfluß auf die Sprache der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland ausübt. 16 E. Gutenberg, a.a.O., S. 16. 17 E. Gutenberg, a.a.O., S. 53. 18 E. Gutenberg, a.a.O., S. 1. 19 E. Gutenberg, a.a.O., S. 3. 20 Im Sprachgebrauch der Praxis wäre das ungewöhnlich. Ein Professor setzt keine Vorlesungen ab, ein Pfarrer keine religiösen Handlungen und ein Friseur keine Haarschnitte.
22
1. Teil: Begriffliches
lichkeit räumt auch Gutenberg ein21. Anstatt Erkundung der Absatzmöglichkeiten müßte Untersuchung der Absatzmöglichkeiten gesetzt werden. Es bleibt dann offen, ob es sich um ein systematisches Vorgehen (Forschung) oder um nicht streng systematische Untersuchung (Erkundun.g) handelt. Stimmt man diesen Modifikationen zu, so läßt sich nun der Ausdruck Absatzforschung (Marketing Research) dem Begriff Absatzvorbereitung unterordnen:
----·--·· --------Absatzvorbereitung
Untersuchung --~ der Absatzmöglichkeiten
Absatzplanung
--------· ------
-----Absatzforschung Absatzerkundung (Marketing Research) Ähnlich ordnet auch Behrens den Begriff Absatzforschung ein22. Im übrigen wird vor allem in der auf den Gebrauch der Praktiker bezogenen Literatur der Begriff Absatzforschung verschieden aufgefaßt. Auf Belege hierfür sei verzichtet, weil eine kritische Durchsicht der in der Literatur vorgetragenen Begriffe den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde. VII. Market Research (1) Market Research (= Market Analysis) ist der englische Ausdruck für Marktforschung. Nach einer von der American Marketing Association herausgegebenen Begriffsbestimmung gehört die Market Research als Unterbegriff zum Marketing Research23. Dem wird man aber nicht ohne Einschränkung zustimmen dürfen. Zwar ist die Marktforschung eines der Mittel zur Ab.satzforschung. Aber der Begriff Marktforschung schließt auch eine Untersuchung des Beschaffungsmarktes eines Betriebes mit ein; Marktforschung ist mehr als nur Mittel der Absatzforschung. (2) Diese Tatsache zwingt zu einer Unterordnung des Begriffs Marktforschung unter den Ausdruck Marketing. Dann wäre das Verhältnis der drei Begriffe Marketing, Marketing Research und Market Research so darzustellen: Marketing (Gesamtbereich Verkauf)
------------------
MarketingR~arch - - - -- - - (Absatzforschung)
- -···· - - -· MarlretResearch (Marktforschung)
Vgl. E. Gutenberg, a.a.O., S. 1. Vgl. K. Ch. Behrens: Marktforschung, a.a.O., S. 29. Vgl. American Marketing Association (AMA): Report of the Definitions Comittee. Journal of Marketing, Bd. 13 (1948/49), S. 65 f. sowie H. Nystrom: Marketing Handbook, New York 1954, S. 81. 21 22 23
A. Grundbegriffe
23
Natürlich mag man bemängeln, daß in einem der Teilungsglieder ein anderes Teilungsglied per subdivisionem (indem Absatzmarktforschung ein Partitionsglied des Oberbegriffes Absatzforschung ist, wobei der Oberbegriff Absatzforschung wiederum Divisionsglied des Begriffes Untersuchung der Absatzvorbereitungen darstellt) nochmals erscheint. Formallogisch ist eine solche Zuordnung in der Tat unbefriedigend. Aber es scheint angesichts der nun einmal bestehenden Terminologie auf der einen und der Wirklichkeit auf der anderen Seite keine bess.ere Lösung erkennbar. Es ist eben so, daß sich die Absatzforschung der Marktforschung (unter anderem) bedient, obgleich die Marktforschung dennoch etwas Eigenes, Selbständiges ist und bei allen Versuchen nie unter den Oberbegriff Untersuchung der Absatzmöglichkeiten gebracht werden kann. Sachlogisch ist die getroffene Zuordnung deshalb allein richtig und überzeugend. Vlß. Verbrauchsforschung
(1) Unter Verbrauchsforschung versteht man die Untersuchung durchschnittlicher (typischer) Verhaltensweisen der Endkonsumenten in den Haushalten24• Im Gegensatz zur Marktforschung ist das Objekt der Forsch.ung enger, nämlich nur ein Teilstück des Untersuchungsgegenstandes konkreter Einzelmarkt. Die Verbrauchsforschung stellt bloß Absatzmärkte, und wiederum einzig solche Absatzmärkte in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung, auf denen Endverbraucher im Haushaltsverband als Käufer auftreten. Behrens nennt die Verbrauchsforschung treffend den empirischen Teil der Wissenschaft vom Verbraucher und Verbraucherhaushalt25. Als theoretischer Teil dieser Wissenschaft wäre die nationalökonomische Theorie vom Wirtschaftsplan der Haushalte zu denken. (2) Ohne Zweifel wird man die Verbrauchsforschung als den Keim der Marktforschung bezeichnen dürfen. Früh schon hat sich die Nationalökonomie mit typischen Verhaltensweisen der Verbraucher beschäftigt (Engel'sches Gesetz; Schwabe'sches Gesetz). Im Jahre 1921 richtete Vershafen an der damals gegründeten Handelshochschule Nürnberg das "Institut für Marktforschung der deutschen Fertigware" ein, von wo aus erste systematische Verbrauchsuntersuchungen durchgeführt wurden. Im Jahre 1935 erfolgte dann die Errichtung der "Gesellschaft für Konsumforschung", deren grundlegende und praktische Tätigkeit das Fundament für die Marktforschung in Deutschland legte. 24 Vgl. K. Alewe: Artikel "Verbrauchsforschung", Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 4. Stuttgart 1960, Sp. 5628 ff. 25 K. Ch. Behrens: Marktforschung, a.a.O., S. 29.
24
1. Teil: Begriffliches
Ähnlich verlief die Entwicklung überdies auch in den USA. Verbrauchsforscher wie Nystrom machten erst die Marktforschung großen Stils möglich, nachdem zuvor nur ganz vereinzelt Markterkundungen durchgeführt wurden26. (3) Verbrauchsforschung ist mithin eines der Teilgebiete der Marktforschung. Wenigstens für die geschichtliche Entwicklung in Deutschland gilt, daß die Verbrauchsforschung der Keim heutiger Marktforschung war. Die Verbrauchsforschung hat im wesentlichen gleiche Methoden wie die Marktforschung. Ebenso wie jene befaßt sie sich sowohl mit sachlichen wie auch mit menschlichen Gegebenheiten auf konkreten Einzelmärkten27. IX. Zusammenfassung
Die bisher behandelten und geordneten Begriffe seien zunächst schaubildlich, sodann mit Begründungen in tabellarischer Übersicht nochmals zusammenhängend vorgestellt: Marketing (Gesamtbereich Verkauf)
A.
---------------~---~
Absatzvorbereitung I. Untersuchung der Absatzmöglichkeiten 1. Absatzerkundung 2. Absatzforschung (Marketing Research) a) Absatzmarktforschung b) Werbeforschung c) Produktforschung Il. Absatzplanung
B. Marktuntersuchung I. Markterkundung II. Marktforschung (Marktanalyse) 1. Verbrauchsforschung
2 6 Historisches zur Entstehung der Marktforschung bei K. Ch. Behrens: Marktforschung, a.a.O., S. 29 ff. sowie die dort angegebene Quellenliteratur. 27 Vgl. G. Bergler: Marktforschung und Motivforschung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Bd. 28 (1958), S. 727 ff.
betrieblicher Absatz wird vorbereitet
Unterscheidungsmerkmal
A
zahl
Ordnungs·
Absatzvorbereitung
Unterbegriff
A, I
geschieht matisch
nicht
syste-
l
1 Absatzerkundung Division mit wesentlichem Einteilungsgrund: Art (Vergehensweise) Untersuchung der - - -- - - - - -- - - - -- -- -- - - der Untersuchung. Logisch umfasAbsatzmöglich•=de Einteilung; and"e Eintelkelten A~satzforschung -l~ngsg~ieder s~~d ausgeschlossen.2 g:schieht systematisch -- - - -
..
Verkaufsmengen werden festgelegt
.
Absatzvorbereitung
__ _______ _
Verkaufsmöglichkeiten werden untersucht
Keine Division im logischen Sinne, weil der Begriff Marketing intensiv (inhaltlich) und extensiv (umfänglieh) zu vielschichtig und nicht definierbar. Beide Unterbegriffe beschreiben ausgewählte Tätigkeiten des Marketing also nur eine exemplifikatorische Aufzählung von zwei Tätigkeiten des Marketing.
Erläuterungen
Untersuchung der Logisch vertretbare Zweiteilung der Tätigkeiten einer AbsatzvorbereiI Absatzmöglichtung. Es handelt sich dabei um eine keiten - - -- -------- -- - - - Partition: der Begriff Absatzvorbereitung setzt sich (per definitionem) aus Untersuchung der AbsatzmögJ[ Absatzplanung lichkeiten und Absatzplanung zusammen.
Marketing Verkauf im -·-- --·-·- ---weitesten Sinne; - ---·- -· - - - -----Gesamtbereich Angebot und Nachfrage Verkauf) suchung B auf einem Teilmarkt Marktunterwerden untersucht
(=
Hauptbegriff
A
-
zahl
Ordnungs·
X. Vbersicht über das Verhältnis der Grundbegriffe
r:-:~'
01
~
~ '1
~
p. 0'
~
?>
II, I
II
A, I, I
Ordnungs· zahl
Marktforschung
Marktuntersuchung
Absatzforschung (Marketing Research)
Hauptbegriff
-
··-- ··
· ··--
a
--- -- ··· · -- - -
r ichtet sich nur auf Verbraueher (Haushalte)
-
-
·------ ··- - ·--···---
wird praktisch vollzogen
.
I[
-·
geschieht systematisch
-
I
geschieht nicht systematisch
·-
c
•..
b
richtet sich auf die technische Produktion
· · ·····--··· · -
richtet sich auf den Werbeeinsatz
. .... .
a
richtet sich auf den Verkaufsmarkt des Betriebes
-
Ordnungs zahl
Unterscheidungsmerkmal
·-
Marktanalyse --- ------- - - ..... ··· ·· · Verbrauchsforschung
Marktforschung
- - - ~ -- - ---- -
Markterkundung
..
--
Produktforschung
Werbeforschung
Absatzmarktforschung
Unterbegriff
Erläuterungen
Verbrauchsforschung untersucht typisehe Verhaltensweisen der Endkonsumenten: mithin ein Teilgebiet der Marktforschung.
Marktforschung = Kette von Marktanalysen. Daneben Marktforschung = Lehre (Wissenschaft) und Marktforschung = Institution (Abteilung Marktforschung).
Unter begriffe sind m embra partitionis des Subjektbegriffes Absatzforschung (Marketing Research). Nicht unbedingt logisch geschlossene Partition, weil noch andere Merkmale (Tätigkeiten) den Begriff Absatzforschung mitwirkend ausfüllen. - Man kann auch b und c als Divisionsglieder der Absatzmarktforschung ansehen ; vgl. die Bemerkungen bei A. - Absatzmarktforschung ist der Teil der Marktforschung, der nur die Verhältnisse auf dem Verkaufsmarkt analysiert.
Übersicht über das Verhältnis der Grundbegriffe (Fortsetzung)
Dl
g:
ß
~-
tJj
~
~
~
1:-:> 0>
B. Abgeleitete Begriffe
27
B. Abgeleitete Begriffe Die Benennung abgeleitete Begriffe für die im folgenden des näheren behandelten Begriffe rechtfertigt sich insofern, als es sich um Divisionsglieder des Grundbegriffs Marktforschung handelt. Die Absicht der nachstehenden Begriffsuntersuchungen liegt von vornherein nicht in einer erschöpfenden Systematik aller .denkbaren Arten der Marktforschung. Denn durch die Wahl beliebig vieler Einteilungsgründe erhält man ebenso viele Einteilungsglieder. Vielmehr sollen lediglich die in der Literatur am häufigsten vorkommenden Benennungen erklärt und auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft werden. I. Ökoskopische, Demoskopische Marktforschung
(1) Objekt der Marktforschung ist der konkrete Teilmarkt Auf einem konkreten Teilmarkt treffen sich Ang·e bot und Nachfrage. Angebot und Nachfrage sind meßbare ökonomische Größen. Ihr Umfang kann in Mengeneinheiten, ihr Inhalt in Gattungs- und Qualitätsmerkmalen ausgedrückt werden. Die räumliche Verteilung von Angebot und Nachfrage ist beschreibbar; die Intensität kann aus den Preisen und (oder) den Lieferfristen abgelesen werden. Die Markttheorie stellt Maßstäbe zur Bestimmung der Morphologie des Teilmarktes zur Verfügung. Zudem können auch verschiedenerlei Beziehungen zwischen den einzelnen Größen auf dem Markt he11geleitet werden. Es finden sich auf dem Markt eine Reihe von Sachgegebenheiten ( = Sachgrößen und Sachbeziehungen) vor. Sind diese- und nur diese- das Objekt der Marktanalyse, so spricht man von ökoskopischer (sachbezogener, objektbezogener) Marktforschung28. (2) Die auf dem Markt in Erscheinung tretenden sachlichen Größen sowie deren kausale oder funktionale Beziehungen werden größtenteils durch menschliche Handlungen verursacht. Hat die Marktanalyse zum Ziel, die Marktgeschehnisse lediglich am Verursachungsmoment Mensch zu untersuchen, so spricht man von demoskopischer (subjektbezogener) Marktforschung29. 28 Vgl. K. Ch. Behrens: Objekt und Grundbegriffe der demoskopischen Marktforschung. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Bd. 30 (1959), S. 483. Unter Ökoskopie versteht Behrens die empirische Wirtschaftsforschung, welche Sachgegebenheiten in der Wirtschaft untersucht. 29 Unter Demoskopie ist empirische Sozialforschung zu verstehen, welche menschliche Verhaltensweisen untersucht. Sie befaßt sich mit soziologischen, psychologischen und sozialpsychologischen Erscheinungen in einem soziokulturellen Bereich. Alle demoskopische Forschung ist mithin subjektbezogen. Dagegen ist nicht alle subjektbezogene Forschung demoskopisch. Man denke etwa an medizinische Forschung: sie ist subjektbezogen, nicht aber empirische Sozialforschung.
28
1. Teil: Begriffliches
(3) Diese von Rehrens eingeführte Division gilt es auf ihre formale und inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen. Zwecks dessen müssen vier Operationen durchgeführt werden. Erstens sollen die Einteilungsglieder mit dem eingeteilten Ganzen verglichen werden. Zweitens sind die Teilungsglieder unter sich zu prüfen. Drittens bedarf es einer Untersuchung des Einteilungsgrundes. Endlich muß festgestellt werden, ob die Division angemessen ist. (a) Der Vergleich der Divisionsglieder ökoskopische Marktforschung und demoskopische Marktforschung mit dem Oberbegriff Marktforschung geschieht am besten durch Umkehrung, welche das divisive Urteil in ein kategorisches verwandelt. Dann müßte zu behaupten sein, daß die Marktforschung aus ökoskopischer und demoskopischer Marktforschung besteht. Es ist leicht zu erkennen, daß die Disjunktion nur im kontradiktorischen Gegensatz gründet. Bei der Einteilung der Marktforschung in eine ökoskopische und eine demoskopische handelt es sich um eine Dichotomie. Inwieweit diese angebracht ist, kann nur aus dem Vergleich der Teilungsglieder unter sich kontrolliert werden.
(b) Die Teilungsglieder unter sich müssen sich gegenseitig ausschließen, also inhaltlich konträr entgegengesetzt sein. Sind ökoskopische Marktforschung und demoskopische Marktforschung in diesem Sinne disparate Begriffe? Das hängt letztlich davon ab, ob die Analyse der ökonomischen Größen und Größenbeziehungen auf einem Markt nicht auch bestimmte Verhaltensweisen der handelnden Wirtschaftssubjekte automatisch als Forschungsresultat liefert. Es muß umgekehrt ausgeschlossen sein, daß bei der Erforschung der Marktteilnehmer auch gewisse Sachgegebenheiten auf dem Markte selbst als Ergebnis anfallen. Hier werden die Vertreter des extrem formulierten Rationalprinzips hellhörig werden. Wenn die Wirtschaftswissenschaften als "die Lehre von der Erscheinung d es wirtschaftlichen Prinzips in der menschlichen Gesellschaftao zu verstehen sind, so richtet sich jede Handlung der Wirtschaftssubjekte nach dem ökonomischen Prinzip31 . Es ist damit alle Forschung nach Verhaltensweisen sinnlos, weil es per definitionem nur eine Verhaltensweise gibt. Allein es darf der Gedanke vom homo oeconomicus nicht dazu verführen, alles tatsächliche Geschehen auf dem Markt als nur zweckrational zu bezeichnen. Das Handeln der Wirt30 A. E. F . Schäffle: Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirtschaft. Tübingen 1873, S. 1. 31 Nach L. von Mises ist sogar alles menschliche Handeln gemäß dem wirtschaftlichen Prinzip ausgerichtet. "Alles Handeln ist Wirtschaften mit den Mitteln, die zur Verwirklichung erreichbarer Ziele zu Gebote stehen. Das Grundgesetz des Handelns ist das wirtschaftliche Prinzip; unter seiner Her r schaft steht alles Handeln", vgl. Grundprobleme der Nationalökonomie. Jena 1933, S. 77. (Es handelt sich hier offensichtlich um einen falschen kategorischen Schluß.)
B. Abgeleitete Begriffe
29
Schaftssubjekte kann auch wertrational, affektuell oder traditional begründet sein. Gerade die neuere Theorie hat die Annahme eines nur zweckrationalen Handeins der Marktparteien aufgrund empirischer Studien nachdrücklich zurückgewiesen32 • Das ökonomische Prinzip ist demgegenüber als methodische Hypothese in Teilbereichen der Nationalökonomie durchaus am Platze. Es ist mithin nicht zu behaupten, daß eine Analyse der objektiven Marktfaktoren auch gleichzeitig das Handeln der Wirtschaftssubjekte erkläre oder umgekehrt. Überhaupt aber fragt die demoskopische Marktforschung nach Dingen (Wissen, Wahrnehmungen, Vorstellungen, Meinungen, Einstellungen, Absichten), welche ex definitione nicht Gegenstand der ökoskopischen Marktforschung sind. Daher sind demoskopische und ökoskopische Marktforschung definitionsgemäß disparte Begriffe. (c) Ohne weiteres kann das Objekt einer Marktanalyse zweigeteilt werden. Es sind dabei einmal die ökonomischen Sachgrößen auf dem Markt engerer Gegenstand der Untersuchung, zum anderen nur die Handlungen der das Marktgeschehen beeinflussenden Wirtschaftssubjekte. Allerdings darf nicht behauptet werden, daß in jedem Falle die ökonomischen Sachgrößen und Sachbeziehungen auf dem Markt Objektivationen menschlichen Handeins seien. Denn es sind auch zuweilen exogene Größen direkt marktbeeinflussend, wie etwa Naturereignisse. Das principium divisionis ist jedenfalls als richtig gewählt anzusprechen. (d) Die Allgemessenheit .der Division muß wiederum durch einfache Kontraposition geprüft werden. Es folgert dann das Urteil: alle nicht demoskopische Marktforschung ist ökoskopische Marktforschung. Dieser Satz ist verträglich mit den gegebenen Definitionen. (4) Die Unterscheidung der Marktforschung in ökoskopische und demoskopische erweist sich als logisch einwandfrei und als sachlich sehr zweckmäßig, wie noch im einzelnen genauer zu sehen ist. Ob das Begriffspaar demoskopisch - ökoskopisch allerdings dem Sprachgebrauch der Praktiker angemessen ist, darf wohl rechtens bezweifelt werden. Dem steht nämlich entgegen, daß Gräcismen ja selbst in der Sprache der Wiss,enschaft tunliehst vermieden werden, seitdem die Kenntnis der griechischen Sprache unter den Gelehrten und Studenten dieser Generationen nur noch sehr spärlich verbreitet ist. Es wird daher im alLgemeinen zu ·e mpfehlen sein, von sachbezogener und sub32 Vgl. hierzu insbesondere G. Katona: Psychological Analysis of Economic Behaviour. New York - London - Toronto 1951 sowie J. S. Duesenberry: Income, Saving and the Theory of Consumer Behavior. Harvard 1952. - Begriffe wie "Snob-Effekt", "Bandwagon-Effekt" und andere sind heute schon fester Bestandteil der Sprache der Theorie geworden.
ao
1. Teil: Begriffliches
jektbezog.ener Marktforschung Z'll sprechen. Ähnliche Bedenken veranlaBten auch Behrens33 , die Wörter ökoskopisch und demoskopisch im Verlaufe seiner Abhandlung durch sachbezogen (objektbezogen) und subjektbezogen zu ·ersetzen. II. Volkswirtschaftliche, Betriebswirtschaftliche Marktforschung
(1) Ein konkreter Teilmarkt kann einmal ohne Bezug auf die besonderen Bedingungen eines einzelnen Unternehmens analysiert werden. Es wird in diesem Falle von volkswirtschaftlicher Marktforschung gesprochen. Zum anderen kann die Marktuntersuchung auf den Blickwinkel der einzelnen Unternehmung bezogen sein. Es werden dann nur solche Erscheinungen untersucht, die für die Vorgänge in der Unternehmung von Bedeutung sind·34 . Die systematische Untersuchung eines "betriebssubjektiven"35 Marktes wird von manchen als betriebswirtschaftliche Marktforschung bezeichnet. (2) Die Einteilung der Marktforschung in volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche ist logisch unhaltbar, weil die beiden subkoordinierten Begriffe inhaltlich auf keinen Fall konträr entgegengesetzt sind. Wer einen Teilmarkt nur unter dem Blickpunkt der Einzelunternehmung analysiert, muß zwangsläufig auch Fakten und Daten des T.eilmarktes im ganzen untersuchen. Es wird häufig als kennzeichnend hervorgehoben, daß das Interesse der betriebswirtschaftliehen Marktforschung nicht dem Bedarf eines bestimmten Gutes insgesamt gelte. Vielmehr wird nach der Art und Weise gefragt, wie sich die Nachfrag.e unter bestimmten Einflüssen auf die konkumerenden Unternehmen verteilt (demand as seen by the seller). Gerade dieses Beispiel aber erklärt deutlich, daß zuallererst der gesamte Bedarf des Erzeugnisses bekannt sein muß. Ist dieser in seiner Höhe bestimmt, und sind überdies auch die Wettbewerber ermittelt, dann erst kann der betriebsändividuelle Marktanteil geschätzt werden36. Es handelt sich daher, weil betriebswirtschaftliche Marktforschung zumindest teilweise volkswirtschaftliche Marktforschung voraussetzt, bei beiden Begriffen um konjunkte, nicht aber um disparte Begriffe. Inhaltlich Vgl. K. Ch. Behrens: Marktforschung, a.a.O., S. 12 (Fußnote). E. Schäfer (Grundlagen der Marktforschung, a.a.O., S. 8 f.) versteht unter betriebswirtschaftlicher Marktforschung die "Erkundung der äußeren oder herkunftsgebundenen Ertragsbedingungen der Unternehmung". Damit ist genauer wohl die Unterscheidung interne-externe Marktforschung angesprochen. 3 & E. Schäfer: Artikel "Marktforschung". Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 7. Berlin-Göttingen-Tübingen 1959, S. 148. 36 Vgl. J. E . Schwenzner: Artikel "Marktforschung". Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 2. Stuttgart 1960, Sp. 3908. 33 34
B. Abgeleitete Begriffe
ill
partial gleiche Begriffe können aber nicht einem Oberbegriff subkoordiniert werden. Die Division der Marktforschung in eine volkswirtschaftliche und eine betriebswirtschaftliche ist daher zu verwerfen. (3) Es ist überdies sehr zu bezweifeln, ob der komplexe Begriff betriebswirtschaftliche Marktforschung für den Sprachgebrauch der Praxis von Nutzen sei37. Denn allzu leicht kann die Hervorhebung durch das Adjektiv betriebswirtschaftlich mißverstanden werden. Jeder, der die genaue Definition für betriebswirtschaftliche Marktforschung nicht kennt, wird zunächst an Untersuchungen des Marktes vermittels des Instrumentariums der Betriebswirtschaftslehre denken. Andererseits lie.gt die Versuchung nahe, bei dem Begriff volkswirtschaftliche Marktforschung an die Untersuchung abstrakter Märkte (Markttheorie) zu denken. Man wird einwenden, daß ja auch Begriffe wie demoskopische oder ökoskop~sche Marktforschung dem nicht klar und deutlich sind, welchem die Definitionen unbekannt blieben. Eine solche Argumentation vermag aber keineswegs zu überzeugen. Die Bezeichnungen betriebswirtschaftlich und vQlkswirtschaftl.ich sind jedem Praktiker bekannt, die Benennungen demoskopisch und ökoskopisch dagegen nicht. Während sich im ersten Fall sofort eine Vorstellung im Bewußtsein bildet (Erfahrungsbegriffe), bedarf es im zweiten Falle einiger Verstandesoperationen, ehe eine Vorstellung über Inhalt und Umf.a ng der Begriffe gefunden wird (Vernunftbegriffe). Weil es also dem Begriffspaar betriebswirtschaftliche-, volkswirtschaftliche Marktforschung einer extensiven und intensiven Deutlichkeit ermangelt, scheint es auch für den praktischen Sprachgebrauch wenig geeignet. 111. Betriebliche, behördliche, Instituts-Marktforschung
(1) Von betrieblicher Marktforschung spricht man dann, wenn eine Marktanalyse im Betrieb, durch Angestellte des Betriebes, durchgeführt wird. Mit institutioneller Marktforschung wird dagegen das von Marktforschungs-Instituten durchgeführte Untersuchen der Märkte bezeichnet38. (2) Als Einte!ilungsgrund ist bei dieser Division ein immerhin nicht unwesentliches Merkmal (nämlich der Pensonenkreis, dem die Durchführung einer Marktanalyse übertragen wurde) gewählt. Die begriffliche Disparität zwischen betrieblich und institutionell ist gemäß den 37 Allerdings scheint der Begriff ziemlich verwurzelt. Einige westdeutsche Marktforschungsinstitute sind beispielsweise im "Arbeitskreis für betriebswirtschaftliche Markt- und Absatzforschung" zusammengeschlossen. E. Schäfer betitelte