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German Pages 678 [680] Year 2023
Gion Wallmeyer Wissen über Ungewisses
Europa im Mittelalter
Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik
Herausgegeben von Michael Borgolte, Wolfgang Huschner, Benjamin Scheller und Barbara Schlieben
Band 43
Gion Wallmeyer
Wissen über Ungewisses Politische Berater und die spätmittelalterlichen Kreuzzugspläne (1274–1336)
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrads, vorgelegt bei der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen (Gutachter: Prof. Dr. Benjamin Scheller, Prof. Dr. Frank Rexroth).
ISBN 978-3-11-107370-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-108506-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-108516-6 ISSN 1615-7885 Library of Congress Control Number: 2023939452 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Das vorliegende Buch ist eine geringfügig überarbeitete Fassung der Dissertationsschrift, die ich im Frühjahr 2021 an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen eingereicht und dort im Herbst desselben Jahres erfolgreich verteidigt habe. Geschichtsforschung ist ohne die Unterstützung anderer nicht denkbar, weshalb ich zahlreichen Personen zu Dank verpflichtet bin. Dazu zählen zuvörderst die Betreuer meiner Arbeit, Benjamin Scheller und Frank Rexroth, deren Bedeutung als wissenschaftliche Impulsgeber ich nicht genug betonen kann. Benjamin Scheller regte nicht nur das Thema an, sondern ist auch der Grund dafür, dass ich meinen Weg in die Mittelalterforschung gefunden habe. Frank Rexroth lieferte in vielen Gesprächen und Kommentaren das konzeptionelle Gerüst, um das herum dieses Buch aufgebaut ist. Auch wenn die vorliegende Arbeit letztlich in Essen eingereicht wurde, ist sie doch ebenso ein geistiges Kind der Georg-August-Universität Göttingen, an der ich für drei Jahre gearbeitet habe. Das dortige DFG-Graduiertenkolleg „Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts“ gab mir die Möglichkeit und den Freiraum, Ideen zu entwickeln und sie mit den anderen Kollegiatinnen und Kollegiaten zu diskutieren. Sehr bereichernd waren auch die Denkanstöße von Marian Füssel und Hedwig Röckelein. Besonders verbunden bin ich meinen Kolleginnen Leonie Exarchos und M. Elisabeth Schwab, ohne die meine Zeit in Göttingen nicht dieselbe gewesen wäre. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen an der Universität Duisburg-Essen, an der ich die vergangenen Jahre gelehrt und geforscht habe, waren mir ebenfalls eine unschätzbare Hilfe bei meiner Arbeit. Jan-Hendryk de Boer, Marcel Müllerburg, Franzisca Scheiner und Johanna Wittmann lieferten wertvolle Anregungen, die ihren Weg in das vorliegende Buch gefunden haben. Die Mitglieder des DFG-Graduiertenkollegs „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ nahmen mich in ihre Mitte auf und schenkten mir stets ein offenes Ohr. Ivana Krenz danke ich für ihre Korrekturen am Manuskript. Jenseits dieser beiden Universitätsstandorte konnte ich ebenfalls immer wieder von Gesprächen sowie Rückmeldungen zu meinen Texten und Vorträgen profitieren. Ausgesprochen bereichernd waren die Kommentare und Anmerkungen von Nicholas Coureas, Paula M. de Carvalho Pinto Costa, Ana M. Echevarría Arsuaga, Antonio García Espada, Paul D. A. Harvey, Nikolas Jaspert, Mordechay Lewy, Jacques Paviot, Jürgen Sarnowsky, Felicitas Schmieder und Jayne Wackett. Hilfreich war zudem der Austausch auf Kolloquien und Tagungen, von denen ich insbesondere das Kartengeschichtliche Kolloquium, die Workshops zur Historischen Netzwerkforschung sowie den Leipziger Sommerkurs zur Handschriftenkultur nennen möchte. Als Historiker ist man freilich verloren ohne Zugang zu den Quellen, weshalb ich außerdem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archive und Bibliotheken, die ich im Rahmen meiner Forschung nutzen durfte, zu Dank verpflichtet bin. In diesem Zusammenhang zu nennen sind vor allem Maroma Camilleri und Louis Cini von der https://doi.org/10.1515/9783111085067-202
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Vorwort
maltesischen Nationalbibliothek, Eugenia Antonucci von der Laurenziana in Florenz, Thierry Pin vom französischen Nationalarchiv, Rose Mitchell vom britischen Nationalarchiv in Kew und Tom Harper von der britischen Nationalbibliothek. Besonderer Dank gebührt dem J. B. Harley Research Trust, der mir mit seinem FellowshipProgramm nicht nur den Archivaufenthalt in England ermöglicht, sondern auch den Kontakt zu vielen Forscherinnen und Forschern vermittelt hat. Für die Aufnahme in die Reihe „Europa im Mittelalter“ danke ich Michael Borgolte, Wolfgang Huschner und Barbara Schlieben, ebenso wie Philipp Winterhager für die wissenschaftliche Koordination der Publikation und Moritz Bensch für das Korrektorat. Mein größter Dank gilt meinen Freunden und meiner Familie, die über die gesamte Promotionsphase hinweg eine unerlässliche Stütze für mich waren. Pamela Mannke-Gardecki gab mir stets Zuspruch und begleitete mit viel Geduld meine wissenschaftlichen Umtriebe. Auf den Rückhalt meiner Mutter konnte ich auch in der stressigen Endphase immer zählen. Schließlich danke ich meinem Vater, der meine Arbeit an der Dissertation mit großem Interesse verfolgt hat, aber ihre Fertigstellung nicht mehr miterleben konnte. Ihm ist dieses Buch gewidmet. Bielefeld, im Frühjahr 2023
Gion Wallmeyer
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Einleitung 1 1 Beratung und Hof 4 2 Wissen und Experten 8 3 Kreuzzug und Risiko 17 4 Quellengrundlage und Gang der Untersuchung
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Teil I: Krise und Chance 1
Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur an den Herrscherhöfen des 13. Jahrhunderts 33 1.1 Vom auxilium zum consilium 35 1.2 Die Entdeckung des Risikos vor den Mauern von al-Manṣūra 49 1.3 Die epistemische Krise der 1290er Jahre 68
2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit 76 2.1 Der Kreuzzug als leerer Signifikant 76 2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung 2.3 Beratung und Patronage 97
82
Teil II: Berater und ihr Wissen 1
Die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsberater
2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater 2.1 Sozialer Hintergrund 128 2.1.1 Ritterorden 128 2.1.2 Kriegführender Adel 138 2.1.3 Seehandelsstädte 147 2.2 Inhaltliche Schwerpunkte 149 2.2.1 Strategie und Taktik 150 2.2.2 Aufbau der Streitmacht 152 2.2.3 Logistik 158 2.2.4 Der Weg ins Heilige Land 161 2.2.5 Die Seeblockade des Orienthandels 164 2.2.6 Inhaltliche Verschränkungen 169
111 128
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Inhaltsverzeichnis
2.3 Wissensbestände 170 2.3.1 Kriegführung 171 2.3.2 Seefahrt 182 2.3.3 Kreuzzug 187 3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater 192 3.1 Sozialer Hintergrund 192 3.1.1 Rechtsgelehrte 192 3.1.2 Ritterorden 203 3.2 Inhaltliche Schwerpunkte 207 3.2.1 Die Finanzierung des Kreuzzuges 207 3.2.2 Legislative Maßnahmen 221 3.2.3 Inhaltliche Verschränkungen 232 3.3 Wissensbestände 240 3.3.1 Legistik und Kanonistik 240 3.3.2 Kirchenverwaltung 246 4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater 251 4.1 Sozialer Hintergrund 251 4.1.1 Mendikanten 252 4.1.2 Sonstige 261 4.2 Inhaltliche Schwerpunkte 269 4.2.1 Der Orient und seine Bewohner 270 4.2.2 Der Weg ins Heilige Land 290 4.2.3 Die Seeblockade des Orienthandels 297 4.2.4 Inhaltliche Verschränkungen 305 4.3 Wissensbestände 306 4.3.1 Kreuzzug 309 4.3.2 Fernhandel 317 4.3.3 Mission 334 4.3.4 Diplomatie 341 5 Nonkonformisten 352 5.1 Mediziner 353 5.2 Ramon Llull und die ars magna 364 5.3 Marino Sanudo und der Versuch einer Rückeroberungsenzyklopädie
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IX
Inhaltsverzeichnis
Teil III: Wissen am Hof 1
Die Organisation von Spezialwissen am Hof 391 1.1 Formen der Experten-Laien Interaktion 392 1.1.1 Beraterkollektive 396 1.1.2 Expertenmediatoren 417 1.2 Experten, Laien und die Schaffung einer Interaktionssprache 429 1.2.1 Symbolisieren und Repräsentieren – Alltagswissen 429 1.2.2 Ordnen und Argumentieren – Gelehrtenwissen 446 1.2.3 Imitieren und Limitieren – Geschichtswissen 460 1.3 Politische Entscheidungsträger und die Bewertung von Spezialwissen 1.3.1 Utilitas und possibilitas 472 1.3.2 Die Eigendynamik des Konsiliarwesens 488
2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten 502 2.1 Der Zugang zum Hof 502 2.1.1 Medien der Kommunikation 507 2.1.2 Berater als Netzwerker 521 2.2 Die Dramaturgie des Expertenhandelns 543 2.2.1 Passgenauigkeit verheißen, Ambivalenz praktizieren 2.2.2 Kontingenzbändigung durch Wissen 558 Das Ende kreuzzugsbezogener Expertenkulturen? Eine Schlussbetrachtung 573
Anhang Siglenverzeichnis
585
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
587 589
Kategorien der Inhaltsanalyse Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis
591
597 607
Orts- und Personenregister
655
545
471
Einleitung Berater prägen die politische Landschaft der Gegenwart. Insbesondere von der Beratung durch sogenannte Experten, also meist Wissenschaftler, Regierungsbeamte, Verantwortungsträger aus der Privatwirtschaft oder Vertreter von Beratungsagenturen, erhoffen sich politische Entscheidungsträger wie Bevölkerung gleichermaßen, dass sie ihren Sachverstand zum Nutzen der gesamten Gesellschaft in den politischen Prozess einbringen.1 Besondere Konjunktur haben solche Expertenratgeber in Zeiten großer epistemischer Unsicherheit und Zukunftsungewissheit, weil sie mit dem Anspruch auftreten, dass sich mithilfe ihres Wissens die verlorengegangene Entscheidungssicherheit wiederherstellen lasse.2 Aufgrund der ihnen zugeschriebenen Expertise haben die Vorschläge dieser Berater zugleich auch eine legitimatorische Funktion für politisches Handeln und eröffnen Politikern dadurch eine Möglichkeit, die Verantwortung für Fehlschläge oder missliebige Entscheidungen zu externalisieren, indem sie auf den Ratschluss der Experten verweisen.3 Angesichts der exponierten Position im politischen Entscheidungsprozess wird die Beratung immer wieder Gegenstand der Kritik; es heißt, Politiker ließen sich zu viel beraten, schenkten ihren Ratgebern zu wenig Gehör oder aber den falschen Ratgebern zu viel Gehör. Politische Beratung ist jedoch kein per se modernes oder westliches Phänomen, sondern lässt sich auch in vormodernen und außereuropäischen Gesellschaften beobachten. Auch die Mittelalterforschung hat sich ausgehend von den Arbeiten der älteren Verfassungsgeschichte bereits eingehend mit den Formen und Funktionen politischer Beratung auseinandergesetzt.4 Anders als in der modernen Politikberatung stand dabei jedoch weniger die Ratgebertätigkeit von Wissenschaftlern und anderen Fachleuten im Zentrum, sondern vielmehr der Austausch zwischen Herrschern und den Großen ihres Reiches. Die Beratung, so die Annahme der Forschung, erlaubte Fürsten und Prälaten die Teilhabe am herrscherlichen Entscheiden und gehörte deshalb zum Wesenskern der Feudalherrschaft.5 Erst im Übergang zum Spätmittelalter habe sich daraus eine neue Form der Beratung entwickelt, welche auf die Akquise von Informationen oder Wissen abzielte. Diese Ausdifferenzierung höfischer Ratgebertätigkeit wird üblicherweise in engem Zusammenhang gesehen mit der Entstehung eines Hofrates, der „im Laufe der Entwicklung die Form einer Behörde an[nahm], die für Fragen der Verwaltung wie der Rechtsprechung zuständig war“ und vor allem „der Optimierung herrschaftlichen Agierens durch sachkompetente Bedienstete“ dienen sollte.6 Dieser Übergang hin Lompe, Modelle (2006), 25. Daase, Unsicherheit (2014), 19–29; Kusche, Politikberatung (2008), 33–51. Weingart, Politikberatung (2006), 36 f. Brunner, Land (1965), 269–272; Hintze, Wesen (1970), 50 f. Althoff, Colloquium (1990), 145–167; Hannig, Consensus Fidelium (1982); Keller, Grundlagen (1985), 19–22; Schneidmüller, Herrschaft (2000), 53–87; Reuter, Politics (2010), 193–216. Althoff, Kontrolle (2016), 335 f. Ähnlich argumentiert auch Hintze, Bedingungen (1931), 45 f. https://doi.org/10.1515/9783111085067-001
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Einleitung
zur informationsorientierten Beratung ist in der politischen und der Verfassungsgeschichte zwar immer wieder proklamiert, aber aufgrund der schwierigen Quellenlage bislang kaum erforscht worden. Im Unterschied zur modernen Politikberatung, die sich dem ständigen Blick einer kritischen Öffentlichkeit ausgesetzt sieht, forderten die Beobachter des mittelalterlichen Politikbetriebs nämlich keineswegs Transparenz bei der herrscherlichen Entscheidungsfindung ein und berichteten dementsprechend nur zurückhaltend darüber, was in den Hinterzimmern der Macht vor sich ging. Meine Arbeit nimmt dieses Desiderat zum Anlass, die spätmittelalterlichen Anfänge informationsorientierter Beratung an den Höfen lateineuropäischer7 Herrscher erneut in den Blick zu nehmen und sie mit den Mitteln der Wissensgeschichte neu zu konzeptualisieren. Die informationsorientierte Beratung mit Fachleuten, welche hier im Zentrum stehen soll, sieht sich derweil anderen strukturellen Problemen gegenüber als der Austausch mit Fürsten und Prälaten, aus dem sie hervorgegangen ist. Dazu zählt vor allem die epistemische Lücke zwischen dem Wissen von Ratgebern und Beratenen: Die Ersteren müssen ihr Spezialwissen in eine für ihre Rezipienten verständliche Sprache übersetzen, während die Letzteren die Expertise dieser Spezialisten bewerten müssen, ohne selbst über das dafür notwendige Hintergrundwissen zu verfügen.8 Anders als die meisten modernen Kontexte, in denen Experten-Laien-Kommunikation stattfindet, waren vormoderne Herrscherhöfe allerdings stratifikatorisch und nicht funktional differenziert.9 Ihre hierarchische Ausrichtung auf eine einzige herausgehobene Person (den Fürsten, König etc.) führte zu neuen Schwierigkeiten, denn der Zugang zu diesen Entscheidungsträgern war notwendigerweise ebenso limitiert wie die Zeit, in der sie sich die Vorschläge potentieller Berater anhören konnten. Aus dieser Engführung entstand ein ständiger Selektionszwang seitens der Beratenen, schließlich konnte in dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster nur eine begrenzte Anzahl an Beratern gehört werden – und von diesen Beratern waren es dann wiederum nur wenige, die mit ihren Ratschlägen auch tatsächlich Gehör fanden. Wie war es Ratgebern in der geschilderten Situation möglich, von politischen Entscheidungsträgern als Experte für die Lösung eines bestimmten Problems gehört zu werden? Und wie wurde das problemrelevante Wissen der Berater innerhalb dieser Kommunikationssituation erzeugt und evaluiert? Welche Funktionen erfüllten die Ratgeber im Umgang mit ungewisser Zukunft und inwiefern trugen sie zur Legitimation herrscherlichen Handelns bei?
Unter „lateineuropäisch“ verstehe ich im Folgenden alle Regionen, in denen das (Mittel-)Lateinische als Sprache der Kirche und Gelehrten (und damit meist auch die römische Papstkirche als Religion) dominierte, vgl. Jussen, Abendland (2016), 25–29. Goldman, Experts (2011), 109 f.; Hardwig, Dependence (1985), 336–339; Hitzler, Wissen (1994), 23 f.; Rexroth, Systemvertrauen (2012), 20 f.; Schützeichel, Laien (2007), 549. Bereits Platon hat dieses Grundproblem der Experten-Laien-Kommunikation thematisiert. Im Charmides lässt er Sokrates fragen, wie man eine Person, die vorgebe ein Arzt zu sein, von einem echten Arzt unterscheiden könne. Vgl. Plat. Charm. 170d–e. Luhmann, Systeme (1988), 264.
Einleitung
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Im Folgenden werde ich diese Fragen mithilfe einer Fallstudie untersuchen, die sich auf die Planung von Orientkreuzzügen an den Höfen lateineuropäischer Herrscher während des 13. und 14. Jahrhunderts konzentriert. Für die Erforschung der politischen Beratung ist dieser Gegenstand besonders geeignet, weil er in eine Phase epistemischer Ungewissheit und Zukunftsunsicherheit im Umgang mit den Kreuzzügen fällt. Im Laufe des 13. Jahrhunderts hatten die Kreuzfahrer zahlreiche Niederlagen gegen die ägyptischen Sultane hinnehmen müssen, die zum Verlust von Jerusalem (1244), Antiochia (1268) sowie Tripolis (1289) führten. Den Höhepunkt dieser militärischen Misere markierte das Jahr 1291, als mit Akkon, Sidon und Château Pèlerin die letzten Stützpunkte der Kreuzfahrer an der Levante verloren gingen.10 Im Westen setzten diese Misserfolge einerseits rege Planungen zur Rückeroberung der verlorenen Gebiete in Gang, sorgten jedoch zugleich für Ungewissheit darüber, wie (und ob) dieses Husarenstück sich bewerkstelligen lasse. Der Bedarf nach neuen Plänen zur Rückgewinnung der alten Besitzungen entfachte an den Höfen von Päpsten und Königen die Suche nach neuem Wissen, das von militärischem Nutzen sein und dabei helfen sollte, den misslichen Ausgang vergangener Kreuzzüge zu vermeiden. Auf diese Nachfrage nach kreuzzugsbezogener Expertise reagierten zahlreiche Berater, die aus unterschiedlichen sozialen Milieus und Wissenskulturen stammten. An den Rückeroberungsbemühungen waren gleich mehrere lateineuropäische Machthaber beteiligt, weshalb ihre Untersuchung deutlich aussagekräftiger ist als eine Fallstudie zur politischen Beratung an einem einzigen Hof. Zugleich läuft das Fallbeispiel nicht Gefahr, sich in den modernisierungstheoretischen Narrativen der älteren Verfassungsgeschichte zu verfangen, weil der Kreuzzug keine dauerhaften Herrschaftsinstitutionen wie den Hofrat hervorbrachte. Im Unterschied zu anderen Ausformungen der politischen Beratung im Mittelalter können die Inhalte der spätmittelalterlichen Kreuzzugsplanungen anhand einer breiten schriftlichen Überlieferung nachvollzogen werden, die nicht nur aus höfischer Korrespondenz und Verwaltungsschrifttum besteht, sondern auch Niederschriften der Rückeroberungsprojekte umfasst, die Expertenratgeber im Auftrag von Päpsten und Königen entwarfen.11 Dieser Quellenbestand bildet den Ansatzpunkt für die folgende Untersuchung der Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Ratgebern. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen Wissen erzeugt, also durch Sinnzuschreibungen hergestellt wurde. Ausgehend davon ergeben sich wiederum vier sekundäre Fragekomplexe: (1) Was waren die Möglichkeitsbedingungen höfischer Ratgebertätigkeit und inwiefern unterlagen diese einem historischen Wandel? (2) Aus welchem sozialen Milieu stammten die Berater
Atiya, Crusade (1970), 29–46; Demurger, Croisades (2006), 289–298; Housley, Later Crusades (1992), 7–26; Jaspert, Kreuzzüge (2020), 54–56; Tyerman, God’s War (2007), 814–829. Leopold, Holy Land (2000), 8–50; Schein, Fideles crucis (1991), 269 f.; Wallmeyer, Kreuzzug (2017), 286–291.
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Einleitung
und auf welche Wissensbestände griffen sie für ihre Rückeroberungspläne zurück? Wie versuchten sie, dieses Wissen zu rekonfigurieren, damit es von Nutzen für den Kreuzzug war? (3) Wie war die Interaktion zwischen Beratern und den politisch Verantwortlichen an den Höfen organisiert? Inwiefern versuchten die Beteiligten dabei, die epistemische Lücke zwischen Experten und Laien aktiv zu überwinden? (4) Auf welche Weise versuchten die Berater, Ungewissheit zu reduzieren und Entscheidungssicherheit herzustellen? Und wie gelang es ihnen, sich gegen andere Ratgeber durchzusetzen und am Hof als Experten für den Kreuzzug anerkannt zu werden?
1 Beratung und Hof Die Analyse der Formen und Funktionen von politischer Beratung ist kein neuer Gegenstand für die Mediävistik. Die Identifikation von Beratertätigkeit in den Quellen gestaltet sich einfach, weil der Begriff des Ratschlags bzw. Rat-Gebens kein Anachronismus ist, sondern im mittellateinischen Ausdruck consilium bzw. dessen Verbform consiliare sein Analogon findet.12 Im Unterschied zur modernen Politikberatung bezeichnete consiliare im politischen Kontext des Mittelalters jedoch zwei verschiedene Typen von Handlungen: einerseits das Bereitstellen von Sachverstand, Fachwissen oder Expertise und andererseits die Partizipation von Fürsten und Prälaten an der herrscherlichen Entscheidungsfindung. Da in herrscherlichen Beschlüssen gern behauptet wird, durch die Beratung mit den Großen des Reiches einen allgemeinen consensus hergestellt zu haben, spricht die Forschung diesbezüglich von „konsensualer“ oder „konsensorientierter“ Herrschaft.13 Die ältere Verfassungsgeschichte, allen voran Brunner, sah darin eine Strategie von Lehnsherren, ihre Vasallen auf das Einhalten von Beschlüssen zu verpflichten, während die jüngere Forschung die Beratung mit Fürsten und Prälaten eher als Kontrolle der herrscherlichen Machtausübung betrachtet.14 Als die informationsorientierte Beratung sich im Spätmittelalter von dieser Form der Beratung ablöste und eigene Institutionen herausbildete, verschwand die konsensorientierte Herrschaft allerdings keineswegs, sondern wurde nur stärker formalisiert – etwa in Form des Oberhauses oder Reichstags. Struktur- und Verfassungsgeschichte haben diesen Prozess der Ausdifferenzierung traditionell vor dem
Köbler/Weimar, Consilium (1986), 160–162. Ab dem 12. Jahrhundert bezeichnete das consilium überdies eine literarische Gattung gelehrter Gutachten in der Jurisprudenz und Medizin, vgl. Ascheri, Consilia (2003), 307–314; Baumgärtner, Stadtgeschichte (1990), 129–154; Fried, Entstehung (1974), 118–120; Woelki/Daniels, Consilia (2018), 83–85. Althoff, Colloquium (1990), 145–167; Ertl, Herrschaft (2018), 123–144; Jostkleigrewe, Staat (2018), 362–372; Keller, Grundlagen (1985), 19–22; Patzold, Konsens (2007), 75–103; Postel, Herrschaft (2004), 1–25; Reuter, Politics (2010), 206–209; Ruhe, Hiérarchies (2004), 109–123; Schneidmüller, Herrschaft (2000), 53–87; Thieme, Funktionen (2012), 186–189. Althoff, Kontrolle (2016), 11–23; Brunner, Land (1965), 428 f.
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Hintergrund der Entstehung des modernen Staates interpretiert, aber dabei oft vernachlässigt, dass es sich nicht um eine gradlinige Entwicklung handelte.15 Die Forschung zur politischen Beratung im Mittelalter hat sich vor allem auf die konsensorientierte Herrschaft fokussiert, aber die Organisationsformen der auf (Fach-)Wissen oder Expertise ausgerichteten Beratung nur selten in den Blick genommen.16 Für diese Diskrepanz lassen sich vor allem zwei Gründe ausmachen: Auf der einen Seite die Problematik, dass politische Berater sich über große Teile des lateineuropäischen Mittelalters hinweg nicht eindeutig von politischen Entscheidungsträgern abgrenzen lassen, weil die Ratgeber von Königen und Päpsten oft selbst als Bischöfe, Grafen oder Barone ein eigenes Herrschaftsgebiet regierten.17 Zum anderen lassen sich die Inhalte und Abläufe politischer Beratung aus der mittelalterlichen Überlieferung oft nicht rekonstruieren, da der Austausch zwischen den Herrschenden und ihren Ratgebern meist mündlich sowie unter Ausschluss großer Teile der höfischen Gesellschaft erfolgte und dementsprechend bestenfalls sporadisch Niederschlag in den Quellen gefunden hat.18 Beide Problematiken bilden jedoch keineswegs ein fundamentales Hindernis für die Erforschung mittelalterlicher Politikberatung, sondern laden vielmehr zu einer Differenzierung bestehender Hypothesen und Erprobung neuer Methoden anhand eines konkreten historischen Phänomens ein. Die Planungen19 zur Rückeroberung des Heiligen Landes im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert eignen sich wiederum in besonderem Maße für eine solch differenzierende Betrachtung der politischen Beratung, weil die Trennung von Ratgeber und Entscheidungsträger dort spätestens ab den 1290er Jahren realisiert war und die Quellenlage für diesen Zeitraum vergleichsweise günstig ausfällt. Damit ermöglichen die Quellen zu den Kreuzzugsplanungen einen Schwerpunktwechsel in der Forschung zur informationsorientierten Beratung, weil die bisherigen Arbeiten in diesem Feld sich aufgrund der Überlieferungslage vor allem mit den Abhandlungen von (Universitäts-)Gelehrten befasst haben.20 Obwohl die Forschung sich weitgehend einig darin ist, dass große Teile der politischen Beratung jenseits gelehrter
Hintze, Bedingungen (1931), 45–47. So u. a. Favier, Légistes (1969), 108; Flemming, Berater (2017), 145–168; Miethke, Wirkungen (1998), 173–210; Ders., Politikberatung (2004), 337–357; Oschema, Astrologen (2018), 145–172; Wieland, Philosophie (2004), 65–84; Woelki, Politikberatung (2016), 229–258. Wagschal, Politikberatung (2019), 63 f.; Wieland, Philosophie (2004), 67. Althoff, Colloquium (1990), 155–158; Miethke, Politikberatung (2004), 343. Unter „Plänen“ verstehe ich im Folgenden intentionale Zustände, die komplexes Handeln mit Blick auf einen bestimmten Zweck koordinieren. Dies erfolgt durch „eine Sequenzierung der Zukunft, die in Teilhandlungen gegliedert wird, die auf ein künftig zu erreichendes Ziel ausgerichtet wird. Dazu ist es notwendig, dass ein Akteur seine gegenwärtigen und künftigen Aktivitäten koordiniert und sie außerdem auf die Aktivitäten anderer personaler und kollaborativer Akteure abstimmt. So ist es auch möglich, Pläne zu entwickeln, die die Kooperation mehrerer Akteure voraussetzen.“ Vgl. de Boer/Bubert, Absichten (2018), 28. So u. a. Enenkel, Stiftung (2015); Miethke, Wirkungen (1998), 173–210; Ders., Politikberatung (2004), 356 f.; Nehlsen, Rolle (2002), 285–328.
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Einleitung
Traktate vonstattenging, sind bislang keine Bemühungen unternommen worden, die (mündliche) Interaktion der Ratgeber mit ihrer höfischen Umgebung zu analysieren. Im Zentrum der meisten Arbeiten steht stattdessen die Realisierbarkeit der jeweiligen Vorschläge, während die Frage, wie das Wissen der Ratgeber für den Einsatz in einem höfischen Kontext verständlich übersetzt, nutzenorientiert rekonfiguriert und somit als anwendbar dargestellt wurde, nicht erörtert wird. Solche Fragestellungen sind Gegenstand der Wissensgeschichte, die in der historischen Forschung inzwischen zwar als bewährter Ansatz gelten dürfte, aber in den Untersuchungen zur politischen Beratung im Mittelalter bisher keine Beachtung gefunden hat. Wie die meisten anderen Strömungen der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft ist auch die Wissensgeschichte ein Kind der neueren Kulturgeschichte und als solche in den 1990er Jahren aus der kulturgeschichtlichen Wende in der Wissenschaftsgeschichte hervorgegangen. Dabei hat sie wesentliche Impulse aus der phänomenologischen Wissenssoziologie sowie aus dem französischen Poststrukturalismus aufgenommen, zu denen insbesondere das Postulat von der Seinsgebundenheit allen Wissens zählt. Damit verbunden ist der erstmals von Mannheim formulierte Anspruch, die „an die jeweilige soziale Seinslage bindenden Faktoren im Denken“ in das Zentrum der historischen Forschung zu stellen.21 Ausgehend davon widmet sich die Wissensgeschichte den kommunikativen Prozessen der sozialen Hervorbringung von Wissen sowie dem Verhältnis von Wissen und Macht. Anders als die Wissenschaftsgeschichte nimmt sie jedoch nicht allein das in Universitäten, Akademien oder der Gelehrtenwelt produzierte Wissen in den Blick, sondern berücksichtigt auch außerwissenschaftliche Bestände von Spezialwissen, Alltagswissen und die unterschiedlichen Ausprägungen von sub-doxastischem Wissen, welche zumeist als „implizites Wissen“, „Routine“ oder „Wissen, wie“ bezeichnet werden.22 Vor diesem Hintergrund hat die Forschung beispielsweise das praktische Wissen von Bergleuten, Handwerkszünften oder Seefahrern betrachtet und die Beteiligung subalterner Gesellschaftsteile wie Frauen oder der Landbevölkerung an der gesellschaftlichen Hervorbringung von Wissen untersucht.23 Seit den 2000er Jahren haben schließlich auch die vormodernen Herrscherhöfe vermehrt die Aufmerksamkeit der wissensgeschichtlichen Forschung geweckt, wobei zumeist die Distribution und Sammlung von Wissen durch Fürstenerzieher, Hofgeistliche, Leibärzte oder herrscherliche Bibliotheken im Fokus stand.24 Laut Fried bildeten die Höfe von Päpsten, Königen und Fürsten eine „Schubkraft intellektueller
Mannheim, Ideologie (1929), 33. Burke, History (2016), 21 f.; Collins, Arten (2012), 91–107; Füssel, Wissen (2021), 17–30; Kintzinger, Wissen (2003), 26–29; Shapin, History (1994), 260 f. Ash, Power (2004); Aurell, Chevalier (2011), 208–261; Long, Openness (2004); Shapin, History (1994), 355–407. Campopiano, Knowledge (2019), 39–56; Coureas, Brokers (2013), 231–243; Herrmann, Ärzte (2018), 121–134; Jaspert, Mendicants (2013), 107–147; Kintzinger, Kleriker (1999), 543–562; Kopp, König (2016); Müsegades, Experten (2018), 53–69; Piron, Avignon (2012), 357–391.
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Modernisierung“ sowie „Verteilungszentren einer hochgradig vernetzten und sich immer stärker vernetzenden Wissensgesellschaft (...), die eben in ihnen ihre Knotenpunkte besaß, von denen aus dichte Verbindungsstränge in ihre Reiche liefen und die Welt durchdrangen“, wodurch das dort gesammelte Wissen auch eine lebensweltliche Dynamik entfalten konnte.25 Diese distributive Funktion der Herrscherhöfe hat auch Schlieben für den kastilischen Hof unter Alfons X. ( ✶1221 †1284) herausgestellt, aber dabei zugleich das enge Zusammenspiel zwischen der Hervorbringung von Wissen und der herrscherlichen Politik betont.26 Gegen die Hypothese der Höfe als Knotenpunkte der Wissensdistribution hat Reuvekamp-Felber kürzlich eingewendet, dass diese Funktion über große Teile des Mittelalters vor allem den Hohen Schulen, Klöstern und Bischofskirchen zukam, während sich an den Herrscherhöfen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der gezielte Einsatz von Spezialwissen abzeichnete. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass erst zu diesem Zeitpunkt in der Gelehrtenwelt ein „Übergang von erkenntnisorientierter, gelehrter Wissensvermittlung zur zweckorientierten, praktischen Nutzenanwendung des Wissens“ stattgefunden habe.27 Doch selbst in diesem Zeitraum sei die Zuschreibung von Wissen oder Expertise noch weitgehend diffus erfolgt. Ein differenziertes Bewusstsein über die gesellschaftlichen Teilbestände von Wissen habe es ebenso wenig gegeben wie einen zielgerichteten Austausch zwischen den Trägern verschiedener Formen von Wissen. Speziell der letztgenannte Kritikpunkt deutet auf ein Desiderat der wissensgeschichtlichen Hofforschung hin, denn die Kommunikation von Spezialisten und Experten aus unterschiedlichen epistemischen Milieus oder Wissenskulturen, die gemeinsam an einem Problem wie etwa der Rückeroberung des Heiligen Landes arbeiten, ist bisher nicht untersucht worden. Trotz der inzwischen beachtlichen Menge wissensgeschichtlicher Studien zu vormodernen Herrscherhöfen laborieren Wissensgeschichte und Hofforschung allerdings nach wie vor an einer historisch und analytisch gleichermaßen adäquaten Bestimmung des Hofbegriffs.28 Zwar handelt es sich bei dem Ausdruck „Hof“ bzw. curia oder cour keineswegs um einen Anachronismus, doch wie die vielzitierte Unschlüssigkeit Walter Maps (✶um 1140 †1208) über die Natur des königlichen Hofes zeigt, war die Bedeutung des Ausdrucks auch den Zeitgenossen unklar: Der generelle Term „Hof“ konnte einen Ort (die Residenz bzw. den Aufenthaltsort des Herrschers) ebenso bezeichnen wie eine Fried, Wissensgesellschaft (2003), 146. Schlieben, Macht (2010). Reuvekamp-Felber, Experten (2018), 37. So resümierten Auge und Spieß etwa noch 2005 in ihrer Einleitung zu den Handbüchern der Göttinger Residenzen-Kommission, der vormoderne Herrscherhof sei „ein vielgestaltiges und äußerst komplexes soziales Gebilde, das sich nach wie vor einer umfassenden und allseits befriedigenden Definition entzieht.“ Vgl. Auge/Spieß, Hof (2005), 3. Diesen Umstand spiegelt auch der entsprechende Artikel im Lexikon des Mittelalters wider, in dem „Hof“ schlichtweg als „ein komplexes Herrschafts- und Sozialgebilde, in dem kulturelle, soziale und politische Strukturelemente eng miteinander verbunden waren“, bestimmt wird. Vgl. Rösener, Hof (1991), 67.
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Versammlung (im Sinne von „Hof halten“ bzw. „Hoftag“), eine Personengruppe (die „Höflinge“) oder ein Set an Verhaltensnormen (die „Höflichkeit“ bzw. courtoisie).29 In der Hofforschung wurde diese begriffliche Problematik seit der Neuerscheinung von Elias’ grundlegender Studie zur höfischen Gesellschaft eingehend erörtert, wobei sich inzwischen insbesondere vier, teils überschneidende Tendenzen etabliert haben: Erstens ein funktionsorientierter Ansatz, der auf die Verfassungsgeschichte zurückgeht und dessen Vertreter „Hof“ vornehmlich als „Regierungs- und Repräsentationsinstrument“ des Herrschers verstehen, das schlussendlich den Nukleus des modernen Staates bilden sollte.30 Zweitens eine semiotisch-normative Bestimmung des Hofbegriffs, die durch den Einfluss der neueren Kulturgeschichte inzwischen die wissensgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Hof dominiert. Gemäß diesem Ansatz ist „Hof“ als eine Gemeinschaft zu betrachten, die sich durch bestimmte (Spiel-)Regeln, Symbole oder Praktiken auszeichnet.31 Drittens eine raumtheoretische Herangehensweise, der zufolge „Hof“ in erster Linie als „das erweiterte Haus eines Monarchen“ zu verstehen ist.32 Die Vertreter des vierten Ansatzes bedienen sich der Vernetzungsmetapher und verstehen den Hof im Anschluss an Elias als ein auf die Person des Herrschers zentriertes Netzwerk aus Kommunikations- oder Patronagebeziehungen.33 Folgt man dem Postulat von der Seinsgebundenheit des Wissens, dann erscheint vor allem der netzwerkorientierte Ansatz für die Wissensgeschichte als anschlussfähig, was wiederum bedeutet, „nach den Wirklichkeitskonstruktionen der AkteurInnen in Bezug auf ihre Einbettung in einem (sie prägenden aber nicht determinierenden) Netzwerk zu suchen und diese Konstruktionen für relevant für die Erklärung von Politiken zu halten.“34
2 Wissen und Experten Jede wissensgeschichtliche Arbeit steht jedoch zunächst vor dem Problem, ihren Forschungsgegenstand definieren zu müssen: das Wissen. Aktuelle wissensgeschichtliche Untersuchungen legen üblicherweise einen fluiden Wissensbegriff zu Grunde und
Walter Map, De nugis curialium. Ed. Brooke/James, 2: ‚In tempore sum et de tempore loquor‘, ait Augustinus, et adiecit: ‚nescio quid sit tempus.‘ Ego simili possum admiracione dicere quod in curia sum, et de curia loquor, et nescio, Deus scit, quid sit curia. Müller, Fürstenhof (1995), 9. Siehe auch Hintze, Wesen (1970), 51. Eine systemtheoretische Erweiterung dieses Ansatzes findet sich bei Hirschbiegel, Hof (2004), 43–54. Althoff, Gesetze (1996), 282–304; Paravicini, Hofmodell (1997), 12. Vor dem Hintergrund wissensgeschichtlicher Forschungen ist auch „Wissen“ als eine Art normativer Ordnung am Hof ins Blickfeld geraten, vgl. Fried, Wissensgesellschaft (2003), 142; Füssel, Höfe (2018), 8–10; Schlieben, Macht (2009), 14–16. Winterling, Hof (1997), 14. Elias, Gesellschaft (1969), 102–119. Siehe auch Kruse, Hof (2002), 254 f.; Raedler, Struktur (2006), 41–43; Reinhard, Freunde (1979), 53 f. Schindler, Rolle (2006), 100.
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konstatieren mit Burke, Historiker seien „well advised to extend the concept of knowledge to include whatever the individuals and groups they are studying consider to be knowledge.“35 Allerdings drängt sich unmittelbar im Anschluss die Frage auf, wie der Wissenshistoriker überhaupt erkennen kann, was die Zeitgenossen als Wissen betrachteten, ohne zuvor bestimmt zu haben, was „Wissen“ bedeutet – sodass er letztlich entweder eine Geschichte des Wissensbegriffs schreiben oder aber implizit eine eigene Wissensdefinition präsupponieren wird. Einen ersten Zwischenhalt auf dieser letztlich unumgänglichen Suche nach einem adäquaten Wissensbegriff bietet die phänomenologische Wissenssoziologie, mit deren Ansätzen die Wissensgeschichte eng verbunden ist. Deren Vertreter gehen wiederum im Anschluss an die Arbeiten von Schütz davon aus, dass unter „Wissen“ gesellschaftliche „Sedimentierungen ehemals aktueller, situationsgebundener Erfahrungen“ zu verstehen sind.36 Schütz zufolge werden die wenigsten lebensweltlichen Erfahrungen oder Sinneseindrücke eines Individuums problematisiert und eine noch geringere Zahl davon hält Einzug in den gesellschaftlichen Wissensvorrat. Wie Sinneseindrücke erfahren werden, hängt zunächst einmal von der „Sinnprovinz“ ab, in der die Akteure sich bewegen. Diese Sinnprovinzen sind Realitätsbereiche, die sich durch einen spezifischen Erkenntnisstil auszeichnen, der die individuellen Wahrnehmungen akzentuiert – einen Mord auf der Theaterbühne zu beobachten ist schließlich etwas anderes, als in der alltäglichen Lebenswelt Zeuge eines Mordes zu werden.37 Inwiefern die auf diese Weise beeinflussten Erfahrungen problematisiert werden, ist wiederum davon abhängig, ob sie in der vorliegenden Situation als relevant erkannt, also zur Lösung eines Problems oder der Durchführung einer Handlung benötigt werden.38 Auf einem Ausflug zum Pilzsammeln ist die Beobachtung von Wildtieren beispielsweise zunächst einmal von untergeordneter Relevanz, weil sie nicht dazu beiträgt, Pilze zu finden und zu identifizieren. Aus wissenssoziologischer Perspektive ist „Wissen“ demnach eine Art Handlungspotential, das Akteure zur Lösung bestimmter Probleme disponiert.39 Ist eine Bewältigung der vorliegenden Situation auf Grundlage des zuhandenen Wissens nicht möglich, konsultieren Akteure den gesellschaftlichen Wissensvorrat, um die problematische Erfahrung neu auszulegen. Wenn der vorgenannte Pilzsammler beispielsweise auf ein Exemplar trifft, das er auf Anhieb nicht einzuordnen vermag, wird er vermutlich in einem Fachbuch über Pilze nachschlagen oder einen Pilzkenner zu Rate ziehen. Das Ergebnis dieses Auslegungsprozesses kann unter Umständen neues Wissen erzeugen und schlussendlich selbst wieder in den gesellschaftlichen Wissensvorrat
Burke, History (2016), 7. Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 149. Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 237–239. Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 90 sprechen hier von „Sinnwelten“ und „Subsinnwelten.“ Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 166–172; Schütz/Zaner, Problem (1982), 92 f. Füssel, Wissen (2021), 9.
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eingehen.40 Dieser zerfällt wiederum in mehr oder weniger zusammenhängende „Wissensbestände“, also kohärente Mengen von Wissenselementen, die sich durch eine spezifische normative Ordnung auszeichnen und an bestimmte Institutionen oder soziale Milieus gebunden sind. Nimmt die wissensseitige Ausdifferenzierung einer Gesellschaft zu, bilden sich innerhalb des gesellschaftlichen Wissensvorrats Bestände von „Spezialwissen“ heraus, über die allein Akteure aus bestimmten Milieus oder Gruppen verfügen. Ob es sich bei dem schwer identifizierbaren Pilz, den der vorgenannte Sammler auf seinem Ausflug gefunden hat, um eine neue Gattung oder Art handelt, entscheidet beispielsweise nicht er selbst, sondern die Gemeinschaft der Mykologen, die das (Spezial-)Wissen über Pilze institutionalisiert und monopolisiert hat. Im Unterschied zum „Allgemeinwissen“, das der Bewältigung von Situationen der alltäglichen Lebenswelt dient, ist dieses „Spezialwissen“ zur Lösung spezifischer Probleme entstanden, die für Akteure relevant sind, welche sich in einer (Sub-)Sinnprovinz jenseits der alltäglichen Lebenswelt bewegen. Neben taxonomischen Fragen beschäftigt sich die Mykologie beispielsweise auch mit Gegenstandsbereichen wie der molekularen Zusammensetzung von Pilzen, die für den zuvor erwähnten Pilzsammler nicht nur irrelevant, sondern vermutlich auch unverständlich sind. Wenngleich die phänomenologische Wissenssoziologie den Zusammenhang von gesellschaftlichen Strukturen und Akteuren hinreichend zu erklären vermag, weist sie aus wissensgeschichtlicher Perspektive zwei Defizite auf: Erstens ist sie in der geschichtswissenschaftlichen Forschungspraxis schwer operationalisierbar, weil der sensorisch-qualitative Gehalt von Erfahrungen aus den verfügbaren Quellenüberlieferungen meist nicht rekonstruiert und aus dem (wiederholten) Handlungserfolg allein nicht ohne weiteres auf die damit verbundenen mentalen Zustände und kognitiven Leistungen des Akteurs geschlossen werden kann.41 Zweitens lässt sich in Anschluss an Luhmanns Kritik der Wissenssoziologie festhalten, dass auch die Wissensgeschichte selbst Wissen produziert und deshalb aus rein wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten heraus einen Wissensbegriff benötigt, der auch für die Selbstbeobachtung tauglich ist, ohne dabei in einen destruktiven Relativismus zu münden.42 Eine Lösung für diese beiden Probleme besteht meines Erachtens darin, die vorgenannten Überlegungen mit dem in der analytischen Erkenntnistheorie nach wie vor dominanten Justified-True-Belief bzw. JTB-Modell zu verbinden, dem zufolge „Wis-
Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 27; Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 272 f.; Schütz/ Zaner, Problem (1982), 106. Auf diese offenbar auch in der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis zu Tage kommende Problematik hat die Wissenssoziologie mit einer Hinwendung zur objektiven Hermeneutik reagiert, vgl. Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 140; Reichertz/Schröer, Erheben (1994), 56–84; Soeffner, Hermeneutik (1989), 98–139. Luhmann, Gesellschaftsstruktur (1999), 160–162.
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sen“ als wahre, gerechtfertigte Überzeugung definiert wird.43 Die drei Komponenten und ihre Bedeutung für die Wissensgeschichte verdienen genauere Betrachtung. Der erste Bestandteil des JTB-Modells, die Überzeugung, scheint besonders relevant in Hinblick auf die sub-doxastischen und unbewussten mentalen Zustände, die in der Wissensgeschichte zumeist als „implizites Wissen“, „Routine“ oder „praktisches Wissen“ bezeichnet werden.44 Die Reflexion über diese Formen von Wissen geht zurück auf Ryles Unterscheidung zwischen „Wissen, dass“ und „Wissen, wie“. Ihm zufolge referiert Ersteres auf Propositionen, das heißt den wahrheitsfähigen Gehalt von Aussagesätzen, welcher einen Sachverhalt in der Welt repräsentiert. Zweiteres bezieht sich dagegen auf Fähigkeiten, die ihre Träger dazu disponieren, bestimmte Handlungen auszuführen und folglich nicht wahr oder falsch, sondern nur in actu erfolgreich sein oder fehlschlagen können.45 Über das Verhältnis zwischen diesen beiden Wissensformen wird in der Philosophie des Geistes nach wie vor debattiert; den sogenannten Intellektualisten, die behaupten, bei „Wissen, wie“ handle es sich um eine Ausprägung von „Wissen, dass“, stehen Anti-Intellektualisten wie Ryle gegenüber, die davon ausgehen, dass „Wissen, wie“ sich nicht auf „Wissen, dass“ reduzieren lässt.46 Da beide Kontrahenten gleichermaßen davon ausgehen, dass unabhängig vom ontologischen Status dieser beiden Wissensformen Übersetzungsversuche von „Wissen, wie“ in „Wissen, dass“, beispielsweise in Form von Rezepten, unternommen werden, ist diese Debatte für die wissensgeschichtliche Operationalisierung allerdings von untergeordneter Bedeutung. Deutlich hilfreicher in dieser Hinsicht erscheint dagegen die von Newen/Jung in Auseinandersetzung mit psychologischen Studien vorgeschlagene Unterteilung von „Wissen, wie“ in praktisches Wissen und visuelles Wissen, auf die ich auch im Folgenden zurückgreifen werde, wenn es um die Speicherung und Übersetzung von Wissen geht. Als „praktisches Wissen“ verstehen Newen/Jung dabei in Anschluss an Ryle die Fähigkeit, sensomotorische Handlungen wie Schwimmen oder Autofahren erfolgreich zu absolvieren, unter
Gemäß des JTB-Modells gilt „S weiß, dass p“ also genau dann, wenn (1) „S glaubt, dass p“, (2) „p ist wahr“ und (3) „S ist darin gerechtfertigt zu glauben, dass p“. Dieser Wissensbegriff geht angeblich zurück auf Plat. Men. 97c–98e. Für einen Überblick siehe Grundmann, Erkenntnistheorie (2008), 86–99. Burke, History (2016), 21 f.; Collins, Arten (2012), 91–107; Füssel, Wissen (2021), 96 f.; Kintzinger, Wissen (2003), 26–29; Loenhoff, Wissen (2012), 7–30; Shapin, History (1994), 260 f. Ryle, Concept (2009), 14–48. Für einen Überblick über die Debatte siehe Bengson/Moffett, Conceptions (2012), 3–58. Die Kritik der Intellektualisten zielt vor allem darauf ab, dass die Anti-Intellektualisten „confuse knowing that with being able to explain how.“ Vgl. Fodor, Appeal (1968), 634. Für die Abgrenzung von Fähigkeiten und „Wissen, wie“ sprechen ferner die sog. „disability-cases“. Siehe dazu BonJour/Sosa, Justification (2003), 101: „Someone recently affected with rheumatoid arthritis may still know how one ties a certain nautical knot despite the ravages of the disease on his finger joints, which removes his ability actually to do it.“ Selten vertreten wird hingegen eine dritte Position, der radikale Anti-Intellektualismus, laut dessen Vertretern sich „Wissen, dass“ vollständig auf „Wissen, wie“ reduzieren lässt, vgl. Hetherington, Knowledge (2006), 71–94.
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„visuellem Wissen“ dagegen bildlich memorierte Handlungsroutinen wie etwa das Wissen, wie man von einem Ort zu einem anderen gelangt.47 Die zweite und in der Erkenntnistheorie sicherlich am stärksten debattierte Komponente des JTB-Modells bildet die Rechtfertigung, also das Vorhandensein guter Gründe für die Wahrheit einer Überzeugung. Seit den 1960er Jahren kreist die Debatte dabei vor allem um die Frage, ob ein Individuum selbst dazu in der Lage sein muss, gute Gründe zur Rechtfertigung seiner Überzeugungen anzuführen, um von „Wissen“ zu sprechen, oder ob es reicht, wenn solche guten Gründe überhaupt existieren. Die erstgenannte Position wird zumeist als „Internalismus“ bezeichnet und hat bis in das 20. Jahrhundert hinein die Debatte über die epistemische Rechtfertigung dominiert. Für die Wissensgeschichte ist sie indes weniger geeignet, weil sie den Prozess der Rechtfertigung in den mentalen Zuständen von Individuen verortet, die in den Quellen oft nur schwer beobachtbar sind. Die zweite Position ist als „Externalismus“ bekannt und scheint in wissensgeschichtlicher Hinsicht deutlich tauglicher zu sein, da sie nicht nur mentalistische Formen der Rechtfertigung, sondern auch den Verweis auf sozial geteilte Autoritäten, Institutionen oder Praktiken berücksichtigt.48 Als besonders fruchtbar erweist sich dabei die „Reliabilismus“ genannte Spielart des Externalismus, dessen Vertreter davon ausgehen, dass „[the] justificational status of a belief is a function of the reliability of the process or processes that cause it, where (...) reliability consists in the tendency of the process to produce beliefs that are true rather than false.“49 Auf dieser Grundlage können wiederum nicht nur individuelle Motive in den Blick genommen werden, sondern auch Routinehandeln sowie Prozesse der Zuschreibung von epistemischer Autorität, etwa in der Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren (Experten-)Ratgebern. Auch die vieldiskutierten Begriffe der Wissenskultur oder Wissensordnung lassen sich reliabilistisch bestimmten: Als „Wissenskultur“ erachte ich ein Set an Autoritäten, Praktiken und sonstigen Quellen epistemischer Rechtfertigung, die in einem bestimmten sozialen Milieu oder einer Gemeinschaft als zuverlässig gelten und die normative Ordnung eines Wissens-
Newen/Jung, Knowledge (2010), 124–130. Der entscheidende Impuls für den Paradigmenwechsel in der Debatte über die epistemische Rechtfertigung ging von dem sog. Gettier-Problem aus. Edmund Gettier konnte 1963 in zwei Beispielfällen zeigen, dass Akteure auch durch Zufall eine wahre, gerechtfertigte Überzeugung haben können, und stellte damit das JTB-Modell infrage. Die externalistischen Theorien der Rechtfertigung bilden einen prominenten Ansatz, dieses Problem zu lösen. Für einen Überblick über die Externalismus/Internalismus-Debatte siehe BonJour/Sosa, Justification (2003), 24–41; Grundmann, Erkenntnistheorie (2008), 99–222. Goldman, Belief (1979), 10. Siehe auch Ders., Epistemology (1986), 103–121; Ders., Knowledge (1999), 129 f. Für eine erkenntnistheoretisch fundierte Kritik des Reliabilismus siehe insbes. Feldman, Reliability (1985), 159–174.
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bestandes bilden.50 Der reliabilistische Externalismus ermöglicht somit den Brückenschlag zwischen den Kernthesen der phänomenologischen Wissenssoziologie sowie dem JTB-Modell und bietet einen Begriff des Wissens, der sowohl wissenschaftstheoretisch fundiert als auch wissensgeschichtlich operationalisierbar ist. Der dritte und in der Erkenntnistheorie kaum noch debattierte Bestandteil des JTB-Modells ist die Wahrheit bzw. das Postulat, dass nur solche Überzeugungen als Wissen gelten können, die auch wahr sind.51 Würde man den bis hier entwickelten reliabilistischen Wissensbegriff auf das (Späte) Mittelalter anwenden, so käme man in der historischen Retrospektive fraglos zu dem Ergebnis, dass viele der Überzeugungen, welche die Zeitgenossen als gerechtfertigt erachteten, kein Wissen waren, weil sie sich ex post als falsch erwiesen haben.52 Genaugenommen untersucht die Wissensgeschichte also nicht, was die Zeitgenossen zu einem bestimmten Zeitpunkt wussten, sondern was sie zu wissen glaubten. In Kombination mit dem wissenssoziologischen Postulat der Seinsgebundenheit des Wissens ist diese Problematik in der Wissensgeschichte allerdings häufig dahingehend interpretiert worden, dass: (...) Wissen nicht unabhängig von Zeit, Raum und Gesellschaft existiert und dass es sich um ein soziales Produkt und Konstrukt handelt (...). Ein solches Verständnis von Wissen muss konsequenterweise auch dazu führen, jeden Gedanken an eine Kumulation von Wissen oder ein Fortschreiten der ‚wahren‘ Erkenntnis aufzugeben. Wenn Wissen ein soziales Produkt ist, dann verändert es sich nicht, indem es vermehrt oder verbessert wird, sondern indem sich die jeweiligen Rahmenbedingungen ändern.53
Dieser Gedankengang scheint allerdings auf der wissenschaftstheoretisch problematischen Annahme zu beruhen, dass eine Aussage nicht über einen Diskurs, ein Feld oder eine Wissenskultur hinaus wahr sein kann, was wiederum die Gültigkeit wissenschaftlicher
Fried/Kailer, Wissenskultur(en) (2003), 7–19; Steckel, Wissensgeschichten (2015), 9–58; Zittel, Wissenskulturen (2014), 29–42. In der Wissensgeschichte ist „Information“ häufig als eine rohe, unverarbeitete Form von (Proto-)Wissen beschrieben worden. Vor dem Hintergrund eines reliabilistischen Wissensbegriffs ist eine solche Unterscheidung allerdings nicht erforderlich, weil Wissen graduell nach Stärke der Rechtfertigung differenziert werden kann. Aus diesem Grund wird der Ausdruck „Information“ im Folgenden nicht weiter verwendet. Siehe dazu u. a. Burke, History (2016), 6 f.; Brendecke/Friedrich/Friedrich, Information (2008), 11–44. In seiner Einführung in die Erkenntnistheorie widmet Grundmann den Wahrheitstheorien beispielsweise nur 37 Seiten, der epistemischen Rechtfertigung dagegen ganze 116 Seiten. Vgl. Grundmann, Erkenntnistheorie (2008), 33–69; 222–337. Jenseits der Feststellung, dass Wahrheit eine semantisch und logisch erforderliche Relation ist, um anzuzeigen, dass etwas der Fall ist, muss an dieser Stelle keine genauere Wahrheitsdefinition aufgestellt werden. Die Auswahl an tragfähigen Theorien unterschiedlicher Reichweite ist mannigfaltig und reicht von „starken“ Korrespondenztheorien über Kohärenztheorien bis hin zu den „schwachen“ deflationistischen Theorien der Wahrheit. Für einen Überblick siehe Grundmann, Erkenntnistheorie (2008), 33–69. Landwehr, Annäherungen (2002), 66.
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Ergebnisse selbst in Frage stellt.54 Eine so verstandene Wissensgeschichte würde demnach genau jenem Relativismus Vorschub leisten, den Mannheim einst durch die Begründung einer Wissenssoziologie zu bekämpfen suchte.55 Die relativistische Position ist indes allein schon deswegen defizitär, weil es dem Relativisten nicht gelingen kann, sie überhaupt zu formulieren, ohne dabei einen performativen Widerspruch zu produzieren: Der Relativist muss schließlich behaupten, dass seine These, eine Aussage könne nicht über einen Diskurs hinaus wahr sein, über den Diskurs hinaus wahr ist, in dem er sie geäußert hat.56 Im Kern scheint dieser wissensgeschichtlich fundierte Relativismus von einer Verwechslung der Genese mit der Geltung von Wissen herzurühren. Aus dem Umstand, dass Wissen notwendigerweise zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten entsteht, zieht der Relativist fälschlicherweise den Schluss, dass es deswegen nur zu diesen Zeiten an jenen Orten gültig ist.57 Dieser Fehlschluss lässt sich leicht auflösen, indem Wissenshistoriker zwar das Postulat von der Seinsgebundenheit des Wissens akzeptieren, aber sich zugleich von der Vorstellung verabschieden, durch die Rekonstruktion der Genese von Wissen lasse sich irgendeine valide Aussage über dessen Geltung treffen. Im Folgenden wird der zuvor bestimmte Ausdruck „Wissen“ bei der Analyse historischer Sachverhalte also rein deskriptiv verwendet, auf wissenschaftstheoretischer Ebene wird dabei jedoch stets ein normativer Wissensbegriff vorausgesetzt. Abgesehen vom Wissen selbst stellt sich auch die Frage nach der wissensgeschichtlichen Einordnung der Ratgeber, die politische Entscheidungsträger in Sachfragen wie der Rückeroberung des Heiligen Landes konsultierten. In der Hof- und Kreuzzugsforschung ist hinsichtlich solcher Akteure häufig die Rede von „Sachverständigen“, „Fachleuten“ oder „Experten“, die aufgrund ihres (Spezial-)Wissens von
So u. a. bei Landwehr, Historisierung (2015), 110; Latour/Woolgar, Laboratory Life (1986), 235–258; Shapin, History (1994), 3 f. Mit Latour hat einer der führenden Vertreter dieser Position bereits vor geraumer Zeit die destruktiven Folgen dieses sozialkonstruktivistisch fundierten Relativismus für Institutionen wie die Wissenschaft oder den Staat kritisch reflektiert und darauf hingewiesen, dass fundamentale Systemkritiker wie etwa Verschwörungstheoretiker seine relativistischen Argumente verwenden. Siehe dazu Latour, Critique (2004), 230: „Of course conspiracy theories are an absurd deformation of our own arguments, but, like weapons smuggled through a fuzzy border to the wrong party, these are our weapons nonetheless. In spite of all the deformations, it is easy to recognize, still burnt in the steel, our trademark: Made in Criticalland.“ Mannheim, Ideologie (1929), 161–168. Lorenz, History (1999), 568 f. Mit „performativer Widerspruch“ wird in der Sprechakttheorie eine Sprechhandlung verstanden, deren lokutionärer und illokutionärer Gehalt unvereinbar miteinander sind (z. B. „Ich existiere nicht.“). Siehe u. a. die Ausführungen zum Genese/Geltungs-Fehlschluss bei Frege, Gedanke (1918), 59: „Fürwahrhalten des Falschen und das Fürwahrhalten des Wahren kommen beide nach psychologischen Gesetzen zustande. Eine Ableitung aus diesen und eine Erklärung eines seelischen Vorganges, der in ein Fürwahrhalten ausläuft, kann nie einen Beweis dessen ersetzen, auf das sich dieses Fürwahrhalten bezieht.“
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politischen Entscheidungsträgern als Ratgeber ausgewählt worden seien.58 Wie Füssel kürzlich resümiert hat, ist der Expertenbegriff zwar fest in der Erforschung höfischer Gesellschaften verankert, dessen Verwendung bleibt jedoch meist unscharf.59 Die fehlende Präzision ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass es sich beim „Experten“ nicht um einen zeitgenössischen Begriff handelt. Im Unterschied zur modernen Verwendung des Expertenbegriffs, die sich erst im 16. Jahrhundert etabliert hat, bezeichnete der mittellateinische Ausdruck expertus keineswegs Träger aller Arten von Spezialwissen, sondern Akteure, die ihr Wissen aus Beobachtung, Erfahrung und Routine gewonnen hatten.60 Wie jüngere Studien gezeigt haben, kann der Expertenbegriff trotzdem neue wissensgeschichtliche Fragestellungen erschließen, sofern er in Form eines kontrollierten Anachronismus in die Forschung eingebracht wird.61 In der Forschung haben sich dabei zwei scheinbar gegensätzliche Bestimmungen der Begriffe „Experte“ und „Expertise“ etabliert: Während Vertreter einer kognitionspsychologischen Tradition sich bei der Identifikation von Expertise an den mentalen Kapazitäten von Individuen orientieren, betrachtet die wissenssoziologische Professionsforschung den Experten als „Resultat eines sozialen Zuschreibungsprozesses“, dem in Abgrenzung zum Laien „ein besonderes Wissen, ein Expertenwissen, zugeschrieben oder unterstellt“ wird.62 Der vermeintliche Widerspruch lässt sich jedoch schnell auflösen, weil die Vertreter beider Positionen letztlich auf unterschiedliche Gegenstände referieren, die einen auf eine soziale Tatsache, die anderen auf das Vorhandensein bestimmter mentaler oder neuronaler Zustände.63 Um die beiden Ansätze voneinander zu unterscheiden, werde ich „Experte“ im Folgenden in wissenssoziologischer Tradition als Bezeichnung für eine im Kommunikationsprozess zugeschriebene soziale Rolle verwenden und „Expertise“ als kognitive
Piron, Avignon (2012), 357 hält beispielsweise für die Kurie unter Johannes XXII. fest, dass „[les] décisions théologiques les plus importantes du pape ont été prises à l’issue de consultations d’experts (...).“ Felten, Verhandlungen (2004), 435 konstatiert hinsichtlich der Gesandtschaften des 14. Jahrhunderts, dass „hochrangigen Repräsentanten, nicht selten Angehörigen der königlichen Familie und hohen Prälaten, (...) gerade in Frankreich fast immer fachlich qualifizierte Spezialisten, Juristen und Finanzfachleute mitgegeben oder nachgeschickt“ wurden. Kopp, Königseinflüsterer (2021), 395 sieht eine „erfahrene Expertenregierung“ in den marmousets am Hof Karls V. (✶1338 †1380) Tyerman, Philip V (1984), 25 schließlich spricht von einem „committee of experts“ für den Kreuzzug, welches der französische König Philipp V. an seinem Hof versammelt habe. Füssel, Höfe (2018), 10. Sarnowsky, Expertus (2012), 47–59. Siehe dazu insbes. die Arbeiten aus dem Umfeld des DFG-Graduiertenkollegs „Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts“: Bubert, Gegensätze (2019); Dümling, Träume (2017); Schütte, Medizin (2017); Trüter, Lebensläufe (2013). Zum Begriff des kontrollierten Anachronismus siehe Loraux, Éloge (1993), 23–39. Schützeichel, Laien (2007), 549. Siehe auch Evans/Collins, Wave (2002), 251–256; Hitzler, Wissen (1994), 13–30; Pfadenhauer, Professionalität (2003), 23–30; Schütz, Bürger (1972), 87–89; Stichweh, Professionen (1987), 296 f. Ähnlich argumentiert auch Bubert, Attribution (2019), 38–41.
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Eigenschaft verstehen, die ihre Träger unabhängig von sozialen Zuschreibungen zu bestimmten Handlungen befähigt. „Experte“ bestimme ich dabei in Anschluss an Rexroth als: (...) einen sozialen Rollentypus, der sich durch die Verheißung passgenauen Wissens in einer bestimmten Kommunikationssituation auszeichnet. Diese Kommunikationssituation wird erstens konstituiert durch die Erfahrung, dass Nichtwissen – ebenso wie Nichtkönnen – die Meisterung konkreter Lebensaufgaben behindert, dass es aber durch die gezielte Hinzuziehung von Trägern spezifischen Sonderwissens bzw. spezifischer Fertigkeiten kompensiert werden kann. Sie wird zweitens getragen von der Überzeugung, dass dieses Sonderwissen auch über den aktuellen Einzelfall hinaus relevant ist, mithin etwas zur Bewältigung allgemeiner Herausforderungen, Krisen und Gefahren beiträgt. Drittens sollte man nur in dem Fall von Experten sprechen, wo deren Sonderwissen im Rahmen von sozialen Institutionen weitergegeben, mithin institutionell verstetigt wird.64
Der Begriff der „Expertise“ lässt sich wiederum in Anlehnung an die kognitionspsychologische Tradition und den reliabilistischen Wissensbegriff als eine kognitive Eigenschaft bestimmen, welche ihren Träger dazu disponiert, Probleme eines bestimmten Typs zuverlässig zu lösen: Jemand, der über eine Expertise für eine bestimmte Sache verfügt, hat demnach eine faktische Problemlösekompetenz, die in der Mehrzahl der Instanzen zur Lösung des fraglichen Problems führen wird.65 Daraus folgt wiederum, dass „Expertise“ und „Experte“ nicht a priori in einem notwendigen Zusammenhang stehen. Es wäre also prinzipiell denkbar, als Experte in einer Sache anerkannt zu sein, ohne über die entsprechende Expertise zu verfügen, oder eine bestimmte Expertise zu haben, ohne als Experte dafür betrachtet zu werden. In der wissensgeschichtlichen Forschung ist die hier skizzierte Rolle des Experten zumeist als Ergebnis einer Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissensvorrats
Rexroth, Systemvertrauen (2012), 22. In Anschluss an Luhmann ist in der wissensgeschichtlichen Forschung zur Expertenrolle überdies oft von „Vertrauen“ die Rede, wobei Vertrauensbildung verstanden wird als „die Fähigkeit, eine vergangene Handlung so zu typisieren, dass sie als Handlungstyp für gegenwärtige bzw. zukünftige Handlungen erfolgversprechend erscheint.“ Vgl. Dümling, Träume (2017), 42. Das so bestimmte Vertrauen lässt sich wiederum unterscheiden in „interpersonales Vertrauen“ in einzelne Personen sowie „Systemvertrauen“ in das Funktionieren sozialer Systeme. Vgl. Ebenda, 43 f.; Bubert, Gegensätze (2019), 236 f.; Rexroth, Expertenweisheit (2008), 21. Das „Systemvertrauen“ wird in der folgenden Untersuchung allerdings nur impliziert thematisiert werden, nämlich insofern, als dass die legitimationsstiftende Funktion epistemischer Ordnungen, Wissenskulturen und Institutionen analysiert wird, ohne dabei eine dezidiert systemtheoretische Perspektive einzunehmen. Anders verhält es sich mit dem „interpersonalen Vertrauen“, das im Folgenden keine Rolle spielen wird. Zwar ist in der Forschung zur politischen Beratung im Mittelalter oft vom Vertrauen des Herrschers in seine Ratgeber die Rede, allerdings scheint dieser Verweis auf „interpersonales Vertrauen“ oft schlichtweg eine Letztbegründung für das Zustandekommen sowie die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen zu sein und als solche keinen weiteren Erklärungswert zu haben. Hinzu kommt, dass sich das Konzept des interpersonalen Vertrauens in Ermangelung eines analogen Konzeptes in der zeitgenössischen Wahrnehmung nur schwerlich auf das Mittelalter übertragen lässt, vgl. Weltecke, Vertrauen (2003), 67–89. Goldman, Experts (2011), 105–133.
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in distinkte Bestände von Spezialwissen aufgefasst worden, die (je nach Feld) zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert einsetzte.66 Dementsprechend haben die Arbeiten in diesem Feld sich einerseits auf die Träger dieses Spezialwissens konzentriert und die Herausbildung sozialer Rollen, Gruppen und Professionen untersucht, die sich als Verwalter dieses Spezialwissen verstanden und dementsprechend inszenierten.67 Quellenseitig lag der Fokus dabei vor allem auf Abhandlungen, welche die Expertise ihrer Verfasser zur Schau stellen sollten, nicht aber auf der (mündlichen) Interaktion hinter diesen Texten. Andererseits wurden die Prozesse der sozialen Distribution und Diffusion dieses Spezialwissens in den Blick genommen und aufgearbeitet, wie bestimmte Gruppen versuchten, dieses Wissen zu verbreiten oder zu monopolisieren.68 Weitgehend unbeachtet blieb allerdings bisher, inwiefern die Zeitgenossen den Prozess der Wissensakquise selbst in den Blick nahmen, ihn vor dem Hintergrund der Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissensvorrats reflektierten und im Rückschluss versuchten, auf ihre Beobachtungen zu reagieren.69 Folgt man Frieds Hypothese von den Höfen als Knotenpunkte der mittelalterlichen Wissensdistribution,70 so scheint es plausibel, die Organisation der Wissensakquise sowie die Reflexion darüber anhand eines höfischen Phänomens wie der politischen Beratung zu untersuchen. Der Gegenstandsbereich legt überdies nahe, nicht ausschließlich das Wissen, sondern auch die (vorgebliche) Problemlösekompetenz der Expertenratgeber in den Blick zu nehmen. Der Expertenratgeber verspricht nicht allein die Bereitstellung passgenauen Spezialwissens, sondern formuliert auf dessen Grundlage auch Erwartungen und Prognosen über künftige Ereignisse, um wünschenswerte Zukünfte realisieren und negative vermeiden zu können.71 Da die Vorschläge politischer Berater in dieser Weise auf die Zukunft gerichtet sind, muss die wissensgeschichtliche Betrachtung des Experten also um eine prospektive Komponente ergänzt werden.
3 Kreuzzug und Risiko Die hier skizzierten Überlegungen bilden den Ausgangspunkt für die sozialwissenschaftliche Risikoforschung, deren Begriffe und Konzepte neuerdings auch in der Geschichtswissenschaft zur Anwendung kommen. Dabei sind beispielsweise Phänomene wie die Investitionsstrategien von Fernhandelskaufleuten, der Umgang mit jüdischen
van Dülmen/Rauschenbach, Macht (2004), 1–8; Rexroth, Mittelalter (2006), 322. So u. a. Bubert, Gegensätze (2019); Kypta, Autonomie (2014); Rexroth, Kodifizieren (2007), 395–414; Ders., Scholastik (2018); Shapin, History (1994), 65–192; Wetzstein, Jurist (2010), 243–296. So u. a. Aurell, Chevalier (2011); Kopp, König (2016); Long, Openness (2004); Müsegades, Experten (2018), 53–69; Schütte, Medizin (2017). Ash, Power (2004), 8–17. Fried, Wissensgesellschaft (2003), 141–193. Dümling, Träume (2017), 37 f.
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Einleitung
Konvertiten oder die Macht- und Geltungsansprüche des Avignoneser Papsttums vor dem Hintergrund der Frage untersucht worden, wie die Zeitgenossen Risiken vorhersagten und dagegen vorsorgten.72 Grundlegend für diese Form des aktiven Umgangs mit der Zukunft ist die Unterscheidung zwischen künftigen Ereignissen, die durch menschliches Handeln beeinflusst werden können, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Luhmann hat diese beiden Formen der Zukunftswahrnehmung mit den Begriffen „Risiko“ und „Gefahr“ zu fassen versucht: Von Risiken spricht man dann, wenn etwaige künftige Schäden auf die eigene Entscheidung zurückgeführt werden. (...) Bei Gefahren handelt es sich dagegen um von außen kommende Schäden. (...) Beide Fälle behandeln die Ungewissheit eines künftigen Schadens, sind also Gegenfälle zu Sicherheit. Sie unterscheiden sich aber an der Frage, ob das Unglück auf eine Entscheidung zugerechnet wird oder nicht.73
Die historische Risikoforschung versteht Gefahren und Risiken indes nicht ontologisch, sondern untersucht die Risikowahrnehmung der Menschen in einem bestimmten Zeitraum. Im Umgang mit einer als ungewiss empfundenen Zukunft können laut Bröckling zwei verschiedene Strategien ausgemacht werden: einerseits die „Risikovermeidung“, also der Versuch, das Eintreten künftiger Schadereignisse zu verhindern, und andererseits das „Risikomanagement“, welches darauf abzielt, Vorsorge dafür zu treffen, dass man angemessen kompensiert wird, wenn diese Schadereignisse eintreten sollten. Diese beiden Herangehensweisen sind keineswegs gegensätzlich, sondern können problemlos miteinander kombiniert werden.74 Die meisten Teilnehmer am Straßenverkehr versuchen beispielsweise durch umsichtiges Fahren und die Einhaltung allgemeiner Verkehrsregeln den Eintritt eines Schadensfalls zu verhindern, schließen aber zugleich Versicherungen ab, die sie im Notfall für den erlittenen Schaden kompensieren sollen. Anders als dieses Beispiel zunächst suggerieren mag, handelt es sich bei der begrifflichen Unterscheidung von „Risiko“ und „Gefahr“ allerdings nicht um einen modernen Anachronismus. Wie Scheller nachweisen konnte, grenzten die Akteure des mediterranen Seehandels bereits im 13. Jahrhundert die als fortuna maris bezeichneten Gefahren der maritimen Umwelt von den resicum genannten Schadereignissen ab, die auf bewusste Entscheidungen zurückgeführt werden konnten.75 Der Ausdruck resicum bzw. risicum, welcher in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus dem Arabischen (rizq) in
Siehe dazu insbes. d. Arbeiten aus dem Umfeld des DFG-Graduiertenkollegs „Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage – Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“: de Boer, Avignon (2018), 127–166; Klein, Chance (2018), 167–191; Scheiner, Resilienz (2020), 111–130; Scheller, Risiko (2016), 185–210. Luhmann, Verständigung (1991), 88. Siehe auch Ders., Soziologie (1991), 25 f.; Ders., Risiko (2005), 129 f. Bröckling, Vorbeugen (2008), 41. Scheller, Risiko (2016), 193; Ders., Geburt (2017), 313–315.
3 Kreuzzug und Risiko
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den mittellateinischen Sprachgebrauch eingegangen war, blieb jedoch bis in die Frühe Neuzeit hinein auf den Seehandel beschränkt.76 In anderen Handlungszusammenhängen wie etwa den Kreuzzügen wurden die Termini periculum und fortuna dagegen weitgehend synonym für Risiken und Gefahren gleichermaßen verwendet. Dieser Umstand ist oft darauf zurückgeführt worden, dass die Menschen in vormodernen Gesellschaften ihre Zukunft nicht als kontingent, also prinzipiell veränderbar durch menschliches Handeln, wahrgenommen haben. Erst im Laufe der Sattelzeit des 18./19. Jahrhunderts, so die gegenwärtig vor allem in den Sozialwissenschaften oft kolportierte Hypothese, hätten sie begonnen, ihre Zukunft als offenen, aktiv gestaltbaren Möglichkeitsraum aufzufassen.77 Die historische Risikoforschung hat dagegen versucht, diese Hypothese stärker zu differenzieren und die Zukunftswahrnehmung der Menschen weniger nach Epochen, sondern vielmehr in Hinblick auf konkrete Handlungszusammenhänge, Praktiken oder Diskurse zu unterscheiden.78 Neben dem bereits erwähnten Seehandel ist dabei wiederholt die Kriegführung als ein Raum radikaler Kontingenzerfahrung diskutiert worden. Bereits die Militärtheorie des 19. Jahrhunderts hat die Unwägbarkeiten des Krieges, die durch das Zusammenwirken zahlreicher unterschiedlicher Akteure und ihrer Umwelt entstehen, unter dem Begriff der „Friktion“ zu konzeptualisieren versucht. Laut Clausewitz ist eine Streitmacht „immer aus einer Anzahl Menschen zusammengesetzt, von denen, wenn der Zufall es will, der unbedeutendste imstande ist, einen Aufenthalt oder sonst eine Unregelmäßigkeit zu bewirken.“79 Die Soziologie des Krieges sowie die neuere Militärgeschichte knüpfen an diese Überlegungen an und verstehen modernes wie vormodernes militärisches Handeln als „Kontingenzmanagement mit dem Ziel, alle Aktivitäten auf die Steigerung des eigenen beziehungsweise die Schwächung des gegnerischen Gewaltpotentials auszurichten.“80 Die Ungewissheit des Zukünftigen wird in militärischen Kontexten oft als besonders problematisch wahrgenommen, weil die potentiellen Konsequenzen falscher Entscheidungen in kriegerischen Auseinandersetzungen meist gravierend sind, während die richtigen Entscheidungen den verantwortlichen Akteuren eine Vielzahl politischer wie ökonomischer Chancen eröffnen. Diesem Unbehagen im Angesicht der Kontingenz des Krieges versuchten bereits die Zeitgenossen des Mittelalters durch Ratgeber zu begegnen. Und gib acht, dass du gut beraten bist, bevor du in den Krieg ziehst (...), gab etwa der alternde König Ludwig IX.
Ceccarelli, Price (2007), 1–19; Piron, Apparition (2004), 64–71; Scheller, Geburt (2017), 305–331. Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 360 f.; Luhmann, Soziologie (1991), 16 f.; Makropoulos, Modernität (1998), 62; Reichlin, Kontingenzkonzeptionen (2010), 11–49. Brakensiek, Umgang (2016), 10 f.; Knöbl, Problem (2016), 128; Scheller, Kontingenzkulturen (2016), 10–14; Ders., Kulturen (2019), 9–11. von Clausewitz, Vom Kriege (1832), Buch I, Kap. 7. Bröckling, Schlachtfeldforschung (2000), 74. Siehe auch Clauss, Absicherung (2019), 52; Füssel, Dämon (2017), 91 f.; Scheller, Kulturen (2019), 7.
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Einleitung
im Jahr 1270 seinem Nachfolger mit auf den Weg.81 Deshalb wurde die Kriegführung seit der Antike immer wieder Gegenstand systematischer Reflexion, deren Ergebnisse in den gesellschaftlichen Wissensvorrat eingingen und von Experten monopolisiert werden konnten.82 In der Risikoforschung bisher keinerlei Beachtung gefunden haben heilige Kriege, die im Namen einer Religion geführt wurden. Im Mittelalter zählten dazu vor allem die Kreuzzüge in die Region, welche die Zeitgenossen gemeinhin als Orient bezeichneten. Retrospektiv betrachtet mag diese Forschungslücke zunächst erstaunen, weil sich viele der üblichen Risiken des Krieges bei den Orientkreuzzügen in potenzierter Form zeigen. Da die Kreuzfahrer auf ihrem Weg nach Osten eine große räumliche Distanz überwinden mussten und die Versorgung der Heere aus dem Umland meist nicht möglich war, erforderten Kreuzzüge eine diffizile Logistik sowie einen deutlich höheren Einsatz von ökonomischem Kapital als Feldzüge im Westen. Darüber hinaus war die Beschaffenheit des Kriegsgebietes den Kreuzfahrern meist weniger bekannt und wies zudem oft andere klimatische und topographische Bedingungen auf als ihre jeweiligen Herkunftsregionen.83 Zuletzt waren Kreuzzüge keine Ereignisse, die Herrschern ohne ihr Zutun widerfuhren, sondern ein Wagnis, dem man sich durch den Akt der Kreuznahme bewusst aussetzen musste, aber dafür im Erfolgsfall mit einem signifikanten Gewinn symbolischen und sozialen Kapitals rechnen konnte.84 Kurz gesagt scheint also nach Luhmann ein typischer Fall von „Risiko“ vorzuliegen, bei dem „ein möglicher Schaden leicht (das heißt: ohne die klassischen Tugenden der fortitudo, der virtu usw.) vermeidbar ist, da man einfach zu Hause bleiben kann, aber es trotzdem zu empfehlen ist, die Möglichkeit eines Schadens aktiv herbeizuführen.“85 Ein Grund dafür, dass Kreuzzüge von der Forschung bisher trotzdem nicht als riskante Unternehmungen untersucht wurden, liegt offenkundig darin, dass die Kombattanten solcher heiliger Kriege aufgrund der transzendenten Bezüge des gesamten Feldzuges den Einfluss über den Ausgang der Auseinandersetzung nicht der Sphäre des menschlichen Handelns zurechnen und mögliche Schadereignisse dementsprechend als Gefahren, jedoch nicht als Risiken behandeln. Auf die Kreuzzüge in den Orient trifft dies im besonderen Maße zu, weil sie von den Zeitgenossen nicht nur als
Teachings of Saint Louis. Ed. O’Connell, 58: Et garde que tu soies bien conseilliez, avant que tu meuves nulle guerre (...). Die Übersetzungen der fremdsprachlichen Quellenzitate stammen, soweit nicht anders vermerkt, vom Verfasser. Davon zeugt etwa die Militärtheorie, welche von antiken Gelehrten wie Vegetius über spätmittelalterliche Schriftsteller wie Geoffroi de Charny bis hin zu modernen Theoretikern wie Carl von Clausewitz reicht, vgl. Allmand, Vegetius (2011); Geoffroi de Charny, Livre. Ed. Kennedy, 84–200; Contamine, Guerre (1980), 351–386; Nicholson, Warfare (2004), 13–21; von Clausewitz, Vom Kriege (1832). Cardini, Costi (1978), 179–210; France, Victory (1999), 80–121; Housley, Costing (2003), 45–59; Pryor, Water (2001), 21–28; Smail, Warfare (1995), 138–203. Riley-Smith, Crusades (1978), 54 f. Luhmann, Risiko (2005), 127.
3 Kreuzzug und Risiko
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Heiliger Krieg, sondern als Gotteskrieg betrachtet wurden, dessen Ausgang nicht allein göttlich determiniert war, sondern sogar von Gott selbst aktiv befördert wurde: Die Kreuzfahrer kämpften nicht bloß für Gott, sie kämpften mit Gott an ihrer Seite.86 Obwohl Kreuzzugsforscher in der jüngeren Vergangenheit die militärische Planung und Organisation der Orientkreuzzüge stärker in den Blick genommen haben, konnten sie bislang noch nicht eruieren, inwiefern sich dieses Deutungsschema auf die Kreuzzugsplanung ausgewirkt hat.87 Ausgehend von den Prämissen der Risikoforschung muss also auch in Hinblick auf die Kreuzzüge in den Orient differenziert werden, zu welchem Zeitpunkt und in welchen Entscheidungszusammenhängen das militärische Handeln der Kreuzfahrer als kontingent wahrgenommen wurde (oder nicht). Diese Herangehensweise fügt sich in die Beobachtungen der Kreuzzugsforschung ein, welche stets herausgestellt hat, dass Kreuzzugsbewegung und Kreuzzugsidee nicht statisch waren, sondern sich im Laufe des Mittelalters wandelten, weil sie von den Zeitgenossen vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen beständig neu interpretiert wurden.88 Dieser Wandel lässt sich auch im Sprachgebrauch nachverfolgen, denn erst 100 Jahre nach der Eroberung Jerusalems durch die ersten Kreuzfahrer etablierte sich mit crucesignati ein einheitlicher Begriff für die Christen, welche unter dem Zeichen des Kreuzes nach Osten zogen, um dort ihre heiligen Stätten zu verteidigen. Im 12. Jahrhundert hatten diese Kreuzfahrer sich noch in erster Linie als (bewaffnete) Pilger betrachtet und ihre Orientfahrten dementsprechend als peregrinatio, expeditio oder iter bezeichnet. Erst an der Wende zum 13. Jahrhundert entwickelte sich mit dem Wortfeld um passagium sanctum, negotium Terrae Sanctae oder bellum Dei eine kreuzzugsspezifische Semantik.89 Analog dazu unterscheidet die Forschung zumeist drei Entwicklungsphasen der Kreuzzugsbewegung: eine im 11. Jahrhundert mit dem Aufruf Papst Urbans II. (✶um 1035 †1099) in Clermont einsetzende Formationsphase, auf die an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert eine Phase zunehmender Institutionalisierung folgte, die sich unter anderem in der kirchenrechtlichen Fixierung der Kreuzfahrerprivilegien, der Entstehung von Kreuzzugssteuern sowie dem Rückgang unbewaffneter Pilger in den Kreuzfahrerheeren niederschlug. Im Zuge dieser Institutionalisierung wurde das in den Orientfeldzügen etablierte Modell des Kreuzzugs auch auf den Heidenkampf an anderen Schauplätzen wie dem Baltikum oder der iberischen Halbinsel übertragen und kam zudem in der Auseinandersetzung mit christlichen Häretikern wie den Katharern zum
Cole, Perceptions (1993), 9 f.; Weitzel, Kreuzzug (2019), 53 f. So u. a. Baldwin, Gregory X (2014); Baloup/Sánchez Martínez, Croisade (2015); Paviot, Projets (2014); Smith, Crusade Call (2019), 2–23; Tyerman, Crusade (2015). Erdmann, Entstehung (1935), VII f.; Tyerman, Invention (1998), 5. Markowski, Crucesignatus (1984), 157–165; Housley, Avignon Papacy (1986), 1; Paviot, Idée (2014), 17 f.; Riley-Smith, Crusades (1978), 12; Rodríguez García, Cruzada (2016), 235–245; Weber, Mot (2011), 11–25.
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Einleitung
Einsatz.90 Da sie militärstrategisch anders ausgerichtet waren, werden diese regionalen Ausformungen der Kreuzzüge im Folgenden allerdings nur thematisiert, sofern sie für die Kreuzzüge in den Orient von Relevanz sind. Eine letzte Zäsur bildete dann die Eroberung der verbliebenen Kreuzfahrerreiche durch die ägyptischen Sultane in den Jahren 1289 bis 1291 sowie der Aufstieg des Osmanischen Reiches im 14. Jahrhundert, infolgedessen der Kreuzzug im Osten sich zum (Verteidigungs-)Krieg gegen die Türken wandelte, welche in die Ägäis und nach Südosteuropa vorgestoßen waren.91 Die zeitliche Ausdehnung dieser spätmittelalterlichen Kreuzzüge ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Während die ältere Forschung die Kreuzzugsbewegung mit dem Untergang des Outremer enden lässt,92 haben Kreuzzugshistoriker ausgehend von den Arbeiten der Cambridger Schule seit den 1980ern begonnen, den Untersuchungszeitraum bis in das 14., 15. und 16. Jahrhundert hinein zu erweitern.93 Beide Forschungstraditionen sehen jedoch gleichermaßen in den Ereignissen des Jahres 1291, die zum Verlust der letzten Kreuzfahrerstützpunkte in der Levante führten, eine Zäsur innerhalb der Kreuzzugsgeschichte und können sich dabei auch auf das Urteil der zeitgenössischen Chronistik stützen, welche die Niederlage nahezu unisono als Katastrophe für die gesamte Christenheit bewertet hat.94 Die epistemische Dimension dieser militärischen Krise sowie ihre wissensgeschichtlichen Folgen hat die Forschung dagegen noch nicht berücksichtigt. Wie Delaville Le Roulx erstmals umfänglich herausgestellt hat, betrachteten die lateineuropäischen Päpste und Könige den Verlust ihrer heiligen Stätten nämlich nur als temporären Rückschlag und machten sich umgehend daran, die schnelle Rückeroberung der verlorenen Gebiete zu planen. Neben den Päpsten und Ritterorden waren dabei vor allem die Könige Englands, Frankreichs und Zyperns, zeitweise auch die Herrscher von Aragon, Sizilien, Neapel und Kastilien-León, in die Kreuzzugsvorbereitungen involviert. Die Mehrheit der Forschung folgt inzwischen der Annahme von Schein, dass diese gesamteuropäischen Rückeroberungsvorhaben bereits 1274 auf dem zweiten Konzil von Lyon ihren Anfang nahmen und der Fall von Akkon im Jahr 1291 weniger als Initialzündung und vielmehr als Katalysator der Planungstätigkeit zu betrachten ist. Aufgrund von militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Herrschern kam es in den
Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50; Libertini, Crusading (1996), 281–291; Tyerman, Invention (1998), 8–41. Carr, Merchant Crusaders (2015), 32–55; Housley, Later Crusades (1992), 38–48; Luttrell, Crusade (1970), 122–154; Schmugge, Wandlungen (2008), 100–106. Mayer, Geschichte (1965); Runciman, History, Bd. 3 (1954), 427–468; Throop, Criticism (1940), 276–282; Thorau, Kreuzzüge (2004), 110 f. So u. a. Brachthäuser, Kreuzzug (2016); Housley, Italian Crusades (1982); Ders., Avignon Papacy (1986); Schein, Fideles crucis (1991); Müller, Kreuzzugspläne (1993); Paviot, Boucicaut (2009), 69–83; Tyerman, England (1988), 302–370 sowie die Bände in der seit 2014 erscheinenden Reihe „Les croisades tardives.“ Connell, Fall (2018), 130–147; Hélary, Rois (2005), 73–76; Röhricht, Eroberung (1880), 93–126; Seitz, Ende (2010), 54–56; Stickel, Fall (1975), 96–242.
4 Quellengrundlage und Gang der Untersuchung
23
folgenden Dekaden immer wieder zu kurzen Unterbrechungen der Kreuzzugsbemühungen, doch erst 1336 kamen sie unter den Vorzeichen des heraufziehenden Konfliktes zwischen den Königen von England und Frankreich vollständig zum Erliegen. Der wechselhafte Verlauf des Hundertjährigen Krieges sowie der Ausbruch der Pest im Jahr 1347 setzten den gesamteuropäischen Planungen zur Rückeroberung des Heiligen Landes schließlich ein Ende.95 In den darauf folgenden Dekaden blieb die Kreuzzugsidee allerdings weiterhin lebendig und gleich mehrere Potentaten unternahmen ohne Erfolg Feldzüge in den Osten, darunter etwa König Peter I. von Zypern (✶1328 †1369) und Herzog Philipp III. von Burgund (✶1396 †1467).96 Bis zu ihrem Niedergang in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bildeten die Kreuzzugsplanungen an den Höfen lateineuropäischer Herrscher den Fokalpunkt für die Aktivität zahlreicher Berater, die dort mit entsprechenden Denkschriften ihre teils gewagten, teils konservativen Projekte zur Rückeroberung des Heiligen Landes bewarben. Diese Expertenratgeber, die versuchten, mittels nutzenorientierten Spezialwissens künftiges Handeln auf dem Feld der Kreuzzüge berechenbar(er) zu machen, bilden den Gegenstand der folgenden Untersuchung.
4 Quellengrundlage und Gang der Untersuchung Als Quellengrundlage der folgenden Untersuchung dient eine Kombination zweier Korpora: Das erste Korpus umfasst die schriftlichen Überreste97 der Kreuzzugsplanungen an den lateineuropäischen Herrscherhöfen und gibt Aufschluss über die Inhalte der Beratungen zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Ratgebern. Das zweite Korpus besteht aus herrscherlicher Korrespondenz, höfischen Verwaltungsquellen sowie der zeitgenössischen Geschichtsschreibung und dient der historischen Kontextualisierung der Quellen aus dem ersten Korpus. Das primäre Korpus setzt sich aus denjenigen Quellen zusammen, in denen explizit Vorschläge bzw. Pläne zur Rückeroberung des Heiligen Landes oder zur Durchführung eines Orientkreuzzuges entworfen werden. Konstitutives Merkmal der Texte in diesem Korpus ist die zu Beginn aller Werke geäußerte Feststellung, im Folgenden
Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 11–102. Siehe auch Heidelberger, Kreuzzugsversuche (1911); Housley, Negotiations (1980), 166–185; Luttrell, Crusade (1970), 122–134; Menache, Clement V (1998), 101–119; Paviot, Terre Sainte (2001), 79–85; Schein, Fideles crucis (1991), 74–257; Tyerman, Philip V (1984), 15–34; Ders., Philip VI (1985), 25–52. Contamine, Occident (2011), 19–40; Edbury, Policy (1978), 90–105; Ders., Cyprus (1994), 161–179; Housley, Cyprus (1995), 195–197; Müller, Kreuzzugspläne (1993); Paviot, Burgundy (2004), 70–80; Viltart, Itinéraires (2015), 331–349. Die Handschriftendatierungen sind, soweit nicht anders vermerkt, den jeweiligen Bibliothekskatalogen entnommen.
24
Einleitung
werde gezeigt qualiter Terra Sancta possit per Christianos recuperari oder98 es folge eine Abhandlung de praeparatoriis circa passagium faciendum.99 Auf inhaltlicher Ebene zeichnen sich diese schriftlichen Rückeroberungspläne dadurch aus, dass ihre Verfasser versuchten, präskriptive Inhalte aus deskriptiven Inhalten abzuleiten: Mithilfe einer Beschreibung von Städten und Regionen, wie sie auch in zeitgenössischen Reiseberichten üblich war, entwarfen sie beispielsweise für die Kreuzfahrer eine Route ins Heilige Land. Folgt man diesen Charakteristika, so lassen sich aus dem Zeitraum von 1290 bis 1336 insgesamt 32 solcher Quellen ausmachen (siehe Tab. 1). Aus dem Vorfeld des zweiten Konzils von Lyon 1274 sind zudem fünf weitere Werke erhalten, die starke Ähnlichkeit zu diesen Kreuzzugsmemoranden aufweisen und in der Forschung meist als ihre Vorgänger betrachtet werden.100 Die Abhandlungen richteten sich an politische Entscheidungsträger wie Päpste und Könige, die eine zentrale Stellung in den lateineuropäischen Rückeroberungsbemühungen einnahmen. Ihre Verfasser entstammten nicht allein den Gelehrtenmilieus, sondern auch den Ritterorden, dem Weltadel sowie dem kaufmännischen Milieu der Seehandelsstädte. Dieser sozial äußerst heterogenen Gruppe von Autoren zum Trotz betrachteten die Zeitgenossen die Werke als zusammengehörig und kompilierten sie deshalb häufig zu Sammelhandschriften.101 Aus diesen Gründen hat die Kreuzzugsforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts meist fälschlicherweise angenommen, bei diesen Texten handle es sich um Vertreter einer einheitlichen Literatur- oder Quellengattung von de recuperatione Terrae Sanctae-Memoranden, „recovery treatises“ oder „crusade proposals“, die als Reaktion auf den Verlust des Outremer im Jahr 1291 oder die Kreuzzugsplanungen auf dem Lyonense 1274 entstanden sei.102 Gegen diese Annahme spricht allerdings die höchst heterogene Form und Funktion der einzelnen Texte: Einige wurden im Mittellateinischen verfasst, andere sind französisch gehalten. Manche der Werke sind Gebrauchsquellen, die zahlreiche Makulaturen und Streichungen aufweisen, andere wurden in Prachthandschriften niedergeschrieben.103 Die Gattungsmerkmale dieser Texte variieren ebenfalls, so finden sich unter ihnen neben Traktaten im engeren Sinne auch Briefe, Gutachten sowie Itinerare, die den Weg ins Heilige Land beschreiben. Dementsprechend schwankt
Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 221. Siehe auch die analoge Formulierung bei Fidenzio von Padua, der Vorschläge unterbreiten möchte qualiter Terra Sancta acquiri posset de manibus Infidelium (...). Vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 1v. Siehe auch die leicht veränderte Variante bei Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 24: Intentionis autem mee est que inferius ponuntur ad generalis passagii quoddam preambulum texere (...). Paviot, Introduction (2008), 11–16; Schein, Fideles crucis (1991), 22–36. ANF J 456/36; BL Cotton Ms. Otho D.V.; BL Royal Ms. 19 D.I.; BNF Ms. Lat. 5515; BNF Ms. Lat. 7242; BNF Ms. Lat. 7470; Poitiers, Médiathèque François-Mitterrand, Ms. 263 (ehem. 246). Housley, Later Crusades (1992), 23 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 91–93; Leopold, Holy Land (2000), 1 f. So u. a. ANF J 456/36/2; BAV Ms. Vat. Lat. 2972, fol. 1r.
4 Quellengrundlage und Gang der Untersuchung
25
ihr Umfang mitunter drastisch, einige Werke zählen nur wenig mehr als 1.000 Wörter, andere haben über 50.000 Wörter. Obgleich Bezeichnungen wie informatio oder consilium überwiegen (siehe Tab. 1), lässt sich auch keine einheitliche Terminologie bei der Benennung der Rückeroberungsvorschläge ausmachen, die für eine literarische Gattung „recovery tracts“ sprechen würde. Deutlich plausibler als die Literatur-Hypothese scheint der Ansatz der älteren französischen Forschung, die Werke als „projets de croisade“ zu betrachten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Kreuzzugsplanungen an den lateineuropäischen Herrscherhöfen standen.104 Für diese Annahme spricht sowohl die zeitgenössische Rezeption der Rückeroberungsmemoranden als auch die Einbindung ihrer Verfasser in die höfischen Planungsgremien, die beispielsweise aus der herrscherlichen Korrespondenz ersichtlich ist. Die inhaltliche Nähe der einzelnen Texte zueinander ist also darauf zurückzuführen, dass es sich bei ihnen um die schriftlichen Überreste der überwiegend mündlich erfolgten Kreuzzugsplanungen am Hofe handelt, für deren Niederschrift sich die Berater je nach Anlass und Art des verwandten Wissens unterschiedlicher Darstellungsformen bedienten. Die Quellen aus dem primären Korpus haben bisher vor allem in der Kreuzzugsforschung Beachtung gefunden, wobei sie wahlweise als Propaganda für den Kreuzzug,105 Abhandlungen gelehrter Theoretiker106 oder handlungspraktische Anleitungen zur Organisation der lateineuropäischen Rückeroberungsbemühungen verstanden wurden.107 Die Vorschläge zur Gruppierung der Werke und ihrer Autoren sind dabei unterkomplex geblieben: Die ältere Forschung hat die Verfasser zumeist anhand ihrer nationalen Zugehörigkeit unterschieden und deren Rückeroberungsvorschläge als Ausdruck nationaler Interessen interpretiert.108 Die neuere Kreuzzugsforschung unterteilt die Schreiber der Rückeroberungsmemoranden dagegen zumeist in Theoretiker und Praktiker109 oder behauptet, die einzelnen Abhandlungen seien derart heterogen, dass sie sich überhaupt nicht sinnvoll kategorisieren ließen.110 Auf inhaltlicher Ebene hat die Kreuzzugsforschung sich vorwiegend auf die Frage nach Realisierbarkeit der Vorschläge konzentriert und untersucht, welche Versuche zur Umsetzung der Rückeroberungspläne unternommen wurden.
Boislisle, Projet (1872), 230–240; Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 11–102; Heidelberger, Kreuzzugsversuche (1911); Kohler, Projets (1904), 405–422 sowie in Anschluss daran Hong, Projet (2016), 239–274; Paviot, Introduction (2008), 9–51; Ders., Projets (2014); Samaran, Projets (1981), 33–74. Atiya, Crusade (1970), 72; Lock, Introduction (2011), 2; Nikolov, Orientals (2013), 79 f.; Runciman, History, Bd. 3 (1954), 430 f.; Setton, Papacy, Bd. 1 (1976), 166. Cardini, Marino Sanuto (2013), 32; Carr, Merchant Crusaders (2015), 12 f.; Tyerman, God’s War (2007), 827–829. Demurger, Croisades (2006), 289–298; García Espada, Enlargement (2014), 111 f.; Housley, Later Crusades (1992), 22–38; Jaspert, Kreuzzüge (2020), 55 f. Atiya, Crusade (1970), 7; Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 33 f.; Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 15 f.; Thier, Kreuzzugsbemühungen (1973), 76. Bontea, Passagium (2018), 24; Demurger, Croisades (2006), 291; Schein, Fideles crucis (1991), 92. Leopold, Holy Land (2000), 5.
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Einleitung
Tab. 1: Schriftliche Rückeroberungsvorschläge (1290–1336). Autor
Titel
Adressaten
Jahr
Fidenzio von Padua
Liber recuperationis Terrae Sanctae
Nikolaus IV.
–
Unbekannt
Via ad Terram Sanctam
Eduard I.
Berater Karls II. von Anjou
Conseill del Roy Karles
Nikolaus IV.
Ramon Llull
Tractatus de modo convertendi infideles
Nikolaus IV.
–
Galvano di Levanto
Liber sancti passagii christicolarum (unvollständig)
Ramon Llull
Liber de fine
Filippo Busseri
Speculum Terrae Sanctae (nicht erhalten)
Clemens V.
Jacques de Molay
Consilium super negotio Terre Sancte
Clemens V.
Foulques de Villaret
Informatio et instructio super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte
Clemens V.
–
Pierre Dubois
De recuperatione Terre Sancte
Hethum von Korykos
La Flor des estoires de la terre d’Orient
Clemens V.
Foulques de Villaret
Traitié coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens
Clemens V.
–
Unbekannt
La Devise des chemins de Babiloine
Clemens V.
–
Unbekannt
Memoria Terre Sancte
Clemens V.
–
Nikolaus IV. Philipp IV. Jakob II. Philipp IV.
Eduard I.
✶
Philipp IV.
✶
–
Pierre Dubois
Pro facto Terre Sancte
Philipp IV.
Marino Sanudo
Conditiones Terre Sancte
Clemens V.
Ramon Llull
Liber de acquisitione Terrae Sanctae
Clemens V.
Gesandte Heinrichs II. von Lusignan
Consilium regis Cipri de passagio faciendo
Konzil v. Vienne
Guillaume de Nogaret
Quae sunt advertenda pro passagio ultramarino
Konzil v. Vienne
✶
Guillaume Le Maire
Livre
Konzil v. Vienne
Ramon Llull
Petitio Raymundi in concilio generali ad acquirendam Terram Sanctam
Konzil v. Vienne
Gonzalo de Hinojosa
Informatio de pertinentibus ad passagium
Philipp IV.
–
✶
Guillelmus Adae
Tractatus quomodo Sarraceni sunt expugnandi
Raymond de Farges
–
Stadtrat v. Marseille
Informationes pro passagio transmarino
Ludwig von Clermont
–
Guillaume Durand
Informatio brevis ad passagium faciendum
Philipp V. Karl IV.
–
27
4 Quellengrundlage und Gang der Untersuchung
Tab. 1 (fortgesetzt) Autor
Titel
Adressaten
Jahr
u. a. Johannes XXII. Robert I. Marino Sanudo
Liber secretorum fidelium crucis
Karl IV.
Philipp VI. Eduard III. Gesandte Heinrichs II. von Lusignan
Consaill du Roy de Jerusalem et de Chypre
Johannes XXII.
Gesandte Leons V.
Consilium super passagio particulari
Johannes XXII.
Philipp VI.
Giovanni Belegno Marino Morosini
Pro passagio
✶
Biagio Zeno Guillelmus Adae
Directorium ad faciendum passagium transmarinum
Philipp VI.
Roger von Stanegrave
Li Charboclois d’armes du conquest precious de la Terre Saint de promission (unvollständig)
Eduard III.
–
Guido von Vigevano
Texaurus regis Francie acquisicionis Terre Sancte
Philipp VI.
✶
Kein zeitgenössischer Titel.
Außerhalb der Kreuzzugsforschung haben meist nur einzelne Werke oder Autoren aus diesem Korpus Beachtung gefunden, wobei die Rezeption von Pierre Dubois (✶um 1250 †um 1320) und Ramon Llull (✶um 1232 †1316) die aller anderen bei weitem übertrifft. Dubois hat vor allem dank seiner teils radikalen politischen Forderungen die Aufmerksamkeit der Historiker erregt,111 während Ramon Llull nicht wegen seiner Rückeroberungspläne, sondern mit Blick auf sein Werk als Theologe und Missionar rezipiert wird.112 Eine Reihe hinter diesen beiden stehen Marino Sanudo (✶um 1270 †1343) und Guido von Vigevano (✶um 1280 †um 1349), die vor allem in Spezialbereichen der Forschung wahrgenommen werden. Sanudo spielt einerseits aufgrund seiner detaillierten Ausführungen zur mediterranen Schifffahrt eine wichtige Rolle für
So u. a. Blattmann, Erziehung (2016), 169–198; Brandt, Pierre Dubois (1930), 507–521; Brown, Veritas (2016), 425–445; Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 48–51; Fidora, Arbitration (2011), 303–314; Forcadet, Pierre Dubois (2009), 209–228; Ders., De recuperatione (2014), 69–86; Jones, Rex (2003), 49–87; Kèry, Idées (2009), 553–572; Oschema, Idée (2010), 82 f.; Oexle, Denken (1977), 293–339; Powicke, Pierre Dubois (1902), 169–191; Renan, Études (1899), 251–288; Rexroth, Pierre Dubois (2008), 309–331; Ders., Systemvertrauen (2012), 36 f.; Schlieben, Aussagen (2018), 105–126; Schmidt, Bildungsreform (2003), 421–440; Ubl, Figur (2015), 231–234; Zeck, Publizist (1911). So u. a. Badia, Arbor Scientiae (2002), 1–19; Batalla, Regards (2015), 155–164; Bonner, Structure (2002), 21–34; Ders., Art (2007); Compagno, Intent (2013), 65–84; Fidora, Critique (2019), 279–292; Hillgarth, Ramon Lull (1971); Imbach, Arbor Humanalis (2002), 135–157; Mayer, Ramon Llull (2014), 143–156; Platzeck, Raimund Lull (1962); Pring-Mill, Mikrokosmos (2001); Ruiz/Soler, Ramon Llull (2008), 47–61; Sanders, Apocalypticism (2015), 95–105.
28
Einleitung
die Geschichte der Seefahrt und gilt andererseits eingedenk der neun Karten, die er für sein Kreuzzugstraktat zeichnen ließ, als Pionier der Kartographie.113 Das Rückeroberungstraktat des Guido von Vigevano ist dagegen vor allem von der Technikgeschichte bearbeitet worden, weil es Konstruktionsanleitungen und -skizzen enthält, die das handwerkliche Wissen des 14. Jahrhunderts widerspiegeln.114 Eine letzte Forschungstradition betrachtet die Rückeroberungsvorschläge vor dem Hintergrund des spätmittelalterlichen Globalisierungsschubs und interpretiert deren Verfasser mitunter sogar als Vordenker der europäischen Expansion. Im Fokus stehen dabei vor allem Autoren wie Guillelmus Adae (✶um 1275 †um 1339), Fidenzio von Padua (†nach 1294) sowie Hethum von Korykos (✶um 1230 †um 1310), deren Werke ausführliche Beschreibungen Afrikas und Asiens enthalten.115 Bisher nur angedeutet wurde dagegen das Potential dieser Rückeroberungspläne für die Untersuchung mittelalterlicher Zukunftsplanung und Risikobewältigung.116 Im Folgenden werde ich dafür argumentieren, dass es sich bei den Autoren dieser Rückeroberungspläne um Berater handelte, die von politischen Entscheidungsträgern als Experten für den Kreuzzug angerufen wurden. Ihre Abhandlungen waren der Versuch, (Spezial-)Wissen nutzenorientiert zu organisieren und auf diese Weise die Risiken eines Kreuzzuges planerisch zu bewältigen. Da die bisherigen Versuche der Kreuzzugsforschung, diese Werke zu kategorisieren, der Komplexität des von den Ratgebern mobilisierten Wissens nicht Rechnung tragen, ist eine neue Herangehensweise erforderlich. Deshalb werden die Texte aus dem primären Korpus mit den Mitteln der quantitativen Inhaltsanalyse untersucht, um auf Basis der Ergebnisse verschiedene Ratgebertypen identifizieren zu können.117 Ausgehend von den Ansätzen der wissenssoziologischen Professionsforschung werden außerdem die in diesen Quellen zu Tage tretenden Strategien untersucht, mit denen die Berater gegenüber politischen Entscheidungsträgern ihre Expertise in Kreuzzugsfragen inszenierten.118 Zuletzt wird
Baumgärtner, Reiseberichte und Karten (2006), 89–124; Dies., Land (2012), 27–75; Campbell, Portolan Charts (1987), 406 f.; Edson, Crusade (2004),131–155; Dies., Jerusalem (2012), 201–218; Gautier Dalché, Cartes (2010), 84–95; Harvey, Maps (2012), 107–125; Jacoby, Marino Sanudo (2008), 185–197; Kretschmer, Marino Sanudo (1891), 352–370; Ders., Portolane (1903), 201–204; Pryor, Battles (1983), 187 f.; Ders., Geography (1988), 64–77; Woodward, Mappaemundi (1987), 314 f. Alertz, Windwagen (2001), 53–78; Hall, Inventions (1956), 966–969; Lohrmann, Turmwindmühlen (2000), 25–40; Long, Openness (2004), 104 f. Fried, Globalisierung (2015), 211–240; García Espada, Marco Polo (2009a); Ders., Marco Polo (2009b), 201–221; Jaspert, Mobility (2019), 139–142; Lewy, Abessinier (2018); Schmieder, Europa (1994), 109–122; Walter, Wiedereroberung (1999), 81–90. Ertl, Kreuzzugspläne (2021), 283–312; Scheller, Kulturen (2019), 7; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 95–105; Oexle, Denken (1977), 293–339; Wallmeyer, Kreuzzug (2017), 303 f. Bos/Tarnai, Entwicklung (1989), 1–13; Früh, Inhaltsanalyse (2011); Herkommer, Inhaltsanalyse (2012). Hitzler, Wissen (1994), 19; Pfadenhauer, Professionalität (2003), 105–115; Rexroth, Systemvertrauen (2012), 20; Schützeichel, Laien (2007), 549.
4 Quellengrundlage und Gang der Untersuchung
29
auch die Überlieferungsgeschichte der Quellen aus dem primären Korpus in den Blick genommen, um Aufschluss darüber zu erlangen, wie das Wissen der Ratgeber an den Höfen gesammelt und organisiert wurde. Dabei ist es nicht zu vermeiden, dass einige der Akteure und Quellenbeispiele mehrfach zur Sprache kommen, um aus den drei genannten Gesichtspunkten heraus analysiert zu werden. Das sekundäre Quellenkorpus dient wiederum der historischen Kontextualisierung der schriftlichen Rückeroberungsvorschläge aus dem Primärkorpus und umfasst Werke der zeitgenössischen Historiographie sowie höfische Korrespondenz und Kanzlei- bzw. Verwaltungsschrifttum. Dazu zählen insbesondere die von der École française de Rome edierten Papstregister, die kreuzzugsbezogenen Briefe aus dem Trésor des Chartes der französischen Krone, die von Finke zusammengestellte Sammlung der Korrespondenz Jakobs II. von Aragon (✶1267 †1327), die Close Rolls der englischen Krone sowie die von der Academia Pontaniana angefertigte Rekonstruktion der angevinischen Register, ebenso das von Delaville Le Roulx kompilierte Cartulaire général des Johanniterordens, ergänzt durch die Unterlagen in der maltesischen Nationalbibliothek für die Geschichte des Ordens nach 1310.119 Die Quellen in diesem Korpus helfen dabei, zu ermitteln, wie die Verfasser der Rückeroberungsmemoranden in die höfischen Kreuzzugsplanungen eingebunden waren, zu welchen Zeitpunkten diese Planungen stattfanden und welche Berater bzw. Entscheidungsträger daran jeweils partizipierten. Auf diese Weise können auch diejenigen Berater erfasst werden, die selbst keine schriftlichen Aufzeichnungen ihrer Rückeroberungspläne hinterlassen haben und folglich nicht durch das erste Korpus abgedeckt sind. Mithilfe dieser Aufzeichnungen kann überdies das Netzwerk der Kommunikationsbeziehungen von politischen Entscheidungsträgern und ihren Ratgebern exemplarisch rekonstruiert werden. Zur Erhebung und Auswertung dieser Netzwerke kommen dabei Verfahren aus der sozialen Netzwerkanalyse zum Einsatz, mithilfe derer ermittelt werden kann, welche Akteure in den Kreuzzugsplanungen tonangebend waren und auf welche Weise Ratgeber versuchten, diese zentralen Akteure zu erreichen.120 Die Netzwerkanalyse hat dabei das Potential, der Komplexität sozialer Beziehungsgeflechte am Hof besser gerecht zu werden als das Erklärungs-
Lettres communes de Jean XXII. Ed. Mollat (RJ); Lettres secrètes et curiales du pape Jean XXII relatives à la France. Ed. Coulon (RJF); Registres de Nicolas IV. Ed. Langlois (RN); Registres de Grégoire X. Ed. Guiraud (RG); Regestum Clementis Papae V. Ed. Tosti (RC). Zu den Papstregistern siehe Zutshi, Chancery (2021), 3–18. Registres du Tresor des Chartes. Ed. Guerout/Fawtier/Viard (RTC 1–3) sowie dazu ANF JJ 58. Acta Aragonensia. Ed. Finke (AA); Ders., Papsttum, Bd. 2 (1907); Calendar of the Close Rolls. Ed. Lyte/Maxwell (CClR) sowie dazu TNA C 47, TNA C 54; TNA SC 1. Registri della Cancelleria angioina. Ed. Filangieri di Candida; Cartulaire général de l’Ordre des Hospitaliers. Ed Delaville Le Roulx (CGOH) sowie dazu AOM Sek. 1, insbes. Arch. 14; 16. Düring/Eumann, Netzwerkforschung (2013), 369–390; Freeman, Development (2004); Jansen, Einführung (2006), 11–49; Nitschke, Geschichte (2016), 11–29; Schnegg, Wurzeln (2010), 21–28.
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Einleitung
schema vom „Vertrauten des Herrschers“, das in der politischen Geschichte nach wie vor gern bemüht wird.121 Andererseits kann auf Grundlage von Korrespondenz und Kanzleischrifttum ermittelt werden, wie die höfischen Kreuzzugsplanungen organisiert waren und inwiefern die Akquise von Wissen durch die Akteure an den Höfen reflektiert wurde. Dazu zählen beispielsweise auch die Gegengutachten, mit denen Sachverständige sich zur Qualität der Rückeroberungsvorschläge anderer Berater äußerten.122 Bei der Analyse der Organisationsformen folge ich wiederum dem Modell der „trading zones“ bzw. Austauschzonen, welches in der Wissenschaftsgeschichte zur Untersuchung der Interaktion zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Traditionen entwickelt wurde und inzwischen auch in der Forschung zur vormodernen Geschichte eingesetzt wird, um den Austausch zwischen Angehörigen verschiedener Wissenskulturen nachzubilden.123 Wie die anderen begrifflichen und methodischen Ansätze dieser Untersuchung, welche an dieser Stelle nur schemenhaft umrissen werden konnten, wird auch das Modell der Austauschzonen in den Kapiteln genauer erläutert werden, in denen es als Analyseinstrument zum Einsatz kommt. Die Untersuchung folgt keiner chronologischen Erzählung, sondern ist anhand systematischer Gesichtspunkte in drei Teile untergliedert: Der erste Teil (‚Krise und Chance‘) widmet sich dem Beginn der informationsorientierten Beratung auf dem Feld der Kreuzzüge im ausgehenden 13. Jahrhundert. Dabei frage ich einerseits nach den soziokulturellen Bedingungen, welche die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur an den Höfen lateineuropäischer Herrscher beförderten, und erörtere andererseits, was die Zeitgenossen dazu motivierte, den Rat von Experten einzuholen oder selbst als Kreuzzugsberater tätig zu werden. Im zweiten Teil (‚Berater und ihr Wissen‘) behandle ich den sozialen Hintergrund der Berater sowie die Wissensbestände, aus denen sie ihre Expertise für den Kreuzzug bezogen. Ich unterscheide darin drei Typen von Ratgebern: erstens Militärexperten aus dem kriegführenden Adel und den Ritterorden, zweitens Finanzexperten, die größtenteils studierte Juristen waren, und drittens geographischethnographische Experten, die den Orient sowie Afrika oder Asien selbst bereist hatten. Der dritte Teil (‚Wissen am Hof‘) behandelt schließlich die Organisation der höfischen Kreuzzugsplanungen sowie die Rolle der Ratgeber darin. Dafür analysiere ich zum einen, wie Experten, Laien sowie Berater aus unterschiedlichen Wissenskulturen miteinander kommunizierten, und betrachte zum anderen, mit welchen Strategien die Ratgeber versuchten, sich als Experten für den Kreuzzug zu inszenieren. Am Schluss führe ich die Ergebnisse der drei Teile zusammen und gehe auf das Ende der Kreuzzugsplanungen in den 1330er Jahren sowie deren Fortwirken in den folgenden Dekaden ein.
So u. a. Balouzat-Loubet, Capétiens (2019), 125; Grünbart, Einleitung (2020), 11 f.; Kyritses, Council (2015), 66; Miethke, Philipp IV. (1996), 205; Postel, Herrschaft (2004), 5; Uebach, Ratgeber (2008), 27. AA 3, 198 f., Nr. 91; Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3–5; RJF, Nr. 1690–1709. Collins/Evans/Gorman, Trading Zones (2007), 657–666; Galison, Image (1997), 781–844; Long, Trading Zones (2015), 840–847.
Teil I: Krise und Chance
1 Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur an den Herrscherhöfen des 13. Jahrhunderts Die Kreuzzugsforschung hat seit der wegweisenden Studie von Erdmann immer wieder herausgestellt, dass es sich bei den Kreuzzügen keineswegs um eine von ihrem Beginn an bereits vollständig ausgeprägte und weitgehend zeitlose Bewegung oder Institution handelte, sondern dass sie in Wechselwirkung mit anderen gesellschaftlichen Entwicklungen über das Mittelalter hinweg stetig neu interpretiert wurden.1 Bei den Experten-Ratgebern, die von politischen Entscheidungsträgern gegen Ende des 13. Jahrhunderts hinsichtlich der Organisation von Orientkreuzzügen konsultiert wurden, handelte es sich um eine jener späteren Entwicklungen. In den vorangegangenen 200 Jahren hatten Herrscher ihre Entscheidungen hinsichtlich der Kreuzzüge zuvorderst auf den Ratschlag patrimonial, also aus ihrem Gefolge rekrutierter Berater gestützt und keine problemorientierte Akquise von Spezialwissen betrieben. Erst in den 1270er Jahren entstand an den Höfen lateineuropäischer Herrscher langsam eine Expertenkultur, welche die Art und Weise, wie Kreuzzüge geplant wurden, nachhaltig veränderte. Dieser Wandel lässt sich an zwei Beispielfällen aus den Kreuzzugsplanungen der französischen Krone im 13. und 14. Jahrhundert illustrieren: Nach seiner Niederlage gegen das Heer des ägyptischen Sultans und seiner 30tägigen Gefangenschaft in Ägypten reiste der französische König Ludwig IX. (✶1214 †1270) ins Heilige Land, um seinen scheiternden Kreuzzug zumindest noch in einen militärischen Teilerfolg zu verwandeln. Nachdem er im Mai 1250 die Stadt Akkon erreicht hatte, berief er eine Reihe von conseils ein, um die weitere Vorgehensweise der Kreuzfahrer zu planen. Zunächst versammelte der König seine Brüder, den päpstlichen Legaten sowie die grans homes de France, die ihn auf den Feldzug begleitet hatten, und gab ihnen acht Tage Zeit, über das weitere Vorgehen nachzudenken. Nach Ablauf dieser acht Tage rief er einen größeren Kreis an Ratgebern zusammen, der neben den mitgereisten Baronen seines Reiches auch den führenden Adel der Kreuzfahrerreiche umfasste. Aus dem Bericht des Jean de Joinville (✶1224 †1317), der als Seneschall der Champagne und Berater des Königs den beiden Treffen beiwohnte, wird deutlich, dass in der Kommunikation zwischen den Teilnehmern dieser Versammlungen nicht die Sach-, sondern die Sozialdimension dominierte. Als Herr von Joinville blieb ihm ein Platz im vorderen Teil der Versammlung verwehrt und seinen Ratschlag musste er so lange zurückhalten, bis hierarchisch höherstehende Adelige wie die Brüder des Königs oder Graf Wilhelm II. von Flandern (✶1224 †1251) ihre Ansichten geäußert hatten. An eigenem Leibe musste Jean zudem erfahren, dass diese hohen
Erdmann, Entstehung (1935), VII f. Ähnlich auch Tyerman, Invention (1998), 5. https://doi.org/10.1515/9783111085067-002
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1 Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur
Adeligen es als inakzeptabel erachteten, wenn geringer gestellte wie er ihren Ratschlägen offen widersprachen. Aus seinen Schilderungen wird ferner deutlich, dass die königlichen Berater nicht auf ein bestimmtes Sachgebiet festgelegt waren. Jean selbst beriet den König etwa bezüglich der militärischen Vorgehensweise ebenso wie in der Finanzierung des Kreuzfahrerheeres oder der Suche nach politischen Allianzen im Vorderen Orient.2 Jean de Joinville und die anderen Teilnehmer der Versammlung waren also keine spezialisierten Experten, sondern polyvalente Ratgeber, die weder auf einen bestimmten Wissensbestand noch auf eine bestimmte Problemlage festgelegt waren. Gänzlich anders nahmen sich die Kreuzzugsplanungen von Ludwigs Urenkel Philipp V. (✶1293 †1322) aus, welche er wenige Jahre nach seiner Königskrönung begann: Ähnlich wie sein berühmter Vorfahre lud er die Fürsten und Prälaten seines Reiches im Dezember 1319 zu einer Versammlung in Paris, um sich mit ihnen über den geplanten Kreuzzug zu beraten.3 Im Gegensatz zu Ludwig wandte Philipp sich jedoch auch an einen kleinen Kreis von 14 Ratgebern, die sich acht Tage vor der großen Versammlung zu einer délibération mit ihm treffen sollten.4 Die zweite Runde der Kreuzzugsplanungen im Februar 1320 erfolgte nach demselben Muster: Erst traf sich der König mit einer kleinen Gruppe ausgewählter Ratgeber zu einer délibération und acht Tage später versammelte er die Großen seines Reiches, um mit ihnen über die Durchführung eines Kreuzzuges zu beraten.5 Mit Ausnahme des Grafen von Clermont, dem designierten capitaneus, rector et gubernator des Kreuzzugs, sowie Guillaume Durand (✶um 1266 †1330), dem von Philipp zum Prokurator der Kreuzzugsabgaben bestimmten Bischof von Mende, partizipierten allerdings keine Persönlichkeiten aus den Reihen der französischen Fürsten oder Prälaten an diesen vorgelagerten délibérations. Stattdessen konsultierte der König im Rahmen der beiden Treffen Berater wie den Kreuzzugsveteranen Othon de Grandson (✶1238 †1328), den Kaufmann Bernard Vital aus Narbonne oder Foulques de Villaret, den ehemaligen Großmeister des Johanniterordens, der maßgeblich am Kreuzzug seines Ordens zur Eroberung der Insel Rhodos in den Jahren 1306–1311 beteiligt gewesen war.6 Philipp selbst stellte fest, diese Akteure würden über eine plus grant cognoissance
Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 206–214. Richard hat dafür argumentiert, dass Joinville höchstwahrscheinlich die Teilnehmer der beiden Versammlungen miteinander vermischte. Das erste Treffen am 19. Juni war demnach vermutlich eine Zusammenkunft von Ludwigs Gefolge, während das zweite Treffen am 26. Juni auch von den Magnaten der Kreuzfahrerreiche besucht wurde, vgl. Richard, Saint Louis (1983), 239 f. ANF JJ 58, fol. 36v, Nr. 396; fol. 37v, Nr. 398. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. Conseil bzw. consilium sowie délibération bzw. deliberatio wurde von den Zeitgenossen meist synonym verwendet, vgl. Agrimi/Crisciani, Consilia (1994), 13. Zu den Kreuzzugsplanungen am frz. Hof siehe insbes. Tyerman, Philip V (1984), 15–34. ANF JJ 58, fol. 48v, Nr. 441. AA 1, 223, Nr. 145; Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 29 f.; RTC 2, Nr. 2040. Zu den biographischen Hintergründen der Teilnehmer dieser délibérations vgl. Boislisle, Projet (1872), 230–233; Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 15–21; Forey, Otto of Grandson (2018), 79 f.; Luttrell, Foulques de Villaret
1.1 Vom auxilium zum consilium
35
du passage doutremer verfügen, weshalb er sie im Vorfeld des Treffens mit den Magnaten seines Reiches zu Rate ziehen wolle.7 Im Unterschied zu Jean de Joinville 70 Jahre zuvor waren diese Ratgeber allerdings auf bestimmte Spezialgebiete festgelegt und berieten den König nicht mehr in allen Aspekten, die sie als relevant für die Durchführung eines Kreuzzugs erachteten. So konzentrierte sich Guillaume Durand beispielsweise nahezu ausschließlich auf Mittel und Wege, die Gelder zu akquirieren, welche für die Finanzierung des Kreuzzuges notwendig waren, während Foulques de Villaret sich eine derartige Finanzexpertise explizit absprach.8 Was war also in den 70 Jahren zwischen 1250 und 1320 passiert? Ich werde im Folgenden argumentieren, dass die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur im späten 13. Jahrhundert auf die Wechselwirkung zweier Faktoren zurückzuführen ist: Einerseits die zunehmende Prävalenz informationsorientierter Beratung (1.1) und zum anderen die Wahrnehmung der Kreuzzüge als Risiko, welches kalkuliert eingegangen werden konnte (1.2). Das Zusammenwirken dieser beiden Entwicklungen mit den militärischen Niederlagen der Kreuzfahrer führte in den 1290er Jahren zu einer epistemischen Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens, die den Kreuzzugsplanern ihr Nichtwissen hinsichtlich der Durchführung von Feldzügen in den Orient vor Augen führte und Expertenratgeber zur Lösung auf den Plan rief (1.3).
1.1 Vom auxilium zum consilium In der modernen Politikwissenschaft wird die „Unterscheidung von verantwortlichem politischem Akteur und Berater“ meist als konstitutives Merkmal jeder Form der politischen Beratung durch Experten betrachtet.9 Inzwischen hat die umfangreiche Forschung zum früh- und hochmittelalterlichen Beratungswesen allerdings gezeigt, dass diese Form der funktionalen Differenzierung an den Höfen lateineuropäischer Herrscher zunächst nicht realisiert war, da die Berater meist selbst politische bzw. kirchliche Entscheidungsträger mit dezidiert politischen Interessen waren.10 Folglich entschied vornehmlich das soziale oder ökonomische Kapital eines potentiellen Ratgebers darüber, ob Herrscher ihn konsultierten, während die ihm zugeschriebene Expertise von untergeordneter Bedeu-
(1985), 74–78; Rowland Clifford, Knight (1961), 15–36; Viollet, Guillaume Durant (1921), 57 f. sowie II.2.3.1; II.3.3.1. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. Siehe dazu die Rückeroberungsmemoranden des Foulques de Villaret aus seiner Zeit als Ordensmeister der Johanniter: Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 221–226; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603–610 sowie das im Nachgang dieser Treffen verfasste Memorandum des Bischofs von Mende: Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 103–110. Wieland, Philosophie (2004), 67. So waren die engsten Berater Kaiser Friedrichs I. in den Jahren 1156 bis 1167 ausschließlich hohe Adelige wie Erzbischof Rainald von Köln (†1167), Herzog Heinrich von Sachsen bzw. Bayern oder Pfalzgraf Otto VI. von Wittelsbach, vgl. Uebach, Ratgeber (2008), 118–243.
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1 Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur
tung war. Erst das fortschreitende Wachstum der höfischen Verwaltung im Rahmen herrschaftlicher Zentralisierung sowie die zunehmende Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissensvorrats in einzelne Bestände von Spezialwissen stieß schließlich im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts die Entwicklung funktional orientierter Ratgeberstrukturen an den Höfen an.11 Im Zuge dieses Differenzierungsvorgangs gewann die informationsorientierte Beratung zunehmend an Bedeutung, also eine Form der Kommunikation, bei welcher die Beratenen primär an der Akquise des Wissens der Beratenden interessiert sind. Ab dem zweiten Konzil von Lyon im Jahr 1274 lässt sich dann beobachten, dass Kreuzzugsplaner sowohl auf semantischer als auch auf handlungspraktischer Ebene zwischen politischen Entscheidungsträgern und politischen Ratgebern unterschieden. Zunächst kannte der Kreuzzug analog zur Planung säkularer Heerzüge zwei planerische Organisationsformen: Zum einen große Versammlungen aller beteiligter Fürsten und Prälaten, zum anderen reklusive Treffen der Herrscher mit ihren jeweiligen Vertrauten. Bereits seit der Zeit des Ersten Kreuzzugs trafen sich Herrscher mit ihren Vasallen und ihresgleichen in den erstgenannten Versammlungen, um über die Durchführung der Unternehmung zu beraten. Die erste überlieferte Versammlung dieser Art wurde im Frühjahr 1096 von Hugo von Vermandois (✶1057 †1101) in Paris einberufen und diente der Planung des Ersten Kreuzzuges.12 Im Vorfeld der folgenden Kreuzzüge wurden ebenfalls derartige Versammlungen anberaumt, obwohl die Feldzüge selbst durch Könige und nicht wie noch 1096 durch Fürsten organisiert wurden. Die Könige Konrad III. (✶um 1094 †1152) und Ludwig VII. (✶1120 †1180) hielten 1147 entsprechende Treffen in Frankfurt und Étampes ab; Friedrich I. (✶um 1122 †1190), Richard I. (✶1157 †1199) und Philipp II. (✶1165 †1223) versammelten in den Jahren 1188/89 ihr Gefolge in Geddington, London, Paris, Mainz und Regensburg zu Beratungen.13 In der zeitgenössischen Geschichtsschreibung wurden diese Treffen meist als consilium bzw. conseil, mitunter aber auch als colloquim, congretatio oder deliberatio bezeichnet.14 Das consilium bezeichnete somit sowohl die Handlung des Rat-Gebens in mündlicher oder schriftlicher Form als auch die Versammlung der Ratgeber eines bestimmten Herrschers.15 Diese Zusammenkünfte waren indes nicht notwendigerweise den Kreuzzugsberatungen allein gewidmet: Friedrich I. hielt bei-
Althoff, Colloquium (1990), 166; Fried, Wissensgesellschaft (2003), 149 f.; Hintze, Repräsentativverfassung (1931), 45 f.; Kintzinger, Wissen (2003), 34 f.; Krynen, Empire (1993), 69 f. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos. Ed. Huygens, 133 f. Über die Versammlungen des Jahres 1147 berichten zeitgenössische Chronisten, so u. a. Otto von Freising, Gesta Friderici I. Ed. Waitz, 63–64; Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick–Berry, 12. Zu den Versammlungen in den Jahren 1188/89 siehe insbes. Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 358; Bd. 3, 19 f. sowie [Ders.], Gesta regis Henrici. Ed. Stubbs, Bd. 2, 30. So etwa in den Chroniken De expugnatione Lyxbonensi. Ed. David, 100; Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick–Berry, 12; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos. Ed. Huygens, 133. Agrimi/Crisciani, Consilia (1994), 13; Baumgärtner, Consilia (1995), 9–11; Daniels/Woelki, Consilia (2018), 83; Postel, Herrschaft (2004), 7.
1.1 Vom auxilium zum consilium
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spielsweise in Regensburg einen allgemeinen Hoftag ab und die englischen Könige ließen meist im Rahmen der Parlamente über den Kreuzzug beraten. Auch während der militärischen Kampagnen im Orient wurden vergleichbare Versammlungen durchgeführt, um über das weitere Vorgehen der Kreuzfahrer zu beraten. So trafen sich die Könige Konrad III. und Ludwig VII. ein Jahr nach der Niederlage der Kreuzfahrer bei Dorylaeum 1147, um den Fortgang des Kreuzzuges zu verhandeln,16 und Ludwig IX. versammelte sein Gefolge während des Aufenthalts der Kreuzfahrer auf Zypern 1149, um über die taktischen Modalitäten des geplanten Angriffs auf Damietta zu beraten.17 Solche Versammlungen blieben bis weit in das 15. Jahrhundert hinein ein wichtiger Bestandteil höfischer Kreuzzugsplanungen, so rief noch König Władysław III. von Polen und Ungarn (✶1424 †1444) seine Vasallen im Juni 1441 in Buda zusammen, um einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich zu planen.18 Diese großen Versammlungen hatten allerdings keineswegs eine rein planerische Funktion, sondern waren ein Bestandteil der konsensualen bzw. konsensorientierten Herrschaft des Mittelalters: Sie fungierten als Instrument, um zwischen Königen, Fürsten und Prälaten einen allgemeinen Konsens oder zumindest einen Kompromiss über die Finanzierung und militärstrategische Ausrichtung des Kreuzzuges herzustellen. Dementsprechend erfolgte das Rat-Geben (consilium) in solchen Versammlungen stets gemeinsam mit der Verpflichtung zum militärischen oder finanziellen BeistandLeisten (auxilium).19 Diese ursprünglich aus dem Lehnswesen stammende Formel be Das Treffen wird in zwei Briefen Konrads an Abt Wibald von Stablo beschrieben, vgl. Briefbuch Abt Wibalds von Stablo. Ed. Hartmann, Bd. 1, 127–129, Nr. 73; 220–222, Nr. 120. Bei der sogenannten Schlacht von Dorylaeum handelte es sich vermutlich eher um eine Reihe kleinerer Scharmützel und nicht um das Aufeinandertreffen zweier Heere. Siehe dazu Roche, Conrad III (2021), 262. Siehe dazu den Brief eines Ritters namens Guido, der behauptete, er habe an den Beratungen teilgenommen. Das fragliche Schreiben ist überliefert bei Matthew Paris, Chronica majora. Ed. Luard, Bd. 6, 155. Blanka von Kastilien (✶1188 †1252), die Mutter des Königs und in dessen Abwesenheit Regentin Frankreichs, erwähnte in einem Brief an den englischen König Heinrich III. (✶1207 †1272) ebenfalls diese Versammlung, vgl. ebenda, 165 f. Babinger, Amurath (1950), 241–243; Jefferson, Holy Wars (2012), 315 f. Brunner, Land (1965), 269–272. Zum Konzept der konsensualen Herrschaft siehe u. a. Althoff, Colloquium (1990), 145–167; Ders., Kontrolle (2015), 11–23; Keller, Grundlagen (1985), 19–22; Patzold, Konsens (2007), 75–103; Postel, Herrschaft (2004), 1–25; Ruhe, Hiérarchies (2004), 109–123; Schneidmüller, Herrschaft (2000), 53–87. Zu konsensualer Herrschaft außerhalb des lateineuropäischen Raums siehe Ertl, Herrschaft (2018), 123–144; Kyritses, Crisis (2015), 98–107. Wenngleich der Ausdruck „konsensuale Herrschaft“ erst in der neueren Forschung eingeführt wurde, ist das dahinterstehende theoretische Konzept deutlich älter, so hat bereits Weber in seiner Definition der ständisch-patrimonialen Herrschaft des Mittelalters die Relevanz des Kompromisses zwischen Herrschern und ihren Vasallen herausgestellt, vgl. MWG 1.23, 484 f. Der Ausdruck „konsensuale Herrschaft“ inkorporiert allerdings nicht den Umstand, dass Herrscher nicht notwendigerweise auf Konsens mit den Magnaten ihres Reiches angewiesen waren, sondern ihre Entscheidungen durchaus auch mittels Gewalt durchsetzen konnten (wenngleich sie es meist nicht taten). Siehe dazu Jostkleigrewe, Staat (2018), 425 f. Um den Umstand besser einzufangen, dass der consensus durchaus gewünscht, jedoch keineswegs notwendig zur herrschaftlichen Machtdurchsetzung war, werde ich im Folgenden stattdessen von „konsensorientierter Herrschaft“ sprechen.
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zeichnete die beiden Verpflichtungen eines Vasallen gegenüber seinem Herrn und bildet laut Brunner eine der Grundkategorien mittelalterlicher Ordnung. Auch in der konsensorientierten Herrschaft waren consilium und auxilium eng miteinander verwoben, denn „wer ‚ratet‘, verpflichtet sich damit auch zur Hilfe.“20 In Bezug auf die Tätigkeit des Rat-Gebens, das consilium, müssen für den Untersuchungszeitraum folglich zwei Typen von Sprechhandlungen voneinander unterschieden werden: In beiden Fällen artikuliert der Ratgeber einen Plan für künftiges Handeln, den er den Rezipienten der Sprechhandlung als Vorschlag unterbreitet. Im Fall der konsensorientierten Herrschaft erschöpft das Rat-Geben sich allerdings nicht in diesem Vorschlag. Stattdessen verpflichtet der Sprecher sich zugleich, dem eigenen Vorschlag Folge, also das auxilium, zu leisten, sofern die Rezipienten sich dazu entscheiden sollten, die proponierten Handlungen umzusetzen. Nur indem Herrscher den Ratschlag der Fürsten und Prälaten einholten, von denen sie sich die finanzielle oder militärische Unterstützung ihrer Kreuzzugsambitionen erhofften und die sie auf diese Weise in die Planung des Unternehmens einbezogen, konnten demnach kostspielige Militärunternehmen wie die Orientkreuzzüge überhaupt realisiert werden.21 Für die Verfasser zeitgenössischer Fürstenspiegel unterschied sich ein guter König dadurch von einem Tyrannen, dass er die Großen seines Reiches bei solchen wichtigen Entscheidungen stets konsultierte.22 Verweigerte sich ein Herrscher dieser etablierten Vorgehensweise, musste er mit Widerstand rechnen. Laut dem Chronisten Primat von Saint-Denis versagten etwa zahlreiche Fürsten Ludwig IX. während eines Parlaments im März 1268 die Unterstützung für sein zweites Kreuzzugsunternehmen, par ce que le roy l’avoit prise si nouyelement sans faire en mencion à nul (...).23 Die
Brunner, Land (1965), 310. Luhmann hat Brunners Überlegungen zur politischen Funktion des RatGebens weiter präzisiert: „Im Rat lag zugleich die Selbstverpflichtung, an der Durchführung der angenommenen Vorschläge mitzuwirken (...) Die Ernennung als Ratgeber konnte so als Instrument politischer Bindung (als Schritt zur Gründung eines Kontaktsystems) und das Ratsgremium als Stätte der Verhandlung über die Bedingungen einer besonderen Hilfeleistung dienen.“ Vgl. Luhmann, Legitimation (1978), 87. Diese Form der Konsensbildung durch Ratschlag wurde allerdings nicht allein in der vertikalen Kommunikation zwischen Herrschern und ihren Vasallen eingesetzt, sondern auch in der horizontalen Kommunikation zwischen den Herrschern selbst. Der Chronist Ralph von Diceto (✶um 1120 †um 1202) berichtet beispielsweise, dass Kaiser Friedrich I. dem englischen König Heinrich II. sein consilium et auxilium bei der Organisation des Kreuzzuges anbot, vgl. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum. Ed. Stubbs, 51 f. Zur Kreuzzugsfinanzierung siehe Constable, Financing (2016), 117–141; Tyerman, Crusade (2015), 181–227 sowie II.3.2.1. So u. a. bei Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 913: Si autem aliter se haberet, ut si spreto consilio et dimissa societate sapiencium et bonorum, vellet sequi capud proprium et appetitum privatum, iam non esset rex, set tyrannus. Chronique de Primat. Ed. Paris, 39. Die ursprünglich lateinische Chronik des Primat von SaintDenis ist allein in einer im frühen 14. Jahrhundert von Jean de Vignay angefertigten französischen Übersetzung erhalten. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 362–364 berichtete in ähnlicher Weise von dieser Versammlung. In der Geschichtsforschung wurde die Verweigerungshaltung
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Relevanz dieser Versammlungen für die Konsensfindung zeigt sich insbesondere bei den Kreuzzügen, die nicht von einem einzelnen König angeführt wurden, sondern eine symmetrischere Machtverteilung zwischen den teilnehmenden Herrschern aufwiesen. Die Führer des Vierten Kreuzzuges verlegten sich etwa auf „holding regular meetings and deciding issues of strategic importance in apparently open debates, for example at gatherings during the summer of 1200 in Soissons and Compiègne.“24 Derartige „assembly politics“ zur Konsensbildung und Absicherung herrscherlicher Entscheidungen waren allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Kreuzzugsplanungen, sondern spätestens seit dem 10. Jahrhundert ein etabliertes Mittel politischen Entscheidens über Rechts- und Finanzfragen, die auf Hoftagen, Synoden oder Parlamenten gemeinsam mit den Kreuzzügen thematisiert wurden.25 Neben solchen großen Versammlungen trafen sich kreuzzuginteressierte Herrscher zur Planung ihrer Orientexpeditionen immer auch mit einigen wenigen handverlesenen Beratern zu kleineren Sitzungen an ihrem Hof. Im Sprachgebrauch der Zeitgenossen wurde zwischen diesen kleinen, reklusiven Treffen und den großen Versammlungen allerdings nicht unterschieden. In Chroniken und Verwaltungsschrifttum werden sie gleichermaßen als consilia, colloquia oder deliberationes bezeichnet, wobei der Ausdruck consilium eindeutig dominiert.26 Diese Treffen mit einem kleineren Beraterzirkel dienten üblicherweise der Vorbereitung für die größeren Versammlungen, allerdings ohne deren Ergebnis vollständig vorwegzunehmen. Ludwig VII. traf sich beispielsweise im Jahr 1147 zwei Wochen vor einer Zusammenkunft mit den Großen seines Reiches in Étampes mit einer kleinen Gruppe aus Vertrauten und päpstlichen Gesandten in Châlons-en-Champagne zur Koordination seines Orientfeldzuges.27 Auch Heinrich II. versammelte 1188 eine kleine Gruppe seiner Berater in Le Mans, um mit ihnen im Vorfeld eines Parlaments in Geddington Möglichkeiten zur
der Fürsten gegenüber Ludwig IX. allerdings meist auf die mangelnde Kreuzzugsbegeisterung zurückgeführt, so zuletzt Hélary, Croisade (2016), 18 f. Tyerman, Crusade (2015), 238. Über den Hergang einer solchen Versammlung berichtet u. a. Gottfried von Villehardouin, Conquête de Constantinople. Ed. Dufournet, 60–62. Hébert, Voix (2018); Reuter, Politics (2010), 206–209; Thieme, Beratung (2012), 186–189. Der Ursprung konsensorientierter Herrschaft ist in der Geschichtsforschung nach wie vor umstritten. Während Keller die Ottonenzeit als Startpunkt dieser Entwicklung ausmacht, verortet Hannig ihn in der späten Karolingerzeit, vgl. Hannig, Consensus Fidelium (1982), 152–195; Keller, Grundlagen (1985), 22–33. Althoff hat für das Reich im 11. Jahrhundert eine Unterscheidung zwischen colloquium familiare und colloquium publicum postuliert, vgl. Althoff, Colloquium (1990), 158. Wenngleich diese Form der Differenzierung analytisch sinnvoll sein mag, lässt sie sich doch in Bezug auf die Kreuzzugsplanungen ab dem 12. Jahrhundert im zeitgenössischen Sprachgebrauch nicht nachweisen, weswegen ich diese Treffen im Folgenden allein ihrer Teilnehmerzahl nach unterschieden werde. Über das Treffen berichtet die in etwa zeitgleich verfasste Bernhardsvita, vgl. Wilhelm von SaintThierry, Sancti Bernardi vita. Ed. Migne, 400. Das Treffen wurde offenbar auch von den Botschaftern Konrads III. besucht, vgl. Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 335–338. Phillips hat die Auffassung vertreten, dass das Treffen in Châlons der Vorbereitung der großen Versammlung in Étampes zwei Wochen später diente, vgl. Phillips, Second Crusade (2010), 115 f.
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Finanzierung seines geplanten Kreuzzugs zu diskutierten.28 Die eingangs erwähnten Treffen bestätigen dieses Schema: Erst trafen sich Ludwig IX. bzw. sein Urenkel Philipp V. mit ihrem engeren Beraterkreis, um anschließend in einer großen Versammlung den Rat und die Unterstützung der Magnaten ihres Reiches einzuholen. Im Gegensatz zu den Versammlungen der Großen wandelten sich diese kleinen Beraterzirkel allerdings im Laufe des 13. Jahrhunderts in ihrer politischen Funktion und sozialen Zusammensetzung. Von einem Mittel der konsensorientierten Herrschaft wurden sie zu einem Mittel der Akquise von Spezialwissen, von einer Möglichkeit der Durchsetzung herrscherlicher Entscheidungen entwickelten sie sich zu einer Möglichkeit der Findung und Begründung jener Entscheidungen – und wurden somit zum Epizentrum der neuen Expertenkultur. Zunächst waren diese kleineren, informellen Treffen jedoch ebenso wie die größeren Versammlungen ein Ort konsensorientierten Herrschaft, an dem Herrscher sich mit einem kleinen Kreis eng verbundener Magnaten trafen, um sich deren Unterstützung im Vorfeld der größeren Versammlungen zu versichern.29 Dieser Umstand wird insbesondere in Hinblick auf die soziale Stellung der Berater deutlich, die fast ausschließlich politische Entscheidungsträger wie Fürsten und Prälaten waren, deren finanziellen oder militärischen Beistand der jeweilige Herrscher sich erhoffte. Heinrich II. konsultierte 1188 in Geddington neben dem Erzbischof von Canterbury die Bischöfe von Rochester und Coventry; Ludwig VII. konferierte 1147 in Châlons-en-Champagne mit dem Bischof von Langres und weiteren Fürsten seines Reiches.30 Bezüglich der Zusammensetzung dieser Versammlungen stellte der königliche Hofkaplan Odo von Deuil (✶um 1110 †1162) explizit fest, dass es seine [Ludwigs VII., Anm. d. V.] Gewohnheit war, jene im Rat mit sich zu vereinen, die [auch] in der Tat [mit ihm vereint sein] würden.31 Auch Kaiser Friedrich I. scheint die Ratgeber, welche ihn 1188/89 bei der Planung seines Kreuzzuges berieten, nach diesem Prinzip ausgewählt zu haben. Der englische Chronist Roger von Howden schrieb diesbezüglich: Dann hat er sich weise Männer, ausgebildet in militärischen Waffen und vielfach erprobt, ausgewählt (...) und hat sie bei sich zusammengebracht um die Feinde des Kreuzes Christi zu zerstören.32 Für Ludwig VII. und Friedrich I. standen consilium und auxilium demnach stets in einem interdependenten Verhältnis zueinander. Da jeder, der sie beriet, sich zugleich auf die Umsetzung seiner Vorschläge verpflichtete, konnten sich allein diejenigen als Ratgeber qualifizieren, die militärische oder finan-
[Roger von Howden], Gesta regis Henrici. Ed. Stubbs, Bd. 2, 30. Althoff, Colloquium (1990), 1 f.; Patzold, Konsens (2007), 77 f. [Roger von Howden], Gesta regis Henrici. Ed. Stubbs, Bd. 2, 30; Wilhelm von Saint-Thierry, Sancti Bernardi vita. Ed. Migne, 400. Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick–Berry, 12: illi mos erat ut socii essent consilii qui forent et laboris. [Roger von Howden], Gesta regis Henrici. Ed. Stubbs, Bd. 2, 56: Deinde elegit sibi viros sapientes et in armis militaribus doctos et saepius expertos (...) et adduxit eos secum ad destruendum inimicos Crucis Christi.
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zielle Unterstützung zu leisten vermochten. Folglich bestimmte über das 12. Jahrhundert hinweg das soziale und ökonomische Kapital potentieller Berater darüber, ob ein Herrscher sie in Kreuzzugsfragen konsultierte, während ihr Spezialwissen oder die ihnen zugeschriebene Expertise demgegenüber eine nachgeordnete Rolle spielte.33 Die Organisation eines Kreuzzuges wurde von den politischen Entscheidungsträgern als Teil des höfischen bzw. adeligen Allgemeinwissens wahrgenommen, weshalb sich die Frage nach der Expertise herrscherlicher Ratgeber gar nicht erst stellte und Experten somit obsolet waren. Selbstverständlich gab es auch im 12. Jahrhundert Akteure mit einer entsprechenden Expertise – ansonsten ließe sich nur schwerlich erklären, wieso es den Zeitgenossen wiederholt gelang, logistisch diffizile Unternehmen wie die Orientkreuzzüge erfolgreich zu organisieren und durchzuführen.34 Diese Akteure waren als Träger von Spezialwissen oder gar einer bestimmten Expertise zwar Spezialisten, wurden jedoch nicht primär als solche angerufen und waren somit keine Experten im engeren Sinne.35 So besteht etwa in der Kreuzzugsforschung inzwischen Einigkeit darüber, dass der militärische Erfolg des Ersten Kreuzzuges maßgeblich auf das taktische und geographische Wissen hochrangiger byzantinischer Generäle zurückzuführen ist.36 Schon die griechische Geschichtsschreiberin Anna Komnene (✶1083 †1153) hatte berichtet, dass der Kaiser die Anführer der ersten Kreuzfahrer zu sich kommen ließ und ihnen gute Ratschläge gab und sie gleichzeitig darüber belehrte, welche taktischen Mittel die Türken in der Schlacht anzuwenden pflegten (...).37 Auch Friedrich I. setzte auf das geographische Wissen byzantinischer Militärs und beriet sich überdies mit Gesandten der oberitalienischen Stadtstaaten über die Möglichkeit, sein Kreuzfahrerheer auf dem Seeweg ins Heilige Land zu befördern.38 Wenngleich die Akteure in beiden Fällen ihr maritimes, geographisches oder taktisches Spezialwissen mobilisierten, um dem Kreuzzug zum Erfolg zu verhelfen, war ihre Expertise über die Durchführung des Unternehmens dennoch nicht der Grund
Rexroth hat dafür argumentiert, die Vorstellung von passgenauem Spezialwissen, dass zur Lösung eines Problems durch den Ratschlag von Experten abgerufen werden konnte, sei erst in den urbanen Zentren des 12. Jahrhundert entstanden und nur sukzessive an die Höfe der Zeit diffundiert, vgl. Rexroth, Mittelalter (2006), 323 f.; Ders., Expertenweisheit (2008), 24 f.; Ders., Systemvertrauen (2012), 26–33. Zur Logistik der frühen Kreuzzüge siehe u. a. Bachrach, Logistics (2006), 43–62; France, Warfare (2000), 49–66; Murray, Finance (2007), 357–368; Pryor, Water (2001), 21–28; Tyerman, Crusade (2015), 231–273. Pfadenhauer, Professionalität (2003), 26 f. France, Victory (1999), 101–104; Tyerman, God’s War (2007), 109 f. Anna Komnene, Alexias. Ed. Reinsch, 358; übers. ebenda, 359. Anna schreibt diese Ratschläge zwar Alexios selbst zu, aber aufgrund der panegyrischen Ausrichtung ihres Werkes scheint es deutlich wahrscheinlicher, dass sie von byzantinischen Generälen, möglicherweise in Gegenwart des Kaisers, geäußert und diesem ex post von Anna zugerechnet wurden. Zu den Ratgebern byzantinischer Herrscher siehe u. a. Kyritses, Council (2016), 57–69. Historia. Ed. Chroust, 15 sowie dazu Murray, Finance (2007), 364 f.; Tyerman, God’s War (2007), 419 f.
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dafür, dass sie konsultiert wurden. Stattdessen suchten die Kreuzfahrer ihren Rat, weil sie sich deren militärische und logistische Unterstützung erhofften. Aufgrund dieser funktionalen und räumlichen Verschränkung von consilia zur Wissensakquise und consilia zur Konsensbildung kam es immer wieder zur Kollision dieser beiden Formen des Rat-Gebens, etwa wenn einzelne Berater die militärstrategisch beste Vorgehensweise und die für alle Teilnehmer gleichermaßen akzeptable Entscheidung als nicht kongruent erachteten. Jean de Joinville war beispielsweise massiven Anfeindungen ausgesetzt, weil er sich auf den eingangs erwähnten Versammlungen im Mai 1250 mit seinem Ratschlag gegen touz les grans hommes de France stellte.39 Die Akquise von Spezialwissen war demnach zunächst nur ein Epiphänomen von Beratungen, die in erster Linie der Konsensfindung dienten und auf diese Weise die Unterstützung der jeweiligen Ratgeber sicherstellen sollten. Zu einer ersten Ausdifferenzierung des Verhältnisses von consilium und auxilium im Rahmen der Kreuzzugsplanungen kam es zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Hatten Ludwig VII. und Friedrich I. noch gleichermaßen auf eine Personalunion von Ratgeber, Geldgeber und Truppengeber insistiert, begannen sich nun die finanzielle und militärische Komponente des auxilium voneinander zu trennen. Die Auswirkungen dieser Differenzierung spiegelten sich schließlich auch in der päpstlichen Legislation wider, wie etwa das Dekret Ad liberandam Terram Sanctam zeigt, welches die Entscheidungen des vierten Laterankonzils (1215) bezüglich des unmittelbar bevorstehenden Kreuzzuges zusammenfasste. Das Konzil versprach nämlich nicht allein den Teilnehmern des Kreuzzuges den Ablass ihrer Sünden, sondern stellte auch all jenen einen Teilablass in Aussicht, die mit ihren Gütern zur Unterstützung des Heiligen Landes entsprechend beitragen oder mit Rat und Tat hilfreich zur Seite stehen.40 Das auxilium für die Kreuzfahrer musste also fortan nicht länger aus militärischem und finanziellem Beistand bestehen, sondern konnte militärisch oder finanziell geleistet werden, das consilium blieb jedoch stets an eine dieser beiden Formen von Hilfeleistung gebunden. Erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts begannen die Kreuzzugsplaner an lateineuropäischen Höfen auch das consilium als eine von diesen beiden Formen des auxilium unabhängige Form der Beratung zu betrachten. Herrscher konsultierten nun im Vorfeld ihrer Kreuzzüge zunehmend Ratgeber, die weder militärisch noch finanziell dazu in der Lage waren, sie bei der Umsetzung ihrer Pläne zu unterstützen. Stattdessen diente diese Beratung allein der Akquise von Spezialwissen, welches bei der Planung und Organisation eines Kreuzzuges von Nutzen sein könnte. Die Ursache dieser Ent-
Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 212. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 271: qui ad subventionem ipsius terrae de bonis suis congrue ministrabunt aut consilium et auxilium impenderint opportunum. Übers. ebenda, 272. Ziel dieser Bestimmungen war es, Nicht-Kombattanten eine militärisch tragfähige Möglichkeit zu geben, am Erfolg des Kreuzzuges zu partizipieren und zugleich neue Quellen für die Akquise von Geldern für den Kreuzzug zu gewinnen, vgl. Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50.
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wicklung liegt in der zunehmenden Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissensvorrats. Im Laufe des 12. Jahrhunderts hatten sich an lateineuropäischen Herrscherhöfen ebenso wie in den wachsenden urbanen Kommunen und den Dom- bzw. Klosterschulen zunehmend „Cluster aus standardisierten Expertisen“ gebildet, die Formen von Spezialwissen erzeugten, welche immer weniger Elemente des gesellschaftlichen Allgemeinwissens inkorporierten.41 Die fortschreitende Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissens allein war jedoch nicht hinreichend für die wachsende Bedeutung informationsorientierter Beratung in den höfischen Kreuzzugsplanungen. Noch zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatten die in den 100 Jahren zuvor entstandenen Bestände von Spezialwissen keine Relevanz für die Organisation von Kreuzzügen, da Kreuzfahrer wie der eingangs erwähnte Jean de Joinville als Generalisten galten, die aufgrund ihrer Polyvalenz nicht auf das Wissen oder die Expertise von Spezialisten angewiesen waren. Ein Chronist des dritten Kreuzzugs schrieb über Jakob von Avesnes (✶um 1152 †1191), einen Kreuzritter aus dem Hennegau, er sei ein Mann gesegnet mit dreifacher Vollkommenheit: In der Beratung ein Nestor, in Waffen ein Achilles [und] in [seiner] Loyalität [sogar] Atilius Regulus vorzuziehen.42 Für den unbekannten Geschichtsschreiber ließ sich die Organisation und Durchführung von Kreuzzügen demnach allein auf der Grundlage höfisch-adeligen Allgemeinwissens bewältigen. Erst das Wissen politischer Entscheidungsträger um die fortschreitende Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissensvorrats sowie der Glaube, dass Teile jenes neu entstandenen Spezialwissens Deutungsrelevanz für kreuzzugsbezogene Erfahrungen aufweisen könnten, führte zu dem Versuch, diese Wissensbestände mithilfe entsprechender Berater zu erschließen. Den Anstoß zu dieser Veränderung des planerischen Relevanzsystems gaben insbesondere drei interdependente Entwicklungen: Erstens die Herausbildung eines wissenschaftlichen Methodenkanons sowie einer gelehrten Identität in Auseinandersetzung mit den wiederentdeckten Werken antiker Autoren und dem römischen Recht im Rahmen der sogenannten „Renaissance des 12. Jahrhunderts“.43 Fortan wurden Kleriker an Dom- bzw. Klosterschulen sowie den entstehenden Universitäten mit der Vorstellung sozialisiert, es gebe Träger von Spezialwissen, die hinsichtlich bestimmter theologischer, philosophischer oder rechtlicher Probleme konsultiert werden könnten, und trugen jene Vorstellung anschließend über ihre Karrieren in der Kirchenhierarchie bis an die päpstliche Kurie. Die Tätigkeit von Spezialisten an der Kurie trat im Hinblick auf die Kreuzzüge zunächst in der kirchenrechtlichen Kodifikation des Kreuzfahrerstatus durch das vierte Laterankonzil
Rexroth, Expertenweisheit (2008), 25. Siehe auch Le Goff, Intellectuels (1985), 9–69. Itinerarium peregrinorum. Ed. Mayer, 310: vir trina perfectione preditus, in consiliis Nestor, in armis Achilles, in fide Attilio Regulo preferendus. Haskins, Renaissance (1957). Zur Herausbildung einer gelehrten Identität siehe insbes. Le Goff, Intellectuels (1985); Kintzinger, Wissen (2003), 37–39; Rexroth, Kodifizieren (2007), 395–414; Ders., Fröhliche Scholastik (2018), 254–264.
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1215 und Papst Innozenz IV. (✶1195 †1254) zum Vorschein.44 Ausgehend von der Kurie wirkten die so geschulten Kleriker schließlich auch bei der Planung von Kreuzzügen mit, wo ihr Einfluss den Einsatz von Experten beförderte. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die seit dem Pontifikat Innozenz’ III. (1198–1216) stetig zunehmende legislative und ökonomische Kontrolle der Kreuzzüge durch die Päpste. Die Durchführung eines Kreuzzuges war seit dem aus päpstlicher Sicht fehlgeleiteten Kreuzzug zur Eroberung Konstantinopels 1204 sowie dem gegen den päpstlichen Willen erfolgten Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. (1228–29) eng an die Zustimmung des Apostolischen Stuhls gekoppelt, die Herrscher fortan stets im Vorfeld ihrer Orientexpeditionen einzuholen versuchten. Zudem war spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die päpstliche Unterstützung unerlässlich für die Finanzierung eines Kreuzzuges, sodass selbst Könige und weltliche Fürsten sich bei der Organisation solcher Unternehmungen fortan immer auch nach den Verfahrensweisen richten mussten, die an der Kurie üblich waren.45 Zweitens die von Aurell beschriebene Entwicklung hin zum belesenen Ritter, das heißt die Übernahme der gelehrten Relevanzsysteme, die aus der Renaissance des 12. Jahrhunderts entstanden waren, durch den kriegführenden Adel, der sich durch die Ideale des Rittertums definierte. Angeleitet von studierten Verwandten erwarben diese Ritter zunehmend die Fähigkeit, volkssprachliche Texte zu lesen und erlangten auf diese Weise Zugang zu vormals gelehrtem Spezialwissen, welches sie wiederum auf ihre Bedürfnisse zuschnitten, was sich etwa in der verstärkten (volkssprachlichen) Rezeption antiker Militärtheoretiker äußerte.46 Dieses ehemals gelehrte Spezialwissen begann zugleich zunehmend an Relevanz für die Deutung militärischer Erfahrungen zu gewinnen. So stellte etwa Aegidius Romanus (✶um 1243 †1316) in seinem Fürstenspiegel heraus, eine grundlegende Kenntnis der Schrift des spätantiken Kriegstheoretikers Flavius Vegetius Renatus sei für jeden Herrscher unerlässlich.47 Da viele Akteure aus dem ritterlichen Milieu bereits seit den ersten Orientfeldzügen in die Organisation selbiger involviert waren, übertrug sich die veränderte Relevanzwahrnehmung schließlich auch auf die höfische Kreuzzugsplanung.48 Drittens eine von Münkler als „Erfahrung des Fremden“ bezeichnete Verschiebung der thematischen Relevanzen in der Wahrnehmung des Orients und Vorderasiens, infolge derer Lateineuropäer sich erstmalig der Distanz kultureller Verhaltensweisen und
Brundage, Canon Law (1969), 131–138; Muldoon, Crusading (2005), 47–53. Constable, Financing (1982), 117–141; Housley, Avignon Papacy (1986), 162–170; Riley-Smith, Crusades (1978), 34–41; Tyerman, Crusade (2015), 224–226. Aurell, Chevalier (2011), 54–61. Zur Vegetius-Rezeption des Mittelalters siehe Allmand, Re militari (2011), 67 f.; Contamine, Guerre (1980), 353–355; Nicholson, Warfare (2004), 13–21 sowie III.1.2.2. Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 1122. Wallmeyer, Pen and Sword (2019), 469–485.
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geographischer Spezifika jener Regionen zu ihrer jeweiligen Heimat gewahr wurden.49 Laut Fried erwuchs diese Erfahrung aus einer Schockreaktion der lateinischen Welt auf die mongolische Expansion in den 1240er Jahren, welche mithilfe des gesellschaftlich überlieferten Wissensvorrats nicht gedeutet werden konnte. Aus diesem Grund schickten Päpste und Könige Gesandtschaften nach Asien, die den Auftrag hatten, dort zeitgemäßes Spezialwissen über die neue Bedrohung zu akquirieren. Ihre Gesandten waren meist Mendikanten, die bei diesen Erkundungsmissionen den neuen wissenschaftlichen Methodenkanon nutzten, welcher sich im 12. Jahrhundert etabliert hatte.50 Das durch ihre Reisen neugewonnene geographische und ethnographische Spezialwissen wirkte auch auf die höfischen Kreuzzugsplanungen, im Rahmen derer zuvor allein geopolitisches Wissen von Relevanz gewesen war. Ordensritter wie der Johanniter Joseph de Chauncy (✶um 1213 †nach 1281), deren Berichte bereits seit der Mitte des 12. Jahrhunderts die Hauptquelle des Orientwissens lateineuropäischer Herrscher darstellten, hatten zwar zuvor über Allianzen oder Kriege zwischen orientalischen Herrschern berichtet, aber dabei stets die Eigenarten der Region und ihrer Bewohner ausgespart.51 Neben der Herausbildung eines wissenschaftlichen Methodenkanons und der ritterlichen Bildung war es also diese Erfahrung des Fremden, welche den Kreuzzugsplanern des späten 13. Jahrhunderts den Nutzen von Spezialwissen verdeutlichte und somit die zielgerichtete Akquise jenes Wissens durch informationsorientierte Beratung möglich machte. Die ersten informationsorientierten Beratungen fanden vor dem Hintergrund der Kreuzzugsplanungen des zweiten Konzils von Lyon im Jahr 1274 statt. Bereits in der Ankündigung des Konzils vom März 1272 hatte Papst Gregor X. (✶1210 †1276) die präsumtiven Teilnehmer gebeten, ihm Ratschläge zu den drei Konzilsthemen Kreuzzug (subsidium Terrae Sanctae), Kirchenreform (reformatio morum) und Kirchenunion (reversio graecorum) zu unterbreiten.52 Ein Jahr später präzisierte der Papst sein Bitten um Ratschläge, indem er ausgewählte Konzilsteilnehmer aufforderte, ihre Vorschläge
Münkler, Erfahrung (2000). Die Eigenschaft des „fremd–seins“ kam dabei laut Münkler allen Gegenständen bzw. Praktiken zu, die „außerhalb des Bereichs habitualisierten Wissens angesiedelt“ waren. Folglich zeichnete sich das Fremde „also weniger durch Andersartigkeit als durch Distanz“ zu den überlieferten biblischen sowie antiken Wissensbeständen aus, vgl. ebenda, 148; 150. Fried, Suche (1986), 287–332. Wie García Espada herausgestellt hat, war der Kreuzzug zugleich auch ein treibender Faktor für die Akquise jenes Spezialwissens, denn Mendikanten wie Andreas von Longjumeau und Wilhelm von Rubruck (✶um 1215 †um 1270) wurden von König Ludwig IX. an den Hof des mongolischen Großkahns gesandt, um ein Bündnis gegen den ägyptischen Sultan zu schmieden, und galten nach ihrer Rückkehr wiederum als Experten für das von ihnen gesammelte Wissen über die Mongolen., vgl. García Espada, Marco Polo (2009a), 351–367; Ders., Marco Polo (2009b), 209–211. Matthew Paris, Chronica majora. Ed. Luard, Bd. 6, 205–207; Crusader’s Letter. Ed. Sanders, 1–16. Zu Joseph de Chauncy siehe Rokéah, Hospitaller (1996), 191–193. Die fragliche Aufforderung erfolgte in der Enzyklika Salvator noster vom 31. März 1272, mit der auch das Konzil angekündigt wurde, vgl. RG, Nr. 120.
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zu den drei Konzilsthemen in schriftlichen Gutachten darzulegen und ihm diese sechs Monate vor Konzilsbeginn zu übermitteln. Den angeschriebenen Bischöfen und Erzbischöfen stellte er ferner frei, jene Gutachten gegebenenfalls von prudentes viri aus ihren Diözesen verfassen zu lassen.53 Wie aus einem anschließenden Schreiben deutlich wird, richtete sich Gregors Bitte um Rat jedoch nicht etwa an den kleinen Kreis der Prälaten, deren Zustimmung er für den Einsatz kirchlicher Mittel gebraucht hätte, sondern auch explizit an einzelne erfahrene Personen und Magister aus dem niederen Klerus.54 Sein Aufruf war damit kein Akt konsensorientierter Herrschaft im Sinne des durch das vierte Lateranum noch beschworenen consilium et auxilium mehr, sondern zielte unmittelbar auf die Akquise von Spezialwissen, welches für die Organisation eines Kreuzzuges von Nutzen war.55 Bereits vor der feierlichen Eröffnung des Konzils im Mai 1274 traf Gregor sich mit diesen zuvor ausgewählten Sachverständigen zu deliberationes, in denen die allgemeinen Sitzungen des Konzils vorbereitet und die vorab eingereichten Gutachten besprochen werden sollten.56 Zu den Spezialisten gehörten neben einflussreichen Prälaten wie dem dominikanischen Ordensmeister Humbert von Romans (✶um 1200 †1277), Erzbischof Bonacursus von Tyrus oder Bischof Bruno von Olmütz (✶um 1205 †1281) auch einfache Mendikanten wie Fidenzio von Padua, Gilbert von Tournai (✶um 1200 †1281) oder Wilhelm von Tripolis (†1274), deren Abhandlungen über die Konzilsfragen teilweise überliefert sind.57 Die deliberationes im Vorfeld des Konzils illustrieren nicht allein, dass consilium und auxilium sich zunehmend räumlich und personell voneinander abkoppelten, sondern auch, dass die Planung eines Kreuzzuges an der Kurie
Für die entsprechende Enzyklika Dudum super vom 11. März 1273, vgl. RG, Nr. 220. RG, Nr. 664: singularibus personis peritis et magistris (...). Dieses an Dudum super anknüpfende Schreiben lässt sich allerdings nicht genau datieren, da es allein aus einem Formelbuch überliefert ist, vgl. Roberg, Konzil (1990), 162 f. Die informative Ausrichtung dieser Beratungen betonen u. a. Baldwin, Gregory X (2014), 60 f; Schein, Fideles crucis (1991), 21 f.; Housley, Later Crusades (1992), 11–15. Dagegen sieht Roberg die Einladung Gregors an den niederen Klerus in enger Verbindung mit den Abgaben für den Kreuzzug, die der Papst auf dem Konzil beschließen wollte. Durch die Stimmen des niederen Klerus habe der Papst versucht, den Widerstand des Episkopats gegen diese Aufwendungen zu schwächen, vgl. Roberg, Konzil (1990), 178 f. Dit du concile de Lyon. Ed. Carolus-Barré, 924; RG, Nr. 662. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 185–228; Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9; Bruno von Olmütz, Relationes. Ed. Schwalm, 589–594; Gilbert von Tournai, Collectio. Ed. Stroick, 33–62. Zu den Beteiligten der Vorabplanungen siehe Baldwin, Gregory X (2014), 57–65; Roberg, Konzil (1990), 171–183; Schein, Fideles crucis (1991), 21–39; Throop, Criticism (1940), 214–218. Auch Wilhelm von Tripolis hatte seine Abhandlung De statu Sarracenorum vermutlich als Reaktion auf die päpstliche Bitte um Gutachten für das Konzil verfasst. Ein älteres Werk Wilhelms ist explizit dem venerabili patri ac domino, Thealdo Leodiensis ecclesiae archidiacono, digno Sancte Terre peregrino gewidmet, der später Gregor X. werden sollte. Wilhelm hatte den künftigen Papst vermutlich 1271 bei dessen Aufenthalt im Heiligen Land kennengelernt, vgl. Wilhelm von Tripolis, Notitia de Machometo. Ed. Engels, 194.
1.1 Vom auxilium zum consilium
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zunehmend als Unterfangen wahrgenommen wurde, das die Reichweite höfischen Allgemeinwissens transzendierte und folglich den Einsatz von Spezialwissen erforderte. Gregors Sachverständige stammten allerdings ausschließlich aus dem Klerus und die weltlichen Konzilsteilnehmer blieben bei diesen Beratungen außen vor. Selbst die auf dem Konzil anwesenden Vertreter der geistlichen Ritterorden, welche lateineuropäischen Herrschen in der Vergangenheit stets über die Zustände im Outremer berichtet hatten, wurden offenbar nicht im Rahmen der deliberationes im Vorfeld des Konzils, sondern erst während der allgemeinen Sitzungen konsultiert.58 In dem päpstlichen Schreiben, mit dem weltliche Herrscher zur Konzilsteilnahme aufgerufen wurden, fehlte die Bitte um schriftliche Ratschläge sogar gänzlich; stattdessen warb Gregor mit der klassischen Formel um das consilium et auxilium der jeweiligen Machthaber.59 Der Umstand, dass consilium und auxilium für Laien auch in Lyon weiterhin miteinander verbunden blieben, ist fraglos darauf zurückzuführen, dass der Kreuzzug auf dem Konzil gemeinsam mit der Kirchenreform und dem Anschluss der Ostkirchen thematisiert wurde. Die Notwendigkeit, sich neben dem Kreuzzug auch zu theologischen Fragen in Hinblick auf den moralischen Zustand des Klerus oder die bevorstehenden Unionsverhandlungen äußern zu müssen, schloss Laien offenbar bereits a priori als legitime Berater aus. Die Zeitgenossen beurteilten die Relevanz von Wissensbeständen auf Grundlage einer theologischen Systematik, welche Spezialwissen aus der Patristik oder Bibelexegese priorisierte und dementsprechend mögliche Ratgeber aus den Reihen der Laien delegitimierte. Aufgrund dieses theologisch fundierten Relevanzsystems musste für die kirchlichen Entscheidungsträger auf dem Konzil ein enger metaphysischer Zusammenhang zwischen den drei Konzilsthemen bestehen, was wiederum erklärt, warum allein das consilium von Ratgebern aus dem Klerus eingeholt wurde. Die auf Bitten des Papstes für das Konzil verfassten Denkschriften stützen diese Hypothese, denn sowohl Gilbert von Tournai als auch Bruno von Olmütz behandelten in ihren Werken alle drei Gegenstände des Konzils ohne inhaltliche Trennung voneinander. Gilbert widmete sich in seiner Konzilsschrift Collectio de scandalis ecclesiae vornehmlich der Kirchenreform und erläuterte sukzessive die moralischen Verfeh-
Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 404 f. sowie dazu Forey, Consilium (2011), 8; Roberg, Konzil (1990), 184 f. Für die Rolle der Ritterorden bei der Übermittelung von Nachrichten aus dem Outremer vgl. u. a. Burgtorf, Convent (2008), 126; Demurger, Barcelona (2006), 69–72; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 85–89. Von den Einladungen an die weltlichen Herrscher ist allein das Schreiben an den französischen König Philipp III. erhalten, vgl. RG, Nr. 161. Der Vertreter der Johanniter auf dem Konzil bezog sich während der allgemeinen Sitzungen explizit auf den Wortlaut dieses päpstlichen Einladungsschreibens und versprach Gregor das consilium et auxilium seines Ordens, vgl. Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313. Als König Jakob I. von Aragon auf dem Konzil mit dem Papst über den Kreuzzug verhandelte, verknüpfte er ebenfalls sein consilium explizit mit seinem auxilium, indem er seinen Ratschlag beendete mit: e aquest és lo consell que nós vos dona, e l’ajuda que nós farem. Vgl. Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 404.
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lungen kirchlicher Würdenträger von Päpsten, Kardinälen sowie Prälaten bis hin zu Säkular- und Regularkanonikern, um anschließend potentielle Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das subsidium Terrae Sanctae bildete innerhalb seiner Argumentation keinen eigenständigen Gliederungspunkt, sondern wurde als Teil der Verfehlungen päpstlicher Legaten abgehandelt.60 Auch in Brunos Werk verschmolzen Kreuzzug und Kirchenreform miteinander, allerdings in Form des Kampfes gegen die Kumanen, Ruthenen, Prußen und Litauer, welche die christlichen Bräuche in den (König)reichen Böhmen, Polen und Ungarn korrumpieren würden, sowie die Mongolen, die eine akute militärische Bedrohung für eben jene Reiche seien.61 Wenn das Konzil sich allein mit der Eroberung des Heiligen Landes beschäftige, so Bruno weiter, aber die deutlich näheren Gefahren in jenen Ländern vernachlässige, werden wir, welche die Charybdis meiden wollen, doch wenigstens in die Skylla hineingeraten.62 Im Gegensatz zu Gilbert und Bruno differenzierte Humbert von Romans zwischen den drei Konzilsthemen und behandelte sie getrennt voneinander in den namensgebenden drei Teilen seines Opus tripartitum. Den Inhalt dieser drei Teile verknüpfte er jedoch argumentativ miteinander, indem er etwa die Kirchenreform zur Präliminarbedingung eines erfolgreichen Kreuzzuges machte. Einzig Wilhelm von Tripolis fokussierte sich auf nur einen der drei Gegenstandsbereiche und versuchte in seiner Abhandlung Wissen über den vorderen Orient bereitzustellen, welches den Kreuzfahrern bei ihrem militärischen Vorgehen helfen sollte. Das Werk enthält nicht nur eine Biographie des Propheten Mohammed sowie eine Zusammenfassung der Lehren des Islam bzw. der secta mahometi, sondern auch eine Geschichte des Islam, in der unter anderem auf die aktuelle politische Lage in Ägypten sowie die Persönlichkeit des amtierenden Sultans eingegangen wird.63 Wilhelm hatte dieses Spezialwissen größtenteils während seiner Zeit im Dominikanerkonvent von Akkon durch die Befragung von Reisenden erworben, welche die Kreuzfahrerstadt auf ihrem Weg in das Innere Asiens durchquerten.64 Obgleich der Dominikaner erstmalig die Fremdheit der Gegner und ihrer Gepflogenheiten herausstellte, bleibt seine Konzilsschrift rein deskriptiv und verzichtet darauf, den praktischen Nutzen des bereitgestellten Orientwissens aufzuzeigen. Konkrete Vorschläge darüber, wie genau das gesammelte Wissen für die Rückeroberung des Heiligen Landes eingesetzt werden könnte, fehlen vollständig. Wissensgeschichtlich betrachtet nahm Wilhelm in Kreuzzugsplanungen des Gilbert von Tournai, Collectio. Ed. Stroick, 39 f. Bruno von Olmütz, Relationes. Ed. Schwalm, 590 f. Bruno von Olmütz, Relationes. Ed. Schwalm, 591: Nisi ergo vestra paterna providentia cavere voluerit periculis iam vicinis, sic studens in acquisitione Terre Sancte, quod non relinquat in periculo terras istas, volentes vitare Karibdim, in Cillam utique incidemus. Wilhelm von Tripolis, De statu Sarracenorum. Ed. Engels, 314–329. Wilhelm verließ nur einmal nachweislich die Levante, um in das Innere Asiens zu reisen: Im Jahr 1271 begleitete er die venezianischen Kaufleute Niccolò, Maffeo und Marco Polo zeitweilig auf ihrer Reise nach China, kehrte jedoch bereits vor Erreichen Persiens um, vgl. Wilhelm von Tripolis, De statu Sarracenorum. Ed. Engels, 23–31; Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi, 315.
1.2 Die Entdeckung des Risikos vor den Mauern von al-Manṣūra
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Konzils also offensichtlich die Funktion eines Spezialisten für den Orient ein, war jedoch kein Kreuzzugsexperte im engeren Sinne, da er die militärische Operationalisierung seines Spezialwissens den politischen Entscheidungsträgern überließ.65 Ebenso wie die inhaltlich-argumentative Verschränkung der Konzilsthemen bei den anderen Sachverständigen zeigt der Mangel an präskriptiven Elementen bei Wilhelm, dass das consilium in Lyon zwar erstmals unabhängig vom auxilium erfolgte, aber keineswegs problemorientiert war. Eine inhaltliche Zuspitzung auf die Frage, wie ein Kreuzzug sich erfolgreich realisieren ließe, fehlte in allen überlieferten Konzilsschriften gleichermaßen. Trotz der Trennung von consilium und auxilium hatte sich der Kreuzzug am Hof also noch nicht als unabhängiger Bezugsrahmen etabliert und blieb an ein kirchlich-theologisches Relevanzsystem gekoppelt. Obgleich Berater wie Wilhelm von Tripolis oder Gilbert von Tournai ihren Zeitgenossen fraglos als die vorgenannten prudentes viri und somit Träger von Spezialwissen galten, waren sie also noch keine Kreuzzugsexperten, da die für die Zuschreibung von Expertise notwendige Problemorientierung fehlte. Die scheinbar diffuse funktionale Ausrichtung der Ratschläge dieser Proto-Experten war dabei aus Sicht ihrer höfischen Adressaten keineswegs mit funktionaler Inkohärenz gleichzusetzen, denn die Kreuzzüge wurden bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hinein stets als ein durch den göttlichen Willen determiniertes Ereignis wahrgenommen, für dessen Planung folgerichtig primär theologisches Wissen relevant war.
1.2 Die Entdeckung des Risikos vor den Mauern von al-Manṣūra Im späten 13. Jahrhundert wandelte sich die Art und Weise, wie die Kreuzzüge in höfischen Planungszirkeln interpretiert wurden. Seit Urban II. 1095 auf einem Feld vor Clermont die lateinische Christenheit erstmals zu einer militärischen Expedition in den Orient aufgerufen hatte, galten die Kreuzzüge nicht als säkulares Militärunternehmen, sondern als negotium Dei, dessen Ausgang allein durch göttliches Eingreifen und nicht durch menschliches Handeln bestimmt wurde.66 Aufgrund dieses theistischokkasionalistischen Deutungsschemas67 wurde nicht-theologischem Wissen innerhalb Pfadenhauer, Professionalität (2003), 26 f. Für diese Hypothese spricht insbesondere der Umstand, dass Wilhelm sich mittels des üblichen Topos der Augenzeugenschaft als Träger von umfangreichem Spezialwissen über den Orient inszeniert, so z. B. Wilhelm von Tripolis, De statu Sarracenorum. Ed. Engels, 280: De fide vero, pietate et caritate Christianorum, qui sunt in Egypto, si scirem scribere ea, que vidi et fidelium narrationes meis auribus instillarunt, librum possem componere non pusillum. Marco Polo bezeichnete Wilhelm und dessen Ordensbruder Nikolaus von Vicenza später als die gelehrtesten Dominikaner im Heiligen Land, vgl. Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi, 315. Powell, Myth (1996), 140 f. Unter „Deutungsschemata“ bzw. „Deutungsmustern“ verstehe ich im Folgenden mit Oexle explizite „begriffliche Konstrukte, welche soziale Begebenheiten benennen, ordnen und interpretieren wollen.“ Vgl. Oexle, Deutungsschemata (1987), 66.
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der Kreuzzugsplanungen keine Relevanz für die Interpretation der gemachten Erfahrungen zugeschrieben und zugleich proaktives Expertenhandeln als Zeichen menschlicher Eitelkeit bereits a priori ausgeschlossen. Erst infolge der kontinuierlichen Niederlagen des 13. Jahrhunderts lässt sich in den höfischen Kreuzzugsplanungen beobachten, was Scheller als „Kontingenzkultur“ bezeichnet hat: Kreuzzüge wurden nun als riskante Militärunternehmen betrachtet, deren Ausgang von menschlichem Handeln abhing und durch kleinste Friktionen positiv oder negativ beeinflusst werden konnte.68 Diese in einer Kontingenzkultur mündende Neuauslegung des theistisch-okkasionalistischen Deutungsschemas wurde möglich durch einen Wandel der Relevanzsysteme, die dieser Deutung zu Grunde lagen. Sie führte letztlich dazu, dass die theologische Herangehensweise an die Planung von Kreuzzügen sukzessive von einer militärisch-kalkulierenden verdrängt wurde. Bereits die ersten Kreuzfahrer schrieben Gott und nicht etwa den Entscheidungen der Menschen die alleinige Verantwortung für ihre militärischen Erfolge zu. So waren die Eroberungen von Antiochia und Jerusalem in den Jahren 1098 bzw. 1099 für Zeitgenossen wie den Benediktinerabt Guibert von Nogent (✶um 1055 †um 1125) nicht die Gesta Francorum, sondern vielmehr die Dei Gesta per Francos.69 In diesem Deutungsschema war folgerichtig das divinum auxilium allein hinreichend für das Gelingen der Kreuzzüge, denn der göttliche Beistand garantierte es den Kreuzfahrern, selbst aus vermeintlich aussichtslosen Auseinandersetzungen siegreich hervorzugehen. Papst Eugen III. (✶1088 †1153) verwies in seinem Kreuzzugsaufruf vom März 1146 auf das Vorbild des heiligen Matthias von Jerusalem, welcher im Kampf gegen die Römer nicht im Geringsten zögerte, sich mit seinen Söhnen und Eltern dem Tod auszusetzen sowie alles zurückzulassen, was er in der Welt besaß und schließlich mit dem schützenden Beistand des Herrn (...) tapfer über die Feinde triumphiert hat.70 Die epistemische Grundlage dieses Deutungsschemas bildete allgemein verfügbares Wissen, welches aus der biblischen Überlieferung oder, wie im Fall von Eugens Kreuzzugsaufruf, der frühchristlichen Geschichte stammte. Hinzu kamen Spezialwissen aus der lateinischen
Scheller, Kontingenzkulturen (2016), 11–16; Ders., Kulturen (2019), 8–11. Guibert baute seine Chronik der Eroberung Jerusalems auf dem als Gesta Francorum bekannten Bericht eines anonymen Augenzeugen auf, korrigierte jedoch bewusst den Titel zu Dei Gesta per Francos, vgl. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos. Ed. Huygens, 77–80. Für eine Edition der zu Grunde liegenden Chronik siehe Gesta Francorum. Ed. Hagenmeyer, 101–502. Quantum predecessores. Ed. Große (1991), 91: Sit vobis etiam in exemplum bonus ille Mathathias, qui (...) se ipsum cum filiis et parentibus suis morti exponere et, quidquid in mundo possidebat, relinquere nullatenus dubitavit; atque tandem, divino cooperante auxilio (...) tam ipse quam sua progenies de inimicis viriliter triumphavit. Die Kreuzzugsbulle liegt in zwei Versionen vor, einerseits der hier zitierten Fassung aus dem März 1146 und andererseits einer auf Dezember datierten Fassung, die sowohl aus dem Jahr 1145 als auch aus dem Jahr 1146 stammen könnte. Die Datierung der zweiten Version ist in der Forschung nach wie vor umstritten, für einen Überblick über die Debatte siehe u. a. Große, Überlegungen (1991), 85–88; Phillips, Second Crusade (2010), 63 f.; Weitzel, Kreuzzug (2019), 201–213.
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Patristik und insbesondere im 12. Jahrhundert auch Fragmente der sibyllinischen Prophezeiungen.71 Da höfische Kreuzzugsplaner auf einen weitgehend kohärenten Wissensbestand rekurrierten, entstand schnell ein gemeinsamer Kanon an Zitaten und Beispielen; so griff etwa auch der bretonische Gelehrte Peter von Blois (✶um 1130 †1211) mehr als 40 Jahre nach Eugens Kreuzzugsaufruf das Beispiel des heiligen Matthias auf, um das Engagement des englischen Königs Heinrich II. für den Kreuzzug herauszustellen.72 Wenngleich einzelne Wissenselemente variierten, blieb das theistisch-okkasionalistische Deutungsschema auch über große Teile des 13. Jahrhunderts konstant. Noch auf dem zweiten Konzil von Lyon im Jahr 1274 stellte der Dominikaner Gilbert von Tournai fest, den Untergang des Islam herbeizuführen sei sicherlich notwendig, die Verantwortung dafür liege jedoch nicht bei den Kreuzfahrern, sondern bei Gott, der allein über den Verlauf der Geschichte bestimme.73 Das theologische Relevanzsystem, auf dessen Grundlage die Zeitgenossen urteilten, legte also eine Deutung nahe, die auf ontologischer Ebene nahezu keine Kontingenz in Bezug auf die Kreuzzüge zuließ. Die einzige Entscheidung, welche die prospektiven Kreuzfahrer gemäß dieser Auslegung zu treffen vermochten, war der Entschluss, das Kreuz zu nehmen.74 Kreuzzugsaufrufe betonten diesen Umstand, indem sie das Moment der individuellen Entscheidung zur Kreuznahme in den Mittelpunkt stellten, ähnlich wie Eugen III. es am Beispiel des heiligen Matthias getan hatte. In den 1140er Jahren wurde dieses Deutungsschema durch die Arbeiten Bernhards von Clairvaux (✶um 1090 †1153) auch theologisch expliziert: Fortan galt die Teilnahme an einem Kreuz-
Aus der Patristik war vor allem Augustinus Auffassung des gerechten Krieges wirkmächtig, vgl. Aug. quaest. hept. VI, 10. Bereits Erdmann hat die Bedeutung von Augustinus Bestimmung des bellum iustum für den Kreuzzug herausgearbeitet, vgl. Erdmann, Entstehung (1935), 5–7. Zum Einfluss der vermeintlich sibyllinischen Prophezeiungen, siehe u. a. Radcke, Anschauungen (1915), 112–130. Petri Blesensis epistolae. Ed. Migne, 308, Nr. 98. Wie Morton nachgewiesen hat, war es im 12. Jahrhundert insbesondere die Schilderung des Sieges eines kleinen jüdischen Heeres gegen die Seleukiden aus dem ersten Buch der Makkabäer, welche von Chronisten und politischen Entscheidungsträgern gleichermaßen verwandt wurde, wenn sie auf die Notwendigkeit göttlichen Beistandes für die erfolgreiche Durchführung eines Kreuzzuges referierten, vgl. Morton, Defence (2010), 281–292. Die fragliche Stelle in 1 Makk 3,19 besagt: Denn der Sieg im Kampf liegt nicht an der Größe des Heeres, sondern an der Kraft, die vom Himmel kommt. Gilbert von Tournai, Collectio. Ed. Stroick, 39: Certe necesse est, ut secta mahometica corruat et bestia coccinea in interitum vadat. Sed qui habet scientiam, computet numerum bestiae. Noverit ipse, qui tempora et momenta in sua posuit potestate. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte allerdings durchaus die Konjunktur bestimmter Wissenselemente innerhalb des theologischen Bezugsschemas. So hat Alphandéry gezeigt, dass im 12. Jahrhundert zunächst eschatologische Motive dominierten und gegen Beginn des 13. Jahrhunderts von Motiven persönlicher Frömmigkeit und Armut abgelöst wurden, vgl. Alphandéry/Dupront, Chrétienté, Bd. 1 (1954), 36–40; 145 f. An dieser Stelle soll keineswegs impliziert werden, dass in theologischen Bezugsschemata Kontingenz menschlichen Handelns apriori ausgeschlossen ist. Der Kreuzzug ist hier insofern speziell, als Gott selbst als Akteur auf dem Schlachtfeld gedacht wurde, der an der Seite der Kreuzfahrer kämpfte und ihren Sieg sicherstellte, vgl. Weitzel, Kreuzzug (2019), 54.
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zug als Möglichkeit, welche Gott den Christen einräumte, um durch den Erlass ihrer Sündenstrafen Erlösung zu erlangen.75 Im Gegensatz zum Kriegsdienst in weltlichen Konflikten war die individuelle Entscheidung zur Teilnahme an einem Kreuzzug laut Bernhard allerdings keineswegs riskant. Kreuzfahrer, so der Zisterzienserabt, seien gleich doppelt abgesichert, denn im Fall eines Sieges erwarte sie ökonomischer sowie symbolischer Kapitalgewinn und im Todesfall würden sie durch Einzug ins Himmelreich belohnt. Folgerichtig resümierte er: Jetzt, tapferer Soldat, jetzt, streitbarer Mann, hast du ein Feld, wo du ohne Gefahr kämpfen kannst, wo der Sieg Ruhm, der Tod aber Gewinn ist.76 Das an dieser Stelle von Bernhard erstmals explizit artikulierte Schema zur Deutung der Kreuzzüge verbannte die Kontingenz aus dem militärischen Handeln, denn im Rahmen göttlich sanktionierter Feldzüge konnten per definitionem keine Friktionen oder Risiken auftreten, die ex ante antizipiert und ex post mitigiert werden mussten. Folglich waren auch Experten für die erfolgreiche Planung eines Kreuzzuges nicht notwendig – oder wie der Chronist Arnold von Lübeck (✶um 1150 †1211) es formulierte: es gibt keinen Rat gegen den Herrn (...).77 Die Interpretation der Kreuzzüge als kontingenzloses Geschehen implizierte die Gleichförmigkeit von Vergangenheit und Zukunft, was wiederum handlungsanleitende Formen von Spezialwissen gegenüber historischem Allgemeinwissen irrelevant erscheinen ließ. Der zentrale Referenzpunkt war dabei das Wissen über die zu einem Mythos gewordenen Taten der ersten Kreuzfahrer, welche ihre Nachfolger kontinuierlich zu imitieren versuchten, um den Erfolg ihrer Vorfahren zu wiederholen.78 Odo Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Ed. Winkler, Bd. 3, 652–655, Nr. 363. Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Ed. Winkler, Bd. 3, 656, Nr. 363: Habes nunc, fortis miles, habes, vir bellicose, ubi dimices absque periculo, ubi et vincere gloria, et mori lucrum. Übers. ebenda, 657. Bernhard bezieht sich hier auf Phil 1,21. Arnold von Lübeck, Chronica. Ed. Lappenberg, 167: non est consilium contra Dominum (...). Der Chronist bezieht sich an dieser Stelle auf den Ratschlag des Grafen Raimund III. von Tripolis unmittelbar vor der Niederlage der Kreuzfahrerreiche gegen den ägyptischen Sultan bei Hattin im Juli 1187. Dieser hatte unmittelbar zuvor davon abgeraten, eine offene Feldschlacht zu suchen, aber die lateinischen Fürsten des Outremer, insbesondere König Guido I. von Jerusalem (†1194), waren seinem Ratschlag nicht gefolgt. Seine Aussage referiert dabei ganz offensichtlich auf Spr 21,30: Keine Weisheit gibt es, keine Einsicht, keinen Rat gegenüber dem Herrn. Auf diese Bibelstelle wurde in den Kreuzzugsplanungen häufig Bezug genommen. Odo von Deuil kommentierte beispielsweise die ermüdend langen Diskussionen über den Kreuzzug während der Versammlung französischer Fürsten und Prälaten 1147 in Étampes mit: Sed quia non est consilium nec prudentia contra Deum (...). vgl. Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick-Berry, 12–14. Militärisch erfolgreiche Vorschläge von Beratern führten die Zeitgenossen folgerichtig nicht auf die Berater selbst, sondern auf das göttliche Wirken zurück. So berichtete der Chronist Wilhelm von Tyrus etwa, bei der Belagerung von Askalon durch König Balduin III. von Jerusalem im Jahr 1153 seien die zunächst unentschlossenen königlichen Ratgeber durch die Präsenz des wahren Kreuzes dazu bewegt worden, dem König einen Sturmangriff auf die Stadt anzuraten, der ultimativ erfolgreich sein sollte, vgl. Wilhelm von Tyrus, Chronicon. Ed. Huygens, Bd. 2, 789–805. Jaspert, Polymythos (2004), 208–213; Ders., Erinnerung (2005), 139–141; Powell, Myth (1996), 136–139. Zum mittelalterlichen Konzept der imitatio siehe insbes. den im Rahmen des DFG–Netzwerks „Imita-
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von Deuil berichtet etwa, dass die Gesandten des byzantinischen Kaisers König Ludwig VII. während der Planung seines Kreuzzuges wiederholt anboten, dessen Heer über den thrakischen Hafen Sestos auf dem Seeweg in das Heilige Land zu transportieren, um den beschwerlichen Landweg durch Kleinasien zu vermeiden. Der König aber wollte nicht [etwas] unternehmen, wovon er niemals gehört hatte, dass die Franken [es] getan haben und schlug das byzantinische Angebot postwendend aus.79 Selbst nachdem Ludwig sich unter schweren Verlusten im Gefecht mit türkischen Verbänden durch Kleinasien gekämpft hatte und vor der Entscheidung stand, von der anatolischen Südküste nach Antiochia überzusetzen, lehnte er erneut ab und proklamierte: lasst uns den Weg unserer Väter wählen, deren unvergleichliche Heldentat [ihnen] den Ruhm der Welt und den Lob des Himmels geschenkt hat.80 Beispiele wie diese illustrieren deutlich, dass die Menge gesellschaftlich sedimentierter Kreuzzugserfahrungen für die höfischen Entscheidungsträger mit der Menge möglicher Handlungen kongruent war. Koselleck hat in Bezug auf derartige Formen der Zukunftswahrnehmung von einem typischen Merkmal vormoderner Gesellschaften gesprochen, in denen der individuelle Erwartungshorizont vollständig in den Erfahrungsraum eingeschlossen gewesen sei: (...) die Erwartungen, die in der geschilderten bäuerlich-handwerklichen Welt gehegt wurden und auch nur gehegt werden konnten, speisten sich zur Gänze aus den Erfahrungen der Vorfahren, die auch zu deren Nachkommen wurden. Und wenn sich etwas geändert hat, dann so langsam und so langfristig, dass der Riss zwischen bisheriger Erfahrung und einer neu zu erschließenden Erwartung nicht die überkommene Lebenswelt aufsprengte.81
Da das am Hof allgemein verfügbare Geschichtswissen ihnen über alle erwartbaren Ereignisse Aufschluss gab, mussten sich politische Entscheidungsträger wie Ludwig VII. nicht auf Ratgeber stützen, die qua Spezialwissen versuchten, potentiell schadhafte Ereignisverläufe planerisch zu antizipieren. Der Blick in den reichhaltigen Erfahrungsraum der Kreuzzugsgeschichte machte den Experten im theistisch-okkasionalistischen Deutungsschema folglich irrelevant. tion – Mechanismen eines kulturellen Prinzips im Mittelalter“ entstandenen Sammelband: Büttner/Kynast/Schwedler (Hg.), Nachahmen (2018). Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick-Berry, 58: Rex autem noluit incipere quod Francos audiebat numquam fecisse. Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick-Berry, 130: nos nostrorum parentum garadiamur iter, quibus mundi famam et caeli gloriam probitas incomparabilis dedit. Die Einstellung Ludwigs mag in der Retrospektive seltsam anmuten, liegt aber in der zeitgenössischen Wahrnehmung des Kreuzzuges als (bewaffneter) Pilgerfahrt begründet, die von Anfang bis Ende beschritten werden sollte und dementsprechend auch nicht abgekürzt werden durfte. So kritisierte der unbekannte Verfasser der Historia de expeditione Friderici I imperatoris den Erzbischof Hartwig von Bremen (†1207) sowie den Landgrafen Ludwig III. von Thüringen (✶um 1151 †1190), weil sie Kaiser Friedrich I. nicht auf dem entbehrungsreichen Landweg durch Kleinasien begleiteten, sondern den Seeweg ins Heilige Land wählten und somit keine ‚richtige‘ Pilgerfahrt begehen würden, vgl. Historia. Ed. Chroust, 23 f. Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 360 f.
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Auch die Niederlagen der Kreuzfahrer, wie etwa in den Schlachten bei Dorylaeum 1147, Hattin 1187 oder Gaza 1244 ließen sich zunächst widerspruchslos in dieses Deutungsschema überführen. Papst Gregor VIII. (†1187) stellte beispielsweise 1187 in der Bulle Audita tremendi fest: Wir aber dürfen nicht glauben, dass diese [Niederlage bei Hattin, Anm. d. V.] aus der Ungerechtigkeit eines grausamen Richters, sondern vielmehr aus der Ungerechtigkeit der sündhaften Völker gediehen ist, weil wir lesen, dass, wenn die Völker sich zum Herrn wandten (...) die Armee des Sennacherib von Engelshand verzehrt wurde.82
Die Erklärung militärischer Niederlagen durch die Abwesenheit Gottes war indes kein ursprünglicher Bestandteil der theistisch-okkasionalistischen Deutung der Kreuzzüge, sondern etablierte sich erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts, nachdem das Scheitern der Kreuzzüge Konrads III. und Ludwigs VII. eine Neuauslegung des Deutungsschemas notwendig gemacht hatte.83 Durch Angliederung des alttestamentlichen Motivs der Gottverlassenheit erwies sich dieses Schema auch in der Folgezeit als überaus flexibel und imstande, die wiederholten Fehlschläge der Kreuzfahrer plausibel zu inkorporieren. Die Niederlage galt fortan als ein möglicher Ausgang eines Kreuzzuges, die Entscheidung über den Verlauf der Geschehnisse oblag allerdings weiterhin Gott und nicht menschlichem Handeln. Somit wurde der militärische Misserfolg zu einer Gefahr, der die Kreuzfahrer ausgeliefert waren, und keineswegs zu einem Risiko, welches sie kalkuliert eingehen konnten.84 Vor dem Hintergrund dieses Deutungsschemas bot also „der semantische Komplex der Sünde (des religiösen Weisungen zuwiderlaufenden Verhaltens) ein funktionales Äquivalent“ zur Kontingenz menschlichen Handelns, um ultimativ „zu erklären, wie es zu Unheil kommt.“85 Statt verschiedene strategische Optionen im Vorfeld explizit abzuwägen, sollten die Kreuzfahrer vielmehr positive moralische Qualitäten aufweisen, um den biblischen Erfolg des kleinen, aber frommen israelischen Heeres gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Assyrer wiederholen zu können.86
Gregorii VIII papae epistolae, Ed. Migne, 1540 f.: Nos autem credere non debemus, quod ex iniustia iudicis ferientis, sed ex iniquitate potius populi delinquentis ista provenerunt, cum legamus, quod, quando populous convertebatur ad dominum, (...) exercitum Sennacherib angelica manu consumptum (...). Diese Erklärung für die Niederlage der Kreuzfahrer wurde auch außerhalb kirchlich–klerikaler Kreise vertreten, so stellten die Fürsten des Outremer in einem Brief an Kaiser Friedrich I. fest, es sei Gott und nicht etwa der ägyptische Sultan Saladin gewesen, der dem christlichen Heer bei Hattin den Rückzug mit dem Schwert abgeschnitten habe, vgl. Cole, Perceptions (1993), 10. DeVries, God (1999), 91–93; Seitz, Ende (2010), 130; Goez, Wandlungen (1982), 44. Zur Unterscheidung von „Risiko“ als künftige Schäden, die Akteure ihren individuellen Entscheidungen zurechnen, und „Gefahr“ als künftige Schäden, die Akteuren ihrer Umwelt zurechnen, siehe Hahn, Risiko (1998), 50 f.; Luhmann, Risiko (2005), 130–132; Ders., Soziologie (1991), 32–37. Für eine Anwendung dieser Unterscheidung als geschichtswissenschaftliches Analyseinstrument siehe insbes. Brakensiek/Marx/Scheller, Wagnisse (2017), 8; Scheller, Kontingenzkulturen (2016), 15. Luhmann, Soziologie (1991), 17. 2 Chron 32, 1–21.
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Wissen über den militärischen Opponenten war demnach ebenfalls nicht notwendig, denn das von Gregor und anderen applizierte Deutungsschema nivellierte den Unterschied zwischen Ayyubiden, Assyrern und Römern. Diese Relevanzzuschreibungen hatten auch unmittelbare Folgen für die Planung von Kreuzzügen, im Rahmen derer geographisches und ethnographisches Wissen jenseits der gängigen Feldaufklärung durch die Vorhut des Heeres keine Rolle spielte. Das Kreuzfahrerheer König Konrads III. wurde beispielsweise von den Angriffen der scheinbar fliehenden türkischen Reiterei überrascht, obwohl bereits die Chronisten des Ersten Kreuzzuges vor dieser Taktik der Scheinrückzüge gewarnt hatten. Obgleich es prinzipiell verfügbar gewesen wäre, wurde das fragliche Wissen von den Planern des Dritten Kreuzzuges nicht rezipiert, weil es vor dem Hintergrund eines theologisch-transzendent orientierten Relevanzsystems keinerlei Funktion für die Organisation von Kreuzzügen hatte. Nach der verlorenen Schlacht zeigte Konrad ebenfalls kein Bemühen um die Akquise von Wissen über die türkische Kriegsführung, sondern klagte stattdessen gegenüber Abt Wibald von Stablo (✶1098 †1158) über die vermeintliche Feigheit seiner Feinde.87 Auch sein Nachfolger Friedrich I. nutzte das durch die ersten Kreuzfahrer akkumulierte Wissen über die Taktik der Scheinrückzüge nicht, sodass die türkischen Verbände seinem Heer in der Schlacht bei Akşehir bzw. Philomelion im Mai 1190 empfindliche Verluste beizubringen vermochten.88 Selbst bei einer gigantischen Militäroperation wie dem 40 Jahre später stattfindenden Kreuzzug von Ludwig IX. war es laut Le Goff nicht der Fall, dass der König „ait été bien préparé ou ait même sérieusement songé à se préparer à la connaissance des musulmans auxquels il allait s’affronter.“89 Das Vertrauen in den göttlichen Beistand ließ unter der theistischokkasionalistischen Deutung der Kreuzzüge jedwede Form der Akquise von (proto-) ethnographischem Wissen über die Bewohner des Orients seitens der politischen Entscheidungsträger als irrelevant erscheinen.90 Die planerischen Bemühungen im Vorfeld der Kreuzzüge fokussierten sich folglich nicht auf Wissen über den Gegner (über den man ja schon alles Relevante wusste), sondern auf Sicherstellung des göttlichen Beistands. Schon Gregor VIII. hatte deshalb im Anschluss an die Niederlage bei Hattin festgestellt: Es ist daher für [uns] alle geboten zu überlegen und zu wählen, damit wir [durch] willentliche Züchtigung büßen und uns Briefbuch Abt Wibalds von Stablo. Ed. Hartmann, Bd. 1, 127–129, Nr. 73. Die Chronisten Odo von Deuil und Wilhelm von Tyrus schilderten die Auseinandersetzung auf ähnliche Weise, vgl. Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick–Berry, 94; Wilhelm von Tyrus, Chronicon. Ed. Huygens, Bd. 2, 743–747. Ferner ist durch Anna Komnene bekannt, dass bereits die ersten Kreuzfahrer von byzantinischen Militärs vor den Scheinrückzügen der türkischen Reiterei gewarnt wurden, vgl. Anna Komnene, Alexias. Ed. Reinsch, 358 f. u. Fußn. 37. Siehe insbes. den Bericht über die Schlacht in der von unbekannten Kreuzfahrern zeitnah verfassten Historia de expeditione Friderici I imperatoris: Historia. Ed. Chroust, 81–83. Le Goff, Saint Louis (1996), 180. Eine analoge These hat auch Leopold vertreten, vgl. Leopold, Holy Land (2000), 10. Rittner, Kulturkontakte (1973), 88.
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[wieder] zu Gott dem Herrn wenden durch Buße und fromme Werke.91 Solche symbolischen Handlungen waren eine zentrale Sakralisierungsstrategie der Kreuzzüge und dienten dazu, die göttliche Präsenz im Feldzug nach Niederlagen wiederherzustellen. Als die ersten Kreuzfahrer etwa bei der Eroberung von Jerusalem auf Schwierigkeiten stießen, organisierten sie eine Bußprozession um die Mauern der belagerten Stadt, die sich am alttestamentlichen Vorbild der Belagerung Jerichos durch die Israeliten orientierte.92 Auch Papst Innozenz III. (✶1161 †1216) verfolgte diese Herangehensweise, als er im Jahr 1213 mit der Bulle Quia maior die gesamte lateinische Christenheit zur Rückeroberung Jerusalems aufrief: Mit Sicherheit müssen wir der göttlichen Gnade bei weitem mehr vertrauen als der menschlichen Macht. Er beauftragt uns, einen derartigen Krieg nicht so sehr mit physischen, sondern mit spirituellen Waffen zu kämpfen. Deswegen bestimmen und befehlen wir, dass einmal im Monat eine allgemeine Prozession der Männer und (...) der Frauen getrennt [voneinander] stattfinde, demütig in Körper und Geist, mit aufopfernden beharrlichen Gebeten, damit der gnädige Gott uns durch Befreiung jenes Landes aus den Händen der Ungläubigen erlöse aus unserer schmachvollen Schande (...).93
Die von Innozenz beschworene Dichotomie zwischen arma corporalia und arma spiritualia spiegelt sinnbildlich die Priorität des theologischen vor einem militärstrategischen Relevanzsystem sowie den damit verbundenen Wissensbeständen und plausibilisiert auf diese Weise, warum Bittgebete und Prozessionen die Akquise von militärisch nutzbarem Spezialwissen ersetzten.94 Nahezu 20 Jahre zuvor war Peter von Blois noch weiter gegangen und hatte einen unbewaffneten Kreuzzug aus Armen und Unschuldigen zur Rückeroberung Jerusalems gefordert. Da die pauperes die besondere Gnade Gottes genössen, so sein Argument, sei ihnen der göttliche Beistand und somit auch der Erfolg auf dem Schlachtfeld gewiss. Peter war allerdings beileibe kein weltabgewandter Theologe
Gregorii VIII papae epistolae, Ed. Migne, 1541: ut peccata nostra castigatione voluntaria emendemus et per penitentiam et opera pietatis convertamur ad dominum deum nostrum (...). Weitzel, Kreuzzug (2019), 50; 68 f. Innocenti III Romani pontificis opera omnia III. Ed. Migne, 820: Verum cum longe plus de divina clementia quam de humana potentia confidere debeamus, oportet nos in tali conflictu non tam corporalibus armis quam spiritualibus dimicare. Ideoque statuimus et mandamus ut singulis mensibus semel fiat generalis processio seorsum virorum, ac seorsum, (...) mulierum, in humilitate mentis et corporis, cum devota orationum instantia postulantium ut misericors Deus auferat a nobis hoc confusionis opprobrium, liberando terram illam (...) de manibus paganorum (...). Das inhaltliche Grundgerüst von Quia maior wurde bis zum zweiten Konzil von Lyon von allen Päpsten für ihre Kreuzzugsaufrufe übernommen, vgl. Smith, Crusade Call (2019), 2–23. Mit den arma corporalia und arma spiritualia bezog sich Innozenz wahrscheinlich auf die zwei Schwerter aus Lk 22,38. Die fragliche Bibelstelle ist seit dem sog. Investiturstreit im späten 11. Jahrhundert meist als Allegorie für die Beziehung zwischen weltlicher und geistlicher Macht verwandt worden, vgl. Goez, Zwei-Schwerter-Lehre (1998), 725 f.
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oder „armchair pundit“, sondern als Berater Papst Gregors VIII. und des Erzbischofs von Canterbury aktiv in die Planung des Dritten Kreuzzugs eingebunden.95 Das in der Vorstellung apostolischer Armut begründete Armutsideal erwies sich auch über den Hof hinaus als wirkmächtiges Deutungsschema für die Kreuzzüge: Zwei Dekaden später sammelten sich Landarme, von Chronisten als pueri bezeichnet, unter der Führung eines Schafhirten namens Stephan in Nordfrankreich, um ins Heilige Land zu ziehen und die Stadt Jerusalem zurückzuerobern. Statt sich auf sein praktisches Militärwissen zu stützen, fragte der französische König in Reaktion auf diese Bewegung niemand Geringeren als die Theologen der Pariser Universität nach den Erfolgsaussichten des Kreuzzugs der pueri, bevor er dessen Auflösung befahl.96 Fälle wie diese illustrieren, wie das theistisch-okkasionalistische Deutungsschema in Kombination mit dem Armutsideal bis in die höfischen consilia und deliberationes hineinwirkte, in denen der engere Beraterkreis der Herrscher an der Realisierung von Militärexpeditionen in den Orient arbeitete. Das Pariser Gutachten sowie die von Innozenz und Peter erdachten Strategien zur Sicherstellung des göttlichen Beistandes zeigen allerdings auch, dass sich die Kreuzzugsplaner des 12. und frühen 13. Jahrhunderts mit einer Unsicherheit konfrontiert sahen, die nicht aus der Kontingenz militärischen Handelns, sondern der epistemischen Schwierigkeit erwuchs, den göttlichen Willen zu ermitteln. Da sie ihre Erfahrungen auf Grundlage eines theologischen Relevanzsystems deuteten, versuchten die Kreuzzugsplaner folgerichtig dieser Form der Zukunftsungewissheit durch Offenbarungswissen zu begegnen: Wo Menschen (...) die meisten Gegebenheiten, nach denen zu fragen es sich lohnt, als Willensakte lebender Wesen [erfahren], ist das eigentliche Ziel der Erkenntnissuche der Erwerb von Wissen über die verborgenen Ziele und Absichten hinter den Ereignissen, die verborgene Bedeutung der Zeichen für einen selbst.97
Von den Versuchen der Zeitgenossen, Aufschluss über die göttliche Gunst zu erlangen, zeugen die Berichte von Erscheinungen und Mirakeln in zahlreichen Chroniken und Annalen der Kreuzzüge, welche die Geschichtsschreiber, vermutlich meist ex post, als Ausdruck des göttlichen Willens deuteten. Der Verfasser der Michelsberger Weltchronik machte im Vorfeld des Ersten Kreuzzuges ein Zeichen auf der Sonne aus und Bischof Oliver von Paderborn (✶um 1170 †1227) glaubte in dem gesenkten Haupt einer Christuserscheinung am Himmel einen Hinweis auf das Scheitern des Damietta-
Köhn, Peter von Blois (1973), 73–81; Markowski, Peter of Blois (1992), 265–267; Southern, Peter of Blois (1985), 209–218; Tyerman, Crusade (2015), 81. Dubourg, Croisades (2015), 10–12; Raedts, Children’s Crusade (1977), 292 f. Bei den von Chronisten als pueri bezeichneten Kreuzzugsteilnehmern handelte es sich vermutlich um Angehörige einer neuen ruralen Unterschicht, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstanden war, vgl. Duby, Pauvres (1966), 30. Elias, Fischer (1990), 106. Siehe auch Luhmann, Soziologie (1991), 16.
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Feldzuges (1217–1221) zu erkennen.98 Die Auslegung derartiger Ereignisse mithilfe der Heiligen Schrift oder der Kirchenväterliteratur erfolgte allerdings nicht auf Grundlage von am Hof allgemein verfügbarem Wissen, sondern erforderte Akteure, denen die Zeitgenossen einen privilegierten Zugang zur göttlichen Offenbarung zusprachen. Diese Spezialisten waren oft keine Experten, die ihre Deutungsmacht aus institutionell abgesichertem Spezialwissen bezogen, sondern Charismatiker und Propheten, die als direkte Vermittler zu Gott oder den Heiligen auftraten.99 Um sich des göttlichen Beistandes zu versichern, wurden solche Charismatiker auch immer wieder im Rahmen von Kreuzzugsvorbereitungen konsultiert: Ludwig VII. beriet sich im Vorfeld seines Kreuzzuges mit Bernhard von Clairvaux in Châlons-en-Champagne100 und Richard I. traf sich auf dem Weg ins Heilige Land mit dem kalabrischen Abt Joachim von Fiore (✶um 1135 †1202). Überzeugt von den weit über Kalabrien hinaus bekannten Prophezeiungen des Apokalyptikers, ließ der englische König sich von ihm bei dieser Zusammenkunft die Zeichen der nahenden Endzeit erklären und den Erfolg seines Kreuzzuges voraussagen.101 Die theologische Bezugnahme auf die Kreuzzüge begünstigte also Spezialisten für die Auslegung des göttlichen Willens, welche die Wirksamkeit der arma spiritualia sicherstellen und auf diese Weise Planungssicherheit schaffen sollten. Neben dem durch die arma spiritualia bezeichneten theologischen Relevanzsystem wählten Kreuzzugsplaner auch während des 12. Jahrhunderts immer wieder eine militärisch-kalkulierende Herangehensweise an die Kreuzzüge. Diese arma corporalia, denen Innozenz noch eine untergeordnete Rolle zugeschrieben hatte, standen bereits seit den ersten Militärexpeditionen in den Orient in spannungsgeladener Koexistenz mit der theologischen Bezugnahme auf die Kreuzzüge. Der Grund dafür lag in der Interpretation der Kreuzzüge als kontingenz- und risikolose Feldzüge, welche auf handlungspraktischer Ebene immer wieder mit dem militärischen Risikokalkül kollidierte. Von einem solchen Zusammenstoß beider Relevanzsysteme berichtet ein Chronist des Dritten Kreuzzugs: Es gab [einen], der bei Betrachtung der Armee aus dem Schwelgen in allzu großer Leidenschaft wagte zu sagen: Welche Macht könnte [diese Armee] besiegen,
Frutholfs und Ekkehards Chroniken. Ed. Schmale/Schmale-Ott, 125 f.; Oliver von Paderbon, Historia Damiatina. Ed. Hoogeweg, 174 f. So u. a. Peter der Einsiedler oder Bernhard von Clairvaux, vgl. Weitzel, Kreuzzug (2019), 97–168; 230–245. Wilhelm von Saint-Thierry, Sancti Bernardi vita. Ed. Migne, 400. Über das Treffen der beiden im Winter des Jahres 1190/91 in Messina berichtet [Roger von Howden], Gesta regis Henrici. Ed. Stubbs, Bd. 2, 151–155. Roger behauptet, dass Joachim gegenüber Richard den ägyptischen Sultan Saladin als sechsten Kopf der apokalyptischen Bestie identifizierte und die Eroberung von Jerusalem für das folgende Jahr voraussagte. Wie Siberry gezeigt hat, modifizierte Roger diese Prophezeiung in seiner einige Jahre nach dem erfolglosen Kreuzzug verfassten Chronik Englands, indem er Joachim die Eroberung Jerusalems nun für 1194 voraussagen ließ. In dieser neuen Fassung ließ der Chronist Richard enttäuscht feststellen, er sei zu früh zu seinem Kreuzzug aufgebrochen, vgl. Ders., Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 3, 75–78; Siberry, Criticism (1985), 202. Zu Joachim siehe u. a. Reeves, Joachim of Fiore (1999), 1–28.
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welche große Zahl [an Feinden ihr] widerstehen? Gott kann weder uns noch [unseren] Gegnern zur Hilfe kommen, der Sieg fußt in unserer [eigenen] Stärke! Als Proponent der theistisch-okkasionalistischen Deutung stellte der unbekannte Verfasser des Werkes natürlich postwendend fest: Diese Äußerung [war] in der Tat schlecht und höchst verdammenswert, weil sie den Ausgang der Schlacht am Menschen [und] nicht am göttlichen Willen festgemacht hat. Denn ohne Gott kann der Mensch nichts, was die traurige Erfahrung [und] der Ausgang des Krieges deutlich machen.102 Der Verurteilung des Chronisten zum Trotze stützten sich Kreuzzugsplaner allerdings bereits seit dem Ersten Kreuzzug nicht allein auf den Beistand Gottes, sondern betrieben aktiv militärisch-kalkulierende Vorsorge, um den Erfolg des Feldzuges sicherzustellen. So ließ Ludwig IX. bereits zwei Jahre vor dem Eintreffen seines Heeres auf Zypern im Jahr 1250 Wein- und Getreidevorräte auf der Insel einlagern,103 und die Diplomaten Friedrichs I. woben ein diffiziles Netz politischer Allianzen, das seinem Kreuzfahrerheer erlauben sollte, unbehelligt durch Südosteuropa und Kleinasien zu ziehen.104 Diese organisatorischen Handlungsroutinen entstammten dem praktischen Allgemeinwissen des kriegführenden Adels und beeinflussten folglich durch das consilium und auxilium von Fürsten bzw. Prälaten die höfischen Kreuzzugsplanungen. Mit Tibble gesprochen waren die Kreuzfahrer „intuitive Strategen“, die zwar wussten, wie man einen Feldzug organisiert, aber keinen Grund dazu sahen, dieses Wissen zu artikulieren oder reflektieren.105 Wie der vorgenannte Dialog illustriert, ist dies darauf zurückzuführen, dass dieses praktische Wissen in einer theologisch-transzendenten Systematik nicht von Relevanz war und auch folglich nicht in Expertenwissen überführt oder im Rahmen von Expertenratschlägen thematisiert werden konnte.
Itinerarium peregrinorum. Ed. Mayer, 313: Fuit qui acie perspecta ex nimia voluptate luxurians dixisse presumeret: ‚Que potentia prevalebit, que multitudo resistet? Deus nec nobis nec adversariis adiutor veniat, victoria in nostra virtute consistit.‘ Vox certe pessima et omniodampnabilis, que in homine, non in numine belli eventum constituit, cum sine deo nil possit homo, quod quidem experimento flebili rerum exitus declaravit. Der unbekannte Autor der Chronik referiert mit seiner Antwort vermutlich auf Joh 15,5. Das Gespräch wird sich demnach nicht wie beschrieben zugetragen haben, sondern bildet ein narratives Instrument des unbekannten Chronisten, um durch die Darstellung des menschlichen Hochmutes das ernüchternde Ergebnis des Feldzuges vorwegzunehmen. Unabhängig davon, ob und wie die Sache sich zugetragen hat, spiegelt dieser kurze Ausschnitt allerdings die Kontingenzwahrnehmung der Kreuzfahrer gut wider. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 64 sowie dazu Thorau, Kreuzzug (2016), 126; Tyerman, Crusade (2015), 259 f.; Jordan, Louis IX (1979), 76 f. Exarchos, Komnenoi (2021), 225–230; Murray, Finance (2007), 364–366. Laut der Historia de expeditione Friderici I imperatoris umfassten Friedrichs diplomatische Kontakte u. a. den byzantinischen Herrscher Isaak II. Angelos (✶1155 †1204), den Sultan von Rum, Kılıç Arslan II. (†1192), sowie den ungarischen König Béla III. (✶um 1148 †1196), vgl. Historia. Ed. Chroust, 15–18. Dass die Vorbereitungen des Kaisers letztendlich nicht von Erfolg gekrönt waren und er sich in Kleinasien zahlreicher Angriffe erwehren musste, lag vermutlich weniger an der Qualität der Vorbereitungen als an der politisch instabilen Lage im Sultanat, vgl. Hiestand, Barbarossa (1992), 91–93. Tibble, Strategy (2020), 297.
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Die Vorherrschaft des theologischen Relevanzsystems über diesen militärischen Zugriff begann allerdings während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu schwinden, als die zunehmende Inkongruenz von Erfahrung und Erwartung die wiederholte Neuauslegung des theistisch-okkasionalistischen Deutungsschemas notwendig machte.106 Auslöser war die vernichtende Niederlage des Kreuzfahrerheers unter Ludwig IX. in der Nähe des ägyptischen Fāraskūr im April 1250, infolge derer der französische König in die Gefangenschaft des Sultans gelangte. Schon in den vorangegangenen Monaten war der König mit großen Teilen des französischen Adels bei der vergeblichen Belagerung von al-Manṣūra Hunger und Krankheit ausgesetzt gewesen, bevor die zunehmenden Verluste ihn zum Rückzug gezwungen hatten.107 Eine Applikation des bewährten Deutungsschemas auf die Geschehnisse an den Ufern des Nils war allerdings nicht ohne Neuauslegung möglich, da Ludwig, der von vielen seiner Zeitgenossen als rex christianissimus verehrt und 1297 sogar heiliggesprochen wurde, nur schwerlich durch seine eigenen moralischen Verfehlungen den Misserfolg verschuldet haben konnte.108 Dementsprechend mag es nicht erstaunen, dass die Erfahrung der Gefangennahme von Ludwig in der zeitgenössischen Wahrnehmung des Kreuzzuges einen Bruch zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont bewirkte, der sich schlussendlich auch auf die Kreuzzugsplanung auswirken sollte. Der englische Benediktiner Matthew Paris (✶um 1200 †1259) kommentierte das Ereignis in seiner Chronica maiora folgendermaßen: In keinem Geschichtstext findet sich, dass ein König von Frankreich gefangen, vor allem von Ungläubigen, oder besiegt wurde, außer jenem [König]. Wenn zumindest er allein in Gesundheit und Ehre bewahrt worden und alle anderen gefallen wären, hätten die Christen einigermaßen Gelegenheit gehabt aufzuatmen und die Schande zu vermeiden.109
Ähnlich wie Matthew Paris müssen viele Kreuzfahrer darüber erstaunt gewesen sein, dass die Erfahrungen, welche sie in Ägypten gemacht hatten, nicht den Erwartungen entsprachen, welche sie aus der Geschichte ableiten konnten. Die Kreuzzugsplaner am französischen Hof, von denen viele selbst vor den Mauern von al-Manṣūra gehungert hatten und in Fāraskūr festgesetzt worden waren, entwickelten die Überzeugung, dass Zukünftiges sowie Vergangenes nicht (länger) deckungsgleich waren und sie folglich nicht mehr wie einst Ludwig VII. unreflektiert den Wegen ihrer Väter folgen konnten. Siehe dazu Schütz über die auferlegte Interpretationsrelevanz, vgl. Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 272 f. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 144–154. Krynen, Rex (1989), 79–96; Strayer, Louis IX (1969), 488. Die Verehrung von Ludwig IX. reichte gar so weit, dass Teile seiner Untertanen (in den Quellen als pastoureaux bezeichnet) versuchten, spontan einen Kreuzzug zur Unterstützung des Königs zu organisieren, nachdem sie von seiner Gefangennahme erfahren hatten, vgl. Barber, Crusade (1984), 6 f.; Dubourg, Croisades (2015), 20–27. Matthew Paris, Chronica majora. Ed. Luard, Bd. 5, 158: Nec est in aliquarum serie historiarum repertum, ut rex Francie captus fuisset ab infidelibus praecipue, vel devictus, praeter istum, qui si saltem solus saluti et honori reservaretur, etsi alii occubuissent universi, aliquam haberent Christiani materiam respirandi et obprobria devitandi.
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In den Worten von Jean Richard: „Après la croisade de saint Louis, il n’en est pas toutà’fait de même. Dans les mentalités, l’échec de l’expédition d’Egypte a été suivi d’une désillusion qui a été profonde.“110 Dieser Moment markiert den Wendepunkt hin zu einer Kontingenzkultur, die sich sukzessive in den höfischen Kreuzzugsplanungen Bahn brach und auch außerhalb Frankreichs eine militärisch-kalkulierende Bezugnahme auf die Kreuzzüge beförderte. Neben dem Wechsel des Bezugsschemas stand allerdings gleichzeitig auch der Versuch der Zeitgenossen, das theistisch-okkasionalistische Deutungsschema vor dem Hintergrund eines theologischen Relevanzsystems neu auszulegen: So deutete der dominikanische Chronist Géraud de Frachet (✶1205 †1271) die Gefangennahme des französischen Königs in Ägypten analog zum Opfertod Jesu am Kreuz, der ebenfalls für die Sünden der Menschheit gestorben sei, und zeigte somit ein plausibles Argument auf, um die Kreuzzüge weiterhin rein theologisch zu systematisieren.111 Der schwelende Konflikt zwischen den beiden Relevanzsystemen eskalierte erstmals 1274 in den Kreuzzugsplanungen des zweiten Konzils von Lyon, als die Advokaten einer militärisch-kalkulierenden Herangehensweise aufgrund von Risikoabwägungen ihre Teilnahme an dem geplanten Kreuzzug versagten. Der dominikanische Ordensmeister Humbert von Romans konstatierte diesbezüglich: Dreizehntens ist festzuhalten, dass es Andere gibt, die sagen, dass die Bedingung des Krieges auf unserer Seite viel schlechter ist, wenn die Unseren über das Meer fahren gegen die Sarazenen. Denn wir sind dort wenige im Vergleich zu ihrer Menge. Außerdem sind wir auf fremdem Boden, sie aber auf ihrem eigenen. (...) Außerdem kennen sie gefährliche Pässe und Verstecke, wir aber nicht. Außerdem haben wir häufig [Nachschub-]Mangel, sie aber [reichhaltige] Vorräte. (...) Folglich (...) scheint es, dass solche Kriege niemals von den Christen geführt werden sollten.112
In der Kreuzzugsforschung ist bezüglich der von Humbert beschriebenen Risiken meist von einer sinkenden Kreuzzugsbegeisterung, einer wachsenden Kritik am Kreuzzugsgedanken oder einer „rising tide of secularism and indifference“ gesprochen worden, allerdings ohne hinreichend zu spezifizieren, was genau diese „Begeisterung“ war und wem genau es daran mangelte.113 Unabhängig von hermeneutisch schwer zugänglichen mentalen Zuständen wie dem Kreuzzugseifer der Zeitgenossen illustrieren die Aus Richard, 1187 (1992), 260. Siehe auch Siberry, Criticism (1985), 193–195; Throop, Criticism (1940), 1–5. Seitz, Ende (2010), 51. Andere Chronisten deuteten die Gefangennahme des Königs ebenfalls als gottgewollt, da sie Ludwig die Möglichkeit eröffnet habe, den ägyptischen Sultan zum Christentum zu bekehren, vgl. Ebenda, 124–126; Jordan, Louis IX (1979), 133. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 193: Tertiodecimo notandum est, quod alii sunt quid dicunt, quod quando nostri vadunt ultra mare contra Saracenos, conditio belli multo pejor est ex parte nostra. Nam nos sumus ibi valde pauci in comparatione ad eorum multitudinem. Item sumus in aliena terra, ipsi autem in sua. (...) Item ipsi sciunt passus periculosos et subterfugia, nos autem non. Item habemus ibi frequenter inopiam rerum, illi vero copiam. (...) Cum ergo (...) videtur quod hujusmodi bella nunquam essent attentanda a Christianis. Strayer, Crusade (1953), 103. Siehe auch Schmugge, Wandlungen (2008), 99–103; Setton, Papacy, Bd. 1 (1976), 176; Thorau, Kreuzzüge (2004), 111; Throop, Criticism (1940), 283–291. Für Kritik an dieser
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führungen des Dominikanermeisters allerdings deutlich, dass einigen Konzilsteilnehmern nicht länger der göttliche Wille, sondern durch menschliches Handeln aktiv steuerbare Faktoren wie die Größe oder Versorgung des Heeres als relevant für den Ausgang eines Kreuzzuges galten. Anstatt mangelnder Begeisterung für die Sache spricht also vielmehr ein neues Risikodispositiv aus den Worten der von Humbert zitierten Kritiker. Humbert selbst hielt jedoch nichts von den Proponenten dieses militärisch-kalkulierenden Relevanzsystems und antwortete auf deren Einwände, indem er die Kreuzzüge so deutete, wie es bereits Eugen III. und Gregor VIII. vor ihm getan hatten: Obgleich in Bezug auf die vorgenannten [Argumente], welche die menschliche Weisheit betreffen, die Bedingung der Sarazenen besser wäre, ist aber die Bedingung der Christen besser in Bezug auf viele andere Dinge, welche die göttliche Weisheit betreffen.114 Folgt man der Chronik des ebenfalls anwesenden Königs Jakob I. von Aragon, so zählten zu den „Anderen“, deren Einwände der Dominikanermeister an dieser Stelle kritisierte, wahrscheinlich der Templermeister Guillaume de Beaujeu (†1291), der die Verstärkung bestehender Truppenkontingente einem allgemeinen Kreuzzug vorzog, der Johannitermarschall Guillaume de Courcelles, der behauptete, ein schlecht vorbereiteter Kreuzzug würde mehr Schaden anrichten als Gutes tun, sowie Erard de Valéry (✶um 1220 †1277), der als königlicher Kämmerer den französischen König Philipp III. (✶1245 †1285) auf dem Konzil vertrat.115 Alle drei hatten als Teilnehmer der beiden Kreuzzüge von Ludwig IX. die Niederlage vor den Mauern von al-Manṣūra selbst miterlebt, was Erard wiederum veranlasste, die Partizipation der französischen Krone an einem neuerlichen Kreuzzug mit der Feststellung abzulehnen, die Kreuzfahrer hätten Ähnlichkeit zu einem kleinen Hund, der einen großen Hund anbellt, welcher ihn nicht beachtet (...).116 Für Kreuzzugsveteranen wie Erard und Guillaume hatten die
These siehe u. a. Hélary, Dégoût (2009), 29 f.; Paviot, Noblesse (2006), 69–84; Richard, Saint Louis (1983), 531–541; Siberry, Criticism (1985), 219 f. sowie I.2.2. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 193: Licet quantum ad praedicta quae pertinent ad sapientiam humanam, conditio Saracenorum sit melior: tamen quantum et alia multa quae pertinent ad sapientiam divinam, conditio Christianorum est melior. Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 405 f.; Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313 f. Zu Erard siehe Hélary, Croisade (2016), 104. Mögliche weitere Adressaten der Kritik des Dominikanermeisters waren die Prälaten, welche sich gegen den von Gregor X. für die Finanzierung des Kreuzzuges veranschlagten Zehnten stemmten, vgl. Dit du concile de Lyon. Ed. Carolus–Barré, 929 f. Zu Guillaume de Courcelles, der wahrscheinlich identisch mit dem Ordensritter war, der in Jakobs Chronik als Joan Desacarella bezeichnet wird, siehe Burgtorf, Convent (2008), 405; Forey, Consilium (2011), 8. Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 406: una semblanca del xen petit quan iladre al gran Ca, e ell no n’ha cura. Die Kreuzzugsteilnahme des Erard de Valéry ist u. a. belegt bei Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 146–148. Laut dem Bericht des Chronisten Guillaume de Nangis hatte Erard während seiner Orientaufenthalte sogar die Kampftaktik der Scheinrückzüge adaptiert und setzte sie in der Schlacht bei Schlacht bei Tagliacozzo im Jahr 1268 erfolgreich gegen das überlegene Heer des Staufers Konradin (✶1252 †1268) ein, vgl. Guillaume de Nangis, Gesta sancti Ludovici. Ed. Dau-
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Orienterfahrungen der vergangenen 20 Jahre offenbar eine Relevanzverschiebung bewirkt, infolge derer ihnen nicht länger der göttliche Wille, sondern die militärische Macht des ägyptischen Heeres bei gleichzeitiger Schwäche der Kreuzfahrer als ursächlich für deren Misserfolge galt. Die ersten Momente einer Kontingenzkultur in den höfischen Kreuzzugsplanungen resultierten also aus der Erfahrung des Scheiterns vor den Mauern von al-Manṣūra. Und so lesen sich die von Humbert angeführten Einwände wie eine Beschreibung der ersten Orientfahrt Ludwigs IX., dessen Heer ebenfalls mit Nachschubproblemen kämpfte und Schwierigkeiten hatte, zwischen den Nilarmen zu manövrieren.117 Am Ende einer langen Reihe von Monita ließ der Dominikanermeister die Kreuzzugsskeptiker auf dem Konzil dann auch fragen: Et foelicis memoriæ rex Ludovicus captus fuisset cum fratribus suis, et tota nobilitate fere Franciæ in Aegypto?118 Eine in der kirchengeschichtlichen Forschung bisher wenig beachtete Quelle wirft ein genaueres Licht auf die an dieser Stelle von Humbert kritisierten Proponenten einer militärisch-kalkulierenden Herangehensweise: Es handelt sich um ein consilium, das von der Führung des Johanniterordens verfasst und durch den Ordensmarschall Guillaume de Courcelles auf dem Lugdunense verlesen wurde.119 Das Werk selbst ist eine Mischung aus Forderungen des Ordens zum subsidium Terrae Sancate, Berichten über den Status quo im Outremer sowie Rechtfertigungen der Ritterorden angesichts der militärischen Misserfolge der vergangenen Jahre. Es lässt bereits erste Ansätze der Problemorientierung erkennen, welche für die Rückeroberungsmemoranden der 1290er Jahre typisch werden sollte.120 In ihrem consilium gaben die Johanniter zu bedenken, dass die Ritterorden nicht ausreichend Ressourcen zur Verteidigung der Kreuzfahrerreiche zur Verfügung hätten und selbst die bestehenden Ordensgüter sich ständigen rechtlichen sowie fiskalpolitischen Übergriffen seitens der Ortskirchen ausgesetzt sähen. Gäbe man den Prälaten in Übersee die Jurisdiktion über die Ritterorden, so die Johanniter weiter, müssen wir mehr zur Verteidigung unserer Besitzungen gegen sie als gegen
nou/Naudet, 434–436. Zur Schlacht von Tagliacozzo siehe Herde, Schlacht (1962), 685–724; Jericke, Konradins Marsch (2002), 176–186; Small, Tagliacozzo (2004), 1068. Strayer, Louis IX (1969), 498 f.; 502; Thorau, Kreuzzug (2016), 132 f.; 136 f. Noch 40 Jahre später warnte Ludwigs Neffe, König Karl II. von Neapel, Papst Nikolaus IV. davor, mit dem Kreuzfahrerheer in das Landesinnere Ägyptens zu ziehen, weil die Versorgung der Armee dort nicht sichergestellt werden könne, vgl. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353 f. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 197. Der Text wurde erstmals ediert in Prutz, Entwicklung (1888). Sowohl Throop als auch Baldwin und Roberg erwähnen die Quelle in ihren Darstellungen des zweiten Konzils von Lyon nicht, vermutlich, weil Prutz sie fälschlicherweise in die 1280er Jahre datiert hatte, vgl. Baldwin, Gregory X (2014); Roberg, Konzil (1990); Throop, Criticism (1940). Zur (Re-)Datierung der Quelle auf 1274 siehe Forey, Consilium (2011), 7–17. So banden die Verfasser des Werkes u. a. das vom Orden angebotene auxilium nach wie vor an die Übernahme der Vorschläge aus dem consilium, vgl. Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313.
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die Sarazenen tun.121 Das herausstechende Merkmal dieses Werkes ist die vollständige Abwesenheit einer theologischen Deutung militärischer Misserfolge zugunsten einer kalkulierenden Herangehensweise. Nicht der göttliche Wille, sondern der Mangel an Truppen und Geld wird verantwortlich für die Niederlagen in Übersee gemacht. Für die Ritterorden als dezidierte Verteidiger der Kreuzfahrreiche war das theistischokkasionalistische Deutungsschema freilich nicht anwendbar, weil es impliziert hätte, dass sie selbst durch ihr sündhaftes Verhalten die vergangenen Fehlschläge bewirkt hatten, weshalb sie letztlich gezwungen waren, auf eine rein militärische Erklärung der Niederlagen auszuweichen. Wer schlussendlich in den Kreuzzugsplanungen des Konzils die Oberhand behielt, ist aus den Quellen allerdings nicht ersichtlich, da die in Lyon beschlossenen Konstitutionen zum subsidium Terrae Sanctae nur fragmentarisch überliefert sind und nach dem Tod Papst Gregors X. im Januar 1276 nicht weiter implementiert wurden.122 Als schließlich 1289 in Reaktion auf den Untergang der Grafschaft Tripolis von Papst Nikolaus IV. (✶1227 †1292) und dem englischen König Eduard I. (✶1239 †1307) die Kreuzzugsvorbereitungen erneut aufgenommen wurden,123 hatten die Gewichte zwischen den beiden Relevanzsystemen, welche in Lyon noch im Rahmen hitziger Debatten miteinander kollidiert waren, bereits begonnen sich zu verschieben. Ein paradigmatisches Beispiel für diesen Prozess ist der Liber recuperationis Terre Sancte, den der Franziskanermönch Fidenzio von Padua schon 1274 auf Bitten Papst Gregors X. begonnen hatte. Fidenzio gehörte zu einer neuen Generation von Kreuzzugsplanern, die Elemente der Kreuzzugsbullen Audita tremendi und Quia maior mit dem militärisch-strategischen Risikokalkül verbanden, welches Humbert von Romans auf dem Lugdunense noch gegeißelt hatte. In Anlehnung an Gregor VIII. stellte Fidenzio die Notwendigkeit von Gebeten für den Erfolg der Kreuzfahrer heraus, weil die alttestamentliche Überlieferung lehre, dass der Herr infolge der Gebete des judäischen Königs Ezechia einen Engel gesandt habe, um die Armee der Assyrer zu vernichten.124 Neben diesen regelmäßigen
Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313: Item, si (...) ordo noster submitteretur jurisdictioni prelatorum, plus habemus pro tuendis nostris possessionibus facere cum eis quam cum infidelibus Sarracenis (...). Die Johanniter waren zwar bereits 1113 von Papst Paschalis II. mit der Bulle Pie postulatio voluntatis aus der episkopalen Jurisdiktion ausgenommen worden, doch auch im 13. Jahrhundert sorgten Unklarheiten in der Formulierung der päpstlichen Exemtionen immer wieder für Konflikte zwischen Prälaten und den Johannitern in ihren Diözesen, vgl. Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 155–162. Für die Constituiones pro zelo fidei des Konzils siehe Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 309–312. TNA SC 1/13/200. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 40 f. Zu der biblischen Erzählung siehe Fußn. 86. Auch in den Folgejahren verschwanden die Gebete als Kontingenzbewältigungsstrategie nicht gänzlich aus den Kreuzzugsplanungen; so schlug der Erzbischof von Canterbury Papst Nikolaus IV. nach der Eroberung Akkons vor, Gott vor einem neuerlichen Kreuzzug durch Gebete zu besänftigen, vgl. Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1109.
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Gebeten müssten die Kreuzfahrer zudem allen irdischen Begierden abschwören und hohen moralischen Ansprüchen genügen, um die göttliche Gnade zu gewinnen und den Erfolg des Kreuzzuges zu erwirken.125 Zugleich stellte der Franziskaner jedoch fest, die Christen müssten dafür Augen vorn und hinten besitzen, (...) das heißt sie müssten vergangene sowie zukünftige Möglichkeiten gründlich erwägen.“126 Um alle strategischen Optionen hinsichtlich des Kreuzzuges zu berücksichtigen und sich gegen künftige Risiken zu wappnen, seien wiederum die Ratschläge von Experten unerlässlich, weshalb die Kreuzfahrer einige weise und gottesfürchtige Männer auswählen sollten die ständig über die Größe der Streitmacht Bescheid wissen und nachdenken, sodass alles Nützliche befördert und alles Schädliche abgewendet wird.127 Mit dieser hybriden Bezugnahme auf die Kreuzzüge war Fidenzio beileibe keine Ausnahmeerscheinung, denn nur wenige Jahre nach ihm verfasste Galvano di Levanto (†um 1312), ein genuesischer Mediziner mit Verbindungen zur Kurie, ein analoges Werk für Papst Nikolaus IV. und den französischen König Philipp IV. (✶1268 †1314), der inzwischen ebenfalls in die Planungen involviert war. Ähnlich wie Fidenzio stellte er fest, ein erfolgreicher Kreuzzug sei nur möglich per penitentiam et decorem cultus divini; der an Philipp adressierten Variante seines Werkes fügte er gar einen Fürstenspiegel an, um die moralische Integrität des prospektiven Anführers und somit auch die göttliche Gnade sicher zu stellen.128 Zugleich kalkulierte er jedoch auch die Menge der für den Kreuzzug benötigten Truppen, Schiffe und Lebensmittel und errechnete die voraussichtlichen Gesamtkosten des Unternehmens.129 Beratern wie Galvano und Fidenzio galten die Kreuzzüge demnach als Risiko, welches allerdings nicht allein auf physischer, sondern immer auch auf metaphysischer Ebene planerisch eingehegt werden musste.130 Sie gehörten zu den neuen Protagonisten der höfischen Kreuzzugsplanungen, welche sich in ihren Ratschlägen sowohl eines theologischen als auch eines
Fidenzio nennt caritas, castitas, humilitas, pietas, unitas, sobrietas sowie legalitas als Eigenschaften, welche die Kreuzfahrer aufweisen sollten, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 39–41. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 34: ita quod ipsi habeant oculos ante et retro (...) ut scilicet diligenter considerunt fortunas preteritas et futuras. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 34: Ut autem ista consideratio melius habeatur, eligendi sunt aliqui viri sapientes et Deum timentes qui semper considerent et cognoscant de multitudine exercitus, ut omnia utilia procurent et omnia nociva abiciant. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 365. Welche konkreten Vorschläge Galvano dem König zu diesem Zweck unterbreitete, ist aufgrund der lückenhaften Originalhandschrift allerdings nicht überliefert. Vermutlich orientierte sich der Genuese an den in der Kreuzzugsbulle Quia maior bzw. dem darauffolgenden Dekret Ad liberandam Terram Sanctam angeordneten Bittprozessionen und Gebeten, die im Laufe des 13. Jahrhunderts zu einer üblichen Vorgehensweise bei der Kreuzzugsvorbereitung geworden waren, vgl. Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 366. In den Quellen ist derweil weiter von periculum und fortuna, nicht aber von resicum die Rede. Zu Letzterem siehe insbes. Ceccarelli, Price (2007), 1–19; Piron, Apparition (2004), 64–71; Scheller, Geburt (2017), 305–331.
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militärisch-kalkulierenden Relevanzsystems bedienten und somit den Beginn einer Kontingenzkultur am Hofe markierten. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts verschwanden schließlich auch diese hybriden Ratschläge aus den höfischen Kreuzzugsplanungen und das militärische Relevanzsystem löste das theologisch-transzendente vollends ab. Für höfische Ratgeber wie den katalanischen Theologen und Missionar Ramon Llull war der Kreuzzug ein Risiko, welches nicht durch Bittprozessionen oder beharrliche Gebete, sondern allein durch militärische Planung bewältigt werden konnte. In seiner 1305 für König Jakob II. von Aragon verfassten Kreuzzugsschrift, dem Liber de fine, verwandte der Katalane die Allegorie der zwei Schwerter, welche bereits Innozenz III. auf den Kreuzzug angewandt hatte. Auf die Missionstätigkeit im Orient referierte er als gladius spiritualis, den Kreuzzug betrachtete er als gladius corporalis, das allerdings erst eingesetzt werden solle, wenn die Missionare auf unüberwindbare Widerstände stoßen würden. Die Trennung vom theologischen Relevanzsystem vollzog Llull allerdings nicht allein auf semantischer, sondern auch auf der planungspraktischen Ebene. Im Gegensatz zu Innozenz oder auch Peter von Blois, welche den Kreuzzug noch vornehmlich mit den arma spiritualia austragen wollten, bestimmte der Imperativ militärischer Nützlichkeit die Ratschläge des Ramon Llull. Den Weg durch Kleinasien, welchen Ludwig VII. noch nach dem Beispiel seiner Vorfahren (und wider jedes strategischen Kalküls) eingeschlagen hatte, lehnte der Katalane als zu lang und kostspielig ab. Für eine Landung an der ägyptischen Nordküste machte er eine zu starke Konzentration gegnerischer Verbände aus und gegen das kilikische Armenien als Ausgangspunkt für den Kreuzzug führte er wiederum den Mangel an Lebensmitteln in dem Königreich an. Aus diesen vorgeblich praktischen Erwägungen heraus gelangte Llull schließlich zu dem Ergebnis, das Kreuzfahrerheer solle über Andalusien und Tunesien nach Ägypten ziehen.131 Diese in der Kreuzzugsplanung des 14. Jahrhunderts obligatorisch gewordene Diskussion über die Kreuzzugsroute illustriert nicht allein, dass ein militärisches Relevanzsystem sich durchgesetzt hatte, sondern auch, dass potentielle Schäden für das Kreuzfahrerheer unmittelbar auf planerische Entscheidungen wie etwa die Wahl des Weges zurückgeführt wurden. Obgleich der Übergang von einem Relevanzsystem zum anderen auf dem zweiten Konzil von Lyon konfliktbehaftet begonnen hatte, gelang es im frühen 14. Jahrhundert schlussendlich, die theistisch-okkasionalistische Deutung der Kreuzzüge durch eine erneute Neuauslegung in das neue militärische Relevanzsystem zu überführen. Zentral dafür war das alttestamentliche Motiv der Gottverlassenheit, welches bereits Bernhard von Clairvaux und Gregor VIII. mobilisiert hatten, um die Niederlagen der Kreuzfahrerheere durch den selbstverschuldeten Verlust des göttlichen Beistandes zu erklären. Im
Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 276 f. Eine vergleichbare, jedoch deutlich ausführlichere Diskussion der Vor– und Nachteile einzelner Kreuzzugsrouten unternahm bereits Fidenzio von Padua, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 46–58 sowie dazu III.1.2.2.
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Anschluss daran gingen die Planer des 14. Jahrhunderts davon aus, dass das divinum auxilium vollständig verloren sei und es nun allein auf die provisio humana ankomme, um einen Kreuzzug erfolgreich zu realisieren und auf diese Weise möglicherweise die göttliche Gnade zurückzugewinnen. Besonders evident wird diese Neuauslegung des theistisch-okkasionalistischen Deutungsschemas in der bereits erwähnten Debatte über die Kreuzzugsroute, weil dort das militärische Kalkül mit der historischen Präzedenz der ersten Kreuzfahrer kollidierte. Vor diesem Hintergrund stellte der venezianische Kreuzzugsberater Marino Sanudo Torsello 1321 fest: Es gibt vielleicht [Andere], die meinten, dass der Kreuzzug des Bruders Petrus, genannt der Einsiedler und des Herrn Gottfried von Boullion erfolgreich diesen Weg über das Land genommen hat. Ich antworte [ihnen], dass ihr Unternehmen nicht [Gegenstand] der menschlichen Vorsehung oder Stärke gewesen ist, sondern gelenkt durch göttlichen Beistand und beschlossen durch überirdische Gunst.132
Der von Sanudo unterstellte Verlust des divinum auxilium im Laufe der Kreuzzüge markiert zugleich einen Bruch zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont innerhalb der Kreuzzugsplanung. Ohne die Gewissheit des göttlichen Beistands konnten die Kreuzfahrer nicht mehr wie einst Ludwig VII. den Weg wählen, den schon ihre Vorfahren erfolgreich beschritten hatten und auf dieselben Ergebnisse hoffen. Wie dominant diese Neuauslegung in den Kreuzzugsplanungen zu Beginn des 14. Jahrhunderts war, illustriert eine Äußerung des Johannitermeisters Foulques de Villaret, der zehn Jahre vor Sanudo gegenüber Papst Clemens V. (†1314) feststellte, die ersten Kreuzfahrer hätten vor Antiochia par miracle devin et non par ouvrage d’ommes gesiegt, worauf man sich bei künftigen Kreuzzügen allerdings nicht mehr verlassen könne.133 In der zeitgenössischen Debatte über die Kreuzzugsroute verdichteten sich diese Probleme wie unter einem Brennglas, standen die Kreuzzugsplaner doch im Wortsinne vor der Entscheidung zwischen verschiedenen Wegen, bei der sie sich nur bedingt auf den durch historisches Wissen konstituierten Erfahrungsraum zu stützen vermochten und folglich die potentiellen Risiken jeder einzelnen Route neu kalkulieren mussten. Von diesem Abwägungsprozess zeugen nicht allein die bereits erwähnten Diskussionen der Vor- und Nachteile einzelner Routen durch Ratgeber wie Ramon Llull und Fidenzio von Padua, sondern auch die zeitgleich entstandenen Kreuzfahreritinerare.134 Schluss-
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 37: Esti forsitan quis dicere[n]t quod Passagium fratris Petri, qui dictus est Eremita et domini Gotefredi de Buione per hanc viam processit prospere per terram: Respondeo, quod processus eorum no fuerit provisionibus humanis vel viribus, sed divinis directus auxiliis et superna gratia terminatus. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 223. Die Prävalenz dieser Deutungsweise in den Kreuzzugsplanungen sollte allerdings nicht mit einer Säkularisation des Kreuzzuges verwechselt werden. Auch im 14. Jahrhundert blieb der Kreuzzug ein für Gott geführter und von Gott sanktionierter Krieg. Im Unterschied zum 12. Jahrhundert war er jedoch kein von Gott selbst geführter Krieg mehr, vgl. Weitzel, Kreuzzug (2019), 54. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 425–434. Zu den Kreuzfahreritineraren siehe II.4.1.2.
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1 Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur
endlich galten die Orientkreuzzüge also nicht länger als ein Feld, auf dem man ohne Gefahr kämpfen konnte, wie Bernhard es einst beschworen hatte, sondern waren ein mehr oder weniger kalkulierbares Risiko für Fürsten und Prälaten geworden, welches durch Expertenratschläge minimiert oder mitigiert werden konnte.
1.3 Die epistemische Krise der 1290er Jahre Die beiden wissensgeschichtlichen Entwicklungslinien in den Kreuzzugsplanungen des späten 13. Jahrhunderts, nämlich die Entstehung einer Kultur informationsgestützter Kreuzzugsberatung sowie einer Kontingenzkultur, kulminierten schließlich während der 1290er Jahre in einer neuen höfischen Expertenkultur, welche die Kreuzzugsplanungen für die kommenden 40 Jahre bestimmen sollte. Von diesem Zeitpunkt an wurden die höfischen Planungszirkel von Ratgebern frequentiert, welche nicht aufgrund ihres ökonomischen oder sozialen Kapitals konsultiert wurden, sondern allein, weil die politischen Entscheidungsträger ihnen die Expertise zusprachen, einen erfolgreichen Kreuzzug organisieren zu können. Auslöser dieser Entwicklung war die schwerste militärische Krise der Kreuzfahrerreiche seit der Eroberung Jerusalems im Jahr 1187. Im Laufe des Jahres 1291 gingen infolge einer Offensive des ägyptischen Sultans Ḫalīl (✶um 1260 †1293) mit Tyrus, Akkon sowie Sidon die letzten Städte und mit Château Pèlerin sowie Tortosa die letzten Kreuzfahrerburgen an der Levante verloren. Anders als 1187 oder 1250 führte diese militärische Krise auch zu einer epistemischen Krise, infolge derer das über zwei Jahrhunderte hinweg akkumulierte Wissen über die Planung von Kreuzzügen vermehrt in Frage stand. Den Kern dieser Krise bildete der Umstand, dass die lebensweltlichen Erfahrungen der Kreuzzugsplaner nicht länger den Erwartungen entsprachen, welche das theistisch-okkasionalistische Deutungsschema ihnen nahelegte.135 Die durch diese Krise induzierte Neuauslegung umfasste indes nicht allein das theistisch-okkasionalistische Deutungsschema, sondern den gesamten Vorrat kreuzzugsbezogenen Wissens sowie die Prozesse der Akquise und Rechtfertigung jenes Wissens. Im Zuge dieser Neuauslegung wurden Kreuzzugsplaner sich schlagartig ihres Nichtwissens gewahr, was wiederum die Akquise neuen Wissens jenseits historischer Kenntnisse der Taten vergangener
Siehe dazu Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 38 f.: „Wir können sagen, dass die Fraglosigkeit meiner Erfahrung ‚explodiert‘, wenn appräsentierte Aspekte eines Gegenstandes bzw. antizipierte Phasen meines Bewußtseins, zur Selbstgegebenheit gekommen, mit der vorangegangenen Erfahrung inkongruent sind. Das bishin fraglose wird im Nachhinein in Frage gestellt. Die lebensweltliche Wirklichkeit fordert mich sozusagen zur Neuauslegung meiner Erfahrung auf und unterbricht den Ablauf der Selbstverständlichkeitskette. Der Kern meiner Erfahrung, den ich auf Grund meines Wissensvorrats > bis auf weiteres < als selbstverständlich an mir vorbeipassieren ließ, ist mir problematisch geworden, ich muss mich ihm nun zuwenden.“ Zum Problem einer radikalen epistemischen Krise siehe auch Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 27.
1.3 Die epistemische Krise der 1290er Jahre
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Kreuzfahrer sowie der biblischen Überlieferung notwendig machte, um sich auf die unsicher gewordene Zukunft vorbereiten zu können. Deutlich wird dieses Krisenmoment insbesondere in der Enzyklika Dirum amaritudinis calicem, mit der Papst Nikolaus IV. im August 1291 auf den Fall Akkons reagierte. Nachdem er die lateinische Christenheit von der Niederlage in Kenntnis gesetzt hatte, bat er umgehend um genuin neue Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes: Da wir also zur schnellen Rückeroberung des genannten Landes, wie sie die besondere Notlage erfordert, eingehende Untersuchungen beabsichtigen, bitten, erinnern und ermahnen wir euch alle ernsthaft, verschiedene sowie ausgefallene Wege und Möglichkeiten durch uns und durch andere sorgfältig zu prüfen, damit (...) das Land selbst zurückerobert werden kann und das zurückeroberte [Land] im Anschluss bewahrt werde (...).136
Angesichts dieser urgentissima necessitas schreckte Nikolaus also nicht wie einst Ludwig VII. davor zurück, etwas zu tun, das noch kein Kreuzfahrer zuvor getan hatte, und förderte aktiv die Erkundung neuer, bisher unbedachter Wege zur Durchführung eines Kreuzzuges. Der Fokus der von ihm eingeforderten Vorschläge lag dabei nicht wie noch in Salvator noster auf angrenzenden Themen wie der Kirchenreform, sondern allein auf dem Problem der recuperatio Terrae Sanctae. Neu war allerdings nicht nur die Ausrichtung, sondern auch die Reichweite der päpstlichen Bitte um Rat, denn im Unterschied zu Gregor X. im Vorfeld des Lugdunense adressierte Nikolaus nun erstmals auch Laien.137 Schon in Lyon waren damals erste Stimmen laut geworden, in der Kreuzzugsfrage neben dem hohen Adel (maxime nobilium) auch dem Ratschlag der Weisen, sowohl Gelehrter als auch Laien Gehör zu schenken, aber erst die durch den Fall Akkons ausgelöste epistemische Krise sorgte mit Nachdruck dafür, dass dies auch umgesetzt wurde.138 In der Kreuzzugsforschung wurde der Verlust der letzten lateinisch-christlichen Stützpunkte an der Levante als unmittelbarer Auslöser dieser Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens meist mit den tieferliegenden strukturellen Ursachen des Krisenbewusstseins verwechselt, sodass es schien, „as if plans and acts following the loss of the
RN, Nr. 6791–6792: Cum igitur ad recuperationem celerem dicte terre, prout eius urgentissima necessitas exigit, ferventibus studiis intendamus, vias et modos diversos et varios per nos et alios sollicitius exquirentes, ut (...) terra ipsa recuperari valeat, et recuperata in posterum conservari, universitam vestram monemus, rogamus et hortamur attente (...). Die an Laien adressierte Fassung von Dirum amaritudinis calicem ist in der zeitgenössischen Chronik Walters von Guisborough überliefert, vgl. Chronicon domini Walteri de Hemingburgh. Ed. Hamilton, Bd. 2, 27–29. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 205 f.: Aliud est, quod cum consilio sapientum tam literatorum quam etiam laicorum et maxime nobilium qui habeant negotium istud cordi, excogitentur cum diligenti examinatione omnia genera adjutoriorum, quae possunt, (...) et redigantur in scriptis sub brevi forma, et cum rationibus aliquibus, ut ista possint ostendi tempore suo insimul vel divisim illis, de quibus videbitur expedire.
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Holy Land were newly sprung events, a creation ex nihilo.“139 Wäre diese Einschätzung zutreffend, hätte es allerdings in Reaktion auf vorherige militärische Niederlagen zu einer vergleichbaren epistemischen Krise kommen müssen. Die Schlacht bei Hattin sowie die anschließende Eroberung Jerusalems hatten laut Richard bereits 100 Jahre zuvor „un véritable ébranlement dans la conscience chrétienne“ erzeugt.140 Der Chronist Roger von Howden behauptete, dass der englische König Heinrich II. über mehrere Tage hinweg sprachlos gewesen sei, nachdem er von der Niederlage erfahren habe, und Robert von Auxerre (✶1156 †1212) wusste gar zu berichten, Papst Urban III. (✶um 1120 †1187) sei aus Trauer über den Verlust Jerusalems verstorben.141 Anders als 1291 reagierten die Kreuzzugsplaner 1187 auf dieses als tragisch wahrgenommene Ereignis allerdings nicht mit dem Versuch der Wissensakquise, sondern mit dem Chiliasmus eines Joachim von Fiore oder Friedrich I., während „factors such as generalship, strategy, tactics, weaponry, and terrain, which modern military historians commonly adduce to explain the result of battles, were held to be of less importance than considerations of faith.“142 Auch die Niederlage von Ludwig IX. in Fāraskūr „was to send a shock wave through Western European society“, die den zeitgenössischen Erwartungshorizont veränderte, bewirkte allerdings keine mit 1291 vergleichbare epistemische Krise.143 Die Reaktionen auf die Niederlagen von 1187 und 1250 verdeutlichen wiederum, dass jene krisenhafte Erschütterung, die sich in Nikolaus’ Bitte um Rat Bahn brach, aus der militärischen oder politischen Geschichte heraus nicht hinreichend erklärt werden kann. Erst Schein hat den Wandel in der Planung von Kreuzzügen seit dem zweiten Konzil von Lyon herausgearbeitet und damit auf eine in die Zeit vor 1291 zurückreichende Kontinuität derjenigen Entwicklungen hingewiesen, welche die Zeitgenossen den Fall Akkons im Gegensatz zur Niederlage bei Hattin als epistemische Krise wahrnehmen ließen.144 Anknüpfend an ihre Beobachtungen lässt sich konstatieren, dass die zunehmende Prävalenz eines militärischen Relevanzsystems höfischen Kreuzzugsplanern den Blick auf neue Wissensbestände eröffnet hatte, die ihnen zuvor zwar prinzipiell zugänglich gewesen wären, jedoch als irrelevant für die Organisation eines Kreuzzuges gegolten und bestenfalls in Form impliziten Wissens oder routinemäßigen Handelns in
Schein, Fideles Crucis (1991), 8. Für Vertreter dieser Auffassung siehe u. a. Atiya, Crusade (1970), 29; Leopold, Holy Land (2000), 8. Richard, 1187 (1992), 254. Zu den Reaktionen auf die Niederlage bei Hattin sowie die anschließende Eroberung Jerusalems siehe auch Cole, Perceptions (1993), 9–39; Schein, News (2005), 159–188; Seitz, Ende (2010), 39–42. Housley schätzt den Schock der Eroberung Jerusalems 1187 sogar als deutlich größer ein als den über den Verlust des Outremer 1291, vgl. Housley, Later Crusades (1992), 22. Roberti canonici s. Mariani Autissiodorensis chronicon. Ed. Holder-Egger, 252; Schein, News (2005), 161; Seitz, Ende (2010), 40. Cole, Perceptions (1993), 9 f. Jordan, Louis IX (1979), 65. Siehe auch Richard, 1187 (1992), 260; Siberry, Criticism (1985), 193–195. Schein, Fideles Crucis (1991), 50 sowie in Anschluss daran García Espada, Enlargement (2014), 111 f.; Housley, Later Crusades (1992), 5; Paviot, Projets (2008), 19–22.
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die höfischen Planungen hineingewirkt hatten. Diese Wissensbestände traten Kreuzzugsplanern in Form schwer zugänglichen und ebenso schwer verständlichen Spezialwissens gegenüber, was wiederum das Bewusstsein des eigenen Nichtwissens evozierte und Experten als Träger sowie Auslegungsspezialisten für jenes Wissen auf den Plan rief. In Bezug auf den Ursprung dieser Krisenwahrnehmung standen Kontingenzkultur und informationsorientierte Beratung also in einer dialektischen Wechselwirkung zueinander: Die kalkulierende Bezugnahme auf die Kreuzzüge ließ die Zeitgenossen ein Wissensdefizit in Bezug auf die Organisation von Kreuzzügen erkennen, aber dieses Bewusstsein des eigenen Nichtwissens konnte überhaupt nur in Konfrontation mit einem gesellschaftlichen Wissensvorrat entstehen, innerhalb dessen sich bereits verschiedene Bestände von Spezialwissen herausgebildet hatten. Das Wissen über das eigene Nichtwissen stieß die Suche nach epistemischen Erfolgsmodellen außerhalb der Kreuzzüge an, wobei für die verantwortlichen Kreuzzugsplaner meist das im Rahmen ihrer sekundären Sozialisation als sicher erfahrene Wissen den Ausgangpunkt dieser Entwicklung bildete.145 So ist es sicherlich kein Zufall, dass es mit Nikolaus IV. der erste Franziskaner auf dem Stuhl Petri war, der sich 1291 mit der Bitte um neue Wege und Möglichkeiten zur Rückeroberung des Heiligen Landes an die lateinische Christenheit wandte. Mendikanten wie er wurden bereits während ihrer Studienjahre an Klosterschulen und Universitäten mit der Vorstellung sozialisiert, es gebe Träger von Spezialwissen, die konsultiert werden können, um derartige Wissensdefizite zu kompensieren.146 Dementsprechend ist es überaus naheliegend, dass Nikolaus diese Handlungsroutinen auch auf die Planung von Kreuzzügen übertrug, als er sich infolge des Untergangs von Akkon mit der lebensweltlichen Notwendigkeit einer Neuauslegung kreuzzugsbezogener Erfahrungen konfrontiert sah. Die zeitgenössische Reaktion auf die päpstliche Bitte um Ratschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes fiel überwältigend aus: Insgesamt 14 verschiedene Memoranden über diesen Problemkomplex sind aus dem nur vier Jahre währenden Pontifikat von Nikolaus IV. überliefert.147 Im Gegensatz zu den Vorschlägen zum subsidium Terrae Sanctae, die Berater wie Bruno von Olmütz, Gilbert von Tournai oder Guillaume de Courcelles während des zweiten Konzils von Lyon diskutiert hatten, zeichneten sich die Rückeroberungsprojekte dieser neuen Generation von Kreuzzugsplanern allerdings durch eine spezifische Problemorientierung aus: Die Verfasser der an Nikolaus IV. adressierten Werke betonten bereits unmittelbar in der Präambel ihrer Texte, der folgende Ratschlag sei speziell zugeschnitten auf das recorrement de la Terre Sainte bzw. das passagium sanctum oder es werde im Folgenden gezeigt quo-
Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 141–148. Die Bedeutung der Franziskaner betont auch Gautier Dalché, Cartes (2010), 80. Fünf Werke stammen von höfischen Ratgebern oder Ratgeberkollektiven, neun weitere von kirchlichen Provinzkonzilen, siehe dazu unten Fußn. 148; 154.
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1 Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur
modo Terra Sancta recuperari podest. Durch diese Sprechhandlungen nahmen sie explizit die Position des Experten in Kreuzzugsfragen für sich in Anspruch.148 Zur Lösung des Rückeroberungsproblems führte die Mehrzahl dieser Kreuzzugsberater Spezialwissen aus zuvor nicht genutzten Beständen ein und versuchte durch diesen Wissenstransfer der päpstlichen Forderung nach neuen Wegen und Möglichkeiten zur Durchführung eines Kreuzzuges nachzukommen. Der katalanische Theologe Ramon Llull bezog sich in seinem Schreiben an Nikolaus IV. auf die Taktik der Scheinrückzüge, von der Konrad III. und Friedrich I. noch überrascht worden waren, und riet dem Papst: Die Sarazenen haben einen Vorteil im Krieg gegen die Christen, denn sie können vorstoßen und [sich wieder] zurückziehen, die Christen [aber] nicht, wegen [ihrer] zu schweren Bewaffnung.149 Llull beließ es indes nicht bei der Darstellung dieses Spezialwissens über die Taktik orientalischer Armeen, sondern leitete daraus eine Handlungsaufforderung ab: Um ihren Feinden gewachsen zu sein, so der Katalane, sollten die Kreuzfahrer leicht gepanzerte Reiter ausrüsten, die aufgrund ihrer Mobilität den Manövern der gegnerischen Kavallerie besser folgen könnten.150 Llull folgte einer für Expertenratschläge typischen Logik der Argumentation, indem er Präskription aus Deskription ableitete und somit das eigene Spezialwissen als Schlüssel zur bzw. Teil der Lösung lebensweltlicher Probleme präsentierte.151 Aufgrund der logischen Struktur dieser Art von Argumenten konnte ein und dasselbe Wissenselement eingesetzt werden, um unterschiedliche Vorschläge oder Projekte zu stützen. So verwies etwa auch Fidenzio von Padua auf die Taktik der Scheinrückzüge, versuchte allerdings nicht wie Llull durch Modifikation der Ausrüstung eine Manöverparität herzustellen, sondern warnte schlicht vor der leichtsinnigen Verfolgung gegnerischer Heere.152 Eine solche Form der operativen Ausrichtung des Wissens auf den Nutzen für den Kreuzzug und die Planung desselben hatten die im Vorfeld des Lugdunense konsultierten Ratgeber wie Wilhelm von Tripolis dagegen noch vermissen lassen. Mit der informationsorientierten Beratung durch Experten wie Ramon Llull oder Fidenzio von Padua verschwand die konsensorientierte Beratung jedoch keineswegs
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353; Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 358; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 328. Siehe dazu auch III.2.2.1. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 330: Saraceni habent avantagium ad bellandum contra christianos, qui possunt ire et redire; christiani non, propter nimias armaturas. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 330. Neben den arabischen Heeren setzte auch die byzantinische Armee auf diese Form der leichten Kavallerie, vgl. France, Warfare (2000), 54 f.; Thorau, Panzerreiter (2006), 66 f. Llulls Vorbild war jedoch höchstwahrscheinlich eine berittene Variante der katalanischen almogàvers, die bei den Kriegen auf der iberischen Halbinsel sowie gegen die Heere der Anjou auf Sizilien erfolgreich eingesetzt wurden. Zu den almogàvers siehe Marcos, Almogàvers (2005), 21–41 sowie II.2.3.1. Bubert, Gegensätze (2019), 234–240; Dümling, Träume (2017), 38–41; Hitzler, Wissen (1994), 13–30; Rexroth, Mittelalter (2006), 321–325; Ders., Expertenweisheit (2008), 19 f.; Schütz, Bürger (1972), 87 f. Siehe dazu auch Teil III.2.2.1. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 29.
1.3 Die epistemische Krise der 1290er Jahre
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aus den Kreuzzugsplanungen. Nikolaus IV. erreichte beispielsweise auch ein Schreiben des Königs von Neapel, Karl II. von Anjou (✶1254 †1309), in dem dieser nicht nur ein Kreuzzugsprojekt entwarf, sondern die Kirche auch zugleich um finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung dieser Pläne bat. Doch die neuentstandene Expertenkultur wirkte nun auch bis in die konsensorientierte Beratung hinein, denn Karl griff bei der Kompilation seines conseill immer wieder auf das Spezialwissen seiner Ratgeber zurück.153 Diese Amalgamierung konsens- und informationsorientierter Beratung im Prozess des Entwurfs von Rückeroberungsprojekten illustrieren auch die neun überlieferten consilia der Provinzkonzile, die einberufen worden waren, um auf die Bitte des Papstes zu antworten.154 Einerseits war der Konsens der Bischöfe für den Papst von Interesse, da ihre Diözesen einen Teil der wirtschaftlichen Last des Kreuzzuges tragen sollten, andererseits bestand ähnlich wie im Vorfeld des Lugdunense auch bei diesen Provinzkonzilen die Möglichkeit der Einflussnahme durch viri ydonei aus dem niederen Klerus.155 Die Verschränkung informationsorientierter Beratung und konsensorientierter Herrschaft illustriert der Bericht über die Zusammenstellung des entsprechenden consilium der Kirchenprovinz Canterbury in der Chronik des Benediktinermönches Bartholomew Cotton (†um 1321): Nach Erhalt der päpstlichen Enzyklika hatte der Erzbischof zunächst den gesamten Klerus aller Diözesen der Kirchenprovinz am 13. Februar in London und drei Tage später in Lambeth versammelt.156 Dort berieten die Kleriker anschließend aufgeteilt nach Diözesen über die Rückeroberung des Heiligen Landes und verschriftlichten anschließend die Ergebnisse ihrer Beratungen. Die schriftlichen consilia der einzelnen Diözesen wurden letztendlich vom Erzbischof zu einem finalen Report
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–361 sowie II.2.1.2. Wenn im Folgenden von den „Königen von Neapel“ die Rede ist, so handelt es sich um eine anachronistische Bezeichnung, die der rein pragmatischen Abgrenzung der Anjou-Herrscher über Süditalien von den aragonesischen Herrschern über Sizilien dient. Die Zeitgenossen aus beiden Reichen, die sich als Könige über das gesamte Königreich Sizilien sahen, hätten diese Unterscheidung freilich als Unverschämtheit empfunden. Zum Herrschaftsanspruch Karls siehe u. a. Borghese, Carlo I (2008), 181–184; Hélary, Problème (2010), 328; Kiesewetter, Karl II. (1999), 47. Die Memoranden sind nicht direkt, sondern durch Geschichtsschreiber wie Bartholomew Cotton überliefert worden. Die folgenden neun Werke sind erhalten: Sacrosancta Concilia. Ed. Labbé/Cossart/ Baluze, Bd. 14, 1193–1195 (Salzburg); Ebenda, 1197 f. (Mailand); Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 210–214 (Lyon); Ebenda, 214 f. (Arles); Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 580 f. (Reims); Ebenda, 581 f. (Sens); Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 90–94 (Tours); Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1098–1113 (Canterbury u. Norwich). RN, Nr. 6791–6792. Die Einladung des Erzbischofs richtete sich explizit an abbatibus, prioribus, et decanis, prepositis, archidiaconis, et aliis ecclesiarum prelatis, capellanis et conventibus universis cuiuscumque ordinis Cantuariensis provincie (...). Vgl. Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1100. Die tatsächliche Zahl der Teilnehmer aus dem niederen Klerus sind jedoch ebenso wenig überliefert wie die Prinzipien, nach denen innerhalb der einzelnen Diözesen und Konvente ausgewählt wurde, wer genau zu dem Provinzkonzil im Februar reisen sollte.
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1 Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur
zusammengefasst und an den Papst übermittelt.157 Diese Vorgehensweise entstammte der an den Schulen des 12. Jahrhunderts entwickelten Kommentarpraxis und ermöglichte es auch dem niederen Klerus der einzelnen Diözesen, sowohl an Herrschaft zu partizipieren als auch entscheidungsrelevantes Wissen an die Kurie zu übermitteln. Dabei kam dem Erzbischof eine hierarchisch begründete Gatekeeper-Position in der Validierung kreuzzugsbezogenen Wissens zu, welche dieser auch ausgiebig nutzte, um unliebsame oder unpassende Vorschläge einzelner Diözesen aus der finalen Zusammenfassung für den Papst zu entfernen.158 Auch in den Folgejahren blieben Ratgeber, die selbst politische Entscheidungsträger waren und vornehmlich aufgrund ihres Sozialkapitals konsultiert wurden, ein Teil der höfischen Kreuzzugsplanungen, weshalb die Beratung als Teil der konsensorientierten Herrschaft sich im Einzelfall nicht immer eindeutig von der informationsorientierten Beratung trennen lässt.159 Ungeachtet derartiger hybrider Formen der Beratung etablierte sich die neue höfische Expertenkultur in den Folgejahren ausgehend von der römischen Kurie auch an den Höfen anderer Herrscher, sodass die Nachfrage nach kreuzzugsbezogener Expertise sich in den 1290ern über einzelne Höfe hinaus zu einem lateineuropäischen Markt für Expertenratgeber ausweitete, in dessen Rahmen die Anbieter kreuzzugsrelevanten Wissens teilweise sogar an mehreren Höfen konsultiert wurden. Berater wurden also nicht mehr rein patrimonial, sondern auch aufgrund der ihnen zugeschriebenen Expertise konsultiert. Dementsprechend konnten sie auch aus anderen Herrschaftsverbänden stammen oder mehr als einen Herrscher in Kreuzzugsfragen beraten.160 Diese ‚Internationalisierung‘ der Rückeroberungsplanungen wurde durch den Umstand verstärkt, dass seit dem frühen 13. Jahrhundert die Approbation und finanzielle Unterstützung der Päpste für die Durchführung eines Kreuzzuges nötig waren. Nikolaus und seine Nachfolger waren jedoch nur dann gewillt, diese zu gewähren, wenn Herrscher ihre Rückeroberungspläne durch entsprechende Expertise zu stützen vermochten. Der bereits erwähnte König Karl II. von Anjou musste seine an Nikolaus IV. gerichtete Bitte um finanziellen Beistand bei seinen Kreuzzugsbemühungen in Form eines schriftlichen Expertenratschlages formulieren und griff dabei vermutlich auf externe Experten jenseits seines üblichen Ratgeberkreises zurück.161 Auf dem Konzil von Vienne 1311 trat diese Spezialisierung erneut deutlich zu Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1108–1113. In seinem Report für den Papst entfernte der Erzbischof beispielsweise die Behauptung des Provinzkonzils der Diözese Norwich, der Kreuzzug sei nur mit der Unterstützung von Kaiser Rudolf I. von Habsburg (✶1218 †1291) und den deutschen Fürsten erfolgreich durchführbar, vgl. Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1105. Bis in die Gegenwart hinein lassen sich politische Entscheidungsträger und Expertenratgeber nicht immer eindeutig voneinander trennen, vgl. Kusche, Politikberatung (2008), 116 f. So wandte sich der genuesische Mediziner Galvano di Levanto mit seinen Vorschlägen zur Rückeroberung des Heiligen Landes beispielsweise nicht allein an Papst Nikolaus IV., sondern auch an den französischen König Philipp IV., vgl. Wallmeyer, Kreuzzug (2017), 284–302. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–361. Zur Autorschaft des Werkes siehe II.2.1.2.
1.3 Die epistemische Krise der 1290er Jahre
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Tage, denn im Gegensatz zum Lugdunense forderte der Papst im Vorfeld des Viennense nur die Gutachten aller Teilnehmer zur Templerfrage und zur Kirchenreform, während die Gutachten in der Kreuzzugsfrage allein von ausgewählten Experten wie Ramon Llull eingeholt wurden.162 In den folgenden Dekaden wurde es schließlich üblich für alle Herrscher, die sich mit ihren Rückeroberungsprojekten an den Papst wandten, darauf zu verweisen, man habe sich im Vorfeld mit vielen ehrenwerten Männern beraten, von denen wir wissen, dass sie oft in Teilen des Outremer waren und von denen wir denken, dass sie alle Umstände des Unternehmens kennen.163 Am Ende diese Entwicklung hatte sich der „Kreuzzug-Experte“ als soziale Rolle am Hof etabliert, sodass in Sprechhandlungen auf ihn Bezug genommen werden konnte. Um seine humilitas gegenüber dem französischen König herauszustellen, gestand Galvano di Levanto beispielsweise, dass er in Bezug auf den Kreuzzug in den speziellen Eigenarten unkundig und [mit] den besonderen Bedingungen nicht vertraut sei, und implizierte damit, es gebe Akteure, die durch ihr Spezialwissen mit eben jenen Eigenarten vertraut und folglich für die Organisation eines Kreuzzugs notwendig seien.164 Diese neuen Experten für den Kreuzzug wurden von den Zeitgenossen sowohl räumlich als auch semantisch getrennt von den Ratgebern, die nach wie vor im Rahmen konsensorientierter Herrschaft konsultiert wurden. Deutlich wird dieser Umstand insbesondere in den eingangs erwähnten Kreuzzugsplanungen am französischen Hof, denn anhand der Überlieferung seitens der französischen Hofkanzlei lässt sich zeigen, dass König Philipp V. im Rahmen seiner Vorbereitungen immer zunächst einen kleinen Kreis aus Experten konsultierte, bevor er sich mit den Großen seines Reiches traf, um deren Zustimmung für sein Kreuzzugsprojekt zu gewinnen. In einem Schreiben an den Papst unterschied dessen unmittelbarer Nachfolger Karl IV. (✶1294 †1328) explizit die Fürsten und Prälaten, die als consiliarii regis fungierten, von diesen sapientes, welche als Experten für die Organisation eines Kreuzzuges hinzugezogen wurden.165 Die Beteiligung jener sapientes war das Ergebnis einer Expertenkultur, die aus dem Bewusstsein der Krise geboren wurde, und erklärt, warum König Ludwig IX. sich in Kreuzzugsfragen noch von polyvalenten Ratgebern wie Jean de Joinville beraten ließ, während sein Urenkel zu diesem Zweck fast ausschließlich Spezialisten heranzog.
Müller, Konzil (1934), 107. AA 3, 198, Nr. 91: molts prohomens (...), los quals nos sabem, que avien moltes vegades estat en les partes Doltramar, e les quals nos pensavem, que sabessen totes les circumstancies del fet. Ähnliche Formulierungen wie König Jakob II. von Aragon in diesem Schreiben an seine Gesandten an der Kurie wählten auch der französische König Karl IV. sowie der Johanniterorden in ihren Briefen an den Papst, vgl. RJF, Nr. 1685; Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 221. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 358: Fateor me proprie simplicitatis ignarum et condictionem [sic] propriam non expertum (...). Ähnlich äußerte sich 20 Jahre später auch der Bischof von Angers auf dem Konzil von Vienne, vgl. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290. RJF, Nr. 1685.
2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit Die Krise kreuzzugsbezogenen Wissens hatte im ausgehenden 13. Jahrhundert den Grundstein für eine neue höfische Expertenkultur gelegt. Die Krisendynamik allein erklärt jedoch nicht die Flut an Memoranden, Gutachten und Sachverständigenkommissionen, die lateineuropäische Herrscher fortan zu konsultieren pflegten. Warum also ließen Herrscher, die einen Kreuzzug planten, sich beraten und welche Anreize bestanden für die Tätigkeit als Ratgeber am Hof? Warum verbreitete sich die neue Expertenkultur in den 1290ern flächendeckend an den Höfen aller Herrscher, welche die Rückeroberung des Heiligen Landes planten? Jeder Versuch einer Antwort auf diese Fragen steht zunächst vor einem Quellenproblem, weil sich aus der Überlieferung die individuelle Motivation einzelner Personen für ihr Wirken als höfische Experten für den Kreuzzug in der Regel ebenso wenig erschließen lässt, wie die Motive politischer Entscheidungsträger, gerade diese Personen als Berater zu konsultieren. Aus diesem Grund werde ich im Folgenden die individuellen Beweggründe der jeweiligen Berater oder Entscheidungsträger ausklammern und meine Analyse stattdessen auf die strukturellen Anreize fokussieren, welche die höfische Ratgebertätigkeit beförderten. Dazu werde ich zunächst den Begriff des Kreuzzuges selbst in den Blick nehmen und argumentieren, dass dieser spätestens ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert einen leeren Signifikanten im Sinne von Laclau bildete, der offen für eine Vielzahl unterschiedlicher Rückeroberungsprojekte war (2.1). Anschließend werde ich herausstellen, dass die lateineuropäischen Herrscher vor allem zwei Anreize hatten, Expertenratgeber zu konsultieren. Einerseits versuchten sie angesichts einer kontingent gewordenen Zukunft Entscheidungssicherheit für ihr politisches Handeln herzustellen, andererseits sollten die Experten dieses Handeln gegenüber anderen legitimieren, um päpstliche Subsidien und Kreuzzugsprivilegien zu erlangen (2.2). Den Ratgebern eröffnete ihre Tätigkeit die Möglichkeit, ein Patronageverhältnis zu den von ihnen beratenen Entscheidungsträgern aufzubauen und auf diese Weise sowohl materielle Gegenleistungen von ihrem Patron zu erwirken als auch dessen politische Entscheidungen zu beeinflussen oder ihr persönliches Prestige am Hof zu mehren (2.3).
2.1 Der Kreuzzug als leerer Signifikant Die Kreuzzugsforschung laboriert bereits seit den 1970er Jahren an dem Problem, dass sich die Bezeichnung ihres Gegenstandes als „Kreuzzüge“ erst im Laufe des 17. Jahrhunderts etabliert hat und dementsprechend nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch des hohen Mittelalters entstammt. Paradoxerweise verfügte man während der Hochzeit der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert über keinen einheitlichen Ausdruck für dieses Phänomen. Der Terminus cruxata bzw. cruzada tauchte zwar erstmals im spähttps://doi.org/10.1515/9783111085067-003
2.1 Der Kreuzzug als leerer Signifikant
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ten 12. Jahrhundert auf, fand jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keinen Eingang in den zeitgenössischen Sprachgebrauch. Die Kreuzzugsteilnehmer bezeichneten das gesamte Unternehmen stattdessen analog zu militärischen Feldzügen als expeditio und nannten sich selbst peregrini, weshalb sie sich in den Quellen aus dieser Zeit oft nur schwer von unbewaffneten Orientpilgern unterscheiden lassen.1 Erst im Rahmen der kirchenrechtlichen Fixierung der Kreuzfahrerprivilegien während des Pontifikats von Innozenz III. etablierte sich mit dem Ausdruck crucesignati eine Bezeichnung für die Akteure, die unter dem Zeichen des Kreuzes kämpften.2 Für den Kreuzzug selbst lässt sich dagegen auch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch kein einheitlicher Begriffsgebrauch nachweisen. Die Zeitgenossen bezeichneten die Feldzüge in den Orient wahlweise als passagium ultra mare bzw. passagium sanctum oder auch negotium sanctum bzw. negotium Terrae Sanctae, seltener als bellum Dei. Seit dem Verlust von Jerusalem im Jahr 1244 findet sich auch vermehrt die Formulierung recuperatio Terrae Sanctae.3 Diese begriffliche Problematik hat in der Kreuzzugsforschung zu einer intensiven Debatte darüber geführt, welche Phänomene berechtigterweise als „Kreuzzug avant la lettre“ bezeichnet werden können.4 Im Laufe dieser Diskussion haben sich insbesondere zwei Positionen herauskristallisiert: Die selbsternannten Pluralisten verstehen „Kreuzzüge“ als „wars proclaimed or supported by the papacy, for which crusade indulgences and privileges were publicized and preached and whose combatants included men wearing the crusader’s cross and fulfilling vows of crusade (...).“5 Sogenannte Traditionalisten behaupten dagegen, der Kreuzzug „était une guerre sainte ayant pour objectif la récupération des lieux saints de Jérusalem par les chrétiens.“6 Die Vertreter beider Positionen bestimmen also die Extension des Kreuzzugsbegriffs
Zur Etymologie des Kreuzzugsbegriffs siehe insbes. Markowski, Crucesignatus (1984), 157–165; Paviot, Idée (2014), 17 f.; Rodríguez García, Cruzada (2016), 235–245; Weber, Mot (2011), 11–25. Der Ausdruck crucesignatus erscheint erstmals in einer Überschrift der Annalen von Monte Cassino, die vermutlich bei einer Überarbeitung des Manuskripts in den Jahren 1149/1150 hinzugefügt wurde, vgl. Chronica monasterii Casinensis. Ed. Hoffmann, 462. Bis der Ausdruck Eingang in den kirchlichen Sprachgebrauch fand, vergingen allerdings weitere 50 Jahre, vgl. Tyerman, Invention (1998), 27 f. Housley, Avignon Papacy (1986), 1; Tyerman, Invention (1998), 50 f. Ihren Ursprung hat die Debatte in Mayers Forderung nach einem klaren Kreuzzugsbegriff, vgl. Mayer, Geschichte (1965), 263. Für einen Überblick siehe Constable, Historiography (2001), 1–22; Sarnowsky, Kreuzzüge (2000), 29–31; Rüther, Kreuzzüge (2015), 23–29; Tyerman, Debate (2011), 216–235. Housley, Later Crusades (1992), 2. Der pluralistische Ansatz geht auf die Arbeiten von Riley-Smith zurück und hat insbesondere unter seinen Schülern viele Anhänger gefunden, vgl. Riley-Smith, Crusades (1978), 1–8; Phillips, Crusades (2014), 7 f.; Siberry, Criticism (1985), VII. Flori, Redéfinition (2004), 349. Für weitere Beispiele siehe insbes. Demurger, Papaute (2006), 115–131; Mayer, Geschichte (1965), 263; Ders., Kreuzzugsgeschichten (2008), 6–31; Richard, Histoire (1996), 7 f. Bei der Bezeichnung der Vertreter dieses Ansatzes als „Traditionalisten“ handelt es sich allerdings um eine Fremdkennzeichnung, die von Housley in die Debatte eingeführt wurde, vgl. Housley, Later Crusades (1992), 2 f.
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2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit
auf unterschiedliche Weise: Da Traditionalisten die Relevanz Jerusalems und des Heiligen Landes stark machen, gelten ihnen die Militärunternehmungen des deutschen Ritterordens im Baltikum ebenso wenig als Kreuzzug wie die päpstlichen sanktionierten Kriege gegen andere lateinische Herrscher oder die Feldzüge gegen muslimische Reiche auf der iberischen Halbinsel.7 Durch ihren Fokus auf die kirchenrechtliche Rahmung der Unternehmen erfassen Pluralisten zwar die vorgenannten Fälle, jedoch schließt ihr Ansatz im Gegensatz zu dem der Traditionalisten nicht jene Militäroperationen ein, welche wie der Orientfeldzug Kaiser Friedrichs II., die peregrinatio puerorum von 1212 oder der erste Zug der pastoureaux (1251) zwar auf das Heilige Land gerichtet waren, jedoch ohne päpstliche Autorisation erfolgten. Pluralisten stehen ferner vor dem Problem, sich die päpstliche Sicht auf die Kreuzzüge unreflektiert zu eigen zu machen, ohne den Umstand zu beachten, dass diese kirchenrechtliche Formalisierung des Kreuzzuges erst im frühen 13. Jahrhundert einsetzte und bereits unter den Zeitgenossen auf erhebliche Kritik stieß.8 Aus diesen Gründen hat Tyerman vorgeschlagen, zugunsten eines kontextimmanenten Kreuzzugsbegriffs vollständig von einer essentialistischen Bestimmung des Ausdrucks abzurücken, denn: „The crusade cannot adequately be defined in its own terms because it only existed in relation to the dictates of its shifting western context.“9 Die Differenzen der Kreuzzugsforscher spiegeln letztlich nur die Uneinigkeit der mittelalterlichen Zeitgenossen wider, denn selbst als Begrifflichkeiten wie crucesignatus oder das Wortfeld um passagium bzw. negotium sanctum im ausgehenden 13. Jahrhundert einmal etabliert waren, blieb deren Extension umstritten. Besonders deutlich werden diese Dissonanzen im Streit um die Vergabe temporaler wie spiritueller Kreuzfahrerprivilegien durch den Papst.10 Im August 1308 gewährte Clemens V. beispielsweise dem Johanniterorden Kreuzfahrerprivilegien und Kirchenmittel für ihren Feldzug zur Eroberung der Insel Rhodos, die zu diesem Zeitpunkt Teil des byzantinischen Reiches war. König Jakob II. von Aragon bestritt allerdings trotz der päpstlichen Entscheidung, dass es sich um einen Kreuzzug handelte, und sah es daher als gerechtfertigt an, dem Unternehmen seine finanzielle Unterstützung zu entziehen. Im Gegenzug forderte er den Papst auf, seinen Feldzug gegen das muslimische Emirat von
Siehe diesbezüglich insbes. Demurger, Papaute (2006), 130: „Qu’est-ce qui différencie croisade et guerre sainte? Ni les indulgences, ni la sauvegarde accordée par l’église, ni le fait de combattre les musulmans ou les païens (...) Alors quoi? Tout simplement Jerusalem. Dans la croisade, il y a Jerusalem et le pèlerinage pénitentiel.“ Mayer, Kreuzzugsgeschichten (2008), 11; Schein, Fideles Crucis (1991), 6; Flori, Redéfinition (2004), 340; Tyerman, Invention (1998), 4. Tyerman, Invention (1998), 5. Auf der Grundlage einer solchen kontextimmanenten Bestimmung des Kreuzzugsbegriffs vertritt Tyerman dann die zugegebenermaßen ikonoklastische Hypothese, es habe vor 1189 keine Kreuzzüge im eigentlichen Sinne gegeben, vgl. Ebenda, 8–29. An seiner These wurde sich in der Forschung freilich umfänglich abgearbeitet, so u. a. bei Jaspert, Polymythos (2004), 205–208; Maier, Konflikt (2001), 13–30; Phillips, Crusades (2014), 8. Zu den Privilegien der Kreuzfahrer siehe Brundage, Canon Law (1969), 144–158 sowie II.3.2.2.
2.1 Der Kreuzzug als leerer Signifikant
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Granada mit Kreuzfahrerprivilegien auszustatten.11 Eine besonders heftige Kontroverse verursachte der von Johannes XXII. (✶um 1245 †1334) im Dezember 1321 proklamierte Kreuzzug gegen die Visconti von Mailand. Da sein Vorhaben eng mit der päpstlichen Hegemonialpolitik in Oberitalien verknüpft war und sich überdies gegen andere Christen richtete, lehnten nicht nur die italienischen Ghibellinen, sondern auch Teile des Kardinalskollegiums die Pläne des Papstes strikt ab. Schon seine beiden Vorgänger auf dem Stuhl Petri hatten von diesem Instrument Gebrauch gemacht. Papst Bonifaz VIII. (✶um 1235 †1303) gewährte Kreuzfahrerprivilegien für all jene, die gegen Friedrich III. von Sizilien (✶um 1272 †1337) ins Feld zogen, und dessen Nachfolger Clemens V. erklärte kurzerhand den Kampf gegen die venezianischen Besatzer von Ferrara zum Kreuzzug.12 Eine kirchenrechtliche Bestimmung des Kreuzzugsbegriffs, die in derartigen Auseinandersetzungen für Klarheit hätte sorgen können, gab es trotz der intensiven Kodifizierungsprozesse innerhalb der Kanonistik des 13. Jahrhunderts nicht.13 Brundage zufolge betrachteten Kirchenrechtler den Kreuzzug als eine tagespolitische Ausformung des gerechten Krieges, die jenseits der formal fixierten Kreuzfahrerprivilegien keiner weiterführenden juristischen Reflexion bedurfte, und erörterten ihn dementsprechend nur in seltenen Fällen.14 Auch in militärisch-strategischer Hinsicht bestand keine Einigkeit darüber, wie ein Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes gestaltet sein sollte, zumal der historische Erfahrungsraum infolge der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens keine sicheren Handlungsroutinen bereithielt, nach denen die Planer sich bei der Konzeption künftiger Orientfeldzüge richten konnten. Unter dem Dachbegriff des passagium sanctum entwarfen die Kreuzzugsplaner des 13. und 14. Jahrhunderts dementsprechend Feldzüge gegen Ägypten, Konstantinopel, muslimische Emire in Nordafrika oder türkische Fürstentümer in Kleinasien, die allesamt der Rückeroberung der heiligen Stätten als Endziel dienen sollten. Selbst die Kaperung von Handelsschiffen im östlichen Mittelmeerraum konnte mit Kreuzfahrerprivilegien belohnt werden, sofern die Korsaren dem Papst glaubhaft versichern konnten, sie würden auf diese Weise den Handel mit muslimischen Reichen stören.15 Diesen rechtlichen und militärischen Unklarheiten standen weithin bekannte Symbole, Rituale und Narrative gegenüber, die fest mit dem Kreuzzugsbegriff verbunden waren. Dazu zählte zuvorderst der Schwur sowie die damit verbundene Zeremonie der Kreuznahme, die oft mit einem
AA 3, 198 f., Nr. 91; CGOH 4, 181, Nr. 4807. Siehe dazu auch Luttrell, Hospitallers (1998), 595–622 sowie III.2.3.2. Housley, Italian Crusades (1982), 170; Ders., Clement V (1982), 29–43; Ders., Later Crusades (1992), 244. Gilchrist, Erdmann Thesis (1985), 41; Hehl, Kreuzzug (1994), 311; Weitzel, Kreuzzug (2019), 254–260. Brundage, Canon Law (1969), 144–181. Zu den wenigen Kirchenrechtlern des 13. Jahrhunderts, die sich mit dem Kreuzzug selbst auseinandergesetzt haben, zählt der Dekretalist Heinrich von Segusa, vgl. Blumenthal, Gloss (2013), 89–122. Carr, Trade (2014), 115–134.
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2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit
feierlichen Gottesdienst im Beisein zahlreicher Fürsten und Prälaten zelebriert wurde.16 Auch die Kreuzzugsgeschichte verfügte über eine Fülle von Erzählungen und heroischen Figuren, die militärisch gesehen zwar nicht länger als Vorbild taugten, aber auf symbolischer Ebene weiterhin in Anspruch genommen werden konnten.17 Obwohl es also im 13. und 14. Jahrhundert eine etablierte Kreuzzugssymbolik und -terminologie gab, waren die Begriffe des „Kreuzzugs“ sowie des „Kreuzfahrers“ inhaltlich chronisch unterbestimmt. Diese Unterbestimmtheit führte zu der paradoxen Situation, dass die Kreuzfahrerprivilegien zwar kirchenrechtlich fixiert waren und mit der Rückeroberung des Heiligen Landes auch das Endziel aller Kreuzzugsbemühungen feststand. Es war jedoch weder geregelt, wer diese Privilegien berechtigterweise beanspruchen konnte, noch bestand Konsens darüber, in welchem Ausmaß ein Unternehmen zur Rückeroberung beitragen musste, um sich als Kreuzzug zu qualifizieren. Papst Clemens V. und die Johanniter bezeichneten die Eroberung von Rhodos gleichermaßen als passagium, weil künftige Kreuzfahrer die Insel als Stützpunkt nutzen könnten, um von dort aus das Heilige Land zurückzuerobern.18 Jakob II. von Aragon behauptete dagegen, bevor die Christenheit sich auf die Rückeroberung des Heiligen Landes konzentrieren könne, sei es zunächst erforderlich, die von Granada ausgehende Bedrohung zu neutralisieren.19 Geradezu abenteuerlich mutet die Argumentationskaskade an, mit der die päpstliche Seite den Kreuzzug gegen die Mailänder Visconti begründete: Da die lateineuropäischen Herrscher nur in Friedenszeiten gewillt seien, an einem Feldzug in den Orient teilzunehmen, und die Visconti durch ihr bellizistisches Treiben eben diesen Frieden gefährdeten, würde das militärische Vorgehen gegen sie auf lange Sicht zur Rückeroberung des Heiligen Landes beitragen und müsse folgerichtig mit Kreuzfahrerprivilegien unterstützt werden.20 Diese Argumentation verfing bei vielen Zeitgenossen freilich nicht und die aragonesischen Gesandten an der Kurie berichteten in der Folgezeit von der Unzufriedenheit vieler Kardinäle darüber, dass Johannes XXII. die für die Rückeroberung des Heiligen Landes bestimmten Kirchenmittel für seine Kriege in Italien eingesetzt hatte.21 Unter Verweis auf die Rückeroberung als fernen Fluchtpunkt aller Kreuzzugsbemühungen ließen sich demnach eine Vielzahl verschiedener Projekte und Wissenselemente diskutierten. Der Rekurs auf den Kreuzzug stand indes nicht allein den Herrschenden, sondern auch subalternen Bewegungen
Riley-Smith, Crusades (1977), 54 f.; Tyerman, Invention (1998), 22 f. Cassidy-Welch, Crusades (2017), 2–10; Jaspert, Polymythos (2004), 206–213; John, Godfrey of Bouillon (2018), 227–253; Nejedlý/Svátek, Histoires (2015), 11–15. CGOH 4, 181, Nr. 4807; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605–608. AA 2, 775–777, Nr. 485. Housley, Italian Crusades (1982), 65 f. Auf diese Weise hatten bereits die Päpste Martin IV. und Bonifaz VIII. die Vergabe von Kreuzfahrerprivilegien an die angevinische Seite im Sizilien-Konflikt begründet, vgl. Ders., Later Crusades (1992), 261. AA 2, 633 f., Nr. 401.
2.1 Der Kreuzzug als leerer Signifikant
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offen, wie etwa der zweite Zug der pastoureaux zeigt. Unter der Führung eines Hirten, der vorgab, eine Vision des Heiligen Geistes empfangen zu haben, brachen im Jahr 1320 eine Vielzahl von Menschen aus Nordfrankreich auf, um die iberische Halbinsel von den Mauren zu befreien, und bedienten sich dabei ebenfalls der etablierten Symbolik des Kreuzzuges.22 Die recuperatio Terrae Sanctae durch einen Feldzug der crucesignati galt auch nach den Niederlagen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an den Höfen lateineuropäischer Herrscher (und vermutlich auch in großen Teilen der Bevölkerung) noch als unbedingt förderungswürdige Sache. Diese positive Bewertung blieb unbeschadet von der fundamentalen Kritik, die Theologen seit Beginn des 13. Jahrhunderts immer wieder an den Unternehmungen geäußert hatten, die unter dem Oberbegriff des passagium oder negotium sanctum firmierten. Wie Siberry herausgestellt hat, bewegten sich kritische Stimmen wie Radulfus Niger (†um 1200) oder der Verfasser der Würzburger Annalen in einem theologischen Spezialdiskurs, dessen Inhalte die Kurie oder andere lateineuropäische Herrscherhöfe nie erreichten.23 Im 14. Jahrhundert blieb die recuperatio weiterhin positiv konnotiert, was auch Ratgeber für sich zu nutzen versuchten. Ramon Llull mahnte die Leser am Ende seines Liber de fine, dass jeder, der seine Kreuzzugspläne nicht unterstütze, gegen das bonum publicum et commune sündige.24 Herrscher wie Eduard I. oder Philipp IV. inszenierten ihre Kreuznahme in aufwendigen Zeremonien, die weithin signalisieren sollten, dass sie bereit waren, die heiligen Stätten der Christenheit zu verteidigen.25 Diese Rückeroberungsbemühungen wurden an den Höfen derart positiv wahrgenommen, dass die einzig legitime Form der Kritik darin bestand, wohlplatzieren Zweifel an deren momentaner Umsetzbarkeit zu äußern. Skeptiker wie der Bischof von Angers, der den frankopäpstlichen Rückeroberungsplänen auf dem Konzil von Vienne eine Absage erteilte, stellten dementsprechend nie die militärische Möglichkeit oder moralische Legitimität der Kreuzzüge in Frage. Stattdessen betonten sie, die Rückeroberung des Heiligen Landes sei notwendig, aber aus politischen Gründen momentan nicht realisierbar, weshalb man frühestens in 10 oder 15 Jahren einen erfolgversprechenden Versuch unternehmen könne.26 Laclau hat bei derartigen Phänomenen von einem „leeren Signifikant“ gesprochen und dabei auf Ausdrücke wie „Ordnung“ oder „Gerechtigkeit“ verwiesen. Sie artikulieren einen universalen moralischen Anspruch, bleiben als Begriffe jedoch unterbe-
Dubourg, Croisades (2015); Housley, Later Crusades (1992), 32. Siberry, Criticism (1985), 190–216. Ähnlich auch Seitz, Ende (2010), 103; Weitzel, Kreuzzug (2019), 262 f. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 290. Morris, King (2009), 355 f.; Prestwich, Edward I (1997), 121; Schein, Philip IV (1985), 123; Tyerman, Capetians (1986), 170–172. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290. Ähnlich argumentierte auch Kardinal Vital du Four im Jahr 1323 gegenüber Papst Johannes XXII., vgl. RJF, Nr. 1693.
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stimmt, sodass verschiedene gesellschaftliche Gruppen ihre jeweiligen Partikularinteressen universalisieren können, indem sie den leeren Signifikant damit füllen.27 Der Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes fügt sich nahtlos in diese Reihe ein, handelte es sich dabei doch laut Papst Nikolaus IV. um eine urgentissima necessitas, auf welche die gesamte Christenheit augenblicklich hinwirken sollte.28 Weltliche Herrscher konnten sich folglich als Vorkämpfer des christlichen Glaubens und der heiligen römischen Kirche inszenieren, indem sie sich an die Spitze der lateineuropäischen Rückeroberungsbemühungen setzten und die Planungen für einen Kreuzzug aufnahmen.29 Ihren universalen moralischen Anspruch erzeugen leere Signifikanten laut Laclau dadurch, dass sie die Gegenwart als negativ und somit veränderungswürdig kennzeichnen, aber zugleich auf eine positive Zukunft verweisen, die insgesamt jedoch vage bleibt. Eine konkrete Bedeutung können leere Signifikanten indes erst erlangen, wenn sie mit Praktiken oder Wissenselementen verknüpft werden – im Fall des Kreuzzuges etwa mit der Eroberung von Rhodos oder dem Kampf gegen die Visconti.30 Der Versuch politischer Entscheidungsträger und ihrer Ratgeber, die Leere des Kreuzzugsbegriffs mit Inhalt zu füllen, bildete demnach eine wichtige Triebfeder der höfischen Beratertätigkeit und öffnete die Kreuzzugsplanungen zugleich für eine Vielzahl militärischer und politischer Rückeroberungsprojekte.
2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung Fragt man nach der Organisation von Kreuzzügen im späten Mittelalter, so steht man umgehend einer großen Mehrheit unter den deutschsprachigen Mediävisten gegenüber, welche im Anschluss an die Arbeiten von Throop und Runciman die Ansicht vertreten, an den lateineuropäischen Höfen des 14. Jahrhunderts sei keine ernsthafte Kreuzzugsplanung mehr betrieben worden.31 Die Kreuzzugsidee, so heißt es, habe sich
Laclau, Empty Signifiers (2007), 36–46. RN, Nr. 6791–6792. RJF, Nr. 1562: Dominus autem rex [Karl IV. von Frankreich, Anm. d. V.], sicut ille qui sancte fidei christiane et sacrosancte Romane Ecclesie vult precipuus esse pugil, ad videndum et deliberandum super illis [d. Kreuzzug, Anm. d. V.] que Vestra Sanctitas [Johannes XXII., Anm. d. V.] sibi miserat, ommissis aliis suis negotiis, promptibus affectibus se convertit. Laclau, Future (2004), 279–281; Renner, Versöhnung (2011), 251–253. Throop, Criticism (1940), 283–291. Throops Einfluss in der Forschung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass seine Argumente in Runcimans bekannten Darstellungen der Kreuzzüge aufgegriffen wurden, vgl. Runciman, Decline (1971), 501–513. Diese Argumente konnten wiederum auf eine ältere deutsche Tradition bauen, so u. a. Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 1–10. Zu den Ausnahmen in der neueren deutschsprachigen Forschung zählen etwa Baumgärtner, Land (2012), 67–69; Brachthäuser, Kreuzzug (2016), 370–377; Müller, Kreuzzugspläne (1993), 13–23; Jaspert, Kreuzzüge (2020), 55–57.
2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung
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in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts „abgenutzt“,32 von der Rückeroberung der heiligen Stätten hätten Herrscher „nur noch im Sinne einer traditionellen Pflichtübung“ gesprochen,33 dabei habe ihnen jedoch an einer „realistischen Planung nicht[s] gelegen“,34 stattdessen seien allein wirtschaftliche und machtpolitische Erwägungen das vordergründige Motiv der Kreuzzugsplanungen gewesen.35 Die französische und vor allem die angelsächsische Kreuzzugsforschung zeichnet indes seit den 1980er Jahren ein gänzlich anderes Bild der spätmittelalterlichen Orientkreuzzüge:36 Siberry und Richard haben erstmals gegen die Hypothese einer sinkenden „Kreuzzugsbegeisterung“ im französischen Adel und der Bevölkerung argumentiert.37 Zeitgleich haben Schein, Tyerman und Housley in einer Reihe von Studien die teils umfangreichen päpstlichen, französischen sowie angevinischen Planungen zur Rückeroberung des Heiligen Landes entfaltet und deren Scheitern nicht auf den Niedergang einer abstrakten Kreuzzugsidee oder -bewegung, sondern auf politische Umstände wie den Hundertjährigen Krieg oder den Konflikt um Sizilien zurückgeführt.38 Diese Debatte ist schlussendlich auch von Relevanz für die Analyse der Anreize politischer Entscheidungsträger, Berater in Kreuzzugsfragen zu konsultieren, denn wenn es sich bei den höfischen Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts um nichts weiter als potemkinsche Dörfer handelte und den Zeitgenossen „der politische Wille, sich tatsächlich für die Befreiung des Heiligen Landes einzusetzen“,39 fehlte – welcher Anreiz könnte dann noch bestanden haben, ernsthafte Rückeroberungsvorschläge einzuholen? Gegen diesen Einwand lassen sich wiederum zwei aufeinander aufbauende Argumente anführen: Erstens fanden an den Höfen derjenigen Herrscher, die sich zur Rückeroberung des Heiligen Landes bereit erklärt oder gar das Kreuz genommen hatten, ohne Zweifel Beratungen über die Organisation des geplanten Kreuzzuges statt, wobei der faktische Umfang dieser Planungen je nach Herrscherhof mitunter signifikante Unterschiede aufwies. Dies lässt sich exemplarisch anhand der Kreuzzugspla Thorau, Kreuzzüge (2004), 111. Thier, Kreuzzugsbemühungen (1973), 76. Felten, Finanzierung (1991), 88. So u. a. Dirlmeier/Fouquet/Fuhrmann, Europa (2009), 249; Favreau-Lilie, Seestädte (2004), 203; Hilsch, Kreuzzüge (2006), 213 f.; Mantelli, Perdita (2013), 439; Mayer, Rez. von: Housley, Avignon Papacy (1986), 283 f.; Mayer, Rez. von Housley, Later Crusades (1992), 763 f.; Schmugge, Wandlungen (2008), 99–103. Siehe u. a. Demurger, Croisades (2006), 289–298; Housley, Avignon Papacy (1986), 229–331; Paviot, Idée (2014), 17–29; Richard, Histoire (1996), 465–486; Tyerman, God’s War (2007), 875–883. Siberry, Criticism (1984), 219 f.; Richard, Saint Louis (1983), 531–541. Siehe im Anschluss daran auch Hélary, Dégoût (2009), 29 f.; Paviot, Noblesse (2006), 69–84. Housley, Negotiations (1980), 166–185; Ders., Angevin Naples (1981), 548–556; Ders., Clement V (1982), 29–43; Ders., Later Crusades (1992), 12–45; Schein, Philip IV (1985), 121–126; Dies., Fideles Crucis (1991), 264–268; Tyerman, Philip V (1984), 15–34; Ders., Philip VI (1985), 25–52; Ders., Capetians (1986), 170–181. Mit dieser These knüpfen sie an die französische Forschung des 19. Jahrhunderts an, so etwa Delaville Le Roulx, France, Bd. 2 (1886), 83 f.; Mas Latrie, Histoire, Bd. 1 (1861), 506. Schmieder, Europa (1994), 109 f.
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nungen der Könige Philipp VI. von Frankreich (✶1293 †1350) und Eduard III. von England (✶1312 †1377) belegen, die etwa zeitgleich in den 1330er Jahren begonnen hatten und 1337 mit Beginn des Krieges zwischen den beiden Herrschern zu einem jähen Ende kamen. Philipp VI. hatte bereits 1331 gegenüber Papst Johannes XXII. seine Bereitschaft signalisiert, einen allgemeinen Kreuzzug zur Rückeroberung der heiligen Stätten anzuführen, und nahm nach längeren Verhandlungen mit der Kurie schließlich im Oktober 1332 in einer groß angelegten Zeremonie das Kreuz.40 Um die Planungen voranzutreiben, versammelte der König umgehend eine Sachverständigenkommission an seinem Hof, welche die Ratschläge externer Berater aus dem verbündeten Venedig und dem Umfeld der Kurie prüfte.41 Zu Beginn des Jahres 1334 sandte Philipp VI. dann eine kleine Flotte unter der Führung des königlichen Admirals Jean de Cepoy ad explorandos portus et passus, ad faciendas aliquas munitiones et praeparationes victualium pro passagio Terrae Sanctae in das östliche Mittelmeer.42 Im selben Jahr begann der König zudem, die Gelder für den Kreuzzug in einem neu eingerichteten trésor du saint passage zu sammeln, aus dem im April 1335 Galeeren für 17.250 Florin in Venedig gekauft und im darauf folgenden Herbst Nahrungsmittel im Wert von 11.200 tournesischen Pfund in der Mâconnais erworben wurden.43 Auch der englische König Eduard III. hatte sich gegenüber dem Papst dazu bereit erklärt, an einem Feldzug zur Rückeroberung der heiligen Stätten teilzunehmen, praktizierte jedoch im Gegensatz zu Philipp VI. weder die traditionelle Zeremonie der Kreuznahme noch leistete er einen Kreuzzugseid.44 Während der Parlamente der Jahre 1332 bis 1336 bekräftigte Eduard III. immer wieder gegenüber der englischen Aristokratie seine Bereitschaft, gemeinsam mit dem französischen König auf einen Kreuzzug zu ziehen – nur um während derselben Parlamente den Zeitpunkt seines Aufbruchs immer wieder aufzuschieben.45 Nachweise über Kreuzzugsplanungen am englischen Hof finden sich derweil allein in der diplomatischen Korrespondenz Eduards und seiner Gesandten mit anderen Herrschern.46 Hinweise auf interne consilia oder deliberationes zur Organisation des Kreuzzuges oder ein mit Philipps Sachverständigenkommission vergleichbares Gremium gibt es in den erhaltenen Quellen jedoch nicht. Aus den Aufzeichnungen des Exchequer ist überdies für 1334 und 1335 kein Versuch ersichtlich, Gel-
Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 134; RJ, Nr. 58207; 61324. Zu den französischen Planungen siehe insbes. Tyerman, Philip VI (1985), 25–52. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11; Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219 f., Nr. 109. Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 145. Siehe auch Diligences. Ed. Boutaric, 435 f. Fragment d’un compte d’Etienne de la Baume. Ed. Vayssière, 315. Ormrod, Edward III (2011), 181–187; Tyerman, England (1988), 246–252. TNA C 54/152/36d; TNA C 54/157/16d. Siehe dazu etwa das Schreiben an den König von Aragon (TNA C 54/149/36d) sowie die Gesandtschaften an den französischen Hof, die dort über die englische Teilnahme am Kreuzzug verhandeln sollten (TNA C 54/157/16d).
2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung
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der zum Aufbau eines Heeres oder einer Flotte für den Kreuzzug zu mobilisieren, obgleich dessen Beginn durch den Papst unter Zustimmung des englischen Königs auf den August 1336 festgelegt worden war.47 In Anbetracht des Umstands, dass die Überlieferung der englischen Verwaltung für diesen Zeitraum wesentlich dichter ist als die der französischen, steht also außer Frage, dass am Hof von Philipp VI. bedeutend umfangreichere Kreuzzugsvorbereitungen stattfanden und deutlich mehr Berater in dieser Sache konsultiert wurden als zeitgleich am englischen Hof. Nun mag man allerdings auch angesichts des Vergleichs beider Höfe weiterhin behaupten, die durchaus nachweisbaren Planungen am französischen Hof seien nichts weiter als eine durchdachte Scharade gewesen, um die eigentliche Motivation der Verantwortlichen zu verschleiern.48 Für eine Untersuchung kreuzzugsbezogener Expertenkulturen im Allgemeinen sowie der Anreize höfischer Ratgebertätigkeit im Speziellen ist es in Anbetracht des faktischen Umfangs der höfischen Planungstätigkeit jedoch nicht erforderlich, über die „tatsächlichen“ Absichten Eduards, Philipps oder ihrer Vertrauten zu spekulieren. Stattdessen reicht es vollständig aus, anzunehmen, dass die Vorbereitungen zur Rückeroberung des Heiligen Landes an den Höfen von Herrschern wie Philipp VI. gegenüber den politischen Entscheidungsträgern an der Kurie und an anderen Höfen den Anschein der Ernsthaftigkeit erwecken sollten. Auch eine Scharade benötigt, wenn sie denn glaubhaft von den eigentlichen Beweggründen der politischen Akteure ablenken soll, eine den zeitgenössischen Normen und Handlungsroutinen entsprechende Ausführung. Auch wenn es sich bei den Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts also tatsächlich nur um gut gespieltes Theater gehandelt haben sollte, so vermochte dieses Schauspiel offensichtlich viele der Zeitgenossen von seiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen und eignet sich allein deswegen für eine Untersuchung der politischen Beratung im späten Mittelalter. Folgt man diesem Gedankengang, so lassen sich zwei strukturelle Anreize für politische Entscheidungsträger ausmachen, in Kreuzzugsfragen Expertenratgeber zu konsultieren: Erstens vermochten Berater die politische Entscheidungsfindung zu unterstützen, indem sie Strategien zum Management und zur Vermeidung potentieller Risiken entwickelten. Zweitens ermöglichten die gemeinsam mit Expertenratgebern erarbeiteten Rückeroberungspläne es politischen Entscheidungsträgern, ihre Entscheidungen durch Verweis auf die Expertise ihrer Berater nach außen hin zu legitimieren. Diese Rechtfertigung durch Expertenratschläge zielte vor allem auf Päpste und andere kirchliche Würdenträger ab, von denen man erwartete, durch finanzielle Beihilfen zur Realisation der Unternehmung beizutragen.
TNA E 101/18–34. So etwa Felten, Finanzierung (1991), 96, der auch eingedenk der o. g. Umstände dafür argumentiert, Philipp VI. habe von Anbeginn seiner Kreuzzugsplanungen nicht die Rückeroberung der heiligen Stätten, sondern einen Krieg gegen den englischen König und die Konsolidierung seiner Kronfinanzen im Sinn gehabt.
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Ausgehend von den Annahmen der klassischen deutschen Anthropologie stehen politische Entscheidungsträger, wie alle anderen Akteure auch, vor einer Vielzahl von Möglichkeiten zu handeln, können jedoch üblicherweise nicht alle diese Handlungsmöglichkeiten auch realisieren. Da der logische sowie metaphysische Raum möglicher Handlungen nahezu unerschöpflich ausfällt,49 ist Gehlen zufolge eine „Selektion der Verhaltensweisen und Situationen“ erforderlich, damit „die Variabilität der Handlungen und die Unerschöpflichkeit der Dingansichten“ nicht zu Geltung kommen und das individuelle Handlungsvermögen lähmen können. 50 Dieser logische bzw. metaphysische Möglichkeitsraum wird wiederum einerseits durch soziale Normen, welche auch die Spielregeln des politischen Handelns bestimmen, begrenzt und anderseits durch Wissen eingehegt.51 Dem Wissen kommt in dieser Hinsicht also eine entlastende Funktion zu, denn es „hat die Aufgabe, die Welt mittels Typisierungen so auszulegen, dass sich der Möglichkeitsraum reduziert.“52 Indem sie für bestimmte Typen von Problemsituationen ein Set an lösungsrelevanten Handlungen präselektieren, transformieren soziale Normen und Wissen den Raum des logisch Möglichen in einen individuellen bzw. sozial geteilten Erwartungshorizont.53 Im Lichte der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens des ausgehenden 13. Jahrhunderts hatte sich dieser Horizont erwartbarer Möglichkeiten im Hinblick auf die Kreuzzüge allerdings radikal geöffnet, sodass politische Entscheidungsträger sich fortan einem Labyrinth von Handlungsmöglichkeiten gegenübersahen, ohne über gesichertes Wissen zu verfügen, welches ihre Selektion auf ein überschaubares Set an Handlungspfaden begrenzen konnte.54 Es waren dabei die Herrscher selbst, welche auf die Metapher der Handlungspfade zurückgriffen, wenn sie den Zweck von Beratungen über die Organisation von Kreuzzügen thematisierten; so sprach Papst Nikolaus IV., als er die lateinische Christenheit 1291 um Ratschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes bat, explizit von vias et modos diversos, die durch intensive Planungen und Beratungen erkundet werden sollen.55 Integrale Voraussetzung der von Nikolaus vorgeschlagenen Herangehensweise war allerdings nicht allein die Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens, sondern auch der bereits skizzierte Wandel in der zeitgenössischen Deutung der Kreuzzüge hin zu einer „Zurechnung kontingenter Schäden auf Entscheidungen“
Gehlen, Mensch (2004), 35–40. Gehlen, Urmensch (1964), 20 f. Siehe auch Luhmanns daran anknüpfende Ausführungen über die Reduktion von Umweltkomplexität, u. a. in Luhmann, Legitimation (1978), 41. Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 57; Luhmann, Komplexität (2009), 10; Walter, Kontingenz (2016), 96 f. Dümling, Träume (2017), 37. Siehe dazu auch Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 43–45; Luhmann, Systeme (1988), 45–51; Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 324–328. Zum Erwartungsbegriff vgl. Luhmann, Systeme (1988), 396–399: „Erwartung entsteht durch Einschränkung des Möglichkeitsspielraums. Sie ist letztlich nichts anderes als diese Einschränkung selbst.“ Zum Begriff des Erwartungshorizonts siehe Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 354–359. Siehe dazu I.1.3. Ähnlich auch Grünbart, Einleitung (2020), 8; Oschema, Astrologen (2018), 158–160. RN, Nr. 6791–6792. Ähnlich auch Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 303.
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der Kreuzfahrer.56 Für politische Entscheidungsträger kam es deshalb darauf an, neue Möglichkeiten im Umgang mit den (altbekannten) Risiken eines Orientkreuzzuges zu identifizieren, um die damit verbundenen Chancen nutzen zu können. Die Beratung durch Experten fungierte demnach für kreuzzugsorientierte Herrscher als „eine kontrollierte Ausweitung der Handlungsoptionen“ im Angesicht einer ungewiss gewordenen Zukunft.57 Die Zeitgenossen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts identifizierten dabei, meist auf Grundlage von Ereignissen aus der jüngeren Kreuzzugsgeschichte, vier Risiken bzw. pericula eines Kreuzzugs: Erstens mögliche Schäden an Leib und Leben der Kreuzfahrer, zweitens Schäden für die im Orient lebenden Christen, drittens ökonomische Schäden für die Kreuzfahrer und viertens Schäden am Ansehen der Kreuzfahrer sowie der römischen Kirche. Alle vier Risiken waren wiederum mit Gewinnchancen verbunden, welche gleichsam ihre Kehrseite bildeten: Erstens die metaphysische Chance auf Erlösung, zweitens die Chance auf eine Angliederung der Ostkirchen, drittens die Chance auf ökonomischen Gewinn und viertens die Chance auf Prestigegewinn. Feldzüge wie die Kreuzzüge bedeuteten für alle Beteiligten ein Risiko für Leib und Leben, weshalb Kriege und andere militärische Konflikte auch einen beliebten Untersuchungsgegenstand in der kulturwissenschaftlich orientierten Risikoforschung bilden.58 Der Schaden konnte dabei einerseits durch die direkte Gewalteinwirkung im Kampf eintreten, andererseits die Form von Krankheiten, Mangelversorgung oder Unfällen annehmen. Hinsichtlich der Lebensgefahr unterschied sich die mittelalterliche von der modernen Kriegführung allerdings in einer wesentlichen Hinsicht, da sowohl für christliche als auch für muslimische Kombattanten angesichts möglicher Lösegelder die Gefangennahme hochgestellter Opponenten üblicherweise von größerem militärischen Nutzen war als deren Tod.59 Im Fall der Kreuzzüge galt der mögliche Tod einzelner Teilnehmer im 12. und 13. Jahrhundert keineswegs als riskant, bedeutete er doch den sicheren Einzug ins Himmelreich. Diese Ansicht spiegelt sich im Diktum Bernhards von Clairvaux wider, nach dem die Orientkreuzzüge ein Schlachtfeld seien, auf dem es sich gefahrlos kämpfen ließe, weil der Sieg Ruhm, der Tod aber Ge-
Scheller, Kulturen (2019), 3. Siehe auch Luhmann, Soziologie (1991), 25. Für eine ausführliche Darstellung siehe I.1.2. Scheller, Kontingenzkulturen (2016), 15. Wie aus zeitgenössischen Fürstenspiegeln deutlich wird, handelt es sich dabei keineswegs um eine anachronistische Deutung. So u. a. Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 986: Qui ergo consiliatur, videtur timere et dubitare, ne aliquo infortunio contingente deficiat a consecucione optati boni vel incurrat aliquod dampnum vel aliquod aliud malum. Bröckling, Schlachtfeldforschung (2000), 74 f.; Füssel, Dämon (2017), 91 f.; Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 361; Scheller, Kulturen (2019), 7. Clauss, Absicherung (2019), 54 f.; Kortüm, Krieg (2001), 23.
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winn ist.60 Wie bereits gezeigt wurde, hatte dieses Deutungsschema angesichts wiederholter Niederlagen im Laufe des 13. Jahrhunderts allerdings an Attraktivität verloren, sodass die Kreuzzugsteilnahme allein keineswegs mehr als Garant für den Einzug ins Himmelreich galt und der Kreuzzug für jeden der Beteiligten auch auf metaphysischer Ebene zu einem riskanten Unternehmen wurde.61 Kreuzzugsplaner betrachteten allerdings auch im 14. Jahrhundert die Partizipation einer Kreuzfahrt in den Orient noch als Weg zur Erlösung, wenngleich diese nicht mehr noch wie zu Bernhards Zeiten für alle gewiss war, die das Kreuz genommen hatten.62 Die Chance auf Erlösung hatte sich also letztlich von der kollektiven auf die individuelle Ebene verschoben und die Kreuzzüge wurden zu einem Risiko, der metaphysische Gewinn für die einzelnen Teilnehmer zur Chance. Als besonderes Risiko erschien den Kreuzzugsplanern des 14. Jahrhunderts der mögliche Schaden für Leib und Leben der Herrscher, die das Kreuzfahrerheer anführen sollten. Für dieses Risiko führten sie zahlreiche historische Beispiele aus den vergangenen 200 Jahren Kreuzzugsgeschichte an, die von Kaiser Friedrich I., der 1190 im Fluss Saleph ertrank, über König Ludwig IX. von Frankreich, der 1270 vor Tunis der Ruhr erlag, bis hin zum englischen Herrscher Eduard I. reichten, der 1272 in Akkon nur knapp einem Giftattentat entging.63 Die Strategien im Umgang mit dem Risiko des Herrschertodes reichten wiederum von Management des Risikos bis hin zu seiner vollständigen Vermeidung. Philipp VI. konsultierte den Mediziner Guido von Vigevano, der für ihn einige Verhaltensregeln im Umgang mit dem orientalischen Klima schriftlich zusammenfasste, um so das Risiko zu reduzieren, dass der französische König während des Feldzugs erkrankte.64 Einen weiteren Teil der Abhandlung widmete er der custodia propter venenum, um Philipp VI. vor einem Giftanschlag zu schützen, wie er einst Eduard I. widerfahren war.65 Eine andere Herangehensweise bestand in der vollständigen Vermeidung dieses Risikos, so schlug eine von Papst Clemens V. zusammengestellte Beraterkommission vor, der Kreuzzug solle nicht von weltlichen Herrschern angeführt werden, weil deren Tod zugleich auch die Auflösung des Kreuzfahrerheeres bedeute.66 Ein weiteres Risiko sahen die Kreuzzugsplaner in dem Schaden, den ein fehlgeschlagener oder vorzeitig abgebrochener Kreuzzug für die im Orient lebenden Christen verursachen würde. Historische Beispiele dafür gab es jedenfalls genug, so betrachteten Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Ed. Winkler, Bd. 3, 656, Nr. 363: Habes nunc, fortis miles, habes, vir bellicose, ubi dimices absque periculo, ubi et vincere gloria, et mori lucrum. Übers. ebenda, 657. Siehe I.1.2. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 109 f.; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 290. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 113; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 412 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 225; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 348 f. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 33v–34r. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 39r–41r. Siehe dazu II.5.1. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 442.
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zeitgenössische Chronisten wie der sogenannte Templer von Tyrus die Eroberung von Akkon im Mai 1291 als Reaktion der ägyptischen Sultane auf die Proklamation eines Kreuzzuges durch Papst Nikolaus IV. im Jahr 1288. Erst nachdem die ersten Kontingente oberitalienischer Kreuzfahrer in der Levante eingetroffen waren und auch der englische König Eduard I. das Kreuz genommen hatte, so der Chronist, habe Sultan Qalāwūn (✶um 1222 †1290) den Waffenstillstand mit dem Königreich Jerusalem aufgekündigt und sei mit seinem Heer auf Akkon marschiert, um das Kreuzfahrerheer auf diese Weise eines möglichen Brückenkopfes zu berauben.67 Viele Kreuzzugsplaner teilten diese Interpretation der Ereignisse des Jahres 1291. So erinnerte der Bischof von León den französischen König Philipp IV. an die Reaktion Qalāwūns auf die Kreuznahme Eduards und Kardinal Pierre Le Tessier (✶um 1255 †1325) warnte Papst Johannes XXII. davor, den ägyptischen Sultan durch Kreuzzugsvorbereitungen unnötig zu erzürnen, weil dieser sich im Anschluss gegen die im Orient lebenden Christen wenden würde.68 Die mahnenden Stimmen kamen teilweise von den Betroffenen selbst, so äußerten die Gesandten des christlichen Königreiches Armenien gegenüber Johannes XXII. ebenfalls die Befürchtung, ein schlecht vorbereiteter Kreuzzug würde letztlich dazu führen, dass der ägyptische Sultan das weitgehend schutzlose Armenien überfallen würde.69 Päpste wie Johannes XXII. sahen in den Schutzgesuchen orientalischer Christen wie der Armenier allerdings auch eine Chance, Schismatiker in den Schoß der römischen Kirche (zurück)zuführen. Aus diesem Grund gingen die seit 1290 andauernden Unionsverhandlungen der Päpste mit der armenischen Kirche zumeist auch mit Phasen der Kreuzzugsvorbereitung einher.70 Darüber hinaus hatten die Orientkreuzzüge sich im Laufe des 13. Jahrhunderts zu einem Instrument päpstlicher Missionspolitik entwickelt. Dementsprechend wurden sie bereits auf dem zweiten Konzil von Lyon durch Ratgeber wie den Dominikanermeister Humbert von Romans als Möglichkeit diskutiert, besonders hartnäckige Schismatiker wie die griechischen Christen zu bewegen, den Primat des Papstes zu akzeptieren.71 Den dritten Chance-Risiko-Komplex bildete der potentielle Zugewinn an ökonomischem Kapital in Form von Geld oder einer Erweiterung des Herrschaftsbereichs, sowie umgekehrt das Risiko, dieses Kapitals verlustig zu gehen. Wie Riley-Smith herausgestellt hat, waren Orientkreuzzüge für alle Teilnehmer mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden und warfen nur in wenigen Fällen ausreichend Gewinn ab, um
Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 238 f. Siehe auch Röhricht, Eroberung (1880), 93–126; Stickel, Fall Akkons (1975), 25–27. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115; RJF, Nr. 1696. RJF, Nr. 1691. Boase, Kingdom (1978), 3–30; Dédéуan, Croisade (2015), 43–47; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 56–60; Mutafian, Royaume arménien (2001), 71–73; Preiser-Kapeller, Spielzüge (2018), 298–302. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 187–189. Siehe dazu auch Bombi, Celestine III (2008), 144–158; Ensenyat, Pacifism (2008), 137–144; Kedar, Crusade (1984), 131–135; Schmieder, Worlds (2016), 108–110 sowie II.4.3.3.
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diese Ausgaben zu decken.72 Ab dem 13. Jahrhundert wurden die Auslagen der Kreuzfahrer aus diesen Gründen zu immer größeren Teilen aus Kirchenmitteln bestritten, weshalb es nur wenig verwundern mag, dass im 14. Jahrhundert vor allem die Prälaten unter den Kreuzzugsplanern die große Menge Geldes, die durch jenes Unternehmen ausgegeben werden würde, als riskante Investition betrachteten, die in anderen Tätigkeitsfeldern wie etwa der Seelsorge möglicherweise besser aufgehoben wäre.73 Für weltliche Herrscher konnte der Kreuzzug durch sein moralisches Gewicht als leerer Signifikant also auch zur Legitimation von Steuern und Abgaben sowie bürokratischer Zentralisierung dienen. Jordan konnte zeigen, dass die französische Krone den ersten Kreuzzug Ludwigs IX. für eine bis dahin beispiellose Zentralisierung der Finanzverwaltung nutzen konnte, welche die Einnahmen des königlichen Haushaltes um ein Vielfaches erhöhte.74 Weltliche Herrscher sahen im Kreuzzug überdies eine Chance, neue Herrschaftsgebiete im Orient für sich oder ihre nahen Verwandten zu erobern. Die Könige von Neapel aus der Dynastie der Anjou sowie die Könige von Zypern aus der Dynastie der Lusignan erhoben beispielsweise gleichermaßen Anspruch auf die Krone von Jerusalem und hofften dementsprechend, das Königreich nach der erfolgreichen Rückeroberung durch die Kreuzfahrer regieren zu können.75 Andere Herrscher, allen voran König Jakob II. von Aragon sowie sein Bruder Friedrich III. von Sizilien, versuchten zunächst durch Heirat oder Titelkauf einen Anspruch auf die Krone von Jerusalem zu erwerben, bevor sie sich zu einem Kreuzzug in den Orient bereit erklärten.76 Der französische König Philipp IV. schlug 1306 vor, zunächst in einer Art Vorabkreuzzug Konstantinopel zu erobern, das anschließend durch seinen Bruder Karl von Valois (✶1270 †1325) regiert werden sollte.77 Der für die Durchführung dieser Unternehmungen erforderliche Aufwand an Menschen und Material war dagegen durchaus riskant, weil die Feinde des jeweiligen Kreuzfahrers dessen Abwesenheit und militärische Schwäche nutzen konnten, um ausstehende (Territorial-)Streitigkeiten zu ihren Gunsten zu entscheiden. In den 1330er Jahren zögerten Philipp VI. und Eduard III., einen
Riley-Smith, First Crusaders (2000), 109–123. RJF, Nr. 1702: magna quantitas peccunie que esset expensa in isto negotio [d. Kreuzzug, Anm. d. V.] (...). Ähnlich argumentierten auch Bischof Guillaume Le Maire sowie einige der Provinzkonzilien, die Nikolaus IV. 1291 in der Rückeroberungsfrage einberufen hatte, vgl. Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1105; Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 581 f.; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 291 f. Zur Kreuzzugsfinanzierung siehe II.3.2.1. Jordan, Louis IX (1979), 35–104. Borghese, Carlo I (2008), 181–184; Hélary, Problème (2010), 328; Hill, History, Bd. 2 (1948), 277–279; Kiesewetter, Karl II. (1999), 47 sowie II.2.1.2. AA 2, 701 f., Nr. 440; Schein, Fideles crucis (1991), 191 f. Atiya, Crusade (1970), 282–286; Housley, Later Crusades (1992), 158–162; Lalou, Karl von Valois (1991), 994. Einige Berater, darunter etwa Pierre Dubois oder der unbekannte Autor der Descriptio Europae Orientalis, adressierten explizit das Kreuzzugsprojekt Karls von Valois, vgl. Anonymi Descriptio Europae Orientalis. Ed. Górka, 24 f.; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 260.
2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung
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Kreuzzug zu unternehmen, da zu diesem Zeitpunkt gleich mehrere offene Konflikte zwischen den beiden Herrschern bestanden, zu denen unter anderem der Streit um die Gascogne und die französische Thronfolge sowie Philipps Bündnis mit dem schottischen Herrscher David II. (✶1324 †1371) zählten.78 Zugleich bot die Rückeroberung der heiligen Stätten als übergeordnetes Ziel der gesamten Christenheit allerdings auch einen trefflichen Anlass zum Friedensschluss. Eduard machte deshalb eine Lösung der Auseinandersetzung um die Gascogne zur Bedingung seiner Teilnahme an Philipps geplantem Kreuzzug.79 In diesem Fall war eine Beilegung des Konfliktes allerdings schlussendlich nicht erfolgreich, denn im Jahr 1337 eskalierte zwischen Eduard III. und Philipp VI. der Konflikt, welcher später als Hundertjähriger Krieg in die Geschichte eingehen sollte. Die Teilnahme an einem erfolgreichen Kreuzzug barg auch im 14. Jahrhundert das Potential eines erheblichen Zugewinns an Symbolkapital. Der venezianische Kreuzzugsberater Marino Sanudo versprach 1326 einem hochrangigen Entscheidungsträger am französischen Hof: Und wenn er mir in Zukunft glauben will, würde er sich einen ruhmvollen Namen machen, reich an irdischen und himmlischen Schätzen und Herrschaften sein und einen großen Nutzen für die gesamte Christenheit erzeugen.80
Zugleich trug ein fehlgeschlagenes Kreuzzugsunternehmen spätestens ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert immer auch das Risiko eines Ansehensverlustes für den Anführer und die Teilnehmer des Feldzuges in sich. König Heinrich II. von Zypern (✶1271 †1324), der 1291 ausgestattet mit päpstlichen Kreuzfahrerprivilegien vergeblich versucht hatte, die Stadt Akkon gegen das Heer des ägyptischen Sultans zu verteidigen, wurde seine Niederlage von zeitgenössischen Chronisten wie Thaddäus von Neapel als Zeichen göttlicher Missgunst ausgelegt und der Umstand, dass er die Auseinandersetzung überlebt hatte, galt ihnen als Ausweis der mangelnden Tapferkeit des Königs.81 Selbst ein bereits in der Planungsphase gescheiterter Kreuzzug konnte signifikante Folgen für das Ansehen eines Herrschers haben, wie der französische König Philipp VI. feststellen musste, nachdem er 1336 seine Pläne zur Rückeroberung des
Housley, Later Crusades (1992), 33–37; Ormrod, Edward III (2011), 170–172; 183–187; Tyerman, England (1988), 246–252; Ders., Philip VI (1985), 25–52. TNA C 47/29/2/2. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 296: Et si adhuc mihi credere vellet nomen sibi gloriosum acquireret, in divitiis et dominationibus terrenis et caelestibus habundaret et Christianitati toti commodum maximum proveniret. Ähnlich auch [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 368; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 296. Schein, Image (1986), 707 f.; Shagrir, Thadeus of Naples (2018), 148–156. Auch den Templern und Johannitern wurden die Niederlagen zur Last gelegt, die ihre Orden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegen muslimische Heere erlitten hatten, vgl. Demurger, Vie (1989), 274–285; Forey, Military Orders (1980), 317 f.; Ders., Military Orders (1992), 204–220; Sarnowsky, Johanniter (2011), 38 f.; Seitz, Ende (2010), 81–87.
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2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit
Heiligen Landes angesichts der drohenden Auseinandersetzung mit dem englischen König Eduard III. aufgegeben hatte. Nachdem Papst Benedikt XII. (✶1285 †1342) das französische Kreuzzugsunternehmen 1336 für beendet erklärt hatte, so der Chronist Matteo Villani, sei ein Geistlicher namens Andreas aus dem syrischen Antiochia nach Paris gereist und habe den König dort verflucht, weil er durch den abgebrochenen Kreuzzug die Gelder der Kirche veruntreut sowie eine Welle der Verfolgung über die orientalischen Christen gebracht habe. Der Chronist berichtet weiter, es sei eben jener Fluch gewesen, der im folgenden Krieg gegen Eduard III. die Niederlagen der französischen Seite bei Crécy (1346) und Poitiers (1356) verursacht habe.82 Für die englische Seite bot das uneingelöste Kreuzzugsversprechen Philipps VI. dagegen willkommene Munition in der propagandistischen Auseinandersetzung mit dem militärischen Gegner.83 Nicht nur weltliche Herrscher, sondern auch die Geistlichkeit, allen voran der Papst, fürchteten einen solchen Prestigeverlust. Als Johannes XXII. zu Beginn der 1320er gemeinsam mit dem französischen König Karl IV. einen Kreuzzug organisieren wollte, warnten gleich mehrere Kardinäle den Papst vor dem großen Schaden, den das Ansehen der römischen Kirche nähme, wenn die Planungen ins Leere führen würden, und rieten ihm aus diesem Grund dazu, erst gar keine Verhandlungen mit dem französischen König aufzunehmen.84 In derartigen Situationen traten die Berater mit dem Versprechen auf, die Risiken des Kreuzzuges durch Spezialwissen zu bewältigen, welches passgenau auf den Kreuzzug zugeschnitten war, und versuchten somit ihren eigenen Beitrag zur Rückeroberung des Heiligen Landes zu leisten. Ein Berater betonte beispielsweise 1332 gegenüber Philipp VI., er besitze zwar keine Streitwagen oder Pferde, könne dem König aber stattdessen etwas anbieten, was mindestens ebenso wichtig für die Rückeroberung der heiligen Stätten sei – nämlich seinen Ratschlag.85 Sofern es Ratgebern wie ihm gelang, ihr Wissen auf die Kreuzzüge zu beziehen, indem sie aufzeigten, wie sich mittels jenes Wissens der Möglichkeitshorizont im Hinblick auf die Kreuzzüge einhegen ließ, machten sie die Durchführung eines Kreuzzuges also zu einem kalkulierbaren Risiko und befreiten Herrscher von der „Bürde der Entscheidung“ zwischen mannigfaltigen Handlungsmöglichkeiten ungewissen Ausgangs.86 Expertenratgeber zu konsultieren, diente allerdings nicht nur der Entscheidungsfindung, sondern auch der Rechtfertigung dieser Entscheidungen. Die moderne Politik-
Croniche di Giovanni, Matteo e Filippo Villani. Ed. Racheli, Bd. 2, 213 f. Housley, Avignon Papacy (1986), 30. RJF, Nr. 1696; 1702. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 368. Kusche, Politikberatung (2008), 60. Verfasser zeitgenössischer Fürstenspiegel kamen zu einem ähnlichen Ergebnis, so u. a. Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 986: Est ergo unus modus in consiliis adhibendus, quod, quando aliquod factum regni proponitur, quanto illud pluribus modis fieri potest et quanto minus habet certas et determinatas vias, tanto per plus tempus est conliandum, ut de illis viis facilior et melior eligatur.
2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung
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wissenschaft hat ebenfalls herausgestellt, dass Politikberatung, insbesondere durch Experten, eine „Legitimationsressource für politische Entscheidungen“87 darstellt und politisches Handeln durch die Expertise der Berater gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen vermag. Die politische Beratung des Mittelalters unterscheidet sich in dieser Hinsicht allerdings von ihrem modernen Pendant: Einerseits war ihre Reichweite deutlich geringer, weil es eine (politische) Öffentlichkeit in der modernen Bedeutung des Ausdrucks im Mittelalter nicht gab,88 und andererseits ließ das Herrschaftsverständnis politischer Entscheidungsträger es nicht zu, die Verantwortung für politisches Handeln zu externalisieren. Statt auf einen „meta-topical space, in which members of society could exchange ideas and come to a common mind“,89 der die moderne Öffentlichkeit auszeichnet, zielte der legitimationsstiftende Aspekt kreuzzugsbezogener Beratertätigkeit auf drei sich teils überschneidende Kreise von Akteuren: Erstens die Fürsten und Prälaten des eigenen Reiches, zweitens die politischen Entscheidungsträger an durch den diplomatischen Austausch miteinander verbundenen Höfen und drittens die politischen Entscheidungsträger an der Kurie. Die vertikale Rechtfertigung politischer Entscheidungen gegenüber Fürsten und Prälaten war im Hinblick auf den Kreuzzug unabdingbar, weil Herrscher die militärische oder finanzielle Unterstützung des Magnaten ihres Reiches für den Kreuzzug benötigten. Bei dieser Form der Rechtfertigung spielte die informationsorientierte Beratung allerdings keine nachweisbare Rolle, sondern allein die Ratgebertätigkeit im Rahmen konsensualer Herrschaft.90 Statt auf die Expertise der von ihnen konsultierten Berater verwiesen Herrscher auf ihre Autorität oder die breite Zustimmung der Fürsten und Prälaten, um ihre Entscheidungen auf Hoftagen oder Parlamenten zu rechtfertigen. Auch die umgekehrte Vorgehensweise, also Beratern ex post die Verantwortung für Misserfolge zuzuschreiben und den jeweiligen Herrscher auf diese Weise von jeder Schuld freizusprechen, wurde nicht praktiziert, obgleich es angesichts einer Vielzahl ab-
Weingart, Politikberatung (2006), 36. Habermas, Strukturwandel (1990), 54–67; Schlögl, Anwesende (2014), 316–319. Die Mittelalterforschung hat dagegen in den 2000er Jahren immer wieder mit dem Öffentlichkeitsbegriff experimentiert, siehe u. a. Althoff, Kommunikation (2001), 7–9; Kintzinger/Schneidmüller, Öffentlichkeit (2011), 7–13; von Moos, Begriffe (1998), 161–192. Wenn Althoff allerdings davon ausgeht, die mittelalterliche Öffentlichkeit habe sich „aus den Mitgliedern der Führungsschicht selbst sowie aus ihren Vasallen und Gefolgsleuten, die ihre Begleitung bildeten“, rekrutiert, dann unterscheidet sich die Extension der seiner Bestimmung des Ausdrucks „Öffentlichkeit“ derart signifikant von unserer modernen Gebrauchsweise, dass fraglich ist, ob man in derartigen Fällen noch von „Öffentlichkeit“ sprechen sollte oder ob durch diese Diktion nicht ein gesellschaftlicher Teildiskurs privilegiert und zumindest graduelle, vielleicht sogar kategoriale Unterschiede verwischt werden, vgl. Althoff, Kommunikation (2001), 8. Taylor, Secular Age (2007), 196. Zum Konzept der konsensualen Herrschaft siehe Althoff, Colloquium (1990), 145–167; Ders., Kontrolle (2015), 11–23; Keller, Grundlagen (1985), 19–22; Patzold, Konsens (2007), 75–103; Postel, Herrschaft (2004), 1–25; Ruhe, Hiérarchies (2004), 109–123; Schneidmüller, Herrschaft (2000), 53–87 sowie I.2.1.
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2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit
gebrochener Kreuzzugsunternehmungen im 14. Jahrhundert ausreichend Anlässe dazu gegeben hätte. Dass Berater und ihre Expertise in der Kommunikation politischer Entscheidungen nicht thematisiert wurden, ist darauf zurückzuführen, dass vor allem Könige sich im späten Mittelalter gegenüber ihren Untertanen als alleinige politische Entscheidungsträger inszenierten – rex est imperator in regno suo, wie französische Juristen im 14. Jahrhundert wiederholt feststellten.91 Sich mit schlechten Beratern zu umgeben und ihren Vorschlägen zu folgen, war demnach ein Fehler des Herrschers, so der Dominikaner Vinzenz von Beauvais (✶um 1190 †1264) in seinem Fürstenspiegel, und nicht etwa der jeweiligen Ratgeber.92 Fragmente dieses durch Fürstenspiegel und juristische Traktate propagierten Deutungsschemas finden sich auch in den Abhandlungen von Kreuzzugsberatern. Der normannische Jurist Pierre Dubois stellte etwa gegenüber Philipp IV. heraus, an seinem Rückeroberungstraktat solle gemäß der Erfahrung und Klugheit seiner königlichen Majestät gekürzt werden, was kürzenswert erscheint und hinzugefügt werden, was nützlich ist (...).93 Wie illusorisch diese Aufforderung allerdings war, wird unmittelbar im Anschluss an die zitierte Textstelle deutlich, denn Dubois betonte umgehend, alternativ könnten die angesprochenen Korrekturen natürlich auch von den consultores vorgenommen werden, welche sein Werk sicherlich im Auftrag des Königs prüfen würden.94 Obwohl die epistemische Sonderstellung von Königen und Fürsten durch Prozesse der Wissensdifferenzierung längst erodiert war, mussten Herrscher wie Philipp IV. sie weiterhin betonen und vermochten die Expertise ihrer Kreuzzugsratgeber deshalb nicht zur Rechtfertigung ihres politischen Handels zu mobilisieren. Ein solches Erfordernis bestand in der horizontalen Kommunikation mit anderen Herrschern indes nicht, weshalb die Berater als Gesandte im diplomatischen Austausch zwischen den Höfen von Königen und Päpsten mitunter eine rechtfertigende Funktion einnehmen konnten. Expertenratgeber waren im frühen 14. Jahrhundert auch außerhalb von Kreuzzugsangelegenheiten ein fester Bestandteil aller Gesandtschaften, so wurden Felten zufolge „hochrangigen Repräsentanten (...) fast immer fachlich qualifizierte Spezialisten, Juristen und Finanzfachleute mitgegeben oder nachgeschickt.“95 Auch zu den Gesandtschaften, welche über Kreuzzugsfragen verhandelten, gehörten neben hochgestellten Würdenträgern wie Fürsten und Prälaten Rivière, Rex (1924), 580–586. Vinzenz von Beauvais, De morali principis institutione. Ed. Schneider, 64–68. Ähnlich argumentierte auch Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 994–998. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 248: detractis si que viderentur detrahenda, et superadditis expedientibus, secundum experienciam et prudenciam regie majestatis (...). Ähnlich äußerte sich auch Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3: Et spero in Altissimo Creatore, per famosam scientiam et bonitatem vestrae Sanctitatis [Johannes XXII., Anm. d. V.] undique divulgatam, quod ea agetis quae erunt bona et utilia huius rei. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 248. Felten, Verhandlungen (2004), 435.
2.2 Politische Entscheidungsträger und die Chancen der Beratung
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daher stets auch Expertenratgeber wie der Kreuzzugsveteran Othon de Grandson oder der Jurist Guillaume de Nogaret (✶um 1265 †1313), die den Vorschlägen ihres Herrn durch ihre Expertise Gewicht verleihen sollten.96 Verhandlungen in Kreuzzugsangelegenheiten tangierten jedoch meist auch andere diplomatische Angelegenheiten wie Bündnisse oder Friedensschlüsse, sodass Kreuzzugsexperten in ihrer Rolle als Gesandte oft eine Mehrfachfunktion erfüllen mussten. Der Bischof von Léon verfasste beispielsweise 1312 als kastilischer Gesandter am Hof Philipps IV. ein Kreuzzugsmemorandum, in welchem er dem König darlegte, wie Frieden und Eintracht vor dem Kreuzzug zwischen den christlichen Fürsten gefestigt würden,97 wenn dieser die Hochzeit einer französischen Prinzessin mit dem König von Kastilien-Léon arrangieren würde. Auch wenn Expertenratgeber einmal nicht selbst Teil einer Gesandtschaft waren, konnte ihre Expertise in der interhöfischen Kommunikation eine legitimatorische Funktion einnehmen. König Jakob II. von Aragon gab seinen Gesandten an der Kurie mit auf den Weg, sie sollten in Verhandlungen über den Kreuzzug darauf verweisen, dass er den Rat von molts prohomens de la ciutat de Barcelona eingeholt habe.98 Die Kurie bildete einen Spezialfall in der interhöfischen Kommunikation über die Rückeroberungsfrage, weil dem Papst bereits seit dem 12. Jahrhundert eine Schlüsselstellung bei der Proklamation von Kreuzzügen zukam. Weltliche Herrscher benötigten einerseits Kreuzfahrerprivilegien wie Sündenablässe, Exemtionen von Abgaben oder Schutzversprechen für ihre Gefolgsleute und hofften anderseits auf päpstliche Subsidien zur Finanzierung ihres Unternehmens.99 Die päpstliche Beteiligung an der Finanzierung von Kreuzzügen war bereits seit der erstmaligen Erhebung einer Kreuzzugssteuer im späten 12. Jahrhundert Gegenstand von Streitigkeiten gewesen, da Herrscher wie auch lokale Autoritäten seitens der Kurie unter dem ständigen Verdacht standen, die für den Kreuzzug bereitgestellten Geldmittel anderweitig eingesetzt zu haben.100 Zusammen mit den Geldern, die aus Spenden an die Kirche sowie dem päpstlichen Erlass von Kreuzfahrergelübden gewonnen wurden, waren die durch den Papst verliehenen Steuern im Laufe des 13. Jahrhunderts für die Kreuzfahrer zu unerlässlichen Geldquellen geworden, ohne die sich die Feldzüge nicht mehr finanzieren ließen. Gemeinsam mit anderen Kirchenmitteln deckten sie beim Kreuzzug des Prinzen Eduard in den Jahren 1270 bis 1272 ungefähr die Hälfte der Ausgaben.101 Im Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199–205; TNA E 101/308/31. Siehe dazu auch Forey, Otto of Grandson (2018), 79–93; Gouron, Guillaume de Nogaret (1998), 25–45; Hotzmann, Wilhelm von Nogaret (1898), 146–175; Rowland Clifford, Knight (1961), 107–118. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 117: ut pax et concordia firmaretur citra passagium inter christianos principes (...). Zur Bedeutung der Friedenssicherung im Vorfeld eines Kreuzzuges siehe Park, Protection (2018), 15–40 sowie II.3.2.2. AA 3, 198, Nr. 91. Zur Kreuzzugsfinanzierung siehe II.3.2.1. Constable, Financing (2016), 121–123; Tyerman, Crusade (2015), 218–220. Tyerman, England (1988), 195.
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14. Jahrhundert nahm diese Abhängigkeit von kirchlichen Mitteln weiter zu; so forderten die Berater des französischen Königs Karl IV. 1323 von Papst Johannes XXII., die Kirche solle 4/5 der jährlichen Kosten des geplanten Kreuzzugs tragen.102 Schon während des Pontifikats von Gregor X. hatte es Bestrebungen gegeben, die lokale Erhebung der Kreuzzugssteuer genauer zu kontrollieren, doch erst unter den avignonesischen Päpsten begann die Kurie, ihr ganzes bürokratisches Arsenal zur Nachverfolgung von Kirchenmitteln in Anschlag zu bringen.103 Im April 1307 sandte Papst Clemens V. einen Nuntius an den englischen Hof, um herauszufinden, wie die Steuer investiert wurde, die er dem englischen König zwei Jahre zuvor für den Kreuzzug gewährt hatte. Ähnlich wie sonst bei innerkirchlichen Visitationsverfahren üblich, sollte der englische Schatzmeister dabei zusammen mit den Bischöfen von Lincoln und London, die mit ihm für die Sammlung der Abgaben verantwortlich gewesen waren, dem päpstlichen Vertreter explizit darlegen, welche Summe eingenommen worden war und wie die Gelder anschließend eingesetzt wurden.104 Während Clemens V. die Verwendung der Kreuzzugssteuer nur im Nachhinein überprüfen ließ, versuchte sein Nachfolger auf dem Apostolischen Stuhl den Missbrauch päpstlicher Subsidien für den Kreuzzug bereits im Vorfeld zu unterbinden. Kurz nach seiner Papstwahl im Jahr 1316 hatte Johannes XXII. dem französischen König Philipp V. eine Steuer zur Rückeroberung des Heiligen Landes gewährt. Schon im Folgejahr begann der König damit, von den Einnahmen dieser Steuern in Narbonne eine Flotte bauen und im Umland Armbrustschützen ausheben zu lassen.105 Der Papst beauftragte umgehend einen Kanoniker namens Bérenger d’Olarges aus dem nahen Béziers damit, die Konstruktion der Schiffe ebenso wie die Rekrutierung der Schützen zu beaufsichtigen und die dafür getätigten Ausgaben genau zu protokollieren. Bérenger fertigte daraufhin über einen Zeitraum von einem halben Jahr eine detaillierte Liste an, auf der exakt festgehalten ist, welche Anzahl an Baumstämmen, Armbrüsten, Seilen, ja sogar wie viele Öllampen zu welchem Preis von der französischen Krone erworben worden waren.106 Berater wie Fidenzio von Padua oder Ramon Llull zeigten sich hinsichtlich des Einsatzes von Kirchenmitteln für den Kreuzzug ebenfalls höchst skeptisch und ermahnten Päpste und Prälaten glei-
RJF, Nr. 1848. Davon zeugt etwa der Liber decimationis des Bistums Konstanz, welcher 1275 angelegt wurde, um die Sammlung des Kreuzzugszehnten in der Diözese zu kontrollieren, vgl. Liber decimationis. Ed. Person-Weber, 44–48. Zum Versuch der avignonesischen Päpste, die Kollekte und den Einsatz päpstlicher Subsidien für den Kreuzzug zu kontrollieren, siehe Housley, Avignon Papacy (1986), 162–193; Le Roulx, Recouvrement (2015), 58–73. TNA C 54/124/10d. Siehe dazu Prestwich, War (1972), 191. RJF, Nr. 27. Sein Bericht ist im Vatikanischen Apostolischen Archiv erhalten und auszugsweise abgedruckt bei Bourel de la Roncière, Escadre (1893), 413–415.
2.3 Beratung und Patronage
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chermaßen, die Verwendung dieser Mittel durch weltliche Herrscher streng zu kontrollieren oder derartige Zuwendungen gleich vollständig zu unterlassen.107 Die päpstlichen Kontrollbestrebungen hatten auch signifikante Auswirkungen auf die Planung von Kreuzzügen, denn es brauchte mehr als reine Willensbekundungen, um die Unterstützung der Kurie für einen Kreuzzug zu erwirken. Kardinal Vital du Four (✶um 1260 †1327) schmetterte beispielsweise 1323 die Kreuzzugspläne der französischen Krone mit der Feststellung ab, es sei integral, dass in Hinblick auf den Kreuzzug alles sicher, zuverlässig und deutlich ist, bevor das Unternehmen begonnen werden kann.108 Oder anders gesagt: Ohne einen wohlausgearbeiteten Plan hatte der französische König vom Apostolischen Stuhl weder Kreuzfahrerprivilegien noch finanzielle Unterstützung für seine Kreuzzugsambitionen zu erwarten. Den Expertenratgebern weltlicher Herrscher kam deshalb die Aufgabe zu, mithilfe ihres Spezialwissens einen tragfähigen Rückeroberungsplan zu entwerfen, der Papst und Prälaten davon zu überzeugen vermochte, dass die Investition von Kirchenmitteln in das Projekt gerechtfertigt war. An der Kurie benötigte man derweil eigene Berater, die in der Lage waren, die vorgebliche Expertise dieser Expertenratgeber zu prüfen. Dadurch entwickelte sich die Kurie im 14. Jahrhundert zu einer Kontaktzone von Kreuzzugsberatern verschiedener lateineuropäischer Herrscher, die mit ihren Gutachten und Gegengutachten die kirchliche Nachfrage nach möglichst detaillierten Rückeroberungsplänen bedienten.109
2.3 Beratung und Patronage Der Tätigkeit als höfischer Ratgeber in Kreuzzugsfragen lag, ähnlich wie anderen Instanziierungen informationsorientierter Beratung an vormodernen Höfen, eine PatronKlient-Beziehung und nicht etwa ein interpersonell übertragbares Hofamt zu Grunde.110 Das Fundament dieser Beziehung bildete der Umstand, dass routinemäßiges Handeln bzw. Entscheiden im Rahmen der Kreuzzugsplanungen nicht länger möglich war und politische Entscheidungsträger wie Papst Nikolaus IV. als Reaktion darauf den gesellschaftlichen Wissensvorrat auf neues, problemrelevantes Spezialwissen hin zu durch Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 42; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 272. RJF, Nr. 1693: Petatur etiam ab ipso domino rege [Karl IV., Anm. d. V.] certificatio aliorum dubiorum que occurrerunt in isto negotio [d. Kreuzzug, Anm. d. V.], que ipse dominus noster papa plenius novit, quia omnino expedit quod omnia sint certa, firma, clara, antequam negotium inchoetur. Zu den Verhandlungen über den Kreuzzug zwischen französischer Krone und Kurie in den 1320ern siehe Balouzat-Loubet, Capétiens (2019), 154–156; Felten, Finanzierung (1991), 79–99; Housley, Negotiations (1980), 166–185. Wallmeyer, Kreuzzug (2017), 284–291. Zur Patronage siehe u. a. Eisenstadt, Patrons (1984), 48 f.; Hall, Relations (1979), 510–512; McLean, Art (2007), 4 f.; Reinhard, Freunde (1979).
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2 Die strukturellen Anreize der höfischen Beratertätigkeit
suchen begannen. Die Berater profitierten davon, dass der Kreuzzug ein leerer Signifikant war und sich folglich leicht mit einer Vielzahl an Projekten und Wissenselementen verknüpften ließ. Durch die epistemische Krise war jedes Spezialwissen, das sich plausibel auf den Kreuzzug beziehen ließ, zu einer gefragten Form inkorporierten Kulturkapitals an den lateineuropäischen Höfen geworden, das den Eintritt in ein bzw. Ausbau eines bereits bestehenden Patronageverhältnisses ermöglichte. Das auf diese Weise in Sozialkapital transformierte Kulturkapital konnten die Ratgeber anschließend einsetzen, um materielle Gegenleistungen zu erwirken, politische Entscheidungen zu beeinflussen und ihr Prestige zu mehren. Der Versuch, mit den durch sie beratenen politischen Entscheidungsträgern in ein Patronageverhältnis zu treten, lässt sich für nahezu alle Ratgeber nachweisen, deren Biographie ohne größere Lücken rekonstruiert werden kann. Bevor er sich 1307 mit einem Traktat über die Rückeroberung des Heiligen Landes an Philipp IV. wandte, hatte Pierre Dubois bereits mindestens drei weitere Abhandlungen für den französischen König und weitere Entscheidungsträger an dessen Hof verfasst, darunter eine Summaria brevis über die Beschleunigung der Rechtsprechung sowie zwei Traktate gegen Papst Bonifaz VIII., der sich mit Philipp in einer Auseinandersetzung über die Besteuerung des Klerus befand und den König der Häresie bezichtigt hatte.111 Auch nach Fertigstellung seines Rückeroberungstraktats richtete Dubois weitere Eingaben an den französischen Hof: 1308 äußerte er sich mit einer Oppinio zur Templeraffäre und der Ermordung Albrechts I. von Habsburg (✶1255 †1308), kurze Zeit danach verfasste er ein Memorandum über den Kreuzzugsablass und fünf Jahre später nahm er zu dem päpstlichen Turnierverbot Stellung.112 Auf den Versammlungen der Generalstände, denen Dubois in den Jahren 1302 und 1308 als Vertreter der Bailliage Coutances beigewohnt hatte, erwies der Jurist sich ebenfalls als Advokat französischer Kroninteressen, wovon seine volkssprachlichen Pamphlete gegen Bonifaz und den Templerorden zeugen.113 In Anbetracht der dürftigen Überlieferung seines Oeuvres, welche nahezu ausschließlich auf zwei Sammelhandschriften fußt, ist es durchaus wahrscheinlich, dass sein publizistisches Wirken sich in den genannten Werken nicht erschöpfte und
Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 348–519. Zu seinen beiden an den König gerichteten Kampfschriften gegen Papst Bonifaz VIII. zählte die nur fragmentarisch überlieferte Deliberatio (...) contra epistolam Bonifacii papae VIII (BNF Ms. Lat. 10919, fol. 4v–6r) sowie ein weiteres Werk mit dem Titel Raciones inconvincibiles, welches Dubois nach eigener Aussage im Jahr 1302 an Richard Leneveu, den späteren Bischof von Béziers, gesandt hatte, mit der Bitte, es dem französischen König zu übergeben. Die Raciones sind allerdings nicht erhalten, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 254. BAV Reg. Lat. 1642, fol. 42v; Pierre Dubois, Oppinio. Ed. Langlois, 131–140; Ders., De torneamentis. Ed. Long, 71–79. Papst Clemens V. hatte zuvor mit der auf den 14. September 1313 datierten Bulle Passiones miserabiles mit Blick auf den bevorstehenden Kreuzzug das Abhalten von Turnieren vollständig untersagt, vgl. RC, Nr. 10023; 10043. Für eine Edition der drei Pamphlete siehe Pierre Dubois, Supplication. Ed. Dupuy, 214–219; Ders., Requête. Ed. Boutaric, 180 f.; Pamphlet de Pierre Dubois. Ed. Boutaric, 175–179.
2.3 Beratung und Patronage
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am französischen Hof darüber hinaus noch weitere Schriften des normannischen Juristen eingegangen sind.114 Nachdem sie Dubois zeitweise als graue Eminenz hinter der Politik Philipps IV. vermutet hatte, ist die Forschung sich inzwischen einig, dass seine an den König gerichteten Werke Talentproben darstellten, mithilfe derer der „Provinzanwalt aus Coutances“ seine Tauglichkeit als höfischer Ratgeber unter Beweis zu stellen gedachte.115 Dubois selbst offerierte dem französischen König in seinem Rückeroberungstraktat auf geradezu aufdringliche Weise seine Dienste: Der Verfasser dieses Werkes ist bereit, alle zuvor genannten Angelegenheiten zu organisieren, obwohl er das große Einkommen aus seiner Position als gerichtlicher Advokat in den Sachen der hochehrenwerten Könige der Franken und Engländer sowie in anderen [Angelegenheiten] der Kirche und sein Leben in dem Land seiner Geburt aufgeben müsste (...).116
Derart deutliche Offerten waren allerdings unüblich für Ratgeber, die als Experten für den Kreuzzug einen politischen Entscheidungsträger als Patron gewinnen wollten. Direkte Gegenleistungen für einen Ratschlag einzufordern, verletzte offenbar die ungeschriebenen Regeln der Patron-Klient-Kommunikation und wurde deshalb von den meisten Beratern tunlichst vermieden. Dubois’ allzu forsches Vorgehen in dieser Sache ist sicherlich ein Grund dafür, dass seine höfischen Karriereavancen zeitlebens unerfüllt blieben.117 Andere Ratgeber, die als Experten in Kreuzzugsfragen auftraten, waren in dieser Hinsicht deutlich erfolgreicher als Pierre Dubois. Dazu zählen etwa der genuesische Mediziner Galvano di Levanto sowie der Dominikaner Guillelmus Adae (✶um 1275 †um 1340): Galvano hatte sich wahrscheinlich im Jahr 1291 oder 1292 in Reaktion auf die päpstliche Bitte um Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes mit einem Liber sancti passagii christicolarum an Nikolaus IV. gewandt, wobei er wohl auf bereits bestehende Klientelbeziehungen zum Franziskanerorden bauen konnte.118 Obgleich der
Abgesehen von der Summaria brevis (BNF Ms. Lat. 6222C, fol. 1r–41r), stammen alle Werke aus den Sammelhandschriften BNF Ms. Lat. 10919; BAV Reg. Lat. 1642. Die ältere Forschung betrachtete Dubois aufgrund der Nähe seiner Vorschläge (z. B. bezüglich der Auflösung des Templerordens oder der Eroberung Konstantinopels) zur französischen Krone zunächst als geistigen Vater hinter der Politik Philipps IV., so u. a. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 48–51; Renan, Études (1899), 251–288. Mit den Arbeiten von Langlois und Zeck setzte sich allerdings die Auffassung durch, Dubois sei ein „Provinzjurist“ ohne nennenswerten Einfluss am französischen Hof gewesen, vgl. Langlois, De recuperatione (1891), XVII; Zeck, Publizist (1911), 47–74 sowie in Anschluss daran Brandt, Introduction (1956), 62; Jones, Rex (2003), 51–53; Rexroth, Pierre Dubois (2008), 309 f. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 206: Ad premissa vero omnia (...) paratus est et erit scriptor huis opusculi, dimisso magno questu publici advocationis officii causarum illustrissimorum dominorum regnum Fancorum et Anglorum et aliarum ecclesiasticarum, terreque sue natalis habitatione (...). Wallmeyer, Kreuzzug (2017), 300. Gautier Dalché, Cartes (2010), 83 f.; Leclerq, Galvano di Levanto (1966), 405–410. Von Galvanos Beziehung zu den Franziskanern in Genua zeugt ein Eintrag im Jahrzeitbuch des Konventes, vgl. Libro degli anniversarii. Ed. Promis, 395 sowie II.5.1.
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Papst nur wenige Monate später verstarb und somit unklar ist, ob er das Werk jemals zu Gesicht bekam, gelang es Galvano offenbar, eine Patronage-Beziehung zum genuesischen Adelsgeschlecht der Fieschi aufzubauen, das auch an der Kurie Einfluss hatte.119 Ausgehend von seinen Patronen an der Kurie versuchte er mit seinem Liber sancti passagii auch den französischen König Philipp IV. zu erreichen, die weitere Rezeption seiner Vorschläge am französischen Hof lässt sich allerdings nicht rekonstruieren.120 In den Folgejahren widmete er mehrere theologische und medizinische Werke, darunter einen Liber neophytus spiritualis thesauri indulgentiarum sowie einen Liber doctrine curative languoris leprosis, den Kardinälen Luca Fieschi (✶um 1270 †1336) sowie Pietro Valeriano Duraguerra (†1302) und schließlich auch Papst Bonifaz VIII. selbst.121 Das Schreiben über den Kreuzzug hatte Galvano zu diesem Zeitpunkt offensichtlich aufgegeben, da unter seinen Patronen an der Kurie vorläufig andere Themen als relevanter galten. Jenseits des mit dem Patronageverhältnis verbundenen Sozialkapitals lassen sich für Galvanos Fall allerdings keine weiteren Gegenleistungen nachweisen, die auf seine Ratgebertätigkeit zurückgehen. Zwar deutete der Mediziner zu Beginn seines Liber sancti passagii an, sich in finanziellen Schwierigkeiten zu befinden, es ist jedoch unklar, ob seine Patrone ihn in den Folgejahren in dieser Hinsicht unterstützten oder ob er möglicherweise überhaupt erst aus ökonomischem Interesse heraus deren Nähe gesucht hatte.122 Eine deutlich dichtere Überlieferung liegt hinsichtlich der Ratgebertätigkeit des Dominikaners Guillelmus Adae vor, der erstmals 1317 als Experte für Kreuzzugsfragen in Erscheinung trat, als er Kardinal Raymond-Guillaume de Farges (auch: Fargues) (†1346), einem Neffen des kurz zuvor verstorbenen Papstes Clemens V., ein Rückeroberungstraktat überreichte.123 Über den Kardinal erreichte das Werk offenbar Papst Johannes XXII. und wurde für den Dominikaner zum Grundstein einer fast 20-jährigen Beraterkarriere an der Kurie. Im Mai 1318 wurde Guillelmus durch den Papst zu einem der sechs Suffraganbischöfe der neugeschaffenen Diözese Soltaniye in Persien ernannt, nur wenige Jahre später wurde er Bischof von Smyrna (Izmir) in Kleinasien, im Oktober 1322 dann wiederum Erzbischof von Soltaniye und im Oktober 1324 setzte Johannes ihn schließlich als Erzbischof des serbischen Antivari (Bar) ein.124 Das Pallium als Erzbischof zu Soltaniye und Antivari empfing er jeweils aus den Händen seines alten Pa Gautier Dalché, Levanto Galvano da (2005), 733–736. Die einzige überlieferte Kopie des Rückeroberungstraktates von Galvano ist zwar an den französischen König Philipp IV. adressiert, aber ein Inventar der päpstlichen Bibliothek beweist, dass der Papst ebenfalls über mindestens eine Version des Werkes verfügt haben muss, die allerdings nicht erhalten ist, vgl. Inventar von 1339. Ed. Ehrle, 359, Nr. 368. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 364 f. Leclerq, Galvano di Levanto (1966), 410–416; Schimmelpfennig, Galvanus de Levanto (2004), 75 f. Gautier Dalché, Levanto Galvano da (2005), 733–736. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 22. Zum Adressaten des Werkes, Kardinal Raymond de Farges, siehe Guillemain, Cour pontificale (1962), 213; Lützelschwab, Clemens VI. (2007), 493 f. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 18–21, Nr. 1–2; 29–32, Nr. 8; 42–44, Nr. 17.
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trons, Kardinal Raymond de Farges, der seinen Aufstieg in der Kirchenhierarchie ursprünglich angestoßen hatte.125 Guillelmus hielt sich anschließend kaum in seinen Diözesen, sondern fast ausschließlich in Avignon auf, wo er auch ein Haus besaß.126 An der dortigen Kurie wurde er von Johannes XXII. wiederholt in Kreuzzugsfragen konsultiert: Auf dem Höhepunkt der Armenien-Krise im Jahr 1323 entsandte der Papst den Orientkenner nach Kleinasien, um dort den Kreuzzug und die Union mit den Ostkirchen voranzutreiben. Zwischen 1331 und 1334 beriet der Dominikaner Johannes XXII. bei dessen Verhandlungen mit dem französischen König Philipp VI., der mit päpstlicher Unterstützung einen Kreuzzug plante.127 In diesen Jahren verfasste Guillelmus höchstwahrscheinlich sein zweites Rückeroberungstraktat, das als Directorium ad faciendum passagium transmarinum bekannt ist.128 Am Beispiel des Guillelmus Adae lässt sich illustrieren, wie Berater durch eine Patronagebeziehung ihr Expertenwissen in ökonomisches Kapital ummünzen konnten. So empfing der Dominikaner im Dezember 1324 vom Konsistorium den nicht unerheblichen Betrag von 80 Florin pro suo communio servicio und im darauffolgenden Jahr weitere 40 Florin.129 Nun wird auch deutlich, warum Guillelmus sich kaum in seinen Diözesen und spätestens ab 1324 fast ausschließlich in Avignon aufhielt: Seine Ernennung zum (Erz-)Bischof einer randständigen Diözese erlaubte es Johannes XXII., einem geschätzten Berater durch die damit verbundenen Benefizien ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen. Dies ermöglichte dem Dominikaner im Gegenzug den permanenten Aufenthalt an der Kurie in Avignon, wo der Papst ihn im Bedarfsfall stets als Experten konsultieren konnte.130 Guillelmus ist keineswegs das einzige Beispiel dieser Art; so vermachte König Jakob II. von Aragon im Juni 1305 Ramon Llull eine lebenslange Pension in Höhe von zwei Solidi (von Barcelona) pro Tag, nachdem der katalanische Theologe ihm zwei Monate zuvor mit seinem als Liber de fine betitelten Rückeroberungstraktat seine Kreuzzugsexpertise unter Beweis gestellt hatte. Ähnlich wie Johannes XXII. ging es auch Jakob II. darum, auf diese Weise einen wertvollen Ratgeber an seinen Hof zu binden, weshalb die Pension auf vier Solidi verdoppelt werden sollte, so-
Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 32 f., Nr. 9; 46 f., Nr. 20. 1328 hielt er im Dominikanerkonvent von Avignon eine Messe zum Jahrestag des heiligen Thomas von Aquin und 1330 eine weitere zum Jahrestag der heiligen Ursula, vgl. Omont, Guillaume Adam (1921), 284. Im Januar 1325 erhielt Guillelmus gar die päpstliche Erlaubnis, das Pallium auch außerhalb seiner Kirchenprovinz zu tragen, vgl. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 46 f., Nr. 20. Sein Haus in Avignon ist erstmals für den Dezember 1324 belegt, vgl. ebenda, 45, Nr. 18. Guillelmus war zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits aus dem Dominikanerorden ausgetreten, sodass sein Grundbesitz nicht in Konflikt mit seinem Armutsgelübde stand, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 214. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 35 f., Nr. 11; 38–40, Nr. 14. Zur Armenien-Krise siehe II.4.2.1. Zur Autorschaft des Directorium siehe II.4.1.1. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 44 f., Nr. 18–19. So argumentiert auch Lewy, Abessinier (2018), 214 f.
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lange Llull sich in curia nostra aufhielt.131 Zwei Monate später empfing Llull erneut Zuwendungen von seinem Patron, dieses Mal allerdings in Form von Sachleistungen, die 200 Solidi für Kleidung und weitere 300 für ein Pferd betrugen.132 Zu Beginn des Jahres 1308 bat der König den Bischof von Tortosa um eine Domherrenpfründe für Ramon Llull, aus deren Einkünften dieser seine Reise nach Avignon finanzieren sollte, damit der Gelehrte dort an der Kurie als Experte für die katalanischen Kreuzzugspläne werben konnte.133 Wie sich am Beispiel des Marino Sanudo illustrieren lässt, konnte nicht nur die dauerhafte Präsenz am Hof, sondern auch eine zeitlich begrenzte Tätigkeit als höfischer Kreuzzugsratgeber ökonomisch entlohnt werden. Nachdem er Papst Johannes XXII. im September 1321 ein umfangreiches Rückeroberungstraktat übergeben und in den folgenden Monaten an den kurialen Kreuzzugsplanungen mitgewirkt hatte, erhielt Sanudo im März des Folgejahres pro expensis suis vom Papst eine Art Aufwandsentschädigung in Höhe von 200 Florin. Drei Monate später bezahlte dieser ihm wiederum eine Brokatrobe, eine Tunika und eine Tasche im Wert von insgesamt 28 Florin, 5 Solidi und 6 Denari. Die beiden entsprechenden Posten in den päpstlichen Rechnungsbüchern waren dabei explizit an Sanudos Beratungstätigkeit in Kreuzzugsfragen (informatione passagii terre sancte) gebunden.134 Nachdem der Venezianer die Kurie 1323 in Richtung Paris verlassen hatte, wurden die päpstlichen Zahlungen dementsprechend eingestellt. Alle drei Beispiele zeigen zudem, dass die Höhe der Entlohnung von Kreuzzugsratgebern keineswegs auf der Grundlage ihrer Expertise, sondern an ihrem sozialen Status bemessen wurde. Die Patronage eines einfachen Dominikaners wie Guillelmus Adae erforderte geringere Geldsummen als die eines Aristokraten, der wie Marino Sanudo aus einem der alten Häuser Venedigs stammte. Die Transformation von kreuzzugsbezogenem Expertenwissen in ökonomisches Kapital folgte demnach einem System implizierter Regeln, welches von der Klientelismusforschung bereits hinlänglich beschrieben worden ist. Das inkorporierte Kulturkapital der Ratgeber ließ sich
Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 74, Nr. 37. Für die Beziehung zwischen Ramon Llull und Jakob II. siehe insbes. Hillgarth, Ramon Lull (1971), 64–71. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 76, Nr. 38. AA 2, 880, Nr. 558. Die zustimmende Antwort des Bischofs von Tortosa auf die Bitte des Königs von Aragon datiert auf den 22. Mai 1308, Ramon Llull hatte Jakob II. im Februar desselben Jahres gebeten, ihm bei seinen Ausgaben für die Reise nach Avignon zu helfen, vgl. AA 1, 879, Nr. 557. Marino Sanudo à Avignon. Ed. Faucon, 222: Die III mensis martii, de mandato domini nostri pape tradidimus domino Marino Sanudo alias Torcello de Venetiis, pro expensis suis et ex dono ipsius domini nostri, qui libros super informatione passagii terre sancte protaverat ipsi domino nostro – IIc floren. auri. Ebenda, 222 f.: Die XXVI mensis julii de mandato domini nostri pape, mandantis nobis per nobilem virum dominum Petrum de Via quod daremus vestes domino Marino Sanudo alias dicto Torcello de Venetiis, qui libros super informatione passagii terre sancte portaverat prefato domino nostro, pro vestibus, yeme proximo preterita, de tribus garnimentis, videlicet supertunicali, tunica et mantica, emptis pro eo a Lapo de Pistorio, mercatore curie romane, de panno marbrino de melinis, in quo fuerunt Ve canne et duo palmi, precio pro toto — XVIII flor. auri et V. sol. et VI den. turon. parv.
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nicht unmittelbar in finanzielle Gegenleistungen überführen, sondern diente dazu, eine Patronagebeziehung herzustellen. Anschließend konnte es vermittels dieses Sozialkapitals in ökonomisches Kapital überführt werden, da von einem Patron erwartet wurde, für seine Klienten auch in finanzieller Hinsicht zu sorgen.135 Die Position als höfischer Kreuzzugsexperte war somit eng an den jeweiligen Patron gekoppelt und ließ sich nach einem Machtwechsel nicht ohne Weiteres übertragen. Das musste schließlich auch Guillelmus Adae feststellen, als seine höfische Karriere nach dem Tod von Johannes XXII. im Dezember 1334 zu einem jähen Ende kam. Dieser hatte die wiederholten Beschwerden des Domkapitels von Antivari über die Abwesenheit des Erzbischofs jahrelang ignoriert, weil er Guillelmus als Ratgeber an die Kurie binden wollte. Sein Nachfolger Benedikt XII. benötigte die Expertise des Dominikaners jedoch nicht mehr und war deshalb nicht länger gewillt, Guillelmus’ Abwesenheit von dessen Diözese zu dulden. Dementsprechend begann der neue Papst in den folgenden Jahren damit, den Dominikaner unablässig zu bedrängen, sich endlich nach Antivari zu begeben, um dort sein Amt als Erzbischof auszuüben.136 Ob dieser der päpstlichen Aufforderung letztlich nachgekommen ist, lässt sich zwar nicht rekonstruieren, doch als Berater an der Kurie wurde er bis zu seinem Tod im Jahr 1341 nicht mehr konsultiert. Die Tätigkeit als Ratgeber war indes nicht nur ökonomisch vorteilhaft, sondern ermöglichte es den Beratern darüber hinaus, Einfluss auf die politischen Entscheidungen ihrer Patrone zu nehmen. Ramon Llull stellte in jedem seiner drei Rückeroberungstraktate heraus, dass es für den langfristigen Erfolg der Kreuzzüge unerlässlich sei, Missionarsschulen zu gründen, in denen die Sprachen des Orients gelehrt würden.137 Dieser Vorschlag war jedoch keineswegs üblich in den höfischen Kreuzzugsplanungen – eine vergleichbare Forderung findet sich allein im Werk des Pierre Dubois.138 Llull entwickelte den Plan der Missionsschulen derweil nicht erst in Auseinandersetzung mit den Kreuzzügen, sondern warb bereits 20 Jahre zuvor bei Päpsten und Königen vehement für den Aufbau derartiger Einrichtungen.139 Llulls Beispiel il-
Eisenstadt, Patrons (1984), 48 f.; Hall, Relations (1979), 510–512; McLean, Network (2007), 22; Wallmeyer, Kreuzzug (2017), 294–300. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 50 f., Nr. 23. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 328; 340–342; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 250; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 147 f.; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 150. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 118–120. Der von Pierre Dubois geplante Spracherwerb sollte allerdings vornehmlich der Ausbildung von Administratoren dienen, die das Heilige Land nach dessen Rückeroberung durch die Kreuzfahrer verwalten konnten, vgl. dazu Blattmann, Erziehung (2016), 174 f.; Kedar, Crusade (1986), 201; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 102; Schmidt, Bildungsreform (2003), 431. Schon in seinen frühen Werken, wie dem zwischen 1273 und 1274 entstandenen Liber contemplationis stellte Llull die Notwendigkeit des Spracherwerbs für Missionare heraus, vgl. Compagno, Missionary Intent (2013), 81. Im Jahr 1276 gelang es ihm sogar, König Jakob II. von Aragon zu überzeugen, auf Mallorca ein Franziskanerkloster zu gründen, in dem die arabische Sprache gelehrt werden sollte.
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lustriert demnach deutlich, wie Berater versuchten, Projekte, deren Umsetzung sie bereits seit geraumer Zeit verfolgt hatten, mit dem leeren Signifikant „Kreuzzug“ zu verbinden und auf diese Weise zu realisieren. Der katalanische Theologe war dabei keineswegs der einzige Ratgeber, der seine Partikularinteressen in seine Rückeroberungsvorschläge einfließen ließ. Der Johannitermeister Foulques de Villaret setzte sich ab 1306 gegenüber Papst Clemens V. dafür ein, einen Stützpunkt im östlichen Mittelmeerraum zu erobern, von dem aus künftige Kreuzzüge starten könnten. Zeitgleich arbeitete die Ordensführung daran, auf der geostrategisch wichtigen Ägäisinsel Rhodos eine eigene Territorialherrschaft zu etablieren, die keinen anderen Fürsten unterstellt war.140 In den Folgejahren gelang es Foulques mithilfe eines von Clemens mitfinanzierten Kreuzzuges die Insel zu erobern und auf diese Weise beide Ziele miteinander zu vereinigen. Rhodos und die umliegenden Inseln bildeten fortan sowohl ein eigenes Ordensterritorium als auch einen Ausgangspunkt für künftige Kreuzzüge im östlichen Mittelmeerraum.141 Der Umstand, dass der Kreuzzug als leerer Signifikant auf militärisch-strategischer Ebene unterbestimmt war, eröffnete Beratern die Möglichkeit, die Feldzüge mit ihren jeweiligen Partikularinteressen zu verbinden. Sowohl die Eroberung von Rhodos durch die Johanniter als auch Ramon Llulls Werben für Missionsschulen war dabei keineswegs Ausdruck des vielbeschworenen Niedergangs der Kreuzzüge zugunsten politischer Partikularinteressen, denn auch während der beiden vorangegangenen Jahrhunderte hatten Kreuzzüge politischen Machthabern als Instrument zur Durchsetzung eigener Interessen gedient. Als Beleg für diese These muss dabei nicht einmal die Eroberung Konstantinopels durch ein Kreuzfahrerheer im Jahr 1204 bemüht werden; es reicht der Verweis auf König Richard I. von England, den nachfolgende Generationen zum idealen Kreuzfahrer stilisierten. Mit seinem Kreuzfahrerheer eroberte er im Jahr 1191 auf dem Weg ins Heilige Land die Insel Zypern aus ähnlichen geostrategischen Erwägungen heraus wie der Johanniterorden 100 Jahre nach ihm Rhodos.142 Im 14. Jahrhundert war ein solches Vorgehen nur deutlich leichter als zu Richards Zeiten, weil der Kreuzzug sich inzwischen zu einem leeren Signifikanten entwickelt hatte. Herrscher in Kreuzzugsangelegenhei-
Das Kloster bestand bis 1443, die Sprachschule jedoch wahrscheinlich nur bis 1295, vgl. dazu insbes. Garcías Palou, Miramar (1977), 1–12. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1904), 274–276, Fußn. 2; Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 256–259; Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 320. Siehe dazu Failler, Occupation (1992), 113–135; Georgiou, Passagium (2013), 53–63; Housley, Clement V (1982), 29–43; Menache, Clement V (1998), 101–112; Luttrell, Hospitallers (1975), 278–288; Ders., Genoese (1997), 737–761; Ders., Hospitallers (1998), 595–622; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 223–228; Schein, Fideles crucis (1991), 219–233 sowie III.1.3.2. Für die Hypothese, dass Richard I. Zypern eroberte, um eine sichere Basis für den Transport von Nachschub in die von den Ayyubiden bedrohten Kreuzfahrerreiche zu schaffen, hat vor allem Gillingham argumentiert, vgl. Gillingham, Richard I (2002), 145 f. Zur Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1204 siehe insbes. Lilie, Byzanz (2004), 157–180.
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ten zu beraten, stellte demnach den beteiligten Ratgebern im 14. Jahrhundert ebenso wie ihren Vorgängern im 12. Jahrhundert in Aussicht, politisches Handeln über den gesamten Mittelmeerraum hinweg (in ihrem Sinne) mitgestalten zu können, und war bereits allein aus diesem Grund eine attraktive Tätigkeit. Deshalb finden sich in den Reihen der Kreuzzugberater auch nicht allein Akteure, die mithilfe ihrer kreuzzugsbezogenen Expertise einen neuen Patron gewinnen wollten, sondern auch solche, die bereits seit längerer Zeit als Berater das politische Handeln ihrer Förderer beeinflussten. Diese Akteure versuchten, ihr bisher in anderen Sachgebieten eingesetztes Wissen auch auf die Rückeroberung des Heiligen Landes anzuwenden und somit ihre bereits bestehenden Patronageverhältnisse aufrechtzuerhalten oder auszuweiten. Als Bischof Guillaume Durand von Mende im Dezember 1312 vom französischen König Philipp IV. erstmals um seinen Rat in Kreuzzugsfragen gebeten wurde,143 konnte der Kanonist Durand bereits auf eine veritable Karriere am französischen Hof zurückblicken: Im Jahr 1307 hatte er einen paréage mit Philipp IV. geschlossen, der ihm die Herrschaft über die Grafschaft Gévaudan sicherte, wenige Jahre später war er vom Papst mit der kirchenrechtlichen Untersuchung der Vorwürfe gegen den Templerorden beauftragt worden und 1311 hatte er als führender Vertreter der konziliaren Bewegung dem Konzil von Vienne seine Pläne zur Kirchenreform vorgestellt.144 Auch sein weiterer Aufstieg unter Philipp V., für den er als Prokurator die Erhebung der vom Papst für den Kreuzzug gewährten Steuer koordinierte,145 stand weniger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Kreuzzugsberater, sondern war wahrscheinlich vielmehr darauf zurückzuführen, dass der Bischof Philipps Anspruch auf die französische Krone gegenüber dessen Nichte Johanna (✶1311 †1349) unterstützt hatte. Durand gehörte zu den führenden Köpfen einer Kommission aus Rechtsexperten, die in den Jahren 1316–1317 mit ihren Gutachten Johannas Erbanspruch zurückwiesen und Philipp so den Weg auf den Thron ebneten.146 Sein Wirken als Kreuzzugsberater in höfischen consilia bzw. deliberationes, in deren Rahmen der Bischof auch selbst ein Memorandum verfasste und eine Sammlung von Rückeroberungstraktaten zusammenstellen ließ, war demnach nur ein kleiner Teil der Tätigkeit eines geschätzten königlichen Ratgebers, welcher Philipp V. beispielsweise auch als Gesandter in Kastilien, Flandern und England repräsentierte. Die enge Bindung der Berater an ihre Patrone machte die Ratgeberposition am Hof allerdings höchst abhängig von deren Wohlwollen, das sich unter Umständen auch durch kreuzzugsexterne Faktoren schnell ändern konnte. Durch sein Eintreten für den Konziliarismus und gegen den päpstlichen Machtanspruch auf dem Konzil von Vienne hatte sich Guillaume Durand mit Jacques Duèze den künftigen Papst Jo-
Lettres de Philippe le Bel. Ed. Roucaute, 141, Nr. 74. Bulmann, Court Book (2008), 74–81; Fasolt, Rezeption (1992), 71 f.; Viollet, Guillaume Durant (1921), 79–129. RJF, Nr. 1683; Journaux du trésor de Charles IV. Ed. Viard, 503 f., Nr. 2897. Balouzat-Loubet, Capétiens (2019), 114–119; Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 43 f.; Fasolt, Council (1991), 305–314; Viollet, Guillaume Durant (1921), 32–43.
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hannes XXII. zum Feind gemacht, der damals noch als Kardinal an der Versammlung teilgenommen hatte.147 Nach einer Auseinandersetzung über die vakante Position des Patriarchen von Jerusalem im Jahr 1318, für die der französische König Durand vorgesehen hatte, warf Johannes XXII. ihm vor, aus Eigennutz den Apostolischen Stuhl und die französische Krone voneinander zu entzweien. Im Anschluss verlangte der Papst von Philipp V., den Bischof nicht länger als Berater zu konsultieren oder als Gesandten an die Kurie zu schicken.148 Als Philipp sich daraufhin nach kurzem Protest von seinem Klienten trennte, ihn nicht länger mit Gesandtschaften beauftragte und nur noch okkasionell als Berater konsultierte, half Guillaume Durand die ihm zugeschriebene Expertise in Kreuzzugsfragen, seine Stellung am Hof zumindest partiell zu bewahren. In den 1320ern wurde er schließlich vom König sowie dessen Nachfolger nur noch im Zusammenhang mit der Rückeroberung des Heiligen Landes konsultiert und seine einzige Gesandtschaft führte ihn über Zypern nach Ägypten, wo er mit dem Sultan in nicht näher bekannten Kreuzzugsangelegenheiten verhandeln sollte.149 Bei Ratgebern, die bereits eine Patronagebeziehung etabliert hatten und wie Durand die Kreuzzüge ihrem Portfolio hinzufügen wollten, handelte es sich üblicherweise um Berater aus bereits am Hof erprobten Expertenkulturen, die angesichts der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens ihr in anderen Handlungszusammenhängen bereits anerkanntes Spezialwissen auf die Kreuzzugsproblematik zu übertragen versuchten. Beispielhaft für den Versuch, durch einen derartigen Wissenstransfer eine bereits bestehende Patronagebeziehung zu erweitern, ist der lombardische Mediziner Guido von Vigevano, der im Jahr 1335 ein als Texaurus regis Francie acquisicionis Terre Sancte betiteltes Rückeroberungstraktat für Philipp VI. verfasste.150 Seine Karriere als Hofmediziner hatte schon 25 Jahre zuvor begonnen, als Kaiser Heinrich VII. (✶1278 †1313) den Ghibellinen Guido während seines Italienzuges als Leibarzt in sein Gefolge aufnahm. Im Anschluss an den Tod seines Patrons wurde der Lombarde wiederum Leibarzt von Heinrichs Tochter Maria von Luxemburg, der er nach ihrer Hochzeit mit König Karl IV. an den französischen Hof folgte. Auch nach Marias Dahinscheiden im Jahr 1324 blieb Guido am französischen Hof und gewann eine neue Förderin in Johanna von Burgund (✶1293 †um 1348), der Ehefrau des späteren Königs Philipp VI.151 Aus dieser Patronagebeziehung heraus verfasste Guido 1335 sein Rückeroberungstraktat, in welchem er für ihren Ehemann unter anderem Gegen Fasolt, Council (1991), 292 f. RJF, Nr. 850: Sed ipse intendens aliud forsitan quam pretendat, videlicet cisma, quod absit, inter te et Sedem istam ponere sicut et in Viennensi consilio inter felicis recordationis Clementem papam quintum et prelatos studiose ponere laboravit, injuste conqueritur secum agi. Zum Anlass der Auseinandersetzung siehe das vorangegangene Schreiben Philipps V. in RJF, Nr. 762. Fasolt, Council (1991), 312 f.; Viollet, Guillaume Durant (1921), 59. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 90–172; BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–54v. Siehe auch II.5.1. Berger, Guy de Vigevano (1914), 5–14; Ostuni, Macchine (1993), 18–29; Settia, Guido da Vigevano (2004), 433–436.
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mittel für die im Orient üblichen Gifte aufzählte und ihm Verhaltensregeln für den Aufenthalt im ariden Klima des Heiligen Landes an die Hand gab.152 Mit dieser Abhandlung reagierte er wahrscheinlich auf das drei Jahre zuvor von Guillelmus Adae für Philipp VI. verfasste Rückeroberungstraktat, in dem der Dominikaner den König eindringlich vor den Gefahren des ägyptischen Klimas für die Physis der Kreuzfahrer gewarnt hatte.153 Guido versuchte demnach, die Relevanz seines Expertenwissens aus der gelehrten Medizin für die Kreuzzugsplanung aufzuzeigen und somit den Wert seines medizinischen Wissens am französischen Hof weiter zu erhöhen. Ob er auf diese Weise seine Stellung im Haushalt der Königin stärken oder sie auf den Haushalt des Königs ausweiten wollte, lässt sich indes nicht eindeutig ermitteln.154 Im Jahr 1345 vollendete er zwar ein Anatomielehrbuch, welches ebenfalls dem König gewidmet war, jedoch wurde Guido bis zu seinem Tod im Jahr 1349 oder 1350 in den höfischen Rechnungsbüchern weiterhin nur als phisicus domine Regine bezeichnet.155 Ungeachtet der Umsetzung seiner Ratschläge war es ihm also gelungen, seine Position als Leibarzt am französischen Hof zu halten. Für ihn und für andere Berater markierte die neu entstandene Expertenkultur somit eine weitere Chance auf eine Karriere am Hof. Welche Arten von Wissen Guido und die anderen zu diesem Zweck mobilisierten, wird der Gegenstand des folgenden Teils sein.
BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–39r (De sanitate corporis); ebenda, fol. 39r–41r (Custodia propter venenum). [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 412 f. Zum Haushalt von Königinnen siehe u. a. Fößel, Königin (2000), 81–92; Gaude-Ferragu, Reine (2014), 197–206. Guido von Vigevano empfing in seiner Stellung als Leibarzt der Königin im Oktober 1346 30 Pfund, im Juni 1349 14 Pfund und im Juli desselben Jahres weitere 125 Pariser Pfund, vgl. Wickersheimer, Anatomie (1913), 4. Für eine medizingeschichtliche Einordnung des Anatomielehrbuchs siehe Bovenmyer, King (2021), 213–233; Fehrenbach, Homo (2013), 301–314.
Teil II: Berater und ihr Wissen
1 Die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsberater Mit der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens hielt in den 1290ern eine neue Expertenkultur an den lateineuropäischen Herrscherhöfen Einzug. Der Untergang der Kreuzfahrerreiche hatte den Zeitgenossen deutlich vor Augen geführt, dass ihr bisheriges Vorgehen bei der Durchführung von Kreuzzügen keinen Erfolg mehr versprach und sie sich bei der Organisation von Kreuzzügen nicht länger auf die Handlungsroutinen verlassen konnten, die sie in den vorangegangenen Jahrhunderten etabliert hatten. Daher begannen die Herrschenden, den gesellschaftlichen Wissensvorrat nach alternativen Lösungsansätzen zu durchsuchen, mit denen sich die Rückeroberung des Heiligen Landes bewerkstelligen ließ. Die Gesellschaften des ausgehenden 13. Jahrhunderts hatten jedoch längst diverse Bestände von Spezialwissen ausgebildet, die für politische Entscheidungsträger nur bedingt verfügbar waren. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die jeweiligen Wissensinhalte aus der Warte lebensweltlichen Allgemeinwissens oft nur schwer nachvollzogen werden konnten, und anderseits darauf, dass die dazugehörigen Wissensbestände oft von den Angehörigen bestimmter Gruppen oder Milieus monopolisiert worden waren, die als ihre Verwalter auftraten und den Zugang zu ihnen regulierten. Um das Spezialwissen aus diesen Beständen für die Kreuzzugsplanungen nutzbar zu machen, holten die politisch Verantwortlichen sich entsprechende Auslegungsspezialisten an den Hof, die fortan als Experten für die Rückeroberung des Heiligen Landes fungierten. Doch wer waren diese Expertenratgeber, denen Herrscher wie König Philipp V. eine plus grant cognoissance du passage doutremer attestierten?1 Welche Vorschläge machten sie super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte und auf welche Wissensbestände stützten sie ihre Rückeroberungspläne?2 Jeder Versuch einer Typisierung der Berater steht zunächst vor einem heuristischen Problem, denn obgleich ihnen von politischen Entscheidungsträgern eine kreuzzugsspezifische Expertise zugeschrieben wurde, etablierte sich im Laufe des 14. Jahrhunderts weder ein Amt noch eine einheitliche Terminologie, um sie zu bezeichnen. Im Kanzleischrifttum firmierten diese Experten stets unter allgemeinen Begriffen wie sapientes, homines circumspecti oder gar einfach prud’hommes, die ihre Vorschläge hinsichtlich des subsidium bzw. der recuperatio Terrae Sanctae gegenüber den anderen Kreuzzugsplanern als besonders relevant markieren sollen.3 Ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit unter den Kreuzzugsexperten oder der Versuch, sich als Gemeinschaft von der Umwelt abzugrenzen, lässt sich ebenso wenig nachweisen. Obwohl sie sich mit der glei-
ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. Siehe auch I.1.1. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603. Siehe u. a. AA 3, 198, Nr. 91; RJF, Nr. 1685. https://doi.org/10.1515/9783111085067-004
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chen Problematik befassten und an den Höfen immer wieder miteinander interagierten, formierten die Ratgeber also zu keinem Zeitpunkt eine sozial distinkte Gruppe.4 Bei dem „Kreuzzugsexperten“ handelte es sich stattdessen um eine soziale Rolle, die Berater aus verschiedenen sozialen Milieus und Gruppen spielen konnten, indem sie versprachen, dass sich mithilfe ihres Wissens das Heilige Land zurückerobern ließe. Die institutionelle Verstetigung dieser Rolle bewegte sich an den Höfen jedoch auf einem niedrigen Level. Zwar war sie seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert nicht länger an bestimmte Personen, sondern an die Zuschreibung einer Rückeroberungsexpertise gebunden, aber eine Professionalisierung oder Positionalisierung in Form von interpersonell übertragbaren Machtposten wie einem Hofamt war nicht erfolgt.5 Angesichts dieses institutionellen Vakuums bedienten sich politische Entscheidungsträger meist behelfsmäßiger Lösungen unter Ausnutzung bereits bestehender (Hof-)Ämter, um Beraterverhältnisse auf Dauer zu stellen. Wie eine solche Lösung aussehen konnte, zeigt etwa der zuvor erwähnte Fall des Guillelmus Adae, den Johannes XXII. kurzerhand zum Bischof von Smyrna ernannte, um ihm ein dauerhaftes Auskommen zu verschaffen und sich so langfristig seiner Dienste als Ratgeber zu versichern.6 Die neu entstandene soziale Rolle des Kreuzzugsexperten konstituierte sich also allein durch die den Akteuren zugeschriebene Expertise und fand abseits dieser Zuschreibung keinen begrifflichen oder institutionellen Ausdruck. Die wissensgeschichtliche Untersuchung dieser Akteure steht demnach vor einem Problem, denn oft lassen sich allein die Namen der Ratgeber, nicht aber die genauen Inhalte ihrer Rückeroberungsvorschläge ermitteln. Einen (begrenzten) Einblick in den Hergang der größtenteils mündlich abgehaltenen Planungen gestatten die Kreuzzugsmemoranden als schriftliche Überreste dieser Beratungen. Diese Texte decken allerdings nur einen Bruchteil der Rückeroberungsprojekte ab, die an den Höfen jener Zeit tatsächlich diskutiert wurden.7 Die Kreuzzugsforschung hat in der Vergangenheit zumeist die Heterogenität der Rückeroberungsmemoranden betont und deshalb jede Form der Typisierung dieser Werke abgelehnt. Nicht nur die inhaltliche Ausrichtung der einzelnen Texte, so das Argument, sondern auch die soziale Herkunft ihrer Ver-
Zum Begriff der „sozialen Gruppe“ siehe Oexle, Gruppen (1998), 17 f. Ein Beispiel für eine stark institutionalisierte Expertenrolle, welche eng mit einem bestimmten Wissensbestand sowie einem sozialen Milieu verbunden war, dessen Angehörige sich als Träger dieses Wissens inszenierten, bilden die gelehrten Mediziner des späten Mittelalters, vgl. u. a. Schütte, Medizin (2017), 391 f. Zum Begriff der „Entpersonalisierung“ bzw. „Positionalisierung“ von Macht siehe Popitz, Phänomene (1992), 236–254. Siehe dazu I.2.3. Im Fall der délibérations am französischen Hof in den Jahren 1318 und 1319 sind beispielsweise allein für zwei der 18 königlichen Expertenratgeber konkrete Vorschläge zur Rückeroberung der heiligen Stätten überliefert, vgl. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; fol. 50v, Nr. 441. Eine unbekannte Zahl an Werken über die Rückeroberung des Heiligen Landes sind zudem verloren gegangen, so z. B. das in mehreren Quellen erwähnte Speculum Terre Sancte des Franziskanermönches Filippo Busseri, vgl. Surdich, Busseri Filippo (1972), 556–558; Viglione, Deus (2014), 41. Zu Busseri siehe II.4.1.1.
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fasser ließe sich auf keinen gemeinsamen Nenner bringen.8 Tatsächlich lassen sich nur zwei prosopographische Gemeinsamkeiten aller Kreuzzugsberater ausmachen: Sie waren ohne Ausnahme Männer und nahezu ausschließlich über 50 Jahre alt. Beides ist wenig überraschend: Frauen waren in mancher Hinsicht die Verliererinnen der wissensseitigen Differenzierungsprozesse des 12./13. Jahrhunderts, weil sie infolge der Monopolisierung von ganzen Wissensbeständen durch Institutionen wie die Universitäten von der legitimen Handhabung bestimmter Formen von Spezialwissen ausgeschlossen wurden. Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung hatte auch spürbare Konsequenzen für die Herrscherhöfe. Wie McNamarra/Wemple herausgestellt haben, führte die wissensgestützte Professionalisierung in der höfischen Verwaltung dazu, dass adelige Frauen zunehmend an Deutungsmacht verloren,9 weshalb sie vermutlich nur selten als Expertenratgeberinnen konsultiert wurden. Auch das Alter der Ratgeber ist wenig überraschend. Sowohl die Kreuzzugsexperten als auch die Fürstenspiegel ihrer Zeit betonten, politische Entscheidungsträger sollten sich nicht von jungen Menschen beraten lassen, weil diese aufgrund ihres Alters nicht ausreichend Erfahrung hätten und deshalb zu überstürztem Handeln neigen würden.10 Jenseits von Alter und Geschlecht waren unter den Kreuzzugsberatern jedoch nahezu alle schreibenden Milieus (und darüber hinaus auch zahlreiche illiterati) vertreten. Die soziale Heterogenität der Ratgeber mag angesichts der epistemischen Pionierstimmung an den Höfen allerdings nur wenig verwundern, denn schließlich hatte Papst Nikolaus IV. bereits 1291 mit Dirum amaritudinis calicem die Notwendigkeit herausgestellt, das bisher als relevant für den Kreuzzug erachtete Wissen einer fundamentalen Revision zu unterziehen und dabei prinzipiell den gesamten gesellschaftlichen Wissensvorrat zu berücksichtigen.11 Jenseits der Heterogenitätshypothese sind innerhalb der Kreuzzugsforschung nach wie vor zwei Schemata zur Typisierung der sogenannten Rückeroberungstraktate vorherrschend: Zum einen eine chronologisch-regionale Unterteilung der Werke anhand des Zeitraumes, in dem sie verfasst wurden, bzw. anhand der Herrscher, an die sie ge-
So u. a. Leopold, Holy Land (2000), 8: „The authors [d. Rückeroberungstraktate, Anm. d. V.] came from a variety of different backgrounds, and the style of their works ranged from pragmatic military advice to genuinely exhortatory works, and included treatises which used the crusade as a pretext to address other issues.“ Ähnlich auch Bontea, Passagium (2018), 17 f.; Jaspert, Kreuzzüge (2020), 95; Schmieder, Europa (1994), 110; Viglione, Deus (2014), 29 f. McNamara/Wemple, Power (1973), 136–138. Die These ist inzwischen in mancher Hinsicht relativiert worden. Siehe dazu Fößel, Königin (2000), 385–387; Huneycutt, Power (2013), 155–167. Für die Kreuzzugsplanungen des 13. und 14. Jahrhunderts scheint die These von der schwindenden Deutungsmacht weiblicher Adeliger allerdings zutreffend zu sein. Viele der Institutionen, die das Wissen der Kreuzzugsexperten bereitstellten (v. a. Universitäten und Schulen sowie Mönchs- und Ritterorden), schlossen Frauen aus. Zum Wissen der Berater siehe II.2–4. So u. a. Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 370–383; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 12–14; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 315 f. Siehe dazu I.1.3.
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richtet waren. Delaville Le Roulx hat zwischen den Abhandlungen für Papst Nikolaus IV., denen für König Philipp IV., für dessen Söhne Ludwig X. (✶1289 †1316), Philipp V. und Karl IV. sowie für Philipp VI. unterschieden.12 Die inhaltliche Ausrichtung der einzelnen Werke, so die weiterführende Hypothese, richte sich maßgeblich nach dem jeweiligen Adressaten, denn die Experten „suchen vorrangig das Kreuzzugsanliegen mit dem jeweiligen nationalen Interesse zu verbinden.“13 Zum anderen differenziert die Forschung die Werke anhand des faktischen (also nicht des sozial zugeschriebenen) Wissens ihrer jeweiligen Autoren über den Orient und unterscheidet dementsprechend zwischen den „more theorizing treatises“ sowie den „more empirical treatises composed by people familiar with the Levant (...).“14 Dieser Ansatz läuft einerseits entlang der klassischen Unterscheidung von unmittelbarem Augenzeugenwissen und mittelbarem Toposwissen, andererseits inkorporiert er den vermeintlichen Gegensatz von theoretischem sowie praktischem Wissen.15 Beide Ansätze sind für eine wissensgeschichtliche Analyse allerdings nicht zielführend, da sie die zeitgenössischen Versuche, die Experten und ihr Wissen zu typisieren, nicht berücksichtigen. Da sich die bisherigen Versuche der Typenbildung als unzureichend erwiesen haben, ist eine andere methodische Herangehensweise erforderlich. Eine solche kann allerdings nicht am Wissen der Berater ansetzen, weil seit den 1290er Jahren kein bestimmter Wissensbestand, sondern der Nutzen der jeweiligen Wissenselemente für den Kreuzzug im Zentrum der höfischen Wissensakquise stand. Folgt man der wissenssoziologischen Tradition und bestimmt den Experten in Relation zu dem Problem, das er zu lösen vorgibt, so liegt es vielmehr nahe, zunächst danach zu fragen, welche (Teil-)Probleme des Kreuzzugs die Berater zu lösen versuchten.16 Aufschluss über die Funktion der Berater innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen geben vor allem die inhaltlichen Schwerpunkte ihrer Rückeroberungsvorschläge, die sich mit einer quantitativ orientierten Inhaltsanalyse ermitteln lassen. Bei der „Inhaltsanalyse“ handelt es sich um „eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen, meist mit dem Ziel einer darauf gestützten interpretativen Inferenz auf mitteilungsexterne
Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 11–102. Siehe auch Atiya, Crusade (1970), 7; Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 15 f. Thier, Kreuzzugsbemühungen (1973), 76. Schein, Fideles crucis (1991), 92. Siehe auch Bontea, Passagium (2018), 24; Leopold, Holy Land (2000), 203–207. Eine Kombination aus beiden Herangehensweisen hat Demurger vertreten, der zwischen den missionarisch orientierten Werken von Klerikern, den Werken von Akteuren mit Orienterfahrung sowie den propagandistischen Werken von Vertretern der französischen Krone unterscheidet, vgl. Demurger, Croisades (2006), 291. Hassauer, Stabilitas (1991), 249–262; Kintzinger, Wissen (2003), 26–29. Hitzler, Wissen (1994), 19; Pfadenhauer, Professionalität (2003), 105–115; Rexroth, Systemvertrauen (2012), 20; Schützeichel, Laien (2007), 549. Siehe dazu Einleitung.2.
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Sachverhalte.“17 Die Methode ist in der Mitte des 20. Jahrhunderts als wissenschaftliches Analyseinstrument für Kriegspropaganda entstanden und wird seitdem in den empirischen Sozialwissenschaften eingesetzt, um größere Textmengen ähnlicher Ausrichtung (etwa in Tageszeitungen oder sozialen Medien) inhaltlich zu erfassen.18 Obwohl das Korpus der Kreuzzugsmemoranden dagegen vergleichsweise klein ausfallen mag, eignen sich die Werke dennoch aufgrund ihrer gemeinsamen Ausrichtung auf die Rückeroberung des Heiligen Landes gut für ein solches Vorgehen. Das meistgenutzte Verfahren aus dem Bereich der quantitativen Inhaltsanalyse ist die sogenannte „Frequenzanalyse“, welche dazu dient, die Häufigkeit zu bestimmen, mit der bestimmte Themen in einem Textkorpus vorkommen. Die Erfassung eines Korpus von Texten für eine solche Frequenzanalyse erfolgt in drei Schritten: Zuerst werden in Auseinandersetzung mit den Texten Kategorien formuliert, welche inhaltliche oder formale Merkmale repräsentieren, die in den Texten wiederholt vorkommen. Um eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Texte zu gewährleisten, werden dabei nur solche Themen als Kategorien erhoben, die in mindestens zwei verschiedenen Texten auftreten.19 Im Anschluss an diese induktive Kategorienbildung werden alle Texte des Korpus anhand der Kategorien codiert, sodass auf Grundlage der Codierung ermittelt werden kann, in welcher Häufigkeit die einzelnen Kategorien in den Texten auftreten.20 Für eine Frequenzanalyse des Quellenkorpus der Rückeroberungsvorschläge lassen sich insgesamt 15 solcher Kategorien formulieren, die sich folgendermaßen über die 25 vollständig erhaltenen21 Kreuzzugsmemoranden verteilen: Früh, Inhaltsanalyse (2011), 27. Siehe auch Neuendorf, Content Analysis (2017), 19–61. Die quantitative Inhaltsanalyse ist damit abzugrenzen von der qualitativen Inhaltsanalyse, die ausschließlich mit nicht-statistischen Verfahren arbeitet und gegenwärtig vor allem in der Didaktik zum Einsatz kommt, vgl. Mayring/Fenzel, Qualitative Inhaltsanalyse (2019), 633–648. Bos/Tarnai, Entwicklung (1989), 1–19. Zur Anwendung inhaltsanalytisch inspirierter Verfahren in der Geschichtswissenschaft siehe Herkommer, Inhaltsanalyse (2012), 1–17. So wurden im vorliegenden Fall beispielsweise die Gesundheitsregeln des Guido von Vigevano nicht codiert, weil sich in keinem der anderen Rückeroberungsmemoranden vergleichbare medizinische Ausführungen finden. Zur allgemeinen Vorgehensweise bei der Auswahl von Kategorien siehe Früh, Inhaltsanalyse (2011), 82–87; Neuendorf, Content Analysis (2017), 140–168. Die einzelnen Kategorien sind dichotome Variablen und weisen dementsprechend keine Form der Intensität oder Skalierung auf. Die Kategorienbildung ist induktiv und in zwei Phasen erfolgt: Erstens eine Phase der Textlektüre sowie der Formulierung eines vorläufigen Kategoriensystems. Anschließend eine Phase der Absicherung des Kategoriensystems durch erneute Textlektüre sowie die Zusammenführung begriffsähnlicher Kategorien. Siehe dazu Früh, Inhaltsanalyse (2011), 163–195. Für eine genauere Darstellung vgl. die Definition der 15 Kategorien im Anhang. Zu den Werken, die aufgrund ihrer unvollständigen Überlieferung im Rahmen der Inhaltsanalyse nicht berücksichtigt werden konnten, zählen die Rückeroberungstraktate des Mediziners Galvano di Levanto und des Johanniters Roger von Stanegrave. In Rogers Fall wurde die einzige überlieferte Kopie seines Rückeroberungstraktates (BL Cotton Ms. Otho D.V. fol. 1r–15r) durch einen Brand beschädigt und weist Lücken im Text auf, welche die Ergebnisse verzerren würden. Im Fall des Galvano di Levanto fehlt in der einzigen erhaltenen Handschrift (BNF Nouv. Acq. Lat. 669, fol. 1r–60v) die komplette zweite Hälfte des Rückeroberungstraktates. Auch wenn ihre Werke für die Inhaltsanalyse nicht
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(1) Das militärstrategische Vorgehen der Kreuzfahrer auf globaler Ebene sowie die taktische Ausrichtung der Kreuzfahrerheere bzw. -flotten im Gefecht (23 von 25 Texten). (2) Logistische Fragen, welche den Transport sowie die Versorgung des Kreuzfahrheeres mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln betreffen (23 von 25 Texten). (3) Die Zusammensetzung, Rekrutierung sowie Kommandostruktur der Kreuzfahrerstreitmacht (21 von 25 Texten). (4) Die Route, welche die Kreuzfahrer auf ihrem Weg in den Orient nehmen sollten (21 von 25 Texten). (5) Das Projekt eines gegen Ägypten gerichteten Handelsembargos, üblicherweise in Verbindung mit einer Seeblockade zu dessen Durchsetzung (19 von 25 Texten). (6) Die zeitgenössische Diplomatie- und Bündnispolitik sowie die Möglichkeit von Allianzen der Kreuzfahrer mit orientalischen Herrschern (18 von 25 Texten). (7) Die Beschreibung von Ethnien, Regionen und Ortschaften im Vorderen Orient (17 von 25 Texten). (8) Der Rekurs auf historische Ereignisse, vor allem aus der Geschichte der Kreuzzüge oder des Heiligen Landes (16 von 25 Texten). (9) Wege und Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges (16 von 25 Texten). (10) Legislative Maßnahmen zur Förderung des Kreuzzuges, darunter die Vergabe von Kreuzfahrerprivilegien oder die Schaffung neuer Institutionen (16 von 25 Texten). (11) Wege und Möglichkeiten, im Vorfeld des Kreuzzuges eine allgemeine Waffenruhe zwischen den lateineuropäischen Herrschern zu schaffen (12 von 25 Texten). (12) Moralische, ethische oder rechtsphilosophische Fragen, meist in Hinblick auf das Handeln der Kreuzfahrer oder das Konzept des gerechten Krieges (10 von 25 Texten). (13) Vorschläge zum Aufbau des künftigen Königreichs Jerusalem nach der erfolgreichen Rückeroberung (8 von 25 Texten). (14) Hinweise zur Mission der Muslime, Mongolen oder orientalischen Christen (5 von 25 Texten). (15) Die Konstruktion militärisch nutzbarer Gerätschaften, darunter vor allem Schiffe und Belagerungsmaschinen (3 von 25 Texten). Die inhaltsanalytische Codierung eines Textes anhand eines solchen Kategoriensystems kann nach formal oder nach inhaltlich bestimmten Analyseeinheiten erfolgen. Zu den formalen Einheiten zählen äußerlich abgrenzbare Merkmalsträger wie Sätze oder Wörter, während unter den inhaltlichen Einheiten Merkmalsträger wie Narrative oder Sinneinheiten verstanden werden, die nur durch Interpretation voneinander abgegrenzt werden können.22 Da die Interpunktion im Mittellateinischen oft nur durch Ord-
berücksichtigt werden konnten, werden die beiden Ratgeber dennoch im Folgenden thematisiert werden. Siehe dazu II.2.1.1 u. II.5.1. Neuendorf, Content Analysis (2017), 107–109.
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nungsworte wie et, vel oder item erfolgte und die Zeichensetzung in den zu Rate gezogenen Quelleneditionen folglich von der philologischen Entscheidung der jeweiligen Bearbeiter abhängig ist, bilden Sinneinheiten im Fall der Kreuzzugsmemoranden allerdings deutlich trennschärfere Analyseeinheiten als Sätze. Diese Sinneinheiten können mehrfach codiert werden, sofern sie sich unter mehr als eine Kategorie fassen lassen.23 Da die einzelnen Memoranden in ihrer Länge mitunter stark variieren und sowohl auf Latein als auch auf Französisch verfasst wurden, können die auf diese Weise codierten Sinneinheiten allerdings nicht einfach gezählt werden, sondern müssen stets in Relation zur Gesamtlänge des entsprechenden Textes betrachtet werden. Um die Vergleichbarkeit aller Texte im Korpus zu gewährleisten, muss deshalb die Anzahl der Wörter in jeder Sinneinheit gemessen und anschließend ermittelt werden, welchen Anteil sie an der Gesamtzahl der Wörter des jeweiligen Textes haben.24 Auf diese Weise lässt sich feststellen, welchen Anteil jede der 15 Kategorien am Gesamtumfang der 25 untersuchten Werke hat (siehe Tab. 2). Die Verteilung der Kategorien auf die 25 Werke allein kann zwar nur bedingt Auskunft über die individuellen Prioritäten der einzelnen Berater geben und spiegelt auch keineswegs deren Wissen wider, gibt aber Aufschluss über die Schwerpunkte der einzelnen Texte sowie die Problembereiche, für die das Wissen der Berater zum Einsatz kam. So lässt sich auf Basis der Messungen festhalten, dass ein Ratgeber wie Pierre Dubois sich in seinem Rückeroberungstraktat überdurchschnittlich viel mit der Finanzierung des Kreuzzuges beschäftigt (12,3% der Gesamtwörter), aber der Seeblockade des Ägyptenhandels dafür nur wenig Platz einräumt (0,13% der Gesamtwörter). Die so erhobenen Messdaten können indes nicht nur interpretiert, sondern auch mit anderen quantitativen Verfahren weiter analysiert werden. Als eine statistisch fundierte Heuristik für die Typenbildung bietet sich die sogenannte „Clusteranalyse“ an, die zumeist verstanden wird als „der systematische Ver Die Überschneidung von Kategorien auf Textebene ist allerdings keine begriffliche Schwäche der Methode, sondern durchaus üblich für die eher qualitativ-interpretierend orientierten Inhaltsanalysen. Sie ermöglicht es überdies, neben Frequenzen auch die Korrelationshäufigkeit von Themen anhand der Häufigkeit von Textcodierungen mit mehr als einer der Kategorien zu überprüfen. Auf diese Weise lässt sich feststellen, welche Themen tendenziell gemeinsam oder in direkter Abfolge zueinander behandelt wurden, vgl. Friese, Data Analysis (2012), 162–176. Die Codierung der Texte ist unter Verwendung einer operationalen Definition sowie begrifflicher Indikatoren für jede Kategorie erfolgt. Die operationale Definition einer Kategorie gibt die notwendigen Bedingungen an, welche zusammen hinreichend für die Codierung einer Sinneinheit mit dieser Kategorie sind. Die Indikatoren sind hingegen einzelne Worte oder Komposita, die auf das Vorliegen einer Kategorie hinweisen und die Codierung erleichtern und präzisieren sollen. Als solche sind sie weder notwendig noch hinreichend für das Vorliegen einer Kategorie, sondern nur eine Heuristik für die maschinelle Überprüfung des Textes und können jederzeit von der operationalen Definition überschrieben werden. Jede Kategorie wird überdies durch zwei Ankerbeispiele komplettiert, die idealtypische Vorkommnisse der entsprechenden operationalen Definition in den Texten illustrieren und ebenfalls als Orientierung für die Codierung gedient haben. Siehe dazu Früh, Inhaltsanalyse (2011), 88–120. Für eine Darstellung der Codierregeln vgl. die Definition der 15 Kategorien im Anhang.
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such, Substichproben von untereinander ähnlichen Beobachtungen in einer Stichprobe zu finden, wobei sich diese Substichproben als Gruppen möglichst deutlich voneinander unterscheiden sollen.“25 In den Sozialwissenschaften wurden inzwischen eine Vielzahl an Algorithmen für solche Clusteranalysen entwickelt, wobei sich für die Typenbildung vor allem die sogenannten „agglomerativen Verfahren“ anbieten. Diese beginnen mit den jeweiligen Einzelfällen und aggregieren sie dann auf Grundlage ihrer Ähnlichkeit zueinander schrittweise zu immer größeren Gruppen, bis alle Fälle sich schließlich in einer Gruppe befinden.26 Unter den agglomerativen Verfahren ist vor allem der nach seinem Erfinder Joe H. Ward benannte Algorithmus von Nutzen für die Typenbildung unter den Rückeroberungsmemoranden, weil das Verfahren dazu neigt, sehr homogene Gruppen zu bilden.27 Der Ward-Algorithmus erstellt zunächst auf Grundlage der Ergebnisse aus der Frequenzanalyse eine Näherungsmatrix (siehe Tab. 3), aus der sich ablesen lässt, welche Memoranden ähnliche Merkmalsausprägungen aufweisen. Die Matrix bildet Distanz ab, das bedeutet, je unähnlicher zwei Werke sich sind, desto höhere Werte weisen sie auf.28 Diese Näherungswerte werden in einem Index-Wert zusammengefasst, der die Heterogenität aller analysierten Memoranden widerspiegelt und darüber entscheidet, welche Werke im Laufe der Clusteranalyse zuerst aggregiert werden. Ausgehend davon „werden sukzessiv Einzelbeobachtungen paarweise zu einem Aggregat und weiter Aggregate paarweise zu einem noch größeren Aggregat vereinigt, sodass (...) eine Hierarchie von immer ‚gröberen‘ Partitionen konstruiert wird. Aus einer bereits erzeugten Partition wird diejenige Partition durch Vereinigung zweier Aggregate gebildet, bei der nach Maßgabe des Index der geringste Heterogenitätszuwachs auftritt.“29 Der Ablauf dieser Aggregatbildung nach dem Ward-Algorithmus lässt sich mit einem Dendrogramm visualisieren (siehe Abb. 1). Auf der y-Achse sind die 25 Kreuzzugsmemoranden vermerkt, die x-Achse gibt die insgesamt 25 Schritte der Aggregatbildung an. Für die Frage nach der Typenbildung sind vor allem die Schritte drei, fünf und sieben relevant, weil dort jeweils größere Aggregate miteinander fusionieren. Im siebten Schritt lassen sich insgesamt drei Aggregate ausmachen: Das erste mit zehn Werken (Nr. 21, 22, 3, 6, 10, 16, 18, 23, 20 u. 25), das zweite mit sieben Werken (Nr. 4, 5, 8, 15, 7, 19 u. 14) sowie das dritte mit acht Werken (Nr. 2, 11, 9, 17, 1, 24, 12 u. 13). Jedes dieser Aggregate zerfällt wiederum in ein größeres und ein kleineres Subaggregat, die in den Schritten drei bzw. fünf miteinander fusioniert wurden.
Wiedenbeck/Züll, Clusteranalyse (2010), 526 f. Backhaus/Erichson/Plinke, Analysemethoden (2018), 459 f. Ward, Grouping (1963), 236–244. Als Maß für die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der Memoranden dient die quadrierte euklidische Distanz, d. h. der Abstand zwischen zwei Punkte in einem Graphen. Genaugenommen handelt es sich bei Abb. 2 also um eine Unähnlichkeitsmatrix. Wiedenbeck/Züll, Clusteranalyse (2010), 530. Siehe auch Backhaus/Erichson/Plinke, Analysemethoden (2018), 465–469.
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Abb. 1: Dendrogramm mit Ward-Verknüpfung.
Ein Vergleich der drei größeren Aggregate aus dem dritten Schritt mit den Daten aus der Frequenzanalyse (siehe Abb. 2) lässt wiederum drei distinkte Gruppen von Rückeroberungsmemoranden mit einem klaren inhaltlichen Schwerpunkt erkennen: Die Werke im ersten größeren Aggregat (Nr. 21, 22, 3, 6, 10, 16, 18 u. 23) beschäftigen sich überdurchschnittlich viel mit dem Aufbau des Kreuzfahrerheeres (17,3%), militärstrategischen Fragen (24,3%) sowie der Logistik des Kreuzzuges (18%). Die Memoranden des zweiten Aggregats (Nr. 8, 15, 7, 19 u. 24) setzen sich dagegen vornehmlich mit der Finanzierung des Kreuzzuges (26,1%) sowie gesetzgeberischen Maßnahmen (23,7%) auseinander und thematisieren Logistik (3,2%) oder den Heeresaufbau (6,9%) deutlich weniger als die Werke aus dem ersten Aggregat. Die Memoranden aus dem dritten der größeren Aggregate (Nr. 9, 17, 1, 24, 12 u. 13) fokussieren sich wiederum auf die Orientgeographie (44,3%) sowie die Kreuzzugsroute (20,2%) und behandeln dagegen den Aufbau des Kreuzfahrerheeres (4,5%) oder die Kreuzzugsfinanzierung (1,4%) nur geringfügig. Zu den Memoranden in den drei kleineren Subaggregaten zählen erstens die Werke des katalanischen Theologen Ramon Llull (Nr. 4 u. 5), die sich im Unterschied zu allen anderen Rückeroberungsmemoranden ausführlich mit der Orientmission auseinandersetzen (60,9% bzw. 36,2%), und zweitens die inhaltlich sehr verschiedenen Rückeroberungstraktate des Marino Sanudo und Guido von Vigevano (Nr. 20 u. 25), von denen das
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erstere überdurchschnittlich umfangreiche Ausführungen zur Geschichte des Heiligen Landes aufweist (49%) und das letztere sich vor allem mit der Konstruktion militärischer Gerätschaften beschäftigt (39,2%). Im Unterschied zu diesen vier Sonderfällen bildet das dritte der kleinen Subaggregate, das aus zwei französischsprachigen Kreuzfahreritineraren besteht (Nr. 2 u. 11), durch seinen Fokus auf Orientgeographie (68,8% bzw. 80,6%) sowie die Kreuzzugsroute (71,2% bzw. 56,9%) keinen Spezialfall, sondern vielmehr eine besonders extreme Ausprägung der Werke aus dem dritten Aggregat und kann folglich diesen zugeordnet werden. Insgesamt lassen sich anhand der Aggregatsbildung also drei große inhaltliche Schwerpunkte der Rückeroberungsmemoranden ausmachen: Ein militärisch-operativer Schwerpunkt, ein fiskalpolitischer Schwerpunkt sowie ein Schwerpunkt auf der Orientbeschreibung.
Abb. 2: Durchschnittliche Verteilung der Kategorien in den drei Aggregaten.
Diese drei Schwerpunkte korrelieren wiederum mit den zeitgenössischen Funktionszuschreibungen und lassen drei distinkte Subtypen von Beratern erkennen. Wie bei der Rolle des Kreuzzugsexperten lässt sich auch bei diesen Subtypen keine einheitliche Terminologie oder Gruppenbildung ausmachen, sondern allein ein Bewusstsein für unterschiedliche planerische Funktionen, das sich allerdings in einer spezifischen Semantik niedergeschlagen hat. Als der Bischof Guillaume Le Maire von Angers (†1317)
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beispielsweise während des Konzils von Vienne aufgefordert wurde, sich zur Kreuzzugsplanung zu äußern, stellte er zunächst pflichtschuldig fest: Ich werde in gutem Gehorsam über den zweiten [Punkt], nämlich die Unterstützung des Heiligen Landes, berichten wie es mir auf den ersten Blick gut scheint, obgleich derartiges vielmehr Männer, [die] höchst kenntnisreich in weltlichen Dingen und erfahren in Sachen der Kriegführung [sind], beträfe und obwohl [ich] unkundig und in dieser sehr schwierigen Unternehmung höchst unerfahren [bin] (...)30
Mit dieser einleitenden Benevolenzformel drückte der Bischof nicht nur seine Bescheidenheit aus, sondern referierte zugleich auch auf einen Typ von Kreuzzugsberater, der sich durch besondere Expertise in Fragen der Kriegführung auszeichnete. Was es genau bedeutete, über diese Expertise zu verfügen, führte er jedoch nicht näher aus. Dennoch liegt es nahe, die vom Bischof angesprochenen Akteure mit den Beratern aus dem ersten Aggregat zu identifizieren, die vornehmlich den Aufbau des Kreuzfahrerheeres sowie logistische und strategische Fragen behandelten. Für diese Annahme spricht auch, dass der Bischof selbst diese Themen in seinem Memorandum überhaupt nicht behandelte. Auch für die Schwerpunktsetzung der Werke aus dem zweiten Aggregat findet sich ein Pendant in der zeitgenössischen Wahrnehmung. In einer 1307 für Clemens V. verfassten Abhandlung riet der Johannitermeister Foulques de Villaret dem Papst: Der Papst sollte Maßnahmen anordnen, die es [ihm] ermöglichen viel Geld zu sammeln, ohne das ein solcher Kreuzzug nicht durchgeführt werden kann. (...) Und obwohl der Papst andere finden würde, die ihn besser als wir [darin] anweisen und unterrichten könnten, wie dieses Geld gesammelt werden könnte, werden wir dies am Ende der vorliegenden Abhandlung darlegen.31
Anders als der Bischof von Angers wenige Jahre nach ihm referierte Foulques damit nicht auf Spezialisten für die Kriegführung, sondern auf Berater mit besonderer Expertise für die Akquise der erforderlichen Gelder. Die Beschreibung des Johannitermeisters korreliert wiederum mit den Schwerpunkten der Berater aus dem zweiten Aggregat, die sich neben legislativen Maßnahmen in erster Linie den Möglichkeiten der Kreuzzugsfinanzierung widmeten. Im Unterschied zu den anderen beiden Beratertypen lassen sich bei diesen Finanzberatern jedoch vereinzelt Ansätze zu einer institutionellen Positionalisierung ihrer Funktionen ausmachen. Ramon Llull schlug etwa in seinem 1305 entstandenen Liber de fine vor, in den geistlichen Ritterorden ein
Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290: De secundo, videlicet de subsidio Terre Sancte, licet ad sapientissimos viros in mundanis et expertissimos in rebus bellicis tractatus hujusmodi amplius pertineret (...) mihi, licet imperito et in tam arduis negociis maxime inexperto, quod prima facie videtur, propter bonum obediencie, referam (...). Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605: dominus Papa ordinet qualiter magnum possit congregare thesaurum, sine quo passagium fieri tale nequit. (...) Et quamvis dominus Papa inveniat alios qui melius nobis ipsum instruhere et erudire scient quomodo thesaurus iste congregari poterit, nos in fine dicemus aliqua hujus scripti.
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1 Die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsberater
dauerhaftes Amt zu schaffen, dessen Inhaber für die Akquise von Geldern für den Kreuzzug zuständig sei. Das Vermögen der Ritterorden, die das Rückgrat künftiger Kreuzzüge bilden sollten, müsse nämlich verwaltet werden von einem Schatzmeister, besonders weise und vertrauenswürdig [sowie] scharfsinnig und vielerlei [Arten des] Rechnens kennend, so der Katalane.32 Ein solches Amt wurde allerdings jenseits der okkasionell eingesetzten Verwalter der Kreuzzugsabgaben nie geschaffen, vermutlich weil mit den Schatzmeistern der einzelnen Orden sowie dem exchequer oder der chambre des comptes an den Höfen lateineuropäischer Herrscher bereits funktional äquivalente Institutionen existierten. Auch das dritte Aggregat findet seine Entsprechung in der zeitgenössischen Wahrnehmung. Guillelmus Adae rechtfertigte seine Expertise unmittelbar zu Beginn seines ersten Rückeroberungstraktates folgendermaßen: Neben anderen Mitgliedern meines Ordens, welche die Länder der Ungläubigen aufsuchen, um den Glauben zu predigen, habe ich viele Erdteile gesehen, bin durch viele Gegenden gereist und bin mit den Gebräuchen vieler Völker bekannt (...)33
Die Nähe zu den Ergebnissen der Frequenzanalyse ist dabei augenscheinlich, denn das Traktat des Dominikaners fällt in das dritte Aggregat, dessen Werke vor allem die Geographie und Ethnien jener Regionen behandeln. Über die praktischen Anforderungen an das Wissen dieser Orientkenner waren die Zeitgenossen sich ebenfalls einig. Der Bischof von Léon wies gegenüber dem französischen König darauf hin, dass wegen der Lenkung des [Kreuzfahrer-]Heeres jene erforderlich sind (...), welche die Bedingungen des Landes kennen (...).34 Berater mit Beobachtungs- und Erfahrungswissen über den Orient wurden demnach als erforderlich erachtet, um politische Entscheidungsträger dabei zu unterstützen, eine geeignete Kreuzzugsroute auszuwählen. Diese planerische Funktion spiegelt sich ebenfalls in den Memoranden des dritten Aggregats wider, weil der andere Schwerpunkt dieser Werke auf möglichen Routen und Angriffszielen für das Kreuzfahrerheer liegt. Im Gegensatz zu der viel kolportierten Unterscheidung zwischen den „Orientkennern“ und den „Theoretikern“ unter den Kreuzzugsberatern waren es also allein die Ratgeber dieses Subtyps, von denen die Zeitgenossen erwarteten, den Orient tatsächlich aus eigener Anschauung zu kennen.
Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 284: Bellator rex istis indiget praeceptoribus, qui, sequuntur: primo est quodam thesaurario sapientissimo et fideli, subtili, et sciente multifarie computare, ad hoc ut ab aliquo non valeat defraudi, qui totam pecuniam teneat et thesaurum. Zum bellator rex siehe Fidora, Arbitration (2011), 309–312; Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 30–32; Housley, Later Crusades (1992), 206–208; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 97. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 24: Inter alios enim ordinis mei consocios qui proficiscimur ad infidelium nationes, causa fidei predicande, plures vidi terras, lustravi provincias, moresque multarum gentium sum expertus (...). [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115: super dirigendo exercitu requirendi sint (...) illi, qui sciunt condiciones terre (...).
1 Die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsberater
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Insgesamt lassen also sowohl die Äußerungen der Zeitgenossen als auch die inhaltlichen Schwerpunkte der überlieferten Ratschläge darauf schließen, dass innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen zwischen drei verschiedenen Subtypen von Ratgebern unterschieden wurde. Von den drei Beratertypen, die ich in Ermangelung einer kohärenten zeitgenössischen Terminologie im Folgenden als „militärische Berater“, „administrativ-finanzielle Berater“ sowie „geographisch-ethnographische Berater“ bezeichnen werde, erwarteten die Herrschenden die Lösung unterschiedlicher Teilprobleme des Kreuzzuges. Inwiefern die passgenaue Lösung dieser Probleme an die Wahl der geeigneten Berater geknüpft war, zeigt sich am Beispiel der drei Ratgeber, die sich in keinen der Subtypen einordnen lassen. Um das umfangreiche Rückeroberungstraktat von Marino Sanudo zu prüfen, befragte Papst Johannes XXII. vier Sachverständige, die sich den geographisch-ethnographischen Beratern zuordnen lassen. Die Orientexperten mussten jedoch schnell feststellen, dass der Venezianer nicht allein das Heilige Land und die ägyptische Küste beschrieb, sondern sich auch ausführlich zur (See-)Kriegführung äußerte. Daraufhin ließen sie den Papst wissen, sie seien nicht die passenden Experten, um militärische Angelegenheiten bewerten zu können, weil ihnen das Wissen dafür fehle.35 Der Papst hatte Sanudo also offenbar als geographisch-ethnographischen Berater eingeordnet und deshalb vermeintlich passende Sachverständige zur Prüfung seiner Vorschläge zusammengerufen, musste allerdings anschließend feststellen, dass sich das Werk des Venezianers den Typisierungen entzog, die in den Kreuzzugsplanungen üblich waren. Im Anschluss an dieses Beispiel drängt sich allerdings die Frage auf, welches Wissen von den Zeitgenossen als passend erachtet worden wäre, um den angesprochenen Teil von Sanudos Rückeroberungstraktat zu untersuchen, und welche Berater die Träger solchen Wissens waren. Der Antwort auf diese Frage wird in den folgenden Kapiteln nachgegangen, die sich jeweils einem der drei Beratertypen, ihrem sozialen Hintergrund und ihrem Wissen widmen.
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 4: Pars quarta, continet de modis et instrumentis bellandi (...), circa quae profitemur ignorantiam; nec apti sumus ad indicandum de illis: nobis tamen videntur bene et ordinate dicta.
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1 Die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsberater
Tab. 2: Verteilung der Kategorien in den Kreuzzugsmemoranden. Aufbau des Heeres Diplomatie u. Bündnispolitik Ethnographie u. Geographie Geschichte
Gottesfriede
finanzierung Kreuzzugsroute
Legislation
Militärische
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Tab. 3: Näherungsmatrix (Quadriertes euklidisches Distanzmaß).
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Legende zu Tab. 2, Tab. 3 und Abb. 1. Fall-Nr.
Werk
Autor
Liber recuperationis Terrae Sanctae Via ad Terram Sanctam Conseill del Roy Karles Tractatus de modo convertendi infideles Liber de fine Consilium super negotio Terre Sancte Informatio et instructio super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte De recuperatione Terre Sancte La Flor des estoires de la terre d’Orient Traitié coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens La Devise des chemins de Babiloine Memoria Terre Sancte Consilium regis Cipri de passagio faciendo Quae sunt advertenda pro passagio ultramarino Livre Informatio de pertinentibus ad passagium Tractatus quomodo Sarraceni sunt expugnandi Informationes pro passagio transmarino Informatio brevis ad passagium faciendum Liber secretorum fidelium crucis Consaill du Roy de Jerusalem et de Chypre Consilium super passagio particulari Pro passagio Directorium ad faciendum passagium transmarinum Texaurus regis Francie acquisicionis Terre Sancte
Fidenzio von Padua Unbekannt Gesandte Karls II. Ramon Llull Ramon Llull Jacques de Molay Foulques de Villaret
Pierre Dubois Hethum von Korykos Foulques de Villaret Unbekannt Unbekannt Gesandte Heinrichs II. Guillaume de Nogaret Guillaume Le Maire Gonzalo de Hinojosa Guillelmus Adae Stadtrat v. Marseille Guillaume Durand Marino Sanudo Gesandte Heinrichs II. Gesandte Leons V. Gesandte Venedigs Guillelmus Adae Guido von Vigevano
2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater 2.1 Sozialer Hintergrund Die Berater des militärischen Subtyps, welche von ihren Zeitgenossen als expertissimi in rebus bellici umschrieben wurden,1 stammten meist aus dem kriegführenden Adel und hatten mitunter bereits in der Vergangenheit im Orient oder auf der iberischen Halbinsel gegen die Heere muslimischer Herrscher gekämpft. Die Vertreter dieses Subtyps waren über das 13. Jahrhundert hinweg die Hauptverantwortlichen für die Organisation der Kreuzzüge gewesen und zählten vermutlich zu den Akteuren, die auf dem zweiten Konzil von Lyon erstmals auf eine militärisch-kalkulierende Herangehensweise an die Kreuzzugsplanung gedrungen hatten.2 Obwohl die Niederlagen der Kreuzfahrer ihre Deutungshoheit an den Höfen merklich geschwächt hatte, gaben sie auch im 14. Jahrhundert noch vor, welche Inhalte für die höfischen Kreuzzugsplanungen von Relevanz waren, und stellten vermutlich auch die Mehrzahl der Ratgeber, die im Rahmen der Kreuzzugsplanungen als Experten konsultiert wurden. Im Unterschied zu den schriftlichen Zeugnissen der Rückeroberungsvorschläge der anderen Beratertypen handelt es sich bei den erhaltenen Werken der militärischen Ratgeber fast ausschließlich um Komposita, welche auf die kollektive Autorschaft mehrerer Berater zurückgehen.
2.1.1 Ritterorden Die größte Gruppe unter diesen militärischen Beratern bildeten die Angehörigen der geistlichen Ritterorden der Templer und Johanniter, die überhaupt erst im Rahmen der Kreuzzüge entstanden waren und seitdem stets ihre Expertise zu deren Planung und Durchführung beigesteuert hatten.3 Schon im 12. Jahrhundert waren die Ordensritter eine wichtige Quelle für aktuelle Nachrichten aus den Kreuzfahrerreichen: Papst Urban III. erfuhr vermutlich aus einem Brief des Großpräzeptors der Templer Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 90–94. Diesen Zusammenhang sahen auch die Zeitgenossen, so verwies der Templermeister Jacques de Molay 1306 gegenüber Clemens V. explizit auf das Consilium des Johannitermarschalls Guillaume de Courcelles, welches dieser auf dem zweiten Konzil von Lyon Papst Gregor X. vorgelegt hatte, vgl. CGOH 4, 103, Nr. 4680. Bei den Rittern der geistlichen Orden handelte es sich spätestens ab der Entstehung selbstauferlegter Ordensregeln im 12. Jahrhundert um Gruppen mit einer geteilten Identität, vgl. dazu u. a. Barber, Knighthood (1994), 6–37; Demurger, Vie (1989), 67–77; Luttrell, Statutes (2003), 9–22; Nicholson, Knights Hospitaller (2003), 5–17; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 23–26; Sarnowsky, Johanniter (2011), 14–22. https://doi.org/10.1515/9783111085067-005
2.1 Sozialer Hintergrund
129
von der Niederlage bei Hattin im Juli 1187 und der Johanniter Joseph de Chauncy unterrichtete den englischen König Eduard I. fast 30 Jahre lang über die politische Lage im Outremer.4 Laut Riley-Smith sind für das 12. und 13. Jahrhundert 52 Briefe erhalten, mit denen Templer und Johanniter Könige, Fürsten und Prälaten in dieser Weise über die neusten Entwicklungen im Osten informierten.5 Die Ordensritter kämpften überdies selbst auf den Schlachtfeldern im Vorderen Orient und leisteten den anderen Kreuzfahrern logistischen Beistand, etwa mithilfe des inzwischen gut erforschten Templernetzwerks, welches Geldtransfers über den gesamten Mittelmeerraum hinweg erlaubte.6 Schließlich waren es mit dem Templermeister Guillaume de Beaujeu sowie dem Johannitermarschall Guillaume de Courcelles auch die Vertreter der geistlichen Ritterorden, die im Rahmen der Kreuzzugsplanungen auf dem zweiten Konzil von Lyon das zuvor dominante theologische Relevanzsystem verwarfen und den Kreuzzug militärisch-kalkulierend auslegten.7 Zu diesem Zeitpunkt waren die geistlichen Ritterorden an den lateineuropäischen Herrscherhöfen bereits zunehmend in die Kritik geraten. Grund dafür waren vor allem die Niederlagen gegen das ägyptische Sultanat, die zum Untergang des Fürstentums Antiochia (1268), der Grafschaft Tripolis (1289) und schlussendlich auch des Königreichs Jerusalem (1291) geführt hatten. Ein offenbar nicht unerheblicher Teil der Zeitgenossen sah die Schuld für diese militärischen Rückschläge in dem mangelnden Kampfgeist und den moralischen Verfehlungen der Ordensritter sowie der mangelnden Kooperation der Orden untereinander.8 Während die Angehörigen des Deutschen Ordens sich im Baltikum ein neues Betätigungsfeld aufbauten und im 14. Jahrhundert nicht länger an den höfischen Planungen für einen Orientkreuzzug partizipierten,9
Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 205–207; Crusader’s Letter. Ed. Sanders, 1–16; Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 324 f. Joseph wurde im Jahr 1273 sogar der Schatzmeister Eduards I. und übte dieses Amt bis zu seiner Rückkehr ins Heilige Land im Jahre 1280 aus. Für einen biographischen Überblick siehe Rokéah, Hospitaller (1996), 191–193. Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 85–89. Demurger, Ordres (2017), 166–183; Barber, Knighthood (1994), 266–278; Metcalf, Templars (1980), 1–13. Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313 f.; Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 405 f. Siehe auch I.1.2. Forey, Military Orders (1980), 317 f.; Ders., Military Orders (1992), 204–220; Sarnowsky, Johanniter (2011), 38 f.; Seitz, Ende (2010), 81–87; Throop, Criticism (1940), 230 f. Neben Akkon lasteten die Zeitgenossen den Templern insbesondere den Verlust der Burg Safed 1266 sowie ihre Niederlage bei Arwad 1302 an, siehe u. a. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. Die Debatte um die Schuld der Ritterorden am Untergang der Kreuzfahrerreiche wird bis in die Gegenwart hinein geführt, vgl. etwa Demurger, Jacques de Molay (2002), 156 f.; Crawford, Templars (2018), 105–115. Diese Kritik schlug sich auch in der zeitgenössischen Hofdichtung nieder. So geißelte der okzitanische Troubadour Rostaing Berenguier schon einige Jahre vor Beginn der Templeraffäre die deshonors e grieus crims des Ordens und stellte fest, die Ordensbrüder seien ein malvays eysemple für andere Ritter, vgl. Troubadours de la Provence. Ed. Meyer, 497 f. Sarnowsky, Deutsche Orden (2012), 31–51.
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
standen Templer und Johanniter nunmehr zunehmend unter Druck, ihre eigene Existenz gegen Forderungen nach einer Union oder gar Auflösung ihrer Orden rechtfertigen zu müssen.10 Dass derartige Pläne keine gelehrten Phantastereien, sondern reale politische Optionen waren, dürfte allen Beteiligten spätestens mit der Aufhebung des Templerordens im März 1312 deutlich gewesen sein.11 Da sowohl ihre selbstgewählte Funktion als auch ihre Identität eng an den Erfolg der Orientkreuzzüge gekoppelt war, mussten die Angehörigen der geistlichen Ritterorden folglich als Experten für die Rückeroberung des Heiligen Landes auftreten, um den institutionellen Fortbestand ihrer Orden zu sichern. Eine Auslegung der Kreuzzüge innerhalb des theologischen Relevanzsystems war derweil keine Option für die Ritter, hätte es doch impliziert, dass die militärischen Misserfolge ihrer Orden aus dem fehlenden Beistand Gottes resultierten. Das hätte wiederum jene Kritiker bestätigt, die den Ordensangehörigen moralisches Fehlverhalten vorwarfen und eine grundlegende Reform forderten. Für Templer und Johanniter war die Auslegung der Kreuzzüge innerhalb des militärisch-kalkulierenden Relevanzsystems deshalb eine veritable Strategie, um die Verantwortung für die militärischen Rückschläge der letzten Dekaden auf die mangelnde Unterstützung aus dem Westen zu verlagern. Diese Auslegungsweise erlaubte es den Vertretern der Ritterorden auf dem zweiten Konzil von Lyon, zu behaupten, vergangene Niederlagen wie der Verlust von Antiochia oder der Burg Krak des Chevaliers (1271) seien auf die Überzahl der Feinde zurückzuführen und nicht etwa auf die Fehler ihrer Ordensbrüder.12 Als im späten 13. Jahrhundert an den lateineuropäischen Herrscherhöfen schließlich eine kreuzzugsbezogene Expertenkultur entstand, war es dieses Amalgam aus institutioneller Tradition und externem Rechtfertigungsdruck, welches dazu führte, dass die
Die Unionsforderungen wurden zunächst 1274 im Vorfeld des zweiten Konzils von Lyon erhoben und dort diskutiert, vgl. Forey, Military Orders (1980), 321 f.; Roberg, Konzil (1990), 87, insbes. Fußn. 58. Die von Papst Nikolaus IV. nach dem Fall Akkons einberufenen Provinzkonzile sollten neben dem Kreuzzug auch über die Union der geistlichen Ritterorden diskutieren. Zu diesem Zeitpunkt scheint die Unterstützung für die Templer und Johanniter im niederen Klerus bereits gebröckelt zu haben, denn alle acht erhaltenen Antworten auf die päpstliche Bitte sahen eine Fusion der Templer und Johanniter vor, vgl. Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 210–215; CGOH 3, 597 f., Nr. 4165; Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1098–1113; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 90–94; Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 580–582; Sacrosancta Concilia. Ed. Labbé/Cossart/ Baluze, Bd. 14, 1193–1195; 1197 f. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts bat Papst Clemens V. die Oberhäupter der Templer und Johanniter gar direkt, ihm Vorschläge für die Fusion der beiden Orden zu unterbreiten, vgl. RC, Nr. 1033. Zur Auflösung des Templerordens siehe u. a. Barber, Trial (2006), 259–282; Demurger, Vie (1989), 297–322. Während des Häresieprozesses gegen den Orden wurde den Templern explizit der Verlust Akkons und der Insel Arwad zur Last gelegt, vgl. Barber, Trial (2006), 215 f.; Schein, Fideles Crucis (1991), 243. Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313 f.; Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 405 f.
2.1 Sozialer Hintergrund
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Ordensritter ihre epistemische Nische unter den militärisch orientierten Kreuzzugsberatern fanden.13 Zu den Ordensrittern, die sich anhand schriftlicher Rückeroberungsmemoranden als Ratgeber des militärischen Subtyps fassen lassen, zählen der Templermeister Jacques de Molay, sein Pendant unter den Johannitern, Foulques de Villaret, sowie dessen anglonormannischer Ordensbruder Roger von Stanegrave. Das als Consilium super negotio Terre Sancte betitelte Werk des Templermeisters entstand als Antwort auf eine Bitte Papst Clemens’ V., der die Oberhäupter der Johanniter und Templer im Juni 1306 aufgefordert hatte, ihn an Allerheiligen desselben Jahres in Poitiers zu treffen, um ihn dort bezüglich der Rückeroberung des Heiligen Landes und einer möglichen Zusammenführung beider Orden zu beraten.14 Jacques de Molay, der sich zu diesem Zeitpunkt auf Zypern befand, sandte dem Papst zunächst zwei kurze schriftliche Consilia hinsichtlich der beiden Fragen, die er anschließend im persönlichen Gespräch mit ihm weiter auszuführen gedachte.15 Obgleich Jacques im Text als alleiniger Autor des Consilium genannt wird, war die Abhandlung, welche den Papst im Herbst 1306 erreichte, ohne Frage das Ergebnis gemeinsamer Beratungen mit anderen führenden Templern. Demurger hat nachweisen können, dass der Templermeister in Antizipation der päpstlichen Aufforderung seinen Ordensbrüdern Hugues de Pairaud, Bérenger de Cardona sowie Pierre de Saint-Just geschrieben und sie gebeten hatte, im August nach Limassol zu reisen, um dort mit ihm über die Durchführung eines allgemeinen Kreuzzuges zu diskutieren.16 Für die beiden Letzteren lässt sich überdies zeigen, dass sie der Bitte ihres Ordensmeisters folgten und nach Zypern reisten, sodass ihre Mitwirkung an dem schriftlichen Consilium für Clemens V. sehr wahrscheinlich ist.17 Vermutlich waren neben den beiden Katalanen noch weitere Templer an der Kompilation des Werkes beteiligt, allerdings lässt die lückenhafte Überlieferungslage für die Ordensprovinzen außerhalb des Königreichs Aragon keine Rückschlüsse auf deren Identität zu.18 Im November 1306 traf Jacques de Molay Wallmeyer, Pen (2019), 459–466. RC, Nr. 1033. Das Rückeroberungsmemorandum des Templermeisters ist nur in einer zeitgenössischen Kopie erhalten (ANF J 456/36/5). Für eine Edition siehe Baluze/Mollat, Vitae, Bd. 3 (1921), 145–149; daran anschließend Paviot, Projets (2008), 183–188. Zur Frage nach der Datierung siehe u. a. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 55; Demurger, Jacques de Molay (2002), 207–212; Finke, Papsttum, Bd. 1 (1907), 125 f.; Paviot, Introduction (2008), 23 f. Die Ordensunion behandelte der Templermeister in einer weiteren Abhandlung, vgl. Jacques de Molay, Consilium super unione. Ed. Baluze/Mollat, 150–154. Demurger, Ordres (2001), 119–122; Ders., Jacques de Molay (2002), 207–212. Demurger, Jacques de Molay (2002), 208 f. Hugues de Pairaud wurde im November 1306 von Clemens V. nach Avignon bestellt, bevor er der Bitte seines Ordensmeisters nachkommen und nach Zypern aufbrechen konnte, vgl. Briefe. Ed. Finke, 58–60, Nr. 39. Allein aus der erhaltenen katalanischen Korrespondenz lässt sich schließen, dass wahrscheinlich weitere Templer an dem consilium mitwirkten, denn in einem Brief an Arnau de Banyuls erwähnte Bérenger de Cardona, dass zwei namentlich nicht weiter benannte Ordensbrüder sowie ein Knappe ihn zu den Beratungen mit Jacques de Molay nach Zypern begleiten würden. Einer der beiden Ritter könnte der bereits erwähnte Pierre de Saint-Just gewesen sein, womit mindestens ein weiterer katala-
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
schließlich in Marseille ein, aber der Papst musste das Treffen aus gesundheitlichen Gründen verschieben. Der Templermeister sah sich nun jedoch mit einem anderen Problem konfrontiert, denn in Frankreich kursierte das Gerücht, sein Orden praktiziere Häresie und Sodomie. Im Oktober 1307 reagierte die französische Krone mit der massenhaften Verhaftung von Templern, zu denen auch Jacques de Molay und andere führende Ordensmitglieder gehörten. Wenig später eröffnete Clemens V. auf Drängen Philipps IV. eine Serie von kirchlichen Gerichtsverfahren gegen den Orden, die zur Verurteilung zahlreicher Templer führten und im März 1312 mit der Auflösung des Ordens endeten.19 Mit den Templerprozessen sowie dem damit verbundenen Legitimationsverlust endete schlussendlich auch die Tätigkeit der Ordensbrüder als Kreuzzugsexperten.20 Auch der Johanniterorden unter seinem Ordensmeister Foulques de Villaret (auch: Fulko von Villaret) reagierte auf die im Juni 1306 geäußerte Bitte des Papstes nach Ratschlägen. Da er zunächst das Generalkapitel seines Ordens abwarten wollte, welches für den November desselben Jahres in Limassol angesetzt war, sandte Foulques dem Papst zunächst nur eine Niederschrift seiner Pläne unter dem Titel Informatio et instructio super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte und reiste erst zu Beginn des Jahres 1307 zu einem persönlichen Treffen nach Poitiers.21 Zu diesem Zeitpunkt hatte die Ordensführung um Foulques de Villaret bereits begonnen, die Vorbereitungen für einen Kreuzzug zur Eroberung von Rhodos und den umliegenden Inseln in Gang zu setzen, die vom byzantinischen Kaiser kontrolliert wurden.22 Mit der Informatio warben die Johanniter nun um päpstliche Unterstützung für dieses Projekt, denn die Dodekanes sollten dem Orden als Operationsbasis für eine Seeblockade des ägyptischen Mittelmeerhandels dienen und anschließend als Brückenkopf den Ausgangspunkt für
nischer Templer bliebe, der an der Kompilation des Werkes beteiligt war, vgl. Demurger, Jacques de Molay (2002), 210. Barber, Trial (2006); Ders., New Knighthood (1994), 297–310; Demurger, Vie (1989), 303–316; Finke, Papsttum, Bd. 1 (1907), 231–281; 345–369. Obgleich einige Templer der Verfolgung entgehen konnten, lässt sich nach 1307 kein (ehemaliges) Ordensmitglied mehr als Kreuzzugsberater am Hof fassen, vgl. III.1.3.2. Zur Stellung ehemaliger Templer nach der Auflösung ihres Ordens vgl. Barber, Trial (2006), 278 f. Johann von St. Viktor, Vita Clementis V. Ed. Baluze/Mollat, 10; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603–610. Zur Überlieferungsgeschichte des Werkes siehe Paviot, Projets (2008), 189; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 602. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1904), 274–276, Fußn. 2. Von den Ereignissen berichtet auch die Chronik des Templers von Tyrus und die sogenannte Amadi-Chronik, vgl. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 256–259; Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 320. Siehe dazu auch Failler, Occupation (1992), 113–135; Georgiou, Passagium (2013), 53–63; Housley, Clement V (1982), 29–43; Menache, Clement V (1998), 101–112; Luttrell, Hospitallers (1975), 278–288; Ders., Genoese (1997), 737–761; Ders., Hospitallers (1998), 595–622; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 223–228; Schein, Fideles Crucis (1991), 219–233 sowie III.1.3.2.
2.1 Sozialer Hintergrund
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einen allgemeinen Kreuzzug bilden.23 Wenngleich Foulques de Villaret in der Intitulatio des Werkes als alleiniger Verfasser identifiziert wird, entstand die Informatio wahrscheinlich unter Mitwirkung anderer Ordensmitglieder aus den Beratungen im Umfeld des Generalkapitels. Die Autorschaft des Werks lässt sich deshalb weniger sicher bestimmen als bei dem Consilium der Templer: Infrage kommen insbesondere die beiden Ordensmarschälle Simon Le Rat und Albert von Schwarzburg, da beide an dem Generalkapitel teilnahmen und sich überdies in den Folgejahren immer wieder als Berater in Kreuzzugsfragen an der Kurie und am französischen Hof nachweisen lassen.24 Die Informatio geht jedoch nicht allein auf die Arbeit von Beratern des militärischen Subtyps zurück, sondern wurde offenbar unter Mitarbeit von Ratgebern des administrativfinanziellen Subtyps kompiliert. Dies äußert sich darin, dass die Abhandlung in zwei inhaltlich distinkte Teile zerfällt, von denen jeder in ein anderes inhaltsanalytisches Cluster fällt.25 Auf welche Berater die zweite Hälfte zurückgeht, in der nahezu ausschließlich Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges diskutiert werden, lässt sich allerdings nur schwer ermitteln. Das Amt des Schatzmeisters der Johanniter hatte in jener Zeit jedenfalls Durand de la Prévôté inne, der ebenfalls dem Generalkapitel beiwohnte und in einer sieben Jahre später ausgestellten Urkunde zu den consiliarii Alberts von Schwarzburg gezählt wird.26 Abgesehen von der Beteiligung von Rittern wie Durand ist es jedoch auch möglich, dass die von den Johannitern eingesetzten Finanzexperten
Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605–608. Rhodos selbst wird in dem Memorandum nicht erwähnt, allerdings wird aus den Äußerungen anderer Akteure, die in die zeitgenössischen Kreuzzugsplanungen involviert waren, deutlich, dass die Insel den beschriebenen Brückenkopf bilden sollte, so u. a. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 320. Aus den Berichten der Gesandten Jakobs II. von Aragon an der Kurie ist ebenfalls ersichtlich, dass die Johanniter planten, mit Rhodos einen Brückenkopf für folgende Kreuzzugsunternehmen zu gewinnen, vgl. AA 3, 191 f., Nr. 88; AA 3, 198 f., Nr. 91. Als Clemens V. dem Orden schließlich im August 1308 Kreuzfahrerprivilegien zur Eroberung von Rhodos gewährte, hielt er fest, das Ziel des Feldzuges sei es, den allgemeinen Kreuzzug vorzubereiten, vgl. CGOH 4, 181, Nr. 4807. CGOH 4, 137, Nr. 4735. Simon Le Rat ließ wenige Jahre zuvor einen Kodex mit Taktiken arabischer Heere kompilieren und Albert von Schwarzburg beriet Marino Sanudo in Kreuzzugsfragen, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 310; Forey, Military Orders (1992), 192. Sowohl Simon Le Rat als auch Albert von Schwarzburg gehörten überdies zum engeren Kreis der Ratgeber um den Ordensmeister Foulques de Villaret und standen ihm auch nach seiner Demission bei, vgl. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; Luttrell, Hospitallers (1975), 288. Für diese These spricht, dass die Verfasser im ersten Teil des Werkes die Durchführung einer Blockade des ägyptischen Mittelmeerhandels sowie einen daran anschließenden Partikularkreuzzug zur Eroberung eines Brückenkopfes für die Kreuzfahrer diskutieren. Der zweite Teil widmet sich hingegen ausschließlich verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung dieses Unternehmens durch päpstliche Subsidien und fällt im Gegensatz zum ersten Teil in den Bereich der administrativ-finanziellen Ratschläge. Siehe dazu II.1.1. Foedera. Ed. Rymer/Sanderson, Bd. 2/1, 57 f. Allein aus seiner Funktion zu schließen, dass er das notwendige Wissen hatte, scheint problematisch, zumal administrativ-finanzielle Experten sich durch Wissen über die kirchliche Verwaltung auszeichneten, siehe dazu II.3.3.2. Einige Brüder mit solchen Kenntnissen fanden sich durchaus in den Reihen der Johanniter; so etwa Guillaume de Saint Estène,
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sich aus dem Ordenspersonal rekrutierten oder dass externe Ratgeber, möglicherweise aus der Kirchenhierarchie, herangezogen wurden. Im Zeitraum zwischen der Ankunft von Foulques de Villaret in der Provence im Frühjahr 1307 und dem August des Folgejahres entstanden zwei weitere Rückeroberungsdossiers der Johanniter. Mit diesen beiden zusammenhängenden Werken reagierte der Ordensmeister wahrscheinlich auf die seitens der Könige von Aragon und Frankreich geäußerte Kritik an der Durchführbarkeit seines Rückeroberungsprojekts, indem er die Pläne seines Ordens weiter präzisierte.27 Eines der beiden Werke, betitelt La Devise des chemins de Babiloine, ist ein Itinerar, welches den Kreuzfahrern den titelgebenden Weg nach Babylon bzw. Kairo weisen sollte und von Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps verfasst wurde, die im Text nur als ehrenwerte Männer, die sich in Übersee aufgehalten haben und die Macht des Sultans kennen, bezeichnet werden.28 Das zweite Dossier trägt den Titel Traitié coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens und weist eine hohe inhaltliche Nähe (2672) zu dem Consilium der Templer auf.29 Im Gegensatz zur Informatio wird der Traité in der Intitulatio nicht allein Foulques de Villaret, sondern auch explizit dem Konvent der Johanniter zugeschrieben, allerdings lässt sich erneut nur vermuten, wer außer dem Ordensmeister noch an der Zusammenstellung des Werkes beteiligt war.30 Albert von Schwarzburg und Simon Le Rat scheiden in diesem Fall eindeutig als Mitverfasser aus, da beide sich 1308 noch in Zypern aufhielten, um dort zwischen dem desavouierten König Heinrich II. und dessen Bruder Amalrich (✶1272 †1310) zu vermitteln.31 Die einzigen Johanniter, die sich während dieses Zeitraums in der Nähe des Ordensmeis-
der in seinem 1294 verfassten Rechtstraktat Saterian u. a. aus dem Decretum Gratiani zitierte, vgl. Burgtorf, Sammlung (2009), 253–276; Delisle, Jean d’Antioche (1906), 34–39. Zur Kritik der Könige siehe AA 3, 197–202, Nr. 91–92; CGOH 4, 203 f., Nr. 4841 sowie die Darstellung in III.1.3.2. Devise des chemins. Ed. Paviot, 201, Fußn. 4: preudes hommes qui ont demouré oultre la mer et scevent le pooir du soudan bzw. probos viros qui dui steterunt ultra mare et sciunt potestatem soldani (...). Das Werk ist in zwei Sammelhandschriften des 14. Jahrhunderts enthalten (BSG Ms. 1654, fol. 147v– 151r; BNF Ms. Lat. 7470, fol. 172r–178v), die auch andere Kreuzzugsmemoranden wie die Informatio des Bischofs von Mende enthalten. Der Umstand, dass beide Werke im Gegensatz zur Informatio französisch verfasst wurden, ist vermutlich nicht darauf zurückzuführen, dass die Zeit drängte und Foulques de Villaret in Frankreich keine Möglichkeit hatte, um die Texte für den Papst ins Lateinische übersetzen zu lassen. Die Ordensmeister der Johanniter verfügten laut der Statuten von 1302 über zwei Schreiber und wie Felten gezeigt hat, dauerte es in der diplomatischen Korrespondenz oft nur wenige Tage, einen Brief ins Lateinische zu übersetzen, vgl. Burgtorf, Convent (2008), 220; Felten, Verhandlungen (2004), 450. Da beide Werke in Sammelhandschriften überliefert sind, die zu Beginn der 1320er am französischen Hof entstanden sind, ist es also deutlich wahrscheinlicher, dass die beide Texte ursprünglich in Latein für den Papst verfasst wurden und für den ebenfalls an den Planungen beteiligten französischen König übersetzt wurden. Zu den beiden Handschriften und ihrer Verwendung in den Kreuzzugsplanungen siehe III.1.1.1. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 221. Burgtorf, Convent (2008), 467; 656.
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ters fassen lassen, sind drei lokale Präzeptoren, die im Oktober 1307 eine Urkunde in Marseille bezeugten.32 Keiner der drei ist allerdings vor oder nach diesem Zeitpunkt als Berater in Kreuzzugsfragen nachweisbar, sodass unklar bleibt, ob sie tatsächlich zu den Ordensrittern gehörten, die gemeinsam mit Foulques den Traité verfassten. Keineswegs unklar ist indes der Erfolg der Johanniter als Kreuzzugsexperten, denn am 11. August 1308 folgte der Papst ihren Vorschlägen und rief einen Kreuzzug unter der Führung von Foulques de Villaret aus, der in den Folgejahren die Insel Rhodos erobern sollte.33 Mehr als 20 Jahre nach der erfolgreichen Eroberung von Rhodos durch die Johanniter entstand in den Reihen des Ordens eine weitere Abhandlung über die Rückeroberung der heiligen Stätten. Dieses Werk mit dem Titel Li Charboclois d’armes du conquest precious de la Terre Saint de promission ist vermutlich der einzige erhaltene Ratschlag von Experten des militärischen Subtyps, der nicht in kollektiver Autorschaft verfasst wurde.34 Aufgrund irreparabler Schäden am einzigen erhaltenen Textzeugen des Werkes kann der Text zwar nicht inhaltsanalytisch erfasst werden, jedoch legt die rein quantitative Betrachtung der rubrizierten Kapitelüberschriften eine Einordnung in den militärischen Subtyp nahe.35 Im Gegensatz zu den kurzen Memoranden von Jacques de Molay und Foulques de Villaret handelt es sich allerdings nicht um einen Überrest aus der diplomatischen Korrespondenz, sondern um ein umfangreiches Rückeroberungstraktat mit Elementen eines Fürstenspiegels, verfasst am Hof des englischen Königs Eduard III. von einem anglonormannischen Johanniter namens Roger von Stanegrave. Dieser hatte zuvor über 30 Jahre als Gefangener in Ägypten verbracht, nachdem er 1271 im Rahmen des Kreuzzuges von Eduard I. in den Orient gereist und vermutlich 1281 während der Schlacht von Homs in Gefangenschaft geraten
CGOH 4, 150, Nr. 4756: fratribus Rostagno de Sabrano, Aurayce preceptore; Gaufrido Raymundi, preceptore Arelatis; Hugone Eustacie, Avinionis preceptore (...). Für die Bulle Exsurgat Deus, mit der Clemens V. den Kreuzzug ausrief, siehe CGOH 4, 178–182, Nr. 4807. Zur Eroberung von Rhodos siehe Fußn. 22 sowie III.1.3.2. Die einzige erhaltene Handschrift des Werkes (BL Cotton Ms. Otho D.V., fol. 1r–15r) stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert und war ursprünglich Teil der Sammlung von Sir Robert Bruce Cotton (✶1570 †1631), bevor sie 1753 mit dem Rest seiner Bibliothek in den Besitz der British Library überging. Der Text ist in einer Sammelhandschrift überliefert, die neben Rogers Werk auch die Historia Mongolorum des Johannes von Plano Carpini, Hethums Flor des estoires de la terre d’Orient, die Chronik Wilhelms von Tyrus sowie Fragmente von Marco Polos Il Milione enthält. Bei einem Brand in der CottonBibliothek im Oktober 1731 wurde die Handschrift schwer beschädigt und ist nur noch partiell lesbar. Im Folgenden stütze ich mich auf die bisher einzige Edition des Textes in Paviot, Projets (2008), 293–387. So verweisen etwa 32 der insgesamt 75 Kapitel des Textes explizit auf militärstrategische Erwägungen wie die Bewaffnung des Kreuzfahrerheeres oder die Taktik für einen nächtlichen Angriff auf Alexandria, vgl. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 350 f.; 355–358.
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war.36 Gegen ein Lösegeld von 10.000 Florin wurde er 1316 auf Vermittlung Alberts von Schwarzburg von einem genuesischen Kaufmann freigekauft und kehrte zwei Jahre später im Beisein eines jüdischen Unterhändlers nach England zurück, um das Lösegeld für seine Freilassung bei seinen Verwandten in Yorkshire einzuwerben.37 Da seine Familie die notwendige Summe nicht aufbringen konnte (oder wollte), übernahm Eduard II. (✶1284 †1327) einen Teil der Schulden und setzte sich bei Johannes XXII. sowie dem Johannitermeister Hélion de Villeneuve dafür ein, Roger eine Komturei in der Diözese Lincoln mitsamt dem dazugehörigen Einkommen anzuvertrauen.38 Als dessen Nachfolger Eduard III. im Laufe des Jahres 1331 Planungen für einen neuen Kreuzzug aufnahm, verfasste der inzwischen über 80 Jahre alte Roger seine Charboclois d’armes für den jungen englischen König.39 Die schriftlich überlieferten Abhandlungen von Jacques de Molay, Foulques de Villaret und Roger von Stanegrave bilden allerdings nur einen Bruchteil der kreuzzugsbezogenen Ratgebertätigkeit von Johannitern und Templern ab. Jakob II. von Aragon konsultierte im Laufe des Jahres 1294 mehrfach den Johanniter Bonifaz von Calamandrana (†1298) bezüglich der Aufstellung einer Kreuzfahrerflotte.40 Sein Vorgänger Alfons III. (✶1265 †1291) ließ sich unmittelbar nach dem Untergang der Grafschaft Tripolis (1289) von dem Johanniter Raymond de Ribells über Möglichkeiten zur Unterstützung der Kreuzfahrerreiche beraten.41 Vier der 14 Ratgeber, die der französi-
Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 304–306. Zu seiner Biographie vgl. Forey, Military Orders (1994), 263; Guard, Chivalry (2013), 32 f.; Paviot, Introduction (2008), 35–41; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 213 f.; Tyerman, England (1988), 251 f. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 306–312. Rogers Fall lässt sich in den Quellen ungewöhnlich gut verfolgen, weil der jüdische Unterhändler Isaak, den der genuesische Kaufmann Segurano Salvaygo zusammen mit Roger zurück nach England gesandt hatte, um das Lösegeld einzuwerben, ein königliches Privileg für seinen Aufenthalt benötigte, da Eduard I. 1290 alle Juden aus seinem Königreich verbannt hatte, vgl. CPR 1317–1321, 254. Zu Isaak siehe insbes. Krummel, Jewishness (2011), 13 f. Zu Segurano siehe Kedar, Segurano (1993), 75–91 sowie II.4.3.2. Auf die Zahlungsunfähigkeit (oder Unwilligkeit) von Rogers Familie lässt ein handschriftlicher Vermerk unter der o. g. Urkunde schließen: Da nach einem Jahr noch immer nicht die benötigte Summe zusammengekommen war, musste das königliche Privileg, welches dem jüdischen Unterhändler den Aufenthalt in England erlaubte, am 11 Januar 1319 um ein weiteres Jahr verlängert werden, vgl. CPR 1317–1321, 254. Zugleich schrieb der englische König Johannes XXII., dem Johannitermeister Hélion de Villeneuve sowie Kardinal Gaucelme de Jean mit der Bitte, Roger die custodia einer Komturei in der Diözese Lincoln anzuvertrauen, vgl. Foedera. Ed. Rymer/Sanderson, Bd. 2/1, 413 f.; Paviot, Introduction (2008), 39 f., Fußn. 77–79. Aus der Überlieferung lässt sich allerdings nicht ermitteln, ob Roger die Komturei auch tatsächlich erhielt. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 302. Zu den Kreuzzugsplanungen der 1330er siehe insbes. Atiya, Crusade (1970), 95–113; Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 86–102; Housley, Avignon Papacy (1986), 23–27; Ders., Later Crusades (1992), 32–36; Tyerman, Philip VI (1985), 25–52; Viard, Projets (1936), 305–316. AA 1, 14 f., Nr. 10; AA 3, 10. Zu Bonifaz siehe Borchardt, Initiatives (2018), 29 f.; Burgtorf, Career (2007), 73–85. CGOH 3, 560 f., Nr. 4090.
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sche König Philipp V. im Dezember 1319 zu Kreuzzugsplanungen nach Paris bestellte, gehörten dem Orden der Johanniter an – unter ihnen bekannte Experten wie Foulques de Villaret und Simon Le Rat.42 Im Jahr 1331 weilte der neue Johannitermeister Hélion de Villeneuve am Hof Roberts I. von Neapel (✶1278 †1343), um den König und seine Söhne zu beraten.43 Allerdings wurden die Rückeroberungspläne, welche die Ratgeber bei diesen Treffen diskutierten, in keinem der vier Fälle schriftlich festgehalten. Auch wenn es an den Höfen oft vorkam, dass derartige consilia und deliberationes rein mündlich abgehalten und die Ergebnisse nicht niedergeschrieben wurden, so scheint die Mündlichkeit im Fall der Ordensritter besonders ausgeprägt gewesen zu sein. Von zwei anderen Ratgebern, die an den Treffen in Paris und Neapel teilnahmen und nicht dem Johanniterorden angehörten, sind nämlich entsprechende Niederschriften erhalten.44 Die Ursache für diese Überlieferungslücke ist vermutlich im milieuspezifischen Wissen der Ordensritter sowie der Beschaffenheit des Wissensbestandes zu suchen, aus dem sie ihr Spezialwissen schöpften. Obgleich im Laufe des 13. Jahrhunderts immer mehr Ordensritter das Lesen und Schreiben volkssprachlicher Texte gelernt und die hohen Amtsträger der Orden durchgehend Schreiber an ihrer Seite hatten, war die Schriftlichkeit innerhalb der Orden auch im frühen 14. Jahrhundert nach wie vor weniger ausgeprägt als in den klerikalen sowie gelehrten Milieus, aus denen zahlreiche Berater des administrativ-finanziellen sowie des geographisch-ethnographischen Subtyps stammten.45 Der Templermeister Jacques de Molay beherrschte etwa weder das Lesen volkssprachlicher Texte noch die lateinische Sprache und war folglich auf Schreiber bzw. Übersetzer angewiesen, um seine Ratschläge für den Papst zu verschriftlichen.46 Darüber hinaus rekurrierten die Ordensritter vornehmlich auf praktisches Wissen, welches der Kriegsroutine entstammte und sich im Gegensatz zum teils propositionalen Wissen der anderen beiden Beratertypen deutlich schwerer verschriftlichen ließ. Trotz der unzureichenden Überlieferung lässt die inhaltliche Nähe der erhaltenen Werke jedoch vermuten, dass die mündlichen Ratschläge anderer Ordensritter ähnliche inhaltliche Schwerpunkte setzten und folglich ebenfalls dem militärischen Subtyp der Kreuzzugsberater angehörten.
ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. Über das Treffen berichtete Marino Sanudo in einem Brief an den französischen König, vgl. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 103–110; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1–288. Aurell, Chevalier (2011), 218; Forey, Literacy (2009), 210 f. Demurger, Jacques de Molay (2002), 280–284. Aus diesem Grund zählten die Ordensmeister der Templer und Johanniter bereits seit Mitte des 12. Jahrhunderts Schreiber zu ihrer Entourage. Der Johannitermeister Guillaume de Villaret beschäftigte beispielsweise zwei solcher Schreiber, die wahrscheinlich auch als Übersetzer fungierten, vgl. Burgtorf, Convent (2008), 213–221.
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2.1.2 Kriegführender Adel Abgesehen von den Vertretern der geistlichen Ritterorden traten auch weitere Akteure aus dem kriegführenden Adel, darunter sowohl Fürsten als auch weltliche Ritter, als Berater des militärischen Subtyps auf. Wie die jüngere Adelsforschung herausgestellt hat, handelte es sich bei den Akteuren, die in den Quellen des Untersuchungszeitraums als miles oder chevalier bezeichnet wurden, allerdings keineswegs um Angehörige eines sozialen Standes. Stattdessen evozierten die Zeitgenossen durch diese Ausdrücke einen sozial konstruierten Prototypen, der gleichermaßen die militärische Funktion der jeweiligen Akteure als Panzerreiter, ihre soziale Funktion als lokale Herrscher oder ihr Bekenntnis zum Normenkanon des Rittertums bezeichnen konnte. Die Erhebung zum Ritter durch den formalen Akt der Schwertleite oder des Ritterschlags war auch im frühen 14. Jahrhundert noch kein Prärogativ bestimmter Teile des Adels, sodass Könige und Fürsten sich ebenso als Ritter verstehen konnten wie Nachkommen von kleineren Adelsfamilien, Bauern oder Stadtbürgern. Erst im späten 14. Jahrhundert begann der lateineuropäische Adel sich als Gemeinschaft herauszubilden und als solche sukzessive gegenüber anderen Teilen der Gesellschaft abzuschließen. Ritterschlag bzw. Schwertleite standen in der Folgezeit nur noch den Nachkommen von Rittern offen und wurden nun zunehmend mit dem sich in diesem Zeitraum ebenfalls ausdifferenzierenden Niederadel assoziiert.47 Der soziale Hintergrund der in den höfischen Quellen als miles oder chevalier bezeichneten Kreuzzugsberater war deshalb deutlich heterogener, als es die einheitliche Terminologie zunächst vermuten lassen mag, und kann nicht immer eindeutig bestimmt werden. Ihre Gemeinsamkeit bestand weniger in einer geteilten sozialen Herkunft, sondern in ihrer militärischen Funktion sowie dem drauf aufbauenden Selbstverständnis als bellatores. Folgt man der Registerüberlieferung, so ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Ritter die Mehrzahl der Ratgeber des militärischen Subtyps und vermutlich auch den größten Teil der höfischen Kreuzzugberater stellten. So wurden sechs der 14 Experten, die der französische König im Dezember 1319 zur Planung eines Kreuzzuges in Paris versammelte, als chivaliers bezeichnet und stellten somit noch vor den vier als freres bezeichneten Johannitern den Großteil der an diesem Treffen teilnehmenden Ratgeber.48 Selbst an der Kurie als geistlichem Hof tauchen wiederholt milites als Berater auf, wenngleich aus der Überlieferung nicht immer deutlich wird, ob es sich dabei um geistliche oder weltliche Ritter handelte.49 Jenseits solcher Einzelfälle lassen sich allerdings
Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 141 f.; Morsel, Aristocratie (2004), 116–125; Pollastri, Lignage (2011), 73–75. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. Für den englischen Hof ist aufgrund der ambigen Haltung der englischen Könige zum Kreuzzug der Nachweis ungleich schwerer zu führen, allerdings lassen sich auch dort mit Beratern wie etwa William Trussel vereinzelt Ritter aufzeigen, die in die höfischen Kreuzzugsplanungen involviert waren, vgl. TNA C 54/149/36d. Siehe u. a. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 310; RJF, Nr. 1711.
2.1 Sozialer Hintergrund
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keine belastbaren Hypothesen über den tatsächlichen Anteil von Angehörigen des kriegführenden Adels im Allgemeinen sowie Rittern im Speziellen an den höfischen Kreuzzugsplanungen formulieren. Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass die Vorschläge von Ratgebern aus dem kriegführenden Adel üblicherweise mündlich erfolgten und nur dann schriftlich erhalten sind, wenn die Ergebnisse mündlicher deliberationes an andere Höfe kommuniziert wurden. Sogar einer der gefragtesten Kreuzzugsexperten seiner Zeit, der Ritter Othon de Grandson (auch: Otto de Grandison), hinterließ keine schriftliche Abhandlung. Der aus Savoyen stammende Othon hatte den Prinzen Eduard bereits bei dessen Kreuzzug (1270–1272) begleitet, wurde wenig später zum königlichen Ritter erhoben und führte das kleine Kontingent der englischen Krone an, das 1291 bei der Verteidigung von Akkon half.50 Zwischen 1289 und 1320 lässt Othon sich immer wieder als Ratgeber in den Kreuzzugsplanungen am englischen und französischen Hof nachweisen, ohne dass seine Vorschläge schriftlich festgehalten wurden.51 Unter den überlieferten Texten von Ratgebern aus dem kriegführenden Adel liegen damit keine Abhandlungen einzelner Akteure vor, sondern ausschließlich Komposita, welche auf die kollektive Arbeit mehrerer Berater eines Herrschers zurückgehen und im Rahmen der diplomatischen Korrespondenz zwischen den Höfen erhalten sind. Das älteste Werk dieser Art ist der am Hof des neapolitanischen Königs Karl II. von Anjou entstandene und an Papst Nikolaus IV. adressierte Conseill, mit dem der König im September 1291 auf die päpstliche Bitte um Vorschläge zur Rückeroberung und Bewahrung des Heiligen Landes reagierte.52 Da sein Vater und Vorgänger im Jahr 1277 Maria von Antiochia (†1307) ihren Anspruch auf die Krone von Jerusalem abgekauft hatte, betrachtete Karl II. sich als einzig legitimen Anwärter auf das Königreich Jerusalem.53 Bereits seit Beginn seiner Regentschaft führte er eine verlustreiche Ausei-
Zu Othon siehe Forey, Otto of Grandson (2018), 79–93; Prestwich, War (1972), 42 f.; Rowland Clifford, Knight (1961). In der Forschung wurde allerdings immer wieder versucht, ihm einzelne Rückeroberungsprojekte zuzuschreiben; so vermutete Kohler etwa, Othon habe das als Via ad Terram Sanctam bekannte Kreuzfahreritinerar verfasst, vgl. Kohler, Projets (1904), 418–420. ANF JJ 58, fol. 48v, Nr. 441; Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 251 f.; Foedera. Ed. Rymer/ Sanderson, Bd. 1/4, 919; TNA C 54/124/10d. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–361. Da Karl II. von Anjou sich im September 1291 zwecks Friedensverhandlungen mit dem König von Aragon und Sizilien persönlich in Avignon aufhielt und Papst Nikolaus IV. bereits im April des Folgejahres verstarb, ist es sehr wahrscheinlich, dass Karl direkt auf die im August geäußerte Bitte des Papstes um Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes reagierte, vgl. Kiesewetter, Itinerar (1997), 164. Baldwin, Gregory X (2014), 129–134; Borghese, Carlo I (2008), 181–184; Hélary, Problème (2010), 328; Kiesewetter, Karl II. (1999), 47. Maria von Antiochia war die Enkelin König Amalrichs II. von Jerusalem (✶um 1145 †1205) und betrachtete sich nach dem Tod des letzten Staufers Konradin im Jahr 1268 als Erbin des Königreichs Jerusalem. Nachdem ihr Vorrecht auf die Krone 1274 durch das zweite Konzil von Lyon zugunsten Hugos III. von Lusignan (✶um 1235 †1284) zurückgewiesen worden war, verkaufte sie ihre Ansprüche drei Jahre später an Karl I. von Anjou (✶1227 †1285). Dieser eroberte umgehend das verbliebene Königreich Jerusalem und verdrängte Hugo nach Zypern, bis dessen Nachfolger Heinrich II. im Jahr 1285 die Rückeroberung gelang, vgl. Edbury, Cyprus (1994), 90–97.
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nandersetzung um die Insel Sizilien, die sein Vorgänger infolge eines Aufstandes im Jahr 1282 an die Könige von Aragon verloren hatte. Da der auf päpstliche Vermittlung hin entstandene Friedensschluss vom Februar 1291 sich als kurzlebig erwies, ist die Forschung nahezu einhellig der Ansicht, ein Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes habe zu diesem Zeitpunkt jenseits der militärischen Möglichkeiten Karls gelegen.54 Das Memorandum Karls II. für den Papst ging auf die kollektiven Empfehlungen seines Kronrates zurück, dessen personelle Zusammensetzung sich allerdings nicht eindeutig ermitteln lässt. Ein möglicher Berater des Königs in Kreuzzugsfragen und potentieller Ideengeber für den Conseill war der ursprünglich wohl aus der Grafschaft Tripolis stammende Ritter Mellorus de Ravendel, den Karl II. im Jahr 1295 zu seinem Vikar im Heiligen Land ernannte.55 Die Überlieferungsgeschichte des Werkes spricht zudem für eine Beteiligung der Johanniter, denn der einzige Textzeuge befindet sich in einer Sammelhandschrift des Ordens, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf Anweisung des Ordenspräzeptors Guillaume de Saint Estène (auch: Guillaume de SaintÉtienne oder Guglielmo di Santo Stefano)56 angefertigt wurde. Es ist unklar, wie und wann Guillaume an ein Dokument zu gelangen vermochte, das die Ratgeber Karls II. ursprünglich für den Papst verfasst hatten.57 Eine mögliche Verbindung zwischen
Im Februar 1291 gelang es Karl II. zwar nach fünfjährigen Verhandlungen in Tarascon Frieden mit einem seiner Widersacher, Alfons III. von Aragon, zu schließen, jedoch starb Alfons nur wenige Monate später und das Abkommen war hinfällig, vgl. Kiesewetter, Karl II. (1999), 235–240. Saggio di codice diplomatico. Ed. Minieri Riccio, Bd. 2, 12, Nr. 12. Zu Mellorus de Ravendel siehe Housley, Charles II (1984), 532. Die Herkunft des Guillaume de Saint Estène konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden, Delaville Le Roulx u. Luttrell verorteten ihn in der Lombardei, während Delisle u. Klement für eine französische Herkunft argumentiert haben. Für die Debatte siehe u. a. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1904), 24 f.; Delisle, Jean d’Antioche (1906), 22 f.; Klement, Gastgeber (2010), 130–137; Luttrell, Lawyers (1965), 450. Aufgrund dieser Herkunftsdebatte ist die Schreibweise des Namens in der Ritterordensforschung nach wie vor derart umstritten, dass Burgtorf resigniert resümiert: „daher nenne ich den Kompilator der Pariser Sammlung [BNF Ms. Franc. 6049, Anm. d. V.] ab sofort ‚neutral‘ Wilhelm von St. Stefan (denn Deutscher war er wohl kaum).“ Vgl. Burgtorf, Sammlung (2009), 267. Ich wähle im Folgenden mit dem altfranzösischen Guillaume de Saint Esteine bzw. Estène die Variante, die der Quellensprache am nächsten liegt, ohne mich damit allerdings auf eine französische Herkunft festlegen zu wollen. BNF Ms. Franc. 6049, fol. 183v–190r. Die Sammelhandschrift entstand vermutlich zwischen 1304 und 1305 und enthält neben dem Conseill des Königs von Neapel größtenteils normative Texte des Johanniterordens, u. a. die Ordensregel aus dem 12. Jahrhundert (fol. 11r–17r), Liturgien (fol. 17v–21r; 136r–142v) sowie Rechtsgepflogenheiten, sog. usances und esgarts, des Ordens (fol. 21r–39v; 121v–136r). Guillaume de Saint Estène hatte bereits in den 1280ern damit begonnen, Abhandlungen und Statuten, die er als relevant für den Orden erachtete, sammeln und kopieren zu lassen, darunter Ciceros De inventione sowie die fälschlicherweise ebenfalls Cicero zugeschriebene Rhetorica ad Herennium. In der Ritterordensforschung ist nach wie vor umstritten, ob diese Kompilationen auf eine Agenda der systematischen Verschriftlichung seitens der Ordensführung zurückgehen oder das Resultat des (Privat-)Interesses eines gebildeten Ritters sind. Siehe dazu u. a. Burgtorf, Sammlung (2009), 253–276; Delisle, Jean d’Antioche (1906), 23–40; Luttrell, Lawyers (1965), 450; Nicholson, Knights Hospitaller (2003),
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dem Conseill des Königs und den Johannitern könnte Guillaume de Villaret gewesen sein, der ab 1295 Meister des Ordens und darüber hinaus ein Onkel des bereits erwähnten Foulques de Villaret war.58 In einer 1293 ausgestellten Urkunde bezeichnete der König Guillaume, welcher zu diesem Zeitpunkt noch Prior von Saint-Gilles war, explizit als dilectus consiliarius, familiaris et fidelis noster, sodass es wahrscheinlich ist, dass Guillaume von Karl II. auch in Kreuzzugsfragen konsultiert wurde und der königliche Conseill auf diese Weise seinen Weg in die Sammlung des Guillaume de Saint Estène fand.59 Es ist allerdings ebenfalls sehr wahrscheinlich, dass neben den genannten Personen noch weitere Ratgeber an dem Memorandum mitgewirkt haben, weil das Werk sich vergleichsweise ausgiebig mit Legislation (11,9%) und Kreuzzugsfinanzierung (8,8%) beschäftigt. Der Umstand, dass die Passagen über die Akquise von Geldern vom Rest der Abhandlung weitgehend getrennt sind, spricht jedenfalls für eine Beteiligung finanziell-administrativer Berater. 20 Jahre nach dem Fall Akkons entstand die Informatio (alia) de pertinentibus ad passagium des Gonzalo de Hinojosa (†1327), in der älteren Forschung fälschlicherweise als Gonzalo Osorio de Villalobos bezeichnet,60 der als Bischof von León im Jahr 1312 oder 1313 dem französischen König Philipp IV. im Auftrag der kastilischen Krone einen detaillierten Vorschlag für die gemeinsame Durchführung eines Orientkreuzzuges unterbreitete, sofern dieser der Hochzeit des kastilischen Königs Alfons XI. (✶1311 †1350) mit einer französischen Prinzessin zustimmen würde.61 Da der Verfasser dieser Infor-
93; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 15 f.; Sarnowsky, Johanniter (2011), 77; Vann, Record Keeping (1998), 278. Burgtorf, Sammlung (2009), 267 f.; Morreale, Hospitaller’s Hand (2017), 135–147. Zu Guillaume de Villaret siehe u. a. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1904), 251–266; Nicholson, Knights Hospitaller (2003), 118; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 215–219. CGOH 3, 615, Nr. 4207. Guillaume de Villaret trat darüber hinaus zu Beginn der 1290er als Vertreter Karls II. in Rechtsgeschäften auf, vgl. CGOH 3, 611, Nr. 4197; 614, Nr. 4204. Ob Guillaume sich im Jahr 1291 persönlich mit Karl II. traf, geht nicht aus der Überlieferung hervor; so ist der Johanniter im April 1289 in Condom in der Gascogne nachweisbar und anschließend erst wieder im Oktober 1292 in Manosque in der Provence, vgl. CGOH 3, 533 f., Nr. 4034; 611, Nr. 4197. Möglich wäre ein solches Treffen demnach ohne Frage gewesen, denn Karl II. hielt sich gegen Ende des Jahres 1291 ebenfalls in der Provence auf, vgl. Kiesewetter, Itinerar (1997), 163–165. Ordás Díaz hat nachgewiesen, dass es niemals eine Person namens Gonzalo Osorio de Villalobos gab, die Bischof von León war, da der Name in Verbindung mit dem Bischofssitz allein auf einer Grabplatte aus dem späten 15. Jahrhundert auftaucht. Bischof der Diözese zwischen 1301 und 1313 war stattdessen Gonzalo de Hinojosa, der sich nach seinem Wechsel in die Diözese Burgos im Jahr 1313 auch unter genau diesem Namen nachweisen lässt, vgl. Ordás Díaz, Gonzalo Osorio de Villalobos (2017), 2–5. Das Werk ist zusammen mit anderen informationes zur Rückeroberung des Heiligen Landes in einer Sammelhandschrift aus den 1320er Jahren (BNF Ms. Lat. 7470, fol. 123v–129v) sowie zwei französischen Übersetzungen aus dem 14. Jahrhundert (BNF Ms. Franc. 12360, fol. 367–376; BSG Ms. 1654, fol. 151r–162v) überliefert. In allen drei Sammelhandschriften befindet sich auch die Informatio des Bischofs Guillaume Durand von Mende, der die Kompilation wahrscheinlich Auftrag gegeben hat, vgl. Rouse/Rouse, Context (2006), 117 f.; Tyerman, Philip V (1984), 27–29. sowie III.1.1.1. Guillaume Du-
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matio in den erhaltenen Textzeugen nicht namentlich erwähnt, sondern nur als episcopus Legionensis bezeichnet wird62 und die ersten Bearbeiter den Text zudem fälschlicherweise auf 1323 oder 1324 datiert haben, wurde in der Forschung bisher stets García Miguel de Ayerve (†1332), der den Bischofsstuhl von León zwischen 1318 und 1332 innehatte, als Autor des Werkes identifiziert.63 Da über García selbst nur wenig bekannt ist und aus den 1320ern keine Aufzeichnungen über Kreuzzugsplanungen am kastilischen Hof überliefert sind, bleibt allerdings vollkommen unklar, warum der Bischof von León sich mit einem Kreuzzugsplan an den französischen König gewandt haben sollte, weswegen die Quelle in der Forschung meist als kryptisch wahrgenommen und wenig beachtet wurde. Gegen eine Datierung der Informatio auf die 1320er spricht allerdings die Beschreibung der zeitgenössischen geopolitischen Lage im Werk selbst.64 Der Verfasser geht nämlich davon aus, dass der französische König sowie der König von Navarra zwei verschiedene Personen seien und Letzterer eine unverheiratete Tochter habe.65 Es kann sich daher nur um Ludwig (X.) handeln, der als ältester Sohn des französischen Königs Philipp IV. ab 1305 über Navarra herrschte, bis er nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1314 die beiden Kronen in Personalunion vereinigte. Als der im Werk beschriebene König von Kastilien und León kommt allein Alfons XI. in Betracht, der 1312 im Alter von einem Jahr gekrönt wurde und erst 1325 heiratete.66 Ludwigs erste Tochter Johanna kam nur ein Jahr zuvor zur Welt und wäre folglich im gleichen Alter wie Alfons gewesen. Bezieht man noch den Umstand ein, dass der Autor der Informa-
rand hatte Gonzalo wiederum persönlich bei diplomatischen Verhandlungen am französischen Hof kennengelernt und fügte dessen Werk möglicherweise deswegen seiner Sammlung von Rückeroberungsplänen hinzu, vgl. Pièces justificatives. Ed. Daumet, 231 f., Nr. 28. Die lateinische Handschrift ist ediert in Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 110–117. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 1v. In den Handschriften BNF Ms. Franc. 12360 u. BSG Ms. 1654 fehlt die Zuordnung des Werkes zu einem Autor vollständig. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 83; Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 110; Leopold, Holy Land (2000), 41; Rouse/Rouse, Context (2006), 154. Hinsichtlich der Datierung beruft sich die bisherige Forschung vornehmlich auf den ältesten Textzeugen des Werkes, der wahrscheinlich zu Beginn der 1320er Jahre entstand. Tyerman hat in einer Rezension von Leopolds Monographie erstmals Zweifel bezüglich der Datierung des Werkes geäußert, vgl. Tyerman, Rez. von: Leopold, Holy Land (2001), 887. Zu García de Ayerve siehe Ordás Díaz, Episcopado (2018), 257–275. Zur Neudatierung der Informatio siehe Wallmeyer, Kreuzzugsplan (2022), 447–462. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 117: Item tractetur matrimonium inter filiam regis Navarre et istum parvulum regem Alfonsum castelle, quia cum alia de domo Francie fieri non posse; yspani enim non acciperent aliam, nisi filiam regis aut primogeniti. Item sedentur omnes questiones inter gentes regni francie et regni aragonie et tradentur matrimonia inter filios et filias suas cum aliquibus de domo francie, que bene fieri possunt. Dürrholders Annahme, das Werk sei in der Regierungszeit des französischen Königs Karl IV. (1322–1328) entstanden, ist folgerichtig zurückzuweisen, denn von Karl allein als rex Navarra zu sprechen und den deutlich höhergestellten Titel des rex Francie zu unterschlagen, wäre fraglos einer Beleidigung gleichgekommen. Sánchez-Arcilla Bernal, Alfonso XI (1995), 47 f.; 131.
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tio Alfons einen sehr kleinen König (parvulum regem) nennt und dies für einen 13oder 14-jährigen Monarchen, der gerade im Begriff steht, die Regierung seines Königreiches anzutreten, denkbar unangemessen wäre, dann kommen allein die Jahre 1312 und 1313 als Verfassungszeitraum für die Informatio in Frage.67 Bischof von León war in diesen Jahren der besagte Gonzalo de Hinojosa, für dessen Autorschaft neben der Datierung auch seine Nähe zum französischen Hof spricht, den er als kastilischer Gesandter zwischen 1311 und 1320 mehrfach aufsuchte.68 Überdies lässt sich ab 1317 nachweisen, dass Gonzalo seitens der kastilischen Krone beauftragt war, eine Eheschließung zwischen Alfons XI. und einer französischen Königstochter auszuhandeln.69 Da die Informatio zu 12,7% bündnispolitische Fragen erörtert und dem französischen König am Ende des Werkes explizit die Hochzeit einer französischen Prinzessin mit dem kastilischen König angeraten wird,70 ist folgerichtig anzunehmen, dass die Abhandlung 1312 oder 1313 im Rahmen der diplomatischen Verhandlungen durch Gonzalo de Hinojosa verfasst wurde, wahrscheinlich unter Beteiligung weiterer Ratgeber am kastilischen Hof und mit Wissen der Regentin María de Molina (✶um 1265 †1321).71 Der französische König Philipp IV. wiederum hatte bereits 1305 gegenüber Papst Clemens V. bekräftigt, einen Kreuzzug zur Rückeroberung der heiligen Stätten unternehmen zu wollen, und schließlich am Pfingstfest des Jahres 1313 in einer großen Zeremonie gemeinsam mit seinen Söhnen das Kreuz genommen.72 Die von Gonzalo abgefasste Informatio entstand demnach höchstwahrscheinlich aus dem Versuch heraus, eine kastilisch-französische Allianz durch eine kastilische Beteiligung an dem von Philipp IV. geplanten Kreuzzug zu befördern und den französischen König auf diese Weise von einer Ehe seiner Enkelin Johanna mit Alfons XI. zu überzeugen.73
[Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 117. Für diese Datierung spricht ferner, dass der Autor der Informatio annimmt, der 1307 verstorbene König Eduard I. habe kürzlich noch gelebt: rex Anglie Edwardus, adhuc prope vivente (...). Vgl. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114. Aubert, Cronice (2006), 563; Ordás Díaz, Gonzalo Osorio de Villalobos (2017), 9 f. Im Jahr 1311 besuchte Gonzalo das Konzil von Vienne, aber nach dessen Beendigung im Mai 1312 kehrte er nicht vor dem Mai des Folgejahres in seine Diözese zurück. Ordás Díaz vermutet, dass Gonzalo während dieser Abwesenheit als Gesandter den französischen Hof besuchte. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass die Informatio des Bischofs über den Kreuzzug in diesem Zeitraum entstand, vgl. ebenda, 7–9. Vom Versuch Gonzalos, der zu diesem Zeitpunkt bereits Bischof von Burgos war, eine Hochzeit mit einer französischen Prinzessin anzubahnen, zeugt ein auf November 1317 datiertes Übereinkommen mit Vertretern König Philipps V., vgl. Pièces justificatives. Ed. Daumet, 231–236, Nr. 29. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 117. Bereits Leopold, Holy Land (2000), 83 stellte konsterniert fest, obgleich die Informatio von einem Bischof verfasst worden sei, thematisiere sie keinerlei spirituelle Fragen und sei insgesamt überraschend militärisch. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 48–63; Heidelberger, Kreuzzugsversuche (1911), 25; 58; Housley, Later Crusades (1992), 25 f.; Schein, Philip IV (1985), 123; Tyerman, Capetians (1986), 170–172. So ist der Hinweis Gonzalos, in Spanien gebe es 2.000 Berittene, die mit der Kampfweise der Sarazenen vertraut seien und die Kreuzfahrer unterstützen könnten, als implizite Offerte für die Bereitstellung eben jener Berittenen zu verstehen, vgl. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 116. Ein ex-
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Die beiden mit einem Näherungswert von 193 inhaltlich ähnlichsten Werke des militärischen Subtyps waren ebenfalls Komposita und entstanden auf Anfrage Papst Johannes’ XXII. im Rahmen der Kreuzzugsplanungen an der Kurie im April 1323. Der Papst hatte die in Avignon weilenden Gesandten der Könige von Armenien und Zypern gebeten, die vermutlich zuvor zunächst mündlich übermittelten Kreuzzugsprojekte der beiden Herrscher schriftlich niederzulegen. Das erste Werk, in den päpstlichen Registern als Consilium super passagium particulare bezeichnet, enthält die Kreuzzugspläne der Gesandtschaft des Regenten Oschin von Korykos (†1329), der anstelle des minderjährigen Königs Leon V. (✶1309 †1341) über das Königreich (Klein-)Armenien herrschte. Als einziger Autor des Textes namentlich benannt wird ein armenischer miles namens Sargis, der die Vorschläge des Königs und der Barone des gesamten Königreichs Armenien einem ebenfalls zur Gesandtschaft gehörigen Kanoniker aus Famagusta mit Namen Jacobus Constantius zur Niederschrift diktierte.74 Dieses Königreich, in den Quellen oft antikisierend als Armenia minor bezeichnet,75 ging auf armenische Flüchtlinge zurück, die im 11. Jahrhundert an den Ausläufern des Taurusgebirges im Südosten Kleinasiens ein eigenständiges Reich gegründet hatten. Dessen Herrscher hatten sich im späten 12. Jahrhundert mit Unterstützung der Kreuzfahrerreiche zu Königen ernannt und befanden sich nach deren Untergang in einer politisch prekären Situation. Um der Expansion der ägyptischen Sultane etwas entgegenzusetzen, hofften sie auf Unterstützung aus dem Westen und stellten dafür im Gegenzug die Union der armenischen mit der römischen Kirche in Aussicht.76 Aus diesen Gründen hatte eine armenische Gesandtschaft bereits das Konzil von Vienne besucht und dort für ein gemeinsames Kreuzzugsprojekt
plizites Angebot der kastilischen Krone oder ihrer Vertreter über eine Beteiligung an dem von Philipp IV. geplanten Kreuzzug ist indes nicht erhalten, was allerdings auch der Mündlichkeit diplomatischer Verhandlungen sowie der generell lückenhaften Überlieferung der französisch-kastilischen Korrespondenz des frühen 14. Jahrhunderts geschuldet sein mag, vgl. Daumet, Mémoire (1913), 133–135. Die Informatio war also entweder Teil umfangreicherer Verhandlungen des Bischofs von Léon über eine kastilische Kreuzzugsteilnahme, die nicht überliefert sind, oder aber der vorsichtige Versuch, den Verhandlungswert einer solchen Unterstützung als Gegenleistung für eine Hochzeit zwischen einer französischen Prinzessin und Alfons XI. auszuloten. RJF, Nr. 1691. Der auch im Gegenwartsarmenischen noch gebräuchliche Name „Sargis“ bzw. „Sarkis“ (im lat. Sarchi) spricht dafür, dass es sich bei dem Gesandten König Leons um einen Armenier handelte. Wenngleich seine Herkunft es wenig wahrscheinlich macht, dass Sargis ein Ritter lateineuropäischer Tradition war, lässt seine Bezeichnung als miles vermuten, dass er ebenfalls aus einem aristokratischen sowie kriegführenden Milieu stammte. Der in dem armenischen Consilium von 1323 als Schreiber benannte Ja. Constantii ist wahrscheinlich identisch mit dem bereits zwei Jahre zuvor als Teil einer Gesandtschaft des armenischen Königs an der Kurie nachweisbaren Jacobus Constantius, welcher der päpstlichen Korrespondenz zufolge ein Domkanonikat in Famagusta innehatte, vgl. RJ, Nr. 13975. So u. a. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 488; Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi, 324. Bajarsajkhan, Mongols (2011), 182 f.; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 72–75; Mutafian, Royaume arménien (2001), 27–41.
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geworben, von dem allerdings keine Niederschrift erhalten ist.77 Aus lateineuropäischer Sicht war die Unabhängigkeit Armeniens vom ägyptischen Sultan wiederum für den Fernhandel relevant, da nach dem Fall Akkons signifikante Teile des mediterranen Asienhandels über die armenische Hafenstadt Ayas (ital. Laiazzo) abgewickelt wurden.78 Das andere Werk, welches im April 1323 an der Kurie entstand, ist ebenfalls in den päpstlichen Registern überliefert und vereint die Vorschläge der Gesandten des zyprischen Königs Heinrich II. von Lusignan. Dieser erhob als Sohn der Isabella von Ibelin (✶1241 †1324) Anspruch auf das Königreich Jerusalem und hatte bereits auf dem Konzil von Vienne versucht, ein Kreuzzugsprojekt anzuschieben, um sein Anrecht auf die Krone auch durchzusetzen.79 Darüber hinaus sah der König sich seit Beginn seiner Herrschaft einer franko-normannischen Adelsopposition gegenüber, die 1306 mit Unterstützung des Templerordens zu einem erfolgreichen Coup d’Etat seines Bruders Amalrich führte.80 Der desavouierte König wurde in der Folge nach Armenien verbannt und musste Amalrich die Regentschaft überlassen, bis die Ermordung seines Bruders im Juni 1310 ihm die Rückkehr auf den Thron ermöglichte.81 Coureas hat dafür argumentiert, dass die Kreuzzugsprojekte Heinrichs seine politische Handlungsfähigkeit unmittelbar nach dem Umsturz demonstrieren sollten.82 Folgt man Edbury,
Mutafian, Royaume arménien (2001), 76. Möglicherweise handelte es sich bei den armenischen Gesandten auf dem Konzil um den damaligen Marschall von Armenien, den als Theodor bekannten Cantor einer Abtei in Armenien sowie den miles namens Leon, welche König Leon IV. bereits im Jahr 1307 zu Kreuzzugsberatungen an den englischen Hof gesandt hatte, vgl. Lettres inédites concernant les croisades. Ed. Kohler/Langlois, 62, Nr. 6. Dass Ayas als Standort für den mediterranen Asienhandel vom Fall Akkons profitierte, zeigt sich u. a. daran, dass der armenische König die Handelsprivilegien der genuesischen Kaufleute nur wenige Monate nach der Eroberung Akkons erweiterte. Im Jahr 1294 kam es vor Ayas sogar zu einer Seeschlacht zwischen Genua und Venedig um die Vorherrschaft über die Handelsroute nach Asien, vgl. Balard, Romanie (1978), 59 f.; Boase, Kingdom (1978), 28; Mutafian, Royaume arménien (2001), 122 f. Ayas war allerdings auch vor dem Untergang des Outremer ein wichtiger Ausgangspunkt für den mediterranen Asienhandel gewesen, so brachen die venezianischen Fernhändler Niccolò, Maffeo und Marco Polo zu ihrer China-Reise im Jahr 1271 von der armenischen Hafenstadt aus auf, vgl. Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi, 314–316. Edbury, Cyprus (1994), 92–94; Hill, History, Bd. 2 (1948), 277–279. Für das Consilium von 1311 vgl. die Editionen in Mas Latrie, Histoire, Bd. 2 (1852), 118–125; Paviot, Projets (2008), 281–292. Demurger, Jacques de Molay (2002), 163–165; Hill, History, Bd. 2 (1948), 216–230. Der Mörder Amalrichs war ein aus den Kreuzfahrerreichen stammender Ritter namens Simon de Montolif, der wahrscheinlich im Auftrag Heinrichs handelte, obgleich spätere Geschichtsschreiber wie der Verfasser der Amadi-Chronik den Mord als Folge eines persönlichen Ehrkonflikts zwischen Simon und Amalrich darstellten. Für die Beteiligung Heinrichs spricht vor allem dessen schnelle Restitution als König nach dem Attentat sowie die Nähe der Chronisten zum König. Zum Mord siehe Edbury, Cyprus (1994), 125–131; Hill, History, Bd. 2 (1948), 245–248. Coureas, Henry II (2016), 379 f. Coureas steht dabei in einer langen historiographischen Tradition, Heinrich II. als „schwachen König“ zu bezeichnen, insbesondere weil er zeitlebens unter einer Krankheit litt, welche die spätere Forschung meist als Epilepsie identifiziert hat, vgl. Peters, Rex inutilis (1997), 769 f.
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so scheinen die die ökonomischen Vorzüge eines Kreuzzuges sowie der damit verbundenen Blockade des ägyptischen Mittelmeerhandels allerdings ein wesentlich bedeutenderer Faktor gewesen zu sein, denn „as long as the westerners traded in Syria, Cyprus was no more than a port-of-call (...) but, by curtailing their access to the mainland ports, the way became open for Famagusta to become a major entrepôt.“83 Aus diesem Grund zählte Heinrich II. auch zu den ersten lateineuropäischen Potentaten, die, unmittelbar nachdem Papst Nikolaus IV. 1291 den Handel mit Ägypten untersagt hatte, damit begannen, eine Blockadeflotte auszurüsten und Handelsschiffe auf dem Weg nach Alexandria zu kapern.84 Von den Ratgebern, auf die der Consaill et avisiment zurückging, den die Gesandten Heinrichs dem Papst im April 1323 überreichen, kann nur einer mit relativer Sicherheit bestimmt werden. Das Werk selbst enthält zwar keine Angaben über den Verfasser, allerdings geht aus der päpstlichen Kanzleiüberlieferung hervor, dass zu diesem Zeitpunkt ein Ritter namens Pierre Le Jaune als Gesandter des Königs an der Kurie weilte. Obgleich Pierre selbst kein frater war, stand er den Johannitern nahe, hatte er sie doch bei der Eroberung von Rhodos aktiv unterstützt und dafür Subsidien aus dem Ordensbesitz auf Zypern empfangen.85 Für das 1311 im Rahmen des Viennense entstandene Consilium Heinrichs, welches allerdings in das geographischethnographische Cluster fällt, lassen sich zwei weitere Ratgeber des Königs in Kreuzzugsfragen ermitteln: Namentlich erwähnt werden der Kanoniker Jacobus de Casiatis aus Ancona sowie der genuesische Patrizier Symon de Carmadino, die beide als Gesandte des Königs auf dem Konzil fungierten.86 Die geographisch-ethnographische Ausrichtung des Werkes erklärt sich vermutlich aus dem Umstand, dass die beiden nicht aus den für Experten des militärischen Subtyps üblichen Milieus stammen, und lässt es zugleich wenig wahrscheinlich erscheinen, dass Jacobus sowie Symon auch an dem 1323 entstandenen Consaill et avisiment beteiligt waren. Ebenfalls als Ratgeber Heinrichs II. in Erscheinung trat der bereits erwähnte Simon Le Rat, der schon während des Coup d’Etat zu den aktivsten Unterstützern des Königs in den Reihen der Johanniter zählte, aber sich im Jahr 1323 nicht mehr auf Zypern oder Rhodos aufhielt.87 Wahrscheinlicher ist die Beteiligung eines Ritters namens Hugo Bedin, der be-
Edbury, Cyprus (1994), 133. Diese These vertreten auch Atiya, Crusade (1970), 58–60; Jacoby, Emporium (1984), 145–179; Richard, Royaume de Chypre (1984), 128–134; van Steenbergen, Alexandrian Crusade (2003), 123–137. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 322; Richard, Royaume de Chypre (2009), 860. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 118. Zu Jacobus de Casiatis und Symon de Carmadino siehe Coureas, Henry II (2016), 379; Paviot, Projets (2008), 281, Fußn. 3–4. Laut der Amadi-Chronik untersagte Amalrich im Jahr 1309 dem damaligen Ordensmarschall Simon Le Rat sogar ein Treffen mit dem im Exil befindlichen Heinrich II., weil er befürchtete, der Johanniter würde seinen Bruder dabei unterstützen, den Thron zurückzuerobern, vgl. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 312.
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reits während der Zeit des armenischen Exils als Ratgeber Heinrichs tätig war und spätestens ab 1322 als Befehlshaber der königlichen Flotte fungierte.88 Die hohe inhaltliche Nähe des Consaill et avisiment zu dem ebenfalls im April 1323 entstandenen armenischen Memorandum könnte überdies auf einen Austausch zwischen den beiden Gesandtschaften hindeuten, ist aber wahrscheinlich vielmehr darauf zurückzuführen, dass der Papst seine Wünsche hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Rückeroberungspläne gegenüber den Gesandten beider Herrscher sehr exakt formuliert hatte.89
2.1.3 Seehandelsstädte Eine Sonderstellung innerhalb der Texte von Ratgebern des militärischen Subtyps nehmen die Informationes pro passagio transmarino des Stadtrats von Marseille sowie die kurze Abhandlung Pro passagio der venezianischen Gesandten am Hof des französischen Königs Philipp IV. ein. Im Gegensatz zu den vorgenannten Werken wurden beide Texte nicht von Angehörigen des kriegführenden Adels, sondern von Vertretern mediterraner Seehandelsstädte verfasst. Seitdem die Seeroute während des 13. Jahrhunderts unter Kreuzfahrern zunehmend populär geworden war, frequentierten Bürger von Hafenstädten zunehmend die höfischen Planungszirkel, da die jeweiligen Städte als Kreuzfahrerhäfen und für den Schiffsbau unerlässlich waren. Für den Untersuchungszeitraum lassen sich dementsprechend immer wieder Vertreter von Kommunen in der Rolle des Kreuzzugsexperten nachweisen. So stellte König Jakob II. von Aragon 1308 gegenüber Papst Clemens V. heraus, er habe in Kreuzzugsfragen molts prohomens de la ciutat de Barcelona konsultiert und bei den mercatores, welche der französische König Karl IV. 1323 zu Rate zog, handelte es sich wahrscheinlich ebenfalls um in den Fernhandel involvierte Bürger bzw. Patrizier aus Hafenstädten des Mittelmeerraumes.90 Karls Vorgänger auf dem französischen Thron ließ sich wiederum hinsichtlich der Konstruktion von Schiffen für den geplanten Kreuzzug von einem Bürger der Stadt Narbonne namens Bernard Vital beraten.91 In keinem dieser Fälle ist jedoch eine Niederschrift der jeweiligen Vorschläge erhalten. Die inhaltliche Nähe der Vertreter von Seehandelsstädten zum militärischen Subtyp ist indes nahelie-
Coureas, Admirals (2016), 120 f.; Ders., Cyprus (2017), 371; Edbury, Cyprus (1994), 139. Die Herrscher standen überdies seit 1319 im Konflikt miteinander, was einen Austausch unwahrscheinlich macht, vgl. Edbury, Cyprus (1994), 136. AA 3, 198, Nr. 91; RJF, Nr. 1685. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397.
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gend, denn die militärhistorische Forschung hat gezeigt, dass die Kriegführung zur See und zu Land im Mittelmeerraum kaum voneinander zu trennen war.92 Das erste der erhaltenen Werke aus den Seehandelsstädten sind die Informationes pro passagio transmarino, welche der Rat der Stadt Marseille zwischen 1318 und 1319 an den Grafen Ludwig von Clermont (✶1279 †1341) richtete.93 Dieser war im September 1318 von König Philipp V. zum capitaneus, rector et gubernator des geplanten Kreuzzuges ernannt worden94 und hatte sich wahrscheinlich kurz darauf mit der Bitte um Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes an Marseille gewandt.95 Da der Stadtrat sich offenbar den Auftrag zum Bau der Kreuzfahrerflotte erhoffte, waren die Informationes Rückeroberungsplan und contractus navigii gleichermaßen.96 Die Stadt am Löwengolf diente bereits seit Beginn des 13. Jahrhunderts als Kreuzfahrerhafen und war über diesen Zeitraum hinweg auch stets in den Bau von Transportschiffen für die Kreuzfahrer involviert gewesen.97 Als Teil der Grafschaft Provence unterstand Marseille den seit 1265 in Süditalien regierenden Anjou, die während der Auseinandersetzungen um Sizilien mehrere Admiräle und einen Großteil ihrer Flotte in der provenzalischen Hafenstadt rekrutierten. Diese Funktion als angevinischer Kriegshafen schuf eine Infrastruktur, die Marseille zu einem der größten Zentren der Schiffsproduktion in westlichen Mittelmeerraum werden ließ, weshalb die Stadt ein naheliegender Anlaufpunkt für alle Herrscher war, die eine Flotte für die Umsetzung ihrer Kreuzzugspläne benötigten.98 Im Jahr 1319 erwarb der französische König Philipp V. schließlich fünf Galeeren für den Kreuzzug in Marseille, fünf weitere wurden derweil in Narbonne gebaut, dessen Stadtrat höchstwahrscheinlich zeitgleich mit dem von Marseille angefragt worden war.99
Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 311–314; Pryor, Battles (1983), 17; Ders., Geography (1988), 128; Stanton, Warfare (2015), 7. Siehe dazu II.2.3.1. Die bislang einzige Edition findet sich in Boislisle, Projet (1872), 248–255. AA 1, 223, Nr. 145; Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 29 f.; RTC 2, Nr. 2040. Die Anfrage des Grafen von Clermont ist selbst nicht überliefert. Allerdings bezogen sich die Bürger zu Beginn des Werkes auf die Anfrage, vgl. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 248. Zu den Schiffsverträgen der Kreuzfahrer siehe u. a. Pryor, Bohemonds March (2006), 10. Abulafia, Marseille (1980), 31 f.; Duchêne/Contrucci, Marseille (1999), 161; Gertwagen, Harbours (2006), 100–102. So schifften sich im 13. Jahrhundert u. a. Graf Theobald IV. von Champagne und Jean de Joinville mit ihren Kreuzfahrerkontingenten in Marseille aus, vgl. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 62. Abulafia, Marseille (1980), 34; Otchakovsky-Laurens, Marseille (2018), 325–327; Pécout, Marseille (2017), 193 f. Bourel de la Roncière, Escadre (1893), 400 f.; 412 f. Der Bau der Galeeren in Narbonne lässt sich in den Quellen genau nachvollziehen, da der Papst die Konstruktion durch einen Kanoniker aus dem nahen Béziers namens Bérenger d’Olarges beaufsichtigen ließ, dessen Bericht im Vatikanischen Apostolischen Archiv erhalten ist, vgl. ebenda, 401–408. Obgleich der Bau dieser Galeeren gut dokumentiert wurde, ist weder der Auftrag des Grafen von Clermont über den Bau einer Flotte für den Kreuzzug noch eine Antwort seitens des Stadtrates von Narbonne erhalten. Es steht allerdings außer Frage, dass der Graf auch den Stadtrat von Narbonne um Rat bat, da mit Bernard Vital im Jahr 1319
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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Ein weiteres Memorandum Pro passagio aus der Feder von Bürgern der Seehandelsstädte entstand im Mai 1332 auf Bitten des französischen Königs Philipp VI. und seines Kronrates. Dieser hatte den venezianischen Dogen Francesco Dandolo (✶um 1258 †1339) im November des Vorjahres gebeten, ihm bonnes persones et convenables aus seiner Kommune zu schicken, die über eine certaine experience dou dit saint veage verfügten, damit diese ihn bei seinen Rückeroberungsplanungen unterstützen könnten.100 Der Doge sandte daraufhin mit Giovanni Belegno, Biagio Zeno und Marino Morosini drei Gesandte an den französischen Hof, die aus den alten Häusern des venezianischen Adels stammten. Diese drei Gesandten verfassten offenbar das knappe Memorandum Pro passagio und legten es dem König im Mai 1332 vor.101 Ähnlich wie die Kreuzzugsberater aus den Ritterorden und dem kriegführenden Adel waren auch die Vertreter der Seehandelsstädte keine Neulinge in den höfischen Kreuzzugsplanungen, sondern hatten bereits im 12. Jahrhundert bei der Organisation und Umsetzung der Orientkreuzzüge mitgewirkt. Die Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur hatte diese Akteure also keineswegs aus den höfischen Planungszirkeln verdrängt, sondern vielmehr zu einer stärkeren Spezialisierung der ehemaligen Generalisten geführt, die sich vor allem in den inhaltlichen Schwerpunkten ihrer Rückeroberungsvorschläge widerspiegelt.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte In den Werken der Experten des militärischen Subtyps dominiert, anders als bei den Finanz- und Orientexperten, nicht eine inhaltliche Kategorie, sondern fünf: Strategie und Taktik, der Aufbau des Kreuzfahrerheeres, Logistik, die Seeblockade des Orienthandels sowie die Kreuzzugsroute. Alle fünf Kategorien lassen sich auch in vielen anderen Rückeroberungsmemoranden nachweisen, wobei es insbesondere die Experten des geographisch-ethnographischen Subtyps waren, die versuchten, Themen wie die Kreuzzugsroute zu besetzen. Da die fünf genannten Gegenstandsbereiche von den meisten anderen Beratern zumindest kurz angeschnitten wurden, ist es sehr wahrscheinlich, dass die militärischen Ratgeber die Auslegungshoheit darüber hatten, was im Hinblick auf die Organisation und Durchführung eines Kreuzzuges als typisches Problem zu gelten hatte. Zu diesen Problemen zählten zuvörderst die typischen Risiken der Kriegführung wie etwa die Niederlage im Gefecht oder Engpässe bei der Versorgung des Heeres. Die vergleichsweise geringe inhaltliche Spezialisierung der Militärexperten illustriert jedoch zugleich, dass die Ratgeber der anderen Subtypen deren Deutungshoheit in diesen Bereichen zunehmend in Frage stellten, indem sie versuchten, diese Probleme durch ihr eigenes Spezialwissen zu lösen.
nachweislich ein Bürger der Stadt Narbonne an den Kreuzzugsplanungen am französischen Hof partizipierte, vgl. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219 f., Nr. 109. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 220–222, Nr. 110.
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2.2.1 Strategie und Taktik In den Rückeroberungsvorschlägen der Berater des militärischen Subtyps nahmen Fragen der allgemeinen Strategie sowie der Taktik im Gefecht üblicherweise am meisten Raum ein. Insgesamt sind in den überlieferten Werken dieser Ratgeber durchschnittlich 24,3% des Textes Strategie bzw. Taktik gewidmet. Der Median weicht davon mit 23,9% nur geringfügig ab, was wiederum zeigt, dass der Umfang dieser Kategorie zwischen den einzelnen Werken keineswegs stark variierte. Die einzigen Ausnahmen bilden die Memoranden des Stadtrates von Marseille sowie des Königs von Zypern, in denen 12,8% bzw. 40,5% des Textes strategische Fragen behandeln. Auf der (geo-)strategischen Ebene stand vor allem die Debatte über die Vor- und Nachteile eines passagium particulare bzw. passage particulier im Zentrum der Kreuzzugsplanungen. Die meisten Militärexperten waren Befürworter eines Partikularkreuzzuges aus nur 3.000 bis 5.000 bewaffneten Reitern, mit dessen Hilfe ein Brückenkopf an der ägyptischen Küste oder an der Levante erobert werden sollte. Einmal etabliert, würde dieser allen nachfolgenden Kreuzfahrern den gefahrlosen Transit nach Osten ermöglichen und somit als Ausgangspunkt des allgemeinen Kreuzzugs zur Rückeroberung der heiligen Stätten dienen. Ein derartiger Brückenkopf war erforderlich, weil die Mehrzahl der Kreuzfahrer seit dem frühen 13. Jahrhundert auf dem Seeweg nach Osten gelangte und folglich auf einen sicheren Hafen angewiesen war. Als Fürsprecher des zweistufigen Rückeroberungsprojektes aus passagium particulare und passagium generale traten die Johanniter unter ihrem Ordensmeister Foulques de Villaret, Bischof Gonzalo de Hinojosa, der Stadtrat von Marseille sowie die Berater der Könige von Neapel, Zypern und Armenien auf.102 Einige von ihnen, darunter die Johanniter und die Ratgeber Karls II. von Anjou, planten überdies, während der ersten Phase der Expedition die Städte und Dörfer an der ägyptischen Küste durch gezielte Überfälle zu verheeren. Auf diese Weise sollten dem Sultan die ökonomischen Grundlagen für den Unterhalt seines Heeres entzogen werden, sodass der allgemeine Kreuzzug auf geringeren Widerstand träfe.103 Die Berater der Könige von Armenien und Zypern betrachteten das passagium particulare zugleich auch als unmittelbare militärische Unterstützung für das bedrängte Armenien und warnten den Papst vor grant domage et peril für das christliche Königreich, sofern kein solcher Partikularkreuzzug zu Stande käme.104 Ihr jeweiliges Plädoyer für einen Partikularkreuzzug ergänzten die Militärberater stets um Vorschläge für
Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222–224; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114 f.; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 248 f.; RJF, Nr. 1690; RJF, Nr. 1691. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–355; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 606. RJF, Nr. 1685; RJF, Nr. 1691. Zur Armenien-Krise der der 1320er Jahre siehe Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 72 f.; Housley, Later Crusades (1992), 181 f.; Luttrell, Interventions (1978), 126–128; Mutafian, Royaume arménien (2001), 80 f. sowie II.4.2.1.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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die Zielregion oder den genauen Ablauf der Expedition; so forderte Gonzalo de Hinojosa etwa, der zu etablierende Brückenkopf müsse in bergigem Gebiet liegen, um leichter verteidigt werden zu können.105 Insgesamt stellte das passagium particulare eine typische Form von militärischem Risikomanagement dar: Die kleine und mobile Streitmacht konnte sich leicht über See zurückziehen, sofern sie auf Widerstand traf.106 Sollten die feindlichen Kräfte es dennoch schaffen, den Partikularkreuzzug aufzureiben, so wäre der Verlust an Kapital und Ansehen für die beteiligten Herrscher deutlich geringer als bei der Niederlage eines allgemeinen Kreuzzuges. Für die politisch Verantwortlichen war der Partikularkreuzzug zugleich auch eine sozialadäquate Form der Risikovermeidung, weil sie die Expedition im Unterschied zum allgemeinen Kreuzzug nicht selbst befehligen mussten, sondern sich von ihren Untergebenen vertreten lassen konnten.107 Deutliche Opponenten dieses zweistufigen Rückeroberungsplans waren die Templer unter ihrem Ordensmeister Jacques de Molay. Dieser räumte dem von ihm abwertend als parvum passagium bezeichneten Partikularkreuzzug keine Chance auf einen Sieg gegen das deutlich größere Heer des ägyptischen Sultans ein und forderte stattdessen ein grande passagium aus über 60.000 Kreuzfahrern nach dem Vorbild vergangener Kreuzzüge.108 Mit dieser Auffassung stand der Templermeister unter den militärischen Ratgebern allerdings nahezu allein. Nur Roger von Stanegrave sah ebenfalls keinen Anlass für einen Partikularkreuzzug, weil seiner Ansicht nach mit Rhodos bereits ein Brückenkopf existierte, von dem aus ein allgemeiner Kreuzzug nach Ägypten aufzubrechen vermochte.109 Die Debatte über die strategischen Vor- und Nachteile eines Partikularkreuzzuges wurde auch von anderen Beratern aufgegriffen: Marino Sanudo forderte, die ägyptische Hafenstadt Damietta mithilfe eines kleinen Heeres als Brückenkopf für die Kreuzfahrer zu erobern, und Ramon Llull lehnte ein solches Vorgehen zugunsten eines allgemeinen Kreuzzuges ab.110 Obwohl einzelne Berater anderer Subtypen wie etwa Sanudo oder auch Hethum von Korykos die Strategie des Partikularkreuzzuges adaptierten, lehnten die meisten nicht-militärischen Rat-
[Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115. So argumentierten sowohl Foulques de Villaret als auch Gonzalo de Hinojosa, vgl. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 224; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115. Die französischen Könige Philipp V. und Karl IV. planten beispielsweise, ihren geplanten Partikularkreuzzug durch den Grafen von Clermont befehligen zu lassen, vgl. Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 29 f. Jacques de Molay, Conseil. Ed. Paviot, 186. Die ältere Edition spricht fälschlicherweise nur von 4.000 bis 5.000 Fußsoldaten, vgl. Ders., Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148. Mit ihrer Kritik am Partikularkreuzzug standen die Templer keineswegs allein, denn auch die Berater König Jakobs II. von Aragon erachteten die Pläne der Johanniter für ein passagium particulare als wirkungslos, vgl. AA 3, 199, Nr. 91. Siehe dazu II.1.3.2. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 347–349. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 90–92; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 272.
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geber ein passagium particulare ab und favorisierten an dessen Stelle einen allgemeinen Kreuzzug.111 Neben dieser allgemeinen Kampagnenstrategie erörterten die Berater des militärischen Subtyps auch mögliche Taktiken im Gefecht. Roger von Stanegrave riet dem englischen König Eduard III., die Stadt Alexandria auf der Seeseite von Osten und Westen zugleich anzugreifen, und die Johanniter schlugen vor, im Vorfeld des Partikularkreuzzuges durch eine Reihe von Scheinangriffen an der Küste eine Verlagerung der gegnerischen Truppen zu erzwingen.112 Jenseits derartiger Überfälle an der Küste blieben die Ausführungen der Militärexperten allerdings durchweg auf die Kriegführung zu Land beschränkt, taktische Optionen für Gefechte zur See wurden durch keinen von ihnen thematisiert. Die Berater des militärischen Subtyps widmeten sich jedoch ohnehin der taktischen Ebene deutlich weniger als der strategischen, was wahrscheinlich auf die Beschaffenheit des Wissensbestandes zurückzuführen ist, auf dem sie ihre Ratschläge aufbauten. Zum einen handelte es sich bei dem Wissen, wie man ein Gefecht führt, um praktisches Wissen der jeweiligen Befehlshaber; so stellte Pierre Dubois fest: es wird nötig sein, die Art zu kämpfen je nach unterschiedlichen Zeiten, Orten, Gegnern, unseren Kämpfern und anderen [Faktoren] zu variieren, so wie erfahrene Kriegsführer [es] für zweckmäßig erachten.113 Zum anderen galten Feldschlachten unter dem kriegführenden Adel Lateineuropas als höchst riskante Unternehmen, die es zugunsten von Belagerungen zu umgehen galt.114 Diese Annahme teilten offenbar auch die Militärexperten, denn sowohl Foulques de Villaret als auch die Ratgeber Karls II. von Anjou empfahlen gleichermaßen, eine Feldschlacht mit dem Heer des ägyptischen Sultans zu vermeiden, weil deren Ausgang zu sehr von der fortuna abhänge.115
2.2.2 Aufbau der Streitmacht Von etwas geringerem Umfang als diese Ausführungen zur Strategie und Taktik waren die Vorschläge der Berater des militärischen Subtyps zum Aufbau des Heeres
[Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 606; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 355 f. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 46: secundum varietates temporum, locorum, hostium, pugnatorum nostrorum, et alia, modum pugnandi variare opportebit, prout experti bellorum duces viderint expedire. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 74–81; Contamine, Guerre (1980), 207–226; France, Warfare (1999), 11 f. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 355; Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 223. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildete Roger von Stanegrave, der dazu riet, im Fall einer Schlacht gegen das Heer des Sultans offenes Terrain zu meiden, um nicht von der hochmobilen ägyptischen Reiterei ausmanövriert zu werden, und sich zudem der Aufstellung der Kreuzfahrerarmee in der Schlacht widmete, vgl. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 364 f.; 373 f.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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sowie zur Rekrutierung von Kreuzfahrern. Der Aufbau der Kreuzfahrerstreitmacht nimmt in den Werken dieses Subtyps durchschnittlich 17,3% des Textes ein. Ähnlich wie im Fall von Strategie und Taktik lässt der Median von 14,4% erkennen, dass der Umfang dieser Kategorie nur geringfügig zwischen den einzelnen Abhandlungen variiert. Die einzige Ausnahme bildet das Memorandum des Bischofs von León, in dem der Aufbau des Kreuzfahrerheeres nur 9% des Textes ausmacht, im Gegensatz zu den Werken der Templer und Johanniter mit 25,4% bzw. 22%. Militärische Ratgeber thematisierten stets die Größe des Kreuzfahrerheeres und verbanden diese Frage üblicherweise mit Vorschlägen über die Zusammensetzung der Streitmacht. Sie folgten dabei meist einer simplen Dreiteilung des Heeres in die Truppengattungen equites bzw. homes a cheval, pedites bzw. gens des armes und ballistarii bzw. arbalestries, wobei die beiden letzteren mitunter auch zusammenfielen. Diese drei Truppenteile unterteilten sie mitunter auch in Subgattungen, so unterschied Foulques de Villaret die lancearii von den übrigen pedites.116 Die Anzahl der Truppen, welche die Experten für den geplanten Kreuzzug als notwendig erachteten, konnte allerdings je nach Plan stark voneinander abweichen und war eng damit verknüpft, welche Strategie der jeweilige Ratgeber favorisierte. Die Fürsprecher eines allgemeinen Kreuzzuges veranschlagten dabei naturgemäß deutlich größere Truppenkontingente als die Militärberater, die sich für einen Partikularkreuzzug einsetzten. Der Templermeister Jacques de Molay plante mit einem Heer aus 12.000 bis 15.000 bewaffneten Reitern sowie 40.000 bis 50.000 Fußsoldaten und Roger von Stanegrave hielt allein für die Eroberung Alexandrias 20.000 Reiter für erforderlich.117 Die Johanniter rechneten dagegen mit einer deutlich kleineren Streitmacht aus 2.000 Reitern und 4.000 Schützen, welche die nicht näher spezifizierten Streitkräfte des Ordens über einen Zeitraum von fünf Jahren verstärken sollten.118 Die Größe des Kreuzfahrerheeres war allerdings auch abhängig von der Wahl der jeweiligen Bündnispartner, denn die armenischen Gesandten schlugen einen Partikularkreuzzug aus 4.000 Reitern und 10.000 Fußsoldaten vor, der wiederum von 2.000 Reitern sowie 5.000 Fußsoldaten des armenischen Königs verstärkt werden und anschließend gemeinsam mit der Streitmacht des persischen Ilkhans operieren sollte.119 Da mit der Größe des Heers auch die Höhe der erforderlichen Investitionen sowie möglicher Verluste anstieg, sahen die meisten der militärischen Ratgeber in diesen Hilfstruppen potentieller Verbündeter eine probate Form der Risikominimierung. Die Heeresgröße wurde auch von nahezu allen Beratern der anderen Subtypen zumindest kurz angerissen, wobei sie üblicherweise auch der Dreiteilung in equites, pedites
Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 607. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 356. Wie groß das gesamte Kreuzfahrerheer nach Rogers Vorstellung tatsächlich sein sollte, lässt sich indes nicht ermitteln, da die entsprechenden Stellen im einzigen erhalten Textzeugen seines Rückeroberungstraktes nicht lesbar sind. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein,224. RJF, Nr. 1691.
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und ballistarii folgten. Selbst die Verfasser der als Itinerar fungierenden Via ad Terram Sanctam vermerkten zu Beginn ihres Werkes kurz, dass der Kreuzzug aus 3.000 Reitern und 2.000 Schützen bestehen solle.120 Jenseits solcher Größenangaben gingen Militärexperten im Unterschied zu den Beratern der anderen Subtypen allerdings nicht näher auf den Rekrutierungsprozess ein. Stattdessen beschränkten sie sich auf die Bemerkung, das Kreuz solle gepredigt werden, spezifizierten dabei jedoch nicht, wo genau diese Predigten durchgeführt werden oder wen sie adressieren sollten. Allein Gonzalo de Hinojosa wies darauf hin, die Kreuzfahrer sollten auf der iberischen Halbinsel angeworben werden, da die Bewohner dieser Region aufgrund der räumlichen Nähe zum Emirat Granada bereits Erfahrung im Kampf gegen die Muslime hätten.121 Da Gonzalo im Auftrag der Krone von Kastilien-Leon agierte, war diese Äußerung aber wohl eher politischem Kalkül geschuldet und dementsprechend keineswegs typisch für die militärischen Ratgeber. Die Berater anderer Subtypen ließen sich hingegen deutlich ausführlicher über die Rekrutierung potentieller Kreuzfahrer aus. So empfahl Marino Sanudo, die Schiffsbesatzungen sollten in Oberitalien oder Friesland rekrutiert werden, weil die Bewohner dieser Regionen im Kampf zu See sowie zu Land geübt und deshalb für den Einsatz im Nildelta besonders geeignet seien.122 Das Schweigen militärischer Ratgeber in der Rekrutierungsfrage ist vermutlich auf zwei Faktoren zurückzuführen: Einerseits hatte die Erfahrung vergangener Kreuzzüge ihnen offenbar gezeigt, dass sich tendenziell eher zu viele als zu wenige Freiwillige fanden, die bereit waren, für die Rückeroberung der heiligen Stätten zu kämpfen.123 Auf der anderen Seite handelte es sich bei der Anwerbung von Kreuzfahrern offenbar um praktisches Wissen, welches gegenüber den anderen Kreuzzugsplanern am Hof nicht ausgeführt werden musste, weil es auf organisatorischer Ebene nicht als relevant erachtet wurde. Laut Foulques de Villaret oblag der eigentliche Rekrutierungsprozess nämlich nicht den Planern am Hof, sondern der Einschätzung der Anführer, dem was sie gesehen und gehört haben [sowie] wie viele Männer [fromm] übersetzen wollen.124 Militärische Ratgeber wie Foulques verorteten die Expertise für die Rekrutierung von
Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 426. Die einzigen drei Ausnahmen bildeten die finanzielladministrativen Ratgeber Guillaume Le Maire und Guillaume de Nogaret sowie die unbekannten Verfasser des als La Devise des chemins de Babiloine betitelten Kreuzfahreritinerars, vgl. Devise des chemins. Ed. Paviot, 201–220; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 287–304; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199–205. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 116. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 35. So argumentierten u. a. Karl II., Ramon Llull und Foulques de Villaret, vgl. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 358; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 607; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 270–272. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 607: Et fient stipendiarii plus vel minus juxta estimacionem gentium quam capitanei se habere viderint et audiverint devotione volentium transfretare. Der Vorschlag des Johannitermeisters entsprach im Wesentlichen der etablierten Vorgehensweise bei der
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Kreuzfahrern bei anderen Akteuren aus dem kriegführenden Adel und sahen folgerichtig keine Notwendigkeit, ihr praktisches Wissen darüber im Rahmen der höfischen Kreuzzugsplanungen zu propositionalisieren. Die Berater anderer Subtypen mussten ihren Schilderungen des Rekrutierungsprozesses dementsprechend eine Benevolenzformel voranstellen, weil sie damit in den Deutungsbereich militärischer Ratgeber eindrangen. So stellte Marino Sanudo fest: Deshalb werde ich das zuvor Gesagte so kurz wie ich kann berühren, mit dem Rat anderer, weiserer Männer. Nichtsdestotrotz werde ich alles, was ich sagen werde, mit Hilfe der zuvor erwähnten Fachleute des Heeres erzählen (...).125 Der Umstand, dass nahezu alle Berater sich im Anschluss an derartige Bekundungen dennoch in der Sache äußerten, zeigt zudem, dass der Deutungsanspruch der militärischen Ratgeber in dieser Angelegenheit offenbar erodiert war. Da ausnahmslos alle Berater des militärischen Subtyps sich in ihren Vorschlägen zur Rückeroberung des Heiligen Landes für eine Blockade des ägyptischen Seehandels und gegen einen Kreuzzug auf der Landroute aussprachen, thematisierten sie neben den Landstreitkräften auch die Größe der für diese Unternehmungen notwendigen Flotte. Ähnlich wie im Fall des Kreuzfahrerheeres variierte auch das Ausmaß dieser Seestreitkräfte je nach Art und Umfang ihres beabsichtigten Einsatzes. Die Johanniter schlugen eine Flotte aus 40 Galeeren vor, die über einen Zeitraum von acht Monaten sowohl den ägyptischen Seehandel stören als auch die Kreuzfahrerstreitmacht transportieren sollte. Die Ratgeber des Königs von Zypern planten hingegen nur mit zehn Galeeren, die von insgesamt 2.000 Schützen bemannt werden sollten, um im Vorfeld des allgemeinen Kreuzzugs den Ägyptenhandel zu unterbinden und das Königreich Armenien zu verteidigen.126 Allein die Bürger von Marseille machten keine Angaben über die Größe des gesamten Heeres oder der Flotte, sondern thematisierten nur die Besatzung der einzelnen Schiffe, was vermutlich auf den Angebotscharakter ihrer Schrift zurückzuführen ist. Auf diese Weise überließen sie es dem Grafen von Clermont, an den ihre Informatio adressiert war, zu entscheiden, wie viele Schiffe für den Kreuzzug insgesamt notwendig waren und wie viele davon er in Marseille bauen lassen würde.127
Rekrutierung von Truppen für die Konflikte zwischen lateineuropäischen Mächten, vgl. dazu Hélary, Armée (2012), 59 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 79: Idcirco aliquid tangam, quam potero breviter de praedictis, cum aliquorum ingeniatorum consilio sapientum: nihilominus quicquid dixero cum emendatione solertium praedicti exercitus enarrabo (...). Auch Guillelmus Adae schickte seiner Beschreibung der Zusammenstellung des Kreuzfahrerheeres eine solche captatio benevolentiae vorran: Quоmodo vero passagium sit dispositum ex parte domini pape, cuius habet auctoritas ordinare, posset quilibet ex diversis signis et operibus similibus comprobare. Quamuis enim ego et mei similes non possumus scire, nec decet, eius ordinationis profunditatem, nec eius alti consilii plene cognoscere veritatem, tamen possumus utrumque perpendere quod eius mens tota ad exaltationem fidei, ad dilatationem hominis christiani, ad consolationem fidelium et ad gloriam domus Domini sit intenta. Vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 60. RJF, Nr. 1690. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 253–255.
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Hinsichtlich der Schiffe unterschieden die meisten militärischen Ratgeber zwischen zwei Typen: Einerseits die vornehmlich mit Segeln betriebenen naves zur Beförderung von Personen und Nahrungsmitteln, anderseits die mit Ruderbänken ausgestatteten galeae, denen neben ihrer Transport- auch eine Gefechtsfunktion zukam. Das genaue Mengenverhältnis dieser beiden Schiffstypen zueinander war unter den militärischen Ratgebern Gegenstand von Debatten. Jacques de Molay stellte etwa fest, die Kreuzfahrerflotte solle sich nahezu ausschließlich aus naves zusammensetzen, denn ein [Segel-] Schiff wird so viel tragen wie vier Galeeren und eine Galeere wird so viel kosten wie drei [Segel-]Schiffe.128 Von diesen beiden Schiffstypen unterschieden Foulques de Villaret sowie die Bürger von Marseille in ihren Informationes noch die vysserii bzw. usserii, bei denen es sich um kleine Transportgaleeren handelte, die im Gegensatz zu den 120 Pferde fassenden naves zwar nur etwa 25 Pferde tragen konnten, aber besonders geeignet für Landungsoperationen waren.129 Wenngleich die Größe der Flotte auch von den Beratern anderer Subtypen thematisiert wurde, unterschied abgesehen von den Militärexperten allein der Venezianer Marino Sanudo zwischen verschiedenen Schiffstypen. Die meisten anderen Kreuzzugsplaner verwandten dagegen navis und galea synonym als Bezeichnung für alle Arten von Schiffen.130 Einen weiteren Schwerpunkt legten militärische Ratgeber auf die Spitze der Kommandostruktur des Kreuzfahrerheeres und damit auf die Frage, wer den geplanten Kreuzzug als capitaneus anführen sollte. Der Johanniterorden schlug vor, die Streitmacht der Kreuzfahrer solle nach dem Vorbild vergangener Kreuzzüge von einem päpstlichen Legaten und einem militärischen Führer gemeinsam kommandiert werden, während die anderen militärischen Ratgeber die Entscheidungsgewalt allein in die
Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 147: Nam una navis portabit plus quam quatuor gallee, et una gallea constabit plus quam tres naves. Diese Schiffe konnten offenbar etwa 400 Kreuzfahrer und 120 Pferde transportieren, darin stimmen die Bürger von Marseille sowie das von Kedar publizierte Inventar eines Kreuzfahrerschiffes von 1250 weitgehend überein, vgl. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 253; Kedar, Passenger List (1993), 269. Zur Unterscheidung von naves und galeae siehe Dotson, Ship types (2006), 65–68. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 255; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 606. Der zeitgenössische Terminus usserii bezeichnete keinen Schiffstyp im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine Funktion von Galeeren, nämlich den Transport von Pferden für den Gefechtseinsatz. Mithilfe eingebauter Landerampen erlaubten sie es bewaffneten Reitern, unmittelbar vom Schiff aus in den Kampf zu stürmen. Die Typen von Galeeren, welche diese Funktion ausfüllten, wurden von den Zeitgenossen meist als chelandre oder taride bezeichnet, vgl. Gertwagen, Harbours (2006), 95 f.; Pryor, Geography (1988), 32 f.; Ders., Dromon (1995), 115. So stellte Guillaume Durand in seiner Informatio zunächst fest, für die Seeblockade seien gut bewaffnete galeae notwendig, sprach jedoch anschließend ausschließlich von bewaffneten naves, vgl. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 105; 108. Andere Ratgeber, wie etwa Pierre Dubois, verwandten gar ausschließlich den Ausdruck navis, um damit alle Arten von Schiffen zu bezeichnen, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 134; 268.
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Hände eines weltlichen capitaneus zu legen gedachten.131 Allein Gonzalo de Hinojosa übte sich hinsichtlich des Befehlshabers in diplomatischer Zurückhaltung, vermutlich, weil er die Wahl dem französischen König überlassen wollte, an den seine Schrift gerichtet war. Abgesehen von der Frage nach dem Heerführer war auch das Kommando über die Flotte, welche den ägyptischen Mittelmeerhandel stören und die Kreuzfahrer in den Orient transportieren sollte, Gegenstand der Vorschläge militärischer Ratgeber. In beiden Fällen schlugen die Berater teils auch konkrete Personen vor, die ihres Erachtens geeignet waren, die fraglichen Positionen auszufüllen. Jacques de Molay empfahl dem Papst den Sohn des berühmten kalabrischen Flottenkommandeurs Roger von Loria (auch: Ruggiero di Lauria) (✶um 1245 †1305) als Admiral für die Kreuzfahrerflotte und Roger von Stanegrave schlug vor, der englische König Eduard III. solle die Kreuzfahrer persönlich anführen.132 Derartige Vorschläge waren allerdings zugleich deutliche politische Stellungnahmen, welche die Nähe der Ratgebertätigkeit von Militärexperten zur konsensorientierten Herrschaft illustrieren. Der durch Jacques de Molay protegierte Roger von Loria war von 1283 bis 1302 als Admiral der aragonesischen Krone in den Konflikt mit den Anjou um Sizilien verwickelt gewesen und hatte in diesem Rahmen zahlreiche entscheidende Seeschlachten gewonnen.133 Das entschiedene Eintreten des Templermeisters für Roger bedeutete demnach eine Parteinahme für die Krone von Aragon und gegen die süditalienischen Anjou, die dem Papst nicht entgehen konnte. Abgesehen von solch politischen Schachzügen vermag der Fokus militärischer Ratgeber auf die Anführer des Kreuzzuges auch erklären, warum sie die Taktik im Gefecht nur wenig thematisierten, denn diese zählte zum praktischen Wissen des jeweiligen Kommandeurs, der vermittels dieses Wissens situativ auf die jeweilige Gefechtslage reagieren sollte. Die Wahl eines geeigneten Anführers war demnach auch eine Form des Umgangs mit den Unwägbarkeiten des Krieges, weil die Berater davon ausgingen, ein erfahrener Kommandant könne im Gefecht leichter auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.134 Die Frage nach dem Anführer des Kreuzzuges und der Kreuzfahrerflotte wurde teils auch von den Experten anderer Subtypen aufgegriffen, allerdings meist vor dem Hintergrund der Frage, wer das neue Königreich Jerusalem regieren sollte.135 Guillel-
Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605. Die Berater Karls II. von Anjou schlugen überdies vor, der Anführer des Kreuzzuges solle zugleich auch Meister der miteinander vereinigten Ritterorden werden und nach der Rückeroberung des Heiligen Landes über das neue Königreich Jerusalem regieren, vgl. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 356 f. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 149. Zu Roger von Loria siehe insbes. Pryor, Battles (1983), 182 f. Mott, Battle (1999), 145–172; Pryor, Battles (1983), 183–211; Stanton, Warfare (2015), 140–154. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222. Auch neuzeitliche Militärtheoretiker wie Carl von Clausewitz halten einen erfahrenen Kommandanten für den wichtigsten Faktor im Umgang mit den Unwägbarkeiten der Schlacht, vgl. von Clausewitz, Vom Kriege (1832), Buch I, Kap. 7. Auf diesen Umstand hat bereits Leopold hingewiesen, vgl. Leopold, Holy Land (2000), 65 f.
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mus Adae empfahl dem Papst den genuesischen Flottenunternehmer Benedetto Zaccaria und Pierre Dubois riet dem französischen König, seinen ältesten Sohn zum capitaneus des geplanten Kreuzzuges zu ernennen, um ihn im Anschluss an die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer zum Kaiser krönen zu lassen. Ramon Llull schließlich konzipierte die Position des bellator rex, welcher Anführer des Kreuzzuges, Meister der vereinigten Ritterorden sowie König von Jerusalem zugleich sein sollte.136 Insgesamt sind diese drei Beispiele allerdings Ausnahmen, denn üblicherweise wurden derartige Pläne nicht von den Beratern anderer Subtypen erörtert.
2.2.3 Logistik Die Logistik des Kreuzzuges spielte eine ähnlich wichtige Rolle für die Ratgeber des militärischen Subtyps wie die Rekrutierungsfrage. In ihren Vorschlägen nimmt die Logistik im Durchschnitt 18% des Textes ein. Im Gegensatz zu den vorgenannten Kategorien weisen die einzelnen Abhandlungen hier jedoch eine größere Varianz auf. Im Conseill der Berater Karls II. umfasst die Logistik zum Beispiel nur 5,2% des Textes, in der Informatio des Stadtrats von Marseille hingegen 42%. Das letztgenannte Werk stellt in dieser Hinsicht allerdings einen Extremfall dar, denn im Median behandeln die Schriften der militärischen Ratgeber die Logistik in 14% des Textes. Wichtige Schwerpunkte der Kreuzzugslogistik, die von allen Militärexperten erörtert wurden, waren zum einen der Transport der Kreuzfahrer in den Orient sowie zum anderen die Versorgung der Streitkräfte mit Nahrungsmitteln. Nahezu alle Berater gingen diesbezüglich davon aus, das Kreuzfahrerheer solle ausschließlich victualia für den Zeitraum der Seereise mit sich führen und sich nach der Ankunft im Orient aus dem Umland versorgen. Die Versorgung eines Heeres aus dem jeweiligen Umland war seit der Karolingerzeit der gängige modus operandi bei Feldzügen im Westen und wurde bereits von den ersten Kreuzfahrern für den Einsatz im östlichen Mittelmeerraum adaptiert. Mit dieser Vorgehensweise stießen die Kreuzfahrer im subtropischen Orient naturgemäß auf Probleme in Form von Trockenperioden, größeren Steppen- bzw. Wüstenbiomen ohne nennenswerte Landwirtschaft sowie limitierter Verfügbarkeit von Trinkwasser, welche zu massiven Versorgungsengpässen führten, infolge derer es zu Mangelerscheinungen unter den Kreuzfahrern kam.137 Das Risiko dieser Versorgungsengpässe war an den lateineuropäischen Höfen aus der Kreuzzugsgeschichtsschreibung allgemein bekannt und wurde von den Militär-
Pierre Dubois, Oppinio. Ed. Langlois, 131; Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 54; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 270 f. Benedetto Zaccaria war einer der genuesischen Herrscher über die Ägäisinsel Chios und die nahegelegene Hafenstadt Phokaia, vgl. Balard, Romanie (1978), 165–168; Carr, Merchant Crusaders (2015), 68 f.; Miller, Zaccaria (1911), 285–287 sowie I.4.3.4. France, Victory (1999), 335 f.; Murray, Finance (2007), 358; Tyerman, God’s War (2007), 153–155. Zum Trinkwasserproblem siehe II.4.2.2.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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sowie Orientexperten als höchst relevant für die Planung künftiger Kreuzzüge eingeschätzt. Die Mehrzahl von ihnen versuchte allerdings nicht, die Versorgungsdefizite vergangener Kreuzzüge durch das Mitführen von entsprechenden Viktualien zu lösen, sondern schlug stattdessen vor, all jene Regionen zu meiden, in denen die Kreuzfahrer nicht hinreichend versorgt werden konnten. Aufgrund dessen sind die logistischen Ausführungen der Ratgeber in den Texten meist doppelt codiert mit der Kategorie Geographie/Ethnographie, wobei die Meinungen darüber, welche Regionen sich für die Versorgung des Heeres eigneten, mitunter stark divergierten. So schlugen die armenischen Gesandten ihre Heimat in Kleinasien aufgrund der guten Versorgungslage als Ausgangspunkt für einen Kreuzzug vor, während Jacques de Molay feststellte, das Land Armenien ist arm und schlecht, wenn daher 4.000 Pferde, wie stark und gesund auch immer, dort hingingen, wäre es ein Wunder, wenn am Ende des Jahres 500 [wieder] vorgefunden würden.138 Diese Strategien der Nachschubsicherung hatten notwendigerweise auch eine zeitliche Dimension; die Berater Heinrichs II. von Lusignan etwa stellten fest, der Kreuzzug müsse zum Pfingstfest beginnen, weil die Pferde der Kreuzfahrer während ihres Zwischenhalts auf Zypern sonst nicht ausreichend mit Heu versorgt werden könnten.139 Auch in den Kreuzfahreritineraren, von denen mindestens eines durch Militärexperten aus dem Umfeld des Johanniterordens in Auftrag gegeben wurde, spielten die Möglichkeiten, das Kreuzfahrerheer auf seinem Weg nach Ägypten zu versorgen, eine zentrale Rolle. Die unbekannten Verfasser der Werke erörterten die Position von Zisternen sowie Weidemöglichkeiten auf dem Weg ebenso wie den Umstand, ob die jeweiligen Stationen ein bone place de vendre et d’acheter seien.140 Nur zwei der Berater des militärischen Subtyps schlugen vor, die etablierte Versorgung des Heeres über das Umland durch den kontinuierlichen Transport von Viktualien aus dem westlichen Mittelmeerraum zu ergänzen: Gonzalo de Hinojosa ging davon aus, das Kreuzfahrerheer könne über den Seeweg mit Nahrungsmitteln aus der Toskana, Apulien, Sizilien sowie Zypern versorgt werden, und die Berater Karls II. von Anjou planten ebenfalls, die Kreuzfahrer über das Meer mit Nahrungsmitteln aus dem südlichen Italien zu versorgen.141 Diese Vorgehensweise war jedoch risikobehaftet und limitierte zugleich den Bewegungsradius der Kreuzfahrer, weshalb die königlichen Berater davor warnten, mit der Streitmacht zu weit ins Landesinnere vorzudringen und dabei
Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146: infirma est et mala quod si quatuor millia equitum transirent illuc, quantumcumque fortes et sani, mirabile esset si in fine anni reperirentur quingenti. RJF, Nr. 1690. Gonzalo de Hinojosa argumentierte ebenfalls gegen einen Aufbruch der Kreuzfahrer im Herbst, wobei er neben der Versorgungssituation insbesondere die Herbststürme auf dem Mittelmeer als problematisch erachtete, vgl. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 116. Devise des chemins. Ed. Paviot, 205 f.; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 432. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 354; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 116.
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
vom Meerzugang abgeschnitten zu werden, der für den reibungslosen Nachschub unerlässlich war.142 Wenngleich alle Berater des militärischen Subtyps die Nahrungsmittelversorgung der Kreuzfahrer thematisierten, wurden die Menge oder Art der benötigten victualia von ihnen üblicherweise nicht spezifiziert. Allein die Bürger von Marseille listeten detailliert auf, wie viel getrocknetes Brot, Wein, Pökelfleisch, Käse, Bohnen, Feigen sowie Linsen jeder einzelne Kreuzfahrer an Bord eines Schiffes über einen Zeitraum von 60 Tagen verbrauche, und führten außerdem an, welche Menge an Gerste, Heu, Gerstenkleie, Wasser und Stroh jedes Pferd in diesem Zeitraum benötige.143 Eine vergleichbare Aufstellung von Rationen für die Kreuzfahrer findet sich nur im Liber secretorum fidelium crucis des venezianischen Kreuzzugsberaters Marino Sanudo, der neben den Verbrauchsmengen auch die jeweiligen Kosten der einzelnen Nahrungsmittel anführte.144 Die Gemeinsamkeiten zwischen dem Werk Sanudos und der Informatio aus Marseille erschöpften sich indes nicht in diesen Rationsbeschreibungen, denn sie waren zugleich auch die einzigen Kreuzzugsratgeber, welche ausführlich den Aufbau, die Maße sowie die Transportkapazitäten der Schiffe bzw. Galeeren thematisierten, aus denen sich die Kreuzfahrerflotte zusammensetzen sollte.145 Die Angabe von Maßen und Material in der Informatio war vermutlich die Reaktion auf eine nicht überlieferte Anfrage des Grafen Ludwig von Clermont, der als designierter Anführer des französischen Partikularkreuzzugs plante, seine Flotte in Marseille und Narbonne bauen zu lassen.146 Für den französischen Hof der 1330er Jahre ist hingegen eine solche Anfrage überliefert; im November 1331 bat der französische König Philipp VI. die venezianischen Gesandten an seinem Hof darum, ihn in Hinblick auf den geplanten Kreuzzug über den Preis von Wein und Getreide auf Kreta sowie über die notwendigen Schiffe zu informieren.147 Die von den Vorschlägen anderer militärischer Ratgeber divergierende Ausrichtung der Informatio resultierte jedoch nicht allein aus dem Anliegen des Grafen, sondern auch aus dem Umstand, dass die Verfasser aus einem anderen sozialen Milieu stammten und ihr Wissen folgerichtig aus anderen Beständen bezogen als die anderen Berater des militärischen Subtyps. Diesbezüglich ähneln sie Marino Sanudo, der für sein Rückeroberungstraktat ebenfalls aus dem nauti-
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 354. Zur Seeherrschaft in Hoch- und Spätmittelalter siehe u. a. Rüdiger, See (2016), 35–58. Im lat. Original panis biscotti, vinum, caro salsa, caesum, fabae, ficarii u. lenticulae sowie farina ordei, vgl. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 253. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 60–64. Die Bürger von Marseille gaben hingegen nur die Gesamtkosten der Nahrungsmittel an, vgl. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 254. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 250–253; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 65–69. Bourel de la Roncière, Escadre (1893), 399–401; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 231–233; Tyerman, Philip V (1984), 19. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219 f., Nr. 109.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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schen Wissen der Schiffsbesatzungen schöpfte.148 Dieses Wissen erwuchs aus den Anforderungen der maritimen Lebenswelt, in der diese meist auch kaufmännisch tätigen Ratgeber sich bewegten. Im mediterranen Seehandel gestaltete sich die Versorgung der Handelsschiffe mit frischem Wasser und Nahrungsmitteln deutlich schwieriger als bei vergleichbaren Reisen zu Land, weshalb Kaufleute und Schiffskapitäne gelernt hatten, den Verbrauch einer Schiffsbesatzung im Vorhinein zu antizipieren.149 Die Anfrage Philipps VI. an die venezianischen Gesandten illustriert wiederum deutlich, dass dieses Wissen von Kreuzzugsplanern am Hofe gezielt adressiert wurde, um dem Risiko von Versorgungsengpässen während der Überfahrt der Kreuzfahrer vorzubeugen.
2.2.4 Der Weg ins Heilige Land Der Diskussion des Weges, den die Kreuzfahrer in den Orient nehmen sollten, sind in den Abhandlungen der Berater des militärischen Subtyps durchschnittlich 10,8% des Textes gewidmet. Allein die Ratgeber Heinrichs II. von Lusignan sowie die Johanniter thematisierten die Kreuzzugsroute in ihren Werken aus Geheimhaltungsgründen sowie militärischem Pragmatismus nur kurz. Foulques de Villaret bemerkte diesbezüglich, einerseits ermögliche eine vorzeitige Festlegung der Kreuzzugsroute es dem Sultan, frühzeitig Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen, und zum anderen hinge die Wahl einer geeigneten Route auch von der Schlagkraft und Größe des Kreuzfahrerheeres ab, welche sich im Vorhinein nicht eindeutig bestimmen lasse.150 Beide erachteten die Frage nach der Kreuzzugsroute also keinesfalls als irrelevant für die Kreuzzugsplanungen, sondern hielten eine sichere Antwort in dieser Sache zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Planungen nicht für möglich. Die Frage nach dem Weg der Kreuzfahrer in den Orient war indes keine Besonderheit der militärischen Berater, sondern wurde von nahezu allen Kreuzzugsexperten zumindest kurz behandelt. Da die Kreuzzugsroute durchschnittlich 14,3% in den untersuchten Texten einnimmt und insgesamt nur vier Kreuzzugsexperten diesen Gegenstandsbereich nicht ansprachen, handelte es sich wahrscheinlich um eine conditio sine qua non für alle Vorschläge zur Rückeroberung der heiligen Stätten, von der nur in Ausnahmefällen abgewichen werden konnte.151 Die unter den Beratern intensiv ge Sanudo selbst beschrieb in seinem Liber secretorum seinen Austausch mit Seeleuten zur Akquise nautischen Wissens, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57. Pryor, Geography (1988), 75 f. Marino Sanudo empfahl gar, in Venedig Spezialisten für das Auffinden von Wasserquellen anzuheuern, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 35. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 607 f. Ähnlich argumentierte auch Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 105. Die einzigen vier Ausnahmen bildeten Guillaume de Nogaret, Guido von Vigevano, die venezianischen Gesandten sowie Guillaume Le Maire. Letzterer argumentierte allerdings gegen einen neuerlichen Kreuzzug und führte folgerichtig keine Route für die Kreuzfahrer an, vgl. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290.
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führte Diskussion über die bestmögliche Kreuzzugsroute war ohne Frage eine direkte Folge der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens, die alle bisherigen Vorgehensweisen unsicher erscheinen ließ und politische Entscheidungsträger dazu antrieb, neue Wege ausfindig zu machen, auf denen die Kreuzfahrer sicher ins Heilige Land gelangen konnten. Vor diesem Hintergrund forderten einige Ratgeber gar, die politisch Verantwortlichen sollten sich auf die Ursprünge der Bewegung zurückbesinnen und auf dem Landweg nach Osten ziehen, so wie es die ersten Kreuzfahrer einst getan hatten. Die meisten Berater favorisierten allerdings den Seeweg nach Osten, der seit dem 13. Jahrhundert üblich war, und diskutierten potentielle Landeplätze in Armenien, Syrien und Ägypten (siehe Abb. 3).152
Abb. 3: Die Kreuzzugsroute in ausgewählten Rückeroberungsplänen.
Im Unterschied zu den Ratgebern des geographisch-ethnographischen Subtyps, deren Fokus meist auf dem Weg der Kreuzfahrer durch den Orient lag, widmeten die militärischen Ratgeber sich allerdings auch den potentiellen Startpunkten für das Kreuzfah-
Die einzigen Ausnahmen waren Guillelmus Adae und Pierre Dubois, die den Landweg über Kleinasien proponierten, um dort Konstantinopel zu erobern, sowie Ramon Llull, der im Auftrag seines Patrons Jakob II. von Aragon den Landweg über Nordafrika vorschlug, vgl. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 417; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 222; Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 214; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 276 f.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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rerheer im Westen und besprachen mögliche Zwischenstationen auf dem (See-)Weg in den Orient. Zu den in diesem Rahmen diskutierten Startpunkten gehörten mit Genua, Marseille, Venedig und dem apulischen Brindisi ausschließlich Städte, die bereits in der Vergangenheit als Ausgangspunkt für Kreuzzüge gedient hatten.153 Alle Berater dieses Subtyps stellten darüber hinaus die Notwendigkeit einer Zwischenstation auf dem Seeweg heraus, an der die einzelnen Heeresteile nach der Seefahrt gesammelt sowie versorgt werden konnten und die Kreuzfahrer sowie ihre Pferde sich von den Widrigkeiten der Seereise erholen konnten.154 Als dafür geeignete Orte erachteten sie zum einen die Insel Zypern, die bereits Richard I. und Ludwig IX. als Zwischenstationen auf ihren Kreuzzügen gedient hatte, und zum anderen die Insel Rhodos, welche die Johanniter 1311 erobert hatten.155 Allein die armenischen Gesandten sahen von den beiden Inseln ab und favorisierten naheliegenderweise das Königreich Armenien als Zwischenstation für die Kreuzfahrer.156 Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie etwa dem Venezianer Marino Sanudo oder den unbekannten Verfassern der Memoria blieben Überlegungen dieser Art allerdings ein Spezifikum der Ratschläge von Militärexperten, denn viele der Berater anderer Subtypen gingen davon aus, die Kreuzfahrer könnten ohne Zwischenhalt über den Seeweg direkt in den Orient reisen.157 Die Frage nach der Seeroute markierte einen weiteren Scheidepunkt zwischen den militärischen Ratgebern und Experten anderer Subtypen, die ebenfalls die Kreuzzugsroute thematisierten. Erstere präferierten nicht nur unisono den Weg über das Meer Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 223; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 147; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 348 f. Das vierte Laterankonzil hatte Brindisi neben Messina zum Ausgangspunkt des Kreuzzuges gegen Damietta (1217) bestimmt, vgl. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 267. Unter den Orientexperten thematisierte vor allem Fidenzio von Padua mögliche Startpunkte für die Kreuzfahrer, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 51 f. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 359; Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 224; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 248; RJF, Nr. 1690–1691; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 347–349. Zahlreiche Kreuzzugsexperten aller Subtypen betonten das Problem der Seekrankheit, so führte Guillelmus Adae es etwa als Grund gegen den Seeweg an und Marino Sanudo folgerte, die Kreuzfahrer sollten sich aus Oberitalien, Katalonien und dem nördlichen Hanseraum rekrutieren, weil die Bewohner dieser Regionen weniger anfällig für Seekrankheit seien, vgl. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 411; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 68–70; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 35 f.; 72 f. Für Zypern als Zwischenstation der Kreuzfahrer auf dem Seeweg in den Orient argumentierten: Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 359; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 116; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148; RJF, Nr. 1690. Die Johanniter favorisierten dagegen naturgemäß die Dodekanes als Zwischenstation, vgl. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 347–349. Die Bürger von Marseille schlugen sowohl Zypern als auch Rhodos als potentielle Zwischenhalte vor, vgl. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 248 f. RJF, Nr. 1691. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 52; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 415 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 37–39; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 448–451.
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
gegenüber der Landroute, sondern diskutierten darüber hinaus nicht einmal die Möglichkeit einer solchen, während die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps in teils langwierigen Diskussionen die Vor- und Nachteile beider Reisewege gegeneinander abwogen.158 Die Militärexperten folgten damit einer bereits seit langem etablierten Vorgehensweise, denn seit dem Kreuzzug Kaiser Friedrichs I. (1189–1190) hatte kein größeres Kreuzfahrerheer mehr versucht, auf dem Landweg Richtung Osten zu gelangen.159 Bezeichnenderweise lässt sich nur zwei Mal in den Quellen eine Bewertung der Landroute durch Berater des militärischen Subtyps fassen: Zunächst in der Informatio des Bischofs von Léon und danach, als die aus militärisch orientierten Beratern des französischen Königs Philipp VI. zusammengesetzte Sachverständigenkommission zu Beginn der 1330er Jahre die Vorschläge eines geographisch-ethnographischen Ratgebers, nämlich des Verfassers des Directorium ad faciendum passagium, prüfte und schlussendlich feststellte, dass le chemin par terre ne fasse mie à tenir par plusieurs causes et raisons.160 Die Landroute über Kleinasien, so die königlichen Berater weiter, sei insgesamt deutlich länger und vor allem riskanter als der Seeweg, weil das Kreuzfahrerheer stets den Angriffen der dort lebenden Türken ausgesetzt sei. Überdies ließe sich die Versorgung der Kreuzfahrer in Kleinasien nicht sicherstellen, weil das Land selbst nicht ausreichend Nahrungsmittel für ein größeres Heer abwerfe.161 Unter den Beratern des militärischen Subtyps galt die Alternativlosigkeit der Seeroute demnach trotz der Misserfolge vergangener Kreuzzüge als verstetigtes Wissen, welches keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedurfte.
2.2.5 Die Seeblockade des Orienthandels Während hinsichtlich der Kreuzzugsroute Dissens bestand, waren die Berater aller Subtypen sich darin einig, dass im Vorfeld eines Kreuzzuges zunächst die militärische Macht der ägyptischen Sultane systematisch verringert werden musste. Zu diesem Zweck empfahlen sie nahezu unisono ein päpstlich sanktioniertes Handelsembargo, welches es Christen erlauben sollte, im Vorfeld des Kreuzzugs alle Handelsschiffe aufzubringen, die Richtung Ägypten fuhren. Die Berater hofften, das Sultanat durch diese
Fidenzio von Padua widmete der Diskussion von Vor- und Nachteilen des Seeweges gegenüber dem Landweg z. B. ganze 14 Unterkapitel seines Rückeroberungstraktates, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 46–49 sowie III.1.2.2. Siehe I.1.2. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11. Die Versorgung von größeren Streitmächten bei ihrem Marsch durch Kleinasien gestaltete sich wahrscheinlich tatsächlich schwierig. Roche zufolge war es nach dem Zusammenbruch der byzantinischen Zentralmacht in der Mitte des 12. Jahrhunderts kaum noch möglich, größere Heere im anatolischen Hochland mit Lebensmitteln zu versorgen, vgl. Roche, Conrad III (2021), 199 f.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
165
Seeblockade nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch schwächen zu können und auf diese Weise letztlich die Erfolgschancen der Kreuzfahrer zu erhöhen.162 Ägypten war über das gesamte 13. und 14. Jahrhundert hinweg auf den Import kriegswichtiger Rohstoffe wie Eisenerz, Zinn, Blei, Pech und Holz angewiesen und benötigte überdies beständig neue Militärsklaven, die den Kern des ägyptischen Heeres bildeten. Auf diese Nachfrage reagierten die von den Kreuzzugsratgebern als mali christiani denunzierten Kaufleute der oberitalienischen, okzitanischen und katalanischen Handelsmetropolen, insbesondere Genuas, indem sie die dringend benötigten Ressourcen aus dem westlichen Mittelmeerraum sowie der Schwarzmeerregion im Austausch für Gewürze oder Baumwolle nach Ägypten transportierten.163 Die von den Ratgebern geplante Blockade des Ägyptenhandels sollte das Sultanat kriegswichtiger Rohstoffe berauben und zugleich die Zolleinnahmen des Sultans schmälern. Dies wurde dadurch begünstigt, dass der ägyptische Sultan und seine Emire über keine nennenswerte Kriegsflotte verfügten und die westlichen Seemächte das Mittelmeer deshalb nahezu unangefochten beherrschten.164 Der Plan eines Handelsembargos war innerhalb der Kreuzzugsplanungen derart wirkmächtig, dass nahezu alle Ratgeber sich auf die ein oder andere Weise dafür aussprachen. Selbst die Vertreter der Seehandelsstädte Venedig und Marseille konnten sich dem nicht entziehen und stimmten den Embargoplänen zu, obwohl zahlreiche Kaufleute aus ihrer Heimat vom Alexandriahandel profitierten.165 Diese Form der ökonomischen Kriegführung zählte bereits seit dem dritten Laterankonzil zum Standardrepertoire päpstlicher Kreuzzugspolitik und war nach dem Untergang des Outremer noch einmal verschärft worden. Hatte das vierte Lateranum das Embargo auf kriegswichtige Handelsgüter wie Eisen oder Nutzholz noch beschränkt, untersagte Nikolaus IV. es 1290 allen lateinischen Christen, arma, ferrum, lignamina, victualia et alia queque mercimonia nach Ägypten zu transportieren.166 Die Päpste hofften offenbar, die miteinander konkurrierenden Seehandelsmächte würden das Verbot zum Anlass nehmen, um die Schiffe verfeindeter Kaufleute auf dem Weg nach Ägypten aufzubringen. Ihre Hoffnung war nicht gänzlich unbegründet, denn tatsächlich kam es unter Berufung auf das Embargo im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts immer wieder
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353 f.; Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 224 f.; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605 f.; RJF, Nr. 1690. Balard, Commerce (2011), 125–134; Christ, Kreuzzug (2016), 261–282; Cocci, Projet (2002), 171–188; Ehrenkreuz, Slave Trade (1981), 335–345; Jacoby, Supply (2001), 102–132; Leopold, Holy Land (2000), 126–136; Menache, Boycott (2012), 252–257; Ortalli, Venice (1995), 242–258; Richard, Royaume de Chypre (1984), 128–134. Fuess, Ships (2001), 49–60. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 221, Nr. 110; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 28 f. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 269 f.; RN, Nr. 4403; RN, Nr. 6784–6788 sowie dazu Menache, Boycott (2012), 236–259; Stantchev, Embargo (2014), 35–40.
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
zu Kaperungen von Handelsschiffen im östlichen Mittelmeerraum.167 Neben solchen gewaltsamen Maßnahmen versuchten die Päpste den Handel mit Ägypten auch durch Androhung von Geld- und Kirchenstrafen zu unterbinden, taten sich jedoch oft schwer damit, die Delinquenten zu identifizieren.168 Insgesamt erwies das Handelsembargo sich trotz vereinzelter Erfolge aufgrund von mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens der in den Fernhandel involvierten Kommunen sowie fehlender Durchsetzungsfähigkeit seitens der Päpste als wenig erfolgreich.169 Aus diesem Grund änderten die Päpste in den 1290er Jahren ihre Vorgehensweise: Statt die Kontrolle des Embargos den Seemächten zu überlassen, sollte nun eine dezidierte Blockadeflotte permanent im östlichen Mittelmeerraum stationiert werden und dort als päpstliche Exekutivgewalt agieren. Erstmals erwähnt wird dieser Plan im Werk der Ratgeber Karls II. von Anjou, weshalb anzunehmen ist, dass das Vorhaben ursprünglich von Militärexperten ersonnen wurde.170 In den Folgejahren adaptierten mit Ausnahme von Gonzalo de Hinojosa alle Berater des militärischen Subtyps diesen Plan einer stehenden Flotte. In ihren Werken sind im Durchschnitt 10,7% des Textes diesem Blockadeprojekt gewidmet. Gleich mehrere politische Entscheidungsträger, darunter die Päpste Nikolaus IV., Clemens V. und Johannes XXII., die Könige von Aragon und Zypern sowie die Oberhäupter der Johanniter und Templer, versuchten, diesen Plan in die Tat umzusetzen, indem sie entsprechende Flotten ausrüsteten.171 Der Erfolg dieser Unternehmungen blieb allerdings aus zweierlei Gründen aus: Erstens erwies sich die Finanzierung als wenig nachhaltig. Die auf Initiative von Nikolaus IV. aufgestellte Flotte aus 25 Galeeren konnte zwar zunächst einige Erfolge vermelden, löste sich jedoch bereits im Folgejahr wieder auf, weil Nikolaus’ Nachfolger auf dem Stuhl Petri die zunächst für ein Jahr gewährten
Im Jahr 1282 brachte ein genuesischer Kapitän beispielsweise im Tyrrhenischen Meer ein pisanisches Handelsschiff auf, das angeblich Waren aus Alexandria transportierte, und berief sich dabei auf das päpstliche Verbot, vgl. Ashtor, Trade (1983), 14. Am strengsten in dieser Hinsicht gilt der Forschung das Pontifikat von Johannes XXII. Dieser zwang 1322/23 unter Androhung der Exkommunikation 59 venezianische Kaufleute dazu, der Kirche Geldstrafen für ihre Beteiligung am verbotenen Ägyptenhandel zu zahlen, vgl. Ashtor, Trade (1983), 47 f.; Ortalli, Venice (1995), 248–251; Stantchev, Embargo (2014), 138–143. Menache, Boycott (2012), 244. Barker hat nachweisen können, dass der Preis von Militärsklaven in den ägyptischen Hafenstädten trotz der päpstlichen Verbote nicht anstieg. Es war also trotz entsprechender päpstlicher Anordnungen offenbar nicht einmal gelungen, den Transport von Sklaven aus der Schwarzmeerregion nach Ägypten zu stören, geschweige denn zu unterbinden, vgl. Barker, Black Sea (2014), 333. Stantchev hat dagegen die Ansicht vertreten, das Embargo sei zumindest partiell erfolgreich gewesen, weil es unter anderem den ägyptischen Zugang zu Nutzholz zum Schiffsbau eingeschränkt habe, vgl. Stantchev, Embargo (2014), 77–87. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 355. AA 1, 14 f, Nr. 10; Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232; RC, Nr. 1035. Für die Johanniter scheint das päpstliche Handelsverbot besonders relevant gewesen zu sein, weshalb sie es gleich mehrfach kopierten, vgl. AOM Sek. 1, Arch. 14, Nr. 5.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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Gelder nicht verlängerte.172 Folgt man Guillelmus Adae, so muss es bei diesen Projekten auch immer wieder zur Veruntreuung von Kirchenmitteln gekommen sein. Der Dominikaner berichtet von einem Flottenunternehmer, der im Auftrag von Clemens V. den Ägyptenhandel stören sollte, aber nur vier der versprochenen sechs Schiffe ausrüstete und anstatt eines Jahres nur sechs Monate auf See blieb.173 Jakob II. von Aragon ging sogar so weit, die größtenteils aus päpstlichen Mitteln bezahlte Flotte im SizilienKonflikt einzusetzen, anstatt wie geplant den Ägyptenhandel zu stören.174 Zweitens führten die Blockadeprojekte immer wieder zu lähmenden Auseinandersetzungen mit den westlichen Kommunen, die in den Ägyptenhandel involviert waren. Im Winter 1310 oder Frühjahr 1311 kaperten die Johanniter ein genuesisches Handelsschiff auf dem Rückweg von Alexandria und weigerten sich, es ohne päpstliche Zustimmung wieder freizugeben. Als Reaktion darauf begannen die Genuesen nicht nur, alle Johanniter festzusetzen, derer sie habhaft werden konnten, sondern versprachen auch dem türkischen Bey von Mentesche 50.000 Florin, sofern er den Orden von der Insel Rhodos vertreiben würde. Dieser ging tatsächlich auf das Angebot ein, doch den Johannitern gelang es 1312, die türkische Invasionsstreitmacht in der Seeschlacht bei Amorgos zurückzuschlagen. Wenig später intervenierte Papst Clemens V. in dieser Krise auf Seiten der Ordensritter und verhinderte so eine weitere militärische Eskalation, konnte den genuesischen Ägyptenhandel jedoch letztlich nicht unterbinden.175 Die Seeblockade war nicht nur ein Anliegen der Militärexperten, auch die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps entwickelten längere Pläne zur Beendigung des Ägyptenhandels. In ihren Abhandlungen nimmt das Blockadeprojekt durchschnittlich 7,5% des Textes ein. Der Fokus der Orientexperten lag jedoch vor allem auf dem Warenverkehr sowie möglichen Standorten für die Blockadeflotte, während die militärischen Ratgeber vorwiegend strategische Fragen sowie die Zusammensetzung der Flotte behandelten.176 Die Berater Karls II. von Anjou sowie die Johanniter kombinierten den Plan einer Seeblockade mit der Strategie des Partikularkreuzzugs, indem sie vorschlugen, die Blockadeflotte solle eine Serie kurzer Überfalle auf die ägyptische Küste durchführen, um dem Sultan ökonomisch zu schaden.177 In den Folgejahren übernahmen schließlich auch Ratgeber anderer Subtypen wie etwa Ramon Llull die-
Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 36. Borchardt, Initiatives (2018), 27–29; Burgtorf, Career (2007), 82; Housley, Italian Crusades (1982), 103 f.; Schein, Fideles Crucis (1991), 151 f.; 189. CGOH 4, 233 f., Nr. 4895; Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 393; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 120; RC, Nr. 7631. Bereits zuvor hatte der Papst die Kommune Genua aufgefordert, den Handel mit Ägypten zu unterlassen, vgl. RC, Nr. 3218. Zu dem Konflikt zwischen Genua, Mentesche und den Johannitern siehe u. a. Dartmann, Johanniter (2020), 323–336; Carr, Hospitallers (2013), 168 f.; Luttrell, Genoese (1997), 754–760; Menache, Clement V (1998), 110–112; Schein, Fideles Crucis (1991), 231–233; Zachariadou, Trade (1983), 11 f. Siehe dazu II.4.2.3. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 355; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 606 f.
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
sen Plan.178 Für solche Überlegungen spielte die Mobilität der Flottille natürlich eine wichtige Rolle, weshalb die meisten Militärexperten zudem auf die dafür geeigneten Schiffstypen eingingen. Am ausführlichsten äußerte sich der Stadtrat von Marseille, der die Schiffe bis hin zur Zahl der Segel und Ruderbänke beschrieb und selbst die an Bord mitgeführte Bewaffnung darlegte.179 Den Beratern aus den Seehandelsstädten kam überdies die Aufgabe zu, genauere Angaben zur Proviantierung der Blockadeflotte zu machen. Während die anderen Militärexperten nur grobe Maßgaben zur Versorgung äußerten, erläuterten die Vertreter von Marseille und Venedig, ebenso wie der Venezianer Sanudo, welche Rationen für die Seeleute erforderlich waren.180 Der Plan einer Seeblockade wurde immer wieder den wechselnden politischen Verhältnissen im östlichen Mittelmeerraum angepasst, zählte aber ansonsten bis zum vorläufigen Ende der lateineuropäischen Rückeroberungsbemühungen im Jahr 1336 zum Standardrepertoire der militärischen Ratgeber.181 Noch 30 Jahre später versuchte Peter I. von Zypern vor seinem Kreuzzug gegen Alexandria den ägyptischen Sultan zunächst durch Überfälle auf Seehandelswege und Küstenstädte zu schwächen.182 Dass die Blockadestrategie sich trotz der zuvor erwähnten Fehlschläge unter allen Kreuzzugsberatern bis in die 1330er Jahre hinein großer Popularität erfreute, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sie politischen Entscheidungsträgern im Prinzip nicht viel abverlangte: Der Einsatz eigener Ressourcen (und somit auch das Risiko, ihrer verlustig zu gehen) war vergleichsweise gering, zugleich musste die Gegenseite deutlich mehr Ressourcen aufwenden, um ihre Handelswege und Küsten vor den Angriffen der Flotte zu schützen. Marino Sanudo zufolge ließ sich mittels einer Seeblockade durch den Einsatz von nur 150.000 Florin dem Sultan ein jährlicher Schaden von 1.000.000 Florin oder mehr zufügen.183 Für die beteiligten Kapitäne und Flottenunternehmer bestand zudem die Chance auf eine reiche Prise aus den gekaperten Handelsschiffen.184 In der modernen Militärtheorie wird ein solches Vorgehen als „asymmetrische Kriegführung“ bezeichnet, weil es darauf abzielt, den Gegner zu ver-
Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 280 f. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 251–254. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 253 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 60–63. Die venezianischen Gesandten machten keine quantifizierbaren Angaben, sondern verwiesen auf ihr praktisches Wissen in dieser Sache, vgl. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 221, Nr. 110. Siehe dazu II.2.3.2. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 221, Nr. 110; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 352–354. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 411 f.; 415 f. Siehe dazu auch Coureas, Kingdom (2017), 378; Edbury, Peter I (1978), 97. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 7. Sowohl Jakob II. von Aragon als auch die Republik Venedig versuchten zu Beginn der 1320er Jahre gleich mehrfach, der Waren habhaft zu werden, die ihre Kapitäne von Kaufleuten auf dem Weg nach Alexandria beschlagnahmt hatten, vgl. Ashtor, Trade (1983), 22; Jacoby, Supply (2001), 111.
2.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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ausgaben, und deshalb vorzugsweise von Akteuren eingesetzt wird, die in der direkten militärischen Konfrontation unterlegen sind.185
2.2.6 Inhaltliche Verschränkungen Im Vergleich zu den vorgenannten fünf Kategorien nahmen Legislation und Kreuzzugsfinanzierung, moralische Fragen, die Ausgestaltung eines pax Dei bzw. einer treuga Dei sowie der politische Aufbau des Königreichs Jerusalem nach der Rückeroberung nur einen geringen Stellenwert innerhalb der Vorschläge von Ratgebern des militärischen Subtyps ein. Die Gründe dafür lagen wohl nicht allein in den Erwartungen der anderen Kreuzzugsplaner oder der Beschaffenheit ihres Wissens, sondern auch den Deutungsschemata, die den Beratern zur Verfügung standen. Moralische Fragen spielten in den Vorschlägen militärischer Ratgeber eine randständige Rolle (1,7%), da insbesondere den Ordensrittern der Rekurs auf das theistisch-okkasionelle Deutungsschema nicht möglich war, ohne das moralische Fehlverhalten ihrer Brüder zu thematisieren, welches die Kritiker ihrer Orden für den Verlust des Heiligen Landes verantwortlich machten. Aus ähnlichen Gründen vermieden vermutlich auch die Ratgeber Heinrichs II. von Lusignan moralische Exkurse, denn ihr König hatte 1291 die erfolglosen Verteidiger Akkons kommandiert und wurde von zeitgenössischen Chronisten für seine Flucht aus der belagerten Hafenstadt kritisiert.186 Sofern die Berater dennoch eine dieser Kategorien ansprachen, war es meist auf die spezifische politische Konfiguration zurückzuführen, innerhalb derer sie agierten. Die Ratgeber Karls II. thematisierten beispielsweise in 29,7% ihres Conseill die politische Struktur des neuen Königreichs Jerusalem, weil Papst Nikolaus IV. den König nicht nur um Pläne zur recuperatio, sondern auch zur conservatio Terrae Sanctae gebeten hatte und nicht etwa, weil derartige Vorschläge von den Militärexperten des Kronrates erwartet wurden.187 Die päpstliche Aufforderung bot dem Monarchen darüber hinaus einen willkommenen Anlass, dem eigenen Erbanspruch auf die Krone von Jerusalem durch das Urteil seiner Experten zusätzliche Legitimation zu verleihen. Ähnlich verhielt es sich mit den Plänen für einen allgemeinen Frieden zwischen allen Fürsten der lateinischen Christenheit. Dessen Notwendigkeit neigten nämlich vor allem diejenigen Münkler, Kriege (2002), 53–57. Schein, Image (1986), 707 f. Besonders einflussreich an den lateineuropäischen Höfen des späten 13. Jahrhunderts war sicherlich die Ystoria de desolatione et conculcatione civitatis Acconensis des Thaddäus von Neapel, über die Runciman einst treffend resümierte: „It is a vivid narrative, embroidered by lavish accusations of cowardice against practically everyone who was there [in Akkon, Anm. d. V.].“ Vgl. Runciman, Crusades, Bd. 3 (1954), 431. Siehe dazu auch Shagrir, Thadeus of Naples (2018), 148–156. RN, Nr. 6791–6792. Karl II. nahm zu Beginn des Conseill explizit Bezug auf diese päpstliche Enzyklika: Pape Nicole quart qui au lor estoit nostreuer uois et chemin coment il porroit grauer la paenisme et coment la terre sainte se porroit garder et maintenir (...). Vgl. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353.
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2 Erfahren in Sachen des Krieges – Die militärischen Berater
Berater herauszustellen, deren Patrone sich aktuell in bewaffneten Konflikten von ungewissem Ausgang befanden. Dass die Berater Karls II. dem allgemeinen Frieden 5,2% ihres Rückeroberungsmemorandums widmeten, ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass der König zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Schrift bereits seit acht Jahren mit den Königen von Aragon um die Insel Sizilien kämpfte. Von solchen Überlegungen war vermutlich auch Gonzalo de Hinojosa geleitet, in dessen Informatio die Friedensproblematik 5,7% einnimmt.188 Als der Bischof sein Memorandum verfasste, steuerte Kastilien nämlich auf einen Bürgerkrieg zu, weil seine Patronin María de Molina mit den Infanten Peter (✶1290 †1319) und Johannes (✶1260 †1319) um die Regentschaft für den minderjährigen König Alfons XI. stritt.189 Insgesamt ist festzuhalten, dass die Rückeroberungspläne der Militärexperten noch deutlich stärker in die zeitgenössische Politik eingebettet waren als die der anderen Ratgeber. Im direkten Vergleich mit den beiden anderen Beratertypen zeichneten sich die Militärexperten zudem durch ihr breitgefächertes Portfolio aus, das neben Strategie, Logistik und dem Heeresaufbau zumindest zu gewissen Teilen auch die Kreuzzugsfinanzierung (3,8%) sowie die Orientgeographie (4,6%) umfasste. Diese vergleichsweise diffuse funktionale Ausrichtung der militärischen Berater ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sie die direkten Nachfolger der Generalisten waren, die im 13. Jahrhundert (und damit vor der Entstehung einer kreuzzugsbezogenen Expertenkultur) die Hauptverantwortlichen für die Organisation von Orientkreuzzügen gewesen waren.190 Obwohl sie sich im Laufe der Zeit zunehmend auf den militärischen Bereich spezialisiert hatten und somit zu Experten geworden waren, zeigte ihre Tätigkeit noch immer Spuren von diesem Generalismus.
2.3 Wissensbestände Die Berater des militärischen Subtyps schöpften ihr Spezialwissen vornehmlich aus drei Beständen: Ritter, Ordensritter und andere Angehörige des kriegführenden Adels gewannen ihr Wissen primär aus der Kriegführung und inkorporieren überdies Wissen aus dem militärischen Kontakt mit den im Vorderen Orient lebenden Ethnien, während die Vertreter der Seehandelsstädte sich darüber hinaus verstärkt auf das nautische Wissen der mediterranen Seeleute stützten.
Kiesewetter, Karl II. von Anjou (1999), 200–245. Ordás Díaz, Gonzalo Osorio de Villalobos (2017), 12; Wallmeyer, Kreuzzugsplan (2022), 459–461. Siehe dazu auch Wallmeyer, Pen (2019), 469–485.
2.3 Wissensbestände
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2.3.1 Kriegführung Die Orientierung der Experten an der zeitgenössischen Kriegsroutine wird anhand zweier Deutungsschemata deutlich, die in den Vorschlägen der militärischen Ratgeber bevorzugt zum Einsatz kamen: Erstens bewerteten diese Berater Feldschlachten als unnötiges Wagnis und versuchten sie zugunsten von Belagerungen oder kurzen Raubzügen gänzlich zu vermeiden. Zweitens bevorzugten sie bezahlte Gewaltprofessionelle gegenüber ad hoc zusammengestellten Milizen und planten dementsprechend, das Kreuzfahrerheer komplett oder zumindest größtenteils aus den Reihen der Erstgenannten zu rekrutieren. Beide Deutungsschemata entstammten einer lateineuropäischen Kriegsroutine, die zu diesem Zeitpunkt aus praktischem Alltagswissen bestand, welches noch weitgehend unsystematisiert war.191 Erst nachdem die Niederlagen der Kreuzfahrer in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die routinemäßige Kriegführung störten, waren die militärischen Ratgeber gezwungen, ihr praktisches Wissen im Rahmen der Kreuzzugsplanungen zu propositionalisieren, um es adäquat problematisieren und verteidigen zu können. Die Zurückhaltung militärischer Ratgeber angesichts offener Gefechte mag zunächst seltsam erscheinen, denn für die militärgeschichtliche Forschung waren Feldschlachten lange Zeit von zentraler Bedeutung. Historiker folgten dabei den Annahmen von Militärtheoretikern wie Clausewitz, die unter dem Eindruck der Napoleonischen Kriege davon ausgegangen waren, dass militärische Auseinandersetzungen notwendigerweise in Schlachten entschieden würden und die großen Befehlshaber der Weltgeschichte folglich stets solche Entscheidungsschlachten gesucht hätten.192 ClausewitzAnhänger wie Delbrück und Oman fokussierten sich bei ihrer Darstellung der mittelalterlichen Kriegführung dementsprechend auf die großen Schlachten vom Lechfeld bis Crécy und maßen diesen in ihren Darstellungen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg der jeweiligen Auseinandersetzung bei.193 Seit den späten 1970er Jahren hat sich mit den Arbeiten von Contamine und Verbruggen allerdings zunehmend die Ansicht durchgesetzt, dass „la guerre médiévale était faite d’une succession de sièges, accompagnés d’une multitude d’escarmouches et de dévastations (...)“.194 Statt riskante Entscheidungsschlachten zu suchen, so der Tenor der neueren Militärgeschichte, hätten die Feldherren des Mittelalters versucht, befestigte Positionen zu erobern und die militärischen Ressourcen ihrer Gegner durch strategisches Ausharren sowie gezielte
Mittelalterliche Militärhandbücher wie der Livre de chevalerie des Geoffroi de Charny, deren Verfasser versuchten die zeitgenössische Kriegsroutine zu propositionalisieren und systematisieren, entstanden erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, vgl. Geoffroi de Charny, Livre. Ed. Kennedy, 84–200. von Clausewitz, Vom Kriege (1832), Buch I, Kap. 2. Delbrück, Geschichte, Bd. 3 (1907), Buch II, Kap. 9. Siehe auch Oman, War, Bd. 1 (1885), 70–87. Contamine, Guerre (1980), 207 sowie dazu Verbruggen, Warfare (1997). Zur Militärgeschichtsschreibung siehe insbes. Bachrach, Historiography (1997), 203–220.
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Raubzüge zu verausgaben: „War turned on the possession of fortifications, and most military activity was related to possession of them; it was a warfare of position.“195 Eine auf Befestigungen ausgerichtete Kriegführung war erforderlich, da mittelalterliche Herrschaftsverbände im Gegensatz zu ihren modernen Pendants nicht auf ein stehendes Heer oder regelmäßige Steuereinkünfte zurückgreifen konnten. Trotz des Einsatzes neuer Militärtechnologien wie dem Tribok, welcher es erstmals ermöglichte, Mauern durch Beschuss aus vergleichsweise sicherer Entfernung zum Einsturz zu bringen, nahm die Relevanz von Befestigungen in der Kriegführung des 13. Jahrhunderts keineswegs ab. Stattdessen wurden nun auch Städte sukzessive stärker befestigt und Burgen entwickelten sich zunehmend zu subsistenzwirtschaftlichen Siedlungen, die ausgedehnten Belagerungen standzuhalten vermochten.196 Anknüpfend an die neuere Militärgeschichte lässt sich festhalten, dass auch für die Berater des militärischen Subtyps diese auf Befestigungen ausgerichtete Kriegführung das zentrale militärstrategische Deutungsschema bildete. Deutlich wird dies an dem folgenden Rückeroberungsplan der kastilischen Krone, den Gonzalo de Hinojosa festgehalten hat: Während das große [Kreuzfahrer-]Heer ausgerüstet wird, werden bezahlte Kämpfer und Handwerker in Galeeren und Schiffen geschickt, damit sie versuchen, sofern sie [dazu] in der Lage sind, in den Bergen von Syrien Land zu erobern und irgendeine Stadt zu befestigen, in der es möglich ist, die Christen zu versammeln. Sobald dies getan ist, bringen die Schiffe von Zypern, Rhodos und anderen Inseln große Mengen von Kalkstein und Nutzholz sowie eiserne Werkzeuge, um Mauern, Häuser und Gräben zu errichten, wo die Christen sich versammeln können. Im Notfall werden die Orte mit den Mauern oder Gräben geräumt, damit [die Kreuzfahrer] sich in Zypern sammeln und das große [Kreuzfahrer-]Heer erwarten können, sofern sie zurückgeschlagen worden sind.197
Für militärische Berater wie Gonzalo war die Eroberung befestigter Stellungen im Orient eine wichtige Erfolgsbedingung für den Kreuzzug, weshalb das Kreuzfahrerheer umgehend den Rückzug antreten sollte, wenn dies nicht gelang. Seine Ausführungen illustrieren demnach deutlich, dass der Plan, einen Brückenkopf in Ägypten oder an der Levante zu erobern, welcher ein Kernelement der Strategie des passagium particulare bildete, stark von dem Fokus der zeitgenössischen Kriegführung auf Befestigungen beeinflusst ist. Doch auch die Gegner des Partikularkreuzzugs unter den Militärexperten urteilten auf Grundlage dieses Schemas. So stellte Jacques de Molay hinsichtlich der France, Victory (1999), 26 f. Siehe auch Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 88 f.; Nicholson, Warfare (2004), 113. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 81. Zum Tribok siehe Chevedden, Invention (2000), 71–116. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115: dum paratur magnus exercitus mitti stipendiarii pugnatores et artifices in galeis et navibus, ut temptarent, si possent, terram accipere et aliquam civitatem firmare in montanis de sur, ubi possent se colligere christiani, et hoc faciendum expediret, ut de cipro, rodos et aliis insulis deferrent naves multum de calce et lignis et instrumentis ferreis ad edificandos muros, domos et fossata, ubi se colligerent christiani; et expediret incipere in fossatis aut muris secundum loci exigenciam, quod, si forte repellentur, possent in cipro se recolligere et magnum exercitum exspectare.
2.3 Wissensbestände
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Levante fest, die Christen halten in diesem Land (...) heute keine Städte, Burgen oder Befestigungen, in denen sie sich wieder erholen können, weshalb ein kleiner Partikularkreuzzug der deutlich größeren Armee des ägyptischen Sultans schutzlos ausgeliefert sei.198 Der Templermeister argumentierte dabei aus seiner lebensweltlichen (Kriegs-)Erfahrung heraus, denn sein Orden hatte gemeinsam mit den Johannitern bereits im Jahr 1300 versucht, auf der Tortosa vorgelagerten Insel Arwad bzw. Ruad einen Brückenkopf für die Kreuzfahrer zu etablieren. Die Insel wurde allerdings nur zwei Jahre später von einer großen Streitmacht des Sultans erobert und die dortige Garnison der Templer vernichtet, bevor der Bau von Befestigungsanlagen abgeschlossen werden konnte.199 Statt eine Feldschlacht zu suchen, schlugen Militärexperten wie Foulques de Villaret oder die Berater Karls II. von Anjou überdies vor, im Vorfeld des allgemeinen Kreuzzuges mithilfe einer Flotte ausgehend von befestigten Stützpunkten im östlichen Mittelmeerraum gezielte Überfälle auf küstennahe Siedlungen in Ägypten oder Syrien zu unternehmen. Der Johannitermeister ging davon aus, über den Zeitraum von einem Jahr hinweg würden diese Raubzüge schlussendlich dazu führen, dass (...) die bewaffneten Männer der Sarazenen ihre Waffen und Tiere aufbrauchen und alles erschöpfen werden, was sie haben und sie werden ihre Ansiedlungen und Felder verlassen, von denen ein großer Teil von ihnen seine Nahrung erhält. Deswegen wird ihr Zustand sich verschlechtern, sodass wenn der Kreuzzug kommt (...) er sich besser entfalten und wirken wird, als es die dreifache [Zahl] an Männern könnte, [nur] aufgrund der Taten jener Wenigen, die vorausgegangen sind.200
Ein Jahr später verteidigte er diesen Plan gegenüber dem Papst, indem er darauf hinwies, dass derartige Scharmützel grundsätzlich einer großen Schlacht vorzuziehen seien, denn von einem Fehler, der in der Schlacht gemacht wird, kann man sich nicht erholen.201 Foulques sprach an dieser Stelle aus, was viele seiner Zeitgenossen aus dem kriegführenden Adel dachten und praktizierten. Ihm erschien der Ausgang von Gefechten als zu kontingent, die Folgen einer Niederlage für die Schlagkraft und das Ansehen des Kreuzfahrerheeres als zu groß, um das Risiko einer Entscheidungsschlacht gegen den ägyptischen Sultan einzugehen. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146: Cristiani hodie non tenent in Terra illa (...) civitatem, castrum vel fortaliciam aliquam, in qua se recolligere possent (...). Über den Partikularkreuzzug zur Eroberung von Arwad berichtet die zeitgenössische Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 303–305; 309 f. Der etwa 15 Jahre nach den Ereignissen verfasste Bericht des Marino Sanudo basiert vermutlich auf der vorgenannten Chronik, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 242. Siehe dazu auch Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157; Housley, Later Crusades (1992), 207; Schein, Fideles Crucis (1991), 164 f. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 606 f.: gentes armorum Sarracenorum consument arma sua et animalia et expendent quicquid habebunt, et deserent incolatum suum et agriculturam, ex qua major pars eorum habere noscitur victum suum. Et ob hoc tali subcumbent statui, quod passagium veniens, Domino concedente, plus explicabit et operabitur quam faceret gens in triplo, si per tractus hujusmodi minime precessisset. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 223: Car defaute qui ce fait en bataille ne ce puet de legier recoverer.
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Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Päpste und Könige schon früh versuchten, den Plan, Ägypten vor der direkten Konfrontation zunächst durch eine Serie von Überfallen zu schwächen, in die Tat umzusetzen. Im Jahr 1293 – also nur zwei Jahre, nachdem die Berater Karls II. ihren Vorschlag erstmals dem Papst unterbreitet hatten – stellte König Heinrich II. von Zypern gemeinsam mit den Johannitern sowie den genuesischen Militärunternehmern Benedetto und Manuele Zaccaria eine Flotte aus insgesamt 25 Galeeren zusammen, die über das folgende Jahr hinweg mit päpstlicher Approbation den Alexandriahandel störte und Siedlungen an der ägyptischen sowie der anatolischen Küste überfiel.202 Folgt man der Chronik des Templers von Tyrus, so hatte auch der Templerorden mit Unterstützung Heinrichs II. zwischen 1300 und 1302 wiederholt derartige Raubzüge in die Territorien des ägyptischen Sultans durchgeführt, um den Partikularkreuzzug zur Eroberung von Arwad vorzubereiten.203 Diese Vorgehensweise, welche im Hundertjährigen Krieg als chevauchée bekannt werden sollte, war eine übliche Strategie in der an Befestigungen orientierten Kriegführung des Mittelalters und kam über das gesamte 13. und 14. Jahrhundert hinweg auch in Konflikten zwischen lateineuropäischen Herrschern zum Einsatz. Sie erlaubte es ihnen, riskante Feldschlachten zu vermeiden und stattdessen aus dem Schutz der eigenen Burgen heraus die ökonomischen sowie legitimatorischen Ressourcen des Gegners ohne nennenswerten eigenen Ressourceneinsatz zu dezimieren.204 Karl II. von Anjou musste um die Effektivität dieser Vorgehensweise wissen, denn während des Sizilien-Konfliktes in den 1280er Jahren hatte die Flotte Peters von Aragon (✶1240 †1285) unter dem Kommando Rogers von Loria wiederholt seine Besitzungen an der süditalienischen Küste überfallen und verwüstet.205 Karl und seine Berater brachten für den Kreuzzug gegen Ägypten also eine modifizierte Variante der Strategie in Anschlag, deren Opfer sie einige Jahre zuvor selbst geworden waren. Dass diese Form der Kriegführung sowohl im Westen als auch im Osten zum Einsatz kam, ist auch darauf zurückzuführen, dass oft dieselben Akteure involviert waren. Benedetto Zaccaria trat beispielsweise wenige Jahre nach seinen Raubzügen an der ägyptischen Küste in den Dienst des französischen Königs und entwarf in dessen Auftrag einen Plan zur Eroberung der britischen Inseln. Dieser sah vor, dass der eigentlichen Invasion eine Serie von Überfällen auf die englische Südküste vorangehen sollte, die den Angriffen des Genuesen auf Ägypten in Zielsetzung und Ausführung frappierend ähnlich sind.206
CGOH 3, 602, Nr. 4177. Über das Unternehmen berichten Marino Sanudo sowie der Templer von Tyrus, vgl. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. Richard nimmt an, dass die Angriffe sich gegen die Burg Alaya im Süden Anatoliens sowie gegen Alexandria richteten, vgl. Richard, Royaume de Chypre (1984), 123 f. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 303–305. Clauss, Gewalt (2006), 87–89; France, Warfare (1999), 12; Nicholson, Warfare (2004), 3 f. Mott, Battle (1999), 148 f.; Rodgers, Warfare (1990), 135; Stanton, Warfare (2015), 140. Mémoire de l’amiral Benoît Zacharie. Ed. Boutaric, 112–119.
2.3 Wissensbestände
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Die Deutung des Kreuzzugs auf Grundlage einer auf Befestigungen ausgerichteten Kriegführung markierte zugleich einen Scheidepunkt zwischen den Militärexperten und den Beratern der anderen Subtypen. Deren Vorschläge fußten weniger auf dem Wissen aus der zeitgenössischen Kriegsroutine, sondern vielmehr auf Traditions- und Toposwissen aus den Schriften römischer Militärtheoretiker sowie den Berichten über die Taten vergangener Kreuzfahrer, antiker Feldherren und biblischer Herrscher. Aus diesem Grund favorisierten sie oft Feldschlachten gegenüber Scharmützeln und erachteten Befestigungen demgegenüber als nachgeordnet. Orientexperten wie die unbekannten Verfasser der Memoria Terre Sancte mobilisierten ihr Wissen über die Topographie Syriens, um den idealen Ort für die Entscheidungsschlacht gegen das Heer des ägyptischen Sultans auszumachen, und der Franziskaner Fidenzio von Padua widmete fünf Kapitel seines Liber recuperationis dem taktischen Vorgehen in den Feldschlachten gegen die Sarazenen, wobei er die Lehren aus der Epitoma rei militaris des Vegetius mit seinen persönlichen Beobachtungen der Heere muslimischer Herrscher verband.207 Antike Militärtheoretiker wie Vegetius oder der ebenfalls von Kreuzzugsplanern rezipierte Sextus Iulius Frontinus (✶um 35 †103) teilten das Deutungsschema der auf Befestigungen ausgerichteten Kriegführung des Mittelalters zwar nur bedingt, zählten jedoch ungeachtet dieser Dissonanzen spätestens seit dem 13. Jahrhundert auch im kriegführenden Adel zum Allgemeinwissen.208 Diese exaltierte Stellung von Vegetius und Frontinus bei gleichzeitigem Fehlen einer mittelalterlichen Militärtheorie ermöglichte es den Ratgebern anderer Subtypen, das aus der Kriegsroutine gewonnene praktische Wissen ihrer militärischen Pendants durch den Verweis auf das Toposwissen der antiken Autoritäten zu problematisieren und gegebenenfalls auch zu kritisieren. Guillaume Durand merkte gar sarkastisch an, anstatt jagen zu gehen, sollten Könige und Adelige lieber Vegetius lesen, denn dessen Werk könnten sie den rechten Einsatz von ballistarii, pedites und equites im Gefecht entnehmen und auf diese Weise lernen, wie man mit nur wenigen Siegen in der Schlacht die Welt erobern könne.209 Die einzigen Berater der anderen Subtypen, welche das militärstrategische Vorgehen der Kreuzfahrer ebenfalls auf die Eroberung von Befestigungen ausrichteten, waren Hethum von Korykos, Ramon Llull sowie Marino Sanudo.210 Dieser Umstand Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 28–31; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 454. Auch Vegetius sprach sich dafür aus, Feldschlachten zu vermeiden, vgl. Veg. Mil. 3.26. Zur mittelalterlichen Vegetius-Rezeption siehe u. a. Allmand, Vegetius (2011); Nicholson, Warfare (2004), 13–19; Reeve, Transmission (2000), 243–354 sowie III.1.2.2. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 108 f. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 356 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 50 f.; Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 211 f. Marino Sanudo verwies sogar explizit auf die Kriege Venedigs gegen Ferrara und Padua als Vorbild für die Überfälle auf die ägyptische Küste im Rahmen des Partikularkreuzzuges, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 52.
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spricht allerdings keineswegs für eine größere Verbreitung dieses Deutungsschemas, denn alle drei waren hinreichend mit der zeitgenössischen Kriegsroutine vertraut und hatten in der Vergangenheit teils selbst Streitkräfte kommandiert. Sanudo hatte in den Jahren 1289 bis 1291 sowie erneut 1311 eine venezianische Flotte in der Ägäis befehligt und Hethum hatte als Angehöriger der armenischen Königsfamilie mehrere Heere im Kampf gegen den ägyptischen Sultan angeführt.211 Von Ramon Llull ist kein solcher Kampfeinsatz bekannt, doch der spätere Missionar wurde im kriegführenden Adel sozialisiert und verfügte deshalb über Wissen, das zahlreichen anderen Theologen abging.212 Von ihm und Marino Sanudo ist zudem bekannt, dass sie die Ordensritter Jacques de Molay, Foulques de Villaret und Albert von Schwarzburg konsultiert hatten und deren Ansichten vermutlich in ihre Rückeroberungspläne einfließen ließen.213 Die auf Belagerungen ausgerichtete Kriegführung war demnach ein Deutungsschema, das sich im Adel und anderen kriegführenden Milieus großer Zustimmung erfreute, aber gerade deswegen bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert nie propositionalisiert, sondern nur als praktisches Wissen übermittelt worden war. Das zweite Deutungsschema aus der zeitgenössischen Kriegsroutine, welches die Vorschläge der Militärexperten dominierte, war ihre Präferenz für Gewaltprofessionelle gegenüber situationsbedingt ausgehobenen Milizen. Über das gesamte 13. Jahrhunderts hinweg hatten die meisten lateineuropäischen Armeen neben Rittern aus dem Gefolge des jeweiligen Herrschers zum Großteil aus Milizen bestanden, die im Kriegsfall aus den Untertanen des Herrschers rekrutiert und nach Beendigung des Konflikts wieder entlassen wurden.214 Obgleich zeitgenössische Chronisten oft suggerierten, die Kreuzzüge seien eine Massenbewegung gewesen, infolge derer sich Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft spontan auf den Weg in den Orient gemacht hätten, hat die Kreuzzugsforschung inzwischen nachgewiesen, dass Kreuzfahrerheere diesbezüglich keine Ausnahme bildeten und sich auf die gleiche Weise zusammensetzten wie die anderen Armeen ihrer Zeit.215 Ausgehend von einem Kern aus Untertanenmilizen und ihrem engeren Gefolge erweiterten Herrscher ihre Streitmächte allerdings bereits seit dem 11. Jahrhundert durch den Zukauf weiterer Truppen, die Kampfkraft gegen materielle Vergütungen zur Verfügung stellten. In welchem Umfang diese stipendiarii216 einge-
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 318; Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 131; Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 352. Zur Sozialisation Llulls siehe II.5.2. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 310; Vita coetanea. Ed. Platzeck, 52. Die Strategie der Küstenüberfälle wurde auch von Entscheidungsträgern aus dem Klerus positiv rezipiert, so etwa durch den Kardinaldiakon von Santa Maria in Via Lata, der 1323 die Vorschläge der Berater des französischen Königs diesbezüglich lobte, vgl. RJF, Nr. 1702. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 93; Contamine, Guerre (1980), 161 f.; Nicholson, Warfare (2004), 46 f. France, Victory (1999), 64–66; Tyerman, Paid Crusaders (2013), 1–40; Ders., Crusade (2015), 150–177. Im Folgenden werde ich den Ausdruck „Söldner“ vermeiden, weil „payment, even of those of honourable rank, was so common in western warfare that the blunt term ‚mercenary‘, with all its pejo-
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setzt wurden, variierte regional; die Heere der französischen Könige bestanden auch im frühen 14. Jahrhundert noch größtenteils aus urbanen Milizen, während die englischen Herrscher sich bereits seit Wilhelm I. (✶1027 †1087) regelmäßig bezahlter Truppen bedienten, welche zur Zeit Eduards I. vermutlich schon mehr als die Hälfte des königlichen Heeres ausmachten. Auf der iberischen Halbinsel war es im Laufe des 13. Jahrhunderts zunehmend üblich geworden, Kronvasallen mit einem jährlichen stipendium zu bezahlen, statt ihnen ein Lehen zu überlassen. Auch die Ritterorden sowie die Herrscher der Kreuzfahrerreiche setzten in ihrem ständigen Bedarf nach Kämpfern auf bezahlte Truppen, welche sie gleichermaßen an der Levante sowie im lateineuropäischen Raum rekrutierten.217 Aus dem stetig zunehmenden Zukauf dieser stipendiarii entstanden in den besonders konfliktträchtigen Regionen des ausgehenden 13. Jahrhunderts Gewaltprofessionelle, welche ihren Lebensunterhalt durch den Dienst in den Armeen verschiedener Fürsten verdienten. Zu den ersten dieser Gewaltprofessionellen zählten die condottieri, welche aus den Auseinandersetzungen zwischen den oberitalienischen Stadtstaaten hervorgegangen waren, sowie die katalanischen almogàvers, die sich ursprünglich in den Kriegen auf der iberischen Halbinsel formiert und anschließend im Sizilien-Konflikt auf Seiten Aragons gegen die Anjou gekämpft hatten.218 Die militärischen Ratgeber reagierten auf diese Entwicklung und planten, für künftige Kreuzzüge vornehmlich oder gar ausschließlich auf Gewaltprofessionelle zu setzen. Erste Versuche, die Kreuzfahrerheere zu professionalisieren, hatte es bereits während des Pontifikats von Innozenz III. gegeben, der 1213 bzw. 1215 mit Quia maior und Ad liberandam Terram Sanctam den (ungeweihten) unbewaffneten Jerusalempilgern die Teilnahme am Kreuzzug untersagte und zugleich erstmalig die Möglichkeit eröffnete, durch die Finanzierung professioneller Kombattanten für das Kreuzfahrerheer einen Teilablass zu erhalten.219 Unter den militärischen Ratgebern des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts waren es dann die Advokaten des Partikularkreuzzuges, welche diese Professionalisierungstendenzen aufgriffen und forderten, das Kreuzfahrerheer solle abgesehen von einem Kern aus Ordensrittern bzw. dem herrscherlichen Gefolge ausschließlich aus stipendiarii pugnatores bestehen.220 Da Erstere nicht alle
rative overtones“ die militärische Praxis der Zeit nicht adäquat widerspiegelt, vgl. France, Warfare (2000), 58. Dies deckt sich mit den Quellen aus den Kreuzzugsplanungen, in denen der negativ besetzte Terminus mercennarii nie auftaucht, sondern stets von stipendiarii die Rede ist. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 132–147; Forey, Troops (2016), 84–97; Hélary, Armée (2012), 39–63; Nicholson, Warfare (2004), 49; O’Callaghan, Reconquest (2003), 153; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 84 f. France, Warfare (1999), 133 f.; Marcos, Almogàvers (2005), 21–41. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 267–271; Innocenti III Romani pontificis opera omnia III. Ed. Migne, 817–821. Zur historischen Einordnung siehe u. a. Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50; Smith, Crusade Call (2019), 2–23. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115. Folgt man dem Bericht des Chronisten Robert von Reims (auch: Robert der Mönch), so hatte bereits Papst Urban II. im Vorfeld des ersten Kreuzzuges darauf insistiert, dass Alte, Kranke und diejenigen, die keine Waffen zu tragen vermögen, von
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Waffengattungen abzudecken vermochten, sah Foulques de Villaret insbesondere bei den ballistarii sowie lancearii eine Notwendigkeit für den Zukauf von Gewaltprofessionellen.221 Auch das Templerheer, welches im Auftrag der Ordensführung auf der Insel Arwad einen befestigten Brückenkopf für die Kreuzfahrer errichten sollte, bestand neben einem Kern von etwa 100 Ordensrittern aus 500 bezahlten syrischen Bogenschützen.222 Warum die Zeitgenossen gerade im Fall von Bogen- und Armbrustschützen besonders geneigt waren, Gewaltprofessionelle einzusetzen, erläuterte Marino Sanudo eindringlich: Gute Schützen feuern ihre Geschütze mit Stärke, sie schleudern ihre Pfeile oder Geschosse weit, sie verursachen große Wunden, sie schießen schnell, sie verwunden und töten. Selten schießen sie [ihre] Geschosse vergeblich ab, weshalb sie mit ihrem Beschuss große Angst und Panik [unter] den Feinden verursachen. Schwache und ungelernte Schützen aber tun das komplette Gegenteil: Denn sie können ihre Geschütze [aus] Schwäche nicht spannen und verlieren ihre Pfeile. Und wenn sie zuschlagen sollten, tätigen sie schwache Schüsse, welche von ihren Gegnern schnell erwidert werden und [nur deren] Tatkraft anregen (...).223
Das Wissen über den Einsatz von Gewaltprofessionellen hatten die Berater zumeist aus ihrer eigenen Kriegserfahrung gewonnen. Mit Amalrich II. von Narbonne (†1328) zählte etwa einer der militärischen Ratgeber, die der französische König Karl IV. 1318 in Vorbereitung seines Partikularkreuzzuges konsultierte, zu den condottieri, die 1289 für Karl II. von Anjou in der Schlacht von Campaldino gekämpft hatten.224 Da die Berater des militärischen Subtyps in ihren Vorschlägen den eigentlichen Prozess der Rekrutierung des Kreuzfahrerheeres aussparten, lässt sich allerdings nur schwer ermitteln, ob sie auf condottieri, almogàvers oder andere Gewaltprofessionelle zurückzugreifen gedachten. Wie sehr die militärischen Ratgeber sich an diesen beiden Gruppen von Gewaltprofessionellen orientierten, verdeutlichen die zwei nicht-militärischen Berater, die sich zur Rekrutierung der Kreuzfahrer äußerten: Der erste dieser beiden, Marino Sa-
einer Teilnahme am Kreuzzug absehen sollen, vgl. Historia Iherosolimitana of Robert the Monk. Ed. Bull/Kempf, 7. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 607. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 310. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 74: boni balistarii balistas tendunt fortes, et longe iacunt spicula sive tela, et inferunt magnos ictus et impetuose feriut et vulnerant et occidunt, raro frustra iacula iacientes, ex quibus ictibus pavorem inimicis inferunt et terrorem. Balistarii vero imbeciles et non docti, totum contrarium faciunt: nam non possunt tendere balistas nisi debiles et perdunt spicula, et si eos ferire contingat, ictus faciunt debiles, de quibus adversarii redduntur intrepidi, et vigorem suscipiunt, et contra tales insurgant audacius. Bei den von der militärgeschichtlichen Forschung vielgerühmten Langbogenschützen des Hundertjährigen Krieges handelte es sich ebenfalls um Gewaltprofessionelle, während Milizen aufgrund mangelnden Trainings nicht in der Lage waren, derartige Bögen zu bedienen, vgl. Contamine, Guerre (1980), 167 f.; Nicholson, Warfare (2004), 120. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 300 sowie dazu France, Warfare (1999), 133. Amalrich war bereits 1290 von Nikolaus IV. in Kreuzzugsfragen konsultiert worden, vgl. CGOH 3, 573, Nr. 4121.
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nudo, plante, die stipendiarii für den Partikularkreuzzug fast ausschließlich in Oberitalien zu rekrutieren, und forderte darüber hinaus, ein Teil der Kreuzfahrer solle leichte Schilde und Speere nach dem usus cataloniae tragen.225 Deutlich direkter äußerte sich der katalanische Gelehrte Ramon Llull, dem die almogàvers und ihre Kampftaktiken vermutlich aus eigener Anschauung bekannt waren. Die Siegchancen der Kreuzfahrer im Kampf gegen das ägyptische Heer bewertete er als groß, (...) weil die Christen durch die Almugaveren einen sehr großen Vorteil haben. Diese sind Fußsoldaten, die Speere, Wurfgeschosse sowie Schilde benutzen und gut und lange bei Tag und bei Nacht marschieren. Von ihnen gibt es eine große Menge in Katalonien, Aragon und Kastilien. Solche Männer sind sehr nützlich, um Länder zu erobern.226
Ausgehend von der Beschreibung des Katalanen lässt sich vermuten, dass Foulques de Villaret mit den lancearii wahrscheinlich ebenfalls auf die mit Speeren bewaffneten almogàvers anspielte, ohne sie jedoch beim Namen zu nennen. Die Professionalisierung des Kreuzfahrerheers hatte jedoch auch eine Kehrseite, denn mit dem zunehmenden Einsatz von stipendiarii stiegen auch die Kosten des Kreuzzuges. Die französische Delegation auf dem Konzil von Vienne klagte etwa darüber, seit dem letzten Kreuzzug Ludwigs IX. im Jahre 1270 hätten sich die Aufwendungen für die Rekrutierung und den Unterhalt eines Kreuzfahrers verdoppelt.227 Der erhöhte Finanzierungsbedarf rief wiederum neue Akteure auf den Plan, die an neuen Wegen und Möglichkeiten arbeiteten, um Päpsten und Königen zusätzliche Gelder für ihre Streitmächte zu beschaffen.228 Wie anhand der Clusteranalyse deutlich wurde, rekrutierten sich diese Finanzexperten allerdings nicht aus den Reihen der militärischen Berater, sondern bildeten einen eigenen Subtyp innerhalb der Kreuzzugsplanungen.229 Indem sie die Professionalisierung des Kreuzfahrerheeres vorantrieben, trugen die militärischen Berater also eigenhändig dazu bei, dass die Kriegsroutine als Wissensbestand in den höfischen Planungsgremien an Relevanz verlor und sie selbst zunehmend ihre Deutungshoheit über die Organisation von Kreuzzügen einbüßten.
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 59; 71. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 278 f.: Octavus modus videlicet talis erit: Quoniam christiani per Almugaveriam habent avantagium valde magnum; qui sunt homines pedites cum lanceis, telis et clipeis usitati, et vadunt prope et longe de die et de nocte. De talibus habetur magna abundantia in Catalonia, Aragonia et Castella. Tales homines sunt multum necessarii ad terras acquirendas. Siehe auch Ders., Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 209; 213. Llull stammte von Mallorca, bei dessen Eroberung durch die Könige von Aragon die almogàvers eine zentrale Rolle gespielt hatten, vgl. Marcos, Almogàvers (2005), 27 f. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200. Siehe dazu auch Cardini, Costi (1978), 179–210; Hélary, Révolution (2007), 229–254; Housley, Costing (2003), 45–59. Tyerman hat dagegen wiederholt gegen die Zunahme von Gewaltprofessionellen in den Kreuzfahrerheeren argumentiert. Er geht stattdessen davon aus, dass nicht die Zahl der stipendiarii zunahm, sondern die Überlieferung darüber dichter wurde, vgl. Tyerman, Paid Crusaders (2013), 15 f.; Ders., Crusade (2015), 130–132. Zur Kreuzzugsfinanzierung siehe II.3.2.1. Siehe Abb. 1.
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Als die Johanniter um Foulques de Villaret schließlich zu Beginn des Jahres 1309 damit begannen, eine Streitmacht zur Eroberung von Rhodos zusammenzuziehen, rekrutierten sie neben den Ordensrittern ausschließlich bezahlte Gewaltprofessionelle für ihr Kreuzfahrerheer. Einige kontinentaleuropäische Chroniken berichten Tyerman zufolge sogar davon, dass „a number of Englishmen set out without adequate funding or leadership and were (...) rejected by the Hospitallers, who were intent on raising a professional force to the exclusion of the independent amateur.“230 Ähnliche Reaktionen auf den Kreuzzug der Johanniter scheint es 1309 überall in Westeuropa gegeben zu haben. Grund dafür war höchstwahrscheinlich die großangelegte Predigtenkampagne, die bereits seit dem August des Vorjahres lief und den Zweck hatte, (Geld-)Spenden für das subsidium Terrae Sanctae einzuwerben. Die meisten lokalen Adeligen interpretierten dies jedoch fälschlicherweise als Aufruf, sich mit ihrem Gefolge selbst auf den Weg ins Heilige Land zu machen, wie es noch im 13. Jahrhundert üblich gewesen war.231 Außerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen herrschte demnach blankes Unverständnis für diese neue, experimentelle Organisationsform der Kreuzzüge. Anders als die auf Belagerungen ausgerichtete Kriegführung wurde dieses Deutungsschema innerhalb des kriegführenden Adels also noch keineswegs allgemein geteilt und stieß gerade außerhalb der großen Herrscherhöfe auf Ablehnung. Erst der Hundertjährige Krieg zwischen der englischen und französischen Krone sollte den Gewaltprofessionellen endgültig zu ihrem Durchbruch verhelfen und letztlich dazu führen, dass sie bis in das 19. Jahrhundert hinein zu einem unersetzlichen Bestandteil aller lateineuropäischen Armeen wurden. Auch unter Kreuzzugsplanern war der Einsatz von Gewaltprofessionellen alles andere als unumstritten, denn im Gegensatz zu vielen Militärexperten favorisierte die Mehrzahl der Berater anderer Subtypen ein vergleichsweise traditionelles Kreuzfahrerheer, welches sich vornehmlich aus Milizen sowie den Rittern im Gefolge der kreuzfahrenden Fürsten zusammensetzen sollte. Pierre Dubois schlug vor, alle Fürsten und Prälaten der lateinischen Christenheit sollten zunächst eine zuvor festgelegte Zahl an Kreuzfahrern in ihren Herrschaftsgebieten rekrutieren. Anschließend sollten diese Kreuzfahrer mit Bannern und Trompeten ausgestattet über die Landroute gen Orient ziehen, woraufhin sich, angeregt von dem Aufmarsch, weitere Freiwillige dem Heerzug anschließen würden.232 Guillaume Le Maire und Guillelmus Adae empfahlen im Gegenzug, man solle ein Jahr vor Beginn des Kreuzzuges damit beginnen, in Teilen des lateinischen Europas das Kreuz zu predigen, um Freiwillige für das Kreuzfahrerheer zu finden.233 Sie alle folgten dabei einem Modell der Anwerbung von Kreuzfahrern, welches bereits seit dem 12. Jahrhundert praktiziert wurde und vorsah, im Vorfeld des Kreuzzuges durch Predigten die Kreuzzugsbegeisterung in der Bevölke
Tyerman, England (1988), 241. Georgiou, Preaching (2018), 108–113; Housley, Clement V (1982), 36. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 36–38. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 56; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290.
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rung zu wecken, damit sich deren Bereitschaft zur Teilnahme oder finanziellen Unterstützung erhöhte.234 Die Berater des militärischen Subtyps verwarfen dieses Modell nicht vollständig, sondern zogen es weiterhin als Möglichkeit der Rekrutierung von Truppen für den allgemeinen Kreuzzug in Betracht und erachteten Kreuzpredigten überdies als Mittel, die Bereitwilligkeit der Bevölkerung zu erhöhen, für das subsidium Terrae Sanctae zu spenden.235 Die Speerspitze des Kreuzzugs sollten allerdings die Gewaltprofessionellen bilden. Die beiden aus der zeitgenössischen Kriegsroutine stammenden Deutungsschemata kulminierten in der Strategie des Partikularkreuzzugs, die auf Vorschläge von Militärexperten zurückging und während des Pontifikats von Clemens V. zur dominanten militärstrategischen Herangehensweise an den Kreuzzug wurde. Ursprünglich hatte der Terminus passagium particulare einen päpstlich sanktionierten und mit Kreuzzugsablässen versehenen Feldzug bezeichnet, der nicht das Heilige Land, sondern die muslimischen Reiche auf der iberischen Halbinsel oder die paganen Herrschaftsgebiete des Baltikums zum Ziel hatte.236 Ausgehend von dem 1291 entworfenen Kreuzzugsplan der Berater Karls II. von Anjou etablierte sich an den lateineuropäischen Herrscherhöfen eine neue Verwendungsweise für den Begriff, der fortan einen von Gewaltprofessionellen geführten Vorabkreuzzug zur Eroberung eines befestigten Brückenkopfes im Orient als Ausgangspunkt für spätere Kreuzfahrer bezeichnete. Wie bereits gezeigt, führt wiederum von dem Conseill der Berater des Königs von Neapel eine direkte überlieferungsgeschichtliche Linie zum Johanniterorden, dessen späterer Meister Guillaume de Villaret wahrscheinlich den Rückeroberungsplan Karls mitgestaltet hatte.237 Teile der Ordensführung erachteten die Strategie des Partikularkreuzzuges offenbar als derart relevant für die Kreuzzugsplanungen, dass sie das Memorandum ins Französische übersetzen und kopieren ließen. Da der Conseill von den Kopisten in einer Sammelhandschrift eingeordnet wurde, die nahezu ausschließlich normative Texte wie die Ordensregel, päpstliche Privilegien oder gewohnheitsrechtliche usances enthält, erscheint es naheliegend, dass der königliche Vorschlag seitens der Johanniter als normsetzend für die Kreuzzugsplanungen aufgefasst wurde.238 Für diese These spricht auch, dass die Ordensführung der Johanniter unter Guillaumes Neffen Foulques de Villaret damit begann, die Strategie des Partikularkreuzzuges für die eigenen Kreuzzugsvorhaben zu adaptieren. Auch die Templer erprobten zu Beginn des 14. Jahrhunderts bei ihrem erfolglosen Versuch, einen befestigten Brückenkopf auf Arwad zu errichten, die Strategie des Partikularkreuzzuges, wandten sich
Georgiou, Preaching (2018); Maier, Preaching (1998); Tyerman, Crusade (2015), 87–123. So u. a. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 357; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 604 f. Goez, Wandlungen (1982), 40 f. Burgtorf, Convent (2008), 267 f.; Morreale, Hospitaller’s Hand (2017), 135–147 sowie II.2.1.2. BNF Ms. Franc. 6049. Zur Überlieferungsgeschichte der Sammelhandschrift siehe Fußn. 57.
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aufgrund dieser negativen Erfahrung allerdings in der Folgezeit wieder davon ab.239 Unbeeindruckt von diesem Fehlschlag bewilligte Papst Clemens V. im August 1308 den Johannitern ein passagium particulare aus 4.000 Fußsoldaten und unter 1.000 Reitern, um Brücken und Wege für den allgemeinen Kreuzzug vorzubereiten.240 Im Anschluss übernahmen auch die Experten anderer Subtypen diese Vorgehensweise von den Johannitern; so schlug Marino Sanudo, der sowohl Albert von Schwarzburg als auch Foulques de Villaret in Kreuzzugsfragen konsultiert hatte, im Jahr 1321 Papst Johannes XXII. ebenfalls einen Partikularkreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes vor.241 Umgekehrt lässt sich mitunter auch die Ablehnung des Partikularkreuzzugs auf militärische Ratgeber zurückführen; so beriet sich Ramon Llull nach der Niederlage auf Arwad mit Jacques de Molay und rückte daraufhin von der Strategie des Partikularkreuzzuges ab, um sich fortan für einen allgemeinen Kreuzzug einzusetzen.242 Trotzdem dominierte dieses Strategem noch bis zum Beginn der 1330er Jahre die höfischen Kreuzzugsplanungen, als der französische König Philipp VI. erstmals wieder einen allgemeinen Kreuzzug in Erwägung zog.243 Das passagium particulare war demnach ein geistiges Kind der militärischen Ratgeber, die in konsequenter Fortführung des unter Innozenz III. begonnenen Prozesses und auf Grundlage der zeitgenössischen Kriegsroutine eine Professionalisierung der Kreuzfahrerheere anstrebten. Aus der Notwendigkeit heraus, unsicheres Wissen zu propositionalisieren und systematisieren, wurden die Kreuzzugsplanungen zu einem Experimentierfeld für neue Herangehensweisen in der Zusammenstellung von Heeren. Die dabei etablierten Routinen sollten das Ende der Rückeroberungsbemühungen überleben und ab dem 15. Jahrhundert schließlich in ganz Lateineuropa zum Einsatz kommen.
2.3.2 Seefahrt Die Militärexperten behandelten nicht allein die Kriegführung zu Land, sondern widmeten sich in ihren Rückeroberungsvorschlägen auch der Seekriegführung. Wie bereits deutlich wurde, spielte die Schifffahrt in diesen Plänen eine wichtige Rolle, weil die la-
Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146–148. Man kann den Johannitern indes nicht vorwerfen, sie hätten nicht aus Arwad gelernt, denn die für den Partikularkreuzzug veranschlagten 2.000 Reiter und 4.000 Schützen waren deutlich mehr als die etwa 100 Ritter, 500 Bogenschützen und 1.000 Fußsoldaten, welche die Templer und Johanniter auf Arwad eingesetzt hatten, vgl. Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157. CHOG 4, 181, Nr. 4807 bzw. RN, Nr. 2988: pontes et vias ad idem generale passagium preparando. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 310; Ders., Istoria. Ed. Hopf, 167. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 338–340; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 276 f.; Ders., Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 210 f.; Vita coetanea. Ed. Platzeck, 52. Siehe dazu insbes. den an Johannes XXII. gerichteten Bericht des Königs über seine Kreuzzugsvorbereitungen: Diligences. Ed. Boutaric, 435 f. Zum geplanten Kreuzzug Philipps VI. vgl. Tyerman, Philip VI (1985), 25–52.
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teineuropäischen Potentaten den ägyptischen Sultanen und ihren Emiren im Kampf zur See militärisch überlegen waren.244 Die Berater versuchten diese Seehoheit mit Projekten wie der Blockade des ägyptischen Seehandels oder dem Partikularkreuzzug zu nutzen, waren jedoch in der Konzeption und Durchführung auf nautisches Wissen angewiesen. Die Nautik hatte sich spätestens mit der kommerziellen Revolution des 12. Jahrhunderts als eigener Wissensbestand herausgebildet und eigene Experten hervorgebracht.245 Seitdem identifizierten die Zeitgenossen die von ihnen mit nautae oder marinarii bezeichneten Akteure als Träger von Spezialwissen und schrieben ihnen eigene Instrumente und Praktiken zu. Diesen Blick auf die Nautik verdeutlicht die Arbor scientiae, eine proto-enzyklopädische Zusammenschau des gesellschaftlichen Wissensvorrats, die Ramon Llull in den 1290er Jahren verfasst hatte. Dort ist der ars nautarum ein eigenes Unterkapitel gewidmet, das unter anderem die Navigation auf See, den Bau von Schiffen sowie den Kompass behandelt.246 Trotz dieser Ausdifferenzierung nautischen Wissens war die Kriegführung zur See weder funktional noch epistemisch von der zu Land getrennt. Die strikte Trennung dieser beiden Gefechtsformen ist erst ein Ergebnis der frühneuzeitlichen Atlantikschifffahrt, welche die Institution einer unabhängigen Kriegsmarine hervorgebracht hat. Obwohl an der Wende zum 14. Jahrhundert an den Königshöfen die ersten Admiralsposten entstanden, kannte das Mittelalter noch keine Admiralität, die von der Generalität institutionell und wissensseitig getrennt war.247 Pryor zufolge war die mediterrane Kriegführung des Mittelalters weniger maritim und stattdessen vielmehr amphibisch: „Handling galley fleets successfully required mastery of the difficult nexus between land and sea for Mediterranean galley warfare was more amphibious than naval in the modern sense of the word.“248 Um militärische Auseinandersetzungen im Mittelmeerraum erfolgreich bestreiten zu können, war demnach sowohl nautisches Wissen als auch Wissen aus der routinemäßigen Kriegführung zu Land erforderlich. Solche Überschneidungen zwischen den beiden Wissensbeständen sind auch in den Kreuzzugsplanungen erkennbar, denn nahezu alle Ratgeber des militärischen Subtyps verfügten zumindest über grundlegendes nautisches Wissen, während mit Ausnahme von Marino Sanudo keiner der anderen Berater davon Gebrauch machte. Die Strategien der Militärexperten waren dementsprechend nicht maritim, sondern amphibisch. Pläne wie die Blockade des ägyptischen Seehandels waren nicht primär auf die Erlangung von Seeherrschaft ausgerichtet, sondern zielten letztlich darauf ab, Befestigungen an der Küste und im Inland zu erobern. Solche Handelsblockaden waren jedoch
Fuess, Ships (2001), 49–60. Lopez, Revolution (1976), 80–84; Villain-Gandossi, Revolution (2017), 70–89. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 1, 238. Zu Llulls Arbor scientiae siehe II.5.2. Caggese, Roberto d’Angiò, Bd. 1 (1922), 156; Coureas, Admirals (2016), 117–133; Hélary, Armée (2012), 83 f.; Kiesewetter, Karl II. (1999), 156; Sarnowsky, Ships (2017), 362. Pryor, Battles (1983), 179. Siehe auch Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 311–314; Pryor, Geography (1988), 128; Stanton, Warfare (2015), 7.
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keine neue Strategie, die in Auseinandersetzung mit dem Kreuzzug entwickelt wurde, sondern zählten zum Standardrepertoire der amphibischen Kriegführung. Ähnlich einer Belagerung zu Land sollten sie die ökonomischen sowie legitimatorischen Ressourcen des Gegners dezimieren und so den Sturm auf die Befestigungsanlagen vorbereiten.249 Die Kreuzzugsforschung hat den Zusammenhang zwischen diesen beiden Beständen praktischen Wissens meist übersehen und deshalb die westlichen Bestrebungen, den Ägyptenhandel zu unterbinden, als gelehrte Planspiele ohne praktische Realisierbarkeit abgetan.250 Das wiederholte Scheitern der Päpste, ein wirksames Handelsembargo gegen den Sultan durchzusetzen, scheint den Blick darauf verstellt zu haben, dass vergleichbare Seehandelsblockaden während des 13. und 14. Jahrhunderts sowohl auf dem Mittelmeer, als auch in Nordeuropa immer wieder erfolgreich zum Einsatz kamen.251 Die sicherlich bekanntesten Beispiele dafür sind die Flandernblockade der Hanse (1358–1360) sowie die Sperrung des Arno während des dritten Krieges zwischen Genua und Pisa (1282–1284). Im letztgenannten Fall gelang es einer genuesischen Flotte, die Stadt Pisa solange von ihrem Zugang zum ligurischen Meer abzuschneiden, bis die Pisaner gezwungen waren, die direkte Konfrontation zu suchen, und daraufhin im August 1284 bei Meloria unterlagen.252 Bemerkenswert sind die personellen Überschneidungen zwischen dem genuesischen Unternehmen und den lateineuropäischen Kreuzzugsbemühungen: Zu den drei Kommandeuren der genuesischen Flotte zählte nämlich der bereits erwähnte Militärunternehmer Benedetto Zaccaria, der zehn Jahre nach der erfolgreichen Blockade des Arno im Auftrag von Nikolaus IV. den Handel mit Ägypten störte.253 Der Papst versuchte also offenkundig, bewährte Strategien aus der westlichen Seekriegführung auf den Kreuzzug zu übertragen, und verließ sich dabei auf Akteure, die ihre Expertise in der Sache bereits unter Beweis gestellt hatten. Es waren jedoch nicht allein die Vertreter maritimer Kommunen, die von den Zeitgenossen als Experten in der amphibischen Kriegführung angerufen wurden. Nikolaus IV. beauftragte 1292 den Johanniterorden damit, eine Flotte zur Durchsetzung des Handelsembargos aufzustellen.254 Clemens V. ernannte den Templer Humbert Blanc im Jahr 1306 zum Kommandanten einer Flotte, die aus Kirchenmitteln bezahlt wurde und den Alexandriahandel stören sollte.255 Dass die Militärexperten aus den Ritterorden sowie dem Weltadel ebenfalls über grundlegendes Wissen aus der routi-
Stanton, Warfare (2015), 126–130; 147; 281–283. Bontea, Passagium (2018), 17–19; Housley, Later Crusades (1992), 37 f.; Leopold, Holy Land (2000), 119–126. Für einen Überblick siehe Schmidt, Waffenembargo (2006), 23–33. Kirk, Rivalries (2018), 463–467; Miller, Zaccaria (1921), 285 f.; Selzer, Hanse (2010), 45–52. Siehe II.2.2.5. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. CGOH 3, 602, Nr. 4177. Siehe dazu auch Burgtorf, Career (2007), 79 f. RC, Nr. 1035.
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nemäßigen Seefahrt verfügten, verdeutlicht auch ihr Umgang mit nautischer Terminologie. Während andere Berater regelmäßig die Bezeichnungen naves und galeae durcheinanderwarfen, wussten militärische Ratgeber wie Jacques de Molay zwischen den beiden Schiffsklassen zu unterscheiden und konnten Auskunft über deren Stärken und Schwächen geben.256 Eine weitergehende Kenntnis nautischer Fachterminologie ist allein bei Marino Sanudo sowie den Ratgebern aus Marseille erkennbar. Ihre Darstellung der Schiffe für die Kreuzfahrerflotte war gespickt mit volkssprachlichen Begriffen aus der Seefahrt, weshalb die Autoren sich ständig genötigt sahen, kurz innezuhalten, um ihren Lesern zu erklären, dass es sich etwa bei dem artimon bzw. Besan um ein Segel am hintersten Mast des Schiffes handelte.257 Bei der Verwendung dieser Fachterminologie kam es naturgemäß zu Berührungspunkten zwischen den beiden Werken. Sanudo betonte beispielsweise den Vorteil von quartaroles, also Ruderbänken bestückt mit vier Ruderern, welche dem vierten Mann den Einsatz der Armbrust erlaubten, während der Stadtrat von Marseille sich stattdessen für terzaroles aussprach.258 Obgleich sie hinsichtlich der Geltung einzelner Wissenselemente nicht immer übereinstimmten, zeigt die analoge Begriffsverwendung, dass die Ratgeber aus demselben Bestand von Spezialwissen schöpften. Dass es sich bei diesem Bestand um die zeitgenössische Seefahrtsroutine handelte, steht außer Frage, denn Marino Sanudo gab explizit an, er habe in seiner Heimatstadt Venedig ingeniatores, magistri sowie nautae in dieser Sache konsultiert.259 Die Infomationes aus Marseille sowie der Liber secretorum Sanudos waren überdies die einzigen beiden Rückeroberungsmemoranden, die quantitative Angaben darüber enthielten, wie groß die Nahrungsmittelrationen für die Kreuzfahrerflotte sein sollten.260 Pryor hat die zeitgenössischen Mengenangaben in den beiden Werken mithilfe von Kaufmannshandbüchern wie dem Zibaldone da Canal in moderne Maßeinheiten umgerechnet und um die Rationierung angevinischer Galeeren ergänzt, die für die 1280er Jahre ebenfalls überliefert ist (siehe Tab. 4).261 Ähnlich wie schon im Fall der nautischen Fachterminologie lassen sich auch bei der Rationierungsfrage signifikante Gemeinsamkeiten zwischen Sanudos Traktat und dem Memorandum aus Marseille feststellen. Abgesehen von Unterschieden in der veranschlagten Weinmenge, die sich allerdings durch die von Sanudo beabsichtigte Zufuhr von Frischwasser erklären lassen, sowie einer schwer nachvollziehbaren Abweichung hinsichtlich des benötigten Pökel-
Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 147. Siehe dazu II.2.2.2. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 251. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 251; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57. Zu den Termini terzaroles u. quartaroles siehe Carr, Merchant Crusaders (2015), 83; Pryor, Battles (1983), 187. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 253 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 60–63. Pryor, Bohemonds March (2006), 10–12. Siehe auch Zibaldone da Canal. Ed. Stussi, 37–41.
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fleisches stimmen die Angaben in den beiden Werken quantitativ miteinander überein. Auch semantisch betrachtet weisen die beiden Vorschläge große Ähnlichkeit zueinander auf, denn die fünf Kernnahrungsmittel panis biscocti, vinum, carnis salsae, caseus sowie fabae finden sich sowohl im Liber secretorum als auch in den Infomationes. Dies spricht dafür, dass die Verfasser beider Werke auf nautisches Wissen über den Nahrungsmittelverbrauch von Schiffsbesatzungen zurückgriffen, welches der zeitgenössischen Seefahrtsroutine entstammte. Sanudo selbst gab an, seine Angaben entsprächen der Art und Weise quem tenent Veneti distribuendo victualia suarum stipendiariis galearum (...).262 Dass es sich bei dieser Seefahrtsroutine um einen und nicht mehrere Bestände von Wissen handelte, auf den sich Seefahrer aus dem gesamten westlichen Mittelmeerraum stützten, wird insbesondere angesichts der nahezu analogen Rationen auf den angevinischen Galeeren deutlich. Die Expertise der Vertreter der Seehandelsstädte in dieser Sache war an den Höfen bekannt und wurde von den anderen Kreuzzugsplanern gezielt angefragt. Aus diesem Grund schrieb Jacques de Molay an Clemens V., man solle sich mit Blick auf die Versorgung der Kreuzfahrerflotte an Venedig, Genua und andere Hafenstädte wenden.263 Selbst Guillelmus Adae, der den maritimen Kommunen ansonsten nicht sonderlich gewogen war, betonte die Expertise Venedigs und Genuas in dieser Sache.264 Tab. 4: Nahrungsverbrauch eines Seemanns. Gegenstand Getrocknetes Brot Wein Pökelfleisch Käse Bohnen o. ä. Feigen Linsen
Tagesverbrauch Angevin. Galeeren
Tagesverbrauch Informationes
Tagesverbrauch Liber secretorum
, g , l , g , g g k. A. k. A.
g , l g g , l , l , l
g , l g g , l k. A. k. A.
Obgleich allein die Informationes sowie Sanudos Liber secretorum dieses nautische Wissen explizierten, ist davon auszugehen, dass es von Kreuzzugsplanern als deutlich relevanter erachtet wurde, als die randständige Überlieferung es erscheinen lassen mag. Philipp VI. bat beispielsweise im Rahmen der französischen Kreuzzugsvorbereitungen den venezianischen Dogen Francesco Dandolo im November 1331 explizit darum, die passenden Experten aus seiner Kommune zu befragen, welche Schiffsty-
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 60. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 147. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 406.
2.3 Wissensbestände
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pen in welcher Anzahl für den Kreuzzug benötigt würden.265 Darüber hinaus sollten sie ihm darlegen, welche Menge an Getreide sowie Wein das Kreuzfahrerheer auf seiner Überfahrt verbrauchen würde und zu welchem Preis diese Vorräte sich beschaffen ließen.266 Das Memorandum Pro passagio, mit dem die venezianischen Gesandten auf das königliche Schreiben antworteten, enthielt allerdings nicht die von Philipp geforderten Angaben über Schiffstypen und Nahrungsmittelrationen. Die Venezianer ignorierten jedoch keinesfalls die Bitte des Königs, sondern verorteten sie im Bereich ihres praktischen Wissens, dessen Propositionalisierung für die französischen Kreuzzugsplanungen nicht relevant war. Deshalb teilten sie Philipp nur kurz mit, Venedig verfüge über die notwendigen Schiffe für den Transport der Kreuzfahrer und würde währenddessen auch für ausreichend Nahrungsmittel sorgen.267 Die Präsenz anderer Vertreter von Seehandelsstädten wie dem bereits erwähnten Bernard Vital aus Narbonne in den Kreuzzugsplanungen legt nahe, dass es sich bei den Informationes mitnichten um einen Einzelfall handelte und nautisches Wissen aus der Seefahrtsroutine zwar als relevant für die Durchführung von Kreuzzügen galt, allerdings im Gegensatz zu dem praktischen Wissen aus der Kriegsroutine nicht propositionalisiert, sondern in der Domäne praktischen Wissens belassen wurde. Da die Kreuzzüge des 13. Jahrhunderts stets auf Land gescheitert waren, war nautisches Wissen offenbar nicht durch die epistemische Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens in Frage gestellt worden und musste folgerichtig nicht schriftlich problematisiert werden, sondern konnte stattdessen von den entsprechenden Experten praktiziert werden.
2.3.3 Kreuzzug Nahezu alle Berater des militärischen Subtyps stützten sich auf Wissen über die Topographie und Bewohner des Orients, welches sie aus der kriegerischen Konfrontation mit den Streitkräften muslimischer Herrscher im Rahmen der Kreuzzüge gewonnen hatten. Wie bereits gezeigt wurde, lässt sich für viele militärischen Ratgeber nachweisen, dass sie teils über Jahre hinweg im Outremer gekämpft hatten, bevor sie als Berater an den Höfen tätig wurden. In den Jahrzehnten nach dem Untergang der Kreuzfahrerreiche nahm die Zahl dieser Kreuzzugsveteranen zwar spürbar ab, doch ihr Wissen ging kei Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219, Nr. 109: bonnes persones et convenables (...) lequeles nous [Philipp VI., Anm. d. V.] puissent enformer et notre conseil, quant vessiaus, cest assavoir granz nefs, coques, huissiers, galees, tarides et autres vessiaus, poissanz apporter genz darmes, cheuaux, hernois, fourrages et vivres, vous pourries parfaire, au profit du dit saint veage et por nous, et quantes galees nueves et huissiers neufs vous pourries delivrer pour la dite besoigne (...). Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 220, Nr. 109: Et comment nous pourriens finer de fourrages et de vivres en vostre dite ville es appartenances, et es lieus voisins, et comben nous pourriens recourer de blez, dorge et de touz autres blez et grains, et comben de vins nous pourriens avoir en lisle de Cret, et du pris et fuer des diz blez orge et grains et du dit vin. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 221, Nr. 110.
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neswegs verloren, weil die Kriegszüge lateinischer Mächte wie der Johanniter von Rhodos oder der Lusignan von Zypern beständig neue Veteranen hervorbrachten.268 Neben visuellem Wissen über die Beschaffenheit des Geländes handelte es sich bei dem Orientwissen der militärischen Ratgeber vornehmlich um praktisches Wissen über die Vorgehensweise im Gefecht, welches den Erfolg in der militärischen Konfrontation sicherstellen sollte. So forderte Foulques de Villaret, das Kreuzfahrerheer müsse von einem Kommandanten befehligt werden, qui a usé le païs de la et la manière de la guerre des Sarrazins.269 Das Wissen, wie man muslimische Heere schlägt, wurde wiederum weniger durch die bewusste planerische Reflexion, sondern vielmehr durch die routinemäßige Anpassung an das Handeln des Gegners gewonnen und anschließend innerhalb von sozialen Gruppen wie den Ritterorden oder Adelsfamilien wie den de Villaret weitergegeben.270 Zu diesem aus der Routine gewonnenen Orientwissen zählte auch die von Smail als „fighting march“ bezeichnete Taktik, bei der das Kreuzfahrerheer „advanced upon the enemy in a very tight formation with the cavalry in the middle defended by a ring of infantry whose task was to keep the Turkish and other mounted bowman at a distance from which their arrows could not destroy the fine warhorses of the knights.“271 Wie sich aus den Schlachtdarstellungen in historiographischen Quellen rekonstruieren lässt, hatte sich diese Vorgehensweise bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert etabliert, fand jedoch vor den Rückeroberungsmemoranden des späten 13. Jahrhunderts keinerlei Niederschlag in planerisch-präskriptiven Quellen.272 Ähnlich wie bei der Kriegsroutine scheint es also auch in diesem Fall erst unter dem äußeren Eindruck der militärischen Niederlagen zu einer Propositionalisierung des praktischen Wissens gekommen zu sein. Es waren allerdings nicht die militärischen Ratgeber, die in ihren Abhandlungen detailliert Auskunft über das taktische Arsenal muslimischer Heere gaben, sondern Orientexperten wie Fidenzio von Padua. Der Franziskanermönch verwies die Regeln der Kriegführung im Gegensatz zum Johannitermeister nicht in die Domäne des praktischen Wissens der jeweiligen Feldherren und widmete deshalb gleich mehrere Kapitel seines Werkes dem modus bellandi muslimischer Streitmächte. Bei dieser Gelegenheit explizierte Fidenzio einerseits etablierte Taktiken wie den „fighting march“, versuchte jedoch andererseits auch, diese zu modifizieren und verbessern, damit die Kreuzfahrer
Atiya, Crusade (1970), 290–318; Carr, Merchant Crusaders (2015), 43–49; Housley, Later Crusades (1992), 215–222; Luttrell, Hospitallers (1975), 286–291; Sarnowsky, Johanniter und Smyrna (1992), 47–98. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222. Foulques de Villaret war ein Neffe des Guillaume de Villaret, der zugleich auch sein Vorgänger als Johannitermeister war. Die Familie stammte offenbar aus dem Umland von Montpellier, vgl. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1913), 2; Luttrell, Foulques de Villaret (1985), 73–76. France, Tactics (2017), 157. Siehe dazu auch Ders., Warfare (2000), 60 f.; Smail, Warfare (1995), 156–165. So u. a. Ambroise, Estoire de la guerre sainte. Ed. Paris, 304, Z. 11451–11460; Itinerarium peregrinorum. Ed. Stubbs, 416.
2.3 Wissensbestände
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ihren Feinden künftig (wieder) gewachsen sein würden.273 Orientexperten wie Fidenzio traten in dieser Hinsicht also als direkte Konkurrenten der militärischen Ratgeber auf und forcierten so die Propositionalisierung eines vormals größtenteils aus unreflektierten Handlungsroutinen bestehenden Wissensbestandes. Die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps profitierten dabei davon, dass ihr Orientwissen auch inhaltlich anders beschaffen war als das der militärischen Ratgeber. Die Wissensbestände beider Ratgebertypen waren maßgeblich von der Form ihres Orientkontaktes bestimmt, welcher im Fall der Militärexperten in erster Linie aus kriegerischer Interaktion bestand. Selbstverständlich hatten die Veteranen unter den Beratern während ihrer Zeit im Orient nicht jeden einzelnen Muslim bekämpft, doch wie jede Form typisierten Handelns gingen die Kreuzzüge mit einem System an auferlegten Relevanzen einher, das regulierte, welche Erfahrungen und Beobachtungen Eingang in den gemeinsamen Wissensbestand der Kreuzfahrer fanden.274 Rittner konnte anhand der Ludwigsvita des Jean de Joinville zeigen, dass den Teilnehmern der Kreuzzüge vor allem solche Beobachtungen als relevant galten, welche es ihnen ermöglichten, ihre Feinde zu besiegen: In die allgemeinen Erwägungen der Kampfführung eingelagert, hat die Erkenntnis nur dort ihr Recht. Das Sich-Versenken in die feindliche Perspektive stellt ein rationales Element dar, dessen Dienstbarmachung (...) man sich durch Mechanismen des Ein- und Ausblendens versichert. Nur Effektivität, nur sofortige Belohnung veranlassen, dass die Optik beim Gegner ausharrt. (...) Die objekt-adäquate Erfassung des Gegners ist zuweilen höchst zweckmäßig, sie ist unentbehrlich für die eigene Planung, für die fieberhafte Kampfführung.275
Jenseits der Kriegführung war der Wissenserwerb Rittner zufolge vornehmlich zirkulär, da die Kreuzfahrer über ihre Feinde nur das zu erfahren vermochten, was sie zuvor bereits zu wissen glaubten (nämlich dass ihr Feind moralisch verwerflich ist). Die aus diesem Rückkoppelungseffekt resultierende Gewissheit der eigenen (moralischen) Überlegenheit führte im Gegenzug dazu, dass Kreuzfahrer im Gefecht rücksichtsloser und somit militärisch effektiver vorgehen konnten, was ihnen wiederum dabei half, ihre Feinde zu besiegen.276 Diese auferlegten Relevanzen des kriegerischen Orientkontaktes hatten allerdings zur Folge, dass jedwedes Wissen über die Muslime, welches im Verdacht stand, über den unmittelbaren militärischen Nutzen hinauszugehen, die Glaubwürdigkeit militärischer Ratgeber aus dem kriegführenden Adel kompromittieren konnte. Die Könige von Armenien und Zypern standen aufgrund des diplomatischen Austausches mit den orientalischen Reichen in ihrer unmittelbaren Umgebung unter dem ständigen
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 29 f.; 33 f. Siehe dazu II.4.3.1. Hassauer, Stabilitas (1991), 254–257; Münkler, Erfahrung (2000), 17–20; Rittner, Kulturkontakte (1973), 70–73. Rittner, Kulturkontakte (1973), 117. Hassauer, Stabilitas (1991), 258–260; Rittner, Kulturkontakte (1973), 28 f.; 121–124.
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Verdacht, sich dem Feind angenähert zu haben. Ein besonderes Misstrauen erregten allerdings Kreuzfahrer, die im Rahmen kriegerischer Handlungen von muslimischen Herrschern gefangen genommen worden waren und während ihrer Gefangenschaft Wissen über den Orient akquiriert hatten. Während der Templerprozesse wurde beispielsweise dem katalanischen Ordensritter Hugo von Ampurias sein Orientwissen zum Verhängnis, denn aufgrund seiner Kenntnis muslimischer Bräuche warfen die Ankläger ihm vor, sich während seiner langjährigen Gefangenschaft in Ägypten mit dem Feind fraternisiert zu haben.277 Dabei war die Gefangenschaft als Sonderform des kriegerischen Orientkontaktes in besonderem Maße zur Wissensakquise geeignet, denn dort waren Kreuzfahrer dazu gezwungen, sich zumindest partiell auf die Sinnwelten und Wissenskulturen ihrer Gegenüber einzulassen, um ihr Überleben zu sichern und möglicherweise sogar ihre Freilassung zu erreichen.278 Das auf diese Weise gewonnene Wissen hielt jedoch meist nur indirekt Einzug in die höfischen Kreuzzugsplanungen; so nutzte der König von Zypern die Angaben mongolischer Gesandter, die sein Heer zuvor aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit hatte.279 Der einzige militärische Ratgeber, der trotz seiner jahrzehntelangen Gefangenschaft in Ägypten als Ratgeber am Hof wirkte, war der Johanniter Roger von Stanegrave. In seinem Fall zeigen sich allerdings deutlich die Vorurteile, mit denen sich die ehemaligen Gefangenen nach ihrer Rückkehr konfrontiert sahen, denn Roger schilderte in einer langen Passage unmittelbar zu Beginn seines Rückeroberungstraktates die Umstände seiner Gefangennahme und Freilassung, um so bereits im Vorhinein den Verdacht zu zerstreuen, er habe sich in dieser Zeit dem Feind angenähert oder sei gar zum Islam konvertiert.280 Für Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps, die wie Fidenzio von Padua oder auch Guillelmus Adae ihr Orientwissen auf Missionsreisen gewonnen hatten, bestand dieses Problem hingegen nicht, denn bei ihrer spezifischen Form des Orientkontaktes war die Kenntnis des Islam oder muslimischer Gebräuche im höchsten Maße relevant für den Handlungserfolg.281 Fidenzio berichtete freimütig über die Zeit, in der er das ägyptische Heer als eine Art Seelsorger für die christlichen Gefangenen begleitet hatte.282 Anders als Roger verzichtete er dabei auf weiterführende Rechtfertigungen seines Handelns, da er als Mendikant offenbar nicht der Konversion verdächtigt wurde. Auch wenn viele der militärischen Berater durchaus über entsprechendes Orientwissen verfügten, konnten sie es also im Rahmen der höfischen Kreuz Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 239; Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 310. Rittner, Kulturkontakte (1973), 155–157. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 303 f. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 304–312. Der in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung sicherlich prominenteste Fall eines solchen Konvertiten war der englische Templer Robert von St. Albans, der nach seinem Übertritt zum Islam in den 1180ern sogar als Heerführer für den ägyptischen Sultan Saladin tätig war, vgl. dazu den Bericht in Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 307. Münkler, Erfahrung (2000), 71–83. Siehe dazu II.4.3.3. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 29 sowie II.4.4.1.
2.3 Wissensbestände
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zugsplanungen meist nicht explizieren und somit selbst als Orientexperten auftreten, sondern mussten es implizit in ihre militärstrategischen Vorschläge einfließen lassen. Diese Problematik führte schließlich dazu, dass die militärischen Ratgeber sich trotz durchaus vorhandener Orientkenntnisse vorwiegend auf Strategie, Logistik sowie das Kreuzfahrerheer fokussierten und somit innerhalb der Kreuzzugsplanungen Raum für geographisch-ethnographische Ratgeber wie Fidenzio oder Guillelmus schufen. Der Umstand, dass die militärischen Ratgeber mit dem Entstehen der neuen Expertenkultur ihre Deutungshoheit über die Organisation des Kreuzzugs einbüßten, ist also nicht allein auf die epistemische Krise kreuzzugsbezogenen Wissens sowie den damit verbundenen Legitimationsverlust traditioneller Kreuzfahrerinstitutionen wie der Ritterorden zurückzuführen, sondern auch auf die Eigenlogiken der Bestände, aus denen diese Berater ihr Spezialwissen bezogen. Die Orientexperten sind beileibe nicht das einzige Beispiel für diesen Prozess, denn auch die von den militärischen Ratgebern vorangetriebene Professionalisierung der Kreuzfahrerheere schuf an den Höfen Räume für andere Berater und sorgte dafür, dass die Deutungsmacht der Militärexperten zunehmend erodierte. Der Einsatz von Gewaltprofessionellen war nämlich ein kostspieliges Unterfangen, das auf lange Sicht neue Formen der Akquise von Geldern für den Kreuzzug erforderlich machte und eine neue Art von Finanzexperten auf den Plan rief, von denen im Folgenden die Rede sein wird.
3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater 3.1 Sozialer Hintergrund Die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps, die sich vorwiegend mit der Finanzierung des Kreuzzuges beschäftigten, waren üblicherweise gelehrte Juristen, die vor oder während ihrer Ratgebertätigkeit verschiedene Positionen in der weltlichen oder kirchlichen Verwaltung bekleideten. Viele dieser Rechtsgelehrten handelten im Auftrag von Königen oder Päpsten und sahen die Kreuzzugsplanungen als Chance, um mit neuen fiskalpolitischen Maßnahmen für den steigenden Finanzierungsbedarf der Zentralherrschaften zu experimentieren. Im Gegensatz zu den militärischen Beratern waren sie neue Akteure in den höfischen Kreuzzugsplanungen, die von der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens sowie dem damit verbundenen Legitimationsverlust traditioneller Kreuzfahrerinstitutionen profitieren konnten. Sie verdrängten damit die geistlichen Ritterorden, deren Angehörige über große Teile des 12. und 13. Jahrhunderts für Finanzierungsfragen zuständig gewesen waren. Da Templer und Johanniter auch zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch Bankierstätigkeiten für Päpste, Könige und viele weitere Herrscher ausübten, finden sich neben den Rechtsgelehrten allerdings auch immer wieder Vertreter beider Orden unter den administrativ-finanziellen Ratgebern.
3.1.1 Rechtsgelehrte Die Rechtsgelehrten, welche die maßgebliche Gruppe unter den Finanzexperten bildeten, waren Träger einer neuen Form von Spezialwissen, das mit Wiederaufnahme der Rezeption des römischen Rechts im späten 11. Jahrhundert sowie der zunehmenden Kodifizierung des Kirchenrechts im 13. Jahrhundert entstanden war.1 In Auseinandersetzung mit diesen beiden Rechtstraditionen entwickelte sich in der Folgezeit „eine homogene Gruppe solcher Juristen, deren Gemeinsamkeit nicht wie bisher auf einer gleichen Standeszugehörigkeit, sondern auf gleichem Wissen und ähnlichen Fähigkeiten beruhte (...)“.2 Aufgrund ihrer Fähigkeit, konfligierende Ansprüche von Fürsten, Prälaten sowie Stadtkommunen gewaltlos miteinander zu versöhnen, trat die junge Jurisprudenz Rexroth zufolge schnell „in den europäischen Gesellschaften als System in eine funktionale Beziehung zu Herrschaft, Religion und Ökonomie.“3 Die Träger dieses auf einen externen Nutzen ausgerichteten Wissens gewannen Positionen in der kirchli Bellomo, Legal Past (1995), 51–63; Brundage, Canon Law (1995), 44–55; Lange, Römisches Recht, Bd. 1 (1997), 29–34; Stein, Roman Law (2003), 43–52. Siehe dazu auch II.3.3.1. Fried, Entstehung (1974), 249. Siehe auch Wetzstein, Jurist (2010), 243–296. Rexroth, Scholastik (2019), 297. https://doi.org/10.1515/9783111085067-006
3.1 Sozialer Hintergrund
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chen sowie weltlichen Verwaltung und fungierten dort als Richter, Kammerherren oder Vögte. Ausgehend von diesen professionalisierten Verwaltungsfunktionen weiteten die Rechtsgelehrten ihre Beratungstätigkeit auch auf die höfische Kreuzzugsplanung aus, für die ihre Vorschläge zur Finanzierung des Kreuzzuges von politischen Entscheidungsträgern zunehmend als relevant erachtet wurden. Eine distinkte Gruppe unter den administrativ-finanziellen Beratern bildeten die gelehrten Räte des französischen Königs Philipp IV., die in der Forschung aufgrund ihrer Rezeption des römischen Rechts meist als „Legisten“ bezeichnet worden sind. Da diese Legisten aus vermeintlich einfachen Verhältnissen stammten, durch das Studium des Rechts sowie einen anschließenden cursus honorum in der Verwaltung bis an den königlichen Hof aufstiegen und dort mit ihrer juridischen Expertise den Primat königlicher gegenüber kirchlichen Herrschaftsansprüchen verteidigten, hat die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts in ihnen die Ahnherren des modernen französischen Beamtentums erblickt.4 Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Forschung diese These allerdings sowohl im Hinblick auf den Einfluss der Legisten am Hof als auch auf ihre vermeintlich bürgerliche Herkunft relativiert. Prosopographische Untersuchungen konnten zeigen, dass Philipps Legisten meist aus den kleinen Adelsfamilien der Krondomäne stammten und nur in Einzelfällen aus den Reihen der städtischen Bürger oder gar aus randständigen Gemeinschaften kamen.5 Diesen Kleinadeligen eröffnete die Legistik die Möglichkeit des meritenbasierten Aufstiegs innerhalb der Verwaltung und, mit der Patronage durch die richtigen Entscheidungsträger, auch an den französischen Hof. Auf diese Weise konnte sich zwischen den Legisten und ihrem König eine enge Bindung entwickeln, sodass es nur wenig verwundert, dass der Ausspruch rex (Francie) est imperator in regno suo wohl ursprünglich aus ihren Kreisen stammte.6 Als Berater in Kreuzzugsfragen wurden die Legisten demnach aufgrund ihrer Funktion in der (Hof-)Verwaltung konsultiert und nicht etwa, weil sie von politischen Entscheidungsträgern als Spezialisten für die Kriegführung im Osten betrachtet wurden. Der in der Geschichtsforschung sicherlich bekannteste dieser königlichen Legisten ist der okzitanische Ritter und Rechtsgelehrte Guillaume de Nogaret (auch: Wilhelm von Nogaret). In den späten Jahren der Herrschaft Philipps IV. nahm Guillaume zentrale Positionen innerhalb der französischen Finanzverwaltung ein, weshalb er als administrativfinanzieller Berater an den Kreuzzugsplanungen des Königs partizipierte und dabei auch ein Rückeroberungsmemorandum verfasste. Aufgrund seiner prominenten Stellung lässt
So u. a. Renan, Guillaume de Nogaret (1877), 235 f.; Thierry, Essai (1883), 39–42. Favier, Légistes (1969), 92–108; Krynen, Empire (1993), 395–402; Lalou, Légistes (2005), 99–112; Pegues, Lawyers (1962), 222–224; Strayer, Reign (1980), 29–35. Mit Philippe de Villepreux zählte sogar ein jüdischer Konvertit zu den Legisten Philipps IV., vgl. dazu Klein, Chance (2018), 172–175. Rivière, Rex (1924), 580–586.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
sich der biographische Hintergrund des aus einer Tolosaner Bürgerfamilie stammenden Legisten im Gegensatz zu dem vieler anderer Kreuzzugsexperten gut rekonstruieren.7 Wie zeitgenössische Chronisten nicht versäumten zu erwähnen, war sein Vater ein Katharer und wurde wahrscheinlich von der Inquisition getötet, weshalb die Forschung Guillaume gern einen besonderen Hass auf das Papsttum angedichtet hat.8 Ungeachtet dessen empfing der „Sohn eines Häretikers“ die niederen geistlichen Weihen und studierte anschließend vermutlich an der Rechtsschule von Montpellier. 1291 lehrte er dann an der neugegründeten Universität Montpellier römisches Recht und diente ab 1294 zugleich auch als judex major des Seneschalls von Beaucaire, den der französische König eingesetzt hatte.9 Im Jahr 1296 lässt er sich erstmals als Ratgeber Philipps IV. nachweisen, der den Magister wenig später in den Ritterstand erhob und ihn 1307 zu seinem Siegelbewahrer ernannte. Am französischen Hof wirkte Guillaume nicht allein als enger Berater des Königs, sondern war auch maître der entstehenden chambre des comptes und wurde von Philipp mit Gesandtschaften und Rechtsgutachten beauftragt.10 In den Blick der Mittelalterforschung ist Guillaume de Nogaret jedoch vor allem als Papstattentäter von Anagni und Ankläger des Templerordens gerückt. Auf dem Höhepunkt einer lang andauernden Auseinandersetzung zwischen Bonifaz VIII. und Philipp IV. hatte er im Auftrag des französischen Königs den Papst in dessen Residenz im latinischen Anagni überfallen und dort festgesetzt.11 Dem Papst gelang zwar die Flucht aus der Stadt, doch starb er wenige Wochen später geschwächt in Rom, weshalb Guillaume in großen Teilen der zeitgenössischen Chronistik als sinisterer Papstmörder dargestellt
Guillaume stammte wohl nicht aus Toulouse selbst, sondern wurde in Saint-Félix-Lauragais geboren, wo seine Familie Land besaß, vgl. Hotzmann, Wilhelm von Nogaret (1898), 8–10; Thomas, Guillaume de Nogaret (1904), 164; Renan, Guillaume de Nogaret (1877), 234; Strayer, Reign (1980), 52 f. So u. a. Hotzmann, Wilhelm von Nogaret (1898), 9–14. Gouron, Guillaume de Nogaret (1998), 27–29; Hotzmann, Wilhelm von Nogaret (1898), 11 f.; Renan, Guillaume de Nogaret (1877), 235; Strayer, Reign (1980), 53. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 59–61; Gouron, Guillaume de Nogaret (1998), 25–45; Hotzmann, Wilhelm von Nogaret (1898), 16 f., 30–65, 146–175; Melville, Guillaume de Nogaret (1950), 56–66; Renan, Guillaume de Nogaret (1877), 241; Strayer, Reign (1980), 54 f.; Théry-Astruc, Pioneer (2017), 219–250. Der Konflikt zwischen Bonifaz VIII. und Philipp IV. schwelte bereits seit den 1290ern, bevor er 1303 in Anagni gewaltsam eskalierte: Mit der Dekretalen Clericis laicos hatte der Papst im Februar 1296 die Besteuerung des französischen Klerus durch Philipp IV. untersagt, der auf diese Weise seinen Kampf gegen den englischen König Eduard I. finanzieren wollte. Philipp IV. untersagte daraufhin dem französischen Klerus, Edelmetalle an die Apostolische Kammer abzuführen, und verwies die päpstlichen Nuntien seines Reiches. Nach anfänglichen Vermittlungsversuchen erreichte die Auseinandersetzung mit Proklamation der Bullen Ausculta fili (Dezember 1301) und Unam sanctam (November 1302) einen neuen Höhepunkt. Bonifaz VIII. bekräftigte darin seinen Herrschaftsanspruch und forderte den französischen König auf, nach Rom zu kommen. Philipp IV. begann daraufhin einen Häresieprozess gegen den Papst anzustrengen und sandte, als die Möglichkeit seiner Exkommunikation durch den Papst immanent wurde, Guillaume de Nogaret nach Italien. Dieser schmiedete dort ein Bündnis mit der römi-
3.1 Sozialer Hintergrund
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wurde.12 Einige Jahre später orchestrierte der Legist wiederum die Verhaftung der französischen Templer sowie den darauf folgenden Häresieprozess gegen den Orden.13 Das Engagement des Guillaume de Nogaret in den 1306 einsetzenden Kreuzzugsplanungen seines Patrons Philipp war demnach nur eine von zahlreichen Aktivitäten des gelehrten Rates für die französische Krone, an denen er in seiner Rolle als Gesandter des Königs und Meister der Rechnungskammer partizipierte. Bei dem Rückeroberungsmemorandum, das die Forschung Guillaume de Nogaret zugeschrieben hat, handelt es sich um die petenda der französischen Delegation auf dem Konzil von Vienne, die dort unter seiner Führung über die Auflösung des Templerordens sowie den Kreuzzug debattierte.14 Wie im zeitgenössischen Gesandtschaftsaustausch üblich, fassten diese petenda die gewünschten Verhandlungsgegenstände der französischen Krone für die Kreuzzugsplanungen auf dem Viennense zusammen. Zahlreiche Streichungen, Makulaturen und französischsprachige Marginalien im einzigen erhaltenen Textzeugen belegen, dass es sich um ein Dokument für den internen Gebrauch handelte, das aufgrund der wechselnden Verhandlungslage mehrfach angepasst werden musste.15 Die paläographische Evidenz spricht dabei für drei Redaktionen des Textes: Eine erste Redaktion wurde wahrscheinlich vor Abreise der Delegation am französischen Hof angefertigt und gibt die ursprünglichen Pläne der französischen Krone wieder. Anschließend erfolgte eine zweite Redaktion von derselben Hand, die kleine inhaltliche Ergänzungen vornahm, welche die Vorschläge offenbar präzisieren sollten.16 Eine deutlich umfangreichere dritte Redaktion von anderer Hand erfolgte dann wahrscheinlich während des Konzils selbst und inkorporierte die Zugeständnisse, welche die französische Delegation den anderen Parteien auf dem Viennense zu machen bereit war.17 Das Werk wurde also nicht allein von Guillaume de Nogaret verfasst,
schen Adelsfamilie Colonna, die ebenfalls mit Bonifaz verfeindet war, und überfiel den Papst in dessen Residenz in Anagni, vgl. Miethke, Philipp IV. (1996), 217–226. So u. a. bei dem Florentiner Chronisten Giovanni Villani, vgl. Croniche di Giovanni, Matteo e Filippo Villani. Ed. Racheli, Bd. 1, 196–198. Barber, Trial (2006), 295 f.; Demurger, Jacques de Molay (2002), 217–220. ANF J 456/36/2. Der Text ist ediert in Boutaric, Notices (1862), 199–205. Die Boutaric-Edition ist jedoch unzureichend, weil sie die umfänglichen Streichungen und Makulaturen in der Originalhandschrift nicht berücksichtigt und somit allein die erste Redaktion des Werkes wiedergibt, siehe unten Fußn. 16; 17. Derartige pentenda oder auch capitula gehörten neben Kredenzschreiben, Prokurationen sowie informationes zur üblichen Ausstattung von Gesandtschaften im frühen 14. Jahrhundert. Kredenzschreiben wiesen den Gesandten gegenüber anderen Herrschern als solchen aus, Prokurationen regelten dessen Befugnisse in den bevorstehenden Verhandlungen und die rein internen informationes gaben die Verhandlungsstrategie vor, vgl. Felten, Verhandlungen (2004), 424; Moukarzel, Embassies (2019), 688. Der Schreiber fügte z. B. indulgencie similes et majores noch longae hinzu, vgl. ANF J 456/36/2. Der Schreiber strich z. B. ersatzlos die Forderung, die (päpstlichen) Annaten zur Finanzierung des Kreuzzuges einzusetzen, vgl. ANF J 456/36/2. Siehe dazu auch III.3.2.1.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
sondern ging sicherlich auch auf die Vorschläge seiner Kollegen an der Rechnungskammer zurück.18 Wie das Memorandum andeutet, war Guillaume de Nogaret keineswegs der einzige von Philipps Legisten, der sich als Ratgeber an den Kreuzzugsplanungen seines Königs beteiligte. Neben dem Siegelbewahrer lassen sich auch der königliche Kammerherr Enguerran de Marigny (✶um 1260 †1315) sowie Guillaume de Plaisians (†1314) als Berater in Kreuzzugsfragen fassen. Beide hatten wie Guillaume de Nogaret die Rechte studiert und lokale Richterposten bekleidet, stammten jedoch im Gegensatz zu ihm aus kleinen Adelsfamilien.19 Guillaume de Plaisians, von Strayer aufgrund seiner Nähe zum königlichen Siegelbewahrer auch als „Schatten des Guillaume de Nogaret“ bezeichnet, war am französischen Hof eng in die Tätigkeiten seines Förderers eingebunden und nahm gemeinsam mit ihm an mehreren consilia zur Planung des Kreuzzuges teil.20 Da er als Gesandter der französischen Krone auch an den Kreuzzugsplanungen des Viennense mitwirkte, ist es zudem sehr wahrscheinlich, dass er an der Kompilation der zuvor erwähnten petenda beteiligt war.21 Enguerran de Marigny wiederum war deutlich einflussreicher am französischen Hof; Favier hat in ihm gar einen Konkurrenten des Guillaume de Nogaret gesehen, der mit dem Siegelbewahrer im ständigen Widerstreit um die königliche Gunst gelegen habe.22 Obgleich er selbst die Rückeroberung der heiligen Stätten wohl nicht für realisierbar hielt, war Enguerran als königlicher Kammerherr seit 1306 stets bei den Kreuzzugsplanungen am französischen Hof zugegen. Wie abhängig der König bei der Organisation des Kreuzzuges von Finanzexperten wie ihm war, illustriert ein in der Forschung vielzitierter Gesandtschaftsbericht für Clemens V. aus dem November 1313: Der Papst plante zu diesem Zeitpunkt, eine Flotte zur Blockade des Ägyptenhandels aufzustellen, und hoffte, der französische König würde einen Teil der Ausgaben dafür tragen. Doch der französische Gesandte Pierre Barrière teilte dem Papst ernüchtert mit, Philipp IV. habe ihm zwar zuerst versprochen, dass die französische Krone für die Schiffe aufkommen werde, aber anschließend sei Enguerran de Marigny auf ihn zugekommen und habe ihm erklärt, er allein kenne den Zustand des Kronschatzes und könne ihm versichern, dass Philipp gegenwärtig nicht in der Lage sei, die Kosten für die Flotte zu tragen.23 Selbst wenn es sich bei dieser Episode um nichts weiter als Mögliche Mitverfasser könnten Guillaume de Plaisians oder Pierre Barrière gewesen sein. vgl. Strayer, Reign (1980), 30; Favier, Légistes (1969), 95. Zu Enguerran de Marigny siehe u. a. Brown, Philip the Fair (2017), 198–208; Favier, Conseiller (1963); Péché, Enguerran de Marigny (2009), 354–356. Zu Guillaume de Plaisians siehe Abel, Guillaume de Plaisians (1892), 32–34. Strayer, Reign (1980), 30; Favier, Légistes (1969), 95. Müller, Konzil (1935), 135. Favier, Conseiller (1963), 186. Bericht des Petrus Barrerie. Ed. Schwalm, 563 f. Siehe dazu u. a. Favier, Conseiller (1963), 139–141; Heidelberger, Kreuzzugsversuche (1911), 59; Luttrell, Hospitallers (1998), 614; Lizerand, Clément V (1910), 364–367; Tyerman, Capetians (1986), 175.
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eine geschickte Verhandlungstaktik gehandelt haben sollte, muss die französische Krone es als ein für die Gegenseite realistisches Narrativ gehalten haben, den König so zu porträtieren, als sei er in Finanzfragen vollständig auf die Expertise von Legisten wie Enguerran angewiesen. Ein Kreuzzugsberater, der gern in den Kreis der Legisten Philipps IV. aufgestiegen wäre, war der normannische Jurist Pierre Dubois (auch: Petrus de Bosco). Sein zwischen 1306 und 1307 für den König verfasstes Rückeroberungstraktat ist in der Forschung unter dem (anachronistischen) Titel De recuperatione Terre Sancte bekannt und zählt wohl gegenwärtig zu den meistrezipierten Kreuzzugsplänen.24 Das Werk bildete das umfangreichste in einer ganzen Reihe publizistischer Talentproben, mit denen der Jurist um eine Stellung als Legist am Hof von Philipp IV. warb. Neben De recuperatione werden Pierre Dubois noch elf weitere politische Abhandlungen zugeschrieben, darunter zwei kürzere Gutachten zur Kreuzzugsplanung: Ein bisher unediertes Gutachten De indulgentia crucesignatorum sowie eine an Philipp IV. adressierte Oppinio cujusdam suadentis regi Francie ut regnum Jerosalimitanum acquireret, die als eine Art Addendum zu De recuperatione den neusten politischen Entwicklungen hinsichtlich der Templeraffäre und der Ermordung König Albrechts I. von Habsburg Rechnung tragen sollte.25 Für
Das Werk ist nur in einer einzigen Sammelhandschrift aus dem späten 14. Jahrhundert (BAV Reg. Lat. 1642, fol. 1r–41r) überliefert. Der Kodex gehörte ursprünglich Königin Christina von Schweden (✶1626 †1689) und ging nach dem Tod der Monarchin zusammen mit dem gesamten Bestand ihrer Privatbibliothek in den Besitz des Vatikans über. Neben dem Traktat De recuperatione enthält die Sammelhandschrift zwei von einer anderen Hand geschriebene Gutachten desselben Autors: De torneamentis et justis (fol. 41v–42r) sowie De indulgentia crucesignatorum (fol. 42v). Die Bezeichnung des Werkes als De recuperatione Terre Sancte ist nicht zeitgenössisch, sondern wurde dem Traktat von Jacques Bongars bei der ersten Textedition im Jahr 1611 gegeben. Wenngleich nicht zeitgenössisch, entspricht der Titel dennoch der Terminologie des frühen 14. Jahrhunderts, in der üblicherweise entweder auf die Rückeroberung des Heiligen Landes (z. B. Liber recuperationis Terre Sancte) oder auf den Kreuzzug als Militäroperation (z. B. Directorium ad faciendum passagium transmarinum) rekurriert wurde. Das Traktat ist ediert in Bongars, Gesta Dei, Bd. 2 (1611), 316–361; Langlois, De recuperatione (1891), 1–130 sowie darauf aufbauend in Diotti, De recuperatione (1977). Eine auf Grundlage der Langlois-Edition angefertigte Übersetzung findet sich in Brandt, Recovery (1956), 69–198. Inzwischen haben Sághy/Léonas mithilfe der Langlois-Edition sowie den Korrekturen von Boyle u. Diotti eine neue lateinischfranzösische Edition von De recuperatione vorgelegt, vgl. Forcadet, Reconquête (2019), 1–327 sowie die Korrekturen in Boyle, Pierre Dubois (1972), 468–470; Diotti, De recuperatione (1977), 24. Die beiden Werke sind in jeweils einer Kopie überliefert: Das Gutachten De indulgentia befindet sich in derselben vatikanischen Dubois-Sammelhandschrift, die auch sein Rückeroberungstraktat enthält (BAV Reg. Lat. 1642, fol. 42v). Die Oppinio findet sich in einer Kompilation von Texten zur Templeraffäre aus dem 14. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 10919, fol. 69r–73r), welche auch vier weitere Werke von Dubois enthält. Für eine Edition der Oppinio siehe Baluze/Mollat, Vitae, Bd. 3 (1921), 154–162; Langlois, De recuperatione (1891), 131–140. Die erste überlieferte Schrift des Pierre Dubois ist die um 1300 verfasste Summaria brevis et compendiosa doctrina felicis expedicionis et abreviacionis guerrarum ac litium regni francorum (BNF Ms. Lat. 6222C, fol. 1r–41r), welche er 1304 erneut überarbeitete, um sie Jean de la Forêt zu übergeben, der zum engeren Beraterkreis von Philipp IV. gehörte. Für eine Edition siehe Kämpf, Summaria brevis (1936), 1–57 sowie darauf aufbauend Forcadet, Reconquête (2019), 348–519. Zu Dubois
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Spekulationen in der Forschung sorgt nach wie vor die Struktur seines Traktates De recuperatione. Das Werk ist in zwei Teile aufgeteilt, von denen der erste und längere nicht an Philipp IV., sondern den englischen König Eduard I. adressiert ist. Möglicherweise sollte der französische König den ersten Teil dem kreuzzugsbegeisterten Eduard zukommen lassen und ihn auf diese Weise unter dem Vorzeichen des Kreuzzugs von einer pro-kapetingischen Politik überzeugen. Für diese These spricht auch, dass der englische König erst 1306 in einer großen Zeremonie seinen Schwur, das Heilige Land zurückzuerobern, noch einmal erneuert hatte.26 Ein solches Vorgehen hätte der Arbeitsweise des normannischen Juristen entsprochen und war in der Kreuzzugsplanung nicht unüblich.27 Trotz der publizistischen Tätigkeit blieben seine Karriereambitionen schlussendlich unerfüllt, denn obwohl Dubois aufgrund seiner vermeintlich modernen Ansichten in der mediävistischen Forschung zu den meistrezipierten Kreuzzugsberatern zählt, wurde sein
Oeuvre zählen ferner drei Kampfschriften gegen Papst Bonifaz VIII., von denen zwei erhalten sind: Eine fragmentarisch überlieferte Deliberatio (...) contra epistolam Bonifacii papae VIII (BNF Ms. Lat. 10919, fol. 4v–6r) von 1302 sowie eine Supplication du peuble de France au roy contre le pape Boniface le VIII (ebenda, fol. 101r–105v) von 1304. Die beiden Schriften sind bislang nur ediert in Dupuy, Histoire (1655), 44–47; 214–219. Dubois hatte nach eigener Aussage im Jahr 1302 ein weiteres antipäpstliches Pamphlet mit dem Titel Raciones inconvincibiles an Richard Leneveu, den späteren Bischof von Béziers, gesandt, mit der Bitte, es dem französischen König zu übergeben. Das Werk selbst ist allerdings nicht erhalten, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 254. Im Jahr 1308 wandte er sich mit zwei Pamphleten gegen den Templerorden (BNF Ms. Lat. 10919, fol. 106r–108v; 108v–109r). Für eine Edition der beiden Texte siehe Boutaric, Notices (1862), 175–179; 180–182. Mit seiner letzten überlieferten Abhandlung De torneamentis et justis (BAV Reg. Lat. 1642, fol. 41v–42r) antwortete Dubois wahrscheinlich auf die Bulle Passiones miserabiles, mit welcher der Papst im September 1313 die Durchführung von Turnieren untersagt hatte. Für eine Edition siehe Long, Defense (1973), 71–79. Für eine vollständige Liste von Dubois’ Werken siehe Brandt, Recovery (1956), 211–216; Zeck, Publizist (1911), 7 f. Das sog. Feast of the Swans, in dessen Rahmen Eduard I. am 22. Mai 1306 die Rückeroberung des Heiligen Landes geschworen hatte, war allerdings weniger Ausdruck englischer Realpolitik, sondern diente vielmehr der Repräsentation von Ritterlichkeit seitens des Königs und seiner Gefolgschaft, vgl. Bullock-Davies, Minstrels (1978); Morris, King (2009), 355 f.; Prestwich, Edward I (1997), 121. Eduard hatte sich allerdings in den vorangegangenen Dekaden bereits als Kreuzfahrer profiliert. Als englischer Prinz partizipierte er von 1270 bis 1272 am zweiten Kreuzzug Ludwigs IX.; 1287 nahm er erneut das Kreuz und sandte 1290 ein Entsatzheer nach Akkon, welches allerdings die Eroberung der Stadt durch den ägyptischen Sultan nicht mehr verhindern konnte, vgl. Hélary, Croisade (2016), 195–198; Housley, Later Crusades (1992), 16 f; Morris, King (2009), 93–102, 196 f.; Prestwich, Edward I (1997), 328–333; Tyerman, England (1988), 230–240. So etwa die von Pierre Dubois in der Summaria brevis vorformulierten Urkunden, die in ihrer Ausführlichkeit deutlich über eine Formelsammlung hinausgingen, vgl. Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 420–424; 456–458. Diese Vorgehensweise war unter den Verfassern von Rückeroberungstraktaten nicht unüblich. Marino Sanudo übergab beispielsweise Kopien seines an Johannes XXII. adressierten Traktates an Fürsten wie Robert von Boulogne, ohne die Intitulatio des Werkes zu ändern, vgl. dazu die Kopie in BLO Ms. Tanner 190, fol. 1r.
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Werk von Zeitgenossen kaum wahrgenommen.28 Vergleicht man seine Biographie mit der des vorgenannten Guillaume de Nogaret, so wird indes schnell deutlich, dass Dubois’ Hoffnung auf eine Stellung als Legist am königlichen Hof nicht gänzlich unbegründet war.29 Dubois stammte wahrscheinlich aus einer nicht-adeligen Familie, die im Umfeld der normannischen Ortschaft Coutances lebte, und studierte während der 1270er Jahre an der Pariser Universität.30 Ab 1300 ist er als advocatus regis von Philipp IV. in Coutances nachweisbar; spätestens ab 1306 nahm er diese Funktion auch für die englische Krone wahr, wobei der Schwerpunkt seiner Tätigkeit laut eigener Aussage auf kirchlichen Rechtsstreitigkeiten lag.31 Die Bailliage Coutances repräsentierte er in jenen Jahren zwei Mal, 1302 und 1308, auf der Versammlung der Generalstände.32 Spätestens ab 1314 war Dubois schließlich als Bailli in den Diensten der Gräfin Mahaut von Artois (✶um 1270 †1329) aktiv, aber eine Stellung als Legist am französischen Hof blieb ihm bis zu seinem Lebensende versagt.33 Die Söhne und Nachfolger Philipps IV. übernahmen dessen Regierungsweise und bauten am Hof ebenfalls auf gelehrte Räte, setzten jedoch neben den Legisten auch zu-
Zur Rezeption von Pierre Dubois am französischen Hof siehe Brandt, Introduction (1956), 62; Jones, Rex (2003), 51–53; Langlois, De recuperatione (1891), XVII; Rexroth, Pierre Dubois (2008), 309 f.; Zeck, Publizist (1911), 47–74 sowie I.2.3. Im Gegensatz dazu steht die umfangreiche Dubois-Rezeption in der mediävistischen Forschung, aus der allein in der letzten Dekade eine Vielzahl von Arbeiten hervorgegangen sind, darunter u. a. Blattmann, Erziehung (2016), 169–198; Brown, Veritas (2016), 425–445; Fidora, Arbitration (2011), 303–314; Forcadet, Pierre Dubois (2009), 209–228; Ders., De recuperatione (2014), 69–86; Kéry, Idées (2009), 553–572; Oschema, Idée (2010), 82 f.; Rexroth, Pierre Dubois (2008), 309–331; Ders., Systemvertrauen (2012), 36 f.; Schlieben, Aussagen (2018), 105–126; Ubl, Figur (2015), 231–234. Guillaume de Nogaret hatte die Entscheidungsträger am französischen Hof wahrscheinlich ebenfalls durch seine publizistische Tätigkeit auf sich aufmerksam gemacht, vgl. Gouron, Guillaume de Nogaret (1998), 35–45. Dubois selbst bezeichnet Coutances als terre sue natalis, was sich allerdings auch auf die gesamte Normandie beziehen könnte, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 206. Brandt hat vermutet, Dubois sei bürgerlicher Herkunft, da eine adelige Abstammung des Juristen in keinem überlieferten Dokument erwähnt wird und er bei der Versammlung der Generalstände den dritten Stand vertrat, vgl. Brandt, Introduction (1956), 3. Sein Studienverlauf lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren: Vermutlich gehörte er der normannischen Nation an und lernte in diesem Umfeld Richard Leneveu sowie Jean de la Forêt kennen, denen er viele Jahre später zwei seiner Schriften widmen sollte (siehe Fußn. 25). Laut eigener Aussage hörte Dubois bei Siger von Brabant, der zwischen 1266 und 1276 an der Pariser Artistenfakultät wirkte, und Thomas von Aquin, der von 1256 bis 1259 sowie 1269 bis 1272 in Paris lehrte, sodass seine Studienzeit vermutlich in diese Jahre fällt. Der Fokus seiner Studien lässt sich nicht mehr ermitteln; der viel geäußerten Vermutung, Dubois habe römisches Recht studiert, steht der Umstand entgegen, dass in dem genannten Zeitraum kein römisches Recht in Paris gelehrt wurde, vgl. Brandt, Introduction (1956), 4 f.; Forcadet, Pierre Dubois (2009), 210; Jones, Rex (2003), 50 f. Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 418; Ders., De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 2. Documents. Ed. Picot, 601 f.; Langlois, De recuperatione (1891), IX. Richard, Mahaut (1887), 179.
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nehmend Kanonisten ein. Zu den wichtigsten Rechtsgelehrten, die sich am Hof von Philipps Nachfolgern in den Kreuzzugsplanungen engagierten, zählte der Kanonist Guillaume Durand (auch: Wilhelm Durantis), der seit 1296 zugleich auch Bischof der Diözese Mende war. Für seinen Patron Philipp V. verfasste er wahrscheinlich 1319 oder 1320 eine Informatio brevis ad passagium faciendum34 und ließ wenige Jahre später für den König oder dessen Nachfolger Karl IV. eine Sammelhandschrift mit verschiedenen Rückeroberungsmemoranden kompilieren, die neben seiner Informatio unter anderem auch die Werke des Gonzalo de Hinojosa, Wilhelms von Tripolis sowie der Johanniter enthielt.35 Guillaume Durand wurde in Puimisson geboren und stammte aus einer okzitanischen Adelsfamilie, die eine lange kirchenrechtliche Tradition aufweisen konnte. Sein gleichnamiger Onkel (✶um 1230 †1296) und Vorgänger auf dem Bischofsstuhl von Mende war schon zu seinen Lebzeiten ein berühmter Kanonist, der sich vor allem durch seine Abhandlungen zum kirchlichen Prozessrecht hervorgetan hatte.36 Der jüngere Durand studierte vermutlich (Kirchen-)Recht an einer der okzitanischen Schulen oder Universitäten37 und war zunächst Erzdiakon am Domkapitel von Mende, bevor er 1296 seinem Onkel als Bischof nachfolgte.38 Zunächst machte Durand als Kanonist auf sich aufmerksam und sprach sich auf dem Viennense für eine konziliaristische Position aus.39 Als Ratgeber in Kreuzzugsfra-
Das Memorandum des Bischofs von Mende ist in einer lateinischen Handschrift (BNF Ms. Lat. 7470, fol. 117r–123v) sowie einer französischen Übersetzung (BSG Ms. 1654, fol. 139r–143r) aus dem 14. Jahrhundert überliefert. Für eine Edition der lateinischen Handschrift siehe Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 103–110. Der Verfasser selbst gab dem Werk keinen Titel, das vollständige zeitgenössische Incipit lautet Informacio brevis super hiis, que viderentur ex nunc fore providenda quantum ad passagium divina favente gracia faciendum, vgl. ebenda, 104. Zu Beginn der Sammelhandschrift wird das Werk wie folgt beschrieben: Primus [tractatus] est Epi(scopi) Mimatens(i) inquo ponunt(ur) vigintisex Capitula de praeparatoriis circa Passagium faciendum, vgl. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 1r–1v. Da der Autor der Informatio als Bischof von Mende identifiziert wird und die Sammelhandschrift zwischen 1316 sowie 1323 entstand, steht außer Frage, dass Guillaume Durand der Verfasser war. Für die Zuschreibung spricht ferner, dass Durand während dieses Zeitraums als Berater in den höfischen Planungssitzungen nachweisbar ist und als Prokurator der französischen Kreuzzugskasse fungierte, vgl. ANF JJ 58/397; Journaux du trésor de Charles IV. Ed. Viard, 503 f., Nr. 2897; RJF, Nr. 1683. Wahrscheinlich entstand die Informatio im Rahmen der Planungssitzung im Dezember 1319, da Durand in seinem Werk die Johanniter, die ebenfalls an dem Treffen teilnahmen, als enge Verbündete für den Kreuzzug vorschlug, vgl. Tyerman, Philip V (1984), 28. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 117r–123v (Guillaume Durand), fol. 123v–129v (Gonzalo de Hinojosa), fol. 131r–162v (Wilhelm von Tripolis) u. fol. 163r–178v (Johanniter-Memoranden). Der Auftraggeber der Sammlung war höchstwahrscheinlich Durand selbst, vgl. Tyerman, Philip V (1984), 27–29. Zu BNF Lat. 7470 siehe Hong, Projet (2016), 243–249; Rouse/Rouse, Context (2006), 105–178 sowie III.1.1.1. In Abgrenzung zu seinem Onkel ist in der Forschung oft von Guillaume Durand „dem Jüngeren“ die Rede. Zum älteren Durand siehe u. a. Fasolt, Council (1991), 64–72. Fasolt hat die möglichen Studienorte auf Alès, Avignon, Béziers, Lyon, Montpellier oder Orange eingrenzt, vgl. Fasolt, Council (1991), 74. Ähnlich auch bei Viollet, Guillaume Durant (1921), 5. Fasolt, Council (1991), 75–80; Viollet, Guillaume Durant (1921), 5–7. Im Jahr 1308 leitete Guillaume Durand die päpstliche Gesandtschaft zum Auftakt des Templerprozesses. Für das Konzil von Vienne verfasste er eine Abhandlung, vgl. Guillaume Durand, De modo ge-
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gen wurde der Kanonist zwar erstmals 1313 von Philipp IV. konsultiert, seine Beraterkarriere am französischen Hof begann jedoch erst unter dessen Söhnen Philipp V. und Karl IV.40 Durch ein Rechtsgutachten über die Nachfolgeregelung hatte er Philipp V. 1316 zum Thron verholfen und wurde von ihm neben der Organisation des Kreuzzuges auch mit Gesandtschaften sowie Maßnahmen gegen die Münzentwertung beauftragt.41 Wie schon im Fall anderer administrativ-finanzieller Berater bildete also auch das Wirken des Bischofs von Mende in den Kreuzzugsplanungen nur einen kleinen Teil seiner höfischen Ratgebertätigkeit. Nach einer Auseinandersetzung mit Papst Johannes XXII. verlor er allerdings an Einfluss am französischen Hof und konzentrierte sich fortan vornehmlich auf die Kreuzzugsplanungen, die jedoch 1325 vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen Karl IV. und dem englischen König Eduard II. vorerst zum Erliegen kamen.42 Der Rückeroberung des Heiligen Landes blieb Durand jedoch bis zu seinem Tode verpflichtet; er starb 1330 auf dem Rückweg einer Gesandtschaftsreise nach Ägypten.43 Auch wenn die vorgenannten Rechtsgelehrten ausnahmslos im Umfeld des französischen Hofes tätig waren, handelte es sich bei den Kreuzzugsberatern mit administrativ-finanziellem Schwerpunkt keineswegs um ein „französisches“ Phänomen, denn sowohl an der Kurie als auch an den Höfen anderer lateineuropäischer Herrscher lassen sich Ratgeber mit einem analogen Profil nachweisen. Mit dem von Papst Clemens V. angeforderten Consilium des Guillaume Le Maire ist beispielsweise das Memorandum eines administrativ-finanziellen Beraters aus den Kreuzzugsplanungen des Konzils von Vienne erhalten.44 Guillaume, der als Bischof von Angers am Viennense teilgenommen
neralis concilii celebrandi. Ed. Crespin. Eine moderne Edition des Werkes existiert nicht. Das Werk stieß sowohl bei Papst Clemens V. als auch bei dessen Nachfolger Johannes XXII. auf heftige Ablehnung, vgl. Fasolt, Rezeption (1992), 71 f.; Viollet, Guillaume Durant (1921), 79–129 sowie I.2.3. Zur Bewegung des Konziliarismus siehe insbes. Miethke, Konziliarismus (2014), 165–172. Lettres de Philippe le Bel. Ed. Roucaute, 141, Nr. 74. An dem Planungstreffen im Januar 1313 in Paris partizipierten neben Guillaume Durand auch Guillaume de Nogaret und Guillaume de Plaisians, vgl. Lizerand, Clément V (1910), 364–367. Dürrholder, Kreuzzugspolitik (1913), 43 f.; Fasolt, Council (1991), 305–314; Viollet, Guillaume Durant (1921), 32–43 sowie I.2.3. Das Problem der Münzentwertung thematisierte Durand auch in seinem Rückeroberungsmemorandum, vgl. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 109. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 81–85; Housley, Negotiations (1980), 181–185; Tyerman, Capetians (1986), 176–181. Siehe dazu I.2.3. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 766. Das Consilium ist als Teil einer als Liber Guillelmi majoris betitelten Sammelhandschrift überliefert, die noch zu Lebzeiten von Guillaume Le Maire entstanden ist und auf 148 Pergamentblättern neben ausgewählten Urkunden, Briefen, Predigten und Memoranden des Bischofs auch dessen Gesta enthält. Der Editor des Werkes stellte fest, der Liber sei eine „réunion systématique non pas seulement des actes personnels de Le Maire, mais aussi des enseignements utiles à ses successeurs sur les actes solennels où son épiscopat s’est activement mêlé.“ Ubl bezeichnet ihn als eine Art „Handbuch bischöflicher Amtsführung“. Als solches befand es sich noch während des 15. Jahrhunderts im Besitz der Bischöfe von Angers, die bis zu diesem Zeitpunkt auch der Liturgie zur Bischofseinsetzung folgten, die zu Beginn der Handschrift dargestellt wird, vgl. Port, Notice (1876), 5; Ubl, Figur (2015), 227.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
hatte, widmete sich in seinem Memorandum allerdings nicht allein dem Kreuzzug, sondern behandelte alle drei Konzilsthemen (negocio Templariorum, subsidium Terre Sancte und reformacio morum) hintereinander, ähnlich wie Humbert von Romans es auf dem zweiten Konzil von Lyon getan hatte.45 Das Werk weist zudem eine weitere Besonderheit auf, gehörte der Bischof von Angers doch zu den wenigen Beratern, die sich explizit gegen einen Kreuzzug aussprachen und die Rückeroberung des Heiligen Landes aufgrund anhaltender Konflikte innerhalb der lateinischen Christenheit frühestens in zehn oder zwölf Jahren für möglich hielten.46 Abgesehen davon wies Guillaume das typische Profil eines Finanzexperten auf; er stammte aus einer lokalen angevinischen Adelsfamilie, hatte vor seiner Bischofswahl im Jahr 1291 ein Kanonikat am örtlichen Domkapitel innegehabt und zugleich Kirchenrecht an der Schule von Angers gelehrt, zu deren Schülern er vermutlich selbst zählte.47 Sein Memorandum für das Konzil von Vienne war indes nicht die erste Äußerung des Bischofs in Kreuzzugsfragen, denn er gehörte zu den Prälaten der Erzdiözese Tours, die sich im Januar 1292 in der Kathedrale von Angers versammelt hatten, um dort über die von Papst Nikolaus IV. erbetenen Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes zu beraten. Obgleich seine Bischofswahl zu diesem Zeitpunkt erst ein Jahr zurücklag, hatte Guillaume offenbar eine führende Rolle bei diesem Provinzkonzil, dessen Beschlüsse eindeutig seine Handschrift tragen. Analog zu Guillaumes späterem Gutachten für Clemens V. stellten die Prälaten heraus, dass die gegenwärtige politische Lage keinen Kreuzzug erlaube, weshalb die Rückeroberung des Heiligen Landes vertagt werden solle, bis die Union mit der Ostkirche herbeigeführt sei und Frieden zwischen den Fürsten der lateinischen Christenheit herrsche.48 Eine weiterführende Ratgebertätigkeit des Bischofs von Angers in Kreuzzugs- oder allgemeinen Rechtsfragen ist jedoch in den darauf folgenden zwei Dekaden weder am französischen oder englischen Hof noch an der Kurie nachweisbar. Auch am englischen Hof unter Eduard I. dominierten Rechtsgelehrte die Diskussion über die Finanzierung des Kreuzzuges. Zu der Gesandtschaft, die 1290 in seinem Namen mit Nikolaus IV. über eine Kreuzzugssteuer verhandelte, zählten drei professores des römischen Rechts.49 Ein schriftliches Gutachten dieser englischen Finanzexperten ist jedoch nicht erhalten. Für die Kurie lassen sich die Kreuzzugsberater des administrativfinanziellen Subtyps dagegen nur vage fassen. Einen Hinweis auf ihr Wirken liefert das zwischen 1307 und 1308 von unbekannten Ratgebern für Clemens V. verfasste Rückeroberungstraktat Memoria Terre Sancte. Die Memoria fällt zwar in das inhaltsanalytische
Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 185–228; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 287–304. Siehe dazu auch I.1.2. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290. Ein analoges Argument führte Kardinal Vital du Four 1323 gegen die Kreuzzugspläne der französischen Krone ins Feld, vgl. RJF, Nr. 1693. Avril, Conceptions (1981), 111–134; Ders., Conception (1987), 117–134; Port, Notice (1876), 8 f. Über das Provinzkonzil berichtet Guillaume selbst, vgl. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 90–94. TNA C 54/107/13d bzw. CClR 1288–1296, 122.
3.1 Sozialer Hintergrund
203
Cluster der geographisch-ethnographischen Berater, entstand jedoch aus dem Zusammenwirken mehrerer Ratgeber, unter denen wahrscheinlich auch Finanzexperten waren. Für diese Annahme spricht eine längere Passage über die Finanzierung des Kreuzzuges am Beginn der Abhandlung. Dieser Abschnitt umfasst 7,1% der Gesamtwörter des Textes und fällt damit deutlich umfangreicher aus, als die Ausführungen anderer geographisch-ethnographischer Berater zur Kreuzzugsfinanzierung.50 Zudem empfahlen die Verfasser der Memoria dem Papst Finanzierungstechniken, die nahezu ausschließlich von Beratern des administrativ-finanziellen Subtyps diskutiert wurden, darunter etwa die Erhebung von Annaten oder die Reduktion von Kanonikerstellen.51 Der soziale Hintergrund dieser päpstlichen Finanzexperten ist jedoch unklar, mit einiger Sicherheit lässt sich nur sagen, dass sie weder den Ritterorden, noch dem französischen Hof nahestanden.52 Ähnliches gilt auch für das von den Beratern Karls II. von Anjou verfasste Rückeroberungsmemorandum. Das Werk fällt in der Clusteranalyse zwar in das militärische Aggregat, weist allerdings eine längere zusammenhängende Passage über die Finanzierung des Kreuzzuges und die Organisation des neuen Königreichs Jerusalem auf, die 8,8% der Gesamtwörter ausmacht und ebenfalls auf die Mitwirkung von administrativ-finanziellen Beratern schließen lässt.53 Auch am Hof der Anjou in Neapel waren möglicherweise Rechtsgelehrte in die Kreuzzugsplanungen involviert, so hatte Karl II. ein Jahr zuvor den Juristen Bartholomäus von Capua (✶1248 †1328), der zu diesem Zeitpunkt römisches Recht in Neapel lehrte, als Protonotar an seinen Hof geholt.54 Letztlich lässt sich allerdings auch im Fall der angevinischen Kreuzzugsplanungen nicht einwandfrei ermitteln, inwiefern diese Juristen als administrativ-finanzielle Berater involviert waren.
3.1.2 Ritterorden Jenseits der Rechtsgelehrten fungierten auch einige Vertreter der Templer und Johanniter als administrativ-finanzielle Kreuzzugsberater. Sowohl die Ritter als auch die übrigen Angehörigen der Orden waren derweil keine Neulinge in der Finanzverwaltung. Die Templer hatten bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begonnen, Kreuzfahrern Kredite zu gewähren und ihnen mithilfe ihres Netzwerkes aus Nieder-
Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 439–441. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 439 f. Für eine ausführliche Darstellung siehe III.1.1.1. Die Johanniter hatten 1306 und 1307 dem Papst selbst Vorschläge zur Rückeroberung der heiligen Stätten überreicht, vgl. Demurger, Ordres (2001), 119–123; Leopold, Holy Land (2000), 27–29; Luttrell, Hospitallers (1998), 595–604; Paviot, Projets (2008), 32 f.; Schein, Fideles Crucis (1991), 196–204. Das Schweigen der Memoria hinsichtlich des Umgangs mit den Gütern der Templer spricht wiederum gegen eine Verbindung der Verfasser zum frz. Hof, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 413. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 357–360. Siehe auch III.1.1.1. Piccialuti/Walter, Bartolomeo da Capua (1960), 697–704.
204
3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
lassungen den Transfer von Geldern zwischen Westen und Osten zu ermöglichen. Seit dem 13. Jahrhundert öffnete der Orden diese Bankierstätigkeiten zunehmend für Zwecke jenseits des Kreuzzuges und gewährte Fürsten sowie Königen auch Kredite für die Kriegführung innerhalb Lateineuropas.55 Die Johanniter engagierten sich ebenfalls seit dem 12. Jahrhundert im Kreditwesen, ihre Aktivitäten nahmen allerdings nie dasselbe Ausmaß wie bei den Templern an.56 Diese Bankierstätigkeiten ließen die Angehörigen beider Ritterorden im 13. Jahrhundert zu gefragten Finanzberatern und verwaltern werden, die von weltlichen und geistlichen Herrschern gleichermaßen konsultiert wurden. Der Johanniter Joseph de Chauncy diente sieben Jahre als englischer Schatzmeister, nachdem er zuvor fast 25 Jahre lang als Schatzmeister seines Ordens in Akkon tätig gewesen war und in dieser Funktion mithilfe von Krediten maßgeblich zur Finanzierung der Kreuzzugsbemühungen des späteren Königs Eduard I. beigetragen hatte.57 Die Templer verwalteten über das 13. Jahrhundert hinweg gar den französischen Kronschatz, bis Philipp IV. diese Funktion sukzessive der noch jungen Rechnungskammer übertrug.58 Ein Zeugnis dieser Verwaltungs- und Finanzexpertise der Ritterorden ist die zuvor erwähnte Informatio et instructio super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte der Johanniter um Foulques de Villaret, welche schon Delaville Le Roulx fragen ließ: „dont le projet est celui d’un soldat plutôt que celui d’un administrateur?“59 Das Werk zählt zu den beiden Memoranden, welche die Ritterorden verfassten, nachdem Clemens V. im Juni 1306 von ihnen Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes erbeten hatte.60 Der Ausspruch von Delaville Le Roulx bezieht sich auf den zweiten Teil des Johanniter-Memorandums, in dem die Verfasser dem Papst verschiedene Möglichkeiten zur Akquise von Geldern für den Kreuzzug darlegen.61 Auch inhaltsanalytisch betrachtet fällt dieser Teil in den Bereich des administrativ-finanziellen Subtyps, allerdings lässt sich nur schwer ermitteln, auf wen die
Demurger, Ordres (2017), 166–183; Barber, New Knighthood (1994), 266–278; Metcalf, Templars (1980), 1–13. Nicholson, Knights Hospitaller (2003), 130–106; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 144 f. Auch im frühen 14. Jahrhundert waren die Johanniter noch als Kreditgeber aktiv. So bat Jakob II. von Aragon den Orden im Jahr 1306 um einen Kredit in Höhe von 10.000 Goldmark, vgl. AA 3, 146, Nr. 65. Joseph de Chauncy diente seit 1248 als Schatzmeister der Johanniter in Akkon und war anschließend von 1273 bis 1280 englischer Schatzmeister, bevor er wieder in die Kreuzfahrerreiche zurückkehrte, vgl. Phillips, Prior (2009), 25 f.; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 144; Rokéah, Hospitaller (1996), 191–193. Josephs Karriere war keineswegs ein Einzelfall oder ein Spezifikum des englischen Hofes. Sein Ordensbruder Guérin (†1227) diente am französischen Hof unter Philipp II. in einer vergleichbaren Position, vgl. Lesage, Chancelier (1976), 4–8. Barber, New Knighthood (1994), 296 f.; Demurger, Vie (1989), 206–214; Strayer, Reign (1980), 143 f.; 181–182. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1904), 270. RC, Nr. 1033. Zu den beiden Werken siehe II.2.1.1. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608–610.
3.1 Sozialer Hintergrund
205
Vorschläge zurückgehen, da die Informatio im November 1306 auf einem Generalkapitel des Ordens kompiliert wurde.62 Ein naheliegender Kandidat wäre Durand de la Prévôté, der als Schatzmeister des Ordens im Kreditwesen bewandert gewesen sein muss und ebenfalls an dem fraglichen Generalkapitel teilnahm.63 Ungeachtet der vermeintlichen Finanzexpertise der Ritterorden fällt jedoch mit der Informatio des Foulques de Villaret nur eines der vier von den Angehörigen der Orden verfassten Rückeroberungsmemoranden in das administrativ-finanzorientierte Cluster, während die anderen drei Werke dem militärischen Cluster zugeordnet werden können. Im Unterschied zu den Johannitern beschränkte der Templermeister Jacques de Molay sich in seinem 1306 für Clemens V. verfassten Consilium auf die kurze Anmerkung, die Seehandelsstädte sollten für die Kreuzfahrerflotte aufkommen. Im gleichen Atemzug versprach er dem Papst jedoch, ihn nach seiner Ankunft in Poitiers persönlich über diverse weitere Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges zu unterrichten.64 Diese ausweichende Auskunft spricht dafür, dass es insgesamt nur wenige administrativ-finanzielle Experten innerhalb seines Ordens gab, die der Templermeister in dem kurzen Zeitraum zwischen der Ankunft des päpstlichen Schreibens auf Zypern und seiner Abreise zum Treffen in Poitiers allerdings nicht mehr konsultieren konnte. Zu diesen Experten zählten wahrscheinlich einige derjenigen Würdenträger, die der Templermeister für den August desselben Jahres nach Zypern bestellt hatte, um mit ihnen über den Kreuzzug zu beraten. Nicht alle der einbestellten Templer erreichten die Mittelmeerinsel rechtzeitig, denn der Papst drängte einige von ihnen, direkt zu ihm nach Poitiers zu reisen, sodass sie Jacques de Molay für sein Memorandum nicht zur Verfügung standen.65 Der Johannitermeister Foulques de Villaret befand sich dagegen 1306 in einer personell deutlich besseren Lage als sein Pendant aus dem Templerorden, denn aufgrund des bevorstehenden Generalkapitels seines Ordens befanden sich zahlreiche Johanniter bereits auf Zypern und er vermochte in seiner Informatio für den Papst den gesamten Wissensvorrat seines Ordens auszuschöpfen. Dies alles spricht dafür, dass die administrativfinanziellen Berater innerhalb der Ritterorden eine epistemische Nische besetzten und ihr Wissen unter den Ordensangehörigen keineswegs allgemein verfügbar war. Im Gegensatz zu ihren Gegenstücken am französischen Hof waren die Finanzexperten der Ritterorden allerdings höchstwahrscheinlich keine Rechtsgelehrten, auch wenn sich für den Untersuchungszeitraum sowohl in den Reihen der Templer als auch in denen der Johanniter durchaus einige Brüder mit juristischer Expertise nachweisen
Demurger, Jacques de Molay (2002), 207–212; Ders., Ordres (2001), 119–124. CGOH 4, 137, Nr. 4735. Siehe auch Burgtorf, Convent (2008), 509 f. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 147. Bei den von Jacques de Molay nachweislich nach Zypern einbestellten Templern handelte es sich um Hugues de Pairaud, Bérenger de Cardona sowie Pierre de Saint-Just. Tatsächlich wird die Zahl der Adressaten deutlich größer gewesen sein, da allein die Anfragen an die aragonesischen Templer erhalten sind und die drei genannten Würdenträger überdies in Begleitung weiterer Brüder reisten, vgl. Demurger, Jacques de Molay (2002), 207–212 sowie II.2.1.1.
206
3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
lassen. Zu diesen rechtskundigen Rittern zählte etwa der Johanniterpräzeptor Guillaume de Saint Estène, der 1296 ein französischsprachiges Traktat mit dem Titel Saterian verfasst hatte. Mit diesem Werk versuchte er, Anschluss an die gelehrten Rechtstraditionen seiner Zeit zu finden, indem er die Regeln sowie Usancen seines Ordens mit dem Decretum Gratiani vereinte und auf naturrechtliche Grundlagen stellte.66 Doch Guillaume interessierte sich nicht allein für juristische Fragen, sondern war auch in die Kreuzzugsplanungen seines Ordens involviert. Zur Unterweisung seiner Brüder ließ er eine Sammelhandschrift kompilieren, die neben seinem Saterian sowie verschiedenen Regularien und Statuten auch das ebenfalls französischsprachige Rückeroberungsmemorandum der Berater Karls II. von Anjou enthielt.67 Auch unter den Templern lassen sich solche Rechtsexperten ausmachen, darunter etwa der Priesterbruder Pierre de Bologne, der seinen Orden als gelehrter Kanonist im März 1310 vor einer päpstlichen Kommission gegen den Vorwurf der Häresie verteidigte.68 Doch insgesamt handelte es sich bei derartigen Fällen um Ausnahmen, denn auch im frühen 14. Jahrhundert konnten nur wenige der überwiegend illiteraten Angehörigen beider Orden rechtliche Expertise vorweisen und noch weniger von ihnen hatten ein Studium der Legistik oder Kanonistik absolviert.69 Guillaume selbst wies im Saterian auf diesen Umstand hin und äußerte zugleich die bescheidene Hoffnung, durch sein volkssprachliches Rechtstraktat zur Verbreitung der Kanonistik innerhalb seines Ordens beitragen zu können.70 Besonders augenscheinlich wurde das Fehlen von Rechtsgelehrten innerhalb des Ordens in den Auseinandersetzungen der Johanniter mit weltlichen Herrschern um das Ordensvermögen der Templer nach deren Auflösung im Jahr 1312. Wie Luttrell zeigen konnte, bemühten die Johanniter in den teils langwierigen Rechtsstreitigkeiten um Güter des Templerordens, die Clemens V. ihnen formal zugesprochen hatte, ausschließlich externe Advokaten, weil es in ihren eigenen Reihen keine entsprechend geschulten Akteure gab.71 Über den sozialen Hintergrund der administrativ-finanziellen Experten
BNF Ms. Franc. 6049, fol. 265r–298r. Das Werk ist auszugsweise wiedergegeben bei Delisle, Jean d’Antioche (1906), 34–39. In der Ritterordensforschung ist Guillaume vor allem als Kompilator der Regularien, Statuten und Privilegien des Johanniterordens geläufig, darunter u. a. die älteste erhaltene Formulierung der Ordensregel, vgl. Luttrell, Records (1998), 139; Nicholson, Knights Hospitaller (2003), 4; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 15 f.; Sarnowsky, Johanniter (2011), 77; Vann, Record Keeping (1998), 278. Über den Bildungsweg von Guillaume ist allerdings nichts weiter bekannt; für einen biographischen Überblick siehe Burgtorf, Sammlung (2009), 266–270; Delisle, Jean d’Antioche (1906), 22–25; Klement, Gastgeber (2010), 130–137; Luttrell, Lawyers (1965), 450. BNF Ms. Franc. 6049, fol. 183v–190r. Siehe dazu II.2.1.2. Barber, Trial (2006), 152–156; Demurger, Vie (1989), 317–319. Forey, Literacy (2009), 203–212; Luttrell, Lawyers (1965), 449–456; Nicholson, Knights Hospitaller (2003), 93. Delisle, Jean d’Antioche (1906), 33. Der erste Doktor des Kirchenrechts aus den Reihen des Ordens, ein Katalane namens Beltran de Tarragona, kann gar erst für das Jahr 1349 nachgewiesen werden, vgl. Luttrell, Lawyers (1965), 451. Luttrell, Lawyers (1965), 450.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
207
aus den Ritterorden kann demnach nur spekuliert werden. Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei ihnen nicht um gelehrte Juristen, sondern um Ordensangehörige, die in den Prioreien und Kommandanturen für die Administration der umfangreichen Ordensgüter verantwortlich waren.72 Folgt man dieser Hypothese, so waren es die Rechtsgelehrten, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als administrativ-finanzielle Experten in die Kreuzzugsplanungen hineindrängten und eine Funktion besetzten, die zuvor vorwiegend von den Ritterorden wahrgenommen wurde. Die epistemische Krise kreuzzugsbezogenen Wissens wirkte in diesem Prozess ohne Frage als Katalysator, weil die Rechtsgelehrten als neue Akteure in den Kreuzzugsplanungen nicht derselben Kritik ausgesetzt waren, mit der die Angehörigen der Ritterorden sich infolge ihrer militärischen Misserfolge auseinandersetzen mussten.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte Die Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes, welche die administrativfinanziellen Berater politischen Entscheidungsträgern unterbreiteten, waren inhaltlich nicht so breit gefächert wie die der Ratgeber anderer Subtypen, sondern fokussierten sich im Wesentlichen auf die Kreuzzugsfinanzierung sowie Legislation. Mit diesen beiden Schwerpunkten reagierten sie auf zwei Teilprobleme, die sich bei der Durchführung von Kreuzzügen ergaben: Erstens bedurfte es außerordentlicher finanzieller Mittel, um die Kreuzfahrer, ihre Ausrüstung, Versorgung sowie ihren Transport zu bezahlen, und zweitens galt es, die lateineuropäischen Besitzungen der Kreuzfahrer während ihrer Abwesenheit gegen mögliche Übergriffe zu schützen. Die Rückeroberungspläne der Finanzexperten konzentrierten sich meist zu großen Teilen auf die Lösung dieser beiden Probleme und berücksichtigten militärstrategische Fragen oder die Route der Kreuzfahrer überhaupt nicht oder nur am Rande. Im Vergleich zu den Vorschlägen der Ratgeber anderer Subtypen erreichte die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsexpertise in den Werken der Finanzexperten also ihr höchstes Ausmaß.
3.2.1 Die Finanzierung des Kreuzzuges In den Abhandlungen der administrativ-finanziellen Berater dominiert die Darstellung verschiedener Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges, denen im Durchschnitt 26,1% des Textes gewidmet ist. Diese Ausrichtung markiert einen signifikanten Unterschied zu den Ratgebern der anderen beiden Subtypen, welche diese Problematik gera Die extensiven Ordensgüter im Westen dienten größtenteils der Finanzierung des Ordens im Osten. Laut Barber waren um 1260 für den jährlichen Unterhalt eines Tempelritters im Outremer etwa 150 Mansen (ca. 1500 ha) Land aus den Ordensgütern in Burgund erforderlich, vgl. Barber, New Knighthood (1994), 230.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
dezu ignorierten (3,8% bzw. 1,1%). Die Akquise von Geldern für einen Kreuzzug war integral für dessen Erfolg, denn entgegen den Darstellungen zeitgenössischer Chronisten waren die Orientkreuzzüge von Beginn an keine Massenbewegung, sondern ein kostspieliges Elitenunternehmen: Die Ausrüstung, Versorgung und der (Schiffs-)Transport der Teilnehmer erzeugten immense Kosten, überdies erhielten viele Kreuzfahrer von den Fürsten, in deren Gefolge sie reisten und kämpften, eine Art Sold, der beglichen werden musste.73 Dieses stipendium war vor allem in der normannischen Militärorganisation üblich und wurde bereits von den Anführern des Ersten Kreuzzuges eingesetzt, um Truppen zu rekrutieren.74 Die Beschaffung von Mitteln für einen Kreuzzug stellte folgerichtig extreme Ansprüche an die Finanzen der beteiligten Herrscher. Der erste Kreuzzug Ludwigs IX. kostete den französischen König insgesamt etwa 1,5 Millionen tournesische Pfund, was Jordan zufolge ungefähr dem Sechsfachen der jährlichen Kroneinkünfte entsprach.75 Kapitalknappheit konnte also zu einem erheblichen Risiko werden. Während Ludwigs Kreuzzug drohten die Ritter im Gefolge des Jean de Joinville ihrem Herrn mit ihrer sofortigen Rückreise, nachdem er 1249 während des Aufenthaltes der Kreuzfahrer auf Zypern seine mitgeführten Finanzreserven erschöpft hatte und sie nicht länger bezahlen konnte.76 Mit der wachsenden Zahl bezahlter Gewaltprofessioneller in den (Kreuzfahrer-) Heeren sowie der steigenden Inflation wuchsen die Gesamtkosten von Feldzügen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stetig an und machten die Suche nach neuen Finanzierungsquellen für die Kreuzzüge nötig.77 Guillaume de Nogaret konstatierte 1311, heute würde man kaum 100 Ritter haben für den Sold und die Ausgaben, für die man 200 zu haben pflegte.78 Marino Sanudo veranschlagte 1321 zwei Millionen Goldflorin für einen Partikularkreuzzug von drei Jahren Dauer, was Housley zufolge etwa die zehnfachen Jahreseinkünfte der Apostolischen Kammer gewesen wären.79 Die Kostenfrage wurde so zu einem relevanten Entscheidungsfaktor in den Kreuzzugspla Zu den Kosten eines Kreuzzuges siehe u. a. Cardini, Costi (1978), 179–210; Housley, Costing (2003), 45–59; Riley-Smith, First Crusaders (2000), 109–123; Tyerman, Crusade (2015), 194–203. France, Victory (1999), 64 f.; Riley-Smith, First Crusaders (2000), 171; Tyerman, Paid Crusaders (2013), 1–15. Zur (anglo-)normannischen Militärorganisation siehe u. a. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 132 f.; France, Warfare (1999), 61–63; Prestwich, War (1954), 19–23. Dépenses de Saint Louis. Ed. Guigniaut/Wailly, 513–515; Fragmentum. Ed. Guigniaut/Wailly, 403–405; Hélary, Rois (2005), 76–80; Jordan, Louis IX (1979), 78 f. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 66. Contamine, Guerre (1980), 94–106; Verbruggen, Warfare (1997), 127–144. Siehe auch II.2.3.1. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200: hodie vix haberentur centum milites pro stipendiis vel expensis, pro quibus consueverant haberi ducenti. Wenngleich die von Guillaume de Nogaret angesprochene Teuerung sich auch anhand anderer Quellen aus dem Zeitraum belegen lässt, hat die Forschung berechtigterweise darauf hingewiesen, dass der französische Siegelbewahrer versuchte, die Kosten des Kreuzzugs zu dramatisieren, um Clemens V. und den anderen Konzilsteilnehmern höhere Zugeständnisse abzuringen, vgl. Cardini, Costi (1978), 179–210; Housley, Costing (2003), 45–59; Leopold, Holy Land (2000), 70. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 91 f.; Housley, Costing (2003), 48 f.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
209
nungen. Kardinal Arnaud de Pellegrue (†1331) ließ beispielsweise gegenüber der aragonesischen Gesandtschaft auf dem Viennense verlautbaren, seines Erachtens solle man unter den militärisch praktikablen Rückeroberungsplänen denjenigen ausführen, der weniger Kosten für die Kirche verursache.80 Ganze Kreuzzugsunternehmen konnten nun bereits in der Planungsphase an ihrer Unterfinanzierung scheitern, sodass einige Kreuzzugsforscher den chronischen Geldmangel von Päpsten und Königen als größtes Hindernis für die Kreuzzugsbewegung des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts ausgemacht haben.81 Die administrativ-finanziellen Berater äußerten sich in ihren Werken allerdings nicht nur deutlich häufiger und länger zur Kreuzzugsfinanzierung als die Vertreter der anderen Subtypen, sondern hoben sich auch qualitativ von ihnen ab. Während Letztere sich ausschließlich auf die im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts etablierten Finanzierungsroutinen stützten, versuchten die Finanzexperten bisher ungenutzte Geldquellen für den geplanten Kreuzzug zu erschließen. Constable zufolge können zwei Wege der Akquise von Mitteln für den Kreuzzug unterschieden werden: zum einen die Individualfinanzierung durch das Vermögen der einzelnen Kreuzfahrer und zum anderen die zentrale Finanzierung durch kirchliche Subsidien sowie die Mittel von Fürsten und Königen.82 Die ersten Kreuzfahrer finanzierten ihre Bewaffnung und Reise überwiegend durch den Verkauf von Eigentum und Grundrechten sowie die Verpfändung von Grundbesitz und regelmäßigen Einkommen, meist an lokale Klöster oder Domkapitel.83 Diese Form der individuellen Finanzierung barg allerdings ein signifikantes Risiko der Verschuldung, das die Kreuzfahrer durch zusätzliche Einnahmen aus Plünderungen sowie der Unterstützung ihrer Lehnsherren zu kompensieren oder durch ihre vorzeitige Rückreise zu vermeiden versuchten.84 Um ihre individuelle Ausgabenlast zu erleichtern, verlieh Papst Eugen III. Kreuzfahrern diverse Privilegien, zu denen auch die Exemtion von kirchlichen und weltlichen Abgaben sowie ein Moratorium für bestehende Schulden zählten.85 Neben diesen Formen der individuellen Kapitalakquise erhielten die Kreuzfahrer stets auch okkasionelle Zahlungen durch ihre Lehnsherren sowie, spätestens ab dem Zweiten Kreuzzug, auch durch den Papst.
Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 254, Nr. 130. Felten, Finanzierung (1991), 96; Housley, Avignon Papacy (1986), 159–162; Tyerman, Capetians (1986), 179–181. Constable, Financing (2016), 117–124. Constable, Financing (2016), 123–132; Tyerman, Crusade (2015), 204–213. Die Beteiligung von Fürsten an den individuellen Ausgaben der Kreuzfahrer war im 12. Jahrhundert allerdings regional unterschiedlich stark ausgeprägt. So hat Riley-Smith anhand von Grundstücksverkäufen nachweisen können, dass Graf Raimund IV. von Toulouse (✶1041 †1105) im Gegensatz zu den anderen Anführern der ersten Kreuzfahrer offenbar große Teile der Auslagen der Ritter in seinem Gefolge trug, vgl. RileySmith, First Crusaders (2000), 112 f. Riley-Smith, First Crusaders (2000), 149 f. Quantum predecessores. Ed. Große (1991), 90–92.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
1188 etablierte dann der englische König Heinrich II. mit dem sogenannten Saladinszehnten erstmals eine Steuer zur zentralen Finanzierung von Kreuzzügen, welche seine Untertanen verpflichtete, die Zehnten der Einkünfte des laufenden Jahres ihrer beweglichen Güter und ihres ganzen Vermögens, sowohl an Gold als an Silber als an allen anderen Dingen für den Kreuzzug zu geben.86 Im 13. Jahrhundert wurden solche Kreuzzugssteuern auch von kirchlicher Seite erhoben, so etwa die Besteuerung aller Einkünfte aus kirchlichen Benefizien über einen Zeitraum von drei Jahren durch das vierte Laterankonzil im Jahr 1215.87 Möglich war diese Steuer aufgrund der zunehmenden Durchsetzung einer Geldwirtschaft in großen Teilen des lateinischen Europas, welche auch zur Monetarisierung kirchlicher Pfründe führte, die zuvor meist in Form von Naturalien ausgezahlt worden waren.88 Die Besteuerung des Klerus „revolutionized the procedure of paying for crusading expeditions. In place of the mixture of feudal levies and tentative national taxes which characterized the twelfth century, a straight-forward tax now existed which could be collected with relative ease; the clergy complained loud and long, but caught between the pressure of pope and king they had no effective means of resistance.“89 In der Folgezeit wurden diese Steuern unumgänglich für die Zentralfinanzierung von Kreuzzügen. Jordan hat zeigen können, dass der französische König Ludwig IX. annähernd zwei Drittel seiner Aufwendungen für seinen ersten Kreuzzug aus der Besteuerung des französischen Klerus bestritt, die der Papst ihm über einen Zeitraum von fünf Jahren zugestanden hatte.90 Die Möglichkeit einer Besteuerung des Klerus zu Kreuzzugszwecken schuf allerdings auch einen neuen Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Päpsten und Königen, die sich fortan darum
Gervasius von Canterbury, Chronica. Ed. Stubbs, 409: decimas reddituum suorum unitus anni et omnium catallorum suorum tam in auro quam in argento et in omnibus aliis dabunt (...). Übers. Cartellieri, Philipp II., Bd. 2 (1906), 60. Siehe auch Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 335. Heinrich II. folgte damit vergleichbaren Steuern, die bereits 1166, 1183 sowie 1185 von ihm sowie dem französischen König Ludwig VII. für das subsidum Terrae Sanctae erhoben und an die Kreuzfahrerreiche gesandt worden waren, ohne einen Kreuzzug davon zu finanzieren, vgl. Constable, Financing (2016), 121–123. Die Suche nach neuen Finanzierungswegen ist möglicherweise auch auf die Inflationen der Zeit zurückzuführen. Der Kreuzzugszehnt, den Heinrich II. erstmals in den 1180er Jahren formulierte, korreliert mit der großen Inflation im Königreich England von 1180 bis 1220 und der zunehmende Einsatz von Finanzexperten in den Kreuzzugsplanungen ging einher mit der französischen Münzverschlechterung im frühen 14. Jahrhundert, vgl. Harvey, Inflation (1973), 3–30; Miethke, Philipp IV. (1996), 208 f. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 269. Barrow, Cathedrals (1990), 13–38. Housley, Avignon Papacy (1986), 162. Siehe auch Constable, Financing (2016), 121–123; Tyerman, Crusade (2015), 218–223. Jordan, Louis IX (1979), 79–104. Die Kreuzzüge auf der iberischen Halbinsel wurden seit der Herrschaftszeit Ferdinands III. von Kastilien (✶1199 †1252) ebenfalls aus einer Besteuerung des Klerus finanziert, die als tercias reales bekannt ist, vgl. O’Callaghan, Reconquest (2003), 159–162.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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stritten, wer von ihnen befugt war, diese Steuer zu erheben, und wofür ihre Erträge eingesetzt werden durften.91 Mit dem Verkauf von Kreuzfahrerablässen schuf das vierte Lateranum im Jahr 1215 ein weiteres Instrument der zentralen Finanzierung von Kreuzzügen. Die vom Konzil erlassene Konstitution Ad liberandam Terram Sanctam stellte jedem, der Geldoder Sachmittel für den Kreuzzug zur Verfügung stellte, etwa indem er die Ausrüstung von Kreuzfahrern finanzierte oder Schiffe für die Reise zur Verfügung stellte, den Erlass seiner zeitlichen Sündenstrafen in Aussicht.92 Zur gleichen Zeit etablierte sich auch der Loskauf von Kreuzfahrergelübden, den Innozenz III. 1213 mit der Bulle Quia maior erstmalig ermöglichte, bis er dann 1234 von Gregor IX. (†1241) mit Rachel suum videns endgültig im Kirchenrecht festgeschrieben wurde. Die Päpste reagierten damit auf Zeitgenossen, die zwar das Kreuz genommen hatten, aber ihr Gelübde aufgrund von Krankheit, Geldnot oder lokalen Konflikten nicht wahrnehmen konnten, und ermöglichten ihnen, sich gegen eine einmalige Zahlung von ihrem Kreuzzugsgelübde freizukaufen.93 Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde diese Trias aus Steuern, Ablassverkauf und Dispens von Gelübden schließlich zur wichtigsten Einnahmequelle für alle Kreuzfahrer, während die individuelle Mittelbeschaffung durch den Verkauf von Eigentum und Grundrechten demgegenüber nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. Für den Kreuzzug des Prinzen Eduard lässt sich anhand von Einzelfällen nachweisen, dass ungefähr drei Viertel der individuellen Auslagen von Kreuzfahrern aus diesem zentralen Mittelbestand beglichen wurden.94 Da jeder Kreuzfahrer in diesem Zeitraum auf die monetäre Unterstützung der Zentralherrschaften angewiesen war, hat Hélary von einer „étatisation“ des Kreuzzuges bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gesprochen.95 Sofern sie die Finanzierung des geplanten Kreuzzugs überhaupt thematisieren, favorisierten die Berater des militärischen und geographisch-ethnographischen Subtyps den im 12. Jahrhundert etablierten modus operandi und stützten ihre Kreuzzugsprojekte ausschließlich auf Steuern und Individualfinanzierung. Ramon Llull und Guillelmus Adae proponierten nach dem Modell des vierten Lateranums, die Einkünfte aus
Brundage, Canon Law (1995), 113 f. Siehe auch Fußn. 11. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 268; 271. Der Erlass von Sünden gegen Geldspenden für den Kreuzzug war 1188 bereits ad hoc praktiziert worden, wurde allerdings erst durch das vierte Laterankonzil kirchenrechtlich fixiert, vgl. Georgiou, Preaching (2018), 101; Smith, Crusade Call (2019), 2–23; Tyerman, Crusade (2015), 213–215. Brundage, Canon Law (1969), 131–138. Der Dispens von Kreuzfahrergelübden im Austausch für finanzielle Gegenleistungen war unter zeitgenössischen Theologen durchaus umstritten und zählte auch zu den Punkten, die der Franziskaner Gilbert von Tournai auf dem zweiten Konzil von Lyon heftig kritisiert hatte, vgl. Gilbert von Tournai, Collectio. Ed. Stroick, 39 f. Lloyd, Crusade (1986), 126 f.; Tyerman, England (1988), 195. Hélary, Dégoût (2009), 30.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
kirchlichen Benefizien zu besteuern.96 Die Besteuerung des Klerus planten auch ausnahmslos alle Berater des administrativ-finanziellen Subtyps, wenngleich sie mitunter uneinig über die Höhe der Abgaben, deren Dauer oder regionale Reichweite waren. Insbesondere Letzteres war unter den Experten durchaus umstritten, so forderten Guillaume de Nogaret, Pierre Dubois und die Johanniter die Erhebung dieser Steuer in der gesamten lateinischen Christenheit.97 Um eine korrekte Besteuerung zu gewährleisten, erachtete der französische Siegelbewahrer sogar eine neuerliche Schätzung des gesamten Kirchenbesitzes für notwendig, zog diese ambitionierte Forderung jedoch in einer späteren Redaktion seiner petenda zurück.98 Bischof Guillaume Le Maire, der bereits 1294 und 1299 mit zwei drastisch formulierten Mahnbriefen an Philipp IV. die Steuerlast des französischen Klerus beklagt hatte,99 wollte dagegen Königen und Fürsten für ihre Kreuzzugsprojekte nur die Abgaben des Klerus aus ihrem eigenen Herrschaftsbereich zugestehen und dies auch nur auf Beschluss eines kirchlichen Generalkonzils.100 Bei der Erhebung einer Kreuzzugssteuer handelte es sich demnach um eine etablierte planerische Routine, die in ihrem Kern von der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens auch nicht betroffen war und allein hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung diskutiert, nicht aber grundsätzlich in Frage gestellt werden konnte. Dafür spricht auch, dass der Finanzexperte Guillaume Durand sich in seiner Informatio gar nicht erst damit beschäftigte, die Funktionsweise der Steuer selbst zu erläutern, sondern stattdessen direkt dazu überging, zu erklären, welcher Teil des Klerus von der Steuer ausgenommen werden sollte.101 Lediglich Fidenzio von Padua sprach sich explizit gegen eine Kreuzzugsteuer aus und schlug stattdessen vor, den Kreuzzug allein aus den individuellen Mitteln der Kreuzfahrer zu finanzieren. Diese Vorgehensweise, so der Franziskaner, ziele auf all jene Menschen, die genug Reichtümer halten und besitzen und daher in der Lage wären, die Ausgaben für sich zu zahlen, [aber] dennoch nicht gegen die Ungläubigen kämpfen
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 60; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 271 f.; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 330; 352 f.; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 151. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 230–232; Ders., Oppinio. Ed. Langlois, 138; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 204. ANF J 456/36/2. Dass die Bewertung von Kirchenbesitz durch die Zeitgenossen mitunter als problematisch wahrgenommen wurde, deutete auch Pierre Dubois an, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 84. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 138–147; 179–186. Zu den Briefen an den König siehe Ubl, Figur (2015), 226–230. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 291 f. Seitens der Prälaten war die päpstliche Legislativgewalt über die Besteuerung des Klerus keineswegs unumstritten. Neben Guillaume Le Maire stellten auch einige der 1291 von Nikolaus IV. einberufenen Provinzkonzile heraus, dass eine Kreuzzugsteuer ausschließlich von einem Generalkonzil beschlossen werden könne, vgl. Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1105; Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 581 f. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 106 f.
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wollen, außer sie bekämen reichliche Gelder der hochheiligen Kirche, die einige von ihnen bald darauf durch sündhaftes und allzu vornehmes Leben schnell verbrauchen und zunichtemachen [würden].102 Fidenzio kehrte auf diese Weise das Finanzierungsproblem um: Aus dem als problematisch wahrgenommenen Kostenrisiko wurde eine Charakterprobe für die Kreuzfahrer und zugleich eine Versicherung dafür, dass der Kreuzzug auch tatsächlich stattfinden würde. Wenngleich Fidenzios Vorschlag in seiner Radikalität eine Ausnahme darstellte, so war er nicht der einzige unter den Beratern der beiden anderen Subtypen, der auf das ältere Modell der Individualfinanzierung zurückzugreifen gedachte. Jacques de Molay, Guillelmus Adae sowie die Berater Heinrichs II. von Lusignan schlugen vor, dass die für den Kreuzzug benötigten Schiffe von Seehandelsstädten oder lokalen Machthabern wie den Zaccaria von Chios finanziert werden könnten. Gonzalo de Hinojosa vertrat wiederum die Ansicht, der französische und okzitanische Adel solle die Kosten für die Ausrüstung der Kreuzfahrer tragen.103 In den Ratschlägen der Berater des administrativ-finanziellen Subtyps spielte die Individualfinanzierung hingegen, abgesehen von dem obligatorischen Schuldenmoratorium für Kreuzfahrer, keinerlei Rolle. Stattdessen thematisierten diese Finanzexperten mit dem Loskauf von Gelübden sowie der Möglichkeit, Ablässe gegen Spenden für den Kreuzzug zu erwirken, zwei weitere routinemäßige Instrumente der Kreuzzugsfinanzierung.104 Ihre Vorschläge zur Spendenakquise fielen dabei aus seelsorgerischer Sicht mitunter recht drastisch aus: Die Johanniter forderten etwa, dass Priester die Kranken in ihren Gemeinden dazu anhalten sollten, den Kreuzfahrern Teile ihres Vermögens testamentarisch zu vermachen.105 Obgleich sowohl der Loskauf von Kreuzfahrergelübden als auch der Ablassverkauf bereits seit dem beginnenden 13. Jahrhundert praktiziert wurden, fanden sie keinen Niederschlag in den Rückeroberungsplänen der Berater anderer Subtypen, was wiederum das Ausmaß der Spezialisierung höfischer Finanzexperten illustriert. Eine Ausnahme bildeten die Verfasser der Memoria Terre Sancte sowie die Berater König Karls II. von Anjou, deren Werke zwar in das inhaltsanalytische Cluster der geographisch-ethnographischen bzw. militärischen Berater fallen, aber wahrscheinlich unter der Mitwirkung von Finanzexperten zusammengestellt wurden und dementsprechend den Versuch erkennen lassen, neue Möglichkeiten der Kreuzzugsfinanzierung zu erschließen.
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 42: Et hoc est contra plures homines, qui cum sint satis divites et habeant, unde possint sibi sufficere in expensis, nolunt tamen, bellare contra infideles, nisi habeant larga stipendia sacrosancte ecclesie; que postmodum, aliqui eorum, carnaliter et nimis laute vivendo, cito consumunt et destruunt. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 117; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 457 f.; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 48–54; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148 f. Lunt, Revenues, Bd. 1 (1934), 125; Riley-Smith, First Crusaders (2000), 113–123; Tyerman, Crusade (2015), 213–218. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 609.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen für den Kreuzzug stießen die Finanzexperten auf die Annaten, also Abgaben an die Apostolische Kammer in Höhe der Einkünfte des ersten Jahres aus allen vom Papst zu besetzenden niederen Benefizien.106 Im 13. Jahrhundert waren diese fructus primi anni üblicherweise noch dem ordentlichen Kollator zugekommen, so hatten viele Bischöfe die Annaten ihres Diözesanklerus eingezogen. Obgleich die Annatenerhebung wahrscheinlich bereits seit dem 11. Jahrhundert im partikularkirchlichen Bereich praktiziert wurde, war sie kirchenrechtlich nicht eindeutig geregelt und wurde dementsprechend regional unterschiedlich gehandhabt. Mit Clemens V., der 1306 die Jahreseinkünfte aller vakanten Benefizien in England, Irland und Schottland über einen Zeitraum von drei Jahren beanspruchte, begannen schließlich auch Päpste, okkasionell und für einen begrenzen Zeitraum Annaten zu erheben, stießen dabei allerdings auf den Widerstand der Ortskirchen.107 Abgesehen von Guillaume Le Maire war den Beratern des administrativ-finanziellen Subtyps das monetäre Potential der Annaten ebenso wie das kircheninterne Ringen um diese Abgabe bekannt, weshalb sie vorschlugen, zeitlich begrenzte Annatenerhebungen zur Finanzierung des Kreuzzuges einzusetzen.108 Derartige Forderungen scheinen zunächst ein erheblicher Streitpunkt gewesen zu sein, denn Guillaume de Nogaret, der auf dem Konzil von Vienne zunächst proponierte, die Annaten der gesamten römischen Kirche über einen unbestimmten Zeitraum dem französischen König zu Kreuzzugszwecken zu überantworten, strich diese Forderung in einer späteren Redaktion seines Werkes ersatzlos.109 Schlussendlich folgten die Päpste jedoch den Vorschlägen dieser oder anderer Finanzexperten, denn 1317 reklamierte Johannes XXII. mit der Dekretale Suscepti regiminis die Annaten für die Apostolische Kammer und versprach postwendend, dem französischen König Philipp V. die Einnahmen aus seinem Reich in den kommenden vier Jahren für den geplanten Kreuzzug zu überlassen.110
Bäumer, Annaten (1980), 662; Kéry, Annaten (2008), 247 f. Die Zeitgenossen des 13. und 14. Jahrhunderts unterschieden die Annaten ferner von den Servitien, d. h. Abgaben von Prälaten an die Apostolische Kammer anlässlich ihrer Ernennung, vgl. Bäumer, Servitien (1995), 1795. Denzel, Kreuzzugssteuer (2018), 136–138; Lunt, Levy (1912), 48–64; Ders., Revenues, Bd. 1 (1934), 93–99. Zu den Ursprüngen der Annaten im partikularkirchlichen Bereich, vgl. Petersen, Annatenerhebung (2002), 165–175. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 106; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 204; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 439. Pierre Dubois plante dagegen, die Annaten im Zuge einer allgemeinen Kirchenreform weltlichen Herrschern zu überantworten, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 80. Die Berater Karls II. von Anjou zogen die Annaten wahrscheinlich nicht in Betracht, weil sie ihren Conseill 15 Jahre vor der ersten Annatenerhebung durch Clemens V. verfassten, siehe dazu II.2.1.2. ANF J 456/36/2. Zu Beginn seines Werkes merkte er an, der Papst müsse dem französischen König über einen langen Zeitraum von 10 oder gar 20 Jahren kirchliche Mittel für den Kreuzzug zur Verfügung stellen, was wahrscheinlich auch die Annaten einschloss, vgl. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 201. CIC Extrav. Joh. 1.2; RJF, Nr. 27.
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Die Annaten waren derweil nicht die einzigen kirchenrechtlich umstrittenen Geldmittel, welche die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps als Einnahmequelle für den Kreuzzug zu erschließen versuchten. Einen weiteren Ansatzpunkt bildete das bereits seit dem frühen Mittelalter umkämpfte Spolienrecht am beweglichen Nachlass verstorbener Kleriker, welches Pierre Dubois, Guillaume de Nogaret und die Johanniter aufgriffen. Seit der Spätantike beanspruchten die Ortskirchen auf römischrechtlicher Grundlage das Vorrecht auf diese Erbmasse, doch ab dem 9. Jahrhundert reklamierten vor dem Hintergrund des Eigenkirchwesens auch weltliche Herrscher immer wieder das Spolienrecht innerhalb ihrer Grundherrschaften für sich. Kanonisten beschäftigte zugleich die Frage, ob ein geistlicher Erblasser überhaupt testamentarisch über die gesamte Erbmasse verfügen durfte oder allein über den Teil, der nicht mittels kirchlicher Pfründe erworben wurde, sowie den Teil, den er bereits vor seiner Weihe besaß.111 Die unklare Rechtslage führte wiederholt zu Nachlassstreitigkeiten, was Guillaume de Nogaret und Pierre Dubois dazu veranlasste, im Falle solcher legata indistincta das Vermögen der Verstorbenen für den Kreuzzug einzufordern. Dubois subsumierte darunter offenbar vor allem die Nachlässe, bei denen der Erbnehmer unbekannt oder unauffindbar war, sowie das Vermögen testamentlos verstorbener Kleriker, welches neben dem normannischen Juristen auch die Johanniter für den Kreuzzug akquirieren wollten.112 Päpste hatten schon ab der Mitte des 13. Jahrhunderts wiederholt versucht, gegen den Widerstand der Ortskirchen und weltlicher Herrscher den testamentarisch nicht geregelten Nachlass von Klerikern zu beanspruchen, doch erst in der avignonesischen Zeit wurde dieser Posten zu einer regelmäßigen Einkommensquelle der Apostolischen Kammer.113 Ähnlich wie bei den Annaten folgten die Päpste auch in diesem Fall dem Ratschlag der Finanzexperten, denn im Jahr 1333 versprach Johannes XXII. dem französischen König Philipp VI. für dessen Kreuzzug den Nachlass all jener Kleriker, die in den kommenden sechs Jahren in seinem Reich versterben würden, ohne ein Testament hinterlassen zu haben.114 Neben der Rückbindung an Streitfragen des kanonischen Rechts illustrieren die Fälle der Annaten und des Spolienrechts, wie der Kreuzzug eingesetzt werden konnte,
Zum Spolienrecht siehe u. a. de Saint Palais d’Aussac, Droit (1930); Eisenberg, Spolienrecht (1895); Mollat, Droit (1933), 316–343; Petke, Spolienrecht (1995), 15–27; Prochnow, Spolienrecht (1912); Willimann, Right (1988), 1–28. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 609; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 203; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 82–84. Lunt, Revenues, Bd. 1 (1934), 103–107; Petke, Spolienrecht (1995), 34 f.; Willimann, Right (1988), 13–18. Meyer spricht in solchen Fällen von „päpstlicher Reservation“, die vor den avignonesischen Päpsten vornehmlich als postmortale Vollstreckungsmaßnahme gegenüber Prälaten diente, die bei der Kurie verschuldet waren, vgl. Meyer, Spolienrecht (1991), 399–405. Zu den ersten Fällen päpstlicher Reservation zählt der Versuch von Innozenz IV. im Jahr 1246, den Nachlass aller ohne Testament verstorbener Kleriker im Königreich England einzuziehen, vgl. Willimann, Right (1988), 15. RJ, Nr. 61324; RJF, Nr. 5211. Zur Finanzierung des von Philipp VI. geplanten Kreuzzugs siehe Tyerman, Philip VI (1985), 28–31.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
um den zentralherrschaftlichen Anspruch auf kirchenintern umstrittene Gelder zu legitimieren. Die administrativ-finanziellen Ratgeber traten in diesem Konflikt als Vertreter von Päpsten und Königen auf und versuchten den Umstand zu nutzen, dass der Kreuzzug spätestens seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein leerer Signifikant war, der sich problemlos mit fiskalpolitischen Maßnahmen zu Gunsten der Zentralherrschaften verbinden ließ.115 Durch den Verweis auf das hehre Ziel der Rückeroberung des Heiligen Landes ließen sich demnach gegenüber den Ortskirchen neue Abgaben rechtfertigen, die ohne die Bezugnahme auf den Kreuzzug keinerlei Zustimmung gefunden hätten. Diese Konfiguration machte die Kreuzzugsplanungen zu einem idealen Experimentierfeld für neue fiskalpolitische Maßnahmen, die schlussendlich nicht nur zur Finanzierung des Kreuzzuges, sondern auch zur Deckung des stetig steigenden Finanzbedarfs der Zentralherrschaften selbst eingesetzt werden konnten. Einige Experten des administrativ-finanziellen Subtyps behaupteten überdies, die Verwaltung der Kirche sei schlecht organisiert, sodass sich durch Reformen (vermeintlich) ungenutzte Kirchenmittel für den Kreuzzug mobilisieren lassen könnten. Die Verfasser der Memoria konstatierten ebenso wie die Johanniter eine Überzahl an Kanonikern und schlugen dementsprechend vor, ab sofort in jeder Diözese eine bestimmte Menge von Kanonikerstellen unbesetzt zu lassen, um die Einkünfte der freigewordenen Benefizien dem Kreuzzug zuzuführen.116 Pierre Dubois und die Johanniter griffen zudem die Kritik zeitgenössischer Kirchenreformer an den Trägern mehrerer Benefizien auf und forderten, dass alle Kleriker, die ohne päpstlichen Dispens multiple Benefizien hielten, die Einkünfte ab der zweiten Pfründe für den Kreuzzug entrichten sollten.117 Pierre Dubois und Guillaume de Nogaret planten zudem, durch die Reorganisation von Klöstern zusätzliche Mittel zu beschaffen. Dubois konstatierte diesbezüglich, dass zahlreiche Abteien unnötige Priorate unterhielten, die nur aus drei oder vier Mönchen bestünden und zugunsten des Kreuzzuges aufgelöst werden könnten.118 Guillaume de Nogaret behauptete wiederum, das Stiftungsvermögen vieler Klöster sei durch ihre Stifter zu großzügig bemessen worden und werde durch den Konvent allein nicht ausgeschöpft. Der Papst
Laclau, Empty Signifiers (2007), 36–46; I.2.1. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 439 f. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 609; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 110–112. Kritik an Geistlichen, die multiple Benefizien hielten, äußerten u. a. auch der Dominikanermeister Humbert von Romans auf dem zweiten Konzil von Lyon sowie Ramon Llull auf dem Viennense, vgl. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 205; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 151. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 108. Einen ähnlichen Vorschlag hatte Humbert von Romans bereits dem zweiten Konzil von Lyon unterbreitet, vgl. Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 224 f.
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solle deshalb eine Prüfung aller Klöster anordnen, um ungenutztes Stiftungsvermögen zu identifizieren und für den Kreuzzug abzuführen.119 Die Maßnahmen der anderen Finanzexperten verblassen jedoch im Vergleich zu dem radikalen Reformprojekt des Pierre Dubois, der die großflächige Enteignung geistlichen Grundbesitzes in der gesamten lateinischen Welt anstrebte. Den Kirchenvätern zufolge, so der Jurist, sind Regular- und Säkularkanoniker nicht die Herren der Kirchengüter, sondern nur [deren] Verwalter, weshalb es angesichts der gegenwärtigen Verschwendung von Kirchenvermögen durch den Klerus legitim sei, ihre Besitzungen dem Kreuzzug zuzuführen.120 Die Administration der vormaligen Kirchengüter solle anschließend in Erbpacht vergeben und die enteigneten Würdenträger durch den jeweiligen Vogt mit einer jährlichen Pension aus den Erträgen ihrer einstigen Besitzungen unterhalten werden. Selbst das Patrimonium Petri, welches seit der legendären Konstantinischen Schenkung im Besitz der Päpste war, sollte laut Dubois in den Besitz der französischen Herrscher überführt und hernach durch einen von ihnen bestellten Vogt verwaltet werden.121 Mit der Erbpacht oder emphiteosis (von griech. emphyteusis) bediente sich der Jurist einer nördlich der Alpen vergleichsweise neuen Vertragsform, die ursprünglich aus dem römischen Recht stammte und in Italien weit verbreitet war, bevor sie 1298 über den Liber Sextus auch Eingang in das kanonische Recht gefunden hatte.122 Obwohl Dubois seine Reformpläne auf eine kirchenrechtliche Grundlage stellte und überdies auch an einen seitens der Legisten am französischen Hof durchaus bestehenden Etatismus anknüpfen konnte, waren seine Reformen offenkundig zu ikonoklastisch und wurden im Rahmen der Kreuzzugsplanungen nicht weiter verfolgt.123 Dennoch illustrieren solche radikalen Vorhaben, dass die epistemische Krise kreuzzugsbezogenen Wissens den Möglichkeitsraum erheblich geöffnet hatte und selbst eine Aufhebung des Patrimonium Petri nicht mehr undenkbar erschien. Einige Berater des administrativ-finanziellen Subtyps versuchten nicht nur innerhalb des Klerus neue Geldquellen zur Finanzierung des Kreuzzuges zu erschließen, sondern auch das Vermögen von Laien nutzbar zu machen. Die Verfasser der Memoria schlugen vor, der Papst solle verfügen, dass alle Ordens- und Weltgeistlichen, die Beichten hören, Sündenbekenntnisse und die Buße auferlegen, am Karfreitag im Gedenken an die Kreuzigung unseres Herrn Jesu Christi demütig einen Denar zur Verteidigung und Be-
Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 203 f. Zum Stiftungsvermögen von Klöstern siehe Borgolte, Enzyklopädie, Bd. 1 (2014), 173–176. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 110: secundum statuta sanctorum Patrum, clerici religiosi et seculares non sunt domini rerum ecclesiarum sed solum administratores (...). Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 80–88. Rexroth, Pierre Dubois (2008), 327–329. Für das Dekret Hoc consultissimo, mit dem die Erbpacht durch Papst Gregor X. im Anschluss an das römische Recht neu definiert wurde, vgl. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 325. Brandt, Pierre Dubois (1930), 507–521; Jones, Rex (2003), 51–53; Krynen, Rex (1989), 79–96; Langlois, De recuperatione (1891), XVII; Zeck, Publizist (1911), 47–74.
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wachung des Heiligen Landes spenden (...).124 Diese „Beichtgebühren“ standen zwar in der Tradition, Ablässe durch Spenden für den Kreuzzug zu erwirken, scheinen im Gegensatz dazu allerdings als obligatorische Abgabe konzipiert worden zu sein. Eine im Rahmen der Kreuzzüge bisher nicht praktizierte Vorgehensweise schlugen dagegen die Berater Karls II. vor, denn sie planten einen Zehnten aller Käufe und Verkäufe in der gesamten lateinischen Christenheit für die Rückeroberung des Heiligen Landes zu erheben.125 Das Vorbild dieser Abgabe war höchstwahrscheinlich die Besteuerung des Handels, welche vor allem in den mediterranen Seehandelsstädten, aber auch im englischen Königreich üblich war. In Genua mussten ortsfremde Kaufleute bei Verkäufen eine Steuer in Höhe von einem Zwanzigstel des Warenwertes an die städtischen Autoritäten entrichten und die englischen Könige besteuerten seit der Mitte des 13. Jahrhunderts immer wieder den Export von Wolle.126 Auch die Johanniter versuchten, außerkirchliche Einnahmequellen für den Kreuzzug zu erschließen, und empfahlen dem Papst deshalb, zwischen einem Zehntel und der Hälfte des Vermögens aller in Lateineuropa lebenden Juden zur Rückeroberung der heiligen Stätten zu konfiszieren, denn um die Heilige Stadt Jerusalem zu erobern sollte Unterstützung gewonnen werden (...) aus den Gütern jener, die den Sohn der [heiligen] Jungfrau [dort] an des Kreuzes Querbalken geschlagen haben (...).127 Das geplante Vorgehen der Ordensritter gegen die Juden war allerdings nicht ohne Präzedenzfall, sondern erfolgte vor dem Hintergrund einer Welle von Enteignungen jüdischer Vermögen in den vergangenen zwei Dekaden, etwa in den Königreichen England (1290), Neapel (1292) und Frankreich (1306), deren Einnahmen ganz oder teilweise an die königliche Kammer geflossen waren.128 Insgesamt bildeten derartige Pläne jedoch eine Ausnahme und schlussendlich wurde keiner der drei Finanzierungsvorschläge umgesetzt. Ein zeitgenössisches Instrument der Mittelakquise, das die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps in ihren Ratschlägen bemerkenswerterweise kollektiv verschmähten, waren Kredite. Darlehen von Banken, Handelskompanien und Ritterorden waren bereits seit dem 12. Jahrhundert unumgänglich für die Individualfinanzierung von Kreuzzügen, zumal die meisten Kreditgeber auch über Niederlassungen im östlichen Mittelmeerraum verfügten und dort umgehend auf Liquiditätsengpässe der Kreuzfahrer
Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 438 f.: quod omnes presbiteri religiosi et seculares, qui confessiones audirent, confitentibus et nomine penitentie iniungerent ut, die Veneris sancta, in memoria crucifixionis Domini nostri Jhesu Christi, unum denarium ad defensionem Terre sancte et gardiam humiliter largirentur (...). Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 357: Item conseille le dis rois que toutes ventes et achas qui se feront par le monde que li dismes de dyeu qui est bailies puisse venir en la main dou dit maistre et de la religion por la sustenance de la dite terre. Epstein, Genoa (1996), 38; Prestwich, War (1972), 195–198. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 610: ad acquirendum sanctam civitatem Jherusalem debeat haberi subsidium (...) de bonis illorum qui illic Virginis Filium crucis affixerunt patibulo (...). Siehe dazu u. a. Kummel, Jewishness (2011), 23–46; Prestwich, War (1972), 201 f.; Scheller, Situation (2009), 154–157; Ders., Stadt (2013), 31–51.
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reagieren konnten. In der zunehmend zentralisierten Kreuzzugsfinanzierung des 13. Jahrhunderts nahm die Bedeutung von Krediten weiter zu, da die Erhebung von Kreuzzugssteuern ein langwieriges Unterfangen war, Könige und Fürsten aber umgehend Geldmittel benötigten, um davon ihre Armeen ausrüsten zu können.129 Claverie hat die Relevanz Genueser Bankiers für den ersten Kreuzzug Ludwigs IX. herausgestellt und behauptet, dass ihre „intervention paraît avoir sauvé la couronne d’une banqueroute annoncée, Louis IX étant incapable à la fin de l’année 1251 d’envoyer des fonds à la garnison de Château-Pèlerin.“130 Renouard hat gar spekuliert, das Nachlassen päpstlicher Rückeroberungsbemühungen unter Clemens VI. sei auf den Konkurs der Florentiner Bankhäuser Acciaiuoli, Bardi und Peruzzi zurückzuführen, von denen die Apostolische Kammer seit Beginn der avignonesischen Zeit den Großteil ihrer Kredite bezogen hatte.131 Die Templer und Johanniter fungierten selbst als Kreditgeber und vergaben bereits seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Darlehen für Kreuzfahrer.132 Vor diesem Hintergrund erscheint es erklärungsbedürftig, warum weder die Finanzexperten noch die Berater anderer Subtypen das zeitgenössische Kreditwesen thematisierten. Angesichts des Umstandes, dass die Johanniter zur Eroberung von Rhodos umfängliche Darlehen bei genuesischen Bankiers aufnahmen, die sie noch 15 Jahre später nicht vollständig getilgt hatten, steht jedenfalls außer Frage, dass sie der Kreditaufnahme Relevanz für die Finanzierung von Kreuzzügen beimaßen.133 Da sie Darlehen in ihren Memoranden nicht erwähnten und sich darüber hinaus auch keine Bankiers in den höfischen Kreuzzugsplanungen nachweisen lassen, erachteten zeitgenössische Kreuzzugsplaner die Kreditvergabe wahrscheinlich als Bestandteil höfischen Allgemeinwissens und erwarteten folgerichtig von den Finanzexperten nichts weiter, als durch kreative Wege der Mittelakquise für die notwendige Deckung dieser Kredite zu sorgen. Möglicherweise trug auch das kirchenrechtlich fixierte Zinsverbot dazu bei, dass Kreuzzugsberater sich zumindest schriftlich nicht über Kredite zu äußern ver-
Housley, Avignon Papacy (1986), 194–198; Prestwich, War (1972), 204 f. Während des ersten und zweiten Kreuzzuges waren es jedoch vor allem religiöse Institutionen wie Klöster und Kathedralkirchen, die den Kreuzfahrern für die Verpfändung ihres Grundbesitzes oder Eigentums Darlehen einräumten, vgl. Constable, Financing (2016), 123–126; Tyerman, Crusade (2015), 211–213. Claverie, Éclairage (2001), 632. Renouard, Relations (1941), 166–185 u. in Anschluss daran Housley, Avignon Papacy (1986), 194–198. Zum Konkurs der Florentiner Bankhäuser zu Beginn der 1340er siehe u. a. Goldthwaite, Economy (2009), 241–245. Die Peruzzi finanzierten u. a. die Kreuzzugsbemühungen des französischen Königs Karl IV., dem sie im März 1323 8.000 Pariser Pfund für seinen Partikularkreuzzug liehen, vgl. Journaux du trésor de Charles IV. Ed. Viard, 482, Nr. 2756. Barber, New Knighthood (1994), 266–278; Demurger, Ordres (2017), 166–183; Metcalf, Templars (1980), 1–13; Nicholson, Knights Hospitaller (2003), 130–106; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 144 f. Luttrell, Hospitallers (1975), 289–291. Von den Tilgungsbemühungen des Ordens unter Hélion de Villeneuve zeugen diverse in der maltesischen Nationalbibliothek erhaltene Urkunden aus den 1320er Jahren, so u. a. AOM Sek. 1, Arch. 16, Nr. 20; AOM Sek. 1, Arch. 20, Nr. 6.
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mochten, obwohl sie de facto zur Finanzierung des Kreuzzugs erforderlich waren und genutzt wurden.134 Retrospektiv betrachtet ist das Kreditwesen nicht die einzig überraschende Leerstelle in den Rückeroberungsvorschlägen der administrativ-finanziellen Berater. Obwohl sie ausführlich mögliche Geldquellen für die Kreuzfahrer erörterten, machten sie keinerlei Angaben darüber, wie viel Geld überhaupt für den Kreuzzug erforderlich gewesen wäre. Auch in den Werken nahezu aller anderen Berater fehlen derartige Berechnungen gänzlich. Zugleich steht jedoch zumindest für den französischen Hof und die päpstliche Kurie außer Frage, dass die Mehrzahl der Berater die Gesamtkosten gekannt haben muss, denn in der Korrespondenz der französischen Krone mit den Päpsten wurden konkrete Beträge diskutiert.135 Dafür sprechen auch zwei zu Beginn der 1320er Jahre von der französischen Rechnungskammer angefertigte Dokumente, in denen die königlichen Finanzbeamten die Kosten des ersten Kreuzzuges Ludwigs IX. detailliert auflisteten, der zu diesem Zeitpunkt mehr als 70 Jahre zurücklag.136 Politische Entscheidungsträger verließen sich in der Kostenfrage also auf die Aufzeichnungen ihrer Finanzverwaltung über vergangene Kreuzzüge und andere bewaffnete Konflikte, die offenbar von der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens nicht betroffen waren.137 Die Finanzexperten und andere Kreuzzugsplaner bezogen sich wiederum implizit auf dieses Wissen, so klagte Guillaume de Nogaret 1311 über die gestiegenen Kosten für milites und auch die Kardinäle, die Johannes XXII. 1323 um ihren Rat hinsichtlich der französischen Kreuzzugspläne gebeten hatte, diskutierten die möglichen Gesamtkosten des geplanten Kreuzzugsunternehmens.138 Für andere Elemente der Kostenplanung blieben politische Entscheidungsträger dennoch auf den Ratschlag von Experten angewiesen. Dazu zählten etwa die Aufwendungen für die zur Versorgung der Kreuzfahrer notwendigen Viktualien, deren Beschaffungspreis durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sowohl regional als auch zeitlich stärker fluktuierte als der Sold eines Ritters. Für diese Expertise riefen sie die Vertreter von Seehandelsstädten an, die in den mediterranen Handel eingebunden waren und die aktuellen Warenpreise im östlichen Mittelmeerraum kannten. Philipp VI. fragte 1331 die venezianischen Gesandten an seinem Hof nach den gegenwärtigen Be-
Brundage, Canon Law (1995), 77–79. Karl IV. veranschlagte 1.600.000 tournesische Pfund pro Jahr für seinen Partikularkreuzzug, woraufhin Johannes XXII. von ihm eine Reduktion der Ausgaben auf 1.200.000 Pfund forderte, vgl. RJF, Nr. 1848. Zu den Verhandlungen über den Kreuzzug zwischen französischer Krone und Kurie in den 1320ern siehe Felten, Finanzierung (1991), 79–99; Housley, Negotiations (1980), 166–185. Dépenses de Saint Louis. Ed. Guigniaut/Wailly, 513–515; Fragmentum. Ed. Guigniaut/Wailly, 403–405. So u. a. der bereits erwähnte Bericht über die französischen Flottenplanungen aus den Jahren 1317–1318 in Bourel de la Roncière, Escadre (1893), 413–415. Siehe dazu I.2.2. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200; RJF, Nr. 1693–1701; RJF, Nr. 1702–1704; RJF, Nr. 1706–1708.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
221
Tab. 5: Kosten für den Nahrungsverbrauch eines Seemanns nach Sanudo. Gegenstand
Kosten/Tag
Kosten/Monat
Kosten/Jahr
Getrocknetes Brot
/ Denare
Solidi Denare
Solidi Grossi Grosso Denare
Wein
/ Denare
Grossi / Denare
Solidi Grossi Grosso Denare
Pökelfleisch
/ Denar
Grosso Denare
Grossi Denare
Käse
Denar
Denare
/ Grossi
Gemüse
/ Denar
/ Denare
Grossi Denar
schaffungskosten von Wein und Getreide auf Kreta.139 Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass die einzigen beiden Kreuzzugsmemoranden, die detaillierte Angaben über die Kostenstellen des geplanten Kreuzzugs enthalten, auf die Bürger von Marseille und den Venezianer Marino Sanudo zurückgehen. Beide Werke informieren über die zeitgenössischen Nahrungsmittelpreise, wobei Sanudo die Aufwendungen für die einzelnen Posten aufschlüsselte (siehe Tab. 5), während der Stadtrat von Marseille nur die voraussichtlichen Gesamtausgaben angab.140 Die Tätigkeit der höfischen Finanzexperten ist demnach keineswegs mit einer modernen kaufmännischen oder betriebswirtschaftlichen Arbeit gleichzusetzen, weil die Aufgabe dieser Berater innerhalb der Kreuzzugsplanungen nicht etwa darin bestand, eine Kostenkalkulation für den gesamten Feldzug aufzustellen, sondern vornehmlich darin, neue Möglichkeiten für die Akquise von Geldern zu entwickeln.
3.2.2 Legislative Maßnahmen Der zweite inhaltliche Schwerpunkt der Ratschläge von Beratern des administrativfinanziellen Subtyps war die Erörterung legislativer Fragen. In ihren Abhandlungen macht diese Kategorie im Durchschnitt 23,7% des Textes aus. Die Finanzexperten reagierten damit auf das Problem, rechtliche bzw. institutionelle Sicherheit für die Akquise von Geldern, das künftige Königreich Jerusalem sowie für die Kreuzfahrer selbst
Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219, Nr. 109. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 253 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 60–64.
222
3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
zu schaffen. Im Unterschied zu ihren neuartigen Vorschlägen zur Finanzierung des Kreuzzuges beschränkten sie sich in legislativen Angelegenheiten üblicherweise auf die Zusammenfassung des bereits bestehenden Rechts und verzichteten auf größere Modifikationen. Diese Vorgehensweise lässt vermuten, dass Rechtsfragen offenbar nicht von der epistemischen Krise betroffen waren, aber dennoch weiterführender Erläuterung bedurften, da den politischen Entscheidungsträgern und anderen Kreuzzugsplanern die bestehenden rechtlichen Regelungen vermutlich nicht hinreichend bekannt waren. Innerhalb dieses Rahmens variierte die individuelle Schwerpunktsetzung zudem beträchtlich; Experten wie Guillaume de Nogaret und Guillaume Le Maire, die in 35,7% bzw. 30,3% ihrer Memoranden auf legislative Angelegenheiten eingingen, standen die Johanniter gegenüber, die solche Fragen nur in 13,5% ihrer Informatio behandelten. Ähnlich wie bei der Kreuzzugsfinanzierung beschäftigten sich von den Beratern anderer Subtypen ausschließlich die Verfasser der Memoria (14,3%) sowie die Ratgeber Karls II. von Anjou (11,9%) in vergleichbarem Umfang mit Legislation, was wiederum für die Mitwirkung von administrativ-finanziellen Ratgebern an den beiden Schriften spricht. Die Erörterung legislativer Fragen in den Werken der administrativ-finanziellen Ratgeber knüpfte meist unmittelbar an die Problematik der Mittelakquise an, weshalb Passagen legislativen Inhalts in den Texten häufig mit Finanzierung doppelt codiert sind. Vergangene Kreuzzüge hatten den Planern am Hof gezeigt, dass kreative Wege der Mittelakquise allein nicht ausreichten, da die akquirierten Gelder auch eingezogen, verwahrt und anschließend an die Kreuzfahrer verteilt werden mussten, ohne zwischenzeitlich in der ein oder anderen Weise dem Verlust anheimzufallen. Schon der englische König Heinrich II. hatte 1188 bei der ersten Kreuzzugssteuer Maßnahmen gegen mögliche Veruntreuungen getroffen, indem er anordnete, die Kollekte der Steuer in den Gemeinden obliege jeweils einem Vertreter der Krone (meist dem jeweiligen Sheriff) und des lokalen Barons, einem Johanniter, einem Templer, dem örtlichen Priester sowie dem Dekan des nächstgelegenen Domkapitels.141 Heinrichs Hoffnung, die verschiedenen Kollektoren würden sich gegenseitig kontrollieren und somit die Veruntreuung der gesammelten Gelder verhindern, wurde jedoch schnell enttäuscht. Wie der Chronist Roger von Howden berichtet, war es nämlich allen Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz einem Tempelritter namens Gilbert von Hoxton gelungen, Teile der Kollekte zu entwenden.142 Dennoch rekurrierten die Johanniter noch 100 Jahre später auf diese etablierte Vorgehensweise und schlugen vor, die Abgaben für den Kreuzzug sollten von jeweils einem Religiosen, einem Weltgeistlichen sowie einem Bürger oder säkularen Ritter verwaltet werden.143 Auch die Berater Karls II. optierten für diese Kombination aus
Gervasius von Canterbury, Chronica. Ed. Stubbs, 409 f.; Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 335–337. [Roger von Howden], Gesta regis Henrici. Ed. Stubbs, Bd. 2, 47 f. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 609.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
223
geistlichen und weltlichen Kontrolleuren, an deren Spitze ein päpstlicher Legat sowie ein Vertreter des aus der Union von Templern und Johannitern entstandenen Ritterordens über die Kreuzzugsgelder wachen sollten.144 Guillaume Le Maire plante wiederum, der lokalen kirchlichen Organisation in den Diözesen zu vertrauen, wie es auch das zweite Konzil von Lyon vorgesehen hatte, weshalb er vorschlug, die Kollekten in der örtlichen Kathedralkirche zu sammeln und durch den zuständigen Metropoliten sowie einen der Suffraganbischöfe beaufsichtigen zu lassen.145 Guillaume de Nogaret wie auch Guillaume Durand gedachten dagegen, die Verwaltung der Gelder aus den Händen der Kirche zu nehmen und sie stattdessen der französischen Krone zu übertragen. Auf dem Viennense scheint die Frage, wer die Kollekte der Steuer beaufsichtigen solle, bevor sie dem Anführer des Kreuzzuges übergeben werden würde, ein wichtiger Streitpunkt gewesen zu sein, denn Guillaume de Nogaret sah sich veranlasst, seine anfangs sehr vage gehaltenen Angaben in dieser Sache genauer zu spezifizieren.146 Dass ein Engagement in dieser Sache für Finanzexperten dennoch durchaus lohnenswert sein konnte, illustriert der Fall des Guillaume Durand, der eingedenk seines Wirkens als Kreuzzugsratgeber am französischen Hof von Karl IV. mit der Kollekte und Verwaltung der Kreuzzugssteuer betraut wurde.147 Wie schon im Fall der Mittelakquise markierten die Vorschläge des Pierre Dubois auch hinsichtlich der Kollekte und Verwahrung der Kreuzzugsgelder eine Abkehr von den vergleichsweise traditionellen Plänen der anderen Finanzexperten. Wie Rexroth zeigen konnte, beabsichtigte der Jurist, auf einem Generalkonzil eine Heilig-LandStiftung ins Leben zu rufen, welche die Akquise der Mittel für alle künftigen Kreuzzugsunternehmen koordinieren sollte.148 Statt der Ritterorden, die Dubois in Finanzfragen für nicht vertrauenswürdig hielt, sollten nun die Provisoren dieser Stiftung alle Abgaben für den Kreuzzug gemeinsam mit den Ortsbischöfen einziehen und sie
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 360. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 292; Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 310 f. In der Diözese Konstanz wurde die Kollekte der Jahre 1275 bis 1280 beispielsweise von den Dekanen sowie Erzdiakonen durchgeführt und durch den Domprobst koordiniert, vgl. Liber decimationis. Ed. Person-Weber. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 107; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 205. Während die Kollekte im Originaltext noch nicht genau beschrieben wird, spezifizierte Guillaume de Nogaret in einer späteren Redaktion seine Angaben dahingehend, dass auch die Kollekte aller Kirchenmittel für den Kreuzzug durch Vertreter des französischen Königs beaufsichtigt werden solle, vgl. ANF J 456/36/2. Journaux du trésor de Charles IV. Ed. Viard, 503 f., Nr. 2897; RJF, Nr. 1683. Rexroth, Pierre Dubois (2008), 317–322. Schon Brandt hat darauf hingewiesen, dass Dubois zu Beginn seines Traktates von einem subsidium Terre Sancte spricht, aber ab Kapitel 57 seltsamerweise dazu übergeht, ausschließlich von einer provisio Terre Sancte zu reden, vgl. Pierre Dubois, Recovery. Ed. Brandt, 114, Fußn. 8. Für Rexroth markiert dieser Übergang den Punkt, an dem „der besagte Vermögensfonds und seine Verwaltung in eine neue Dimension ein[treten], denn von hier an werden sie nicht mehr einer befristeten, sondern einer dauerhaften Zweckbestimmung zugeführt.“ Vgl. Rexroth, Pierre Dubois (2008), 320. Zum mittelalterlichen Stiftungswesen siehe insbes. Borgolte, Enzyklopädie, Bd. 1 (2014), 23–34.
224
3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
anschließend als Teil des Stiftungsvermögens verwalten.149 Neben der Oberaufsicht über die Kollekte sowie die in Erbpacht vergebenen ehemaligen Kirchengüter sollte diese provisio Terre Sancte vermutlich auch durch die Aussicht auf liturgische Memoria Benefaktoren werben, welche durch Zustiftungen das Stiftungskapital mehren und so eine weitere Geldquelle für die Kreuzfahrer erschließen könnten.150 Diese neue Institution sollte allerdings nicht nur einzelne Kreuzzugsunternehmen, sondern auch das neue Königreich Jerusalem finanzieren und somit durch eine Art von permanentem Kreuzzug noch vielen zukünftigen Generationen die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, um das Heilige Land dauerhaft für die lateinische Christenheit zu sichern.151 Ähnlich wie Guillaume Durand versuchte Pierre Dubois ebenfalls im Rahmen der Finanzverwaltung eine dauerhafte Position für sich zu schaffen und schlug dem französischen König vor, er könne die von ihm geplante Heilig-Land-Stiftung als Provisor beaufsichtigen. Im Gegensatz zum Bischof von Mende blieb er mit seinem Werben jedoch letztlich erfolglos.152 Für Dubois war die Heilig-Land-Stiftung nicht allein ein Instrument zur Akquise und Verwaltung der Kreuzzugsgelder, sondern fungierte vielmehr als Scharnier, durch das der Jurist die Rückeroberung der heiligen Stätten mit einer allgemeinen Kirchenund Gesellschaftsreform verband. Zu diesem Reformprojekt zählten etwa Maßnahmen zur Beschleunigung der geistlichen und weltlichen Rechtsprechung durch eine einheitliche Prozessordnung, die Dubois in ähnlicher Form bereits wenige Jahre zuvor in einer Summaria brevis dem französischen König (erfolglos) vorgestellt hatte.153 Mit seinem Rückeroberungstraktat unternahm er nun einen erneuten Anlauf und behauptete, die dort entworfenen Rechtsreformen seien für das neue Königreich Jerusalem vorgesehen, könnten aber ebenso gut im Westen angewandt werden. Den Kern dieser Reformen sollte ein abgekürztes Gerichtsverfahren bilden: Zunächst müsse der Kläger seine Anklage vorbringen, anschließend dürfe der Beklagte dazu Stellung nehmen. Im Anschluss müssten beide Parteien Zeugen beibringen und dürften noch zwei weitere Male Stellung zu den Behauptungen der Gegenseite und ihrer Zeugen nehmen, bevor der Richter dann das abschließende Urteil sprechen sollte.154
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 230–232. Rexroth, Pierre Dubois (2008), 321. Dubois spricht in seinem Traktat mehrfach von benefactores in Bezug auf die Stiftung, ohne deren Funktion jedoch genauer zu explizieren, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 134. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 110–112. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 206. Siehe dazu II.3.3.2. Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 410–470. Nachdem die erste Fassung der Summaria brevis am französischen Hof nicht den gewünschten Erfolg hatte, überarbeitete Dubois das Werk und überreichte die redigierte Fassung 1304 Jean de la Forêt, einem engen Berater König Philipps IV., vgl. dazu Pierre Dubois, Recovery. Ed. Brandt, 176, Fußn. 27; Langlois, De recuperatione (1891), 107 f., Fußn. 1. Zu der von Dubois geplanten Reform des Gerichtswesens siehe insbes. Kéry, Idées (2009), 553–572. Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 436–442; Ders., De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 188–190. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Reformplänen in De recuperatione und der Sum-
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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Die Heilig-Land-Stiftung sollte indes nicht nur über die Rechtsprechung wachen, sondern auch Schulen gründen und verwalten, in denen anschließend die künftigen Eliten des neuen Königreichs Jerusalem ausgebildet werden könnten. Dubois beließ es jedoch nicht bei dieser Forderung, sondern entwarf ein detailliertes Curriculum für die Jungen und Mädchen, die in diesen Schulen auf ihren Dienst im Outremer vorbereitet werden sollten.155 Wie Verger und Schmidt zeigen konnten, orientierte Dubois sich dabei weniger an den Universitäten, sondern vielmehr an den eher praktisch orientierten Schulen der Mendikanten, setzte darüber hinaus jedoch auch unübliche Fächer wie die artes mechanicae, medizinische Chirurgie oder die Sprachen des Orients auf den Lehrplan.156 Das einzige zeitgenössische Pendant zu den ambitionierten Reformen des normannischen Juristen waren die Pläne Ramon Llulls zur Errichtung von Sprachschulen, in denen die Missionare, welche dem Kreuzzug vorangehen sollten, orientalische Sprachen erlernen konnten.157 Der Katalane verknüpfte jedoch nicht nur Kreuzzug und Bildungswesen, sondern war auch der Einzige unter den Beratern der anderen Subtypen, der die Problematik der Kollekte von Kreuzzugssteuern näher erörterte. Zu diesem Zweck plante er, ein neues Schatzmeisteramt für den Kreuzzug zu schaffen, dessen Inhaber nach der Rückeroberung des Heiligen Landes auch das Kronvermögen des neuen Königreichs Jerusalem verwalten könne.158 Vorstöße wie die von Llull und Dubois illustrieren die Versuche der Zeitgenossen, die Tätigkeit der Finanzexperten nach dem Vorbild des englischen exchequer oder der französischen chambre des comptes zu professionalisieren und unabhängige institutionelle Strukturen der Mittelakquise für den Kreuzzug zu schaffen.
maria brevis bildete die Forderung, dass alle Gerichtsverfahren protokolliert werden sollten, vgl. Ders., De abreviatione. Ed. Forcadet, 450; Ders., De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 192. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 120–126; 130–136. Zu der von Pierre Dubois geplanten Bildungsreform siehe insbes. Blattmann, Erziehung (2016), 173–179; Evans, Marriage (2000), 195–202; Schmidt, Bildungsreform (2003), 421–440; Verger, Studium (1988), 106–122. Schmidt, Bildungsreform (2003), 425–427; Verger, Studium (1988), 108. Oexle hat dagegen vor allem die Alterität der Bildungsreformen betont, vgl. Oexle, Denken (1977), 328. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 217; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 250; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 328; 340–342; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 147 f., Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 150. Ramon Llull hatte bereits bei Päpsten und Königen für diese Sprachschulen geworben, bevor er in den 1290ern begann, sich für einen neuerlichen Kreuzzug zu engagieren, vgl. Compagno, Intent (2013), 81; Garcías Palou, Miramar (1977), 1–12. Allerdings entnahm Dubois das Projekt der Sprachschulen wahrscheinlich nicht den Schriften Ramon Llulls, sondern dem Opus maius Roger Bacons. Dieser knüpfte damit an die Bemühungen des Dominikanerordens an, Sprachkenntnisse zu Missionszwecken zu vermitteln, die der damalige Ordensmeister Raimund von Peñafort (✶um 1178 †1275) bereits in den 1240er Jahren angestoßen hatte, vgl. Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 1, 92–94. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 215 f.; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 284 f. Als er 1292 sein Traktat De modo convertendi verfasste, wollte Llull dagegen noch die Kirche mit der Verwaltung der Kreuzzugsfinanzen betrauen, vgl. Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 352 f.
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Eine weitere institutionelle Problematik, die von der Mehrzahl der administrativfinanziellen Berater thematisiert wurde, war die Union der großen christlichen Ritterorden. Die Möglichkeit einer Vereinigung von Templern und Johannitern wurde erstmals 1274 auf dem zweiten Konzil von Lyon diskutiert und gehörte für die nächsten vier Dekaden zu den an Höfen und auf Konzilen immer wieder debattierten Streitfragen.159 Aus Sicht der Zeitgenossen sollte diese Union einerseits der angeblich mangelhaften Kooperation der Orden im Heiligen Land beikommen und es den Rittern anderseits ermöglichen, sich wieder auf ihre Kernaufgabe im Osten zu fokussieren, statt vermeintlich unnötigen Grundbesitz im Westen anzuhäufen.160 Unter politischen Entscheidungsträgern und Kreuzzugsplanern war allerdings gleichermaßen umstritten, ob und in welchem Ausmaß dieses Problem der Union (oder Reform) der Ritterorden überhaupt relevant für die Rückeroberung der heiligen Stätten war. Papst Nikolaus IV. trennte Ordensunion und Kreuzzug beispielsweise dadurch voneinander, dass er die lateinische Christenheit im August 1291 in zwei gleichzeitig ausgefertigten, aber voneinander getrennten Enzykliken um Vorschläge für die Rückeroberung des Heiligen Landes und die Vereinigung der Ritterorden bat.161 Die von Nikolaus zur Lösung dieser Probleme einberufenen Provinzialkonzile teilten die päpstliche Einschätzung jedoch offenbar nicht, denn die Diözesen Canterbury, Lyon und Salzburg behandelten in ihren für den Papst verfassten Consilia Ordensunion und Kreuzzug zusammen. Gleiches galt für die Berater Karls II. von Anjou, die zeitlich auf die beiden päpstlichen Enzykliken antworteten.162 Auch Papst Clemens V. stellte einen Zusammenhang zwischen den beiden Problemen her, indem er die Oberhäupter der Templer und Johanniter 1306 in einem Schreiben zugleich um ihre Ratschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes und zur Ordensunion bat.163 Der Templermeister Jacques de Molay reagierte wiederum auf diese aus seiner Sicht vermutlich inadäquate Amalgamierung zweier Probleme mit zwei separaten Consilia, eines über den Kreuzzug und ein anderes über die Vereinigung seines Ordens mit den Johannitern, und sprach sich im letzteren aufgrund der disparaten Ausrichtung beider Orden gegen eine Union aus.164 Unter den Kreuzzugsberatern neigten vor allem die
Forey, Military Orders (1980), 321 f.; Roberg, Konzil (1990), 87, insbes. Fußn. 58. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 356; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 288–290; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 202; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 441; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 32–34; Ders., Oppinio. Ed. Langlois, 133. So argumentierten u. a. auch Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 215; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 270 f.; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 345 f. Siehe dazu die Bullen Dirum amaritudinis calicem für den Kreuzzug u. Dura nimis für die Ordensunion, beide datiert auf den 18. August 1291, vgl. RN, Nr. 6791–6795. Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 210–214; Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–361; Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1113; Sacrosancta Concilia. Ed. Labbé/Cossart/ Baluze, Bd. 14, 1193–1195. RC, Nr. 1033. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 145–149. Der Templermeister argumentierte, die Johanniter seien dem Kriegsdienst und der Krankenpflege verpflichtet, sein Orden jedoch nur dem
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
227
Advokaten einer Ordensunion dazu, die Unionsproblematik gemeinsam mit dem Kreuzzug zu erörtern, während Jacques de Molay sowie andere Gegner solcher Pläne versuchten, die beiden Probleme voneinander zu trennen. Mit dieser Auslegungsstrategie versuchte der Templermeister wahrscheinlich, die unliebsame Unionsfrage zu marginalisieren, während seine Gegner gleichermaßen probierten, die Debatte zuzuspitzen, indem sie die Vereinigung der Ritterorden als notwendig für ein so hehres Ziel wie die Rückeroberung des Heiligen Landes darstellten. Abgesehen von den Johannitern und den Verfassern der Memoria erörterten die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps die Unionsfrage stets als Bestandteil der Kreuzzugsproblematik und konzentrierten sich dabei vor allem auf die Landgüter der Ritterorden im Westen, welche in den vergangenen 200 Jahren durch Stiftungen, Käufe und Schenkung erworben worden waren. Die Templer allein verfügten zu Zeiten von Jacques de Molay über mindestens 970 Häuser, Kommandanturen und Burgen in nahezu allen Teilen des lateinischen Europas, welche auch die Grundlage ihrer bereits erwähnten Bankierstätigkeiten bildeten.165 Pierre Dubois plante, diese Ländereien gemeinsam mit den Kirchengütern in die Heilig-Land-Stiftung zu überführen, womit die Stiftung die Ritterorden als „Bankiers des Kreuzzuges“ abgelöst hätte.166 Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Unionsdebatte war diese Forderung im Gegensatz zu seinen Plänen zur Enteignung von Kirchenvermögen deutlich weniger radikal, denn das 1292 als Reaktion auf die päpstliche Bitte um Vorschläge zur Ordensunion im Erzbistum Reims einberufene Provinzkonzil schlug ebenfalls vor, alle Güter der Ritterorden im Westen zu konfiszieren.167 Deutlich umfangreicher nahmen sich dagegen die Vorhaben der Verfasser der Memoria sowie der Berater Karls II. aus, welche planten, alle bestehenden Ritterorden zu einem neuen Superorden zu fusionieren, der sämtliche künftige Kreuzzugsbemühungen koordinieren und das Heilige Land beherrschen sollte. Besonders detailliert ausgearbeitet waren die Pläne Karls II., die sogar den Entwurf eines Wappens (ein weißes Kreuz auf rotem Grund) für den neuen Orden umfassten.168 Ein ähnlicher Konnex von Unionsfrage und Reformplänen für die zurückeroberten Territorien findet sich auch in den späten Werken des Ramon Llull. Der katalanische Gelehrte wollte die vereinigten Ritterorden unter das Kommando eines bellator rex stellen, der zu-
Kriegsdienst, weshalb eine Union nur schwerlich möglich sei, vgl. Ders., Consilium super unione. Ed. Baluze/Mollat, 150–154. Barber, Crusader States (1992), 317. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 118–120; 258–260; Pamphlet de Pierre Dubois. Ed. Boutaric, 175–179. Siehe dazu Rexroth, Pierre Dubois (2008), 330 f. Für diese Hypothese spricht auch, dass Dubois die Testamente der Stiftung übertragen wollte und die Vollstreckung von Testamenten im frühen 14. Jahrhundert oft von den Ritterorden übernommen wurden, vgl. Barber, New Knighthood (1994), 268. Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 580 f. Für einen Überblick über die zeitgenössische Unionsdebatte siehe Forey, Military Orders (1980), 317–345. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 356; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 441.
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gleich das neue Königreich Jerusalem beherrschen und alle künftigen Kreuzzugsunternehmen leiten sollte.169 Nachdem die Templer im September 1307 im Auftrag der französischen Krone eingekerkert worden waren und eine Aufhebung des Ordens im Raum stand, begannen die Kreuzzugsberater überdies, potentielle Anschlussverwendungen für die Ordensgüter zu diskutieren. Vertreter der Zentralherrschaft und der Ortskirchen sahen in dieser Krise des Templerordens gleichermaßen die Chance, die Besitzungen des Ordens den eigenen hinzuzufügen. Guillaume de Nogaret und Pierre Dubois forderten wenig überraschend die Abtretung der Ordensgüter an die französische Krone, während Guillaume Le Maire verlangte, das Ordensvermögen solle vom jeweiligen Bischof der örtlichen Diözese verwaltet werden.170 Letztlich wurde die Debatte über eine mögliche Union der Ritterorden vom politischen Zeitgeschehen eingeholt, da die Häresievorwürfe gegen die Templer und das daraus folgende Verfahren im März 1312 zur Auflösung des Ordens führten.171 Einen Monat nach der Ordensaufhebung verfügte Clemens V. mit der Bulle Ad providam feierlich, der gesamte Ordensbesitz der Templer solle den Johannitern zukommen, damit sie dieses Vermögen аd subsidium Terrae Sanctae et impugnationem inimicorum fidei Christianae einsetzen könnten.172 Neben dem Ende der Templer sowie der folgenden Union de jure war es vor allem die Territorienbildung der beiden verbleibenden großen Ritterorden auf Rhodos und im Baltikum, welche für die Johanniter und den Deutschen Orden zwei voneinander getrennte Fronten im Kampf gegen die Feinde der (lateinischen) Christenheit erzeugte und die Unionsdebatte in den folgenden Jahren verstummen ließ.173 Auch die Kreuzzugsberater rückten nun von ihren Unionsforderungen ab, allein der Johanniter Roger von Stanegrave forderte noch in den 1330ern die Vereinigung seines Ordens mit dem Deutschen Orden.174
Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 269–275. Ramon Llull entwickelte die Idee eines bellator rex erst in seinen späteren Rückeroberungstraktaten, möglicherweise in Auseinandersetzung mit den Ratschlägen der Berater Karls II. In seinem Taktat De modo convertendi von 1292 und seinen Eingaben an Nikolaus IV. sowie Bonifaz VIII. fehlte der bellator rex dagegen noch, vgl. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 328–331; 336–340; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 146–149. Zu den Plänen für das neue Königreich Jerusalem siehe Ertl, De recuperatione (2021), 283–312; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 95–105. Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 287–290; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 202; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 258–260. Für die Aufhebungsbulle Vox in excelso siehe Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 336–343. Zum Templerprozess siehe u. a. Barber, Trial (2006); Ders., New Knighthood (1994), 297–310; Demurger, Vie (1989), 303–316; Finke, Papsttum, Bd. 1 (1907), 231–281; 345–369. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 343–346. Die Umsetzung der päpstlichen Bulle gestaltete sich indes schwierig und stieß insbesondere in den Königreichen Frankreich und Aragon auf Widerstand, vgl. Barber, Trial (2006), 273–279; Luttrell, Hospitaller Lawyers (1965), 450. Der deutsche Ritterorden verlegte 1309 seinen Hauptsitz von Venedig in die Marienburg und verließ damit endgültig das Heilige Land zugunsten des Baltikums, vgl. Sarnowsky, Deutsche Orden (2012), 46. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 345 f.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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Einen weiteren Ansatzpunkt der Beratertätigkeit bildeten die geistlichen und weltlichen Privilegien, welche mit dem Kreuzfahrerstatus verbunden waren. Die geistlichen Privilegien, die den Kreuzfahrern von der Kirche gewährt wurden, bestanden zuvörderst im Kreuzzugsablass, umfassten jedoch auch die Befreiung von Eidespflichten, die freie Wahl eines Beichtvaters sowie die Erlaubnis, trotz eines bestehenden Interdikts die Sakramente zu empfangen und mit exkommunizierten Personen zu interagieren.175 Die vier letztgenannten Privilegien fanden allerdings in den Werken der Kreuzzugsberater keinerlei Niederschlag; stattdessen beschränkten die Ratgeber sich darauf, den Kreuzzugsablass zu erörtern. Die Herkunft des theologischen Konzeptes einer indulgentia peccatorum für den Kampf in Christi Namen liegt vermutlich in der Mitte des 11. Jahrhunderts, ist jedoch in der Forschung nach wie vor umstritten.176 Dieser wissenschaftliche Disput ist darauf zurückzuführen, dass die Reichweite des Kreuzzugsablasses vor dem Beginn des 13. Jahrhunderts nicht eindeutig definiert war und die päpstlichen Bullen dementsprechend viel Interpretationsspielraum ließen. Erst das vierte Laterankonzil unter Innozenz III. versprach Kreuzzugsteilnehmern im Jahr 1215 unumwunden den Erlass aller jenseitigen Sündenstrafen und unterschied diesen Plenarablass eindeutig von dem Erlass der irdischen Bußstrafen, der von den vorangegangenen Päpsten immer wieder damit vermengt worden war.177 Die Kreuzzugsberater des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts leisteten jedoch keinen substanziellen Beitrag zu dieser theologischen Debatte und thematisierten den Kreuzzugablass sowie dessen Reichweite in ihren Ratschlägen allenfalls beiläufig. Den Plenar- oder Teilablass planten sie dabei vor allem als Stimulus einzusetzen, um Kreuzfahrer zu rekrutieren und Spenden zu akquirieren, während sie die im frühen 13. Jahrhundert etablierte theologische Doktrin unangetastet ließen.178 Guillaume de Nogaret merkte beispielsweise am Ende seines Werkes nur kurz an, dass für Partikularkreuzzüge dieselben großen Ablässe wie für den allgemeinen Kreuzzug gewährt werden sollten.179 Diese inhaltliche Schwerpunktsetzung ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass theologisches Wissen während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgrund des Wandels zeitgenössischer Deutungsschemata an Relevanz für die Kreuzzugsplanungen verloren hatte und folgerichtig keine Theologen mehr an den
Beichtväter durften überdies auch die Absolution in Fällen erteilen, die sonst dem Papst vorbehalten waren, darunter u. a. Mord, Eidbruch oder die Zeugung unehelicher Kinder, vgl. Brundage, Canon Law (1969), 144–158. Bysted, Crusade Indulgence (2014), 51–64. Brundage, Canon Law (1969), 145–148; Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50; Bysted, Crusade Indulgence (2014), 128–135; Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 270 f. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 50; 102; Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 110; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 291; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 439; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 604. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 204. In den späteren Redaktionen seines Werkes spezifizierte er diese Angaben nicht maßgeblich, sondern fügte nur hinzu, dass die Ablässe für Partikularkreuzzüge auch dieselbe Dauer haben sollten wie die für den allgemeinen Kreuzzug, vgl. ANF J 456/36/2.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
höfischen consilia zur Organisation von Kreuzzügen partizipierten. Zugleich konnte die Formulierung der spirituellen Kreuzfahrerprivilegien aus vergangenen Kreuzzugsbullen schlichtweg übernommen werden, wie es bereits Innozenz IV. und Gregor X. in ihren Kreuzzugsaufrufen getan hatten.180 Der einzige Berater, der diesbezüglich Modifikationen vorschlug, war Pierre Dubois, der sich nicht nur in seinem Rückeroberungstraktat, sondern auch in einem gesonderten Memorandum mit dem Kreuzzugsablass auseinandersetzte. Darin sah er vor, Plenarablässe auch an alle Christen zu vergeben, die gegen Akteure vorgingen, welche den Generalfrieden gebrochen hatten, der im Vorfeld des Kreuzzuges proklamiert werden sollte. Der Jurist plante ferner, selbst den Personen einen Teilablass zu gewähren, die nur einer Kreuzzugspredigt zuhörten.181 Deutlich relevanter für die Finanzexperten waren die weltlichen Privilegien der Kreuzfahrer, zu denen das päpstliche Schutzprivileg, ein gesonderter Rechtsstatus sowie die Befreiung von Fiskalabgaben und Kreditforderungen zählten. Neben der bereits erörterten Finanzierungsproblematik standen Kreuzfahrer auch vor dem Problem, im Zeitraum ihrer Abwesenheit ihr Eigentum und ihre Angehörigen gegen rechtliche Ansprüche und gewalttätige Übergriffe schützen zu müssen, weshalb Päpste im Laufe des 12. Jahrhunderts einen auf diese Probleme zugeschnitten Kanon aus Schutzrechten etablierten. Bereits Urban II. hatte den ersten Kreuzfahrern zugesichert, dass während ihrer Abwesenheit alle Fehden in der lateinischen Christenheit ausgesetzt seien und jede Form von Zuwiderhandeln von den Ortsbischöfen mit Exkommunikation der Delinquenten bestraft werde.182 Unter Eugen III. wurde mit der im März 1146 promulgierten Bulle Quantum praedecessores der rechtliche Status des Kreuzpilgers dann erstmals eindeutig fixiert und die Kreuzfahrer, ihre Familien sowie ihr Eigentum unter päpstlichen Schutz gestellt. Außerdem untersagte Eugen III. es, während der Abwesenheit eines Kreuzfahrers Gerichtsverfahren gegen ihn oder seine Familien anzustrengen, und verfügte die Stundung aller Kredite eines Kreuzfahrers für diesen Zeitraum.183 Im Jahr 1215 fügte Innozenz III. diesen Privilegien mit der auf dem vierten Lateranum beschlossenen Bulle Ad liberandam Terram Sanctam weitere hinzu: Fortan sollten Gläubiger verschuldeten Kreuzfahrern bereits geleistete Zahlungen zur Tilgung von Krediten zurückerstatten, Kleriker durften zur Finanzierung der Reise ihre Einkünfte aus Benefizien verpfänden und Benefiziaten waren von ihrer Residenzpflicht befreit, wenn sie am Kreuzzug teilnahmen.184 Künftige Päpste übernahmen meist wortwörtlich die Rege Für die Kreuzzugsaufrufe Afflicti corde (1245) u. Constitutiones pro zelo fidei (1274), die beide im Kern auf Ad liberandam Terram Sanctam (1215) basierten, vgl. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 297–301; 309–312. BAV Reg. Lat. 1642, fol. 42v; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 316–318. Park, Protection (2018), 20–29. Erdmann hat herausgestellt, dass Urban II. damit an die deutlich ältere Gottesfriedenbewegung anknüpfte, vgl. Erdmann, Entstehung (1935), 53–60 sowie im Anschluss daran Flori, Église (1992), 453–466. Quantum predecessores. Ed. Große (1991), 90–92. Siehe dazu Brundage, Canon Law (1969), 160–184; Ders., Crusaders (1997), 147 f.; Park, Protection (2018), 81–88. Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 269 f.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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lungen aus Ad liberandam und auch die Finanzexperten fügten ihnen üblicherweise nichts mehr hinzu.185 Guillaume Durand machte beispielsweise keine eigenen Vorschläge, sondern wiederholte mit der Aufhebung der Residenzpflicht oder der Stundung von Krediten schlichtweg bereits bestehende Kreuzfahrerprivilegien.186 Derartige Zusammenfassungen geltenden Kirchenrechts richteten sich wahrscheinlich an in Rechtsfragen wenig beschlagene Entscheidungsträger, die bei den Experten Rat suchten. So war die Informatio des Guillaume Durand vermutlich auch an den Grafen Ludwig von Clermont adressiert, der den vom französischen König geplanten Kreuzzug als capitaneus anführen sollte.187 Eine Ausnahme bildete abermals Pierre Dubois, der sich im Hinblick auf die weltlichen Privilegien der Kreuzfahrer erneut durch besondere Radikalität von den anderen Finanzexperten absetzte und plante, die Verantwortung für das ehedem päpstliche Schutzprivileg an eine Art europäisches Schiedsgericht zu übertragen.188 Zu diesem Zweck müsse zunächst ein Generalkonzil einberufen werden, auf dem Fürsten und Prälaten einen allgemeinen Frieden zwischen allen lateinischen Christen beschließen und durch ihren Eid bekräftigen sollten. Friedensbrecher sollten nicht wie bisher üblich exkommuniziert, sondern enteignet und ins Heilige Land geschickt werden, um dort in der vordersten Reihe gegen die Feinde der Christenheit zu kämpfen.189 Um zu entscheiden, ob eine Konflikthandlung als Eidbruch zu betrachten sei, schlug Dubois zwei Modi der Urteilsfindung vor: Bei Auseinandersetzungen zwischen den Vasallen eines Königs oder Fürsten solle der Lehnsherr darüber entscheiden, ob ein Eidbruch vorliege. Bei Konflikten zwischen Königen, Fürsten oder Städten, die keine weltlichen Herrn über sich hatten, solle jede Streitpartei drei arbitri nominieren, die gemeinsam mit drei Prälaten als eine Art Schiedsgericht über den Fall urteilen würden. Dem Papst kam in diesem Rechtskonstrukt nur noch die Funktion einer Appellationsinstanz zu, die über diejenigen Fälle entscheiden sollte, in denen eine der Streitparteien unzufrieden mit dem Urteil war.190
Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50; Park, Protection (2018), 91–102. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 106 f. Eine ähnliche Zusammenfassung findet sich auch in der Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 441 f. AA 1, 223, Nr. 145; Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 29 f.; RTC 2, Nr. 2040. Für diese These spricht auch die zeitgenössische französische Übersetzung des Memorandums von Guillaume Durand, welche Laien wie dem Grafen von Clermont den Zugang zu dem Werk erleichtert hätte, vgl. BSG Ms. 1654, fol. 139r–143r. Pierre Dubois’ Plan eines europäischen Schiedsgerichts ist in der historischen Forschung umfangreich rezipiert worden, u. a. in Brandt, Pierre Dubois (1930), 510–512; Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 50 f.; Fidora, Arbitration (2011), 303–306; Forcadet, De recuperatione (2014), 73–80; Jones, Rex (2003), 49–87; Kéry, Pierre Dubois (2006), 1–30; Oexle, Denken (1977), 325 f.; Paviot, Paix (2012), 318 f.; Powicke, Pierre Dubois (1902), 169–191; Sherwood, Pierre Dubois (1955), 139–149; Zeck, Publizist (1911), 120. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 16–26. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 26–28. Dubois knüpfte damit an die Vorschläge zur Verkürzung von Kriegen in seiner sechs Jahre zuvor verfassten Summaria brevis an, vgl. Ders., De abreviatione. Ed. Forcadet, 462.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
Dubois reagierte mit diesem Plan auf drei Probleme, welche auch die anderen Kreuzzugsplaner seiner Zeit als relevant erachteten: Erstens die bereits erwähnte Problematik der Beschaffung von Mitteln für den Kreuzzug, welche nun durch die konfiszierten Güter um eine neue Möglichkeit der Mittelakquise bereichert wurde. Zweitens die geringe militärische Präsenz der Lateineuropäer in den Kreuzfahrerreichen jenseits des eigentlichen Kreuzzugsunternehmens. Schon auf dem zweiten Konzil von Lyon im Jahr 1274 hatten die Vertreter der Templer und Johanniter beklagt, dass Kreuzfahrer unmittelbar nach dem Ende eines Kreuzzuges wieder in ihre Heimat zurückkehren und die lateinischen Besitzungen im Outremer sich selbst überlassen würden.191 Drittens war es bereits im 12. Jahrhundert ungeachtet des päpstlichen Schutzprivilegs immer wieder zu Übergriffen auf die Untertanen und Güter von Kreuzfahrern gekommen.192 Durch die zunehmende Zentralisierung der Kreuzzugsfinanzierung im 13. Jahrhundert eskalierte diese Problematik weiter, da die vormals lokalen Konflikte sich nunmehr mit Kroninteressen verbanden und die Grenzen einzelner Diözesen transzendierten, sodass ein Bischof allein nicht mehr in der Lage war, sie zu kontrollieren.193 Im Gegensatz zu Pierre Dubois versuchten andere Kreuzzugsberater jedoch nicht, dieses Problem durch Schaffung neuer Kontrollinstitutionen zu beheben, sondern planten stattdessen, die Auseinandersetzungen durch einen kirchlich abgesicherten Generalfrieden oder bilaterale Abkommen zwischen den Konfliktparteien beizulegen.194
3.2.3 Inhaltliche Verschränkungen Die administrativ-finanziellen Ratgeber waren Spezialisten, in deren Werken alle Inhalte jenseits der beiden Leitkategorien quantitativ betrachtet kaum eine Rolle spielten. Die einzigen Ausnahmen bilden die zuvor erwähnten Pläne für einen Generalfrieden sowie die Vorschläge zur Gestaltung des neuen Königreichs Jerusalem, mit denen sich einige der Berater vor dem Hintergrund legislativer Maßnahmen befassten. Der Plan, eine allgemeine Waffenruhe zwischen den Kreuzzugsteilnehmern oder gar allen lateineuropäischen Herrschern zu schaffen, war jedoch kein neuer Einfall von Kreuzzugsberatern wie Pierre Dubois, sondern deutlich älter. Bereits Papst Urban II. hatte die Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313 f.; Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 405 f. Die Kreuzzugsberater des frühen 14. Jahrhunderts sahen dieses Problem ebenfalls, so u. a. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 280; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 201; Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 215 f.; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 269–273. Siehe auch Leopold, Holy Land (2000), 172–188; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 95–105 sowie III.2.2.2. Riley-Smith, First Crusaders (2000), 145 f. Das spektakulärste Beispiel dafür ist sicherlich die Gefangennahme König Richards I. durch Herzog Leopold V. von Österreich auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land im Jahr 1192, vgl. Gillingham, Richard I (2002), 222–230. Hélary, Dégoût (2009), 28–30. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 361; Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 104 f.; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
233
Beendigung aller Fehden innerhalb der lateinischen Christenheit gefordert, als er 1095 in Clermont zum Ersten Kreuzzug aufrief. Sein Vorbild bildete wahrscheinlich die sogenannte Gottesfriedenbewegung, welche gegen Ende des 10. Jahrhunderts in Aquitanien und Burgund entstanden war. Dort wurden auf „kirchlichen Konzilien, den Trägern der geistlichen Gerichtsbarkeit und Kirchenorganisation, (...) in der traditionellen Form der canones (Synodalbeschlüsse) Gottesfrieden erlassen, die bestimmte Personen, Institutionen und Lokalitäten unter einen besonderen Schutz stellten und jeden Friedensbruch mit dem Kirchenbann bedrohten.“195 Im Laufe des 11. Jahrhunderts entwickelte sich daraus mit der auf hohe Feiertage oder Fastenzeiten begrenzten treuga Dei das Instrument einer räumlich sowie zeitlich limitierten Waffenruhe, dessen sich auch Urban II. und seine Nachfolger bei ihren Kreuzzugsaufrufen bedienten.196 Dieser durch die Päpste proklamierte Generalfrieden war für die Kreuzfahrer derweil nicht die einzige Möglichkeit der Friedenssicherung. Da die kirchliche Waffenruhe oft missachtet wurde, versuchten sie stets zusätzlich, vor ihrem Aufbruch in den Orient alle ausstehenden Konflikte diplomatisch beizulegen. Die Könige Richard I. und Philipp II. brachen gar gemeinsam nach Jerusalem auf, damit keiner der beiden Konkurrenten die Abwesenheit des jeweils anderen zu seinem Vorteil nutzen konnte.197 Im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert bildeten diese beiden Ansätze nach wie vor die gängigsten Instrumente zur Friedensstiftung im Vorfeld von Kreuzzügen. Deren Relevanz für den Erfolg der Kreuzzüge sollte nicht unterschätzt werden, denn die Forschung ist sich weitgehend darin einig, dass die Unterbrechungen der lateinischen Rückeroberungsbemühungen in den Jahren 1292–1305, 1314–1318 sowie 1324–1330 auf ungelöste Konflikte zurückzuführen sind, welche die Herrscher davon abhielten, ihre Ressourcen dem Kreuzzug zu widmen.198 Dass der Kreuzzug seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht länger als prädeterminierter Gotteskrieg, sondern als riskantes Unternehmen wahrgenommen wurde, verlieh der Friedensproblematik ein besonderes Gewicht, denn nur aus der Sicherheit heraus, dass ihr Herrschaftsbereich während ihrer Abwesenheit vor Übergriffen geschützt war, konnten politische Entscheidungsträger das Risiko des Kreuzzuges eingehen.199 Deshalb konnte der Verweis auf offene Konflikte den Herrschern auch zur Rechtfertigung ihres mangelnden Engagements für den Kreuzzug dienen. Philipp V. behauptete etwa im Jahr 1316, der Aufstand der flandrischen Städte erlaube es ihm nicht, einen Kreuzzug zu organisieren, und die Könige Philipp VI. und Eduard III. warfen sich während des Hundertjährigen Krieges gegenseitig
Goetz, Gottesfriede (1988), 124. Erdmann, Entstehung (1935), 53–60; Flori, Église (1992), 453–466. Tyerman, God’s War (2007), 377–389. Dazu zählten etwa der 1302 beigelegte Konflikt zwischen der Krone von Aragon und den Anjou um das Königreich Sizilien, der 1304 bzw. 1318 vorläufig beigelegte Erbfolgestreit um die Grafschaft Flandern sowie die Auseinandersetzungen zwischen der englischen, schottischen und französischen Krone, vgl. Housley, Later Crusades (1992), 15–39. Zum Zusammenhang von „Sicherheit“ und „Risiko“ siehe Münkler, Sicherheit (2016), 161–184.
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vor, die Rückeroberung des Heiligen Landes zu behindern.200 Wie die Rückeroberungspläne der von Papst Nikolaus IV. 1291 einberufenen Provinzialkonzile illustrieren, galt eine Waffenruhe zwischen den lateineuropäischen Fürsten nicht nur höfischen Kreuzzugsplanern, sondern auch großen Teilen des (niederen) Klerus als notwendige Vorbedingung eines jeden Kreuzzuges.201 Die Berater, welche eine treuga Dei forderten, bewegten sich folgerichtig in einem breiten Konsens und affirmierten nur erneut, was ohnehin bereits als relevant galt. Die Abhandlungen der administrativ-finanziellen Berater behandeln diese Fragen mit durchschnittlich 6,3% zwar deutlich häufiger als die der anderen beiden Ratgebertypen (3,8% bzw. 1,06%), doch bildet die Friedensproblematik im Gegensatz zur Finanzierung und Legislation kein Spezifikum dieses Subtyps. Abgesehen von Dubois’ Plan eines europäischen Schiedsgerichts waren die Ideen der Finanzexperten in dieser Sache auch wenig originell. Stattdessen versuchten sie wie alle anderen Berater auch im Einklang mit der bereits im 12. Jahrhundert etablierten Vorgehensweise durch Mediation und (bilaterale) Bündnispolitik alle offenen Konflikte beizulegen und somit eine sichere Ausgangslage für die Kreuzfahrer zu schaffen. Dabei beschränkten sich die Ratgeber nicht allein auf Vorschläge, Marino Sanudo vermittelte in den Jahren 1327–1330 beispielsweise aktiv in der Auseinandersetzung zwischen Papst Johannes XXII. und Kaiser Ludwig IV. (✶um 1286 †1347), um einen Kreuzzug zu ermöglichen.202 Im Zusammenhang mit dem Generalfrieden sowie den Inhalten der beiden Leitkategorien entwarfen die administrativ-finanziellen Berater auch Pläne für das neue Königreich Jerusalem nach der Rückeroberung durch die Kreuzfahrer. Diese Entwürfe stellten in ihren Werken zwar eine Randerscheinung dar, wurden jedoch von Finanzexperten tendenziell ausführlicher erörtert als von den Ratgebern der anderen Subtypen. Abgesehen vom Liber de fine des katalanischen Gelehrten Ramon Llull, welches in 8,6% des Textes das neue Königreich Jerusalem behandelt, weisen die Rückeroberungsmemoranden, die unter Mitwirkung von Finanzexperten entstanden, von allen erhaltenen Werken die höchsten Werte in dieser Kategorie auf. In der Memoria und bei Pierre Dubois ist dieser Thematik 9,8% bzw. 4,3% des Textes gewidmet, im Conseill Karls II. gar 29,7%. Das Engagement administrativ-finanzieller Berater in dieser Problematik ist naheliegend, denn die Textpassagen über das neue Königreich Jerusalem sind meist eben Tyerman, Philip V (1984), 18 f.; Ders., Philip VI (1986), 46–48. Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 210 f.; 215; Councils and Synods. Ed. Powicke/ Cheney, Bd. 2, 1105; 1107; Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 580 f.; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 93 f. Von Sanudos Vermittlertätigkeit zeugen u. a. seine Briefe an Personen im Umfeld König Roberts I. von Neapel (seinen Sohn, den Herzog Karl von Kalabrien, seinen Kanzler Erzbischof Ingeranno Stella von Capua sowie Bischof Paolino von Pozzuoli), den päpstlichen Legaten in Italien, Kardinal Bertrand du Pouget, sowie Ludwigs Ehefrau Margarethe von Hennegau und ihren Vater, den Grafen Wilhelm I. von Hennegau, vgl. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 755–789; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 297 f., 304–307, 307–310; Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 43 f.; Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 348 f., 357 f.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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falls mit der Kategorie „Legislation“ codiert. Besonders ausgeprägt ist dieser Zusammenhang im Rückeroberungstraktat des Pierre Dubois, der den Aufbau des künftigen Königreichs eng mit seinen Plänen einer Heilig-Land-Stiftung und eines europäischen Schiedsgerichts verschränkte.203 Überdies lieferte die conservatio Terrae Sanctae den Beratern eine vortreffliche Rechtfertigung, um päpstliche Subsidien und kirchliche Kreuzzugssteuern auf Dauer zu stellen, und verband sich auf diese Weise mit der Finanzierungsfrage. Guillaume de Nogaret stellte dem Viennense für die Zeit nach der Rückeroberung eine dauerhafte französische Garnison im Outremer in Aussicht, wies jedoch zugleich darauf hin, dass die Kirche sich in diesem Fall auch dauerhaft am Unterhalt dieser Einheiten beteiligen müsse.204 Die in zweiter oder dritter Redaktion seiner petenda an dieser Stelle hinzugefügte Manicula legt nahe, dass diese permanente Garnison ein wichtiges Argument für die französische Delegation war, um das Konzil zu langfristigen finanziellen Zugeständnissen zu bewegen.205 Dennoch waren Pläne zum Aufbau der Kreuzfahrerreiche nach der Rückeroberung offenbar kein besonderer Schwerpunkt der administrativ-finanziellen Berater und politische Entscheidungsträger scheinen von ihren Finanzexperten derartige Vorschläge nicht zwingend erwartet zu haben. Bezieht man die Memoria sowie den Conseill Karls II. mit ein, so nehmen sie durchschnittlich nur 7,1% der Werke von Beratern dieses Subtyps ein und erreichen im Median lediglich 4,3%. Ob Kreuzzugsberater den Aufbau des künftigen Königreichs Jerusalem thematisierten, hing stattdessen vielmehr von ihrem biographischen Hintergrund und dem Entstehungszeitraum ihrer Memoranden ab. Karl II. von Anjou erachtete sich beispielsweise als einzig legitimer König von Jerusalem und präsentierte Nikolaus IV. wahrscheinlich einen ausführlichen Plan für den Zeitraum nach der Rückeroberung, um sich von Heinrich II. von Lusignan abzusetzen, der ebenfalls Anspruch auf die Krone erhob.206 Die Popularität von Plänen für das neue Königreich Jerusalem durchlief überdies einen historischen Wandel, denn während in den 1290er Jahren nahezu alle Kreuzzugsberater einen politischen Entwurf für das Heilige Land nach der Rückeroberung durch die Kreuzfahrer präsentierten, ist für die 1330er Jahre kein einziger solcher Vorschlag mehr nachweisbar.207 Diese Entwicklung lässt sich auch in den Anfragen politischer Entscheidungsträger nachverfolgen. Die
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 16–26; 110–112. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200 f. ANF J 456/36/2. Baldwin, Gregory X (2014), 129–134; Borghese, Carlo I (2008), 181–184; Hélary, Problème (2010), 328; Kiesewetter, Karl II. (1999), 47 sowie II.2.1.1. So erörterten Fidenzio von Padua (1291), Karl II. von Anjou (1291), Ramon Llull (1292), Galvano di Levanto (1292) sowie die Provinzkonzile der (Erz-)Diözesen Canterbury, Lyon, Norwich u. Reims die conservatio Terrae Sanctae. Abgesehen von Marino Sanudos 1321 fertiggestelltem Liber secretorum stoppen diese Pläne mit dem Ende des Viennense 1312, vgl. Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 213 f.; Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 356–360; Councils and Synods. Ed. Powicke/Cheney, Bd. 2, 1100–1108; Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 58–60; Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 366; Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 581; Ramon
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Päpste Gregor X. und Nikolaus IV. baten noch um Ratschläge zur recuperatio und conservatio Terrae Sanctae, Clemens V. und Johannes XXII. beschränkten sich hingegen auf Ersteres. Demnach war die schwankende Bedeutung des künftigen Königreichs Jerusalem in den Rückeroberungsplänen der Berater also kein Ausdruck einer weiteren Ausdifferenzierung der Berater, sondern das Ergebnis einer veränderten Schwerpunktsetzung innerhalb der Kreuzzugsplanungen.208 Insgesamt erreichte die funktionale Binnendifferenzierung der Kreuzzugsplanungen allerdings bei den Ratgebern des administrativ-finanziellen Subtyps ihr höchstes Ausmaß. Die Experten spezialisierten sich nahezu vollständig auf die Kreuzzugsfinanzierung sowie legislative Maßnahmen und machten jenseits dieser beiden Schwerpunkte allenfalls kursorische Bemerkungen zu anderen Teilproblemen des Kreuzzuges. Militärische Strategie und Taktik nehmen im Durchschnitt 6,5% ihrer Texte ein, die Kreuzzugsroute 4,1% und die Geographie sowie Ethnographie des vorderen Asiens sogar nur 0,1%. Der französische Siegelbewahrer Guillaume de Nogaret verzichtete etwa vollständig darauf, sich in seinem Memorandum zu Aspekten wie der Kreuzzugsroute, dem Aufbau des Heeres oder der Orientgeographie zu äußern, räumte dafür jedoch der Finanzierung des Kreuzzuges große Teile seines Werkes (50,6%) ein. Im Vergleich der Ratgebertypen untereinander zeigt die quantitative Verteilung der in den drei Subtypen jeweils dominanten Kategorie diese inhaltliche Spezialisierung der Finanzexperten deutlich auf (siehe Abb. 4 u. 5). Kreuzzugsberater, die sich in den größten Teilen ihres Ratschlags mit Militärstrategie oder Orientgeographie auseinandersetzen, widmeten sich üblicherweise nicht der Kreuzzugsfinanzierung, während die Finanzexperten umgekehrt Geographie und Strategie kaum behandelten. Die einzige Ausnahme in dieser Hinsicht bildeten die Johanniter, die in ihrer Informatio nicht nur die Finanzierung des Kreuzzugs, sondern auch dessen strategische Ausrichtung erörterten. Für die Leitkategorien der anderen beiden Beratertypen ist dagegen ein solcher Grad an Spezialisierung inhaltsanalytisch nicht erkennbar (siehe Abb. 6). Militärstrategische Fragen machen in den Werken geographisch-ethnographischer Ratgeber im Mittel 14,2% der Gesamtwörter aus und die Abhandlungen militärisch orientierter Berater behandeln die Orientgeographie durchschnittlich in 4,6% des Textes. Die im Vergleich zu den anderen Ratgebern ungewöhnliche Spezialisierung der Finanzexperten ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass politische Entscheidungsträger von ihnen schlichtweg nicht erwarteten, sie in militärstrategischen Fragen zu beraten oder über den Orient aufzuklären. Dies lässt sich nicht allein quantitativ belegen, sondern auch anhand der Wissenselemente, welche die Berater nicht in ihre Rückeroberungsvorschläge integrierten, obwohl sie ihnen verfügbar gewesen wären. Pierre Dubois war beispielsweise mit dem Opus maius des englischen Franzis-
Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 337–340. Dieser Wandel ist der Forschung bislang entgangen, vgl. Ertl, De recuperatione (2021), 289–294; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 95–105. RC, Nr. 1033; RN, Nr. 6791–6792. Siehe dazu ausführlich III.2.2.2.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
Abb. 4: Verhältnis von Kreuzzugsfinanzierung zu Militärstrategie.
Abb. 5: Verhältnis von Kreuzzugsfinanzierung zu Geographie/Ethnographie.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
Abb. 6: Verhältnis von Militärstrategie zu Geographie/Ethnographie.
kaners Roger Bacon (✶um 1240 †1292) vertraut und bezog sich in seinem Rückeroberungstraktat unter anderem auf Rogers Entwurf eines Brennspiegels sowie dessen Darstellung der orientalischen Astrologie.209 Neben dem von Dubois zitierten Plan für
Pierre Dubois’ Rezeption des Opus maius wird insbesondere in zwei Passagen seines Rückeroberungstraktats deutlich: Erstens stellte der Jurist fest, die Sarazenen würden mit angeli mali zusammenarbeiten, die durch ihre Kenntnis der Gestirne die Zukunft voraussagen könnten, und bezog sich damit höchstwahrscheinlich auf Rogers Warnung, die Sarazenen und Tataren könnten mittels Astrologie den Ausgang von Schlachten vorhersagen. Der Franziskaner kam jedoch zu dem Ergebnis, die lateinischen Christen müssten ihr astrologisches Wissen vertiefen, um militärische Parität mit den Sarazenen herzustellen, während Dubois diese Form der Zukunftsvorhersage schlicht als Ausweis von deren moralischer Deprivation betrachtete, vgl. Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 1, 399–402; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 12–14. Zweitens referierte Dubois explizit auf die Pläne des frater Rogerus Bacon de ordine minorum zur Konstruktion von Brennspiegeln und schlug vor, sie im Kampf um das Heilige Land einzusetzen, vgl. Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 1, 114–117; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 162–172. Dubois betitelte das Werk des Franziskaners dabei als Libellus de utilitas mathematicarum und bezog sich damit wahrscheinlich auf den vierten Teil des Opus maius, aus dem auch die beiden vorgenannten Textstellen stammen. Dementsprechend liegt es nahe, dass Dubois keinen Zugriff auf das Gesamtwerk, sondern nur den vierten Teil hatte. Da Rogers Ausführungen über die Astrologie im vierten Teil des Opus maius unmittelbar an seine Beschreibung Asiens anschließen, steht allerdings außer Frage, dass Dubois diese Textstellen ebenfalls bekannt gewesen sein müssen, vgl. Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 1, 286–376.
3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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einen Brennspiegel enthielt das vierte Buch des Opus maius jedoch auch eine ausführliche Beschreibung Asiens und seiner Bewohner, die auf dem Augenzeugenbericht des Franziskaners Wilhelm von Rubruck basierte.210 Doch obgleich Dubois dieser Bericht bekannt gewesen sein muss und andere Kreuzzugsberater teils ausführlich die Bräuche der Mongolen beschrieben,211 verzichtete der Jurist abgesehen von wenigen Zeilen über die mongolische Kriegführung vollständig darauf, dieses Orientwissen in sein Rückeroberungstraktat zu integrieren.212 Die Forschung hat diesen Umstand bislang übersehen und Dubois’ mangelnde Anerkennung am französischen Hof gern darauf zurückgeführt, dass er ein gelehrter Theoretiker ohne Wissen über den östlichen Mittelmeerraum gewesen sei.213 Doch für Dubois war dieses Wissen schlichtweg nicht relevant, weil er sich für den Hof Philipps IV. als Legist und nicht als Orientkenner empfehlen wollte. Abgesehen davon hätte dem Juristen aus Coutances wohl ohnehin niemand am französischen Hof die Reiseerfahrung abgenommen, die für Orientexperten konstitutiv war. Die Berater der anderen Subtypen wussten ebenfalls, dass finanziell-administrative Ratgeber sich in den Kreuzzugsplanungen für die Mittelakquise und rechtliche Sicherheit der Kreuzfahrer zuständig zeigten, und stellten deren Deutungshoheit hinsichtlich dieser Teilprobleme auch nicht in Frage. Selbst Marino Sanudo, der versuchte, in seinem Rückeroberungstraktat nahezu alle Probleme zu lösen, die in den höfischen Planungsgremien seiner Zeit als relevant erachtet wurden, beschränkte sich auf den lapidaren Hinweis, Kreuzfahrerheer und -flotte sollten ad soldum ecclesiae bezahlt werden, und überwies die Finanzierungsfrage damit an andere Experten.214 Einzig Ramon Llull interferierte mit der Auslegungshoheit der Finanzexperten und verfasste für sein
Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 1, 286–376. Roger verwandte den Reisebericht seines Franziskanerbruders Wilhelm von Rubruck, der 1253–1255 im Auftrag des französischen Königs zum mongolischen Großkhan reiste, als Grundlage für seine Beschreibung Asiens und der Mongolen. Siehe dazu insbes. die Kollation der entsprechenden Textstellen aus den beiden Darstellungen bei Charpentier, William of Rubruck (1935), 257–266; Guéret-Laferté, Voyageur (1998), 81–96. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 32–34; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 337–339; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 241. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 44–46: Fertur enim quod Tartarini, more temporis Alexandri regis obstagiantes, (...) pecuniis non utuntur, victualia non comparant; spoliis hostium et de suis animalibus que ducunt, ac eorum fructibus vescuntur; non tenent obsidionem ante unum fortalicium; semel in sex vel quinque diebus, ex omni parte, mane una hora simul omnes conveniunt; insultum faciunt multis modis, secundum ritus suos, usque prope vesperam; tunc redeunt ad habitacula sua, uxores, liberos, et bestias. Chollet hat beispielsweise erst kürzlich in seiner Rezension der neuen Edition von De recuperatione festgehalten: „Bien qu’il ne soit pas lui-même un connaisseur de la Méditerranée orientale, Pierre Dubois semble avoir imaginé que son avis pouvait intéresser les décideurs d’alors.“ Vgl. Chollet, Rez. von: Forcadet, Reconquête (2020), 221–223. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 35. Das Rückeroberungstraktat des Galvano di Levanto enthielt ebenfalls ein Kapitel de modo passagii per taxationem thesauri armigerorum equitum, navium, galearum et victualium, allerdings lässt sich aufgrund der unvollständigen Überlieferung des
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
Traktat De modo convertendi ein Kapitel de ordinatione expensarum, nur um an dessen Ende festzustellen: Viele andere Möglichkeiten existierten, mit denen die Kirche ihre weltlichen Güter zum Nutzen des ganzen Unternehmens organisieren kann, aber über diese will ich mich nicht einlassen, weil ich [dessen] nicht würdig bin.215 Die Zurückhaltung des katalanischen Gelehrten zeigt, dass die administrativ-finanziellen Berater in den höfischen Kreuzzugsplanungen über fest umrissene Funktionen verfügten, die ungeachtet der epistemischen Krise nicht von Ratgebern anderer Subtypen besetzt wurden. Die eingangs erwähnte These der Kreuzzugsforschung, in Bezug auf die sogenannten Rückeroberungstraktate könne zwischen den Werken der „Theoretiker“ einerseits und denen der „Orientkenner“ anderseits differenziert werden, erweist sich somit als anachronistische Fehleinschätzung.
3.3 Wissensbestände Die administrativ-finanziellen Berater nutzten vornehmlich Spezialwissen aus zwei epistemisch und praktisch miteinander verknüpften Wissensbeständen: der Legistik und Kanonistik sowie der zeitgenössischen (Kirchen-)Verwaltungsroutine.
3.3.1 Legistik und Kanonistik Das römische Recht bildete gemeinsam mit dem seit dem 12. Jahrhundert gesammelten Kirchenrecht die beiden Traditionen des gelehrten Rechts, die an den Schulen und Universitäten des hohen bzw. späten Mittelalters vermittelt wurden. Während das kanonische Recht in allen kirchlichen Streitfragen angewandt wurde, war das römische Recht nicht an eine bestimmte Institution oder Region gebunden, sondern kam immer dann zu Anwendung, wenn die lokalen Rechtsgepflogenheiten Lücken oder Widersprüche aufwiesen.216 Beide Rechtstraditionen bildeten zwar formal unabhängige Normensysteme, jedoch gab es sowohl personelle als auch inhaltliche Überschneidungen zwischen den beiden Wissensbeständen, weil das aus der Antike überlieferte römisches Recht das Vorbild für die Kodifikation des kirchlichen Rechts im 12. Jahrhundert bildete: „Gradually the Roman civil law was permeating all legal culture; it provided the categories, the methods of legal reasoning and the forms of argumentation, which were essential
Werkes nicht sagen, in welchem Ausmaß der Genuese Kreuzzugssteuern und andere Finanzierungsmöglichkeiten erörterte, vgl. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 366. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 353: Multi alii modi sunt quibus ecclesia posset ordinare de bonis temporalibus suis ad utilitatem tanti negotii, sed de hoc nolo me intromittere, quia non sum dignus. Stein, Roman Law (2003), 50.
3.3 Wissensbestände
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for anyone who wished to be considered a jurist.“217 Dementsprechend war die Kenntnis des römischen Rechts unerlässlich für Kanonisten und auch Legisten verfügten üblicherweise über eine grundlegende Kenntnis des Kirchenrechts – oder wie es ein zeitgenössischer Sinnspruch besagte: legista sine canonibus parum valet, canonista sine legibus nihil.218 Die eingehende Nutzung von Wissenselementen aus dem römischen und kirchlichen Recht in den Werken der administrativ-finanziellen Berater lässt sich exemplarisch am Beispiel von Pierre Dubois und dessen Traktat De recuperatione demonstrieren. Als Autor hatte Dubois die für Historiker angenehme Eigenart, bei seinen Zitaten und Paraphrasen meist anzugeben, ob die fragliche Sentenz aus der biblischen Überlieferung, von Aristoteles (den er nur ehrfürchtig als philosophus bezeichnete) oder aus einer anderen Quelle stammte. Solche direkten Zitate waren im universitären Schrifttum keineswegs ein Einzelfall und wiesen den jeweiligen Sprecher als Träger von gelehrtem Wissen aus, aber die Häufigkeit, mit der Dubois dieses Stilmittel einsetzte, ist durchaus ungewöhnlich. In beiden Teilen seines Rückeroberungstraktates finden sich insgesamt 158 solcher Verweise, die überwiegend in drei große Kategorien fallen (siehe Tab. 6).219 Die Meisten davon entfallen auf die Werke des Aristoteles, deren Verwendung für Gelehrte des 13. und 14. Jahrhunderts nur wenig überraschend ist, insbesondere wenn sie wie Dubois ihre intellektuelle Sozialisation an der Pariser Universität erfahren hatten.220 Abgesehen von dem ohne Frage topischen Rekurs auf die biblische Tradition sowie einzelnen Verweisen auf antike oder mittelalterliche Autoren221 zitierte Dubois auch 17-mal aus dem Corpus Iuris Civilis und 19 weitere Male aus dem Corpus Iuris Canonici. Aus der später als Corpus Iuris Civilis bezeichneten justinianischen Sammlung des römischen Rechts verarbeitete der Jurist dabei drei Teile: Jeweils sieben Mal referierte er auf die Digestae sowie die Novellae und ein weiteres Mal auf den Codex Iustinianus. Zwei Sentenzen vermutlich aristotelischen Ursprungs ordnete er fälschlicherweise ebenfalls dem von ihm als lex civilis bezeichneten römischen Recht
Stein, Roman Law (2003), 64. Baumgärtner, Legist (1988), 223–245; Merzbacher, Legista (1967), 275–282. So z. B. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 124–126: nam ut ait Philosophus in sua Rhetorica: Philosophi naturaliter sunt invidiosi. Oder ebenda, 66: Per munera, preces, timorem, amorem, odium, concupiscenciam et huiusmodi solet judicium corrumpi; prout in canone scripserunt qui per experimenta didicerant sancti Patres (...). Gezählt wurden nur direkte Zitate wie im ersten Beispiel oder Paraphrasen wie im zweiten Beispiel, nicht dagegen Verweise auf ein ganzes Werk. So wurde z. B. Dubois’ unspezifischer Hinweis, die Schüler der von ihm geplanten Schulen sollten die lex civilis studieren, für die Zählung nicht berücksichtigt, vgl. ebenda, 64. Nachweislich fehlerhafte Zitate oder falsche Zuordnungen wurden nicht korrigiert, sondern so übernommen, wie Dubois sie verwendet hat. Brandt, Introduction (1956), 46 f.; Bubert, Gegensätze (2019), 55–153. Zur Aristotelesrezeption in den Kreuzzugsplanungen siehe III.1.2.2. So u. a. Flavius Josephus, Vergil, Thomas von Aquin u. Roger Bacon, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 22; 128; 172; 256. Zu Dubois’ Rezeption v. Roger Bacon siehe Fußn. 156; 209.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
Tab. 6: Verweise im Rückeroberungstraktat des Pierre Dubois. Quelle Aristoteles Neues Testament Corpus Iuris Canonici Decretum Gratiani Liber Extra Corpus Iuris Civilis Digestae Novellae unklar Codex Iustinianus Altes Testament sonstige Autoren (Antike) sonstige Autoren (Mittelalter)
Anzahl der Verweise
zu.222 Bei dem Codex Iustinianus sowie den daran anschließenden Novellen handelte es sich um Sammlungen der Gesetze römischer Kaiser, die im Auftrag Justinians I. (✶um 482 †565) kompiliert wurden und aus dem Zeitraum vom 2. bis in das späte 6. nachchristliche Jahrhundert stammten.223 Beide Sammlungen waren bereits im frühen Mittelalter bekannt, wurden jedoch nur wenig rezipiert. Zu einer Renaissance des römischen Rechts kam es erst mit Wiederentdeckung der Digesten an den oberitalienischen Rechtsschulen des späten 11. Jahrhunderts.224 Die ebenfalls zur justinianischen Sammlung zählenden Digestae bestanden aus den Schriften römischer Juristen, die sich mit der Rechtsauslegung beschäftigten. Als solche ermöglichten sie den mittelalterlichen Rechtsgelehrten überhaupt erst eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem justinianischen Kodex und den Novellen. Das zunächst durch Glossierung und später auch durch Kommentierung erschlossene römische Recht wurde im lateinischen Europa in der Folgezeit zum „Inbegriff eines in sich geschlossenen Rechtscorpus“225 und schuf die Profession des Legisten, zu denen sich auch Kreuzzugsberater wie Guillaume de Nogaret zählten. Neben den von Dubois zitierten Digesten, Novellen und dem Kodex gehörten auch die Institutiones Iustiniani zu dem im Corpus Iuris Civilis zusammengefassten römischen Recht, die jedoch in De recup-
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 290; 302. Brandt hat behauptet, Dubois sei in der Legistik weniger trittsicher gewesen, vermutlich weil die Lehre des römischen Rechts an seiner Alma Mater Paris untersagt war, vgl. Brandt, Introduction (1956), 47. Diese beiden Sentenzen sind allerdings beileibe nicht die einzigen, die Dubois der falschen Quelle zuordnete. Er schrieb Augustinus von Canterbury einen Ausspruch des Kirchenvaters Augustinus zu und verwechselte bezeichnenderweise Zitate aus dem Corpus Iuris Canonici mit Bibelsprüchen, vgl. ebenda, 96, Fußn. 73; 107, Fußn. 1. Stein, Roman Law (2003), 32–36. Lange, Römisches Recht, Bd. 1 (1997), 29 f. Rexroth, Scholastik (2019), 292.
3.3 Wissensbestände
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eratione nicht erwähnt wurden. Da es sich bei den Institutionen um einführende Lehrschriften für das Studium der anderen Teile des Corpus handelte, sah der Jurist vermutlich keine Veranlassung, auf sie zu verweisen, obgleich sie ihm sicherlich geläufig gewesen sind. Die Anknüpfungspunkte für administrativ-finanzielle Berater wie Dubois an das römische Recht waren mannigfaltig. Zum einen konnten sie Ambiguitäten und Konflikte innerhalb oder zwischen den Rechtstraditionen nutzen, so etwa im Hinblick auf das Spolienrecht am Nachlass testamentlos verstorbener Geistlicher, bei dem seit dem 13. Jahrhundert der römischrechtlich fundierte Anspruch der Ortskirchen mit dem kirchenrechtlich legitimierten Anspruch der Päpste kollidierte.226 Indem sie die umstrittenen Gelder dem Kreuzzug zusprachen, vermochten Finanzexperten wie Dubois oder Guillaume de Nogaret diese Auseinandersetzungen wiederum zugunsten ihrer Patrone zu entscheiden.227 Zum anderen versuchten die administrativ-finanziellen Berater einzelne Elemente aus dem römischen Recht wie die bereits erwähnte emphiteosis oder auch die Tradition der Prozessordnungen für den Kreuzzug zu rekonfigurieren.228 Mit seinen Ausführungen zur Reform des Prozessrechts, die Dubois erstmalig sechs Jahre vor seinem Rückeroberungstraktat in der Summaria brevis niedergeschrieben hatte, knüpfte der Jurist an die Tradition des ordo iudiciorum an, welche die Legistik in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hervorgebracht hatte. In diesen ordines erörterten Legisten (und später auch Kanonisten) auf römischrechtlicher Grundlage Regeln für den Ablauf von Gerichtsverfahren und definierten zentrale Begrifflichkeiten des Prozessrechts. Die Darstellung von Verfahren in diesen ordines war allerdings üblicherweise deutlich ausführlicher als die knappen Ausführungen zur Prozessrechtsreform bei Dubois. Das Speculum iudicale des älteren Guillaume Durand zählte beispielsweise ganze vier Bücher.229 Auf diesen Grad an Komplexität bezog sich Dubois vermutlich in seiner Summaria, als er feststellte: die Doktoren des Rechts (...) haben ihren Geist der Vervielfältigung juristischer Schriften sowie der Regeln von Anklage und Verteidigung zugewandt, weshalb das Leben weniger Menschen ausreichen würde, um eine theoretische Erfahrung der Rechte im Ganzen zu erwerben (...).230 Selbst in seiner Kritik des gelehrten Rechts vermochte Dubois also nicht die Sozialisation des gelehrten Juristen abzulegen. Was das Kirchenrecht betrifft, so referierte Pierre Dubois in seinem Rückeroberungstraktat nicht auf alle sechs, sondern nur auf zwei Bestandteile des späteren Corpus Iuris Canonici: Einerseits das um 1139 kompilierte Decretum Gratiani, auf das er
De Saint Palais d’Aussac, Droit (1930); Eisenberg, Spolienrecht (1895); Mollat, Droit (1933), 316–343; Petke, Spolienrecht (1995), 15–27; Prochnow, Spolienrecht (1912); Willimann, Right (1988), 1–28. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 203; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 82–84. Zur Erbpacht bzw. emphiteosis siehe Fußn. 122. Siehe u. a. Nörr, Ordo (1967), 327–343. Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 516–518: iurium doctores (...) ad multiplicandum scripturas iuris modos agendi et deffendi suos animos applicarunt ita quod paucorum hominum vita suffiseret ad iurum theoricam experienciam simul adquirendam (...).
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
sich 13-mal bezog, und andererseits den 1230 von Papst Gregor IX. in Auftrag gegebenen Liber Decretalium extra Decretum Gratiani vagantium, oder kurz Liber extra, aus dem der Jurist sechsmal zitierte.231 Beide Sammlungen des kanonischen Rechts dürften ihm sowohl aus seinem Studium an der Pariser Universität als auch aufgrund seiner Tätigkeit als advocatus regis in Coutances geläufig gewesen sein. Nachdem die Menge neuer Dekretalen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stetig angewachsen war, veranlasste Papst Bonifaz VIII. zwischen 1296 und 1298 erneut eine Sammlung, die als Addendum zu Gregors Sammlung Liber sextus genannt wurde und später den dritten Teil des Corpus Iuris Canonici bilden sollte. Aus dieser Sammlung zitierte Dubois nicht mehr, vermutlich weil der Liber sextus 1306 noch verhältnismäßig neu war oder aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber dessen Auftraggeber. Die drei im frühen 14. Jahrhundert auf den Liber sextus folgenden Dekretalensammlungen, welche das Corpus Iuris Canonici vervollständigten, konnte Dubois ebenfalls nicht mehr berücksichtigen. Die im Auftrag von Papst Clemens V. zunächst als Liber Septimus zusammengestellten Clementinae constitutiones wurden 1317 von seinem Nachfolger Johannes XXII. promulgiert. Dieser veranlasste anschließend zwei weitere Sammlungen als Addenda zu den Clementien, die als Extravagantes Johannis XXII. sowie Extravagantes Communes in das Corpus Iuris Canonici eingegangen sind.232 Im Gegensatz zum römischen Recht stand das Kirchenrecht in einem Wechselverhältnis zum Kreuzzug und dessen Planung. Kreuzzugsplaner wie Dubois schöpften für ihre Ratschläge einerseits aus dem Wissensbestand der Kanonistik, anderseits warf die Organisation und Durchführung von Kreuzzügen Probleme hinsichtlich der Besteuerung des Klerus oder der Gültigkeit von Kreuzzugsgelübden auf, die für Kirchenrechtler eine Neuauslegung ihres Wissens notwendig werden ließ. Schon die Teilnehmer des zweiten Konzils von Lyon diskutierten vor dem Hintergrund des subsidium Terrae Sanctae kirchenrechtliche Detailprobleme wie die Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß auch verpfändeter Kirchenbesitz von der auf dem Konzil beschlossenen Kreuzzugssteuer betroffen sei.233 Die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps wiederholten in ihren Memoranden die geltenden kirchenrechtlichen Regelungen des Kreuzzuges für politische Entscheidungsträger, die über derartiges Wissen meist nicht verfügten. Guillaume Durand wies darauf hin, dass die Residenzpflicht von Kanonikern für die Dauer des Kreuzzuges aufgehoben werden müsse, damit die geistlichen Kreuzfahrer auf dem Weg in den Orient weiterhin von ihren Benefizien profitieren könnten.234 Die Verfügung stammte ursprünglich aus der Konstitution Ad liberandam Terram Sanctam des vierten Lateranums und wurde in den päpstlichen Kreuzzugsaufrufen des 13. Jahrhunderts
Brundage, Canon Law (1995), 46–49; Landau, Gratian (2008), 22 f.; Meyer, Ordnung (2006), 331–334; Werckmeister, Gratian (1997), 183–192. Brundage, Canon Law (1995), 54–56. Roberg, Subsidium (1983), 122 f. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 106 f.
3.3 Wissensbestände
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wiederholt.235 Obgleich die Konstitution 1234 nicht vollumfänglich in den Liber Extra aufgenommen worden war, wurde sie im Lauf des 13. Jahrhunderts wiederholt von Kanonisten wie Heinrich von Segusa (auch: Hostiensis) (✶um 1200 †1271) diskutiert, der sie in seiner Lectura in Decretales Gregorii IX ausführlich glossierte.236 Obwohl sie kirchenrechtliche Probleme aufwarfen, waren die Kreuzzugsplanungen selbst allerdings kein Feld für den kanonistischen Disput, weshalb die administrativ-finanziellen Berater ähnlich wie im Fall des römischen Rechts in der Regel auf eine weiterführende Analyse juristischer Argumente verzichteten. Ihr Fokus lag stattdessen darauf, kirchenrechtliche Regelungen und Debatten für die Kreuzzugsplanungen nutzenorientiert zu reformulieren. Die administrativ-finanziellen Berater übernahmen derweil nicht nur einzelne Wissenselemente, sondern auch die Deutungsschemata der Jurisprudenz. Dabei profitierten sie davon, dass Juristen in Auseinandersetzung mit den umfangreichen Korpora römischen und kirchlichen Rechts verschiedene Vorgehensweisen entwickelt hatten, um Wissen zu sammeln und organisieren. Deutlichstes Zeugnis dieser Auslegungstechniken war die literarische Form der Rückeroberungsmemoranden selbst, die sich am Aufbau juristischer consilia orientierte. Solche consilia dienten seit dem späten 12. Jahrhundert der Bewertung eines lebensweltlichen Rechtsfalls bzw. -streits durch Rechtsgelehrte und erlangten Baumgärtner zufolge „in ihrer Funktion als Verbindungsglied zwischen universitärer Theorie und Gerichtspraxis (...) eine Vermittlerrolle zwischen rechtlichen Normen und gesellschaftlicher politisch-sozialer Realität.“237 Die Form des consilium wurde ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch für die lebensweltliche Applikation anderer Elemente gelehrten Wissens eingesetzt und fand in dieser Funktion vor allem in der universitären Medizin Anwendung.238 Innerhalb der Kreuzzugsplanungen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts etablierte sich die literarische Form des consilium schnell als Standard, um Wissen anwendungsbezogen zu organisieren, und fand so nicht nur in den Werken der Finanzexperten, sondern in den Schriften aller Kreuzzugsberater Niederschlag.239 Neben dem Einfluss der consilia-Literatur übernahmen die administrativ-finanziellen Berater auch weitere Techniken der Wissensorganisation wie die Distinktion aus der zeitgenössischen Jurisprudenz. Diese lässt sich laut Meyer folgendermaßen bestimmen: „Wer distinguiert, spaltet einen zumeist den Quellen entnommenen Oberbegriff in zwei oder mehr Unterbegriffe, die selbst wieder zergliedert,
Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 267. Blumenthal, Ad liberandam (2014), 31–50; Dies., Gloss (2013), 89–122. CIC X 5.6.17 beschränkt sich dagegen ausschließlich auf das mit Ad liberandam erlassene Verbot des Handels mit kriegswichtigen Gütern. Baumgärtner, Consilia (1995), 9. Siehe auch Köbler/Weimar, Consilium (1986), 161 f.; Woelki/Daniels, Consilia (2018), 83–89. Agrimi/Crisciani/Viola, Consilia (1994), 39–44; Köbler/Weimar, Consilium (1986), 161 f.; Woelki/Daniels, Consilia (2018), 83–90. Siehe dazu ausführlich II.1.3.1.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
d. h. subdistinguiert werden können.“240 Guillaume de Nogaret gliederte sein Memorandum in planungsrelevante Unterpunkte wie die Akquise von Geldern für den Kreuzzug oder die Verteidigung des Heiligen Landes nach der Rückeroberung, von denen er einige ausführlich behandelte, während er andere nicht weiter thematisierte.241 Klassifikatorisches Distinguieren half demnach Beratern wie Guillaume dabei, das komplexe Problem der Rückeroberung des Heiligen Landes systematisch in Teilprobleme zu zerlegen, die anschließend den jeweiligen Experten zugeordnet werden konnten.
3.3.2 Kirchenverwaltung Obgleich Kirchenrecht und römisches Recht fraglos zentrale Wissenselemente und wirkmächtige Deutungsschemata für die Vorschläge der administrativ-finanziellen Berater lieferten, bildeten sie keineswegs den primären Bestand, aus dem die Finanzexperten ihr Wissen schöpften. Trotz seiner dezidierten Nutzenorientierung hielt das propositionale Wissen aus Legistik und Kanonistik oft keine Handlungsroutinen bereit, die unmittelbar nutzbar waren für die Lösung des Finanzierungs- und Schutzproblems, dem sich die Berater dieses Subtyps vornehmlich widmeten. Stattdessen verwandten sie vielmehr praktisches und propositionales Wissen aus der routinemäßigen Kirchenverwaltung, in die alle administrativ-finanziellen Berater auf verschiedene Weise involviert waren und in der viele von ihnen ihren Lebensunterhalt verdienten. Die kirchliche Verwaltungsroutine war indes kein von Legistik und Kanonistik epistemisch isolierter Wissensbestand, sondern stand aufgrund der zunehmenden Dominanz von studierten Juristen in der kirchlichen und weltlichen Verwaltung in einem interdependenten, teils sogar kongruenten Verhältnis zu den beiden Rechtstraditionen. Umgekehrt betonten die Magister an Rechtsschulen gegenüber ihren Schülern, dass man nichts erreichen könne, wenn man das kanonische Recht nur aus der Theorie kenne, es aber nicht anzuwenden vermöge.242 Die administrativ-finanziellen Berater wurden vermutlich primär als Träger dieses Wissens aus der zeitgenössischen (Kirchen-)Verwaltung und weniger aufgrund ihrer Kenntnis des kirchlichen oder römischen Rechts konsultiert. Administratives Wissen war erforderlich geworden, weil die kirchliche und weltliche Verwaltung sich im Rahmen der Bürokratisierungsschübe des 12. Jahrhunderts zunehmend professionalisiert und eigene regionale Bestände von Spe-
Meyer, Ordnung (2006), 385. So etwa Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200 f.: Quinto, advertendum cum omni cura et sollicitudine vigilandum; quod ipsa terra acquisita conservetur et retineatur post acquisitionem juxta illud (...), was wiederum den folgenden ersten Unterpunkt enthielt: Primum, ut provideatur circa personas nedum pugnancium, qui mortalitate vel modis aliis consummuntur, et ideo numerum pugnancium frequenter renovari oportet, sed eciam eorum qui terram ipsam quesitam retinebunt Christi nomine, custodient, et defendent et inhabitabunt. Rexroth, Ordnung (2016), 105.
3.3 Wissensbestände
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zialwissen ausgebildet hatte.243 Die Finanzverwaltung bildete die Speerspitze dieser Entwicklung und etablierte im Auftrag lateineuropäischer Herrscher stetig neue Wege der Mittelakquise, um den Militärausgaben beizukommen, die aufgrund der zunehmenden Popularität von Gewaltprofessionellen gestiegen waren.244 Die moderne Politikwissenschaft geht davon aus, dass „the bureaucracy has its own knowledge, primarily that of processes and contexts, including knowledge of audiences (...), which defines and delimits what are perceived to be viable options for policy responses.“245 Obgleich die Entwicklung einer Bürokratie in den Herrschaftsverbänden des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts nicht weit vorangeschritten war, lässt sich hinsichtlich des Wissens, welches die administrativ-finanziellen Berater in die höfischen Kreuzzugsplanungen einbrachten, ein ähnliches Phänomen beobachten. Ein Beispiel für dieses bürokratische Wissen bilden die bereits erwähnten Annaten, die von nahezu allen Ratgebern dieses Subtyps zur Finanzierung des Kreuzzugs vorgeschlagen wurden. Die Erhebung von Annaten für die Benefizien des niederen Klerus wurde zwar bereits während des ausgehenden 11. Jahrhunderts im partikularkirchlichen Bereich praktiziert, hielt jedoch erst 1325 mit den Extravagantes Johannis XXII. Einzug in die großen Sammlungen des Kirchenrechts.246 Die Finanzexperten stützten sich demnach nicht auf das kodifizierte kanonische Recht, sondern das Gewohnheitsrecht der Ortskirchen sowie den Präzedenzfall, welchen Clemens V. im Jahr 1306 mit der ersten päpstlichen Annatenerhebung für die britischen Inseln geschaffen hatte.247 Neben diesem Wissen über die routinemäßigen Abläufe bei der Annatenerhebung ließen die Finanzexperten auch Kontextwissen in die Kreuzzugsplanungen einfließen. Guillaume de Nogaret insinuierte etwa auf dem Konzil von Vienne, dass sich trotz des Widerstands der Ortskirchen gegen die Abgabe zwischen 1306 und 1311 signifikante Rücklagen aus den päpstlichen Annaten gebildet hätten.248 Auf diese Weise fanden auch lokale Rechtsgepflogenheiten Eingang in die höfischen Kreuzzugsplanungen; der Vorschlag des Pierre Dubois, Verstöße gegen den Generalfrieden mit einem Strafdienst im Heiligen Land zu ahnden, ging vermutlich auf die schon während des 12. Jahrhunderts im anglo-normannischen Raum geübte Rechtspraxis zurück, die kirchliche Buße für bestimmte Vergehen an einen zeitlich begrenzten Militärdienst im Templerorden zu knüpfen.249
MWG 1.22.4, 179–182; MWG 1.23, 455–468. Ertman, Birth (1997); Schumpeter, Krise (1918), 8–19. Hunt/Shackley, Science (1999), 144. CIC Extrav. Joh. 1.2; Lunt, Levy (1912), 48–64; Ders., Revenues, Bd. 1 (1934), 93–99; Petersen, Annatenerhebung (2002), 165–175. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 106; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 204; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 439; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 80. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 204. Forey, Henry II (2016), 164; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 16–26.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
Innerhalb des Bestandes routinemäßigen Verwaltungswissens lassen sich wiederum zwei Formen der Speicherung von Wissenselementen ausmachen: Erstens als propositionales Wissen in Form von Verwaltungsaufzeichnungen, die zugleich als Rezepte für künftige administrative Akte fungierten, und zweitens als praktisches Wissen aus dem routinemäßigen Verwaltungshandeln, das in Form individueller Erfahrung aggregiert war. Ersteres wurde zum einen in Leitfäden festgehalten, so hatten herrscherliche Kanzleien bereits im frühen Mittelalter Formelsammlungen für die Anfertigung von Urkunden und Briefen etabliert, und zum anderen in Form der durch Verwaltungshandeln produzierten Dokumente gespeichert.250 Mit den ersten Kreuzzügen im 12. Jahrhundert hatte auch die Dokumentation seitens der Verwaltung eingesetzt, sodass die administrativ-finanziellen Berater des 14. Jahrhunderts auf nahezu 200 Jahre derartiger Aufzeichnungen zurückblicken konnten. Um für die Erhebung der Annaten auf den britischen Inseln zu ermitteln, welche Benefizien in welcher Höhe zu besteuern seien, stützte sich Papst Clemens V. auf die Aufzeichnungen der Kreuzzugssteuer, die Nikolaus IV. 15 Jahre zuvor dem englischen König Eduard I. gewährt hatte.251 Als Philipp VI. in den 1330er Jahren von der Strategie des Partikularkreuzzugs abkam und begann, einen allgemeinen Kreuzzug zu organisieren, nutzten Kreuzzugsplaner gar die Aufzeichnungen aus der Zeit des seines Urgroßvaters als Modell für die Finanzierung eines solchen Großunternehmens.252 Derartige Aufzeichnungen waren allerdings für Laien meist schwer zu erschließen und bedurften demnach der Ordnung und Aufbereitung durch entsprechende Experten. Im letztgenannten Fall sammelten die Schreiber der Rechnungskammer die verfügbaren Dokumente aus dem 13. Jahrhundert und stellten daraus ein kurzes Dossier für den König zusammen. Wie für rezeptförmig propositionalisiertes Wissen üblich, waren diese aus Verwaltungsaufzeichnungen gewonnenen Wissenselemente nicht einfach auf die gegenwärtigen Verhältnisse übertragbar, sondern mussten an die vorliegende Situation angepasst werden. Die Ratgeber waren sich dessen durchaus bewusst und versuchten, diesen Umstand zu ihren Gunsten einzusetzen. Guillaume de Nogaret und Pierre Dubois forderten zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine Neubewertung des gesamten Kirchenbesitzes, da die älteren Aufzeichnungen aus den 1290er Jahren nicht mehr der Wirklichkeit entsprächen.253 Um das rezeptförmig gespeicherte Wissen neu auszulegen, war wiederum die individuelle Erfahrung erforderlich, welche die administrativ-finanziellen Berater im Laufe ihres Verwaltungsdienstes erworben hatten. Auf den Wert dieser administrativen experiencia ging Pierre Dubois in seinen Werken gleich mehrfach ein. Dabei stellte er heraus, die experiencia iudicandi et postulandi könne man nur erwerben, indem man
Csendes/Herde/Koch, Formel (1989), 646–654. Lunt, Levy (1912), 59. Dépenses de Saint Louis. Ed. Guigniaut/Wailly, 513–515; Fragmentum. Ed. Guigniaut/Wailly, 403–405. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 203 f.; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 108–110.
3.3 Wissensbestände
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selbst in Gerichtsverfahren tätig sei oder die Tätigkeit anderer Advokaten eingehend betrachte.254 Diese Erfahrung in kirchlichen Streitfällen, über die Dubois als advocatus regis fraglos verfügt haben wird, ließ sich wiederum in Vorschläge zur Mittelakquise für den Kreuzzug übersetzen. So ging der durch Dubois und Guillaume de Nogaret geäußerte Vorschlag, legata indistincta zur Kreuzzugsfinanzierung heranzuziehen, vermutlich auch auf diese Erfahrung zurück, denn Dubois betonte zuvor in seiner Summaria brevis, dass es besonders Nachlassstreitigkeiten seien, die Gerichtsverfahren in die Länge zögen und mitunter sogar andauerten, bis die Erbnehmer selbst verstorben seien.255 Der Umstand, dass Erfahrung aus dem Verwaltungshandeln von den Beratern als notwendig erachtet wurde, war wiederum das Symptom des Bürokratisierungsprozesses der lateineuropäischen Herrschaftsverbände, der im 12. Jahrhundert eingesetzt hatte und ultimativ professionelle Finanzbeamte, Richter und andere Verwaltungsbedienstete hervorbrachte. Als Triebfeder dieses Prozesses fungierte der stetig anwachsende Finanzbedarf lateineuropäischer Herrscher, der aus den Kosten für die Hofhaltung, aber vor allem aus den steigenden Militärausgaben resultierte, die auch Finanzexperten wie Guillaume de Nogaret beklagten.256 Die anwachsenden Kosten für das Militär waren auf den vermehrten Einsatz von Gewaltprofessionellen in den lateineuropäischen Streitmächten zurückzuführen und führten dazu, dass zeitgenössische Potentaten ihren Verwaltungsapparat optimierten, um die Abschöpfung von Ressourcen aus ihren Herrschaftsverbänden zu erhöhen. Diese Vorgehensweise erhöhte zwar einerseits die herrscherlichen Einnahmen, doch andererseits wuchs durch den Unterhalt für diesen Erzwingungsapparat aus Militär und Bürokratie auch wieder der herrscherliche Finanzbedarf und forcierte somit eine weitere Optimierung. Aufgrund der Eigendynamik, die dieser Prozess hervorbrachte, hat Tilly auch von einem „coercion-extraction-cycle“ gesprochen.257 Dabei war diese Entwicklung keineswegs auf weltliche Herrschaftsverbände beschränkt, sondern erfasste auch Päpste und Prälaten, die als Territorialherren ebenfalls in militärische Ausein-
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 182: Ad quam experienciam acquirendam, que longo indiget tempore, prout noverunt per se ipsos illi quicunque in talibus laborarunt, et non laborantes, qui labores aliorum considerarevunt (sic), et ut addiscerent diligentius respexerunt (...). Dubois wies auch auf den Stellenwert der experiencia für königliche Ratgeber hin, so u. a. in Ders., De abreviatione. Ed. Forcadet, 364; Ders., De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 12. Zum Ausdruck experiencia siehe u. a. Kintzinger, Experiencia (2012), 95–117; Sarnowsky, Expertus (2012), 47–59. Zum Stellenwert der experiencia in der Kanonistik siehe Nörr, Proben (2012), 34–46. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 203; Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 516–518; Ders., De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 82–84. Die Unterbewertung des Kirchenbesitzes scheint tatsächlich immer wieder ein Problem bei der Steuererhebung gewesen zu sein, vgl. dazu Prestwich, War (1972), 185 f. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200. Tilly, Coercion (1990), 67–95. Siehe auch Blickle, Europa (2008), 41 f.; Bompaire, Question (2007), 105–140; Hélary, Révolution (2007), 254; Münkler, Kriege (2002), 91–97.
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3 Spezialisiert und rechtsbeflissen – Die administrativ-finanziellen Berater
andersetzungen involviert waren. Zwischen dem Ende des Pontifikats von Bonifaz VIII. und dem Amtsantritt Benedikts XII. vervierfachten sich beispielsweise die Einnahmen der Apostolischen Kammer.258 Als zentrales Instrument zur Ressourcenabschöpfung bildeten sich die Steuern heraus, wobei die Besteuerung des Klerus zu Kreuzzugszwecken am Beginn dieser Entwicklung stand. Da es im 12. Jahrhundert zunächst noch keine Steuern im Sinne regelmäßiger Abgaben gegeben hatte und Herrscher ihre Militärausgaben aus den Einkünften ihrer eigenen Domäne bestritten hatten, hat Schumpeter diesen Prozess auch als Wandel vom Domänenstaat zum Steuerstaat beschrieben.259 Die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps waren demnach die Agenten des werdenden Steuerstaates, deren Beteiligung an den Kreuzzugsplanungen erforderlich war, um neue und effektivere Wege der Besteuerung zu ersinnen, die den stetig wachsenden Militärausgaben gerecht werden konnten. Als leerer Signifikant bildete der Kreuzzug ein ideales Bezugsfeld für die fiskalpolitischen Experimente dieser Finanzexperten, weil der Verweis auf ein gesamtgesellschaftlich anerkanntes Ziel wie die Rückeroberung des Heiligen Landes einen Wertekonsens erzwang, der ökonomische Verteilungskonflikte in den Hintergrund treten ließ. Abseits der Herrscherhöfe nahmen die Zeitgenossen die beständig steigende Abgabenlast allerdings vorwiegend negativ wahr. Insbesondere im niederen Klerus wurden die Kreuzzugsplanungen der Könige und Päpste deshalb zunehmend skeptisch betrachtet. Der Fortsetzer der Grandes chroniques de France klagte etwa mit Blick auf die Abgaben für den Partikularkreuzzug Karls IV., der französische König habe die Kirche geschoren und der Papst habe ihr anschließend die Haut abgezogen.260 Der unbekannte Verfasser der Vita Edwardi Secundi resümierte wiederum resigniert über Clemens V.: Bei Vienne hat er ein Konzil versammelt und die Templer aufgelöst, er hat Ablässe für das Heilige Land gewährt, unendlich viel Geld abgetreten, aber dem Heiligen Land hat nichts von all dem genutzt.261
Favier, Papes (2006), 251–253; Guillemain, Cour (1962), 489–491. Siehe dazu auch Denzel, Kreuzzugssteuer (2018), 161–164, der die Innovationen der päpstlichen Finanzverwaltung allerdings in der voravignonesischen Zeit verortet. Den Zeitgenossen waren die steigenden Einkünfte der Apostolischen Kammer durchaus bewusst, so heißt es etwa in der von einem englischen Kleriker verfassten Vita Edwardi Secundi über den Hof der Päpste in Avignon: Set domina pecunia omne negocium consummat in curia. Vgl. Vita Edwardi secundi. Ed. Childs, 78. Schumpeter, Krise (1918), 8–19. Siehe dazu auch Ertman, Birth (1997); Fryde, Taxation (1991), 236–287; Housley, Crusading (2010), 291–308. Im Laufe des 13. Jahrhunderts etablierten sich auch weltliche Steuern, zu denen etwa die Besteuerung beweglichen Besitzes durch die englischen Könige zählte, vgl. Prestwich, War (1972), 179–185. Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 77: et ita dum miseram Ecclesiam unus tondet, alter excoriat. Vita Edwardi secundi. Ed. Childs, 80: Apud Vienniam consilium congregavit, et Templarios disposuit, indulgencias pro Terra Sancta concessit, infinitam pecuniam congessit, set Terre Sancte nichil omnino profuit.
4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographischethnographischen Berater 4.1 Sozialer Hintergrund Den dritten und sozial heterogensten Subtyp von Kreuzzugsberatern formierten die Akteure, denen Wissen über den Orient und das vordere Asien zugeschrieben wurde. Im Gegensatz zu den Ratgebern der anderen beiden Subtypen stammten diese geographisch-ethnographischen Berater keineswegs aus einem gemeinsamen Milieu, in dem sie ihr Spezialwissen qua Sozialisation erworben hatten, sondern gaben stattdessen vor, ihr Wissen „aus erster Hand“ durch Beobachtung während ihrer Reisen in den Osten erworben zu haben.1 Diese Strategie der Legitimation von Expertise über das Fremde lässt sich auch in zeitgenössischen Reiseberichten beobachten, zu denen die Werke der Orientexperten auch weitere topische Ähnlichkeiten aufweisen.2 Hinter der persönlichen experiencia des Reisenden trat die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Institution zurück; in allen erhaltenen Texten dieses Subtyps wird zwar der mutmaßliche Orientaufenthalt des jeweiligen Verfassers (meist mehrfach) explizit herausgestellt, seine Identität lässt sich allerdings in der Mehrzahl der Fälle nicht eindeutig ermitteln.3 In den Kreuzzugsplanungen waren diese Orientkenner eine vergleichsweise neue Erscheinung, die sich erstmalig in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beobachten lässt. Proto-Experten wie der Dominikaner Wilhelm von Tripolis waren bereits im Vorfeld des zweiten Konzils von Lyon konsultiert worden, allerdings beschränkten sie sich zu diesem Zeitpunkt noch auf eine rein deskriptive Wiedergabe ihres Orientwissens, ohne aufzuzeigen, wie dieses Spezialwissen für die Durchführung eines Kreuzzuges genutzt werden könnte.4 Wie García Espada festgestellt hat, profitierten diese Orientkenner von der geographischen Ausweitung, welche die höfische Kreuzzugsplanung nach dem Mongolensturm sowie dem Untergang der Kreuzfahrerreiche erlebte. Päpste und Könige erachteten nun auch zunehmend Wissen über vormals entlegene
So etwa Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9: Ego sane, licet minus ydoneus, scribendum existimavi Sanctitati Vestre quod insuper premissus dominus inspiravit ad laudem et honorem Domini Nostri Ihesu Xpisti et ad directionem eorum qui amore Salvatoris nostri sunt in maria transituri simplici nomine insinuans ea que pro parte oculis meis vidi et manibus attractavi. Oder auch Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 368: In quo quidem Directorio, non tam aliorum relacione audita, quam ea que per XXIIII, annos et amplius, quibus fui in terris infidelium moratus, causa fidei predicande, visa refero et experta. Richard, Récits (1981), 70 f.; Schmieder, Europa (1994), 188–190. Zur literarischen Funktion der Augenzeugenschaft in mittelalterlichen Reiseberichten siehe insbes. Münkler, Erfahrung (2000), 222–287. Zum Ausdruck experiencia siehe u. a. Kintzinger, Experiencia (2012), 95–117; Sarnowsky, Expertus (2012), 47–59. Siehe I.1.2. https://doi.org/10.1515/9783111085067-007
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4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
Länder in Asien und Afrika als planerisch relevant und versuchten, Spezialisten für diese Regionen an ihre Höfe zu holen.5 Erst in den Dekaden nach dem Lugdunense begannen Berater dann damit, ihr geographisches Spezialwissen als Expertise auf das Problem der Rückeroberung der heiligen Stätten zuzuschneiden, und wurden somit zu Kreuzzugsexperten.
4.1.1 Mendikanten Die wahrscheinlich größte soziale Gruppe unter den Experten des geographischethnographischen Subtyps bildeten Mendikanten, welche die Länder im Osten der lateinischen Welt als Missionare bereist hatten und aus diesem Grund insbesondere an der Kurie die ersten Ansprechpartner für Wissen über diese Regionen waren. Die missionarische Tätigkeit der Bettelorden stand in einer Tradition, die bis zu ihrer Gründung zurückreichte; so hatte bereits Franz von Assisi als Missionar an der Levante gewirkt. Als dann der Mongolensturm in den 1240ern das lateineuropäische Weltbild erschütterte, waren es Mendikanten wie Andreas von Longjumeau (†um 1253) oder Johannes von Plano Carpini, die im Auftrag von Päpsten und Königen nach Asien aufbrachen, um Wissen über die zuvor unbekannten Invasoren zu gewinnen.6 Schon zu diesem Zeitpunkt wurden reisende Mendikanten aufgrund ihres geographischen Spezialwissens im Rahmen von Kreuzzugsplanungen konsultiert. Wie im Fall des Dominikaners Andreas von Longjumeau, der den französischen König Ludwig IX. anfänglich auf dessen erstem Kreuzzug begleitete, war ihr Spezialwissen jedoch zunächst nicht auf einen verwertbaren Nutzen für den Kreuzzug bezogen und folgerichtig kein Expertenwissen. Im Laufe der Zeit weiteten die Orden ihre Missionstätigkeit dann beständig weiter gen Osten aus: 1299 erbaute der Franziskaner Johannes von Montecorvino die erste römisch-christliche Kirche in Khanbaliq (Beijing), 1314 gründete der Dominikaner Franz von Perugia einen Konvent im persischen Soltaniye und von dort aus erreichte sein Ordensbruder Jordanus Catalanus (✶um 1290 †1334) den Süden des indischen Subkontinents, wo er in der Stadt Kollam eine Gemeinde etablierte.7 Die Berater aus den Bettelorden konnten dieses auf Missionsreisen erworbene und innerhalb der Orden weitergegebene Spezialwissen aufgreifen, um es auf die Rückeroberung des Heiligen Landes anzuwenden. Viele von ihnen waren auch selbst in die Asienmission involviert. Als der Papst Franz von Perugia im Mai 1318 zum ersten Erzbischof des persischen Soltaniye ernannte, zählte der Kreuzzugsberater Guillelmus Adae beispielsweise zu den sechs Suffraganbischöfen der neugeschaffenen
García Espada, Marco Polo (2009a), 92–98; Ders., Marco Polo (2009b), 214; Ders., Enlargement (2014), 109–124. Ähnlich auch Fried, Globalisierung (2015), 211–240. Davon zeugen die entsprechenden Reiseberichte, so u. a. Johannes von Plano Carpini, Storia dei Mongoli. Ed. Menestò, 227 f.; Wilhelm von Rubruck, Viaggio in Mongolia. Ed. Chiesa, 6. Richard, Papaute (1998), 144–147; 171–174; 190–192; Troll, Chinamission (1966), 135–145.
4.1 Sozialer Hintergrund
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Diözese.8 In der Rolle des Kreuzzugsexperten profitierten die Mendikanten gegenüber anderen Ratgebern davon, dass ihre missionarisch veranlassten Orientaufenthalte aus päpstlicher Sicht wohlbegründet waren und die Loyalität der Mönche zur römischen Kirche außer Frage stand. Sie unterschieden sich damit von den Fernhändlern, die Asien zwar bereits lange vor ihnen bereist hatten, aber aufgrund dieser Reisen beständig im Verdacht standen, mali christiani zu sein, die das päpstliche Handelsembargo missachtet hatten.9 In Kreuzzugsangelegenheiten waren Dominikaner und Franziskaner zuvor vor allem als Prediger involviert gewesen. Schon wenige Jahre nach der Gründung beider Orden im frühen 13. Jahrhundert waren ihre Mitglieder durch das lateinische Europa gezogen und hatten, wie etwa vor dem Kreuzzug Kaiser Friedrichs II., das Kreuz gepredigt.10 In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts übernahmen Mendikanten sukzessive die Hauptlast der Kreuzpredigten, wobei die einzelnen Prediger sich schon bald auf ordensinterne Musterpredigten und Exempelsammlungen stützen konnten, die nur noch den jeweiligen regionalen Gegebenheiten angepasst werden mussten.11 Mit Humbert von Romans zählte der Verfasser eines solchen Handbuchs für die Kreuzpredigt auch zu den Proto-Experten, die 1274 von Papst Gregor X. während der Kreuzzugsplanungen des zweiten Konzils von Lyon konsultiert wurden.12 Als Prediger waren Mendikanten zugleich auch für die Kollekte von Spenden für den Kreuzzug zuständig und überwachten die aus der Auflösung von Kreuzzugsgelübden akquirierten Gelder.13 Wenngleich sie auch im Vorfeld der Kreuzzüge des 14. Jahrhunderts weiterhin diese zentralen Funktionen ausübten, wurden die Prediger und Finanzverwalter der Orden doch zu keinem Zeitpunkt am Hof als Experten für die Durchführung eines Kreuzzuges befragt.14 Stattdessen traten allein Mendikanten, die als Missionare zwischen Orient und Ostasien aktiv gewesen waren, in der Rolle des höfischen Kreuzzugsexperten auf. Das erste erhaltene Rückeroberungstraktat eines Mendikanten (und zugleich das erste erhaltene Werk dieser Art überhaupt) stammt aus der Feder des Franziskaners
Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 18, Nr. 1. Siehe dazu insbes. die Beteuerung des Kaufmanns Marino Sanudo, im Rahmen seiner Handelsreisen nie das päpstliche Embargo missachtet zu haben, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3 sowie II.4.3.2. Maier, Preaching (1998), 32 f. Georgiou, Preaching (2018), 168–172; Maier, Preaching (1998), 111–121. Siehe I.1.1. Humberts Traktat De predicatione crucis contra Saracenos wurde verfasst zwischen 1266 und 1268 im Vorfeld des zweiten Kreuzzugs von Ludwig IX., vgl. Kaeppeli, Scriptores, Bd. 2 (1975), 287–289. Maier, Preaching (1998), 123–143. Zur Auflösung von Kreuzzugsgelübden siehe II.3.2.1. Georgiou, Passagium (2013), 57–60. Im Gegensatz zu den Kreuzpredigten des 12. und 13. Jahrhunderts zielten die Predigten des 14. Jahrhunderts allerdings weniger auf die aktive Teilnahme der Zuhörer am Kreuzzug ab, sondern vielmehr auf deren Bereitschaft, für den Kreuzzug zu spenden oder Kreuzfahrer auszurüsten, vgl. Georgiou, Preaching (2018), 101; Housley, Costing (2003), 54 f.; Tyerman, Crusade (2015), 211 f.
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4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
Fidenzio von Padua, dem Provinzialvikar seines Ordens im Königreich Jerusalem. Das als Liber recuperationis Terrae Sanctae betitelte Werk richtete sich an Papst Nikolaus IV. und wurde nach der Eroberung der Grafschaft Tripolis im Jahr 1289, aber vermutlich noch vor der Eroberung Akkons im Jahr 1291 fertiggestellt.15 Fidenzio selbst diente seit 1266 als Provinzialvikar der Franziskaner im Königreich Jerusalem, hatte die Eroberung Antiochias durch das Heer des Sultans Baibars (✶um 1223 †1277) im Mai 1268 ebenso als Augenzeuge miterlebt wie die erfolgreiche Belagerung von Tripolis im März 1289 und kehrte wahrscheinlich erst unmittelbar vor dem Untergang des Königreichs Jerusalem endgültig in den Westen zurück.16 Höchstwahrscheinlich gehörte er auch zu den Beratern, die im März 1273 von Gregor X. zu den Kreuzzugsplanungen im Vorfeld des zweiten Konzils von Lyon eingeladen wurden.17 Ähnlich wie der Dominikaner Wilhelm von Tripolis zählte Fidenzio mutmaßlich zu den Proto-Experten, die der Papst dort hinsichtlich ihres Spezialwissens über den Orient und seine Bewohner befragte. Fidenzio selbst berichtet, dass es der Papst gewesen sei, der ihn während des Konzils gebeten habe, sein Wissen im Anschluss noch einmal problemorientiert zusammenzufassen und schriftlich niederzulegen wie das Heilige Land erobert werden kann aus den Händen der Ungläubigen (...).18 Der Franziskaner folgte zunächst der Bitte Gregors, brach die Arbeit am Liber recuperationis nach dessen
Das Traktat ist in einer Sammelhandschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert (BNF Ms. Lat. 7242, fol. 85r–126r). Neben dem Werk Fidenzios enthält das Manuskript Fragmente einer Abhandlung De re bellica spirituali des Augustiners Bartholomäus von Urbino (auch: Bartholomaeus Carusio) (fol. 127r–162r) sowie zwei Texte antiker Autoren: Die Strategemata des Frontinus (fol. 1r–39r) und die Epitoma rei militaris des Vegetius (fol. 41r–82v). Schrift und Illustrationen des Manuskripts weisen gleichermaßen darauf hin, dass die Sammelhandschrift in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in einer bolognesischen Schreibwerkstatt entstand. Der Kodex befand sich zeitweise im Besitz von Galeazzo Visconti und gelangte vermutlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Teil der Bücher, die der französische König Ludwig XII. auf seinem Neapel-Feldzug erbeutete, in die Bibliothek des Schloss Blois und von dort in die königliche Bibliothek, wo sie 1544 erstmals in einem Inventar erwähnt wurde, vgl. Gautier Dalché, Cartes (2010), 81; Evangelisti, Fidenzio da Padova (1998), XIII–XVIII; Golubovich, Biblioteca, Bd. 2 (1913), 7–9; Paviot, Projets (2008), 53, Fußn. 1; Simonelli, Fidenzio da Padova (1997), 412–414. Für Editionen siehe Golubovich, Biblioteca, Bd. 2 (1913), 9–60 sowie darauf basierend Paviot, Projets (2008), 53–169. Laut eigener Angaben wirkte Fidenzio nach der Eroberung von Tripolis im April 1289 noch einige Monate als Seelsorger für die christlichen Gefangenen im Lager des Sultans, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 21. Vermutlich kehrte er kurze Zeit später in seine Heimatstadt Padua zurück, in deren Franziskanerkonvent er sich im November 1294 letztmalig fassen lässt, vgl. Campopiano, Holy Land (2020), 39 f.; Golubovich, Biblioteca, Bd. 2 (1913), 1–7; Leopold, Holy Land (2000), 16 f.; Paviot, Introduction (2008), 15–20; Simonelli, Fidenzio da Padova (1997), 412–414. Für die Enzyklika Dudum super, mit der Gregor X. den Klerus um Rat bat, vgl. RG, Nr. 220. Zu den Kreuzzugsplanungen im Vorfeld des zweiten Konzils von Lyon siehe Roberg, Konzil (1990), 158–170 sowie I.1.1. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9: dominus papa Gregorius (...) michi mandavit in concilio Lugdunensi ut in scriptis ponerem qualiter Terra Sancta acquiri posset de manibus infidelium (...).
4.1 Sozialer Hintergrund
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Tod im Jahr 1276 allerdings vorzeitig ab. In Reaktion auf die Kreuzzugspläne des im Februar 1288 gewählten Papstes Nikolaus IV. oder die Eroberung der Grafschaft Tripolis durch Sultan Qalāwūn im folgenden Jahr wandte sich Fidenzio dann wieder seinem unvollendeten Rückeroberungstraktat zu und schloss das Werk für den neuen Papst ab.19 Aus den folgenden Jahrzehnten sind zwei weitere Rückeroberungstraktate von Mendikanten erhalten, die ebenfalls zu den Orientexperten zählen und aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe zueinander (Näherungswert 684) ein eigenes Subcluster formieren.20 Das erste der beiden Werke datiert auf die Frühzeit des Pontifikats von Johannes XXII. und wurde von dem bereits erwähnten Dominikanermönch Guillelmus Adae (auch: Guillaume Adam oder Wilhelm Adam) verfasst. Guillelmus übergab sein Rückeroberungstraktat 1317 oder 1318 an Kardinal Raymond de Farges und machte im Anschluss eine bemerkenswerte Karriere in der Kirchenhierarchie.21 Über den Autor selbst ist aus dem Zeitraum vor 1317 nur wenig bekannt; vermutlich stammte er aus der Gascogne oder dem Norden Kataloniens und wirkte zwischen 1307 und 1315 als
Über den genauen Zeitpunkt der Fertigstellung des Liber recuperationis lässt sich nur spekulieren. Fidenzio berichtete von der Eroberung der Grafschaft Tripolis im April 1289 und gab 1291 als Jahr der Fertigstellung seines Werkes an, allerdings behandelte er Akkon in seinem Werk als civitas Xpistianorum, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 54. Wahrscheinlich hatte Fidenzio das Werk bereits 1276, als sein Auftraggeber Gregor X. starb, in Grundzügen fertiggestellt und nahm nach der Eroberung der Grafschaft Tripolis im Jahr 1289 auf seiner Flucht nach Westen die Arbeit an dem Werk wieder auf. Als er 1291 von der Eroberung Akkons erfuhr, waren große Teile der Abhandlung vermutlich bereits vollendet. Den letzten Teil des Rückeroberungstraktates, der Vorschläge de Terre Sancte conservatione enthielt, fügte der Franziskaner vermutlich erst in Reaktion auf die auf den 15. August 1291 datierte Enzyklika Dirum amaritudinis calicem an, mit der Nikolaus IV. explizit um Ratschläge zur conservatio Terrae Sanctae gebeten hatte, vgl. ebenda, 58–60; RN, Nr. 6791–6792. Siehe dazu II.1. Das Rückeroberungstraktat des Guillelmus Adae ist in drei Sammelhandschriften des 15. Jahrhunderts erhalten, welche allesamt im Umfeld des Konzils von Basel (1431–1449) entstanden sind und neben Guillelmus’ Werk auch das Directorium ad faciendum passagium transmarinum sowie diverse Dekrete des Konzils enthalten (UB A.I. 28, fol. 232v–254v; UB A.I. 32, fol. 139r–163r; BAV Pal. Lat. 603, fol. 111v–113v). Für eine Edition auf Grundlage der beiden Baseler Handschriften siehe RHC Doc. Arm. 2, 521–555. Für die kritische Edition aller drei Textzeugen siehe Constable, Saracens (2012), 22–117. Das Werk hatte ursprünglich keinen Titel; die in der Forschung vielfach verwandte Bezeichnung Tractatus quomodo Sarraceni sunt expugnandi wurde von einem späteren Schreiber hinzugefügt (vgl. UB A.I. 32, fol. 139r) und anschließend von Kohler für die RHC-Edition übernommen. Im Gegensatz zu anderen Titel-Neuschöpfungen für die Rückeroberungstraktate entspricht er allerdings nicht der Terminologie des frühen 14. Jahrhunderts (siehe Einleitung.4), weswegen ich im Folgenden von der Verwendung des Titels absehe. Da Guillelmus in seinem Werk die lange Vakanz auf dem Apostolischen Stuhl nach dem Tod von Clemens V. im Jahr 1314 thematisierte und kurz die Wahl von Johannes XXII. im Jahr 1316 erwähnte, muss er das Rückeroberungstraktat zwischen August 1316 und seiner Investitur als Suffraganbischof von Soltaniye im Mai 1318 verfasst haben, vgl. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 17–21, Nr. 1; Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 58. Zum Adressaten des Werkes, Raymond de Farges, einem Neffen von Clemens V. und ab 1310 Kardinaldiakon von Santa Maria Novella, siehe Guillemain, Cour pontificale (1962), 213; Lützelschwab, Clemens VI. (2007), 493 f.
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4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
Missionar in Persien, Indien sowie Äthiopien.22 Das Rückeroberungstraktat markierte für Guillelmus den Startpunkt seines Aufstiegs in der Kirchenhierarchie. Nach Stationen als Suffraganbischof von Soltaniye (1318), Bischof von Smyrna und Erzbischof von Soltaniye (1322) ernannte der Papst ihn 1324 zum Erzbischof von Antivari, wenig später trat Guillelmus vermutlich aus dem Dominikanerorden aus.23 Außer dem Rückeroberungstraktat sind aus diesen Jahren noch zwei seiner in Avignon gehaltenen Predigten sowie eine theologische Abhandlung mit dem Titel Arbor caritatis erhalten.24 Das zweite Traktat wurde 1332 im Rahmen der Kreuzzugsplanungen am französischen Hof von einem unbekannten Dominikaner angefertigt und ist an König Philipp VI. gerichtet, dem es als Directorium ad faciendum passagium transmarinum dienen sollte.25 Der Autor bezeichnete sich selbst als Bruder aus dem Orden der Prediger, der anstatt aus Hören[sagen] vielmehr aus [eigener] Erfahrung und Anschauung schreibt, womit er sich in erster Linie auf die Erlebnisse aus seiner Zeit als Missionar in Persien
Guillelmus bzw. ein G. Ade lässt sich erstmals 1302 als Mitglied des Dominikanerkonvents von Condom in der Gascogne fassen. Sein Name Ade bzw. Adae könnte auf eine Herkunft aus dem Dorf Adé in den nördlichen Pyrenäen hindeuten, aber möglicherweise handelt es sich auch nur um ein Patronym von „Adam“. In einer Kopie seiner Arbor caritatis aus dem 15. Jahrhundert wird Guillelmus als Katalane bezeichnet, was allerdings auch auf einen Kopierfehler zurückzuführen sein könnte, vgl. Constable, Introduction (2012), 2; Kaeppeli, Scriptores, Bd. 2 (1975), 81 f.; Omont, Guillaume Adam (1921), 277–280. Aufgrund seiner ungeklärten Herkunft und der nach wie vor ungewissen Bedeutung seines Namens werde ich im Folgenden allein die lateinische (Quellen-)Bezeichnung Guillelmus Adae verwenden. Über seine missionarische Tätigkeit in Asien und Ostafrika ist außerhalb der Angaben in seinem eigenen Werk nichts bekannt, vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 24; 54; 82; 102–104; 114. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 18–21, Nr. 1; 29–32, Nr. 8; 42–44, Nr. 17. Siehe auch I.2.3. Das Werk ist nur in einer Handschrift des späten 15. Jahrhunderts überliefert, vgl. Kaeppeli, Scriptores, Bd. 2 (1975), 82. Das Werk ist in acht Handschriften überliefert, davon drei aus dem 14. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 5990, fol. 34r–55v; San Lorenzo de El Escorial, Real Biblioteca del Monasterio, O-III-34, fol. 1r–31v; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. lat. 536), vier aus dem 15. Jahrhundert (UB A.I. 28, fol. 254v–291v; KBL Ms. 9176; Oxford, Magdalene College Library, Ms. 43, fol. 1r–24r; BAV, Pal. Lat. 603, fol. 73r–111v) sowie einer aus dem 17. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 5138, fol. 1r–39r). Hinzu kommen zwei mittelfranzösische Übersetzungen des Werkes, die unabhängig voneinander angefertigt wurden: Eine auf 1333 datierte Übersetzung von Jean de Vignay (BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 165v–192v), die für Philipp VI. erstellt wurde, sowie eine auf 1455 datierte Übersetzung von Jean Miélot (BL Ms. Franc. 9087, fol. 1r–82v), die an Herzog Philipp III. von Burgund adressiert ist. Für Editionen des Directorium vgl. Beazley, Directorium I (1907), 813–827; Ders., Directorium II (1907), 79–115; RHC Doc. Arm. 2, 367–517. Die Edition von Beazley basiert auf den Handschriften aus Oxford u. Paris, während Kohlers RHC-Edition auf Grundlage der Handschriften aus Basel, Brüssel sowie Wien erstellt wurde und zudem die MiélotÜbersetzung umfasst. Eine kritische Edition steht gegenwärtig noch aus. Das Directorium kann sicher datiert werden, weil Jean de Vignay in seiner französischen Übersetzung angab, das Traktat sei 1332 verfasst worden und er habe seine Übersetzung 1333 fertiggestellt, vgl. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 165v.
4.1 Sozialer Hintergrund
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und Ostafrika berief.26 In den königlichen Registern wird das Directorium ferner als Werk eines weisen Prälaten, der einstmals dem Orden der Prediger angehörte und gegenwärtig Erzbischof eines Erzbistums im Reich von Konstantinopel ist, beschrieben.27 Auf Basis dieser Angaben wurden in der Forschung neben dem bereits erwähnten Guillelmus Adae drei weitere Dominikaner als potentielle Autoren des Directorium diskutiert: Erstens Johannes von Cori (auch: Jean de Cora), der Guillelmus 1324 als Erzbischof von Soltaniye nachfolgte, zweitens Raymond Étienne (auch: Raymundus Stephani), der vermutlich gemeinsam mit Guillelmus als Missionar tätig war und später zum Erzbischof von Ephesos ernannt wurde, sowie drittens ein deutscher Dominikaner namens Burchard, der in einer Abschrift des Directorium aus dem 15. Jahrhundert als Verfasser des Werkes identifiziert wird. Inzwischen gelten indes allein Guillelmus Adae und Raymond Étienne als plausible Kandidaten.28 Für eine Autorschaft des Guillelmus sprechen insbesondere die zahlreichen stilistischen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten der beiden Texte, auf die Kohler erstmals hingewiesen hat.29 Kohlers Beobachtungen lassen sich problemlos weitere hinzufü [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 367: fratem ordinis Praedicatorum, scribentem experta et visa pocius quam audita (...). Ähnlich auch ebenda, 387 f. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 11: sage prelat, qui jadis fut de l’ordre des prescheurs, et de present archevesque d’un archevesche en l’Empire de Constantinople (...). Für die Autorschaft von Raymond Étienne argumentieren Delacroix-Besnier, Dominicains (2004), 254; Golubovich, Biblioteca, Bd. 3 (1919), 404 f.; Kaeppeli, Scriptores, Bd. 3 (1975), 287 f.; Richard, Papaute (1998), 170; 202; Trouilhet, Projets (2014), 161 f. Für die Autorschaft von Guillelmus Adae argumentieren: v. Brincken, Nationes (1973), 64; García Espada, Marco Polo (2009a), 327–239; Kohler, Auteur (1913), 104–111; Lewy, Abessinier (2018), 215–221. Die These, der Verfasser des Directorium sei ein deutscher Dominikaner namens Burchard gewesen, wird inzwischen nicht mehr vertreten. Sie geht darauf zurück, dass in der 1455 entstandenen französischen Übersetzung des Directorium dem Text (vermutlich durch den Übersetzer von Jean Miélot) eine in keiner anderen Fassung vorhandene Einleitung hinzugefügt wurde, in welcher der Autor des Traktates als Brochard l’Alemant bezeichnet wird, vgl. Atiya, Crusade (1970), 95–99; Le Clerc, Brocard (1847), 180–215; BNF Ms. Franc. 9087, fol. 1r. Aufgrund des zeitlichen Abstandes von über 100 Jahren zwischen der Miélot-Übersetzung und dem ältesten erhaltenen Textzeugen ist jedoch wahrscheinlich von einer Verwechselung auszugehen. Vermutlich schrieben die Zeitgenossen das Werk dem Dominikaner Burchard vom Berg Zion zu, der etwa 50 Jahre vor dem Directorium eine Descriptio Terrae Sanctae verfasst hatte, die auch im 15. Jahrhundert noch intensiv rezipiert wurde, vgl. Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 70–77; Kohler, Auteur (1913), 107. Auch die erstmalig von Beazley vorgebrachte These, das Directorium sei von dem Dominikaner Johannes von Cori verfasst worden, der ab 1324 Erzbischof von Soltaniye war, wird aufgrund der Aussage in den königlichen Registern, der Autor des Werkes sei der Bischof einer Diözese im byzantinischen Reich, inzwischen nicht mehr vertreten, vgl. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 11; Beazley, Directorium I (1907), 811 f. Eingedenk des Umstandes, dass sich gegen die Autorschaft aller vier genannten Akteure valide Belege ins Feld führen lassen, haben einige Historiker die These vertreten, das Directorium sei von keinem dieser vier, sondern stattdessen von einem unbekannten fünften Dominikaner verfasst worden, so u. a. Constable, Introduction (2012), 8.; Leopold, Holy Land (2000), 43 f.; Schmieder, Europa (1994), 117, Fußn. 211. So behaupten die Autoren beider Texte u. a., die Griechen hätten die Mehlvorräte der ersten Kreuzfahrer mit Kalk verunreinigt, es fänden sich griechische Sklaven im gesamten Orient, die genue-
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gen; so setzten sowohl Guillelmus als auch der Verfasser des Directorium Diminutive als Bescheidenheitstopik ein und bezeichneten ihr Werk entgegen der in den Kreuzzugsplanungen üblichen Terminologie als preambulum bzw. opusculum.30 Zudem bemerkten beide Autoren, sie könnten noch deutlich mehr über Äthiopien erzählen, als sie es im vorliegenden Werk getan hätten31 – die Liste solch stilistischer Gemeinsamkeiten ließe sich fraglos noch länger fortsetzen.32 Die quantitative Evidenz aus der Inhaltsanalyse stützt diese qualitativen Beobachtungen, denn die beiden Texte weisen nicht nur einen Näherungswert von 631 auf, sondern gehören auch zu den wenigen Werken, die missionarische Fragen behandeln (1,1% bzw. 2,9%) und moralischen Erwägungen vergleichsweise viel Platz einräumen (4,7% bzw. 6,3%). Aus diesen Gründen ist es in der Forschung unbestritten, dass der Verfasser des Directorium, wenn es nicht Guillelmus selbst gewesen ist, zumindest Zugriff auf dessen Rückeroberungstraktat oder eine nicht erhaltene gemeinsame Vorlage gehabt haben muss.33 Als Hauptargument gegen die Autorschaft von Guillelmus ist stets ins Feld geführt worden, der Verfasser des Directorium habe im Juni 1318 an einer päpstlichen Mission nach Armenien teilgenommen, während Guillelmus zu diesem Zeitpunkt in Avignon gewesen sei.34 Das Argument ist jedoch nicht stichhaltig, da der Autor des Directorium zwar angab, im Auftrag von Johannes XXII. nach Armenien gereist zu sein, um dort die Union der römischen mit der armenischen Kirche zu befördern, aber nicht erwähnte, wann genau er diese Reise unternommen hatte.35 Zwei auf Mai bzw. Juni 1323 datierte Kredenzschreiben Johannes’ XXII. für Guillelmus Adae an den König sowie den Patriarchen von Armenien zeugen davon, dass auch Guillelmus zweifels-
sischen Fürsten von Chios seien ideale Verbündete für die Kreuzfahrer oder das Kreuzfahrerheer solle zuerst Konstantinopel erobern und könne sich anschließend mithilfe der Vorräte des byzantinischen Reiches versorgen, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 219 f.; RHC Doc. Arm. 2, CLV. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse sprechen ebenfalls für Guillelmus als Autor, denn das Directorium zeichnet sich ebenso wie Guillelmus Werk durch einen unter Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps unüblichen Fokus auf Diplomatie und Bündnispolitik aus (7,7% bzw. 6,8%). Zudem waren Guillelmus sowie der Verfasser des Directorium die einzigen Orientexperten, die dafür plädierten, das Kreuzfahrerheer solle auf dem Landweg über Kleinasien ins Heilige Land gelangen, vgl. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 409–422; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 66–76. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 368; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 24. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 114: De qua Ethiopia (...) possem stupenda narrare nisi quod materia libelli huiusmodi id rennuit et quam intendo in hoc opusculo brevitas non requirit. Analog dazu Ders., Directorium. Ed. Kohler, 387 f. Für weitere Beispiele siehe u. a. Constable, Introduction (2012), 5 f.; García Espada, Marco Polo (2009a), 327–334; Lewy, Abessinier (2018), 219 f.; 228. So auch Constable, Introduction (2012), 7; Leopold, Holy Land (2000), 43 f.; Schmieder, Europa (1994), 117; Trouilhet, Projets (2014), 167. Golubovich, Biblioteca, Bd. 3 (1919), 404; Richard, Papaute (1998), 202; Trouilhet, Projets (2014), 162. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 487 f: quarum quidem unionis et confessionis ego motor, operator atque receptor unus extiti de duobus fratribus Predicatoribus, quos dominus Johannes papa XXII ad hoc specialiter inter cetera destinavit (...).
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ohne eine derartige Missionsreise unternommen haben konnte.36 Ein Aufenthalt des Dominikaners an der Kurie in Avignon lässt sich jedenfalls erst 17 Monate nach den beiden Schreiben wieder sicher nachweisen, sodass ihm die Hin- und Rückreise in das kilikische Königreich während dieser Zeit problemlos möglich gewesen wäre.37 Da sich somit das einzige Argument gegen Guillelmus’ Autorschaft als wenig stichhaltig erweist, werde ich im Folgenden davon ausgehen, dass er der Verfasser des Directorium war. Die beratende Tätigkeit von Mendikanten in den Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts war allerdings deutlich umfangreicher, als die drei überlieferten Rückeroberungstraktate es zunächst vermuten lassen. Nicht erhalten ist unter anderem das Werk des ligurischen Franziskaners Filippo Busseri (auch: Filippo di Savona) († um 1340), der von Clemens V. zu Beginn seines Pontifikats nach Ägypten gesandt wurde, um dort Wissen pro recuperanda Terra Sancta zu sammeln, und nach seiner Rückkehr ein Rückeroberungstraktat für den Papst verfasste.38 Soweit es sich aus den spärlichen Hinweisen auf seine Person rekonstruieren lässt, handelte es sich bei Filippo, dessen Werk in einer um 1350 von seinen Ordensbrüdern zusammengestellten Chronik als Speculum Terrae Sanctae oder Relatio amplissima rerum omnium expeditioni Hierosolymitanae necessariarum necnon locorum per quae gradiendum esset descriptio umschrieben wird, ebenfalls um einen Experten des geographisch-ethnographischen Subtyps, der ganz offenbar potentielle Ziele für die Kreuzfahrer in Ägypten beschrieb und diese möglicherweise sogar durch Karten illustrierte.39 Da jedwedes Wissen über Vorderasien an den lateineuropäischen Höfen als relevant für die Organisation von Kreuzzügen galt, prüften Mendikanten das während ihrer Missionsreisen neugewonnene Wissen auch stets auf seinen potentiellen Nutzen für den Kreuzzug.40 Guillelmus Adae stand beispielsweise in Schriftkontakt mit seinem Ordensbruder Jordanus Catalanus, der sich in Indien aufhielt. Die beiden Dominikaner tauschten sich allerdings nicht nur über Indien und Ostafrika aus, sondern entwarfen auf Grundlage dieses Wissens auch Pläne zur Rückeroberung des Heiligen Landes.41 Hinter Mendikanten wie Guillelmus stand
In den beiden Schreiben heißt es, der König sowie der Patriarch sollten Guillelmus dabei unterstützen, die armenischen Christen zu bekehren, welche außerhalb des Königreichs Armenien leben würden, vgl. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 35 f., Nr. 11; 38–40, Nr. 14. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 44 f., Nr. 18. Campopiano, Holy Land (2020), 96 f.; Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 60; Surdich, Busseri Filippo (1972), 556 f. Surdich, Busseri Filippo (1972), 556 f. Wahrscheinlich handelte es sich um eine der Heilig-LandKarten in der Tradition Burchards vom Berg Zion, die seit den 1280er Jahren im Franziskanerorden kursierten. Zu den sog. „Burchard-Karten“ siehe insbes. Baumgärtner, Reiseberichte (2012), 460–507; Dies., Land (2012), 51–67; Campopiano, Terre sainte (2017), 178 f.; Gautier Dalché, Cartes (2010), 87–95; Harvey, Maps (2012), 94–105. García Espada, Marco Polo (2009a), 127; Ders., Marco Polo (2009b), 211. Guillelmus Adae und Jordanus Catalanus formulierten beide gleichermaßen einen Plan, den ägyptischen Indienhandel durch eine aus dem Golf von Aden heraus operierende Flotte zu unterbinden,
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demnach ein ganzes Netzwerk aus Ordensbrüdern in Asien, das beständig nützliches Wissen für den Kreuzzug sammelte, selektierte und an die Höfe des Westens weiterleitete. Abgesehen von Fidenzio, Guillelmus und Filippo lassen sich weitere Mendikanten fassen, die als Kreuzzugsberater am Hof tätig waren, ihre Ratschläge zur Rückeroberung der heiligen Stätten allerdings nicht verschriftlichen. Marino Sanudo berichtet von einer Sachverständigenkommission aus drei Franziskanern und einem Dominikaner, die sein Rückeroberungstraktat 1321 im Auftrag von Papst Johannes XXII. prüften. Drei von diesen vier Mendikanten wiesen das Profil geographisch-ethnographischer Berater auf: Der Dominikaner Boentio de Ast[uria] diente als Vikar seines Ordens in Armenien, Iacobo de Cammerino vertrat die in Persien weilenden Franziskaner an der Kurie und der Franziskaner Matthäus stammte offenbar aus Zypern.42 Für den dritten Franziskaner in der Kommission, Paolino Minorita (auch: Paolino Veneto oder Paolino von Pozzuoli) (✶um 1270 †1344), lässt sich indes kein Orientaufenthalt nachweisen, auch wenn die Forschung dies bislang stets angenommen hat.43 Dennoch hatte Paolino fraglos Zugriff auf Spezialwissen über den Orient, von dem er in seiner wenige Jahre später verfassten Chronologia magna extensiv Gebrauch machte. Dieses Wissen kam ihm vermutlich auch zupass, als er nach seiner Ernennung zum Bischof von Pozzuoli im Jahr 1324 König Robert I. von Neapel in Kreuzzugsangelegenheiten beriet.44 Paolino konnte sich dabei auf den inzwischen gründlich erforschten Austausch von Spezialwissen innerhalb des Franziskanerordens stützen, aus dem auch andere Berater ihr Wissen schöpften.45 Gautier Dalché hat etwa postuliert, Galvano di Levanto habe sein Wissen über den Orient aus seinem engen Kontakt zum örtlichen Franziskanerkonvent bezogen, und die ältere Ordensforschung machte aus Galvano gar direkt einen Franziskaner.46
vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 102; Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 313. Zur Zusammenarbeit der beiden siehe Delacroix-Besnier, Dominicains (2004), 265–267; García Espada, Marco Polo (2009a), 181–185 sowie II.4.3.3. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f. Zu Paolino siehe Cecchini, Paolino Veneto (1998), 150–152; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 16–20; Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 1–5. Für die von Degenhart/Schmitt erstmals postulierte These, Paolino habe zwischen 1316 und 1320 eine Orientreise unternommen, gibt es keinen Quellenbeleg, vgl. Holzmeier, Historiographie (2020), 240–242. Siehe dazu insbes. die Karten in der Chronologia magna (BAV Vat. Lat. 1960, fol. 264v–268v). Von der Beratertätigkeit Paolinos zeugt zudem sein Briefwechsel mit Marino Sanudo, vgl. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 310–313; Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 348–358; Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 38 f. sowie dazu Roddy, Correspondence (1971), 48 f. Campopiano, Terre sainte (2017), 167–182; Charpentier, William of Rubruck (1935), 255–267; Evangelisti, Fidenzio da Padova (1998), 179–228; García Espada, Marco Polo (2009a), 149–160; Guéret-Laferté, Voyageur (1998), 81–96; Hamilton, Impact (2004), 25–29; Münkler, Erfahrung (2000), 83–102. Gautier Dalché, Cartes (2010), 83 f. Galvano kann jedoch allenfalls niedere geistliche Weihen empfangen haben, weil seine Witwe in einer Urkunde aus dem Jahr 1312 erwähnt wird, vgl. Appendice. Ed. Boldorini, 148–150, Nr. 2. Zu Galvano siehe II.5.1.
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Neben dieser dezidiert problembezogenen Expertentätigkeit wurden in der Kreuzzugsplanung des 14. Jahrhunderts auch weiterhin Mendikanten mit nicht speziell auf den Kreuzzug zugeschnittenem Wissen in der Tradition Andreas’ von Longjumeau und Wilhelms von Tripolis konsultiert. Ein unbekannter Dominikaner verfasste beispielsweise im Jahr 1308 eine Descriptio Europae Orientalis für den Grafen Karl von Valois, der zu diesem Zeitpunkt einen Kreuzzug zur Eroberung von Konstantinopel plante.47 Wenngleich der Autor der Descriptio im Gegensatz zu Experten wie Fidenzio oder Guillelmus keinen dezidierten Kreuzzugsplan entwarf, so beschrieb er doch ausführlich das byzantinische Reich und verfehlte dabei nicht, wiederholt anzumerken, wie einfach es zu erobern sei.48 Dass dieses Werk innerhalb der Kreuzzugsplanungen am französischen Hof als relevant erachtet wurde, verdeutlicht der Umstand, dass die Descriptio im 14. Jahrhundert stets mit den Ratschlägen von Experten des geographisch-ethnographischen Subtyps wie der Memoria Terre Sancte oder dem Flos historiarum des Hethum von Korykos gemeinsam in Sammelhandschriften kompiliert wurde.49 Obgleich sie wie Fidenzio und Guillelmus an der Rückeroberungsagenda des Papstes mitwirkten und im Rahmen von Kreuzzugsplanungen rezipiert wurden, machten diese Mendikanten nicht den Schritt zum Kreuzzugsexperten, der sein Spezialwissen nicht nur sammelte, sondern es auch nutzenorientiert auf die Rückeroberung des Heiligen Landes zuschnitt.
4.1.2 Sonstige Dominikaner und Franziskaner bildeten die einzigen Vertreter einer distinkten sozialen Gruppe unter den Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps. Abgesehen von den Mendikanten waren die Orientexperten ein heterogenes Konglomerat aus Bewohnern des Outremer, Geistlichen, orientalischen Machthabern oder Kaufleu Górka, Praefatio (1916), III–XVI. In dem Kodex, der den ältesten Textzeugen des Werkes beinhaltet, befindet sich unmittelbar vor der Descriptio ein undatierter Brief an einen Blutsverwandten des französischen Königs (vermutlich Karl von Valois). Der unbekannte Verfasser des Schreibens beklagt darin den schlechten Zustand der Welt und schlägt einen Kreuzzug gegen die Griechen vor, vgl. BNF Ms. Lat. 5515, fol. 63r–64v. Anonymi Descriptio Europae Orientalis. Ed. Górka, 24 f.: idcirco ad presens est melius tempus ipsum imperium [per dominum] karulum recuperandi, quia fortassis unquam erit, unde et ipsi greci et omnes scismatici prefati nimium formidant transitum domini karuli, quia si christo duce transiret, eo modo quo ipsum decet et expedit secundum credulitatem omnium, infra unum annum occuparet dictum imperium et prefatas nationes scismaticas. Ein ähnliches Beispiel bildet die zu Beginn der 1330er Jahre entstandene Descriptio Terrae Sanctae des Franziskaners Giovanni di Fedanzola da Perugia, vgl. Campopiano, Holy Land (2020), 103–112; Giovanni di Fedanzola da Perugia, Descriptio Terrae Sanctae. Ed. Nelli/Nicolini. Górka, Praefatio (1916), XXXIX–XLVI. So u. a. BNF Ms. Lat. 5515, fol. 1r–53v (Flos historiarum); fol. 53v–62v (Memoria Terre Sancte); fol. 65r–76r (Descriptio Europae Orientalis); Poitiers, Médiathèque François Mitterrand, Ms 263 (ehem. 246), fol. 1r–54r (Flos historiarum); fol. 54r–63r (Memoria Terre Sancte); fol. 64v–74v (Descriptio Europae Orientalis).
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ten, deren einzige Gemeinsamkeit ihr (vorgeblicher) Aufenthalt im Orient bzw. in Asien war. Unter ihnen befanden sich deutlich mehr Anonymi als unter den Ratgebern der anderen Subtypen, was vermutlich vonnöten war, um sich nicht dem Vorwurf ungebührlicher Nähe zu den Sarazenen, die es ja eigentlich zu bekämpfen galt, auszusetzen. Mitunter kann deshalb nur spekuliert werden, welchem sozialen Hintergrund die jeweiligen Berater entstammten, da sich auch aus ihren Werken keine biographischen Anhaltspunkte jenseits der Beteuerung, die jeweiligen Regionen bereist zu haben, rekonstruieren lassen. Ein eigenes Subcluster unter den Werken der Ratgeber des geographischethnographischen Subtyps bilden Itinerare, deren Verfasser stationsweise die Route schildern, die das Kreuzfahrerheer auf seinem Weg nach Osten nehmen sollte. Diese Texte weisen Ähnlichkeit zu den deutlich älteren Pilgeritineraren auf, enthalten darüber hinaus allerdings auch Hinweise über die Versorgung des Heeres, mögliche Hinterhalte oder die Position und Stärke feindlicher Verbände.50 Zwei dieser Kreuzfahreritinerare sind als eigenständige Texte überliefert, zwei weitere wurden in den Liber secretorum des Marino Sanudo sowie die Memoria Terre Sancte inkorporiert.51 Aufgrund ihrer spezifischen Ausrichtung auf die Darstellung der Kreuzzugsroute sind die beiden Kreuzfahreritinerare inhaltlich weit von den Texten anderer geographischethnographischer Berater entfernt, sodass es inhaltsanalytisch durchaus gerechtfertigt wäre, sie als eigenes Aggregat zu betrachten.52 Trotz ihrer spezifischen Ausrichtung auf ein Teilproblem des Kreuzzuges handelte es sich bei den beiden Itineraren jedoch um die Arbeiten von Kreuzzugsexperten, da die jeweiligen Autoren zeigen wollten coment ce saint roiaume [Jerusalem, Anm. d. V.] fu[s]t osté et netoié des mains et dou poer des annemis de la sainte foi crestiene,53 und darüber hinaus auch um die Werke von Orientexperten, da ihre Verfasser ihre persönliche Kenntnis der Region herausstellten. Das erste dieser beiden Kreuzfahreritinerare war die französischsprachige Via ad Terram Sanctam, welche vermutlich in den frühen 1290er Jahren von einem oder mehreren unbekannten Autoren im Rahmen der Kreuzzugsplanungen des englischen Königs Eduard I. verfasst wurde.54 Da der Verfasser des Werkes die römischen Chris-
Zu frühmittelalterlichen und spätantiken Pilgeritineraren siehe Burian/Kessler, Itinerare (1998), 1178–1182; Richard, Récits (1981), 15–19. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 454–457. Siehe dazu II.1. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 425. Siehe auch Devise des chemins. Ed. Paviot, 201, Fußn. 4. Der Text ist in nur einer Sammelhandschrift (BLO Ms. Ashmole 342, fol. 1r–6v) erhalten. Der Kodex wurde aus sechs verschiedenen Handschriften zusammengestellt, die zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert entstanden sind. Die französischsprachige Kopie der Via stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert und ist zusammen mit ausschließlich lateinischen theologischen Texten sowie Werken aus Astrologie und Komputistik kompiliert, vgl. Black, Catalogue (1845), Bd. 1, 239–241, Nr. 342. Bei dem lateinischen Titel Via ad Terram Sanctam handelt es sich um das zeitgenössische Incipit des Textes. Für eine Edition der Via siehe Kohler, Projets (1904), 425–434 u. darauf aufbauend Paviot, Projets (2008), 171–181. Die Via lässt sich anhand der im Werk erwähnten Herrscher datieren: So wird Melec el Essraf
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ten als nos gens, die Fürsten des lateinischen Westens aber als grans seignors d’outre mer bezeichnet, hat Leopold vermutet, dass die Via von einem lateinischen Christen geschrieben wurde, der aus den Kreuzfahrerreichen stammte und sein Werk im Orient verfasst hatte.55 Jenseits dieser Anhaltspunkte lässt sich über die Autorschaft nur spekulieren. Kohler hat den Text Othon de Grandson zugeschrieben, da den englischen Kreuzfahrern in den Plänen des Verfassers eine prominente Rolle zukommt, was allerdings vor allem darauf hindeutet, dass die Via im Kontext der englischen Kreuzzugsplanungen entstand, die Eduard I. 1288 aufgenommen hatte.56 Für eine englische Herkunft der Via spricht auch die dort beschriebene Kreuzzugsroute. Diese sieht vor, dass die Kreuzfahrer nach ihrer Landung im Königreich Armenien nach Ägypten marschieren sollen, und weist somit signifikante Übereinstimmungen mit den damaligen Plänen Eduards I. auf.57 Doch auch die Route lässt keinen Rückschluss auf die Identität der Verfasser zu, da es sich bei dem in der Via detailliert beschriebenen Weg von Gaza nach Kairo um eine von Sultan Baibars eingerichtete Kurierstraße handelte, die von Kaufleuten genutzt und überdies auch in der Devise des chemins de Babiloine sowie dem Liber secretorum des Marino Sanudo beschrieben wurde.58 Kohler sowie Paviot haben überdies gleichermaßen darauf hingewiesen, dass der nur in einer Kopie aus dem 14. Jahrhundert erhaltene Text der Via das Ergebnis mehrerer Überarbeitungen sein könnte und das Original möglicherweise bis auf die Kreuzzugsplanungen des zweiten Konzils von Lyon zurückgeht.59 Ungeachtet dessen handelte es sich bei der Via ohne Frage um einen Text, der unter den Kreuzzugsplanern an der Kurie kursierte, denn die teils wortwörtlichen Übereinstimmungen mit der etwa 15 Jahre später entstandenen Memoria Terre Sancte sprechen dafür, dass die beiden Werke auf einen gemeinsamen Ursprungstext zurückgehen oder die Autoren der Memoria die Via als Vorlage benutzten.60 Das zweite Itinerar trägt den Titel La Devise des chemins de Babiloine und wurde zwischen Frühjahr 1307 und August 1308 im Auftrag führender Johanniter von preudes
im Text als gegenwärtiger Sultan von Ägypten bezeichnet, den Kohler mit dem von 1290 bis 1293 regierenden Sultan al-Malik al-Ašraf Ḫalīl identifiziert hat, vgl. Kohler, Projets (1904), 426, Fußn. 1. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 431 sowie dazu Leopold, Holy Land (2000), 19. TNA SC 1/13/200; Kohler, Projets (1904), 418 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 71 f.; Tyerman, England (1988), 233–240. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 428–434. Zu den Kreuzzugsplanungen von Papst und König siehe u. a. Housley, Later Crusades (1992), 16 f.; Morris, King (2009), 196 f.; Prestwich, Edward I (1997), 326–333; Schein, Fideles crucis (1991), 71–84; Tyerman, England (1988), 231–240. Hartmann, Straße (1910), 686–693; Schefer, Étude (1884), 94 f. Für die analogen Beschreibungen der Wegstrecke von Gaza nach Kairo siehe Devise des chemins. Ed. Paviot, 204–206; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261 f. Kohler, Projets (1904), 414–417; Paviot, Introduction (2008), 22. Siehe Fußn. 67.
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hommes qui ont demouré outre mer für Clemens V. verfasst.61 Das volkssprachliche Itinerar bildete ein Addendum zu dem bereits erwähnten Traitié coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens, mit dem die Ordensführung um Foulques de Villaret auf Kritik an der Realisierbarkeit ihrer Pläne für einen Partikularkreuzzug reagierte, indem sie dem Papst ein verbessertes Konzept vorlegte.62 Ob es sich bei den Verfassern der Devise ebenfalls um Johanniter handelte, ist jedoch unklar. Irwin hat nachweisen können, dass die in der Devise präsentierten Angaben zur Struktur der Provinzen und Größe des ägyptischen Heeres aus einem internen Katasterbericht des Sultanats stammen, der im Jahr 1298 angefertigt wurde.63 An der Kompilation des Werkes müssen demnach auch Akteure beteiligt gewesen sein, die des Arabischen mächtig waren und Zugang zu den unteren Ebenen der ägyptischen Verwaltung hatten. Paviot hat deshalb vermutet, die Devise gehe auf koptische Christen zurück, doch da das Itinerar offenbar das Ergebnis gezielter Spionage seitens der Johanniter war, kommen auf ägyptischer Seite nahezu alle Akteure als Informanten in Betracht, die Kontakt zu lateinischen Kaufleuten, Gesandten oder Gefangenen pflegten.64 In etwa zeitgleich mit den beiden Abhandlungen des Johanniterordens ließ Papst Clemens V. von unbenannten Beratern auf Grundlage des Itinerars aus der Via ad Terram Sanctam ein als Memoria Terre Sancte betiteltes Rückeroberungstraktat zusammenstellen.65 Bei diesem Werk handelt es sich um ein Kompositum, das von mehreren Devise des chemins. Ed. Paviot, 201, Fußn. 4. Der Text ist in zwei Sammelhandschriften aus dem 14. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 7470, fol. 163r–172r; BSG Ms. 1654, fol. 143r–147v) und einer aus dem 15. Jahrhundert (BBB Bongarsiana Cod. A 280, fol. 75r–77v) überliefert. Bei den beiden Pariser Sammelhandschriften handelt es sich um zeitgenössische Kompilationen von Texten zur Rückeroberung des Heiligen Landes (siehe III.1.1.1), die Berner Handschrift enthält hingegen vornehmlich Abhandlungen über den Orient wie etwa den fiktiven Reisebericht des Jean de Mandeville. Abgesehen davon, dass in BNF Ms. 7470 das französischsprachige Incipit ins Lateinische übersetzt wurde, weichen die Kopien der Devise nicht signifikant voneinander ab. Für eine kritische Edition siehe Riant, Devise (1882), 239–252 u. darauf aufbauend Paviot, Projets (2008), 201–220. Die ältere Forschung datierte das Itinerar noch fälschlicherweise auf den Zeitraum vor 1290, vgl. Schefer, Étude (1884), 89. Die neueren Arbeiten folgen dagegen durchweg der Datierung von Irwin, vgl. Irwin, Miles (1994), 62 f.; Leopold, Holy Land (2000), 28 f.; Paviot, Introduction (2008), 28–30. Irwin, Miles (1994), 59–62. Zum Katasterbericht siehe Holt, Sultanate (1973), 527–529; Rabie, Financial System (1972), 52–56. Paviot, Introduction (2008), 31. Das Traktat ist in insgesamt drei Sammelhandschriften des 14. Jahrhunderts (BNF Ms. Lat. 5515, fol. 53v–62v; BNF Ms. Lat. 14693, fol. 37r–42v; Poitiers, Médiathèque François Mitterrand, Ms. 263 (ehem. 246), fol. 54r–63r) und zwei Handschriften des 15. Jahrhunderts (BNF Ms. Lat. 5515A, fol. 49v–55v; Leiden, Universiteitsbibliotheek, BPL 66, fol. 43v–48r) überliefert. Die Memoria findet sich meist in Sammelhandschriften mit Texten über den Orient: Alle fünf Kodizes enthalten etwa das Rückeroberungstraktat Hethums von Korykos sowie die Descriptio Europae Orientalis eines unbekannten Dominikaners. Für eine kritische Edition der Memoria siehe Kohler, Projets (1904), 435–457 sowie darauf aufbauend Paviot, Projets (2008), 235–279. Da die Kompilatoren der Memoria bei der Zusammenstellung des Werkes alle Passagen über den Templerorden aus der Via nicht übernahmen, hat Kohler dafür argumentiert, dass die
4.1 Sozialer Hintergrund
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Autoren verfasst wurde, deren Hintergrund sich anhand des Traktates allerdings nur bruchstückhaft rekonstruieren lässt. Mindestens einer von ihnen war ein Geistlicher, möglicherweise ein Mendikant, der sich im November 1271 in Akkon aufgehalten und dort die Predigt Gregors X. gehört, das Outremer zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Memoria jedoch längst verlassen hatte. Vermutlich zählte er zu den Lateinern, die infolge der Eroberung der Kreuzfahrerreiche durch die ägyptischen Sultane in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nach Westen flüchteten.66 Wie Kohler herausgestellt hat, verließen die unbekannten Kompilatoren der Memoria sich allerdings nicht allein auf ihre eigene Orienterfahrung, sondern inkorporierten die Beschreibung möglicher Kreuzzugsrouten aus der Via ad Terram Sanctam (oder aus einem gemeinsamen Ursprungstext) in ihr Rückeroberungstraktat. Bei der Darstellung des Weges von Gaza nach Kairo handelt es sich um eine nahezu wortgetreue Übersetzung der entsprechenden Passagen aus der Via, während etwa die Vorschläge zur Zusammenstellung des Heeres sowie zur Finanzierung des Kreuzzugs originelle Beiträge darstellen.67 Insgesamt legten die Verfasser der Memoria im Vergleich zu anderen Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps einen deutlich größeren Fokus auf legislative Fragen, weshalb die Memoria den Vorschlägen der Ratgeber des administrativfinanziellen Subtyps inhaltlich nähersteht als die Werke der übrigen Orientexperten und mit 43% auch den geringsten Wert aller Vorschläge in der Kategorie Geographie/
Abhandlung nach 1307 verfasst worden sein muss. Der Umstand, dass die Memoria stets zusammen mit dem Rückeroberungstraktat Hethums überliefert ist, spricht für eine Entstehung des Werkes im Rahmen der Kreuzzugsplanungen an der Kurie in den Jahren 1307–1309, vgl. Kohler, Projets (1904), 413 f.; Leopold, Holy Land (2000), 18 f.; Paviot, Introduction (2008), 20 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 215. In der Memoria ist explizit von huius scripti compositores die Rede, sodass von mehreren Autoren ausgegangen werden muss, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 436. Zum Orient-Aufenthalt der Verfasser u. der Predigt Gregors X. in Akkon, vgl. ebenda, 435. So wird z. B. aus Le chemin de bas, lequel est aisé si est de Catie au Gorabi et y a IIII lieues. in der Via, Caminus de basso est magis assuetus; est de Cathie Augorabi et sunt IIII leuce. in der Memoria, vgl. Kohler, Projets (1904), 408. Paviot hat zudem nachgewiesen, dass die 32 in der Via genannten Stationen auf dem Weg nach Kairo vollständig mit denen in der Memoria übereinstimmen und die gesamte Wegstrecke in den beiden Werken nur eine Meile voneinander abweicht (was wahrscheinlich auf einen Kopierfehler zurückzuführen ist), vgl. Paviot, Introduction (2008), 47 f. Die Übereinstimmung der beiden Werke betrifft vornehmlich die Schilderung der Route, welche das Kreuzfahrerheer in den Orient nehmen sollte; die Einleitung der Via fehlt in der Memoria ebenso wie eine kurze Passage über eine mögliche Allianz mit den Mongolen. Ferner enthält die Memoria im Gegensatz zur Via einen Überblick über die Kreuzzugsgeschichte, Vorschläge zur Finanzierung des Kreuzzuges sowie deutlich umfangreichere Ausführungen über die Zusammensetzung des Kreuzfahrerheeres, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 435–437; 438–440; 445 f.; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 431 f. Da die Via nicht vollständig in den Text der Memoria inkorporiert wurde, hat Kohler für einen inzwischen verlorenen Ursprungstext argumentiert, aus dem die Autoren beider Werke schöpften. Paviot und Leopold gehen hingegen davon aus, dass die Memoria auf Grundlage der Via entstanden ist. Auslassungen, z. B. in Bezug auf die Templer oder Mongolen, ließen sich durch die geänderten historischen Umstände oder die individuellen Präferenzen der Verfasser erklären, vgl. Kohler, Projets (1904), 414 f., Leopold, Holy Land (2000), 18; Paviot, Introduction (2008), 20 f.
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4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
Ethnographie hat. Auf die Beteiligung von Finanzexperten an der Kompilation der Memoria deuten auch die von den Verfassern vorgeschlagenen Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges hin, welche gleichermaßen kanonistisches Wissen und Kenntnis der kirchlichen Administration voraussetzten.68 Provenienz und Inhalt des Textes sprechen also gleichermaßen dafür, dass Clemens V. zu einem Zeitpunkt, als die Johanniter ebenso wie die Könige von Frankreich und Aragon um päpstliche Unterstützung für ihre jeweiligen Kreuzzugsprojekte warben, an der Kurie eine eigene Expertenkommission aus Beratern verschiedener Subtypen versammelte, die mit der Memoria eine Art unabhängiges Gutachten über die Rückeroberungsfrage verfasste.69 Ebenfalls in das Pontifikat Clemens’ V. fällt die im August 1307 auf Bitten des Papstes fertiggestellte Flor des estoires de la terre d’Orient bzw. Flos historiarum terre Orientis des armenischen Aristokraten Hethum von Korykos (auch: Hayton oder Héthoum), welche das wahrscheinlich meistrezipierte Rückeroberungstraktat des 14. Jahrhunderts war.70 Hethum gehörte der armenischen Herrscherdynastie an, die durch seinen Onkel Hethum I. (†1270) mit dessen Thronbesteigung im Jahr 1226 begründet worden war. Als Herrscher über die Hafenstadt Korykos nahm er als Feldherr an den armenischmongolischen Kampagnen gegen das ägyptische Sultanat teil und reiste mehrfach als
Siehe dazu II.3.2.1. Folgt man dieser Hypothese, so ließe sich auch erklären, warum sich alle erhaltenen Textzeugen der Memoria in Sammelhandschriften mit der Flor des estoires bzw. Flos historiarum befinden, die Clemens V. im gleichen Zeitraum in Auftrag gegebenen hatte. Zu den Textzeugen siehe Fußn. 65. Für eine breite Rezeption von Hethums Rückeroberungstraktat sprechen vor allem die 53 erhaltenen Kopien des Werkes. Laut Dörpers Zählung sind 14 Handschriften der beiden französischen Fassungen aus dem 14. Jahrhundert erhalten sowie zehn weitere aus dem 15. Jahrhundert. Hinzu kommen 17 Textzeugen der lateinischen Fassung aus dem 14. Jahrhundert sowie zwölf aus dem 15. Jahrhundert. Im ausgehenden 14. Jahrhundert entstand ferner eine katalanische Übersetzung des Werkes, die an den Johannitermeister Juan Fernández de Heredia gerichtet war, vgl. Dörper, Geschichte (1998), 41–98. Die nach wie vor maßgebliche RHC-Edition des Rückeroberungstraktates basiert auf zwölf der französischen und sieben der lateinischen Textzeugen, weist jedoch diverse Inkohärenzen auf, die auf eine Reihe von Todesfällen unter den fünf Editoren (Dulaurier, Riant, Schefer, Mas Latrie u. Kohler) zurückzuführen ist, vgl. ebenda, 25 f.; RHC Doc. Arm. 2, II. Hethum selbst gibt an, das Werk im August 1307 dem Papst in Poitiers übergeben zu haben, vgl. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 253; Ders., Flos Historiarum. Ed. Robert, 363. Zur Biographie Hethums siehe insbes. die grundlegende Darstellung Kohlers in RHC Doc. Arm. 2, XXV–XLVI sowie Dörper, Geschichte (1998), 3–9; Mutafian, Héthoum de Korykos (1996), 157–176. Das Todesjahr Hethums lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die Forschung ist meist einer vagen Formulierung der im 15. Jahrhundert entstandenen Amadi-Chronik gefolgt, in der es heißt, der König von Zypern habe im Februar 1310 el giovene signor de Curico getroffen, womit offenbar nicht der über 70jährige Hethum gemeint sein konnte, sondern sein Sohn und Nachfolger als Herr von Korykos, vgl. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 324. Ungeachtet dessen lassen sich auch für den Zeitraum nach 1310 diverse Quellen ausmachen, in denen eine Person dieses Namens erwähnt wird, bei der es sich um Hethum von Korykos handeln könnte – so z. B. der als Hayton Armeniorum dux generalis bezeichnete Armenier, der 1314 das Konzil von Adana besuchte, vgl. RHC Doc. Arm. 2, XLV.
4.1 Sozialer Hintergrund
267
Gesandter an den Hof der persischen Ilkhane.71 Nach einer Auseinandersetzung mit dem armenischen Regenten Hethum II. (✶1266 †1307) trat er 1305 in der Abtei Bellapais auf Zypern in den Orden der Prämonstratenser ein.72 Zwei Jahre später reiste Hethum im Rahmen einer Gesandtschaft des zyprischen Regenten Amalrich an die Kurie, um dort um päpstliche Unterstützung für den Coup d’État zu werben, mit dem Amalrich seinen Bruder Heinrich II. kurz zuvor entmachtet hatte. Nachdem er vom Tod Hethums II. erfahren hatte, reiste er im Mai 1308 aus Poitiers zurück nach Zypern, entsagte dort seinem Mönchsgelübde und kehrte anschließend nach Armenien zurück, wo er dem neuen König bis zu seinem Tod als Konstabler diente.73 Während seines Aufenthaltes an der Kurie oder kurz zuvor hatte Hethum damit begonnen, seinem Prämonstratenserbruder Nicolas Falcon eine Geschichte der Mongolen zu diktieren. Dieser schreib sie wenig später in drei Büchern unter dem Titel La Flor des estoires de la terre d’Orient nieder und fertigte anschließend für den Papst eine lateinische Übersetzung an. Da zu diesem Zeitpunkt an der Kurie auch intensive Planungen für einen neuen Kreuzzug stattfanden, bat Clemens V. den Armenier umgehend, seine Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes ebenfalls niederzuschreiben. Ähnlich wie im Fall Fidenzios hatte Hethums Geschichtswerk den Papst offenkundig von dessen Orientwissen überzeugt, wenngleich das Werk selbst nicht problemorientiert und zu deskriptiv war, um als relevant für die Kreuzzugsplanungen gegolten zu haben. Hethum reagierte umgehend auf diese Anrufung seiner Kreuzzugsexpertise und verfasste, vermutlich erneut mit Unterstützung von Nicolas Falcon, ein lateinisches Rückeroberungstraktat, welches er seiner Geschichte der Mongolen als viertes Buch hinzufügte.74 Über 50 erhaltene Kopien aus dem 14. und 15. Jahrhundert sowie volkssprachliche Übersetzungen ins Katalanische und Englische zeugen
Hethum erwähnt seine Teilnahme an der Schlacht von Wādī al-Khaznadār im Jahr 1299 (Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 318) und an der Krönung von zwei Ilkhanen (ebenda, 285; Ders., Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 149). Die Hypothese, dass Hethum durch politische Auseinandersetzungen nach Zypern ins Exil getrieben wurde und daraufhin in den Prämonstratenserorden eintrat, geht auf die Amadi-Chronik zurück, die Hethums Charakter allerdings sehr negativ zeichnet, vgl. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 254. Laut eigener Aussage hatte Hethum stets geplant, im fortgeschrittenen Alter als Mönch ein kontemplatives Leben zu führen, und trat aus diesem Grund den Prämonstratensern bei, vgl. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 325 f. Bereits sein Onkel Hethum I. war diesem Weg gefolgt und hatte sich nach seinem Verzicht auf die armenische Königskrone im Jahre 1269 ins Klosterleben zurückgezogen, vgl. Boase, Kingdom (1978), 26 f.; Mutafian, Royaume arménien (2001), 60. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 278–280. Siehe auch Dörper, Geschichte (1998), 6–11; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 71; RHC Doc. Arm. 2, XLII f. RHC Doc. Arm. 2, LXI–LXVII. Wie in ähnlich gelagerten Fällen, etwa der Zusammenarbeit von Marco Polo und Rustichello da Pisa, lässt sich auch für Hethum von Korykos und Nicolas Falcon schwer ermitteln, wie groß ihr jeweiliger Anteil am fertigen Werk war. Ausgehend von Kohlers These der zeitlich nachgeordneten Entstehung von Buch IV verwende ich im Folgenden für die Bücher I–III die französische Version und für Buch IV die lateinische. Die Flor des estoires war jedoch vermutlich nicht das einzige Geschichtswerk Hethums, denn ihm wird überdies die Autorschaft einer volks-
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davon, dass die Flor des estoires in der Folgezeit auch außerhalb der Kurie, ja sogar außerhalb der Kreise höfischer Kreuzzugsplaner intensiv rezipiert wurde.75 Die Beliebtheit des Werkes ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass es sich nicht um ein rein problemorientiertes Rückeroberungstraktat handelte und die ersten drei Bücher auch als Geschichtswerk gelesen werden konnten. Ein weiteres Werk aus dem Umfeld orientalischer Machthaber war das bereits erwähnte Consilium de passagio faciendo, welches die Berater des zyprischen Königs Heinrich II. von Lusignan im Jahr 1311 vor dem Hintergrund der Kreuzzugsplanungen des Konzils von Vienne verfassten.76 Heinrich, der auch den Titel des Königs von Jerusalem führte, war es ein Jahr zuvor gelungen, den Coup d’État seines Bruders Amalrich abzuwenden und die Herrschaft über Zypern zurückzuerlangen.77 Heinrichs Rückeroberungsplan präsentierten dem Konzil von Vienne zwei namentlich bekannte Gesandte: Zum einen Jacobus de Casiatis, ein Kanoniker aus Ancona, zum anderen ein genuesischer Patrizier namens Symon de Carmadino, von denen beide vermutlich auch an der Kompilation des Consilium beteiligt waren.78 Bei dem Letztgenannten handelte es sich wahrscheinlich um Simone di Carmadino, einen Flottenunternehmer aus einer der großen Familien Genuas, der in den Jahren zuvor noch in den Diensten von Manuele Zaccaria, dem genuesischen Herrscher der Ägäisinsel Chios, gestanden hatte.79 Zu den Ratgebern des Königs zählte möglicherweise auch der Johannitermarschall Simon Le Rat, der Heinrich schon während des Coup d’État unterstützt hatte und sich in den Folgejahren auch an der Kurie sowie am französischen Hof noch als Kreuzzugsberater nachweisen lässt.80 Sicherlich waren noch weitere königliche Ratgeber an der Zusammenstellung des Consilium beteiligt, zumal am Hof Heinrichs aufgrund der räumlichen Nähe Zyperns zu
sprachlichen Chronik des Königreichs Armenien zugeschrieben, die von dessen Gründung im Jahr 1077 bis 1295 reichte, vgl. Hethum von Korykos, Chronique. Ed. Aucher, 471–490. Zur Überlieferungsgeschichte siehe Fußn. 70. Bereits im frühen 14. Jahrhundert scheint das Werk hohes Ansehen in den höfischen Kreuzzugsplanungen genossen zu haben. Der unbekannte Verfasser der Descriptio Europae Orientalis merkte beispielsweise um 1308 an, er würde Kleinasien in seinem Werk nicht erläutern, weil Hethum von Korykos dies bereits eingehend getan habe, vgl. Anonymi Descriptio Europae Orientalis. Ed. Górka, 2. Auch Marino Sanudo stützte sich bei seiner Darstellung der mongolischen Geschichte in seinem Rückeroberungstraktat auf das Werk des Armeniers, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 234–241 sowie II.5.3. Das Werk ist in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert (ANF J 456/36/5), die Dokumente der französischen Gesandtschaft auf dem Konzil von Vienne enthält. Für eine Edition des Textes siehe Mas Latrie, Histoire (1852), Bd. 2, 118–125 u. darauf aufbauend Paviot, Projets (2008), 281–292. Zum innenpolitischen Hintergrund der Vorschläge des Königs siehe insbes. Coureas, Henry II (2016), 379 f. Paviot, Projets (2008), 281, Fußn. 3. Unter den Lusignan bestand die politische Elite Zyperns vorwiegend aus Lateinern, sodass italienische Berater wie Jacobus de Casiatis oder Symon de Carmadino keineswegs eine Seltenheit darstellten, vgl. Coureas, Elite (2017), 17–30. Balard, Romanie (1978), 168. Zu den Zaccaria siehe Miller, Zaccaria (1921), 283–298 sowie II.4.3.4. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 312.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
269
Ägypten und der Levante fraglos deutlich mehr Akteure mit dem entsprechenden Spezialwissen verfügbar gewesen sein dürften als an den Höfen anderer lateineuropäischer Herrscher. Da Zypern sich in direkter räumlicher Nähe zu Ägypten befand, frequentierten Gesandte des ägyptischen Sultans, türkischer Beyliks und syrischer Emire schon im 13. Jahrhundert den Hof der Lusignan. Dementsprechend stellten auch arabischsprachige Berater im Umfeld der Könige keine Seltenheit dar.81 Nach dem Untergang der Kreuzfahrerreiche siedelten sich zudem viele der landlos gewordenen lateinischen Adeligen auf dem nahen Zypern an, weil dort mit Heinrich II. der Titularkönig von Jerusalem regierte und sie sich von ihm die baldige Restitution ihrer Besitzungen auf dem Festland erhofften.82 Diese Exilanten waren wahrscheinlich auch an den Kreuzzugsplanungen des Königs beteiligt. Heinrich selbst behauptete jedenfalls, er habe Hinweise über das Heer des Sultans erhalten durch die Alten aus Syrien, welche die Stärke und Zahl der Sarazenen kennen und zu wissen pflegten,83 womit er vermutlich die Lateiner meinte, die 20 Jahre zuvor aus den Kreuzfahrerreichen geflüchtet waren. Der heterogene Kreis an Orientexperten, den der König von Zypern um sich geschart hatte, ist somit exemplarisch für den geographisch-ethnographischen Beratertyp, dessen Angehörige sich im Unterschied zu den militärischen und finanziellen Ratgebern nicht aus einem bestimmten sozialen Milieu rekrutierten, sondern behaupteten, sie hätten ihr Wissen auf ihren Reisen durch den Orient gewonnen.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte Die Orientexperten konzentrierten sich vornehmlich auf drei inhaltliche Schwerpunkte: Erstens die Geographie und Ethnographie des Orients bzw. vorderen Asiens oder Ostafrikas, zweitens mögliche Routen in den Orient für das Kreuzfahrerheer sowie drittens die Seeblockade des Ägyptenhandels, behandelten jedoch im Gegensatz zu den Beratern des administrativ-finanziellen Subtyps auch Fragen der militärischen Strategie und Logistik. Insbesondere die erstgenannte Kategorie macht in allen erhaltenen Werken mindestens 30% des Textes aus und ist damit nahezu immer die umfangreichste inhaltsanalytische Kategorie in diesen Werken. Im Unterschied zu den Finanzexperten sind diese hohen Näherungswerte allerdings kein Indikator eines besonders hohen Grades an wissensmäßiger Spezialisierung, sondern eine Folge der Polyvalenz des von den Orientexperten verwandten Spezialwissens, welches sich inner-
Coureas, Cyprus (2016), 395–399. Aus der Regierungszeit Hugos I. (1205–1218) und Heinrichs I. (1218–1253) sind Bruchstücke der diplomatischen Korrespondenz erhalten, die u. a. den regelmäßigen Austausch mit den Sultanen von Rum belegen, vgl. Briefe und Urkunden. Ed. Beihammer, 170–173. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232 sowie dazu Edbury, Cyprus (1994), 101 f. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 124: per antiquos de Syria, qui sciunt et scire curabant potentias et vires Sarracenorum (...).
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halb der Kreuzzugsplanungen auf eine Vielzahl strategischer, diplomatischer und logistischer Probleme anwenden ließ. Dabei kam es zu inhaltlichen Überschneidungen mit den Vorschlägen der militärischen Berater, die sich ebenfalls mit logistischen und strategischen Problemen befassten, bedingt durch die epistemische Krise kreuzzugsbezogenen Wissens allerdings Teile ihrer vormaligen Deutungshoheit eingebüßt hatten.
4.2.1 Der Orient und seine Bewohner Die Beschreibung des im Osten der lateinischen Welt liegenden Konglomerats aus Regionen, Ethnien und Herrschaftsverbänden bildete das inhaltliche Rückgrat der Rückeroberungsvorschläge von Orientexperten. Dabei fokussierten sie sich vornehmlich auf topographische Merkmale dieser Regionen sowie die Verhaltensweisen ihrer Bewohner, erörterten jedoch auch einzelne Provinzen, Städte oder Befestigungen im Hinblick auf deren potentiellen Nutzen für die Kreuzfahrer. In den erhaltenen Werken der Orientexperten sind durchschnittlich 51,9% des Textes diesem Gegenstandsbereich gewidmet, was zugleich auch der höchste Mittelwert einer Kategorie in allen drei Subtypen ist. Der Median von 47,7% belegt zudem, dass der Umfang dieser Inhalte zwischen den einzelnen Texten nicht signifikant nach unten abweicht. Wenngleich die einzelnen Berater fraglos eine unterschiedliche Expertise für bestimmte Regionen hatten, ist eine weitere Unterteilung oder regionale Fokussierung der Ratgeber dieses Subtyps, beispielsweise in Experten für Ostasien, Indien oder Ostafrika, weder auf inhaltlicher noch auf begrifflicher Ebene erkennbar. Mit der Darstellung des Landes und seiner Bewohner widmeten sich die Orientexperten einem Problem, das bereits während der Kreuzzugsplanungen des zweiten Konzils von Lyon zu Kontroversen geführt hatte. In dieser Debatte hatte die Fraktion der Kreuzzugsskeptiker auf den Wissensvorsprung der Muslime abgehoben und den Kreuzzug deswegen als zu riskant eingestuft: Denn wir (...) sind auf fremdem Boden, sie aber auf ihrem eigenen. (...) Außerdem kennen sie gefährliche Pässe und Verstecke, wir aber nicht.84 Die Aufgabe der Orientexperten in den Kreuzzugsplanungen war es, diese Informationsasymmetrie zwischen den Kreuzfahrern und ihren Gegnern zu nivellieren und auf diese Weise mögliche Schäden für das Kreuzfahrerheer bereits in der Planungsphase auszuräumen. Aus diesem Grund sammelten die Berater das aus diversen Beständen bekannte Wissen über den Osten und reformulierten es mit Blick auf dessen militärische Nutzbarkeit. Hethum von Korykos schickte beispielsweise in seinem Rückeroberungstraktat für Clemens V. einem längeren Exkurs über Ägypten voran: Damit aber das, was wir über den Kreuzzug ins Heilige Land sagen werden, bes-
Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 193: Nam nos (...) sumus in aliena terra, ipsi autem in sua. (...) Item ipsi sciunt passus periculosos et subterfugia, nos autem non.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
271
ser verstanden werden kann, wird einiges vom Zustand und der Lage Ägyptens, vom Heer von Babylon und der Macht des Feindes erzählt werden.85 Die fraglichen Stellen in den Werken geographisch-ethnographischer Berater sind dementsprechend häufig doppelt codiert mit Inhalten der Kategorien Strategie und Taktik, Logistik, Bündnispolitik, Kreuzzugsroute und Seeblockade, was von der Polyvalenz des zu Grunde liegenden Wissens zeugt und einen entscheidenden Unterschied zu den Ratgebern der anderen beiden Subtypen markiert. Eines der Probleme für die Kreuzfahrer, das nahezu alle Ratgeber des geographisch-ethnographischen Subtyps zu antizipieren versuchten, war die Gefahr einer Trinkwasserknappheit. Da nur wenige Ansiedlungen im östlichen Mittelmeerraum an großen Flüssen lagen, waren deren Bewohner für die Zufuhr von Süßwasser meist auf Brunnen und Zisternen angewiesen, was Wasser, insbesondere in den Sommermonaten, zu einer gleichermaßen knappen wie gefragten Ressource machte.86 Aufgrund dessen hatten bereits die ersten Kreuzfahrer große Schwierigkeiten, ausreichend trinkbares Wasser zur Versorgung ihres Heeres zu finden. Bei der Belagerung Jerusalems im Hochsommer 1099 machten ihre Gegner sich diesen Wassermangel zu Nutze und schwächten das Kreuzfahrerheer, indem sie die Zisternen im Umland versteckten, trockenlegten oder gar vergifteten.87 Dieses Trinkwasserproblem ist keineswegs eine nachträgliche Deutung des Geschehens durch Militärhistoriker, sondern wurde bereits von den Chronisten des Ersten Kreuzzuges eingehend beschrieben. Folgt man etwa der Darstellung Roberts von Reims, so war der Durst der Kreuzfahrer während der Belagerung von Jerusalem derart groß, dass sie begannen, den Morgentau von Steinen zu lecken.88 Die Kreuzzugsexperten des 14. Jahrhunderts griffen solche Berichte auf und betonten immer wieder die Relevanz der Trinkwasservorsorge für die Planung von Kreuzzügen.89 Während die Kreuzfahrer vergangener Jahrhunderte in
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 341: Ut itaque de hiis que dicturi sumus super passagio Terre Sancte clarior intelligentia habeatur, aliqua narrabimus de statu et condicione terre Egipti, de exercitu Babilonie et potentia inimici. Übers. Baum/Senoner, Geschichte der Mongolen (2006), 98. Pryor, Water (2001), 21. France, Victory (1999), 335 f.; Tyerman, God’s War (2007), 153–155. Historia Iherosolimitana of Robert the Monk. Ed. Bull/Kempf, 97 f. Diese spezifische Passage ist sicherlich als hyperbolische Figur zu deuten, die den Wassermangel der Kreuzfahrer dramatisieren sollte. Vergleichbare Darstellungen finden sich in allen Berichten über die Eroberung von Jerusalem im Jahr 1099, so u. a. in Frutholfs und Ekkehards Chroniken. Ed. Schmale/Schmale-Ott, 114; Gesta Francorum. Ed. Hagenmeyer, 384 f. Bachrach hat dagegen die Ansicht vertreten, dass die Berichte der Chronisten des Ersten Kreuzzugs über die Wasserknappheit größtenteils topisch gewesen seien und die Kreuzfahrer in die biblische Tradition der Passion Christi stellen sollten, vgl. Bachrach, Crusader March (2012), 247–251. Siehe u. a. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 32; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 360; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 147; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 427 f. Auch die Expertenkommission, die im Auftrag von Johannes XXII. Sanudos Werk prüfte, stellte fest, das Hauptproblem bei dem ersten Kreuzzugs Ludwigs IX. sei es gewesen, das
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dieser Hinsicht noch auf lokale Kundschafter vertraut hatten,90 oblag es nun den Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps, dieses Problem bereits im Vorfeld zu antizipieren und durch Applikation ihres Spezialwissens über die Verfügbarkeit von Trinkwasser vor Ort zu bewältigen. Deshalb stellten die Verfasser der vier erhaltenen Kreuzfahreritinerare für jede mögliche Wegstation des Kreuzfahrerheeres heraus, in welcher Menge dort Trinkwasser verfügbar war, ob es sich um bones aigues bzw. bonae aquae handelte oder ob das Wasser vor Ort verunreinigt war.91 Auch jenseits dieser Itinerare gingen die Orientexperten auf die lokale Trinkwassersituation ein. Hethum von Korykos betonte etwa, die armenische Stadt Tarsus eigne sich als Rückzugsort für die Kreuzfahrer, weil dort ein Überfluss an Wasser und [Tier-]Futter ist,92 wohingegen Fidenzio die Stadt Antiochia empfahl, weil sich dort ein Überfluss vieler Gewässer befindet, sowohl an Flüssen als auch an verschiedenen Quellen (...).93 Wenngleich die Versorgungslage in Regionen wie Armenien mitunter auch von Beratern des militärischen Subtyps thematisiert wurde, waren ihre Lageeinschätzungen üblicherweise deutlich allgemeiner gehalten als die der Orientexperten, denn statt auf die Trinkwasserversorgung einzelner Ortschaften bezogen sie sich meist auf ganze Regionen oder Herrschaftsverbände.94 Bei der Beschreibung dieser lokalen Trinkwasservorräte bedienten die Orientexperten sich wiederum eines begrifflich deutlich differenzierteren Instrumentariums als etwa die Berater des militärischen Subtyps: Die Wasservorräte einer Ortschaft bewerteten sie sowohl nach ihrer Quantität (habundantia, satis, parum) als auch hinsichtlich ihrer Qualität (dulcis, salsus, pessimus, bonus) und gaben überdies an, aus welchen Quellen das Wasser stammte (flumen, fons).95 Da sich mit Marino Sanudo nur ein einziger Berater eines anderen
Kreuzfahrerheer mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln zu versorgen, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 4. Die ersten Kreuzfahrer verließen sich auf ihrem Weg durch Kleinasien etwa auf byzantinische Kundschafter, vgl. Gesta Francorum. Ed. Hagenmeyer, 163 f. In der Via hieß es etwa über die ägyptische Festungsstadt Bilbeis: Belbeie est bone ville et grant et riche et planteive de bones aigues el de totes bones choses. Vgl. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 434. Die Verfasser der Devise wiesen wiederum darauf hin, in der Ortschaft al-Quṣair (Cosair) auf der Sinai-Halbinsel befände sich eine nutzbare Zisterne, aus der die örtliche Garnison des Sultans versorgt werde, vgl. Devise des chemins. Ed. Paviot, 205. Marino Sanudo vermerkte allerdings über denselben Ort (Chauseyr): satis de littore et de aqua, sed pessima (...). Vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 262. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 360: Verumptamen in civitate Tarsensi poterunt comodius permanere, quia ibi est aquarum habundantia et pabulorum (...). Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 57: quia ibi est habundantia multarum aquarum tam fluvii quam fontium diversorum (...). So etwa Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146, der die Versorgungslage in Armenien allerdings deutlich negativer einschätzt als Hethum. In der Memoria hieß es etwa über den ägyptischen Ort al-Ghurābī (Augorabi): satis aque, sed salse parum (...). Vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 455. Diese Kombination quantitativer und qualitativer Deskriptoren wurde insbesondere in den vier Itineraren eingesetzt, findet sich aber mitunter
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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Subtyps derart differenziert mit lokalen Trinkwasservorräten beschäftigte, ist es höchstwahrscheinlich, dass die Versorgung des Heeres mit Trinkwasser vor Ort zu den typischen Problemen zählte, deren Lösung von Orientexperten erwartet wurde. Hierfür spricht auch das negative Urteil einer französischen Expertenkommission über das Directorium des Guillelmus Adae, welcher der einzige Orientexperte war, der sich in seinen beiden Rückeroberungstraktaten nicht näher zur Trinkwasserversorgung äußerte.96 Die vornehmlich militärisch orientierten Experten, welche Philipp VI. in den 1330ern eingesetzt hatte, um das Rückeroberungstraktat des Dominikaners zu prüfen, erachteten die Versorgung des Kreuzfahrerheeres mit Trinkwasser auf dem von Guillelmus vorgeschlagenen Landweg als problematisch und verwiesen dabei explizit auf die Schwierigkeiten der ersten Kreuzfahrer.97 Das Spezialwissen der Orientexperten über den Umfang und die Qualität lokaler Wasserressourcen wurde allerdings nicht allein zur vorausschauenden Planung der Route eingesetzt, sondern auch auf strategischer Ebene als Chance wahrgenommen, den Gegnern der Kreuzfahrer Verluste beizubringen. Fidenzio von Padua stellte heraus, die Ebenen zwischen Homs und Damaskus eigneten sich für eine Entscheidungsschlacht, weil das aus dem Süden kommende Heer des ägyptischen Sultans auf dem Weg dorthin seine Vorräte aufbrauchen müsse, während die aus dem Norden anrückenden Kreuzfahrer durch das Umland gut versorgt seien.98 Andere Orientexperten, welche im Gegensatz zu Fidenzio aufgrund ihrer Sozialisation mit dem Paradigma der an Befestigungen ausgerichteten Kriegführung vertraut waren und den Kreuzzug auf dieser Grundlage planten, versuchten die Trinkwasserversorgung feindlicher Befestigungen zudem für Belagerungen nutzbar zu machen.99 So bemerkte Hethum von Korykos über die ägyptische Hafenstadt Alexandria: Das Wasser aber, welches die Bürger [Alexandrias] trinken, lassen sie durch einen verborgenen unterirdischen Kanal von dem Fluss Nil kommen und füllen [damit] viele Zisternen, die sie in der Stadt aufgestellt haben. Anderes Wasser aber, von dem sie leben können, haben sie nicht. Wenn ihnen also das Wasser jenes Kanals weggenommen würde, könnten sie nicht lange durchhalten.100
auch in den Werken anderer Orientexperten, so u. a. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 57; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 349. Guillelmus erwähnte zwar die Versorgungsengpässe der ersten Kreuzfahrer, führte sie allerdings auf die sinisteren Machenschaften des byzantinischen Kaisers zurück, vgl. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 439 f.; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 76. Als Lösung schlug er vor, die Kreuzfahrer sollten zunächst das byzantinische Reich erobern und sich anschließend aus der Ägäis mit Nahrungsmitteln versorgen, vgl. Ders. Directorium. Ed. Kohler, 507. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 9. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 56–58. Zur auf Befestigungen ausgerichteten Kriegführung siehe II.2.3.1. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 348 f.: Aquam vero quam cives [v. Alexandria, Anm. d. V.] bibunt, faciunt venire per quemdam meatam subterraneum et occultum de flumine Nili, et implent cisternas multas quas habent in civitate ordinatas; aliam vero aquam non habent de qua vivere possent; unde si eis aufferretur aqua illius meatus non possent diucius permanere.
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Wie Edson herausgestellt hat, mobilisierte auch Marino Sanudo sein Wissen über die Trinkwasserversorgung Jerusalems, um den Kreuzfahrern die Belagerung der Stadt zu erleichtern.101 Der Venezianer hatte für seinen Liber secretorum neun Karten anfertigen lassen, zu denen auch ein Stadtplan Jerusalems zählte. Bei der Visualisierung der Stadt richtete er ein besonderes Augenmerk auf die städtische Wasserversorgung, indem er unter anderem vermerkte, der Davidsturm sowie der Teich von Siloah würden von der außerhalb der Stadt liegenden Gihonquelle gespeist.102 Ergänzend zur kartographischen Darstellung beschrieb Sanudo die Wasserversorgung von Jerusalem zudem eingehend im dritten Buch seines Liber secretorum, wobei er die Leser zwecks Veranschaulichung seiner Erläuterungen mit ut figura ostendit auf den beigefügten Stadtplan zurückverwies.103 Sanudos und Hethums Beschreibung städtischer Trinkwasserversorgungen hinsichtlich ihres Nutzens im Belagerungsfall deuten auf ein weiteres Problem hin, welches die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps zu lösen versuchten. Um die von den Kreuzzugsskeptikern während des zweiten Konzils von Lyon beklagte Informationsasymmetrie zwischen den Kreuzfahrern und ihren Opponenten zu überbrücken, benötigten die Kreuzfahrer eine funktionstüchtige Heuristik, um erfolgversprechende Orte für den Kampf auszumachen und im Gegenzug Auseinandersetzungen in unvorteilhaften Lokalitäten zu meiden. Die Lösung dieser Asymmetrie sahen die Orientexperten in einer auf militärischen Nutzen ausgerichteten Darstellung der Topographie des Orients, die Chancen für die Kreuzfahrerstreitmacht identifizieren und Risiken minimieren sollte. Ein Gegenstand dieser Militärtopographie, welcher von allen Orientexperten zumindest partiell adressiert wurde, waren die Lage, der Zustand sowie die Versorgung von Befestigungen. Fidenzio und die Verfasser der Via wiesen etwa gleichermaßen darauf hin, Antiochia eigne sich als erstes Angriffsziel für die Kreuzfahrer, weil die Stadt seit ihrer Eroberung durch den ägyptischen Sultan 1268 unbefestigt sei und folg-
Edson, Jerusalem (2012), 201–218. Edson übersieht allerdings, dass die Mauern Jerusalems bereits 1219 vollständig abgetragen worden waren, sodass im 14. Jahrhundert allein der Tempelberg sowie der Davidsturm befestigt waren und die Stadt vermutlich ohne langwierige Belagerung hätte erobert werden können. Sanudos Darstellung der städtischen Wasserversorgung war demnach entweder großer Vorsicht oder aber Unkenntnis der Lage geschuldet. Zu den mittelalterlichen Stadtmauern Jerusalems siehe Chevedden, Fortifications (1999), 39 f. BL Add. Ms. 27376✶, fol. 189v: Fons gyon inferior quem obturavit ocias et avertit aquas ad occidente turris david ad piscinam interiorem quae est ad sanctam annam. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 175: Est autem Civitas Ierusalem, secundum omnes eius partes, in monte et eminenti loco sita, in Palestina, gloriosa Iudeae Metropolis, lacte et melle manans, frumento vino et oleo abundans, cunctisque temporalibus bonis: fluminibus autem prorsus caret: fontes non habet, excepto fonte Syloe sub monte Syon per medium vallis Iosaphat fluente: ut figura ostendit (...).
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lich schnell erobert werden könne.104 Naturgemäß gingen vor allem die Advokaten der an Befestigungen orientierten Kriegführung ausführlich auf die Lage sowie den Zustand lokaler Verteidigungsanlagen ein. Dieser Gegensatz zwischen Befürwortern von Feldschlachten einerseits und denen der Belagerungskriegführung andererseits wird am Beispiel der Kreuzzugsitinerare besonders deutlich, denn die Verfasser der vom Johanniterorden in Auftrag gegebenen Devise vermerkten alle Festungen, die an möglichen Kreuzfahrerrouten lagen, während die Autoren der Via sowie der Memoria diese Angaben vollständig aussparten.105 Auf Grundlage dieses Wissens entstanden wiederum Pläne, um die Befestigungen zu erobern: Die Verfasser der Devise machten etwa darauf aufmerksam, dass die Garnison von al-Quṣair (Cosair) sich aufgrund des Umlandes leicht durch einen nächtlichen Angriff der Kreuzfahrer überraschen lasse.106 Vergleichbare Schlachtpläne finden sich auch in den Werken einiger militärischer Ratgeber mit Orientkenntnis, etwa im Charboclois d’armes des Johanniters Roger von Stanegrave, der darlegte, wie man durch einen nächtlichen Überfall die Mauern von Alexandria überwinden könne.107 Hinterhalte durch topographisches Wissen zu ermöglichen und somit Chancen zu generieren, dem Gegner Schaden zuzufügen, versuchten allerdings nur wenige der Orientexperten. Guillelmus Adae identifizierte die am Zufluss des Roten Meeres gelegenen Hanisch-Inseln aufgrund ihres bergigen Terrains und ihrer Höhlensysteme als ideales Versteck vor der Streitmacht des ägyptischen Sultans. Die genaue Position dieser Schlupfwinkel beschrieb der Dominikaner indes nicht, sondern verwies stattdessen auf die christlichen Bewohner der Inseln, die den Kreuzfahrern dabei helfen sollten, passende Lokalitäten ausfindig zu machen.108 Fidenzio konstatierte gar allgemein, die Kreuzfahrer müssten ortskundige Späher einsetzen, um Verstecke ebenso wie potentielle Hinterhalte zu finden.109 Überraschungsangriffen vorzubeugen war demnach nicht Gegenstand der Kreuzzugsplanungen, sondern oblag den Kundschaftern vor Ort, welche bereits in den vorangegangenen Jahrhunderten für die Kreuzfahrer die primäre Quelle von Wissen über die lokale Topographie gewesen waren.
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 58; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 429. Die Autoren der Memoria übernahmen diese Beschreibung Antiochias aus der Via, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 452. Devise des chemins. Ed. Paviot, 215: Item, de Berine iusques a Melig, liues .vj. Et a mout de casiaus. Et la entour si sont .ij. casiaus grans et nobles: l’un a nom Tambede et l’autre a nom Mehallet el Mehrom. Oder ebenda, 219: Item, le large de la Garbye de l’une branche qui vait au Ressid jusques a l’autre braunche qui vait a Damiate, d’un casal qui est par desus le branche dou flum qui vait au dit Ressid lequel a nom Mehallet Ebo Hali (...). Devise des chemins. Ed. Paviot, 205 f. Devise des chemins. Ed. Paviot, 355–358. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 112–114. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 33. Ähnlich argumentierte auch Marino Sanudo, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 82 f.
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Statt eigene Hinterhalte im Vorhinein zu lancieren, setzten die meisten Orientexperten vielmehr auf Risikovermeidung, indem sie vor Regionen oder Routen warnten, die gute Gelegenheiten für feindliche Überfälle bargen. Viele Berater des geographischethnographischen Subtyps erachteten vor allem den bergigen Süden Kleinasiens als einen solchen Raum.110 Selbst Guillelmus Adae, der einzige Befürworter der Kleinasienroute unter den Orientexperten, erwartete Hinterhalte auf den engen Bergpässen, argumentierte allerdings, dass sich dieses Risiko durch die Eroberung von Konstantinopel minimieren lasse.111 In anderen Fällen waren die Orientexperten sich jedoch uneins in ihrer Problemeinschätzung. Während die Verfasser der Via sowie der Memoria vorschlugen, die Kreuzfahrer sollten von Gaza ausgehend den Landweg nach Ägypten nehmen, warnten die Ratgeber Heinrichs II. vor eben jenem Weg, denn in der Mitte sind zahlreiche schwer zugängliche und starke Berge und Anhöhen, wenn die Feinde diese besetzen würden, wäre der Durchzug beschwerlich und überaus gefährlich.112 Eine der anderen Regionen, die vielen Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps als zu riskant galt, war das Nildelta mit seinen ständig wechselnden Flussverläufen. Ähnlich wie im Fall der Trinkwasserversorgung basierte diese Einschätzung auf den in der Chronistik tradierten Erfahrungen vergangener Kreuzfahrer, in diesem Fall der Teilnehmer des ersten Kreuzzugs Ludwigs IX., dessen Heer Probleme hatte, im Nildelta geeignete Flussübergänge zu finden und die Nachschubwege zu kontrollieren. Jean de Joinville berichtete, die Kreuzfahrer seien während des Baus einer behelfsmäßigen Brücke mehrere Tage lang durch das am gegenüberliegenden Ufer lagernde Heer des Sultans mit Griechischem Feuer beschossen worden, ohne ihren Gegner erreichen zu können.113 Nachdem das königliche Heer weiter ins Landesinnere Ägyptens vorgedrungen war, gelang es den Ägyptern mehrfach, die von der Nilmündung bei Damietta kommenden Versorgungsschiffe der Kreuzfahrer zu kapern und sie somit von ihrem Nachschub abzuschneiden.114 Aufgrund dieser historisch sedimentierten Erfahrungen erachteten Kreuzzugsplaner des 14. Jahrhunderts den Nil als Gefahrenquelle, die minimiert oder vollständig gemieden werden sollte. So beton-
So u. a. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 9; Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 56 f.; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 359; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 37; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 451 f.; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 276. Die Verfasser der Devise erwähnten Kleinasien erst gar nicht in ihrem Kreuzzugsplan, vgl. Devise des chemins. Ed. Paviot, 204–220. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 431; Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 62. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 122: in medio sunt plures montes et colles et accessus difficiles et fortes, quos si hostes munirent, foret periculosus transitus et morosus. Ähnlich argumentierte auch Marino Sanudo, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 37–39. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 94–96. Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 144–146. Siehe dazu auch Strayer, Louis IX (1969), 502; Thorau, Kreuzzug (2016), 136. Marino Sanudo bezog sich sogar wortwörtlich auf den Bericht über den Kreuzzug im Speculum Historiale des Vinzenz von Beauvais, den er fälschlicherweise für einen Augenzeugen der Ereignisse hielt, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 48.
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ten die Verfasser der Via und Memoria mit dem Hinweis auf den Misserfolg Ludwigs IX., dass Ägypten kein gutes Ziel für den Kreuzzug wäre, da die Versorgung der Kreuzfahrer über den Nil nicht möglich sei.115 Für Orientexperten die, wie die unbekannten Verfasser der Devise, Ägypten als Angriffsziel in Betracht zogen, war das Nildelta dementsprechend zentral, weshalb sie in ihrem Itinerar die Position von Flussübergängen vermerkten und auf geeignete Flussabschnitte für Seeschlachten hinwiesen.116 Für die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps waren nicht nur das Land, sondern auch dessen Bewohner relevant für die Kreuzzugsplanungen, so stellte Hethum von Korykos etwa fest: Denn so wie ein guter Arzt, um den Kranken zu Kräften zu bringen, die Ursache der Krankheit erforschen muss, so ziemt es sich für einen vorausschauenden Feldherrn, bevor ein Krieg beginnt, der Feinde Absichten, Lage und Zustand zu erkunden, um den Krieg vorausschauend und kühn beginnen und ihn mit einem rühmlichen Ende beschließen zu können.117 Die Orientexperten reagierten auf diese Problemstellung zuvörderst, indem sie die Größe der feindlichen Streitmächte schätzten und dabei auf die Lokalitäten hinwiesen, in denen die gegnerischen Truppen jeweils stationiert waren. Den Kern des ägyptischen Heeres bildeten bereits unter den Fatimiden (907–1171) die als „Mamluken“ bekannten Militärsklaven, welche überwiegend aus der Schwarzmeerregion stammten und bereits im Kindesalter nach Ägypten verbracht wurden, wo sie anschließend auf speziellen Schulen eine Ausbildung zu (Reiter-)Soldaten erhielten.118 Die Mamluken des Sultans (mamālīk as-sulṭānīya) sowie die Mamluken der Emire (mamālīk al-umarā) waren in den lokalen Garnisonen ihres jeweiligen Eigentümers stationiert und formierten gemeinsam ein stehendes Heer, welches bei Bedarf um türkische oder mongolische Hilfstruppen (ajnād al-ḥalqa) ergänzt werden konnte.119 Dass die Streitmacht des ägyptischen Sultans im Kern aus Militärsklaven bestand, war allen Orientexperten sowie einigen anderen Ratgebern wie etwa Guillaume de Nogaret, Ramon Llull, Marino Sanudo oder den Ordensrittern bekannt.120 Die geographisch Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 449 f.; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 427. Ähnlich argumentierten auch Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53 f.; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 411–414. Devise des chemins. Ed. Paviot, 218 f. Vor diesem Hintergrund fügte Marino Sanudo seinem Rückeroberungstraktat eine ausführliche Beschreibung der ägyptischen Küstenlinie bei, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 85–89. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 340 f.: Nam sicut bonus medicus, ut ad convalescenciam egrum perducat, causam debet egritudinis perscrutari, ita providum ducem decet, antequam guerram incipiat, inimicorum investigare intentionem, condicionem et statum, ut guerram inchoare possit provide et audacter, et illam fine laudabili terminare. Barker, Black Sea (2014), 3–5; Ehrenkreuz, Slave Trade (1981), 335–345; Jacoby, Supply (2001), 118. Grundlegend zum Aufbau der ägyptischen Armee ist nach wie vor Ayalon, Structure I–III (1953–1954). Die Zusammensetzung und Aufgaben der ḥalqa variierten im Laufe der Zeit stark; unter Saladin galten sie noch als Elite des ägyptischen Heeres, doch im Laufe des 13. Jahrhunderts setzte ein Niedergang zu Gunsten der Mamluken des Sultans ein, vgl. Ayalon, Structure II (1953), 448–456. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 43; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 281; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 323.
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ethnographischen Berater hatten allerdings auch Kenntnis über die Herkunft sowie den Modus der Rekrutierung dieser Militärsklaven; der Dominikaner Guillelmus Adae führte dazu aus: (...) und sie [genuesische Kaufleute, Anm. d. V.] kaufen Jungen und Mädchen aus verschiedenen Teilen der Welt, nämlich Griechen, Bulgaren, Ruthenen, Alanen, Ungarn des kleinen Ungarn (...) oder auch Tataren und Kumanen sowie alljene andere Heiden, die [durch] elterliche Pflichtvergessenheit dem Verkauf ausgesetzt (...) oder [von] Tataren, Türken oder allen möglichen anderen gottlosen Feinden vernichtet und unterworfen wurden. (...) Weil sich das ägyptische Volk nämlich dem fleischlichen Luxus ergibt, ist es schlecht geeignet, um militärische Tätigkeiten auszuüben. Und deswegen kaufen sie bereitwillig die vorgenannten Jungen, welche, nachdem sie in Waffen und Sachen des Krieges gemäß ihrer Sitten vollständig ausgebildet wurden, überall gegen Christen oder jeden anderen dem babylonischen Heer vorangehen können.121
Über den Umstand, wie viele dieser Mamluken der ägyptische Sultan tatsächlich ins Feld führen konnte, gingen die Ansichten der Orientexperten hingegen weit auseinander: Fidenzio und Guillelmus vermuteten, der Sultan sei in der Lage, 40.000 Reiter aufzubieten, wohingegen die Ratgeber Heinrichs II. und Marino Sanudo mit 60.000 Reitern rechneten.122 Auch einige der militärischen Ratgeber spekulierten über die Größe des ägyptischen Heeres, wobei Roger von Stanegrave vermutete, dem Sultan stünden ganze 150.000 Mamluken zu seiner ständigen Verfügung.123 Der historischen Wirklichkeit am nächsten kamen wohl die Schätzungen Hethums und der unbekannten Verfasser der Devise, welche die Größe des ägyptischen Aufgebots mit 25.000 bzw. 24.600 Reitern bemaßen.124 Die Verortung der feindlichen Streitkräfte blieb indes meist ungenau und oberflächlich. Hethum von Korykos gab etwa an, von den 25.000 Reitern des Sultans befän-
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 28–30: et de diversis mundi partibus emunt pueros et puellas, Grecos, videlicet, Bulgaros, Rutenos, Alanos, Ungaros Minoris Ungarie, (...) vel Tartans et Cumanos vel quoscumque alios paganos quos venales exposuit paterna impietas, (...) vel quos clades tartarica vel turcica vel aliqua alia hostilis impietas subiugavit. (...) Gens etiam egiptiaca utpote carnali luxui dedita minus est apta ad actus militie exercendos. Et idcirco pueros predictos emunt libenter ut in armis et rebus bellicis, secundum morem eorum plenius eruditi, ubicumque oporteat contra Christianos vel quoscumque alios babilonicum exercitum antecedant. Nachdem die seit dem späten 13. Jahrhundert andauernde Auseinandersetzung zwischen den ägyptischen Sultanen und den persischen Ilkhanen 1323 durch einen Waffenstillstand beigelegt wurden, etablierte sich neben der von Guillelmus geschilderten eine weitere Route für den Import von Sklaven aus der Schwarzmeerregion, die von den nordanatolischen Hafenstädten Amasra und Sinope über den Landweg nach Aleppo führte. Dieser neue Handelsweg wurde allerdings von keinem der Orientexperten berücksichtigt, vgl. Barker, Black Sea (2014), 357 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 28; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 124; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 38. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 323. Devise des chemins. Ed. Paviot, 201–203; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 342 f.
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den sich 20.000 in Ägypten und 5.000 in Syrien.125 Die einzige Ausnahme bildete die Devise, deren Verfasser Zugriff auf einen ägyptischen Katasterbericht hatten und deshalb sowohl die Position als auch die Struktur der Armee des Sultans wesentlich präziser zu erfassen vermochten als die anderen Orientexperten. Für Syrien fiel ihre listenartige Aufstellung der gegnerischen Truppenstärke folgendermaßen aus: Die Macht Syriens: Erstens in Gaza 700 Reiter; zudem in Safed 900 Reiter; zudem in Damaskus 4.000 Reiter; zudem in Homs 300 Reiter; zudem in Hama 1.000 Reiter; zudem in Aleppo 2.000 Reiter; zudem in Tripolis 1.000 Reiter. Die Summe für Syrien ist 9.900.126
Im Gegensatz zu Marino Sanudo oder den Ratgebern Heinrichs II., die allein zwischen guten, mittelmäßigen und schlechten Reitern unterschieden, von denen der Sultan über jeweils 20.000 verfüge,127 vermochten die Autoren der Devise ferner zwischen den Mamluken aus dem Gefolge des Sultans sowie den Mamluken der Emire zu differenzieren. Auch die Unterteilung zwischen den Emiren der Tausend, die dem Heer jeweils 100 Mamluken beisteuern mussten, sowie den kleineren Emiren, die jeweils 50 bzw. 10 Mamluken stellten, war ihnen geläufig.128 Einzelne Truppengattungen innerhalb der ägyptischen Armee erachteten die Orientexperten indes nicht als relevant für die Kreuzzugsplanungen. Einzig Fidenzio von Padua, der das Heer des Sultans in den Jahren 1268 und 1289 als eine Art Seelsorger für christliche Gefangene begleitet hatte, widmete sich der Bewaffnung von Fußsoldaten und Reiterei.129 Aus der Stärke, Zusammensetzung und Position der ägyptischen Streitmächte versuchten die Orientexperten wiederum das strategische Vorgehen der Kreuzfahrer ab-
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 342 f. Laut Ayalon verfügte Sultan an-Nāṣir Muḥammad I. bei der Fertigstellung des als rawk an-nāṣirī bekannten Katasterberichts im Jahr 1315 über etwa 2.000 Mamluken. Hinzu kamen die Mamluken der Emire, mit denen zusammen die ägyptische Armee in diesem Zeitraum wohl aus etwa 24.000 Mamluken bestand, vgl. Ayalon, Structure I (1953), 222–224; Ders., Structure III (1954), 70 f. Devise des chemins. Ed. Paviot, 203: Le poer dou Som: Primierment a Guadres .vijC. homes a cheval; Item, au Saphet .ixC. homes a cheval; Item, a Damas .iiijM. homes a chival; Item, a la Chamele .iijC. homes a chival; Item, a Hama .M. homes a cheval; Item, a Halappe .ijM. homes a cheval; Item, a Triple .M. homes a cheval. Some l’ost dou Som .ixM. .ixC. Irwin hat darauf hingewiesen, dass die sieben genannten Regionen mit den sieben Provinzgouverneuren (niyābat) des Sultans in Syrien korrespondierten, vgl. Irwin, Miles (1994), 60. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 124: soldanus tunc poterat habere Lx. milia hominum in equis, de quibus xx. milia dicebantur fore boni milites, alii xx. milia mediocres, alii autem xx. milia viles. Siehe auch Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 38. Leopolds These, die königlichen Ratgeber würden an dieser Stelle auf die Dreiteilung zwischen den Mamluken der Sultane, den Mamluken der Emire sowie den Hilfstruppen referieren, ist allerdings zurückzuweisen, da einige Verbände der Hilfstruppen (wie etwa die awlād an-nās) laut Ayalon zu den Eliteeinheiten der ägyptischen Armee zählten, vgl. Ayalon, Structure II (1953), 458; Leopold, Holy Land (2000), 106. Devise des chemins. Ed. Paviot, 201 f. Zu den Mamluken der Emire siehe Ayalon, Structure II (1953), 459–462. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 28 f.
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zuleiten. Fidenzio lehnte etwa Ägypten als Angriffsziel ab, weil sich dort ein Großteil der Truppen des Sultans befand.130 Der Armenier Hethum schlug dagegen vor, die Streitmacht des Sultans durch einen gemeinsamen Angriff der Kreuzfahrer und des persischen Ilkhans auf Syrien aus dem ägyptischen Kernland an die Levante zu locken, wo der Sultan seine Mamluken nicht lange finanzieren könne.131 Hethums Plan, die mongolischen Herrscher Persiens als Verbündete für die Kreuzfahrer zu gewinnen, zeugt von einem weiteren Problem, für dessen Lösung die geographisch-ethnographischen Berater ihr Spezialwissen über die Bewohner des Orients bzw. des vorderen Asiens mobilisierten. Die Asienreisen der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten umfangreiches Wissen über die Ethnien und Herrschaftsverbände Innerasiens zu Tage gefördert und politischen Entscheidungsträgern damit ein neues Feld der Bündnispolitik eröffnet.132 Seitdem mussten Kreuzzugsplaner antizipieren, welche dieser Herrscher als mögliche Verbündete im Kampf gegen den ägyptischen Sultan in Frage kamen und welche Machthaber im Gegenzug als Feinde der Kreuzfahrer betrachtet werden sollten. Diplomatische Kontakte erforderten (und erfordern) jedoch stets Wissen über diejenigen, mit denen man in Kontakt zu treten plant, und setzen deshalb auch „eine zumindest vage Kenntnis der Herrschaftsorganisation des adressierten Volkes voraus (...).“133 Spezialwissen über die Ethnien und Herrschaftsverbände Vorderasiens galt folgerichtig auch außerhalb der Kreuzzugsplanungen als diplomatisch relevantes Wissen, weshalb die Inhalte der Kategorie „Diplomatie und Bündnispolitik“ oft mit denen der Kategorie „Ethnographie und Geographie“ doppelt codiert sind. Unter den Orientexperten selbst ist wiederum eine Schwerpunktsetzung zu beobachten, denn während die Verfasser der Devise keinerlei bündnispolitische Optionen diskutierten, widmete Guillelmus Adae diesen einen beachtlichen Teil (7,7% bzw. 6,8%) seiner beiden Rückeroberungstraktate. Neben den bereits erwähnten Ilkhanen waren es die christlichen Herrscher von Armenien, Äthiopien sowie Byzanz, die von der Mehrzahl der Orientexperten als potentielle Bündnispartner gehandelt wurden, wobei die Ansichten der Berater hinsichtlich der Eignung dieser vier Mächte durchaus divergierten. Besonders kontrovers debattiert wurde eine Allianz mit den persisch-mongolischen Ilkhanen, zu denen die Lateiner bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts diplomatische Kontakte pflegten. Persien war 1220 von den Mongolen unter der Führung von Dschingis Khan erobert worden und infolge der Reichsteilung nach dem Tod des letzten Großkhans Möngke im Jahr 1259 zum Zentrum eines der vier Teilreiche geworden. Im Gegensatz zu den Beratern anderer Subtypen, welche auf die Mongolen stets ohne Unterschied als tartari zu referieren pflegten, waren die Orientexperten wohlinformiert
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53 f. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 356–358. García Espada, Marco Polo (2009b), 220; Ders., Enlargement (2014), 109–116; Fried, Globalisierung (2015), 219 f. Münkler, Erfahrung (2000), 26.
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über die politische und geographische Lage dieser vier Teilreiche, welche Guillelmus Adae folgendermaßen beschrieb: Das Erste und größte, welches China genannt wird, liegt östlich. Das Zweite, welches Chasarien genannt wird, liegt nördlich. Das Dritte, welches Persien geheißen wird, liegt südlich. Das Vierte, welches Duwa oder Qaidu genannt wird, liegt in der Mitte zwischen diesem südlichen und jenem ersten.134 Die diplomatischen Beziehungen zwischen den Mongolen bzw. Tataren und den anderen Herrschaftsverbänden in der Region waren Orientexperten wie Guillelmus ebenso bekannt wie die Beziehungen der mongolischen Teilreiche untereinander. Besonders die unverhohlene Feindschaft zwischen den Ilkhanen und dem ägyptischen Sultan, welche sich seit der gescheiterten mongolischen Invasion Ägyptens in den Jahren 1259/60 immer wieder in gewaltsamen Auseinandersetzungen entladen hatte, machte die Ilkhane aus der Sicht vieler Berater zu natürlichen Bündnispartnern der Kreuzfahrer.135 Bereits Ludwig IX. und Papst Gregor IX. hatten versucht, diese diplomatische Gemengelage zu nutzen, um mit den Ilkhanen gemeinsame Militäraktionen gegen den ägyptischen Sultan durchzuführen.136 Auf der Grundlage dieses geostrategischen Befundes imaginierten Berater das Szenario eines koordinierten Angriffs aus Ost und West zugleich, der die Vorherrschaft der ägyptischen Sultane im Vorderen Orient brechen sollte.137 An den Höfen lateineuropäischer Herrscher war grundlegendes Wissen über die Position des Mongolenreiches in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts allgemein verfügbar geworden, sodass nicht nur die Orientexperten, sondern auch Ratgeber der anderen Subtypen wie Guillaume de Nogaret oder Gonzalo de Hinojosa den Plan einer Allianz aufnahmen.138 Vor diesem Hintergrund etablierte sich zwischen Herrschern wie Eduard I., Philipp IV. oder Clemens V. und den Ilkhanen ein Austausch von Gesandtschaften, eine gemeinsame Mili-
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 46: Primum et maius est orientale, quod Catay dicitur. Secundum est aquilonare, quod Gazaria nominator. Tertium est meridionale, quod Persidis appellatur. Quartum est medium inter istud meridionale et illud primum, quod Doa vel Caydo nuncupatur. Abgesehen von dem Dominikaner unterschieden auch Marino Sanudo und Hethum von Korykos die vier mongolischen Teilreiche, vgl. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 214; Ders., Flos Historiarum. Ed. Robert, 334 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 2; 234. Mit Blick auf die Beweggründe der Ilkhane konstatiert Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 57: Quod autem rex Tartarorum libenter juvet Xpistianos, ratio est aperta; quia videlicet, cum Tartari cepissent et acquisivissent totum regnum Damascenum usque ad desertum Egypti, Sarraceni de Egypto venerunt contra Tartaros illos et occiderunt eos, et regnum illud viriliter recupaverunt, et ita Tartari in terra illa magnum oprobrium habuerunt. Et inde est quod tartari desiderant, quod Sarraceni perdant illud regnum quod ipsi Tartari aliquando possederunt. Ähnlich argumentierten auch Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 226; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114 f.; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 502–506; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 46; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 351; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 36. Zur Vorgeschichte des Konfliktes siehe insbes. Amitai, Mongols (2010), 8–77. Amitai, Mongols (2010), 94–105; Jackson, Mongols (2005), 165–186. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 56. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 205.
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tärkampagne gegen Ägypten konnte jedoch trotz beiderseitiger Bemühungen nicht realisiert werden.139 Der aus Sicht der Kreuzfahrer vielversprechendste Versuch einer solchen Kooperation scheiterte 1302 auf der Insel Arwad, als eine Streitmacht des Templerordens vergeblich auf das Eintreffen des durch die Wetterlage verzögerten Heeres von Ilkhan Ghazan (✶1271 †1304) wartete und währenddessen von der zahlenmäßig überlegenen Streitmacht des ägyptischen Sultans überrascht wurde. Nur wenigen der Ordensbrüder gelang es, rechtzeitig von der Insel zu entkommen.140 Diese Niederlage veränderte die Haltung vieler Kreuzzugsplaner zu den Ilkhanen und führte dazu, dass alte Vorurteile gegen die Mongolen wieder zur Sprache kamen. Für die fünf Jahre nach dem Debakel vor der syrischen Küste von Clemens V. einberufene Expertenkommission war eine Allianz mit den Ilkhanen keine Option mehr, zu groß sei der Hochmut der Mongolen gegenüber allen anderen Völkern, um ihnen erneut Vertrauen zu schenken.141 Das Urteil der päpstlichen Berater ist insofern bemerkenswert, als dass sie sich bei der Darstellung des Orients größtenteils auf die um 1290 entstandene Via ad Terram Sanctam stützten, deren Verfasser starke Befürworter der Zusammenarbeit mit den Mongolen waren.142 Bei der Zusammenstellung des finalen Memorandums für den Papst hatten die Ratgeber die Passagen über eine Allianz mit dem Ilkhan aus dem älteren Kreuzfahreritinerar also offenbar gezielt entfernt, um den jüngeren Ereignissen Rechnung zu tragen. Doch bereits vor der Niederlage bei Arwad hatte es unter Kreuzzugsplanern Vorbehalte gegenüber einem Bündnis mit den Ilkhanen gegeben. Der Grund für diese Skepsis war deren Nähe zum Islam. In Persien herrschten die Ilkhane über mehrheitlich muslimische Untertanen, zeigten sich jedoch zunächst weitgehend indifferent gegenüber religiösen Fragen. Wie für mongolische Herrscher üblich, verfolgten sie eine Politik der religiösen Toleranz und gestatteten es römisch-christlichen Missionaren, sich frei in ihrem Reich zu bewegen. Obwohl mit Argun (✶um 1258 †1291) tatsächlich einer der Ilkhane sich und seine Söhne taufen ließ, blieb die christliche Mission der Mongolen langfristig ohne Erfolg. Arguns Nachfolger Ghazan konvertierte schließlich 1295 zum Islam und von diesem Zeitpunkt an waren alle folgenden Ilkhane durchweg Muslime.143 Aus
CClR 1288–1296, 145; Jackson, Mongols (2005), 165–186; Schmieder, Europa (1994), 89–109. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 309 f. sowie in Anschluss daran Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 242. Siehe dazu auch Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157; Housley, Later Crusades (1992), 207 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 164 f. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 446 f.; 454. Die Berater folgten hier im Wesentlichen dem Urteil der Missionare, die im 13. Jahrhundert das Mongolenreich bereist hatten. Siehe dazu II.4.3.3. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 431. Der Ilkhan Öldscheitü war zwar durch seinen Vater Argun christlich getauft worden, bekannte sich jedoch zunächst zum Buddhismus und konvertierte noch vor seinem Herrschaftsantritt 1304 zum sunnitischen Islam, bevor er schließlich 1310 zum schiitischen Islam übertrat. Sein Sohn und Nachfolger Abu Saʿīd (✶1305 †1335) gehörte dementsprechend ebenfalls dem schiitischen Islam an, vgl. Weiers, Geschichte (2004), 131 f.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
283
diesem Grund machten einige Ratgeber wie etwa Fidenzio von Padua und Ramon Llull die Konversion der Ilkhane zum römischen Christentum zur Bedingung für eine Allianz mit den Kreuzfahrern. Hethum von Korykos suggerierte gar dem Papst, Ilkhan Öldscheitü (✶um 1280 †1316) sei trotz seines Bekenntnisses zum Islam insgeheim bereit, zum Christentum überzutreten.144 Bei den meisten anderen Beratern dominierte hingegen Pragmatismus, so resümierte etwa Marino Sanudo lakonisch, für die Rückeroberung des Heiligen Landes solle nicht nur die Hilfe der Mongolen, sondern aller heidnischen Völker angenommen werden, welche bei der Durchführung dieses Unternehmens notwendig und nützlich erscheinen.145 Einigen Beratern, darunter Guillelmus Adae, Marino Sanudo sowie Hethum von Korykos, war nicht nur die Feindschaft zwischen den Ilkhanen und den ägyptischen Sultanen bekannt, sondern auch ihre Opposition zum Khanat der Goldenen Horde, das Guillelmus als „Chasarien“ bezeichnete. Bereits wenige Jahre nach der mongolischen Reichsteilung war es 1262 infolge von Territorialstreitigkeiten im südlichen Kaukasus zu gewaltsamen Zusammenstößen des Ilkhanats unter Hülegü (✶1217 †1265) mit der von Bärkä Khan (✶um 1205 †1266) angeführten Goldenen Horde gekommen.146 Auf der Suche nach einer zweiten Front gegen seinen Rivalen hatte Bärkä wiederum begonnen, eine Allianz mit dem ägyptischen Sultan Baibars zu schmieden, der nicht allein seine Feindschaft mit dem Ilkhan teilte, sondern überdies auch den Großteil seiner Militärsklaven aus dem Territorium der Goldenen Horde bezog.147 Dieses Bündnis hatte auch zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch Bestand, was Guillelmus Adae und Marino Sanudo als ein periculum maximum fidei Christianae erachteten. Beide Berater forderten deshalb, in der Ägäis solle eine Flotte stationiert werden, um den Seeweg zwischen Ägypten und dem Schwarzen Meer zu blockieren und den ägyptischen Sultan somit von seinem nördlichen Verbündeten zu isolieren.148 In den 1320er Jahren begannen die ägyptischen Sultane schließlich, ihr Bündnis mit der Goldenen Horde zu lösen und sich stattdessen den Ilkhanen anzunähern, was 1323 in einem Friedensschluss zwischen den beiden langjährigen Rivalen resultierte.149 Ungeachtet dessen
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 57; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 351; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 267 f.; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 329; 345. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 95: ac non solum amorem et amicitiam inquirere Tartarorum; sed etiam eos cum omnibus aliis gentium nationibus incitare, quae in hoc exequendo negotio necessariae et utiles viderentur. Ähnliches gilt wohl auch für die Templer, die 1302 mit Ghazan zusammenarbeiteten, obwohl dieser sich zum Islam bekannte, vgl. Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157. Lane, Mongol Rule (2003), 58–72. Amitai, Mongols (2010), 81–86; Ehrenkreuz, Slave Trade (1981), 335–345. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 44–52; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 36; 95. Siehe auch Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 176; Ders., Flos Historiarum. Ed. Robert, 306. Amitai, Resolution (2005), 362–372; Schmieder, Europa (1994), 36.
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unternahmen die Könige Philipp VI. und Robert I. auch in den 1330er Jahren weiterhin Versuche, mit dem Ilkhan ein Bündnis gegen Ägypten zu schmieden.150 Ein weiterer kontroverser Bündnispartner war das christliche Königreich Armenien, das während des 11. Jahrhunderts im Südosten Kleinasiens von einer armenischen Dynastie begründet worden war. Die armenischen Herrscher waren bereits im 12. Jahrhundert Verbündete der Kreuzfahrerreiche gegen den ägyptischen Sultan sowie den byzantinischen Kaiser gewesen und hatten auf diese Weise ihre politische Unabhängigkeit bewahren können. Nach dem Fall des nahen Fürstentums Antiochia im Jahr 1268 war Armenien jedoch zunehmend in das Visier ägyptischer Expansionspolitik geraten, weshalb dessen Herrscher sich durch ein Bündnis mit den Ilkhanen behalfen, das ihr Königreich de facto zu einem tributpflichtigen Klientelreich der Mongolen machte. Zugleich versuchten die armenischen Könige sich stärker den Christen im Westen anzunähern, indem sie den Päpsten eine Kirchenunion in Aussicht stellten.151 Im Laufe des Jahres 1321 wurde Armenien von den Streitmächten türkischer Beyliks und des ägyptischen Sultans zugleich angegriffen und verheert, was an den lateineuropäischen Herrscherhöfen eine regelrechte Armenien-Krise auslöste. In den folgenden zwei Jahren entwarfen Berater immer wieder Pläne für einen Partikularkreuzzug zur Unterstützung des christlichen Reiches, bis der armenische König einlenkte und einen Frieden mit dem Sultan schloss.152 Insbesondere durch die seit 1290 geführten Unionsverhandlungen gehörte die Situation in Armenien zum Wissen, das an vielen Höfen Lateineuropas und des Mittelmeerraumes allgemein verfügbar war, sodass Berater aller drei Subtypen sich zu den Chancen und Risiken einer solchen Allianz äußerten.153 Fidenzio von Padua, Hethum von Korykos sowie die Verfasser der Via und Memoria beschrieben Armenien aufgrund seiner Lage als idealen Brückenkopf für die Kreuzfahrer, von dem aus mit Unterstützung des armenischen Heeres die Levante zurückerobert werden könne.154 Über das Potential Armeniens als Brückenkopf bestand allerdings Uneinigkeit, denn Berater des Königs von Zypern argumentierten ebenso wie Guillelmus Adae und
Siehe dazu den an Johannes XXII. gerichteten Bericht über die Kreuzzugsvorbereitungen am französischen Hof unter Philipp VI. (Diligences. Ed. Boutaric, 436) sowie das auf April 1335 datierte Schreiben Roberts I. an den Großkhan der Mongolen (Da Carlo I a Roberto d’Angiò. Ed. Monti (1931), 230 f.). Atiya, Crusade (1970), 11; Bajarsajkhan, Mongols (2011), 71–97; Boase, Kingdom (1978), 3–30; Bozoyan, Cour royale (2017), 207–219; Dédéуan, Croisade (2015), 43–47; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 56–60; Mutafian, Royaume arménien (2001), 71–73. Bajarsajkhan, Mongols (2011), 212 f.; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 72 f.; Housley, Later Crusades (1992), 181 f.; Luttrell, Interventions (1978), 126–128; Mutafian, Royaume arménien (2001), 80 f. Vor dem Hintergrund dieser Krise entstand auch das 1323 von Marino Sanudo verfasste Dossier über einen Kreuzzug zur Unterstützung Armeniens, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 7. Leopold, Holy Land (2000), 130–135; Schein, Fideles crucis (1991), 194–197. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 55 f.; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 359 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 451–453; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 428–430. Die armenischen Gesandten an der Kurie argumentierten 1323 ähnlich, vgl. RJF, Nr. 1691.
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der Templermeister Jacques de Molay aufgrund der (vorgeblich) eingeschränkten Nahrungsmittelressourcen vor Ort gegen eine solche Vorgehensweise.155 Als die Unionsverhandlungen mit der römischen Kirche aufgrund von Widerständen im armenischen Adel zunehmend ins Stocken gerieten und König Leon V. überdies 1323 gegen Zahlung von Tributen einen Waffenstillstand mit dem ägyptischen Sultan schloss,156 begannen einige Berater damit, die Unzuverlässigkeit der Armenier als Bündnispartner herauszustellen. Besonders deutlich in dieser Hinsicht wurde Guillelmus Adae, der Armenien als Missionar im Rahmen der Unionsbemühungen bereist hatte und resümierte, die Armenier sind unter allen Orientalen die schlimmsten Häretiker und haben sich in zahlreiche Irrtümer verwickelt, sowohl das Volk als auch der Klerus.157 Ihr Handeln auf dem diplomatischen Parkett, so der Dominikaner weiter, sei unberechenbar, denn einerseits würden sie den Kreuzfahrern ihre Hilfe zusagen, doch anderseits unterstützten sie den ägyptischen Sultan mit Tribut und ließen die türkischen Herrschaftsverbände in Anatolien erstarken.158 Guillelmus bezog sich dabei vor allem auf historische Ereignisse, um zu illustrieren, dass die Armenier keine geeigneten Bündnispartner für die Kreuzfahrer waren. So stellte er etwa fest, von den Söhnen des armenischen Königs sei einer durch das Schwert gestorben, der zweite sei von seinem Bruder vergiftet und der dritte stranguliert worden, weshalb dem ganzen Geschlecht der Herrscher von Armenien nicht zu trauen sei.159 Ebenfalls als zu unberechenbar galt nahezu allen Beratern der byzantinische Kaiser. Obgleich das oströmische Reich und die ersten Kreuzfahrer ursprünglich Verbündete im Kampf gegen die türkischen Seldschuken gewesen waren und diese Kooperation maßgeblich zum Erfolg des Ersten Kreuzzugs beigetragen hatte, lehnten die Berater ein Bündnis mit Verweis auf die negativen Erfahrungen in den ver-
[Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 500 f.; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 122; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146. Preiser-Kapeller, Spielzüge (2018), 298–302. Papst Johannes XXII. erfuhr im November 1323 von dem Waffenstillstand, kurze Zeit später setzte er den französischen König Karl IV. darüber in Kenntnis, vgl. RJF, Nr. 1850. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 487: Ipsi [die Armenier, Anm. d. V.] inter omnes Orientales sunt heretici pessimi et, tam clerus quam populus, multis erroribus involuti. Für die Zeitgenossen waren die religiösen Überzeugungen potentieller Bündnispartner wie der Armenier auch im Rahmen der Diplomatie durchaus relevant, schließlich bezeichnete der mittellateinische Ausdruck fides den Glauben ebenso wie das Vertrauen, vgl. Schmieder, Enemy (1999), 366. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 487–490. Auch Jacques de Molay erachtete die Armenier als unzuverlässig und die Berater Heinrichs II. von Lusignan behaupteten, die Bevölkerung Armeniens würde bei der kleinsten Gefahr in die Berge flüchten, statt den Kampf zu suchen, vgl. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 122 f.; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 489 f. Guillelmus bezog sich an dieser Stelle wahrscheinlich auf Oschin von Korykos (†1329), einen Sohn Hethums, der in den 1320ern als Regent des minderjährigen Königs Leon V. fungierte und wahrscheinlich mehrere Mitglieder der königlichen Familie ermorden ließ, vgl. Boase, Kingdom (1978), 30; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 71–73.
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gangenen 200 Jahren mit den von ihnen als Graeci bezeichneten Byzantinern ab.160 Guillelmus Adae ging davon aus, der damalige Kaiser Alexios I. (✶1057 †1118) habe die ersten Kreuzfahrer hintergangen, indem er ihre Mehlvorräte mit Kalk versetzt und versucht habe, ihre Schiffe heimlich in Brand zu stecken.161 Zudem unterstellten einige Berater wie etwa Gonzalo de Hinojosa den byzantinischen Herrschern, in der Vergangenheit zum Nachteil der Kreuzfahrer mit muslimischen Herrschern paktiert zu haben.162 Solche Vorwürfe waren keineswegs neu, sondern reichten bis an den Beginn des 12. Jahrhunderts zurück. Bereits die lateinischen Chronisten des Ersten Kreuzzugs, allen voran der unbekannte Verfasser der Gesta Francorum, hatten Alexios I. unterstellt, sich insgeheim mit den Türken gegen die Kreuzfahrer verschworen zu haben.163 Den Kreuzzugsberatern waren die vermeintlichen Verfehlungen der Griechen allem Anschein nach aus der Historiographie bekannt. Guillelmus gab als Quelle seines Wissens über den vermeintlichen Verrat von Alexios I. an den Kreuzfahrern eine Historia de passagio Antiocheno an, womit er wahrscheinlich das volkssprachliche Antiochialied meinte, welches an den lateineuropäischen Höfen seiner Zeit intensiv rezipiert wurde.164 Um Bündnisse mit Armenien und Byzanz zu evaluieren, stützten die Berater sich also zuvörderst auf historisches Toposwissen, welches am Hof durch die Rezeption von Chroniken und Chansons de geste allgemein verfügbar war und dementsprechend auch von den Ratgebern aller Subtypen in ihren Plänen verwandt wurde.165 Im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert waren es zwei politische Faktoren, welche dieses historische Toposwissen als relevant für die höfischen Kreuzzugsplanungen erscheinen ließen: Erstens befand sich die im oströmischen Reich dominante orthodoxe Kirche wie die armenische Kirche in Unionsverhandlungen mit den Päpsten, welche bereits seit dem zweiten Konzil von Lyon andauerten.166 Als Schismatiker standen die griechischen Christen damit für viele Berater auf einer Ebene mit den Leopold, Holy Land (2000), 138–142; Schmieder, Enemy (1999), 357–371. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 439; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 76. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 113. Guillelmus Adae bezeichnete den byzantinischen Kaiser aus diesen Gründen gar als perfidus Sarracеnorum amicus et soсius, vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 42. Zum diplomatischen Austausch mit muslimischen Herrschern siehe u. a. Korobeĭnikov, Byzantium (2014), 111–159; Oikonomidès, Diplomacy (1992), 73–88. Gesta Francorum. Ed. Hagenmeyer, 132–147. Das Narrativ der verräterischen Griechen aus den Gesta Francorum wurde von späteren Chronisten des Ersten Kreuzzuges (u. a. Guibert von Nogent u. Robert von Reims) übernommen und hielt auf diese Weise Einzug in die lateinische Historiographie der Kreuzzüge, vgl. Neocleous, Conspiracies (2010), 253–274. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 76. Die Zuordnung des Dominikaners war allerdings falsch, denn im Antiochialied wird nicht erwähnt, dass die Griechen das Mehl der Kreuzfahrer mit Kalk versetzt hätten. Stattdessen bezog er sich vermutlich auf mündliche Gerüchte, die bereits seit der Zeit des Zweiten Kreuzzuges in Anatolien kursierten und unter anderem auch vom griechischen Geschichtsschreiber Niketas Choniates (†1217) erwähnt wurden, vgl. Roche, Conrad III (2021), 205. Siehe dazu III.1.2.3. Preiser-Kapeller, Spielzüge (2018), 292–298.
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Muslimen und waren folgerichtig keine vertrauenswürdigen Bündnispartner für die Kreuzfahrer. Als besonders wortstarker Gegner der Griechen tat sich der Dominikaner Guillelmus Adae hervor, der konstatierte: beide sind Gegner der römischen Kirche und Feinde des Glaubens, die Sarazenen und natürlich [auch] die Griechen, zwischen denen ich in dieser Hinsicht keinen Unterschied mache (...).167 Zweitens war es dem byzantinischen Kaiser Michael VIII. Palaiologos (✶1224 †1282) im Jahr 1261 gelungen, das lateinische Kaiserreich zu annektieren, welches die Kreuzfahrer 1204 nach der Eroberung Konstantinopels begründet hatten.168 Aus diesem Grund planten lateinische Fürsten, die wie Philipp von Courtenay (✶um 1240 †1283) und Karl von Valois durch ihre dynastischen Verbindungen Anspruch auf den Kaisertitel erhoben, Konstantinopel durch einen Kreuzzug (zurück) zu erobern und auf diese Weise das lateinische Kaiserreich zu restituieren.169 Andronikos II. (✶1259 †1332), den Sohn und Nachfolger Michaels, zeichneten die Ratgeber dementsprechend als sinistere Gestalt, der nicht nur ein Usurpator, sondern auch verantwortlich für den ausbleibenden Erfolg der Unionsverhandlungen sei.170 Diese negativen Eigenschaften machten den Kaiser aus Sicht der Ratgeber zu einem Kontingenzfaktor auf dem diplomatischen Parkett, der eingehegt und kontrolliert werden musste, um zu verhindern, dass er die Kreuzfahrer mit falschen Versprechungen oder durch Allianzen mit muslimischen Herrschern hinterging. Aus diesen Gründen beachteten die meisten Berater Byzanz nicht weiter oder rieten von einer Allianz mit dem Kaiser ab.171 Für einige Berater wie Guillelmus Adae, Ramon Llull und Pierre Dubois war jedoch die schiere Existenz des byzantinischen Reiches ein derart unberechenbares periculum für die Kreuzfahrer, dass sie schlussfolgerten, bevor sich die Kreuzfahrer der Rückeroberung des Heiligen Landes wid-
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 62: uterque sint hostes romane ecclesie et fidei inimici Saraceni, videlicet et Greci, inter quos distinctionem non fado in hac parte (...). Siehe auch die entsprechenden Bemerkungen bei Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 207; Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 223; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 260–262; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 350. Lock, Franks (1995), 60–67. Philipp von Courtenay stützte sich bei seinen Restitutionsversuchen auf den militärischen Beistand seines Schwiegervaters Karl I. von Anjou. Karl von Valois konnte dagegen auf die Hilfe seines Bruders Philipp IV. vertrauen, vgl. Atiya, Crusade (1970), 282–286; Housley, Later Crusades (1992), 158–162; Lalou, Karl von Valois (1991), 994. Die Kreuzzugspläne Karls von Valois wurden auch von anderen Beratern aufgegriffen, so u. a. Anonymi Descriptio Europae Orientalis. Ed. Górka, 24 f.; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 260. Anonymi Descriptio Europae Orientalis. Ed. Górka, 8 f.; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 440–445; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 42–44; 78, 96; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/ Léonas, 222–224. Patlagean, Conquête (2002), 455–467; Schmieder, Enemy (1999), 357–371; Dies., Faith (2012), 151–156.
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men könnten, müsse zuerst Konstantinopel erobert werden.172 Besonders radikal in dieser Hinsicht war Guillelmus Adae, der gegenüber dem französischen König forderte, nach der Eroberung des byzantinischen Reiches sollten alle griechischen Mönche getötet und alle Bücher mit liturgischen oder theologischen Inhalten umgehend verbrannt werden.173 Unter den Kreuzzugsberatern trat allein Marino Sanudo für einen konzilianteren Umgang mit Byzanz ein, weil er davon ausging, dass eine friedliche Kirchenunion für den nachhaltigen Erfolg des Kreuzzuges unabdingbar sei. Der Venezianer korrespondierte deshalb in den 1320ern mit Kaiser Andronikos II. sowie griechischen Fürsten und versuchte vergeblich, sie mittels seiner Kreuzzugspläne von der Notwendigkeit einer Union zu überzeugen.174 Einen anderen potentiellen Bündnispartner sahen die geographisch-ethnographischen Berater in den koptischen Christen des östlichen Afrikas und unter ihnen insbesondere im Neguse Negest, der das abessinische Reich beherrschte, welches sich über große Teile des heutigen Äthiopien und Eritrea erstreckte. Bei diesem von den Lateinern als Ethiopia bezeichneten Herrschaftsverband handelte es sich um ein christliches Reich, dessen Herrscher bereits im 4. Jahrhundert den christlichen Glauben angenommen hatten. Nach einem Dynastiewechsel in den 1270er Jahren befand sich das abessinische Reich zu Beginn des 14. Jahrhunderts in einer Phase territorialer Expansion, was es in Konflikt mit angrenzenden muslimischen Herrschaftsbereichen wie dem Sultanat Ifat brachte.175 Aus Sicht von Hethum von Korykos, Guillelmus Adae und Marino Sanudo machte diese Opposition zu muslimischen Potentaten, seine Lage im Süden Ägyptens und das christliche Bekenntnis seiner Herrscher Abessinien zu einem idealen Verbündeten der Kreuzfahrer. Die drei Berater bezogen das christliche Reich am Horn
[Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 446–454; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 76; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 222–224; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 338. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 469–472. Guillelmus zielte auf die griechischen Mönche ab, weil er sie als Hemmnis für die Unionsbemühungen der römischen Kirche betrachtete. In seinem ersten Rückeroberungstraktat schrieb er dazu: Si enim monachi doctissime de hoc aliquid presentirent, opponendo se, possent negotium [die Unionsverhandlungen, Anm. d. V.] totaliter impedire. Monachi enim totum populum decipiunt et in erroris tenebris retinent, et ad perditionis laqueos secum trahunt. Vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 42. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 798: Quod teneo maximum bonum christianitatis totius, ut Graecorum ecclesia cum latina insimul uniretur, ut essemus unum ad infideles fortiter impugnandum. Siehe dazu auch seine Briefe an Andronikos II. (Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 301) u. Stefanos Siropoulos (ebenda, 303). Auch in Sanudos Darstellung des Ersten Kreuzzuges wird Byzanz deutlich weniger negativ porträtiert als etwa durch die Mendikanten Fidenzio von Padua und Guillelmus Adae. So behauptete er, Kaiser Alexios I. hätte sich keineswegs mit den Türken gegen die Kreuzfahrer verbündet gehabt, sondern sei schlichtweg zu ängstlich gewesen, um den Lateinern zu helfen, vgl. Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 145 f. Sanudos Haltung gegenüber Byzanz war allerdings nicht durchweg positiv, sondern vielmehr ambivalent. Im zweiten Buch seines Liber secretorum zog er beispielsweise auch Angriffe auf griechische Ägäisinseln und Küstenstädte in Betracht, vgl. ebenda, 82. Baum, Äthiopien (2001), 129–132; 143–149; Lewy, Abessinier (2018), 35–42.
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von Afrika folgerichtig in ihre geopolitischen Planspiele ein und entwarfen das Szenario eines gleichzeitigen Angriffs auf Ägypten durch die Kreuzfahrer aus dem Westen, das Ilkhanat aus dem Osten und Abessinien aus dem Süden. In den Kreuzzugsprojekten von Hethum und Guillelmus nahm der Neguse Negest eine zentrale Rolle für den Erfolg des Unternehmens ein. Der Dominikaner erwartete die Unterstützung der Äthiopier bei einem Angriff auf die südarabische Hafenstadt Aden, der den ägyptischen Indienhandel zum Erliegen bringen sollte. Hethum hoffte dagegen, das Heer des Sultans könne durch einen abessinischen Vorstoß aus dem Süden in Ägypten gebunden werden, sodass die Städte an der Levante der Koalition aus Kreuzfahrern, Armeniern und Mongolen schutzlos ausgeliefert wären.176 Bei dem Wissen über die Lage und Struktur des abessinischen Reiches handelte es sich scheinbar um Spezialwissen einiger Orientexperten, denn abgesehen von Marino Sanudo, der sich in seinem Werk auf Hethums Rückeroberungstraktat stützte, erwähnten die Berater der anderen Subtypen die Christen am Horn von Afrika nicht.177 Einige Orientexperten behandelten überdies mögliche Allianzen mit den kleineren Mächten Vorderasiens: Sowohl Hethum als auch Guillelmus erörterten die Möglichkeit, militärischen Beistand durch die christlichen Könige Georgiens zu erhalten, die einen Herrschaftsverband im Südkaukasus regierten, der seit 1242 ein tributpflichtiges Klientelreich der Mongolen war.178 Fidenzio von Padua und Hethum von Korykos merkten ferner an, die Kreuzfahrer sollten versuchen, die Unterstützung der maronitischen Christen zu gewinnen, die im Libanongebirge leben.179 Einen Vorschlag, der sich in Anbetracht des Schwerpunktes der Kreuzzugsplaner auf christliche Verbündete vergleichsweise ungewöhnlich ausnimmt, unterbreitete Marino Sanudo. Der Venezianer ging davon aus, die Kreuzfahrer könnten Holz, Pech und Nahrungsmittel zur Versorgung ihrer Streitmacht von den türkischen Beyliks an der Süd- und Westküste Kleinasiens erhalten.180 Dieser Plan ging vermutlich auf die Sanudi von
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 114–116; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 358. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 32; 36; 53. Sanudo verwendete die Bezeichnungen Aethiopia und Nubia synonym (Aethyopia, proprie Nubia nuncupatur) und verortete beides im Süden von Ägypten, vgl. ebenda, 260. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 58; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 358. Zu Georgien siehe Fähnrich, Geschichte (1993), 170–176. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 357: Sunt enim in monte Libani christiani pedites, arcarii valde boni, circa XLm, qui libenter subsidium et juvamen impenderent peregrinis, qui multociens fuerunt rebelles soldano et sue genti dampna plurima intulerunt. Analog dazu Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 183; Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 55. Aus diesen maronitischen Christen rekrutierten sich vermutlich auch die syrischen Bogenschützen, welche den Templer- und Johanniterorden laut der Chronik des Templers von Tyrus 1302 bei der Verteidigung der Insel Arwad unterstützt haben, vgl. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 310. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 67. Zu den türkischen Herrschaftsverbänden des 14. Jahrhunderts siehe insbes. İnalcık, Rise (1985), 179–218.
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Naxos zurück, die bereits seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert diplomatische und merkantile Beziehungen zu den türkischen Herrschern unterhielten. Möglicherweise hatte er ihn aber auch von den Johannitern übernommen, die seit ihrer Eroberung der Dodekanes als Experten für die türkischen Herrschaftsverbände der Region galten und in dieser Rolle auch von anderen Kreuzzugsplanern konsultiert wurden.181 Sanudo änderte seine Einschätzung der Türken allerdings im Laufe der 1320er Jahre, als die an der Küste gelegenen Beyliks ihre Flotten ausbauten und sich zunehmend gegen die christlichen Fürstentümer der Ägäis wandten, zu denen auch das von seinem Cousin Niccolò Sanudo regierte Herzogtum Archipelagos zählte.182 Der venezianische Doge Francesco Dandolo teilte offenbar die Einschätzung Sanudos und begründete im September 1332 gemeinsam mit den Johannitern und dem byzantinischen Kaiser eine Seeliga zur Verteidigung der Ägäis gegen türkische Angriffe, die 1334 mit einer gemeinsamen Flotte Angriffe auf die Beyliks Karasi und Aydin startete.183 Ungeachtet dieser lateineuropäischen Planungen einer Seeliga erachteten die anderen Kreuzzugsberater die türkischen Herrschaftsverbände in Kleinasien allerdings aufgrund ihrer Zerstrittenheit als vergleichsweise ungefährlich für die Kreuzfahrer und bezogen sie meist nicht weiter in ihre Kreuzzugsprojekte ein.184
4.2.2 Der Weg ins Heilige Land Neben der Geographie und Ethnographie widmeten die Orientexperten sich insbesondere den Wegstrecken, auf denen die Kreuzfahrer ins Heilige Land gelangen konnten. Die Kreuzzugsroute nimmt in den Memoranden der Berater dieses Subtyps durchschnittlich 31,1% der Gesamtwörter ein, wobei die inhaltliche Varianz zwischen den einzelnen Texten mitunter erheblich ist. Es sind vor allem die beiden Kreuzfahreritinerare,
Zachariadou, Trade (1983), 1–7; 187–200. Die Gesandten des Johanniterordens schlugen dem Rat der Stadt Venedig im Jahr 1333 vor, sich mit den Beyliks Mentesche oder Germiyan gegen den aufstrebenden Bey von Aydin zu verbünden, vgl. Carr, Hospitallers (2013), 171. In seiner Istoria del regno di Romania erwähnte Sanudo explizit, er habe sich während seines Aufenthaltes auf Rhodos (d. h. zwischen 1310 u. 1317) mit dem Johannitermeister Foulques de Villaret ausgetauscht, der sehr kenntnisreich im Umgang mit den Türken sei, vgl. Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 167. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 7; Ders., Briefe. Ed. Kunstmann, 778; 794 f.; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 313. Zur Allianz von Rhodos, mit der die Seeliga zwischen Venedig, den Johannitern und Byzanz beschlossen wurde, vgl. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 225–234, Nr. 116–117. Zur Seeliga siehe Carr, Merchant Crusaders (2015), 63–74; Laiou, Marino Sanudo (1970), 374–392; Zachariadou, Trade (1983), 21–40. Leopold, Holy Land (2000), 174; Schmieder, Enemy (1999), 363 f. Ähnliches gilt auch für andere muslimische Gruppen und Ethnien wie die Beduinen, Kurden oder Choresmier, welche Orientexperten wie den Verfassern der Memoria zwar bekannt waren, aber keine signifikante Rolle in ihren Rückeroberungsplänen spielten, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 443–445.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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die signifikant von dieser Norm abweichen. In der Via ad Terram Sanctam umfasst die Kreuzzugsroute 71,2% des Textes, in der Devise des Chemins de Babiloine sind es 56,8%. Wenn man diese beiden Sonderfälle nicht berücksichtigt, so sinkt der durchschnittliche Anteil der Routendiskussion an den Memoranden der Orientexperten auf 20,2%. Unter diesen Autoren legte Hethum von Korykos den geringsten Fokus auf den Weg ins Heilige Land (8,7%), während die Verfasser der Memoria, die auch Teile der Via in ihr Werk inkorporiert hatten, der Routenfrage den meisten Platz einräumten (32,5%). Der Weg des Kreuzfahrerheeres wurde auch von den Ratgebern der beiden anderen Subtypen thematisiert, nahm allerdings im Durchschnitt weniger Platz in ihren Werken ein (10,8% bzw. 4,1%). Deshalb ist davon auszugehen, dass die Routenproblematik einen inhaltlichen Schwerpunkt der Ratgebertätigkeit von Orientexperten bildete. Von den anderen Experten erwarteten politische Entscheidungsträger zwar, sich in dieser Sache (kurz) zu äußern, aber die eingehende Auseinandersetzung mit der Kreuzzugsroute oblag offenkundig den Orientexperten. Deren Darstellung unterschied sich von entsprechenden Vorschlägen der Berater anderer Subtypen, die ebenfalls den Weg nach Osten behandelten, allerdings nicht allein in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht. Zum einen fiel ihre Beschreibung der Wegstrecke deutlich detailreicher aus als die eher allgemein gehaltenen Pläne der anderen Berater. Zum anderen favorisierten die meisten Orientexperten nicht allein eine Kreuzzugsroute, sondern legten die Vor- und Nachteile verschiedener Strecken dar, ohne sich auf eine davon festzulegen. Über die wesentlichen Eckpunkte der Reiseroute bestand in den höfischen Kreuzzugsplanungen weitgehend Einigkeit. Die meisten Berater vertraten die Ansicht, das Kreuzfahrerheer solle auf dem Seeweg über das Mittelmeer nach Osten gelangen und anschließend in (Klein-)Armenien bzw. Nordsyrien oder Nordägypten anlanden (siehe Abb. 3).185 Die Ratgeber des geographisch-ethnographischen Subtyps bildeten hier keine Ausnahme, doch zeichneten ihre Vorschläge sich im Gegensatz zu denen der anderen Berater dadurch aus, dass sie die Routenproblematik in kleinere Teilprobleme zerlegten und mögliche Wege für das Kreuzfahrerheer Abschnitt für Abschnitt erörterten. Anders als bei den Militärexperten, die sich ebenfalls der Kreuzzugsroute widmeten, lag ihr Fokus dabei weniger auf potentiellen Startpunkten und Zwischenhalten, sondern vielmehr auf den Routenabschnitten im Orient. Einige Berater, wie etwa die Verfasser der Devise oder Hethum von Korykos, verzichteten gar vollständig auf den ersten Abschnitt der Strecke und setzten mit ihrer Wegbeschreibung erst nach Ankunft des Kreuzfahrerheeres in Ägypten bzw. Armenien ein.186 Hethum schlug vor, die Lateiner sollten mit einem Partikularkreuzzug ausgehend von Zypern oder Armenien die Insel Arwad erobern und den Ilkhan darum bitten, zeitgleich die Region um Aleppo zu attackieren. Die Kreuzfahrer könnten dann im Anschluss ihre Angriffe auf Tripolis konzentrieren
Leopold, Holy Land (2000), 151–156 sowie II.2.2.4. Devise des chemins. Ed. Paviot, 203 f.; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 355.
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und versuchen, die Stadt dem ägyptischen Sultan zu entreißen. Tripolis eigne sich aus drei Gründen als Angriffsziel: Erstens sei die Stadt nur gering befestigt, lasse sich jedoch leicht fortifizieren und könne den Kreuzfahrern als Rückzugsort dienen.187 Zweitens sei das Umland der Stadt, vor allem das Libanongebirge, von maronitischen Christen bevölkert, die sich ausgezeichnet aufs Bogenschießen verstünden und von den Kreuzfahrern in Dienst genommen werden könnten. Drittens verfüge Tripolis über einen ausreichend tiefen Hafen, um große Schiffe anzulanden, und könne dementsprechend als Ausgangspunkt für den allgemeinen Kreuzzug genutzt werden. Für den Fall, dass sich der Widerstand des ägyptischen Heeres wider Erwarten als zu groß erweisen sollte, könnten die Kreuzfahrer sich überdies wieder nach Arwad zurückziehen und so einer vollständigen Niederlage entgehen.188 Der Fokus des Armeniers auf Partikularprobleme wird besonders augenscheinlich, wenn man seinem Plan die Vorschläge des militärischen Experten Gonzalo de Hinojosa gegenüberstellt, der ebenfalls einen auf Syrien gerichteten Partikularkreuzzug vorsah. Trotz der im Kern sehr ähnlichen Pläne erschöpften sich die Ausführungen des Bischofs von León in der Feststellung, die Kreuzfahrer sollten von Zypern ausgehend auf dem Seeweg nach Syrien reisen, um dort vorzugsweise in den Bergen einen Brückenkopf zu errichten und die Ankunft des allgemeinen Kreuzzugs zu erwarten. Auch Gonzalo entwickelte für den Notfall einen Alternativplan: Für den Fall, dass die Einnahme eines Brückenkopfes nicht möglich sei, sollten die Kreuzfahrer sich nach Zypern zurückziehen.189 Der Vorschlag Hethums wies jedoch nicht bloß einen höheren Grad an Bestimmtheit auf als der Plan des Bischofs von León, sondern lässt ein anderes Deutungsschema erkennen. Während Gonzalo die Routenproblematik als Ganzes betrachtete und Partikularentscheidungen, wie etwa die Frage, welche Stadt die Kreuzfahrer zuerst angreifen sollten, dem jeweiligen Feldherrn überließ, behandelte Hethum den Weg des Kreuzfahrerheeres als Abfolge von Teilproblemen, die zwar aufeinander aufbauten, aber prinzipiell einzeln gelöst werden konnten. Diese zergliedernde Auslegung der Routenproblematik war typisch für die geographischethnographischen Berater und wurde von den anderen Orientexperten noch deutlich
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 357. Hethum bezog sich damit wahrscheinlich auf die als Mons Peregrinus bekannte Kreuzfahrerburg, die 1289 von Sultan Qalāwūn erobert und geschliffen worden war. Zwei Jahre nachdem Hethum dem Papst sein Rückeroberungstraktat überreicht hatte, wurde die Burg von einem örtlichen Emir wiederaufgebaut, vgl. Kennedy, Crusader Castles (1994), 62–66. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 355–358. Der Plan des Armeniers entsprach damit zu großen Teilen der 1302 gescheiterten Arwad-Expedition von Templern und Johannitern, vgl. Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157; Housley, Later Crusades (1992), 207 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 164 f. sowie II.2.3.1. Sollte das Unternehmen tatsächlich auf einen armenischen Vorschlag zurückgehen, ließe sich erklären, warum der Templermeister sich auch vier Jahre nach der Niederlage noch durchweg negativ über die Armenier äußerte, vgl. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146 f. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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eingehender praktiziert als von Hethum, welcher der Kreuzzugsroute von allen Ratgebern dieses Subtyps am wenigsten Aufmerksamkeit schenkte. Es handelt sich also offenkundig um ein auferlegtes Deutungsschema, das kennzeichnend für die Tätigkeit der geographisch-ethnographischen Berater war. Politische Entscheidungsträger erwarteten von ihren Orientexperten, eine Auswahl verschiedener Handlungsoptionen bereitzustellen und auf diese Weise der Kontingenz militärischen Handelns in weniger bekannten Gefilden Rechnung zu tragen. Besonders deutlich tritt diese Eigenart im Liber recuperationis des Fidenzio von Padua hervor, der die Vor- und Nachteile dreier Wege für das Kreuzfahrerheer anhand diverser, sich verzweigender Routenoptionen (siehe Abb. 7) diskutierte und daraus die beiden auswählte, welche ihm am besten erschienen. Der erste Weg führte von Ungarn über Konstantinopel sowie Anatolien nach (Klein-)Armenien und entsprach im Wesentlichen der Route, welche die ersten Kreuzfahrer unter Gottfried von Boullion (✶um 1060 †1100) genommen hatten. Auch der zweite Vorschlag orientierte sich am Weg der ersten Kreuzfahrer. Wie das Heer Bohemunds von Tarent sollten die Kreuzfahrer von Brindisi über die Adria nach Durazzo übersetzen und dann von dort nach Konstantinopel marschieren, wo sich ihr Weg mit der vorgenannten Route vereinigen würde. Analog zu vielen anderen Kreuzzugsberatern wies auch Fidenzio darauf hin, dass die Versorgung des Kreuzfahrerheeres mit Nahrungsmitteln sich auf dem Marsch durch Anatolien schwierig gestalten würde, ließ jedoch im Gegensatz zu
Abb. 7: Routenoptionen im Liber recuperationis des Fidenzio von Padua.
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den militärischen Experten die Wahl des Weges ultimativ offen. Für den Fall, dass sich die Anführer des Kreuzzuges doch für diesen riskanten Weg entscheiden sollten, riet er dazu, Nahrungsmittel in ausreichender Menge mitzuführen und ortskundige Führer sowie Übersetzer als Begleiter anzuwerben.190 Die von Fidenzio gegenüber diesen beiden Wegen favorisierte dritte Route führte ausgehend von Genua, Venedig oder einem anderen Hafen über das Mittelmeer direkt nach Osten.191 Dort sah er wiederum sechs mögliche Landepunkte für die Kreuzfahrer vor, darunter auch die von Hethum vorgeschlagenen Orte Arwad und Tripolis. Wie der Armenier erachtete auch Fidenzio die Insellage von Arwad sowie die Befestigung der Stadt Tripolis nebst möglicher Unterstützung durch die christlichen Bewohner des Libanongebirges als Vorteile beider Orte. Die übereinstimmende Beschreibung der beiden Landeplätze illustriert, dass die Berater dieses Subtyps für die Lösung der Routenproblematik ähnliche Wissenselemente als relevant erachteten, aber dennoch mitunter zu einer anderen Bewertung der Sachlage gelangten. Fidenzio lehnte etwa im Unterschied zu Hethum Arwad als Landeort ab, weil dort die ehemaligen Ordensritterburgen Margat und Krak des Chevaliers den Weg ins Inland blockieren würden.192 Das Landesinnere sei jedoch, so der Franziskaner, der Schlüssel zur Kontrolle des Heiligen Landes, weshalb auch die Stadt Tripolis, von der nur ein schmaler Küstenstreifen nach Süden führe, kein geeigneter Ausgangspunkt für die Kreuzfahrer sei. An dieser Stelle kollidierte offenbar die Einschätzung des Franziskanermissionars Fidenzio mit der des aus der armenischen Militäraristokratie stammenden und von der amphibischen Kriegführung geleiteten Hethum von Korykos.193 Statt Arwad und Tripolis erachtete Fidenzio die am Orontes gelegene Hafenstadt St. Simeon (das antike Seleukia Pieria) sowie den nahe Ayas in Armenien gelegenen Portus Palorum als gute Landepunkte für das Kreuzfahrerheer. Von diesen beiden Häfen betrachtete er wiederum den letztgenannten als den besseren, weil er tief genug für die großen Schiffe der Lateiner sei.194 Auch die Verfasser der Via und der Memoria hielten den Portus
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 51 f. Zu Bohemunds Marsch, der vermutlich aus politischen Gründen nicht direkt über Durazzo, sondern die südlich davon gelegene Hafenstadt Vlora führte, siehe u. a. France, Victory (1999), 103 f.; Pryor, Bohemonds March (2006), 1–24. Die ersten Kreuzfahrer konnten auf ihrem Weg durch Kleinasien bereits auf ortskundige Führer zurückgreifen, die ihnen der byzantinische Kaiser gestellt hatte, vgl. Gesta Francorum. Ed. Hagenmeyer, 163 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 52. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 55. Ein ähnliches Argument findet sich in der Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 427 f. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 311–314; Pryor, Battles (1983), 17; Ders., Geography (1988), 128; Stanton, Warfare (2015), 7. sowie II.2.3.2. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 55 f. Zu den armenischen Häfen siehe Mutafian, Royaume arménien (2001), 119.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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Palorum aufgrund seiner Eignung für größere Schiffe für einen guten Landepunkt, was wiederum dafür spricht, dass es bestimmte Charakteristika (wie in diesem Fall die Hafentiefe) der einzelnen Routenetappen gab, über die Orientexperten von politischen Entscheidungsträgern gezielt befragt wurden.195 Ausgehend von ihrer Landung in Armenien oder St. Simeon sollten die Kreuzfahrer ins Landesinnere nach Antiochia vorrücken, wo sich die drei von Fidenzio vorgeschlagenen Hauptrouten treffen und im Anschluss über Aleppo und Damaskus schlussendlich nach Jerusalem führen sollten.196 Zur Visualisierung dieser verschiedenen Routenoptionen fügte Fidenzio (oder ein späterer Kopist seines Werkes) seinen Schilderungen eine schematische Darstellung des östlichen Mittelmeerraumes bei, auf der alle möglichen Start- und Zielhäfen für die Kreuzfahrer verzeichnet waren.197 Die Analyse der Routenproblematik als Abfolge von Teilproblemen in den Werken von Orientexperten wie Fidenzio von Padua ermöglichte es, ausgehend von jeder einzelnen Teiletappe alternative Routenoptionen für das Kreuzfahrerheer zu diskutieren. Auf diese Weise entstand eine Möglichkeitstopographie sich kreuzender Pfade, deren Chancen und Risiken politische Entscheidungsträger miteinander abwiegen konnten. Einen solchen Ansatz der Beratung verfolgten nicht allein Fidenzio und Hethum, sondern alle Orientexperten: Guillelmus Adae stellte in seinem Directorium vier verschiedene Routen vor, die über Nordafrika, Zypern, Italien oder Ungarn ins Heilige Land führen sollten. Die beiden erstgenannten Routen verwarf er, weil sie ihm als zu riskant erschienen.198 Für die beiden verbliebenen Landrouten entwarf er ähnlich wie Fidenzio mehrere mögliche Wegstrecken. Die von Italien startenden Kreuzfahrer hatten beispielsweise die Wahl zwischen drei Marschrouten, die sich in Thessaloniki wieder miteinander vereinigen sollten. Die erste führte über Istrien und Dalmatien, die zweite über Brindisi nach Durazzo und die dritte über Otranto und Korfu nach Thessalien.199 Auch die Ratgeber Heinrichs II. von Lusignan, die im Gegensatz zum Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 451 f.; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 428 f. Die Tiefe möglicher Zielhäfen erörterten auch andere Berater, so u. a. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 456 f.; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, II, 357; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 25; 85–90. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 57 f. BNF Ms. Lat. 7242, fol. 122v. Siehe unten Abb. 8 für eine Reproduktion. Die Diskussion der Kreuzzugsroute endet auf fol. 122r, sodass anzunehmen ist, dass die kartenförmige Abbildung des östlichen Mittelmeerraumes in Verbindung mit der Routenbeschreibung genutzt werden und dem Leser zur Orientierung dienen sollte. Zu der Karte und ihrer Überlieferungsgeschichte siehe insbes. Gautier Dalché, Cartes (2010), 80–83 sowie Paviot, Introduction (2008), 19, der jedoch im Gegensatz zu Gautier Dalché vermutet, dass die Karte nicht von Fidenzio stammte, sondern dem Werk erst im frühen 14. Jahrhundert durch einen Kopisten hinzugefügt wurde. In Nordafrika erachtete Guillelmus vor allem die Wüste sowie das Fehlen von größeren Siedlungen zwischen Tunis und Ägypten als problematisch. Der Seeweg über Zypern war ihm vor allem zuwider wegen der Möglichkeit, seekrank zu werden. Zudem monierte er das Fehlen christlicher Häfen an der Levante, vgl. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 409–414. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 414–417.
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Dominikaner den Seeweg favorisierten, konzipierten solche Routenoptionen, indem sie verschiedene Landestellen in Ägypten, Syrien und Armenien diskutierten.200 Besonders deutlich trat diese Möglichkeitstopographie allerdings in der Via ad Terram Sanctam sowie der Devise des Chemins de Babiloine hervor, die sich mit dem Itinerar einer literarischen Form bedienten, die besonders gut dazu geeignet war, alternative Pfade darzustellen. Die Verfasser der Via beschrieben zunächst den Weg der Kreuzfahrer von Armenien bis zur Ortschaft Qatia im Norden der Sinai-Halbinsel in einer linearen Abfolge der Etappen auf der Strecke. Für den anschließenden Marsch durch die Wüste Sinai, der den meisten Orientexperten aufgrund der diffizilen Versorgungslage besonders riskant galt, ließen sie allerdings die Wahl zwischen einer chemin de bas sowie einer chemin de haut, die am Ende der Wüste in al-ʿAbbāsa wieder miteinander zusammenliefen.201 Sowohl Marino Sanudo als auch die Verfasser der Memoria, die beide auf die Via oder ein vergleichbares Itinerar zurückgriffen, folgten dieser Vorgehensweise und skizzierten zwei verschiedene Marschrouten über die SinaiHalbinsel.202 Die Verfasser der Devise stellten Kreuzzugsplanern dagegen gleich vier verschiedene Wege zur Wahl: Die ersten drei folgten ausgehend von der Nilmündung in Damietta, Rosetta und Alexandria den drei Teilströmen des Flusses durch das Nildelta nach Süden, wo sie sich vor Kairo vereinigten. Ähnlich wie die Autoren der Via sahen sie dabei für jeden dieser drei Wege weitere Optionen vor, auf die ausgewichen werden konnte, wenn das Nilhochwasser einen der Wege unbegehbar gemacht haben sollte.203 Bei der vierten Route, die im Wesentlichen der auch bei Sanudo und in der Via sowie Memoria beschriebenen Route von Gaza über die Sinai-Halbinsel entsprach, verzichteten sie allerdings darauf, alternative Wege darzustellen.204 Die Berater anderer Subtypen verzichteten dagegen zumeist darauf, die Abfolge einzelner Wegstationen oder alternative Routen in dieser Weise zu erörtern.205 Die geographisch-ethnographischen Ratgeber verfolgten also nicht das Ziel, durch ihre Beratung die Wahl der Kreuzzugsroute auf einen einzigen Weg einzugrenzen, sondern versuchten politischen Entscheidungsträgern ein Set von Handlungsoptionen mitsamt den jeweiligen Chancen und Risiken darzulegen. In der modernen Politikwissenschaft wird in solchen Fällen von Beratungen zum Zweck der Orientierung gesprochen, die „das verfügbare und denkbare Spektrum der möglichen Handlungsalternativen möglichst umfassend aufzeigen“ sollen und von Beratungen mit strate Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 122 f. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 432–434. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 455–457. Devise des chemins. Ed. Paviot, 207–220. Devise des chemins. Ed. Paviot, 204–206. So etwa Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 359; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 248; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 353–357. Unter den Beratern der anderen Subtypen beschrieb allein Sanudo den Weg in das Landesinnere Ägyptens näher und versuchte zu diesem Zweck auch, ein Itinerar in eine der Karten des östlichen Mittelmeerraumes einzubetten, die er für sein Werk anfertigen ließ, vgl. BLO Ms. Tanner 190, fol. 204v–205r sowie dazu III.1.2.1.
4.2 Inhaltliche Schwerpunkte
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gischer Funktion abgegrenzt werden können, welche „die Komplexität und die Anzahl der Handlungsoptionen reduzieren“ sollen.206 Das Problem der Auswahl einer Kreuzzugsroute sowie eines Angriffszieles scheint demnach in besonderem Maße von der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissen betroffen gewesen zu sein. Die in den vergangenen 200 Jahren sedimentierten und als Kreuzzugsgeschichte in Chroniken und Chansons gesammelten Erfahrungen vermochten politischen Entscheidungsträgern nicht länger Aufschluss darüber zu geben, wie künftiges Handeln zu gestalten war: War Ägypten ein gutes Angriffsziel für die Kreuzfahrer, weil ein erfahrener Feldherr wie Ludwig IX. sich einst dafür entschieden hatte, oder machte das anschließende Desaster vor den Mauern von al-Manṣūra deutlich, dass ein Feldzug nach Ägypten nicht anzuraten war? Auch die Experten zeigten sich diesbezüglich unsicher: Während Fidenzio von Padua und die Verfasser der Memoria konstatierten, die Erfahrung aus der Zeit Ludwigs IX. lehre, dass Ägypten kein gutes Angriffsziel darstelle, führten die Berater Heinrichs II. ebenso wie Marino Sanudo das Beispiel des französischen Königs an, um zu veranschaulichen, dass ein Angriff auf Ägypten sinnvoll sei.207 In Zeiten ungewiss gewordenen Wissens oblag es also den Orientexperten, den zeitgenössischen Möglichkeitshorizont (neu) zu vermessen, indem sie politischen Entscheidungsträgern die Chancen und Risiken jedes möglichen Weges aufzeigten und somit Orientierung schufen, auf deren Grundlage im Anschluss eine informierte Entscheidung gefällt werden konnte.
4.2.3 Die Seeblockade des Orienthandels Die Kreuzzugsberater aller drei Subtypen waren sich darin einig, dass die militärische Macht des ägyptischen Sultans im Vorfeld künftiger Kreuzzüge zunächst systematisch reduziert werden müsse, damit die Kreuzfahrer auf weniger Widerstand stoßen würden. Um dieses Ziel zu erreichen, verließen die Berater sich auf das altbekannte Instrument einer Handelsblockade, die Ägypten kriegswichtiger Rohstoffe sowie lukrativer Zolleinnahmen berauben und die Herrschaft des Sultans ökonomisch unterminieren sollte.208 Dementsprechend bildet die Seeblockade des Orienthandels in allen Werken der geographisch-ethnographischen Berater mit Ausnahme der beiden Itinerare eine wichtige inhaltliche Kategorie, der durchschnittlich 7,5% des Textes gewidmet ist. Die Weingart/Lentsch/Ash, Politikberatung (2015), 31. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 126; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 44; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 442. Bontea, Passagium (2018), 202–219; Cocci, Projet (2002), 171–188; Leopold, Holy Land (2000), 126–136; Menache, Boycott (2012), 252–257. Bereits das dritte Laterankonzil hatte unter Androhung der Exkommunikation die Ausfuhr militärisch nutzbarer Rohstoffe nach Ägypten untersagt und Papst Nikolaus IV. weitete dieses Verbot 1290 angesichts der bedrohlichen Lage für die Kreuzfahrerreiche auf alle Handelsgüter aus, vgl. RN, Nr. 4403; Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 269 f. Siehe dazu ausführlich II.2.2.5.
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Orientexperten übernahmen dabei zumeist den Plan einer dezidierten Blockadeflotte, den Militärexperten wie die Berater Karls II. in den 1290er Jahren entwickelt hatten.209 Während die administrativ-finanziellen Berater sich naturgemäß mit Vorschlägen hinsichtlich der Handelsblockade zurückhielten und militärische Ratgeber überwiegend den geostrategischen Nutzen des Einsatzes herausstellten, fokussierten die Orientexperten sich in ihren Rückeroberungsmemoranden vornehmlich auf die Darstellung der Handelsströme sowie möglicher Standorte für die Blockadeflotte. Im Unterschied zu den Ratgebern der anderen beiden Subtypen, die meist nur anmerkten, der Handel der mali christiani mit den nordägyptischen Hafenstädten müsse unterbunden werden, erläuterten die Orientexperten diese unliebsamen Handelsströme üblicherweise mit einem deutlich höheren Grad an Bestimmtheit und versuchten anschließend, daraus einen militärischen Nutzen abzuleiten. Was die ägyptischen Importe betrifft, identifizierten die Orientexperten neben den bereits erwähnten Militärsklaven aus der Schwarzmeerregion vor allem Eisen, Pech, Nutzholz und Nahrungsmittel als militärisch relevante Güter, mit denen lateineuropäische Kaufleute den Sultan versorgten und somit dessen Streitmacht verstärkten. Unter Kreuzzugsplanern am Hof war allgemein bekannt, dass sowohl Eisen als auch Nutzholz, insbesondere solches für den Schiffbau, in Ägypten nicht vorhanden war, weshalb es aus Kleinasien und dem westlichen Mittelmeerraum importiert werden musste.210 Nur wenigen Orientexperten wie Guillelmus Adae war dagegen geläufig, dass die Ägypter Nutzholz auch aus Indien bezogen.211 Überdies wiesen die meisten geographischethnographischen Berater auch darauf hin, dass Ägypten bei Ausbleiben der jährlichen Nilschwemme von außerhalb mit Nahrungsmitteln versorgt werden müsse.212 So folgerte Hethum von Korykos:
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–355. Gleich mehrere lateineuropäische Mächte haben versucht, diesen Plan in die Tat umzusetzen, vgl. dazu Bontea, Passagium (2018), 202–219; Christ, Kreuzzug (2016), 266–270; Cocci, Projet (2002), 171–188; Housley, Later Crusades (1992), 190 f.; 215; Menache, Clement V (1998), 110 f.; Ortalli, Venice (1995), 242–258; Stantchev, Embargo (2014), 119–145. Abulafia, Asia (1987), 455, Ashtor, Trade (1983), 8; Jacoby, Supply (2001), 102–132. So bemerkte Sanudo über den ägyptischen Schiffsbau: Et cum in terra Aegypti non nascuntur lignamen, ferrum, pix, per quod navigium aliquod posset ad perfectionem perduci, cum Saraceni non possent habere aliunde nisi per mare nostrum, si navigium non haberent, terra Aegypti male posset durare et specialiter Babylonia et Kayrum et habitations quas tenant, non possent ullatenus retinere. Vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 25. Guillelmus Adae stellte hinsichtlich der Herstellung von Eisenwaffen und -rüstungen in Ägypten fest: Portatur ergo eis ferrum et omnia que de ferro fiunt, ut sunt gladii. Lancee, ferra iaculorum et telorum, lorice, galee et alia que necessaria esse possunt ad invadendum Christianos vel eisdem resistendum si passagium esset (...). Vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 28. Jacoby, Supply (2001), 102; Leopold, Holy Land (2000), 121. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 28; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 354; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 25; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 317 f.
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Zudem kann den Feinden ein anderes Unheil widerfahren, wenn der Fluss Nil nicht ansteigt, sodass er die Erde Ägyptens nicht wie üblich bewässern kann, weil [die Ägypter] dann an Hunger und Mangel leiden (...) Durch Hunger nämlich und durch Mittellosigkeit wären die Feinde des christlichen Glaubens einstmals zu Grunde gegangen und hätten das Reich Ägypten vollständig verlassen, wenn es nicht gierige Christen gegeben hätte, die ihnen reichlich Nahrungsmittel brachten. Dann wären die Ritter Ägyptens [die Mamluken, Anm. d. V.] aus Mangel an Nahrung arm und bettelhaft und müssten aufgrund der Hungersnot sowohl ihre Pferde und Waffen verkaufen als auch ihre Dienerschaft verkleinern und könnten deshalb nicht aus Ägypten weggehen.213
Bereits in der Antike hatte Ägypten als Kornkammer des römischen Reiches gegolten, deren Ertrag jedoch stets an die Nilschwemme gekoppelt war, die von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen konnte. Trotz künstlicher Bewässerungssysteme kam es deswegen auch im 13. Jahrhundert immer wieder zu Missernten, wenn der Nil in den Monaten Juli und August nicht hoch genug anstieg, um alle landwirtschaftlichen Nutzflächen zu überfluten. Zwei besonders drastische Krisen ereigneten sich in den Jahren 1263/64 sowie 1294/95, wobei arabische Quellen aus dieser Zeit berichten, dass große Mengen an Getreide aus Konstantinopel, Sizilien und den Ländern der Franken importiert werden mussten, um der ausgreifenden Hungersnot beizukommen.214 Da abgesehen von dem 1290 schreibenden Fidenzio sowie den Verfassern der beiden Itinerare alle Orientexperten die Bedeutung dieser Nahrungsmittelimporte für die Versorgung Ägyptens herausstellten, reagierten sie wahrscheinlich unmittelbar auf die Versorgungskrise der Jahre 1294/95, indem sie versuchten, ihr Wissen darüber einem militärischen Nutzen zuzuführen. Die einzigen anderen Berater, die auf die ägyptischen Nahrungsmittelimporte eingingen, waren Marino Sanudo, der als Kaufmann selbst im Mittelmeerhandel aktiv war, sowie Roger von Stanegrave, der als Gefangener in Kairo gewesen war und die Hungersnot dort selbst miterlebt haben muss.215 Die ägyptischen Exporte dagegen wurden von den Orientexperten weniger genau erörtert, vermutlich weil sie diesem Wissen keine Relevanz für die Kreuzzugsplanungen zusprachen. Die meisten von ihnen begnügten sich mit dem Hinweis, die latein-
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 354: Item alia inimicis potest adversitas evenire, videlicet quando flumen Nili non crescit, ita ut terras Egipti possit, ut convenit, irrigare, quoniam tunc famem et penuriam patiuntur (...). Fame enim et inopia tunc temporis periissent christiane fidei inimici et regnum Egipti totaliter reliquissent, nisi forent cupidi Christiani qui eis portaverunt victualia habundanter. Tunc eciam propter defectum victualium milites Egipti efficiuntur pauperes et mendici, et ipsos oporteret [equos et] arma vendere et familias minuere propter famem; et sic non possent per consequens recedere de Egipto. Ashtor, Supply (1984), 283–295; Lev, Regime (2004), 149–161. Guillelmus Adae bezog sich in seinem Rückeroberungstraktat explizit auf die Hungersnot von 1294/95: Quаndo etiam Egiptus fame laborat, frumentum et aliа que potest vite necessaria subministrat, sicut quando Christiani Accon et eius confinia perdiderunt, contigit ut Dominus Egiptum tanta percuteret plaga famis. Non enim Nilus fluvius de tribus amis suреrеffluxerаt, ut Sarrаceni fame rabidi, hinc inde mortui, ruerent subsistere non valentes. Vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 40. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 25; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 304 f. Siehe auch II.2.1.1 zu Roger u. II.5.3 zu Sanudo.
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europäischen Kaufleute würden in Ägypten mit mercimonia handeln oder species erwerben, wobei Letzteres eine Vielzahl an Gewürzen östlicher Provenienz bezeichnen konnte.216 Allein die Mendikanten Fidenzio von Padua und Guillelmus Adae erörterten die von Ägypten exportierten Handelsgüter genauer. Guillelmus konstatierte hinsichtlich der Waren und ihrer Herkunft: Denn alles, was in Ägypten verkauft wird, wie Pfeffer, Ingwer und andere Gewürze, Gold und kostbare Steine, Seide und jene kostbaren Stoffe gefärbt mit den Farben Indiens sowie alle anderen Kostbarkeiten, wegen deren Kauf die Händler dieser Regionen nach Alexandria gehen und sich der Fessel der Exkommunikation aussetzen, (...) werden aus Indien nach Ägypten gebracht.217
Unter den anderen Beratern äußerte sich nur der Venezianer Marino Sanudo zu den aus Ägypten exportierten Handelsgütern, betonte dabei allerdings umgehend, in seiner Tätigkeit als Kaufmann nicht selbst in den Ägyptenhandel involviert gewesen zu sein.218 Dennoch vermochte er äußerst detailliert die gehandelten Waren darzustellen: Neben den von Guillelmus erwähnten Handelsgütern Pfeffer, Ingwer sowie mit Flachs verwobener Seide nannte der Venezianer noch Baumwolle, Muskatnüsse, Nelken, Rohrzucker und Zimt, als deren Herkunftsorte er die indischen Hafenstädte Malabar und Khambhat identifizierte. Von dort aus würden die Waren über den Indischen Ozean in die Häfen von Hormus, Kisch, Basra oder Aden verschifft und anschließend nach Westen verbracht.219 Ihr Wissen über die Handelsströme des vorderen Asiens versuchten die drei Berater wiederum militärisch nutzbar zu machen. Während Guillelmus Adae dieses Wissen gebrauchte, um mögliche Standorte für die Blockadeflotte auszumachen, planten Fidenzio von Padua und Marino Sanudo, die Haupthandelsroute für den Import indischer
Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 129; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 256. In seinem um 1340 verfassten Kaufmannshandbuch subsumierte Pegolotti (✶um 1290 †1348) beispielsweise ganze 288 Waren unter dem Begriff spezie, vgl. Francesco Balducci Pegolotti, Pratica della Mercatura. Ed. Evans, 293–297. Zum Gewürzhandel siehe insbes. Ashtor, Spice Trade (1980), 753–763. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 100: Omnia enim que in Egipto venduntur, ut piper, zinziber et alie species, aurum, et lapides pretiosi, sericum et panni illi pretiosi, tincti Indie coloribus, et omnia alia pretiosa, propter que emenda mercatores istarum partium eundo in Alexandriam excommunicationis laqueo se exponunt, (...) apportantur de India in Egiptum. Die Annahme, aus Indien sei Gold nach Ägypten exportiert worden, war höchstwahrscheinlich falsch, da der indische Subkontinent (ähnlich wie Ägypten) auf den Import von Edelmetallen angewiesen war, vgl. dazu Ebenda, 101, Fußn. 103. Stattdessen stammte das Gold, welches sich im 14. Jahrhundert in Ägypten im Umlauf befand, vermutlich überwiegend aus dem subsaharischen Afrika, vgl. Abulafia, Asia (1987), 466–470. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 23: Bombix, nuces muscatae, gariofili, zucharum und cannella. Sanudo nahm allerdings fälschlicherweise an, Aden befinde sich auf der ägyptischen Seite des Roten Meeres und die Waren aus Indien würden von dort aus auf dem Landweg zum Oberlauf des Nil (bei Luxor) transportiert, um dann über den Fluss zu den ägyptischen Hafenstädten gebracht zu werden, vgl. ebenda, 22–29.
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Waren von Ägypten nach (Klein-)Armenien zu verschieben und auf diese Weise für die lateineuropäischen Kaufleute eine Alternative zum Alexandriahandel zu schaffen. So stellte Fidenzio im Hinblick auf Kritiker einer Blockade des ägyptischen Seehandels fest: Ihnen antworte ich, dass Pfeffer und andere Gewürze nicht nur über den Arabischen Golf, das heißt über das Rote Meer, sondern auch über den Persischen Golf und andere [Routen] gebracht werden – weshalb es problemlos möglich sei, die indischen Gewürze über das Reich des Ilkhans nach Armenien zu transportieren und auf diese Weise Ägypten zu umgehen.220 Um die Haupthandelsroute für Waren aus Indien zu verschieben, müsse laut Sanudo die Nachfrage für diese Güter in Ägypten gesenkt und in Armenien erhöht werden: Denn so wie das Wasser naturgemäß in Täler gleitet, so begeben sich Handelsgüter zu dem Ort, wo sie am stärksten verlangt werden (...).221 In Armenien, so der Venezianer weiter, sei die Nachfrage nach den Waren aus Indien allerdings geringer, weil sie zu hohen Kosten auf dem Landweg über Persien an die Levante transportiert werden müssten und daher teurer seien. Im Unterschied dazu führe der Weg von Indien nach Ägypten größtenteils über Wasser, sodass die Güter aus Indien aufgrund der geringeren Transportkosten trotz der Zölle in den ägyptischen Mittelmeerhäfen günstiger eingekauft werden könnten als an der Levante oder der Küste Kleinasiens.222 Die beiden Berater gingen gleichermaßen davon aus, dass selbst eine kleine Blockadeflotte das Risiko des Warenverlusts durch Kaperung erhöhen würde und Fernhändler in der Folge eher gewillt seien, Alternativen zum Ägyptenhandel zu suchen.223 Noch deutlicher treten diese handelsökonomischen Überlegungen bei Marino Sanudo zu Tage. Um den Handelsstandort Ägypten zu schwächen, schlug er vor, einige der dort nachgefragten Güter künftig einfach direkt im westlichen Mittelmeerraum herzustellen. Rohrzucker könne auf Rhodos oder Sizilien angebaut werden und Baumwolle ließe sich wiederum auch in Apulien, auf Kreta oder Zypern kultivieren. Selbst ohne Seeblockade
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 48: Respondeo tibi: quod piper et alie speties non solum portantur per sinum Arabicum, id est per Mare Rubrum, sed portantur etiam per sinum Persicum et etiam aliud; sicut etiam modo speties portantur et diffunduntur per partes Aquilonares et deferuntur in Armeniam ab India et non ab Egipto. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 23: Nam sicut aqua naturaliter labitur ad valles, sic mercimonia transferuntur ad loca, ubi magis requiruntur (...). Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 23. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 47 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 24–29. Heinrich II. von Lusignan plante vermutlich ebenfalls, den lateineuropäischen Indienhandel umzulenken, weshalb seine Berater die Seeblockade in beiden Rückeroberungsmemoranden teils umfänglich erörterten (31,2% bzw. 9,7%). Die Forschung hat jedenfalls den Versuch, Famagusta statt Alexandria zum zentralen Umschlagplatz für die Waren aus Indien zu machen, als treibende Kraft hinter der Kreuzzugspolitik Heinrichs und seiner Nachfolger gesehen, vgl. Coureas, Henry II (2016), 386 f.; Edbury, Policy (1978), 90–105; Ders., Cyprus (1994), 133–135; Housley, Cyprus (1995), 187–206.
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bestünde somit für die lateineuropäischen Kaufleute kein Anreiz mehr, nach Ägypten zu reisen und dort Nahrungsmittel, Eisen oder Nutzholz zu verkaufen.224 Guillelmus Adae versuchte ebenfalls sein Wissen über die Handelsströme zu nutzen, um den Alexandriahandel zum Erliegen zu bringen. Sein Plan war jedoch im Vergleich zu denen der anderen Berater eher ungewöhnlich und hat deswegen immer wieder die Aufmerksamkeit der Geschichtsforschung erregt.225 Statt allein die Mittelmeerhäfen zu blockieren und anschließend auf eine Verlagerung der Handelswege zu spekulieren, empfahl er, mit einer kleinen Flotte den Zugang zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean zu versperren, um Ägypten so direkt vom lukrativen Indienhandel abzuschneiden. Wenn in der Folge keine indischen Handelsgüter mehr in Ägypten ankämen, so der Dominikaner weiter, hätten lateineuropäische Kaufleute auch keinen Grund mehr, Alexandria anzusteuern. Seine Kenntnis der Region im Süden des Roten Meeres bildete die Grundlage des Blockadeplans: Er gab an, während seiner Reisen zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden eine Meerenge ausgemacht zu haben, die alle Schiffe auf dem Weg von Indien nach Ägypten passieren müssten.226 Diese Meerenge (der heutige Bāb al-mandab) sei nur wenige Meilen breit und verfüge über mehrere Inseln, die als Rückzugsorte genutzt werden könnten, sodass drei bis vier Galeeren mit einer Besatzung von insgesamt 1200 Personen ausreichen würden, um sie für den Handelsverkehr zu sperren. Da es allerdings schwierig sei, Seeleute für eine derartig gefährliche Unternehmung fernab der Heimat anzuwerben, solle die Besatzung dieser Schiffe sich aus den Seefahrern rekrutieren, die das Verbot des Handels mit Ägypten missachtet hätten, und könne später durch die christliche Bevölkerung der Inseln im Golf von Aden ergänzt werden. Ähnlich wie im Fall der Kreuzzugsroute erörterte der Dominikaner mehrere Standorte, an denen die Blockadeflotte gebaut und stationiert werden konnte: Im Reich des persischen Ilkhan seien dafür vor allem die Inseln Hormus und Kisch geeignet, doch für den Fall, dass ein Bündnis mit dem Ilkhan
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 24. In der um 1340 entstandenen Pratica della mercatura Pegolottis wurden Rhodos und Zypern ebenfalls als Anbauorte von Rohrzucker erwähnt, vgl Francesco Balducci Pegolotti, Pratica della Mercatura. Ed. Evans, 364 f. So u. a. Delacroix-Besnier, Dominicains (2004), 265–267; Fried, Globalisierung (2015), 211–240; Lewy, Abessinier (2018), 215–221; Richard, Navigations (1976), 353–363; Trouilhet, Projets (2014), 151–181; Walther, Wiedereroberung (1999), 81–90. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 102: Ad quod autem complendum unicus est modus et facilis, ut scilicet alique galee in mare Indico ponantur, que passum illum predicti gulfi de Eden diligenter custodiant et impediant, ne de cetero aliquis portans predictas merces de India in Egiptum perinde tute valeant navigare (...). Guillelmus bezog sich dabei auf die Meeresstraße zwischen den heutigen Staaten Dschibuti und Jemen, die als Bāb al-mandab bekannt ist. Die nur wenige Kilometer breite Meerenge wird auch in der Gegenwart noch von Piraten für Überfälle auf Frachtschiffe genutzt, vgl. Bruns, Multipolarity (2009), 175 f.
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scheitern würde, könne auch auf die indischen Hafenstädte Diu, Khambhat, Kollam oder Thane ausgewichen werden.227 Um das Heilige Land zurückzuerobern, dehnte Guillelmus seine geostrategischen Planspiele also bis in das innere Asiens aus und „verdeutlichte damit den umwälzenden Prozess, der die Europäer nun seit geraumer Zeit erfasst hatte und mit wachsender Begehrlichkeit die Blicke über Europa hinaus auf Asien und Afrika, auf die gesamte Erde, richten ließ.“228 Der Blockadeplan des Dominikaners war eine extreme Randerscheinung dieser neuen globalisierten Perspektive, mit der die Kreuzzugsplaner des 14. Jahrhunderts auf die Rückeroberung der heiligen Stätten blickten, und konnte allein aufgrund der allgemeinen epistemischen Unsicherheit, die aus der Krise kreuzzugsbezogenen Wissens resultierte, Einzug in die höfischen Kreuzzugsplanungen halten. Doch trotz seiner Beteuerung, die Ilkhane hätten sich mit der Unterstützung genuesischer Schiffbauer bereits an einem vergleichbaren Projekt versucht,229 wurde die Blockadestrategie des Dominikaners an der Kurie nicht weiter rezipiert. Sein Patron, der Kardinal Raymond de Farges, erwähnte das Projekt in dessen 1323 für Johannes XXII. angefertigten Kreuzzugsgutachten mit keinem Wort und auch Guillelmus selbst verzichtete im etwa 15 Jahre später angefertigten Directorium darauf, den Plan erneut anzuführen.230 Die anderen geographisch-ethnographischen Berater zeigten sich im Vergleich dazu eher konservativ und schlugen ausschließlich Flottenstandorte im östlichen Mittelmeerraum vor. Es waren vor allem die drei Mittelmeerinseln Arwad, Rhodos und Zypern, die sowohl von den Orientexperten als auch von den Beratern der anderen Subtypen immer wieder als Stützpunkte für die Blockadeflotte diskutiert wurden.231 Ausnahmen bildeten einzig Fidenzio von Padua, der sein Werk noch vor Eroberung der Akkons im Mai 1291 verfasste und die Stadt als möglichen Flottenstandort vorschlug, sowie Guillelmus Adae, der neben der Ägäisinsel Chios auch die Hafenstadt
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable,106–110. Kohler hat ursprünglich die Ansicht vertreten, dass Guillelmus mit Dive nicht auf Diu, sondern auf die Inselgruppe der Malediven referierte, vgl. RHC Doc. Arm. 2, CXCII. Angesichts des Umstands, dass die anderen drei genannten Häfen (Cambaeyt, Colom u. Tana) sicher an der westindischen Küste verortet werden können, ist es jedoch wahrscheinlicher, dass der Dominikaner die Hafenstadt al-Dyyb bzw. Diu im westindischen Gujarat meinte, die auch im Briefwechsel eines jüdischen Kaufmanns aus dem 12. Jahrhundert erwähnt wird, vgl. dazu Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 109, Fußn. 110; Omont, Guillaume Adam (1921), 282; Leopold, Holy Land (2000), 131; Richard, Navigations (1976), 362 f. Fried, Globalisierung (2015), 221. Ähnlich auch García Espada, Marco Polo (2009a), 92–98; Ders., Marco Polo (2009b), 214; Ders., Enlargement (2014), 109–124. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 104; 110. Siehe dazu II.4.3.4. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 408 f.; RJF, Nr. 1705. So u. a. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 49; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 122; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 5 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 445 f.; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 281; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 349.
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Smyrna empfahl, deren Bischof er zwischen 1319 und 1322 gewesen war.232 Die drei Hauptstandorte im Mittelmeer erfuhren dagegen erheblich mehr Beachtung in den Kreuzzugsplanungen, sodass an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert gleich mehrere Versuche unternommen wurden, dort eine permanente Flotte zu stationieren: Zypern hatte bereits im späten 12. Jahrhundert als Zwischenstation der Kreuzfahrer auf ihrer Reise ins Heilige Land gedient und bildete auch in den beiden folgenden Jahrhunderten immer wieder den Ausgangspunkt für Kreuzzugsaktivitäten. Dazu zählt etwa die Blockadeflotte, die 1293 auf Initiative von Papst Nikolaus IV. hin aufgestellt worden war und durch Heinrich II. von Lusignan mit 15 Galeeren unterstützt wurde.233 Die vor Tortosa gelegene Insel Arwad hatte wiederum zwischen 1300 und 1302 dem Templerorden als Flottenstützpunkt gedient, bis es dem ägyptischen Sultan gelang, sie von der Insel zu vertreiben.234 Die Insel Rhodos diente nach ihrer Eroberung durch die Johanniter ebenfalls als Operationsbasis für die Flotte des Ordens, die von dort aus immer wieder versuchte, den lateineuropäischen Ägyptenhandel zu unterbinden.235 Ein Hafen als Rückzugsort für die permanente Blockadeflotte war erforderlich, weil die leichten Galeeren, die in den mediterranen Seegefechten des 13. und 14. Jahrhunderts zur Kaperung eingesetzt wurden, aufgrund ihres geringen Tiefgangs und ihrer limitierten Transportkapazität kaum hochseetauglich waren.236 Marino Sanudo stellte diesbezüglich fest, dass bewaffnete Galeeren nicht draußen auf See bleiben können zur Zeit eines Sturms und auch zur Zeit einer Windstille [ist es] schlecht, [wenn] sie sich in einer Winternacht außerhalb von einem Hafen wiederfinden. [Auch] zur Sommerzeit können sie nicht viele Tage auf See sein, ohne dass sie häufig auf das Land ausweichen, um Trinkwasser aufzunehmen (...).237 Den politischen Entscheidungsträgern am Hof, die meist auch über grundlegendes nautisches Wissen aus der amphibischen
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 49; Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 64. Der Bey von Aydin hatte Smyrna 1307 erobert, der Hafen der Stadt befand sich jedoch noch bis 1329 unter genuesischer Kontrolle, vgl. Carr, Merchant Crusaders (2015), 33–36; İnalcık, Rise (1985), 189; Zachariadou, Trade (1983), 8. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. Siehe dazu II.2.2.5. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 303–305. Siehe dazu auch Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157; Housley, Later Crusades (1992), 207 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 164 f. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1913), 10 f.; Luttrell, Hospitallers (1975), 286 f.; Ders., Hospitallers (1998), 620 f.; Sarnowsky, Ships (2017), 360. Pryor, Geography (1988), 63–86. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 28: quia galeae armatae non possunt stare extra in mari, tempore tempestatis; et etiam tempore tranquillitatis, male libenter in hyeme nocturno tempore se reperiunt extra portum; et tempore aestatis non possunt multis diebus in mari esse quin frequenter declinent ad terras, propter aquam portabilem assumendam (...). Sanudo plante Galeeren einzusetzen, die 23 Passi (ca. 40 Meter) lang waren und 250 Seeleute an Besatzung zählten, vgl. ebenda, 65; 75. Für eine Umrechnung in moderne Längenmaße siehe Pryor, Geography (1988), 77.
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Kriegführung verfügten, scheinen diese Eigenschaften der Galeeren zumindest in Grundzügen bekannt gewesen zu sein, weshalb sie von den Orientexperten erwarteten, ihnen eine Auswahl möglicher Operationsbasen für die Flotte zu präsentieren. Deshalb priorisierten die Orientexperten bei der Darstellung potentieller Stützpunkte statt der Hafentiefe vielmehr Aspekte wie Möglichkeiten zur Verteidigung und Versorgung sowie die Nähe des Standortes zu bekannten Handelsrouten. Hethum von Korykos führte zu Gunsten der Insel Arwad an, dass sich mit den Reichen Armenien sowie Persien mögliche Verbündete in geographischer Nähe befänden, welche die Kreuzfahrer logistisch und militärisch unterstützen könnten. Guillelmus Adae konstatierte, dass sowohl Chios als auch Smyrna an dem Handelsweg zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer lägen, über den die Militärsklaven nach Ägypten gelangen würden.238 Die ägäische Hafenstadt war zudem ein wichtiges landwirtschaftliches Zentrum, von dem aus bereits seit byzantinischer Zeit das anatolische Hinterland versorgt wurde.239 Auch die Inseln Arwad, Rhodos und Zypern wurden unter Berücksichtigung der mediterranen Warenströme ausgewählt, denn alle drei Inseln befanden sich unmittelbar an dem Haupthandelsweg nach Ägypten, der von Kreta über Zypern oder die Levante nach Alexandria führte.240 Ähnlich wie bei den Vorschlägen der Orientexperten zur Kreuzzugsroute hatte die Beratung über den Flottenstandort also keine strategische, sondern vielmehr eine orientierende Funktion.
4.2.4 Inhaltliche Verschränkungen Abgesehen von Ethnographie und Geographie, der Kreuzzugsroute sowie der Seeblockade des Ägyptenhandels befassten sich die geographisch-ethnographischen Berater in ihren Werken auch mit militärstrategischen Überlegungen (14,2%), historischen Ereignissen (7,4%), der Kreuzzugslogistik (4,8%), Bündnispolitik (4%) sowie moralischen Fragen (3,5%). Wie aus der vorangegangenen Analyse deutlich geworden ist, behandelten sie diese Gegenstandsbereiche im Unterschied zu den militärischen Beratern, die sich ebenfalls zu Fragen der Strategie, Bündnispolitik und Logistik äußerten, jedoch stets in Zusammenhang mit der Geographie und Ethnographie des Orients bzw. Vorderasiens. Im Hinblick auf die Diplomatie widmeten sie sich möglichen Allianzen mit orientalischen Machthabern, ihre historischen Darstellungen betrafen die Geschichte der Eth-
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 64; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 358. Ähnlich wie Marino Sanudo war auch dem Dominikaner bekannt, dass Galeeren im Winter auf See eingeschränkt waren, vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 36. Roche, Conrad III (2021), 178 f. Zeitgenössische Seehandbücher wie der Compasso de navegare (1296) sowie Kaufmannshandbücher wie die Racione de Alexandria (um 1270) belegen die Routenangaben in den Rückeroberungsmemoranden, vgl. Compasso de navegare. Ed. Debanne, 67 f.; 72 f.; Portolanfragment der Marciana. Ed. Kretschmer, 235 f.
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nien und Herrschaftsverbände Vorderasiens, insbesondere die der Mongolen. Auf moralischer Ebene kritisierten sie das aus römisch-christlicher Sicht verwerfliche Handeln der Orientbewohner und in logistischen Fragen schenkten sie den Versorgungsmöglichkeiten der Kreuzfahrer durch das Umland besondere Aufmerksamkeit. Diese Tendenz in den Ratschlägen der Orientexperten äußert sich auch auf inhaltsanalytischer Ebene in einer Vielzahl von Doppelcodierungen der vorgenannten Gegenstandsbereiche mit Inhalten der Kategorie „Ethnographie und Geographie“. Die von den geographisch-ethnographischen Beratern in ihren Ratschlägen verwandten Wissenselemente zeichneten sich demzufolge innerhalb des Relevanzsystems der Kreuzzugsplanungen durch eine Polyvalenz aus, die dem Wissen der Militär- und Finanzexperten nicht zu eigen war. Deswegen konnten die Orientexperten eingesetzt werden, um verschiedene Typen von Problemen zu lösen, während das von den anderen Beratern gebrauchte Wissen aus der Kriegs- und Verwaltungsroutine nur auf neue lebensweltliche Instanziierungen des gleichen Problemtyps angewandt zu werden vermochte. Wissen um Annaten konnte etwa ebenso zur Finanzierung des Kreuzzuges wie zur Finanzierung von Ortskirchen eingesetzt werden, Strategien aus der auf Befestigungen ausgerichteten Kriegführung vermochten in Konflikten im Orient und Okzident gleichermaßen appliziert werden, aber Wissen um die Mongolen konnte genutzt werden, um den Ilkhan als Bündnispartner zu gewinnen, einen Vorteil im Kampf gegen mongolische Heere zu erlangen oder die moralische Überlegenheit des römischen Christentums zu demonstrieren. Dieses Spezialwissen war zudem auch außerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen vielseitig anschlussfähig. Der Franziskaner Giovanni di Fedanzola da Perugia wandelte die Beschreibung des Heiligen Landes aus dem Liber secretorum Marino Sanudos beispielsweise in einen Pilgerführer für seine Ordensbrüder um.241 Die Polyvalenz ihres Wissens ermöglichte es den Orientexperten, sich zu Gegenstandsbereichen zu äußern, die bisher allein den Militärexperten vorbehalten gewesen waren. Wie ich im Folgenden zeigen werde, resultierte sie aus den spezifischen Bedingungen des Wissenserwerbs innerhalb der zeitgenössischen Bestände von Spezialwissen über den Orient bzw. Vorderasien.
4.3 Wissensbestände Die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps versuchten sich gegenüber politischen Entscheidungsträgern als Experten zu inszenieren, indem sie behaupteten, ihr Spezialwissen über den Orient aus ihren eigenen Beobachtungen gewonnen zu haben.242 Die Kreuzzugsforschung hat aus dieser Inszenierungsstrategie zumeist ge Campopiano, Holy Land (2020), 103–112; Giovanni di Fedanzola da Perugia, Descriptio Terrae Sanctae. Ed. Nelli/Nicolini; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 243–259. So etwa Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9: Ego sane, licet minus ydoneus, scribendum existimavi Sanctitati Vestre quod insuper premissus dominus inspiravit ad laudem et
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folgert, dass „[it] is possible to distinguish between those acquainted with the east (...) and uninformed writers who were simply yielding to prevailing opinion.“243 Diese Unterscheidung basiert auf einem Axiom, das sich auch über die Kreuzzugsforschung hinaus immer wieder in Arbeiten zum Wissen über den Orient findet: Die einen, so die Annahme, hatten aufgrund ihrer Reisen Zugang zu einem Bestand an zuverlässigem Beobachtungs- bzw. Erfahrungswissen, das man als „Orientwissen“ beschreiben kann, die anderen mussten sich dagegen allein auf antikes Toposwissen oder das Zeugnis Dritter stützen und konnten die Region folgerichtig nicht präzise darstellen. Die vorangegangenen Beispiele konnten indes zeigen, dass nicht allein die Verfügbarkeit, sondern auch die Bestimmung verfügbarer Wissenselemente als relevant für die intendierte Handlung bzw. den vorliegenden Problemkomplex dafür ausschlaggebend war, dass sie innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen rezipiert wurden. So ignorierte König Konrad III. die Berichte der Chronisten des Ersten Kreuzzuges über die Scheinrückzüge der türkischen Reiterei, Pierre Dubois integrierte Roger Bacons Darstellung der Mongolen nicht in sein Rückeroberungstraktat, obwohl sie ihm vorlag, und mit dem Johannitermeister Foulques de Villaret verzichtete ein Mann, der im Laufe seines Lebens mehr Zeit im Outremer zugebracht hatte als im Westen, in seiner Informatio vollständig auf die Beschreibung dieser Region.244 Anzunehmen, es habe einen uniformen Bestand an Orientwissen gegeben, zu dem die jeweiligen Berater sich durch Reisen und Beobachtung Zugang verschaffen konnten, hieße demnach, der Selbstinszenierung dieser Orientexperten unreflektiert Glauben zu schenken, ohne dabei die zeitgenössischen Bedingungen des Erwerbs von Wissen über Asien und Afrika zu berücksichtigen. Das Wissen, welches Orientreisende bei ihrem Aufenthalt erwarben und anschließend weitergaben, war nämlich keineswegs uniform, sondern stark abhängig davon, warum sie dorthin gereist waren. Hassauer zufolge ist dies darauf zurückzuführen, dass „die Alteritätserfahrung (...) etwa im Rahmen eines Kreuzzugs anderen Bedingungen [unterliegt] als im Rahmen einer Handelsmission. Es werden in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Relevanzen unterschiedliche Wissensinhalte selegiert; es werden aber auch unterschiedliche Repertoires von Einstellungen gegenüber dem Fremden entwickelt.“245 Kurzum, für den reisenden Kaufmann war es im höchsten Maße relevant, zu wissen, wie viel das lokale Geld im Vergleich zu seiner heimischen
honorem Domini Nostri Ihesu Xpisti et ad directionem eorum qui amore. Salvatoris nostri sunt in maria transituri simplici nomine insinuans ea que pro parte oculis meis vidi et manibus attractavi. Analog dazu Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 24: Inter alios enim ordinis mei consocios qui proficiscimur ad infidelium nationes, causa fidei predicande, plures vidi terras, lustravi provincias, moresque multarum gentium sum expertus (...). Siehe dazu auch III.2.1.1. Leopold, Holy Land (2000), 117. Ähnlich argumentieren auch Atiya, Crusade (1970), 38; Schein, Fideles crucis (1991), 92. Siehe dazu II.4.2.2 u. II.4.3.2. Hassauer, Stabilitas (1991), 256.
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Währung wert war, während die (andersartigen) religiösen Überzeugungen seiner Handelspartner keine Relevanz für sein Geschäft hatten. Für den Missionar hingegen war das Wissen um eben jene Überzeugungen integral, die Wechselkurse dagegen irrelevant. Le Goff hat in diesem Kontext von verschiedenen „Kontaktzonen“ zwischen den Kulturen gesprochen und Rittner hat im Anschluss an Luhmann den Ausdruck „Kontaktsysteme“ geprägt, der in der Untersuchung von mittelalterlicher Reiseliteratur inzwischen zu einem zentralen Analyseinstrument geworden ist.246 Gemeinsam ist diesen Ansätzen die Feststellung, dass es nicht einen einzigen, sondern verschiedene Bestände von aus Beobachtung gewonnenem Wissen über den Orient gab, die sich dahingehend unterschieden, auf welche Handlungs- bzw. Kommunikationszusammenhänge der Wissenserwerb jeweils ausgerichtet war. Münkler und Hassauer haben für das hohe sowie späte Mittelalter fünf derartige Kontaktsysteme identifiziert: Die kriegerische Auseinandersetzung infolge der Orientkreuzzüge, den diplomatischen Austausch mit orientalischen Potentaten im Rahmen von Gesandtschaften, die missionarische Tätigkeit lateineuropäischer Geistlicher, die Handelsfahrten lateineuropäischer Kaufleute und schließlich die Pilgerreisen ins Heilige Land.247 Münkler hat dafür argumentiert, dass diese Kontaktsysteme unterschiedliche Medien zur Vermittlung von Wissen verwandten und zudem verschiedene Formen von Wissen über den Orient bzw. Asien hervorbrachten, die sie als „instrumentelles Wissen“, „operatives Wissen“ sowie „kategoriales Wissen“ bezeichnet.248 Instrumentelles Wissen „war an unmittelbaren Nützlichkeitserwägungen und pragmatischen Handlungsimperativen orientiert“ und stand dementsprechend unter ständigem Aktualisierungsdruck, weshalb es „zum Diskursfeld ‚Fremde‘ als einem Aussagefeld seriöser Sprechakte nahezu nichts beigetragen hat.“ Kategoriales Wissen dagegen „zielte auf jene Elemente der fremden Kultur, die es als bezeichnend für diese Kultur bestimmte und
Rittner, Kulturkontakte (1973), 70–73; Luhmann, Legitimation (1978), 75–81. Siehe u. a. Borgolte, Experten (2011), 948–950; Hassauer, Reiseliteratur (1987), 259–283; Dies., Stabilitas (1991), 249–282; Münkler, Erfahrung (2000), 17–20; Scheller, Atlantikexpansion (2016), 233–260; Ders., Kaufleute (2019), 335–360; Thomsen, Bericht (2018), 16–18. Münkler, Erfahrung (2000), 17 f.; Hassauer, Stabilitas (1991), 254. Für eine Untersuchung der in die höfischen Kreuzzugsplanungen des 13/14. Jahrhunderts involvierten Berater erscheint die, von Hassauer insbesondere im Hinblick auf die Pilgerberichte des 15. Jahrhunderts getroffene, Unterscheidung zwischen Pilgerschaft und Kreuzzug indes als problematischer Anachronismus. Da die Zeitgenossen auch im frühen 14. Jahrhundert sowohl de jure als auch de facto nur bedingt zwischen crucesignati und peregrini unterschieden und beide Rollen eng miteinander verwoben waren, lässt sich auf Akteursebene oft nicht eindeutig ermitteln, ob es sich um einen Kreuzfahrer oder Pilger handelte. Die englischen Ritter, die zwischen 1308 und 1310 an dem Partikularkreuzzug der Johanniter teilnahmen, bezeichneten sich z. B. ebenfalls als peregrini, vgl. Tyerman, England (1988), 241 f. Dementsprechend lassen sich auch die schriftlichen Darstellungen dieser Reisen, etwa in Form von Pilgerberichten und Kreuzzugschroniken, nicht immer klar voneinander abgrenzen, sodass eine trennscharfe Unterscheidung zwischen den Kontaktsystemen der Pilgerschaft und des Kreuzzuges nicht möglich ist. Siehe dazu u. a. Markowski, Crucesignatus (1984), 157–165; Tyerman, Crusades (1995), 553–577. Münkler, Erfahrung (2000), 17–20.
4.3 Wissensbestände
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überführte sie in ein geordnetes Aussagenfeld, das diese bezeichnenden Elemente organisierte.“ Operatives Wissen wiederum war auf kategoriales Wissen angewiesen, stand jedoch ähnlich dem instrumentellen Wissen unter beständigem Aktualisierungsdruck, um wiederholbare Handlungserfolge zu garantierten.249 Der Unterschied zwischen diesen Kontaktsystemen und Wissensformen war allerdings nicht kategorial, sondern graduell, denn wie Münkler und Scheller gezeigt haben, konnten bestimmte Sonderformen des Kontakts wie die Mongolenmission oder der Sklavenhandel auf der Akteursebene zu einer Überschneidung verschiedener Systeme führen.250 Während Hassauer und Münkler die Kommunikation bzw. Diskursivierung von Wissen über den Orient untersuchen, lässt sich dieser Ansatz vor dem Hintergrund wissenssoziologischer Annahmen auch auf den Wissenserwerb von Orientreisenden übertragen, denn schließlich erfolgte die Auslegung von aus Beobachtungen gewonnenen Erfahrungen nur so lange, wie es zur Bewältigung des lebensweltlichen Handels der jeweiligen Reisenden erforderlich war.251 Mit Schütz gesprochen wiesen die genannten Kontaktsysteme somit jeweils eigene, sozial auferlegte Relevanzen auf, die den individuellen Erwerb von Wissen durch Orientreisende regulierten.252 Diese Form der sozial erzwungenen Aufmerksamkeit hatte zur Folge, dass Kaufleute, Missionare und Kreuzfahrer ihre Erfahrungen aus denselben Regionen anders selektierten und sich auf Grundlage dieser Erfahrungen distinkte Bestände von Orientwissen ausformten. Im Anschluss an diese Überlegungen gehe ich davon aus, dass die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps ihr Spezialwissen überwiegend aus vier sich teils überschneidenden Wissensbeständen schöpften: dem Kreuzzug, dem Fernhandel, der Missionarstätigkeit sowie dem Austausch von Gesandtschaften.
4.3.1 Kreuzzug Die routinemäßige Kriegführung im Orient, welche für die militärischen Ratgeber die Hauptquelle ihres Wissens über die Region und ihre Bewohner bildete, war für die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps nur ein Wissensbestand von untergeordneter Bedeutung. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass sich die Akquise von Wissen über den Gegner, seinen Lebensraum und seine Bräuche innerhalb dieser Form der Kriegführung ausschließlich im Rahmen der unmittelbar militärisch nutzbaren Wissenselemente bewegte. Außerhalb dessen erwies sich der Erwerb von Wissen als kontraproduktiv, da es die Handlungsgründe des Gegners plausibilisieren und die Kreuzfahrer damit in der routinemäßigen Ausübung ihres Kriegshandwerks beeinträchtigen konnte, weil der Gegner ihnen nicht länger als Personifikation des
Münkler, Erfahrung (2000), 19. Scheller, Atlantikexpansion (2016), 247–253. Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 24 f.; Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 211 f. Schütz/Zaner, Problem (1982), 58–60.
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Anderen gegenübertrat.253 Auf (moralische) Differenzmarker vermochten folgerichtig auch viele der Orientexperten nicht zu verzichten, insbesondere dann, wenn es galt, die bevorstehenden Kampfhandlungen gegen Ägypten oder Byzanz als gerechten Krieg im Sinne der Patristik darzustellen.254 Fidenzio von Padua gab beispielsweise an, er habe selbst miterlebt, wie die Muslime christliche Reliquien in einem Eselstall deponierten.255 Wie Rittner am Beispiel des Kreuzfahrers Jean de Joinville herausgestellt hat, war der Wissenserwerb durch Beobachtung in diesem Bestand meist zirkulär: „Die Vorstellungen vom Feind treffen nur auf sich selbst und bestätigen sich.“256 Eine Anpassung an den Gegner erfolgte dementsprechend nicht durch die bewusste Reflexion propositionalisierten Beobachtungswissens, sondern vermittels gegenseitiger Anpassung des Routinehandelns. Auf diese Weise entwickelte sich etwa die von Smail als „fighting march“ bezeichnete Taktik gegen die berittenen Bogenschützen der muslimischen Heere, die seit dem späten 12. Jahrhundert zum Repertoire jedes lateinischen Feldherrn im Outremer gehörte, jedoch nie als solche niedergeschrieben und reflektiert wurde.257 In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwies sich diese in den vergangenen 150 Jahren etablierte militärische Routine angesichts der Niederlagen gegen das Heer des ägyptischen Sultans jedoch als dysfunktional, weshalb politische Entscheidungsträger das damit verbundene praktische Wissen zunehmend in Frage stellten und von ihren Orientexperten erwarteten, andere Wissensbestände zu erschließen. Vor allem Fidenzio von Padua, Hethum von Korykos, die Verfasser der Devise sowie die Berater Heinrichs II. von Lusignan schöpften Teile ihres Spezialwissens aus dem Bestand der routinemäßigen Kriegführung im Orient. Im Gegensatz zu den Beratern des militärischen Subtyps, die wie Foulques de Villaret meist davon ausgingen, es sei ausreichend, wenn der Anführer des Kreuzzuges in der manière de la guerre des Sarrazins geübt sei,258 versuchten die Orientexperten dieses praktische Wissen aus der Kriegführung zu propositionalisieren oder, wie im Fall der Devise, sogar zu aktualisieren. Hethum von Korykos und die Berater Heinrichs II. von Lusignan verfügten gleichermaßen über praktisches Wissen aus der routinemäßigen Kriegführung, welches vorangegangenen Auseinandersetzungen mit den Armeen muslimischer Herrscher entstammte. Ersterer hatte als Angehöriger der Königsfamilie mehrmals das armenische Heer gegen türkische und ägyptische Streitmächte ins Feld geführt, unter
Siehe II.2.3.3. Zum zeitgenössischen Konzept des bellum iustum siehe Aug. quaest. hept. VI, 10 u. daran anknüpfend CIC C 23 qu. 2 c. 1. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 21. Der Vorwurf war keineswegs neu und wurde in ähnlicher Form bereits von den Kreuzzugschronisten des 12. Jahrhunderts verwendet, so etwa bei Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos. Ed. Huygens, 101. Rittner, Kulturkontakte (1973), 87. Siehe auch Hassauer, Stabilitas (1991), 257–260. France, Warfare (2000), 60 f.; Ders., Tactics (2017), 157; Smail, Warfare (1995), 156–165. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222.
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anderem in der Schlacht bei Wādī al-Khaznadār im Jahr 1299, als den Armeniern unter Hethum gemeinsam mit dem Königreich Georgien und dem Ilkhanat ein Sieg gegen die Armee des ägyptischen Sultans gelang.259 Aus dieser Erfahrung vergangener Kriege heraus vermochte der Armenier wahrscheinlich auch die Größe des Heeres, welches der ägyptische Sultan zur Verteidigung Syriens mobilisieren konnte, präzise einzuschätzen und die Struktur der Armee des Ilkhans zu beschreiben.260 In den Reihen der Berater Heinrichs II. befanden sich ebenfalls diverse Kriegsveteranen des Outremer wie der Johannitermarschall Simon Le Rat oder die antiqui de Syria, die Heinrich explizit als Quelle seines Wissens über die Armee des ägyptischen Sultans benannte.261 Überdies hatte Heinrich als König von Jerusalem selbst Feldzüge gegen muslimische Herrscher angeführt, so etwa bei der erfolglosen Verteidigung Akkons im Jahr 1291.262 Das eingesetzte Spezialwissen stammte jedoch vermutlich nicht allein aus der eigenen (Kampf-)Erfahrung der jeweiligen Berater, denn sowohl die Heere der armenischen Herrscher als auch die des Königs von Zypern bestanden zu Teilen aus Gewaltprofessionellen, die zuvor auch ägyptischen Emiren gedient hatten und folgerichtig mit der Kampfweise ihrer Heere vertraut waren.263 Der Wissenserwerb von Hethum und den Beratern Heinrichs II. bedeutete also keine grundlegende Abkehr von dem Wissen über die Kriegführung muslimischer Heere, das die Lateineuropäer in den Auseinandersetzungen des 12. und 13. Jahrhunderts erworben hatten, sondern den Versuch, dieses Wissen zu propositionalisieren und es auf diese Weise in den Kreuzzugsplanungen verfügbar zu machen. Das von unbekannten Autoren aus dem Umfeld des Johanniterordens verfasste Kreuzfahreritinerar Devise des chemins de Babiloine markierte dagegen einen Versuch, das Wissen aus der routinemäßigen Kriegführung im Orient darüber hinaus auch zu aktualisieren, um der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens zu begegnen. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes im Jahr 1307 standen die Johanniter unter besonderem Rechtfertigungsdruck, weil die Kreuzzugspläne, welche die Ordensführung um Foulques de Villaret kurz zuvor dem Papst vorgelegt hatte, von einigen Verantwortlichen an der Kurie als unrealisierbare Phantastereien abgetan wurden.264 Um ihren Kritikern zu begegnen, begannen die Johanniter, durch gezielte Militärspionage aktuelles Wissen über die Struktur der Provinzen des Sultanats und zur Größe des ägyptischen Heeres zu sammeln. Im Unterschied zu den vorgenannten Beispielen war die daraufhin kompilierte Devise also nicht das Resultat des passiven
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 318. Zu dem Feldzug von 1299/1300 siehe auch Bajarsajkhan, Mongols (2011), 193–202; Schein, Gesta (1979), 810 f.; Jackson, Mongols (2005), 170–173. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 342 f.; 337–339. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 124. Edbury, Cyprus (1994), 98–100; Röhricht, Eroberung (1880), 108–112. Zur Funktion von Gewaltprofessionellen als kulturelle Mediatoren bzw. Broker siehe Jaspert, Mobility (2019), 139–142. AA 3, 199, Nr. 91. Siehe dazu III.1.3.2.
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Erwerbs von Spezialwissen über den Orient durch Sozialisation und Routinehandeln, sondern beruhte auf der aktiven Akquise von neuem Wissen. Wie Irwin zeigen konnte, basierten diese Angaben auf einem der internen Katasterberichte des ägyptischen Sultanats, die als rawk bezeichnet wurden. Der vermutlich 1298 angefertigte Bericht erfasste die Einnahmen der Emire sowie der Mamluken in allen Ansiedlungen des Reiches und hatte vor allem den politischen Zweck, eine Bodenreform zugunsten des Sultans vorzubereiten.265 Lange vor Irwin hat Schefer bereits darauf hingewiesen, dass die drei Marschrouten von der ägyptischen Küste nach Kairo, welche die Verfasser der Devise für das Kreuzfahrerheer vorsahen, den Routen des ägyptischen Kurierdiensts barīd entsprachen, der bereits seit dem späten 7. Jahrhundert existierte und seitdem als zentrales Nachrichtensystem des Sultans fungierte.266 Die Streckenabschnitte dieses Kurierdienstes wurden von ägyptischen Gelehrten in Verwaltungshandbüchern wie dem Taʾrīf bi-al-muṣṭalaḥ ash-sharīf des Shihāb al-ʿUmarī (✶1301 †1349) festgehalten, in denen üblicherweise auch Zusammenfassungen der vorgenannten Katasterberichte enthalten waren.267 Diese arabischsprachigen Handbücher hatten allerdings keinen militärischen Zweck, sondern waren „aus der Praxis und für die Praxis des Bureaudienstes entstanden“268 und dienten wohl der Ausbildung von Verwaltungsbeamten. Folgt man Irwins Analyse, so stammten die Angaben in der Devise entweder aus einem dieser Verwaltungshandbücher oder aber von einem Akteur in der ägyptischen Verwaltung, innerhalb der dieses Wissen allgemein verfügbar war.269 Der Umstand, dass nur militärisch relevante Angaben aus Verwaltungswissen übernommen wurden, deutet ferner darauf hin, dass die entsprechenden Wissenselemente nicht zufällig im Rahmen von Missionars- oder Gesandtschaftsreisen erworben wurden, sondern ein Resultat gezielter, auf die Akquise kreuzzugsrelevanten Wissens ausgerichteter Spionage seitens der Johanniter waren.270 Die Devise markierte folgerichtig eine
Irwin, Miles (1994), 59–62. Zu Durchführung, Funktion und Inhalt des nach seinem Auftraggeber Sultan Ḥusām ad-Dīn Lāǧīn (†1299) als rawk al-husāmī bezeichneten Katasterberichts von 1298 siehe Holt, Sultanate (1973), 527–529; Rabie, Financial System (1972), 52–56. Irwin, Miles (1994), 61 f.; Paviot, Introduction (2008), 30; Schefer, Étude (1884), 100 f. Zum barīd siehe u. a. Sourdel, Barid (1986), 1045 f. Die Verfasser der Devise bemerkten selbst im Hinblick auf die Entfernungsangaben in ihren Itineraren: les lieus où il tignent chevau pour les corriers qui s’apelent berith. Vgl. Devise des chemins. Ed. Paviot, 204. Für eine auszugsweise Übersetzung des Taʾrīf bi-al-muṣṭalaḥ ash-sharīf (Unterweisung über das im königlichen Bureau-Dienst geltende Konventionelle) von al-ʿUmarī siehe Hartmann, Geographie (1916), 13–40. Hartmann, Geographie (1916), 7–9. Irwin geht von einer „partial translation of an early Mamluk administrative Manual“ aus, vgl. Irwin, Miles (1994), 62. Zur militärischen Spionage im 14. Jahrhundert siehe u. a. Alban/Allmand, Spies (1976), 73–101; Amitai, Espionage (1988), 173–181. Auch Hethum von Korykos, der als einziger unter den Ratgebern die Größe des ägyptischen Heeres ähnlich realistisch einschätzte wie die Verfasser der Devise, konnte möglicherweise auf Wissen zurückgreifen, das aus der (armenischen oder mongolischen) Militärspionage stammte, vgl. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 342 f.
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Abkehr von der durch Rittner beschriebenen militärischen Kontaktform, weil die Spionagetätigkeit es erforderlich machte, sich zumindest partiell auf die Deutungsschemata und Sinnwelten des Gegners einzulassen und die arabische Sprache zu erlernen. Diese Perspektivübernahme machte die Spione jedoch angreifbar gegenüber anderen Experten, weshalb die Johanniter ihre Namen gänzlich verschwiegen und dem Papst stattdessen nur versicherten, die Devise sei von preudes hommes verfasst worden.271 Eine weitere Ausnahmeerscheinung bildete Fidenzio von Padua, der als NichtKombattant mit missionarischem Hintergrund die zeitgenössische Kriegführung von außen beobachten konnte. Wie er selbst mehrfach herausstellte, hatte der Franziskaner nach den Niederlagen bei Antiochia (1268) und Tripolis (1289) für mehrere Monate die Armee des ägyptischen Sultans begleitet, um dort die christlichen Gefangenen seelsorgerisch zu betreuen.272 Der Zweck seiner Beobachtung des Feindes war somit kein rein militärischer, sondern diente vermutlich vielmehr dazu, einer möglichen Konversion der gefangenen Christen vorzubeugen. Berichte über Lateiner, die während ihrer Gefangenschaft zum Islam übergetreten waren, finden sich jedenfalls bereits seit dem 12. Jahrhundert in der arabischen und lateinischen Historiographie gleichermaßen, weshalb ehemalige Gefangene nach ihrer Rückkehr unter dem ständigen Verdacht der Apostasie standen.273 Als Nicht-Kombattant, der das Heer des Sultans als eine Art (Kriegs-)Gefangener begleitete, aber zugleich auch eine missionarische Funktion erfüllte, befand sich Fidenzio demnach in einer außergewöhnlichen Situation, die ihm einen besonderen Blick auf die Armee des Gegners erlaubte. Deshalb verwundert es nicht, dass der Franziskaner der einzige Berater war, der die Bewaffnung der ägyptischen Armee eingehend beschrieb, die er mit eigenen Augen beobachtet hatte. Dabei stellte er vor allem die Wichtigkeit der Bogenschützen in der Taktik des Gegners heraus, denn jeder sarazenische Reiter hat einen Bogen und Köcher mit Pfeilen, das heißt ohne Bogen und Pfeile ziehen die Sarazenen nicht in die Schlacht.274 Fußsoldaten seien meist ebenfalls mit einem Bogen ausgestattet, wobei einige von ihnen zudem ein Krummschwert tragen würden. Neben dem Bogen zähle überdies ein Krummsäbel sowie eine eisenbeschlagene Keule zur Bewaffnung der Reiter, einige von ihnen würden zudem eine Lanze tragen.275
Devise des chemins. Ed. Paviot, 201, Fußn. 4. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 29: Sarraceni in exercitu suo multum sunt ordinati, sicut ego propriis oculis vidi. Nam cum Sarraceni cepissent Antiochiam, ego ivi ad exercitum ipsorum, si forte possem de Xpistianis captivis aliquid boni facere. Siehe auch ebenda, 21; 26. So u. a. bei Roger von Howden, Chronica. Ed. Stubbs, Bd. 2, 307; Usama Ibn-Munqidh. Ed. Rotter, 154 f.; Wilhelm von Tyrus, Chronicon. Ed. Huygens, Bd. 2, 949. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 28: quilibet Sarracenus eques habet arcum et pharetram cum sagittis, et sine arcum et sagittis Sarraceni ad bellum non vadunt. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 28 f.: Item quilibet eques Sarracenus habet ensem curvum, qui valde fortiter percutit. Item quilibet eques liabet clavam ferream pessimam. (...) Pauci autem sunt Sarraceni qui lanceis utantur; licet enim aliqui ipsorum habeant lanceas, tamen non habent omnes communiter. Paviot hat Fidenzios Darstellung mit dem für Sultan Saladin verfassten Mi-
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Aus der Perspektive des beschreibenden Beobachters wechselte Fidenzio anschließend in eine analytisch-planerische, um herauszustellen, wie die Kreuzfahrer bewaffnet sein und welche Taktiken sie verwenden sollten, wenn sie dem ägyptischen Heer erfolgreich in der Schlacht begegnen wollten. Dabei griff er einerseits auf die etablierte lateineuropäische Kriegsroutine zurück und betonte die Wirksamkeit der Ritter, die als gepanzerte Reiterei durch die Reihen eines Feindes brechen sollten, der nicht im ausreichenden Maße mit Lanzen ausgestattet war. Zum Schutz der Ritter vor den Pfeilen der Gegner beschrieb Fidenzio im Wesentlichen die von der Forschung „fighting march“ genannte Taktik, welche die Kreuzfahrer unter König Richard I. bereits 100 Jahre zuvor in den Schlachten bei Arsuf (1191) und Jaffa (1192) mit Erfolg eingesetzt hatten: Wenn es geschehen sollte, dass Fußsoldaten in so großer Zahl vorhanden sind, dass sie nicht alle bequem den christlichen Reitern beigeordnet werden können, dann können die Fußsoldaten für sich in der folgenden Weise aufgestellt werden, damit die Sarazenen mit ihren Pferden nicht über sie hinwegstürmen können. Unter den Fußsoldaten sollen deshalb viele sein, die lange und starke Speere haben. Diese sollen als Wall aller [anderen] Fußsoldaten aufgestellt werden und die Spitze der Speere gegen die Ungläubigen richten. (...) Außerdem sollen andere [Soldaten] mit Schilden bei den Speerträgern sein, die sie verteidigen und verbergen vor den Pfeilen der Sarazenen. (...) Im Inneren müssen hingegen Armbrust- und Bogenschützen gut aufgestellt werden, die ihre Pfeile gegen die Sarazenen schleudern und deren Pferde niederstrecken sollen und die Sarazenen [auf diese Weise] aus der Ferne von sich und der Einheit aus Fußsoldaten fernhalten sollen.276
Der Franziskaner beließ es allerdings nicht dabei, das praktische Wissen zu propositionalisieren, welches die Kreuzfahrer in den vergangenen 200 Jahren im Kampf gegen muslimische Heere etablierte hatten. Anstatt sich weiterhin dem Gegner anzupassen, sollten die Kreuzfahrer vorzugsweise versuchen, die erfolgreiche Kampfweise des ägyptischen Heeres zu imitieren. Deshalb schlug Fidenzio vor, sich nicht länger allein auf den Sturmangriff der gepanzerten Reiterei zu verlassen, sondern gegen die Vielzahl an Bogenschützen auf der gegnerischen Seite eine vergleichbare Menge eigener Schützen
litärhandbuch des ägyptischen Gelehrten Marḍī Ibn-ʿAlī aṭ-Ṭarasūsī verglichen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Angaben des Franziskaners die tatsächliche Bewaffnung des ägyptischen Heeres zutreffend erfasst haben, vgl. Paviot, Projets (2008), 98, Fußn. 186–189. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 29 f.: Si contingat quod pedites sint in tanta quantitate, quod non possit omnes commode sociari equitibus Xpistiani, tunc poterunt pedites per se ordinari, tali modo quod ipsi ordinentur ita quod Sarraceni non possit irruere super eos cum equis suis. Sint ergo inter pedites multi, qui habeant lanceas longas et fortes, et ponantur isti per girum omnium peditum et conteneant acies lancearum versus infideles, (...) Sint etiam aliqui juxta lancearios cum scutis qui defendant eos et operiant eos a sagittis Sarracenorum (...) Interius autem debent ballistarii et sagittarii esse bene dispositi, qui jaciant sagittas contra Sarracenos et occidant equos eorum et repellant Sarracenos procul a se et ab exercitu peditum Xpistianorum (...). Zu den Schlachten bei Arsuf und Jaffa siehe Smail, Warfare (1995), 162–164.
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zu mobilisieren.277 Mit diesem Vorschlag bewegte er sich nicht länger in der Kriegsroutine, denn obgleich Bogen- sowie Armbrustschützen ein integraler Bestandteil lateineuropäischer Heere waren, genossen sie im Gegensatz zu der gepanzerten Reiterei, die sich vorwiegend aus der Militäraristokratie rekrutierte, bei zeitgenössischen Feldherren kein hohes Ansehen.278 Das zweite Laterankonzil hatte 1139 gar die Verwendung von Bögen sowie Armbrüsten gegen Christen gänzlich untersagt und über den Liber Extra war dieses Verbot 1234 auch in das Kirchenrecht eingegangen.279 Deswegen beließ der Franziskaner es nicht allein bei militärischem Räsonnement, sondern mobilisierte unter Bezugnahme auf Psalm 119 zugleich auch die biblische Tradition, um das Ansehen der von ihm favorisierten Schützen vor den anderen Kreuzzugsplanern zu rehabilitieren.280 Obwohl er versicherte, sein Plan beruhe gleichermaßen auf Beobachtung und biblischer Überlieferung, vermochte Fidenzio jedoch nicht zu verhehlen, dass er den Gegner der Kreuzfahrer in militärischer Hinsicht vom Feindbild zum Vorbild machte. Der Verweis auf die biblische Überlieferung deutet auf eine weitere Charakteristik des Wissenserwerbs hin, denn auch wenn geographisch-ethnographische Berater wie Fidenzio es wiederholt betonten, stammte das Wissen aus dem Bestand militärischen Routinehandelns keineswegs allein aus Beobachtung. Das Wissen aus Beobachtung koexistierte nämlich mit der in Chroniken und Chansons festgehaltenen Kreuzzugsgeschichte, die als Bestand aus den zu Toposwissen geronnenen Erfahrungen vergangener Kreuzfahrer beständig auf die routinemäßige Kriegführung und die Beobachtung selbiger zurückwirkte.281 Dabei handelte es sich indes keineswegs um Spezialwissen, sondern spätestens mit dem Einsetzen volkssprachlicher Kreuzzugslyrik und -epik in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts um Allgemeinwissen, das allen Kreuzzugsplanern und politischen Entscheidungsträgern am Hof verfügbar
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 30 f. Aus diesem Grund empfahl Fidenzio, die maronitischen Christen aus dem Umland von Tripolis als Bogenschützen für das Kreuzfahrerheer zu gewinnen, vgl. ebenda, 55. Allein Ramon Llull machte einen ähnlichen Vorschlag, da er in der Mobilität der muslimischen Armeen einen Vorteil sah. Aus diesem Grund schlug er vor, dass die Kreuzfahrer Truppen mit leichter Bewaffnung und vielen Bögen aufstellen sollten, vgl. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 339 f. Der Katalane verfolgte damit allerdings keinen Paradigmenwechsel, sondern gab im Wesentlichen die auf der iberischen Halbinsel übliche Kriegsroutine wieder, vgl. Contamine, Guerre (1980), 168 f.; Marcos, Almogàvers (2005), 22–33. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 230–236. Anna Komnene beschrieb die Armbrust im 12. Jahrhundert gar als typische Waffe der Lateiner, vgl. Anna Komnene, Alexias. Ed. Reinsch, 343 f. CIC X 5.15.1; Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 203 Das Konzil untersagte indes nur den Einsatz von Bogen und Armbrust adversus christianos et catholicos, sodass einige Kanonisten des 13. Jahrhunderts es als legitim erachteten, sie in gerechten Kriegen (wie den Kreuzzügen) gegen Muslime zu verwenden, vgl. Bachrach/Bachrach, Warfare (2017), 233. Siehe dazu Ps 120,4 (Einheitsübers.) bzw. Ps 119,4 (Vulgata): Sagittae potentis acutae, cum carbonibus desolatoriis. Zur Rezeption der Kreuzzugsgeschichte siehe u. a. Jaspert, Polymythos (2004), 208–213.
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war.282 Die von Fidenzio bevorzugte Taktik wies beispielsweise merkliche Parallelen zur Darstellung der Schlacht bei Jaffa in der um 1195 verfassten Estoire de la guerre sainte des normannischen Troubadours Ambroise sowie dem wenig später angefertigten Itinerarium peregrinorum auf. In Letzterem heißt es über die Taktik Richards I. im Gefecht: Um ihren [d. Heer Sultan Saladins, Anm. d. V.] schrecklichen Angriffen zu begegnen, rüsteten sich die Unsrigen so [gut] wie sie konnten. Sie platzierten jeweils [ihr] rechtes Knie auf dem Boden, sodass sie besonders fest [miteinander] verbunden waren und unbeweglich blieben, während sie die Zehen der rechten Füße in der Erde verankerten, die linken Füße aber mit gebeugtem Knie [nach vorn] hielten. In der linken Hand hielten sie Schilde, Buckler, Turmschilde oder Tartschen ausgestreckt [vor sich und] in der rechten [Hand] Lanzen, mit den hinteren Enden in der Erde befestigt, dem vorderen Teil mit der eisernen Spitze aber den schnell heranstürzenden Feinden entgegen gerichtet. Der König, [der] sehr erfahren mit Waffen [war], stellte jeweils zwischen Zweien, die sich auf diese Weise mit Schilden schützten, einen einzelnen Armbrustschützen auf und einen anderen neben ihm, der die Armbrust immer schnell nachladen konnte (...).283
Entstammte die von Fidenzio ersonnene Taktik also nicht seinen Beobachtungen im Feld, sondern der Kreuzzugsgeschichtsschreibung? Beeinflusste die Kenntnis dieses historischen Toposwissens möglicherweise unbewusst die Beobachtungen des Franziskaners? Obgleich Fidenzio die Taktik möglicherweise nicht dem Itinerarium oder der Estoire, sondern einem anderen Geschichtswerk entnahm, steht angesichts derartiger Evidenz außer Frage, dass auch die geographisch-ethnographischen Berater ihr Spezialwissen über den Orient nicht allein aus ihren Beobachtungen schöpften, obwohl sie dies ständig zu betonen pflegten. Über den Umweg des Toposwissens aus der Kreuzzugsgeschichte hatten somit auch andere Berater indirekt Zugang zum Wissen über die routinemäßige Kriegführung im Orient. Guido von Vigevano warnte etwa vor den vergifteten Dolchen, welche die Ange-
Siehe dazu u. a. Cassidy-Welch, Crusades (2017), 2–10; Jaspert, Polymythos (2004), 206–208; John, Godfrey of Bouillon (2018), 227–253; Nejedlý/Svátek, Introduction (2015), 11–15. Itinerarium peregrinorum. Ed. Stubbs, 416: Ad quorum impetus improbissimos excipiendos, nostri se prout poterant aptabant, genu dextrum singuli solo figentes, ut sic firmius cohaererent, et persisterent immobiles, dum pedum dextrorum articulos fixissent in terra, pedes vero sinistros sinuato poplite habebant; manus sinistrae clypeos protensos tenebant, et parmas, et scuta, et ancylia: dextrae lanceas, in terra fixis posterioribus capitibus, anterioribus vero partibus oppositis, ferrata cuspide, perniciter irruentibus adversariis. Rex, armorum peritissimus, inter quoslibet duos sic se clypeis protegentes unum statuit balistarium, et alterum juxta ipsum, qui protensam expeditius jugiter aptaret balistam (...). Die Schilderung der Schlacht ist nicht Teil der der ursprünglichen Chronik, sondern nur in der Fortsetzung des Werkes durch Richard von Holy Trinity enthalten. Zur Überlieferungsgeschichte siehe Itinerarium peregrinorum. Ed. Mayer, 7–51. Siehe dazu auch die korrelierende Stelle in Ambroise, Estoire de la guerre sainte. Ed. Paris, 304, Z. 11451–11460: Li Turc comencerent a traire / A huer, a crier, a braire / La veissiez merveilles dreiles / E noz bones genz mult destreites / A geneillons s’agenoillerent / E targes e escuz drescierent / Devant els, en lor mains lor glaives / E li rois qui d’armes ert saives / Fist desoz les targes mucier / Entre deus un arbalestier (...).
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hörigen der als Assassinen bekannten ismailitisch-schiitischen Glaubensgemeinschaft verwenden würden, und entwarf eine Rezeptur für ein mögliches Gegengift.284 Die Assassinen und ihre Waffen waren den Kreuzzugsplanern am Hof wiederum aus der Historiographie hinlänglich bekannt, so berichten neben zahlreichen anderen Geschichtswerken auch die Estoire und das Itinerarium über den Mord am Markgrafen von Montferrat durch zwei Assassinen, die mit vergifteten Messern ausgerüstet gewesen seien.285 Möglicherweise entstammten die absurd hohen Angaben über die Größe des ägyptischen Heeres, die Berater wie Jacques de Molay oder Roger von Stanegrave aufriefen, ebenfalls der Geschichtsschreibung, deren Umgang mit derartigen Mengenangaben bekanntermaßen eher symbolisch als naturalistisch war.286 Dieses partiell von Toposwissen überlagerte Spezialwissen aus der routinemäßigen Kriegführung im Orient war allerdings für die meisten geographisch-ethnographischen Berater nur von untergeordneter Bedeutung und wurde deutlich ausgiebiger von militärischen Ratgebern eingesetzt.
4.3.2 Fernhandel Ein Wissensbestand, auf den die geographisch-ethnographischen Berater wesentlich häufiger zurückgriffen, war das Spezialwissen, welches lateineuropäische Kaufleute vor dem Hintergrund ihrer Handelstätigkeit im östlichen Mittelmeerraum und vorderen Asien erworben hatten. Im Unterschied zu dem Wissen aus der Kriegsroutine war der Zugriff auf das Wissen der Fernhändler unter den Ratgebern stark limitiert: Neben den Orientexperten setzten allein Marino Sanudo und Ramon Llull sowie der Stadtrat von Marseille Wissen aus diesem Bestand ein. Münkler zufolge handelte es sich bei diesem Wissen, ähnlich wie bei dem aus der Kriegführung im Orient, um instrumentelles Wissen, das von Nützlichkeitserwägungen bestimmt und unmittelbar handlungsorientiert war.287 Da die Auslegung der aus Beobachtung gewonnenen Erfahrungen abgebrochen wurde, sobald sich ein Handlungserfolg einstellte, umfasste dieser Bestand ausschließlich Wissen, welches für den Erwerb und Verkauf von Waren erforderlich war. Im Gegensatz zur Kriegsroutine handelte es sich bei dem Wissen aus dem Fernhandel allerdings nicht um praktisches, sondern vorwiegend um propositionales Wissen, das Zölle oder das lokale Warenangebot betraf, sowie visuel-
BNF Ms. Lat. 11015, fol. 39v–40v. Zu den Assassinen siehe insbes. Halm, Assassinen (2017), 86–96. Ambroise, Estoire de la guerre sainte. Ed. Paris, 235, Z. 8772–8778; Itinerarium peregrinorum. Ed. Stubbs, 338–341. Siehe dazu auch die Darstellung der Assassinen bei Wilhelm von Tyrus, Chronicon. Ed. Huygens, Bd. 2, 953 f. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 323. Zu den Angaben über die Heeresgröße in der Kreuzzugsgeschichtsschreibung siehe u. a. Seitz, Ende (2010), 103 f. Münkler, Erfahrung (2000), 57–66.
318
4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
les Wissen über die zeitgenössischen (See-)Handelswege. Im Hinblick auf die Kenntnis von Seerouten oder geeigneten Häfen überschnitt sich dieser Wissensbestand partiell mit dem praktischen Wissen der Seeleute, und zwar sowohl auf inhaltlicher Ebene als auch hinsichtlich der Träger des Wissens. Schriftlich niedergelegt wurde dieses Spezialwissen aufgrund seiner pragmatischen Ausrichtung indes nur selten, zumal „Kaufleute auch deshalb an einer Diskursivierung ihres Wissens über das Fremde nicht interessiert waren, weil es bedeutet hätte, Wissensvorsprünge gegenüber Konkurrenten preiszugeben.“288 Die einzigen Zeugnisse stammen dementsprechend aus Gebrauchsquellen wie Briefen, See- bzw. Portolankarten,289 Navigations- bzw. Seehandbüchern wie dem Compasso de navegare (1296)290 oder Kaufmannshand- bzw. Notizbüchern wie dem Zibaldone da Canal (1311).291 Unter den Letztgenannten hat die Forschung die heterogenen, literarisch meist wenig anspruchsvollen Kompilationen oberitalienischer Kaufleute subsumiert, die „Informationen über die tägliche Handelspraxis“292 enthielten. Dazu zählten etwa grundlegende arithmetische Regeln, die Gewichte und Wechselkurse in bedeutsamen Häfen oder Vokabellisten, die den kaufmännisch relevanten Wortschatz der wichtigsten Sprachen des Mittelmeerraumes anwendungsorientiert zusammenfassten. Da diese Handbücher zumeist auch Angaben zu den Handelswegen, Häfen sowie dem Warenangebot des östlichen Mittelmeerraumes machten und mitunter Seehandbücher inkorporierten, die „verbal information on coasts, ports, distances, obstacles and dangers in navigation“293 umfassten, eignen sie sich folgerichtig gut, um das propositionale Wissen der Fernhändler über den Orient zu erschließen.294 Anhand dieser Quellen wird zugleich deutlich, dass die geographisch-ethnographischen Berater merkantiles Spezialwissen keineswegs
Scheller, Atlantikexpansion (2016), 236. Zur Quellengattung der Portolankarten siehe insbes. Billion, Zeichen (2011), 2 f.; Campbell, Portolan Charts (1987), 371–463; Gautier Dalché, Carte marine (2017), 101–114; Pujades i Bataller, Cartes portolanes (2007). Bereits der Aufbau von Portolankarten macht deren Ausrichtung auf die unmittelbaren Erfordernisse des Seehandels deutlich; so war die für den mediterranen Handel wichtige Schwarzmeerregion auf den frühen Portolanen wie dem um 1270 entstandenen Pisaner Portolan oder dem Vesconte-Atlas von 1311 deutlich detaillierter dargestellt als abseitige Ziele wie die britischen Inseln, vgl. Campbell, Portolan Charts (1987), 407–409. Für eine Edition siehe Debanne, Compasso (2011), 35–125. Zibaldone da Canal. Ed. Stussi, 5–117. Spufford, Kaufmannsnotizbücher (1991), 103. Jacoby, Portolan (2012), 67. Zur Quellengattung der Navigations- bzw. Seehandbücher siehe Falchetta, Portolan Charts (2008), 272–275; Kretschmer, Portolane (1903), 166–195; Lanman, Origin (1984), 5–23. Die zeitgenössische Funktion von Kaufmannshandbüchern und Seehandbüchern ist in der Forschung nach wie vor umstritten, enthielten sie doch mitunter Angaben, die zum Zeitpunkt ihrer Abfassung bereits veraltet waren. Derartige Unstimmigkeiten sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Forschung mit dem Begriff der Kaufmannshand- bzw. -notizbücher eine Reihe heterogener Texte zusammengefasst hat, die für die Zeitgenossen jeweils unterschiedliche Funktionen hatten. Siehe dazu Spufford, Kaufmannsnotizbücher (1991), 103–120; Tucci, Manuali (1977), 215–231.
4.3 Wissensbestände
319
aus seinem ursprünglichen Handlungszusammenhang herauslösten, sondern es zur Lösung der gleichen Problemtypen einsetzten wie die Fernhändler. Es waren dabei vor allem zwei Problemkomplexe innerhalb der Kreuzzugsplanung, zu deren Lösung die Orientexperten Wissenselemente aus dem Bestand des Fernhandels mobilisierten: Erstens die Kreuzzugsroute, verbunden mit der Frage, wie die Kreuzfahrer unbeschadet von einem Ort zum anderen kommen könnten, sowie zweitens die Seeblockade des Ägyptenhandels, verbunden mit den Fragen, wie der Sultan von welchen Waren profitierte und auf welchen Wegen diese Waren nach Ägypten gelangen würden. Ein Zeugnis für die Lösung des erstgenannten Problemkomplexes ist die in Form eines Itinerars festgehaltene Route von Gaza nach Kairo, die in der Via ad Terram Sanctam, der Memoria Terre Sancte sowie dem Liber secretorum des Marino Sanudo enthalten ist und in leicht abweichender Anordnung auch von den Verfassern der Devise verwendet wurde (siehe Tab. 7).295 Im Gegensatz zu den Kurierrouten zwischen Kairo und den nordägyptischen Küstenstädten, auf denen drei der vier in der Devise enthaltenen Kreuzzugsrouten basierten, handelte es sich bei dem Weg über die Sinai-Halbinsel um eine stark frequentierte Karawanenroute, die von allen Kaufleuten sowie Reisenden in der Region genutzt wurde und wahrscheinlich auch in den 1160ern bei den Ägypten-Feldzügen Amalrichs I. (✶1136 †1174) gewählt wurde.296 Auch den Beratern Heinrichs II. sowie Hethum von Korykos war die Sinai-Route geläufig, wobei Erstere sie aus militärstrategischen Erwägungen heraus als ungeeignet für die Kreuzfahrer erachteten. Heinrichs Berater gaben diesbezüglich explizit an, der Weg durch die Wüste dauere mit Saumtieren (sagmarii) acht Tage, mit einem Heer jedoch 16 bis 20 Tage, was vermuten lässt, dass sie ihr Wissen aus der Erfahrung von Handelskarawanen bezogen und versuchten, es für den militärischen Einsatz zu extrapolieren.297 Die Darstellung dieses Weges weist auch in der Via, Memoria sowie dem Liber secretorum die typischen Merkmale merkantilen Wissens auf, denn die jeweiligen Angaben beschränken sich auf für die Handelstätigkeit unmittelbar relevantes Wissen wie die Länge der Wegstrecke zwischen den einzelnen Stationen oder die Verfügbarkeit von Trinkwasser, Nahrungsmitteln und Tierfutter. Dieser direkte Wissenstransfer in die Kreuzzugsplanungen war nur aufgrund von Kongruenzen auf Handlungsebene möglich, denn wie bei dem Hinweis, am Weg befinde sich ein bone place de vendre et d’acheter, handelte es sich bei solchen Angaben um Wissenselemente, die sowohl für Fernhändler als auch für die Kreuzfahrer unmittelbar (handlungs-)relevant waren. Be-
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 454–457; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 432–434. Hartmann, Straße (1910), 686–693; Schefer, Étude (1884), 94 f. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 123: Si vero nostrorum exercitus vellet transire per desertum et ire directe Babiloniam, hoc etiam foret periculosissimum et dificile, quia de Gazera, que est in principio deserti, usque ad la Salahim, que est in fine deserti, sunt VIII. diete pro saumariis, que essent XVI. vel XX. exercitui.
320
4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
Tab. 7: Die Wegstrecke von Gaza nach Kairo in den Kreuzfahreritineraren. Via ad Terram Sanctam Stationen Gadres↓ Daron Daron↓ Rafah Rafah↓ Zahque Zahque↓ Heus Heus↓ Larris Larris↓ Bir el Cani Bir el Cani↓ Bousser Bousser↓ Aorade Aorade↓ Saoede Saoede↓ Meteileb Meteileb↓ Nahlet-Sabiha
Memoria Terre Sancte
Liber secretorum (Marino Sanudo)
Devise des chemins de Babiloine
Meilen
Stationen
Meilen
Stationen
Meilen
Stationen
Meilen
Gadres↓ Daron Daron↓ Raphath Raphath↓ Zasque Zasque↓ Heus Heus↓ Lariz Lariz↓ Birelcain Birelcani↓ Bousser Bousser↓ Carade Carade↓ Soede Soede↓ Merteleb Morteleb↓ Nahlec
Gaza↓ Darum Darum↓ Raphat Raphat↓ Zasque Zasque↓ Heus Heus↓ Laris Laris↓ Burelaui Burelaui↓ Bouser Bouser↓ Tarade Tarade↓ Asbede Asbede↓ Viteleb Viteleb↓ Naherlersibia
Guadres↓ Daron Daron↓ Rephah Rephah↓ Zaheca Zaheca↓ Karrobler Karrobler↓ Harifs Harifs↓
½
Chemin de bas Catie↓ Horabi Gourabi↓ Cousser Couseir↓ Birhysce Birhysce↓ Salehie Salehie↓ Habesce
kA
Caminus de basso
Chemin de haut Catie↓ Ahras
Nahlec-Siberia↓ Cathie
Cathie↓ Augorabi Augorabi↓ Couseir Couseir↓ Birchissce Birchissce↓ Saleyte Salchie↓ Abesse
Caminus de alto
Cathie↓ Habitas
Naherlersibia↓ Catie
Oarrade Oarrade↓ Soade Soade↓ Montayleb Montayleb↓ Mahane Mahane↓
Nahlet-Sabiha↓ Catie
Katye
Via inferior Chatie↓ Aguorabi Aguorabi↓ Chauseyr Chauseyr↓ Birchisce Birchisce↓ Salchie Salchie↓ Habesse
Salechie
Via superior Chatie↓ Hahras
Katye↓ Gorabi Gorabi↓ Cosair Cosair↓
4.3 Wissensbestände
321
Tab. 7 (fortgesetzt) Via ad Terram Sanctam
Memoria Terre Sancte
Liber secretorum (Marino Sanudo)
Devise des chemins de Babiloine
Stationen
Meilen
Stationen
Meilen
Stationen
Meilen
Ahras↓ Bouhoroc Bouhouroc↓ Hocar Houcar↓ Hascebi Hassebi↓ Essiuont Essiount↓ Masinat Masinat↓ Bebie Bebie↓ Vaherie Vaherie↓ Habbesce
Hahicas↓ Bouhourouc Bouhourouc↓ Houcar Houcar↓ Hassebi Hassebi↓ Esmont Esmont↓ Masmat Masmat↓ Besbie Besbie↓ Vacharia Vacaria↓ Habesse
Hahras↓ Bonuruch Bonuruch↓ Hucar Hucar↓ Asebbi Asebbi↓ Hesiuone Hesiuone↓ Masinach Masinach↓ Sbesbie Sbesbie↓ Vacaria Vacaria↓ Habesse
Habesce↓ Belbeis Belbeis↓ Bir Elbeina Bir Elbeina↓ Huss Huss↓ Quiryacos Quiriacos↓ Caire
Habesse↓ Balbeis Balbeis↓ Birelbenia Birelbenia↓ Hus Hus↓ Quiriacos Quiriacos↓ Caire
kA
kA
Habesse↓ Belbeis Belbeis↓ Abirelcara Abirelcara↓ Hus Hus↓ Quiriacos Quiriacos↓ Kayrum
Stationen
Meilen
Salechie↓ Deccan Deccan↓ Cattara Cattara↓ Sehidye Sehidye↓
kA
Belbeys Belbeys↓ Bir el Bayna Bir el Bayna↓ Hesse Hesse↓
Caire
sonders offenkundig wird die merkantile Herkunft dieses Wissens im Vergleich mit der Darstellung des gleichen Weges in der Devise, die im Gegensatz zu den drei anderen Itineraren auch militärisch relevante Angaben über die Befestigungen und Garnisonen am Wegesrand enthielt.298 Solche Lücken waren typisch für den Wissenserwerb der Kaufleute, deren Tätigkeit kein Wissen über die Position derartiger Befestigungsanlagen
Devise des chemins. Ed. Paviot, 205 f.
322
4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
erforderte. Zudem spricht es dafür, dass es sich bei dem Itinerar der Via, der Memoria sowie dem Liber secretorum um die Niederschrift einer Karawanenroute aus dem Bestand merkantilen Wissens handelte. Sowohl die einzelnen Etappen als auch die Entfernungsangaben dazwischen stimmen in den drei Itineraren größtenteils überein (siehe Tab. 7), die Beschreibung der einzelnen Stationen im Liber secretorum unterscheidet sich allerdings in Teilen von denen in der Via und der Memoria.299 Zusammengenommen spricht dies dafür, dass Sanudos Itinerar zwar einer von den beiden Werken unabhängigen Überlieferungstradition entstammt, alle drei Werke jedoch aus einem gemeinsamen merkantilen Wissensbestand schöpften, der weitgehend uniform war. Diese Gleichförmigkeit resultierte aus der Orientierung kaufmännischen Wissens an pragmatischen Handlungsimperativen, die Münkler bereits konstatiert hat. In diesem Fall bedeutete es, mit den transportierten Waren unbeschadet am Ende der Wüste anzukommen. Auch im Hinblick auf die Medien der Speicherung und Organisation von Wissen schöpften die Orientexperten teils aus dem Wissensbestand des Fernhandels. Die kartenförmige Abbildung des östlichen Mittelmeerraumes im Liber recuperationis des Fidenzio von Padua basierte beispielsweise auf der nautisch-merkantilen Darstellungstradition der Portolankarten. Als „Portolan(karten)“ werden in der Forschung Seekarten bezeichnet, die „ihren Ursprung im Handel [hatten]; sie bildeten Häfen, Küstenverläufe und Untiefen topographisch ab. Die Eintragungen waren auf ihren Gebrauch ausgerichtet, sie verliefen an der Küste entlang der Reiserichtung und verlangten ein Drehen der Karte je nach Ausrichtung. Ein Netz von Kompasslinien erleichterte die Orientierung und im Format beschränkten sie sich auf die Größe der verwendeten Tierhäute.“300 Die ersten erhaltenen Seekarten dieses Typs entstanden während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Oberitalien sowie Katalonien und wurden von professionellen Kartographen gezeichnet, die sich mit ihren Werkstätten auf die Herstellung von Portolanen spezialisiert hatten.301 So stellten die Verfasser der Memoria für die Ortschaft Augorabi bzw. al-Ghurābī fest: littora habundantia, satis aque sed salse parum, während Sanudo hinsichtlich derselben Wegstation schrieb: satis de littore, parum de aqua et salsa (...). Vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 262; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 455. Überdies schilderte Sanudo die beiden Wegoptionen (via superior u. via inferior) in der umkehrten Reihenfolge wie die Verfasser der Via und Memoria, welche zuerst die chemin de bas und dann die chemin de haut erläuterten. Schneider, Macht (2012), 26. Da die Portolane zur Navigation auf See eingesetzt wurden, war der korrekte Maßstab dieser Karten integral. Um zu prüfen, ob eine Portolankarte präzise genug für den Einsatz auf See war, beschrieb der Ragusaner Kaufmann Benedetto Cotrugli in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die folgende Methode: Wenn es möglich sei, auf der Karte Linien von Mallorca nach Alexandria, von Venedig zum apulischen Monopoli sowie von der Ägäisinsel Tenedos zum Kap Malea auf der Peloponnes zu ziehen, ohne dabei eine Landmasse zu schneiden, dann sei die Darstellung korrekt, vgl. Falchetta, Portolan Charts (2008), 271. Billion, Zeichen (2011), 21–25; Campbell, Portolan Charts (1987), 380–388; Gautier Dalché, Cartes marines (2001), 17–20. Der Usprung von Portolankarten ist aufgrund der unzureichenden Überlieferungslage nach wie vor nicht vollständig geklärt. Große Teile der Forschung gehen allerdings weiterhin davon aus, dass die ersten Karten dieser Art in Oberitalien, genauer in Genua oder Pisa,
4.3 Wissensbestände
323
Innerhalb der Kreuzzugsplanungen waren solche Portolankarten zwar eine Seltenheit, kamen aber durchaus vor. Marino Sanudo fügte seinem Rückeroberungstraktat fünf Portolankarten aus der Werkstatt des venezianischen Kartographen Pietro Vesconte bei, die verschiedene Teile des Mittelmeerraumes und angrenzender Meere abbildeten.302 Obwohl sie durchaus voraussetzungsreich waren, scheinen die Karten Sanudos an den meisten Höfen positiv rezipiert worden zu sein.303 Es ist bislang unbemerkt geblieben, dass mit Fidenzio ein weiterer Berater versuchte, dieses neue kartographische Medium für die Rückeroberung des Heiligen Landes nutzbar zu machen. Die schematische Karte in Fidenzios Werk wies allerdings weder die für Portolane typische Küstendarstellung noch die Kompass- bzw. Rumbenlinien auf (siehe Abb. 8).304 Die Darstellung des Franziskaners beschränkte sich überdies mit wenigen Ausnahmen auf die Häfen, welche der Zeichner für die Durchführung des Kreuzzuges als unmittelbar relevant erachtete, und blendete im Gegensatz zu Portolanen alle übrigen Anlegestellen aus. Gautier Dalché hat vor diesem Hintergrund dafür argumentiert, dass die Karte aus einer genuin franziskanischen Darstellungstradition stammte und innerhalb des Ordens weitergegeben wurde.305 Allerdings lässt sich für das 13. und 14. Jahrhundert nur eine vergleichbare Karte ausmachen, die nicht nur ca. 50 Jahre nach dem einzigen erhaltenen Exemplar des Liber recuperations angefertigt wurde, sondern höchstwahrscheinlich auch eine Reproduktion der Karte Fidenzios ist und vermutlich auf einem inzwischen verlorenen Exemplar des Liber basierte.306 Die einzigen Regionalkarten, die an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert nachweislich
entstanden sind, so u. a. Falchetta, Science (2017), 263–265; Kretschmer, Portolane (1903), 51–100; Lanman, Origin (1984), 1–3; Pujades i Bataller, Cartes portolanes (2007), 513–515. Ebenfalls diskutiert wird ein katalanischer bzw. mallorquinischer Ursprung der Karten sowie die Möglichkeit einer parallelen Entstehung an verschiedenen Orten des westlichen Mittelmeerraumes, vgl. Winter, Portolan Maps (1954), 1–12. Dementsprechend ist auch der Entstehungszeitraum der Portolankarten umstritten. Die Mehrheit der Forschung folgt den ersten schriftlichen Zeugnissen des Gebrauchs von Seekarten und datiert die ersten Portolane in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Andere Forscher orientieren sich an den deutlich älteren Seehandbüchern und datieren die Portolankarten auf das frühe 12. Jahrhundert, so u. a. Gautier Dalché, Carte marine (2017), 103–105. Ein deutlich kleinerer Teil der Forschung vertritt dagegen die Ansicht, die Portolankarten seien in der Antike entstanden und im 13. Jahrhundert nur wiederentdeckt worden, vgl. Nicolai, Enigma (2016), 429–438. BAV Pal. Lat. 1362A. Die Karten zeigen den Schwarzmeerraum (fol. 2v–3r), die Ägäis (fol. 3v–4r), den östlichen Mittelmeerraum (fol. 4v–5r), die Meere um den italienischen Stiefel (fol. 5v–6r) sowie den westlichen Mittelmeerraum um die iberische Halbinsel zusammen mit den britischen Inseln (fol. 6v–7r). Zur Überlieferungsgeschichte siehe II.5.3. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 60–88. Siehe dazu III.1.2.1. Im Fall schemenhafter Darstellungen geographischen Raums, die keinen erkennbaren Maßstab aufweisen, spricht Baumgärtner nicht von „Karten“, sondern stattdessen von „Diagrammen“, die „einen fließenden Übergang zwischen Text und Bild, zwischen Wort und Graphik schufen.“ Vgl. Baumgärtner, Reiseberichte (2012), 495. Gautier Dalché, Cartes (2010), 89–94. BA Ms. C 198, fol. 103v. Zur Überlieferungsgeschichte siehe Gautier Dalché, Cartes (2010), 81 f.
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4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
im Milieu der Mendikanten entstanden, sind die Karten des Heiligen Landes aus der Tradition Burchards vom Berg Zion (†um 1285) sowie eine auf 1307 datierte Darstellung der Provinzen des Franziskanerordens.307 Die sogenannten „Burchard-Karten“ gingen wiederum auf einen Pilgerbericht zurück, den der gleichnamige Dominikaner im Jahr 1283 oder 1284 im Anschluss an seine Reise zu den heiligen Stätten verfasst hatte. Burchards Karte wurde speziell unter Mendikanten ausgiebig rezipiert und bis in das 15. Jahrhundert hin immer wieder kopiert und verfeinert.308 Vermutlich über den Franziskanerorden fanden diese Heilig-Land-Karten auch ihren Weg in die höfischen Kreuzzugsplanungen. So stammte die Karte des Heiligen Landes, welche Marino Sanudo seinem Liber secretorum beifügte, aus der Tradition Burchards und bei der nicht erhaltenen Karte aus dem Rückeroberungstraktat des Kreuzzugsberaters Galvano di Levanto handelte es sich wahrscheinlich ebenfalls um eine Burchard-Karte.309 Ein Vergleich der Mittelmeer-Karte aus dem Liber recuperationis mit der ältesten erhaltenen Burchard-Karte310 und einem zeitgenössischen Portolan des venezianischen Kartographen Pietro Vesconte311 (siehe Abb. 9) macht indes schnell deutlich, dass die Darstellung aus dem Liber nicht aus einer mendikantischen Tradition stammte, sondern vermutlich nach dem Vorbild der Portolankarten angefertigt wurde. Ein solcher Wissenstransfer wäre keineswegs außergewöhnlich, denn Harvey hat für die Regional-
Zur Karte der Ordensprovinzen siehe Gautier Dalché, Figure (2010), 349–358. Zu den sog. „Burchard-Karten“ siehe insbes. Baumgärtner, Reiseberichte (2012), 460–507; Dies., Land (2012), 51–67; Campopiano, Terre sainte (2017), 178 f.; Gautier Dalché, Cartes (2010), 87–95; Harvey, Maps (2012), 94–105. Erst mit der etwa 40 Jahre nach dem Liber recuperatonis verfassten Chronologia magna des Paolino Minorita entstand innerhalb des Franziskanerordens eine andere Form der Regionalkartographie. Diese schöpfte allerdings keineswegs aus einer Ordenstradition, sondern entwickelte sich aus dem Austausch zwischen dem Franziskaner Paolino sowie seinem Landsmann Marino Sanudo und stand in der Tradition oberitalienischer Portolankarten. Besonders deutlich wird dieser Wissenstransfer anhand der von dem venezianischen Kartographen Pietro Vesconte angefertigten Weltkarte, die Paolino ohne größere Veränderungen in seine Weltchronik übernahm, vgl. BAV Vat. lat. 1960, fol. 264v. Siehe dazu auch v. Brincken, Nationes (1973), 454–459; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 60–88; Harvey, Cartography (1987), 480–482. Baumgärtner, Reiseberichte und Karten (2006), 108–110; Dies., Reiseberichte (2012), 487–494; Campopiano, Terre sainte (2017), 178–182; Harvey, Maps (2012), 94–154. Die Karten sollten gemeinsam mit dem Text dieser Pilgerberichte dafür sorgen, dass die Daheimgebliebenen das Heilige Land zumindest im Geiste bereisen konnten, vgl. Delano-Smith, Pilgrim (2004), 107–123. BAV Pal. Lat. 1362A, fol. 7v–8r; Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 366. Galvano war dem Franziskanerkonvent in Genua eng verbunden und Sanudo stand wiederum seit 1321 in ständigem Austausch mit Paolino Minorita, der einige von Sanudos Karten in seine Weltchronik übernahm, vgl. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 1–138; Gautier Dalché, Levanto Galvano da (2005), 733–736; Holzmeier, Historiographie (2020), 237–262. Harvey, Maps (2012), 94–104, insbes. 97. Zu Pietro Vesconte, der auch die Karten für den Liber secretorum anfertigte, siehe u. a. Edson, Crusade (2004), 136–138 sowie II.5.2.
4.3 Wissensbestände
Abb. 8: Darstellung des östlichen Mittelmeeres im Liber recuperationis (um 1300).
325
326
4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
kartographie des 14. Jahrhunderts zeigen können, dass in „Italy at least, the portolan charts probably served as a model or inspiration for other maps of smaller areas (...), even though there was no direct borrowing of information.“312 Für eine Orientierung an den Portolankarten spricht erstens, dass die Burchard-Karten ebenso wie die Darstellung der Ordensprovinzen Land- und keine Seekarten sind, während Fidenzio das (Mittel-)Meer in das Zentrum seiner Darstellung rückte. Auch andere von Geistlichen angefertigte Regionalkarten, wie etwa die Karte Britanniens des Matthew Paris, waren Land- und keine Seekarten.313 Der Liber recuperations war somit nicht nur das erste Werk eines Mendikanten aus dem 13. Jahrhundert, welches eine Seekarte enthielt, sondern das erste Werk eines Geistlichen überhaupt mit einer derartigen Darstellung. Die einzige kartographische Tradition, welche bereits im Entstehungszeitraum des Liber existierte und die See sowie die angrenzenden Häfen ins Zentrum der Darstellung rückte, war die der Portolane, die sich erstmalig 1270 in den Quellen fassen lassen, aber möglicherweise bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts genutzt wurden.314 Auch der Umstand, dass die Karte im Liber nicht das gesamte Mittelmeer, sondern nur dessen östlichen Teil darstellte, spricht für eine Nähe zur Tradition der Portolane, denn eine solche sektorale Darstellungsweise war für die Portolan-Atlanten üblich, welche erstmals für 1311 belegt sind.315 Das Format spricht ebenfalls für eine Nähe zu den Atlanten, die nicht für den praktischen Einsatz auf See konzipiert und meist deutlich kleiner waren als die Portolane oder die Burchard-Karten.316 Zweitens berücksichtigten die Burchard-Karten ebenso wie die Abbildung der franziskanischen Ordensprovinzen auch Flüsse, Gebirgszüge sowie im Inland gelegene Städte, die abgesehen von Antiochia am Orontes und der Nilmündung bei Fidenzio gänzlich fehlen. Für Portolankarten aus der oberitalienischen Tradition der Kartographie, die auch in Fidenzios Heimatregion Venetien praktiziert wurde, war es indes üblich, ausschließlich die
Harvey, Cartography (1987), 473. Die erste erhaltene Regionalkarte, welche laut Harvey eindeutig aus der Darstellungstradition der Portolane schöpfte, ist die Italien-Karte in der Chronologia magna des Franziskaners Paolino Minorita, vgl. ebenda, 480–482 sowie BAV Vat. Lat. 1960, fol.266v; 267v–268r für die Karte. Wie schon sein Beiname suggeriert, stammte Paolino ebenso wie sein Ordensbruder Fidenzio aus Venetien und damit einem der Zentren zeitgenössischer Portolankartographie. Außerhalb Oberitaliens ist derweil kein Zusammenhang von Portolan- und Regionalkarten nachweisbar, was jedoch auch daran liegen mag, dass Katalonien neben Oberitalien das zweite große Zentrum der Portolankartographie war, aber die iberische Regionalkartographie bisher nur wenig erforscht wurde, vgl. Harvey, Maps (1987), 280. Harvey, History (1980), 140–142; Ders., Maps (1991), 73–77. Die erste Erwähnung einer Portolankarte findet sich für 1270 bei Guillaume de Nangis, Gesta sancti Ludovici. Ed. Daunou/Naudet, 444. Zum Entstehungszeitraum der Karten siehe Fußn. 301. BNF CPL GE DD-687. Die älteste Burchard-Karte besteht aus vier Pergamentstücken und umfasst 51,5 cm x 168 cm, der o. g. Vesconte-Portolanatlas umfasst dagegen nur 50 cm x 69 cm auf zwei Pergamentstücken und die Darstellung im Werk Fidenzios 35 cm x 24 cm auf einem Pergamentstück, vgl. BNF CPL GE DD-687; BNF Ms. Lat. 7242, fol. 122v; Harvey, Maps (2012), 94.
4.3 Wissensbestände
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Abb. 9: Portolankarte des östlichen Mittelmeeres aus der Werkstatt des Pietro Vesconte (1313).
Häfen an der Küste darzustellen und das Landesinnere unbeschrieben zu lassen.317 Drittens erinnert die lineare Abfolge von Häfen an der Levante auf der Karte des Franziskaners an die Konzeption des Raumes entlang der Küste auf zeitgenössischen Portolankarten und in Seehandbüchern wie dem Compasso de navegare.318 Die vereinzelten Regionsbezeichnungen wie Turchia, Romania oder Sclavonia, welche sich außerhalb der von Fidenzio avisierten Zielregion der Kreuzfahrer befanden, dienten vermutlich der Orientierung auf der schemenhaften Abbildung. Aus dem Fehlen einer autochthonen franziskanischen Tradition sowie den vorgenannten Übereinstimmungen mit den Karten aus der Portolan-Tradition lässt sich folgerichtig ableiten, dass Fidenzio (bzw. der Kopist des
Billion, Zeichen (2011), 231 f.; Campbell, Portolan Charts (1987), 392–395; Pujades i Bataller, Cartes portolanes (2007), 337. Compasso de navegare. Ed. Debanne, 35–125; Portolanfragment der Marciana. Ed. Kretschmer, 235–237. Die Seehandbücher halfen vermutlich bei der Nutzung von Portolankarten und bildeten möglicherweise sogar die Grundlage, auf der die ältesten Karten gezeichnet wurden, vgl. Gautier Dalché, Carte marine (2017), 103–106; Lanman, Origin (1984), 5–23; Pujades i Bataller, Cartes portolanes (2007), 176 f.
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Liber recuperationis) mit seiner schematischen Karte des östlichen Mittelmeerraumes höchstwahrscheinlich versuchte, die Portolankarten zu imitieren, welche er bei oberitalienischen Händlern oder Seeleuten gesehen hatte – freilich ohne das praktische Wissen eines durch jahrelange Zeichenroutine erprobten Kartographen mitzubringen. Den zweiten Problemkomplex, zu dessen Lösung die Orientexperten Wissenselemente aus dem Bestand des Fernhandels mobilisierten, bildete die Seeblockade des Ägyptenhandels. Wie bereits erwähnt, versuchten sowohl die Berater des geographisch-ethnographischen als auch die des militärischen Subtyps im Wissen um die geringe Reichweite der Galeeren einen Standort für die Blockadeflotte in unmittelbarer Nähe zu den Haupthandelswegen nach Ägypten auszumachen. Eine vielgenutzte Handelsroute des ausgehenden 13. Jahrhunderts lässt sich mithilfe des ältesten erhaltenen Kaufmannshandbuchs, der in den 1270ern von venezianischen Kaufleuten in Akkon verfassten Racione de Alexandria, nachvollziehen. Die beschriebene Route führte von Westen aus über die Inseln Kreta, Kasos sowie Zypern nach Akkon, von dort aus südlich entlang der Levante nach Alexandria und schließlich von Alexandria über Kreta wieder zurück in den Westen.319 Folgt man dem 1296 in Oberitalien entstandenen Compasso de navegare, so änderte sich diese Route auch in den folgenden Jahrzehnten nicht signifikant, das Seehandbuch erwähnt allerdings eine weitere Route, die über Sizilien entlang der nordafrikanischen Küste führte.320 Die von vielen Beratern vorgeschlagenen Inseln Arwad, Zypern und insbesondere Rhodos befanden sich demnach direkt an den Haupthandelswegen, was vermuten lässt, dass ihnen die Routen der lateineuropäischen Kaufleute, die in Ägypten Handel trieben, geläufig waren. Folgt man dem Compasso, so waren sowohl Arwad als auch Rhodos ferner als gute Häfen bekannt.321 Ähnlich wie bei dem Wissen über die Güter, welche die ägyptischen Hafenstädte aus dem westlichen Mittelmeerraum importierten, handelte es sich bei Handelsrouten und Häfen demnach um Wissen, das an den Höfen lateineuropäischer Herrscher allgemein verfügbar war und auch von politischen Entscheidungsträgern oder Finanzexperten wie Guillaume Durand abgerufen werden konnte.322 Zur allgemeinen Verbreitung dieses Wissens hatten höchstwahrscheinlich die bereits seit dem frühen 13. Jahrhundert andauernden Versuche der Päpste beigetragen, diesen Handel
Portolanfragment der Marciana. Ed. Kretschmer, 235 f. Für die Überlieferungsgeschichte sowie eine historische Einordnung der Racione siehe Jacoby, Manual (1986), 401–428. Compasso de navegare. Ed. Debanne, 76–81. Wenngleich der Text des Compasso auf 1296 datiert ist, so sind Teile des zu Grunde liegenden Portolans vermutlich wesentlich älter. Für diese Hypothese spricht vor allem die Erwähnung der Hafenstadt Manfredonia, welche nach dem Tod des Stauferkönigs Manfred (✶1232 †1266) von den siegreichen Anjou in Nuova Siponto umbenannt worden war, vgl. Debanne, Compasso (2011), 28–31. Compasso de navegare. Ed. Debanne, 72: En mecco de la dicta isola de Rode à bom porto. Ebenda, 73: La dicta isola de Tortosa [Arwad, Anm. d. V.] è bom porto êlla facca de ver terra êl capo de ver tramontana. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 105.
4.3 Wissensbestände
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durch Dekrete und Enzykliken zu unterbinden.323 Obgleich es ursprünglich dem Fernhandel entstammte, waren Teile des Wissens über den Ägyptenhandel also unter den Kreuzzugsplanern des frühen 14. Jahrhunderts längst zu Allgemeinwissen geworden. Bei dem Wissen über die ägyptischen Warenexporte sowie die Handelsrouten des vorderen Asiens handelte es sich indes um Spezialwissen, von dem nur wenige Berater wie Fidenzio von Padua, Guillelmus Adae und Marino Sanudo Gebrauch machten. Die Handelsgüter, welche man in den Häfen entlang der mediterranen Handelswege erwerben konnte, waren auch in vielen der zeitgenössischen Kaufmannshandbücher angegeben, meist zusammen mit Hinweisen, wie qualitativ hochwertige Produkte von minderwertigen unterschieden werden konnten.324 Der um 1315 in Florenz entstandene Nottario di piu chose nannte ähnlich wie Guillelmus und Sanudo Zimt, Rohrzucker, Ingwer, Färbemittel und Edelsteine als Handelswaren, die in Alexandria verfügbar seien, und identifizierte Indien als Herkunftsort einiger dieser Produkte.325 Abgesehen von Sanudo, der selbst aktiv in den mediterranen Seehandel involviert war, waren es also vor allem die Mendikanten unter den Kreuzzugberatern, welche aus dem (Orient-)Wissen der Fernhändler schöpften. Der Kenntnisstand der fraglichen Mönche war dabei durchaus profund und wurde von politischen Entscheidungsträgern gezielt eingeholt. Die aus Dominikanern und Franziskanern zusammengesetzte Sachverständigenkommission, die im Auftrag von Johannes XXII. den Liber secretorum des Marino Sanudo prüfte, korrigierte etwa dessen Darstellung der Handelswege Vorderasiens. Sanudo hatte dem Papst zuvor vorgeschlagen, den Indienhandel mittels einer Seeblockade der ägyptischen Hafenstädte auf die weniger genutzte Route über Persien bzw. Armenien umzuleiten, und dabei nicht erwähnt, dass mit dem Weg über das Schwarze Meer eine Alternative zur Abwicklung des indischen Warenverkehrs existierte.326 Die vier Mendikanten bemerkten allerdings umgehend, dass der Venezianer die Schwarzmeerroute unberücksichtigt gelassen hatte, welche zu diesem Zeitpunkt von Genua, dem ewigen Konkurrenten der Serenissima im Mittelmeerraum, kontrolliert wurde. Ihr Kenntnisstand erstreckte sich über die Handelsrouten hinaus auch auf
RN, Nr. 4403; Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 269 f. Siehe dazu Menache, Boycott (2012), 236–259; Ortalli, Venice (1995), 242–258; Stantchev, Embargo (2014), 35–40 sowie II.2.2.5. So etwa die Gewürzkunde im Zibaldone da Canal. Ed. Stussi, 75–78. Géographie des courants commerciaux. Ed. Bautier, 314: Trasi d’Alessandria: spezierie d’ongni ragone in grande quantita, е zuchero in pail е grande quantita, е chassia fistolo che nasce ne gardini d’Allessandria in grande quantita, е datteri alleasandrini, е safflore assai, е zenzaverate d’India е bonissima, е chonfetti d’ongni ragone, е bordi d’ongni ragone, assai е buoni; ellino assai, е perle d’Oriente, e rome d’ismeraldi, esmeraldi chonci, е rime di granati е granati chonci assai. Der Zibaldone da Canal listet für Alexandria neben anderen Produkten ebenfalls Pfeffer, Ingwer, Indigo, Zimt und Zuckerpulver, vgl. Zibaldone da Canal. Ed. Stussi, 66 f.; 68 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 23 f. Zum Schwarzmeerhandel siehe u. a. Abulafia, Asia (1987), 455–458; Barker, Black Sea (2014); Zelenko, Trade (2017), 449–464.
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die gehandelten Güter. In Hinblick auf Sanudos Plan zeigten die vier Gutachter sich beispielsweise unsicher, ob es überhaupt möglich sei, Zimt auf anderem Wege als über Ägypten zu beschaffen.327 Abgesehen von dem Wissen über die Handelswege des vorderen Asiens war Fidenzio von Padua, Guillelmus Adae, Marino Sanudo, Ramon Llull sowie den Experten aus Marseille auch der als khums bezeichnete Zoll bekannt, den christliche Händler in den nordägyptischen Hafenstädten entrichten mussten.328 Diese Abgabe war in den päpstlichen Dekreten über den Ägyptenhandel zuvor nicht erwähnt worden,329 findet sich dafür jedoch in mehreren zeitgenössischen Kaufmannshandbüchern wie der Racione de Alexandria (1270) oder dem Zibaldone da Canal (1311).330 Auch die ebenfalls in den Seehandel involvierten Experten aus Marseille erwähnten diese Abgabe, sodass es nur wenig verwundern mag, dass unter allen Kreuzzugsberatern der Venezianer Marino Sanudo die detailliertesten Angaben zu den ägyptischen Zöllen machen konnte. Im Gegensatz zu Fidenzio, der behauptete, alle Schiffskapitäne müssten ein Drittel des Wertes ihrer Ladung als Zoll an den Sultan entrichten, wusste Sanudo, dass die Zölle je nach Warenart und Herkunftsort der Kaufleute variierten, wobei auf Gewürze die höchsten Abgaben entfielen.331 Während dieses Wissen für Fernhandelskaufleute in ihren Geschäften von alltäglicher Relevanz war, befanden Berater wie Fidenzio es für wichtig, weil der Sultan jeden Tag (...) aus Alexandria etwa 1.000 alte Bezanten bekommt, die über 1.000 Florin wert sind, [und] aus denen der Sultan viele berittene Sarazenen bezahlen kann.332 Deutlich weniger Ratgeber äußerten sich dagegen zu den Akteuren des Ägyptenhandels auf lateineuropäischer Seite. Sowohl die Orientexperten als auch die Berater der anderen Subtypen verzichteten auf nähere Angaben darüber, woher die mali christiani stammten, die in den Ägyptenhandel involviert waren. Selbst der Venezianer Marino Sanudo übte sich in vornehmer Zurückhaltung, obwohl er aufgrund sei-
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3. Die Expertenkommission täuschte sich im Hinblick auf die Herkunft von Zimt, der zu diesem Zeitpunkt auf Ceylon bzw. Sri Lanka angebaut wurde. Im Mittellateinischen firmierten allerdings diverse Spezereien unter dem Ausdruck cassia, sodass sich nicht mit letzter Gewissheit ermitteln lässt, welches Gewürz die Kommission an dieser Stelle gemeint hat, vgl. Dilg, Zimt(baum) (1998), 618 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 47; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 408 f.; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 249; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 23 f.; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 337. Zur khums siehe Abulafia, Asia (1987), 435; Rabie, Financial System (1972), 91–93. Leopold, Holy Land (2000), 122 f.; Stantchev, Embargo (2014), 18. Jacoby, Manual (1986), 401–428; Zibaldone da Canal. Ed. Stussi, 65. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 47; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 249; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 23 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 47: Soldanus omni die (...) habet de Alexandria circa mille bisantios veteres, qui valent ultra mille florenos, de quibus Soldanus potest stipendiare multos equites Sarracenos.
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ner eigenen Beteiligung am Levantehandel in dieser Sache sicherlich gut informiert war.333 Allein Guillelmus Adae, dem auch Fried einen sachkundigen Blick auf den Fernhandel und die Hochfinanz seiner Zeit attestiert hat,334 sowie die Berater Heinrichs II. von Lusignan machten genauere Angaben über die lateineuropäischen Kaufleute, die mit Ägypten Handel trieben. Letztere berichteten über eine genuesische Handelsgaleere, welche von der königlichen Flotte mit einer Ladung Nutzholz aus Anatolien auf dem Weg in die Länder des ägyptischen Sultans aufgebracht wurde.335 Die Darstellung des Königs von Zypern deckt sich partiell mit den Angaben von Guillelmus Adae, der Katalanen, Pisaner, Venezianer, insbesondere aber Genuesen als Protagonisten der Ägyptenfahrten ausmachte und feststellte: es gibt in Genua kaum eine adelige Familie und nicht einmal eine von irgendeiner Geltung [aus] dem Volk, von der nicht einige [Angehörige] nach Alexandria gehen oder geschickt werden, von denen manche [wiederum] junge Sklaven und manche anderes Verbotenes transportieren.336 Als besonders hartnäckigen Delinquenten identifizierte der Dominikaner den genuesischen Kaufmann Segurano Salvaygo († um 1323), der mit anderen Mitgliedern seiner Familie im Handel mit Sklaven aus der Schwarzmeerregion aktiv sei und Gesandte des ägyptischen Sultans ins Reich der Goldenen Horde transportiere, weshalb der Sultan ihn sogar als Bruder betrachte.337 Kedar hat anhand genuesischer Notariatsbücher und arabischer Chroniken nachweisen können, dass Segurano gemeinsam mit seinem Bruder Ambrosio im frühen 14. Jahrhundert tatsächlich zu den prominenten Akteuren des Schwarzmeerhandels zählte und Kontakt mit dem ägyptischen Sultan an-Nāṣir Muḥammad I. (✶1285 †1341) sowie Tohtu Khan (†1312) von der Goldenen Horde pflegte.338 Der Sultan überließ ihm im Jahr 1310 sage und schreibe 60.000 Denare, die Segurano in dessen Namen gewinn-
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 46–49; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 27–30; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 445 f. Es ist anzunehmen, dass Sanudo sich aufgrund der Beteiligung wichtiger venezianischer Kaufleute nicht schriftlich in dieser Sache äußerte, denn nur ein Jahr nachdem er sein Rückeroberungstraktat Johannes XXII. überreicht hatte, sandte der Papst zwei Legaten nach Venedig, um dort Geldstrafen von 59 venezianischen Kaufleuten einzufordern, die verdächtigt wurden, in den verbotenen Ägyptenhandel involviert zu sein. Die Beschuldigten, von denen viele aus der venezianischen Aristokratie stammten, scheinen die Strafgelder ohne Beschwerden gezahlt zu haben. Die Quelle der Anschuldigungen lässt sich indes nicht ausmachen, vgl. Ashtor, Trade (1983), 47 f.; Ortalli, Venice (1995), 248–251; Stantchev, Embargo (2014), 138–143. Fried, Globalisierung (2015), 215. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 122. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 34: quid vix sit Ianue aliqua nobilis parentela necque alicuius valoris sit aliqua popularis cuius aliqui Alexandriam iverint vel miserint quorum aliqui pueros aliqui alia prohibita portaverunt. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 26–34. Kedar, Segurano (1993), 77 f. Die Behauptung des Dominikaners, Segurano allein habe den Sultan durch seine Handelsfahrten mit 10.000 Sklaven versorgt, ist indes als polemische Übertreibung zurückzuweisen, vgl. Barker, Black Sea (2014), 393; Ehrenkreuz, Slave Trade (1981), 335–345.
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bringend investieren sollte. Zehn Jahre später organisierte der Genuese im Auftrag von Tohtus Nachfolger Usbek (✶1282 †1341) die sichere Überfahrt der Nichte des Khans nach Ägypten, wo an-Nāṣir Muḥammad I. sie zur Frau nahm, um das Bündnis zwischen Ägypten und der Goldenen Horde zu festigen.339 Segurano war überdies ein wichtiger Unterhändler für den Loskauf lateinischer Christen aus der Gefangenschaft des Sultans und verhandelte unter anderem die Freilassung des späteren Kreuzzugsberaters Roger von Stanegrave, sodass Guillelmus nicht falschlag, ihn als prominentes Bindeglied zwischen Genua und Ägypten zu porträtieren.340 Überhaupt war der Dominikaner bemerkenswert gut informiert über die Geschäfte genuesischer Kaufleute, denn er war auch der erste zeitgenössische Autor, der das als officium robarie bekannte Pirateriemagistrat der ligurischen Kommune beschrieb, das vermutlich erst kurz zuvor an der Wende zum 14. Jahrhundert gegründet worden war.341 Diese Institution ermöglichte es fremden Kaufleuten, deren Schiffe oder Waren von genuesischen Bürgern gekapert worden waren, auf dem Rechtsweg eine finanzielle Entschädigung zu erlangen. Guillelmus missfiel daran, dass dieses Magistrat auch von den Händlern, deren Schiffe aufgrund einer Missachtung des Ägypten-Embargos aufgebracht worden waren, in Anspruch genommen wurde.342 Wie gelangte das Spezialwissen der Fernhändler also in die Kreuzzugsplanungen, obwohl sich unter den Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps kein solcher Kaufmann fassen lässt? Abgesehen von bereits thematisierten Faktoren wie der pragmatischen Ausrichtung des Wissens sowie dem permanenten Konkurrenzdruck hielten die Fernhändler sich von den höfischen Kreuzzugsplanungen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts wahrscheinlich vor allem aufgrund der beständigen Gefahr fern, sich selbst dem Verdacht auszusetzen, in den Alexandriahandel involviert zu sein. Die für geographisch-ethnographische Berater übliche Beteuerung, den Orient selbst bereist zu haben, bedeutete für Fernhändler nicht allein die performative Inszenierung der eigenen Expertise, sondern provozierte bei den anderen Kreuzzugsplanern zugleich die Folgefrage, welchen Geschäften man während dieser Reisen nachgegangen sei. Der einzige im Fernhandel aktive Kreuzzugsberater, der sich ausführlich zur Geographie und Ethnographie des Orients (19%) äußerte, war Marino Sanudo, der in dieser Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung bildete. Sein Beispiel illustriert deutlich den Rechtfertigungsdruck, dem die Fernhandelskaufleute sich ausgesetzt sahen: In der Vorrede seines Rückeroberungstraktes, die wahrscheinlich zusammen mit einem Kredenzschreiben des Dogen 1321 vor Johannes XXII. sowie dem Konsistorium verlesen wurde, betonte der Venezianer zunächst in der üblichen Diktion, dass er mehrmals in Zypern, Alexan-
Balard, Commerce (2012), 131; Barker, Black Sea (2014), 392; Kedar, Segurano (1993), 80 f. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 311. Zehn Jahre zuvor hatte Segurano überdies den Loskauf des Genuesen Matteo Zaccaria ausgehandelt, vgl. Kedar, Segurano (1993), 84. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 36–38. Kedar, Officium robarie (1985), 331–372; Mas Latrie, Officium robarie (1892), 264–272.
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dria, Armenien, Rhodos und Akkon gewesen sei, nur um unmittelbar im Anschluss zu beteuern: aber nicht gegen das Verbot [aus] der kirchlichen Vorschrift (...).343 Die Orientexperten, welche auf das Spezialwissen aus dem Fernhandel zurückgriffen, verfügten demnach nicht über einen direkten, sondern nur über einen indirekten Zugang zu diesem Wissensbestand. Die Quelle ihres Wissens waren jedoch keineswegs schriftliche Zeugnisse wie die bereits erwähnten Kaufmanns- und Seehandbücher, sondern die Interaktion mit den Kaufleuten selbst. Fidenzio von Padua berichtete davon, dass er aus den Erzählungen der Kaufleute von den Zöllen erfahren habe, die der Sultan in den nordägyptischen Hafenstädten erhob.344 Auch Guillelmus Adae erklärte, sein Wissen über die Regionen südlich des Äquators stamme von Händlern und anderen vertrauenswürdigen Männern, welche diese Gegenden im Gegensatz zu ihm selbst bereist hätten.345 Einige der Berater anderer Subtypen hatten ebenfalls einen solch indirekten Zugriff auf das Wissen aus dem Fernhandel, so bemerkte Ramon Llull gegenüber Nikolaus IV., er habe sich hinsichtlich der Versorgung des Kreuzfahrerheeres mit Nahrungsmitteln von Kaufleuten beraten lassen.346 Dass der Transfer von Wissen aus diesem Bestand in die Kreuzzugsplanungen offenbar größtenteils durch die Interaktion mit Kaufleuten erfolgte, erklärt ferner, warum insbesondere Mendikanten wie Guillelmus Adae oder Fidenzio von Padua Zugriff darauf hatten. Die Dominikaner und Franziskaner, welche als Missionare nach Asien aufbrachen, schlossen sich auf ihrem Weg durch unbekannte Regionen aus Gründen der Sicherheit und Orientierung meist Handelskarawanen an.347 Im Inneren Asiens waren Mendikanten zudem oft die einzig verfügbaren römisch-christlichen Geistlichen, sodass die Kaufleute aus dem Westen sich an diese wenden mussten, wenn sie die Sakramente empfangen wollten. Der Dominikanermissionar Jordanus Catalanus erzählte beispielsweise, er habe in der indischen Hafenstadt Thane vor lateineuropäischen Händlern gepredigt. Dieselben Händler sollen ihn wenig später darüber informiert haben, wie Äthiopien und Ägypten sich von Indien aus auf dem Seeweg erreichen lie-
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 2 f.: Vere dicere possum, sitiuit anima mea presentem diem, in qua totales libros, iuxta votum, valerem praedictae sanctitatis vestrae pedibus praesentare: cum ut eosdem exequtioni mandarem quinqies transfretaverim ultra mare, quandoque in Cyprum, quandoque in Armeniam, quandoque in Alexandriam, quandoque vero in Rodum. Nihilominus, prius quam super dicta causa scribere sum aggressus, vicibus multis extiteram in Alexandria et Acon: non tamen contra inhibitionem Ecclesiasticae Sanctionis (...). Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 47: Et audivi narrari a mercatoribus, quod de tribus navibus valor unius navis, id est mercationum que portantur a Xpistianis, remanent Sarracenis. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 384: Processi ultra versus meridiem ad locum ubi polum nostrum arcticum non videbam, et videbam polum antarticum circa XXIIII gradibus elevatum. Ab isto loco ulterius non processi. Mercatores vero et homines fide digni passim ultra versus meridiem procedebant, usque ad loca ubi asserebant polum antarticum quinquaginta quatuor gradibus elevari. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 340. Fried, Globalisierung (2015), 213–215.
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ßen.348 Wenngleich außer Frage steht, dass dieser geteilte Raum die Kommunikation unausweichlich machte, lässt sich für die überwiegende Mehrzahl der Orientexperten nicht genau ermitteln, wer genau die Kaufleute waren, von denen sie ihr Wissen bezogen oder woher diese Kaufleute stammten. Der indirekte Zugriff auf das Wissen aus dem Fernhandel erlaubte es den Orientexperten jedoch nicht, die verwendeten Wissenselemente aus ihrem ursprünglichen Handlungszusammenhang herauszulösen, weshalb der Wissenstransfer aus diesem Bestand in die Kreuzzugsplanungen stets auf die Lösung der gleichen Typen von Problemen abzielte. Wie bereits deutlich wurde, gab es mit Marino Sanudo allerdings einen Ratgeber, der direkt auf den kaufmännischen Wissensbestand zugriff und dessen Wissenselemente dementsprechend auch auf andere Problemkomplexe zu übertragen vermochte. Obgleich der Venezianer sich mitunter auch als Orientexperte inszenierte, so fällt er doch aufgrund der generalistischen Ausrichtung seines Werkes sowie des Einsatzes gelehrter Wissensbestände aus dem für Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps üblichen Rahmen und muss aus diesem Grund gesondert behandelt werden.349
4.3.3 Mission Einen weiteren Bestand, aus dem die geographisch-ethnographischen Berater ihr Spezialwissen über den Orient schöpften, bildete die Missionstätigkeit. Im frühen Mittelalter war die Mission seitens der römischen Kirche dezentral organisiert gewesen und die Päpste hatten bei der Entsendung von Missionaren meist auf Anfragen aus den Ortskirchen in christlichen Grenzregionen reagiert, doch in einem langsamen Prozess zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert „papal activities shifted toward regular planning from the side of the curia, and popes started actively to address regions no longer or not yet Christian.“350 Die Öffnung Asiens durch den Aufstieg des Mongolenreichs führte im 13. Jahrhundert schließlich zu einer Globalisierung der Missionstätigkeit, infolge derer Päpste nun auch entfernte Regionen wie Indien und China gezielt in den Fokus nahmen.351 Die Träger dieser globalen Mission waren die neugegründeten Orden der Dominikaner und Franziskaner, denen auch geographisch-ethnographische Berater wie Guillelmus Adae, Fidenzio von Padua und vermutlich auch einige der Ratgeber angehörten, welche die Memoria Terre Sancte verfassten. Über Mendikanten wie Guillelmus Adae, der als Missionar in Armenien, Persien, Indien und Äthiopien gewirkt hatte, hielt das im Rahmen der Missionstätigkeit gewonnene Wissen wiederum Einzug in die höfischen Kreuzzugsplanungen des 13. und 14. Jahrhunderts.
Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 310 f. Siehe dazu II.5.3. Schmieder, Missionary Activity (2016), 333. Kedar, Crusade (1984), 136–158; Schmieder, Missionary Activity (2016), 344–349.
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Im Unterschied zur Kriegführung, die größtenteils auf praktischem Wissen basierte, das Akteure sich durch Routinehandeln aneigneten, stammte das Spezialwissen der mendikantischen Missionare aus einem vergleichsweise kohärenten Bestand propositionalen Wissens, das innerhalb der Orden aufgezeichnet und weitergegeben wurde. García Espada hat zum Beispiel signifikante Übereinstimmungen in der Darstellung Ostafrikas zwischen dem Directorium des Guillelmus Adae und den ebenfalls in den 1330ern entstandenen Mirabilia descripta des Indienmissionars Jordanus Catalanus herausgearbeitet, die darauf hinweisen, dass die beiden Dominikaner ihr Wissen aus demselben Bestand bezogen und es untereinander austauschten.352 Ihr Austausch betraf indes nicht allein die Asienmission, sondern auch die Rückeroberungsfrage. Wie ein Brief aus dem Jahr 1323 belegt, war Jordanus nämlich der Plan einer Seeblockade des ägyptischen Indienhandels durch eine aus dem Golf von Aden heraus operierende Flotte bekannt, den Guillelmus wenige Jahre zuvor entworfen hatte.353 Folglich kann von einer stetigen Wissenszirkulation im Umfeld der Dominikaner ausgegangen werden, die im Nahen Osten und Asien missionarisch tätig waren. Der Franziskanerorden war in dieser Hinsicht ähnlich organisiert; Gautier Dalché hat etwa nachweisen können, wie die von Fidenzio gezeichnete Karte des östlichen Mittelmeerraumes in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ihren Weg in eine Dante-Handschrift fand, die im Umfeld des Franziskanerkonventes von Padua entstanden ist.354 An der Kurie war es deswegen allgemein üblich, Missionare aus den Reihen der Franziskaner oder Dominikaner als geographisch-ethnographische Kreuzzugsberater zu konsultieren: Clemens V. vertraute auf den Rat des Franziskaners Filippo Busseri und Johannes XXII. ließ sich neben Guillelmus Adae auch von anderen Asienmissionaren wie den Mendikanten Boentio de Ast(uria) und Iacobo de Cammerino beraten.355 Mitunter wurden Missionare wie etwa der zuvor erwähnte Filippo Busseri sogar von Päpsten abkommandiert, um vor Ort aktiv Erkundigungen für den Kreuzzug einzuholen. An den Höfen weltlicher Herrscher waren dagegen deutlich weniger Missionare an den Kreuzzugsplanungen beteiligt: Die prominente Position der Franziskaner als Ratgeber am Hof von König Jakob II. von Aragon hat die Forschung bereits mehrfach herausgestellt, der französische König Philipp VI. ließ sich von Guillelmus Adae bera-
García Espada, Marco Polo (2009a), 181–185. Siehe dazu auch Delacroix-Besnier, Dominicains (2004), 265–267. Guillelmus und Jordanus setzten sich zwischen 1317 und 1321 gleichermaßen bei Johannes XXII. für die römisch-christliche Mission der Bewohner Äthiopiens ein, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 224 f. In dem auf Januar 1323 datierten Schreiben wandte Jordanus sich an seine Brüder in Persien und bat sie darum, den ungewöhnlichen Vorschlag der Ägypten-Blockade umgehend an Papst Johannes XXII. weiterzuleiten, vgl. Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 313. Siehe dazu auch Richard, Navigations (1976), 360. Gautier Dalché, Cartes (2010), 81–83. Für die beiden Karten siehe BA Ms. C 198 inf., fol. 103v; BNF Ms. Lat. 7242, fol. 122v. Zur Überlieferungsgeschichte der Ambrosiana-Handschrift siehe Roddewig, Dante Alighieri (1984), 179–180, Nr. 430. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f.; Surdich, Busseri Filippo (1972), 556 f.
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ten und der englische Herrscher Eduard I. vertraute auf die Orientkenntnis der Dominikaner Thomas von York und Johannes von Wrotham.356 Jenseits des Subtyps der geographisch-ethnographischen Berater schöpfte vor allem der katalanische Gelehrte Ramon Llull für seine Kreuzzugspläne, die weniger Rückeroberungstraktate als vielmehr Missionarshandbücher waren, aus dem Bestand an Orientwissen, welcher infolge der Missionstätigkeit entstanden war.357 Wie das vorgenannte Beispiel des Fidenzio von Padua illustriert, zeichnete der distinguierende Blick des Missionars sich im Gegensatz zum Beobachtungsmodus des Kreuzfahrers oder Kaufmanns durch den Versuch aus, die kollektiv geteilten Sinnwelten nichtchristlicher Ethnien zu erschließen und zu typisieren. Da die gewaltsame (Zwangs-)Konversion Andersgläubiger von der Patristik verboten und überdies aufgrund der außerhalb des lateinischen Europas vorherrschenden Machtverhältnisse meist ohnehin nicht möglich war, versuchten Missionare sie mittels Rhetorik, Disput sowie des „Zwangs des besseren Arguments“ zu konvertieren. Solche Formen des Kontakts mit dem Orient und seinen Bewohnern machten wiederum im Gegensatz zur routinemäßigen Kriegführung im Rahmen der Kreuzzüge „das Bemühen um eine verstehende Durchdringung der fremden Kultur zumindest dort unerlässlich, wo sie auf die natürliche Vernunft der zu Missionierenden rekurrierten, weil sie in den Sinnsystemen der fremden Kultur nach Anknüpfungspunkten für die Vermittlung des eigenen Sinnsystems suchen mussten. Das heißt nicht, dass die eine Gruppe das kulturelle Sinnsystem einer fremden Gesellschaft besser verstehen oder richtiger beschreiben konnte als die andere; es heißt nur, dass ihre Praxis eine solche Beschreibung (...) nahelegte, weil sie als operative Ausgangsbasis für diese Praxis unerlässlich war.“358 Münkler spricht diesbezüglich von „operativem Wissen“ der Missionare über Anknüpfungspunkte an die außerchristlichen religiösen Sinnwelten, das jedoch der ständigen Aktualisierung bedurfte, um den fortlaufenden Handlungserfolg sicherzustellen.359 Auf Basis dieses Wissens hatte sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine ausgefeilte Missionstheorie entwickelt, innerhalb derer lateinische Theologen ebenso wie Missionare die missionarische Tätigkeit sowie die Bedingungen ihres Erfolges in Form von schriftlichen Abhandlungen reflektierten.360 Roger Bacon etablierte beispiels [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 368; Schlieben, Macht (2010), 196–200; Surdich, Busseri Filippo (1972), 556 f.; TNA C 54/122/6d; TNA E 101/308/31; Webster, Archives (1980), 547 f. Llull selbst bat in seinen Petitionen an die Päpste Coelestin V. und Bonifaz VIII. darum, als erster oder einer der Ersten in die Länder der Muslime geschickt zu werden, vgl. Petició de Ramon al Papa Celestí V. Ed. Perarnau, 29–43; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 149. Münkler, Erfahrung (2000), 19. Münkler, Erfahrung (2000), 19 f. Münkler unterscheidet diesbezüglich zwischen nicht-diskursiviertem Wissen der Missionare in Briefen sowie diskursiviertem Missionarswissen in Reiseberichten und missionstheoretischen Werken, welches allerdings für die missionarische Praxis nur wenig wirksam gewesen sei, vgl. Münkler, Erfahrung (2000), 71–83.
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weise in seinem Opus maius eine Systematik aller bekannten Glaubensrichtungen, die nach der Schwierigkeit geordnet war, ihre Anhänger zum römischen Christentum zu bekehren, und schöpfte dabei aus dem Wissen, das seine Ordensbrüder Johannes von Plano Carpini und Wilhelm von Rubruck zuvor in ihren Reiseberichten gesammelt hatten.361 Der Kreis dieser Missionstheoretiker überschnitt sich wiederum mit dem der Kreuzzugsberater, denn Akteure wie Humbert von Romans, Wilhelm von Tripolis oder Ramon Llull waren als Missionare tätig, verfassten missionstheoretische Traktate und wurden andererseits auch auf kirchlichen Konzilien als Berater in Kreuzzugsfragen konsultiert.362 Llull stellte in seinen missionstheoretischen Schriften heraus, die erfolgreiche Missionstätigkeit erfordere sowohl die Kenntnis der Sprache des Gegenübers als auch eingehendes Wissen über den Irrglauben, den es zu missionieren galt.363 Das aufgrund dieser Erfordernisse gesammelte Beobachtungswissen, das partiell auch in die Missionstheorie überführt und dort systematisiert wurde, war dementsprechend der primäre Wissensbestand, aus dem Ratgeber wie Fidenzio oder Guillelmus ihr Spezialwissen über die Bewohner des Orients schöpften. Die ursprünglich missionarische Ausrichtung des von Fidenzio verwandten Spezialwissens äußerte sich etwa in Wissenselementen, die für den Einsatz in der Kreuzzugsplanung kaum rekonfiguriert worden waren. So integrierte der Franziskaner eine Geschichte des Islam in sein Rückeroberungstraktat, die allerdings nicht dazu dienen sollte, Missionare über den Glauben der Muslime in Kenntnis zu setzen, sondern dazu, den Kampf gegen die Muslime als gerechten Krieg zu legitimieren.364 Rubin hat herausgestellt, dass Fidenzio dabei eingehend aus dem Wissen der römisch-christlichen Missionare in Akkon schöpfte, was wiederum die inhaltlichen Parallelen seiner Darstellung des Islam zu der deutlich ausführlicheren Notitia de Machometo Wilhelms von Tripolis erklärt, der für seine missionstheoretische Abhandlung ebenfalls aus diesem Wissensbestand schöpfte.365 Ähnlich wie im Fall von Kriegführung und Kreuzzugsgeschichte er Roger differenzierte dabei zwischen (1) Heiden bzw. pagani, (2) Götzenanbetern bzw. idolatrae, (3) Mongolen bzw. tartari, (4) Juden, (5) christlichen Schismatikern sowie (6) den künftigen Anhänger des Antichristen, vgl. Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 2, 370–372. Zu Rogers Rezeption des durch seinen Ordensbruder Wilhelm von Rubruck verfassten Reiseberichts siehe Charpentier, William of Rubruck (1935), 255–267. Schmieder, Worlds (2016), 105–117; Jotischky, Mеndiсants (2004), 88–106. So u. a. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 254 f.; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 340 f. Diese Position war keineswegs außergewöhnlich, sondern beschreibt vielmehr den Konsens unter den Missionaren der Zeit, vgl. Münkler, Erfahrung (2000), 77. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 16–19. Rubin, Learning (2018), 115–120; Wilhelm von Tripolis, Notitia de Machometo. Ed. Engels, 191–261. Wissenselemente aus diesem Bestand entstammten einerseits der Beobachtung, so beschrieb Fidenzio sein Gespräch mit einem Moslem aus dem ägyptischen Heer über den christlichen Glauben, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 21. Andere Wissenselemente gingen dagegen auf arabische Werke bzw. deren lateinische Übersetzungen zurück oder kamen aus dem Beobachtungswissen, das im Rahmen der Missionstheorie systematisiert und verschriftlicht worden war. Fidenzio übernahm beispielsweise einige seiner Aussagen über den Islam wortwörtlich aus der
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folgte diese Auseinandersetzung mit den Glaubensgemeinschaften des vorderen Asiens jedoch nicht allein auf Grundlage von Beobachtung, sondern mithilfe von Typisierungen, die Theologen in den vorangegangenen Jahrhunderten als Toposwissen etabliert hatten. Fidenzio und Guillelmus vertrauten bei ihrer Beschreibung der orientalischen Christen weitgehend der von den Kirchenvätern etablierten Terminologie und versuchten deshalb die Glaubensgemeinschaften, welche ihnen begegnet waren, unter zu diesem Zeitpunkt bereits anachronistischen Ausdrücken wie „Jakobiten“ oder „Nestorianer“ zu subsumieren. Obgleich auf Begriffsebene derartiges Toposwissen persistierte, vermochten die Orientexperten auf handlungspraktischer Ebene durchaus zwischen zeitgenössischen Glaubensgemeinschaften zu unterscheiden: Fidenzio bezeichnete einerseits die maronitischen Christen Syriens als Jakobiten, obwohl diese bereits im 7. Jahrhundert das monophysitische Bekenntnis der Jakobiten verworfen hatten. Andererseits empfahl er den Kreuzfahrern ein Bündnis mit den Xpistiani Suriani, die im Libanongebirge leben würden, womit fraglos die Maroniten gemeint waren, und grenzte sie somit von den weiter im Norden lebenden syrisch-orthodoxen (d. h. jakobitischen) Christen ab.366 Wenngleich das Wissen der Missionare aus der Beobachtung der Sinnwelten orientalischer Ethnien resultierte, wandten diese sich bei der Auslegung der daraus gewonnenen Erfahrungen also keineswegs in Gänze von bereits bestehenden Typisierungen ab. Der Unterschied von Spezialwissen aus der Missionstätigkeit und dem aus anderen Wissensbeständen wird besonders deutlich im Vergleich der Via ad Terram Sanctam mit der Memoria Terre Sancte, deren Verfasser die Darstellung möglicher Kreuzzugsrouten aus der 15 Jahre älteren Via oder einem analogen Kreuzfahreritinerar kopiert hatten.367 Beide Werke weisen in ihrer Darstellung des Orients zwar große, teils sogar wortwörtliche Übereinstimmungen auf, allerdings enthielt die Via keine Beschreibung der Bewohner des Orients, während die Verfasser der Memoria sich eingehend den Mongolen sowie den nationes Saracenorum widmeten. Unter anderem erwähnten sie die Beduinen und Choresmier, die nicht in Häusern oder Dörfern leben, sondern in den Bergen und Wüsten und sich dem Sultan nicht fügen, obwohl sie ihr Tierfutter aus dem Land des Sultans beziehen.368 Dies sei auch für die Kreuzfahrer relevant, so die Berater weiter, weil die Beduinen sich in ihre Wüsten zurückziehen und den Sultan nicht unterstützen würden, sofern sie mit einem starken Heer konfrontiert seien. Den knappen Vorschlag aus der Via, die Kreuzfahrer sollten sich mit dem Ilkhan verbünden,
Doctrina Mahumet Hermanns von Dalmatien (auch: Hermann von Carinthia bzw. Kärnten), vgl. Rubin, Learning (2018), 117 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 13; 55; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 387; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 112 f. Zur maronitischen Kirche siehe Breydy, Maroniten (1992), 169–171; Richard, Papaute (1998), 47 f. Siehe dazu II.4.1.2. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 443: que non in domibus nec in villis habitant, sed in montanis, et desertis, nec soldano obediunt, licet pasturas sibi ex terra soldani emant.
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ergänzten die Verfasser der Memoria wiederum um eine Mahnung zur Vorsicht vor dem fremden Volk, denn es ist bekannt, dass die Tataren ein derart überhebliches Volk sind, dass sie die übrigen Völker verachten, und offen sagen, dass sie den ganzen Erdkreis beherrschen müssen und alle Menschen ihnen gehorchen sollen.369 Die superbia der Mongolen hatten bereits die Mendikanten des 13. Jahrhunderts als Problem für die christliche Missionstätigkeit wahrgenommen und dieses Wissen anschließend in Form ihrer Briefe sowie Reiseberichte an ihre Ordensbrüder weitergegeben, woran die Verfasser der Memoria an dieser Stelle offenbar anknüpften.370 Überdeutlich wird der Ursprung dieses Spezialwissens über die Ethnien des Orients in der Missionstätigkeit allerdings in Bezug auf die Kurden, welche laut den Verfassern der Memoria so weit abseits von den Städten und dem Einfluss des Sultans siedeln würden, dass sie sich möglicherweise zum (römischen) Christentum konvertieren und auf diese Weise als Verbündete für die Kreuzfahrer gewinnen ließen.371 Die Missionstätigkeit wurde somit zu einer Erfolgsbedingung für den Kreuzzug und christliche Missionare zu einer Art Vorhut des Kreuzfahrerheeres. Der enge Zusammenhang von Kreuzzug und Mission, den die Autoren der Memoria sahen, war allerdings keineswegs ein Ausnahmefall innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts. Obgleich Teile der modernen Kirchengeschichtsschreibung nach wie vor eine fundamentale Dichotomie zwischen den friedlichen Missionaren einerseits und den gewalttätigen Kreuzfahrern andererseits postulieren,372 hat die historische Forschung inzwischen herausgestellt, dass „the crusades and the Christian mission were deeply intermingled, and, generally, they mutually supported each other.“373 Während die Kreuzzüge des 11. und 12. Jahrhunderts von Päpsten und Theologen gleichermaßen als Verteidigung der orientalischen Christen und heiligen Stätten legitimiert wurden, begannen Päpste wie Innozenz IV. im Laufe des 13. Jahrhunderts die Kreuzzüge in den Orient ebenso wie diejenigen im Baltikum und auf der iberischen Halbinsel zugleich auch als Mittel zu interpretieren, mit dessen Hilfe die gesamte Welt zum römischen Christentum bekehrt werden konnte, wie es Christus selbst laut dem Matthäusevangelium gefordert hatte.374 Das Kirchenrecht untersagte es zwar, Juden oder Muslime allein aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen anzugreifen, doch
Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 447: sciendum est quod Tartari sunt gentes ita superbi quod reliquas gentes despiciunt, dicentes aperte quod toti orbi debent dominari et omnes homines sibi obedire debent. So etwa Johannes von Plano Carpini, Storia dei Mongoli. Ed. Menestò, 246: Superbissimi sunt aliis hominibus et despiciunt omnes, immo quasi pro nichilo reputant eos, sive nobiles sive ignobiles sint. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 443 f. So u. a. Mayer, Ramon Llull (2014), 143–156; Sievernich, Mission (2009), 68–70; 119 f.; Throop, Criticism (1940), 288. Schmieder, Worlds (2016), 108. Siehe dazu auch Bombi, Celestine III (2008), 144–158; Ensenyat, Pacifism (2008), 137–144; Kedar, Crusade (1984), 131–135. Schmieder, Missionary Activity (2016), 344–349. Siehe dazu Mt 28,19–20 (Vulgata): Euntes ergo docete omnes gentes baptizantes eos in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti docentes eos servare omnia
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sah man sich in der Verwendung von Waffengewalt legitimiert, wenn muslimische Herrscher die Ausübung der Missionstätigkeit gewaltsam behinderten.375 Das Verhältnis von Mission und Kreuzzug im ausgehenden 13. Jahrhundert brachte Ramon Llull anhand der biblischen Zwei-Schwerter-Allegorie auf eine einfache Formel: Wenn die gewaltlose Konversion durch Predigt und Disput, also das gladius spiritualis, auf unüberwindbaren Widerstand stoße, solle das gladius corporalis, also der Kreuzzug, zum Einsatz kommen, um diesen Widerstand gewaltsam zu brechen.376 Die Polyvalenz der von den geographisch-ethnographischen Beratern verwandten Wissenselemente erklärt sich demnach daraus, dass der Erwerb operativen Wissens im Rahmen der christlichen Mission eng mit dem Kreuzzug verbunden war. Während sie versuchten, die Sinnwelten fremder Glaubensgemeinschaften durch Beobachtung zu erschließen, prüften die Missionare ihre neugewonnenen Erfahrungen auch stets im Hinblick auf einen möglichen Nutzen für die Kreuzzugsplanung. Denn es war der Kreuzzug, dessen Gelingen für sie den nachhaltigen Erfolg der Missionstätigkeit sicherstellte. Als Jordanus Catalanus während seiner Missionsreise in Indien von Äthiopien sowie dem Warenverkehr im Indischen Ozean erfuhr, bestimmte er dieses Wissen als kreuzzugsrelevant und versuchte umgehend, es schriftlich an Johannes XXII. weiterzugeben, damit dieser es in den Kreuzzugsplanungen verwerten konnte.377 Auch Guillelmus Adae befand sich in solch einer dualen Situation des Wissenserwerbs. Als Missionar hatte er Kleinasien bereist und war aufgrund seiner Beobachtungen zu dem Ergebnis gekommen, die Häresie der griechisch-orthodoxen Christen sei derart hartnäckig, dass selbst die zum römischen Christentum konvertierten Nachkommen von Griechen und Lateinern unstet im Glauben, betrügerisch in Versprechen, lügnerisch in Worten, listig in Verbrechen, unkundig im Guten (...) zu Aufständen geneigt und vieles Weitere seien.378 Aus diesem Grund erachtete er das Instrument des Kreuzzuges als ein-
quaecumque mandavi vobis et ecce ego vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem saeculi. CIC D 45, c. 5; CIC X 3.42.3. Siehe dazu Kedar, Conversion (1985), 321–332. Einer der ersten Theologen, der das Zusammenspiel von Kreuzzug und Mission postulierte, war der Kreuzfahrer und spätere Bischof Oliver von Paderborn. In einem an den ägyptischen Sultan al-ʿKāmil (✶1180 †1238) gerichteten Brief stellte er fest: Si gens tua [die Muslime, Anm. d. V.] doctrinam Christi et praedicatores eius publice admitteret, ecclesia Dei gladium verbi Dei libenter ei mitteret et ad consortium fidei catholice gaudens invitaret. Sed quoniam aliud remedium non invenit contra potentiam Sarracenorum, lex catholicorum principum gladio materiali ad defensionem Christianitatis et iuris sui recuperationem licenter utitur. Nam vim vi repellere omnes leges et omnia iura permittunt. Zit. nach Kedar, Crusade (1984), 216. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 276 f. Siehe dazu auch Compagno, Intent (2013), 65–84; Ensenyat, Pacifism (2008), 137–144; Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 15–23. Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 313. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 490 f.: Et vocantur gasmuli qui a patri greco et matre latina, vel qui ex patre latino et matre greca fuerunt generati. Hii in fide instabilis, in promisso fallaces, in verbo mendaces, astuti in malo, ignorantes in bono, protervi ad superiores, indignantes ad pares, fastuosi ad inferiores, proni ad sediciones, habituati ad prodiciones, ad crudelita[tes] prompti, ad pietates duri, ad cedes parati, ad mortes avidi, in omnibus inquieti, bibuli, ebriosi, sine freno, incontinentes,
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zige Möglichkeit, um die griechischen Christen in den Schoß der römischen Kirche zurückzuführen. Dieser Kreuzzug müsse wiederum von einer radikalen Latinisierung begleitet werden, infolge derer alle Hindernisse ausgelöscht werden sollten, die der Dominikaner während seiner Mission der griechischen Christen wahrgenommen hatte: Alle griechischen Mönche sollten getötet, alle theologischen Texte verbrannt werden und im Anschluss sollten die Griechen nur noch die lateinische Schrift lernen, damit ein Rückfall ausgeschlossen sei.379 Jaspert hat Kreuzzugsberater wie Guillelmus (oder auch Fidenzio) aus diesem Grund als „oppositional cultural brokers“ charakterisiert, die kulturell heterogene Gesellschaften aktiv beobachteten und ihr daraus gewonnenes Wissen nutzen wollten, um eben jene Heterogenität auszulöschen.380 Die mannigfaltigen Überschneidungen zwischen Missionstätigkeit und Kreuzzugsplanung auf der Ebene der Akteure sind folgerichtig kein Zufall, weil Missionare wie Guillelmus Adae, Filippo Busseri oder Jordanus Catalanus ab dem späten 13. Jahrhundert immer auch eine Art päpstliche Späher für den Kreuzzug waren, die bei Bedarf als Kreuzzugsexperten konsultiert werden konnten.
4.3.4 Diplomatie Ein für Orientexperten und die höfischen Kreuzzugsplanungen gleichermaßen einflussreicher Bestand von Wissen über den Orient entstammte der Tätigkeit von Gesandtschaften, die im Namen lateineuropäischer Herrscher die Höfe orientalischer Machthaber aufsuchten. Unter den geographisch-ethnographischen Beratern schöpften vor allem Hethum von Korykos, Guillelmus Adae sowie die Berater Heinrichs II. von Lusignan aus diesem Wissensbestand, während sich unter den Ratgebern der anderen Subtypen vornehmlich der Kreis um die Ordensoberhäupter der Templer und Johanniter dieses Wissens bediente. Ähnlich wie die christliche Mission setzte auch die Gesandtschaftstätigkeit grundlegendes Wissen über Herrschaftsverbände und Bräuche der Bevölkerung voraus, mit der man diplomatische Kontakte aufnehmen oder pflegen wollte.381 Münkler zufolge handelte es sich dabei um „kategoriales Wissen“, welches das Typische des Fremden erfasste und systematisierte; so diente den ersten päpstlichen Gesandten bei den Mongolen die aristotelische Kategorienlehre sowie die scholastische Methode der Befragung als Schema, um ihre Beobachtungen zu ordnen.382 Sieht man vom Sonderfall der Spionage ab, lag bei dem Wissen aus der
gule ac ventri cum intemperancia servientes, nisi se ipsos aut propter se ipsos penitus nil amantes. Siehe dazu auch Schmieder, Faith (2012), 151–156. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 469–472. Jaspert, Mobility (2019), 143–145. Hassauer, Stabilitas (1991), 261 f.; Münkler, Erfahrung (2000), 26 f.; Rittner, Kulturkontakte (1973), 125–139. Fried, Suche (1986), 304–307; Münkler, Erfahrung (2000), 36–38.
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Gesandtschaftstätigkeit im Unterschied zu den drei vorgenannten Wissensbeständen also ein aktiver statt passiver Erwerb von Wissen vor. Die Speicherung des Wissens aus diesem Bestand erfolgte üblicherweise in Form der mündlichen oder schriftlichen Berichte von Gesandten sowie, im Fall der Gesandtschaftsreisen nach Asien, von Reiseberichten. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch, warum die Werke einiger Orientexperten eine formale Nähe zu diesen Berichten aufweisen. Die große Popularität von Hethums Flor des estoires ist etwa darauf zurückzuführen, dass die Zeitgenossen abseits der Kreuzzugsplanungen das Werk als Reisebericht rezipierten.383 Alle Herrscherhöfe, die im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert an der Planung von Kreuzzügen beteiligt waren, unterhielten diplomatische Beziehungen zu orientalischen Herrscherhöfen und mitunter auch zu den Herrschaftsverbänden Innerasiens. Diese Beziehungen hatten sich oft über einen langen Zeitraum des gegenseitigen Austausches entwickelt. Mit dem ägyptischen Sultan pflegten lateineuropäische Herrscher bereits seit Beginn der Kreuzzüge im ausgehenden 11. Jahrhundert diplomatische Beziehungen, während sich ein solcher Kontakt mit den Mongolen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts herausbildete. Diese Verbindung war keineswegs einseitig, sondern wurde von beiden Seiten aufrechterhalten, sodass Vertreter orientalischer Herrscher auch an den Höfen des Westens keine Ausnahmeerscheinung waren. Im Jahr 1175 weilte eine Delegation des ägyptischen Sultans Saladin (✶um 1138 †1193) für ein halbes Jahr am Hof von Kaiser Friedrich I. und in den Jahren 1287/88 reiste der Nestorianermönch Bar Ṣaumā im Namen des Ilkhans Argun unter anderem an die Kurie, den französischen sowie den englischen Hof.384 Die Aufrechterhaltung solcher Beziehungen erforderte wiederum von beiden Parteien eine gegenseitige Kenntnis von Herrschaftsorganisation und diplomatischen Gepflogenheiten, um beispielsweise das Gegenüber nicht versehentlich durch eine falsche Anrede zu beleidigen.385 Aus diesem Austausch war im 12. Jahrhundert vor allem das Wissen über die orientalischen Herrschaftsverbände und ihre Beziehungen untereinander in die höfischen Kreuzzugsplanungen eingeflossen. Im ausgehenden 13. Jahrhundert begannen politische Entscheidungsträger dann zunehmend, sich auch für die Bräuche und Sinnwelten der Gegenseite zu interessieren, wofür laut Fried vor allem der Schock des Mongolensturms verantwortlich war.386 Einige der Verfasser von Rückeroberungsmemoranden waren mittelbar in diesen Austausch involviert. Heinrich II. von Lusignan unterhielt ebenso wie die Oberhäupter
Ein Reisebericht liegt strenggenommen nur der Form nach vor, denn Hethum reiste keineswegs zu den Mongolen, sondern die Mongolen kamen zu ihm (nach Armenien), vgl. Dörper, Geschichte (1998), 13 f.; Richard, Récits (1981), 28 f.; Schmieder, Europa (1994), 188–190. Moukarzel, Embassies (2019), 685–710. Zu den Gesandtschaften Saladins siehe Möhring, Saladin (1980), 125–137; Thomsen, Bericht (2018), 346–360. Zu den Gesandtschaften der Ilkhane siehe u. a. Jackson, Mongols (2005), 168–175; Schmieder, Europa (1994), 89–109. Rittner, Kulturkontakte (1973), 125–139; Scheller, Atlantikexpansion (2016), 252 f. Fried, Suche (1986), 287–332. Siehe auch I.1.2.
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der Ritterorden regelmäßige Gesandtschaften zu orientalischen Herrschern, die im Gegenzug ebenfalls diplomatische Beziehungen zum Königreich Zypern sowie den Orden pflegten. Mit dem Pisaner Isolo da Anastasio weilte zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Gesandter des Ilkhan fortlaufend am Hof Heinrichs II., wo er wohl auch mit Jacques de Molay zusammenkam.387 Die Templer und Johanniter entsandten allerdings auch eigene Delegationen an die Höfe orientalischer Potentaten. Der Templermeister Guillaume de Beaujeu erfuhr zum Beispiel 1289 durch seine Gesandten in Kairo von dem bevorstehenden Feldzug des Sultans gegen die Grafschaft Tripolis.388 Auch die Johanniter konnten auf solche Kontakte zurückgreifen, weshalb Marino Sanudo dem Ordensmeister Foulques de Villaret ein ausgezeichnetes Verständnis der diplomatischen Beziehungen zwischen den türkischen Beyliks in Kleinasien attestierte. Den Johannitern schrieb man eine derart große Expertise für die dortigen Herrschaftsverbände zu, dass im Jahr 1333 sogar der venezianische Senat den Orden fragte, mit welchen der türkischen Herrscher die Serenissima ein Bündnis gegen den aufstrebenden Bey von Aydin schließen könne.389 Die Beobachtungen der Gesandten wirkten teilweise auf die Rückeroberungsmemoranden zurück, so war die negative Beurteilung Armeniens im Consilium der Templer wohl eine Reaktion auf die mangelnde Unterstützung des armenischen Königs Leon IV. (✶1289 †1307) bei deren Versuch, die Insel Arwad zu erobern. Der Vorschlag, einen türkischen Beylik als Verbündeten für die Kreuzfahrer zu gewinnen, findet sich dagegen nicht in den Abhandlungen des Johanniterordens, sondern allein im Rückeroberungstraktat des Marino Sanudo.390 Einige Orientexperten wie etwa Guillelmus Adae oder Hethum von Korykos bereisten zudem selbst als Teil von Gesandtschaften die Höfe orientalischer Potentaten. Guillelmus brach 1323 im Auftrag Johannes’ XXII. an den Hof des armenischen Königs Leon V. auf, wo er Nachrichten des Papstes übermitteln und anschließend weiter in das Reich des Ilkhans reisen sollte, um die dort lebenden armenischen Christen in den Schoß der römischen Kirche zurückzuführen. Der Verlauf dieser Mission lässt sich nicht rekonstruieren, da von der Gesandtschaft nur die beiden Kredenzschreiben zeugen, die der Papst an den König von Armenien sowie den Patriarchen der armenischen Kirche richtete.391 Folgt man den Ausführungen über die Armenier im später verfassten Directorium, dürfte der König sich allerdings nicht sonderlich kooperativ gegenüber Guillelmus gezeigt haben. Der Dominikaner warnte nämlich davor, die Ar-
Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 236. Zu Isolo siehe insbes. Richard, Isol le Pisan (1980), 186–194. Demurger, Vie (1989), 235 f. Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 167. In ihrer Antwort an den Senat empfahlen die Johanniter eine Allianz mit Orhan Bey, dem Herrscher von Mentesche. Der weitere Verlauf der Bündnisverhandlungen lässt sich aus den Quellen nicht entnehmen, vgl. Carr, Hospitallers (2013), 171. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 67. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 35 f., Nr. 11; 38–40, Nr. 14.
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menier würden hinter dem Rücken der Lateiner mit dem Sultan paktieren und die römische Kirche hinsichtlich ihrer Unionsbestrebungen täuschen, kurzum gibt es nicht einen Fehler der anderen orientalischen Völker, welchen sie nicht ebenfalls in Teilen oder im Ganzen aufweisen würden.392 Wie dieses Beispiel illustriert, konnten sich die Missions- und Gesandtschaftstätigkeit mitunter auf Akteursebene überschneiden, was wiederum eine Konvergenz beider Wissensbestände nach sich zog.393 Dieses Amalgam aus Diplomatie und Mission kennzeichnete bereits die ersten Asienreisen des 13. Jahrhunderts; Innozenz IV. sandte den Franziskaner Johannes von Plano Carpini zu den Mongolen, um sowohl diplomatische Beziehungen aufzunehmen als auch ihren Herrscher zu bekehren. Die Polos wurden bei ihrer Reise an den Hof des Großkhan im Auftrag von Gregor X. ebenfalls von zwei Mendikanten begleitet, die dort das römische Christentum predigen sollten.394 Guillelmus Adae muss jedoch auch jenseits der Gesandtschaft nach Armenien bzw. Persien zumindest indirekt in die Diplomatie des östlichen Mittelmeerraumes involviert gewesen sein, denn durch seine Missionstätigkeit und den Austausch mit Kaufleuten allein kann er sein detailliertes Wissen über die Bündnispolitik Innerasiens und der Republik Genua nicht erworben haben. Von der Forschung bisher übersehen wurde der enge Austausch von Wissen zwischen Guillelmus Adae und der genuesischen Familie Zaccaria, deren Angehörige seit 1304 die Ägäisinsel Chios sowie die nahegelegene Hafenstadt Phokaia beherrschten und von dem Dominikaner in seinen beiden Rückeroberungstraktaten für ihren Kampf gegen den ägyptischen Sultan wortreich gepriesen wurden.395 Ciocîltan hat dafür argumentiert, dass die Zaccaria bereits 1287/88 zu einer Fraktion innerhalb der genuesischen Aristokratie zählten, die eine offene Auseinandersetzung mit Ägypten zu forcieren versuchte, um die zunehmende Kontrolle des Sultans über den Indienhandel zu brechen. Aus diesem Grund brach Benedetto Zaccaria im Jahr 1288 mit einer kleinen Flotte in Richtung Levante auf, um dort die Städte des Sultans anzugreifen und als Gesandter Genuas die Grafschaft Tripolis, das Königreich Armenien sowie
[Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 487: non est error in orientali aliqua nacione cui ipsi in parte, non communicent, vel in toto. Über die Eigenschaften der Armenier siehe ebenda, 486–490. Münkler, Erfahrung (2000), 43–49. Johannes von Plano Carpini, Storia dei Mongoli. Ed. Menestò, 227. Bei den beiden Mendikanten, die Niccolò, Maffeo und Marco Polo begleiten sollten, handelte es sich um die Dominikaner Wilhelm von Tripolis und Nikolaus von Vicenza. Kurz nachdem die Reisegruppe Armenien gen Osten verlassen hatte, kehrten die beiden Dominikaner allerdings wieder um und erreichten deshalb nie den Hof des Großkhans, vgl. Wilhelm von Tripolis, De statu Sarracenorum. Ed. Engels, 23–31; Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi, 315. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 457 f.; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 48–50. Auch sein Ordensbruder Jordanus Catalanus lobte die Zaccaria, vgl. Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 266.
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den persischen Ilkhan als Verbündete gegen Ägypten zu gewinnen.396 Im Rahmen der nun folgenden Verhandlungen mit dem Ilkhan Argun sandte Genua 200 Schiffbauer nach Bagdad, um dort eine Flotte zu bauen, die auf dem Indischen Ozean und dem Roten Meer gegen Ägypten eingesetzt werden konnte. Die einzigen beiden lateineuropäischen Quellen, die von diesem Ereignis berichten, sind die Chronik des oberdeutschen Franziskaners Johannes von Winterthur (†um 1348) und das erste Rückeroberungstraktat des Guillelmus Adae.397 Der kühne Plan des Dominikaners, den ägyptischen Indienhandel mittels einer Flotte im Golf von Aden zu blockieren, ging also vermutlich auf ein genuesisches Projekt zurück. Die Konfrontation zwischen der ligurischen Kommune und Ägypten endete schließlich im Mai 1290 mit einem Friedensvertrag, welcher genuesischen Händlern niedrigere Zölle in ägyptischen Häfen versprach – was Benedetto Zaccaria allerdings nicht davon abhielt, weiterhin die Städte des Sultans zu überfallen.398 In den folgenden Dekaden versuchten sich die Zaccaria als Flottenunternehmer immer wieder an der Durchsetzung der päpstlichen Sanktionen des Ägyptenhandels: 1293 beteiligten sie sich mit zehn Schiffen an der von Nikolaus IV. aufgestellten Blockadeflotte und nachdem sie 1304 die Kontrolle über Chios erlangt hatten, kaperten sie
Ciocîltan, Challenge (1993), 292–297. Dem Konflikt ging eine Schwächung Genuas im östlichen Mittelmeerraum voraus: Im Jahr 1285 hatte das Königreich Armenien einen unvorteilhaften Waffenstillstand mit Ägypten geschlossen, der den armenischen Handel stärker durch Zölle regulierte, sodass die ägyptischen Hafenstädte ein attraktiveres Ziel für alle Kaufleute wurden, die Waren aus Indien erwerben wollten. In demselben Jahr hatte die Republik Venedig zudem einen Vertrag mit dem byzantinischen Herrscher geschlossen, der venezianischen Kaufleuten den Zugang zum Schwarzen Meer eröffnete, das zuvor vor allem genuesischen Händlern vorbehalten gewesen war. Den Zaccaria standen wiederum die Spinola als Kopf einer proägyptisch eingestellten Fraktion in der genuesischen Aristokratie gegenüber, vgl. ebenda, 289–292; Bajarsajkhan, Mongols (2011), 181 f.; Balard, Commerce (2012), 130. Chronik Johanns von Winterthur. Ed. Baethgen, 58. Selbst die Annalen der Stadt Genua erwähnen die genuesisch-persische Allianz und das Flottenbauprojekt nicht. Die Darstellung bei Guillelmus Adae und Johannes von Winterthur kann deshalb allerdings keinesfalls übergangen werden, denn sie ist gesichert durch einen gleichlautenden Bericht in der Fortsetzung der Chronik des syrischen Jakobiten Bar-Hebraeus, vgl. Ciocîltan, Challenge (1993), 208 f.; Jackson, Mongols (2005), 169 f.; Richard, Voyages (1968), 49. Ciocîltan, Challenge (1993), 301–305. Laut Johannes von Winterthur verwüsteten die Genuesen in Bagdad eine Moschee und lösten damit einen Aufruhr aus, der die Allianz mit dem Ilkhan scheitern ließ, vgl. Chronik Johanns von Winterthur. Ed. Baethgen, 58. Guillelmus Adae behauptete dagegen, das Schiffsprojekt habe aufgrund einer Auseinandersetzung zwischen genuesischen Guelfen und Ghibellinen blutig geendet, vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 104. Ciocîltan hält die Erzählung des Dominikaners für plausibler, geht allerdings davon aus, dass Guillelmus die Auseinandersetzung vermutlich falsch interpretiert hat. Statt Guelfen und Ghibellinen sei ein Konflikt zwischen der pround kontraägyptischen Fraktion unter den Genuesen ausgebrochen, nachdem die Nachricht von dem Friedensvertrag Bagdad erreicht hatte, vgl. Ciocîltan, Challenge (1993), 299 f. Die genuesische Politik gegenüber Ägypten blieb auch in den folgenden Jahren ambivalent, vgl. dazu Dartmann, Johanniter (2020), 323–336.
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ausgehend von ihrem neuen Stützpunkt in der Ägäis gleich mehrere Handelsschiffe auf dem Weg nach Ägypten.399 Bei dieser Gelegenheit werden sie zweifellos in Konflikt mit dem neugeschaffenen officium robarie geraten sein, welches auch Guillelmus kannte und als Hemmnis für den Kreuzzug erachtete.400 Eines der Schiffe, das die Zaccaria 1311 oder 1312 auf dem Weg nach Ägypten aufbrachten, sollte eine Gesandtschaft des Khans der Goldenen Horde an den Hof von Sultan an-Nāṣir Muḥammad I. transportieren. Dieser reagierte umgehend auf die Gefangennahme der Delegation und ließ alle in Ägypten befindlichen Genuesen festsetzen. Die diplomatische Krise zwischen der ligurischen Kommune und Ägypten wurde von niemand Geringerem als Segurano Salvaygo aufgelöst, der im Auftrag des Sultans nach Chios reiste und dort mit den Zaccaria die Freilassung der mongolischen Gesandten aushandelte.401 Möglicherweise waren es diese Ereignisse, die Guillelmus veranlassten, den Genuesen Segurano als Bruder des Sultans und Kopf des Handels mit Sklaven aus der Schwarzmeerregion zu diffamieren.402 Arabischen Chronisten zufolge wurde Segurano schließlich 1322 oder 1323 vom Herrscher einer Ägäisinsel aufgegriffen und getötet, von dem Kedar aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzungen vermutet, es habe sich um Martino Zaccaria gehandelt.403 Betrachtet man die Opposition der Zaccaria zu Segurano Salvaygo und ihren Einsatz für das päpstliche Handelsverbot zusammen mit dem Wissen von Guillelmus über das Bagdad-Projekt sowie die Protagonisten des Schwarzmeerhandels, so deutet alles darauf hin, dass der Dominikaner enge Verbindungen nach Chios pflegte und dieser Beziehung Teile seines Wissens verdankte. Wie die Forschung herausgestellt hat, waren solche lokalen Verbündeten für Mendikanten unerlässlich, um den nachhaltigen Erfolg ihrer missionarischen Tätigkeit zu gewährleisten, und wurden deshalb von ihnen aktiv umworben.404 Dementsprechend ist es auch sicherlich nicht dem Zu-
Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. Siehe dazu auch Balard, Commerce (2012), 131; Miller, Zaccaria (1921), 285–289. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 36. Ein vergleichbarer Fall ist für das Jahr 1309 belegt, als der Genuese Giuliano Cattaneo della Volta mit Verweis auf das päpstliche Embargo ein Handelsschiff auf dem Weg nach Alexandria in der Ägäis aufbrachte. Ein Kaufmann aus Siena, dessen Waren sich auf dem Schiff befanden, wandte sich im folgenden Jahr an das officium robarie, weshalb die della Volta ihm seine Verluste schlussendlich ersetzen mussten, vgl. Kedar, Officium robarie (1985), 360 f. Delacroix-Besnier, Figures (2002), 181; Kedar, Segurano (1993), 84. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 26–34. Kedar, Segurano (1993), 86. Barker vermutet dagegen, der Khan der Goldenen Horde habe Segurano töten lassen, weil Sultan an-Nāṣir Muḥammad I., für den der Genuese als Gesandter tätig war, 1323 einen Waffenstillstand mit dem Ilkhan geschlossen hatte, vgl. Barker, Black Sea (2014), 391. Mit dem Herrscher einer Ägäisinsel könnte indes auch Niccolò Sanudo gemeint gewesen sein, der als Herzog von Archipelagos ebenfalls Handelsschiffe auf dem Weg nach Ägypten in der Ägäis kapern ließ, vgl. Frazee, Princes (1988), 38 f. Kedar, Crusade (1984), 155–157; Richard, Papaute (1998), 101–103; Troll, Chinamission (1966), 136–140.
4.3 Wissensbestände
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fall geschuldet, dass Guillelmus zwischen 1319 und 1322 zum Bischof der Hafenstadt Smyrna ernannt wurde, die sich in unmittelbarer Nähe zu Chios befand und zu diesem Zeitpunkt noch von den Zaccaria kontrolliert wurde.405 Kurze Zeit nach der Investitur gewährte Johannes XXII. wiederum Martino Zaccaria und seinen Anhängern volle Kreuzfahrerprivilegien für ihren Kampf gegen die Türken des Beylik Aydin, die mehrere Burgen im Umland von Smyrna beherrschten.406 Das päpstliche Entgegenkommen war also möglicherweise auch der Fürsprache von Guillelmus zu verdanken, der die Zaccaria noch einige Jahre zuvor in seinem Rückeroberungstraktat für ihren unermüdlichen Einsatz gegen den verbotenen Ägyptenhandel gelobt hatte.407 Das Beispiel des Dominikaners illustriert demnach, wie Mission, Fernhandel und Diplomatie im Rahmen der missionarischen Tätigkeit auf der Handlungsebene konvergierten und Mendikanten wie ihm den Zugang zu Elementen aus verschiedenen Wissensbeständen eröffnen konnten. Dieser Zugriff auf unterschiedliche Bestände von Wissen über den Orient erklärt, warum Päpste wie Clemens V. oder Johannes XXII. sie immer wieder als Experten in Kreuzzugsfragen anriefen. Ein anderer Orientexperte, der sein Wissen aus der Gesandtschaftstätigkeit bezog, war Hethum von Korykos, der als Vertreter des armenischen Königs an die Höfe anderer orientalischer Herrscher reiste. Für die armenische Herrscherdynastie war ein intensiver Austausch mit den anderen Machthabern in der Region integral, denn seit seiner Entstehung im 11. Jahrhundert hatte das kilikische Königreich stets als Klienteloder Pufferreich für die umliegenden Großmächte gedient. Zu Lebzeiten Hethums suchten die armenischen Herrscher vor allem die Nähe zu den Ilkhanen, mit denen sie erstmals 1254 und erneut 1288 Bündnisse geschlossen hatten.408 Aus diesem Grund widmete Hethum sich in seiner Flor des estoires de la terre d’Orient neben den anderen Ethnien Asiens vor allem den Mongolen und ihrer Geschichte. Bei seiner Darstellung rekurrierte er wiederum auf Wissen über die mongolischen Essgewohnheiten oder ihre Erwartungen gegenüber Gästen, das er wahrscheinlich seiner Gesandt-
Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 29–32, Nr. 8. Zu Smyrna siehe Carr, Merchant Crusaders (2015), 33–36. Carr, Trade (2014), 115–134; İnalcık, Rise (1985), 188 f.; Zachariadou, Trade (1983), 8 f. Für das auf Februar 1323 datierte päpstliche Privileg siehe Carr, Merchant Crusaders (2015), 159 f., Nr. 3. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 48: Insuper sunt aliqui qui ad talem viam euntibus viriliter se opponunt, et multos Alexandrinos in rebus dampnificant et personis, inter quos sunt (...) filii quondam domini Benedicti Zacharie, сuius adhuc fama bona et celebre nomen vivit. Ähnlich argumentierte auch sein Ordensbruder Jordanus Catalanus, vgl. Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 266. Atiya, Crusade (1970), 11; Bajarsajkhan, Mongols (2011), 71–97; Boase, Kingdom (1978), 3–30; Bozoyan, Cour royale (2017), 207–219; Dédéуan, Croisade (2015), 43–47; Mutafian, Royaume arménien (2001), 71–73.
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4 Vielgereist und vielbesehen – Die geographisch-ethnographischen Berater
schaftstätigkeit verdankte.409 Hinsichtlich der Quellen seines Spezialwissens über die Mongolen und ihre Geschichte bemerkte Hethum das Folgende: Darüber hinaus sage ich, der dieses Buch kompiliert hat, das ich das, was im dritten Teil dieses Buches enthalten ist, auf drei Arten gelernt habe: Von den Anfängen des Dschingis Khan, welcher der erste Kaiser [der Mongolen, Anm. d. V.] war, erzähle ich alles so, wie die Geschichten der Tataren [es] enthalten. Und von Möngke Khan bis zum Tod des Hülegü, spreche ich gemäß dessen, was ich gehört und gelernt habe durch meinen Herrn Onkel, den König Hethum [I.] von Armenien, (...) welcher [dabei] anwesend gewesen ist. Mit großer Sorgfalt erzählte er es seinen Kindern und Neffen und wir haben es zur Erinnerung niedergeschrieben. Und von den Anfängen des Abaqa Khan, [dem] Sohn des Hülegü, bis zum Ende des dritten Teils dieses Buches, welches die Geschichte der Tataren beendet, spreche ich über dasjenige, [bei] dem ich persönlich anwesend war und für dessen Wahrheit ich garantieren kann.410
Alle drei von Hethum angeführten Quellen standen wiederum in enger Wechselwirkung zum Wissen aus der armenischen Gesandtschaftstätigkeit. Als Angehörige der Herrscherdynastie traten sowohl Hethum als auch sein gleichnamiger Onkel durch Gesandtschaften und gemeinsame Militäroperationen in Kontakt mit den Mongolen. Laut eigener Aussage wohnte Hethum zwei Mal der Wahl eines neuen Mongolenherrschers bei und vermochte deshalb den Lesern seines Werkes Bestandteile des mongolischen Inthronisierungsrituals zu beschreiben, bei dem der neuernannte Herrscher auf einem Schaffell getragen wurde.411 Die Wahl neuer Anführer erfolgte im Mongolenreich und dessen vier Teilreichen auf einer als khuriltai bezeichneten Reichsversammlung, bei der neben mongolischen Fürsten auch Repräsentanten aller unterworfenen und verbündeten Herrschaftsverbände zugegen sein mussten.412 Es ist also anzunehmen, dass Hethum diesen Zeremonien als Teil der armenischen Delegation beigewohnt hatte. Auch sein historisches Toposwissen über den Zeitraum vor 1250 ging vermutlich auf die Erzählungen von Mongolen zurück. Bei dem von ihm als Estoires des Tartars bezeichneten Geschichtswerk handelte es sich wahrscheinlich um die „Geheime Geschichte der
Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 218: [Les] Tartars sont de bel acueil à lur hostes, e volentiers departent lur viandes e cortoisement, e volent que l’om face à eaus ce meismes, ou autrement il prendroient à force. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 213: Encores je, qui ai compilé ce livre, di que ce que se contient en la tierce partie de ce livre, je le sai en trois manieres. Que du comencement de Changuis Cen, qui fu le primer empereor, je conte tout ainsi come les estoires des Tartars devisent. E de Mango Can jusques à la mort d’Aloon, je parle selonc ce que je ai oi e apris de monseignor mon oncle, le roi Haiton, roy d’Ermenie, (...) lequel avoit esté present, e o grant diligence le recontoit à ses enfans e à ses nevous, e les nous faisoit mettre en escrist, e en remembrance. E du comencement d’Abaga Can, fil de Haloon, jusques à la fin de la tierce partie de cestui livre, où finent les estoires des Tartars, je parle si come celui qui fu present en persone, e de ce que je vi puis doner garantie à la verité. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 149: j’ai esté II foiz à la eleccion de l’empereor des Tartars (...). Weiers, Geschichte (2004), 95.
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Mongolen“, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden ist und vom Aufstieg des Reiches unter Dschingis Khan berichtet.413 Da Hethum selbst angab, das Werk sei ungenau, weil die Mongolen zu diesem Zeitpunkt noch keine Schrift gehabt hätten, hat Dörper vermutet, dass die „Geheime Geschichte“ dem Armenier durch die Mongolen, die er am Hof des Khans traf, mündlich vermittelt wurde.414 Als er 1307 die Flor des estoires für Clemens V. verfasste, war Hethum erneut in der Funktion eines Gesandten tätig und vertrat den zyprischen Regenten Amalrich an der Kurie.415 Im Gegensatz zu dem (instrumentellen) Wissen aus Kriegführung und Fernhandel erwies sich das Wissen aus der Gesandtschaftstätigkeit allerdings als überaus polyvalent und ließ sich dementsprechend in verschiedene Ordnungsschemata und Deutungszusammenhänge überführen. Die Kapitelstruktur der Flor des estoires des Armeniers Hethum folgte beispielsweise drei verschiedenen Ordnungsschemata: Die ersten beiden Bücher orientierten sich am Aufbau von Reiseberichten, das dritte Buch war eine chronologisch strukturierte Geschichtsdarstellung und das vierte Buch ein Rückeroberungstraktat.416 Die 14 Kapitel des ersten Buches führten den Leser ausgehend von China bzw. Cathay im äußersten Osten der bekannten Welt über Indien und Georgien nach Westen bis nach Syrien an der Levante. In jedem dieser Kapitel beschrieb der Armenier die topographischen Merkmale der Region sowie die Bräuche ihrer Bewohner und versuchte dabei den Eindruck einer kontinuierlichen Wegstrecke zu evozieren, indem er die Gebiete entlang der Ost-West Achse beschrieb.417 Diese Systematik war auch in zeitgenössischen Reiseberichten üblich, so strukturierte der venezianische Asienreisende Marco Polo seine Darstellung ebenfalls anhand der Regionen und Reiche, die er auf seinem Weg von West nach Ost durchquert hatte, flocht allerdings im Gegensatz zu Hethum auch Kapitel über seine Erlebnisse auf der Reise ein.418 Auch später angefertigte Reiseberichte, wie etwa die 1330 entstandenen Mirabilia descripta des Dominikaners Jordanus, wiesen dieses Ordnungsschema auf.419 Im zweiten Buch beschrieb Hethum Zur geheimen Geschichte der Mongolen siehe u. a. Jackson, Mongols (2005), 34 f.; Weiers, Geschichte (2004), 21–23. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 287 sowie dazu Dörper, Geschichte (1998), 12 f. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 278–280. Richard, Récits (1981), 46–50. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 113 f.: Du roiaume de Cathay. Du roiaume de Tharse. Du roiaume de Turquesten. Du roiaume de Corasme. Du roiaume de Comaine. Du roiaume de Inde. Du roiaume de Perse. Du roiaume de Mede. Du roiaume de Ermenie. Du roiaume de Georgie. Du roiaume de Chaldée. Du roiaume de Mesopotame. Du roiaume de Turquie. Du roiaume de Syrie. In seinem Reisebericht schilderte Marco Polo aufeinanderfolgend die Regionen bzw. Reiche Klein-Armenien, Turcomanie, Groß-Armenien, Georgien sowie Mossul. Daran schloss der Bericht über ein Wunder an, dass sich angeblich in den Bergen bei Mossul zugetragen hatte, bevor Polo auf der West-Ost-Achse fortfuhr und Persien darstellte, vgl. Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi, 324–339. Ähnlich aufgebaut ist auch Wilhelm von Rubruck, Viaggio in Mongolia. Ed. Chiesa, 8–54. Mirabilia descripta de Jordan Catala de Sévérac. Ed. Gadrat, 243–267: De Armenia. De regno Persidis. De minori India. De majori India. De tertia India. De majori Arabia. De magno Tartaro. De Caldea.
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die Geschichte und Bräuche einzelner Ethnien, wobei er jeder dieser naciones ein eigenes Kapitel widmete und damit erneut eine Systematik verwandte, die in den Reiseberichten und Geographien seiner Zeit üblich war.420 Zugleich unterbrach er dieses Schema mitunter durch rein historische Kapitel, die etwa die Geschichte des Islam chronologisch erzählten.421 Im dritten und umfangreichsten Buch wechselte Hethum schließlich vollständig zu einem chronologischen Ordnungsschema, wie es in der zeitgenössischen Historiographie üblich war, und erläuterte die Geschichte der Mongolen von der Reichsgründung unter Dschingis Khan bis in seine Gegenwart.422 Papst Clemens V. empfing diese drei Bücher zu einem Zeitpunkt, als sich die Planungen eines Partikularkreuzzuges an der Kurie gerade auf einem Höhepunkt befanden, und bat Hethum deshalb umgehend, sein Spezialwissen auf die Rückeroberung der heiligen Stätten anzuwenden. Das vierte Buch der Flor des estoires, welches vermutlich im August 1307 fertiggestellt wurde, ist das Ergebnis der päpstlichen Bitte, eine solche problemorientierte Darstellung anzufertigen. Über das Ordnungsschema dieses Rückeroberungstraktates schrieb der Armenier: Die Vernunft fordert und verlangt, dass jeder, der beabsichtigt einen Krieg gegen seine Gegner zu beginnen, vier [Dinge] beachten muss: Erstens, dass er einen gerechten Grund hat, um gegen seine Gegner oder Rebellen in den Krieg zu ziehen. Zweitens muss er erwägen, ob seine Macht ausreichend ist, um die Kosten und andere Notwendigkeiten für seinen Krieg aufzubringen und ihn ohne Schulden zu beenden. Dritten muss er klug der Feinde Absicht, Zustand und Position untersuchen. Viertens schließlich muss er seinen Krieg zu der passenden Zeit beginnen.423
Diese vier Punkte, die das Rückeroberungstraktat des Armeniers strukturieren sollten, waren ein Amalgam aus militärischer Risikokalkulation, Patristik sowie der Epitoma rei militaris des Vegetius. Der erste Punkt betrifft die Frage, ob es sich bei dem geplanten Kreuzzug um einen gerechten Krieg im Sinne des Augustinus handelte.424 Die darauffolgenden drei Punkte waren wahrscheinlich inspiriert von Vegetius’ Ausführungen darüber, wann es ratsam sei, in die Schlacht zu ziehen, und geleitet von
De terra Aran. De terra Mogan. De montibus Caspiis. De Georgiana. De terrarum spatiis. De insula Chio. De Turquia. Richard, Récits (1981), 46 f. So etwa Johannes von Plano Carpini, der in den ersten Kapiteln seines Reiseberichts das Land der Mongolen (Kap. I), die Ehebräuche der Mongolen (Kap. II), die Religion der Mongolen (Kap. III), die Sitten der Mongolen (Kap. IV) sowie die Geschichte des Mongolenreiches (Kap. V) beschrieb, vgl. Johannes von Plano Carpini, Storia dei Mongoli. Ed. Menestò, 229–275. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 136 f. Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 147–219. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 340: Ratio postulat et requirit quod quicumque guerram intendit contra suos adversarios inchoare, debet quatuor previdere. Primo quod justam causam habeat movendi guerram contra suos adversarios et rebelles; secundo considerare debet posse suum, utrum sit sufficiens in expensis et aliis necessariis ad guerram suam manutenendam et ipsam sine debito terminandam; tercio investigare debeat sapienter inimicorum intentionem, condicionem et statum; quarto vero guerram suam debeat inchoare tempore competenti. Aug. quaest. hept. VI, 10: Iusta autem bella ea definiri solent, quae ulcisuntur iniurias.
4.3 Wissensbestände
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dem militärisch-kalkulierenden Relevanzsystem, das sich in den Kreuzzugsplanungen der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts etabliert hatte.425 Inwiefern die in der Flor des estoires verwendeten Ordnungsschemata allein auf Hethum selbst zurückgingen, lässt sich jedoch schwerlich sagen, da er sein Werk durch den Prämonstratensermönch Nicolas Falcon aufzeichnen ließ, der wahrscheinlich selbst mit den lateineuropäischen Ordnungssystemen gut vertraut war. Die vorangegangenen Überlegungen lassen Rückschluss darüber zu, warum das Spezialwissen der Orientexperten oft polyvalent verwendbar und zudem auch außerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen vielseitig anschlussfähig war. Im Unterschied zum Wissen aus Kriegführung und Fernhandel, welches als Rezeptwissen in Form von Itineraren, Portolanen oder Kaufmannshandbüchern gespeichert wurde, war das Wissen aus der Gesandtschaftstätigkeit (und in Teilen auch das aus der Mission) nicht allein eine Anleitung zum Handeln, sondern reflektierte zugleich auch immer die Bedingungen dieses Handelns. Was Münkler als „kategoriales Wissen“ bezeichnet hat, waren demnach (Re)Konstruktionen zweiten Grades, also „Konstruktionen jener Konstruktionen, die im Sozialfeld von den Handelnden gebildet werden“, weil sie die kollektive Konstruktion der Wirklichkeit durch die Bewohner des Orients bzw. Asiens zu rekonstruieren und systematisieren suchten.426 Aufgrund des Umstands, dass diese Form des Wissens die eigenen Gebrauchsbedingungen reflektierte, ließ es sich auch leichter für andere Handlungszusammenhänge rekonfigurieren, was es den Orientexperten erlaubte, sich auch zu Gegenstandsbereichen zu äußern, die zuvor den Militärexperten vorbehalten gewesen waren.
Veg. Mil. 3.9.1: Quae et quanta consideranda sint ut intellegatur utrum superventibus et insidiis an publico debeat marte confligi. Schütz, Interpretation (1971), 6–8.
5 Nonkonformisten Nicht alle Berater, die an den höfischen Kreuzzugsplanungen beteiligt waren, lassen sich eindeutig einem der drei Typen zuordnen. Die zuvor erörterte Binnendifferenzierung der Ratgeber war keine strikt funktional abgegrenzte und institutionell festgeschriebene Arbeitsteilung, sondern ein Resultat der gesellschaftlichen Verteilung von Wissen. Akteure aus verschiedenen sozialen Milieus versuchten das Problem der Rückeroberung des Heiligen Landes anzugehen und bedienten sich dabei jeweils des Wissens, welches ihnen zuhanden war. Dementsprechend variierte auch der Grad an Spezialisierung, den die Rückeroberungsvorschläge der einzelnen Ratgeber aufwiesen. Spezialisten wie Guillaume de Nogaret oder den Verfassern der Devise des chemins de Babiloine, die sich nahezu ausschließlich auf ein Teilproblem des Kreuzzuges fokussierten, standen dabei Generalisten wie Ramon Llull und Marino Sanudo gegenüber, welche die Gegenstandsbereiche aller drei Beratertypen abdeckten. Generalisten wie Llull, Sanudo und zu gewissen Teilen auch Roger von Stanegrave profitierten von ihrer ungewöhnlichen Sozialisation, welche sie in die Lage versetzte, Spezialwissen aus den Wissensbeständen der drei Beratertypen zu schöpfen und es miteinander zu kombinieren. Diese Generalisierungstendenzen in den Rückeroberungsvorschlägen einiger Ratgeber waren indes nicht die einzigen Anomalien in den ansonsten durch Binnendifferenzierung gekennzeichneten Kreuzzugsplanungen. Die epistemische Krise der 1290er Jahre hatte das bisherige Kreuzzugswissen unsicher werden lassen und die Deutungshoheit traditioneller Kreuzfahrerinstitutionen wie der Ritterorden beschädigt, weshalb die höfischen Kreuzzugsplanungen sich durch eine besondere epistemische Offenheit gegenüber allen Arten von Wissen auszeichneten, die von den Ratgebern sinnvoll auf die Rückeroberung des Heiligen Landes bezogen werden konnten. Deshalb erreichten politische Entscheidungsträger nicht nur Vorschläge von Militär-, Finanz- und Orientexperten, sondern auch vergleichsweise exotische oder experimentelle Rückeroberungspläne, die anderen Wissenskulturen entsprungen waren. Folgt man den Ergebnissen der Inhaltsanalyse, dann lassen sich anhand der überlieferten Memoranden drei solche Nonkonformisten ausmachen: Erstens Ramon Llull, der sich in seinen Rückeroberungsvorschlägen ungewöhnlich stark auf die Orientmission fokussierte (60,9% bzw. 36,2% des jeweiligen Textes), zweitens Marino Sanudo, dessen Liber secretorum fidelium crucis einen historischen Schwerpunkt aufweist (49%) und drittens Guido von Vigevano, der in seinem Rückeroberungstraktat den Bau von Kriegsmaschinen beschrieb (36,2%) und daneben auch Gesundheitsregeln für die Kreuzfahrer formulierte. Diesem Trio kann ferner Galvano di Levanto zur Seite gestellt werden, dessen nur partiell überlieferter Liber sancti passagii nicht nur Rückeroberungsvorschläge, sondern auch einen Fürstenspiegel umfasste. Alle vier Ratgeber werden im Folgenden näher beleuchtet.
https://doi.org/10.1515/9783111085067-008
5.1 Mediziner
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5.1 Mediziner Mit Galvano di Levanto und Guido von Vigevano zählen zwei Akteure zu den Nonkonformisten unter den Kreuzzugsberatern, die einer sozialen Gruppe angehörten, die bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist, obwohl ihre Vertreter sich immer wieder in den Kreuzzugsplanungen nachweisen lassen: Gemeint sind die physici bzw. medici, die an Universitäten und Hohen Schulen die Schriften von Hippokrates, Galen oder ibn Sīnā bzw. Avicenna (†1037) studiert hatten und als Leibärzte wichtiger Entscheidungsträger an den Höfen lateineuropäischer Herrscher wirkten. Ähnlich wie die Juristen formierten diese gelehrten Mediziner eine Profession, die eng mit einem Wissensbestand verbunden war und sich eingedenk dieses Spezialwissens von anderen Heilkundigen wie etwa den eher handwerklich orientierten Chirurgen abgrenzte.1 Manche der gelehrten Leibärzte wurden allerdings nicht nur als medizinische Experten konsultiert, sondern äußerten sich darüber hinaus auch zum Kreuzzug oder anderen politischen und geistlichen Angelegenheiten. Während der Planung des Johanniter-Kreuzzuges baute Papst Clemens V. auf den Rat des katalanischen Mediziners Arnald von Villanova (✶um 1235 †1311), der sich an der Kurie nicht nur als Heilkundiger und Kreuzzugsberater, sondern auch als Theologe betätigte.2 Einige Jahre zuvor hatte der Katalane sich bereits erfolglos an den französischen König Philipp IV. gewendet, um ihn zur Rückeroberung der heiligen Stätten zu bewegen. Sein Engagement für den Kreuzzug war theologisch motiviert, denn Arnald vertrat die Ansicht, dass die Ankunft des Antichristen unmittelbar bevorstehe und durch die Eroberung Jerusalems eingeleitet werde. An der Universität Paris stieß der Laie Arnald mit seinem Ausflug in die Theologie ebenfalls auf wenig Gegenliebe – die Magister strengten umgehend einen Häresieprozess gegen den Katalanen an und ließen seine Schriften verbrennen.3 Wie der Fall Arnalds verdeutlicht, hatten Mediziner im Unterschied zu den drei vorgenannten Beratertypen keine eindeutig abgrenzbare Funktion innerhalb der Kreuzzugsplanungen und stützten sich in ihren Vorschlägen auch nicht immer auf ihr medizinisches Spezialwissen. Ihre Beteiligung an den Kreuzzugsplanungen ist stattdessen auf eine Kombination von zwei Faktoren zurückzuführen: Erstens waren die gelehrten Mediziner ähnlich wie die Juristen Träger eines auf externen Nutzen ausgerichteten Wissens, sodass es ihnen vergleichsweise leicht fiel, ihre Expertise für den Einsatz in neuen Handlungszusammenhängen zu rekonfigurieren.4 Zweitens befanden sich die Leibärzte unter den Medizinern ständig in der räumlichen Nähe politischer Entscheidungsträger, hatten Zugang zu ihren Privatgemächern und konnten
Siehe dazu u. a. Siraisi, Medicine (1990). Über den Einfluss Arnalds von Villanova in Kreuzzugsangelegenheiten berichtet Ramon Llull, vgl. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 77, Nr. 39. Zu Arnald siehe u. a. Manselli, Arnaldo da Villanova (1959), 146–161; McVaugh, Vilanova Arnau de (2005), 646 f. McVaugh, Arnau de Vilanova (2006), 29–42; Potestà, Arnaldo di Villanova (2016), 237–256. Bubert, Gegensätze (2019), 252 f.; Rexroth, Ordnung (2016), 87–114.
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5 Nonkonformisten
dies nutzen, um als Ratgeber Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.5 Arnald von Villanova soll beispielsweise den gegen ihn gerichteten Häresieprozess zum Erliegen gebracht haben, indem er das Nierenleiden von Papst Bonifaz VIII. kurierte und Clemens’ V. Darmkoliken behandelte.6 Das Ausmaß der Ratgebertätigkeit päpstlicher oder königlicher Leibärzte in den Kreuzzugsplanungen lässt sich allerdings nicht mehr nachvollziehen, da nur zwei Rückeroberungsmemoranden erhalten sind, die von gelehrten Medizinern verfasst wurden. Bei dem ersten dieser beiden Mediziner handelt es sich um Galvano di Levanto, der kurz nach der Eroberung Akkons einen Liber sancti passagii christicolarum für Papst Nikolaus IV. und den französischen König Philipp IV. verfasste, welcher allerdings nur fragmentarisch überliefert ist.7 Mit diesem Rückeroberungstraktat antwortete er wahrscheinlich auf eine Anfrage des Papstes, der sich im August 1291 mit der Bitte um Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes an die lateinische Christenheit gewandt hatte.8 Galvano stammte aus einer in Genua lebenden Familie von Medizinern und praktizierte zeitlebens in seiner Heimatstadt.9 Sein Studienort lässt sich derweil nicht mehr ermitteln. In Genua pflegte Galvano enge Beziehungen zum örtlichen Franziskanerkonvent, die sich offenbar auch auf den Austausch von Wissen über den Orient erstreckten.10 Ein Angehöriger des Ordens oder Kleriker war der Mediziner jedoch höchstwahrscheinlich nicht.11 Galvano scheint außerdem in einem Patronageverhältnis zu der ebenfalls aus Genua stammenden Familie Fieschi gestan Rawcliffe, Manner (2001), 71–91. Manselli, Arnaldo da Villanova (1959), 146–161. Von der Darmkrankheit Clemens’ V. berichteten u. a. die Gesandten Jakobs II. an der Kurie, vgl. Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 21 f., Nr. 16. Das einzige Fragment des Traktates ist in einer Handschrift (BNF Nouv. Acq. Lat. 669, fol. 1r–60v) aus dem frühen 14. Jahrhundert überliefert. Das Manuskript enthält das vollständige erste Buch des Werkes sowie die ersten sechs Kapitel des zweiten Buches. Für eine Edition des Textes siehe Kohler, Traité (1898), 358–369. Die fragliche Kopie ist zwar an Philipp IV. adressiert, aber ein Inventar der päpstlichen Bibliothek belegt, dass Nikolaus IV. ebenfalls eine Abschrift des Werkes erhalten haben muss, die allerdings nicht überliefert ist, vgl. Inventar von 1339. Ed. Ehrle, 359, Nr. 368. RN, Nr. 6791–6795. Für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts lassen sich sowohl ein Federico als auch ein Ranuccio di Levanto als Mediziner in Genua nachweisen, vgl. Gautier Dalché, Levanto Galvano da (2005), 733–736; Petti Balbi, Arte (1986), 137. Zu Galvanos Biographie siehe auch Leclerq, Galvano di Levanto (1966), 403–405; Schimmelpfennig, Galvanus de Levanto (2004), 73–75. Von Galvanos Beziehung zu den Franziskanern in Genua zeugt das Jahrzeitbuch des Konventes, in dem der Mediziner als devotissimi amici ordinis et conventus nostri bezeichnet wird, vgl. Libro degli anniversarii. Ed. Promis, 395. Zum Austausch des Mediziners mit den Franziskanern siehe Gautier Dalché, Cartes (2010), 83 f. Eine bas-de-page-Miniatur aus einer zeitgenössischen Sammelhandschrift mit den Werken Galvanos zeigt ihn zusammen mit seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen. Eine Ordenstracht trägt der Mediziner auf der fraglichen Abbildung nicht, vgl. BNF Ms. Fonds Lat. 3181, fol.24v. Die Frau war vermutlich identisch mit der Iacobina uxor magistri Galvani phixici, die den Kanonikern von St. Laurentius zu Genua im April 1312 drei Grundstücke verkaufte, vgl. Appendice. Ed. Boldorini, 148–150, Nr. 2.
5.1 Mediziner
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den zu haben. Seine Beziehungen zu Kardinal Luca Fieschi ermöglichten es ihm, unter Nikolaus IV. sowie Benedikt XI. (✶1240 †1304) als Berater an der Kurie Gehör zu finden. Neben dem Rückeroberungstraktat gingen aus dieser Ratgebertätigkeit mindestens sieben theologische Schriften sowie sieben medizinische Abhandlungen hervor, von denen die Mehrzahl Luca Fieschi und dessen Kardinalskollegen Pietro Valeriano Duraguerra gewidmet waren.12 Mit dem Pontifikat von Clemens’ V. und dem Umzug der Kurie nach Südfrankreich scheint der Kontakt des Mediziners abgebrochen zu sein, denn bis zu seinem Tod im Jahr 1311 lässt sich keine weitere Aktivität seinerseits mehr nachweisen. Der Liber sancti passagii des Galvano di Levanto besteht aus zwei Teilen, wobei nur der zweite Teil ein Rückeroberungstraktat im engeren Sinne darstellt.13 Der erste und auch vermutlich deutlich längere Teil ist dagegen ein Fürstenspiegel, in dem Galvano sich der Allegorie des Schachspiels bediente, um seinen Lesern die Grundsätze des guten Regierens zu vermitteln.14 Der Genuese betrachtete diese beiden Teile allerdings keineswegs als unterschiedliche Werke, sondern ging davon aus, dass sie inhaltlich aufeinander aufbauen. Galvano zufolge war dem Kreuzzug nämlich nur dann die Chance auf Erfolg beschieden, wenn er von einem moralisch integren König angeführt wurde. Damit knüpfte er an das theistisch-okkasionelle Deutungsschema an, welches die Kreuzzugsplanungen über das 13. Jahrhundert hinweg dominiert hatte und sich auch noch in einigen der Rückeroberungsmemoranden wiederfindet, die
Folgt man diesen Hinweisen auf seinen Familienstand, so kann Galvano bestenfalls niedere geistliche Weihen empfangen haben. Galvanos theologische Schriften umfassen einen Liber fabrice corporis mistici et regiminis eius relati ad caput quod est Christus Dominus, einen Liber neophytus spiritualis thesauri indulgentiarum sanctissimi papae Bonifatii VIII, einen Liber de amando Deum, einen Liber doctrine agni immaculati Iehsu Christi, einen Thesaurus religiose paupertatis sowie einen Tractatus alphabeti Christiphere Marie und eine Neophyta doctrina de inferno purgatorio et paradiso (Alle in BNF Ms. Fonds Lat. 3181). Ein weiteres Werk namens Liber manu Dei contra calculosum languorem sanctissimo pape Bonifatii VIII intitulato ist verschollen. Zu seinen medizinischen Abhandlungen zählen ein Thesaurus corporalis prelatorum Ecclesie Dei et magnatum fidelium (...) contra nocumentum digestionis stomaci, ein Text über ein Remedium salutare contra catarum sowie ein Liber Paleofilon curationis langoris articulorum multiplicis dolorum (Alle in BAV Vat. Lat. 2643). Außerdem einen Liber salvatoris sowie einen Liber doctrine curative languoris (Beide in SBB Lat. Qu. 773), die Contemplatio de gratia Dei neophyta gradiens super corpus humanum et eius regimen conservativum et curativum und eine Tyriaca mortis spiritualis gradiens super tyriacam medicorum (Beide ebenfalls in BNF Ms. Fonds Lat. 3181). Für einen Überblick über Galvanos Schriften siehe Gautier Dalché, Levanto Galvano da (2005), 733–736; Leclerq, Galvano di Levanto (1966), 405 f.; Kohler, Traité (1898), 344–357. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 362: Liber autem iste dividitur in duos tractatus, in quorum primo agit de regimine principum, atropologice educto de ludo scachorum; in secundo, de persuasione neophyta christicolis ad passagium sanctum. Der erste Teil fasst 59 Kapitel, der zweite dagegen nur 16, vgl. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 362–366.
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während der 1290er Jahre entstanden sind.15 Gemäß dieser Sichtweise konnte ein Kreuzzug nur dann militärisch erfolgreich sein, wenn die Teilnehmer ihren göttlichen Beistand nicht durch unmoralisches Verhalten verwirkten, weshalb dem König als Anführer aus Galvanos Sicht eine besondere Vorbildfunktion zukam. Die Vorschläge des Mediziners zur Rückeroberung des Heiligen Landes lassen sich aufgrund der lückenhaften Überlieferung des zweiten Teils allerdings ebenso wenig rekonstruieren wie das Wissen, welches er dafür mobilisierte. Einen kleinen Einblick in den verschollenen Teil des Werkes gestattet das erhaltene Inhaltsverzeichnis, so lässt die Erwähnung eines capitulum de modo passagii per taxationem thesauri vermuten, dass Galvano sich mit der Kreuzzugsfinanzierung auseinandersetzte. Ausgehend von den anderen Kapiteltiteln und Galvanos Verbindungen zum Genueser Franziskanerkonvent hat Gautier Dalché vermutet, dass der Mediziner Wissen über den Orient aus seinen Ordenskontakten bezogen hat.16 Tatsächlich ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei der mappa regni Jerosolimitani, die der Genuese laut Inhaltsverzeichnis seinem Rückeroberungstraktat beifügte, um eine Heilig-Land-Karte in der Tradition Burchards vom Berg Zion handelte, die zu diesem Zeitpunkt in Mendikantenkreisen kursierte.17 Aus der spärlichen Überlieferung lässt sich demnach schließen, dass Galvano ein Experte in theologischen und medizinischen Fragen war, der in dem päpstlichen Aufruf von 1291 die Chance sah, sich gegenüber seinen Patronen auch als Kreuzzugsberater zu profilieren, und dabei die epistemische Offenheit der Kreuzzugsplanungen zu nutzen versuchte, um sein Spezialwissen in Form eines Fürstenspiegels für die Rückeroberung des Heiligen Landes nutzbar zu machen. Im Unterschied zu Galvano bewegte der andere Mediziner unter den Kreuzzugsratgebern sich größtenteils innerhalb der Grenzen seiner Profession und vermied Ausflüge in die Theologie oder Orientkartographie. Guido von Vigevano war Leibarzt der französischen Königin Johanna von Burgund, als er im Jahr 1335 für deren Ehemann Philipp IV. ein als Texaurus regis Francie acquisicionis Terre Sancte betiteltes Rückeroberungstraktat verfasste.18 Geboren in Pavia um 1280 als Spross einer lombardischen
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 39–41; Humbert von Romans, Opus tripartitum. Ed. Brown, 193. Siehe dazu I.1.2. Gautier Dalché, Cartes (2010), 83 f. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 366: Capitulum qualiter hec mappa regni Jerosolimitani adjungitur huic operi. Zu den sog. „Burchard-Karten“ siehe insbes. Baumgärtner, Reiseberichte (2012), 460–507; Dies., Land (2012), 51–67; Campopiano, Terre sainte (2017), 178 f.; Gautier Dalché, Cartes (2010), 87–95; Harvey, Maps (2012), 94–105 sowie II.4.3.2. Es sind drei Textzeugen des Werkes überliefert: BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–54v; New Haven, Yale Center for British Art, Ms. UG443.V54 sowie Turin, Biblioteca Universitaria di Torino, Ms. G.V. 9. Der älteste Zeuge ist die Pariser Fassung, deren Entstehung Ostuni zwischen 1340 und 1345 in Avignon verortet. Sie befindet sich in einer Sammelhandschrift, die neben dem Texaurus verschiedene, weitgehend unzusammenhängende Texte des 12., 13. und 14. Jahrhunderts enthält, darunter etwa ein Kopialbuch aus Narbonne (fol. 5v–13r). Der Kodex wurde vermutlich aus verschiedenen mittelalterlichen Handschriften für die Bibliothek des französischen Staatsmanns Jean-Baptiste Colbert (✶1619
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Adelsfamilie, studierte Guido vermutlich in Bologna Medizin und praktizierte anschließend als Arzt in seiner Heimatstadt.19 Während des Italienzugs Kaiser Heinrichs VII. in den Jahren 1310–1313 unterstützte er als Ghibelline den Kaiser bei der Eroberung von Vigevano, woraufhin dieser den Mediziner in sein Gefolge aufnahm.20 Nach Heinrichs Tod diente der Lombarde dessen Tochter Maria von Luxemburg als Leibarzt und folgte seiner neuen Patronin im Anschluss an ihre Hochzeit mit Karl IV. an den französischen Hof, wo er in Johanna von Burgund eine neue Förderin gewann.21 Durch seine Tätigkeit als königlicher Mediziner fand Guido schließlich seinen Weg in die Kreuzzugsplanungen von Johannas Ehemann, dem französischen König Philipp VI. Angesichts der Warnungen seiner Berater scheint der König befürchtet zu haben, dass er aufgrund der klimatischen Bedingungen in Ägypten während des Kreuzzuges erkranken könnte.22 Diese Bedenken des Königs waren wahrscheinlich der Anlass, aus dem heraus der Texaurus entstand, denn den Löwenanteil des Werkes nimmt ein Gesundheitsregimen für den König ein.23 Nach dem vorzeitigen Ende der französischen Kreuzzugplanungen im Jahr 1337 war Guido noch viele Jahre als Leibarzt der Königin tätig. Auf der Grundlage von Leichensektionen verfasste er 1345 ein anatomisches Lehrbuch, welches erneut Philipp VI. gewidmet war und zu den ersten derartigen Werken des Mittelalters zählt.24
†1683) kompiliert, aus dessen Besitz er in den Bestand der königlichen Bibliothek überging. Die YaleFassung des Texaurus umfasst nur den technischen Teil der Abhandlung und wurde laut der Signatur des Kopisten (siehe fol. 17r der Handschrift) im Jahr 1375 durch einen Magister Albert von Aachen auf Zypern angefertigt. Die Turiner Fassung gilt als jüngste der drei Handschriften und ist eine Kopie der Pariser Handschrift aus dem späten 18. Jahrhundert. Die Urfassung des Texaurus ist indes nicht erhalten, vgl. Hall, Texaurus (1976), 13; Ostuni, Macchine (1993), 80–85. Eine Edition findet sich ebenda, 86–172. Sie basiert auf der Pariser Fassung des Textes, umfasst allerdings nur den handwerklichtechnischen Teil des Werkes (fol. 41r–54v) und spart den medizinischen Teil (fol. 32r–41r) aus. In seinem anatomischen Lehrbuch deutet Guido an, die Sektion menschlicher Leichen bei Mondino dei Luzzi (✶um 1270 †1326) gelernt zu haben, der zwischen 1300 und 1326 in Bologna lehrte. Möglicherweise bezieht er sich an dieser Stelle aber auch nur auf das anatomische Traktat, welches Mondino 1316 verfasst und Guido möglicherweise gelesen hatte, vgl. Ostuni, Macchine (1993), 24; Wickersheimer, Anatomie (1913), 14. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 88. Ostuni identifiziert Guido als den unbenannten medicus, welcher laut der Relatio de itinere italico Henrici VII imperatoris ad Clementum V des Nikolaus von Butrinto (†1316) die Bevölkerung der Stadt Vigevano überzeugte, sich dem Kaiser zu unterwerfen, vgl. Ostuni, Macchine (1993), 25. Fehrenbach hält Guidos Tätigkeit als Leibarzt Heinrichs VII. dagegen für unbewiesen, vgl. Fehrenbach, Homo (2013), 301. Berger, Guy de Vigevano (1914), 5–14; Ostuni, Macchine (1993), 18–29; Settia, Guido da Vigevano (2004), 433–436. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 412 f. Für diese Hypothese spricht auch, dass die Ausführungen de sanitate corporis unmittelbar zu Beginn von Guidos Rückeroberungstraktat stehen, vgl. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–39r. Bovenmyer, King (2021), 213–233; Fehrenbach, Homo (2013), 301–314. Für eine Edition siehe Wickersheimer, Anatomie (1913), 5–12.
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Wenige Jahre später, vermutlich 1348 oder 1349, starb er schließlich gemeinsam mit seiner Patronin Johanna an der Pestepidemie, die Paris in diesem Zeitraum heimsuchte.25 Obgleich Guido ein recht typischer Exponent der gelehrten Medizin seiner Zeit war, bildet er als solcher in Hinblick auf die inhaltliche Ausrichtung seiner Rückeroberungsvorschläge eine Ausnahmeerscheinung unter den höfischen Kreuzzugsberatern. Sein Traktat besteht aus zwei inhaltlich und formal voneinander getrennten Teilen: Der erste Teil behandelt neben den vorgenannten Gesundheitsregeln verschiedene Antidote, um Giftanschlägen vorzubeugen, und ist dementsprechend als Liber de regimine sanitatis senis cum custodia propter venenum betitelt.26 Der zweite Teil, von Guido als compedium brevis bezeichnet, fokussiert sich dagegen auf die Konstruktion von militärischen Gerätschaften, deren Einsatz den Sieg der Kreuzfahrer sicherstellen sollte.27 Diese bebilderten Konstruktionsanleitungen nehmen mit 39,2% den größten Teil des Werkes ein, militärtaktische (1,8%) oder logistische (0,7%) Überlegungen spielen nur hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten des dargestellten Kriegsgeräts eine Rolle. Die medizinischen Ausführungen Guidos sind dagegen dem Texaurus eigen und finden sich in keinem der anderen Rückeroberungsmemoranden, weshalb sie im Rahmen der Kategorienbildung für die Inhaltsanalyse nicht berücksichtigt wurden. Nicht nur in den Kreuzzugsplanungen, sondern auch in der Technikgeschichte kommt Guidos Texaurus eine Ausnahmeposition zu, denn seine Entwürfe zählen neben den Konstruktionszeichnungen von Villard de Honnecourt (†nach 1235) und Giovanni dei Dondi (✶1318 †1389) zu den wenigen erhaltenen Darstellungen der technischen Gerätschaften des 13. und 14. Jahrhunderts.28 Einige der von Guido beschriebenen Mechanismen wie etwa der Drehkopf einer Turmwindmühle sind in keiner anderen Quelle erhalten, weshalb nahezu keine Technikgeschichte des Mittelalters ohne zumindest einen pflichtschuldigen Verweis auf den lombardischen Mediziner auskommt.29 Guido selbst betrachtete seine Gerätschaften als modus acquisitionis Terre Sancte und beschränkte seine Darstellung deswegen ausschließlich auf dreizehn militärisch nutzbare Apparaturen: eine Schutzwand gegen Pfeile, ein Tonnelon, drei Varianten von Belagerungstürmen, eine Sturmleiter, eine Katzenburg, eine Pontonbrücke, faltbare Transportboote und Schwimmblasen zur Flussüberquerung sowie zwei selbstfahrende Kampfwagen. Jede dieser dreizehn Darstellungen im Texaurus besteht dabei aus einer lateinischen Bauanleitung sowie einer oder zwei Skizzen, auf denen die jeweilige Gerätschaft und ihr Einsatz im Kampf abgebildet sind. Sein Wissen über die Konstruktion dieser Apparaturen schöpfte Guido vorwiegend aus dem handwerklichen Spezialwissen der Belagerungstechniker, Militäringenieure und Sappeure, die spätestens ab dem ausgehenden 12. Jahrhundert eine eigene Profes-
Berger, Guy de Vigevano (1914), 7; Ostuni, Macchine (1993), 26. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–41r. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 41r–54v. BNF Ms. Franc. 19093; Hall, Giovanni de’Dondi (1978), 129–134. So u. a. Gies/Gies, Cathedral (1994), 205; Gimpel, Machine (1976), 232 f.; Long, Openness (2004), 104.
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sion formierten und seitdem an allen größeren Feldzügen beteiligt waren.30 Die Kreuzzüge bildeten in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Gleich mehrere Berater wiesen explizit darauf hin, dass der Kreuzfahrerstreitmacht auch Personen angehören sollten, die in den artes mechanicae versiert seien.31 Diese meist als ingeniatores oder mechanici bezeichneten Experten wurden jedoch üblicherweise nicht in der Planungsphase konsultiert, sondern begleiteten die Kreuzfahrerheere in den Orient, um dort vor Ort die erforderlichen Kriegsgeräte zu bauen.32 Soweit es sich anhand der erhaltenen Quellen feststellen lässt, explizierte Guido in seinem Texaurus vielfach nur das praktische Wissen dieser mechanici. Bei der von ihm als pertica bezeichneten Apparatur handelte es sich beispielsweise um ein seit dem 12. Jahrhundert eingesetztes Belagerungsgerät, das aus einem mechanisch ausfahrbaren Pfahl bestand, an dessen Ende eine Plattform montiert war, von der aus Bogenschützen über die Wehranlagen hinweg in das Innere einer Befestigung schießen konnten.33 In seltenen Fällen finden sich solche technischen Darstellungen auch in den Memoranden anderer Kreuzzugsberater: Marino Sanudo sowie die Bürger von Marseille erläuterten im Rahmen ihrer Rückeroberungsvorschläge etwa den Bau von Galeeren und Transportschiffen. Sanudo beschrieb darüber hinaus auch, wie sich ein Katapult konstruieren ließ.34 Der Umstand, dass Berater versuchten, das Wissen der Schiffbauer und Belagerungstechniker im Rahmen ihrer Rückeroberungsmemoranden zu propositionalisieren, illustriert erneut, dass infolge der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens auch praktisches Wissen, das zuvor im Rahmen der Kreuzzüge routinemäßig zum Einsatz kam, fraglich geworden war und deswegen von Kreuzzugsplanern einer näheren Untersuchung unterzogen wurde. Im Unterschied zu den anderen Ratgebern erörterte Guido von Vigevano allerdings nicht nur bereits im Einsatz befindliche Gerätschaften, sondern versuchte auch, altbekannte Apparaturen zu modifizieren, damit sie im Kampf von größerem Nutzen für die Kreuzfahrer sein würden. Den fahrbaren Unterstand zum Schutz vor Geschos-
Nicholson, Warfare (2004), 59. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 108; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 78; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 170; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 284; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 339. Siehe dazu u. a. den Bericht des Jean de Joinville über die Konstruktion von Katzenburgen während des ersten Kreuzzuges von Ludwig IX. in Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 94–96. Für einen ausführlichen Überblick vgl. Fulton, Warfare (2020), 132–169. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 96–104. Siehe dazu France, Warfare (1999), 117. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 250–253; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 65–69; 79–80. Innerhalb der Kreuzzugsplanungen des 15. Jahrhunderts gibt es mit dem toskanischen Ingenieur Mariano Taccola einen weiteren Vergleichsfall. Die von Taccola erfundenen Militärmaschinen wurden in der Mitte des 15. Jahrhunderts in eine Sammelhandschrift mit nützlichem Wissen zur Kriegführung gegen das Osmanische Reich aufgenommen, die u. a. auch eine Karte Südosteuropas enthielt. Taccolas Entwürfe sollten später Leonardo da Vinci als Inspiration für seine Kriegsmaschinen dienen, vgl. Vagnon, Projets (2014), 143 f.
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sen, der unter den Zeitgenossen wahlweise als Sau, Schildkröte oder Katze bekannt war,35 ergänzte Guido um ein Ochsengespann, Schießscharten sowie ausfahrbare Eisenstachel, mit denen sich Angreifer zurückschlagen ließen. Auf dem Dach dieses Kampfwagens könne überdies ein Katapult installiert werden, das sich im Schutze des Unterstandes nachladen lasse. Um seine neu entworfene Konstruktion auch verbal von den bestehenden Gerätschaften abzusetzen, bezeichnete er sie nicht etwa als Katze, sondern als Panther.36 In zwei von der Technikgeschichte vielbeachteten Entwürfen rekombinierte der Lombarde auch handwerkliches Wissen aus verschiedenen Beständen zu einer neuartigen Maschine. Dabei handelt es sich um zwei Kampfwagen für den Einsatz in der Schlacht, die durch Wind- bzw. (menschliche) Muskelkraft bewegt werden und folglich gänzlich ohne Zugtiere auskommen sollten. Als Grundlage für den Antrieb des von Hall als „windmill-powered tank“ bezeichneten Kampfwagens diente Guido der Drehkopf einer Windmühle. Die Übersetzung der Windkraft sollte durch ein Getriebe aus Zahnrädern erfolgen, welches im Fall von Windstille auch durch Muskelkraft angetrieben werden konnte.37 Die Turmwindmühlen mit drehbarer Haube, auf deren Mechanik der Entwurf des Mediziners basierte, kamen in Lateineuropa vermutlich seit der Wende zum 14. Jahrhundert zum Einsatz.38 Ihre Konstruktion übernahmen eigens darauf spezialisierte Mühlenbaumeister, die das Wissen zur Herstellung dieser Mechanismen offenbar erfolgreich monopolisiert hatten. Guido selbst sprach davon, dass der Windantrieb für den Kampfwagen von einem solchen magister molendiorum nach seinen Vorgaben gebaut werden solle.39 Guidos Entwurf eines Windwagens kombinierte demnach das praktische Wissen der zuvor erwähnten Belagerungstechniker mit dem der Mühlenbauer zu einer genuin neuen Gerätschaft. Was Guido in der technischen Domäne tat, lässt sich unter veränderten Vorzeichen auch bei vielen anderen Kreuzzugsberatern beobachten, die ebenfalls Spezialwissen aus verschiedenen gesellschaftlichen Teilbeständen zum Nutzen für den Kreuzzug miteinander zu verbinden versuchten. Dass es gerade ein gelehrter Arzt war, der eine solche Bricolage produzierte, war keineswegs ungewöhnlich, denn mittelalterliche Mediziner waren Long zufolge „perhaps prime candidates among the learned for writing treatises on the mechanical arts, since medical practice involved them in significant areas of practical
France, Warfare (1999), 116; Fulton, Warfare (2020), 143; Nicholson, Warfare (2004), 90. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 168–172. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 152–164. Siehe auch Hall, Giovanni de’Dondi (1978), 139; Lohrmann, Turmwindmühlen (2000), 34 f. Aus der archäologischen Überlieferung lässt sich nicht rekonstruieren, wann die Turmwindmühlen mit drehbarer Haube in Lateineuropa erstmals eingesetzt wurden, sodass Guidos Darstellung den ersten Nachweis für die Existenz dieser Technik bildet, vgl. Alertz, Windwagen (2001), 54; Hall, Inventions (1956), 967 f.; Lohrmann, Turmwindmühlen (2000), 25–40; Lucas, Wind (2006), 122–124. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 164: Que omnia pertinent ad magistrum molendinorum et maxime de vento quia hoc edificium accepi ad similitudinem molendinorum de vento.
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application involving the treatment of patients.“40 Ungeachtet dessen blieben Entwürfe wie der Windwagen wohl eine technische Phantasie, Hinweise auf den Versuch einer Umsetzung oder eine weiterführende Rezeption finden sich keine.41 Im Unterschied zum handwerklich-technischen Teil von Guidos Texaurus ist der medizinische Teil des Traktates in der Forschung bisher kaum thematisiert worden, obwohl seine medizinische Expertise höchstwahrscheinlich der Grund dafür war, dass er in den Kreuzzugplanungen konsultiert wurde. Mit seinem medizinischen Wissen reagierte Guido auf zwei oft genannte Risiken des Kreuzzuges, nämlich den Tod des Anführers durch Krankheit oder einen Giftanschlag.42 Besonders einflussreich am französischen Hof dürfte das Directorium ad faciendum passagium transmarinum gewesen sein, welches Guillelmus Adae 1332 für Philipp VI. angefertigt hatte. Das Werk wurde wenig später ins Französische übersetzt und von einer königlichen Sachverständigenkommission eingehend geprüft.43 In dem Rückeroberungstraktat warnte der Dominikaner den König davor, dass er und andere Kreuzfahrer aufgrund der klimatischen Bedingungen in Ägypten erkranken könnten, sofern die Streitmacht dorthin vorstoße.44 An anderer Stelle wies er darauf hin, dass die Assassinen ihre alten Burgen in Syrien wieder in Besitz genommen hätten und mit vergifteten Dolchen Morde begehen würden, weshalb Philipp VI. sich bei seinem Kreuzzug vor Anschlägen in Acht nehmen müsse.45 Der medizinische Teil von Guidos Rückeroberungstraktat war demnach die passgenaue Antwort eines medizinischen Experten, der auf diese beiden Risiken des Kreuzzugs reagierte. In der ersten Hälfte, überschrieben als Liber conservationis sanitatis senis, stellte der Lombarde Verhaltensregeln auf, die der König be-
Long, Openness (2004), 105. Guido war keineswegs der einzige gelehrte Mediziner des späten Mittelalters, der technische Abhandlungen verfasste. Weitere Beispiele sind etwa der vorgenannte Giovanni dei Dondi, Konrad Kyeser (✶1366 †nach 1405) oder Giovanni Fontana (†1455), vgl. ebenda, 104–115. Das Urteil der Technikgeschichte über den Entwurf ist gespalten: Hall bezeichnet die Kampfwagen als „imaginative fantasies“ und „armchair musings“, die nie in der Praxis erprobt worden seien und aufgrund der unzureichenden Konstruktionsanleitung Guidos vermutlich von zeitgenössischen Technikern gar nicht erst hätten gebaut werden können, vgl. Hall, Giovanni de’Dondi (1978), 139. Alertz hat dagegen die Hypothese vertreten, dass die Anleitungen Guidos umsetzbar gewesen seien und der Mediziner die Funktionsweise des Windwagens vermutlich an einem kleineren Modell erprobt hat. Auf Grundlage eines CAD-Modells von Guidos Windwagen, das mithilfe der Angaben im Texaurus konstruiert wurde, hält Alertz den Wagen zudem bei einer Windstärke von 10 m/s auf einem ebenen Untergrund für fahrtüchtig, vgl. Alertz, Windwagen (2001), 67–71. So u. a. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 39; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 442 f.; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 348 f. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11; BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 165v–192v. Siehe dazu II.4.1.1. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 412 f. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 496 f. Collard hat vermutlich Recht, wenn er darauf hinweist, dass mögliche Giftanschläge in der Wahrnehmung politischer Entscheidungsträger eine deutlich prominentere Rolle spielten als tatsächlich erfolgreiche Giftmorde, vgl. Collard, Gifteinsatz (2015), 343.
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folgen sollte, um bei seinem Aufenthalt in Nordafrika nicht zu erkranken.46 Die zweite Hälfte widmete sich dann der custodia propter venenum, wobei Guido dezidiert auf Giftanschläge gegen die Anführer vergangener Kreuzzüge einging.47 Wissensgeschichtlich betrachtet bewegte sich Guido dabei sowohl formal als auch inhaltlich in den Bahnen der gelehrten Medizin seiner Zeit. Seine Gesundheitsregeln standen in der literarischen Tradition der medizinischen regimina sanitatis, während seine Ausführungen auf der antiken Humoralpathologie sowie der arabisch-islamischen Medizin fußten und dieses Toposwissen mit eigenen Beobachtungen verbanden. Bei dem regimen sanitatis handelte es sich um „eine Lehrschrift der gesunden Lebensführung“, die „in erster Linie für die praktische Anwendung bestimmt“ war.48 Als Gliederungsprinzip dieser Gesundheitslehren dienten seit dem 13. Jahrhundert die sechs von Galen benannten res non naturales, denen auch die ersten sechs Unterkapitel von Guidos Liber de regimine sanitatis gewidmet sind. Der Reihe nach erörterte der Lombarde dort Essen und Trinken, Schlafen und Wachen, Bewegung und Ruhe, Füllung und Entleerung, die Gemütsbewegungen sowie die Luft, und beschrieb, wie diese nicht-natürlichen Dinge sich durch menschliches Handeln regulieren ließen, um sie in das richtige Verhältnis zueinander zu bringen.49 Befanden sich die res non naturales einmal im Gleichgewicht, beförderte dies laut gelehrten Medizinern wie Guido das harmonische Zusammenspiel der res naturales, zu denen auch die Körpersäfte und Organe zählten.50 Im siebten Unterkapitel wendete der Mediziner sich der Krankheitsprophylaxe einzelner Körperteile zu und ging auf Hören und Sehen, die Zähne sowie das Gedächtnis ein. Die Auswahl war keineswegs zufällig, denn Guido zufolge handelte es sich um die Körperfunktionen, die im Alter oft nachlassen würden, weshalb der König gut beraten sei, diesbezüglich Vorsorge zu treffen.51 Das letzte Unterkapitel bricht mit der sechsgliedrigen Struktur der regimina und wird wahrscheinlich dem im Westen als Liber de medicina ad Almansorem bekannten Lehrbuch des alRāzī bzw. Rhazes (†925) oder dem pseudo-aristotelischen Secretum secretorum entlehnt gewesen sein, die ebenfalls den Gesundheitsregeln für einzelne Körperteile eigene Kapitel widmeten.52
BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–39v. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 39v–41r. Schmitt, Lebenskunst (2013), 10. Siehe dazu auch Agrimi/Crisciani/Viola, Consilia (1994), 29 f.; Keil, Regimen sanitatis (1993), 113–124. BNF Ms. Lat. 11015: Capitulum primum de cibo et potu (fol. 32v–35v), capitulum secundum de sompno et vigilia (fol. 35v–36r), capitulum tertium de motu et quiete (fol. 36r–37r), capitulum quartum de evacuacione et replecione (fol. 37r–38r), capitulum quintum de accidentibus anime (fol. 38r) sowie capitulum sextum de aere (fol. 38r–38v). BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r. Siehe dazu auch Keil, Regimen sanitatis (1993), 114–118; Siraisi, Medicine (1990), 120–123. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 38v–39r: Capitulum septimum de visu, auditu, dentibus et memoria. Schmitt, Lebenskunst (2013), 115–123; Secretum Secretorum. Ed. Steele, 164–172. Zum Secretum secretorum siehe III.1.2.2.
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Inwiefern Guido auch inhaltlich und argumentativ der gelehrten Medizin seiner Zeit folgte, lässt sich an dem Gegenmittel für das Gift des blauen Eisenhuts illustrieren, welches er in der zweiten Hälfte des medizinischen Teils beschrieb. Dem Lombarden zufolge handelte es sich beim zuccum de napellus um ein besonders tückisches Gift, weil der bereits seit der Antike gern als Antidot eingesetzte Theriak dagegen wirkungslos sei und das Gift sich zu allem Übel auch nicht in Speisen ausbreite, sodass Vorkoster es oft nicht entdecken könnten. Guido verwies zunächst auf ibn Sīnā, der einst behauptet hatte, dass Mäuse immun gegen das Gift des Eisenhuts seien. Diese Annahme konnte der Lombarde auf Grundlage seiner eigenen Erfahrungen zwar nicht bestätigen, wusste aber stattdessen zu berichten, er habe auf einer seiner Reisen beobachtet, dass bestimmte Würmer bzw. vermes den Eisenhut zu essen vermochten, ohne dabei Schaden zu nehmen. Aus diesem Grund habe er einige der Würmer zerstoßen und daraus ein Antidot hergestellt. Nachdem er diese Mixtur zunächst erfolgreich an Tieren getestet hatte, habe er selbst eine kleine Dosis Eisenhut gegessen und wenig später das Gegengift zu sich genommen. Die Wurm-Mixtur habe umgehend einen Brechreiz bei ihm ausgelöst, sodass er sich mehrfach habe übergeben müssen. Dadurch sei das Gift des Eisenhuts erfolgreich aus seinem Körper ausgeschieden worden und habe seine toxische Wirkung nicht weiter entfalten können. Mit der erfolgreichen Anwendung des Gegengifts sei ibn Sīnā jedoch keineswegs widerlegt, denn, so Guido weiter, er habe gehört, dass die Bewohner der Region die Würmer in ihrem örtlichen Dialekt als kleine Mäuse bezeichnen würden.53 Mit dieser Argumentationsweise erwies Guido sich als typischer Exponent der gelehrten Medizin seiner Zeit, innerhalb derer das Toposwissen zentraler Autoritäten nicht direkt in Frage gestellt, sondern stattdessen anhand eigener Beobachtungen reinterpretiert wurde.54 Schon seit dem 12. Jahrhundert begleiteten gelehrte Mediziner wie Guido herausgestellte Persönlichkeiten als Leibärzte bei deren Kreuzzügen in den Orient. Berater insistierten darauf, dass die Anführer der Kreuzfahrer auch künftig einen oder mehrere medici in ihrem Gefolge haben sollten, um gesundheitlichen Risiken vorzubeugen.55 Ungewöhnlich ist indes, dass ein Mediziner sein Wissen in Form eines Rückeroberungstraktates niederschrieb, statt seinem Patron persönlich in den Orient zu folgen. In Guidos Fall ist dieser Umstand möglicherweise darauf zurückzuführen, dass der Lombarde dem Haushalt Johannas von Burgund angehörte und nicht an dem Kreuzzug teilnehmen sollte oder wollte, um in Frankreich bei seiner Königin zu bleiben.56 Folgt man dieser Annahme, so richtete er sich mit seinem Rückeroberungstraktat nicht direkt an Philipp VI., sondern vielmehr an die Leibärzte und Belagerungstechniker, welche den
BNF Ms. Lat. 11015, fol. 40r–40v. Kintzinger, Experiencia (2012), 95–117; Sarnowsky, Expertus (2012), 47–59; Siraisi, Medicine (1990), 81 f. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 282. Zum Haushalt von Königinnen siehe u. a. Fößel, Königin (2000), 81–92; Gaude-Ferragu, Reine (2014), 197–206.
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König bei seinem Kreuzzug in den Orient begleiten würden.57 Damit war auch Guido von Vigevano ähnlich wie Galvano di Levanto wissensgeschichtlich betrachtet ein exotischer Einzelfall in den Kreuzzugsplanungen, der keinerlei Nachahmer fand. Sein Rückeroberungstraktat zeugt vor allem von der allgemeinen Unsicherheit darüber, welches Wissen für die Rückeroberung des Heiligen Landes nützlich sein würde, sowie der epistemischen Pionierstimmung an den Höfen, die von dieser Unsicherheit ausgelöst wurde.
5.2 Ramon Llull und die ars magna Der Theologe und Missionar Ramon Llull (auch: Raimundus Lullus) war zwischen 1290 und seinem Tod im Jahr 1316 einer der aktivsten Kreuzzugsberater und ist zugleich auch derjenige unter den Ratgebern, welcher in der historischen Forschung am meisten Beachtung gefunden hat. Llull gehörte zum katalanischen Adel, sein gleichnamiger Vater stammte zwar aus einer in Barcelona ansässigen Kaufmannsfamilie, war aber 1229 von König Jakob I. für seine Verdienste bei der Eroberung von Mallorca nobilitiert worden und herrschte fortan über ein kleines Territorium auf der Baleareninsel. Auf dem von Aragon kontrollierten Mallorca wuchs Llull als Teil der christlichen Minderheit in einer größtenteils muslimischen Gesellschaft auf und konnte die Christianisierung der Insel aus nächster Nähe erleben. Nachdem er zunächst seinem Vater nachgefolgt war und geheiratet hatte, führte ein Bekehrungserlebnis im Jahr 1263 dazu, dass Llull sich vom irdischen Besitz abwandte und schwor, von nun an ein Leben im Dienste Christi zu führen.58 Den Sinn seines Lebens, so heißt es in der von einem Weggefährten verfassten Llull-Vita, sah der Katalane fortan in der Bekehrung der Muslime zum christlichen Glauben.59 Deshalb begann er in den Folgejahren damit, Arabisch sowie Latein zu lernen, und entwickelte ein auf figurativer Kombinatorik basierendes Argumentationssystem zur Widerlegung aller Irrlehren. Die Grundlagen dieser ars magna (generalis), so heißt es in der Vita, seien ihm 1273 auf einem Berg nahe seiner Heimatstadt Palma offenbart worden, woraufhin er sie wenig später unter dem Titel Ars compendiosa inveniendi veritateminem niedergeschrieben habe.60 Llull betrachtete die ars magna als sein theologisches Lebenswerk, weshalb er sie bis zu seinem Tod durch zusätzliche Abhandlungen und Zusammen-
Für diese These spricht auch die für Laien teils schwer nachvollziehbare Fachsprache, derer Guido sich in seinem Werk bediente. Siehe dazu Hall, Texaurus (1976), 30 f. sowie III.1.2.1. Domínguez Reboiras/Gayà Estelrich, Raimundus Lullus (2008), 22–45; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 1–12. Vita coetanea. Ed. Platzeck, 34 f. Vita coetanea. Ed. Platzeck, 38 f.
5.2 Ramon Llull und die ars magna
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fassungen immer weiter zu perfektionieren versuchte.61 Ihren Nutzen für die Mission der Muslime erprobte der Katalane zunächst in seiner Heimat Mallorca, später unternahm er Missionsreisen nach Tunis (1293), Bougier bzw. Bejaia (1307) und schließlich erneut nach Tunis (1315).62 Die missionstheologischen Abhandlungen waren jedoch keineswegs die einzigen Werke Llulls, denn der Vielschreiber betätigte sich auch in Medizin, Pädagogik sowie der katalanischen Dichtung. Folgt man der Zählung Platzecks, so sind ganze 292 Werke des Katalanen bekannt und mindestens 250 davon auch erhalten.63 Seine ungewöhnliche Sozialisation verschaffte ihm den Zugang zu Wissensbeständen, die sowohl inhaltlich als auch in Hinblick auf die Träger des Wissens weitgehend getrennt voneinander waren, weshalb er in seinen Werken aus jüdischer Kabbalistik und arabischer Astrologie ebenso wie aus westlicher Theologie und höfischer Dichtung schöpfen konnte. Auch in seinen später verfassten Rückeroberungstraktaten stützte der Katalane sich nicht nur auf Wissen aus der Orientmission, sondern vermochte auch seine Kenntnisse aus Kriegführung und Seefahrt einzubringen.64 Llull selbst reflektierte in seinen Schriften die soziale Verteilung von (Spezial-)Wissen und versuchte in der als Arbor scientiae bekannten Abhandlung gar eine proto-enzyklopädische Systematik des gesamtgesellschaftlichen Wissensvorrats zu entwerfen.65 Das theoretische Rückgrat seines Wirkens bildete dabei stets die ars magna, auf die er sich in nahezu allen Schriften direkt oder indirekt bezog.66 In etwa zeitgleich mit der ars entwickelte Llull den Plan, Missionarsschulen zu errichten.67 Seine Idee war keineswegs neu, denn bereits zehn Jahre zuvor hatte Roger Bacon die Einrichtung solcher Sprachschulen gefordert, wobei er vermutlich an eine ältere Initiative des Dominikanerordens anknüpfte.68 Nach einigem Werben gelang es Llull im Jahr 1276, Jakob II. von Aragon für ein Pilotprojekt zu gewinnen. Mit päpstlicher Zustimmung und der Unterstützung des Königs ließ er in Miramar auf Mallorca ein Franziskanerkloster errichten, in dem neben der arabischen Sprache
Dazu zählen u. a. die Ars universalis (ca. 1274–1283), Ars demonstrativa (1283), Ars inventiva veritatis (1290), Lectura artis (1304), Ars brevis (1308) sowie die Ars generalis ultima (ca. 1305–1308), vgl. Bonner, Art (2007), 19–21; Domínguez Reboiras/Gayà Estelrich, Raimundus Lullus (2008), 48, Fußn. 108. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 99 f., Nr. 51; Vita coetanea. Ed. Platzeck, 46–49; 53–56. Seine Reise ins Heilige Land in den Jahren 1301/02 unternahm Llull jedoch wahrscheinlich als Pilger und nicht als Missionar, vgl. Gayà Estelrich, Ramon Llull (1997), 25–78. Platzeck, Raimund Lull (1962), 3–84. Siehe dazu II.2.3.1 u. II.4.3.3. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 1, 7. Siehe dazu Bonner, Structure (2002), 21–34; Imbach, Arbor Humanalis (2002), 135–157 sowie III.1.2.1. Bonner, Art (2007), 10. Die Notwendigkeit des Spracherwerbs für Missionare stellte Llull erstmals im 1273 oder 1274 entstandenen Liber contemplationis heraus, vgl. Compagno, Intent (2013), 81. Opus majus of Roger Bacon, Ed. Bridges, Bd. 1, 92–94.
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vermutlich auch die ars gelehrt werden sollte.69 Das Kloster bestand bis 1443, die Sprachschule wurde jedoch schon in den 1290ern eingestellt.70 Trotz dieses Misserfolgs warb Llull weiterhin für die Errichtung solcher Missionarsschulen, was auch in seinen Rückeroberungstraktaten Niederschlag gefunden hat.71 Zwischen 1289 und 1291 kam es zu zwei Ereignissen, die das weitere Wirken Ramon Llulls nachhaltig prägen sollten. Nachdem seine ersten Schriften bei seinen beiden Aufenthalten in Montpellier (1282–1284 und 1286–1287) an den dortigen Schulen positiv rezipiert worden waren, reiste der Katalane 1288 nach Paris, um der Gelehrtenwelt seine ars magna vorzustellen. Zu Beginn des Jahres 1289 las er an der Universität einen Kommentar zur ars, doch die Reaktion der versammelten Magister fiel vernichtend aus. Llull reiste umgehend ab und versuchte fortan, sein Argumentationssystem zu vereinfachen, weil ihm seiner Vita zufolge die Gebrechlichkeiten des menschlichen Verstandes in Paris so recht zu Bewusstsein gekommen waren.72 Von diesem Zeitpunkt an begann Llull, seinen Fokus von der Gelehrtenwelt auf die große Politik zu verlagern und seine ars weniger über Universitäten und Schulen, sondern vielmehr über die Höfe von Päpsten und Königen zu verbreiten. Seinen Einfluss auf die Herrschenden versuchte er wiederum zu nutzen, um auf die Gelehrten an Universitäten und Hohen Schulen einzuwirken.73 Im Jahr 1310 gelang es ihm schließlich mit Hilfe von Clemens V. und Philipp IV., die Pariser Gelehrten dazu bewegen, ihn erneut anzuhören und zu bestätigen, dass seine Schriften mit dem christlichen Glauben übereinstimmten.74 Während Llull 1289 damit beschäftigt war, seine ars magna zu verfeinern, eroberte der ägyptische Sultan die Grafschaft Tripolis, Akkon und Sidon sollten 1291 fol-
Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 39, Nr. 14. Zum Kloster Miramar siehe insbes. Garcías Palou, Miramar (1977), 1–12. Im Januar 1292 griff Jakob II. in die Organisation des Klosters ein und organisierte eine Zustiftung in Höhe von 500 Solidi, um die Mönche zur Rückkehr zu bewegen, welche das Kloster zuvor verlassen hatten. Im März 1301 muss das Kloster dann komplett verlassen gewesen sein, denn Jakob II. übertrug den leerstehenden Komplex dem Zisterzienserkloster Santa María de la Real, vgl. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 62–64, Nr. 28–30; 73, Nr. 36. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 328; 340–342; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 250; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 147 f.; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 150. Vita coetanea. Ed. Platzeck, 41; Übers. ebenda. So setzte sich Llull u. a. bei Philipp IV., Clemens V. sowie auf dem Viennense gegen den Averroismus an der Pariser Universität ein, den er als Ursache für die mangelnde Akzeptanz seiner ars magna betrachtete, vgl. Imbach, Lulle (1987), 261–282. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 80–86, Nr. 41–43; Vita coetanea. Ed. Platzeck, 57. Johnston hat darauf hingewiesen, dass selbst aus diesem Schreiben die Geringschätzung der Pariser Gelehrten für den Laientheologen erkennbar ist. Den Beitrag Llulls zur Theologie verglichen sie mit dem Obolus der Witwe (Mk 12,41–44; Lk 21,1–4), der üblicherweise zitiert wurde „to praise the faithful who display great devotion by offering to God’s glory whatever they can, even if very humble or modest.“ Vgl. Johnston, Ramon Llull (2019), 14.
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gen. Der Verlust der letzten Kreuzfahrerreiche ließ Ramon Llull seine bisherigen Pläne zur Mission der Muslime überdenken. Von diesem Zeitpunkt an betrachtete der Katalane Mission und Kreuzzug als zwei sich wechselseitig ergänzende Waffen gegen den Irrglauben und begann, aktiv für die Rückeroberung des Heiligen Landes zu werben. Zugleich erkannte er, dass die Rückeroberungsvorschläge sich leicht dazu nutzen ließen, um langjährigen Projekten wie etwa der Errichtung von Sprachschulen an den Höfen von Päpsten und Königen zusätzliches Gewicht zu verleihen. Aus den folgenden zwei Dekaden sind drei Traktate sowie vier kürzere Memoranden und Briefe überliefert, in denen Llull sich mit dem Kreuzzug auseinandersetzte. Mit dem ersten Werk, betitelt als Tractatus de modo convertendi infideles, reagierte der Katalane auf die 1291 von Papst Nikolaus IV. geäußerte Bitte um Ratschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes. Aus dem gleichen Zeitraum ist auch eine Kurzfassung der Vorschläge in Form eines Briefes an den Papst erhalten.75 Mit Coelestin V. und Bonifaz VIII. erhielten auch Nikolaus’ Nachfolger auf dem Stuhl Petri in den folgenden Jahren ähnliche Briefe des Katalanen.76 Im Jahr 1305 stellte Llull dann mit dem Liber de fine sein umfangreichstes Rückeroberungstraktat fertig und widmete es seinem Patron König Jakob II. von Aragon.77 In dessen Auftrag reiste der Katalane vier Jahre später an die Kurie, um dort mit Papst Clemens V. über einen Kreuzzug zur Eroberung von Granada zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund entstand sein drittes Rückeroberungstraktat, das als Liber de acquisitione Terre Sancte bekannt ist.78 Die Entscheidung über einen allgemeinen Kreuzzug wurde schließlich auf das Konzil von Vienne vertagt, weshalb Llull für die Konzilsteilnehmer eine Petitio verfasste, in der er seine Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes erneut darlegte.79
Der Tractatus ist in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 3174. fol. 134v–144v), einer weiteren aus dem 15. Jahrhundert (BCC Ms. 7–6–41, fol. 23r–26v) sowie einer Kopie aus dem 17. Jahrhundert (BA Ms. N 259 Sup, fol. 105r–111r) überliefert. Für eine kritische Edition siehe Domínguez Reboiras/Garí, Liber de passagio (2003), 336–353 sowie ebenda, 328–331 für den Brief an den Papst. Für eine Edition siehe Longpré, Opuscules (1935), 146–149; Perarnau, Petició (1982), 29–43. Das Werk ist erhalten in einer Sammelhandschrift aus dem 14. Jahrhundert (Palma, Biblioteca Pública, Ms. 1042, fol. 67r–86r), drei Kopien aus dem 15. Jahrhundert (BSB Clm. 10543, fol. 127r–149r; Rom, Biblioteca Casanatense, Ms. 43, fol. 1r–51v; BAV Ott. Lat. 654, fol. 34r–47v) sowie vier unvollständigen Fragmenten (BAV Vat. Lat. 7317, fol. 201r–212v; BCC Ms. 7–2–27, fol. 2r–19v; Palma, Biblioteca Pública, Ms. 1184, fol. 1r–10r; Palma, Biblioteca Diocesana, Ms. E-131, fol. 1r–42v). Eine erste Edition des Werkes entstand bereits im 17. Jahrhundert (Montserrat, Biblioteca del Monestir, Ms. 406, fol. 1r–28v). Für eine kritische Edition siehe Madre, Liber de fine (1981), 250–291. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 78, Nr. 40. Das Werk ist in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 15450, fol. 544v–547v) sowie zwei Kopien aus dem 17. Jahrhundert (BNF Ms. Lat. 17827, fol. 342r–353v; BSB Clm. 10565, fol. 1r–8r) überliefert. Für eine kritische Edition siehe Kamar, De acquisitione (1961), 103–131 sowie darauf aufbauend Domínguez Reboiras, Liber de acquisitione (2017), 203–229. Für eine Edition siehe Longpré, Opuscules (1935), 149–154.
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Keines der genannten Kreuzzugsmemoranden des Katalanen war ein rein militärisches Werk, stattdessen lag der Fokus seiner Abhandlungen neben dem Kreuzzug auch stets auf der Orientmission, die im Tractatus 60,9% und im Liber de fine 36,2% des Werkes einnimmt. Der Teil de modi bellandi war dabei in allen drei Rückeroberungstrakten Llulls von seinen Ausführungen de modo convertendi abgegrenzt, denen er eigene Teilkapitel widmete.80 In den missionarisch ausgerichteten Abschnitten seiner Rückeroberungstraktate beschrieb Llull die religiösen Überzeugungen der Muslime, Mongolen sowie orientalischen Christen und erläuterte anschließend im Stil der Missionarshandbücher seiner Zeit, mit welchen Argumenten diese Irrgläubigen sich zum römischen Christentum bekehren ließen.81 So müsse den Muslimen vor allem erklärt werden, dass Gott Vater, Sohn und der Heilige Geist nicht drei verschiedene Gottheiten, sondern wesensgleich seien.82 Den griechischen Schismatikern müsse dagegen aufgezeigt werden, dass der Heilige Geist aus Gott Vater und dem Sohn hervorgegangen sei.83 Llull beschränkte sich nicht allein auf theologische Argumente, sondern stellte auch heraus, dass die Mongolen keine Wissenschaft (scientia) hätten, weshalb sie sich durch die therapeutischen Erfolge der gelehrten Medizin des Westens leicht von der Überlegenheit der lateinischen Christenheit überzeugen ließen.84 Mit dem Liber de fine begann der Katalane, Mission und Kriegführung auch auf handlungspraktischer Ebene miteinander zu verbinden. Er schlug vor, dass die Kreuzfahrer von Missionaren begleitet werden sollten, welche die im Kampf gefangenen Muslime bekehren und dank ihrer Sprachkenntnisse auch als Gesandte zu arabischen Herrschern eingesetzt werden könnten. Die einmal zum Christentum konvertierten Gefangenen könnten den Kreuzfahrern im Anschluss als Spione dienen.85 Insgesamt lässt sich also festhalten, dass die missionarische Arbeit in den Rückeroberungsmemoranden Llulls im Unterschied zu denen der anderen Ratgeber sowohl quantitativ als auch qualitativ im Übergewicht war. Auch die Llull-Forschung ist einig darin, dass der Katalane sich in erster Linie als Missionar betrachtete und sein Werben für einen Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes dementsprechend nur im Kontext seines missionarischen Wirkens verstanden werden kann. Da Llull sich bereits seit seinem Bekehrungserlebnis für die
Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 207–216; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 336–340; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 269–285. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 216–225; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 340–344; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 252–269. Zum Wissen der Missionare siehe II.4.3.3. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 219; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 342; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 255 f. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 223; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 260 f. Llull bezog sich auf den sog. Filioque-Streit über die Natur des Heiligen Geistes, der im ausgehenden 13. Jahrhundert eine zentrale Rolle in den Unionsverhandlungen zwischen der griechischen und römischen Kirche spielte. Siehe dazu Exarchos, Lateiner (2022), 183–200. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 266 f. Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 283.
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Mission der Muslime eingesetzt hatte und erst 30 Jahre später mit dem Untergang der Kreuzfahrerreiche begann, sich auch für den Kreuzzug zu engagieren, streiten Forscher allerdings nach wie vor darüber, inwiefern dieser Übergang einen Wendepunkt im Denken des Katalanen markierte. Während ein Teil der Forschung davon ausgeht, dass die Ereignisse von 1291 eine Zäsur darstellen, infolge derer Llull das Projekt einer friedlichen Mission aufgab, argumentiert die Gegenseite wie folgt: (...) it seems a misinterpretation to explain the development of the idea of crusade in Llull’s thought as a definitive intellectual change from an extreme pacifism to a full warmongering. However, (...) it’s important not to consider the necessity of an armed crusade as the main topic of his writings but rather his incessant effort to launch a religious dialogue with the unbelievers and his conviction to have really found the intellectual key to demonstrating the truth of the Christian religion and the untruth of all other faiths.86
Unabhängig von dieser Debatte lässt sich derweil festhalten, dass Llull den Kreuzzug dafür instrumentalisierte, um an den Höfen lateineuropäischer Herrscher für seine Missionsprojekte zu werben Die Höfe waren für den Katalanen dabei von besonderer Bedeutung, weil sein Auftritt an der Universität Paris im Jahr 1289 ihm vor Augen geführt hatte, dass die Chancen, seine Pläne umzusetzen, dort größer waren als in der Gelehrtenwelt. Dabei kam ihm zupass, dass er keineswegs immer das Leben eines weltabgewandten Eremiten geführt hatte, sondern in der katalanischen Aristokratie sozialisiert worden war und dementsprechend wusste, wie man sich an den Höfen der Mächtigen bewegte. Wie andere Berater machte auch Llull sich den Umstand zu Nutze, dass der Kreuzzug ein leerer Signifikant war, mit dessen Hilfe sich Partikularinteressen wie die Errichtung von Sprachschulen universalisieren ließen, indem man sie mit der Rückeroberung des Heiligen Landes verknüpfte.87 In seinem Brief an Papst Nikolaus IV. stellte er heraus, die Konversion der Griechen zum lateinischen Christentum durch die an seinen Schulen ausgebildeten Missionare würde eine Art Dominoeffekt auslösen, an dessen Ende den Kreuzfahrern der Sieg gewiss sei: Jene heiligen Männer [d. Missionare, Anm. d. V.] aber mögen, soweit es in ihren Kräften steht, den Versuch zur Vereinigung der Schismatiker mit den Rechtgläubigen und zur Entkräftung ihrer schismatischen Ansichten machen, denn diese können leicht entkräftet werden. Wenn aber die Schismatiker mit dem rechten Glauben wieder vereint sind, können die Tataren leicht gewonnen werden; denn sie leben [bislang noch] ohne religiöses Gesetz. Und wenn die Schismatiker [wieder] vereint und die Tataren bekehrt sind, können alle Sarazenen leicht zunichte gemacht werden.88
Compagno, Intent (2013), 77 f. Für die Gegenposition siehe u. a. Domínguez Reboiras/Gayà Estelrich, Raimundus Lullus (2008), 70–73; Ensenyat, Pacifism (2008), 137–144; Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 6–14. Laclau, Empty Signifiers (2007), 36–46. Siehe dazu I.2.1. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 329: Isti autem viri sancti conentur, quantum possint, ad veniendum scismaticos ad catholicos et ad destruendum scismata eorum, quae levi-
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Diese Kausalkette lässt sich Llull zufolge allerdings auch umkehren: Wenn es den Muslimen vor den Christen gelänge, die Tataren bzw. Mongolen zu bekehren, so ständen die Kreuzfahrer einer unüberwindlichen Übermacht gegenüber, die militärisch kaum noch bezwungen werden könnte.89 Kurz gesagt: Nur wenn die Orientmission weiter vorangetrieben werden würde, hätte der Kreuzzug eine Chance auf militärischen Erfolg. Ausgehend von diesen Vorannahmen stand es für Llull außer Frage, dass für die Rückeroberung des Heiligen Landes neben den militärischen Plänen der anderen Ratgeber eine neue Art von Wissen erforderlich war, welches die Christen dazu befähigen würde, Andersgläubige zur Konversion zu bewegen. Den Schlüssel dazu sah der Katalane in seiner ars magna, die es nach eingehender Schulung prinzipiell jedem Missionar ermöglichen sollte, alle denkbaren Einwände gegen die Lehren des lateinischen Christentums zu widerlegen. Die ars kann verstanden werden als „technical language designed for the purpose of communicating rationally the contents of the Christian faith. In this way, the Art is intended to overcome the opposition of Faith to Reason, since according to Llull, Faith can become fully manifest only with the aid of Reason. The Art may thus be defined as a rational mechanism placed in the service of religious faith, both to strengthen and to help propagate it.“90 Ihren Kern bilden vier Diagramme, deren Elemente miteinander kombiniert werden konnten, um jede beliebige Frage zu beantworten. Diese Form des logischen Schließens unterschied sich somit maßgeblich von der der aristotelischen Syllogistik, die ab dem 12. Jahrhundert an Schulen und Universitäten gelehrt wurde. Seine Inspiration bezog Llull stattdessen aus Neoplatonismus, Sufismus sowie der Kabbala und baute damit auf Wissenskulturen, die sowohl an den lateineuropäischen Herrscherhöfen als auch in der Gelehrtenwelt bestenfalls randständig waren.91 Bonner unterscheidet zwei Phasen in der Entwicklung der ars: Zunächst umfasste sie noch zwölf Diagramme, doch nach seiner Auseinandersetzung mit den Pariser Magistern im Jahr 1289 reduzierte der Katalane die Zahl der Diagramme auf vier und explizierte darüber hinaus auch die 18 Prinzipien, welche seinem Schlussverfahren zu Grunde lagen.92 Der Umbau der ars magna fällt zusammen mit dem beginnenden Engagement Llulls für die Rückeroberung des Heiligen Landes, sodass es nicht verwundert, dass der Katalane in ausnahmslos allen Rückeroberungsmemoranden den Nutzen seiner ars für die Missionstätigkeit unterstrich und vorschlug, sie an den geplanten Missio-
ter destrui possunt. Et, unitis scismaticis, ad fidem catholicam Tartari leviter acquiri possunt, quia sine lege existunt. Et, unitis scismaticis et Tartaris conversis, omnes Saraceni leviter destrui possunt. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 329; 345. Rubio, Art (2019), 83. Llull selbst hielt diesbezüglich fest: Subiectum huius Artis est respondere de omnibus quaestionibus, supposito, quod sciatur, quid dicitur per nomen. Vgl. Ars brevis. Ed. Fidora, 2. Siehe dazu insbes. Batalla, Llull (2019), 46–80; Hames, Art (2000); Urvoy, Islam (1980), 63–71. Bonner, Art (2007), 93–120.
5.3 Marino Sanudo und der Versuch einer Rückeroberungsenzyklopädie
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narsschulen unterrichten zu lassen.93 Dieser starke Rückbezug auf die ars machte Llull zu einer Ausnahmeerscheinung unter den Kreuzzugsberatern, die sich im Unterschied zu dem Katalanen auf sozial weithin etablierte Wissensbestände stützen konnten. Ramon Llull hatte sich mit der ars magna dagegen einen ihm eigenen Bestand an Spezialwissen geschaffen, über den er als alleiniger Produzent von Wissen zeitlebens die Deutungshoheit ausübte. Insofern war der konstante Verweis auf die ars innerhalb von Llulls Rückeroberungsmemoranden nicht nur ein Ausdruck von dessen Partikularinteressen, sondern darüber hinaus auch eine Möglichkeit, eine kreuzzugsbezogene Expertise für sich in Anspruch zu nehmen, ohne die Konkurrenz anderer Experten befürchten zu müssen.
5.3 Marino Sanudo und der Versuch einer Rückeroberungsenzyklopädie Marino Sanudo Torsello stammte aus einem der alten Häuser der venezianischen Aristokratie. Sein Vater Marco Sanudo (✶1241 †1318) vertrat den Stadtbezirk Castello im Großen Rat von Venedig und sein Cousin Guglielmo Sanudo (✶um 1243 †1323) herrschte über das Herzogtum Archipelagos bzw. Naxos in der Ägäis.94 Marinos Bildungsweg gibt der Forschung dagegen nach wie vor Rätsel auf, denn der Venezianer beherrschte das Lateinische exzellent, war vertraut mit der biblischen Tradition sowie der Kirchenväterliteratur und demonstrierte darüber hinaus in seinen Werken eine extensive Kenntnis antiker Autoritäten von Marcus Tullius Cicero über Plutarch bis hin zu Lucius Annaeus Seneca.95 Wie große Teile seiner Familie war auch Marino in den Seehandel involviert und unternahm im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit zahlreiche Reisen, die ihn unter anderem nach Kleinasien, Syrien, Ägypten und den Hanseraum führten.96 Darüber hinaus nahm er mitunter offizielle Funktio-
Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 217; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 340–342; Ders. Liber de fine. Ed. Madre, 286–290; Petició de Ramon al Papa Celestí V. Ed. Perarnau, 33; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 150. Cardini, Marino Sanuto (2013), 25–41; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 3–16; Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 19–26. Die Herkunft oder Bedeutung von Marinos Beinamen „Torsello“, den auch andere Mitglieder seines Familienzweigs trugen, lässt sich indes nicht mehr rekonstruieren, vgl. ebenda, 23 f.; Lock, Introduction (2011), 3 f.; Roddy, Correspondence (1971), 25. Zu den Herzögen von Archipelagos aus der Familie Sanudo siehe Frazee, Princes (1988), 27–39. Gautier Dalché, Cartes (2010), 84–87; Lock, Introduction (2011), 4–6; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 69 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3: Nihilominus prius quam super dicta causa scribere sum aggressus, vicibus multis extiteram in Alexandria et Acon (...) in Romania vero maiorem partem temporis meae vitae peregi: Quare conditionem et statum eius, maxime Principatus Amoreae, me opinor bene nosse. Ferner gab er an, während seiner Arbeit am Liber secretorum auch Zypern, Rhodos und Armenien besucht zu haben, vgl. ebenda, 3. In den Jahren 1320/21 reiste er von Venedig über
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nen für die Serenissima und ihre Kolonien wahr, so kommandierte er 1290 und erneut 1311 eine Flotte venezianischer Galeeren in der Ägäis.97 Die Jahre 1300 bis 1304 verbrachte Marino im Haushalt des berühmten Kanonisten Riccardo Petroni (✶um 1250 †1314) in Rom. Kardinal Petroni, den Marino selbst als signor e patron mio bezeichnete, verschaffte dem Venezianer im Jahr 1307 eine Audienz bei Clemens V., die er nutzte, um dem Papst sein Conditiones Terre Sancte genanntes Rückeroberungstraktat zu überreichen, welches er im Vorjahr fertiggestellt hatte.98 Dieses Werk erweiterte er in den folgenden Jahren um zwei weitere Bücher, die 1312 sowie 1321 fertiggestellt wurden. Den eigentlichen Beginn seiner Tätigkeit als Kreuzzugsberater an den lateineuropäischen Höfen markierte jedoch der Tod seines Vaters im Jahr 1318, über dessen Vermögen Marino nun als alleiniger Erbe verfügen konnte.99 Im September 1321 übergab er alle drei Bücher seines Rückeroberungstraktats unter dem Titel Liber secretorum fidelium crucis an Johannes XXII., im Mai 1323 reiste er nach Paris, um Karl IV. bei den Planungen für dessen Partikularkreuzzug zu beraten, und ein Jahr später führte ihn sein Weg nach Neapel, wo er versuchte, Robert I. von seinen Rückeroberungsplänen zu überzeugen.100 In den folgenden Jahren unternahm er weitere Reisen und beriet unter anderem Eduard III., Philipp VI., Hugo IV. von Lusignan (✶1294 †1359), Wilhelm I. von Hennegau (✶1286 †1337) und viele Kardinäle und zudem Fürsten, Prälaten und Barone in Kreuzzugsfragen.101 Noch bis zu seinem Tod im Jahr 1343 engagierte Marino Sanudo sich für die Rückeroberung des Heiligen Landes. In seinem Testament verfügte er, dass mehrere Kopien seines Liber secretorum im Dominikanerkonvent von San Zanipolo aufbewahrt werden sollten, bis der Papst oder ein anderer Herrscher die Kreuzzugsplanungen wieder aufnehme.102
Brügge, Hamburg und Lübeck bis nach Stettin, vgl. ebenda, 72. 1333 führte ihn eine Handelsreise erneut an die Levante und anschließend nach Konstantinopel, vgl. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797 f. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 352; Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 131. Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 169; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 21. Siehe auch Edson, Crusade (2004), 132–134; Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 30–32; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 59. Zu Riccardo Petroni siehe Nardi, Riccardo Petroni (2014), 79–113. Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 23, Fußn. 1. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797 f.; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 1; 299–301; 310; Marino Sanudo à Avignon. Ed. Faucon, 222 f. Siehe auch Edson, Crusade (2004), 133 f.; Lock, Introduction (2011), 9 f.; Roddy, Correspondence (1971), 37–53; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 62 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 310: prout potest conspicie videnter in Mappis mundi et Libris, quos et quas domino nostro summon Pontifici praesentavi, atque filio suo Ierusalem et Siciliae Regi et excellentissimo Regi Franciae, Regique Christianissimo Angliae et pluribus Cardinalibus. Ac etiam Praelatis et Principibus et Baronibus. Ähnlich auch in Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 35 f. (an Hugo IV.); 43 f. (an Wilhelm von Hennegau). Siehe dazu III.2.1. Item volo quod libri mei qui tractant de negociis terre sancte quos compilavi et scribi feci (...) ponantur in deposito apud fratres predicatores sanctorum Iohannis et Pauli de veneciis cum mappis mundi de terra sancta, egypti, maris mediteranei et tocius mundi donec dabuntur cum voluntate domini ducis
5.3 Marino Sanudo und der Versuch einer Rückeroberungsenzyklopädie
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Der Liber secretorum fidelium crucis des Marino Sanudo bildet das umfangreichste Werk unter den erhaltenen Rückeroberungstraktaten und ist in drei Teile untergliedert, die der Venezianer schrittweise zwischen 1306 und 1321 verfasste. Der erste Teil, betitelt als Conditiones Terre Sancte, behandelt seinen Plan für ein Handelsembargo gegen Ägypten, der zweite Teil beschreibt die Eroberung eines Brückenkopfes an der ägyptischen Nordküste durch einen Partikularkreuzzug aus 15.000 Kreuzfahrern und der letzte Teil enthält eine ausführliche Geschichte des Heiligen Landes von der biblischen Zeit bis in das Jahr 1313 sowie Vorschläge zum Aufbau des künftigen Königreichs Jerusalem. Auch nach seiner Fertigstellung im Jahr 1321 wurde das Werk ständig aktualisiert, um es den geopolitischen Entwicklungen anzupassen, wobei sich laut Degenhart/ Schmitt drei Redaktionsstufen (1321, 1323–1324 und 1324–1330) des Textes ausmachen lassen.103 Die erhaltenen Kopien des Liber sind im Unterschied zu den meisten anderen Rückeroberungsmemoranden reich geschmückt mit Buchmalereien, die Sanudo selbst konzipiert hatte und durch verschiedene Werkstätten in Venedig, Avignon, Paris und Neapel umsetzen ließ.104 In der historischen Forschung ist sein Werk jedoch vor allem
et commissariorum meorum alicui vel aliquibus nobiIibus accedentibus ad curiam romanam pro facto recuperacionis terre sancte presentandi summo pontifici vel alicui magno principi. Zit. nach Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 151. Das Rückeroberungstraktat ist in insgesamt 19 Handschriften überliefert, welche die Bearbeitungsgeschichte des Werkes widerspiegeln: Dazu zählen zwei Kopien der Conditiones, eine aus dem 14. Jahrhundert (BNM Ms. Lat. Z. 547) und eine weitere aus dem frühen 15. Jahrhundert (BSB Clm 14621, fol. 27r–32v). Ferner sechs Kopien des Werkes nach seiner Vervollständigung im Jahr 1321, davon fünf aus dem 14. Jahrhundert (BA Ms. D 203, fol. 1r–100r; Neapel, Biblioteca Nazionale, Ms. V.F. 35, angefertigt für Robert I. von Anjou; BAV Vat. Lat. 2972, angefertigt für Johannes XXII.; BAV Vat. Lat. 7315; BNM Ms. Lat. Z. 410) sowie eine Kopie aus dem 15. Jahrhundert (BAV Vat. Lat. 2003). Zwischen 1323 und 1324 erstellte Sanudo eine überarbeitete Version seines Rückeroberungstraktates, von der vier Kopien aus dem 14. Jahrhundert überliefert sind (BAV Vat. Lat. 2971, fol. 1r–186v; BAV Reg. Lat. 548, fol. 1r–143r; Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Ms. Plut. 21.23; BRF Ms. 237, angefertigt für Kardinal Bertrand du Pouget). Zwischen 1324 und 1330 überarbeitete Sanudo das Liber secretorum erneut. Von dieser finalen Version sind sieben Kopien aus dem 14. Jahrhundert erhalten (KBR Ms. 9347–48, fol. 1r–164v; KBR Ms. 9404–05, fol. 1r–175r; Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, Ms. Magl. II 169; BL Add. Ms. 27376, fol. 1r–163r; BLO Ms. Tanner 190, adressiert an den Grafen Robert von Auvergne und Boulogne; BAV Ott. Lat. 906; Valenciennes, Bibliothèque municipal, Ms. 0551). Aufgrund seines Umfangs ist der Liber secretorum nicht in Sammelhandschriften mit anderen Werken überliefert, jedoch enthalten manche Handschriften auch Abschriften der Briefe Sanudos (siehe Fußn. 107) oder die von Pietro Vesconte angefertigten Karten (siehe Fußn. 106). Für die Überlieferungsgeschichte des Liber secretorum vgl. insbes. Barker, Tanner 190 (2014), 78–88; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 21–24; Lock, Introduction (2011), 12–15; Magnocavallo, Liber secretorum (1903), 174–180. Eine kritische Edition des Liber secretorum liegt nicht vor; die gegenwärtig einzige Edition wurde im frühen 17. Jahrhundert von Jacques Bongars angefertigt und basiert vermutlich größtenteils auf den Kodizes BAV Reg. Lat. 548 u. BAV Ott. Lat. 906 oder vergleichbaren, nicht-überlieferten Handschriften, vgl. Bongars, Gesta Dei, Bd. 2 (1611), 1–288. Lock hat auf Grundlage der Bongars-Edition eine englische Übersetzung angefertigt, vgl. Lock, Book of the Secrets (2011), 21–448. Zu Ikonographie des Liber secretorum siehe Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 1–138 sowie III.1.2.1.
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aufgrund der neun Karten rezipiert worden, die Sanudo für den Liber secretorum in der Werkstatt des Kartographen Pietro Vesconte anfertigen ließ.105 Zu den neun überlieferten Karten gehören eine Weltkarte, eine Seekarte des östlichen Mittelmeerraums, eine Karte der Ägäis, zwei Karten des westlichen Mittelmeerraumes, eine Seekarte der Schwarzmeerregion, eine Karte des Heiligen Landes sowie zwei Stadtpläne von Akkon und Jerusalem.106 Neben dem eigentlichen Rückeroberungstraktat sind aus Sanudos höfischer Ratgebertätigkeit der Jahre 1323 bis 1337 auch 42 Briefe an politische Entscheidungsträger erthalten, in denen der Venezianer seine Kreuzzugspläne erläuterte und gegebenenfalls auch ergänzte.107 Seine einzige größere Abhandlung neben dem Liber secretorum war eine ursprünglich im Lateinischen verfasste Istoria del regno di Romania, die allerdings nur in Form einer italienischen Übersetzung aus dem 18. Jahrhundert erhalten ist.108 In der Ratgebertätigkeit des Marino Sanudo treten einige der Merkmale zu Tage, die auch das Wirken von Ramon Llull kennzeichneten. Ihre Rückeroberungstraktate waren keine knappen, auf ein Teilproblem des Kreuzzugs zugeschnittenen Ratschläge, sondern schöpften aus einer Vielzahl unterschiedlicher Wissensbestände und lassen sich deshalb nur schwerlich unter einen der Beratertypen subsumieren. Wie Llull war auch Sanudo ein Generalist, der sich am Schnittpunkt von militärischen und geographisch-ethnographischen Ratgebern bewegte, weshalb viele seiner Vorschläge auch in den vorangegangenen Kapiteln immer wieder zur Sprache gekommen sind.109 Allein Baumgärtner, Reiseberichte (2012), 89–124; Dies., Land (2012), 27–75; Campbell, Portolan Charts (1987), 406 f.; Edson, Crusade (2004), 131–155; Dies., Jerusalem (2012), 201–218; Gautier Dalché, Cartes (2010), 84–95; Harvey, Maps (2012), 107–125; Jacoby, Acre (1979), 1–45; Kretschmer, Marino Sanudo (1891), 352–370; Ders., Portolane (1903), 201–204; Schröder, Wissenstransfer (2012), 313–334; Woodward, Mappaemundi (1987), 314 f. Von den 19 erhaltenen Kopien des Liber secretorum enthalten nur neun der Handschriften auch Karten. Alle insgesamt neun Karten gemeinsam sind nur in der zwischen 1327 und 1330 angefertigten Kopie des Liber secretorum enthalten, die sich in der britischen Nationalbibliothek befindet (BL Add. Ms. 27376✶, fol. 180v–190r). Die Weltkarte ist in sieben der Kopien des Liber erhalten (BAV Pal. Lat. 1362; BAV Vat. Lat. 2972; BAV Reg. Lat. 548; BL Add. Ms. 27376✶; BOL Ms. Tanner 190; KBR Ms. 9347–48; KBR Ms. 9404–05), die Seekarte des östlichen Mittelmeerraums ist neun Mal überliefert (BAV Pal. Lat. 1362A; BAV Vat. Lat. 2972; BAV Reg. Lat. 548; BL Add. Ms. 27376✶; BOL Ms. Tanner 190; BRF Ms. 237; KBR Ms. 9347–48; KBR Ms. 9404–05; Neapel, Biblioteca Nazionale, Ms. V.F. 35), die anderen vier Seekarten sind in drei Kopien des Liber erhalten (BAV Pal. Lat. 1362; BAV Vat. Lat. 2972; BL Add. Ms. 27376✶) und die Heilig-Land-Karte sowie die beiden Stadtpläne sind jeweils sieben Mal überliefert (BAV Pal. Lat. 1362; BAV Reg. Lat. 548; BL Add. Ms. 27376✶; BOL Ms. Tanner 190; BRF Ms. 237; KBR Ms. 9347–48; KBR Ms. 9404–05). Bei dem Kartenwerk, das Marino Sanudo im September 1321 Johannes XXII. übergab, handelt es sich vermutlich um den Atlas BAV Pal. Lat. 1362A. Zur Überlieferungsgeschichte der Karten vgl. insbes. die Aufstellung bei Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 105. Für eine Edition der Briefe siehe Bongars, Gesta Dei, Bd. 2 (1611), 289–316; Cerlini, Lettere (1950), 321–359; Dorez, Lettres (1895), 21–44; Kunstmann, Studien (1855), 695–819. Für eine Auswertung der Briefsammlung Sanudos siehe III.2.1.1. Die Istoria ist ediert in Hopf, Chroniques (1873), 99–170. Siehe dazu II.2.3.2 u. II.4.3.2.
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zur Kreuzzugsfinanzierung äußerte der Venezianer sich nur verhalten (1,2%), was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass dieser Gegenstandsbereich innerhalb der Kreuzzugsplanungen das höchste Maß an funktionaler Differenzierung aufwies.110 Der epistemische Schwerpunkt von Sanudos Rückeroberungsplänen lag erwartungsgemäß in dem nautischen und merkantilen Wissen, was seiner Tätigkeit als Kaufmann und Flottenkommandant geschuldet war. Im Unterschied zu anderen Quellen aus dem 14. Jahrhundert, die über die mediterrane Schifffahrt berichten, nahm der Venezianer eine dezidierte Beobachterposition ein und explizierte dabei praktisches Wissen aus der Nautik, das ansonsten nur durch Übung und Routinehandeln weitergegeben wurde. Allein durch ihn ist beispielsweise bekannt, dass die Serenissima auf ihren Galeeren gezielt Spezialisten anheuerte, die dafür zuständig waren, während der Fahrt nach Trinkwasserquellen für die Schiffsbesatzung zu suchen.111 Während andere Berater bloß das Erfordernis einer Seeblockade des Ägyptenhandels herausstellten (und deren Umsetzung damit in die Sphäre praktischen Wissens verwiesen), erklärte Sanudo seinen Lesern ausführlich die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Kriegsgaleeren. Dabei ging er auf deren begrenzte Reichweite ein, erläuterte ihre Abhängigkeit von den Jahreszeiten und machte ausführliche Angaben zur Besatzung sowie Bewaffnung der Schiffe.112 Als Quelle dafür dienten ihm neben seiner eigenen Erfahrung vor allem Gespräche mit Seeleuten und Kapitänen, aber auch zeitgenössische Navigationshandbücher wie der Compasso de navegare.113 Sanudos Wissen beschränkte sich derweil nicht auf die Kriegführung zur See. Stattdessen äußerte er sich auch zur Bewaffnung der Kreuzfahrer, erläuterte, an welchen Orten sich die zuverlässigsten stipendiarii für deren Streitmacht rekrutieren ließen, und diskutierte die Zusammensetzung des Kreuzfahrerheeres, die üblicherweise von militärischen Beratern behandelt wurde.114 Neben Guido von Vigevano war Sanudo zudem der einzige Berater, der das Wissen der zeitgenössischen Belagerungstechniker explizierte. Sein Liber secretorum enthält unter anderem die Konstruktionsanleitung für einen Tribok, weshalb das Werk mit dem Texaurus des lombardischen Mediziners in ein inhaltsanalytisches Cluster fällt (siehe Abb. 1).115 Der wissensgeschichtliche Hintergrund von Sanudos Beratertätigkeit erschöpfte sich jedoch nicht allein in dem praktischen Wissen aus Seefahrt, Kriegführung und Handwerk. Dem Liber secretorum wohl am nächsten kommen die Abhandlungen von
Siehe dazu II.3.2.3. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 35. Siehe dazu Pryor, Geography (1988), 75 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 28; 56–58; 75 f.; 82 f. Siehe dazu Pryor, Geography (1988), 57–86; Stanton, Warfare (2015), 2–5. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57; 79; 85–90 sowie dazu Compasso de navegare. Ed. Debanne, 73–77. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 59 f.; 76–79. Siehe dazu II.2.2.2. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 80. Zum Tribok siehe Chevedden, Invention (2000), 71–116.
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geographisch-ethnographischen Experten wie Fidenzio von Padua (2390) oder Guillelmus Adae (1969), weil Sanudo Wissen über den Orient und Vorderasien verarbeitete, das sowohl aus seinen eigenen Reisen als Kaufmann als auch aus mündlichen Erzählungen und Reiseberichten wie der Descriptio Terrae Sanctae Burchards vom Berg Zion stammte.116 Er war über den Gewürzhandel auf dem Indischen Ozean informiert, kannte sowohl Häfen als auch Schifffahrtsrouten entlang der ägyptischen Küste und konnte östliche Religionsgemeinschaften wie die Maroniten und die syrisch-orthodoxen Christen voneinander unterscheiden.117 Daneben verfügte der Venezianer auch über gelehrtes Wissen aus der Antikenrezeption und vermochte aus den Werken von Cicero, Seneca oder Boethius ebenso zu zitieren wie aus der Kirchenväterliteratur.118 Zum Toposwissen Sanudos zählten jedoch vor allem eine Vielzahl antiker und zeitgenössischer Geschichtswerke, die von Flavius Josephus’ (✶um 37 †um 100) De bello Judaico über die Arbeiten des Beda Venerabilis (✶672 †753) bis hin zur Chronik Wilhelms von Tyrus (✶um 1130 †1186) reichten und meist auszugsweise in Form von exempla in den Liber secretorum übernommen wurden.119 Die generalistische Ausrichtung von Sanudos Werk wird auch auf inhaltsanalytischer Ebene deutlich, denn sein Traktat ist das einzige der untersuchten Rückeroberungsmemoranden, das mit 14 der 15 Kategorien codiert ist. Aus diesen Gründen hat die historische Forschung sich traditionell schwer damit getan, Marino Sanudo in die geistesgeschichtlichen Strömungen seiner Zeit einzuordnen.120 Meist ist der Venezianer in Anbetracht seiner Kenntnis antiker Autoren, seiner Affinität zum Briefeschreiben sowie seiner Kontakte in die Gelehrtenwelt in die Nähe des Frühhumanismus gerückt worden. Lock hat erst kürzlich gefordert, dass Sanudos „approach to knowledge and his verbal presentation of information, in which he used illustrative tables to summarize his points, and in particular, his sourcing and selection of the well-known set of maps that accompanied at least nine of the presentation copies of his text, should earn him a place amongst the early humanists (...).“121 Seine Bildung war in der Tat außergewöhnlich für einen venezianischen Kaufmann seiner Zeit, ebenso wie seine Fähigkeit, Wissen aus der Seefahrt und dem Fernhandel mit den Schriften antiker Autoritäten zu verbinden. Erst für das 15. Jahrhundert sind Textzeugnisse von oberitalienischen Kaufleuten überliefert, die Ähnlichkeit zu Sanu-
Campopiano, Holy Land (2020), 102; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 2 f.; 164 (Burchard). Sanudos Heilig-Land-Karte steht ebenfalls in der Tradition Burchards vom Berg Zion, vgl. Baumgärtner, Reiseberichte (2012), 488–491; Harvey, Maps (2012), 107–125. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 22 f.; 85–88; 182 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 99 (Augustinus); 126 (Boethius); 173 (Eusebius); 276 (Cicero); 277 f. (Seneca); 279 (Gregor d. Große). So u. a. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 44 (Wilhelm von Tyrus); 118 (Flavius Josephus); 120 (Hugo von Fleury); 176 (Beda); 209 (Jakob von Vitry); 232–241 (Hethum von Korykos). Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 24; Roddy, Correspondence (1971), 26; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 60. Lock, Introduction (2011), 5. Siehe auch Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 39 f.; Carr, Merchant Crusaders (2015), 60.
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dos Liber secretorum aufweisen, darunter etwa der Libro dell’arte di mercatura des Benedetto Cotrugli (✶1416 †1469) oder der Zibaldone des Giovanni di Paolo Rucellai (✶1403 †1481).122 Dennoch wäre es wohl übereilt, den Venezianer deshalb als Vertreter des Frühhumanismus zu charakterisieren. Die Einordnung ist einem allzu vagen Humanismusbegriff geschuldet und birgt deswegen keinen wirklichen Erkenntnisgewinn für wissens- oder geistesgeschichtliche Studien. In der neueren historischen Forschung wird der „Humanismus“ zumeist konstruktivistisch oder anhand formaler Merkmale bestimmt. Formale Ansätze folgen vor allem Kristeller, der den Humanismus verstanden hat als akademische (Laien-)Bewegung mit dem Schwerpunkt auf (ciceronischer) Rhetorik, Grammatik, Poetik, Geschichte und Moralphilosophie, die von der aristotelisch geprägten Scholastik abzugrenzen ist. Jüngere Vertreter formaler Ansätze wie Witt legen den Fokus stattdessen auf die Textgestaltung und gehen davon aus, dass die frühen Humanisten sich in erster Linie durch ihre Versuche auszeichneten, den Stil des antiken Lateins zu imitieren. Konstruktivisten betrachten wiederum alle Akteure als Humanisten, die sich selbst als solche gesehen und dies durch sozial geteilte Symbole oder Praktiken kommuniziert haben.123 Unabhängig davon, welcher der Bestimmungen man im Einzelnen folgt, zeigt das Œuvre Sanudos zahlreiche Kontinuitäten, die dagegensprechen, ihn im Frühhumanismus zu verorten. Dazu zählt etwa seine Istoria del regno di Romania, die keinerlei humanistische Eigenheiten erkennen lässt, aber gleich mehrere zentrale Merkmale mittelalterlicher Geschichtsschreibung aufweist: Einerseits diente das ursprünglich im Lateinischen verfasste Werk dem Andenken an die Taten der Herzöge von Archipelagos aus dem Geschlecht der Sanudi, deren Genealogie Marino unmittelbar zu Beginn eingehend erläuterte. Andererseits sollte es die Herrschaft der Sanudi über die Ägäisinseln legitimieren, die sie erst 100 Jahre zuvor während des Vierten Kreuzzugs erlangt hatten.124 (Stil-)Elemente wie die erzählerische Fokussierung auf einen Protagonisten oder die prominente Position von direkter Rede, welche für das Werk von frühhumanistischen Geschichtsschreibern wie Alberto Mussato (✶1261 †1329) üblich waren, finden sich dagegen nicht.125 Auch der Umstand, dass Marino Sanudo nicht dem Klerus angehörte und wahrscheinlich keine Universität oder Domschule besucht hatte, ist kein Hinweis auf seine humanistische Bildung, weil Norditalien im Unterschied zu den Ländern jenseits der Alpen auf eine ungebrochene, bis in das Falchetta, Portolan Charts (2008), 276. Kristeller, Humanism (1946), 346–374; Witt, Origins (2003), 22. Für einen Überblick über die Debatte siehe de Boer, Gelehrtenwelt (2017), 26–46. Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 99 f. Siehe dazu auch Graus, Funktionen (1987), 22 f. Witt, Origins (2003), 139–146. Eine umfängliche Analyse der Istoria ist freilich nicht möglich, da der lateinische Originaltext verschollen ist. Der Gebrauch sprachlicher Stilmittel im historischen Erzählen kann dementsprechend nicht mehr nachvollzogen werden. Ein Vorbild für Sanudos Geschichtswerk war sicherlich die Chronik Gottfrieds von Villehardouin (✶um 1160 †1213), die er besaß und vermutlich fortschreiben wollte, vgl. Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 16; Wolff, Fragmentum (1953), 149–159.
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Frühmittelalter zurückreichende Tradition der Laiengelehrsamkeit zurückblicken konnte.126 Insgesamt scheint eine wissensgeschichtliche Neubewertung des Venezianers also überfällig. Statt der irreführenden Einordnung in den Frühhumanismus zu folgen, ist es deutlich vielversprechender, Marino Sanudo und seinen Liber secretorum in der Tradition der großen Wissenssammlungen des 13. Jahrhunderts zu betrachten. Sein Vorbild waren weniger die Schriftsteller der klassischen Antike, sondern vielmehr die (Proto-)Enzyklopädisten des vorangegangenen Jahrhunderts, allen voran Vinzenz von Beauvais und dessen Speculum maius. Diese Kompilationen sind in der Forschung lange Zeit als wenig innovative Anthologien allseits bekannter Autoritäten und Lehrmeinungen abgetan worden, erst in den 1990er Jahren setzte eine intensive Beschäftigung mit dem Enzyklopädismus des Mittelalters ein, die vor allem auf die in den Texten zum Ausdruck kommenden Weltbilder sowie deren didaktische Funktion abzielte.127 Die ersten dieser gelehrten Wissenssammlungen waren bereits im frühen Mittelalter entstanden, darunter etwa die Etymologiae Isidors von Sevilla (✶um 560 †636) oder das Kompendium De rerum naturis des Hrabanus Maurus (✶um 780 †856). Seine Blütezeit erlebte der mittelalterliche Enzyklopädismus allerdings erst mit den großen Sammlungen des 13. Jahrhunderts, zu denen neben dem bereits erwähnten Speculum maius auch der Liber de natura rerum des Thomas von Cantimpré (✶1201 †1272) oder Ramon Llulls Arbor scientiae zählten. Le Goff zufolge war dieses Zeitalter des Enzyklopädismus einerseits das Ergebnis des profanen, desakralisierten Naturbegriffs in der Philosophie, der an den Schulen des 12. Jahrhunderts entstanden war, und spiegelte andererseits die Notwendigkeit der Organisation von Wissen an den neu entstandenen Universitäten wider.128 Im Unterschied zu den Enzyklopädien des 17. Jahrhunderts entwickelten die Wissenssammlungen des 13. Jahrhunderts allerdings keine gemeinsame Semantik oder einheitliche, kontextübergreifende Ordnungsprinzipien und bildeten dementsprechend auch keine literarische Gattung im engeren Sinne. Nach Meier-Staubach zeichneten sie sich stattdessen dadurch aus, ein Abbild der gesamten Welt (bzw. Schöpfung) sowie eine Gesamtordnung des Wissbaren zu verbinden mit kontextbezogener Utilität, meist der Lehre in Universitäten und (Kloster-)Schulen. Im Spätmittelalter entstanden dann zunehmend Spezialenzyklopädien, die das gesamte Wissen einer Disziplin wie der Medizin oder eines Tätigkeitsbereichs wie des Predigens zusammenführten.129 Marino Sanudos Liber secretorum war eine solche Spezialenzyklopädie, die alles Wissen enthalten sollte, das zur Rückeroberung des Heiligen Landes erforderlich war. Die Leser seines Werkes sollten im Unterschied zu den Wissenssammlungen des 13. Jahrhunderts allerdings nicht „the religious truths hidden beneath the world of created things“ erfassen, sondern die secreta, welche den Kreuzfahrern den Sieg gegen ihre Feinde
Witt, Culture (1988), 38–42. Für einen historiographischen Überblick siehe Meier-Staubach, Tendenzen (2001), 29–47. Le Goff, Siècle (1994), 23–40. Meier-Staubach, Ordo (2002), 512–520; Wittig, Noble (2022), 215–219.
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garantieren würden.130 Wie der Venezianer selbst nicht müde wurde zu betonen, brauchte es jenseits seines Werkes keine weiteren Ratschläge mehr, um den Kreuzzug zum Erfolg zu bringen.131 Marino Sanudo waren die großen Wissenssammlungen seiner Zeit wohlbekannt. Für sein Rückeroberungstraktat nutzte er vor allem Vinzenz’ Speculum maius als Quelle, griff allerdings auch auf ältere Sammlungen wie die Etymologiae Isidors von Sevilla oder das Kompendium De rerum naturis des Hrabanus Maurus zurück.132 Diese protoenzyklopädischen Werke dienten ihm jedoch nicht allein als inhaltliche Fundgrube, sondern auch als literarisches Vorbild. Wie die Verfasser mittelalterlicher Wissenssammlungen stand auch er vor dem Problem, der Gesamtheit der wissbaren Dinge eine Struktur zu geben, die für die Rezipienten seines Werkes nachvollziehbar war und ihnen den selektiven Zugriff auf einzelne Teilausschnitte erlaubte. Vinzenz von Beauvais begegnete diesem Problem, indem er sein stetig anwachsendes Speculum (zunächst) anhand der Dreifaltigkeit in drei Bücher unterteilte. Dabei orientierte er sich an der Theorie der drei menschlichen Erkenntnisvermögen intellectus, voluntas und memoria bei Augustinus, die in seiner Zeit infolge der Rezeption von Aristoteles’ De anima an der Pariser Universität wieder verstärkt diskutiert wurden.133 Marino Sanudo folgte seinem Vorbild und unterteilte das gesamte Werk zur Ehre der Heiligen Dreifaltigkeit in drei Bücher (...).134 Mit diesem Strukturierungsversuch bewegte er sich außerhalb dessen, was in den Kreuzzugsplanungen üblich war, denn eine vergleichbare Großordnung findet sich in keinem der anderen Rückeroberungsmemoranden. Von den drei Erkenntniskräften blieb dagegen nicht viel übrig, weil der Venezianer die Dreigliederung stattdessen auf seinen Gegenstandsbereich (praeparatio, recuperatio und conservatio) übertrug. Die ältere Tradition scheint allerdings durch beim letzten der drei Bücher, das der conservatio Terrae Sanctae gewidmet ist. Wie Vinzenz, dessen (vorläufig) letzter Teil des Speculum der memoria
Keen, Horizons (2013), 299. Die Tradition der Wissenssammlungen erklärt vielleicht auch die unter Rückeroberungsmemoranden vergleichsweise ungewöhnliche Titelgebung des Liber secretorum. Im incipit des Traktates heißt es dazu: Incipiunt Secreta tam pro conservatione Fidelium, quam propter conversionem seu consumptionem Infidelium: quanquam etiam propter acquirendam et tenendam Terram Sanctam et alias multas terras. Vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 8. So u. a. in seinen Schreiben an Philipp VI. und den Herzog Johann III. von Brabant und Limburg, vgl. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 303; Ders., Briefe. Ed. Kunstmann, 794. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 48; 218 (Vinzenz); 121–123; (Isidor); 285 (Hrabanus) sowie Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 309 (Vinzenz). Meier-Staubach, Zusammenhang (2002), 179–183. Vinzenz von Beauvais änderte den Aufbau des Speculum maius im Laufe seines Lebens mehrfach, während er neue Inhalte und Bücher hinzufügte. Das Werk blieb bis zu seinem Lebensende unvollendet. In der letzten erhaltenen Version diente nicht mehr die Trinität, sondern die Schöpfung der Welt in sechs Tagen als verbindendes Ordnungselement. Welche Fassung des Speculum Marino Sanudo verwendet hat, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Für einen Überblick siehe Franklin-Brown, Reading (2012), 97–128; Paulmier-Foucart, Ordre (1991), 201–226. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 9: Partitur autem totale opus ad honorem Sanctae Trinitatis in tres libros (...).
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zugeordnet war und eine Universalgeschichte enthielt, schloss auch Sanudo seine Rückeroberungsenzyklopädie mit einer umfangreichen Geschichtsdarstellung ab, die nahezu die Hälfte (49%) des gesamten Werkes einnimmt. Anders als Vinzenz schrieb Sanudo jedoch keine Universalgeschichte, sondern eine Geschichte des Heiligen Landes von der biblischen Zeit bis in seine Gegenwart, die den Kreuzfahrern als Mahnung dienen sollte.135 Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse zeigen, dass ein historischer Überblick in diesem Umfang sehr ungewöhnlich für die Rückeroberungsmemoranden war, weshalb der Liber secretorum in keines der drei großen Cluster fällt.136 Der Zweck des historischen Teils wird erst deutlich, wenn man ihn in der Tradition der Wissenssammlungen betrachtet und berücksichtigt, dass Sanudo im Unterschied zu den anderen Ratgebern eine Rückeroberungsenzyklopädie zu schreiben plante. Nicht nur die Struktur, sondern auch die Entstehung des Liber secretorum erinnert an die Enzyklopädisten des 13. Jahrhunderts. Ähnlich wie Vinzenz von Beauvais, der sein Werk nicht von Anfang an als universelle Wissenssammlung konzipierte, sondern es über fast 30 Jahre hinweg aus kleineren Abhandlungen heraus zusammenstellte, schrieb Sanudo sein Rückeroberungstraktat nicht in einer Redaktion.137 Stattdessen verfasste er mit den Conditiones Terre Sancte zuerst ein kurzes, eher situationsbezogenes Werk für Clemens V. und erweiterte es zwischen 1309 und 1320 sukzessive zu einer vollständigen Rückeroberungsenzyklopädie.138 Der Antrieb dafür war vermutlich ein ähnlicher wie bei Vinzenz: Die Enzyklopädisten erachteten es angesichts der neu entstandenen Universitäten als unabdingbar, das Wissen über die Welt zu klassifizieren und zu ordnen.139 Sanudo sah sich während seines ersten Aufenthalts an der Kurie im Jahr 1309 mit einer neuen Expertenkultur konfrontiert und hielt es danach ebenfalls für erforderlich, alles relevante Wissen über den Kreuzzug zu ordnen. Wie für solche Wissenssammlungen üblich, war Sanudo selbst oft nicht die Quelle der Expertise, sondern nur deren Vermittler oder Kompilator. Der Venezianer sprach mit den Seeleuten und Belagerungstechnikern seiner Heimatstadt, eignete sich das Wissen antiker Militärtheoretiker an und kopierte sogar Passagen aus anderen Rückeroberungsmemoranden, die ihm wichtig erschienen.140 Weil Sanudo oft nicht kreierte, sondern nur kompilierte, zeigt sein Liber secretorum allerdings die gleichen Defizite,
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 98. Zur Funktion der Geschichte in den Kreuzzugsplanungen siehe III.1.2.3. Siehe dazu II.1. Paulmier-Foucart, Recherches (1978), 91–121. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 21–24; Lock, Introduction (2011), 12–15; Magnocavallo, Liber secretorum (1903), 174–180; Roddy, Correspondence (1971), 56–63. Le Goff, Siècle (1994), 40. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57. Sanudos Darstellung der mongolischen Sitten und Gebräuche stammte größtenteils aus Hethum von Korykos, Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 218: E se il [d. Tataren, Anm. d. V.] voient que lur enemis sivent folement, il tornent sur eaus de maintenant; e sovent est avenu que ciaus qui chascoient ont esté desconfis. L’ost des Tartars n’est pas de grant apparance · por ce qu’il vont tons assemble serreement, dont · M Tartars ne sembler-
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welche die geistesgeschichtliche Forschung auch bei den Wissenssammlungen seiner Vorbilder ausgemacht hat.141 Jacoby hat etwa behauptet, die Segelanweisungen Sanudos zur Einfahrt in den Hafen von Akkon ließen sich nicht ohne weiteres umsetzen und würden das teils geringe Verständnis des Venezianers für seine Quellen aus der Schifffahrtspraxis offenlegen.142 In der Tat beförderte allein der Umfang mittelalterlicher Wissenssammlungen einen nachlässigen Umgang mit den gesammelten Inhalten: Bei seiner Darstellung des Kontinents Asien konstatierte Sanudo beispielsweise, der Name der Parther ginge auf die Attica lingua zurück, in der er so viel wie „Verbannte“ bedeute.143 Kretschmer konnte zeigen, dass diese Passage wahrscheinlich von Hrabanus Maurus stammt, bei dem allerdings von der Sprache der Skythen, also der Sitica lingua, die Rede ist.144 Ein Irrtum des Kopisten ist auszuschließen, weil sich die Schreibweise durch alle Redaktionen des Liber secretorum zieht, sodass von einem Lesefehler Sanudos ausgegangen werden muss.145 Die protoenzyklopädischen Sammlungen des 13. Jahrhunderts waren allerdings nicht immer rein verbal abgefasst, sondern nutzen zur Ordnung und Vermittlung von Wissen oft auch Diagramme und Karten, vor allem die sogenannten mappae mundi.146 In der Forschung werden darunter zumeist Darstellungen der Welt aus der Tradition der Radkarten verstanden, die wohl ursprünglich auf Isidor von Sevilla zurückgehen. Sie zeigen die Welt als einen Kreis, in dessen Innerem sich die drei bekannten Kontinente Afrika, Asien und Europa befinden, die wiederum getrennt werden durch das Mittelmeer sowie die Flüsse Don und Nil. Aufgrund ihrer distinkten Form werden diese Darstellungen in der Forschung oft auch als TO-Karten bezeichnet.147 Ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert wurden die teils großformatigen Radkarten verstärkt zur Ordnung und Aufbereitung von Wissen genutzt und fungierten somit als eine Art „kartographischer Ableger der scholastischen Summenliteratur (...).“148 Mappae mundi wie die Ebstorfer oder die Hereforder Weltkarte bildeten die gesamte Schöpfung von ihrem Beginn bis zu ihrem Ende ab, weshalb sie gleichermaßen topographische Angaben, Auszüge
oient estre VC. Die Passage wurde folgendermaßen aufgegriffen bei Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 241: fugiuntque omnes [d. Tataren, Anm. d. V.] simul, ordinatis aciebus et si hostes eos insecuntur retro se, dire sagittant: ita etiam compositi stant in acie, ut mille eorum vix quingenti appareant (...). Franklin-Brown, Reading (2012), 96; Le Goff, Siècle (1994), 34. Jacoby, Acre (1979), 10 f. Siehe dazu auch die Darstellung des Hafens bei Sanudo: Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 86 sowie Compasso de navegare. Ed. Debanne, 75. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 285. Kretschmer, Marino Sanudo (1891), 370. BAV Pal. Lat. 1362A, fol. 1v; BAV Vat. Lat. 2972, fol. 112v; BAV Reg. Lat. 548, fol. 138v; BLO Ms. Tanner 190, fol. 203v; BL Add. Ms. 27376✶, fol. 187v. Keen, Horizons (2013), 277; Meier-Staubach, Bilder (1999), 252–286. v. Brincken, Quellen (1988), 23–38; Schneider, Macht (2012), 26–32; Woodward, Mappaemundi (1987), 286–370. v. Brincken, Quellen (1988), 27.
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aus Bestiarien und historische Ereignisse enthielten. Die Heilsgeschichte fungierte dabei als strukturierendes Narrativ für diese heterogenen Wissenselemente, sodass die mappae mundi nicht nur geographischen Raum, sondern immer auch Zeit abbilden.149 Die von Pietro Vesconte für den Liber secretorum gezeichnete Weltkarte (siehe Abb. 10) steht ebenfalls in der Tradition der Radkarten und diente dazu, Wissen zu ordnen und visualisieren. Wie die kartographische Forschung bereits hinlänglich herausgestellt hat, ist sie jedoch keine traditionelle mappa mundi, sondern zeigt als erste ihrer Art deutliche Einflüsse der jüngeren Portolankarten und möglicherweise auch der arabischen Kartographie.150 Die beiden sichtbarsten Merkmale der Portolantradition sind sicherlich die vergleichsweise präzise Darstellung der Mittelmeerküste sowie der Einsatz von Rumbenlinien, der bis dahin nur auf Seekarten üblich war.151 Anders als die mappae mundi des 13. Jahrhunderts sollte Sanudos Weltkarte auch nicht primär heilsgeschichtliche Zusammenhänge vermitteln, sondern Wissen visualisieren, das der Venezianer für die Rückeroberung des Heiligen Landes als nützlich erachtete. Dazu gehörten etwa die Gewürzhandelsrouten, die von Relevanz für die Pläne zur Störung des Ägyptenhandels waren und deshalb auf der Weltkarte vermerkt sind.152 Dennoch blieb die Karte der klassischen Tradition der mappae mundi verpflichtet, denn sie zeigt weiterhin topische Elemente der Heilsgeschichte wie etwa die Völker Gog und Magog, die Legenden zufolge bis zum jüngsten Tag hinter dem Alexanderwall gefangen sein würden.153 Die kartographische Forschung hat dagegen die geographische Orientierungsfunktion gern überbetont, Schröder zufolge stand vor allem „die Visualisierung der Topographie der drei bekannten Kontinente im Mittelpunkt“ der Weltkarte Sanudos.154 Dass topographische Merkmale für Sanudo und die Rezipienten vermutlich eine eher untergeordnete Rolle spielten, belegt die nachlässige Art und Weise, mit der
v. Brincken, Mappa mundi (1968), 118–186. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 72 f.; Kretschmer, Marino Sanudo (1891), 362–364; Schröder, Wissenstransfer (2012), 330 f. Die Mittelmeerküste ist nicht in allen Karten mit der gleichen Präzision gezeichnet. Die schärfsten umrissenen Küstenlinien unter allen überlieferten Kopien weist die in BAV Pal. Lat. 1362A, fol. 1v–2r enthaltene Weltkarte auf. Die Küstenlinien in der 1322 entstandenen Kopie der Weltkarte, die in BLO Ms. Tanner 190, fol. 203v–204r erhalten ist, fallen dagegen eher unpräzise aus und sind teils nur schemenhaft zu erkennen. Die schwankende Qualität der Küstenverläufe ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass nicht alle Kopien der Weltkarte von professionellen Kartographen gezeichnet worden sind. Siehe dazu III.1.2.1. So sind die Quellen von Ingwer bzw. zinziber und Muskat bzw. noce an der ostafrikanischen Küste vermerkt, ebenso wie eine insula piperis im Indischen Ozean, vgl. BAV Pal. Lat. 1362A, fol. 1v; BAV Vat. Lat. 2972, fol. 112v; BAV Reg. Lat. 548, fol. 138v; BL Add. Ms. 27376✶, fol. 187v. Siehe auch Edson, Crusade (2004), 138. Zum Ägyptenhandel siehe II.4.3.2. v. Brincken, Mappa mundi (1968), 171–173. Die Tore des Alexanderwalls, benannt als castrum Gog et Magog, befinden sich am oberen Rand (d. h. im äußersten Osten) der Weltkarte, vgl. BAV Pal. Lat. 1362A, fol. 2r; BAV Vat. Lat. 2972, fol. 113r; BAV Reg. Lat. 548, fol. 139r; BL Add. Ms. 27376✶, fol. 188r. Schröder, Wissenstransfer (2012), 330. Ähnlich argumentieren auch Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 60.
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Abb. 10: Weltkarte aus dem Liber secretorum des Marino Sanudo (1327–1330).
sie kopiert wurden. Immer wieder fehlen ganze Flüsse, Gebirgszüge oder Inseln auf späteren Kopien der Weltkarte.155 Man mag hier durchaus zurecht schlechte Kopisten am Werk sehen, doch weisen die Portolankarten im Liber secretorum keine solchen Fehler auf, obwohl sie meist zeitgleich in denselben Werkstätten angefertigt wurden. Dies spricht dafür, dass Sanudo und seine Kopisten den topographischen Zeichen auf der Weltkarte wenig Bedeutung zusprachen, weil sie im Unterschied zu den Portolanen nicht primär der Orientierung dienen sollte. Anders als Edson es annimmt, war
Die Abweichungen zwischen den Kopien der Weltkarten wird besonders deutlich, wenn man die Exemplare aus einer Redaktion miteinander vergleicht. Die Kodizes BAV Pal. Lat. 1362 u. BAV Vat. Lat. 2972 stammen beide aus der ersten Redaktion des Liber secretorum und weisen bezüglich der Weltkarte diverse Unterschiede auf, obwohl sie vermutlich nahezu zeitgleich in derselben Werkstatt entstanden sind. Das Asowsche Meer zählt auf der Karte in BAV Pal. Lat. 1362 beispielsweise vier Zuflüsse, auf der in BAV Vat. Lat. 2972 dagegen nur drei. Auf dieser Karte fehlt zudem die als Celtales bezeichnete Insel vor der Küste Ostafrikas. Die Insel ist auf den Weltkarten in der zweiten und dritten Redaktion des Liber secretorum (u. a. BAV Reg. Lat. 548; BL Ms. Add. 27376✶) wieder enthalten, während das Asowsche Meer nun vier (BAV Reg. Lat. 548) oder sogar fünf Zuflüsse (BL Ms. Add. 27376✶) zählt. Insgesamt sind die Abweichungen zwischen den Redaktionen allerdings deutlich größer, auf den Karten in BAV Reg. Lat. 548 u. BL Ms. Add. 27376✶ sind etwa die Karpaten verzeichnet, die auf ihren Pendants in BAV Vat. Lat. 2972 u. BAV Pal. Lat. 1362 fehlen. Die beiden letztgenannten Karten enthalten dafür einen schwer identifizierbaren Gebirgszug, der sich vom Baltikum bis nach Zentralasien zieht und wiederum in BAV Reg. Lat. 548 u. BL Ms. Add. 27376✶ nicht vermerkt ist.
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die mappa mundi allerdings kein rein ästhetischer Zusatz, der den gelehrten Leser erfreuen sollte, sondern diente stattdessen der Ordnung von anderen Formen des Wissens.156 Vermutlich ist sie als eine Art politische Karte zu betrachten, welche weniger die Schöpfungsgeschichte und vielmehr die Fürstentümer und Reiche der Welt darstellen sollte. Dies wird insbesondere an der begleitenden Umschrift deutlich, welche die vier Weltgegenden Afrika, Asien, Baktrien und Europa beschreibt (siehe Abb. 10). Dort werden die politischen Verhältnisse in den jeweiligen Regionen hervorgehoben, während Topographie und Historie vor allem dann eine Rolle spielen, wenn sie nähere Auskunft über die einzelnen Herrschaftsverbände oder ihre Nachbarn geben. Im Text erwähnte regna wie Ethiopia oder Georgia sind wiederum auf der Karte verzeichnet, sodass die Leser sie verorten konnten.157 Für die Kreuzzugsplanungen war dies nicht nur von militärischer Bedeutung, sondern auch relevant für die Bündnisse mit weit entfernten Reichen wie Abessinien oder Georgien, die Sanudo in seinem Werk diskutierte.158 Sie illustrieren somit die Globalisierung innerhalb der Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts, auf die Fried und García Espada bereits hingewiesen haben.159 Für die These einer politischen Karte sprechen auch die Rezeptionsanweisungen, die Sanudo den Lesern seines Rückeroberungstraktates an die Hand gab. Gegenüber Kardinal Bertrand du Pouget (✶um 1280 †1352) stellte er fest: Die Christen (...) herrschen nicht einmal über einen zehnten Teil der Welt. Die Muslime aber herrschen im Gegensatz dazu über das fünffache an Land (...). Dies kann den Karten der Welt und den Büchern entnommen werden, die ich unser aller Herrn dem obersten Pontifex überreicht habe (...).160
Edson, Crusade (2004), 139. BAV Pal. Lat. 1362A, fol. 2r: Ethiopia dicta est a colore populorum qous solis vicinitas torret . tota enim sub merediano cardine posita est. In occiduo motuosa in medio arenosa ad orientem plagam deserta cuius situs ab occiduo atlantis montis ad orientem usque ad fines egypti porrigitur . a meridie oceano a septentione vero nilo clauditur. Due sunt ethiopie una circa solis ortum alia circa occasum. (...) Regnum Georgie habet ab oriente magnum montem vocatum albzor ubi multae nationes habitant et vocatur mons et patria illa alania a meridie habet armeniam et extenditur per occiens versus septenerionem usque ad aliquas provincias regni turqie et longitude eius extenditur super mare maius ex parte meridici per totum et dividitur in duo regna quorum unum vocatur Georgia semper fuit subiectum imperatori asyae aliud vocatur abcas semper liberum a dominio tartarorum. Im Unterschied zu den topographischen Merkmalen sind die regna auch auf den späteren Kopien des Liber secretorum verzeichnet, so u. a. Ethiopia, Georgia, Persia oder Nubia, aber auch Anachronismen wie das antike Getulia. Die Weltkarten vermerken auch unbewohnte Regionen, darunter etwa die Gegend südlich von Äthiopien oder nördlich des Kaspischen Meeres. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 32; 36; 53; 184. Siehe dazu II.4.2.1. García Espada, Marco Polo (2009), 220; Ders., Enlargement (2014), 109–116; Fried, Globalisierung (2014), 219 f. Siehe auch II.4.2.1. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 310: Christiani (...), non tenet de ambitu mundi huius circa decimam partem. Agareni vero e contrario, tenet bene quinque vicibus de terra tantumdem (...) prout podest conspici evidenter in Mappis mundi et Libris, quos et quas domino nostro summo Pontifici praesentavi (...).
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An den Herrscherhöfen wurde die neuartige Weltkarte Sanudos positiv aufgenommen. Speziell an der Kurie unter Johannes XXII. traf der Venezianer auf ein Umfeld, das ein reges Interesse an großangelegten Wissenssammlungen zeigte und die Entstehung entsprechender Werke gezielt anregte. Zu den Enzyklopädisten, die der Papst förderte, gehörte auch der Franziskaner Paolino Minorita, dem Sanudo immer wieder in den Kreuzzugsplanungen begegnete.161 Paolino erkannte früh den Innovationsgehalt der Weltkarte Sanudos sowie ihren Nutzen für das Ordnen von Wissen, weshalb er sie mit kleineren Modifikationen in seine Universalchronik übernahm.162 Zwischen den beiden Enzyklopädisten entwickelte sich schnell ein reger Austausch von visuellen Techniken der Wissensvermittlung und -organisation, der auch fortbestand, nachdem Paolino 1324 zum Bischof von Pozzuoli ernannt wurde und an den Hof Roberts I. von Anjou übersiedelte.163 Im Unterschied zu den Enzyklopädisten vor ihm nutzte Marino Sanudo allerdings nicht nur die bewährte Tradition der mappae mundi, sondern bediente sich auch des jüngeren Kartentyps der Portolane, um Wissen zu sammeln und zu organisieren. Die Karten dieses Typs waren erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden und bis dahin nahezu ausschließlich zur Navigation auf dem Mittelmeer genutzt worden, weshalb sie den anderen Kreuzzugsplanern meist nicht geläufig waren.164 Der Liber secretorum enthielt zunächst vier, später fünf solcher Seekarten, die ebenso wie die Weltkarte in der Werkstatt des in Venedig beheimateten Kartographen Pietro Vesconte gefertigt wurden. Sanudo beließ es allerdings nicht dabei, den anderen Kreuzzugsplanern diese durchaus voraussetzungsreichen nautischen Werkzeuge kommentarlos vorzulegen, sondern erläuterte ihren Gebrauch im Textteil seines Werkes eingehend.165 Zudem versuchte er die Karten dahingehend zu modifizieren, dass sie von größerem Nutzen für die Kreuzzugsplanungen waren. Da die Werkstatt Vescontes in der kartengeschichtlichen Forschung wohlbekannt ist, lassen sich diese Modifikationen anhand früherer Werke leicht nachvollziehen. Als Vergleichsgegenstand bietet sich die zuvor bereits erwähnte Karte aus dem 1313 angefertigten Portolanatlas Vescontes an (siehe Abb. 9), weil sie nahezu den gleichen Teil des östlichen Mittelmeerraumes abbildet, wie eine der Seekarten im Liber secretorum (siehe Abb. 11). Ein Vergleich der beiden Karten zeigt gleich mehrere Veränderungen, die wahrscheinlich auf Sanudos Entscheidungen zurückzuführen sind: Zunächst Heullant-Donat, Encyclopédisme (2006), 255–276. Zu Paolino siehe Cecchini, Paolino Veneto (1998), 150–152; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 16–20; Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 1–5 sowie II.4.1.1. BAV Vat. Lat. 1960, fol. 264v. Sanudo integrierte z. B. die genealogischen Tabellen aus der Chronologia magna Paolinos in die dritte Redaktion seines Rückeroberungstraktates, vgl. BAV Vat. Lat. 1960, fol. 12v; KBR Ms. 9347–48, fol. 151v; BL Add. Ms. 27376, fol. 162v–163r. Für eine kunsthistorische Analyse des Austauschs siehe Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 1–138. Campbell, Portolan Charts (1987), 380–388; Falchetta, Science (2017), 261–273; Gautier Dalché, Carte marine (2017), 104 f.; Lanman, Origin (1984), 1–3; Schneider, Macht (2012), 26 f. Siehe auch II.4.3.2. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 85–90. Siehe auch III.1.2.1 mit Tab. 8.
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fällt auf, dass der Ausschnitt auf der Karte aus dem Liber secretorum leicht nach Osten verschoben ist. Im Unterschied zu dem Portolanatlas von 1313 zeigt sie nicht länger die Insel Kreta, reicht dafür aber im Osten bis in das Zweistromland und im Süden bis nach Kairo. Im Inland sind auch Gebirgszüge, Flüsse und Städte verzeichnet, während der Portolanatlas allein die Küstenlinie mitsamt Häfen, Landeplätzen und Untiefen darstellt. Die Beschriftung des Landesinneren war für oberitalienische Seekarten noch bis in das 15. Jahrhundert hinein nicht üblich, weil sie keine Relevanz für die Navigation auf See hatte. Die von Sanudo in Auftrag gegebenen Portolankarten sind dementsprechend die ersten ihrer Art aus einer italienischen Werkstatt, die solche Beschriftungen aufweisen.166 Der Grund für diese Modifikationen ist fraglos in den militärischen Plänen des Venezianers zu suchen, denn Sanudo favorisierte einen Seeangriff der Kreuzfahrer auf Ägypten.167 Dafür spricht auch der Umstand, dass die Beschriftungen sich auf militärstrategisch relevante Regionen wie Ägypten und das Heilige Land konzentrieren, während Kleinasien leer bleibt.168
Abb. 11: Portolankarte des östlichen Mittelmeeres aus dem Liber secretorum des Marino Sanudo (1327–1330).
In dieser Hinsicht unterschieden sich die oberitalienischen von den katalanischen Portolankarten, auf denen das Landesinnere üblicherweise ebenfalls beschriftet war, vgl. Campbell, Portolan Charts (1987), 392–395. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 90–95. Baumgärtner, Land (2012), 68; Edson, Crusade (2004), 144; Schröder, Wissenstransfer (2012), 327 f.
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Sanudo beließ es allerdings nicht bei diesen nutzenorientierten Modifikationen, sondern integrierte auch sein historisches Toposwissen in die kartographische Darstellung. Südlich von Kairo ließ er beispielsweise zwei Türme verzeichnen, die, so die Beschriftung auf der Karte, der Pharao einst in der Wüste erbauen ließ.169 Aus der Beschreibung Ägyptens im Liber secretorum wird schnell deutlich, dass es sich bei diesen Türmen um die Pyramiden von Gizeh handelt, die Sanudo irrtümlicherweise für die im Alten Testament erwähnten Kornspeicher Josephs hielt. Woher er diese Interpretation bezog, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit nachvollziehen. Sie hat eine lang zurückreichende Tradition und könnte einerseits aus dem historischen Teil des Speculum maius oder dem Reisebericht Burchards vom Berg Zion stammen, findet sich allerdings seit dem 13. Jahrhundert auch auf einem Mosaik im Atrium des Markusdoms, das dem Venezianer wahrscheinlich ebenfalls bekannt gewesen sein dürfte.170 Ungeachtet der Quelle ist es sehr ungewöhnlich, diese oder eine vergleichbare historische Anekdote auf einer Portolankarte zu finden. Einen militärischen Nutzen dafür gab es sicherlich nicht, sodass es nahe liegt, darin ein Artefakt der enzyklopädischen Tradition zu sehen, in der Sanudo sich bewegte. Der Venezianer übernahm demnach nicht nur Bestandteile von Portolankarten auf seine Weltkarte, sondern reicherte seine Seekarten auch mit Elementen aus der Tradition der mappae mundi an. Diese waren sicherlich kein Selbstzweck, denn sie erleichterten gelehrten Lesern, die üblicherweise nur mit mappae mundi vertraut waren, den Zugang zu den jüngeren Portolankarten und verdeutlichten ihnen zugleich die Bildung Sanudos. Dennoch muten solche historischen Anekdoten aus Sicht der bislang behandelten Rückeroberungsmemoranden seltsam an, weil sie einer anderen literarischen Tradition zu entstammen scheinen als die zweckorientierten consilia anderer Ratgeber. Insgesamt ist also deutlich geworden, dass es erheblich fruchtbarer für die Interpretation von Sanudos Œuvre ist, seinen Liber secretorum in der Tradition der großen Wissenssammlungen des 13. Jahrhunderts zu sehen, als ihn dem Frühhumanismus zuzuordnen. Nur wenn man Sanudo als Enzyklopädisten versteht, lässt sich plausibel erklären, warum sein Rückeroberungstraktat sich so signifikant von den Memoranden der anderen Ratgeber abhebt. Im Unterschied zu ihnen war er kein Spezialist, der sich mit einem Partikularproblem wie der Kreuzzugsfinanzierung oder der Route für die Kreuzfahrer befasste, sondern ein Generalist, der sich anschickte, eine vollständige Sammlung aller wissbaren Dinge über den Kreuzzug zu schreiben. Seine Arbeit erinnert somit weniger an die Tätigkeit einzelner Berater, sondern an ganze Sachverständigenkommissionen, die im Auftrag politischer Entscheidungsträger Spe-
BL Add. Ms. 27376✶, fol. 183r: Istas .ij. turres fecit pharao in capite sollitudinis. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261; Gen 41,47–49. Siehe dazu Graboïs, Description (2003), 529–543.
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zialwissen aus verschiedenen gesellschaftlichen Beständen zusammentrugen. Die am Enzyklopädismus orientierte Vorgehensweise des Venezianers wirft allerdings auch die Frage auf, wie das Wissen der anderen Berater in den Kreuzzugsplanungen gesammelt, übersetzt und geordnet wurde. Diese Techniken der Wissensorganisation am Hof werden den Gegenstand des folgenden Kapitels bilden.
Teil III: Wissen am Hof
1 Die Organisation von Spezialwissen am Hof Die höfischen Kreuzzugsplanungen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts waren von einer epistemischen Pionierstimmung geprägt. Da das zuvor routinemäßig genutzte Kreuzzugswissen unsicher geworden war, versuchten politische Entscheidungsträger Wissen aus zuvor nicht für den Kreuzzug erschlossenen Beständen zu mobilisieren, wobei sie prinzipiell jedes Wissenselement in Betracht zogen, das auf die Rückeroberung des Heiligen Landes bezogen werden konnte. Die lateineuropäischen Herrscherhöfe wurden in der Folge zu einer Kontaktzone von Expertenratgebern verschiedenen Typs, die ihr Spezialwissen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbeständen bezogen und dementsprechend verschiedene Wissenskulturen mit eigener Terminologie in die Kreuzzugsplanungen einbrachten. Für die Beteiligten warf diese soziokulturelle Konfiguration wiederum zwei Schwierigkeiten auf: Einerseits standen sie vor dem klassischen Experten-Laien Problem, das heißt der Frage, wie Akteure ohne das entsprechende Spezialwissen die Expertise derjenigen prüfen können, die für sich die Rolle des Experten beanspruchen. Auf der anderen Seite sahen die Träger von Expertise sich dem Problem gegenüber, diese nachvollziehbar an diejenigen zu vermitteln, welche nicht über das der Expertise zu Grunde liegende Spezialwissen verfügten.1 Die spezifische Konfiguration der Kreuzzugsplanungen bedingte allerdings auch ein Problem in der Kommunikation zwischen den Expertenratgebern selbst. Zwar nahmen alle Ratgeber für sich in Anspruch, zeigen zu können, wie das Heilige Land zurückerobert werden könnte, mobilisierten zu diesem Zweck jedoch Wissenselemente aus ganz unterschiedlichen Beständen bzw. Wissenskulturen, die untereinander inkompatibel oder gar inkommensurabel sein konnten. Zur erfolgreichen Realisation eines Kreuzzugsunternehmens war es folgerichtig unabdingbar, diese Wissenselemente innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen zunächst zu ordnen, übersetzen und evaluieren. Vor diesem Hintergrund werde ich im Folgenden dafür argumentieren, dass die höfischen Kreuzzugsplanungen eine fraktionierte Austauschzone bildeten, innerhalb der Experten verschiedener Wissenskulturen sich auf abgegrenzte Teilprobleme fokussierten (1.1). In diesen Austauschzonen verständigten sich Berater und politische Entscheidungsträger mittels einer Interaktionssprache, die auf allgemein verfügbarem Wissen fußte und zugleich davon profitierte, dass der Kreuzzug selbst einen leeren Signifikanten bildete, der offen für eine Vielzahl heterogener Wissenselemente und Rückeroberungsprojekte war (1.2). Die Bewertung dieses einmal auf den Kreuzzug bezogenen Wissens erfolgte wiederum mit Blick auf dessen Anwendbarkeit und Nützlichkeit, was jedoch zugleich auf epistemischer Ebene einen Rückkoppelungseffekt erzeugte, der immer weitere Beratungen erforderlich machte (1.3).
Goldman, Experts (2011), 109 f.; Hardwig, Dependence (1985), 336–339; Hitzler, Wissen (1994), 23 f.; Rexroth, Systemvertrauen (2012), 20 f.; Schützeichel, Laien (2007), 549. So auch schon Plat. Charm. 170d-e. https://doi.org/10.1515/9783111085067-009
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1 Die Organisation von Spezialwissen am Hof
1.1 Formen der Experten-Laien Interaktion Die wissensgeschichtliche Forschung hat sich traditionell schwer damit getan, Texte von Gelehrten, die in erster Linie auf die Demonstration von Expertise und Wissen abzielen, auf Spuren mündlicher, performativer Interaktion hin zu untersuchen. Für Beratungen an den Höfen stellt sich dieses Problem ebenfalls, wenngleich die erhaltenen Register und Korrespondenzen immer wieder schlaglichtartige Einblicke in deren Ablauf erlauben. Der Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Kreuzzugsratgebern vollzog sich entweder in einer Serie von Vier-Augen-Gesprächen mit einzelnen Beratern oder in Planungssitzungen mit mehreren Ratgebern, wie etwa der zuvor erwähnten délibération am französischen Hof im Dezember 1319 oder dem consilium am Hof Roberts I. von Anjou im Herbst 1331.2 Diese informationsorientierten Beratungen waren sowohl räumlich als auch zeitlich getrennt von den konsensorientierten Beratungen mit Fürsten und Prälaten, die auf Hoftagen, Parlamenten, Konzilen oder in Kardinalskonsistorien stattfanden. Auf das vorgenannte Treffen mit 14 Expertenratgebern im Dezember 1319 folgte beispielsweise im Abstand von acht Tagen eine Versammlung mit 23 Prälaten sowie 37 barons et nobles de royaume, deren Rat hinsichtlich des geplanten Kreuzzuges der König einholen wollte.3 Planungssitzungen mit Experten zählten selten mehr als 15 Teilnehmer und fanden stets unter Ausschluss großer Teile der höfischen Gesellschaft statt. Die über das Hofgeschehen ansonsten wohlinformierte Pariser Stadtchronik wusste für die Jahre 1319 und 1323 von den Kreuzzugsplanungen auf den Versammlungen der französischen Fürsten und Prälaten zu berichten, hatte aber keine Kenntnis von den délibérations im Kreis der königlichen Expertenratgeber.4 Davon, dass Berater ihre Rückeroberungsprojekte „einem interessierten Publikum (...) öffentlich zur Diskussion“ gestellt hätten, wie Miethke es für die wissenschaftliche Politikberatung des 14. Jahrhunderts konstatiert hat, kann demnach nicht die Rede sein.5 Die Räumlichkeiten, innerhalb derer diese Beratungen stattfanden, lassen sich derweil nur in Einzelfällen rekonstruieren. Die Kommission, welche im päpstlichen Auftrag das Rückeroberungstraktat Sanudos prüfen sollte, zog sich zur Beratung in das Haus eines Kommissionsmitglieds zurück.6 Die aragonesischen Gesandten Bernat de Fonollar (✶um 1255 †1326) und Vidal de Villanova berieten sich 1309 mit Kardinal Raymond de Got (†1310) in dessen Privatgemächern über die Gewährung einer Kreuz-
ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797. ANF JJ 58, fol. 36v, Nr. 396; fol. 37v, Nr. 398. Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 43; 77. Miethke, Politikberatung (2004), 356. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 2: Praedicti fratres simul in domo praefati fratris Paulini antedictum librum diligenter et fideliter examinarunt (...). Ob es sich bei dem domus Paulini um einen Teil des Franziskanerkonventes oder eigene Räumlichkeiten handelte, lässt sich indes nicht ermitteln. Zu Paolino siehe auch Cecchini, Paolino Veneto (1998), 150–152; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 16–20; Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 1–5.
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zugssteuer.7 Robert I. von Anjou ließ sich von Marino Sanudo im Beisein des Bischofs von Pozzuoli ebenfalls in seiner camera beraten.8 Es gab demnach an den Höfen vermutlich keinen eigenen Bereich für den Austausch mit den Ratgebern und die Auswahl der Räumlichkeiten für derartige Treffen erfolgte stattdessen ad hoc. Obgleich Johannes XXII. vereinzelt auch Rückeroberungsprojekte vor dem versammelten Konsistorium diskutieren ließ, bevorzugten politische Entscheidungsträger im Allgemeinen eher reklusive Orte für den Austausch mit ihren Beratern.9 In einigen seltenen Fällen fand die Beratung auch allein im Kreis der Experten statt, welche die Resultate ihrer Zusammenkunft anschließend verschriftlichten, um sie an politische Entscheidungsträger weiterzugeben. Philipp VI. ließ das Directorium ad faciendum passagium transmarinum des Guillelmus Adae von einer Expertenkommission prüfen, die dem Gremium ähnelte, dem Johannes XXII. das Rückeroberungstraktat Marino Sanudos zur Prüfung überantwortet hatte.10 Auch die von unbekannten päpstlichen Kreuzzugsberatern um 1307 verfasste Memoria Terre Sancte war vermutlich das Ergebnis einer solchen Zusammenkunft.11 Generell zogen sowohl politische Entscheidungsträger als auch ihre Ratgeber allerdings den mündlichen Austausch in beiderseitiger Anwesenheit der rein schriftlichen Kommunikation vor. In einem Brief an König Philipp VI. betonte Marino Sanudo explizit, er wolle persönlich und nicht allein durch die Übersendung schriftlicher Ratschläge an den Kreuzzugsplanungen am französischen Hof teilnehmen, denn die Schrift sei eine lingua mortua.12 Die Einstellung des Venezianers war keineswegs ungewöhnlich, hat die kommunikationstheoretisch orientierte Geschichtsforschung doch herausgestellt, dass vormoderne Gesellschaften Anwesenheitsgesellschaften waren, deren interpersonale Kommunikation auf gegenseitige Sichtbarkeit ausgelegt war.13 Dementsprechend standen schriftliche Memoranden der Kreuzzugsratgeber nicht für sich, sondern dienten oft dazu, eine mündliche Anschlusskommunikation mit den Adressaten der Werke herzustellen. Jacques de Molay merkte in seinem an Clemens V. gerichteten Consilium an, er werde den Papst über mögliche Ziele und Wege zur Finanzierung des geplanten Kreuzzuges persönlich in Kenntnis setzen, sobald er in Poitiers angekommen sei.14
AA 3, 201, Nr. 92. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 359. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1. Möglicherweise war das Vorgehen des Papstes in diesen Fällen jedoch strategisch begründet. Folgt man den aragonesischen Gesandten an der Kurie, so brachte Johannes XXII. nur die Anliegen vor das Konsistorium, die er scheitern sehen wollte, vgl. AA 2, 586, Nr. 378. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f. Siehe dazu II.4.1.2. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 798: Et qui plura possunt incurrere quam scribantur, et quia scriptura est quasi lingua mortua, et ore tenus loqui est lingua viva ideo si vestrae dominationi placeret mihi vestro rescribere, vestrum immensum dominum, deo dante, personaliter visitabo. Laslett, Society (1956), 157–184; Selig, Anwesenheitskommunikation (2009), 17–34; Schlögl, Anwesende (2014), 160–168. Zur Rolle der Anwesenheit in den Kreuzzugsberatungen siehe III.2.1.1. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 147.
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Wie das Beispiel des Templermeisters zeigt, konnte das Vorenthalten zentraler Angaben in den schriftlichen Rückeroberungsplänen also auch genutzt werden, um politischen Entscheidungsträgern subtil die Notwendigkeit mündlicher Anschlusskommunikation nahezulegen und ihnen so eine Audienz abzunötigen. Die im Rahmen der Kreuzzugsplanungen entstandenen Traktate, informationes, consilia und Memoranden waren dementsprechend stets in Anwesenheitskommunikation eingebettet und erfüllten dabei vor allem zwei überlappende Funktionen: Erstens ermöglichten sie die diachrone Kommunikation zwischen Ratgebern und politischen Entscheidungsträgern. Dies war erforderlich, wenn die angerufenen Ratgeber in den Planungssitzungen nicht persönlich anwesend sein konnten oder wenn Berater (noch) keinen persönlichen Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern hatten, denen sie ihre Kreuzzugsprojekte unterbreiteten. In die erste Kategorie fallen zum Beispiel die Memoranden der Templer und Johanniter für Clemens V., deren Ordensmeister sich 1306 auf Zypern befanden und auf die päpstliche Bitte nach persönlichen Ratschlägen zunächst nur schriftlich reagieren konnten.15 Ähnliches gilt für Guido von Vigevano, der seine Abhandlung mit Verhaltensregeln für den Umgang mit dem orientalischen Klima vermutlich deshalb verfasste, weil er an den Haushalt Johannas von Burgund gebunden war und an dem geplanten Kreuzzug ihres Ehemanns Philipp VI. nicht teilnehmen konnte.16 Auch die Kommunikation zwischen den Kreuzzugsplanern an unterschiedlichen Höfen wurde durch die Niederschrift von Rückeroberungsvorschlägen vereinfacht, wovon die Memoranden der Könige von Neapel, Zypern und Armenien zeugen.17 Zur zweiten Kategorie zählen etwa die umfangreichen Rückeroberungstraktate von Marino Sanudo und Pierre Dubois. Beide Ratgeber hatten ihre Werke zunächst in kurzen Audienzen (1321 in Avignon bzw. 1308 in Chinon) an Johannes XXII. bzw. Philipp IV. übergeben und hofften, nach erfolgreicher Prüfung ihrer Vorschläge durch die päpstlichen bzw. königlichen Experten Zugang zu den Kreuzzugsplanungen an dem jeweiligen Hof zu erlangen.18 Die ausführlichen Traktate der beiden Ratgeber sollten also als Türöffner für mündliche Anschlusskommunikation fungieren. Die zweite Funktion der schriftlichen Rückeroberungsmemoranden bestand in der Speicherung von Wissen, welches anschließend in der Anwesenheitskommunikation (partiell) reaktiviert werden konnte. Dies war erforderlich, weil das innerhalb der
Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 145; Foulques de Villaret, Mémoire. Ed. Petit, 603; RC, Nr. 1033. BNF Ms. Lat. 11015, insbes. fol. 33v–34r. Zu Guido siehe II.5.1. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353–361; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 118–125; RJF, Nr. 1690–1691. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f.; Pierre Dubois, Oppinio. Ed. Langlois, 133. Dubois berichtete zwar selbst nicht von einer königlichen Expertenkommission, machte in seinem Rückeroberungstraktat allerdings deutlich, dass er annahm, die consultatores Philipps IV. würden das Werk prüfen, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 248.
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Kreuzzugsplanungen eingesetzte Spezialwissen in der Summe vielfach zu komplex oder detailliert war, um es auf eine andere Weise zu memorieren. Die Speicherungsfunktion der Rückeroberungsmemoranden scheint sich organisch aus den Bedürfnissen der Anwesenheitskommunikation heraus entwickelt zu haben. Folgt man etwa dem Bericht des Fidenzio von Padua, so hatte Gregor X. ihn während der Kreuzzugsplanungen im Vorfeld des zweiten Konzils von Lyon darum gebeten, seine mündlich unterbreiteten Vorschläge zur Rückeroberung der heiligen Stätten im Anschluss zu verschriftlichen.19 Berücksichtigt man die Menge an Orts- und Regionsbeschreibungen in seinem späteren Rückeroberungstraktat, dann ist anzunehmen, dass der Papst und die anderen Konzilsteilnehmer sich die Details aus den mündlichen Ausführungen des Franziskaners schlichtweg nicht merken konnten und sie aus diesem Grund eine Niederschrift seiner Vorschläge forderten. Die Speicherfunktion dieser Texte stand wiederum in Zusammenhang mit der diachronen Kommunikation über Kreuzzugspläne, denn die jeweiligen Schriftstücke wurden auch zwischen den Höfen weitergegeben. So fand das ursprünglich an den Papst adressierte Consilium des Jacques de Molay seinen Weg an den Hof Philipps IV. und von dort aus in das französische Nationalarchiv.20 Noch deutlich weiter verbreitet als das Consilium des Templermeisters war das bereits erwähnte Gaza-KairoItinerar, das in die Via ad Terram Sanctam, die Memoria Terre Sancte, den Liber secretorum und in veränderter Form auch in die Devise des chemins de Babiloine aufgenommen wurde.21 Auch die Rückeroberungsmemoranden des Johanniterordens scheinen an den lateineuropäischen Herrscherhöfen bekannt gewesen zu sein, sodass sogar weniger gut vernetzte Berater wie Pierre Dubois Zugriff darauf hatten.22 Als Speichermedien für komplexes Spezialwissen konnten schriftliche Memoranden außerdem der Vorbereitung mündlicher Planungssitzungen dienen. Die französischen Gesandten, die unter der Führung des Guillaume de Nogaret auf dem Konzil von Vienne über die Finanzierung des Kreuzzuges verhandelten, hatten ihre Pläne beispielsweise bereits im Vorfeld niedergeschrieben, um sich bei den mündlichen Verhandlungen auf diese Aufzeichnungen stützen zu können. Hierfür sprechen vor allem die Streichungen, Makulaturen und Marginalien am einzigen erhaltenen Textzeugen, welche dazu dienten, das Dokument der ständig wechselnden Verhandlungslage anzupassen.23 Auch wenn die mündlich abgehaltenen Planungssitzungen das Herzstück der kreuzzugsbezogenen Expertenkultur bildeten, waren die schriftlichen Rückeroberungsvorschläge also keines Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9. ANF J 456/36/5. Siehe dazu II.4.3.2. Pierre Dubois verwies in seiner 1309 für den französischen König verfassten oppinio explizit auf die preudes hommes qui ont demouré oultre la mer, welche die Johanniter kurz zuvor in ihrem Memorandum für Clemens V. erwähnt hatten: prout hoc fore possibile testantur prudentes et experti milites de partibus illis nati, qui Babilonem et Egiptum cum eorum habitatoribus profitentur se vidisse et ob hunc finem diligenter considerasse. Vgl. Pierre Dubois, Oppinio. Ed. Langlois, 134. Für das lat. Incipit das Johannitermemorandums siehe Devise des chemins. Ed. Paviot, 201, Fußn. 4. ANF J 456/36/2. Siehe auch II.3.1.1.
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wegs Substitute der mündlichen Expertenkommunikation, die aus den Erfordernissen der Wissensweitergabe über räumliche Distanzen hinweg geboren waren. Stattdessen dienten sie dazu, Expertenkommunikation angesichts eines zunehmend ausdifferenzierten gesellschaftlichen Wissensvorrats überhaupt erst zu ermöglichen. Der Austausch von Wissen in den mündlichen Planungssitzungen gestaltete sich allerdings angesichts dieser wissensmäßigen Ausdifferenzierung sowie der damit verbundenen Herausbildung verschiedener Subtypen des Kreuzzugsexperten problematisch. Die Interaktion zwischen diesen Akteuren zu untersuchen, fällt nicht leicht, da allein die schriftlichen Überreste höfischen Planungssitzungen erhalten sind. Um diese Überlieferungslücken zu überbrücken, werde ich im Folgenden mit dem Expertenmediator und der Austauschzone auf zwei Erklärungsmodelle zurückgreifen, die sich in der Wissensgeschichte bereits bewährt haben. In Anschluss daran lassen sich zwei idealtypische Formen des Transfers kreuzzugsbezogenen Wissens zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Expertenratgebern ausmachen: Beraterkollektive (1.1.1) und Mediatoren (1.1.2). Unter „Beraterkollektiven“ verstehe ich Experten verschiedener Subtypen, die politische Entscheidungsträger in ihren jeweiligen Sachgebieten (aber kaum darüber hinaus) berieten und sich anhand des wissensgeschichtlichen Modells der fraktionierten Austauschzone beschreiben lassen, während ich mit „Expertenmediatoren“ diejenigen Ratgeber bezeichne, die aktiv zwischen politischen Entscheidungsträgern und den Experten verschiedener Subtypen zu vermitteln versuchten. Das erstgenannte Modell bildete den Regelfall für den Austausch von Wissen in den Kreuzzugsplanungen und stellte das Spezialwissen verschiedener Experten nebeneinander, sodass es den politischen Entscheidungsträgern oblag, dazwischen zu vermitteln. Im zweiten Modell übernahmen Mediatoren dagegen die Funktion, Expertenwissen aus verschiedenen Wissenskulturen miteinander zu verschränken, was allerdings innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen einen Ausnahmefall darstellte.
1.1.1 Beraterkollektive Der Transfer von kreuzzugsbezogenem Wissen im Rahmen informationsorientierter Beratung erfolgte zumeist in Form von Beraterkollektiven, die als Austauschzone von politischen Entscheidungsträgern und Kreuzzugsexperten fungierten und sowohl synchron als auch diachron konsultiert wurden. Politische Entscheidungsträger versuchten aktiv, in den consilia bzw. deliberationes an ihren Höfen ein Beraterkollektiv zu versammeln, das den gesamten gesellschaftlichen Wissensvorrat abdeckte (oder zumindest nach außen den Eindruck erweckte, dies zu tun). Neben diesem Prinzip wissensmäßiger Vollständigkeit, das offenkundig auf die konsensorientierte Beratung zurückging, gab es allerdings kein geregeltes Verfahren für die Zusammensetzung dieser Beraterzirkel. Eine einheitliche Terminologie, um diese Beraterkollektive als solche zu kennzeichnen und sie gegenüber anderen höfischen Positionen abzugrenzen, lässt sich in den Quellen ebenso wenig ausmachen. Innerhalb der Kollektive befasste sich üblicherweise keiner der beteiligten
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Experten mit der Gesamtplanung des Kreuzzuges; stattdessen bearbeiteten einzelne Berater jeweils diejenigen Teilprobleme, welche der ihnen zugeschriebenen Expertise entsprachen, wobei die abschließende Synthese der teils widersprüchlichen Vorschläge den politischen Entscheidungsträgern oblag. Obwohl ihre Expertise letztlich nur Teilprobleme der Kreuzzugsplanung betraf, hielten die einzelnen Berater dennoch an dem umfassenden Anspruch fest, zu zeigen quomodo Terra Sancta recuperari podest,24 lösten diesen allerdings in der Regel nicht mehr auf epistemischer, sondern nur noch auf allegorischer Ebene ein. Die individuelle Zusammensetzung von Beraterkollektiven folgte ebenso wie die Hierarchien in diesen Kollektiven vornehmlich hofinternen Dynamiken sowie den Präferenzen einzelner politischer Entscheidungsträger, wie insbesondere bei Betrachtung der höfischen Planungssitzungen, consilia und deliberationes deutlich wird, in denen Experten und politische Entscheidungsträger aufeinandertrafen. In den quellenmäßig gut fassbaren Kreuzzugsplanungen der Jahre 1318–1324 am französischen Hof scheinen die Treffen stets von einem Prälaten und einem weltlichen Fürsten geleitet worden zu sein. Damit orientierte man sich offenbar an dem vielfach geäußerten Vorschlag, der Kreuzzug solle einen geistlichen und einen weltlichen Anführer haben.25 Unter Philipp V. bestand dieses Zweiergespann aus dem Grafen Ludwig von Clermont, der den Partikularkreuzzug befehligen sollte, sowie Bischof Guillaume Durand von Mende, der einerseits mit der Kollekte der Kreuzzugssteuer betraut war und überdies auch in seiner Rolle als Finanzexperte zu Rate gezogen wurde.26 Am Hof von Philipps Nachfolger Karl IV. ersetzte dessen Onkel Karl von Valois den Grafen von Clermont als Anführer des passagium particulare und saß den Planungstreffen gemeinsam mit Guillaume Durand vor.27 Als jüngerer Bruder Philipps IV. hatte Karl von Valois in der Vergangenheit versucht, diverse hohe Würden zu erwerben, zu denen auch die Krone des lateinischen Kaiserreichs zählte, weshalb er bereits von 1304 bis 1308 in die französischen Kreuzzugsplanungen involviert gewesen war.28 Zu der Doppelspitze kamen wei-
Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 328. So u. a. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605. Dafür spricht auch, dass Philipp V. versuchte, den Papst dazu zu bewegen, Guillaume Durand zum Patriarchen von Jerusalem zu ernennen, vgl. RJF, Nr. 762. Das Vorbild für diese Doppelspitze war offenkundig das Duo aus Adhemar von Le Puy (†1098) und Gottfried von Boullion, das laut späterer Chronisten angeblich die ersten Kreuzfahrer angeführt haben soll, siehe dazu u. a. France, Victory (1999), 17; John, Godfrey of Bouillon (2017), 222–224; Tyerman, Crusade (2015), 231–233. AA 1, 223, Nr. 145; AA 3, 440, Nr. 200; Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 29 f.; RTC 2, Nr. 2040. Die Leitungsfunktion dieses Zweiergespanns wird besonders deutlich bei Betrachtung der handschriftlichen Liste, auf der die Teilnehmer der délibération im Dezember 1319 angeführt sind. Dort stehen nämlich mende eveque und clermont comte deutlich abgesetzt über der Gruppe der eingeladenen Experten, vgl. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397. RJF, Nr. 1675 sowie dazu Housley, Negotiations (1980), 171. Housley, Later Crusades (1992), 26. In den 1280ern bemühte Karl von Valois sich zunächst um die Krone von Aragon, was nach dem fehlgeschlagenen Aragon-Feldzug von 1285 im Jahr 1291 endgültig
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tere Würdenträger, etwa Vizegraf Amalrich II. von Narbonne, den Karl IV. als Befehlshaber eines Vorabkreuzzuges zur Entlastung Armeniens bestimmt hatte, oder der jeweilige königliche Brotmeister, zunächst Herpin d’Erquery und später Bouchard de Montmorency, der zugleich auch die Ergebnisse der französischen Planungen an die Kurie kommunizierte. Die für den Kreuzzug verantwortlichen Entscheidungsträger wurden ergänzt durch einen wechselnden Kreis aus Expertenratgebern, zu denen vor allem Johanniter wie Foulques de Villaret und Simon Le Rat sowie Veteranen der französischen Flandernkriege (1297–1305 und 1315–1317) wie Guillaume de Rochefort und Geoffroi de Vendôme, aber auch externe Ratgeber wie Marino Sanudo zählten.29 Von einem sei es auch noch so rudimentären Verfahren, das am französischen Hof die Zusammensetzung der Planungsgremien geregelt hätte, kann derweil keine Rede sein, denn in den Kreuzzugsplanungen Philipps VI. war von der Doppelspitze aus einem geistlichen und einem weltlichen Fürsten nichts mehr sichtbar. Stattdessen hatte Philipp zu Beginn der 1330er Jahre ein consilium regis zur Kreuzzugsplanung eingerichtet, das von wechselnden Akteuren geleitet wurde, zu denen neben dem königlichen Kämmerer Nicolas Béhuchet (†1340) und Bischof Johann von Thérouanne (†1351) auch Ludwig von Clermont zählte, der inzwischen Herzog von Bourbon geworden war.30 Die Rückeroberungsvorschläge externer Experten wie das Traktat des Guillelmus Adae oder das Kreuzzugsmemorandum der venezianischen Gesandtschaft wurden ebenfalls von diesem Ausschuss geprüft.31 Die consilia zu Planung von Kreuzzügen am neapolitanischen Hof unter Robert I. scheinen allerdings erneut eine Doppelspitze gehabt zu haben. Dort saßen Roberts jüngerer Bruder Johann (✶1294 †1336) sowie sein Kanzler, Erzbischof Ingeranno Stella von Capua (†1333), einer nur teilweise personell fassbaren Kommission wechselnder Experten vor, die sich im Bedarfsfall zu Planungssitzungen zusammenfand, denen der König selbst offenbar nur gelegentlich beiwohnte.32 Wie schon am französischen
scheiterte. Nach seiner Hochzeit mit Katharina von Courtenay im Jahr 1301 erhob er dann Anspruch auf das lateinische Kaiserreich, das 1261 untergegangen war. Nach Katharinas Tod im Jahr 1307 und der Ermordung Albrechts I. von Habsburg im Folgejahr versuchte Karl vergeblich, zum römischdeutschen König gewählt zu werden, vgl. Lalou, Karl von Valois (1991), 994. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; ANF fol. 48v, Nr. 441; RJF, Nr. 1685; RJF, Nr. 1710. Raoul d’Erquery, genannt Herpin, war zudem ein Veteran der Flandernkriege und Träger der Oriflamme, vgl. BalouzatLoubet, Capétiens (2019), 78. Zu Bouchard de Montmorency siehe du Chesne, Histoire (1623), 548 f. Zu Guillaume de Rochefort und Geoffroi de Vendôme siehe Tyerman, Philip V (1984), 25, Fußn. 77; Strayer, Reign (1980), 92. Tyerman, Philip VI (1985), 34 f. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11; Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219–222, Nr. 109–110. Caggese, Roberto d’Angiò, Bd. 2 (1922), 343; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797 f. Zu Ingeranno Stella siehe Tagliente, Stella Ingeranno (2019), 190–193. Roberts Bruder Johann von Anjou war als (Titular-)Herzog von Durazzo und Fürst von Achaia eng in die Politik des östlichen Mittelmeerraumes involviert. Den Teilnehmern seines Feldzuges gegen das byzantinische Reich verlieh Johannes XXII. im Jahr 1322 Kreuzfahrerprivilegien und begründetet es damit, dass die Sicherung der Ägäis contra
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Hof bildete der Kreuzzug also auch in Neapel ein Betätigungsfeld für die politischen Ambitionen naher Verwandter des Königs. Ähnlich wie Ludwig von Clermont oder Karl von Valois herrschte Johann als Graf von Gravina über kein nennenswertes eigenes Fürstentum, erhob jedoch als (Titular-)Herzog von Durazzo und Fürst von Achaia Anspruch auf größere Herrschaftsgebiete im östlichen Mittelmeerraum.33 Unter Roberts Vorgänger Karl II. waren die höfischen Kreuzzugsplanungen dagegen noch von Adeligen aus den ehemaligen Kreuzfahrerreichen vorangetrieben worden, zu denen etwa der Ritter Mellorus de Ravendel zählte, der 1289 aus der Grafschaft Tripolis geflüchtet war.34 Am Hof Eduards I. lassen sich wiederum spezialisierte Planungssitzungen nachweisen, die auf ein spezifisches Teilproblem des Kreuzzugs ausgerichtet waren. Im Mai 1307 versammelten sich politische Entscheidungsträger und Finanzexperten unter Führung der Bischöfe von London und Lincoln sowie Walter Langtons (†1321), dem englischen Schatzmeister und Bischof von Coventry, um über die durch den Papst gewährten Kreuzzugssteuern zu beraten.35 In militärischer Hinsicht bestimmten dagegen Veteranen von Eduards erstem Kreuzzug wie der Ritter Othon de Grandson oder der Bischof von Durham, Anthony Bek (✶1245 †1311), das Bild der Kreuzzugsplanungen am englischen Hof.36 Auch nach dem Tod des Königs blieb die Teilnahme an Eduards Expedition in den Orient ein erheblicher Vorzug für potentielle Ratgeber, weshalb Roger von Stanegrave es noch gegenüber Eduard III. nicht versäumte zu erwähnen, dass er im Dienste von dessen Großvater eine persische Gesandtschaft sicher nach Akkon geleitet hatte.37 Obwohl sie ein fester Bestandteil der Hofgesellschaften waren, nahmen Frauen nur selten an den Planungstreffen teil. Trotz der guten Überlieferungslage lässt sich in keinem der höfischen Beraterkollektive auch nur eine einzige Expertenratgeberin fassen. Ihre Abstinenz ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass legitimationsstiftende Institutionen wie die Universitäten, (Rechts-)Schulen und Ritterorden, auf die viele Ratgeber sich beriefen, Frauen den Zugang verwehrten. Die räumliche Trennung von konsensorientierter und informationsorientierter Beratung, die sich im ausgehenden 13. Jahrhundert durch-
Graecos schismaticos et alios infideles eine notwendige Vorbedingung für die Rückeroberung des Heiligen Landes sei, vgl. RJ, Nr. 16672. Caggese, Roberto d’Angiò, Bd. 2 (1922), 319 f.; Kelly, Solomon (2003), 210. Saggio di codice diplomatico. Ed. Minieri Riccio, Bd. 2, 12, Nr. 12; Housley, Charles II (1984), 532. TNA C 54/124/10d. Die Bischöfe von London und Lincoln waren mit der Kollekte der Kreuzzugssteuer beauftragt gewesen, vgl. Tyerman, England (1988), 236. Zu Walter Langton siehe u. a. Prestwich, War (1972), 152–154. TNA E 101/308/31; RC, Nr. 722 sowie dazu Guard, Chivalry (2013), 30; Rowland Clifford, Knight (1961), 107–118; Tyerman, England (1988), 233–238. Obwohl Anthony Bek in den 1270ern geistliche Weihen empfangen hatte und 1283 zum Bischof von Durham gewählt worden war, nahm er weiterhin als Befehlshaber und Kombattant an den Feldzügen Eduards teil, u. a. an der Schlacht bei Falkirk im Juli 1298. Im April 1306 ernannte Clemens V. ihn überdies zum Patriarchen von Jerusalem, vgl. RC, Nr. 306. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 297. Zur Bedeutung von Eduards Kreuzzug für die ritterliche Kultur am englischen Hof siehe Guard, Chivalry (2013), 29–38.
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gesetzt hatte, erschwerte es Ratgeberinnen erheblich, ihre Expertise in die höfischen Planungssitzungen einfließen zu lassen.38 Für die Kreuzzugsplanungen scheint also nach wie vor die von McNamarra/Wemple aufgestellte These zu gelten, dass adelige Frauen durch die Herausbildung funktionaler Strukturen ihren Einfluss an den Höfen verloren.39 Auch als politische Entscheidungsträgerinnen spielten sie nur selten eine Rolle in den lateineuropäischen Rückeroberungsplanungen. Zu den wenigen Herrscherinnen, die sich in den Kreuzzugsplanungen nachweisen lassen, zählt Sancha von Mallorca (✶1281 †1345), der Marino Sanudo im Beisein ihres Ehemannes Robert I. Teile seines Liber secretorum vorstellte.40 Wie bereits gezeigt wurde, ist es überdies sehr wahrscheinlich, dass die kastilische Regentin María de Molina in die Rückeroberungspläne des Gonzalo de Hinojosa eingeweiht war.41 Ihre Beteiligung an den entsprechenden Planungssitzungen am kastilischen Hof lässt sich zwar nicht mehr rekonstruieren, wäre aber aufgrund ihrer zentralen Position gut denkbar. Die insgesamt periphere Rolle von Herrscherinnen in diesen Beratungen könnte dem Umstand geschuldet sein, dass die meisten politischen Entscheidungsträger, die an den höfischen consilia partizipierten, bei dem künftigen Kreuzzug eine Kommandofunktion ausüben sollten. Die Beteiligung von adeligen Frauen an Militärkampagnen war zwar keineswegs ungesehen, beschränkte sich jedoch zumeist auf die Verteidigung der Domäne, dynastische Konflikte oder Stellvertreter-Arrangements wie die Regentschaft.42 Bei einem vergleichsweise fernen militärischen Ziel wie der Rückeroberung des Heiligen Landes scheint die Führungsposition dagegen vorwiegend von männlichen Adeligen beansprucht worden zu sein. Für die Kreuzzugsplanungen lässt sich also festhalten, dass die Auswahl der Ratgeber fraglos auf deren Expertise ausgerichtet war und der Kreis der beteiligten politischen Entscheidungsträger weitgehend auf diejenigen Akteure beschränkt war, die beim Kreuzzug eine Führungsrolle übernehmen sollten. Dennoch gab es zu keinem Zeitpunkt an einem der involvierten Herrscherhöfe ein
Es ist durchaus zu vermuten, dass dies in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch nicht der Fall war. Das sicherlich prominenteste Beispiel dafür wäre Blanka von Kastilien, die dem Kreuzzug ihres Sohnes Ludwig IX. zwar nicht positiv gegenüberstand, aber vermutlich maßgeblich an den administrativen Innovationen beteiligt war, welche die Finanzierung des Unternehmens ermöglichten, vgl. Jordan, Louis IX (1979), 110–121. Außerhalb der Kreuzzugsplanungen lassen sich derweil auch im 14. Jahrhundert noch Expertenratgeberinnen an den Höfen fassen, vgl. Kopp, Königseinflüsterer (2021), 392–395. McNamara/Wemple, Power (1973), 136–138. Für eine kritische Einordnung siehe Fößel, Königin (2000), 385–387; Huneycutt, Power (2013), 155–167. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 358. Es ist allerdings unklar, ob Sanudo der Königin sein Vorhaben im Rahmen einer der spezialisierten Planungssitzungen vorstellte. Das Treffen mit Sancha könnte auch die an den meisten Höfen übliche Antrittsaudienz gewesen sein, bei der Sanudo dem Königspaar neben seinen Kredenzschreiben auch Teile seines Rückeroberungstraktates vorlegte. Zu Kredenzbriefen siehe Chaplais, Practice (2003), 63–67; Felten, Verhandlungen (2004), 411–474. Siehe dazu Wallmeyer, Kreuzzugsplan (2022), 447–462 sowie II.2.1.2. Wittmann, Queens (2020), 183–214.
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(geregeltes) Verfahren für die Auswahl von Beratern höfischer consilia und deliberationes. Auch die mediale Form der Konsultation mit Kreuzzugsberatern scheint von den individuellen Vorlieben der jeweiligen politischen Entscheidungsträger abhängig gewesen zu sein. Papst Clemens V. zog es beispielsweise vor, eine Serie persönlicher Dialoge mit je ein oder zwei Beratern zu führen, während sein Nachfolger Johannes XXII. lieber größere Planungssitzungen mit mehreren Ratgebern abhalten ließ.43 Die Kurie unter Johannes XXII. wiederum wies unter allen Höfen die höchste Tendenz zur Verschriftlichung der Ratschläge von Kreuzzugsberatern auf. Speziell aus den Planungen der Jahre 1318–1324 ist eine Serie an Dossiers erhalten, die auf mündlichen Rückeroberungsvorschlägen basierten, jedoch im Anschluss auf Bitten des Papstes niedergeschrieben wurden.44 Über das tatsächliche Ausmaß schriftlicher Ratschläge an den Höfen jenseits der quellenmäßig vergleichsweise gut belegten Kurie lässt sich indes keine sichere Aussage treffen: So kann etwa der Umstand, dass aus den Kreuzzugsplanungen am Hof Philipps IV. deutlich weniger interne Dossiers überliefert sind als aus den Planungen am Hof Philipps VI., auch schlichtweg ein Überlieferungszufall sein. Ähnlich wie die Rolle des höfischen Kreuzzugsexperten wiesen die consilia und deliberationes also nur ein geringes Maß an institutioneller Verstetigung auf und entwickelten jenseits der Zuschreibung von Expertise keine genuin eigenen Verfahren, um den Ablauf der Beratungen oder die genaue Zusammensetzung des Ratgeberkreises zu regulieren.45 Ein gemeinsames Charakteristikum wiesen alle vorgenannten Beratungs- und Planungssitzungen dennoch auf: Die politischen Entscheidungsträger beschränkten sich nie auf einen oder zwei Expertenratgeber, sondern versuchten stets, Expertenwissen aus möglichst vielen verschiedenen gesellschaftlichen (Teil-)Beständen für den Kreuzzug zu mobilisieren. Besonders aufschlussreich in dieser Hinsicht sind zwei Briefe der französischen Könige Karl IV. und Philipp VI. an Johannes XXII. aus den Jahren 1323 und 1334. Mit diesen Schreiben setzten die Könige den Papst davon in Kenntnis, welche Bemühungen sie bislang zur Organisation des Kreuzzuges unternommen hatten. Beide Könige befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen um päpstliche Subsidien für den Kreuzzug, weshalb die Verantwortlichen an der Kurie eine derartige Dokumentation als Beleg für die Ernsthaftigkeit der französischen Rückeroberungsbemühungen erwarteten.46 Aus diesem Grund erklärte Karl IV. im Februar 1323
Luttrell, Hospitallers (1998), 595–622; Menache, Clement V (1998), 101–119. RJF, Nr. 1685–1686; RJF, Nr. 1690–1692. Ein Prozess der zunehmenden „Verschriftlichung“ ist jedoch nicht erkennbar, denn in den Kreuzzugsplanungen der 1330ern entstanden wieder weniger Dossiers an der Kurie, vgl. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7–11; Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 220–222, Nr. 110. Popitz, Phänomene (1992), 236–254. Siehe auch II.1. Housley, Negotiations (1980), 171–173. Wie kritisch die Zeitgenossen die französischen Rückeroberungspläne betrachteten, zeigt ein Bericht der Gesandten König Jakobs II. von Aragon aus dem September 1316.
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gegenüber dem Papst, er habe aus verschiedenen Teilen der Welt, [von] Übersee ebenso wie [von] den Küsten und anderen [Orten], viele angesehene Menschen, Kirchliche und Laien, Barone, Ritter, Adelige und Händler sowie Mönche und Weitere versammelt, um sich mit ihnen über die Rückeroberung des Heiligen Landes zu beraten.47 Am Ende desselben Schreibens stellte er schließlich fest, die Beratungen mit dieser Vielzahl an Experten hätten ergeben, allein der Vorabkreuzzug koste voraussichtlich im ersten Jahr 300.000 Pariser Pfund, von denen die französische Krone allerdings nur 20.000 tragen könne. Die Differenz, so das Urteil der königlichen Experten, müsse folgerichtig aus Kirchenmitteln beglichen werden.48 Die Argumentation der französischen Krone illustriert, wie der Verweis auf die Expertise eines breiten, sozial heterogenen Kreises an Beratern eingesetzt werden konnte, um die Alternativlosigkeit der eigenen (fiskalischen) Forderungen herauszustellen. Sie lässt ferner darauf schließen, dass die Beratungen mit Kreuzzugsexperten prinzipiell darauf abzielten, den gesamten gesellschaftlichen Wissensvorrat auszuschöpfen. Dafür spricht auch die Reaktion des Papstes auf die französischen Ansprüche, denn anstatt unmittelbar mit einem Gegenangebot zu antworten, begann Johannes XXII. zunächst damit, die Kreuzzugsexperten an der Kurie zu befragen. Im April des Jahres 1323 versammelte er diese gemeinsam mit kurialen Würdenträgern in einer Serie von Planungssitzungen, aus denen unter anderem die schriftlichen consilia der Gesandten aus Armenien und Zypern sowie die Gutachten von 17 Kardinälen überliefert sind.49 Die Beteiligung von Ratgebern aller drei Subtypen scheint dabei die Mindestanforderung politischer Entscheidungsträger an die Zusammenstellung ihrer höfischen Beraterkollektive gewesen zu sein. Diese Maßgabe lässt sich exemplarisch an der Gesandtschaft König Eduards I. illustrieren, die im Oktober 1305 England verließ, um mit dem neugewählten Papst Clemens V. über die Durchführung eines Kreuzzugs unter Eduards Führung zu verhandeln. Neben hochgestellten Akteuren aus dem Weltadel wie Amanieu d’Albret bestand die Delegation aus Sachverständigen in Finanzfragen wie dem englischen Schatzmeister Walter Langton, Kreuzzugsveteranen wie Othon de Grandson sowie Orientkennern wie den Dominikanern Thomas von York und Johannes von Wrotham.50 Einmal an der Kurie angekommen, sollte dieses Beraterkollektiv nicht nur die Kommunikation mit den Experten der päpstlichen Seite herstellen, sondern dem Papst zugleich beweisen,
Die Kreuznahme der späteren Könige Philipp V. und Karl IV. sowie zahlreicher französischer Adeliger in Lyon kommentierten sie lakonisch mit: Set de istis non debet credi, nisi quod videtur. Vgl. AA 1, 223 f., Nr. 145. RJF, Nr. 1685: cum de diversis mundi partibus tam transmarinis quam maritimis, quam etiam aliis, multos homines circumspectos, ecclesiasticos et seculares, barones, milites, nobiles et mercatores ac religio[sos] et alios convocasset (...). RJF, Nr. 1685. RJF, Nr. 1690–1709. Die Antwort des Papstes erfolgte im Mai 1323, vgl. RJF, Nr. 1710–1711. Siehe auch Housley, Negotiations (1980), 173 f. TNA C 54/122/6d; TNA E 101/308/31.
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dass der König sich bemühte, im Rahmen seiner Kreuzzugsplanungen den gesamten gesellschaftlichen Wissensvorrat zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise war allerdings keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der neuen höfischen Expertenkultur, sondern entstammte vermutlich der konsensorientierten Herrschaft, die ebenfalls auf einen breiten Konsens unter allen Fürsten und Prälaten abzielte, von denen Herrscher sich beraten ließen.51 Der Anspruch konsensorientierter Beratungen, in wichtigen politischen Entscheidungen zunächst alle Magnaten des jeweiligen Reiches anzuhören, hatte sich im Rahmen der informationsorientierten Beratung also in den Anspruch verwandelt, zunächst alle Experten in der Sache zu befragen und auf diese Weise alle gesellschaftlichen Wissensbestände zu verwerten. Auf diese Weise entstand in den höfischen Kreuzzugsplanungen eine Form von Experten-Laien-Kontakt, welche in der Wissensgeschichte zumeist als Austauschzone beschrieben wird. Ursprünglich wurde das Modell der „Austauschzone“ bzw. „Trading Zone“ von Galison entwickelt, um zu erklären, wie Experimentalphysiker und theoretische Physiker trotz inkommensurabler Paradigmen in der Mikrophysik des 20. Jahrhunderts erfolgreich zusammenarbeiten konnten. In seiner Untersuchung kam er zu dem Ergebnis, dass beide Gruppen durch regelmäßigen Kontakt sowie gemeinsame Arbeit im Labor eine Kreolsprache entwickelt hatten, die Teile beider Wissenskulturen inkorporierte und es den Wissenschaftlern ermöglichte, auf lokaler Ebene zu kooperieren, obwohl sie auf globaler Ebene inkommensurable Paradigmen vertraten.52 Im Anschluss an diese Überlegungen lassen sich die höfischen Beraterkollektive der Kreuzzugsplanungen ebenfalls als Austauschzonen beschreiben, die ursprünglich aus der konsensorientierten Herrschaft hervorgingen und folglich deren Bezeichnung als consilia, deliberationes, etc. übernahmen, aber stattdessen Expertenratgeber aus unterschiedlichen Wissenskulturen unter dem Projekt der Rückeroberung des Heiligen Landes versammelten. Das Spezialwissen der Experten verschiedener Subtypen wurde innerhalb dieser Austauschzonen allerdings nicht vollständig miteinander verschränkt, sondern vielmehr nebeneinandergestellt. Die innerhalb der Austauschzone etablierte Interaktions-
Althoff, Colloquium (1990), 145–167; Ders., Kontrolle (2015), 11–23; Brunner, Land (1965), 269–272; Keller, Grundlagen (1985), 19–22; Patzold, Konsens (2007), 75–103; Postel, Herrschaft (2004), 1–25; Schneidmüller, Herrschaft (2000), 53–87; Zanke, Johannes XXII. (2013), 62 f. Auch Ramon Llull stellte in der Arbor scientiae explizit heraus, dass fürstliche Ratgebergremien sozial möglichst breit aufgestellt sein sollten, vgl. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 1, 340. Galison, Image (1997), 781–844. Die systemtheoretisch fundierte Beratungsforschung ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen und hat „konstatiert, dass es wegen der Inkompatibilität der Bezugsrahmen der Kunden- und der Beratungsorganisation zur Ausbildung eines neuen Systems, des sogenannten ‚Kontaktsystems des Beratungsverhältnisses‘, kommt. Das Kontaktsystem weist wiederum einen eigenen Bezugsrahmen auf und folgt somit einer eigenen Logik, die von den Logiken der Klienten- und der Beratungsorganisation abweicht.“ Vgl. Sutter, Probleme (2013), 88. Für eine Anwendung des Modells der Austauschzone auf die vormoderne Geschichte siehe insbes. Long, Trading Zones (2015), 840–847.
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sprache diente dementsprechend weniger einer Verständigung der Berater untereinander als der Kommunikation mit politischen Entscheidungsträgern. Wie García Espada herausgestellt hat, basierte diese Vorgehensweise auf einer „fragmentary epistemology that initially was intended to allow parties to synchronize activities without truly achieving complete agreement.“53 Dieser epistemische Partikularismus wurde möglich durch die bereits beschriebene Abkehr von einem theologischen Relevanzsystem, in dem alle Akteure und Ereignisse durch das göttliche Wirken miteinander verbunden waren, hin zu einem militärisch-kalkulierenden Relevanzsystem, das die Rückeroberung des Heiligen Landes nicht länger als Ganzes, sondern als Abfolge von Teilhandlungen auffasste.54 Im Rahmen der neuformierten höfischen Expertenkultur konnten Berater sich folgerichtig auf die Lösung einzelner Teilprobleme fokussieren, ohne einen bis ins Detail vollständigen Rückeroberungsplan anbieten zu müssen. Dieser epistemische Partikularismus spiegelte die „wissensmäßige Arbeitsteiligkeit“, die sich während des 12. Jahrhunderts im urbanen Raum etabliert hatte55 und von dort an die Schulen bzw. Universitäten getragen wurde, wo Gelehrte fortan in langjährigen Studien einübten, „Probleme in leichter überschaubaren Teilschritten anzugehen, das Für und Wider sorgfältig einander gegenüber zu stellen, um erst dann ein Fazit zu ziehen.“56 Beraterkollektive waren demnach erforderlich, um die in Teilprobleme fragmentierten Rückeroberungsprojekte zusammenzuführen, die Berater unterschiedlicher Subtypen unter Verwendung unterschiedlicher Wissensbestände entworfen hatten. Wie sich diese spezielle Form von Austauschzonen in der Planung von Kreuzzügen niederschlug, illustriert das Schreiben Philipps VI. an Johannes XXII. aus dem Jahr 1336. Wie sein Vorgänger Karl IV. legte der König in diesem Brief Rechenschaft über die (Teil-)Schritte ab, die er zur Vorbereitung des Kreuzzuges unternommen hatte, und ging dabei auf die Sachgebiete der einzelnen Ratgebertypen ein: Zunächst ließ er den Papst wissen, welche bündnispolitischen Maßnahmen er zur Friedenssicherung mit den anderen lateineuropäischen Herrschern durchgeführt hatte, und nutzte die Gelegenheit, um seinen Konkurrenten Eduard III. als maßgebliches Hindernis für einen französischen Kreuzzug zu porträtieren.57 Anschließend erläuterte er im Duktus militärischer Ratgeber die Zusammensetzung von Flotte sowie Heer und behandelte auch die Versorgung der Kreuzfahrer. So habe er bereits zwölf gute Galeeren beschafft, die gegenwärtig bei Beaucaire auf der Rhone stationiert seien, und überdies 600 große Pferde für den Kreuzzug erworben, die sich in Chalon-sur-Saône befänden. Sein Kämmerer Nicolas Béhuchet habe zudem begonnen, vins, blefs, chars et
García Espada, Enlargement (2014), 124. Siehe I.1.2. Rexroth, Expertenweisheit (2008), 25. Miethke, Politikberatung (2004), 350. Diligences. Ed. Boutaric, 435 f. Über den englischen König heißt es ebenda, 435: Item pour demourer en seurté du roy d’Angleterre il li a fait pluseurs offres, des quelles il na voulu nulles prendre, combien qu’ils feussent raisonnables (...).
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vitaille pour chevaux zur Versorgung des Heeres anzukaufen, wovon Teile aus Kalabrien von König Robert I. beschafft werden sollten. Am Ende seines Schreibens bewegte Philipp VI. sich schließlich in die Domäne der Orientexperten: Um Verbündete für die Kreuzfahrer im Orient zu finden, so der französische König, habe er sowohl eine Gesandtschaft zum persischen Ilkhan als auch zu den Königen von Georgien und Armenien gesandt. Zudem seien Jean de Cepoy und Hugues Quiéret (†1340) in seinem Auftrag mit einer kleinen Flotte aufgebrochen, um Landeplätze für die Kreuzfahrer zu erkunden und die Nahrungsmittelversorgung des Heeres im Orient sicherzustellen.58 Einzig die von französischer Seite unternommenen Maßnahmen zur Finanzierung des Kreuzzuges fehlten im schriftlichen Rapport des Königs. Diese Lücke war allerdings strategisch wohlüberlegt und keineswegs auf ein unvollständiges Ratgeberkollektiv zurückzuführen, denn das Schriftstück wurde von einer Gesandtschaft an die Kurie übermittelt, die dort päpstliche Subsidien zur Finanzierung der französischen Kreuzzugspläne einwerben sollte.59 Die Lektüre des königlichen Berichts sollte demnach an der Kurie den Eindruck erwecken, abgesehen von der Finanzierung des Kreuzzuges seien von französischer Seite alle notwendigen Maßnahmen bereits getroffen worden. Wie er in diesen organisatorischen Fragen beraten wurde und wen er dabei konsultiert hatte, berichtete Philipp VI. im Gegensatz zu seinem Vorgänger Karl IV. allerdings nicht. Die Darstellung der Rückeroberungspläne als Abfolge von Partikularproblemen lässt sich überdies auch in den Memoranden beobachten, die von mehreren Ratgebern unterschiedlicher Subtypen zusammengestellt wurden und somit das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit in Austauschzonen bildeten. Zu diesen Komposita zählt etwa die Informatio et instructio, welche die Johanniter unter ihrem Ordensmeister Foulques de Villaret 1306 auf Bitten von Papst Clemens V. verfasst hatten. Das Werk selbst besteht aus zwei verschiedenen Teilen, die wahrscheinlich auf zwei unterschiedliche Beratertypen zurückgehen, sowie einer gemeinsamen Einleitung, die nach der obligatorischen Intitulatio und Inscriptio vornehmlich an die Taten der ersten Kreuzfahrer erinnert. Der erste Teil des Werkes behandelt den Aufbau des Kreuzfahrerheeres, Logistik sowie militärstrategische Fragen und lässt sich aufgrund dessen leicht auf die Vorschläge militärischer Ratgeber zurückführen. Im zweiten Teil thematisieren die Autoren dagegen ausschließlich verschiedene Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges. Die Zweiteilung des Werkes wird besonders deutlich, wenn man die Ergebnisse der Inhaltsanalyse in eine grafische Darstellung überträgt, die zeigt, welche Teile des Textes mit welcher Kategorie codiert worden sind (siehe Abb. 12). Neben der
Diligences. Ed. Boutaric, 435 f. In dem königlichen Schreiben ist mit Blick auf die Erkundungsflotte recht allgemein von preparacion du saint voyaige die Rede, vgl. ebenda, 436. Deutlich differenzierter wurde die Funktion der Flotte in der Fortsetzung der Chronik des Guillaume de Nangis erläutert. Dort heißt es, Jean de Cepoy sei ad explorandos portus et passus, ad faciendas aliquas munitiones et praeparationes victualium pro passagio Terrae Sanctae ins östliche Mittelmeer aufgebrochen, vgl. Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 145. Tyerman, Philip VI (1985), 28–30.
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inhaltsanalytischen Evidenz weist auch die Textgestaltung auf das Zusammenwirken von zwei verschiedenen Ratgebergruppen hin, weil die Darstellung mit Beginn des zweiten Teils von aufeinander aufbauenden Argumenten zu einer Art Liste übergeht.60 Den Kompilatoren der Informatio war zudem bewusst, dass ihrem Werk der Ratschlag von Orientexperten fehlte, denn der erste (militärische) Teil endet mit der Feststellung, es sei zum gegenwärtigen Stand der Planungen noch zu früh, über das genaue Ziel der Kreuzfahrer nachzudenken, weil der Sultan sich sonst auf den Angriff einstellen könne. Zugleich versprachen sie, dem Papst die erforderlichen Angaben über die Stärke der feindlichen Armee und mögliche Ziele für die Kreuzfahrer zu geben, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen sei.61
Abb. 12: Position der Kategorien in der Informatio des Johanniterordens (1307).
Der zweite Teil beginnt mit: Ad congregandum magnum thesaurum pro passagio dominus Papa ordinare poterit ut hic inferius continetur. Vgl. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608. Im Anschluss folgt eine listenartige Aufstellung von 15 Möglichkeiten zur Finanzierung des Kreuzzuges, die mit primo bzw. item eingeleitet werden, vgl. ebenda, 608–610. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608: Et debet credi quod Sarraceni qui sunt gentes prudentes, cum audient Christianos debere transire supra eos, de tuicione sua quantum poterunt cogitabunt, et facient magnam remutationem in suis gentibus et locis que ex nunc nullatenus possunt sciri: et ideo videtur nobis quod ex nunc nequiret dari bonum avisamentum aut sanum concilium super isto. Preterea dicimus plus quod, esto quod sciri posset ex nunc conditio cui tunc suberunt Paganismus et passagium, omnino [non] esset utilitas illud conveniendi ex nunc, quia hoc celari Sarracenis aliquatenus non valeret, et melius nequirent informari ad deffendendum se et ad parandum aliquas periculosas insidias Christianis: et ideo ut tardius poterit fieri agitari debent talia et tractari.
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Die angekündigte Orient-Expertise lieferten die Johanniter dem Papst dann tatsächlich etwa ein Jahr später in Form der Devise des chemins de Babiloine nach.62 Ähnlich wie die Beratungen am Hof Karls IV. in den Jahren 1322/23 waren die Memoranden der Johanniter also auf ein Ratgeberkollektiv ausgerichtet, das sich aus Beratern aller drei Subtypen zusammensetzte. Die Zusammenkunft dieser Berater unterschiedlicher Subtypen musste jedoch keineswegs immer synchron stattfinden, da Kreuzzugsplaner wie die Johanniter den Ratschlag von Orientexperten offenkundig erst in einer zeitlich späteren Phase der Organisation für relevant erachteten als die Vorschläge von Beratern der anderen beiden Subtypen. Hintergrund dessen waren vermutlich handlungspraktische Notwendigkeiten, denn auch Philipp VI. hatte in dem zuvor erwähnten Schreiben an Johannes XXII. vorerst keine Angaben zu möglichen Zielen für die Kreuzfahrer gemacht, sondern stattdessen herausgestellt, er habe Jean de Cepoy und Hugues Quiéret ausgesandt, um Landeplätze für das Kreuzfahrerheer auszukundschaften.63 Eine Synthese der Vorschläge von Ratgebern unterschiedlicher Subtypen fand derweil in beiden Fällen nicht statt. Die Informatio der Johanniter weist weder zu Beginn noch an ihrem Schluss eine Zusammenschau des militärischen Teils mit dem finanziellen Teil auf, stattdessen endet das Memorandum unvermittelt mit dem Vorschlag, die Juden zur Finanzierung des Kreuzzuges zu enteignen.64 Collins hat für derartige Fälle von Austauschzonen gesprochen, die fraktioniert sind, weil Akteure nicht über eine neuentwickelte Wissenskultur, etwa in Form einer Kreolsprache, kommunizieren, sondern vermittels gemeinsamer Objekte der Grenzziehung oder der partiellen Aneignung der Expertise des anderen miteinander interagieren.65 Im Fall der Ratgeberkollektive waren es demnach vor allem geteilte Objekte der Grenzziehung wie etwa die kollektive Bezugnahme auf die recuperatio Terrae Sanctae, welche die gemeinsame Arbeit unterschiedlicher Ratgeber an einem mündlich oder schriftlich artikulierten Kreuzzugsplan ermöglichten. Während in den Beraterkollektiven eine Synthese von Vorschlägen der Ratgeber unterschiedlicher Subtypen ausblieb, zeigt mit der Memoria Terre Sancte ein weiteres Kompositum unter den Kreuzzugsmemoranden, dass zwischen den Vorschlägen verschiedener Ratgeber eines Subtyps durchaus eine solche Verschränkung stattfand. Die im Jahr 1307 oder 1308 durch unbekannte Kreuzzugsberater im Auftrag von Clemens V. an der Kurie verfasste Memoria66 zerfällt ebenso wie die Informatio der Johanniter in zwei verschie Devise des chemins. Ed. Paviot, 199–220 sowie III.1.3.2. Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 145; Diligences. Ed. Boutaric, 436. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 610: Et si aliqui dicere volebant quod reges et domini in quorum terris et ditione [die Juden, Anm. d. V.] habitant, forsan non tolerarent, procurari poterit quod de eorum assensu fiat, cum decentem non haberent rationem impediendi ordinacionem hujusmodi et turbandi. Collins/Evans/Gorman, Trading Zones (2007), 660–662. Für ein Anwendungsbeispiel siehe Star/Griesemer, Ecology (1989), 408–413. In der Memoria ist explizit von huius scripti compositores die Rede, so dass von mehreren Autoren ausgegangen werden muss, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 436.
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dene Teile: Nach einer Einleitung, in der die Verfasser den Verlust des Heiligen Landes beklagen, beginnt der erste Teil des Werkes mit einer Darstellung von Kreuzfahrerprivilegien sowie Vorschlägen zur Finanzierung des Kreuzzuges. Der zweite Teil behandelt dagegen die Länder des ägyptischen Sultans und ihre Bewohner ebenso wie mögliche Kreuzzugsrouten (siehe Abb. 13) und wurde wahrscheinlich von Orientexperten zusammengestellt. 67 Im Gegensatz zur Informatio der Johanniter lassen sich für den zweiten Teil der Memoria allerdings Quellen ausmachen, denn er basiert sowohl auf der um 1290 entstandenen Via ad Terram Sanctam (bzw. einem analogen Kreuzfahreritinerar) als auch auf den Vorschlägen unbekannter Orientexperten, die an der Kompilation des Memorandums beteiligt waren.68 Die Vorschläge aus der französischsprachigen Via wurden von den Verfassern der Memoria allerdings nicht unverändert in den geographisch-ethnographischen Teil ihres Werkes eingefügt, sondern ins Lateinische übersetzt und an diversen Stellen überarbeitet. Einige dieser Änderungen dienten der Präzisierung der geschilderten Inhalte, so fügten die Autoren der Memoria etwa der Beschreibung des Weges von dem Gebirgspass la Portelle (bei İskenderun) zur Stadt Haman (Hama) die Burg Haaram (Harim) als zusätzliche Station hinzu.69 Andere Modifikationen, wie etwa die Streichung aller Passagen über den Templerorden, waren wiederum der veränderten geopolitischen Lage geschuldet.70 Außerdem teilten die Verfasser der Memoria offenkundig die positive Einschätzung der Mongolen nicht, die in der Via deutlich zum Ausdruck gekommen war. Deshalb entfernten sie einen längeren Abschnitt über das gemeinsame militärische Vorgehen mit den Ilkhanen und fügten an einer anderen Stelle einen Hinweis auf superbia der Mongolen ein.71 In der Summe waren diese Ergänzungen und Streichungen also nicht etwa Kopierfehler, die bei der Übersetzung und anschließenden Niederschrift des Originals entstanden, sondern zeugen von dem Versuch, einen älteren Vorschlag anderer Orientexperten zu präzisieren und
Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 443–457. Auf eine Zusammenarbeit von Ratgebern verschiedener Subtypen weist auch die teils mangelnde Kohärenz der Vorschläge innerhalb des Werkes hin. So behaupteten die Autoren der Memoria einerseits unter Verweis auf Gottfried von Boullion, die Kreuzfahrer sollten die Kosten der Expedition selbst tragen, und unterbreiteten andererseits eine Vielzahl möglicher Maßnahmen zur Finanzierung des Kreuzzuges durch die Kirche, vgl. ebenda, 436–440. Kohler, Projets (1904), 407–409; Leopold, Holy Land (2000), 17–19; Paviot, Introduction (2008), 19–22. Siehe auch II.4.1.2. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 430: Issir de la Portelle, et aler vers la terre d’Antioche par le Pont dou Fer, et chevaucher par la Marre et par Sermin et par Mequaret Mesrin, et par tote celle terre jusques a Haman. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 453: Caminum seu equilare ipsorum consulimus esse per Portellam et ire versus Antiochiam per pontem dictum de Ferro, et equilare per Haaram et per la Maire, per Serminum, per Magaretum Messim, et per totam terram illam usque ad locum dictum Hamen. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 430: Et les chevaus qu’il auroient mené aveaus d’outre mer seroient en erbes et mis en bon point et seroient acreus dou roi d’Ermenie et de sa gent, dou roi de Chipre et de sa gent, dou covent dou Temple et de celui de l’Hospital (...). Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 453: Eque ex mora, sorgione et herbagio habite essent in bono puncto, et passagium esset munitum et auctum de rege Cypri et Armenia et gentibus eorumdem ac eciam in Hospitalariorum conventibus et gente sua (...). Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 446 f.; 454; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 431.
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ihn den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen anzupassen. Innerhalb höfischer Ratgeberkollektive wurde demnach unter den Beratern des gleichen Subtyps kreuzzugsbezogenes Spezialwissen nicht nur gesammelt und nebeneinandergestellt, sondern bisweilen auch redigiert und miteinander verschränkt.
Abb. 13: Position der Kategorien in der Memoria Terre Sancte (1307).
Einen weiteren Anhaltspunkt für die interne Funktionsweise höfischer Beraterkollektive bildet die Kompilation der Rückeroberungsmemoranden und -traktate in Sammelhandschriften, welcher seitens der Forschung bisher nur wenig Beachtung geschenkt wurde.72 Die Mehrzahl der erhaltenen consilia, informationes und Traktate sind in Kodizes überliefert, die im Kontext höfischer Kreuzzugsplanungen angefertigt wurden und üblicherweise auch andere Werke mit kreuzzugsrelevantem Wissen enthielten, zu denen etwa der Reisebericht Marco Polos und das Militärhandbuch des Vegetius zählten.73 Aus diesen teils nur fragmentarisch erhaltenen Sammelhandschriften stechen
García Espada, Marco Polo (2009a), 116–120; Ders., Marco Polo (2009b), 209–220; Rouse/Rouse, Context (2006), 107–123. Drei Beispiele für Sammelhandschriften, die im Rahmen der höfischen Kreuzzugsplanungen zusammengestellt wurden, sind: (1) BNF Ms. Lat. 5515: Die Sammelhandschrift aus dem 14. Jahrhundert enthält den Flos historiarum des Hethum von Korykos (fol. 1r–53v), die Memoria Terre Sancte (fol. 53v–62v), einen undatierten Brief an einen Blutsverwandten des französischen Königs (vermutlich Karl von Valois) über den schlechten Zustand der Welt sowie ein passagium gegen die Griechen (fol. 63r–64v) und die von einem
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zwei geschlossene Kodizes hervor, die im Rahmen der Kreuzzugsplanungen des frühen 14. Jahrhunderts kompiliert wurden und seitdem unverändert geblieben sind: Die Ms. Lat. 7470 der französischen Nationalbibliothek sowie die Ms. 19 D.I. der königlichen Sammlung in der britischen Nationalbibliothek. Der durchgängig von einer Hand geschriebene Kodex BNF Lat. 7470 entstand zu Beginn der 1320er Jahre in einer Pariser Schreibwerkstatt und enthält sieben teils lateinische, teils französische Werke sowie eine Einleitung.74 Das erste Werk bildet die Epitoma rei militaris des Vegetius und umfasst alle vier ursprünglichen Bücher des spätantiken Militärhandbuches.75 Bei dem zweiten Text handelt es sich um Auszüge aus dem fälschlicherweise Aristoteles zugeschriebenen Secretum secretorum, die von dem Kompilator der Sammelhandschrift als Traktat De disposicione exercitus et de
unbekannten Dominikaner für Karl von Valois verfasste Descriptio Europae Orientalis (fol. 65r–76r). In anderer Hand aber auf derselben Bindung folgen darauf eine kurze Darstellung der Gründung des Hospitals des Heiligen Johannes zu Jerusalem (fol. 76v–79r) sowie ein Auszug aus einer französischen Übersetzung der Chronik Wilhelms von Tyrus (fol. 79r–80r). Angesichts der enthaltenen Texte ist eine Entstehung des Kodex im Rahmen der Kreuzzugsbemühungen Karls von Valois zu Beginn des 14. Jahrhunderts höchst wahrscheinlich. (2) BNF Ms. Lat. 7242: Die Sammelhandschrift entstand während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Oberitalien und enthält die Stratagemata des antiken Militärtheoretikers Frontinus (fol. 1r–39r), die Epitoma rei militaris des Vegetius (fol. 41r–82v), den Liber recuperationis des Fidenzio von Padua (fol. 85r–126r) sowie ein Fragment des Traktates De re bellica spirituali des Augustiners Bartholomäus von Urbino (fol. 127r–162r). Der durchgängig von einer Hand verfasste Kodex mag ursprünglich umfangreicher gewesen sein, denn das fragmentarische letzte Werk endet im Gegensatz zu den vorangegangenen drei Traktaten nicht mit einem explicit liber. Der Kreuzzugsbezug dieser Sammlung wird auch durch die Buchillustrationen deutlich, so zeigt die Initialminiatur zu Beginn von Vegetius’ Werk ein von einem Kreuzträger angeführtes Heer (fol. 41r), das dritte Buch der Epitoma beginnt mit der Miniatur eines Ritters mit Kreuzzeichen (fol. 48v) und zu Beginn des vierten Buches befindet sich eine Miniatur von Soldaten auf einem Schiff, das eine Kreuzfahne trägt (fol. 79r). (3) BNF Ms. Franc. 9087: Die auf 1457 datierte Sammelhandschrift beinhaltet eine französische Übersetzung des Directorium ad faciendum passagium transmarinum (fol. 1r–82v), eine französische Übersetzung der Descriptio Terrae Sanctae Buchards vom Berg Zion (fol. 86r–150v) sowie den im Auftrag Herzog Philipps III. von Burgund verfassten Reisebericht des Bertrandon de la Broquière (fol. 153r–252v). Der Kodex ist an Herzog Philipp III. persönlich adressiert und entstand vor dem Hintergrund der burgundischen Kreuzzugsplanungen, vgl. Müller, Kreuzzugspläne (1993), 26–28. Weitere Beispiele für solche zwecks Kreuzzugsplanung kompilierten Sammlungen sind: ANF J 456/36; BL Cotton Ms. Otho D.V.; Poitiers, Médiathèque François-Mitterrand, Ms. 263 (ehem. 246). BNF Ms. Lat. 7470 lässt sich anhand der Darstellungen des französischen Königs in den Buchillustrationen datieren. Dieser trägt auf den Initialminiaturen fol. 117r u. fol. 123v sowohl das französische Wappen als auch dasjenige von Navarra. Folgerichtig muss die Sammelhandschrift in den Regierungszeiten von Ludwig X. (1314–1316), Philipp V. (1316–1322) oder Karl IV. (1322–1328) entstanden sein, die beide Kronen auf sich vereinten. Als Schreiber der Sammelhandschrift gibt sich ein Petrus de Beverlaco zu erkennen (fol. 115v), der allerdings nicht weiter fassbar ist. Die Buchmalereien gehen auf den unbekannten Pariser Illustrator zurück, der in der Kunstgeschichte als Meister des Thomas von Wymondsworld bezeichnet wird, vgl. Rouse/Rouse, Thomas of Wymondsworld (1996), 63 f. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 15r–108r. Das ursprünglich zusammenhängende vierte Buch der Epitoma ist in dieser Redaktion allerdings aufgeteilt in zwei Bücher; eines zur Belagerung (fol. 88v–100v) und eines zur Seekriegführung (fol. 101r–108r), vgl. dazu Reeve, Transmission (2000), 294–297.
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electione capitaneorum et bellatorum betitelt wurden.76 Anschließend folgen die an den französischen König adressierten Rückeroberungsmemoranden der Bischöfe Guillaume Durand und Gonzalo de Hinojosa, die beide als Informationes betitelt sind.77 Das nächste Werk bildet das Traktat De statu sarracenorum des Dominikaners Wilhelm von Tripolis, das 1274 im Rahmen der Kreuzzugsplanungen auf dem zweiten Konzil von Lyon entstanden ist.78 Am Ende des Kodex stehen schließlich die beiden 1308 in französischer Sprache für Clemens V. verfassten Rückeroberungsmemoranden der Johanniter, die Devise des chemins de Babiloine sowie der Traitie coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens.79 Der Kodex BNF Lat. 7470 versammelte demnach die Vorschläge von Ratgebern aller drei Subtypen und ergänzte diese um zwei militärtheoretische Werke, auf die Kreuzzugsberater auch jenseits dieser Sammlung gern Bezug nahmen.80 Am Zweck dieser Zusammenstellung ließ der Kompilator der Sammelhandschrift keine Zweifel, in der Einleitung heißt es explizit: Zur Ehre Gottes, der seligen Maria und aller Heiligen sowie der Seelen [derer], die [das Meer] sicher überqueren wollen, um sie mit Anweisungen zu versorgen, [damit] der Kreuzzug, so Gott will, in naher [Zukunft] erfolgreich beschlossen wird: In dem vorliegenden Band sind zehn Bücher niedergelegt, damit wir durch gründliche Vorbereitung und das Umsetzen der [darin enthaltenen] Vorschläge die zehnte Ordnung der Engel wiederherstellen [mögen].81
Als Auftraggeber dieser Kompilation von Kreuzzugsmemoranden und militärtheoretischen Schriften hat Tyerman Bischof Guillaume Durand von Mende vermutet, der nicht nur eine führende Position innerhalb der Kreuzzugsplanungen am Hof Philipps V. und Karls IV. innehatte, sondern auch selbst ein Memorandum zu der Sammlung beisteu-
BNF Ms. Lat. 7470, fol. 8v; 108v–115v. Zur höfischen Rezeption der Secreta siehe Campopiano, Knowledge (2019), 39–56; Williams, Advice (2004), 139–180. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 117r–123v; 123v–129v. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 131r–162v. Siehe dazu I.1.1. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 163r–172r; 172r–178v. So paraphrasierte Roger von Stanegrave in seinem Rückeroberungstraktat das Kapitel de ordine et multitudine bellatorum aus dem Secretum secretorum und Fidenzio von Padua übernahm die Vorschläge des Militärtheoretikers Vegetius de castorum fixione in seinen Liber recuperationis, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 32; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 370. Siehe dazu III.1.2.2. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 1r: Ad honorem Dei beate Marie et omnium sanctorum et animarum transfretare volencium salutem eorum que instructionem habendam cura factum passagium annuente domino de proximo feliciter faciendi: In hoc presenti volu[m]ine ponuntur decem libri ⋅ ut per debita[m] meditacionem et operacionem contentorum in eis: reparemus decimum ordinem angelorum (...). Der Verfasser dieser Zeilen bezieht sich auf eine randständige Position in der mittelalterlichen Theologie, deren Vertreter davon ausgingen, es habe ursprünglich nicht nur neun, sondern zehn Chöre der Engel gegeben, aber der letzte Chor sei gefallen, weil seine Mitglieder sich dem Teufel zugewandt hätten. Theologen wie Hugo von St. Viktor (✶1097 †1141) vertraten auf dieser Grundlage die Ansicht, die einmal erlösten Menschen könnten als zehnter Ordo den Platz der gefallenen Engel einnehmen. Der Kompilator von BNF Lat. 7470 betrachtete den Kreuzzug als Weg zur Erlösung also offenbar als Möglichkeit, die himmlische Ordnung zu reparieren. Siehe dazu insbes. Goetz, Gott I, Bd. 3 (2016), 97 f.
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erte.82 Der Kodex selbst weist zwar keine Widmung oder Besitzvermerke auf, doch mehrere Indizien sprechen für den Bischof von Mende. Die in BNF Lat. 7470 mit gleich zwei Werken vertretenen Johanniter um Foulques de Villaret nahmen beispielsweise an den von Durand geleiteten Planungssitzungen am französischen Hof teil.83 Den Argumenten Tyermans lässt sich hinzufügen, dass Gonzalo de Hinojosa für Durand ebenfalls kein Fremder war, denn die beiden Bischöfe kannten sich aus Verhandlungen über die Eheschließung des kastilischen Königs mit einer französischen Prinzessin persönlich.84 Vor dem Hintergrund eben jener Verhandlungen war auch das Rückeroberungsmemorandum Gonzalos entstanden, das in BNF Lat. 7470 enthalten ist.85 Zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Epitoma des Vegetius in der Sammlung enthalten ist und sogar am Beginn des Kodex steht, für eine Beteiligung des Bischofs von Mende. Durand hatte nämlich in seiner Informatio wiederholt die militärstrategische Relevanz des antiken Militärtheoretikers betont, weshalb es insgesamt sehr wahrscheinlich ist, dass er der Auftraggeber der Kompilation war.86 Der Kodex BNF Lat. 7470 war demnach der Versuch eines führenden Kreuzzugsplaners, die Expertise von Ratgebern verschiedener Subtypen zu einer gemeinsamen instructio zu bündeln. Wie diese Kompilation in den Planungen genutzt werden sollte, lässt sich anhand der Einleitung erkennen, die als einziger der enthaltenen Texte speziell für diesen Kodex abgefasst wurde. Auf das Incipit folgt eine Liste aller Werke bzw. libri in der Sammelhandschrift, wobei handschriftliche Marginalien wie et est folio CVIII, etc. darauf verweisen, auf welchem Blatt im Kodex sich das jeweilige Werk befindet.87 Im Anschluss an dieses Register steht eine weitere Liste, in der auf die gleiche Weise alle Kapitelüberschriften bzw. rubricae der einzelnen Werke und ihre Position in der Sammelhandschrift aufgeführt sind.88 Die Foliierung ist ebenso wie die Ordnungsnummer der Bücher auch auf den einzelnen Blättern vermerkt, sodass sich die jeweiligen Teilkapitel schnell nachschlagen ließen. Der Kodex war demnach nicht auf lineares, sondern auf selektives Lesen ausgerichtet und sollte Kreuzzugsplanern einen passgenauen Zugriff auf die jeweils situativ erforderlichen Wissenselemente erlauben. Diese Form einer systematischen Gliederung, die dem Rezipienten „einen analytisch gesteuerten Zugriff auf das vorhandene Material“89 ermöglichen sollte, entstammte der zeitgenössischen Jurispru-
Tyerman, Capetians (1986), 170. Tyerman, Philip V (1984), 28 f. Pièces justificatives. Ed. Daumet, 231 f., Nr. 28. Wallmeyer, Kreuzzugsplan (2022), 459–462. Siehe dazu auch II.2.1.2. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 108 f. So auch Rouse/Rouse, Context (2006), 118 f. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 1r–2r. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 3r–12v. Meyer, Ordnung (2006), 407. Auch außerhalb der Kreuzzugsplanungen waren Kompilationen einschlägiger Memoranden üblich, um politische Entscheidungsträger über einen bestimmten Gegenstand zu informieren; so ließ sich Johannes XXII. eine Auswahl von Texten über die Zisterzienser zusammenstellen, um in Fragen der Ordensreform entscheiden zu können, vgl. Brunner, Johannes XXII. (2014), 133. Im frühen 14. Jahrhundert war diese Vorgehensweise noch vergleichsweise neu. Im Früh- und
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denz und dürfte somit dem Auftraggeber der Sammlung bekannt gewesen sein, denn Guillaume Durand hatte selbst das Kirchenrecht studiert.90 Durch ihren systematischen Aufbau erlaubte BNF Lat. 7470 also eine selektive Rezeption von Expertenratschlägen ohne eine Synthese der unterschiedlichen Vorschläge erforderlich zu machen. Die Sammelhandschrift spiegelt demnach die Organisationsform höfischer Beraterkollektive im Medium der Schrift wider, wobei der Einleitung eine Schlüsselfunktion für die Rezeption der heterogenen Rückeroberungsprojekte zukommt, die in dem Kodex versammelt sind. Grundlage für die Zusammenarbeit von Kreuzzugsratgebern verschiedener Subtypen aus unterschiedlichen Wissenskulturen in dieser fraktionierten Austauschzone war also ein epistemischer Partikularismus in Kombination mit der gemeinsamen Rückbindung aller Ratgeber an das passagium. Diese Organisationsform höfischer Beraterkollektive war allerdings nicht nur auf das Medium der Schrift beschränkt, sondern regelte auch die Zusammenarbeit in den mündlichen Planungssitzungen. Der Zugriff auf das Expertenwissen aus BNF Lat. 7470 wird nämlich keineswegs allein in stiller Eigenlektüre erfolgt sein, da am französischen Hof lautes Vorlesen in anderen Kontexten durchaus üblich war und deshalb möglicherweise auch in den Kreuzzugsplanungen praktiziert wurde.91 Hierfür spricht auch das vergleichsweise kleine Format des Kodex, der problemlos in einer Hand zu halten war und dementsprechend bei den Planungssitzungen mitgeführt werden konnte.92 Der Kodex wirft damit auch ein Licht auf das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in den Beraterkollektiven. Der Kreuzzug wurde zwar vorwiegend mündlich geplant, doch war das dafür genutzte Spezialwissen in seiner Gänze vielfach zu komplex für die rein mündliche Kommunikation, weshalb externe Wissensspeicher in Schriftform erforderlich waren, die bei Bedarf zielge-
Hochmittelalter hatten die Textgliederungselemente in Handschriften üblicherweise nicht dazu gedient, selektives Lesen zu unterstützen, sondern vor allem dazu, den Lesern das Memorieren der Inhalte zu erleichtern, vgl. Jakobi-Mirwald, Buch (2004), 190–194. Fasolt, Council (1991), 74; Viollet, Guillaume Durant (1921), 5. Überdies war die Pariser Schreibwerkstatt, in welcher der Kodex BNF Lat. 7470 angefertigt wurde, offenbar auf die Herstellung von kanonistischen Manuskripten spezialisiert, vgl. Rouse/Rouse, Context (2006), 120 f. Kopp, König (2016), 146 f. Der Schriftspiegel umfasst 11,8 cm x 6,5 cm. Die von Rouse/Rouse vertretene These, es habe sich bei BNF Lat. 7470 um ein propagandistisches Werk gehandelt, welches Karl IV. zum Kreuzzug aufrufen sollte, ist indes zurückzuweisen. In seiner Einleitung (fol. 1r) wird der Kodex allein als instructio charakterisiert, ohne dass sich ein Aufruf zur Rückeroberung des Heiligen Landes anschließen würde. Stattdessen folgt mit der Epitoma des Vegetius ein Militärhandbuch ohne nennenswerten propagandistischen Wert für die Kreuzzüge (fol. 15r–108r). In einem propagandistischen Werk hätte an dieser Stelle wahrscheinlich eine historische Darstellung der Taten der ersten Kreuzfahrer oder ein alttestamentlicher Text gestanden. Auch die 17 Miniaturen in der Handschrift sprechen gegen die These von Rouse/Rouse, handelt es sich doch größtenteils um Darstellungen des Dedikationsaktes der enthaltenen Werke. Angesichts der nicht vorhandenen Inscriptio sowie den u. g. Überlegungen zur Zugänglichkeit der Texte in dem Kodex erscheint es ferner höchst fragwürdig, ob Karl IV. der Adressat von BNF Lat. 7470 war. Zur Propagandathese siehe Rouse/Rouse, Context (2006), 115 f.
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richtet nach bestimmten Wissenselementen befragt werden konnten. Der Umstand, dass in der Sammlung nur zwei volkssprachliche Werke enthalten sind, sowie der nicht unerhebliche Einsatz von Suspensionen und Kontraktionen in den lateinischen Texten sprechen ferner dafür, dass der Kodex sich vorwiegend an gelehrte Leser richtete. Vermutlich hatte Guillaume Durand die Sammlung also auf die (persönliche) Verwendung unter gelehrten Kreuzzugsexperten zugeschnitten, während sie für politische Entscheidungsträger aus dem kriegführenden Adel weniger zugänglich war. Wahrscheinlich entstand aus diesen Gründen wenig später eine französische Übersetzung von BNF Lat. 7470, die alle Werke der ursprünglichen Sammlung umfasste und diese für einen größeren Rezipientenkreis verfügbar machen sollte. Da diese Übersetzung nur fragmentarisch in drei später angefertigten Sammelhandschriften überliefert und der originale Textzeuge verloren ist, lässt sich jedoch nicht mehr rekonstruieren, ob bzw. wie die Inhalte der Sammlung für politische Entscheidungsträger rekonfiguriert worden sind.93 Wie kreuzzugsbezogenes Expertenwissen höfischer Ratgeberkollektive für einen größeren Kreis politischer Entscheidungsträger aufbereitet wurde, illustriert indes eine andere Sammelhandschrift aus den Kreuzzugsplanungen am französischen Hof: Die Ms. Royal 19 D.I. der britischen Nationalbibliothek. Der Kodex BL Royal 19 D.I. entstand 1333 oder 1334 in der Werkstatt von Jeanne und Richard de Montbaston in Paris und enthält acht französischsprachige Werke, die von 165 Miniaturen illustriert werden. Er beginnt mit einer französischen Übersetzung des Alexanderromans in Prosaform sowie einem Chanson de geste mit dem Titel La vengance du grant roy Alixandre, welches wohl auf Jean Le Venelais zurückgeht.94 Daran schließen sich französische Übersetzungen der Reiseberichte Marco Polos und Odorichs von Portenau sowie Auszüge aus einer Übersetzung der Historia mongolorum des Johannes von Plano Carpini an.95 Darauf folgt eine französische Übersetzung
BBB Bongarsiana Cod. A 280; BNF Ms. Franc. 12360; BSG Ms. 1654. Die älteste der drei Sammelhandschriften ist BSG 1654, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand, während es sich bei BBB Cod. A 280 um eine von dem Sammler Jacques Bongars angefertigte Kompilation handelt, die verschiedene Handschriften aus dem 15. Jahrhundert vereint. Die Sammelhandschrift BNF Franc. 12360 stammt ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert und kommt dem ursprünglichen Werk wohl am nächsten. Sie enthält die Epitoma des Vegetius in der älteren Übersetzung des Jean de Meun (1–265), die Informatio des Guillaume Durand (265–282), das Traktat De statu sarracenorum Wilhelms von Tripolis (282–358), die beiden Memoranden der Johanniter (358–367) sowie die Informatio des Bischofs von Léon (367–376). Eine französische Übersetzung der lateinischen Einleitung aus BNF Lat. 7470 fehlt allerdings in allen drei Sammelhandschriften. Einen weiteren Zusammenhang zwischen BNF Franc. 12360 und BNF Lat. 7470 bildet die eher ungewöhnliche Einteilung der Epitoma in fünf statt vier Bücher, vgl. Reeve, Transmission (2000), 294–297; Rouse/Rouse, Context (2006), 126–136. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 1r–46r; 47r–57r. Zur Überlieferung des Alexanderromans siehe insbes. Cary, Alexander (1956), 29–33; 38–43. Zu Jean Le Venelais siehe Sachrow, Vengeance (1902), 35–37. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 58r–135r (Marco Polo); fol. 136v–148r (Odorich von Portenau); fol. 148v–165v (Johannes von Plano Carpini). Zu den Reiseberichten siehe Johannes von Plano Carpini, Storia dei Mongoli. Ed. Menestò, 49–78; Marco Polo, Milione. Ed. Ronchi.
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des Directorium, das Guillelmus Adae 1332 für Philipp VI. verfasst hatte.96 Der Kodex schließt mit zwei historiographischen Werken, einerseits Auszügen aus einer französischen Übersetzung der Chronik des Primat von Saint-Denis und andererseits einer Darstellung der pluseurs batailles des roys disrael encontre les Philistiens et Assyriens, die aus der französischen Bibelbearbeitung des Guyart des Moulins (✶1251 †vor 1322) stammen.97 Obgleich mit dem Directorium nur eines dieser acht Werke einen konkreten Plan zur Rückeroberung des Heiligen Landes enthält, handelte es sich auch bei der Sammelhandschrift BL Royal 19 D.I. um eine Kompilation kreuzzugsbezogenen Wissens für den Einsatz in den höfischen Kreuzzugsplanungen. Reiseberichte wie Marco Polos Divisament dou monde wurden trotz ihrer deskriptiven Ausrichtung auch in den Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts noch mit Blick auf das darin enthaltene Wissen über Asien rezipiert.98 Der militärisch-praktische Schwerpunkt von BL Royal 19 D.I. wird besonders deutlich anhand der Textstellen, welche die Kompilatoren des Kodex aus dem nur auszugsweise enthaltenen Reisebericht Carpinis wählten. Neben einer Beschreibung des Landes der Mongolen war dies nämlich das Kapitel comment les Tartarins se portent et ordenent en bataille, das den Kreuzfahrern vermutlich bei der Kriegführung im Orient helfen sollte.99 Auch der Alexanderroman zu Beginn des Kodex fügt sich in das Bild, denn der Makedonenherrscher Alexander galt dem höfischen Publikum des 14. Jahrhunderts nicht nur als Idealtyp eines ritterlichen Herrschers, sondern auch als großer Entdecker und Eroberer, der Asien erkundet sowie unterworfen hatte.100 Schon durch das Frontispiz wurden für die Leser des Werkes alle Zweifel über das Ziel künftiger Eroberungen ausgeräumt, zeigt es doch laut den Beschriftungen den chastel en Chaire sowie die cite de Babiloine und manifestiert auf diese Weise den Anspruch der Kreuzfahrer auf Ägypten.101 Die beiden historiographischen Werke am Ende von BL Royal 19 D.I. weisen aufgrund kompilatorischer Entscheidungen ebenfalls einen dezidierten Kreuzzugsfokus auf, denn die Auszüge aus der Chronik des Primat beschreiben den zweiten Kreuzzug Ludwigs IX. und die Ausschnitte aus der Guyart-Bibel zeigen den Kampf zwischen David und Goliath sowie den Sieg des Königs von Juda gegen die Assyrer. Vor allem Letzterer war bereits im 12. Jahrhundert ein beliebtes Motiv in Kreuzzugspredigten und sollte künftigen Kreuzfahrern den Sieg eines kleinen, aber gottgefälligen Heeres gegen eine große Übermacht vor
BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 165v–192v. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 192v–251v (Primat v. St. Denis); fol. 252r–267v (Bible historiale). Zur Bible historiale siehe Potz McGerr, Guyart Desmoulins (1983), 212–244. García Espada, Marco Polo (2009b), 211 f. Siehe auch II.4.3. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 153v–154r. Die Mongolen wurden im Westen oft als militärisches Vorbild gesehen, nach dem die Kreuzfahrer sich richten sollten, vgl. Schmieder, Europa (1994), 122–127. Cary, Alexander (1956), 195–200; Harf-Lancner, Alexander (2002), 235–254; Wright, Geographical Lore (1925), 113 f. Siehe auch III.1.2.3. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 1r. Im Alexanderroman gilt Alexander als Sohn des Pharaos Nektanebos II. (†um 340 v. Chr.), weshalb dessen Handlung in Ägypten beginnt, vgl. Cary, Alexander (1956), 47.
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Augen führen.102 Der deskriptiv-präskriptive Kern der Sammlung sollte also Wissen über den Orient bereitstellen und Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes unterbreiten. Er wird didaktisch gerahmt von zwei normativ-historischen Teilen, die den geplanten Kreuzzug nicht nur rechtfertigen, sondern auch den narrativen Bogen des Kodex schließen sollten. Der Alexanderroman zu Beginn und die Kreuzzugsgeschichte am Ende der Sammelhandschrift erfüllten demnach eine ähnliche Funktion für die Rezeption von BL Royal 19 D.I. wie die systematisch-gliedernde Einleitung für BNF Lat. 7470. Der Kreuzzug fungierte dabei als übergeordnetes Thema, welches die inhaltlich heterogenen Texte in dem Kodex zumindest symbolisch zusammenhielt. Durch den Wechsel auf eine symbolisch-allegorische Ebene konnten die Werke der Sammlung somit scheinbar zu einer Synthese zusammengeführt werden, die sich auf argumentativer Ebene nicht bilden ließ. Im Unterschied zu BNF Lat. 7470 zielte BL Royal 19 D.I. also nicht auf Teilrezeption, sondern auf eine lineare Lektüre der enthaltenen Werke ab, stellte die abschließende Synthese der Inhalte jedoch trotzdem dem Leser anheim. Offenkundig richtete sich die Sammelhandschrift damit nicht primär an den Kreis der gelehrten Kreuzzugsexperten, sondern an politische Entscheidungsträger aus dem kriegführenden Adel. Auch die sonstige Ausgestaltung des Kodex spricht für diese Annahme: alle Werke der Sammlung wurden ins Französische übertragen, die Kopisten verzichteten weitgehend auf Abbreviaturen und die Handschrift wurde mit einer Vielzahl erzählender Miniaturen versehen. Im Gegensatz zu den 17 Abbildungen in BNF Lat. 7470, bei denen es sich fast ausschließlich um Dedikationsminiaturen handelt, welche die Werke in dem Kodex visuell voneinander trennen sollten, hatten die 165 Miniaturen in BL Royal 19 D.I. eine eindeutig erklärende Funktion und sollten für den Leser den Inhalt des jeweiligen Teilkapitels illustrieren. Die Beschreibung Bagdads in Marco Polos Reisebericht wird beispielsweise durch eine Miniatur der Stadt am Tigris angekündigt und die Darstellung der Griechen im Directorium beginnt mit der Abbildung eines Treffens zwischen dem byzantinischen Kaiser und einem lateineuropäischen König.103 Während die Kreuzzugskompilation BNF Lat. 7470 durch Ordnungsnummern strukturiert wurde, erfolgte die Gliederung von BL Royal 19 D.I. also mithilfe solcher erzählender Miniaturen. Zusammengestellt in den 1330ern im Kontext der Kreuzzugsplanungen am französischen Hof, sollte der Kodex wahrscheinlich das in Werken wie dem 1332 verfassten Directorium artikulierte Asien- und Orientwissen für breitere Kreise am Hof verfügbar machen. Die Initiative dafür ging vermutlich auf Philipp VI. selbst oder sein unmittelbares Umfeld zurück, denn die Übersetzungen der lateinischen Werke wurden durch Jean de Vignay (✶um 1283 †nach 1340) vorgenommen, der zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich für die französische Krone tätig war. Die Buchmalereien stammen von der
So etwa Papst Gregor VIII. 1187 in der Bulle Audita tremendi, vgl. Gregorii VIII papae epistolae, Ed. Migne, 1540 f. Siehe dazu I.1.2. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 64r; 178r.
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Pariser Illustratorin Jeanne de Montbaston, die sich ebenfalls mehrfach in den Diensten des Königs nachweisen lässt.104 Der Kompilator der Sammlung könnte Jean de Cepoy gewesen sein, den Philipp VI. 1334 mit einigen Schiffen in den östlichen Mittelmeerraum gesandt hatte, um dort mögliche Landeplätze für das Kreuzfahrerheer und die Stärke des ägyptischen Heeres auszukundschaften.105 Für Jean spricht dabei vor allem der in BL Royal 19 D.I. enthaltene Reisebericht des Marco Polo, der sich bis zu Jeans Vater Thibault de Cepoy zurückverfolgen lässt. Die Fassung zählt zu einer Familie von acht Exemplaren des Divisament, die auf eine Kopie zurückgeht, die Thibault im Jahr 1307 von Marco Polo persönlich erhalten hatte.106 Jenseits dieser überlieferungsgeschichtlichen Details verdeutlicht der Kodex BL Royal 19 D.I., dass viele politische Entscheidungsträger an ihre Ratgeber nach wie vor mit einem holistischen Anspruch herantraten, obgleich höfische Ratgeberkollektive längst einen epistemischen Partikularismus praktizierten. Angesichts dieser Partikularisierung und Fragmentierung von Wissen sollte BL Royal 19 D.I. demnach durch seine äußere Form zumindest den Eindruck eines Ganzen vermitteln, welches es aufgrund der zunehmenden Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Wissensvorrats in den höfischen Kreuzzugsplanungen de facto längst nicht mehr gab.
1.1.2 Expertenmediatoren Die Kompilationen der Ratgeberkollektive sowie der vielgeäußerte Anspruch, zeigen zu wollen, wie das Heilige Land zurückerobert werden könne, lassen einen epistemischen Holismus aufscheinen, der im Gegensatz zu den größtenteils funktional organisierten Kreuzzugsplanungen steht. Dieser Holismus bildete den Ansatzpunkt für Akteure, die ich im Folgenden als „Expertenmediatoren“ bezeichnen werde. Dieser Begriff knüpft an die Überlegungen von Ash an, der die Funktion von Wissensvermittlern in frühneuzeitlichen Großprojekten wie dem Neubau des Hafens von Dover in den 1580ern untersucht hat. Als Koordinatoren dieser Unternehmungen hat Ash einen speziellen Typus von Experten identifiziert, den er folgendermaßen bestimmt: The expert mediator in early modern Europe was a knowledge broker and facilitator. He served as the intellectual, social, and managerial bridge between the central administrators who were his
Knowles, Jean de Vignay (1954), 353–383; Rouse/Rouse, Manuscripts (2000), 243 f. Diligences. Ed. Boutaric, 436. Dutschke, Truth (1998), 278–300. Das Werk gelangte vermutlich noch in den 1330ern im Rahmen des Gesandtschaftsaustausches an den englischen Hof. Wie Kopp herausgestellt hat, war es zumindest in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts am französischen Hof üblich, hochgestellten Gästen thematisch passende Bücher aus der königlichen Bibliothek mitzugeben. Ein Werk zur Kreuzzugsplanung wäre also für Eduard III., der ebenfalls in die Kreuzzugsvorbereitungen involviert war, eine passende Gabe gewesen und hätte den englischen König zugleich an seine Pflicht zur Rückeroberung der heiligen Stätten erinnert, vgl. Kopp, König (2016), 250 f.; TNA C 54/157/16d.
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patrons on the one hand, and the various and far-flung objects of their control on the other. (...) the expert’s principal distinguishing characteristic was his claim to mastery of some rare, valuable, and complicated body of useful knowledge that he could place at the disposal of his patrons. He served both to coordinate and oversee a given project on-site and to explain the project’s details and progress to his patrons, mediating between the center and the locality acting both a surrogate and an interpreter.107
Aus wissensgeschichtlicher Perspektive handelt es sich bei dem Expertenmediator also einerseits um einen Experten für die soziale Verteilung von Wissen, der einen Überblick über die Wissensbestände hat, die sich im Wissensvorrat (s)einer Gesellschaft herausgebildet haben, und dementsprechend auch die Träger von Spezialwissen als solche identifizieren kann.108 Andererseits fungiert er als Übersetzer zwischen Spezial- und Allgemeinwissen, der sowohl die Sprache der Experten beherrscht als auch die der politischen Entscheidungsträger, welche er berät. Ash hat dafür argumentiert, dass die Figur des Expertenmediators ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine soziale Rolle formierte, deren Träger gezielt angefragt wurden, um zwischen den Experten und Patronen aus der Politik oder Wirtschaft zu vermitteln.109 Für die höfischen Kreuzzugsplanungen des 13. und 14. Jahrhunderts lässt sich indes kein solches Rollenbewusstsein nachweisen. Die Zeitgenossen machten weder auf begrifflicher noch auf handlungspraktischer Ebene einen Unterschied zwischen Kreuzzugsexperten und den Mediatoren von kreuzzugsbezogener Expertise. Wenn im Folgenden vom „Expertenmediator“ die Rede ist, ist also eine Strategie des Wissenstransfers gemeint, die von den Zeitgenossen nicht bewusst eingesetzt und reflektiert wurde. Bei diesen Expertenmediatoren avant la lettre handelte es sich um Akteure, welche nicht die klassische sekundäre Sozialisation eines Mendikanten, Juristen, Ritters etc. erfahren hatten, sondern stattdessen in mehreren, meist wenig verknüpften, gesellschaftlichen Wissenskulturen sozialisiert wurden und folgerichtig Zugang zu verschiedenen Wissensbeständen hatten. Einige von ihnen waren überdies von den großen Wissenssammlungen der (Proto-)Enzyklopädisten des 13. Jahrhunderts geprägt und versuchten, für den Kreuzzug vergleichbare Werke zu schaffen.110 Sie bildeten demnach ein alternatives Modell des Wissenstransfers im Vergleich zu den fraktionierten Austauschzonen der Beraterkollektive, bei dem eine Zusammenarbeit von Expertenratgebern unterschiedlicher Typen nicht erforderlich war, weil der Mediator das erforderliche Spezialwissen für die politischen Entscheidungsträger direkt übersetzte und zusammenfasste. Ungeachtet ihrer Fähigkeit, verschiedene Expertisen miteinander zu verschränken, wurden diese Expertenmediatoren allerdings innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen nicht systematisch, sondern allenfalls ak-
Ash, Power (2004), 8 f. Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 47 f.; Schütz, Bürger (1972), 87 f. Ash, Power (2004), 213–215. Siehe dazu Le Goff, Siècle (1994), 23–40; Meier-Staubach, Ordo (2002), 511–532 sowie II.5.3.
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zidentiell konsultiert und formierten folgerichtig keinen Gegenentwurf zu den durchweg vorherrschenden Beraterkollektiven. Die Charakteristika des Expertenmediators waren vor allem bei zwei Kreuzzugsberatern deutlich ausgeprägt: Ramon Llull und Marino Sanudo. Wie bereits anhand der Ergebnisse aus der Inhaltsanalyse deutlich wurde, lassen die beiden sich keinem der drei Subtypen eindeutig zuordnen, weil ihre Rückeroberungsvorschläge nahezu alle inhaltlichen Bereiche umfassten, die in den Kreuzzugsplanungen als relevant galten. Ihr Spezialwissen bezogen sie aus einer atypischen Kombination von Wissensbeständen, die aus ihren ungewöhnlichen Biographien resultierte und keinem der anderen Kreuzzugsberater zur Verfügung stand. Aufgewachsen als Sohn einer nobilitierten Bürgerfamilie an der „christlichen Frontier“ auf Mallorca, wirkte Llull unter anderem als Troubadour, bevor er nach einem Bekehrungserlebnis begann, Arabisch und Latein zu lernen sowie theologische Abhandlungen zu verfassen. Der Katalane war damit sowohl mit der zeitgenössischen Kriegsroutine, als auch mit den Glaubensvorstellungen seiner muslimischen Nachbarn vertraut. Auch mit der Theologie seiner Zeit setzte er sich eingehend auseinander, obwohl er als Autodidakt zeitlebens um Anerkennung im gelehrten Milieu der Pariser Universität kämpfen musste.111 Marino Sanudo stammte aus einer Patrizierfamilie, die zu den alten Häusern Venedigs zählte, lebte zeitweise im Haushalt des bedeutenden süditalienischen Rechtsgelehrten Riccardo Petroni und betätigte sich nicht nur als Kaufmann, sondern auch als Gesandter und Flottenkommandant der Markusrepublik. In seiner umfangreichen Rückeroberungsenzyklopädie kombinierte er dementsprechend merkantiles Wissen mit den Erfahrungen aus seiner Gesandtentätigkeit, nautischem Wissen und der gelehrten Bildung, die er im Umfeld seines Patrons Riccardo Petroni erfahren hatte.112 Sowohl Ramon Llull als auch Marino Sanudo durchliefen also eine sekundäre Sozialisation, die für die Kreuzzugsexperten ihrer Zeit atypisch war, was sie wiederum in die Lage versetzte, als Mediatoren zwischen den Trägern von Spezialwissen und politischen Entscheidungsträgern zu fungieren. Die Mediatorentätigkeit war erforderlich, weil die Expertise vieler Kreuzzugsberater auf dem Einsatz praktischen Wissens beruhte, das nur durch Übung und Routine erlernt werden konnte und dementsprechend zunächst in propositionales Wissen überführt werden musste, um diskutiert und problematisiert werden zu können.113 Expertenmediatoren wie Ramon Llull und Marino Sanudo waren wiederum aufgrund ihrer Sozialisation außerordentlich gut gerüstet, um praktisches Wissen zu propositionalisieren und es auf diese Weise innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen verfügbar zu machen. Zu diesem praktischen Wissen zählten unter anderem die Routinen aus Schifffahrt und Bootsbau, die der Venezianer Sanudo zur Organisation der Kreuzfahrerflotte
Domínguez Reboiras/Gayá, Raimundus Lullus (2008), 22–45; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 1–9; Imbach, Lulle (1987), 261–282. Siehe dazu auch II.5.2. Nardi, Riccardo Petroni (2014), 79–113. Siehe dazu auch Teil II.5.3. Collins, Arten (2012), 102–104; Newen/Jung, Knowledge (2010), 124–126.
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mobilisierte. In seinem Liber secretorum sammelte er unter anderem Mengenangaben zu Schiffsrationen, Anweisungen zur Navigation auf dem Mittelmeer sowie Hinweise zur Schiffskonstruktion, die er ursprünglich von den Kapitänen, Seeleuten und Ingenieuren der Markusrepublik bezogen hatte. Sanudo berücksichtige dabei auch vermeintlich kleine Details; so erklärte er, man habe im Jahr 1316 in Venedig begonnen, mit Galeeren zu experimentieren, deren Ruderbänke vier statt drei Ruderer fassen, wobei die Erfahrung gezeigt habe, dass diese quartaroles deutlich manövrierfähiger seien als die bisher üblichen terzaroles.114 Auch andere Kreuzzugsberater nahmen mitunter eine solche Mediatorenfunktion ein. Guillelmus Adae und Fidenzio von Padua fungierten als Vermittler des meist praktischen oder visuellen Wissens der Fernhandelskaufleute und Guido von Vigevano propositionalisierte das praktische Wissen der mechanici.115 Diese Ratgeber stellten sich selbst allerdings nicht als Mediatoren von spezialwissensgestützter Expertise, sondern als deren Träger dar. Marino Sanudo bemerkte dagegen im Anschluss an seine Ausführungen über die Ruderbänke: ich habe [mich] darüber sorgfältig mit jenen beraten, die derartiges gutgeheißen haben und außerdem mit manchen Ingenieuren, Magistraten und Seeleuten (...).116 Im Unterschied zu den meisten anderen Kreuzzugsberatern inszenierten sich Expertenmediatoren wie Sanudo demnach dezidiert als Vermittler zwischen politischen Entscheidungsträgern und den eigentlichen Trägern der Expertise, indem sie gezielt Spezialwissen propositionalisierten, bündelten und politischen Entscheidungsträgern zugänglich machten. Die Vermittlertätigkeit der Expertenmediatoren beschränkte sich allerdings nicht darauf, praktisches Wissen zu propositionalisieren. Wie die Gliederung ihrer Rückeroberungstraktate illustriert, nutzten sie ihren Zugang zu unterschiedlichen Wissensbeständen ebenfalls, um das Wissen der Berater verschiedener Subtypen miteinander zu verknüpfen. Im Gegensatz zu den vorgenannten Beispielen aus der Memoria Terre Sancte, der Informatio des Johanniterordens sowie dem Bericht Philipps VI. folgte die inhaltliche Ordnung der Rückeroberungsvorschläge von Expertenmediatoren wie Marino Sanudo oder Ramon Llull nicht den Schwerpunkten der drei Beratertypen nebst den von ihnen verwandten Wissensbeständen. Stattdessen entwickelten die beiden Expertenmediatoren jeweils eine individuelle Systematik, die Wissen aus verschiedenen Beständen zur Lösung einzelner Teilprobleme miteinander verband. Ihre Vorgehensweise ist nicht verwunderlich, denn beide waren eng vertraut mit den großen Wissenssammlungen des 13. Jahrhunderts. Wie bereits gezeigt wurde, orientierte Marino Sanudo sich bei der Zusammenstellung seines Liber secretorum am Speculum
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57. Siehe II.4.4.2 u. II.4.5. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57: habito super hoc diligenti consilio cum illis qui talia probaverunt, ac etiam cum aliquibus ingeniatoribus, et magistris, et nautis (...). Ramon Llull behauptete ebenfalls, sich mit Seeleuten beraten zu haben, vgl. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 340.
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maius des Vinzenz von Beauvais und Ramon Llull hatte 1296 mit der Arbor scientiae selbst ein enzyklopädisches Werk vorgelegt.117 Die Systematik, die Ramon Llull für seine Rückeroberungstraktate entwickelte, fußte auf der Unterscheidung von Mission und Kreuzzug bzw. gladius spiritualis und gladius corporalis.118 Der 1309 für Papst Clemens V. verfasste Liber de acquisitione Terrae Sanctae des Katalanen war in drei distinctiones unterteilt, von denen die ersten beiden unter dem Titel de modo bellandi bzw. de modo praedicandi Kreuzzug und Mission gewidmet waren. In der dritten distinctio zeigte Llull schließlich verschiedene Exempla aus der Missionstätigkeit auf und behandelte Gefahren für die römische Kirche.119 Im ersten Unterkapitel der ersten distinctio erörterte Llull den Aufbau des Kreuzfahrerheeres, beschränkte sich dabei jedoch im Unterschied zu anderen Ratgebern nicht allein auf die Kreuzfahrer, sondern stellte die Ausrüstung lateineuropäischer Streitkräfte der Bewaffnung muslimischer Heere gegenüber und versuchte daraus die ideale Ausrüstung für die Kreuzfahrer abzuleiten.120 So stellte er fest, muslimische Soldaten seien nur Bögen gewohnt, weshalb sie die Schlagkraft von Armbrüsten überraschen würde, was die Kreuzfahrer wiederum nutzen könnten, indem sie ihr Heer mit vielen Armbrüsten ausstatteten.121 Indem der Katalane die Ausrüstung der Muslime mit der Bewaffnung der Kreuzfahrer kontrastierte, verband er lateineuropäische Kriegsroutine und Wissen über die Kampfweise muslimischer Streitmächte zu einem kohärenten Vorschlag für den Aufbau des Kreuzfahrerheeres. Expertenmediatoren wie Llull schöpften jedoch keineswegs aus allen Beständen kreuzzugsbezogenen Wissens. Insbesondere das Wissen der Finanzexperten blieb ihnen üblicherweise verschlossen. Dementsprechend beschränkte sich Llull in seinem Liber de fine auf den Vorschlag, zwecks Kreuzzugsfinanzierung den Klerus zu besteuern, und merkte im Liber de acquisitione nur an, der
Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda sowie dazu Bonner, Structure (2002), 21–34; Imbach, Arbor Humanalis (2002), 135–157. Zu Marino Sanudo und Vinzenz von Beauvais siehe II.5.3. Compagno, Intent (2013), 65–84; Ensenyat, Pacifism (2008), 137–144; Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 15–23. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 207: In prima distinctione ostendemus modum, per quem fiat ordinatio ad habendum victoriam cum armis. In secunda ostendemus modum, per quem obtinebitur veritas per intellectum illuminatum et per voluntatem sanctam. In tertia enim monebimus audaciam per exempla, evitando pericula naviculae sancti Petri. Den etwa vier Jahre vor dem Liber de acquisitione angefertigten Liber de fine gliederte Llull ebenfalls anhand der ZweiSchwerter-Allegorie, wobei er die Finanzierungsmöglichkeiten gemeinsam mit der Union der Ritterorden sowie dem politischen Aufbau des neuen Königreichs Jerusalem thematisierte, vgl. Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 252–286. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 208–210. Unter den übrigen Beratern beschrieb allein Fidenzio von Padua den Aufbau und die Bewaffnung muslimischer Heere vergleichbar detailliert, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 28–30 sowie II.4.2.1. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 208.
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Papst solle sicherstellen, dass der Meister der vereinigten Ritterorden über die angemessenen Mittel zur Kriegführung gegen die Muslime verfüge.122 Auch Marino Sanudo versuchte mittels einer systematischen Gliederung seiner Werke Wissenselemente aus verschiedenen Beständen miteinander zu verknüpfen. Seinen 1321 fertiggestellten Liber secretorum fidelium crucis unterteilte der Venezianer in drei Bücher, wobei das erste die dispositionem ac praeparationem ad Terram Sanctam recuperandam behandle, das zweite vias et modos quibus apte et expedite Terra Sancta recuperetur erörtere und das dritte schließlich die doctrinam conservandi ac tenendi et possidendi Sanctam Terram Promissionis darlege.123 Der vermutlich an Vinzenz von Beauvais orientierte Dreischritt praeparatio – recuperatio – conservatio ermöglichte es Sanudo, die aus seiner Sicht zum Erfolg des Kreuzzuges erforderlichen Handlungen in chronologischer Abfolge zu schildern und dabei Wissen aus verschiedenen Beständen miteinander zu kombinieren. Im vierten Teil des zweiten Buches verband der Venezianer etwa sein Wissen über die Topographie der Nilmündung und die ägyptische Seekriegführung mit historischen Exempla und Strategien aus der amphibischen Kriegführung, um einen Angriffsplan auf Ägypten zu entwerfen.124 Sanudos Kreuzzugsprojekt sah vor, mittels eines Partikularkreuzzuges eine Insel an der Nilmündung bei Rosetta zu erobern und diese anschließend zu befestigen, um dem Sultan von dort aus einen Krieg zu Wasser aufzuzwingen.125 Dementsprechend warnte er davor, dass die Ägypter versuchen könnten, durch Ketten und Brücken die landeinwärts führenden Nilarme für den Schiffverkehr zu sperren, wie es auch während der Auseinandersetzung zwischen Venedig und Ferrara in den Jahren 1308/09 bei Francolino auf dem Po geschehen sei.126 Solche Blockaden, so Sanudo weiter, könnten die Kreuzfahrer durch Angriffe auf die feindlichen Garnisonen am Ufer durchbrechen, wofür die Seitenarme bei Rosetta und Damietta besonders geeignet seien, weil der Nil dort so breit sei, dass die Ägypter ihre Streitmacht weit auffächern müssten. Dieser topographische Vorteil sei bereits bei der Eroberung von Da-
Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 215; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 271 f.; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 330. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 10–13. Solche handlungspragmatischen Gliederungssysteme waren kein Alleinstellungsmerkmal von Expertenmediatoren wie Sanudo, sondern durchaus verbreitet in den höfischen Kreuzzugsplanungen. Andere Berater teilten ihre Rückeroberungstraktate anhand eines ähnlichen Schemas ein, nutzten es allerdings nicht zur Verschränkung verschiedener Wissensbestände, so u. a. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 365 f.; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 340 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 53: Quarta pars continet stilum, modum et ordinem ac probabilia argumenta, super bellicosis eventibus et aliis contingentibus quibuscunque ad dictum terrae negotium feliciter exequendum (...). Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 90 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 53. Zum Ferrara-Krieg von 1308/09 siehe Kretschmayr, Geschichte, Bd. 2 (1920), 179–184.
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mietta durch die Kreuzfahrer im Jahr 1219 genutzt worden.127 Zudem könnten die Kreuzfahrer die als placta bezeichneten Schiffe aus Piacenza einsetzen, die einst auf dem Po genutzt worden seien, um derartige Blockaden zu durchbrechen.128 Expertenmediatoren verschränkten Wissenselemente aus verschiedenen Beständen allerdings nicht nur durch enzyklopädische Gliederungssysteme, sondern auch mittels kurzer, handlungsorientierter Synthesen. Zu diesem Zweck verfassten sowohl Ramon Llull als auch Marino Sanudo kleine Memoranden in Briefform, mittels derer sie die Vorschläge aus ihren umfangreicheren Rückeroberungstraktaten konzis und ergebnisorientiert zusammenfassten. Diese Zusammenschauen waren eigens auf die Rezeption durch politische Entscheidungsträger ausgerichtet und konnten, ähnlich wie die Kredenzschreiben oder pentenda von Gesandtschaften, aufgrund ihrer Kürze problemlos bei Audienzen am Hof verlesen werden.129 Wie die Überlieferung dieser Werke belegt, übergaben Llull und Sanudo politischen Entscheidungsträgern die Zusammenfassungen gemeinsam mit ihren längeren Rückeroberungstraktaten, sodass Leser einen Überblick gewinnen und gegebenenfalls nähere Details zu den Kreuzzugsprojekten in den deutlich ausführlicheren Traktaten nachschlagen konnten.130 Aus dem Œuvre des katalanischen Gelehrten sind vier derartige Kurzzusammenfassungen erhalten, die an die Päpste Nikolaus IV., Coelestin V. und Bonifaz VIII. sowie das Konzil von Vienne gerichtet waren und den Liber de passagio sowie den Liber de acquisitione Terrae Sanctae rekapitulieren. In diesen Zusammenfassungen wiederholte Llull im Wesentlichen die zentralen Forderungen aus seinen Rückeroberungstraktaten, zu denen vor allem die Errichtung von Sprachschulen für Missionare, die Union der geistlichen Ritterorden sowie die Anpassung der Kreuzfahrer an die Bewaffnung muslimischer Heere zählten.131 Die Durchführung des eigentlichen Kreuzzugs, die in seinen Rückeroberungstraktaten eingehend thematisiert wurde, behandelte Llull in diesen Synthesen dagegen kaum. Stattdessen konzentrierte der Katalane sich nahezu ausschließlich auf die Kreuzzugsvorbereitungen und entwarf zu diesem Zweck einen Maßnahmenkatalog, den politische Entscheidungsträger unmittelbar umzusetzen vermochten. Besonders prägnant zeigt sich diese Vorgehensweise bei der Petitio für das Viennense, in der Llull zehn Schritte aufzählte, die das Konzil seines Erachtens zur Rückeroberung des Heiligen Landes unternehmen musste.132 Solche ergebnisorientierten Maßnahmenkataloge waren jedoch kein Alleinstellungsmerkmal von Expertenme Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 54 f. Marino Sanudos Wissen über den DamiettaKreuzzug (1217–1221) stammte wahrscheinlich größtenteils aus dem Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais, der wiederum auf die Chronik Olivers von Paderborn zurückgegriffen hatte, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 206. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 59. Zu Kredenzschreiben siehe Felten, Verhandlungen (2004), 424. So u. a. BAV Reg. Lat. 548, fol. 2v; BNF Ms. Lat. 3174, fol. 132v–134v; BLO Ms. Tanner 190, fol. 3v. Petició de Ramon al Papa Celestí V. Ed. Perarnau, 29–43; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 149–154; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 146–149; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 329–331. Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 149–154.
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diatoren wie Llull, sondern in der politischen Beratung des frühen 14. Jahrhunderts durchaus üblich und wurden dementsprechend auch von anderen Kreuzzugsratgebern wie etwa Guillaume de Nogaret verfasst, jedoch nicht als Syntheseinstrument genutzt.133 Aus der Feder von Marino Sanudo sind fünf vergleichbare Kurzzusammenfassungen erhalten, die gerichtet waren an die Päpste Clemens V. und Johannes XXII., die französischen Könige Karl IV. und Philipp VI. sowie Bischof Jerome von Kaffa, einen Vertrauten des byzantinischen Kaisers. Die an Clemens V. und Karl IV. adressierten Schreiben übergab der Venezianer wahrscheinlich 1309 bzw. 1323 gemeinsam mit seinem Liber secretorum persönlich an Papst und König, während er an deren Hof in Avignon bzw. Paris weilte.134 Das Memorandum für Johannes XXII. scheint einige Monate, nachdem Sanudo dem Papst 1321 sein Rückeroberungstraktat überreicht hatte, verfasst worden zu sein und behandelt auch den zu diesem Zeitpunkt an der Kurie geplanten Partikularkreuzzug zur Verteidigung des Königreichs Armenien.135 In diesem Zeitraum entstand wahrscheinlich auch das Schreiben an Jerome von Kaffa, der sich in den Jahren 1321/22 ebenfalls in Avignon aufhielt.136 Das fünfte dieser Memoranden sandte Sanudo im April 1332 als Brief an Philipp VI., nachdem er von dessen Kreuznahme erfahren hatte.137 Daneben sind zwei adressatenlose Zusammenfassungen des Liber secretorum erhalten, bei denen es sich um generische Texte nach dem Vorbild der Formelsammlungen und Brieflehrbücher handelt, die seit dem frühen 12. Jahrhundert von Hofkanzleien als Muster für den Schriftverkehr genutzt wurden.138 Wie die Memoranden für Johannes XXII. und Karl IV. waren sie wahrscheinlich vor dem Hintergrund der Reisen entstanden, die Sanudo in den Jahren 1321 bis 1324 an die Kurie, den französischen und neapolitanischen Hof unternommen hatte, um dort für sein Kreuzzugsprojekt zu werben.139 Beide Texte enthalten die gängigen
Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199–205 sowie dazu Miethke, Politikberatung (2004), 343–350. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 5 f.; 20 f. Das an Papst Clemens V. gerichtete Memorandum umfasste allein das erste Buch des Liber secretorum, das Sanudo bereits 1307 fertiggestellt und 1309 dem Papst übergeben hatte. Das zweite und dritte Buch des Rückeroberungstraktates stellte der Venezianer erst 1321 fertig, vgl. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 6; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 60 f. sowie III.2.1.1. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 7. Für die Annahme, Sanudo habe das Memorandum erst verfasst, nachdem er Johannes XXII. im September 1321 seinen Liber secretorum übergeben hatte, spricht auch der Umstand, dass es in dem Kodex BAV Vat. lat. 2972, den der Venezianer dem Papst 1321 überreichte, nicht enthalten ist. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 299 f. Zu Jerome siehe Tanase, Jérôme de Catalogne (2010), 11–16. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 791–798. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 290 f.; 297 f. Zur Quellengattung siehe u. a. Schuler, Formelbuch (1984), 377–382. Seine Reise an die Kurie sowie den französischen und neapolitanischen Hof erwähnte Sanudo in seinen Briefen, vgl. dazu Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 788; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 299; 294; Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 358 f. Zu den Reisen Sanudos siehe auch Degenhart/ Schmitt, Marino Sanudo (1973), 7–11; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 61–63 sowie III.2.1.
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Anreden für geistliche und weltliche Würdenträger, sodass Sanudo nur den Namen des Adressaten einsetzten und die korrekte Titulatur auswählen musste, wenn er politischen Entscheidungsträgern an den jeweiligen Höfen seine Rückeroberungsvorschläge zeitnah zukommen lassen wollte.140 Der breite Kreis an Adressaten, die Menge der erhaltenen Schreiben sowie entsprechende Andeutungen in seinen Briefen sprechen dafür, dass Sanudo seinem Rückeroberungstraktat stets derartige Kurzzusammenfassungen beilegte, um politischen Entscheidungsträgern neben der umfangreichen Abhandlung auch eine handlungsorientierte Synthese seines Rückeroberungsprojektes zu präsentieren. Damit er dabei möglichst viele potentielle Rezipienten an den Höfen erreichte, bediente Sanudo sich bei diesen Memoranden auch der Volkssprachen, insbesondere des Französischen.141 Wie Ramon Llull konzentrierte sich der Venezianer in diesen Memoranden fast ausschließlich auf die Maßnahmen zur Kreuzzugsvorbereitung, zu denen vor allem das Projekt einer permanenten Flotte zur Blockade des mediterranen Ägyptenhandels sowie der Partikularkreuzzug zur Eroberung eines Brückenkopfes an der Nilmündung zählten. Diese Kurzusammenfassungen arrangierte er ebenfalls als einen ergebnisorientierten Katalog aus Maßnahmen, die sich unmittelbar umsetzen ließen. Sein für Johannes XXII. verfasstes Memorandum trägt den Titel Pro communi Christianitatis tria sunt valde necessaria et ad praesens und ist anhand der drei titelgebenden Schritte in drei Teile gegliedert.142 Diese Zusammenfassungen nutzte Sanudo zugleich als Addenda zu seinem Rückeroberungstraktat, indem er auf aktuelle geopolitische Entwicklungen einging, die er im Liber secretorum noch nicht berücksichtigt hatte. In seinem Schreiben an Karl IV. erörterte er die prekäre Lage des Königreichs Armenien, das zwei Jahre zuvor von einer ägyptischen Streitmacht verwüstet worden war.143 Gegenüber dessen Nachfolger Philipp VI. ging er wiederum auf die Bedrohung durch die türkischen Beyliks Aydin und Karasi ein, die in den 1320ern begonnen hatten, ihre
Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 297: Venerabili Christo patri domino, tali; vel egregio in Christo patri domino, tali; Honorabili militi, vel Magnifico, vel excellenti domino, domino tali (...). Ebenda, 290: Reverendo in Christo Patri ac domino suo, domino tali, vel tali, Divina providentia tituli talis Presbytero Cardinali, si sit Presbyter, vel Diacono Cardinali, si sit Diaconus (...). Das an Karl IV. adressierte Memorandum verfasste Sanudo beispielsweise auf Französisch, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 5 f. Diese französische Kurzzusammenfassung des Liber secretorum legte er anschließend auch seinem auf April 1332 datierten Brief an Philipp VI. bei, vgl. Ders., Briefe. Ed. Kunstmann, 796. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 7. Die drei erforderlichen Schritte beschrieb Sanudo ebenda, 7: Primo, assequretur provincia Armeniae. Secundo, quod fiant processus et inquisitores similiter utrique solum, hinc in posterum duraturi. Tertio, quod armentur galeae pro maris custodia facienda (...). Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 5 f. Siehe auch Luttrell, Interventions (1978), 126–128; Mutafian, Royaume arménien (2001), 80 f.
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Machtbasis in der Ägäis auszubauen.144 Im Gegensatz zu den Kurzzusammenfassungen Llulls enthielten die Memoranden Sanudos allerdings auch direkte Rückbezüge auf einzelne Kapitel des Liber secretorum, versehen mit dem Hinweis, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen dort näher erläutert würden. In seinem Schreiben an Philipp VI. skizzierte der Venezianer kurz seinen Plan einer Blockadeflotte und merkte an, anschließend könne weiter verfahren werden so wie es im vorgenannten Buch, zweites Buch, zweiter Teil, letztes Kapitel steht (...).145 Sanudo machte sich dabei eine Verweisstruktur zu Nutze, die auf der systematischen Gliederung seines Rückeroberungstraktes basierte und auch in dem Werk selbst ausgiebig von ihm gebraucht wurde. Der Venezianer hatte den Liber secretorum nach seiner Fertigstellung in drei libri aufgeteilt, die wiederum in verschiedene partes unterteilt waren, welche sich in einzelne capitula aufgliederten. Ähnlich wie Guillaume Durand in der Kreuzzugskompilation BNF Lat. 7470 stellte auch Sanudo diese Gliederung in Form einer Liste mit allen Büchern, Teilen und Kapiteln sowie deren Inhalten an den Beginn seines Werkes. Die Ordnungszahlen der Bücher sind, ebenso wie der jeweilige Teil, in den meisten erhaltenen Exemplaren des Liber secretorum auf allen Blättern vermerkt, sodass der Leser einzelne Vorschläge oder Wissenselemente gezielt nachschlagen konnte.146 Wie der im Auftrag von Durand kompilierte Kodex war Sanudos Rückeroberungstraktat demnach nicht auf eine lineare Lektüre, sondern auf Teilrezeption ausgelegt. Wer etwa wissen wollte, wie das neue Königreich Jerusalem aufgebaut sein sollte, konnte dies in Buch III, Teil XV, Kapitel XVII nachlesen, und wer erfahren wollte, warum Zypern keine geeignete Basis für den Kreuzfahrer war, konnte dies in Buch II, Teil II, Kapitel III nachschlagen.147 Dieses Ordnungsprinzip ermöglichte es Sanudo überdies, situativ-passgenaue Ausschnitte und Einzelkapitel seines Werkes an politische Entscheidungsträger zu versenden. Philipp VI. ließ er ein kurzes Kapitel mit militärischen Verhaltensregeln für Feldherren im Orient aus dem
Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797 f. Siehe auch Carr, Merchant Crusaders (2015), 63–74; Laiou, Marino Sanudo (1970), 374–392; Zachariadou, Trade (1983), 21–40. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 792: prout patet in libro praedicto, libro secundo, parte secunda, capitulo ultimo (...). Auch hinsichtlich der Bewaffnung und Ausrüstung der Kreuzfahrerflotte verwies Sanudo den französischen König auf die entsprechenden Kapitel im Liber secretorum, vgl. ebenda, 794. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 10–18. Diese Gliederung nutze Sanudo auch, um bei politischen Entscheidungsträgern für sein Werk zu werben. Dem Herzog Johann III. von Brabant und Limburg übergab Sanudo im Jahr 1326 den Prolog des Liber secretorum mitsamt einer Übersicht der einzelnen Kapitel und wies darauf hin, dass er ihm gern eine vollständige Kopie des Werkes zukommen lassen könne, vgl. ebenda, 303. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 18: Capitula XVII continget quomodo conquisita Terra Promissionis Rex unus instituendus sit. Ebenda, 11: Capitula III continet improbationem dicentium in Cyprum dictum Passagium descensurum.
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zweiten Buch seines Liber secretorum zukommen, das der König an den Kommandeur des bevorstehenden Kreuzzuges übergeben sollte.148 Ähnlich wie Beraterkollektive zerlegte Sanudo demnach das Problem der Rückeroberung des Heilige Landes in Teilprobleme, die ihm als Ordnungsschema seiner verschriftlichten Ratschläge dienten. Im Unterschied zu den Experten in Beraterkollektiven nutzte er diese Vorgehensweise jedoch, um Wissenselemente aus unterschiedlichen Beständen miteinander zu kombinieren, was besonders anhand der Querverweise deutlich wird, durch die der Venezianer die einzelnen Kapitel seines Liber secretorum miteinander verband. In seinem Rückeroberungstraktat bezog er sich immer wieder auf frühere oder spätere Teile des Textes, in denen Wissenselemente erläutert wurden, die für die vorliegenden Ausführungen relevant waren. Um aufzuzeigen, dass die Insel Zypern kein geeigneter Stützpunkt für die Kreuzfahrer war, verwies der Venezianer zum Beispiel einerseits auf die Erfahrungen aus dem zweiten Kreuzzug Ludwigs des Heiligen, welchen er in Buch II, Teil XII, Kapitel X dargestellt hatte, und anderseits auf den Seeweg zwischen Zypern und Ägypten, den er in Buch II, Teil IV, Kapitel XXV beschrieben hatte.149 Für die Kompilationstechnik des Venezianers lassen sich vor allem zwei Vorbilder ausmachen: Einerseits die (Proto-)Enzyklopädisten des 13. Jahrhunderts, welche ihre Wissenssammlungen ebenfalls anhand solcher Ordnungsprinzipien strukturierten, um den Lesern die Teilrezeption der umfangreichen Werke zu ermöglichen.150 Die Aufgliederung des Kreuzzugs in Teilprobleme andererseits kam vermutlich aus der Kanonistik, die auch für den von Guillaume Durand zusammengestellten Kodex Pate gestanden hatte. Mit dem Kirchenrecht war Marino Sanudo wohl zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Berührung gekommen, als er dem Haushalt von Riccardo Petroni angehörte. Der Kardinal zählte zu den führenden Kirchenrechtlern seiner Zeit und war als solcher wenige Jahre zuvor an der Zusammenstellung des Liber sextus beteiligt gewesen.151 Trotz der weitläufigen inhaltlichen und wissensmäßigen Ausrichtung ihrer Rückeroberungsvorschläge wurden Expertenmediatoren innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen jedoch nicht von den anderen Kreuzzugsberatern unterschieden. Obgleich sich die Rezeption von Ramon Llull als höfischer Kreuzzugsberater nur schwer untersuchen
Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 796. Für das Kapitel siehe Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 95. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 39: Rex Francie Sanctus Lodovicus, cum ad partes Tunitii cum exercitu passagii applicavit ipse et filius, nomine Iohannes Tristanus, cum Apostolicae sedis Legato, ac multis Comitibus et Baronibus, propter Epidimiam invadentem, in brevi diem clauserunt extremum, multique alii de populo Christiano: secundum quod in decimo capitulo XII. partis, tertii libri, scriptum distincte conspicitur. Zu einer Reevaluation der Gründe Ludwigs IX. für den Angriff auf Tunis zu Beginn seines zweiten Kreuzzugs siehe Hélary, Croisade (2016), 110–139. Meier-Staubach, Zusammenhang (2002), 91–121; Paulmier-Foucart, Ordre (1991), 201–226. Zum Einfluss des Enzyklopädismus auf Marino Sanudo siehe II.5.3. Meyer, Ordnung (2006), 407 f.; Nardi, Riccardo Petroni (2014), 79–113.
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lässt, weil die Kreuzzugsfrage nur einen Bruchteil seiner Ratgebertätigkeit ausmachte,152 wird allein am Beispiel Sanudos deutlich, dass politische Entscheidungsträger zwischen Expertenmediatoren und Experten nicht unterschieden. Der Venezianer wurde nämlich an der Kurie keineswegs als Mediator wahrgenommen, sondern offenbar den Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps zugeordnet. Diese Einschätzung war keineswegs unbegründet, denn zu Beginn des Liber secretorum behauptete Sanudo, er habe den östlichen Mittelmeerraum mehrfach bereist und sei dabei unter anderem in Armenien, Zypern und Ägypten gewesen, sodass der Papst den Venezianer als Orientexperten einordnete und sein Werk deshalb von einer Kommission aus vier Mendikanten mit Orienterfahrung begutachten ließ.153 Bei der Prüfung des zweiten Buches stießen die Mitglieder der päpstlichen Gutachterkommission jedoch schnell an die Grenzen ihres Wissens. In ihrem abschließenden Gutachten für Johannes XXII. vermochten sie Sanudos Beschreibung der ägyptischen Küste zwar als zutreffend zu bewerten, mussten allerdings mit Blick auf seine Ausführungen zur amphibischen Kriegführung eingestehen: Der vierte Teil enthält Wege und Mittel der Kriegführung sowie sichere Schiffe, bezüglich derer wir [unsere] Unwissenheit bekennen. Wir sind nicht geeignet jene [Dinge] zu beurteilen, dennoch scheinen sie uns gut und ordentlich dargelegt.154 Insgesamt waren Expertenmediatoren innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen also eine Ausnahme, Ratgeberkollektive jedoch die Regel. Dies lässt darauf schließen, dass politische Entscheidungsträger nicht zwischen kreuzzugsbezogener Expertise einerseits sowie den Experten als Trägern und Vermittlern dieser Expertise andererseits unterschieden. Stattdessen gingen sie davon aus, dass Expertise stets an Akteure gebunden sei und versuchten deshalb, die Träger dieser Expertise in Beraterkollektiven zusammenzuführen und ihr Wissen in consilia und deliberationes abzufragen. Diese Beraterkollektive fungierten allerdings als fraktionierte Austauschzonen und waren dementsprechend auf die recuperatio Terrae Sanctae oder das passagium als gemeinsame Grenzmarkierung angewiesen. Den in dieser Grenzmarkierung angelegten Holismus machten die Expertenmediatoren sich zu Nutze, indem sie erklärten, mit ihrem Wissen könnten sie das gesamte Rückeroberungsproblem allein lösen. Auf diese Weise gelang es ihnen, eine Nische in den höfischen Kreuzzugsplanungen zu besetzen.
Domínguez Reboiras/Gayá, Raimundus Lullus (2008), 108–110; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 108 f. Siehe dazu II.5.2. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 796 f.; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 1–3. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 4: Pars quarta, continet de modis et instrumentis bellandi et certis navigiis, circa que profitemur ignorantiam; nec apti sumus ad iudicandum de illis: nobis tamen videntur bene et ordinate dicta.
1.2 Experten, Laien und die Schaffung einer Interaktionssprache
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1.2 Experten, Laien und die Schaffung einer Interaktionssprache Der Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgern und den Kreuzzugsberatern unterschiedlicher Subtypen an den lateineuropäischen Herrscherhöfen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts erfolgte in Beraterkollektiven, innerhalb derer Akteure aus verschiedenen Wissenskulturen aufeinanderprallten. Doch wenn diese Beraterkollektive und nicht etwa Übersetzer wie Expertenmediatoren innerhalb der Kreuzzugsplanungen die dominante Form des Wissenstransfers waren, wie vermochten die verschiedenen Expertenratgeber sich untereinander zu verständigen und ihre Pläne so dazulegen, dass sie auch für Laien nachvollziehbar waren? Versteht man diese Interaktion mit Collins als fraktionierte Austauschzone, so erforderten die höfischen Beraterkollektive gemeinsame Objekte der Grenzziehung sowie eine interaktionale Expertise der Akteure, die auf geteiltem Wissen basierte.155 Ausgehend davon werde ich im Folgenden dafür argumentieren, dass die Ratgeber am Hof allgemein verfügbares Wissen verwandten, um eine Art rudimentärer Interaktionssprache zu schaffen, die sowohl für politische Entscheidungsträger als auch für die Berater aus unterschiedlichen Wissenskulturen nachvollziehbar war. In Bezug auf dieses höfische Allgemeinwissen können wiederum drei Wissensbestände unterschieden werden: Erstens das lebensweltliche Alltagswissen, welches auf symbolischer Ebene durch Allegorien und Metaphern zur Wissensvermittlung eingesetzt werden konnte (1.2.1). Zweitens diverse Elemente aus dem Gelehrtenwissen, das der Antikenrezeption des 12. Jahrhunderts entstammte und im Laufe des 13. Jahrhunderts an die lateineuropäischen Höfe diffundiert war (1.2.2). Drittens Wissen über historische Ereignisse, darunter insbesondere die Taten vergangener Kreuzfahrer, das als Exemplum oder Warnung für künftige Kreuzzüge interpretiert werden konnte und für die höfischen Beraterkollektive zugleich eine integrale Begrenzungsfunktion erfüllte (1.2.3).
1.2.1 Symbolisieren und Repräsentieren – Alltagswissen Ein umfangreicher Bestand von Wissen, an dem politischen Entscheidungsträger und Kreuzzugsberater aller Subtypen gleichermaßen teilhatten, war das Wissen aus der alltäglichen Lebenswelt.156 Auf der Grundlage dieses Alltagswissens ließ sich durch den Einsatz geteilter, intuitiv verständlicher Symbole eine gemeinsame Basis für die Interaktion zwischen Experten und Laien sowie verschiedener Expertenratgeber untereinander schaffen. Schütz unterscheidet diesbezüglich Symbole von Zeichen, die sich auf Gegenstände in der unmittelbaren oder mittelbaren Reichweite von Akteuren beziehen:
Collins/Evans/Gorman, Trading Zones (2007), 660–662. Siehe dazu Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 29 sowie Einleitung.2.
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In symbolischen Beziehungen ist hingegen das, was appräsentiert wird, nicht nur abwesend (...), sondern gehört überhaupt einem anderen Wirklichkeitsbereich an als der Bedeutungsträger selbst. Nun sind Bedeutungsträger Bestandteile der Alltagswirklichkeit. Sie sind Ereignisse und Gegenstände, die ich in der Wahrnehmung erfahre; unter Umständen kann ich über sie stolpern. (...) Die symbolischen Bedeutungen sind also – an bestimmten Bedeutungsträgern festgemachte – Erinnerungen an Erfahrungen in außeralltäglichen Wirklichkeiten, die aus anderen Zuständen in den Normalzustand des Alltags zurückgebracht worden sind.157
Durch die Nutzung von Symbolen vermochten Berater eine Brücke zwischen der geteilten Lebenswelt aller Kreuzzugsplaner sowie den (Sub)Sinnwelten der verschiedenen Wissenskulturen zu schlagen. Diese Verknüpfung von Alltags- und Spezialwissen bildete einen zentralen Baustein für die Interaktion innerhalb der höfischen Beraterkollektive. Die Geschichtsforschung hat aufgrund des verstärkten Symbolgebrauchs in Sprache, Ritualen und Kunst stets dafür argumentiert, dass in allen Bereichen vormoderner Gesellschaften eine solche symbolisch-bildhafte Kommunikation üblich war und die Zeitgenossen deshalb geübt in der Interpretation von Symbolen waren.158 In Anschluss daran haben sich zwei Ansätze der Untersuchung mittelalterlichen Symbolgebrauchs etabliert, die einerseits als kulturwissenschaftlich und andererseits als kommunikationstheoretisch umschrieben werden können.159 Laut den Vertretern eines kulturwissenschaftlichen Ansatzes stiftet symbolisches (Sprech-)Handeln im Unterschied zu instrumentellem Handeln „Sinn und erschöpft sich nicht in der Erreichung eines bestimmten Zwecks“, denn „der Sinn der symbolisch-expressiven Handlung (...) liegt schon in dem Vollzug der Handlung selbst. Symbolisch-expressives Handeln weist zeichenhaft über sich selbst hinaus und evoziert eine Vorstellung; es wird verständlich erst vor dem Hintergrund eines kollektiven Bedeutungssystems.“160 Vertreter eines kommunikationstheoretischen Ansatzes betonen dagegen die Komplexitätsreduktion durch Symbole und untersuchen dementsprechend, wie symbolische Kommunikation „die Unwahrscheinlichkeit kontingenter Sinnkoordination“ überwindet und so „zum Aufbau zeitstabiler und raumüberwindender Handlungs- und Kommunikationszusammenhänge und ihrer strukturierten Vernetzung“ gelangt.161 Daran anknüpfend kann also konstatiert werden, dass Berater durch die symbolische Verknüpfung von bekannten mit unbekannten Typen die ExpertenLaien-Interaktion für beide Seiten erwartbarer gestalten und sie auf diese Weise stabilisieren konnten. Zum symbolischen Repertoire der Ratgeber gehörten dabei vor allem Metaphern und Allegorien aus den Bildfeldern Anatomie, Medizin und Natur.162
Schütz/Luckmann, Strukturen (2013), 654 f. Huizinga, Herbst (2006), 289–295; Ladner, Understanding (1978), 223–256. Arlinghaus, Rituale (2009), 281 f. Stollberg-Rilinger, Kommunikation (2004), 497 f. Siehe auch Althoff, Bedeutung (1997), 370–389. Schlögl, Symbole (2004), 11. Siehe auch Osterhammel, Symbolpolitik (2004), 395–421. Als „Metapher“ verstehe ich im Folgenden eine Art von kontrolliertem Kategorienfehler, der sich durch die „Divergenz von geregelter lexikalischer Bedeutung des Sprachzeichens und aktuellem Inhalt des Redezeichens“ auszeichnet, vgl. dazu Birus, Metapher (2000), 571 f. Unter „Allegorie“ verstehe ich im Anschluss daran eine „anschaulich-sinnbildliche Darstellung abstrakter Begriffe, Vorstel-
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Anatomische Metaphern und Allegorien, die auf das Bild des menschlichen Körpers rekurrierten, konnten unter anderem dazu eingesetzt werden, um geographische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Guillelmus Adae erläuterte in seinem an Johannes XXII. gerichteten Rückeroberungstraktat etwa die Warenströme zwischen Indien und Ägypten anhand der menschlichen Verdauung: So wie Nahrung vom Kopf in den Hals, vom Hals in den Magen und vom Magen in die anderen Teile des Körpers wandert, so kommen die vorgenannten wertvollen Waren vom indischen Meer, wie von einem Kopf und werden durch den vorgenannten Golf von Aden verbreitet wie durch einen Hals, von dort durch das Rote Meer nach Ägypten, wie in einen Magen, und von dort, wie die anderen Teile des Körpers, in die anderen Regionen der Welt. Wenn also jemand den Kopf abtrennen würde, würde der ganze Magen folglich aus Mangel an Nahrung dahinschwinden und die anderen Glieder würden absterben. Woher also das Übel kommt, dort muss das Heilmittel gegen die Krankheit angewendet werden.163
Diese allegorische Darstellungsform war erforderlich, weil der Dominikanermönch von Johannes XXII. nicht weniger als eine grundlegende Neuausrichtung der päpstlichen Embargo-Politik forderte, die sich bis zu diesem Zeitpunkt stets auf das östliche Mittelmeer fokussiert hatte, und seine Argumente für diesen Paradigmenwechsel auf Wissen aufbaute, über das nur wenige seiner Zeitgenossen verfügten.164 Indem er die hochkomplexe geographische und ökonomische Lage im vorderen Asien auf das allgemein verständliche Bild des menschlichen Körpers reduzierte, vermochte Guillelmus demnach den weniger sachkundigen Rezipienten seines Traktates zu verdeutlichen, warum die unkonventionelle Strategie einer Seeblockade des Handels zwischen Indien und Ägypten erforderlich für die Rückeroberung des Heiligen Landes war. Seine Verdauungsmetapher war somit nicht nur in der Lage, die Position von Ländern und Regionen im physischen Raum zu visualisieren, sondern illustrierte auch ihre wirtschaftspolitische Beziehung zueinander. Da sie komplexe Zusammenhänge vereinfachte, fungierte diese metaphorische Darstellung Asiens zugleich auch als argumentative Engführung, welche die bisherige päpstliche Embargopolitik als wenig zielführend und das Blockadeprojekt
lungen und gedanklicher Zusammenhänge“, welche sich als Metaphernkomplex dadurch auszeichnet, dass „aus einem gemeinsamen bildspendenden Feld verschiedene Elemente in dasselbe bildempfangende Feld projiziert werden.“ Vgl. Olbrich, Allegorie (1987), 108; Peil, Metaphernkomplex (2000), 576. Diese Begriffsbestimmungen entsprechen auch weitgehend der Terminologie der Zeitgenossen, so bezeichnete Marino Sanudo seine Darstellung des Islam als Festung bzw. Baum selbst als allegoria und metaphorica, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 39 f. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 100: Nam sicut cibus a capite in gutture et a gutture in stomachum et de stomacho ad ceteras partes corporis se transfundit, ita predicte merces preciose a mari Indico quasi a capite ortum habent, et per predictum gulfum Eden quasi per guttur, dehinc in Egiptum per mare Rubrum quasi in stomachum, et deinde quasi ad partes corporis, ad ceteras mundi provincias disperguntur. Qui ergo caput prescinderet, totus stomachus ex defectu nutrimenti tabescens per consequens et membra cetera deperirent. Unde igitur malum provenit ibi contra morbum remedium apponatur. Bontea, Passagium (2018), 202–219; Christ, Kreuzzug (2016), 261–269; Cocci, Projet (2002), 171–188; Leopold, Holy Land (2000), 126–136; Menache, Boycott (2012), 252–257. Siehe auch II.4.2.3.
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des Dominikaners als einzig plausible Lösung des Rückeroberungsproblems erscheinen ließ. Seine Wahl der Allegorie war dabei durchaus kreativ, denn in den theologischen Traktaten und Fürstenspiegeln seiner Zeit wurde der Körper meist in antiker Tradition als Symbol für den Staat oder die römische Kirche aufgefasst und nicht etwa zur Visualisierung wirtschaftlicher Kreisläufe genutzt.165 Mittels medizinischer Metaphern porträtierten die Berater üblicherweise die Muslime im Allgemeinen oder das ägyptische Sultanat im Speziellen als Krankheit, welche durch die Kreuzfahrer geheilt werden könne. Dem jeweiligen Expertenratschlag kam dabei die zentrale Funktion der Medizin oder des Gegenmittels zu, das die Genesung einleiten sollte.166 Auch in diesem Fall setzen die Ratgeber also Symbole zur Komplexitätsreduktion und argumentativen Engführung ein. Im Gegensatz zu rein anatomischen Symboliken hatten die medizinischen Metaphern allerdings eine deutlich stärker ausgeprägte normative Komponente, welche die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Handels in den Vordergrund stellte und dementsprechend argumentativ besser genutzt werden konnte. Aus diesem Grund dienten sie den Beratern nicht allein zur Wissensvermittlung, sondern auch zu epistemischen Rechtfertigung desselben. Um für die großangelegte Säkularisation kirchlicher Güter zu argumentieren, zeichnete Pierre Dubois beispielsweise Priester als Mediziner für die Seele, die sich allein auf die Heilung konzentrieren und sich nicht über Gebühr mit weltlichen Belangen befassen sollten.167 Zu den Symboliken aus dem Bereich der Natur im Repertoire der Kreuzzugsberater zählte insbesondere das Bild des Baumes, welches sich in der gelehrten Literatur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit ebenfalls großer Beliebtheit erfreute. Dort hatten Baum-Symboliken eine ordnende und systematisierende Funktion, denn „they expressed hierarchy and coherence in visual terms and illustrated conceptual relationships between the various individual components and the whole, thus rendering difficult intellectual concepts accessible to their audience.“168 Die sicherlich einflussreichste dieser Baum-Allegorien war das Bild der arbor scientiae, das der katalanische Gelehrte Ramon Llull 1296 in seiner gleichnamigen Enzyklopädie entworfen hatte. Llull nutzte den Baum zur allegorischen Darstellung der Wissenschaften, die er in insgesamt 16 Bäume unterteilte, welche mit Wurzeln, Stamm, Ästen, Zweigen, Blättern, Blüten und Früchten jeweils sieben Strukturelemente aufwiesen.169 Die arbor elementalis, welche den ersten Bergdolt, Mikrokosmos (2004), 135–138. In dieser Tradition argumentierte auch Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 50–52. Lewy hat darauf hingewiesen, dass Guillelmus’ kreativer Einsatz der Körperallegorie vermutlich einen Nachahmer in Opicinus de Canistris (✶um 1296 †1353) gefunden hat, der in dieser Zeit als Schreiber in der apostolischen Pönitentiarie tätig war, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 223. So u. a. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 396; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 100; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 340 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 8; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 329–331. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 72. Salonius/Worm, Introduction (2004), 3. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 1, 7: Propter quod habeo voluntatem illum librum faciendi, de quo me rogatis, recipiendo significata, que haec arbor mihi in septem rebus signifi-
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dieser 16 Bäume in Llulls Abhandlung bildete, setzte sich zusammen aus den principia artis wie der Weisheit oder Wahrheit als Wurzeln, dem Chaos als Stamm, den vier elementa simplia Feuer, Wasser Erde und Luft als Ästen, den davon abgeleiteten elementa composita als Zweigen, den accidentia als Blättern sowie den instrumenta als Blüten. Die elementata wie Menschen, Fische oder Steine bildeten schließlich die Früchte des Baumes.170 Llull selbst bemerkte dazu, er habe bewusst das Symbol des Baumes gewählt, weil es leicht verständlich sei und somit einem größeren Kreis an Rezipienten den Zugang zu anderen Werken wie seiner ars generalis eröffne, deren Studium schwierig sei und viel Zeit erfordere.171 Auch von Kreuzzugsberatern wurde das Bild des Baumes bemüht, um die von ihnen eingesetzten Wissenselemente in einen hierarchischen Zusammenhang zu setzen, der allgemein verständlich war. Orientexperten verwandten den Baum zumeist als Allegorie für das ägyptische Sultanat oder die Gemeinschaft der Muslime und versuchten auf diese Weise die inneren Herrschaftsverhältnisse im Vorderen Orient zu illustrieren.172 Sie bedienten sich dabei üblicherweise der gleichen Strukturelemente wie Llull, so stellte Marino Sanudo fest: Der oben erwähnte Baum ist die Sekte des treulosen Mohammed (...) und außerdem die Anhänger des vorgenannten [Mohammed] und ferner die unterworfenen Provinzen, die zuvor erwähnt wurden. Zuerst ist der Stamm des vorgenannten Baumes, der die Wurzel und sein hochwirksames Fundament bildet, das Land Ägypten. Die Äste des Baumes aber sind die zuvor genannten Provinzen und die Fürsten, welche die vorgenannten Provinzen beherrschen; das heißt in der Türkei, in Syrien und im Gelobten Land, und nicht minder in der Berberei, die als Königreich Tunis bezeichnet wird, sowie durch das ganze Land Afrika und durch alle Teile der restlichen Welt, in denen die Sekte jenes gottlosen Verführers befolgt und verehrt wird. Die Blätter des genannten Baumes schließlich sind die Völker und Menschen, die in den Häusern der vorgenannten Provinzen leben.173
cat, videlicet per radices, per truncum arboris, brancas, ramos, folia, flores et fructus; per ista septem huius libri processum tenere propono. Llull unterschied zwischen der arbor elementalis, vegetalis, sensualis, imaginalis, humanalis, moralis, imperialis, apostolicalis, caelestialis, angelicalis, aeviternalis, maternalis, Jesu Christi, divinalis, exemplificalis sowie quaestionalis, vgl. ebenda, 7 sowie dazu Bonner, Structure (2002), 21–34. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 1, 11 f. Siehe dazu Lohr, Arbor scientiae (2004), 79–84. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 1, 5: Multum placuit monacho, quia Raimundum invenit; cui dixit, quod ipsum diu quaesit, ut unum librum componeret ad omnes scientias generalem, qui leviter intelligi posset, et per quem Ars sua generalis, quam composuerat, facilius intelligi posset, quia nimis subtilis videtur ad intelligendum, et etiam quia ceterae scientiae, quas antique sapientes invenerunt, ita sunt difficiles et ita longum tempus requirunt, quod difficiliter aliquis potest ad finem debitum pervenire, et etiam plura dubia sunt, quae quidam sapientium contra alios habent sapientes. So u. a. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 26; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 40–47. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 45: Arbor superius memorata secta est pefidi Mahometi (...) et etiam gens praefati, nec non et provinciae subditae praelibatis. Inprimis stipes praefate arboris, est radix et suum efficacissimum fundamentum, quae est in terra Aegiptia propagata. Rami
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Im Unterschied zu Llull verzichtete Sanudo bei dieser Baum-Allegorie allerdings bewusst auf das Strukturelement der Früchte, weil, so der Venezianer weiter, aus den Lehren des Islam bzw. der secta Machometi bekanntlich keine gute Frucht erwachsen könne.174 Sanudo nutzte die Allegorie des Baumes allerdings nicht nur zur Darstellung von Herrschaftsverhältnissen, sondern auch, um dafür zu argumentieren, warum ein direkter Angriff auf das Zentrum der muslimischen Macht in Ägypten einer militärischen Offensive an der Levante vorzuziehen sei. Vorangegangene Kreuzfahrer wie Gottfried von Boullion oder Richard I. hätten durch ihre Eroberungen an der Levante nämlich nur die Äste des Baumes gestutzt, es jedoch versäumt, dessen Wurzeln und Stamm in Ägypten zu zerstören, sodass die Äste stets nachwachsen konnten, indem der Sultan die verlorenen Provinzen zurückeroberte.175 Sanudo hielt jedoch zugleich fest, die vergangenen Angriffe der Kreuzfahrer auf Ägypten hätten gezeigt, dass der Stamm des Baumes zu stark sei und im Vorfeld eines Kreuzzuges zunächst geschwächt werden müsse. Aus diesem Grund sei es erforderlich, zunächst den ägyptischen Mittelmeerhandel zu unterbinden, der gleich einer Wasserquelle die Wurzeln des Baumes nähre und seinen Stamm kräftige. Einmal von seiner Wasserzufuhr abgeschnitten, sei der Stamm geschwächt und könne von den Kreuzfahrern zerstört werden.176 Diese bildnerisch-vereinfachende Darstellung orientalischer Geopolitik muss für die anderen Kreuzzugsplaner intuitiv plausibel gewesen sein, denn unabhängig von Sanudo verwendete Guillelmus Adae eine sehr ähnliche Allegorie, um für sein Projekt einer Seeblockade des Golfes von Aden zu argumentieren. Auch er verglich den Islam mit einem Baum, dessen Wurzeln sich durch den ägyptischen Indienhandel ernährten, sodass infolge der von ihm vorgeschlagenen Handelsblockade die Zweige austrocknen und abfallen würden, weil den Wurzeln die Nahrung genommen wird.177 Der Umstand, dass der Dominikaner im Gegensatz zu Sanudo keinen Angriff der
vero arboris, antedictae provinciae sunt, et domini, qui praefatis provinciis dominantur, scilicet in Turchi, Syria et in Terra Promissionis, nec non et in Barbaria, quae Regnum Tunitium appellatur, et per totam terram Africae et per omnes partes alias mundi huius in quibus obeditur et creditur sectae illius impii seductoris. Folia autem praefata arboris, gentes existunt et populi facientes in praefatis provinciis mansiones. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 45: Ad illud autem quod dictum est, quod arbor praefata fructum aliquem non producit, debet intelligi secta perfidi Machometi, ex qua alicuius boni operis nullus progreditur bonus fructus. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 45–47. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 45: Sed fons, qui proprie hanc arbore supradictum impinguat et ipsam facit quasi in omnibus affluentem, est Pontus per quem incolis et accolis dictae terrae, in affluentia deferuntur, propter quae praedicti nunc temporis habent omnia genera specierum cum mercationibus Indianis, absque; quibus ut superius est narratum, praefati Aegyptii, tam incolae quam accolae antedicti, se non possent commode sustentare, nec bene regere vitam suam. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 26: et rami deficiant et arescant sublato a radicibus nutrimento.
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Kreuzfahrer auf Ägypten beabsichtigte, verdeutlicht zugleich das flexible Ausdeutungspotential dieser Allegorie. Allegorien, Metaphern und Symbole wurden allerdings nicht nur verbal beschrieben, sondern zu ihrem besseren Verständnis mitunter auch bildnerisch dargestellt. Wie Ramon Llull, der die Kopien der Arbor scientiae mit entsprechenden Illustrationen seiner Bäume ausstatten ließ, nutzten auch einige der Kreuzzugsberater in ihren Rückeroberungstraktaten das Instrument der Buchmalerei, um den Lesern ihre Metaphern und Allegorien zu veranschaulichen. Oft wurden Bild und Text dabei parallel eingesetzt, um sich gegenseitig zu stützen und erläutern.178 Besonders eindrücklich zeigt sich diese Vorgehensweise im Liber secretorum des Marino Sanudo, der sein Werk zwar nicht selbst illustriert, aber das ikonographische Programm seines Traktates bewusst komponiert und auf den Text abgestimmt hatte. Wie schon Degenhart/ Schmitt in ihrer Studie der Ikonographie Sanudos herausgestellt haben, sind die vom Venezianer selbst entwickelten Bildkompositionen im Unterschied zu den in diesem Zeitraum vielfach üblichen Buchillustrationen „keine Schilderung von Ereignissen, sondern übertragen Programme und Ideen des Autors in symbolhafte Formeln.“179 Zur Beschreibung der geopolitischen Lage des christlichen Königreichs Armenien griff der Venezianer auf die Bildfelder von Tier und Körper zurück und stellte fest, das Land befinde sich in den Fängen von vier Raubtieren: Auf der Landseite hat es einen Löwen, das heißt die Tataren, denen der König Armeniens einen großen Tribut bezahlt. Auf der anderen Seite hat es einen Panther, nämlich den Sultan [von Ägypten], der täglich die Christen und das Reich zerstört. Auf der dritten Seite hat es einen Wolf, das heißt die Türken, die Herrschaft und das Reich verwüsten. Auf der vierten Seite hat es eine Schlange, nämlich die Korsaren des Mittelmeeres, die täglich an den Knochen jener armenischen Christen nagen.180
Sanudo beließ es indes nicht bei dieser Schilderung, denn in allen mit Buchmalereien versehenen Kopien des Liber secretorum befindet sich auf dem entsprechenden Blatt eine bas-de-page-Miniatur, welche die zuvor im Text dargestellte Allegorie illustriert und über alle Redaktionen des Werkes hinweg gleichbleibende Bildgestaltungselemente aufweist (siehe Abb. 14 u. 15).181
Jakobi-Mirwald, Buch (2004), 194–221 unterscheidet zwischen drei Hauptfunktionen der mittelalterlichen Buchmalerei: Verzierung, Textillustration und Repräsentation. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 28. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 32: Ab una parte infra terram habet Leonem; scilicet Tartaros, quibus Rex Armeniae reddit magnum tributum. Ab alia parte habet Pardum: videlicet Soldanum, qui quotidie dissipat Christianos et Regnum. A tertia parte habet Lupum: scilicet Turchos, qui destruunt dominium et Regnum. A quarta parte habet Serpentem: videlicet Cursarios maris nostri, qui quotidie rodunt ossa ipsorum Christianorum de Armenia. BA Ms. D 203, fol. 11r; BAV Vat. lat. 2971, fol. 13r; BAV Vat. Lat. 2972, fol. 14r; BAV Reg. Lat. 548 fol. 13v–14r; BL Ms. Add. 27376, fol. 7r; BLO Ms. Tanner 190, fol. 20v. Die Miniatur im Kodex BAV Vat. Lat 2971 zeigt allein den von vier Raubtieren umringten armenischen König, das Korsarenschiff fehlt
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Abb. 14: Armenien-Allegorie im Liber secretorum des Marino Sanudo (1322/23).
Die vier Tierfiguren vermittelten neben ihrer bereits im Text dargestellten Beziehung zu Armenien auch die Charakteristika der Herrschaftsverbände und Ethnien, die sie repräsentierten, denn sowohl der Wolf als auch die Schlange galten in der christlichen Ikonographie als Vertreter des Bösen.182 Der Löwe hingegen wurde zwar einerseits als bedrohliches Raubtier verstanden, war jedoch auch mit Tapferkeit, Stärke oder Macht konnotiert und versinnbildlichte seit dem Hochmittelalter unter anderem den überwundenen Dämon.183 Die Auswahl des Löwen als Symbol für die Mongolen hing demnach eng mit Sanudos Plan einer Allianz zwischen den Kreuzfahrern und dem Ilkhan zusammen, da der Löwe im Gegensatz zu Wolf oder Schlange nicht in grundsätzli-
ebenso wie die Darstellung der orientalischen Christen. Da ausnahmslos alle Miniaturen in diesem Kodex Federzeichnungen ohne Kolorierung sind, liegt die Vermutung nahe, dass das Buch unter Zeitdruck fertig gestellt werden musste und aus diesem Grund eine unvollständige Illustration und Illumination aufweist. Zu BAV Vat Lat. 2971 siehe auch Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 90. Braunfels, Wolf (1972), 536–539; Kemp, Schlange (1972), 75–81. Bloch, Löwe (1971), 112–119. Auch Hethum von Korykos verglich den Ilkhan mit einem Löwen, vgl. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 317. Der bildhafte Vergleich mit dem Löwen fehlt allerdings in der älteren französischen Redaktion seines Rückeroberungstraktates und wurde vermutlich von dem Prämonstratenser Nicolas Falcon hinzugeführt, der das Werk übersetzt hat, vgl. Ders., Flor des Estoires. Ed. Dulaurier/Kohler/Mas Latrie, 192.
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Abb. 15: Armenien-Allegorie im Liber secretorum des Marino Sanudo (1327–1330).
cher Opposition zum Christentum stand. Der Panther bzw. Leopard entstammte dagegen nicht der christlichen Ikonographie, sondern war das Wappentier des vormaligen Sultans Baibars, das als solches auch viele Jahre nach dessen Tod noch auf Bauwerken und Münzen präsent und somit vermutlich auch Sanudo bekannt war.184 Mit einer an seinem Schwanz befestigten Schlinge hält der Panther wiederum die Nubier und orientalischen Christen zu seiner Rechten gefangen, die Sanudo ebenfalls als Bündnispartner für die Kreuzfahrer im Auge hatte.185 Das Schiff der Korsaren zur Linken des armenischen Herrschers stellte zugleich die Notwendigkeit einer permanenten Flotte im östlichen Mittelmeerraum heraus, die Sanudo und andere Berater immer wieder forderten. Die bas-de-page-Miniatur versinnbildlichte also nicht nur die dramatische Lage Armeniens, sondern nahm zugleich einige der Lösungsansätze vorweg, die der Venezianer dem Leser im späteren Verlauf seines Liber secretorum präsentierte. Die Darstellungen
Baibars und seine Nachfolger als ägyptische Sultane ließen sich allerdings auch als Löwen abbilden, was Marino Sanudo vermutlich aufgrund der positiven Konnotation dieser Tierfigur nicht in sein ikonographisches Programm übernahm, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 207 f.; Niall, Muslims (2014), 107. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 32: Et habere dignetur intuitum pietas vestra [Johannes XXII., Anm. d. V.] ad illos Christianos, qui in terris Soldani in captivitate longo tempore permanserunt, quibus post amissionem Acon et Syriae crudelius dominium factum fuit.
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gehören zu einem Ensemble aus wiederkehrenden Figuren und Symbolen, das Sanudo eigens zur Illustration seines Werkes entworfen hatte. So tauchen etwa sowohl der Panther als Symbol des Sultans als auch der Löwe als Symbol für die Mongolen über das gesamte Rückeroberungstraktat hinweg verteilt in Miniaturen auf, um Sanudos geopolitische oder militärstrategische Überlegungen zu illustrieren.186 Die Ratgeber setzten die Buchmalereien allerdings nicht nur ein, um Metaphern oder Allegorien bildnerisch darzustellen, sondern versuchten auch das im Text artikulierte Spezialwissen direkt in Form von Bildbeispielen zu illustrieren. Guido von Vigevano merkte explizit an, die Bilder in seinem 1335 für Philipp VI. verfassten Texaurus regis Fancie seien als exempla zu verstehen, welche die Konstruktion der Gerätschaften anleiten sollten, die er im zweiten Buch des Rückeroberungstraktes beschrieben hatte.187 Jeder dieser Apparaturen sind ein oder zwei nebenstehende Abbildungen gewidmet, die das fertige Konstrukt im Einsatz zeigen.188 Die Konstruktionsanleitungen, die den Großteil der Kapitel des zweiten Buches einnehmen, sind in einem technischen Vokabular gehalten und richteten sich an die Belagerungstechniker und Militäringenieure, die den französischen König auf seinem Kreuzzug begleiten würden. Mit Hilfe von Guidos Anweisungen sollten diese Ingenieure dann die beschriebenen Gerätschaften während des Feldzuges vor Ort nachbauen, wenn es erforderlich war. Um den Aufbau der einzelnen Apparaturen möglichst präzise darzustellen, verwendete der Mediziner handwerkliche Fachtermini wie Achsbalken (asalis), Querstück (spranga) oder Ritzel (cugnonis), die wohl aus den italienischen Volkssprachen stammten und wahrscheinlich für alle Militäringenieure seiner Zeit nachvollziehbar waren.189 Aufgrund dieser Fachsprache sowie des zu Grunde liegenden Spezialwissens dürften große
Der Vorschlag einer Allianz mit den Mongolen wird z. B. durch eine bas-de-page-Miniatur illustriert, die einen Geistlichen zeigt, der einen Panther mit einem Seil bändigt, während dieser von einem Bogenschützen beschossen wird, der auf einem Löwen reitet, vgl. u. a. BAV Vat. Lat. 2972, fol. 7v; BAV Reg. Lat. 548, fol. 8v; BL Ms. Add. 27376, fol. 1v; BLO Ms. Tanner 190, fol. 13v. Eine weitere bas-de-pageMiniatur zeigt ein Heer, das von einem Pantherreiter angeführt wird und von einer christlichen Flotte gemeinsam mit nubischen bzw. äthiopischen Reitern attackiert wird, vgl. u. a. BA Ms. D 203, fol. 12r; BAV Vat. Lat. 2972, fol. 15v; BAV Reg. Lat. 548, fol. 15v; BL Ms. Add. 27376, fol. 8v; BLO Ms. Tanner 190, fol. 22r. Siehe dazu auch Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 28–31. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 90: Ideo ego Guido mediante dei auxilio cum sit iusta causa a manibus inimicorum extorqueri terram sanctam de ultra mare omnia artificia acquisitionis ipsius terre sancte tam per aquam quam per terram taliter componam quod leviter poterunt super equis aportari et sine mora ad opus acquisitionis ipsius reduci prout inferius per capitula seriatim declarabo et post capitulum semper manifestum dabo exemplum. Die Illustrationen sind durch rubrizierte Überschriften den Kapiteln zugeordnet, in denen die abgebildeten Gerätschaften beschrieben werden, z. B. exemplum sexti capituli suprascripti, vgl. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 47v. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 122; 136; 152; 160. Für eine etymologische Analyse siehe Hall, Texaurus (1976), 30 f. In seiner technikgeschichtlichen Untersuchung von Guidos Windwagen hat Alertz derweil dafür argumentiert, dass dem Mediziner die Übertragung dieser volkssprachlichen Fachterminologie ins Lateinische nur bedingt gelang, vgl. Alertz, Windwagen (2001), 65 f.
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Teile des Textes politischen Entscheidungsträgern ebenso wie den meisten anderen Kreuzzugsberatern schlichtweg unverständlich gewesen sein. Die Illustrationen hingegen hatten zwar ebenfalls einen durchaus technischen Charakter, umfassten jedoch auch Elemente, die zur Konstruktion nicht notwendig waren, aber dabei halfen, den Anwendungskontext der Gerätschaften zu verdeutlichen. Guidos Darstellung der Methode, Stangen und Plattformen herzustellen und sie verpackt auf Pferden zu transportieren, um bei Gelegenheit Dörfer, Städte und Burgen zu erobern im zweiten Kapitel des zweiten Buchs wird etwa von einer Illustration begleitet, die neben der Plattform selbst auch das umliegende Terrain, die Belagerer und Verteidiger sowie die zu erstürmende Mauer zeigt (siehe Abb. 16).190 Die bildliche Darstellung vermochte somit selbst unkundigen Lesern einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die beschriebenen Plattformen im Kampf eingesetzt werden sollten und was sie dort würden leisten können. Durch die Kombination von Bild und Text war der zweite Teil von Guidos Rückeroberungstraktat also auf zwei Rezipientengruppen ausgelegt: Einerseits die Konstruktionsanleitungen für die Träger der entsprechenden handwerklichen Expertise, andererseits die Illustrationen für politische Entscheidungsträger und andere, technisch unkundige Berater. Um eine allgemein verständliche Interaktionssprache innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen herzustellen, rekurrierten Berater indes keineswegs ausschließlich auf Bilder. Ein nicht-piktorales Beispiel dafür, wie Spezialwissen durch lebensweltliches Alltagswissen erschlossen werden konnte, bilden die Itinerare, welche von den Beratern des geographisch-ethnographischen Subtyps eingesetzt wurden, um mögliche Routen für das Kreuzfahrerheer im Orient zu beschreiben. Diese Itinerare waren in den Kreuzzugsplanungen keineswegs Ausnahmeerscheinungen, sondern dienten den Verfassern der Via ad Terram Sanctam, Memoria Terre Sancte und Devise des chemins de Babiloine ebenso wie Marino Sanudo als Organisationsschema für die Darstellung der Kreuzzugsroute als lineare Abfolge aufeinanderfolgender Wegstationen. Alle vier genannten Werke behandelten den von den meisten Beratern als riskant eingestuften Weg von Gaza über die Sinai-Halbinsel nach Ägypten, die Verfasser der Devise diskutierten überdies drei weitere Kreuzzugsrouten, die von der ägyptischen Nordküste nach Kairo führten.191 Mit dem Itinerar bedienten die Berater sich dabei einer literarischen Darstellungsform, die bereits in der Antike zur Darstellung von Wegstrecken eingesetzt worden war und nach dem Untergang des römischen Reiches über das Frühmittelalter hinweg unverändert weiter
Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 90: Capitulum Secundum de modo faciendi perticas et baltriscas occasione habendi villas Civitates et castra et involutas super equis aportare. Siehe auch BNF Ms. Lat. 11015, fol. 42r–43r. Zu der Plattform siehe France, Warfare (1999), 117. Devise des chemins. Ed. Paviot, 204–220; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 454–457; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 432–434. Marino Sanudo schlug zwar die gleiche Route vor, sah jedoch die umgekehrte Marschrichtung vor; die Kreuzfahrer sollten in Ägypten landen und anschließend von dort über die Sinai-Halbinsel nach Jerusalem gelangen, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261 f. Siehe auch II.4.2.2.
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Abb. 16: Skizze einer Plattform im Texaurus regis Francie des Guido von Vigevano (1335).
genutzt wurde.192 Die weit zurückreichende Tradition der Itinerare erklärt sich vermutlich aus ihrer intuitiven Verwendungsweise, denn im Gegensatz zu Beschreibungen von Regionen oder kartographischen Darstellungen vermochten sie die lebensweltliche Erfahrung des Reisens einzufangen. Aufgrund seiner raumzeitlichen Bindung an einen Ort trat
Burian/Kessler, Itinerare (1998), 1178–1182; Richard, Récits (1981), 15–19.
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(und tritt) dem Reisenden der geographische Raum, den er durchquert, zunächst, das heißt vor der Applikation weiterführender Typisierungen, welche die durchreiste Region beispielsweise als Teil eines Reiches identifizieren, immer als lineare Abfolge von Stationen gegenüber. Um Aussagen wie Item, de la Aahrerie jusques a Berine, qui est mout bel casal et sont tous Crestiens, liue .j.193 zu verstehen, war kein Raumkonzept jenseits der Raumerfahrung des Reisens erforderlich. Zur Vermittlung von Spezialwissen über die Topographie des Orients oder die Position von Ortschaften war es folglich ausreichend, eine allgemein bekannte Stadt wie Damietta oder Alexandria als Ausgangspunkt des Itinerars zu wählen und anschließend von dort ausgehend den unbekannten Raum im linearen Erlebensmodus des Reisenden zu erschließen. Die Berater bedienten sich daher häufiger der Raumdarstellung von Itineraren als in Form von Karten, die erst ab den 1290er Jahren in der höfischen Kreuzzugsplanung eingesetzt wurden. Dies gilt insbesondere für die neueren Portolankarten zur Navigation auf dem Mittelmeer, die wahrscheinlich erst in der Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelt worden waren und außerhalb der Milieus katalanischer und oberitalienischer Seefahrer kaum bekannt waren.194 Der in der kartographischen Forschung meistzitierte Beleg für diese Annahme, und zugleich der erste schriftliche Nachweis einer Seekarte zur Navigation auf dem Mittelmeer überhaupt, stammt bezeichnenderweise aus den Gesta sancti Ludovici des Guillaume de Nangis (†um 1300). Der französische König Ludwig IX. sei, so der Chronist, im Jahre 1270 während seines zweiten Kreuzzuges auf dem Weg von Aigues-Mortes nach Tunis in einen Sturm geraten, was die Seeleute zu einer Kursänderung veranlasst habe. Nachdem der König seine Beunruhigung darüber kundgetan habe, dass die Kreuzfahrerflotte noch nicht die Stadt Cagliari erreicht hatte, obwohl sie bereits den für diese Strecke üblichen Zeitraum gefahren sei, hätten die genuesischen Seeleute ihm eine Portolankarte gezeigt, um zu verdeutlichen, dass sie sich nach wie vor auf dem korrekten Kurs befänden und Cagliari unmittelbar vor ihnen liege. Aber sowohl der König als auch sein hinzugeeilter Sohn und späterer Nachfolger seien durch die Karte allein nicht zu beruhigen gewesen.195 Auch der Chronist dieser Episode scheint unschlüssig über die Funktion der Karte gewesen zu sein, bezeichnete er sie doch fälschlicherweise als mappa mundi und nicht etwa als Seekarte.196 Gautier Dalché hat darin den Zusammenstoß zweier Arten der Raumwahrnehmung gesehen: Der König betrachtete die Seereise als lineare Abfolge verschiedener sichtbarer Landmarken im Stile der Itinerare seiner Zeit, was im Gegensatz zu der multiperspektivischen Raumwahrnehmung stand, die das karto-
Devise des chemins. Ed. Paviot, 215. Campbell, Portolan Charts (1987), 381–384; Falchetta, Science (2017), 261–273; Gautier Dalché, Carte marine (2017), 104 f.; Lanman, Origin (1984), 1–3. Guillaume de Nangis, Gesta sancti Ludovici. Ed. Daunou/Naudet, 444. Zu den zeitgenössischen Bezeichnungen für eine Portolankarte im 13./14. Jahrhundert zählten u. a. carta pro navigando, carta ad navigandum, carta ad navigandi, carta de navegar oder mappa maris, vgl. Campbell, Portolan Charts (1987), 375; Gautier Dalché, Usage (1996), 107–109.
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graphische Denken der Seeleute auszeichnete.197 Der Bericht des Guillaume de Nangis zeigt somit auch, dass dieses kartographische Perzeptionsschema unter den politischen Entscheidungsträgern, die sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts für die Organisation von Kreuzzügen verantwortlich zeigten, nicht verbreitet war. Als Portolankarten aber auch die ebenfalls erst im 13. Jahrhundert aufkommenden Regionalkarten erstmals in den Kreuzzugsplanungen zum Einsatz kamen, bedurften sie folgerichtig der Rahmung durch anleitende Texte, um von Laien gelesen werden zu können. Aus diesen Gründen ergänzte Marino Sanudo die fünf Portolankarten, die er 1320 in der Werkstatt von Pietro Vesconte für seinen Liber secretorum hatte anfertigen lassen, durch Auszüge aus oberitalienischen Seehandbüchern wie dem Compasso de navegare, die in ihrer linearen Darstellungsform an Itinerare erinnern.198 Seine Beschreibung der Abfolge von Häfen und Landeplätzen entlang der östlichen Mittelmeerküste im vierten Teil des zweiten Buchs war, abgesehen von Navigationsanweisungen, Sternbildern sowie Hinweisen auf Untiefen,199 nur wenig voraussetzungsreicher als die Routendarstellung in den vorgenannten Itineraren. Um Aussagen wie A Vallania usque Mergatum, castrum fortissimum, millia sunt quinque, per Meridiem navigando200 zu verstehen, war ebenfalls kein Raumkonzept jenseits der Erfahrung des Reisenden und der auf Anschauung beruhenden Kenntnis der Himmelsrichtungen erforderlich. Dass diese Angaben mit Sanudos Kartenwerk eng verknüpft waren, illustriert bereits der Umstand, dass die Reihenfolge, in der die einzelnen Häfen aufgezählt werden, exakt der Reihenfolge entspricht, in der sie auf der Portolankarte des östlichen Mittelmeerraumes auftauchen, die Sanudo 1320 anfertigen ließ (siehe Tab. 8). Zudem wurden die einzelnen Darstellungselemente der Portolankarte im beigeordneten Text aufgeschlüsselt. So konnte der Leser dem Text entnehmen, dass es sich bei den zwei roten Symbolen an der Küste vor Bolcherium um Inseln handelte.201 Auch wenn das Verhältnis von See- und Navigationshandbüchern wie dem Compasso zu Portolankarten in der kartengeschichtlichen Forschung nach wie vor debattiert wird,202 ist ange-
Gautier Dalché, Cartes (2010), 77–79; Ders., Carte marine (2017), 110 f., Fußn. 36. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 85–90; Compasso de navegare. Ed. Debanne, 73–80. Zum Verhältnis von Portolankarten und Seehandbüchern siehe Lanman, Origin (1984), 5–23 sowie II.4.3.2. So etwa Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 86: Tyrus autem portus habet et plura scolia ad Magistrum, quae omnia dimitti debent a Meridie et debet intrare quicunque; fuerit per Septentrionem, hoc est versus scolium nominatum quod est a partibus Tramontanae, qui ab omnibus scoliis supradictis debet Prodensibus duobus et dimidio elongari; vel debet sibi cavere quonia in omnibus ipsorum focibus fundum parvum protinus reperitur et podest ibi stare ad Prodenses, quicunque fuerit penes muros praedictae civitatis. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 85. Um die Itinerare und Seekarten als Navigationsinstrumente zu benutzen, war allerdings praktisches Wissen aus der Seefahrt unabdingbar, vgl. u. a. Gautier Dalché, Usage (1996), 97–128. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 87. Falchetta, Portolan Charts (2008), 272–274; Gautier Dalché, Carte marine (2017), 103; Pujades i Bataller, Cartes portolanes (2007), 176 f.
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sichts der Vorliebe der Kreuzzugsplaner für Itinerare anzunehmen, dass die Beschreibung der Häfen neben ihrer ergänzenden zugleich auch eine erklärende Funktion einnahm.203 Tab. 8: Toponyme an der ägyptischen Mittelmeerküste. Liber secretorum
Portolankarte
Buch II, Teil IV, Kapitel
BAV Pal. lat. A, fol. v-r
Joppa Castrum Beroardum Ascalon Gazara Darum Caput Beroardi Culfus Rixae Caput Staxum Rasagasaron Faramia Flumen Tenexae Damiata Flumen Damiata Burlum Flumen Sturio Flumen Raxetus Bolcherium Alexandria
Joppen Castel Beroardo Asscallona Gazara Dromo Berio Gulffo de risso Staigrio Cavo d’sarafen✶ Faramia Tenex Damiata Flumen Damiata Cavo d’bloye Sturiom Flume[n] rossito Cassar bolcher Allexandria
✶
In BAV Vat. lat. 2972, fol. 108v–109r u. allen späteren Redaktionen Raxacassarium o. ä.
Wie stark die Itinerar-förmige Raumdarstellung in die Gestaltung von Sanudos Kartenwerk hineinwirkte, zeigt sich insbesondere an einer Kopie der Portolankarte des östlichen Mittelmeeres, die vermutlich 1322 in Avignon entstand und sich gegenwärtig im Kodex Tanner 190 der Oxforder Bodleiana befindet (siehe Abb. 17). Die kartengeschichtliche Forschung hat bisher übersehen, dass BLO Tanner 190 im Gegensatz zu den anderen erhaltenen Kopien dieser Karte (u. a. Abb. 11) nicht von einem professionellen Kartographen angefertigt wurde. Für diese Annahme sprechen vier Eigenarten von BLO Tanner 190: Erstens sind die Toponyme auf der Karte auf eine Weise verzeichnet, die für Portolankarten ungewöhnlich ist. Üblicherweise waren die Ortsnamen entlang des Küstenverlaufs eingezeichnet, damit die Nutzer den Kurs des Schiffes auf der Karte nachvollziehen konnten. Auf BLO Tanner 190 sind die Ortsnamen an der Südküste
Auch die vier Mendikanten, die im Auftrag des Papstes Sanudos Rückeroberungstraktat begutachteten, bezogen sich auf die Beschreibung der ägyptischen Küste im zweiten Buch, nicht aber auf die Portoloankarte des östlichen Mittelmeerraumes, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 4.
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Kleinasiens dagegen blockförmig angeordnet, sodass es schwerfällt, den jeweiligen Orten den passenden Küstenabschnitt zuzuordnen. An der ägyptischen Nordküste fehlt sogar nahezu die Hälfte der Toponyme. Während dort auf den meisten anderen Karten 18 Ortsnamen verzeichnet sind (siehe Tab. 8), zeigt BLO Tanner 190 nur zehn. Ungewöhnlich ist auch die Beschriftung der Karte, weil sie im Unterschied zu den volkssprachlichen Beschriftungen der anderen Vesconte-Karten (gulffo, castel) oft lateinische Ausdrücke (culfus, castrum) enthält.204 Zweitens weist BLO Tanner 190 kaum maritime Gefahrenzeichen auf, obwohl diese Symbole bereits seit dem späten 13. Jahrhundert ein integraler Bestandteil aller Portolankarten waren.205 Auffällig ist die Abwesenheit dieser Zeichen vor allem an dem Küstenabschnitt, der westlich von Alexandria liegt. Dem Compasso de Navegare sowie den Angaben im Liber secretorum zufolge befand sich dort eine flachliegende Kette von Riffen, die eine Gefahr für die Schifffahrt darstellte.206 Auf den anderen Vesconte-Karten ist diese Gefahrenstelle dagegen durch eine Reihe roter Punkte vermerkt, die den Leser vor den Riffen warnen sollten. Drittens weist die Küstenlinie weder die Strichführung noch die Präzision auf, welche für die anderen Seekarten aus der Werkstatt Vescontes (siehe Abb. 9 u. 11) üblich sind. Augenscheinlich wird dies erneut an der Nordküste Ägyptens, die eine weiche Linie bildet und nicht etwa die scharfen Umrisse aufweist, wie sie für Portolane charakteristisch sind. Die vierte und letzte Eigenart von BLO Tanner 190 steht in engem Zusammenhang mit diesen vergleichsweise unpräzisen Küstenlinien. Auf der Karte fehlen die Rumbenlinien, die ein fester Bestandteil aller Portolane waren. Diese Linien dienten nicht nur der Navigation, sondern waren zusammen mit Rasterlinien oder Kreisen auch eine Zeichenhilfe für den Kartographen, der die Karte anfertigte.207 Dass BLO Tanner 190 weder Rumbenlinien noch eine andere dieser Hilfskonstruktionen enthält, erklärt somit auch die unkonventionelle Ausführung der Zeichnungen. Wie Degenhart/Schmitt herausgestellt haben, weist der Kodex BLO Tanner 190 zudem textuelle Besonderheiten auf, die darauf hindeuten, dass er zwischen der ersten und der zweiten Redaktion des Liber secretorum angefertigt wurde.208 Folgt man diesen Hinweisen, so entstand das Manuskript höchstwahrscheinlich 1322 oder 1323, als Marino Sanudo sich gerade an der Kurie aufhielt und dort für seine Rückeroberungspläne warb. Offenbar benötigte der Venezianer zeitnah weitere Kopien seines Rückeroberungstraktates, konnte aber in Avignon keinen professionellen Kartographen ausfindig machen und überließ das Kopieren der Portolankarte deswegen dem Illustrator der Handschrift. Da er mit Portolanen nicht hinreichend vertraut war, ließ der Illustrator sich auf ein unge-
An dieser Stelle sind allein die Toponyme gemeint. Die Beschriftungen im Inland sind auf allen Karten, die Vesconte für Sanudo anfertigte, auf Latein gehalten. Campbell, Portolan Charts (1987), 377 f. Compasso de navegare. Ed. Debanne, 76; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 88. Billion, Zeichen (2011), 34–46; Pujades i Bataller, Cartes portolanes (2007), 188–200. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 22 f.
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Abb. 17: Karte des östlichen Mittelmeeres mit Itinerar aus dem Liber secretorum des Marino Sanudo (1322/23).
wöhnliches kartographisches Experiment ein und kopierte die Orts- und Entfernungsangaben aus einem Itinerar in den Raum zwischen Gaza und Kairo auf der Karte. Die Angaben auf der Karte entsprechen wiederum denen in dem Itinerar, welches im 14. Teil des dritten Buches von Sanudos Rückeroberungstraktat enthalten ist.209 Die partielle Übernahme der aus Itineraren gewohnten linearen Darstellung von Raum bildete also eine weitere Hilfestellung, um Lesern auf der Grundlage ihrer lebensweltlichen Reiseerfahrung das Entschlüsseln der Karte zu erleichtern. Zugleich illustriert diese Vorgehensweise, dass Kreuzzugsberater bei der Konstruktion einer Interaktionssprache nicht auf ein institutionalisiertes Set an Regeln zurückgreifen konnten, sondern stattdessen ad hoc experimentieren und improvisieren mussten, um auszuloten, wie sie ihre Expertise am besten vermitteln konnten. Im Fall von BLO Tanner 190 sollte es allerdings bei einem einmaligen Experiment bleiben, denn alle späteren Redaktionen des Liber secretorum enthielten wieder eine traditionelle Portolankarte des östlichen Mittelmeerraumes ohne das Gaza-Kairo-Itinerar.
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 261 f.
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1.2.2 Ordnen und Argumentieren – Gelehrtenwissen Für den Aufbau einer Interaktionssprache innerhalb der Kreuzzugsplanungen setzten Berater nicht allein auf den umfangreichen Bestand des Alltagswissens, sondern auch auf Wissensbestände, bei denen es sich gesamtgesellschaftlich betrachtet um Spezialwissen handelte. Zu diesem am Hof allgemein verfügbaren Spezialwissen zählten vor allem die unterschiedlichen Ausprägungen des Gelehrtenwissens, welches seinen Ursprung in der Antikenrezeption der Schulen des 12. Jahrhunderts hatte, im Laufe des 13. Jahrhunderts in andere Teile der Gesellschaft diffundiert war und auf diesem Weg auch die Höfe von Königen, Fürsten und Prälaten erreicht hatte.210 Wie Aurell zeigen konnte, war die zunehmende Verbreitung dieses Gelehrtenwissens an den Höfen weltlicher Herrscher eng verbunden mit dem Aufstieg eines neuen Rollenbildes innerhalb des Rittertums, dessen Träger sich als milites litterati bezeichneten. Während die Akquise gelehrten Wissens für den kriegführenden Adel Lateineuropas noch zu Beginn des 12. Jahrhunderts als feminin und hinderlich bei der Ausübung des Kriegshandwerkes gegolten hatte,211 erwarben immer mehr Ritter im Laufe des 13. Jahrhunderts grundlegende Kenntnisse antiker Wissenschaft und der mittelalterlichen artes liberales sowie die Fähigkeit, volkssprachliche (und mitunter auch lateinische) Texte zu lesen und selbst zu verfassen. Der belesene Ritter, welcher am Ende dieser Entwicklung stand, war somit in doppelter Hinsicht ein Produkt der sogenannten „Renaissance des 12. Jahrhunderts“: D’une part, les nouvelles techniques de combat et l’idéologie chvaleresque renforcent la domination de l’aristocratie. Elles la confirment en tant que groupe restreint et solidaire de guerriers montés, fiers de leur identité militaire et leur supériorité nobiliaire. D’autre part, l’essor des écoles et la diffusion du savoir touchent, de prime abord, cette même noblesse, d’où sont issus les plus en vue des membres du clergé, mais aussi les chevaliers.212
Das aus dieser Renaissance hervorgegangene Wissen hatten die belesenen Ritter zumeist von Privatlehrern oder studierten Familienmitgliedern vermittelt bekommen, die mit ihnen gemeinsam in einem Haushalt lebten. Neben Geistlichen waren es vor allem gebildete Frauen, die als Wissensvermittler auftraten und dafür Sorge trugen, dass diese Form der Gelehrsamkeit auf lange Sicht ein Bestandteil des ritterlichen Normenkanons wurde.213 Als Katalysatoren dieser Entwicklung fungierten dabei ei-
Miethke, Wirkungen (1998), 173–210; Ders., Politikberatung (2004), 337–357; Wieland, Philosophie (2004), 65–84; Woelki, Politikberatung (2016), 229–258. Im Hinblick auf die Lesefähigkeit des Weltadels scheint es vor allem im 12. Jahrhundert signifikante Unterschiede zwischen dem französischen und anglonormannischen Sprachraum sowie dem deutschen Sprachraum gegeben zu haben, siehe dazu u. a. Turner, Miles (1978), 928–945. Aurell, Chevalier (2011), 447. „Ritter“ und „weltlicher Adel“ sind hier weitgehend deckungsgleich zu verstehen, weil die kriegführende Aristokratie des 13./14. Jahrhunderts sich dem Normenkanon des Rittertums verpflichtet sah. Aurell, Chevalier (2011), 54–61; Wittig, Noble (2022), 38–53.
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nerseits die zunehmende Schriftlichkeit in der stetig wachsenden höfischen Verwaltung und andererseits das Bestreben von Adelsfrauen und Klerus, den in beständige Fehden verstrickten Weltadel durch Bildung zu befrieden.214 Der Aufstieg des belesenen Ritters war allerdings keineswegs eine einseitige Angelegenheit, bei der weltliche Adelige von anderen bereits vorformulierte Wissenselemente passiv rezipierten. Stattdessen bestimmten und formten die Interessen des kriegführenden Adels sowohl die Wissensinhalte als auch die Form ihrer Vermittlung: Die Schriften von antiken Militärtheoretikern wie Vegetius erfuhren eine erneuerte Aufmerksamkeit und die Grammatik, welche zu Beginn des Triviums stand, erlernten die jungen Adeligen im Gegensatz zu Generationen an Geistlichen vor ihnen nicht anhand der eher abstrakten Schriften von Boethius und Cicero, sondern aus erzählender Literatur wie der Alexandreis Walters von Châtillon.215 Universitäre Gelehrte und belesene Ritter waren indes nicht die einzigen Kreuzzugsplaner, die über dieses antike Toposwissen verfügten. Zugleich war an den oberitalienischen Schulen, die zumeist eine seit dem Frühmittelalter ungebrochene Tradition der Antikenrezeption aufwiesen, im 13. Jahrhundert eine neue Form von weltlicher Gelehrsamkeit entstanden, die über Berater wie Marino Sanudo oder Guido von Vigevano ebenfalls in die höfischen Kreuzzugsplanungen hineinwirkte.216 Diese Entwicklungen führten dazu, dass ehedem gelehrte oder antike Wissenselemente zunehmend in den Bestand höfischen Wissens einsickerten. Dieses eklektizistische Sammelsurium aus unterschiedlichen Wissenstraditionen verband die Wissenskulturen von Gelehrten, Geistlichen, oberitalienischem Patriziat sowie dem kriegführenden Adel miteinander und konnte somit von Kreuzzugsplanern als Grundbaustein einer gemeinsamen Interaktionssprache genutzt werden. Eine zentrale Rolle dabei spielte der bereits mehrfach erwähnte Flavius Vegetius Renatus, dessen Militärhandbuch, die Epitoma rei militaris, zwar über das gesamte Frühmittelalter hinweg bekannt gewesen war, aber erst durch den Aufstieg des belesenen Ritters breit rezipiert wurde.217 Selbst wenn sie die Epitoma selbst nicht in Gänze studiert hatten, verfügten die Angehörigen des kriegführenden Adels in der Regel zumindest über eine indirekte Kenntnis des Werkes durch kurze Exzerpte in anderen Abhandlungen wie etwa dem Fürstenspiegel des Aegidius Romanus oder dem enzyklopädischen Werk des Vinzenz von Beauvais.218 Zur Lesbarkeit und Ver-
Aurell, Chevalier (2011), 263–288; Clanchy, Memory (2013), 329–335; Elias, Prozess, Bd. 2 (1997), 362–380. Cary, Alexander (1956), 190–195. Auch das Lesen und Schreiben volkssprachlicher Texte wurde bis zum späten 13. Jahrhundert meist anhand lateinischer Werke gelernt, vgl. Aurell, Chevalier (2011), 75–77. Siehe dazu II.5.1 u. II.5.3. Allmand, Vegetius (2011), 67 f. Aegidius Romanus, De regimine principum. Ed. Hartmann, 1122. Siehe auch Allmand, Vegetius (2011), 105–112; 216 f.; Contamine, Guerre (1980), 353–355.
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breitung des antiken Militärhandbuches trug auch eine Reihe volkssprachlicher Übersetzungen des lateinischen Werkes bei: Die erste anglonormannische Übersetzung wurde zwischen 1254 und 1272 von einem nicht näher bekannten Magister Richard angefertigt, im Jahr 1284 folgte darauf eine französische Übersetzung aus der Feder des Jean de Meun, die Jean Priorat wenige Jahre später in Versform übertrug. Auf der Grundlage dieser Fassung erarbeitete Jean de Vignay schließlich im Jahr 1320 eine weitere französische Übersetzung.219 In diesem Zeitraum entstanden auch außerhalb des französischen Sprachraumes weitere Übersetzungen: 1292 übertrug Bono Giamboni die Epitoma ins Toskanische und im Laufe des 14. Jahrhunderts folgten zwei nicht genauer datierbare katalanische Übersetzungen, sodass vermutlich in allen relevanten Verkehrssprachen der Kreuzzugsplaner Vegetius-Ausgaben vorlagen.220 Diese volkssprachlichen Vegetius-Übersetzungen wurden in den höfischen Kreuzzugsplanungen nachweislich rezipiert. Die französische Fassung der Kreuzzugs-Kompilation BNF Lat. 7470, die Guillaume Durand in den 1320er Jahren hatte zusammenstellen lassen, enthält etwa die Vegetius-Übersetzung des Jean de Meun.221 Roger von Stanegrave verwendete wiederum die anglonormannische Übersetzung der Epitoma für sein Rückeroberungstraktat.222 Die lateinischen Versionen des Militärhandbuchs erscheinen ebenfalls wiederholt im Rahmen der Kreuzzugsplanungen: Neben dem bereits erwähnten Kodex BNF Lat. 7470 umfasst auch die zeitgenössische Kreuzzugskompilation BNF Lat. 7242, welche unter anderem den Liber recuperationis des Fidenzio von Padua enthält, die Epitoma des Vegetius. Die letztgenannte Sammlung beinhaltet darüber hinaus auch das Werk eines weiteren antiken Militärtheoretikers, nämlich die Strategemata des Frontinus.223 In den Expertenratschlägen selbst fand die Epitoma des Vegetius ebenfalls wiederholt Verwendung. Administrativ-finanzielle Berater wie Guillaume Durand bezogen sich ebenso auf das antike Militärhandbuch wie militärische Berater wie Roger von Stanegrave oder geographisch-ethnographische Ratgeber wie Hethum von Korykos und Guillelmus Adae.224 Es
Allmand, Vegetius (2011), 152–168; Prestwich, Edward I (1997), 123 f.; Reeve, Transmission (2000), 337–345; Knowles, Jean de Vignay (1954), 353–383. Allmand, Vegetius (2011), 168–185. Eine Übersetzung ins Englische erfolgte 1408, eine deutsche Fassung entstand 1438, vgl. ebenda, 185–196. BNF Ms. Franc. 12360, 1–265. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 361–364; 371–372. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 15r–108r; BNF Ms. Lat. 7242, fol. 1r–39r (Strategemata); fol. 41r–82v (Epitoma). Unter den Beratern zitierte u. a. Marino Sanudo direkt aus den Strategemata des Frontinus, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 262 f. sowie dazu Book of the Secrets. Ed. Lock, 418, Fußn. 1. Siehe dazu Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 108 f.; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 398 f.; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 361–364; 371–372 zusammen mit Veg. Mil. 1.21–22; Veg. Mil. 3.7–9; 13–14 sowie Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 340 zusammen mit Veg. Mil. 3.9.1–3. Möglicherweise ging auch der Vorschlag des Guido von Vigevano, Boote zu konstruieren, die auf Pferden transportiert werden können, auf die Forderung von Vegetius zurück, jede Armee müsse Kanus zur Überquerung von Flüssen bei sich tragen, vgl. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 136–148; Veg. Mil. 3.7.
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handelte sich dabei allerdings keineswegs um Spezialwissen der Kreuzzugsratgeber, denn die politischen Entscheidungsträger, welche in die Kreuzzugsplanungen involviert waren, verfügten vermutlich ebenfalls über grundlegende Kenntnis der Epitoma. So nannten Johannes XXII., Eduard I. und Philipp VI. gleichermaßen Vegetius-Kopien ihr Eigen.225 Diese Abschriften kursierten in den Kreisen der Kreuzzugsplaner und wurden von ihnen auch zwischen den Höfen weitergegeben. Das Exemplar der Epitoma, das sich im Besitz von Johannes XXII. befand, stammte etwa aus derselben Familie von Vegetius-Kopien wie die Version im Kodex BNF Lat. 7470, den Guillaume Durand für den Gebrauch am französischen Hof anfertigen ließ.226 Die Abhandlung des antiken Militärtheoretikers scheint so weit verbreitet gewesen zu sein, dass Berater wie Guillaume Durand und Marino Sanudo sie als Allgemeinwissen erachteten, das unerlässlich für alle Akteure war, die an den Kreuzzugsplanungen teilnahmen.227 Die Popularität der Epitoma in den Kreuzzugsplanungen war jedoch nicht unmittelbar auf den handlungspraktischen Nutzen des Werkes zurückzuführen, denn viele der von Vegetius propagierten Strategien stellten 900 Jahre nach seinem Tod einen Anachronismus dar und konnten trotz der gegenläufigen Behauptungen manches Fürstenspiegelverfassers nicht ohne größere Schwierigkeiten auf das 14. Jahrhundert übertragen werden. Der antike Militärtheoretiker beschrieb den Kampf gegen unzeitgemäße Truppengattungen wie Kriegselefanten und hatte keine Verwendung für die schwere Reiterei, die seit dem frühen Mittelalter den Kern vieler lateineuropäischer Streitmächte bildete. Das gesamte erste Buch seiner Abhandlung war der Ausbildung professioneller Soldaten gewidmet, die den Großteil des römischen Heeres ausmachten, während die meisten Streitmächte des 14. Jahrhunderts vorwiegend aus ad hoc rekrutierten Milizen bestanden.228 Diese Anachronismen nahmen die Berater durchaus wahr, Marino Sanudo stellte explizit heraus, dass die zeitgenössischen Galeeren Oberitaliens aufgrund ihrer Bauweise deutlich schneller seien als die meisten in der Epitoma beschriebenen Kriegsgaleeren der Römer.229 Die Vegetius-Rezeption der
Historia bibliothecae romanorum pontificum. Ed. Ehrle, Bd. 1, 146; Reeve, Transmission (2000), 280 f. Eduard I. erhielt 1271 während seines Kreuzzuges von seiner ersten Ehefrau Eleonore (✶1241 †1290) eine speziell für ihn angefertigte Kopie der Epitoma, vgl. Morris, King (2009), 100; Prestwich, Edward I (1997), 123 f. Reeve, Transmission (2000), 294–297; Rouse/Rouse, Context (2006), 126–136. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 108 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 262. Veg. Mil. 3.16; 23–24. Bachrach hat dagegen die These aufgestellt, dass mittelalterliche Feldherren aktiv versuchten, die von Vegetius beschriebenen Strategien auf dem Schlachtfeld umzusetzen. Diese Position ist allerdings von anderen Militärhistorikern kritisiert worden, weil sie größtenteils auf anekdotischer Evidenz aus Chroniken fußt, die versuchen, die Gelehrsamkeit der jeweiligen Feldherren hervorzuheben. Für die Debatte siehe u. a. Allmand, Vegetius (2011), 67 f.; Bachrach, Practical Use (1985), 239–255; Ders., Warfare (2017), 379–381; Nicholson, Warfare (2004), 15 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 57; Veg. Mil. 3.33–37. Siehe dazu auch Pryor, Geography (1988), 67.
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Kreuzzugsplaner war also nicht seiner Nähe zur zeitgenössischen Kriegsroutine geschuldet, sondern resultierte stattdessen daraus, dass sein Werk politischen Entscheidungsträgern und den Ratgebern verschiedener Subtypen trotz ihrer Sozialisation mit unterschiedlichen Wissenskulturen eine gemeinsame Grundlage verschaffte, um miteinander über Kriegführung zu sprechen. Kreuzzugsberater übernahmen die Vorschläge aus der Epitoma dementsprechend nicht unverändert, sondern nutzten die allgemein bekannten Passagen aus dem antiken Militärhandbuch, um Spezialwissen zu transportieren und rechtfertigen. Besonderer Aufmerksamkeit seitens der Kreuzzugsberater erfreuten sich die Kapitel über die Errichtung eines Heerlagers aus dem ersten Buch der Epitoma, die von Marino Sanudo, Fidenzio von Padua sowie Roger von Stanegrave in ihren jeweiligen Rückeroberungstraktaten aufgegriffen wurden.230 In dem fraglichen Abschnitt stellte Vegetius heraus, dass Feldlager nur an geschützten Orten errichtet werden sollten, an denen auch die Versorgung mit Trinkwasser gesichert sei, und zudem eine beständige Verteidigung erforderten, damit die Barbaren nicht durch einen schnellen Angriff der Reiterei in das Lager vordringen könnten.231 Der Venezianer Sanudo orientierte sich eng am antiken Originaltext und übernahm dabei sogar die Abmessungen des Grabens, der laut Vegetius das Heerlager gegen Feinde schützen sollte.232 Die Instruktionen aus der Epitoma verdeutlichte der Venezianer wiederum durch Beispiele aus der Kreuzzugsgeschichte und der antiken Kriegführung. Seine Bemerkungen über die Notwendigkeit der Trinkwasserzufuhr ergänzte er um den Hinweis, die Kreuzfahrer
Speziell der Beginn des jeweiligen Kapitels über den Bau von Heerlagern weist große Übereinstimmungen mit der Epitoma auf; so heißt es in Veg. Mil. 1.22.1: Castra autem, praesertim hoste vicino, tuto semper facienda sunt loco, ut lignorum et pabuli et aquae suppetat copia, et si diutius commorandum sit loci salubritas eligatur. Ähnlich äußerte sich Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 32: Castra sua debent figere Xpistiani in loco tuto et bene disposito, ubi possint habere copiam victualium, et omnium que sunt necessaria exercitui, et ubi habeant copiam aquarum. Noch deutlicher an Vegetius orientierte sich Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 265: Castra, praesertim hoste vicino, tuto semper facienda sunt loco, ubi lignorum et pabuli et aquae copia suppetat. Der Beginn des fraglichen Kapitels in Rogers Rückeroberungstraktat ist aufgrund der Schäden am einzigen erhaltenen Textzeugen größtenteils nicht lesbar und lässt die Anlehnung an Vegetius nur erahnen: Lors donques puis qe vous (...) sur voz enemis (...). Vgl. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 364. Veg. Mil. 1.22–25; Veg. Mil. 3.8. Veg. Mil. 1.24.1–3: Nam si nimia necessitas non premit, caespites circumciduntur e terra et ex his velut murus instruitur, altus tribus pedibus supra terram, ita ut in ante sit fossa de qua levati sunt caespites; deinde tumultuaria fossa fit lata pedes novem, alta pedes septem. Sed ubi vis acrior imminet hostium, tunc legitima fossa ambitum convenit munire castrorum, ita ut duodecim pedes lata sit et alta sub linea, sicut appellant, pedes novem (...). Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 265: Et si nimia necessitas non praevenit, cespites circumciduntur e terra, et ex hiis quasi murus extruitur, altus tribus pedibus supra terram: ita ut ante sit fossa latitudinis novem pedum, et octo altitudinis. Sed ubi vis acrior imminet hostis, sit fossa XII. pedum lata, alta novem, supra quam sudes de lignis fortissimus, quas milites portare soliti sunt, praefigantur et constricta terra consurget agger in altitudinem pedum quatuor.
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unter den Königen Konrad III., Ludwig VII. und Balduin III. seien im Jahr 1148 vor Damaskus bei der Auswahl ihres Lagerplatzes getäuscht worden, sodass sie die Belagerung der Stadt aufgrund von Wassermangel nach kurzer Zeit abbrechen mussten.233 Am Ende des Kapitels erläuterte Sanudo zudem, auf welche Weise die ägyptische Armee ihre Lager errichtete, wovon er sich vermutlich taktische Vorteile im Kampf versprach. Auch Fidenzio von Padua beschrieb den Aufbau ägyptischer Heerlager, von denen er behauptete, sie aus eigener Anschauung zu kennen. Ähnlich wie Sanudo schilderte er die ringförmige Anordnung der Lagerstätte um das Zelt des Befehlshabers in der Mitte, ging jedoch vor allem auf die Konstruktionen aus Pfählen und Tierfellen ein, mit denen die ägyptische Armee das Trinkwasser in ihren Feldlagern sammelte, da er hoffte, dass die Kreuzfahrer diese Technik adaptieren könnten.234 Fidenzio zufolge sollten die Kreuzfahrer überdies dem Vorbild der Mongolen folgen und zusätzliche Lager im Umland errichten, die Tag und Nacht ein [kleines] Heer unterhalten, sorgfältig bei Tag und bei Nacht Wachposten aufstellen und alle Straßen bewachen, über die ein Weg zur christlichen [Haupt-]Streitmacht führt.235 Roger von Stanegrave thematisierte ebenfalls die Bewachung des Heerlagers auf Grundlage der Epitoma. In seiner Vegetius-Interpretation wurden aus der Reiterei der Barbaren die berittenen Bogenschützen der Muslime, vor denen nicht die in der Epitoma vorgesehenen Gräben und Palisaden, sondern nur eigene Bogenschützen schützen konnten.236 Die drei Kreuzzugsberater integrierten also jeder auf seine Weise Spezialwissen über die Kriegführung im Orient in das ihren Zeitgenossen allseits bekannte Gerüst der Epitoma und schufen somit ein von (nahezu) allen Kreuzzugsplanern nachvollziehbares System aus Typisierungen und Relevanzen. Zugleich verlieh dieses allgemein zugängliche Wissen auch Mendikanten wie Guillelmus Adae oder Fidenzio von Padua die erforderliche Autorität, um eigene Strategeme zu formulieren, die von militärischen Ratgebern nicht einfach durch den Verweis auf ihre aus der routinemäßigen Kriegführung gewonnene Erfahrung in Frage gestellt werden konnte.237
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 265. Sanudo bezog sich dabei auf seinen Bericht über die Belagerung von Damaskus in Buch 3, Teil 6, Kap. 19 seines Werkes, vgl. ebenda, 167 f. Die Entscheidung der Kreuzfahrer, ihr Heerlager während der Belagerung aus den gut bewässerten Obsthainen im Norden von Damaskus auf die trockenen Ebenen im Südosten der Stadt zu verlegen, ist bereits in der zeitgenössischen Historiographie vielfach diskutiert worden. Sanudo folgte dabei offenbar der Ansicht Wilhelms von Tyrus, der Statthalter von Damaskus habe einige der Fürsten aus dem Königreich Jerusalem bestochen, um die militärisch wenig sinnvolle Verlegung des Kreuzfahrerlagers zu erreichen, vgl. Phillips, Second Crusade (2010), 221–226; Roche, Conrad III (2021), 302. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 32. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 32 f.: Item semper debent esse custodes extra castra a remotis, qui custodiant exercitum die et nocte, qui faciant diligenter vigilias nocturnas et excubias diurnas, et custodiant omnes vias per quas est iter ad exercitum Xpistianum. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 364. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 29–32; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 398 f. Dass der Verweis auf die eigene Kriegserfahrung von militärischen Ratgebern ge-
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Eine vergleichbare epistemische Mittlerfunktion nahm auch das pseudo-aristotelische Secretum secretorum ein. Das Werk selbst ist eine Kombination aus Fürstenspiegel und medizinisch-astrologischer Enzyklopädie, aufgebaut als Briefwechsel zwischen Aristoteles und seinem ehemaligen Schüler Alexander. Seinen Ursprung hatte das Secretum allerdings nicht in der Antike, sondern wahrscheinlich im Syrien oder Nordirak des 10. Jahrhunderts. Im Kern bestand das im Arabischen als Sirr al-asrar bezeichnete Werk aus einem arabischen Briefroman, der vermutlich im 8. Jahrhundert am Hof der Umayyaden-Kalifen entstanden war. Diese Urfassung basierte inhaltlich wohl vorwiegend auf der Nikomachischen Ethik sowie dem Kaiser Maurikios (✶539 †602) zugeschriebenen Strategikon und lieferte entscheidende Impulse für die Entstehung der arabischen Fürstenspiegelliteratur. In den folgenden zwei Jahrhunderten ergänzten unbekannte Autoren das Werk durch Exzerpte aus diversen persischen und arabischen Abhandlungen über Medizin, Astrologie sowie hermetische Magie, behielten dabei allerdings die Briefstruktur des ursprünglichen Textes bei.238 Das Secretum kursierte daher in verschiedenen Versionen mit teils unterschiedlichen Inhalten und erreichte Lateineuropa zunächst um 1140 in Form einer verkürzten lateinischen Übersetzung aus der Feder des Johannes von Sevilla (auch: Iohannes Hispaniensis, Johann von Toledo), die allerdings kaum rezipiert wurde. Erst die deutlich umfangreichere Übersetzung, die Philipp von Tripolis 1232 für den Bischof von Tripolis anfertigte, wurde im Westen von breiteren Kreisen wahrgenommen und fand unter anderem Eingang in das Opus maius des Roger Bacon sowie den Fürstenspiegel des Aegidius Romanus.239 Ähnlich wie im Fall der Epitoma lagen auch für das Secretum zu Beginn des 14. Jahrhunderts Übersetzungen in alle relevanten Verkehrssprachen der Kreuzzugsplaner vor, darunter mindestens drei französische bzw. normannische und zwei katalanische Fassungen. Laut Williams war das Secretum vermutlich in erster Linie „part of a low-calorie reading diet on which young princes were expected to nourish themselves“,240 weshalb es wohl auch seinen Weg in die Bibliotheken vieler lateineuropäischer Herrscher fand. Die
nutzt wurde, um die Vorschläge der Berater anderer Subtypen zurückzuweisen, belegt das Urteil der von Philipp VI. eingesetzten Expertenkommission, die den Vorschlag des Guillelmus Adae, das Kreuzfahrerheer solle den Landweg in den Orient nehmen, auf diese Weise ablehnte, vgl. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 9. Siehe dazu auch II.2.3.1. Forster, Geheimnis (2006), 11–19; Grignaschi, Origine (1976), 7–112. Die Provenienz des Sirr alasrar lässt sich nicht mehr eindeutig ermitteln. Manzalaoui hat darauf hingewiesen, dass der Kern des Werkes auch griechischen Ursprungs sein könnte, vgl. Manzalaoui, Kitāb Sirr al-asrār (1974), 161–163. Bergdolt, Philippus Tripolitanus (1993), 2085; Forster, Geheimnis (2006), 113–129; Williams, Secret (2003), 31–108. Die arabischen, lateinischen und volkssprachlichen Fassungen des Secretum secretorum sind in einer Vielzahl teils signifikant abweichender Textzeugen überliefert. Eine kritische Edition oder zumindest erschöpfende Übersicht der verschiedenen Fassungen steht bis dato aus. Unvollständig, aber für die Überlieferungsgeschichte der lateinischen Version nach wie vor maßgeblich ist der Überblick in Steele, Introduction (1920), XVI–LXIII. Editionen der beiden lateinischen Übersetzungen finden sich in Brinkmann, Gesundheitsregeln (1914), 39–46 (Johannes von Sevilla); Secretum Secretorum. Ed. Steele, 25–172 (Philipp von Tripolis). Williams, Advice (2004), 143.
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Könige Philipp IV., Philipp V. sowie Eduard III. besaßen gleich mehrere Kopien des Werkes. Robert I. von Anjou zitierte 1316 im Rahmen einer Predigt sogar explizit daraus.241 Aufgrund seiner Bekanntheit an den lateineuropäischen Herrscherhöfen wurde das Secretum (oder einzelne Elemente daraus) ähnlich wie auch das Militärhandbuch des Vegetius von Kreuzzugsberatern aller Subtypen eingesetzt, um ihr Spezialwissen allgemein nachvollziehbar zu vermitteln. Im Unterschied zur Epitoma übernahmen die Ratgeber allerdings zumeist keine ganzen Abschnitte oder Kapitel aus dem Secretum, sondern rezipierten den Text deutlich eklektizistischer, was wohl einerseits auf den fragmentarischen Charakter der Abhandlung zurückzuführen ist, aber andererseits auch ein hohes Maß an inhaltlicher Vertrautheit mit dem Werk seitens aller an den Kreuzzugsplanungen beteiligter Akteure vermuten lässt. Der im Auftrag von Guillaume Durand zur Verwendung am französischen Hof kompilierte Kodex BNF Lat. 7470 enthielt eine vollständige Kopie der Epitoma rei militaris und unmittelbar im Anschluss daran verschiedene Exzerpte aus dem Secretum, die in Rückbezug auf den VegetiusText als alius tractatus de re militari betitelt wurden.242 Der Kompilator adaptierte die militärischen Passagen über den idealen Aufbau einer Armee sowie die Regeln der erfolgreichen Kriegführung aus dem Secretum, allerdings ohne den onomantischen Abschnitt zu übernehmen, in dem geschildert wird, wie sich der Sieger einer Schlacht aus den Namen der beteiligten Feldherren ermitteln lässt.243 Diese Aussparung erklärt sich vermutlich dadurch, dass der Gebrauch mantischer Praktiken in der Politik unter den Zeitgenossen umstritten war. Ramon Llull hatte beispielsweise wiederholt scharfe Kritik an der Astrologiegläubigkeit zeitgenössischer Herrscher geübt und damit Fidora zufolge vor allem auf die Rezeption des Secretum secretorum an den Höfen seiner Zeit abgezielt.244 Solche mantischen Praktiken standen zudem in fundamentalem Gegensatz zur Tätigkeit der Kreuzzugsexperten, die auf eine kontingente, durch menschliches Handeln beeinflussbare Zukunft ausgerichtet war. Wenn allein die Namen der Heerführer und nicht etwa vorausschauende Planung über den Erfolg einer Streitmacht ent-
Campopiano, Knowledge (2019), 47–55; Ormrod, Edward III (2011), 13; Wittig, Noble (2022), 74. Siehe dazu die Liste der Herrscher, die das Secretum besaßen, in Williams, Advice (2004), 157–180. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 108r. Siehe auch Reeve, Transmission (2000), 294–297; Rouse/Rouse, Context (2006), 138–148. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 111v–115v. Im Inhaltsverzeichnis zu Beginn des Kodex heißt es dazu: In secunda ponitur tractatus Arastotilis ad Alexandrum ⋅ de disposicione exercitus et de electione capitaneorum et bellatorum: In tertia ponitur alius tractatus eiusdem Aristotilis de regimine et forma bellatorum et aggrediencium et incipiencium bellum: (...). Vgl. ebenda, fol. 8v. In der lateinischen Übersetzung des Secretum durch Philipp von Tripolis wird das Kapitel wiederum folgendermaßen beschrieben: Capitulum de proceribus et ordine sive ordinacione eorum pro bello, sive de disposicione et numero procerum seu militum in regimine regni et in tempore belli, sive de disposicione ductoris sui et de accione bellatorum ipsorum inferiorum. Vgl. Secretum Secretorum. Ed. Steele, 149 bzw. ebenda, 149–155 für das gesamte Kapitel. Fidora, Critique (2019), 282–284. Zur Kritik Llulls an der Astrologie siehe u. a. Ramon Llull, Arbor scientiae. Ed. Villalba Varneda, Bd. 2, 751–753.
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schieden, wäre die Expertise der Kreuzzugsberater überflüssig gewesen.245 Aus diesen Gründen erfreute sich weniger der naturkundlich-magische, sondern vielmehr der militärisch orientierte Teil des Secretum großer Beliebtheit unter Kreuzzugsplanern und wurde von Ratgebern wie Roger von Stanegrave, Marino Sanudo oder Pierre Dubois in ihre Rückeroberungsmemoranden integriert.246 Einen weiteren Ansatzpunkt bildeten die im Secretum beschriebenen Eigenschaften eines idealen Königs, welche auch in zeitgenössischen Fürstenspiegeln aufgegriffen und von Fidenzio auf den Anführer des Kreuzzugs übertragen wurden.247 Das Secretum bot den Beratern also einen Fundus an eingänglichen Aphorismen für nahezu jede Lebenslage, die wesentlich einfacher zugänglich waren als die tatsächlichen Werke des Aristoteles, aber dennoch die Autorität des antiken Philosophen ausstrahlten. Ähnlich wie die Epitoma stellten sie somit ein Gerüst bereit, in das die Ratgeber ihr eigenes Wissen integrieren konnten. Die Popularität des Secretum in den Kreuzzugsplanungen erklärt sich jedoch insbesondere dadurch, dass es den idealtypischen Dialog zwischen Laien und ihren Expertenratgebern innerhalb einer aristokratisch-höfischen Gesellschaft illustrierte. Philipp von Tripolis hielt bereits im Vorwort seiner lateinischen Übersetzung des
Ähnlich argumentiert auch Forster, Geheimnis (2006), 81. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 95; 277 f.; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 370 f. Im Gegensatz zur Epitoma ist eine Kollation der Textstellen aus den Rückeroberungsmemoranden mit den analogen Stellen im Secretum aufgrund der zahlreichen Fassungen des Werkes sowie einer möglichen Sekundärrezeption, etwa durch Fürstenspiegel, nur wenig zielführend. Deshalb habe ich mich ausschließlich auf Vergleichsstellen gestützt, in denen neben der inhaltlichen Nähe auch explizit vom Secretum oder dem Rat des Aristoteles an Alexander die Rede ist. Höchstwahrscheinlich war der Einfluss des Secretum auf die Kreuzzugsplanungen allerdings deutlich größer und andere Ratgeber wie Pierre Dubois schöpften ebenfalls aus dem Werk. Sein Aristoteles zugeschriebener Aphorismus, ein Herrscher dürfe den Krieg nicht um seiner selbst willen suchen, kann aus einer Missinterpretation der Nikomachischen Ethik oder Politik herrühren, könnte allerdings auch aus dem Secretum, einem in einem Drittwerk inkorporierten Fragment des Secretum oder aber dem römischen Recht stammen. Ähnliches gillt auch für den ungewöhnlichen Vorschlag des normannischen Juristen, der französische König solle den Kreuzzug nicht persönlich begleiten. Dieser erinnert wiederum an die Empfehlung im Secretum, ein Herrscher solle sich nicht selbst dem Krieg aussetzen, sondern das Kommando über die Streitmächte seinen Feldherren überlassen, vgl. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 320; Secretum Secretorum. Ed. Steele, 46; 152. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 44: Nam hoc est quod Aristoteles docet discipulum suum Alexandrum Magnum in libello quem misit eidem, qui libellus sic incipit: Quattuor sunt reges, et dicit ibi · quod ille rex est bene commendabilis qui est largus sibi et est largus familie sue. Et sicut ostendit ibi philosophus, largitas est media inter duos excessus, qui sunt prodigalitas et avaritia. Fidenzio bezog sich wahrscheinlich auf ein Fragment aus der Fassung Philipps von Tripolis, bei dem es heißt: Reges sunt quatuor: rex largus sibi et largus subditis suis, et rex avarus sibi et avarus subditis suis, et rex avarus sibi et largus subditis, et rex largus sibi et avarus subditis. (...) Palam siquidem est, quod qualitates multum reprobande sunt quando multum discrepant a medio. Et scimus quod observanda largitatis multum difficilis est. Et cuilibet facile est avariciam et prodigalitatem excercere, et difficile est retinere largitatem. Vgl. Secretum Secretorum. Ed. Steele, 42 f.
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Werkes fest, nur weil er dem weisen Ratschlag des Aristoteles gefolgt sei, habe Alexander die ganze Welt unterwerfen können.248 Die im Secretum skizzierte Beziehung zwischen Aristoteles und seinem Schüler Alexander konnte dementsprechend auch als Modell für die Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Kreuzzugsberatern dienen, wie Marino Sanudo zu verstehen gab: Auch die Heiden, die Könige [waren], hatten Philosophen als Lehrer: Alexander [hatte] Aristoteles, Nero [hatte] Seneca [und] Trajan [hatte] Plutarch. Für Alexanders erhabenen Geist schrieb Aristoteles die Geheimnisse der Philosophie; für Neros grimmigen Geist schrieb Seneca ein Buch über die Güte (...) Auf diese Weise wissen lobenswerte Lehrer [ihre] Worte nach Orten, Zeitpunkten und Personen entsprechend anzupassen. Deswegen sollte sich der König von Jerusalem bemühen, für sich und die Seinen vertrauenswürdige Gelehrte und Lehrer zu haben (...).249
Dieses Modell war jedoch nicht allein den Philosophen oder Gelehrten unter den Kreuzzugsberatern vorbehalten, denn auch der Johanniter und Kreuzzugsveteran Roger von Stanegrave versuchte seine Ratgeberbeziehung zu dem 60 Jahre jüngeren König Eduard III. in die Tradition von Aristoteles und Alexander zu stellen.250 Indem sie Wissenselemente aus dem Secretum zum Aufbau einer gemeinsamen Interaktionssprache gebrauchten, rekurrierten Kreuzzugsberater also zugleich auch auf das allgemein bekannte Verhältnis von Aristoteles zu seinem Schüler Alexander und rechtfertigten so ihre eigene Expertenrolle. Bezüglich der Verwendung von Gelehrtenwissen zur Kommunikation zwischen den Kreuzzugsplanern lassen sich allerdings auch Unterschiede zwischen den lateineuropäischen Herrscherhöfen ausmachen, die aus der sozial und regional ungleichen Distribution von Wissen resultierten. Ähnlich wie etwa das Orientwissen, das aus dem Gesandtschaftsaustausch stammte, am Hof Heinrichs II. von Lusignan in deutlich größeren Kreisen verbreitet war als zeitgleich am französischen Hof unter Philipp IV.,251 so waren einige Elemente des Gelehrtenwissens nur an bestimmten Höfen oder für bestimmte Gruppen an diesen Höfen allgemein verfügbar und konnten von Beratern dementsprechend nur in diesem Umfeld zum Aufbau einer Interaktionssprache verwendet werden. Ein Beispiel hierfür sind die Theorien der Dialektik, die an den Höfen
Secretum Secretorum. Ed. Steele, 37: Dum igitur viveret, convaluit Alexander in sanitatis observacione per observanciam sui sani consilii et imitacione precepti. Et ideo subjugavit sibi civitates, et triumphans adquisivit sibi cuncta regna, et tocius mundi solus tenuit monarchiam (...). In der älteren Übersetzung des Johannes von Sevilla, deren Fokus auf dem medizinischen Teil des arabischen Originaltextes lag, fehlte diese Feststellung, vgl. Johannes Hispaniensis de observatione diaetae. Ed. Brinkmann, 39 f. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 277: Gentiles quoque Reges, praeceptores habet Philosophos: Alexander Aristotelem, Nero Senecam, Traianus Plutarchum. Alexandro sublimis ingenii, scripsit Aristoteles Philosophiae secreta: Neroni trucis animi, scripsit Seneca librum de clementia (...) Sic laudabiles praeceptores, locis, temporibus, ac personis congrue noverunt adaptare sermones. Tales rex Ierusalem, sui suorumque doctores praedicatoresque fideles habere studeat (...). Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 327; 315 f. Siehe dazu II.4.3.4.
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weltlicher Herrscher Spezialwissen waren, während sie zur gleichen Zeit an geistlichen Höfen wie der Kurie zum Allgemeinwissen gehörten. Die Bekanntschaft kurialer Kreuzzugsplaner mit der Dialektik versuchten sich zwei der Berater zu Nutze zu machen: Einerseits Fidenzio von Padua in seinem 1291 für Papst Nikolaus IV. verfassten Liber recuperationis und andererseits Guillelmus Adae in seinem 30 Jahre später an Kardinal Raymond de Farges adressierten Rückeroberungstraktat. Die Dialektik beschäftigte sich mit den Regeln des formal korrekten Argumentierens und war bereits seit der Antike ein Kernbestandteil des Triviums. Im Mittelalter wurde sie bis zur Wiederentdeckung aller Bücher des Organon zunächst auf Grundlage der Schriften des Boethius gelehrt. In Auseinandersetzung mit der aristotelischen Logik (vor allem der Topik) entwickelten sich unter dem Dach der Dialektik an den Schulen des 12. Jahrhunderts neue wissenschaftliche Verfahren, um auf Grundlage einer festgelegten Systematik ermitteln zu können, ob ein gegebenes Argument wahr oder falsch war.252 Zu den neuen Argumentationsformen, die dort entstanden waren, zählte auch die quaestio, bei der es sich um eine Form der Disputation zwischen Gelehrten über ein spezifisches Problem handelte, das durch die Gegenüberstellung kontradiktorischer Argumente im Disput gelöst werden sollte. Mit der fortschreitenden Institutionalisierung der Schulen ab dem ausgehenden 12. Jahrhundert wurde auch die Praktik des Disputierens als Verfahren der Wahrheitsfindung zunehmend formalisiert und der formale Ablauf der daraus entstandenen quaestio disputata zumeist in den Statuten der jeweiligen Bildungseinrichtung festgeschrieben. Seitdem „besteht eine Disputation zumeist aus zwei Teilen: In der ersten Sitzung diskutieren opponens und respondens, eventuell unter Beteiligung weiterer Teilnehmer; in der zweiten Sitzung präsentiert der Magister als Antwort seine determinatio und widerlegt die widerstreitenden Argumente.“253 War diese quaestio ursprünglich eine rein mündliche Form der Lehre an Schulen und Universitäten gewesen, wurde sie nun auch zunehmend in schriftlichen Abhandlungen adaptiert, um wissenschaftliche Thesen erörtern oder (vermeintlich) widerstreitende Autoritäten miteinander in Einklang zu bringen. Als Fidenzio und Guillelmus 1291 bzw. 1317 ihre Rückeroberungstraktate verfassten, war die argumentative Form der quaestio disputata also bereits weithin verbreitet und dürfte jedem ihrer Zeitgenossen vertraut gewesen sein, der an einer Universität, einer Rechts- oder Klosterschule studiert hatte. Da sie an einem geistlichen Hof wie der päpstlichen Kurie wohl auf hinlängliche Kenntnisse der Dialektik unter den Kreuzzugsplanern vertrauen konnten, formulierten die beiden Mendikanten ihre Vorschläge hinsichtlich der Kreuzzugsroute respektive der Blockade des Indienhandels als quaestiones disputatae. Besonders deutlich wird der Einfluss der Dialektik bei Fidenzio von Padua, der in seinem Liber recuperationis dafür argumentierte, dass die Kreuzfahrer nicht in Ägypten,
Rexroth, Scholastik (2019), 132–146; Weijers, Search (2013), 71–97. de Boer, Disputation (2018), 223. Siehe auch Hoye, Quaestio (1997), 164–166.
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sondern in den armenischen Hafenstädten St. Simeon bzw. Soldinum oder Portus Palorum anlanden sollten (siehe Tab. 9).254 Eine zeitgenössische quaestio disputata begann üblicherweise mit einer Darstellung der durch die Disputation zu klärenden Frage oder des zu lösenden Problems.255 Fidenzio eröffnet seine quaestio demgemäß mit der Bemerkung, es gebe konfligierende Ansichten darüber, an welchem Ort das auf dem Seeweg kommende Kreuzfahrerheer landen solle, und stellt die Positionen seiner fünf bzw. sechs fiktiven Disputanten vor: Manche sagen und glauben gänzlich [daran], dass es gut ist, zuerst in Ägypten einzufallen. Andere sagen, dass es gut ist, in Akkon zu landen. Andere sagen jedoch, dass es gut ist, bei Tripolis zu landen. Andere sagen, dass es gut ist, neben St. Simeon zu landen. Andere sagen allerdings, dass es gut ist, beim Hafen der Pfähle zu landen, der in Kleinarmenien liegt (...).256
Beginnend mit der als prima oppinio gekennzeichneten Einlassung des Hauptopponenten folgen im Anschluss die Widerlegung durch Fidenzio sowie die Positionen der anderen Disputanten, welche in der Handschrift jeweils durch rubrizierte Überschriften und ausgerückte Initialen auch optisch voneinander abgegrenzt sind. Die Einwände seines Hauptopponenten, der für Ägypten als Ziel des Kreuzzuges argumentiert, widerlegt der Franziskaner in einer ausführlichen, mit contra oppinionem positam überschriebenen Antwort,257 danach verlegt er sich darauf, die fünf anderen Landeplätze zu diskutieren. Diese mit alia oppinio gekennzeichneten Absätze folgen ebenfalls dem für quaestiones typischen Opponens/Respondens-Schema und erörtern die Vor- sowie Nachteile des jeweiligen Landeplatzes.258 Fidenzio reagierte damit vermutlich darauf, dass politische Entscheidungsträger von ihren Orientexperten erwarteten, ihnen die positiven und negativen Aspekte aller möglichen Routenoptionen aufzuzeigen.259 Wie für die Schriftform der quaestio disputata üblich, ist auch die Routendiskussion des Franziskaners in technischem Latein gehalten, wobei die Standpunkte der fiktiven Disputanten je-
BNF Ms. Lat. 7242, fol. 119v–122r; Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 52–56. Für einen Überblick über die Routendiskussion bei Fidenzio und anderen Orientexperten siehe II.4.2.2. Hoye, Quaestio (1997), 164 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 52: Aliqui omnino oppinantur et dicunt quoad bonum est primo irruere in Egyptum. Alii dicunt quod bonum est applicare in Accon. Alii vero dicunt quod bonum est applicare apud Tripolim. Alii dicunt quod bonum est applicare juxta Soldinum. Alii vero dicunt quod bonum est applicare apud portum Palorum, qui est in Armenia Minori (...). Die später erwähnte Insel Arwad fehlt in der Aufzählung, vgl. ebenda, 55. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 52–54. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 54–56. Die Vorgehensweise des Franziskaners entspricht damit stark dem Disputationsformat an italienischen Rechtsschulen, bei dem die Disputanten zunächst die Argumente ihrer Opponenten widerlegen mussten, bevor sie ihre eigene Position vorstellten, vgl. Weijers, Search (2013), 115. Siehe II.4.2.2.
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Tab. 9: Aufbau der quaestio disputata im Liber recuperationis des Fidenzio von Padua. I. Quaestio
De applicatione christianorum (rubriziert) (Initiale) Videamus jam ad quem locum Xpistianorum exercitus congruencius debeat applicare. Jam diversi diversa senciunt in hac parte.
II. Obiectiones
Prima oppinio (rubriziert) (Initiale) Illi qui dicunt quod melius est primo applicare apud Egyptum, pro se habent quod, si vincatur Egyptus, victoria est completa (...)
III. Responsa
Contra oppinionem positam (rubriziert) (Initiale) Dico ergo, quod non videtur esse consonum quod exercitus Xpistianorum primo applicet in Egyptum (...) [rubrizierte Überschrift fehlt] (Initiale) Illi qui dicunt quod bonum est quod exercitus Xpistianorum primo applicetur apud Accon ex hoc videntur moveri, quia Accon est civitas Xpistianorum, et ibi est dominium Latinorum (...) Alia oppinio (rubriziert) (Initiale) Illi qui dicunt quod bonum est primo applicare apud Tripolim moventur ex hoc, quia ibi est satis bonus portus (...) Alia oppinio (rubriziert) (Initiale) Illi qui dicunt quod bonum est primo applicare apud Anterodum, moventur ex hoc, quia in insula Anterodi est optimus portus, in quo multe naves possunt morari (...) Alia oppinio (rubriziert) (Initiale) Illi qui dicunt quod bonum est applicare juxta Soldinum multas bonas rationes in se habent (...) Alia oppinio (rubriziert) (Initiale) Illi qui dicunt quod bonum est applicare primo apud Portum Palorum, qui est in Armenia Minori, et est propinquus civitati Armenie quo vocatur Ajacium (...)
IV. Determinatio Videamus quid ex omnibus supradictis convenientius extimetur. Si bene consideremus omnia que dicta sunt, ex duabus ultimis considerationibus, una bona et perfecta consideratio consurgit.
weils mit einem neutralen illi qui dicunt markiert werden.260 Nur bei der Widerlegung des Hauptopponenten, eingeleitet durch dico ergo, wird Fidenzio selbst für den Leser als Disputant sichtbar.261 Am Ende einer quaestio disputata stand stets die determinatio oder solutio, in welcher der leitende Magister die in der Disputation zwischen seinen Schülern ausgetauschten Argumente zusammenfasste und eine abschließende Lösung für das diskutierte Problem präsentierte.262 Im Liber recuperationis übernimmt Fidenzio als Verfasser selbst diese Lehrerrolle und fasst die Konklusion aus der Disputation für seine die Schülerrolle einnehmenden Leser zusammen (videamus): Aus dem zuvor Gesagten sei
de Boer, Disputation (2018), 236; Weijers, Search (2013), 100–104. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53. Hoye, Quaestio (1997), 165.
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hervorgegangen, dass es mit St. Simeon und Portus Palorum zwei geeignete Landeplätze für das Kreuzfahrerheer gebe, von denen letzerer die beste Option sei.263 Auch Guillelmus Adae bediente sich dieser Argumentationsform, interpretierte das formale Korsett der quaestio disputata allerdings deutlich freier als Fidenzio. Der Dominikaner folgte damit einer in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einsetzenden Entwicklung, welche darauf abzielte, die rein schriftlichen Disputationen durch eine weniger technische und repetitive Wortwahl für die Leser literarisch ansprechender zu gestalten, aber zugleich die zu Grunde liegende agonale Argumentationsstruktur beizubehalten.264 Guillelmus setzte diese Form der quaestio ein, um seinen Plan einer Seeblockade gegen mögliche Einwände zu verteidigen. Daher wechseln sich in seinem Traktat in der für quaestiones üblichen Manier die Argumente eines fiktiven Opponenten gegen die Blockadestrategie mit den Widerlegungen des Dominikaners ab und führen dem Leser so die Stichhaltigkeit des Planes vor Augen.265 Wenngleich die beiden Mendikanten mittels der quaestio disputata versuchten, ihre teils umstrittenen Vorschläge und Pläne durch den Rückgriff auf ein gemeinhin anerkanntes Argumentationsverfahren zu rechtfertigten, erschöpfte sich dessen kommunikativer Nutzen für die Berater keineswegs darin. An den zeitgenössischen Schulen und Universitäten hatte die Disputation abgesehen von dieser legitimierenden auch eine didaktische Funktion und bildete gemeinsam mit der durch den jeweiligen Magister gehaltenen lectio einen elementaren Bestandteil des Unterrichts.266 Daran anknüpfend nutzten Fidenzio und Guillelmus die quaestio, um ihr geographisches Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 56. de Boer, Disputation (2018), 232; Weijers, Search (2013), 136 f. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 102–116. Der fiktive Opponent macht zwei Einwände geltend gegen den Plan des Dominikaners, den Seehandel zwischen Indien und Ägypten zu unterbinden: (1) Niemand habe der römischen Kirche zuvor ein solches Projekt vorgeschlagen sowie (2) der Feind sei in dieser Region zu stark und die Zahl der Galeeren zu gering, um etwas ausrichten zu können. Guillelmus führt als Respondent zunächst vier Argumente gegen Einwand (1) ins Feld: (1a) Das Projekt sei der Kirche bisher nicht vorgeschlagen worden, weil das Wissen über die Region fehlte, oder das entsprechende Wissen sei vorhanden gewesen, aber (1b) die Kirche habe bisher nicht die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt, um das Projekt realisieren zu können, (1c) die Träger dieses Wissens hätten aus Angst geschwiegen oder (1d) seien trotz ihres Wissens nicht kreativ genug gewesen, um einen solchen Plan zu ersinnen. Um zu demonstrieren, dass Einwand (2) ebenfalls nicht stichhaltig ist, führt Guillelmus erneut vier Argumente an: Das Projekt sei möglich, weil (2a) die Galeeren sich geschützt vor den Feinden im Reich des persischen Ilkhan bauen ließen, (2b) es dort auch verschiedene sichere Häfen als Rückzugsorte für die Galeeren gebe, (2c) die Schiffe der Feinde im Roten Meer und Indischen Ozean nur schwach bewaffnet seien und zudem (2d) alle Schiffe auf dem Weg von Indien nach Ägypten eine Meerenge passieren müssten, an der sie sich leicht abfangen ließen. Als Autorität, um die Widerlegung der Argumente seines Opponenten zu stützen, verwies der Dominikaner einerseits auf die Erfahrung, welche er im Rahmen seiner Reisen erworben hatte, sowie andererseits auf den in den 1280er Jahren unternommenen Versuch der Republik Genua, ein ähnliches Blockadeprojekt durchzuführen. Siehe dazu auch Ciocîltan, Challenge (1993), 283–307 sowie II.4.3.2. Weijers, Search (2013), 128–133.
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und ethnographisches Spezialwissen für ein geistliches Publikum nachvollziehbar zu ordnen und anwendungsorientiert zu präsentieren. Da diese Form der Argumentation unter den Geistlichen an der Kurie wohlbekannt war, konnten sie darauf bauen, dass die Mehrzahl der potentiellen Rezipienten ihrer Vorschläge damit vertraut war. Die sozialen Grenzen der Verbreitung dieses Wissens scheinen den beiden Mendikanten dabei durchaus bewusst gewesen zu sein, denn als Guillelmus 15 Jahre später ein Rückeroberungstraktat für den französischen König verfasste, verzichtete er darauf, eine vergleichbare quaestio in sein Werk aufzunehmen. Sofern es gezielt eingesetzt wurde, vermochte also auch Wissen, das nur an bestimmten Höfen oder in bestimmten sozialen Milieus verfügbar war, der Schaffung einer (lokal oder sozial begrenzen) Interaktionssprache für die Kreuzzugsplaner zu dienen.
1.2.3 Imitieren und Limitieren – Geschichtswissen Zu dem an den Höfen lateineuropäischer Herrscher allgemein verfügbaren Wissen, das die Berater zur Schaffung einer Interaktionssprache innerhalb der Kreuzzugsplanungen heranzogen, zählte abgesehen von dem vorgenannten Gelehrtenwissen vor allem das Wissen über vergangene Ereignisse und die Taten historischer Akteure. Dieses Geschichtswissen war ein integraler Bestandteil der Interaktion von Ratgebern aus unterschiedlichen Wissenskulturen innerhalb der höfischen Beraterkollektive und wurde dementsprechend von Beratern aller Subtypen eingesetzt. Inhaltsanalytisch gefasst weisen insgesamt 16 der 25 untersuchten Rückeroberungsmemoranden Inhalte der Kategorie „Geschichte“ auf. Zwölf dieser Werke bestehen dabei zu 10% oder weniger aus solchen historischen Referenzen, während die Werke des Marino Sanudo (49%), Gonzalo de Hinojosa (25,8%), Fidenzio von Padua (18,7%) sowie Hethum von Korykos (15,7%) jeweils deutlich umfangreichere Geschichtsdarstellungen enthalten.267 Eine zentrale Rolle spielte der Erste Kreuzzug, welcher bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zunehmend mythisiert worden war und sich in den folgenden Jahrhunderten zu einem richtungsweisenden Idealbild christlichen Rittertums entwickelte, dessen Strahlkraft weit über die Höfe kreuzfahrender Herrscher hinausreichte. Spätestens zu Beginn der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war die Kreuzzugsgeschichte daher kein Spezialwissen mehr, sondern durch Predigten, liturgische Feiern und volkssprachliche Dichtung zu allgemein verfügbarem Wissen geworden, mit dessen Inhalten, Narrativen und Symbolen jeder höfische Akteur vertraut war.268 Neben der Kreuzzugsgeschichte bedienten sich einige der Ratgeber
Die jeweiligen Werke des Galvano di Levanto sowie des Roger von Stanegrave beinhalten ebenfalls Verweise auf historische Ereignisse, lassen sich jedoch inhaltsanalytisch nicht quantifizieren, weil die einzelnen Texte nicht vollständig überliefert sind. Siehe II.1. Aus der inzwischen extensiven Forschung zu diesem Thema siehe u. a. Cassidy-Welch, Crusades (2017), 2–10; Jaspert, Polymythos (2004), 206–208; John, Godfrey of Bouillon (2017), 227–253; Nejedlý/Svátek, Introduction (2015), 11–15.
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überdies auch anderer allgemein zugänglicher Erzählungen, etwa aus dem Alexandermythos oder der biblischen Überlieferung, um ihr Spezialwissen zu präsentieren, applizieren und legitimieren. Die Taten historischer Akteure konnten einerseits als positive Vorbilder oder warnende Beispiele dienen, welche die Vorschläge der Ratgeber verdeutlichten und rechtfertigten, ohne dabei auf Spezialwissen rekurrieren zu müssen. Andererseits konnten sie auch mit dem Spezialwissen verbunden werden, das aus Sicht der jeweiligen Berater für das Unternehmen zentral war, und auf diese Weise als mnemotechnisches Hilfsmittel für die anderen Kreuzzugsplaner fungieren. Historische Narrative wurden innerhalb der Kreuzzugsplanungen allerdings höchst selektiv eingesetzt und gegebenenfalls auch verändert, um sie besser in die Vorschläge der Ratgeber einfügen zu können. Diese Vorgehensweise ist von der Forschung als charakteristisch für die Arbeit mittelalterlicher Geschichtsschreiber herausgestellt worden, welche die Vergangenheit üblicherweise als Blumenwiese betrachteten und die Aufgabe der Historiographie dementsprechend in der Blütenlese sahen.269 Ungewöhnlich ist dagegen, dass die historischen Beispiele von den Beratern meist inkonsequent auf ihren Erkenntniswert für künftige Kreuzzüge hin befragt und oft sogar innerhalb eines Werkes inkonsistent verwendet wurden. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, dass Verweise auf die Kreuzzugsgeschichte nicht nur als Lehrbeispiele, sondern vor allem als Grenzmarkierungen dienten, welche die Interaktion von Beratern aus unterschiedlichen Wissenskulturen innerhalb von höfischen Beraterkollektiven ermöglichen sollten. Die Geschichte vermochte diese begrenzende Funktion zu erfüllen, weil der Kreuzzug selbst ein leerer Signifikant war, den die Berater mit einer Vielzahl heterogener, teils inkommensurabler Wissenselemente füllen konnten. Aus den allgemein bekannten historischen Narrativen erwuchsen legitimationsstiftende Vorbilder, die nachfolgende Generationen als nachahmungswürdig auffassten und wichtige Bestandteile des zeitgenössischen Vorrats an Exempla bildeten. Bei einem Exemplum handelte es sich dem Gelehrten Johannes de Garlandia (✶1195 †1272) zufolge um den Ausspruch oder die Tat einer realen Person würdig der Nachahmung (...).270 Solche Exempla wurden bereits in den Mönchsgemeinschaften des Frühmittelalters als didaktisches Instrument genutzt und hielten ab dem 12. Jahrhundert verstärkt in Predigten, Fürstenspiegeln sowie moralphilosophischen Schriften Einzug. Wer als Kreuzzugsexperte auf das Beispiel herausragender historischer Persönlichkeiten verweisen konnte, musste seinen Vorschlag demnach nicht durch schwer nachvollziehbares oder möglicherweise gar unverständliches Spezialwissen rechtfertigen und konnte zugleich gewiss sein, dass
Graus, Funktionen (1987), 19. Poetria magistri Johannis anglici. Ed. Mari, 888: Exemplum est dictum vel factum alicuius autentice persone dignum imitatione. Ich beziehe mich an dieser Stelle allein auf das narrative Exemplum und nicht die Tradition der Exempla in der scholastischen Logik. Dieses „narrative Exemplum“ wird in der mediävistischen Forschung traditionell verstanden als „un récit bref donné comme véridique et destiné à être inséré dans un discours (...) pour convaincre un auditoire par un leçon salutaire.“ Vgl. Bremond/Le Goff, Exemplum (1982), 37–38.
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die Rezipienten seines Ratschlags diesen zumindest komparativ zu erschließen vermochten. Der Rekurs auf Exempla bildete folgerichtig eine naheliegende Option, um nicht nur das Problem der Vermittlung, sondern auch das der Rechtfertigung in der ExpertenLaien-Kommunikation zumindest teilweise zu mitigieren. Ein anschauliches Beispiel für den Einsatz historischer Narrative zur Konstruktion legitimationsstiftender Vorbilder bildet die zeitgenössische Debatte über die Route, auf der das Kreuzfahrerheer in den Orient gelangen sollte. Schon Ludwig VII. hatte im Rahmen des zweiten Kreuzzuges das Vorbild der ersten Kreuzfahrer bemüht, um für den Landweg über Kleinasien zu argumentieren, welchen das erfolgreiche Heer ihrer Väter einst gegangen war.271 Als zentrale Protagonisten galten dabei ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Gottfried von Boullion und Peter der Einsiedler (†1115), denen die Zeitgenossen des Mittelalters anders als die moderne Geschichtsforschung eine führende Rolle bei dem Kreuzzugsunternehmen zuschrieben.272 Ausgehend vom legitimationsstiftenden Nimbus dieser Heroen verwundert es nicht, dass die Advokaten der Landroute unter den Kreuzzugsberatern des 13. und 14. Jahrhunderts ebenfalls das Exemplum der ersten Kreuzfahrer anführten, um ihre Entscheidung für den Landweg zu plausibilisieren. So folgerte Guillelmus Adae in seinem Rückeroberungstraktat: Aber das ich hier sage, der Kreuzzug muss in Griechenland beginnen [und] danach in die Türkei [ziehen], sollte weder neu noch außergewöhnlich erscheinen, denn derjenige Kreuzzug, der dort begonnen hat, (...) war sehr erfolgreich, da im [Zeit]raum von drei oder vier Jahren dreizehn Königreiche erobert wurden.273
Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. Ed. Gingerick–Berry, 130: nos nostrorum parentum garadiamur iter, quibus mundi famam et caeli gloriam probitas incomparabilis dedit. In der Forschung gelten Bohemund von Tarent, Raimund IV. von Toulouse sowie der päpstliche Legat Adhemar von Le Puy als Anführer der ersten Kreuzfahrer. Erst nach Bohemunds Ausscheiden und Adhemars Tod begann Gottfried von Boullion in der Zeit unmittelbar vor der Eroberung Jerusalems eine Führungsrolle im Kreuzfahrerheer zu übernehmen, vgl. John, Godfrey of Bouillon (2017), 157–165; Tyerman, God’s War (2007), 124–164. Peter der Einsiedler, ursprünglich einer der Anführer des sogenannten Volkskreuzzuges von 1096, wurde erst deutlich später zu einer Führungspersönlichkeit des Ersten Kreuzzuges stilisiert. Noch im Vorfeld des Zweiten Kreuzzuges erwähnte Bernhard von Clairvaux ihn in seinem Brief an die oberdeutschen Bischöfe als Negativbeispiel für einen verfrühten, unorganisierten Aufbruch zur Kreuzfahrt, vgl. Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Ed. Winkler, Bd. 3, 661, Nr. 363. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 66: Hoc autem quod dico, quod videlicet in Grecia, deinde in Turcia, passagium incipi debeat, nulli novum vel extraneum videatur, nam quoddam passagium ibi incepit (...) fuit melius prosperatum, nam fuerunt infra trium vel quatuor annorum spatium regna tredecim acquisita. Es bleibt unklar, welche 13 Königreiche Guillelmus an dieser Stelle genau meinte. Möglicherweise bezog er sich auf den Mythos des verlorenen 13. Stamms Israels und referierte dementsprechend auf die Eroberung des Heiligen Landes durch die ersten Kreuzfahrer. Eine Bezugnahme auf die 13 Königreiche aus der gnostischen Apokalypse des Adam ist indes unwahrscheinlich, weil der Text zu diesem Zeitpunkt in Lateineuropa kaum bekannt war. Siehe dazu Parrott, 13 Kingdoms (1989), 67–87.
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Auch in seinem 15 Jahre später verfassten Directorium argumentierte der Dominikaner noch auf Grundlage des Vorbildes der ersten Kreuzfahrer für den Landweg. Andere Berater wie etwa Pierre Dubois bedienten sich ebenfalls dieser Begründungsstrategie, um ihren Vorschlag zu rechtfertigen, das Kreuzfahrerheer solle den Landweg über Kleinasien nehmen.274 Die legitimationsstiftende Kraft der ersten Kreuzfahrer war sogar derart wirkmächtig, dass selbst Berater, die einen Seeweg in den Orient favorisierten, versuchten, sie in ihre Argumentation zu integrieren. Um für einen direkten Angriff auf Ägypten zu werben, behauptete Marino Sanudo beispielsweise, dass bereits Gottfried von Boullion und Peter der Einsiedler versucht hätten, über die Sinai-Halbinsel nach Ägypten vorzudringen und Kairo zu erobern.275 Ein ähnlich prominentes Vorbild war das in der Mitte des 11. Jahrhunderts entstandene Narrativ einer angeblichen Orientfahrt Karls des Großen (✶um 747 †814), in deren Rahmen der Frankenherrscher auch Jerusalem aus den Händen muslimischer Herrscher erobert haben soll.276 Bereits Robert von Reims (✶um 1055 †1122) hatte in seiner Historia Iherosolimitana den Erfolg der Unternehmung durch den Umstand erklärt, dass die ersten Kreuzfahrer auf ihrem Marsch nach Jerusalem denselben Weg wie einst Karl der Große eingeschlagen hätten.277 Auch 300 Jahre später bedienten sich Ratgeber wie Pierre Dubois oder Guillelmus Adae noch dieses Narrativs, um ihre Wahl der Landroute zu begründen. Dubois hielt fest, es sollten vier Streitmächte aufgestellt werden, von denen drei über das Meer gehen und die vierte und größte über trockenes Land, genau so wie Karl der Große, Kaiser Friedrich I. und Gottfried von Boullion es getan hätten.278 Indem Ratgeber wie Dubois Heroen wie Gottfried von Boullion das zu-
[Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 416 f.; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 222–224. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 44 f.; 148–152. Siehe auch Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222 f.; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 112; Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 106; Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 359; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 604; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 340 f.; Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 436 f. Der Mythos von einer Orientexpedition Karls des Großen entstand vermutlich Mitte des 11. Jahrhunderts in dem Gebiet um die französischen Krondomäne, vgl. Gabriele, Empire (2013), 41–70; Jaspert, Erinnerung (2005), 141–146. Historia Iherosolimitana of Robert the Monk. Ed. Bull/Kempf, 6. Der Michelsberger Chronist berichtet sogar, man habe sich 1096 unter den ersten Kreuzfahrern erzählt, dass Karl der Große persönlich von den Toten auferstanden sei, um sie ins Heilige Land zu führen, vgl. Frutholfs und Ekkehards Chroniken. Ed. Schmale/Schmale-Ott, 144. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 222: Advertendum videtur expedire quod constituantur quatuor exercitus, quorum tres per mare transeant, et quartus maior · ceteris per terram siccam ad instar Karoli magni, et primi Federici imperatoris, et Godefredi de Bullon (...). Ähnlich argumentierte auch [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 417: Hanc viam dudum fecerat memorandus et ymitandus Karolus Magnus, quando Terram Sanctam de manu infidelium liberavit, sicut ex ystoriis inde factis colligitur et habetur.
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sätzliche Exemplum Karls des Großen zur Seite stellten, vermochten sie ihren eigenen Expertenratschlag in eine jahrhundertealte Tradition erfolgreicher Orientfeldzüge einzubetten und ihn somit auch gegen potentielle Widersprüche zu immunisieren.279 Kreuzzugsberater rekurrierten allerdings nicht nur auf Exempla aus der Kreuzzugsgeschichte, sondern bedienten sich zur Konstruktion legitimationsstiftender Vorbilder auch verschiedener Narrative aus der antiken Tradition, der biblischen Überlieferung sowie der Hagiographie. Wie bereits anhand der französischen Kreuzzugskompilation BL Royal 19 D.I. deutlich wurde, erfreute sich unter den antiken Persönlichkeiten vor allem Alexander der Große erheblicher Beliebtheit innerhalb der Kreuzzugsplanungen.280 Die Erzählungen über die Taten des Makedonenherrschers wurden nicht nur gemeinsam mit Rückeroberungsmemoranden kompiliert, sondern erfüllten auch innerhalb der Vorschläge selbst argumentative und explanative Funktionen. Die Kreuzzugsberater des 14. Jahrhunderts knüpften damit an die Alexandernarrative an, die im Laufe des 12. Jahrhunderts in Auseinandersetzung mit spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen entstanden waren und anschließend vermittels volkssprachlicher Literatur wie dem Alexanderroman breiteren Kreisen der Bevölkerung zugänglich wurden.281 Folgt man Carys Untersuchung des mittelalterlichen Alexanderbildes, so lassen sich ausgehend vom 12. Jahrhundert vier Traditionen der Rezeption ausmachen: Der moralphilosophische Deutungsansatz knüpfte an die Bewertung Alexanders durch die römische Stoa an und zeichnete ein negatives Bild von dessen Charakter. Dasselbe gilt für die exemplarische Deutung, die zumeist über Predigten verbreitet wurde und am Beispiel des antiken Eroberers die menschliche Vanitas thematisierte.282 In theologischer Tradition wurde Alexander wiederum vor dem Hintergrund der biblisch fundierten Vier-Reiche-Lehre als der durch den göttlichen Plan vorherbestimmte Zerstörer des Perserreiches interpretiert.283 Die Kreuzzugsratgeber folgten allerdings der vierten Ausprägung der Alexanderrezeption, die Cary als weltliche bzw. säkulare Tradition bezeichnet und im ritterlich-höfischen Milieu des ausgehenden 13. Jahrhunderts verortet. Im Unterschied zu den drei anderen Deutungstraditionen zeichneten die Vertreter dieses Ansatzes ein durchweg positives Bild von Alexander: „the secular writer writes of Alexander
Gonzalo de Hinojosa und Marino Sanudo schilderten ebenfalls den Orientfeldzug Karls des Großen, erwähnten dabei allerdings nicht dessen Route, vgl. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 112; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 127 f. Auch Galvano di Levanto thematisierte das Vorbild Karls, der christicolarum regiones plurimas von den Barbaren befreit habe. Es bleibt jedoch offen, wen genau er mit diesen Barbaren meinte. Seine Äußerung könnte sich damit sowohl auf Karls Auseinandersetzungen mit den Ungarn und Sachsen als auch auf dessen vermeintlichen Kreuzzug bezogen haben, vgl. Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 360. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 1r–46r; 47r–57r. Siehe auch II.1.1.1. Aurell, Chevalier (2011), 49–52. Cary, Alexander (1956), 80–117; 143–162. Cary, Alexander (1956), 118–142. Zur Vier-Reichs-Lehre und den Kreuzzügen siehe Kahl, Eschatology (1992), 35–47.
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as a conqueror for comparison with other conquerors of the past or of his own age, or with patrons who would like to be conquerors.“284 In der Rolle des erfolgreichen Eroberers bildete Alexander somit ein militärisches Vorbild für die Herrschenden, weshalb Ratgeber ihn zumeist als Exemplum bei strategischen und taktischen Fragen anführten.285 Roger von Stanegrave schlug vor, die Einheiten des Kreuzfahrerheers nach dem Vorbild der Streitmacht Alexanders in Zehnerschritten (10, 100, 1.000, 10.000) zu organisieren.286 Sein Wissen über das makedonische Heer entnahm Roger dabei keineswegs dem mittelalterlichen Alexanderroman, sondern dem pseudoaristotelischen Secretum secretorum und vermengte es mit einer Alexandererzählung unbekannter Provenienz.287 In ähnlicher Weise wie Alexander wurden mitunter auch andere antike oder biblische Exempla mobilisiert, zu denen etwa Hannibal (†183 v. Chr.), König Salomon und Judas Makkabäus (†160 v. Chr.) zählten.288 Wie Alexander, Karl der Große oder Gottfried von Boullion entstammte die Mehrzahl dieser Beispiele dabei dem aus antiken, biblischen sowie zeitgenössischen Vorbildern zusammengesetzten Kanon idealer Ritter, dessen Vertreter als neuf preux bezeichnet wurden und der spätmittelalterlichen Militäraristokratie als Exempla dienten.289 Der Gebrauch solcher Vorbilder konnte zudem regional variieren; der aus Venedig stammende Marino Sanudo erwähnte diverse Persönlichkeiten aus der jüngeren oberitalienischen Geschichte und der am englischen Hof wirkende Roger von Stanegrave bediente sich der Figuren aus der Artussage.290 Da historische Exempla fester Bestandteil des gesamtgesellschaftlichen Wissensvorrats waren, konnten sie innerhalb von Expertenratschlägen nicht nur als legitimationsstiftende Vorbilder, sondern auch als mnemotechnische Hilfsmittel fungieren. Vor allem die Berater des geographisch-ethnographischen Subtyps versuchten vergleichsweise unbekannte Ortschaften und Regionen an historische Persönlichkeiten oder Ereignisse zu koppeln, damit es den anderen Kreuzzugsplanern leichter fiel, sie zu memorieren. Die Verfasser der Via ad Terram Sanctam nutzen den Verweis auf die Geschichte, um zentrale Wegpunkte auf Cary, Alexander (1956), 195. So u. a. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 44; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 264; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 44–46. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 370 f. Ramon Llull und Marino Sanudo schlugen eine ähnliche Form der Unterteilung des Heeres vor (10, 50, 100, 1.000), schrieben sie allerdings den Muslimen bzw. den Venezianern zu, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 60; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 280. Secretum Secretorum. Ed. Steele, 150; Paviot, Projets (2008), 370, Fußn. 231. Siehe auch III.1.2.2. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 42 f.; Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 359; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 394; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 264–266; 269–272; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 52. Der erstmalig um 1312 durch Jacques de Longuyon formulierte Kanon der Neun Tapferen bestand aus je drei antiken (Alexander, Gaius Iulius Caesar u. Hektor von Troja), drei biblischen (König David, Josua u. Judas Makkabäus) sowie drei mittelalterlichen (König Artus, Gottfried von Boullion u. Karl der Große) Vorbildern für Ritter, vgl. Huizinga, Herbst (2006), 92. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 50–52; 159; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 294 f.; 348 f.
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der Sinai-Halbinsel in ihrem ansonsten ausschließlich auf militärischen Nutzen ausgerichteten Kreuzfahreritinerar zu markieren. Unter anderem stellten sie fest, zwischen den Ortschaften Bousser (Būṣīr) und Aorade (al-Warrāda) teile sich die nach Ägypten führende Straße, wobei die Kreuzfahrer die untere der oberen Straße vorziehen sollten, weil letztere durch eine wasserlose Sandwüste führe. Damit diese wichtige Gegend auch im Gedächtnis ihrer Leser blieb, fügten sie umgehend hinzu, es handle sich dabei um jene Stelle, an der König Balduin I. von Jerusalem (✶um 1060 †1118) gestorben sei, weshalb ein naher See (Bardawil-See) seinen Namen trage.291 Diese mnemotechnische Funktion historischer Exempla machten sich auch andere Berater zu Nutze; Hethum von Korykos hielt etwa fest, von besonderer strategischer Bedeutung für die Verteidigung Armeniens gegen die Türken sei eine Pforte durch das Taurusgebirge, die nahe der Stadt Tarsus liege, in der auch Paulus geboren sei. Marino Sanudo plante wiederum einen Angriff auf Tyrus und erläuterte zu diesem Zweck die Position einer Oase im Umland, die angeblich auch Alexander der Große bei seiner Belagerung der Hafenstadt genutzt haben soll.292 Abgesehen von historischen Exempla führten die Berater jedoch auch Beispiele gescheiterter Orientexpeditionen ins Feld, um politischen Entscheidungsträgern damit auf nachvollziehbare Weise zu verdeutlichen, warum sie von einer bestimmten Vorgehensweise absehen sollten. Einige bemühten dabei explizit das Cicero zugeschriebene Deutungsschema der Geschichte als Lehrmeisterin des Lebens und suggerierten, dass sich auf diese Weise die Fehler vergangener Kreuzfahrer bei künftigen Orientfeldzügen vermeiden ließen.293 Fidenzio von Padua beendete seine Ausführungen über die Geschichte des Heiligen Landes mit einer Liste der sieben Ursachen, welche seines Erachtens zum Untergang der Kreuzfahrerreiche geführt hatten, und Marino Sanudo stellte fest, das dritte Buch seines Liber secretorum zeigt Vergangenes als Warnung für zukünftige [Generationen].294 Obgleich sie keine Exempla im Sinne des Johannes de Garlandia waren, konnten derartige Negativbeispiele dennoch indirekt der Vermittlung und
Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 432: De Bir el Cani jusques à Bousser, IIII liues; et la se prenent II chemins; celui de haut est tot sablon et mauvaise aigue; celui de bas est le chemin usé et s’en vait par un leu ou le roi Baudoin morut, et celui leu s’apele Sabaquet Bardoill et vait a l’Aorade, et a sablon assés. Die Verfasser der Memoria übernahmen diese Passage aus dem Itinerar, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 455. Zur Identifikation der Ortschaften siehe Hartmann, Straße (1910), 691; Paviot, Introduction (2008), 47. König Balduin I. war 1118 auf dem Rückweg von einem Ägypten-Feldzug bei al-ʿArīš verstorben, vgl. dazu Tyerman, God’s War (2007), 203. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 325; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 159 f. Cic. De orat. 2, 36: Historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae, nuntia vetustatis, qua voce alia nisi oratoris immortalitati commendatur?. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 4: Liber tertius historicus est et praeterita recitat ad cautelam futurorum. Im Rahmen seiner Geschichte des Heiligen Landes zählte Fidenzio sieben Ursachen für den Verlust desselben durch die lateinische Christenheit auf: infectio, variatio, effeminatio, indiscretio, divisio, defectio sowie derelictio, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 12–16.
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Rechtfertigung des eigenen Expertenratschlags dienen, da allein ihre Erwähnung dazu beitrug, die entsprechende Gegenposition zu delegitimierten. Diese Negativbeispiele stammten vornehmlich aus der jüngeren Geschichte und betrafen die Kreuzzüge des 13. Jahrhunderts oder die politischen Entwicklungen in den Kreuzfahrerreichen. Die Berater verwendeten sie einerseits, um ihre moralische Ansicht deutlich zu machen, und andererseits, um für eine bestimmte militärische Vorgehensweise zu argumentieren. Auf moralischer Ebene bedienten sich die Ratgeber zumeist des bereits im 12. Jahrhundert etablierten theistisch-okkasionalistischen Deutungsschemas, demgemäß die Niederlagen der Kreuzfahrer auf den Verlust des göttlichen Beistands zurückzuführen waren, und koppelten es mit dem Metanarrativ des zunehmenden moralischen Verfalls der Kreuzzugsbewegung.295 Den Kreuzfahrern, die 1219 die ägyptische Hafenstadt Damietta erobert hatten, wurde von verschiedenen Beratern unterstellt, sie hätten im Anschluss durch Raub, Mord und Unzucht den göttlichen Beistand verspielt und seien infolge dessen nicht in der Lage gewesen, die Stadt gegen das heranrückende Heer des Sultans zu verteidigen.296 Das theistisch-okkasionalistische Deutungsschema half den Ratgebern zudem, die Ursachen vergangener Niederlagen von einer militärstrategischen Ebene auf eine moralische Ebene zu verschieben und das Scheitern somit auf Defizite der Kreuzzugsteilnehmer statt auf Defizite in der Planung zurückzuführen. Fidenzio von Padua resümierte beispielsweise, die Verteidigung der armenischen Hafenstadt Ayas gegen eine ägyptische Armee im Jahr 1275 sei zwar militärisch möglich gewesen, aber schlussendlich aufgrund des mangelnden Kampfgeists der effeminierten Genuesen und Pisaner fehlgeschlagen, die sich auf ihre Burgen zurückgezogen hätten, statt sich den Angreifern zu stellen.297 Indem Fidenzio den Misserfolg der christlichen Streitmacht durch Bezugnahme auf die charakterlichen Mängel der Genuesen und Pisaner rationalisierte, vermochte er zugleich, potentielle Kritik an seinem eigenen Kreuzzugsplan, der eine Landung der Kreuzfahrer in Armenien vorsah, als militärisch unbegründet zurückzuweisen. Deutlich dominanter als diese moralische Missbilligung war indes eine pragmatische Kritik an vergangenen Orientfeldzügen, die sich an den militärischen Entscheidungen entzündete, welche von den Beratern als Ursache für das Scheitern verschiedener Kreuzzüge ausgemacht wurden. Ein unter Ratgebern vielgenanntes Beispiel für solche Fehler vergangener Kreuzzüge war die mangelnde Geheimhaltung der jeweiligen Feld-
Siberry, Criticism (1985), 72–95; Seitz, Ende (2010), 92–102; Throop, Criticism (1940), 170–175. Siehe auch I.1.2. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 12 f.; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 290; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 208 f. Die Berater folgten mit dieser Einschätzung im Wesentlichen der Chronik Olivers von Paderborn, vgl. Lewy, Abessinier (2018), 206. Gonzalo de Hinojosa zählte den Damietta-Feldzug erst gar nicht als Kreuzzug, vgl. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 113 f. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 14. Zu den ägyptischen Angriffen auf Armenien, vgl Boase, Kingdom (1978), 27 f.; Ghazarian, Armenian Kingdom (2000), 141–155.
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züge und der daraus entstandene Schaden. Gonzalo de Hinojosa stellte etwa fest, Akkon und Tripolis seien in den Jahren 1291 bzw. 1288 nur deswegen erobert worden, weil der englische König Eduard I. die Muslime zuvor durch seine Kreuzzugsvorbereitungen alarmiert habe. Der ägyptische Sultan habe daraufhin mit einem Präventivschlag reagiert, auf den die verbliebenen Kreuzfahrerreiche militärisch nicht vorbereitet gewesen seien.298 Roger von Stanegrave schlug gar vor, die Kreuzfahrer sollten das Ziel ihrer Reise erst auf hoher See aus einem zuvor versiegelten Schreiben erfahren, weil zu viele vergangene Orientfeldzüge an mangelnder Geheimhaltung gescheitert seien.299 Die im negativen wie im positiven Sinne meistgenannten Kreuzzüge waren jedoch die beiden Feldzüge Ludwigs IX., die 1254 in Ägypten und 1270 vor Tunis gescheitert waren.300 Im Unterschied zu den zuvor erwähnten Orientexpeditionen ließen sich Ludwigs Kreuzzugsunternehmen nicht zu moralischen Negativbeispielen stilisieren, da die Integrität des 1297 heiliggesprochenen Königs nicht nur für alle Berater außer Frage stand, sondern ab dem späten 13. Jahrhundert auch ein konstitutives Element der kapetingischen Herrschaftsideologie war.301 Fidenzio von Padua behauptete ebenso wie Guillelmus Adae, dass Ludwigs Niederlage im April 1250 vor al-Manṣūra vornehmlich auf die Erkrankung des Königs und großer Teile seines Heers zurückzuführen sei. Folglich eigne sich Ägypten nicht als Angriffsziel für künftige Kreuzzüge, da die Erfahrung aus der Zeit des verstorbenen Königs Ludwig von Frankreich lehrt (...), dass in Ägypten viele Christen erkrankt sind und [anschließend] starben.302 Die beiden Berater nutzten also dieses Narrativ, um alle Expertenratschläge, die einen Angriff auf Ägypten vorsahen, zu delegitimieren und somit ihre eigenen Vorschläge eines Angriffes auf Antiochia bzw. Konstantinopel als durch historische Erfahrung fundierte Alternativen darzustellen. Die Befürworter eines Ägyptenfeldzugs wiederum versuchten dieser historisch gerechtfertigten Kritik ihrer militärischen Pläne entgegenzuwirken und entwarfen ih-
[Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114. Ähnlich argumentierten auch Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 15; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148. Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 354 f. Auch Vegetius betonte die Relevanz der Geheimhaltung militärischer Pläne, vgl. Veg. Mil. 3.26.27–29. So u. a. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 113 f.; Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 109; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 124; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 441; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 276. Zu den beiden Kreuzzügen Ludwigs IX. siehe Le Goff, Saint Louis (1996), 210–240; Hélary, Croisade (2016); Jordan, Louis IX (1979); Richard, Saint Louis (1983), 159–272; Reitz, Kreuzzüge (2005); Strayer, Louis IX (1969), 487–521; Tyerman, God’s War (2007), 770–814. Berné, Saint Louis (2014), 67–78; Gaposchkin, Kingship (2013), 135–172; Le Goff, Saint Louis (1995), 809–811. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53: Et sicut [docet] experientia, tempore bone memorie Ludovici regis Francie, (...) quam multi Xpistiani infirmati sunt et defuncti in Egypto. Ähnlich argumentiert auch [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 412 f. Fidenzio und Guillelmus bezogen sich an dieser Stelle offenbar auf die Auffassung, dass Ludwig während seines ersten Kreuzzuges in Ägypten erkrankt sei, vgl. dazu etwa den zeitgenössischen Bericht in Jean de Joinville, Vie de Saint Louis. Ed. Monfrin, 280–282.
1.2 Experten, Laien und die Schaffung einer Interaktionssprache
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rerseits ein Konkurrenznarrativ von Ludwigs Ägyptenkreuzzug, in dem die Niederlage der Kreuzfahrer aus vergleichsweise marginalen Fehlern resultierte, die sich leicht planerisch korrigieren ließen. Marino Sanudo stellte fest, dass die Versorgung der Kreuzfahrer nicht sichergestellt gewesen sei, als Ludwig 1249 nach der Eroberung von Damietta mit seinem Heer in das Landesinnere Ägyptens vordrang, und erörterte postwendend, wie dieses logistische Defizit zukünftig durch den Einsatz spezieller Schiffstypen sowie erfahrener Seeleute behoben werden könne.303 Die unbekannten Autoren der Memoria versuchten ebenfalls, den Ägyptenplan gegen historisch fundierte Kritik von Ratgebern wie Fidenzio zu verteidigen. Sie behaupteten, die mangelnde Disziplin unter den Rittern habe zu Chaos in Ludwigs Heer und schlussendlich zu dessen Niederlage geführt, weswegen zukünftige Kreuzfahrerheere vornehmlich auf Ordensritter setzen sollten, welche die Kirche zurechtweisen und bestrafen kann, was bei einem einzelnen Baron oder weltlichen Rittern nicht möglich ist.304 Die Verfasser der Memoria legten damit nicht nur einen guten Grund für den Ägyptenfeldzug dar, sondern lieferten dem Papst zugleich auch ein Argument für die kirchliche Kontrolle des Kreuzfahrerheeres. Beispiele wie diese illustrieren nicht nur den Versuch, historische Negativbeispiele zur Legitimation des eigenen Expertenratschlags einzusetzen, sondern zeugen darüber hinaus von einer lebhaften Auseinandersetzung innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen über die historische Deutungshoheit über zentrale Narrative wie Ludwigs Niederlage in Ägypten. Insgesamt erfolgte der Einsatz historischer Exempla sowie die Analyse vergangener Misserfolge durch die Kreuzzugsratgeber allerdings selektiv und beschränkte sich auf die Themenkomplexe, in denen sie der eigenen Argumentation von Nutzen waren. Der Johannitermeister Foulques de Villaret mobilisierte das Exemplum des ersten Kreuzzuges bezüglich der Frage, wer das Kreuzfahrerheer anführen sollte, und argumentierte vor dem Hintergrund der Erfahrungen der ersten Kreuzfahrer dafür, dass das Heer sowohl einen weltlichen als auch einen geistlichen Befehlshaber haben solle.305 In zahlreichen anderen Streitpunkten wie etwa der Wahl der Kreuzzugsroute oder der Frage, ob dem allgemeinen Kreuzzug ein Partikularkreuzzug vorangehen sollte, ignorierte Foul-
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 48; 220. Siehe auch II.2.3.2. Die Berater Karls II. von Anjou sprachen in ihrem an Nikolaus IV. adressierten Ratschlag ebenfalls von der problematischen Versorgungslage für Kreuzfahrerheere im Landesinneren Ägyptens, allerdings ohne dabei das historische Beispiel vom Orientfeldzug Ludwigs IX. zu erwähnen, vgl. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353 f. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 442: Ecclesia posset eos punire et corrigere, quod non posset facere de uno barone vel militibus secularibus. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603. Foulques ging davon aus, dass die ersten Kreuzfahrer von Peter dem Einsiedler und Gottfried von Boullion nach Jerusalem geführt worden seien. Der tatsächliche Einfluss Peters auf den Ersten Kreuzzug ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Für einen Überblick über die Debatte siehe Weitzel, Kreuzzug (2019), 97–104. Zu Gottfried von Boullion und seiner Funktion als vermeintlicher Führer des Ersten Kreuzzugs siehe insbes. John, Godfrey of Bouillon (2017), 157–165.
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ques allerdings das Vorbild vergangener Orientexpeditionen – vermutlich weil das Vorgehen der ersten Kreuzfahrer von seinen eigenen militärischen Plänen abwich. Die Beispiele fehlgeschlagener Kreuzzüge überging der Johannitermeister sogar in Gänze und merkte diesbezüglich nur an: Über jene Kreuzzüge, welche behindert und gestört wurden, sodass sie kein vorteilhaftes Ergebnis haben konnten, scheint es uns nicht angemessen, hier eine Erwähnung zu tätigen (...).306 Diese geradezu beliebige Anwendung historischer Narrative kann auch bei allen anderen Ratgebern beobachtet werden: Gonzalo de Hinojosa lehnte die traditionsreiche Kleinasienroute ab, obwohl er zuvor den Ersten Kreuzzug als Vorbild herausgestellt hatte, und Guillelmus Adae bezog sich zwar auf den Erfolg der ersten Kreuzfahrer, um die Wahl der Landroute zu rechtfertigen, ignorierte ihr Exemplum jedoch vollständig in Bezug auf seinen originellen Plan einer Blockade des ägyptischen Indienhandels.307 In ähnlicher Weise stellten auch die Verfasser der Memoria Terre Sancte Gottfried von Boullion und die ersten Kreuzfahrer zunächst als Exempla heraus, weil sie ihren Kreuzzug ohne kirchliche Unterstützung finanziert hätten, nur um im Anschluss daran eine Vielzahl kirchlicher Finanzierungsmöglichkeiten für den Kreuzzug vorzuschlagen.308 Auch dies zeigt, dass die epistemische Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens einen Bruch zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont bewirkt hatte.309 Dieser hatte zwar den Blick zurück in die Geschichte nicht obsolet gemacht, die Vorbildfunktion historischer Exempla selbst jedoch geradezu kontingent werden lassen. Papst Nikolaus IV. hatte die Christenheit schließlich 1291 darum gebeten, neue Wege und Möglichkeiten zur Rückeroberung des Heiligen Landes zu erkunden, weil er der Ansicht war, dass der Blick in die Geschichte allein nicht mehr ausreichte, um künftige Probleme zu bewältigen.310 Die Kreuzzugsberater benutzten historische Narrative daher nur äußerst selektiv, um innerhalb der höfischen Beraterkollektive eine gemeinsame Interaktionssprache herzustellen. Dabei kam ihnen entgegen, dass die Exempla und Negativbeispiele aus der Kreuzzugsgeschichte sich durch eine inhaltliche Polyvalenz auszeichneten, welche es erlaubte, sie in höchst verschiedenen Argumentationszusammenhängen zu mobilisieren, ohne dabei Gefahr zu laufen, inkohärent zu wirken. Diese Polyvalenz der historischen Narrative ist wiederum darauf zurückzuführen, dass der Begriff des Kreuzzugs sowie des Kreuzfahrers in seiner Extension chronisch unterbestimmt war und spätestens seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert einen leeren
Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603 f.: De quibus passagiis, quare fuerunt impedita et turbata ita quod effectum sortiri nequivere salubrem, non expedit nos hic facere mentionem (...). [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114 f.; Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 100–106. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 436; 439. Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 361. sowie I.1.2. RN, Nr. 6791–6792.
1.3 Politische Entscheidungsträger und die Bewertung von Spezialwissen
471
Signifikanten im Sinne von Laclau bildete.311 Da sie ein sozial geteiltes Repertoire beispielhafter Kreuzfahrer und Kreuzzüge war, kam der Geschichte in dieser Konfiguration also eine wichtige Funktion als Grenzmarkierung zu, welche die Bedeutung des Kreuzzugsbegriffs nicht durch Regeln, sondern anhand von (historischen) Prototypen festlegte. Kreuzzugsplaner aus unterschiedlichen Wissenskulturen vermochten folglich durch den Verweis auf historische Exempla oder Negativbeispiele sicherzustellen, dass sie im Grunde denselben Gegenstand meinten, obwohl sie möglicherweise auf unterschiedliche Weise über ihn zu sprechen pflegten. Der auf diese Weise durch historische Prototypen gefüllte Signifikant „Kreuzzug“ sorgte zumindest auf semantischer Ebene für eine (partielle) Kongruenz der Wissenskulturen, auf der die gemeinsame Interaktionssprache der Kreuzzugsplaner basierte. Als fraktionierte Austauschzonen konnten höfische Beraterkollektive folgerichtig nur funktionieren, weil der kontinuierliche Verweis auf historische Beispielfälle als Grenzmarkierung den beteiligten Ratgebern und politischen Entscheidungsträgern suggerierte, sie würden über denselben Gegenstand sprechen, auch wenn sie es mitunter nicht taten.
1.3 Politische Entscheidungsträger und die Bewertung von Spezialwissen Die Beraterkollektive, welche von politischen Entscheidungsträgern zum Zweck der Kreuzzugsplanung an ihren Höfen versammelt wurden, dienten der Herstellung von Entscheidungssicherheit. Deshalb benötigten politische Entscheidungsträger einen Maßstab, anhand dessen sie die Qualität der Ratschläge verschiedener Experten miteinander vergleichen und auf diese Weise bemessen konnten, welcher der Vorschläge letztlich handlungsleitend sein sollte. Eine solche Bewertung von Rückeroberungsvorschlägen sowie der damit verbundenen Expertise des jeweiligen Ratgebers erforderte allerdings ein gemeinsames Set an Normen der epistemischen Rechtfertigung, das innerhalb einer fraktionierten Austauschzone verschiedener, teils inkommensurabler Wissenskulturen schwer zu definieren war. Ich werde im Folgenden argumentieren, dass die Nützlichkeit von Wissen für den Kreuzzug sowie die Anwendbarkeit von Rückeroberungsplänen die zentralen Kriterien zur Bewertung der Expertenratschläge bildeten. Um ihr Spezialwissen nutzenbzw. problemorientiert zu formulieren bedienten Berater sich der literarischen Form juristischer Gutachten und übertrugen sie auf die Organisation von Kreuzzügen. Zur Prüfung dieser consilia setzten politische Entscheidungsträger wiederum auf Gutachten zweiter Ordnung sowie Gegengutachten anderer Expertenratgeber (1.3.1). Anschließend werde ich am Beispiel des Johanniter-Kreuzzuges zur Eroberung der Insel Rhodos (1306–1311) zeigen, dass dieses höfische Konsiliarwesen im Zusammenspiel
Laclau, Empty Signifiers (2007), 36–46 sowie I.2.1.
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1 Die Organisation von Spezialwissen am Hof
mit politischen Dynamiken einen positiven Rückkoppelungseffekt entwickelte, der beständig den Bedarf nach neuen Expertengutachten hervorbrachte (1.3.2).
1.3.1 Utilitas und possibilitas Das Verhältnis von (Spezial-)Wissen und dessen lebensweltlichem Nutzen ist kein einfaches. Folgt man Schütz, so beschränkt sich der Nutzen eines Wissenselements auf bestimmte Typen von Handlungszusammenhängen, weil die Auslegung von Erfahrung abgebrochen wird, sobald der intendierte Handlungserfolg einmal erzielt ist.312 Mit einem externen, gesamtgesellschaftlichen Nutzen, der die Relevanzstrukturen einzelner Wissenskulturen transzendiert, lassen sich dementsprechend nicht alle Wissenselemente in gleichem Maße verbinden. Die wissens- und ideengeschichtliche Forschung hat vor allem dem Wissen aus vermeintlich anwendungsorientierten Beständen wie dem urbanen Handwerk, dem Fernhandel oder der Kriegführung eine besondere Nutzenorientierung zugesprochen. Die Nutzenorientierung dieses Wissens ist wiederum darauf zurückzuführen, dass es sich nicht um propositionales, sondern praktisches Wissen handelte, dessen Fortbestand und Weitergabe an den Erfolg bestimmter Routinehandlungen gekoppelt war. Portolankarten oder Seehandbücher, die falsche Entfernungsangaben enthielten, wurden zum Beispiel von den Zeitgenossen nicht deshalb als problematisch erachtet, weil sie fehlerhaft waren, sondern vor allem weil sie aufgrund dieser Defizite keinen Nutzen für die Navigation hatten.313 Die zu Grunde liegende Auffassung von Wahrheit war also funktional, nicht ontologisch. Doch nicht in allen zeitgenössischen Wissenskulturen und den mit ihnen verbundenen Wissensbeständen fielen Wahrheit und gesellschaftlich-praktischer Nutzen auf diese Weise zusammen. Vor allem das Wissen von Gelehrten und Akademikern hat in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren. Ash und Shapin haben gleichermaßen dafür argumentiert, dass gelehrtes oder „wissenschaftliches“ Wissen erst als Resultat aus dem Zusammenwachsen von Naturphilosophie und Handwerk in den Artistenfakultäten des 16. Jahrhunderts nicht mehr nur wahr sein, sondern auch einen externen, gesellschaftlichen Nutzen hervorbringen sollte.314 Bubert und Rexroth haben indes darauf hingewiesen, dass sich bereits im 13. Jahrhundert an den universitären Medizin- und Rechtsfakultäten eine solche Verbindung von Wahrheit und Nützlichkeit herausgebildet hatte, die von den Zeitgenossen auch als solche bewusst wahrgenommen wurde und vor allem an den vermeintlich weniger nützlichen Artis-
Schütz/Luckmann, Strukturen (2013) 177–187. Falchetta, Portolan Charts (2008), 271. Ash, Power (2004); Shapin, History (1994), 181 f.
1.3 Politische Entscheidungsträger und die Bewertung von Spezialwissen
473
tenfakultäten entsprechende Gegenbewegungen hervorgerufen hat.315 Dass die Kreuzzugsplaner des 13. und 14. Jahrhunderts kreuzzugsbezogenes Wissen nach dessen Nutzen bewerteten, ist demnach keineswegs selbstverständlich, sondern war das Ergebnis einer vorangegangenen Entwicklung. Nur so ist es zu erklären, dass auch Berater aus gelehrten Milieus ihr Spezialwissen in die Kreuzzugsplanungen einfließen ließen und es mit dem nutzenorientierten Wissen von Fernhändlern oder Ordensrittern verknüpften. Folgt man dieser Annahme, so verwundert es auch nicht, dass sich unter den Beratern, die aus Gelehrtenmilieus stammten, neben Mendikanten vor allem Juristen und Mediziner befanden.316 Ob ein bestimmtes Wissenselement in den höfischen Kreuzzugsplanungen als utilis bewertet wurde, hing davon ab, ob es sich auf die Rückeroberung des Heiligen Landes anwenden ließ. Nützlich war Wissen nur dann, wenn sich daraus Rückeroberungsvorschläge ableiten ließen, deren Umsetzung möglich und nicht unmöglich war. Das Bewertungsschema utilis/inutilis (für Wissen) sowie possibilis/impossibilis (für Rückeroberungsvorschläge) scheint bereits zu Beginn der 1290er etabliert gewesen zu sein und weist über alle an den Planungen beteiligten Herrscherhöfe hinweg bis in die 1330er Jahre hinein eine bemerkenswerte begriffliche Konsistenz auf. Ramon Llull behauptete über das Projekt eines Partikularkreuzzuges, das er Nikolaus IV. 1292 vorgeschlagen hatte: Ordinatio praedicta levis est et possibilis et propter honorem Dei multum amabilis.317 Umgekehrt lehnte der päpstliche Vizekanzler Arnaud Novel im November 1311 die französischen Vorschläge eines allgemeinen Kreuzzugs in das Heilige Land als impossible ab, während er einen Partikularkreuzzug gegen Granada oder Nordafrika als possible erachtete.318 Nutzen und Möglichkeit waren wiederum eng mit der Höhe und Eintrittswahrscheinlichkeit künftiger Schäden verbunden, die üblicherweise mit Ausdrücken wie dampna oder pericula näher erläutert wurden. Fidenzio von Padua stellte beispielsweise heraus, ein Angriff auf Ägypten sei gefährlich für die Kreuzfahrer, weshalb es ohne göttlichen Beistand nicht möglich sei, den Sultan dort zu besiegen.319
Bubert, Gegensätze (2019), 243–253; Rexroth, Ordnung (2016), 100–107; Ders., Scholastik (2018), 285–309. So u. a. Enguerran de Marigny, Guido von Vigevano, Galvano di Levanto, Guillaume Durand, Guillaume de Nogaret, Guillaume Le Maire u. Pierre Dubois, vgl. II.3.1.1. In Ergänzung zu den von Rexroth als nutzenorientiert charakterisierten Wissenskulturen lässt sich noch die an der Mission orientierte Theologie anführen, die auf den praktischen Konversionserfolg abzielte und sich dahingehend von der gelehrten Theologie unterschied, vgl. Münkler, Erfahrung (2000), 71–83 sowie II.4.3.3. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 331. Von der Bewertung des Kardinals berichten die aragonesischen Gesandten auf dem Viennense, vgl. Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 253, Nr. 130: E ell [Arnaud Novel, Anm. d. V.] dix nos, que aytant con el conexia be, tenia per impossible et per sobre difficil passatge, quis faes Terra Sancta per mar, mas be vehia, que, si Granada nera levada, que leu seria hom en la Barberia, e puys per terra ferma sen poria hom anar dela; e que aquesta era la conquesta rahonabla et possible e quant aaco de Granada. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53 f.
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Kreuzzugsberater wiesen meist auf die Nützlichkeit des von ihnen verwendeten Wissens hin. Die venezianischen Gesandten am französischen Hof ließen Philipp VI. im Mai 1332 wissen, sie hätten in einem kurzen Memorandum all das zusammengefasst, was nützlich für die Rückeroberung des Heiligen Landes sei, und Pierre Dubois mühte sich 1306, gegenüber Philipp IV. den Nutzen der Mathematik für den militärischen Erfolg künftiger Kreuzzüge herauszustellen.320 Wie bereits gezeigt wurde, galt die Befreiung der heiligen Stätten den meisten Zeitgenossen als moralisch erstrebenswertes Unternehmen, weshalb jede Form von Wissen, die nützlich für den Kreuzzug war, damit notwendigerweise auch von allgemeinem Nutzen für die gesamte Christenheit sein musste. Da der Kreuzzugsbegriff jedoch unterbestimmt war, also einen leeren Signifikanten bildete, ließen sich eine Vielzahl verschiedener Wissenselemente, Militäroperationen oder politischer Reformen damit verbinden. Indem sie es mit der Rückeroberung des Heiligen Landes verknüpften, konnten Experten also die gesamtgesellschaftliche Relevanz ihres Spezialwissens herausstellen.321 Die Berater verfehlten es selbstverständlich nicht, diesen Umstand immer wieder zu erwähnen – bei Ramon Llull heißt es am Ende seines ersten Rückeroberungstraktats: Quicquid diximus est propter publicam utilitatem (...).322 Eine feinkörnigere Terminologie mit graduellen Abstufungen, die zum Beispiel verschiedene Ebenen der Gewissheit von Wissen bzw. epistemischer Rechtfertigung unterscheiden konnte, lässt sich für die Kreuzzugsplanungen indes nicht ausmachen, obwohl solche Unterscheidungen den Zeitgenossen keineswegs fremd waren und etwa in der philosophischen Erkenntnistheorie oder im toskanischen Handel durchaus zu Anwendung kamen.323 Wie das auf Nützlichkeit ausgerichtete Bewertungsschema eingesetzt wurde, lässt sich am Beispiel der Kreuzzugsplanungen des französischen Königs Karl IV. und der Kurie unter Johannes XXII. in den Jahren 1321 bis 1323 illustrieren. Nach längerer Konsultation mit seinen Beratern hatte der König zu Beginn des Jahres 1323 ein Kreuzzugsprojekt entworfen, das noch in demselben Jahr in die Tat umgesetzt werden sollte. Der ambitionierte Plan sah vor, umgehend einen Vorabkreuzzug (primum passagium) aus 2 Schiffen, 4 Galeoten, 20 Galeeren und 3.000 Schützen nach Osten zu entsenden, um dort den Ägyptenhandel zu blockieren und das Königreich Armenien zu schützen. Im Folgejahr sollte dann ein durch Ludwig von Clermont geführter Partikularkreuzzug einen Brückenkopf im Orient erobern, von dem aus Karl IV. wenig später mit einem allgemeinen Kreuzzug das Heilige Land zurückerobern könnte. Der Löwenanteil der Auslagen für den ersten Teil der Unternehmung sollte aus päpstlichen Subsidien und Kreuzzugs-
Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 220, Nr. 110; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 162–164. Laclau, Empty Signifiers (2007), 36–46 sowie I.2.1. Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 340. Das Nützlichkeitspostulat ließ sich auch mit bestimmten Wissenselementen verbinden. Die Verfasser der Memoria behaupteten beispielsweise, ihre Vorschläge zur Kreuzzugsfinanzierung seien von großem Nutzen, vgl. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 438. Hayez, Avviso (2004), 113–134.
1.3 Politische Entscheidungsträger und die Bewertung von Spezialwissen
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steuern bestritten werden.324 In einem Schreiben, das eine französische Gesandtschaft unter der Führung des Grafen von Clermont dem Papst im März 1323 überreichte, stellte der König explizit heraus, seine fiskalischen Forderungen seien keineswegs unbegründet, denn er habe sich von vielen weisen Männern darin instruieren lassen, welche Dinge decentia, utilia vel necessaria für den Erfolg des Kreuzzugs seien.325 Zu den führenden Beratern des Königs in dieser Sache zählte auch Guillaume Durand, der bereits zu Beginn der 1320er Jahre Traktate und Memoranden sammeln ließ, die er als utilia pro passagio empfand.326 Die französischen Forderungen illustrieren überdies, dass ein Wissenselement nicht nur epistemisch hinreichend gerechtfertigt sein musste, um den Kreuzzugsplanern als nützlich zu gelten, sondern auch die Politikgestaltung unterstützen und die Interessen der jeweiligen Herrscher berücksichtigen sollte. Obgleich es von den Ratgebern stets als nützlich für die Rückeroberung und somit für die gesamte Christenheit beschrieben wurde, handelte es sich bei dem nützlichen Wissen der Kreuzzugsberater also stets um Wissen, das sich politisch einbetten ließ und aus diesem Grund in der modernen Politikwissenschaft auch als „serviceable truth“ bezeichnet wird.327 Da das auf Grundlage dieses nützlichen Wissens entstandene Kreuzzugsprojekt eine erhebliche finanzielle Unterstützung durch den Papst vorsah, legte Johannes XXII. es im April 1323 zunächst seinen eigenen Beratern vor und befragte zudem das Kardinalskollegium.328 Erwartungsgemäß fielen die Gutachten der Kardinäle höchst unterschiedlich aus und reichten von begeisterter Zustimmung bis hin zu vollständiger Zurückweisung.329 Zu den entschiedenen Gegnern des französischen Plans gehörte Kardinal Pierre Le Tessier, der den Papst in seinem Gutachten wissen ließ, dass er die
Für das primum passagium veranschlagten die Expertenratgeber Karls IV. insgesamt 300.000 Pariser Pfund, von denen der König allerdings nur 20.000 Pfund zu tragen bereit war. Für den darauffolgenden Partikularkreuzzug stellte der König dagegen 300.000 Pfund aus den Geldern der französischen Krone in Aussicht, vgl. RJF, Nr. 1685. Siehe auch Housley, Negotiations (1980), 166–185; Tyerman, Capetians (1986), 176–180. RJF, Nr. 1685: Quibus actis circumspecte, considerans idem princeps quod verbalis receptio nudaque pollicitatio penes Vestram Beatitudinem parum esset nisi sermonum qui multis annis negotium hujusmodi frustraverunt, terminos excederet, et promptis operibus pro vestra majori complacentia ad negotium extenderet dexteram manum, presertim cum de diversis mundi partibus (...) multos homines circumspectos (...) convocasset, videlicet omnes illos per quos, plena deliberatione prehabita, intellexerat se posse salubriter instrui super illis que circa negotium sepedictum decentia, utilia vel necessaria possent esse, processerit ad deliberandum super hiis cum predictis, ut plenam deliberationem Vestre remitteret Sanctitati. BNF Ms. Lat. 7470, fol. 8v. Siehe dazu III.1.1.1. Jasanoff, Fifth Branch (1990), 250. RJF, Nr. 1693–1709. Zur Bedeutung des Kardinalskollegiums als Rats- und Konsensgremium siehe Zanke, Johannes XXII. (2013), 61–64. Kardinal Raymond de Farges war sogar bereit, dem französischen König die Annaten der französischen Kirche für fünf Jahre zu überlassen, obwohl dieser überhaupt nicht darum gebeten hatte, vgl. RJF, Nr. 1705. Die meisten anderen Kardinäle hielten die fiskalischen Forderungen des Königs allerdings für überhöht. Siehe dazu Housley, Negotiations (1980), 173–177.
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Expertenratschläge der Gegenseite für nutzlos und die französischen Vorschläge insgesamt für unmöglich hielt.330 Bezüglich der Unmöglichkeit des Unternehmens konstatierte er: Die Unmöglichkeit [d. frz. Kreuzzugspläne, Anm. d. V.] ist dreifach: einerseits hinsichtlich der Schiffe, andererseits hinsichtlich der vorgenannten Finanzierung [in Höhe] von 20.000 Pfund, drittens seitens der Kürze der Zeit.331
Die Beschaffung der Flotte unklar, die Finanzierung nicht ausreichend und die Zeit zu knapp bemessen – die Generalkritik des Kardinals zielte darauf ab, den französischen Kreuzzugsplänen die Realisierbarkeit abzusprechen und somit zugleich davor zu warnen, dass jeder Versuch ihrer Umsetzung nicht nur scheitern, sondern auch der römischen Kirche großen Schaden zufügen würde.332 Denn, so der Kardinal weiter, die militärischen Vorbereitungen würden den ägyptischen Sultan unnötig reizen und dazu führen, dass er sich gegen das Königreich Armenien sowie die orientalischen Christen wende, die bei Nicht-Zustandekommen des Kreuzzuges gänzlich schutzlos dastünden.333 Die Warnung des Kardinals vor den erwartbaren Folgeschäden eines unzureichend geplanten Kreuzzugs verdeutlicht überdies, warum im ausgehenden 13. Jahrhundert gerade die possibilitas zum zentralen Bewertungskriterium der Rückeroberungsprojekte geworden war. Die epistemische Krise kreuzzugsbezogenen Wissens hatte die Kontingenz künftiger Kreuzzüge aufgezeigt, weshalb den Expertenratschlägen die Funktion zukam, den zeitgenössischen Erwartungshorizont für künftige Kreuzzüge neu zu vermessen.334 Politische Entscheidungsträger verlangten deshalb von ihren Beratern, ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie den Kreuzzug durch politisches und militärisches Handeln möglichst unbeschadet zum Erfolg führen konnten. Ihr Möglichkeitsbegriff war demnach kein rein ontologischer, sondern stets verbunden mit einer Risikoabschätzung, die allerdings begriff-
RJF, Nr. 1696: Considero, super primo passagio [die Seeblockade, Anm. d. V.], ipsius impossibilitatem, inutilitatem, et domini regis oblationem. RJF, Nr. 1696: Impossibilitas est triplex: una ex parte navigii, alia ex parte subcidii prefati viginti millium librarum, tertia ex parte brevitatis temporis. Hinsichtlich der Finanzierung hielt der Kardinal z. B. fest: Et ex parte subsidii viginti millium librarum? (...) Certe viginti millia librarum non sufficerent pro biscocto et aliis utensilibus minutis, quid ergo stipendiarii facerent? Vgl. RJF, Nr. 1696. RJF, Nr. 1696: Considero etiam inutilitatem, quia expense multe fierent, ex quibus nullus fructus sequeretur ex eo quod passagium est annuale, et videtur, omnibus consideratis, quod non possent in Armenia morari ultra duos menses; istud autem esset inflammare Soldanum et Sarracenos et exponere Armenos perditioni. Die Angst vor Vergeltung an Christen im Orient war insbesondere seit 1291 groß und Zeitgenossen wie Gonzalo de Hinojosa oder der Templer von Tyrus schrieben den Verlust des Heiligen Landes den Präventivangriffen der ägyptischen Sultane gegen laufende Kreuzzugsvorbereitungen zu, vgl. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 238 f.; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114. Siehe auch II.2.2.
1.3 Politische Entscheidungsträger und die Bewertung von Spezialwissen
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lich weitaus weniger konsistent ausfiel als die Bewertung der possibilitas und utilitas der Vorschläge. Die Risiken eines Rückeroberungsplans wurden einerseits anhand der Höhe potentieller Schäden und andererseits nach deren Eintrittswahrscheinlichkeit bemessen. Wenn sie die Risiken des Kreuzzugs genauer beschrieben, unterschieden die Planer meist zwischen möglichen, wahrscheinlichen (probabiliter, versimiliter) und nahezu gewissen (certum) Schäden. Möglichkeit und Risiko waren damit keineswegs deckungsgleich, doch galt der Eintritt eines großen Schadens als gewiss, so war dies immer auch ein Argument gegen die Umsetzbarkeit des jeweiligen Rückeroberungsplans. Kardinal Vital du Four stand den französischen Kreuzzugsplänen ebenfalls skeptisch gegenüber, weil er in ihnen zwei Risiken für die Kirche sah: Erstens könne der Vorabkreuzzug scheitern oder gar nicht erst zu Stande kommen, was dem Ansehen der Kirche mit Sicherheit einen großen Schaden zufügen würde. Zweitens sei es sehr wahrscheinlich, dass die Streitmacht des Vorabkreuzzuges aufgerieben werde, sofern der Partikularkreuzzug im darauffolgenden Jahr gar nicht oder erst verspätet aufbrechen würde. In diesem Fall hätte die Kirche ihre Gelder völlig umsonst in das Unternehmen investiert. Der zweite Schaden, so resümierte der Kardinal, sei zwar deutlich geringer als der erste, müsse aber dennoch berücksichtigt werden.335 Wenn Kreuzzugsplaner ein Rückeroberungsprojekt als möglich bewerteten, meinten sie also nicht nur, dass es prinzipiell realisierbar sei, sondern meist auch, dass es sich ohne größeren Schaden für die beteiligten Kreuzfahrer im Speziellen sowie die Christenheit im Allgemeinen umsetzen lasse. Die beiden Kardinäle waren indes nicht die einzigen Kritiker der französischen Kreuzzugspläne. Marino Sanudo, der bereits zwei Jahre zuvor in seinem Liber secretorum für eine deutlich kleinere Blockadeflotte aus nur zehn Galeeren geworben hatte, war ebenfalls bei den Beratungen im April 1323 zugegen und äußerte Zweifel an der Umsetzbarkeit des Projektes.336 Da der Venezianer Rückhalt an der Kurie hatte, wurden seine Argumente von den Kritikern des französischen Vorhabens im Kardinalskollegium aufgegriffen. Dazu zählte Giacomo Stefaneschi, der in seinem Gutachten für Johannes XXII. zwar den französischen Vorstoß befürwortete, jedoch zugleich empfahl, die Flotte gemäß den Vorschlägen Sanudos auf zehn Galeeren zu reduzieren, weil der Unterhalt von mehr Schiffen finanziell nicht möglich sei.337 Obgleich die Mehrzahl der befragten Kardinäle das französische Vorhaben als unmöglich bewertete, entschied der Papst sich schlussendlich nicht dafür, den Ratschlägen von Marino Sanudo, Pierre Le Tessier und Giacomo Stefaneschi zu folgen, sondern unterstützte die ambitionierten Pläne des französischen Königs.338 Letztlich sollten die Kritiker je-
RJF, Nr. 1693. BAV Vat. lat. 2971, fol. 13v. Für Karl IV. verfasste Sanudo überdies eine französischsprachige Kurzzusammenfassung seines Rückeroberungsprojekts, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 5 f. Siehe auch Tyerman, Marino Sanudo (1982), 61–63. RJF, Nr. 1703. RJF, Nr. 1848. Siehe u. a. die Argumentation des Kardinals Bertrand de Montfavez: Pro primo passagio, supposita domini regis ordinatione in eo, cum angustia seu brevitas temporis reddat ipsum im-
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doch Recht behalten, denn bereits die Blockadeflotte erwies sich als unterfinanziert und der französische Partikularkreuzzug wurde erst auf 1325, dann auf 1326 verschoben und nach Karls Tod schließlich ganz terminiert.339 Nachdem das französische Kreuzzugsprojekt endgültig beerdigt worden war, ließ Marino Sanudo es sich freilich nicht nehmen, in einem Brief an Guillaume Durand die Gründe für das Scheitern der Unternehmung noch einmal zu rekapitulieren. Dem Bischof von Mende, der Karl IV. nicht nur in Kreuzzugsfragen beraten hatte, sondern als Prokurator der Kreuzzugssteuer zugleich einer der Hauptverantwortlichen der französischen Seite gewesen war, hielt der Venezianer vor, dass der König lieber seinen Vorschlägen hätte folgen sollen, statt zu versuchen, mit unzureichenden Mitteln eine viel zu groß bemessene Flotte aus 20 Galeeren auszurüsten.340 Sanudos spitzfindige Schelte basierte auf dem Axiom einer sozial geteilten, vom jeweiligen Betrachter unabhängigen Wirklichkeit, anhand derer sich zumindest ex post bewerten ließ, ob ein Rückeroberungsprojekt möglich oder eben unmöglich war. Bei dem Rückverweis auf die Wirklichkeit handelte es sich allerdings keineswegs um eine abstrakte Theorie, sondern ein handlungsanleitendes Deutungsschema, denn die Berater versuchten aktiv, ihre Vorschläge zu modifizieren, um auf Wechsel in der Wirklichkeitswahrnehmung ihrer Zeitgenossen zu reagieren. Als sich die ersten Schwierigkeiten des französischen Kreuzzugsprojektes abzeichneten, verfasste Marino Sanudo ein kurzes Dossier darüber, wie die zehn Galeeren für die Blockadeflotte ohne westliche Unterstützung allein von östlichen Herrschern wie den Königen von Zypern oder den Sanudi von Naxos beschafft werden könnten, und integrierte es als Marginalglosse in das erste Buch seines Rückeroberungstraktats.341 Noch während seines Aufenthaltes an der
possibil[e] pro presenti, et impossibilitas que procedit ex temporis brevitate, nullum actum reddit vel ipsum necessario differt (...). Vgl. RJF, Nr. 1700. Kardinal Luca Fieschi formulierte eine ähnliche Kritik: Non videtur passagium istud posse fieri utiliter prout ordinatum est, quia passagium istud fit aut pro lucro captando aut pro da[m]pno vitando (...). Vgl. RJF, Nr. 1702. Guillaume de Nangis, Gesta sancti Ludovici. Ed. Daunou/Naudet, 639; 644; RJF, Nr. 1894. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 296 f.: sed quomodo negotium [d. Kreuzzug, Anm. d. V.] est suppressum et penitus derelictum, sua dominatio, vestra paternitas bene novit: de quo multum doleo et propter honorem suum et bonum commune Christianorum quod sequeretur et fuisset etiam consecutum de negotiis supradictis. (...) Ad incipiendum enim negotium id, sufficeret quod continetur in cedulis tam literaliter, quam in Gallico scriptis, quas habet vestra paternitas Reverenda. Nec istud propter aliud amittitur, nisi quia principium non habetur. Et sicut bene novit vestra prudentia, quando apud vos eram in Francia, ipsi intendebant armare xx. galeas ad maris custodiam: quae armatura magna esset si sufficientia stipendia solverentur: sed nimis parum de pecunia dabant pro armatura tanta. Unde nihil postmodum est secutum; sed totum hucusque in nihilium est redactum. BAV Vat. lat. 2971, fol.13v. Marino Sanudo sah dabei die folgende Komposition der Blockadeflotte vor: Die Zaccaria von Chios, die Sanudi von Naxos bzw. Archipelagos, der Patriarch von Konstantinopel sowie der Erzbischof von Kreta würden jeweils eine Galeere ausrüsten, die Johanniter von Rhodos würden weitere zwei Galeeren bewaffnen und der König von Zypern würde vier seiner Galeeren zu der Blockadeflotte beisteuern. In der Bongars-Edition u. späteren Redaktionen ist die Marginalglosse teilweise oder ganz in den Kapiteltext integriert worden, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed.
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Kurie in den Jahren 1322/23 modifizierte der Venezianer in Reaktion auf die fiskalpolitischen Differenzen zwischen dem Papst und dem französischen König seinen ursprünglichen Vorschlag, indem er die Blockadeflotte von zehn Galeeren auf sieben Galeeren reduzierte.342 Nach dem Scheitern des französischen Flottenunternehmens in den Jahren 1323/24 verkleinerte er schließlich die prospektive Blockadeflotte um zwei weitere Schiffe auf fünf Galeeren, die er angesichts des verfügbaren Budgets offenbar als realistischer erachtete.343 Diese Anpassungen lassen sich nachvollziehen, weil Sanudo sie in alle künftigen Redaktionen des Liber secretorum übernahm und teilweise sogar die entsprechenden Stellen in den älteren Handschriften rasierte, um sein Werk stets aktuell zu halten. Auch in anderen Fällen lässt sich beobachten, dass Rückeroberungspläne, die nicht die versprochenen Ergebnisse brachten und sich somit in den Augen der Zeitgenossen als unmöglich erwiesen, auf lange Sicht aus den Kreuzzugsplanungen verschwanden. Als Philipp VI. sechs Jahre nach dem Zusammenbruch des Partikularkreuzzugs seines Vorgängers die Planungen zur Rückeroberung des Heiligen Landes wieder aufnahm, legten sich seine Berater bereits früh darauf fest, direkt einen allgemeinen Kreuzzug durchzuführen und somit die Fallstricke des vorangegangenen Projektes zu vermeiden.344 Auch das Scheitern des Arwad-Kreuzzuges der Templer im Jahr 1302 führte zu einer solchen Neuauslegung des Möglichkeitsraums. Jacques de Molay lehnte fortan jede Kooperation mit den Königen von Armenien ab, weil diese bei dem Versuch, auf Arwad einen Brückenkopf für die Kreuzfahrer zu errichten, in seinen Augen gescheitert war.345
Bongars, 31. Zu den Redaktionen des Liber secretorum siehe Barker, Tanner 190 (2014), 78–88; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 21–24; Magnocavallo, Liber secretorum (1903), 174–180. In den Handschriften aus der ersten Redaktion des Liber secretorum ist an vielen Stellen noch von zehn Galeeren die Rede, so u. a. BAV Vat. lat. 2972, fol. 13v; BLO Ms. Tanner 190, fol. 20v. An anderen Stellen in einigen Handschriften der ersten Redaktion wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 1321 und 1323 die Forderung nach zehn Galeeren rasiert und durch den neuen Vorschlag von sieben Galeeren ersetzt, so u. a. in BAV Vat. lat. 2972, fol. 14r. Dass der Venezianer ursprünglich zehn Galeeren vorgesehen hatte, wird abgesehen von der vorgenannten Marginalglosse vor allem durch das Gutachten der päpstlichen Expertenkommission deutlich, die das Rückeroberungstraktat im September 1321 geprüft hatte und dabei zu dem Urteil kam, die zehn von Sanudo vorgesehenen Galeeren seien notwendig und würden zur custodia maris ausreichen, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3. BAV Vat. lat. 2971, fol. 12v; BAV Reg. Lat. 548, fol. 13v; BL Add. Ms. 27376, fol. 6v. RJ, Nr. 61324: Primo quia visis vestris responsionibus, rationibus evidentibus et motivis in eisdem insertis, apparuit dicto regi quod generale passagium erit utilius et convenientius negocio quam particulare, si fieret, supplicat rex predictus quatenus Vestre Sanctitati placeat indicere passagium generale, termino per vos in vestris responsionibus ordinato, scilicet a kalendis augusti proximo preteriti ad tres annos. Siehe dazu auch Tyerman, Philip VI (1985), 36 f. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 309 f.; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146. Siehe dazu auch Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157; Housley, Later Crusades (1992), 207 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 164 f.
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Wissensgeschichtlich betrachtet lassen sich vor allem zwei Entwicklungslinien ausmachen, die dazu führten, dass diese betrachterunabhängige Wirklichkeit zum Maßstab für die possibilitas von Rückeroberungsvorschlägen politischer Berater wurde: Erstens die Korrespondenztheorie der Wahrheit, also die Vorstellung, dass veritas est adaequatio intellectus et rei, welche sich spätestens mit Thomas von Aquin (✶1225 †1274) in der lateineuropäischen Philosophie durchgesetzt hatte.346 Wenngleich die Korrespondenztheorie außerhalb der Gelehrtenwelt vermutlich nur wenig rezipiert wurde und nur auf die Politikberatung durch Theologen direkten Einfluss ausübte,347 basiert sie, wie Davidson zeigen konnte, auf einer basalen Wirklichkeitsperzeption, die aus der allen (menschlichen) Sprachen zu Grunde liegenden Struktur resultiert und dementsprechend eine anthropologische Konstante bildet.348 Besonders deutlich artikulierte sich diese Vorstellung in den Versuchen zeitgenössischer Kreuzzugsplaner, Expertenwissen über die Topographie des Vorderen Orients zu bewerten. Die vier Gutachter, denen der Papst die Bewertung von Sanudos Liber secretorum übertragen hatte, stellten zum Beispiel anerkennend fest, ihnen sei zugetragen worden, die Küste Ägyptens sei genau so [beschaffen] wie es im Buch beschrieben wird.349 Zweitens die nutzenorientierten Wissenselemente, die von Beratern aus Beständen wie der Kriegsführung, Seefahrt, Medizin oder Jurisprudenz in die Kreuzzugsplanungen eingebracht wurden und auf einem Bewertungsschema basierten, das den Erfolg von Routinehandeln honorierte. Dementsprechend rechtfertigten Berater das aus diesen Beständen entnommene Wissen üblicherweise durch Verweis auf ihre durch Beobachtung erfolgreicher Handlungsroutinen gewonnene experiencia. Der Johannitermeister Foulques de Villaret untermauerte seine Rückeroberungsvorschläge, indem er auf seine Erfahrung im Kampf gegen die Muslime verwies, und der Mediziner Guido von Vigevano gab an, er habe die in seinem Rückeroberungstraktat beschriebenen Gegengifte am eigenen Leibe ausprobiert.350 Diese rein funktionale Form der epistemischen Rechtfertigung von Wissen ließ sich wiederum ohne Schwierigkeiten in die Kreuzzugsplanungen implementieren, deren erklärtes Ziel die erfolgreiche Rückeroberung des Heiligen Landes war. Aus diesen beiden Komponenten entwickelte sich im späten 13. Jahrhundert ein pragmatischer Realismus, dessen Vertreter in Ermangelung tragfähiger Exempla allerdings auf Rechtfertigungsstrategien der be-
Aertsen/Kobusch, Wahrheit (2005), 64–72. Letztlich blieb die Korrespondenztheorie der Wahrheit von der Antike bis zur Kritik der Primitivisten (u. a. Frege) und Pragmatisten (u. a. Pierce) im 19. Jahrhundert weitgehend unwidersprochen, vgl. Grundmann, Erkenntnistheorie (2008), 43 f. Siehe dazu Wieland, Philosophie (2004), 65–84. So u. a. in Davidson, Interpretation (1973), 314–28. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 4: De hoc dicimus quod ripariam illam non vidimus; bene tamen audimus eam esse talis conditionis, sicut in libro describitur (...). BNF Ms. Lat. 11015, fol. 40r–40v; Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/ Schein, 222.
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teiligten Wissenskulturen sowie Versuch und Irrtum angewiesen waren, um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines Rückeroberungsprojektes zu bestimmen. Um Wissen in ein Verhältnis zur Wirklichkeit zu setzen und es auf diese Weise für politische Entscheidungsträger nutzenorientiert zu organisieren, griffen Berater auf die literarische Form des Gutachtens bzw. consilium zurück. Neben dem consilium et auxilium sowie dem mündlichen oder schriftlichen Rat-Geben bezeichnete der Ausdruck consilium im zeitgenössischen Sprachgebrauch auch „eine nach Auftrag erteilte autoritative und institutionalisierte, d. h. zumeist ‚wissenschaftliche Kriterien‘ erfüllende Form der Auskunft bzw. des Gutachtens über eine Frage der Praxis durch einen Experten bzw. ein Gremium von Experten.“351 Dieses aus der Jurisprudenz stammende consilium sapientis diente ursprünglich der Urteilsfindung in Gerichtsprozessen durch Rechtsgelehrte und hatte sich im ausgehenden 12. Jahrhundert in Auseinandersetzung mit der römisch-antiken Tradition der Rechtsgutachten entwickelt.352 Ausgehend von den oberitalienischen Kommunen verbreitete sich diese Form von Gutachten während des 13. Jahrhunderts im gesamten lateineuropäischen Raum und wirkte schließlich auch auf andere universitäre Wissenskulturen ein; seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden consilia verstärkt zur Anamnese in der gelehrten Medizin eingesetzt und im Bauwesen des späten 14. Jahrhunderts wurden sie verwendet, um die Traglast von Konstruktionen zu prüfen.353 Formal gesehen begannen diese Gutachten meist mit einer Darstellung des jeweiligen Sachverhalts, gefolgt von einer Problemexposition sowie der eigentlichen Argumentation des Gutachters, die mitunter auch die Form einer quaestio annehmen konnte.354 Da consilia ein literarisches Gerüst boten, um Spezialwissen einer externen Wirklichkeit gegenüberzustellen, ermöglichten sie den Brückenschlag zwischen alltäglicher Lebenswelt und hochspezialisierten Wissensbeständen wie der Legistik oder der gelehrten Medizin.355 Es handelte sich dabei allerdings keineswegs um eine einseitige Beziehung, sondern um ein im Kern dialektisches Verhältnis, das nicht allein darauf abzielte, die Wirklichkeit zu beschreiben, sondern auch darauf, sie mit consilia zu gestalten. In der Jurisprudenz suchten Rechtsgelehrte auf diese Weise „ausgehend von konkreten Fragen des täglichen Lebens die in den Rechtssammlungen fixierten Normen in eine Wirklichkeit umzusetzen, die einerseits den Maßstab der juristischen Begriffe bildete, andererseits den rechtlichen Begriffen entsprechend zu gestalten war.“356
Woelki/Daniels, Consilia (2018), 83. Zu den Bedeutungen von consilium siehe I.1.1. Ascheri, Consilia (2003), 307–314; Baumgärtner, Stadtgeschichte (1990), 129–154; Dies., Rat (1999), 55–106; Fried, Entstehung (1974), 118–120; Köbler/Weimar, Consilium (1986), 161 f.; Woelki/Daniels, Consilia (2018), 83–85. Agrimi/Crisciani/Viola, Consilia (1994), 39–44; Binding, Bauwissen (2014), 51 f. Agrimi/Crisciani/Viola, Consilia (1994), 27–31; Ascheri, Consilia (2003), 314–318; Köbler/Weimar, Consilium (1986), 161; Woelki/Daniels, Consilia (2018), 87–89. Baumgärtner, Consilia (1995), 9. Meyer, Ordnung (2006), 373.
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Eben jene Juristen besetzten wiederum seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert zunehmend zentrale Positionen in der höfischen Verwaltung und waren aufgrund ihrer administrativen Tätigkeiten als Finanzexperten in die Planung aller größeren Kreuzzugsunternehmungen involviert.357 Es verwundert daher nicht, dass sie die Form der consilia, die ihr kommunikatives Potential in der Jurisprudenz bereits hinlänglich unter Beweis gestellte hatte, bereitwillig auf die Kreuzzugsplanungen übertrugen, innerhalb derer solche Verfahrensweisen bisher fehlten. Besonders augenfällig orientierte sich Guillaume de Nogaret an dem formalen Aufbau zeitgenössischer (Rechts-)Gutachten. Sein 1311 im Namen des französischen Königs für das Konzil von Vienne verfasste Memorandum begann mit einer Darstellung des zu klärenden Sachverhalts und bestimmte auf diese Weise das Thema seines consilium.358 Anschließend schlüsselte der Legist die Organisation des bevorstehenden Kreuzzuges in fünf Teilprobleme auf, die im Vorfeld zu lösen seien: (1) die Templerfrage, (2) die Finanzierung des Kreuzzugs durch Kirchenmittel, (3) der richtige Zeitpunkt für den Aufbruch sowie die Größe des Heeres, (4) die Blockade des ägyptischen Mittelmeerhandels sowie (5) der Unterhalt einer dauerhaften Garnison im Heiligen Land.359 Diese Distinktionen erlaubten es dem Finanzexperten Guillaume, die Lösung der Probleme (3) und (4) an andere Berater zu delegieren und sich im Folgenden ausschließlich der Mittelbeschaffung zu widmen. Zu diesem Zweck kompilierte er einen Katalog aus 14 konkreten legislativen Maßnahmen zur Akquise von Geldern für den Kreuzzug, der den Rest seiner Abhandlung einnahm.360 Mit dem Texaurus regis Francie des Guido von Vigevano liegt ferner ein Rückeroberungstraktat vor, das zwei medizinische consilia im engeren Sinne enthält: eines über die custodia propter venenum, um den französischen König vor Giftanschlägen zu schützen, das andere eine Abhandlung de sanitate corporis mit Verhaltensregeln, welche die Gesundheit des Königs im heißen Orientklima bewahren sollten.361 Diese Gutachten entstanden wahrscheinlich auf Anfrage Philipps VI. oder seiner Frau und wiesen wie die meisten medizinischen consilia des Mittelalters auch Merkmale der älteren regimina auf, in denen gelehrte Ärzte bereits seit der Spätantike für ihre Patienten Verhaltensvorschriften zur Krankheitsvorbeugung festgehalten hatten.362 Allerdings orientierten sich nicht nur Juristen wie Guillaume de Nogaret oder Mediziner wie Guido von Vigevano, sondern Ratgeber aller Subtypen an der literarischen Form der consilia. Der von der Forschung stets für seine Naivität in Rechtsfragen ge-
Siehe dazu II.3.1.1. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199: In nomine Domini nostri Jhesu-Christi, super assumptione felicique, Deo prestante, prosequcione negocii Terre Sancte sunt que sequuntur advertenda ac etiam ordinanda per Ecclesiam et per regem Francie, quatenus ad eum pertinet. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199 f. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 202–205. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 32r–39r; 39r–41r. Siehe auch II.5.1. Agrimi/Crisciani/Viola, Consilia (1994), 29 f.
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scholtene Templermeister Jacques de Molay363 folgte in seinem für Clemens V. verfassten Memorandum ebenfalls dem grundlegenden Aufbau dieser Gutachten. Das Werk beginnt bereits mit der Feststellung hoc est concilium magistri Templi super negotio Terre Sancte, im Anschluss daran stellte Jacques zunächst die zu klärende Sachfrage dar (Pater sancte, queritis quid michi videtur melius faciendum, sive grande passagium, sive parvum) und erläuterte seinen Standpunkt in der Sache (Ad quod respondeo (...) quod parvum passagium non esset proficuum, sed dampnosum et vituperosum christianitati), bevor er im weiteren Verlauf des Gutachtens dazu überging, seine Position argumentativ zu untermauern.364 Der Templermeister war indes keineswegs der einzige unter den militärischen Ratgebern, der sein Memorandum auf diese Weise strukturierte, denn auch die Rückeroberungsvorschläge, welche die Könige von Zypern und Neapel von ihren Ratgeberkollektiven angefordert hatten, bedienten sich der Form und Terminologie von consilia.365 Die bedeutende Rolle, welche das Konsiliarwesen für die Kreuzzugsplanungen hatte, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Juristen in der höfischen Verwaltung geradezu omnipräsent waren. Dies hat die Forschung insbesondere für die Kurie in Avignon sowie den französischen Hof unter Philipp IV. zeigen können.366 Speziell an der Kurie war es auch außerhalb der Kreuzzugsplanungen üblich, vor allen größeren Entscheidungen zunächst Expertengutachten anzufordern. Johannes XXII. holte Gutachten zu theologischen Fragen wie dem Armutsstreit, juristischen Streitfällen wie der Absetzung des Johannitermeisters und sogar über die Wirkweise von Schadmagie ein.367 Obgleich Juristen auch an anderen Höfen zentrale Verwaltungspositionen besetzten, kam wahrscheinlich vor allem der Kurie eine entscheidende Funktion für die Verbreitung des Konsiliarwesens in den Kreuzzugsplanungen zu. Da Kreuzzüge gänzlich ohne päpstliche Subsidien schon seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht mehr durchführbar waren, mussten alle weltlichen Herrscher sich zumindest bis zu einem gewissen Grad die an der Kurie üblichen Rechtfertigungs- und Problemlösungsstrategien aneignen, wenn sie die Unterstützung des Papstes für ihre Rückerobe-
Die Forschung hat traditionell in dem teils erratischen Verhalten des Templermeisters, welches wohl auch aus seiner mangelnden rechtlichen Expertise resultierte, eine Ursache für den Untergang seines Ordens gesehen, so u. a. Barber, Trial (2006), 144 f.; Finke, Papsttum, Bd. 1 (1907), 257 f.; Prutz, Entwicklung (1888), 191–194. Selbst Demurger, der sich bemüht, ein weniger negatives Bild des letzten Templermeisters zu zeichnen, muss konstatieren, Jacques de Molay habe sich nach seiner Gefangennahme und während des Prozesses gegen den Orden rechtlich unbedacht verhalten, vgl. Demurger, Jacques de Molay (2002), 292–299. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 145 f. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 353; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 118. Beattie, John XXII (2014), 149–163; Favier, Légistes (1969), 92–108; Lalou, Légistes (2005), 99–112; Menache, Clement V (1998), 47 f.; Strayer, Reign (1980), 36 f. Siehe dazu auch III.3.1.1. Brunner, Johannes XXII. (2014), 119–148; Favier, Papes (2006), 114–118; Piron, Avignon (2012), 357–391.
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rungspläne gewinnen wollten.368 Zu diesen Strategien zählte unzweifelhaft auch das Konsiliarwesen, denn juristisch weniger beschlagene Ratgeber wie Jacques de Molay verfassten ihre consilia meist nicht aus eigenem Antrieb, sondern reagierten damit auf die Anfragen von kurialen Entscheidungsträgern, die es aus ihrer alltäglichen Verwaltungspraxis gewohnt waren, Expertengutachten zu allen möglichen ungewissen oder strittigen Sachlagen anzufordern.369 Die ursprünglich aus der Jurisprudenz stammenden consilia fanden demnach Eingang in die Kreuzzugsplanungen, weil sie Wissen in einen anwendungsorientierten Bezug zur (Kreuzzugs-)Wirklichkeit zu setzen und auf diese Weise den Erwartungshorizont der Kreuzzüge auf ein Set praktikabler Handlungsoptionen einzugrenzen vermochten. Dabei waren sie nicht auf juristisches Wissen festgelegt, sondern auch anschlussfähig für das routinemäßige, nutzenorientierte Wissen von Beratern, die selbst keine Legisten oder Kanonisten waren. Das Konsiliarwesen ermöglichte es überdies, das consilium eines Beraters durch Bezugnahme auf die Machbarkeit des darin entworfenen Rückeroberungsprojekts in ein Verhältnis zu den consilia anderer Ratgeber zu setzen und auf diese Weise den bestmöglichen Kreuzzugsplan zu ermitteln. Solche Vergleiche waren erforderlich, weil zahlreiche politische Entscheidungsträger mit Kardinal Pierre Le Tessier dahingehend übereinstimmten, dass die Schäden eines fehlgeschlagenen Kreuzzuges gravierend sein konnten und es folglich zu riskant sei, die Umsetzbarkeit eines Rückeroberungsprojektes allein durch Versuch und Irrtum zu bestimmen. Ab dem Pontifikat von Clemens V. lassen sich in dieser komparativen Funktion erstmals auch Gutachten zweiter Ordnung nachweisen, also consilia, die von politischen Entscheidungsträgern bei Expertenratgebern in Auftrag gegeben wurden, um zu überprüfen, ob ein von anderen Beratern vorgeschlagenes Rückeroberungsprojekt möglich oder unmöglich war. Der am besten dokumentierte Fall eines solchen Gutachtens zweiter Ordnung ist das bereits erwähnte consilium der vierköpfigen Sachverständigenkommission, welche die beiden Kopien des Liber secretorum prüfte, die Marino Sanudo dem Papst im September des Jahres 1321 überreicht hatte. Sanudo schrieb vier Jahre später über diesen Bewertungsvorgang: Schließlich sagte er [Papst Johannes XXII., Anm. d. V.]: Ich wünsche, dass diese Bücher einer Prüfung unterzogen werden. (...) Später an diesem Tag schickte er nach den folgenden Brüdern: Boentio de Ast[uria], Vikar der Provinz Armenien vom Orden der Dominikaner, Iacobo de Cammerino vom Orden der Franziskaner, der einen Bart trug und im Namen der [Franziskaner-] Brüder in Persien an die Kurie gekommen war, Matthäus von Zypern sowie Paolino der Venetianer, sein Pönitentiar – beide ebenfalls vom Orden der Franziskaner. Er gab ihnen das safrangelbe Buch, bat sie es sorgfältig zu untersuchen und [ihm] ihre Ergebnisse zu berichten.370
Zanke, Johannes XXII. (2013), 65 f. sowie I.2.2. RC, Nr. 1033. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f.: Finaliter ita dixit: Volo, inquit, ut examen recipiant isti libri (...) Inde ergo recessi et ecce eodem die sollicite ipse misit pro fratribus infrascriptis: scilicet, Boentio de Ast, ordinis Praedicatorum, Vicario in Provincia Armeniae, Iacobo de Cammerino,
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Nachdem die vier Sachverständigen Sanudos Rückeroberungstraktat zwölf Tage lang examiniert hatten, übergaben sie dem Papst eine kurze schriftliche Zusammenfassung des umfangreichen Werkes, in der sie die Vorschläge des Venezianers trotz vereinzelter Kritikpunkte als umsetzbar bewerteten. Die positive Evaluation des Werkes durch die päpstlichen Sachverständigen war offenkundig besonders prestigeträchtig für einen Berater, denn Sanudo integrierte das Gutachten in alle folgenden Kopien des Liber secretorum, damit auch die Kreuzzugsplaner außerhalb der Kurie von seiner Expertise in Kreuzzugsfragen erfuhren.371 Kommissionen wie diese waren keineswegs Einzelfälle oder ein Alleinstellungsmerkmal der päpstlichen Kurie in Avignon. Die venezianischen Gesandten am französischen Hof legten ihr im Mai 1332 verfasstes Memorandum ebenfalls einer königlichen Sachverständigenkommission zur Prüfung vor, deren Zusammensetzung sich aus den Quellen allerdings nicht eindeutig rekonstruieren lässt.372 Von demselben oder einem analogen Gremium ist überdies ein 1332 oder 1333 angefertigtes Gutachten zweiter Ordnung erhalten, das sich mit dem Directorium ad faciendum passagium beschäftigt, das Guillelmus Adae dem König im Jahr 1332 überreicht hatte. In diesem Gutachten stellten die Prüfer heraus, der Plan des Dominikaners, über den Landweg nach Osten zu ziehen und dabei Konstantinopel und Kleinasien zu erobern, sei nicht haltbar. Die Erfahrung habe schließlich gezeigt, so die Gutachter weiter, dass der Landweg zwar durchaus möglich wäre, jedoch mit moult de périls verbunden, weshalb ein Angriff über See vorzuziehen sei.373 Die Verfasser der Gutachten zweiter Ordnung fungierten somit als Auslegungsspezialisten für die (kreuzzugsbezogene) Wirklichkeit und bestimmten durch ihr Urteil die Grenzen des kreuzzugsbezogenen Erwartungshorizontes. Ihre Risikoeinschätzung steckte den Rahmen
ordinis Minorum, qui portat barbam, qui ad curiam venerat pro fratribus de Perside; Matthaeo de Cypro et Paulino Veneto eius poenitentiario utroque similiter Minorum ordinis; deditque eis librum croceo coopertum, imponens eis quod ipsum diligenter examinarent et sibi examinationem referrent. Bei den an dieser Stelle erwähnten zwei Büchern handelte es sich höchstwahrscheinlich um BAV Vat. Lat. 2972 sowie das Kartenwerk in BAV Pal. Lat. 1368. Siehe dazu Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 146–149. Das Gutachten ist zusammen mit den nach 1321 angefertigten Kopien von Sanudos Liber secretorum überliefert, vgl. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 3–5 sowie u. a. BAV Reg. Lat. 548, fol. 1v; BLO Ms. Tanner 190, fol. 1v. Obwohl das Gutachten durch Sanudo selbst überliefert wurde, sind größere inhaltliche Modifikationen oder eine Fälschung vermutlich auszuschließen. Dafür spricht insbesondere, dass auch kritische Anmerkungen der im wesentlich positiv gestimmten Gutachter enthalten sind: Die Sachverständigen erachteten z. B. die von Sanudo vorgesehenen Strafen für Verstöße gegen das päpstliche Handelsembargo als zu hoch bemessen und waren im Unterschied zum Venezianer der Ansicht, der Kreuzzug solle sofort und nicht erst zwei oder drei Jahre nach Beginn der Seeblockade gepredigt werden, vgl. Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 3 f. Zudem stand Sanudo mit einem der Gutachter, nämlich Paolino Minorita, dem späteren Bischof von Pozzuoli, auch Jahre nach der Begutachtung seines Rückeroberungstraktates noch in engem Kontakt, vgl. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 1–138 sowie III.1.1.2. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 220–222, Nr. 110. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 7 f.
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ab, innerhalb dessen anschließend über Strategien der Vermeidung oder Minimierung künftiger Schäden gesprochen werden konnte.374 Wie die vorangegangenen Beispiele gezeigt haben, war der Auslegungsspielraum der Gutachter dabei allerdings keineswegs unbegrenzt, sondern an die faktische Rückeroberung der heiligen Stätten gekoppelt, weshalb Misserfolge sich nicht ohne weiteres ex post in Erfolge umdeuten ließen. Wie die Prüfungskommissionen zusammengesetzt wurden, lässt sich angesichts der Überlieferungslage nicht mit letzter Sicherheit bestimmen. Die Forschung zu vergleichbaren Gutachten, etwa im Armutsstreit, lassen indes vermuten, dass zumindest an der Kurie die Auswahl von Gutachtern situativ erfolgte und sich einerseits nach der ihnen zugeschriebenen Expertise und andererseits nach ihrer Verfügbarkeit am Hof richtete.375 Sanudos Darstellung stützt diese Annahme in mehrfacher Hinsicht, denn drei der vier genannten Prüfer seines Rückeroberungstraktates lassen sich anhand ihrer Stellung als Mendikanten sowie ihrer Verbindungen zum Orient leicht als geographisch-ethnographische Ratgeber einordnen.376 In dieser Hinsicht scheinen die Prüfkommissionen also analog zu den höfischen Beraterkollektiven aufgebaut gewesen zu sein, wobei jeweils Berater des passenden Subtyps als Gutachter ausgewählt wurden. Im Unterschied zu den Experten in Beraterkollektiven scheinen politische Entscheidungsträger wie Johannes XXII. diese Prüfer allerdings nicht gesondert einbestellt, sondern auf jene Experten zurückgegriffen zu haben, die sich wie Iacobo de Cammerino gerade an der Kurie aufhielten.377 Zeit war dabei offenbar der entscheidende Faktor, denn die Reise an die Kurie oder einen anderen Hof konnte unter Umständen Monate in Anspruch nehmen und nicht alle Experten, die ein Herrscher zur Beratung an seinen Hof rief, erschienen dort auch tatsächlich.378 Aus diesem Grund zogen Herrscher systematisch Kreuzzugsexperten an ihre Höfe, um im Bedarfsfall direkt passende Gutachter anrufen zu können. Deshalb stattete Johannes XXII. Ratgeber wie Guillelmus Adae mit kirchlichen Benefizien aus, die den langfristigen Aufenthalt an der Kurie erlaubten. Nachdem er einmal am Papsthof etabliert war, wurde der Dominikaner dann in den Folgejahren immer wieder konsultiert, wenn ein Orientexperte vonnöten war.379 Für Berater scheint es dabei durchaus von Vorteil gewesen zu sein, nicht nur über Expertise in Kreuzzugsfragen zu verfügen, sondern auch in ande-
Siehe dazu III.2.2.3. Brunner, Johannes XXII. (2014), 133–135; Piron, Avignon (2012), 357–391. Siehe dazu II.4.1.1. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1. Ähnlich verhielt es sich auch bei den Memoranden selbst, so weilte Hethum von Korykos als Gesandter des Regenten von Zypern an der Kurie und wurde bei dieser Gelegenheit von Clemens V. gebeten, einen Plan zur Rückeroberung des Heiligen Landes für ihn zu entwerfen, vgl. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 278–280. Zwischen der Einladung des Kreuzzugsberaters Bertrand de Rouge Negade durch Philipp V. und seinem Erscheinen am französischen Hof vergingen z. B. mindestens drei Monate, vgl. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; fol. 48v, Nr. 441. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 18–21, Nr. 1; 29–32, Nr. 8; 42–44, Nr. 17. Siehe dazu I.2.3.
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ren Problemfällen als Experte angerufen werden zu können.380 Herrscher verfügten demnach über einen Pool aus ständig verfügbaren Gutachtern, die zu verschiedenen Sachfragen zeitnah konsultiert werden konnten. Die Begutachtung von Sanudos umfangreichem Rückeroberungstraktat durch die päpstlichen Sachverständigen nahm beispielsweise weniger als zwei Wochen in Anspruch.381 Abgesehen von den Gutachten zweiter Ordnung bedienten sich politische Entscheidungsträger noch eines weiteren Instruments, um die Nützlichkeit kreuzzugsbezogenen Wissens sowie die Möglichkeit von Kreuzzugsprojekten zu prüfen. Wenn die Wirklichkeitsnähe von Wissenselementen oder die Möglichkeit eines Vorschlags trotz Gutachten zweiter Ordnung ungewiss war, so entsandten politische Entscheidungsträger einen Vertrauten, der vor Ort Erkundigungen einholte und anschließend an den jeweiligen Hof zurückkehrte, um dort eine Art Feldbericht abzuliefern. Philipp VI. beorderte zu Beginn des Jahres 1334 eine kleine Flotte unter der Führung von Jean de Cepoy und Hugues Quiéret nach Osten, um dort Landeplätze und Versorgungsmöglichkeiten für das Kreuzfahrerheer auszukundschaften.382 Fünf Jahre zuvor hatte er bereits Guillaume Durand auf eine Erkundungsmission nach Zypern und Ägypten gesandt.383 Bei dieser Vorgehensweise handelte es sich keineswegs um eine Besonderheit des französischen Hofes, denn auch der englische König Eduard I. schickte 1290 seinen Ritter Othon de Grandson zu einer Erkundungsreise in den Orient. Die Pläne des Königs wurden jedoch von den Ereignissen überholt und plötzlich fand Othon sich im Kampf um Akkon wieder, weshalb er seinen Auftrag aufgeben musste.384 Die Ergebnisse solcher Erkundigungen konnten auch in Form eines schriftlichen Feldberichts niedergelegt werden. Dazu zählt etwa das Speculum Terrae Sanctae des Franziskaners Filippo Busseri, den Clemens V. 1305 als Kundschafter nach Ägypten geschickt hatte.385 Welche Akteure an den Höfen diese Feldberichte anschließend lasen und ob die Werke dabei einer weiteren Prüfung unterzogen wurden, lässt sich den Quellen
So u. a. der französische Legist Guillaume de Nogaret oder der katalanische Theologe Ramon Llull, vgl. Hillgarth, Ramon Lull (1971), 64–71; Strayer, Reign (1980), 52–55; Théry-Astruc, Pioneer (2017), 219–250. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f. Die im Vergleich zu den ersten beiden Büchern sehr kurze Zusammenfassung des dritten Buchs lässt jedoch vermuten, dass die Lesebegeisterung der päpstlichen Sachverständigen im Laufe der Zeit nachließ, vgl. ebenda, 3 f. Wie lange die Prüfung des 1332 von Guillelmus Adae fertiggestellten Directorium durch eine französische Sachverständigenkommission in Anspruch nahm, lässt sich aus den Quellen nicht ermitteln. Die französische Übersetzung des Werkes erfolgte jedenfalls binnen eines Jahres, vgl. BL Royal Ms. 19 D.I., fol. 165v. Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 145; Diligences. Ed. Boutaric, 435 f. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 766. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 245; RN, Nr. 4386–4389; TNA SC 1/13/200. Siehe auch Rowland Clifford, Knight (1961), 108 f.; Tyerman, England (1988), 235. Forey hat im Gegensatz dazu die These vertreten, dass Othon nicht explizit im Auftrag des Königs, sondern aus eigenen Stücken nach Osten reiste, vgl. Forey, Otto of Grandson (2018), 81–83. Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 60; Surdich, Busseri Filippo (1972), 556 f.
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allerdings nicht entnehmen. Insgesamt können diese Feldberichte allerdings nicht immer eindeutig von den anderen Instrumenten getrennt werden, die der Herrschaftsdurchsetzung vor Ort dienten. Johannes XXII. ließ zum Beispiel während der Jahre 1317 und 1318 den Bau der französischen Kreuzzugsflotte in Narbonne durch einen Kanoniker aus dem nahen Béziers überwachen, der den Papst schriftlich über den Fortgang des Unternehmens in Kenntnis setzte.386 Wie die Beispiele verdeutlichen, war diese Vorgehensweise allerdings nicht für alle Wissenselemente geeignet und beschränkte sich vor allem auf das Gebiet der Geographie, Topographie und Logistik. Die Feldberichte basierten wie auch die Gutachten zweiter Ordnung auf der Vorstellung einer betrachterunabhängigen Wirklichkeit, welche durch die direkte Beobachtung der Phänomene vor Ort erschlossen werden kann. Die dem zu Grunde liegende Methodik zählte ebenfalls zu den Prüfroutinen höfischer Verwaltungen des 14. Jahrhunderts und wurde nicht erst vor dem Hintergrund der Kreuzzugsplanungen etabliert, sondern von den jeweiligen politischen Entscheidungsträgern nur auf einen neuen Gegenstandsbereich übertragen.387 Gemeinsam mit den Gutachten zweiter Ordnung bildeten die Feldberichte somit das wichtigste Bewertungsinstrument von Expertise innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen.
1.3.2 Die Eigendynamik des Konsiliarwesens Das höfische Konsiliarwesen war zunächst aus dem Erfordernis einer sachgerechten Prüfung kreuzzugsbezogener Expertenratschläge erwachsen, entwickelte jedoch in Kombination mit politischen Partikularinteressen schnell einen positiven Rückkoppelungseffekt, der die Nachfrage nach neuen Ratgebern befeuerte. Da Experten erforderlich waren, um die Umsetzbarkeit der Rückeroberungspläne anderer Expertenratgeber zu prüfen, entstand ein permanentes Bedürfnis nach Gutachten zur Bewertung der Expertise vorangegangener Vorschläge und Gutachten. Spätestens mit dem Aufkommen von Gutachten zweiter Ordnung während des Pontifikats von Clemens V. entwickelte sich daraus eine Dynamik, der kein Kreuzzugsplaner sich mehr entziehen konnte. Diese positive Rückkoppelung lässt sich anhand eines der wenigen tatsächlich realisierten Kreuzzugsunternehmen des frühen 14. Jahrhunderts illustrieren: der Eroberung von Rhodos und der umliegenden Inseln durch einen Partikularkreuzzug der Johanniter zwischen 1306 und 1311, die von der Forschung inzwischen umfassend aufgearbeitet worden ist.388
Bourel de la Roncière, Escadre (1893), 413–415 sowie I.2.2. Favier, Papes (2006), 114–118; Rollo-Koster, Avignon (2015), 46 f. Siehe dazu insbes. Failler, Occupation (1992), 113–135; Georgiou, Passagium (2013), 53–63; Housley, Clement V (1982), 29–43; Menache, Clement V (1998), 101–112; Luttrell, Hospitallers (1975), 278–288; Ders., Genoese (1997), 737–761; Ders., Hospitallers (1998), 595–622; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 223–228; Schein, Fideles crucis (1991), 219–233.
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Im Juni 1305 waren mit Clemens V. und Foulques de Villaret sowohl ein neuer Papst als auch ein neues Oberhaupt des Johanniterordens gewählt worden und beide Amtsträger begannen umgehend damit, die Rückeroberung des Heiligen Landes zu planen. Clemens V. versicherte sich dafür im Dezember der Unterstützung des französischen Königs Philipp IV. und die Johanniter nahmen noch in demselben Jahr Verhandlungen mit dem genuesischen Flottenunternehmer Vignolo dei Vignòli auf.389 Letzterer hatte für seine militärischen Verdienste vom byzantinischen Kaiser Andronikos II. die Inseln Kos und Leros sowie die Ortschaft Lardos auf Rhodos verliehen bekommen, kontrollierte die Inseln jedoch nicht. Die tatsächliche Herrschaft auf den Dodekanes übten verschiedene lokale Machthaber aus, die weitgehend unabhängig von Konstantinopel agierten. Deshalb suchte Vignolo die Unterstützung der Johanniter, um seinen Herrschaftsanspruch vor Ort durchzusetzen und darüber hinaus weitere Teile der Inselgruppe zu erobern.390 Die Ordensführung um Foulques de Villaret und seinen Marschall Simon Le Rat sah entgegen den Behauptungen der älteren Forschung in Rhodos nicht nur einen potentiellen „Territorialstaat“ für den Orden, sondern zuvörderst einen Brückenkopf, von dem aus der Ägyptenhandel überwacht werden und ein künftiger Kreuzzug aufbrechen konnte.391 Der als Templer von Tyrus bekannte Chronist beschrieb die Beweggründe der Ordensführung folgendermaßen: Bruder Foulques de Villaret, Meister des Hospitals, wollte zu Beginn seiner Amtszeit die Gnade Gottes und ewigen Ruhm erlangen. Deshalb plante er, auszuziehen und die [vor]genannte Insel Rhodos einzunehmen und dachte, dass er [damit] den Durchfluss der Waren verhindern würde (...), die zu den Sarazenen [nach Ägypten, Anm. d. V.] gingen. Außerdem [dachte er], er könnte [so] die benachbarten Regionen der Türkei dem Christentum unterwerfen.392
Die Unternehmung stand damit in der Tradition vorangegangener Partikularkreuzzüge wie der Arwad-Expedition von 1302, an der die Johanniter ebenfalls beteiligt ge-
Luttrell, Genoese (1997), 745; Schein, Fideles crucis (1991), 182–184. Die Übereinkunft mit dem genuesischen Militärunternehmer Vignolo dei Vignòli über die Aufteilung der Inseln Rhodos, Kos und Leros nach einer erfolgreichen Eroberung datiert auf den 27. Mai 1306, vgl. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1904), 274–275, Fußn. 2. Das Abkommen war das Ergebnis von Verhandlungen des Ordens mit Vignolo, welche wahrscheinlich zu Beginn desselben Jahres begonnen hatten, vgl. dazu insbes. Luttrell, Genoese (1997), 743–747. Housley, Clement V (1982), 31; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 223 f.; Sarnowsky, Johanniter (2011), 80 f. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 320: Frère Fouque de Villeret, maistre de l’Ospitau, au coumensement de sa maistrerie, vost avoir gré de Dieu et los et henor au siecle: si enprist d’aler prendre cest[e] dite ihle de Rodes, et pourpensa que il defenderoit à passer les marchandies (...), quy aleent as Sarazins, et poroit ausi meismes sousmettre ses vizins de la Turquie à la crestienté. Aus den Berichten der Gesandten Jakobs II. von Aragon an der Kurie ist ebenfalls ersichtlich, dass die Johanniter planten, mit Rhodos einen Brückenkopf für die Seeblockade des Ägyptenhandels und folgende Kreuzzugsunternehmen zu gewinnen, vgl. AA 3, 191 f., Nr. 88; AA 3, 198 f., Nr. 91.
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wesen waren.393 Dementsprechend war die Ordensführung für ihren Rhodos-Feldzug an Kreuzfahrerprivilegien und finanzieller Unterstützung durch die Kurie interessiert, zumal die Eroberung der Dodekanes eine direkte Konfrontation mit Andronikos II. bedeutete, der nach wie vor Anspruch auf große Teile der Inselgruppe erhob. Die Johanniter waren indes nicht die einzigen Petenten, die zu diesem Zeitpunkt um päpstliche Unterstützung für ihre Kreuzzugspläne warben. Karl von Valois, der jüngere Bruder Philipps IV., betrieb eine Restitution des lateinischen Kaiserreichs unter seiner Herrschaft, seit er die Thronerbin Katharina von Courtenay (✶1274 †1307) im Jahr 1302 geehelicht hatte.394 Die französische Krone unterstützte Karls Pläne und warb dementsprechend bei dem neugewählten Papst um Kreuzfahrerprivilegien für einen Feldzug zur Eroberung von Konstantinopel, der zugleich auch den Auftakt für die Rückeroberung des Heiligen Landes bilden sollte.395 Ein weiterer Anwärter war der englische König Eduard I., der nicht nur ein Veteran des zweiten Kreuzzuges von Ludwig IX. war, sondern auch in den 1290er Jahren immer wieder Kreuzzugsambitionen gehegt hatte. Während einer feierlichen Zeremonie im Mai 1306 bekräftigte Eduard vor den Großen seines Reiches erneut seinen Schwur, das Heilige Land zurückzuerobern, und trat zeitgleich mit dem Papst sowie dem französischen König in Verhandlungen über seine Kreuzzugsteilnahme.396 Der Letzte in dieser Reihe war König Jakob II. von Aragon, der zwar nicht primär die Rückeroberung des Heiligen Landes plante, aber für seinen Feldzug gegen das Emirat Granada ebenfalls auf Kreuzfahrerprivilegien und päpstliche Subsidien hoffte. Jakob II. konkurrierte mit den Johannitern allerdings nicht nur um päpstliche Unterstützung, sondern fürchtete auch, dass sich im Fall eines Kreuzzuges in den Orient deutlich weniger Freiwillige für seinen Feldzug gegen Granada finden würden. Für die Mehrzahl der Zeitgenossen war das Heilige Land nämlich nach wie vor ein attraktiveres Ziel für den Heidenkampf als die iberische Halbinsel.397 Nachdem im Dezember 1305 an der Kurie die ersten Vorschläge der französischen Krone eingegangen waren, begann Papst Clemens V. seinerseits, Expertenratschläge einzuholen, und beauftragte umgehend Filippo Busseri mit der bereits erwähnten Aufklärungs-
Burgtorf, Templer (2011), 89–91 sowie II.2.3.1. Noch vier Jahre später verwehrte der Johannitermeister dem König von Aragon einen Kredit und verwies dabei auf die Schulden des Ordens aus der Arwad-Expedition, vgl. AA 3, 146, Nr. 65. Atiya, Crusade (1970), 282–286; Housley, Later Crusades (1992), 158–162; Lalou, Karl von Valois (1991), 994; Mises et despens pour le voiage de Constentinoble. Ed. Moranvillé, 63 f. Lizerand, Clément V (1910), 45 f.; Schein, Fideles crucis (1991), 183–186; Tyerman, Capetians (1986), 170. Karl von Valois baute bei seinem Feldzug gegen Byzanz vor allem auf die Unterstützung der Republik Venedig, vgl. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 774 f.; RC, Nr. 248. TNA C 47/29/2/2; TNA 54/123/16d. Zur erneuten Kreuznahme des Königs im Mai 1306 siehe BullockDavies, Minstrels (1978); Morris, King (2009), 355 f.; Prestwich, Edward I (1997), 121. Hillgarth, Spanish Kingdoms (1976), 268–270; Schein, Fideles crucis (1991), 190–192. Die Kreuzzüge auf der iberischen Halbinsel wurden seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ebenfalls durch Besteuerung des Klerus finanziert, vgl. O’Callaghan, Reconquest (2003), 159–162.
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mission.398 Derweil wurden die französischen Kreuzzugsvorbereitungen auch außerhalb des Hofes wahrgenommen und der französische König empfing Memoranden von externen Beratern wie Pierre Dubois, der sich durch seine Ratschläge eine Karriere am Königshof erhoffte.399 Als der für die französische Seite scheinbar unbefriedigende Feldbericht des Franziskaners Busseri schließlich vorlag, konsultierte Karl von Valois seinerseits einen Mendikanten mit Orient-Expertise, der in seiner Descriptio Europae Orientalis die possibilitas der Eroberung Konstantinopels herausstellte.400 Der Bericht kam jedoch vermutlich zu spät, denn mit dem Tod seiner Ehefrau Katharina von Courtenay im Herbst 1307 hatte Karl seinen Anspruch auf das lateinische Kaiserreich verloren und das Kreuzzugsinteresse der französischen Krone richtete sich wieder auf Jerusalem.401 Im Juli desselben Jahres schied mit dem Tod König Eduards I. ein weiterer Anwärter auf die Führerschaft über den Kreuzzug aus.402 In seinem Bestreben, weitere Möglichkeiten zur Rückeroberung der heiligen Stätten auszuloten, hatte der Papst im Juni 1306 die Oberhäupter der Templer und Johanniter sowie weitere Experten aus ihren Orden aufgefordert, ihn an Allerheiligen desselben Jahres in Poitiers zu treffen und hinsichtlich des Kreuzzugs zu beraten.403 Die beiden Ordensmeister waren jedoch zu diesem Zeitpunkt noch im Osten gebunden und übersandten dem Papst aus diesem Grund zunächst zwei schriftliche consilia als Substitute für ihren persönlichen Ratschlag, bevor sie wenige Monate später selbst Richtung Poitiers aufbrachen.404 In diesen beiden Memoranden argumentierten die Johanniter, welche zu diesem Zeitpunkt bereits eine kleine Streitmacht nach Rhodos gesandt hatten, für ein passagium particulare aus einer Flotte von 50 oder 60 Schiffen zur Eroberung eines Brückenkopfes im Osten, während der Templermeister Jacques de Molay aufgrund der gescheiterten Arwad-Expedition einen weiteren Partikularkreuzzug strikt ablehnte.405 Zum Glück für die Johanniter wurde der Templermeister jedoch wenige Monate nach seiner Ankunft in
Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 60; Mises et despens pour le voiage de Constentinoble. Ed. Moranvillé, 66–81; Schein, Fideles crucis (1991), 182 f.; Surdich, Busseri Filippo (1972), 556 f. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 248–324; Ders., Oppinio. Ed. Langlois, 131–140. Das Engagement von Akteuren wie Pierre Dubois lässt darauf schließen, dass die im Rahmen der Kreuzzugsplanungen entstandenen Memoranden teilweise von größeren Kreisen am Hof rezipiert wurden. In seiner 1309 verfassten Oppinio verwies er explizit auf das Rückeroberungsmemorandum der Johanniter, das wenige Jahre zuvor entstanden war, vgl. ebenda, 134 sowie Fußn. 22. Górka, Praefatio (1916), XXXIX–XLVI. Der Papst hatte Karl bereits zuvor die Einnahmen aus einer Kreuzzugssteuer für seinen Feldzug in Aussicht gestellt und den byzantinischen Kaiser Andronikos II. exkommuniziert, vgl. RC, Nr. 243; RC, Nr. 1759. Housley, Later Crusades (1992), 53f.; Schein, Fideles crucis (1991), 186. Mit dem Mord an Albrecht I. von Habsburg im Mai 1308 begann Karl von Valois wiederum, sich darum zu bemühen, zum römischdeutschen König gewählt zu werden, vgl. Lalou, Karl von Valois (1991), 994. Tyerman, England (1988), 240. RC, Nr. 1033. Demurger, Ordres (2001), 119–122; Ders., Jacques de Molay (2002), 207–212 sowie II.2.1.1. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146 f.; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603–610.
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Frankreich aufgrund der Häresievorwürfe gegen seinen Orden verhaftet und konnte nicht länger für einen allgemeinen Kreuzzug eintreten, sodass die Planungen sich fortan allein auf die Möglichkeit eines Partikularkreuzzuges konzentrierten.406 Im Gegensatz dazu erwies Jakob II. sich als deutlich hartnäckigerer Gegenspieler des Johanniterordens. Als der König im Laufe des Jahres 1307 von den Vorschlägen erfuhr, welche die Experten des Ordens dem Papst kurz zuvor unterbreitet hatten, gab er umgehend ein Gegengutachten in Auftrag, um die Vorschläge seiner Mitbewerber zu widerlegen und den Papst auf diese Weise davon zu überzeugen, allein seinen Granada-Feldzug zu finanzieren. Im März 1308 ließ er den Papst über seine Gesandten an der Kurie wissen, er habe sich mit vielen ehrenwerten Männern aus der Stadt Barcelona (...) beraten, (...) von denen wir wissen, dass sie oft in Teilen des Outremer waren und von denen wir denken, dass sie alle Umstände des Unternehmens kennen.407 Nachdem er kurz dargelegt hatte, seine Orientexperten seien der Ansicht, die Streitmacht der Johanniter sei bestenfalls in der Lage, Armenien und Zypern zu verteidigen sowie kurze Angriffe auf die ägyptische Küste zu unternehmen, holte er zum entscheidenden Schlag gegen die unliebsame Konkurrenz aus: Es wird erzählt, dass die Johanniter dem Papst zu verstehen gegeben haben, dass sie innerhalb von fünf Jahren durch Krieg oder Gefecht Jerusalem oder Antiochia erobern werden, wobei niemand glaubt, dass es [ihnen] möglich ist, dies durch die genannte Flotte oder Armee zu tun.408
Der König beschränkte sich jedoch nicht allein darauf, das Kreuzzugsprojekt der Johanniter als unmöglich darzustellen, sondern versuchte zugleich, dem Papst Alternativen zur Rückeroberung des Heiligen Landes aufzuzeigen und diese an den Erfolg seines Granada-Feldzuges zu koppeln. Seine Berater entwarfen einen Plan für einen eigenen Partikularkreuzzug zur Unterstützung Armeniens und Zyperns, der im Gegensatz zum Unternehmen der Johanniter mit nur 20 Galeeren, 300 bis 400 Reitern und 1.000 Fußsoldaten auskommen sollte.409 Zu einem späteren Zeitpunkt würde Jakob II. dann persönlich einen Kreuzzug zur Rückeroberung der heiligen Stätten anführen, selbstverständlich erst, nachdem die aus Granada drohende Gefahr endgültig gebannt sei.410
Barber, Trial (2006), 61; Demurger, Jacques de Molay (2002), 212; Menache, Clement V (1998), 205 f. AA 3, 198, Nr. 91: ab molts prohomens de la ciutat de Barcelona, los quals nos sabem, que avien moltes vegades estat en les partes Doltramar, e les quals nos pensavem, que sabessen totes les circumstancies del fet. AA 3, 199, Nr. 91: Desa se diu, quels Espitalers donen entendre al senyor papa, que dins V annys li auran per guerra o per plet Jherusalem o Antiochia, de la qual cosa non creega negu, que no es cosa possible, que per aquesta armada ne per aquesta gent ne puscha fer. AA 3, 198 f., Nr. 91. Jakob II. hatte bereits 1294 für einen Kreuzzug zur Rückeroberung der heiligen Stätten unter seiner Führung geworben, weshalb Papst Bonifaz VIII. ihm 1296 eine Steuer gewährte. Die von Jakob mit den so eingeworbenen Geldern aufgestellte Flotte wurde allerdings schlussendlich im Sizilien-Konflikt
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Für die in der Ägäis kämpfenden Johanniter spitzte sich währenddessen die Lage zu, denn im Frühjahr 1307 griff Andronikos II. in den Konflikt ein und entsandte eine Flotte aus acht Galeeren nach Rhodos, der es gelang, die dortige Streitmacht des Ordens weiter zu dezimieren.411 An der Kurie scheint man derweil noch unentschlossen hinsichtlich der Umsetzbarkeit des Johanniterprojekts gewesen zu sein, denn der Papst forderte zunächst weitere unabhängige Gutachten zur Kreuzzugsfrage an. Schon im Herbst 1307 hatte er sich an den armenischen Aristokraten Hethum von Korykos gewandt, der sich zu diesem Zeitpunkt als Gesandter des Regenten von Zypern an der Kurie aufhielt, und ihn gebeten, seine Vorschläge zur Rückeroberung des Heiligen Landes niederzuschreiben.412 Im folgenden Jahr versammelte der Papst, möglicherweise in Reaktion auf die Einwände der aragonesischen Gesandten, eine eigene Sachverständigenkommission aus Beratern aller drei Subtypen an der Kurie, die ihre Ratschläge zur Organisation des Kreuzzugs in dem als Memoria Terre Sancte bekannten Rückeroberungstraktat zusammenfassten. Die päpstlichen Experten stimmten mit den Johannitern bezüglich des Partikularkreuzzuges überein, schlugen allerdings vor, die Streitmacht solle zunächst in Armenien landen, um anschließend von dort aus auf dem Landweg nach Ägypten zu ziehen. Ihren Plan untermauerte die Kommission mit einem Itinerar, das den Weg von Antiochia über die SinaiHalbinsel nach Kairo darstellte.413 Die Johanniter reagierten ihrerseits auf das Gegengutachten aus Aragon und präzisierten ihren Rückeroberungsplan in zwei weiteren Memoranden. Mit dem ersten der beiden Werke, dem im Wesentlichen logistischen und militärstrategischen Fragen gewidmeten Traitié coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens, reagierte die Ordensführung explizit auf die Kritik, es sei mit der von ihr vorgesehenen Streitmacht nicht möglich, Jerusalem oder Antiochia binnen fünf Jahren zurückzuerobern.414 Mit der einmaligen Bewertung eines Rückeroberungsprojektes war der Prüfvorgang also keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil – Expertenratschläge wie die der Johanniter erwiesen sich, ebenso wie die unausweichlichen Gegengutachten ihrer Konkurrenten, als höchst anschlussfähig für weitere Expertentätigkeit und entwickel-
eingesetzt, vgl. Borchardt, Initiatives (2018), 27–29; Burgtorf, Career (2007), 82; Schein, Fideles crucis (1991), 151 f.; 189. Bei den Kämpfen starben mindestens zehn Ordensritter, 40 Pferde und zahlreiche Hilfstruppen, vgl. AA 3, 146 f., Nr. 66. Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 278–280. Siehe auch Dörper, Geschichte (1998), 6–11; RHC Doc. Arm. 2, LXI–LXVII. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 451–457. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 226: Et par ceste maniere de guerre, dedens ces .v. ans que les Sarrazins serront si agrevez et amermez que poi de quantite de gente qui passeront apres porront de legier desconfire l’ost et gaayner la terre sans les periles desus nomez, qui porroyent avenir au passage se ceste mainere de guerre n’estoit avant tenue. Die Übergabe der beiden Memoranden könnte im Juni oder Juli 1308 erfolgt sein, als Foulques de Villaret sich bei Clemens V. in Poitiers aufhielt, vgl. CGOH 4, 172 f., Nr. 4800–4801.
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ten somit eine Eigendynamik, die den höfischen Bedarf nach Beratern beständig aufrechterhielt. Zusammen mit dem Traitié übersandte der Orden dem Papst ein als Devise des chemins de Babiloine betiteltes Itinerar, das neben einer Darstellung der bereits von den päpstlichen Sachverständigen erwähnten Sinai-Route auch verschiedene Wege von der ägyptischen Mittelmeerküste nach Kairo enthielt.415 Zusammen mit dem Traitié standen dem Papst somit diverse Möglichkeiten zur Vefügung, wie der Fünfjahresplan der Johanniter realisiert werden konnte. Unmittelbar zu Beginn der Devise identifizierten sich die namentlich nicht weiter benannten Autoren als ehrenwerte Männer, die sich in Übersee aufgehalten haben und die Macht des Sultans und der Sarazenen kennen,416 und brachten sich somit explizit gegen die prud’ hommes in Stellung, die Jakob II. in seinem Gegengutachten aufgerufen hatte. Die Ordensführung hatte also auf den Vorwurf der mangelnden Umsetzbarkeit ihrer Pläne reagiert und den aragonesischen Orientexperten ihre eigenen gegenübergestellt. Deren Expertise scheint schlussendlich auch den Papst überzeugt zu haben, denn Clemens V. gewährte den Johannitern mit der Bulle Exsurgat Deus im August 1308 die geforderten Finanzmittel und Privilegien, um mit einem Partikularkreuzzug aus 1.000 Reitern und 4.000 Fußsoldaten unter der Führung von Foulques de Villaret Brücken und Wege für den allgemeinen Kreuzzug vorzubereiten, und entschied sich damit in wesentlichen Punkten für das von den Expertenratgebern des Ordens entworfene Rückeroberungsprojekt.417 Über den allgemeinen Kreuzzug, der auf den Partikularkreuzzug der Johanniter folgen sollte, wollte Clemens V. nicht allein entscheiden, weshalb er am darauffolgenden Tag mit der Bulle Regnans in caelis für den Oktober 1310 ein Generalkonzil in Vienne einberief.418 Die päpstliche Entscheidung sollte indes keineswegs zu einer reibungslosen Umsetzung des Projektes führen, denn hierfür waren die Johanniter auf die Kooperation weltlicher Herrscher angewiesen, allen voran des französischen Königs. Exsurgat Deus sah vor, dass die französische Krone 100.000 Florin aus der Steuer, die der Papst Karl von Valois für seinen Feldzug gegen Konstantinopel gewährt hatte, in den Partikularkreuzzug der Jo-
Devise des chemins. Ed. Paviot, 204–220. Devise des chemins. Ed. Paviot, 201, Fußn. 4: preudommes qui ont demouré oultre le mer et scevent le povoir du soudan et des Sarrazins (...). Siehe auch das lat. Incipit ebenda, 201: probos viros qui diu steterunt ultra mare et sciunt potestatem soldani et Sarracenorum (...). CGOH 4, 181, Nr. 4807 bzw. RC, Nr. 2988: pontes et vias ad idem generale passagium preparando. Clemens V. reiterierte an zahlreichen Stellen der Bulle die Vorschläge aus dem wenige Monate zuvor verfassten Traitié der Johanniter: So ist etwa sowohl in dem Memorandum wie auch später in Exsurgat Deus von einem Partikularkreuzzug aus 1.000 Reitern und 4.000 Schützen bzw. Fußsoldaten über einen Zeitraum von fünf Jahren die Rede, vgl. CGOH 4, 180, Nr. 4807; Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 224. Siehe dazu auch Demurger, Ordres (2001), 126; Housley, Clement V (1982), 31 f.; Menache, Clement V (1998), 105 f. RC, Nr. 3628. Siehe auch Müller, Konzil (1934), 13–18.
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hanniter investieren sollte.419 Die Verantwortlichen auf französischer Seite erhoben jedoch nach wie vor Anspruch auf die Führerschaft des Kreuzzuges und scheinen dementsprechend von den päpstlichen Zugeständnissen an die Johanniter im August 1308 überrumpelt worden zu sein.420 Die Überraschung der Gegenseite war vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass die Ordensspitze um Foulques de Villaret im Unterschied zu den Templern die Führungsfrage in ihren beiden Memoranden strategisch geschickt offengelassen und zudem in den Vormonaten alle Rückfragen von französischer Seite ignoriert hatte.421 Im Dezember 1308 und erneut im August 1309 beklagte sich Philipp IV. darüber, dass der Johannitermeister der Beratung mit den Sachverständigen der französischen Krone seit Monaten gezielt ausweiche und ihn, den König, über den Fortgang der Kreuzzugsplanungen des Ordens im Unklaren lasse.422 Die Vorgehensweise der Ordensführung illustriert, dass die schriftlichen Memoranden allein keine hinreichende Kommunikationsgrundlage bildeten und konsequente Abwesenheit folgerichtig eine probate Möglichkeit sein konnte, die eigenen Rückeroberungsvorschläge einer Prüfung durch die Experten der Gegenseite zu entziehen. Dieser Vorgehensweise zum Trotz (oder aus Verärgerung über eben diese Strategie) erkannte der französische König den Führungsanspruch der Johanniter über den Partikularkreuzzug nicht an. Im Oktober 1308 unternahm er dann einen letzten Versuch, die Führungsrolle des Ordens in Frage zu stellen. Kurz zuvor hatte Robert FitzPayn, der Steward Eduards II., seine Bereitschaft bekundet, mit einer Streitmacht aus 500 Kreuzfahrern, bei der es sich wohl um die Reste der Truppen handelte, die der verstorbene König Eduard I. für seinen Kreuzzug angeworben hatte, nach Osten aufzubrechen. Nachdem er von den englischen Plänen erfahren hatte, schlug Philipp IV. dem Papst umgehend vor, die Führung des Partikularkreuzzuges an Robert zu übertragen.423 Der Papst ignorierte dieses Ansinnen allerdings und die französische Seite versuchte fortan, die Debatte über den Kreuzzug der Johanniter auf ein anderes Ter-
CGOH 4, 181, Nr. 4807 bzw. RC, Nr. 2988; RC, Nr. 2986. Der Widerspruch der französischen Seite gegen die Zahlungen muss umgehend erfolgt sein, denn bereits im September 1308 ermahnte Clemens V. den französischen König, den Johannitern die geforderten Gelder auszuhändigen, vgl. RC, Nr. 3219. Im Juni 1308 hielten sich sowohl Foulques de Villaret als auch der königliche Berater Guillaume de Plaisians an der Kurie in Poitiers auf. Guillaume behauptete später dem König gegenüber, er habe während dieser Zeit mehrfach erfolglos versucht, den Johannitermeister zu kontaktieren, um mit ihm über den Kreuzzug zu sprechen. In einem späteren Schreiben an Philipp IV. gab der Johannitermeister zu, Guillaume in diesem Zeitraum tatsächlich nicht persönlich aufgesucht, aber ihm dafür ein an den König gerichtetes Schreiben zugesandt zu haben, vgl. CGOH 4, 198 f., Nr. 4831 sowie dazu Housley, Clement V (1982), 34; Luttrell, Hospitallers (1998), 606 f. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 149; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605. CGOH 4, 198 f., Nr. 4831; CGOH 4, 203 f., Nr. 4841. Papae Clementis epistola. Ed. Baluze/Mollat, 89 f. Siehe auch Luttrell, Hospitallers (1998), 606; Schein, Fideles crucis (1991), 227; Tyerman, England (1988), 241.
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rain zu verlagern.424 Der König insinuierte, die Johanniter hätten die 1302 beschlossenen Ordensstatuten gebrochen, weil zu wenige Ordensritter aus seinem Reich im Zentralkonvent des Ordens vertreten seien. Umgehend ließ er seine Legisten um Guillaume de Nogaret ein Rechtsgutachten anfertigen, das diese Behauptungen stützte.425 Da Philipp IV. die possibilitas des geplanten Partikularkreuzzuges durch seine Offerte, das Unternehmen anzuführen, bereits implizit anerkannt hatte, ließ er seine Kreuzzugsexperten also zunächst zurücktreten, um den Juristen das Feld zu überlassen. Für Guillaume de Nogaret sollte es derweil nicht der letzte Auftritt in den Kreuzzugsplanungen bleiben, denn auf dem Konzil von Vienne wenige Jahre später wurde er von Philipp IV. wiederum als administrativ-finanzieller Experte angerufen, um Auskunft über die Beschaffung von Geldern für den Kreuzzug zu geben.426 Auch Jakob II. zeigte sich unbeeindruckt vom Urteil der päpstlichen Sachverständigen, beharrte im Gegensatz zu Philipp IV. jedoch darauf, die Pläne der Johanniter seien nicht umsetzbar, und versuchte weiterhin, dem Papst alternative Möglichkeiten zur Rückeroberung des Heiligen Landes aufzuzeigen. Während die Johanniter bereits begannen, Schiffe und Proviant für ihre Expedition zu erwerben, schickte Jakob eigene Experten an die Kurie, wo sie den Papst im persönlichen Gespräch überzeugen sollten. Seine Wahl fiel dabei auf niemand Geringeren als Ramon Llull, der bereits seit den 1290ern an den lateineuropäischen Herrscherhöfen für einen neuerlichen Kreuzzug warb und dem König im April 1305 ein Rückeroberungstraktat gewidmet hatte.427 Bereits damals hatte Jakob II. aktiv versucht, Llull mit finanziellen Zuwendungen an seinen Hof zu binden, und dieser hatte im Gegenzug sein in den 1290ern entworfenes Rückeroberungsprojekt an diversen Stellen modifiziert, damit es sich in die politischen Interessen seines Patrons einfügte.428 Hatte Llull 1292 gegenüber Papst Nikolaus IV. etwa noch die Auffassung vertreten, die Kreuzfahrer sollten zunächst Konstantinopel erobern und erst danach das Heilige Land unterwerfen, empfahl er
Clemens V. bestätigte im November 1308 und erneut im Juni 1309 Foulques de Villaret als militärischen Anführer des Partikularkreuzzuges und stellte ihm den Bischof von Rodez, Pierre de PleineChassagne (†1318), als päpstlichen Legaten an die Seite, vgl. Housley, Avignon Papacy (1986), 244 f.; Luttrell, Hospitallers (1998), 604; RC, Nr. 4392. CGOH 4, 199, Nr. 4831; Papiers de Guillaume de Nogaret. Ed. Langlois, 230, Nr. 194. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199–205 sowie II.3.1.1. Petició de Ramon al Papa Celestí V. Ed. Perarnau, 29–43; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 146–149; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 238–331. Siehe dazu auch Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 15–37; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 50–52; 65 f. Jakob II. von Aragon vermachte Ramon Llull im Juni 1305 eine lebenslange Pension in Höhe von zwei Solidi (von Barcelona) pro Tag, die auf vier Solidi verdoppelt werden sollte, solange Llull sich in curia nostra aufhielt, vgl. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 74, Nr. 37. Zwei Monate später erhielt Llull wiederum 200 Solidi für Kleidung und weitere 300 für ein Pferd vom König, vgl. ebenda, 76, Nr. 38. Siehe dazu auch Hillgarth, Ramon Lull (1971), 64–66 sowie I.2.3.
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nun, zunächst Granada einzunehmen und anschließend über Nordafrika gen Ägypten vorzurücken.429 Die Vorschläge Llulls fügten sich damit passgenau in die Pläne der aragonesischen Krone ein, weshalb Jakob II. versuchte, sie gegenüber dem Papst als umsetzbare Alternative zu dem Partikularkreuzzug der Johanniter zu profilieren und auf diese Weise obendrein die erhofften Subsidien für seinen Granada-Feldzug zu erhalten.430 Im Frühjahr 1308 bat er den Bischof von Tortosa darum, Llull eine Domherrenpfründe zu verleihen, damit dieser aus den Einkünften seine Reise an die Kurie finanzieren könne.431 Dort angekommen sollte der Theologe als Experte für die possibilitas der königlichen Kreuzzugspläne eintreten und den Papst auf diese Weise davon überzeugen, Jakob II. zum capitaneus, dominus atque caput des Kreuzzuges zu ernennen.432 Wie die meisten anderen Kreuzzugsexperten war auch Ramon Llull keineswegs ein Erfüllungsgehilfe protonationaler Machtpolitik,433 sondern nutzte die Eigendynamik des Konsiliarwesens, welche beständig den Bedarf nach neuen (Gegen-)Gutachten erzeugte, um eine Audienz beim Papst zu erlangen und bei dieser Gelegenheit für andere Projekte wie die Errichtung von Missionarsschulen zu werben.434 Dass er einen Teil seiner Vorschläge dabei gemäß der Interessen seines Patrons auslegte, war wiederum typisch für die zeitgenössischen Kreuzzugsplanungen, innerhalb derer man nicht bloß nach epistemisch gerechtfertigten Rückeroberungsvorschlägen, sondern nach politisch nützlichen Lösungsansätzen suchte.435 Auf diese Weise blieb Llull das Schicksal von Beratern wie Pierre Dubois erspart, deren Vorschläge an den Höfen nicht rezipiert wurden, weil sie sich politisch schwer einbetten ließen.436
Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 212–214; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 338 f.; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 276 f. Darüber hinaus begann Llull, die Erfahrung iberischer Kreuzfahrer im Kampf gegen die Muslime herauszustellen, vgl. ebenda, 279; Ders., Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 209; 213. AA 2, 764, Nr. 477. AA 2, 880, Nr. 558. Die zustimmende Antwort des Bischofs auf die königliche Bitte datiert auf den 22. Mai 1308, vgl. AA 2, 879, Nr. 557. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 77, Nr. 39: Unde prefatus dominus Ramondus videndo, quod de civitate non possumus separare, ad presens vadit Marxiliam ad magistrum Arnaldum de Villanova ob eundum ad curiam summi pontificis causa tractandi et ordinandi, si poterit, ut predicta crux a gentibus assumatur, ac etiam, quod vestra serenitas fore debeat huius rei capit[aneus], dominus atque caput. So argumentiert vor allem Thier, Kreuzzugsbemühungen (1973), 76. Zu den weiteren Projekten Llulls in diesem Zeitraum zählt etwa die Verbreitung seiner ars generalis sowie das Vorgehen gegen den Averroismus an der Universität Paris, vgl. Compagno, Intent (2013), 75–80; Fidora, Arbitration (2011), 307–313; Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 51–61; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 22–52; Ruiz/Soler, Ramon Llull (2008), 54–56 sowie II.5.2. Zu den „serviceable truths“ in der Politikberatung siehe Jasanoff, Fifth Branch (1990), 250. Pierre Dubois gab in seiner um 1309 für Philipp IV. verfassten Oppinio beispielsweise den noch in De recuperatione von ihm vorgeschlagenen Angriff auf Konstantinopel zugunsten eines Angriffs auf Ägypten auf, weil die Pläne Karls von Valois sich in diesem Zeitraum geändert hatten, vgl. Pierre Dubois, Oppinio. Ed. Langlois, 135 f.
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Parallel zu diesen Expertengutachten bemühte sich Jakob II. überdies, durch Titelkauf oder die Ehe mit einer zyprischen Prinzessin einen Anspruch auf die Krone von Jerusalem zu gewinnen.437 Llull erreichte Avignon schließlich im Februar oder März 1309, vermochte den Papst und dessen Berater allerdings nicht mehr umzustimmen, obwohl er zu diesem Zweck noch im März 1309 eine aktualisierte Version seines Rückeroberungstraktates verfasst hatte.438 Seine Bemühungen sollten indes nicht vergeblich sein, denn der Papst gewährte Jakob II. Ende April 1309 zumindest die erhofften Kreuzfahrerprivilegien für den Feldzug gegen Granada und eine dreijährige Steuer, um das Unternehmen zu finanzieren.439 Der Plan der Johanniter hatte ursprünglich vorgesehen, dass die Kreuzzugsflotte im Juni 1309 von Südfrankreich auslaufen sollte, doch schon zu Beginn des Jahres 1309 kündigten sich Verzögerungen an, welche die Ordensführung gegenüber dem Papst der mangelnden Kooperation der Könige von Aragon und Frankreich anlastete.440 Im Mai 1309 wandte sich Foulques de Villaret an Clemens V., weil Jakob II. die Schiffe mit Truppen, Waffen und Viktualien für den Kreuzzug, welche sich in den Häfen seines Königreichs befanden, bereits seit Monaten am Auslaufen hinderte.441 Der König wähnte sich damit allerdings im Recht, schließlich hatten seine Experten ihm und dem Papst die Unmöglichkeit des Johanniter-Projektes demonstriert und seinem Granada-Feldzug deutlich bessere Erfolgsaussichten bescheinigt, sodass es nur legitim erschien, die verfügbaren Personen und Mittel auf das erfolgversprechendere Kreuzzugsunternehmen umzuleiten. Philipp IV. wiederum verweigerte dem Johanniterorden seine finanzielle Unterstützung und blockierte vermutlich auch die Holzlieferungen für den Bau der Kreuzfahrerflotte. Im Unterschied zu Jakob II. berief er sich allerdings nicht auf die mangelnden Erfolgsaussichten, sondern auf die Unrechtmäßigkeit der Unternehmung, die ihm seine Legisten inzwischen bestätigt hatten. Seine Verweigerungshaltung gab der französische König trotz päpstlicher Ermahnung auch in den Folgejahren nicht auf, den Johannitern gelang es allerdings, in einer Nacht-und
Der Plan sah vor, dass Robert I. von Anjou zugunsten von Jakob II. oder dessen Bruder, König Friedrich III. von Sizilien, auf die Krone von Jerusalem verzichtete, vgl. AA 2, 701 f., Nr. 440. Zudem plante Jakob II. nach dem Tod seiner Frau Blanka von Anjou (✶um 1280 †1310) eine zyprische Prinzessin zu ehelichen und somit den Anspruch der Lusignan auf das Königreich Jerusalem zu gewinnen, vgl. Schein, Fideles crucis (1991), 191 f. Am 19. Februar schrieb Llull dem König aus Montpellier und setzte ihn davon in Kenntnis, dass er in Kürze nach Avignon weiterreisen werde, um sich dort für Jakobs Kreuzzugsunternehmen einzusetzen, vgl. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 78, Nr. 40. Für das Rückeroberungstraktat von 1309 siehe Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 203–229. RC, Nr. 3988; RC, Nr. 3990–3991. AA 3, 191, Nr. 88. CGOH 4, 212 f., Nr. 4860; CGOH 4, 226, Nr. 4883.
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-Nebel-Aktion einen kleinen Teil der in Paris gesammelten Kreuzzugsteuern außer Landes zu schaffen.442 Die (Gegen-)Gutachten zweiter Stufe, auf welche die Opponenten der Johanniter sich beriefen, erzeugten also eine Art permanenter Rekursion, welche auch durch die Entscheidung des Papstes für die Pläne des Ritterordens nicht beendet werden konnte. Der Austritt aus dem Prozess der ständigen Begutachtung war in den Kreuzzugsplanungen weder formal noch implizit geregelt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die informationsorientierte Beratung zwar seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert personell und wissensseitig von der konsensorientierten Beratung getrennt war,443 aber in mancher Hinsicht noch immer deren Regeln und Gepflogenheiten folgte. Um den consensus für ihre politischen Entscheidungen in Anspruch nehmen zu können, mussten Herrscher den Rat aller Fürsten und Prälaten ihres Reiches einholen. Schließlich konnte jeder dieser Magnaten, der nicht befragt worden war, seinem Herrn legitimerweise die Unterstützung versagen. Dran anknüpfend versuchten die politischen Entscheidungsträger auch ihre Ratgeberkollektive so zu besetzen, dass sie den Teil des gesellschaftlichen Wissensvorrats abdeckten, der Relevanz für den Gegenstand der Beratung beanspruchen konnte. In der konsensorientierten Beratung beschränkte sich der Kreis möglicher Ratgeber allerdings auf die Reichsfürsten, während die Zahl der potentiellen Ratgeber in den Kreuzzugsplanungen ungleich größer ausfiel. Im Unterschied zu anderen Feldern der informationsorientierten Beratung an den Höfen kannten die Kreuzzugsplanungen auch keine Institutionen, die problembezogenes Spezialwissen monopolisiert hatten und damit ex ante den Kreis derjenigen Akteure begrenzten, die legitimerweise für sich in Anspruch nehmen konnten, Experten zu sein.444 Zugleich war der Kreuzzug als leerer Signifikant offen für politische Partikularinteressen, die der Konsensfindung im Weg stehen konnten.445 Diese Konfiguration erlaubte es Herrschern wie Philipp IV. oder Jakob II. immer neue Experten aufzurufen, die ihnen die possibilitas und utilitas ihrer Rückeroberungspläne bestätigten und die anderslautenden Vorschläge ihrer Konkurrenten attackierten. Dadurch entstand eine Situation, in der Expertenkulturen die politische Entscheidungsfindung nicht etwa erleichterten, sondern sie (zumindest mit Blick auf den Kreuzzug) verzögerten.
CGOH 4, 227 f., Nr. 4884; CGOH 4, 233 f., Nr. 4895; RC, Nr. 2986. Wie bei vergangenen Kreuzzugssteuern üblich, oblag die Kollekte in diesem Fall nicht allein den Ortskirchen, sondern auch den lokalen Kommandanturen des Johanniterordens. Folgt man den Vorwürfen der französischen Seite, so hatten die Johanniterpriore von Frankreich und der Provence einen Teil dieser Gelder zu Beginn des Jahres 1309 für den Partikularkreuzzug ihres Ordens beiseitegeschafft, statt sie dem französischen König auszuhändigen, vgl. CGOH 4, 199, Nr. 4831. Siehe auch I.1.1. Siehe auch II.1. Auf anderen Feldern wie dem Recht, der Medizin aber auch der Astrologie waren es die Universitäten und Schulen, die den Kreis legitimer Expertenratgeber beschränkten, vgl. Miethke, Wirkungen (1998), 173–210; Ders., Politikberatung (2004), 337–357; Oschema, Astrologen (2018), 145–172; Wieland, Philosophie (2004), 65–84; Woelki, Politikberatung (2016), 229–258. Siehe auch I.2.1.
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Im Oktober 1309 brachen die Johanniter schließlich mit einem halben Jahr Verzögerung und einer deutlich kleineren Streitmacht aus etwa 300 Reitern und 3.000 Fußsoldaten in Richtung Ägäis auf. Der Beginn der Sturmsaison zwang die nur bedingt hochseetauglichen Galeeren des Ordens allerdings zum Überwintern in Brindisi, wo das Heer sich aufgrund von Geldmangel zunehmend aufzulösen begann. Da die Zahlungen aus Frankreich weiter ausblieben, gewährte Clemens V. den Johannitern weitere 50.000 Florin aus der Apostolischen Kammer, die das Kreuzfahrerheer gemeinsam mit einem zeitgleich ausgehandelten Kredit der Peruzzi über den Winter bringen sollten.446 Insgesamt müssen die Schulden, welche der Orden während der Expedition anhäufte, enorm gewesen sein, denn auch zehn Jahre später waren sie noch nicht vollständig getilgt.447 Die verbliebenen Kreuzfahrer erreichten die Ägäis im April 1310 und halfen dem Orden dabei, Rhodos und weitere Inseln der Dodekanes sowie kleinere Stützpunkte auf dem anatolischen Festland zu erobern, was die Johanniter allerdings in weitere kostspielige Konflikte mit den Republiken Venedig und Genua sowie dem Beylik Mentesche verwickelte.448 Ägypten oder die Levante erreichte die auf diese Weise dezimierte Streitmacht nie. An der Kurie hatte man die hochgesteckten Pläne der Johanniter derweil keineswegs vergessen. Auf dem Konzil von Vienne im November 1311 ermahnte Kardinalbischof Bérenger Fredoli die Ordensführung um Foulques de Villaret, ihr Versprechen einzuhalten, die Stadt Jerusalem binnen fünf Jahren zurückzuerobern.449 Noch ein Jahrzehnt später erinnerte Paolino Minorita in seiner Weltchronik daran, dass den Johannitern für ihren Partikularkreuzzug viele Waffen, Truppen und Gelder übergeben wurden, aber auf ihren Feldzug nichts folgte, was die gesamte Christenheit als großes Ärgernis empfunden habe.450 Die Johanniter stimmten selbstredend nicht in den Chor der Kritiker ein, sondern verwiesen auf die mangelnde Unterstützung aus Frankreich und Aragon, um zu erklären, warum die erhofften Ergebnisse ausgeblie CGOH 4, 227 f., Nr. 4884; RC, Nr. 7631. Delaville Le Roulx, Hospitaliers (1913), 22–24; Luttrell, Foulques de Villaret (1985), 76 f. sowie dazu die entsprechenden Dokumente in AOM, Sek. 1, Arch 16, Nr. 20; AOM, Sek. 1, Arch. 20, Nr. 6. CGOH 4, 233 f., Nr. 4895; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 120; Chronique d’Amadi. Ed. Mas Latrie, 393; RC, Nr. 7631. Die Johanniter eroberten während ihres Feldzuges auch die Insel Karpathos, welche der byzantinische Kaiser zuvor den Venezianern Andrea Cornaro und Lodovico Moresco gewährt hatte. Die Serenissima sandte daraufhin eine kleine Streitmacht in die Ägäis, der es allerdings nicht gelang, die Insel zurückzuerobern. Nach Kaperung eines genuesischen Handelsschiffes kam es überdies zum Konflikt mit der Seerepublik, die sich mit dem Bey von Mentesche gegen den Orden verbündete. Siehe dazu Dartmann, Johanniter (2020), 323–336; Carr, Hospitallers (2013), 168 f.; Luttrell, Genoese (1997), 754–760; Menache, Clement V (1998), 110–112; Schein, Fideles crucis (1991), 231–233; Zachariadou, Trade (1983), 11 f. sowie II.2.2.5. Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 243, Nr. 126. Paolino Minorita, Quinta vita Clementis V. Ed. Baluze/Mollat, 82: Pro passagio congregata fuit pecunia, et armorum ac aliarum rerum copia, offerentibus fidelibus, viris ac mulieribus, jocalia et que habebant carissima, Hospitalariis ad hoc missis, que vili pretio distrahebantur. De passagio vero nil sequtum est. Propter que magnum scandalum in christiano populo sequtum est.
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ben waren. Ihre Rechtfertigungsversuche scheinen dabei durchaus von Erfolg gekrönt gewesen zu sein, denn das Viennense sprach dem Orden die Güter des aufgelösten Templerordens zu, damit die Johanniter ihre Schulden aus dem Rhodos-Feldzug begleichen konnten.451 Auch die Rolle der Ordensführung als Experten für den Kreuzzug wurde durch den Misserfolg offenbar nicht nachhaltig beschädigt, denn Foulques de Villaret und Simon Le Rat wurden in den Folgejahren weiterhin als Berater in Kreuzzugsfragen konsultiert.452 Trotz zahlreicher Gutachten und der Orientierung an einer betrachterunabhängigen Wirklichkeit waren sich Kreuzzugsplaner also selbst nach Abschluss des Johanniterkreuzzugs nicht darüber einig, ob das von der Ordensführung vorgeschlagene Rückeroberungsprojekt realisierbar gewesen wäre. Aus Sicht der Kreuzfahrer mag dieses Ergebnis unbefriedigend gewesen sein, aber die dem zu Grunde liegende Dynamik erwies sich für die Stellung der Berater als überaus ertragreich. Da die Bewertung eines Rückeroberungsvorschlages durch ein Gutachten zweiter Ordnung nicht beendet war, waren politische Entscheidungsträger danach weiterhin auf Expertenratgeber angewiesen, um die unausweichliche Anschlusskommunikation für sie auszulegen. Sich dieser epistemischen Dynamik zu entziehen, war für die Herrschenden dagegen keine gangbare Option, da es bedeutet hätte, ihren Konkurrenten das Feld (und damit auch einträgliche päpstliche Subsidien) zu überlassen. Einmal angestoßen, erzeugte die Experten-Laien-Kommunikation also in Kombination mit politischen Interessen beständig den Bedarf nach weiteren Expertenratschlägen und stabilisierte auf diese Weise die höfischen Kreuzzugsplanungen als fraktionierte Austauschzone. Die zeitgenössische Kritik an der RhodosExpedition sollte derweil nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Expertise der Johanniter in Kreuzzugsfragen von zentralen Entscheidungsträgern wie Clemens V. anerkannt wurde. Wie ihnen und anderen Ratgebern dieses Kunststück gelang, wird der Gegenstand des letzten Kapitels sein.
Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 289–291, Nr. 142; Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Ed. Wohlmuth, Bd. 2, 336–343. Zu den Schulden des Ordens infolge des Rhodos-Kreuzzuges siehe Luttrell, Hospitallers (1998), 612, Fußn. 95. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 167.
2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten Die höfischen Kreuzzugsplanungen waren eine Austauschzone, in der Angehörige verschiedener Wissenskulturen miteinander interagierten, um gemeinsam Lösungsansätze zur Rückeroberung des Heiligen Landes zu entwerfen. Innerhalb dieser Planungen traten verschiedene Berater mit dem Anspruch auf, über Spezialwissen zu verfügen, das für den Kreuzzug von Nutzen war und mit dessen Hilfe sich letztlich die Rückeroberung des Heiligen Landes bewerkstelligen ließ. Zugleich begannen politische Entscheidungsträger damit, solche Experten gezielt anzufragen, um sich von ihnen über die Durchführung eines Kreuzzuges beraten zu lassen. Folgt man der wissenssoziologischen Hypothese, dass der Experte eine soziale Rolle ist, die Akteuren im Kommunikationsprozess zugesprochen wird, so stellt sich die Frage nach den Bedingungen der Zuschreibung von Expertise innerhalb dieser höfischen Planungen. Was musste ein Ratgeber, der als Experte anerkannt werden wollte, dafür tun, damit politische Entscheidungsträger ihm Kompetenz für die Organisation eines Kreuzzugs zur Rückeroberung des Heiligen Landes zusprachen? Wie vermochte er den politisch Verantwortlichen zu vermitteln, dass genau sein Wissen von Nutzen für den Kreuzzug war und nicht etwa das konkurrierender Ratgeber? Kurzum: Wie wurden aus politischen Beratern Kreuzzugsexperten? Ich werde diese höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten im Folgenden in zwei Schritten beleuchten: Zunächst werde ich am Beispiel des venezianischen Kreuzzugsberaters Marino Sanudo untersuchen, auf welche Weise die Berater Zugang zu den höfischen Kreuzzugsplanungen erlangten und dabei auf Ansätze aus der sozialen Netzwerkanalyse zurückgreifen (2.1). Anschließend werde ich auf Grundlage der wissenssoziologischen Professionsforschung darlegen, wie Berater die Rolle des Kreuzzugsexperten spielten und welcher Strategien der Inszenierung ihrer Expertise sie sich bedienten, wenn sie die höfischen Planungszirkel einmal erreicht hatten (2.2).
2.1 Der Zugang zum Hof Jeder Berater, der sich anschickte, in den höfischen Planungssitzungen als Experte für den Kreuzzug konsultiert zu werden, musste zunächst erst einmal Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern erlangen, die er beraten wollte. Eine Kommunikationsschnittstelle, durch die Rückeroberungsvorschläge wie eine Art Supplik von beliebigen Akteuren zur Prüfung eingereicht werden konnten, existierte an mittelalterlichen Herrscherhöfen selbstredend nicht. Aus diesen Gründen ist die Frage nach dem Zugang zum Herrscher seit dem Wiederaufleben der Hofforschung in den 1980er Jahren zu einem wichtigen Untersuchungsgegenstand geworden. Die jüngeren Arbeiten in diesem Feld gehen davon aus, dass die „Zugangspolitik“ von zentraler Bedeutung für die Strukturen, Entscheidungsfindung und Machtverhältnisse an einem Hof ist. „Zugangspolitik“ wird https://doi.org/10.1515/9783111085067-010
2.1 Der Zugang zum Hof
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dabei verstanden als heterogenes Ensemble von Strategien und Praktiken, die dazu dienten, persönliche Nähe zum jeweiligen Herrscher herzustellen.1 Zur Analyse dieses Phänomens wird gern das Deutungsschema vom „Vertrauten des Herrschers“ bemüht,2 welches sich bei näherer Betrachtung allerdings als unterkomplexe Umschreibung für soziale Beziehungen erweist, die weder eine nähere Spezifikation der Art dieser Beziehungen erlaubt, noch weiterführendes Erklärungspotential dafür bietet, wie solche Beziehungen zu Stande kamen. Hinzu kommt, dass die Strategien des Herstellens von Zugang bislang ausschließlich für Höflinge im Allgemeinen, nicht aber für Expertenratgeber im Speziellen untersucht wurden. Jede Untersuchung dieser Zugangspolitik sieht sich jedoch zunächst zwei Quellenproblemen gegenüber: erstens das bereits erwähnte Problem der Mündlichkeit höfischer Kreuzzugsplanungen, welches zumindest partiell durch die Hinzunahme von Registern und anderem höfischem Kanzleischrifttum minimiert werden kann. Aus diesen Verwaltungsquellen lässt sich allerdings meist nur ermitteln, wer sich wann mit wem getroffen hat, um über die Planung eines Kreuzzuges zu sprechen, jedoch nicht, welche Vorschläge bei diesen Treffen genau ausgetauscht wurden und wer dabei welchen Redeanteil hatte. Hinzu kommt zweitens, dass nahezu ausschließlich die Vorschläge und Memoranden der Berater erhalten sind, deren Kontaktaufnahme mit politischen Entscheidungsträgern erfolgreich war. Wie bereits gezeigt wurde, ist die Mehrzahl der Rückeroberungsmemoranden in zeitgenössischen Sammelhandschriften überliefert, die zum Zweck der Kreuzzugsplanungen kompiliert wurden. Es liegt demnach auf der Hand, dass die Vorschläge derjenigen Berater, die an den Höfen gar nicht erst gehört wurden, es überhaupt nicht in diese Sammlungen geschafft haben und dementsprechend auch nicht überliefert sind. Dass es durchaus Berater gab, die erfolglos versuchten, mit ihren Memoranden und Projekten das Gehör politischer Entscheidungsträger zu finden, zeigt das Beispiel des Pierre Dubois, der zwischen 1300 und 1312 zwölf politische und juristische Abhandlungen für Philipp IV. verfasste, die aber am französischen Hof höchstwahrscheinlich nie rezipiert wurden.3 Diverse Vermerke nicht identifizierbarer recuperatio-Handschriften in den Registern der päpstlichen Bibliothek in Avignon lassen zumindest vermuten, dass viele der Rückeroberungsmemoranden inzwischen verloren gegangen sind.4 Über die tatsächliche Anzahl der ungehörten Ratge Für einen Überblick siehe Raeymaekers/Derks, Repertoires (2019), 78–93. So u. a. bei Althoff, Colloquium (1990), 165; Balouzat-Loubet, Capétiens (2019), 125; Fasolt, Council (1991), 98; Felten, Verhandlungen (2004), 425; Grünbart, Einleitung (2020), 11 f.; Kyritses, Council (2015), 66; Miethke, Philipp IV. (1996), 205; Postel, Herrschaft (2004), 5; Uebach, Ratgeber (2008), 27. Für eine vollständige Liste von Dubois’ Werken siehe Brandt, Recovery (1956), 211–216; Zeck, Publizist (1911), 7 f. sowie II.3.1.1. Für die mangelnde Rezeption der Werke spricht auch die Überlieferung, denn De recuperatione Terre Sancte, De torneamentis et justis u. De indulgentia crucesignatorum sind im Unterschied zu den meisten anderen Rückeroberungsmemoranden nicht in zeitgenössischen Kompilationen, sondern nur in einer deutlich später angefertigten Abschrift (BAV Reg. Lat. 1642) erhalten. Historia bibliothecae romanorum pontificum. Ed. Ehrle, 343, Nr. 731; 407, Nr. 1429; 429, Nr. 1651; 546, Nr. 2001.
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ber, die Inhalte ihrer Vorschläge oder die Gründe für ihre mangelnde Akzeptanz am Hof lässt sich demnach nur spekulieren. Um die Kommunikation sowie Interaktion von Ratgebern und politischen Entscheidungsträgern unter Berücksichtigung der vorgenannten Überlieferungslücken zu untersuchen, bietet sich demnach vor allem der Einsatz quantitativer Analyseverfahren an, für die es ausreicht, über Daten zu verfügen, welcher Ratgeber zu welchem Zeitpunkt welchen Entscheidungsträger beraten hat, ohne die Inhalte oder den Verlauf der jeweiligen Interaktion genauer bestimmen zu können. Unter den quantitativen Methoden eignet sich wiederum vor allem die soziale Netzwerkanalyse, mithilfe derer sich solche prosopographischen Daten in Relation zueinander setzen und systematisch auswerten lassen. Unter dem Begriff „soziale Netzwerkanalyse“ verbirgt sich ein statistisches Instrumentarium zur strukturellen Analyse sozialer Interaktion, das in den 1950er Jahren aus dem Versuch heraus entstanden ist, die Mikroebene sozialen Handels mit der Makroebene handlungsleitender Strukturen zu verbinden. Seit den 1980er Jahren haben diese Analyseverfahren entscheidende Impulse durch die fortschreitende Computerisierung erhalten und erfreuen sich seitdem steigender Beliebtheit in der empirischen Sozialforschung.5 Der Ansatz ist somit einerseits abzugrenzen von der AkteurNetzwerk-Theorie Latours und andererseits von dem rein metaphorischen Gebrauch des Ausdrucks „Netzwerk“, über den Reinhard vollkommen zurecht festgestellt hat, dass er „neben dem noch beliebteren Diskurs zur zweithäufigsten Leerformel der Geschichtswissenschaft verkommen ist.“6 Entgegen anderslautender Annahmen eignen sich Ansätze aus der sozialen Netzwerkanalyse auch für die Mittelalterforschung.7
Jansen, Einführung (2006), 11–49; Nitschke, Geschichte (2016), 11–29; Schnegg, Wurzeln (2010), 21–28. Laut Freeman, Development (2004), 3 zeichnet sich das Paradigma der sozialen Netzwerkanalyse durch vier Charakteristika aus: „(1) Social network analysis is motivated by a structural intuition based on ties linking social actors, (2) It is grounded in systematic empirical data, (3) It draws heavily on graphic imagery, and (4) It relies on the use of mathematical and/or computational models.“ Reinhard, Mikrogeschichte (2005), 135. Siehe auch Düring/Eumann, Netzwerkforschung (2013), 369–390; Lemercier, Netzwerkanalyse (2012), 16–41. Reinhard und seine Schüler haben bereits zu Beginn der 1980er unter dem Oberbegriff der „Verflechtungsanalyse“ versucht, Ansätze der sozialen Netzwerkanalyse für die Geschichtsforschung nutzbar zu machen. Sie konnten dabei allerdings noch nicht auf die statistischen Analyseinstrumente zurückgreifen, die inzwischen typisch für die Netzwerkanalyse sind, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend etabliert waren, vgl. Häberlein, Netzwerkanalyse (2008), 315–328; Reinhard, Freunde (1979), 19–23. Kritik an der sozialen Netzwerkanalyse aus den Reihen der Geschichtswissenschaft ist zumeist darauf zurückzuführen, dass der Netzwerkbegriff in der historischen Forschung zwar häufig verwendet wird, aber dabei oft diffus und chronisch unterbestimmt bleibt. Zahlreichen rein metaphorischen Verwendungen des Ausdrucks (so u. a. die Beiträge in Fouquet, Netzwerke [2010]) stehen nur wenige Arbeiten gegenüber, die sich tatsächlich der sozialen Netzwerkanalyse oder der Akteur-NetzwerkTheorie bedienen. In Teilen der Forschung besteht zudem nach wie vor große Unklarheit über die Instrumentarien der sozialen Netzwerkanalyse; Hitzbleck nimmt beispielsweise in ihrer Fundamentalkritik fälschlicherweise an, mithilfe der sozialen Netzwerkanalyse ließe sich die Qualität von Interaktion nicht untersuchen, obwohl Granovetter bereits in den 1970ern Analyseverfahren für sog.
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Gramsch zufolge waren in mittelalterlichen Gesellschaften „Institutionen, klar definierte Subordinations- und Zuständigkeitsverhältnisse (...) nur rudimentär ausgebildet“, weshalb „den Gruppenbildungs-, Tausch-, und Aushandlungsprozessen sowie den Rangund Ressourcenkonkurrenzen (...), die sich in einem komplexen Netzwerk einer Vielzahl von AkteurInnen abspielten“, eine große Bedeutung zukam.8 Trotz seiner langjährigen Tradition ist das methodische Instrumentarium der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse erst in den letzten zehn Jahren von der Mediävistik erschlossen worden. Zu den ersten Arbeiten auf diesem Feld zählen Burkhardts Studie über die Geschäftsbeziehungen der hansischen Bergenfahrer, Gramschs’ Untersuchung der Reichsfürsten sowie Schellers Analyse der Zeugen- und Gesellschafternetzwerke jüdischer Konvertiten in Trani.9 Neuere Studien haben unter anderem die Investitionspraktiken genuesischer Kaufleute, die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts oder die süditalienischen Muslime unter der Anjou-Herrschaft in den Blick genommen.10 Die bisherigen Arbeiten haben das Potential der sozialen Netzwerkanalyse erkennen lassen, durch die mit dem Ansatz einhergehende Reduktion von Komplexität sozialer Interaktionen die Quellenlücken zu überwinden, denen sich Mittelalterhistoriker oft gegenübersehen.11 Versteht man Höfe also im Anschluss an Elias als auf die Person des Herrschers zentrierte Patronage-Netzwerke, so lässt sich mittels der sozialen Netzwerkanalyse rekonstruieren, wie Berater versuchten, sich durch das Knüpfen sozialer Beziehungen gleichsam zum Ohr des Herrschers vorzuarbeiten.12 Der vergleichsweise vage Begriff des „Zugangs“ kann demnach bestimmt werden als Fähigkeit von Akteuren, politische Entscheidungsträger direkt oder indirekt mit ihren Sprechhandlungen zu adressieren. Ein an der Netzwerkforschung orientierter Ansatz vermag die Tätigkeit von politischen Beratern somit deutlich differenzierter zu beschreiben als das vage Deutungsschema des „Vertrauten“, welches allein die Beziehung eines Akteurs zum Herrscher selbst berücksichtigt, nicht aber dessen Position im Netzwerk des Hofes. Für eine netzwerkanalytische Betrachtung eignen sich dementsprechend vor allem Akteure, die nicht nur an einem, sondern an verschiedenen lateineuropäischen Höfen als Berater in Kreuzzugsfragen konsultiert wurden. Auf Grundlage der vorangegange-
gewichtete Netzwerke formuliert hat, die auch gegenwärtig noch in den Sozialwissenschaften angewendet werden, vgl. Hitzbleck, Überlegungen (2014), 17–40; Granovetter, Strength (1973), 1360–1380; Jansen, Einführung (2006), 59. Gramsch, Muster (2016), 87 f. Burkhardt, Bergenhandel (2009); Gramsch, Reich (2013); Scheller, Stadt (2013), 145–217. Für ein Beispiel der Anwendung netzwerkanalytischer Methoden auf die mittelalterliche Geschichte aus dem Bereich der Sozialwissenschaften siehe Ansell/Padgett, Action (1993), 1259–1319. Engl, Kultur (2020), 283–297; Lorke, Kommunikation (2019); Scheiner, Resilienz (2020), 111–130. So betrachtet Scheller z. B. in Ermangelung entsprechender Quellen über das Heiratsverhalten jüdischer Konvertiten in Trani ihre Einbindung in Zeugen- und Gesellschafternetzwerke als Indikator für den Grad ihrer Inklusion in die Stadtgesellschaft, vgl. Scheller, Stadt (2013), 146. Elias, Gesellschaft (1969), 102–119 sowie in Anschluss daran Kruse, Hof (2002), 254 f.; Raedler, Struktur (2006), 41–43; Reinhard, Freunde (1979), 53 f.
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nen Untersuchung lassen sich eine ganze Reihe solcher Berater aus allen drei Subtypen ausmachen, so etwa Foulques de Villaret, Guillaume Durand oder Expertenmediatoren wie Marino Sanudo und Ramon Llull. Die Beratertätigkeit des Erstgenannten kann allerdings nicht umfänglich erfasst werden, weil die Aufzeichnungen des Johanniterordens für den Zeitraum zwischen dem Fall von Akkon 1291 und der Eroberung von Rhodos 1311 überaus lückenhaft sind.13 Guillaume Durand lässt sich wiederum ab 1317 in den französischen und päpstlichen Registern gut fassen, zählte allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits zu den etablierten Akteuren in den französischen Kreuzzugsplanungen. Sein Weg an den französischen Hof lässt sich dagegen kaum nachvollziehen, einerseits weil die Register Philipps IV. deutlich lückenhafter sind als die seiner Nachfolger, andererseits weil auch im Departmentalarchiv Lozère, welches die meisten Bestände aus dem mittelalterlichen Bistum Mende übernommen hat, für diesen Zeitraum aussagekräftige Briefe oder vergleichbare Quellen fehlen.14 Für Ramon Llull liegt dagegen eine überaus dichte Überlieferung vor, anhand derer Hillgarth die politische Beratertätigkeit Llulls in den Jahren 1290–1314 nahezu lückenlos rekonstruieren konnte.15 Llulls Wirken als Berater in Kreuzzugsfragen lässt sich allerdings oft kaum von seiner anderweitigen Beratertätigkeit trennen. Die Llull-Forschung vertritt nahezu einhellig die Meinung, dass die anderen Projekte des Katalanen, darunter etwa die Verbreitung seiner ars generalis, die Errichtung von Sprachschulen für Missionare oder das Vorgehen gegen die Pariser Averroisten, für ihn eine ähnliche oder sogar höhere Priorität hatten als seine Kreuzzugspläne.16 Marino Sanudo findet sich dagegen nicht nur in Kanzleiregistern, sondern hat auch eine Sammlung aus 42 Briefen hinterlassen, aus der sich seine Tätigkeit als höfischer Ratgeber für den Zeitraum von 1321 bis 1336 in Grundzügen rekonstruieren lässt.17 Diese Briefe, welche allesamt den Kreuzzug zum Gegenstand haben, sind ab 1323 als Addenda zu Sanudos Liber secretorum überliefert und dementsprechend mit den klassischen Problemen der meisten mittelalterlichen Briefsammlungen behaftet: Es handelte sich bei den Schreiben nämlich keineswegs um Ego-Dokumente, sondern um Traditionsquellen, die von Sanudo bewusst ausgewählt worden sind, um seine Rückeroberungspläne für die Leser des Liber secretorum zusammenzufassen und zu-
Vgl. AOM, Sek. 1. Der einzige Hinweis auf die Ratgebertätigkeit von Guillaume Durand in dieser Zeit ist ein an ihn gerichtetes Schreiben Philipps IV., vgl. Lettres de Philippe le Bel. Ed. Roucaute, 141, Nr. 74. Domínguez Reboiras/Gayà Estelrich, Raimundus Lullus (2008), 70–117; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 46–132 sowie die Quellensammlung Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 50–100. So u. a. Compagno, Intent (2013), 75–80; Fidora, Arbitration (2011), 307–313; Gottron, Kreuzzugsideen (1912), 51–61; Hillgarth, Ramon Lull (1971), 22–52; Imbach, Lulle (1987), 268–272; Ruiz/Soler, Ramon Llull (2008), 54–56. Ramon Llulls Rückeroberungstraktate enthalten im Gegensatz zu denen der anderen Berater längere Passagen zur Mission der Griechen, Muslime und Mongolen, vgl. II.5.2. Roddy, Correspondence (1971), 78–100; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 57–73.
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gleich zu illustrieren, dass diese Pläne bei anderen bereits auf Akzeptanz gestoßen waren.18 Da sie die Vorschläge in seinem Rückeroberungstraktat gewissermaßen autorisieren sollten, wählte Sanudo für die Sammlung vorwiegend Schreiben aus, die er an hochgestellte Persönlichkeiten adressiert hatte, und erwähnte intermediäre Akteure dabei oft nur beiläufig. Zudem weist die Briefsammlung eine Lücke auf, wenn es um Sanudos Wirken in seiner Heimatstadt Venedig geht, und gestattet folgerichtig keinen Einblick in die internen politischen Strukturen der Markusrepublik. In seinen Briefen erläuterte Sanudo allerdings ausgiebig, wann er welche Entscheidungsträger in Kreuzzugsfragen beraten hatte und an welche Akteure die Adressaten seiner Schreiben ihn und seine Rückeroberungspläne weiterempfehlen sollten, sodass sich auf Grundlage dieser Angaben rekonstruieren lässt, welche Akteure der Venezianer als wichtig erachtete und auf welche Weise er versuchte, sie zu erreichen. In Kombination mit den Belegen in Kanzleiregistern lässt die Briefsammlung folglich eine differenzierte Betrachtung der Strategien zu, mittels derer Marino Sanudo Ratgeberbeziehungen zu politischen Entscheidungsträgern aufbaute und aufrechterhielt. Auf dieser Quellengrundlage werde ich im Folgenden das Kommunikationsnetzwerk Sanudos rekonstruieren und mithilfe statistischer Verfahren aus der Netzwerkforschung das strategische Vorgehen des Venezianers analysieren. Bei seiner Beratertätigkeit bediente der Venezianer sich verschiedener Kommunikationsmedien, wobei er typischerweise zunächst versuchte, durch mündliche Beratung in Anwesenheit eine Ratgeberbeziehung aufzubauen und diese im Anschluss daran durch schriftliche Kommunikation, Vertreter oder andere Substitute seiner Person aufrechtzuerhalten (2.1.1). Zur Kontaktaufnahme mit politischen Entscheidungsträgern nutzte er üblicherweise Vermittler mit einem hohen Sozialkapital, während er zum Aufrechterhalten einer einmal etablierten Ratgeberbeziehung vermehrt auf Vermittler setzte, die sich durch ein hohes kulturelles Kapital auszeichneten. Zu den Ersteren zählten dabei einerseits Akteure, welche die Kommunikation zu einem bestimmten Entscheidungsträger zu kontrollieren vermochten und der klassischen Vorstellung des „Vertrauten“ noch am nächsten kommen. Deutlich wichtiger als dieser Koordinatoren waren allerdings die Akteure, welche als Selektionsinstanzen der kreuzzugsbezogenen Kommunikation an einem Hof fungierten und somit in der Lage waren, den Zugang zu den höfischen Kreuzzugsplanungen zu regulieren (2.1.2).
2.1.1 Medien der Kommunikation Marino Sanudo bediente sich im Rahmen seiner höfischen Ratgebertätigkeit einer Kombination verschiedener Kommunikationsmedien, wobei sich drei idealtypische Modi der Kommunikation unterscheiden lassen: erstens die direkt-unmittelbare Beratung in Anwesenheit, zweitens die direkt-mittelbare Beratung durch den Austausch von schrift-
Constable, Letters (1976), 55–62; Reinhard, Freunde (1979), 63.
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lichen Memoranden, Traktaten und Briefen mit politischen Entscheidungsträgern sowie drittens die indirekte Beratung durch intermediäre Akteure, welche die Vorschläge an politische Entscheidungsträger weitergaben. Am Beginn einer jeden Ratgeberbeziehung stand üblicherweise zunächst der indirekte Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern durch die Vermittlung Dritter. Wie die Mehrzahl der anderen Kreuzzugsberater war auch Sanudo trotz seiner vergleichsweise hohen sozialen Stellung als Angehöriger der älteren venezianischen Aristokratie nicht in der Position, Päpste, Könige und andere einflussreiche Persönlichkeiten direkt zu erreichen, sondern bedurfte zunächst einer Einführung durch Akteure, die in unmittelbarem Kontakt zu den jeweiligen Entscheidungsträgern standen. Diese intermediären Akteure bat Sanudo wiederum auf mündlichem oder schriftlichem Wege darum, seine Rückeroberungspläne oder ihn selbst den für die Kreuzzugsorganisation zentralen politischen Entscheidungsträgern zu empfehlen. Der Venezianer bediente sich dabei ausgiebig der literarischen Tradition oberitalienischer Empfehlungs- bzw. Patronagebriefe, die McLean für das Florenz des 15. Jahrhunderts eingehend erforscht hat. Unter diesen „Patronagebriefen“ versteht er (...) letters written to influential people whereby one sought to be given help or granted a favor of some kind – a tax break, a chance at office holding, help with a legal problem, matchmaking (...) or one sought help and favor (aiuto e favore) for one’s friend. Patronage letter writing was (...) an important tool for trying to achieve social mobility, security, and the recognition of others.19
Als Kombination aus hochmittelalterlicher ars dictaminis und (früh-)humanistischer Brieftradition zeichneten sich diese Patronagebriefe durch eine stark formalisierte Rhetorik aus, die auf sich stetig wiederholenden Schlüsselwörtern und Strukturelementen basierte, von denen einige sich auch 100 Jahre zuvor schon in den Briefen Sanudos ausmachen lassen.20 Alle 42 erhaltenen Briefe Sanudos enthalten die Bitte, ihn oder seine Rückeroberungspläne einer anderen Person anzutragen bzw. zu empfehlen (commendare), wobei die Empfehlungen der Person Sanudos in den Quellen meist mit den Empfehlungen seines Rückeroberungstraktates zusammenfallen.21
McLean, Art (2007), XII. McLean, Art (2007), 44–57. Als ein Strukturelement hat McLean die „generalized reassurance of loyalty or commitment“ identifiziert, mit der die Mehrzahl der von ihm untersuchten Patronagebriefe endete, vgl. ebenda, 52. Marino Sanudo machte extensiv Gebrauch von dieser Technik, so etwa 1327 am Ende seines Schreibens an Ingeranno Stella in Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 349: ego venirem ad eius servitium et honorem, galiter et fideliter eius maiestati servire divina gratia mediante. Ähnlich endet auch der etwa 1330 verfasste Brief an Almerico de Nohalco in Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 790: Et si qua pro ejusdem reverentissima paternitate et vestra dominatione possum agere, quae sint grata praecipiendo mandetis. Siehe dazu etwa den Brief an Guillaume Durand aus dem Jahr 1326 in Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 296: In Curia Romana ante prasesentaveram sibi librum Crucis Fidelium suprascriptum. Cui supplico haec dicatis et me vestrum filium commendare velitis sicut vobis videbitur suae Magnificentiae convernire (...).
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Mit der indirekten Kontaktaufnahme durch die Empfehlung Dritter verfolgte Sanudo stets das Ziel, eine direkt-unmittelbare Anschlusskommunikation mit den Adressaten der Empfehlung herzustellen. Auf diese Weise gelang es dem Venezianer im Jahr 1307 durch die Vermittlung von Kardinal Riccardo Petroni, den Sanudo selbst als signor e patron mio bezeichnete, eine Audienz bei Clemens V. zu erlangen und dem Papst bei dieser Gelegenheit das erste Buch seines Liber secretorum zu überreichen.22 Den Zugang zu den Kreuzzugsplanungen am angevinischen Hof eröffnete Sanudo der ebenfalls aus Venedig stammende Franziskaner Paolino Minorita, welcher ihn 1323 mit Robert I. von Anjou, dessen Sohn Karl (✶1298 †1328) sowie seinem Kanzler Ingeranno Stella bekannt machte. Nachdem auf diese Weise einmal ein indirekter Kontakt hergestellt war, reiste Sanudo etwa ein Jahr später nach Neapel an den königlichen Hof, um Robert persönlich zu beraten und ihm eine Kopie seines Rückeroberungstraktates zu übergeben.23 Aufgrund der engen Vernetzung unter den höfischen Kreuzzugsplanern, die vor allem über die päpstliche Kurie in einem ständigen Austausch miteinander standen, konnten diese Empfehlungen einen regelrechten Kaskadeneffekt erzeugen. Im September 1321 erlaubte beispielsweise ein Kredenzschreiben des Dogen Giovanni Soranzo (†1328) es Marino Sanudo, seinen Liber secretorum in Avignon vor Johannes XXII. und dem Konsistorium zu erläutern.24 Nachdem er die Fragen des Papstes beantwortet hatte und seine Vorschläge von den päpstlichen Gutachtern geprüft worden waren, wurde er selbst Teil des päpstlichen Beraterkollektivs und verweilte für die nächsten 14 Monate an der Kurie.25 Während seiner Zeit in Avignon knüpfte er Kontakt zu den Gesandten der französischen Krone, Pierre de Mortemart (†1334) und Matthieu de Varennes, die gerade mit Johannes XXII. über die französische Kreuzzugsteilnahme verhandelten und ihn an den französischen Hof einluden, um den König in Kreuzzugsfragen zu beraten.26 Nachdem Sanudo dort im Frühjahr 1323 angekommen war und sein Rückeroberungstraktat Karl IV. sowie führenden Entscheidungsträgern übergeben hatte, machte er die Bekanntschaft des Grafen Wilhelm I.
Marino Sanudo, Istoria. Ed. Hopf, 169; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 21. Siehe auch Edson, Crusade (2004), 132–134; Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 30–32; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 59. Zu Riccardo Petroni siehe Nardi, Riccardo Petroni (2014), 79–113. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 312. In den Quellen ist die Rede von Briefen des Dogen, die Sanudo dem Papst übergab, vgl. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 289; 301; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 1. In Anbetracht des Umstands, dass der Venezianer 1320 nicht direkt von Venedig nach Avignon reiste, sondern zunächst eine mehrmonatige Geschäftsreise nach Flandern und in den Hanseraum unternahm, ist eine Botentätigkeit für den Dogen allerdings auszuschließen, weshalb es sich um Kredenzschreiben gehandelt haben muss. Zur Reise siehe ebenda, 3; 72. Als Sanudo 1334 versuchte, Kontakt zu Philipp VI. aufzunehmen, bediente er sich ebenfalls eines Kredenzschreibens, das er dem König vorab übersandte, vgl. Ders., Briefe. Ed. Kunstmann, 799. Marino Sanudo à Avignon. Ed. Faucon, 222 f.; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 787 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 300; RJF, Nr. 1562.
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von Hennegau, mit dem er auch in den Folgejahren noch brieflich in Kontakt stand.27 Diese Beziehung versuchte Sanudo noch ein Jahrzehnt später zu reaktivieren, um eine Ratgeberbeziehung zu Wilhelms Schwiegersohn, dem englischen König Eduard III., aufzubauen, was jedoch offenbar erfolglos blieb.28 Indem er mittels Empfehlungen beständig neue Beziehungen zu Entscheidungsträgern und intermediären Akteuren an den Höfen knüpfte, versuchte sich Sanudo also schrittweise zu seinen eigentlichen Adressaten vorzuarbeiten. In den meisten Fällen verließ sich Sanudo allerdings nicht auf einen einzigen, sondern setzte auf die Empfehlung mehrerer Vermittler, um bestimmte Entscheidungsträger oder Entscheidungsträgerinnen zu erreichen. Im Jahr 1336 bat der Venezianer zum Beispiel Wilhelm I. von Hennegau, dessen Tochter, der Kaiserin Margarethe (✶1307 †1356), den Liber secretorum zu empfehlen, nachdem er bereits kurz zuvor versucht hatte, die Kaiserin über einen ihrer Diener namens Philippe Lombart zu kontaktieren.29 Oft ging Sanudo auf mehrere solcher Vermittler zugleich zu, um sicher zu stellen, die vorgesehenen Adressaten auch tatsächlich zu erreichen. Um dem byzantinischen Kaiser Andronikos II. seine Kreuzzugspläne zu übermitteln, schrieb er im Jahr 1323 zunächst Jerome, dem Franziskanerbischof von Kaffa, und bat ihn, dem Kaiser eine Zusammenfassung seines Rückeroberungstraktes zu überbringen.30 Anschließend kontaktierte er den gerade in Venedig befindlichen Maio Marioni, der als Freund des byzantinischen Reiches galt und ihn auf seiner bevorstehenden Reise nach Konstantinopel dem Kaiser empfehlen sollte.31 Als Sanudo einige Monate später noch keine Antwort von Andronikos erhalten hatte, obwohl andere Briefe des Kaisers in der Zwischenzeit Venedig erreicht hatten, schrieb er wiederum Stefanos Siropoulos, einem Sebastokrator und amicus karissimus des Kaisers, und ersuchte ihn um eine weitere Empfehlung.32 Sanudos Werben scheint letztlich erfolgreich gewesen zu sein, denn noch zwei Jahre später stand der Venezianer mit Andronikos II. in schriftlichem Kontakt.33 Die Akteure, an die Sanudo mit seiner Bitte um Empfehlungen herantrat, waren meist Klienten der politischen Entscheidungsträger, die der Venezianer mit seinen Rückeroberungsvorschlägen erreichen wollte. Im Gegensatz zu diesen Patronageverhältnissen spielten die von der Forschung nach wie vor gern herausgestellten Verwandtschaftsnetzwerke keine Rolle.34 Paolino Minorita, einer der wichtigsten Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 43 f.; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 788; 815 f.; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 299. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 354 f.; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 816. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 42. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 299 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 303: dominus Maio Marioni, amico vestro et fideli ac devoto Imperii (...). Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 303: Litteram de qua mihi scripsitis, quam dominus Imperator mihi mittebant, ego nunquam habere potui et tamen scripsit ipse pluribus aliis de Venetis. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 301. So u. a. Roddy, Correspondence (1971), 84.
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Kontaktleute Sanudos am neapolitanischen Hof, zählte etwa zum Kreis der Consiglieri Roberts I. von Anjou. Den französischen König Philipp VI. kontaktierte er wiederum durch den okzitanischen Adeligen Thibault de Barbazan, der zuvor als Gesandter der Krone die oberitalienischen Kommunen bereist hatte.35 Diese Vorgehensweise setzte allerdings eine eingehende Kenntnis der Patronageverhältnisse an den jeweiligen Höfen voraus, über die Sanudo nicht in allen Fällen verfügte. Mit den Umständen an der Kurie unter Johannes XXII. sowie am neapolitanischen Hof war der Venezianer offenkundig gut vertraut, am Hof Hugos IV. von Zypern und Philipps VI. scheint sein Wissen allerdings an Grenzen gestoßen zu sein. In solchen Fällen verlegte sich Sanudo darauf, die zentralen Adressaten zu nennen und das weitere Vorgehen dem Ermessen seiner Vermittler zu überlassen. So bat er Jean Musaut im Dezember 1334 darum, ihn bei Ludwig von Clermont, Philipp VI. und bei den anderen mit denen ihr bekannt seid zu empfehlen.36 Für seine persönlichen Aufenthalte an der Kurie sowie dem französischen Hof verfasste Sanudo überdies adressatenlose Empfehlungsschreiben, die eine Kurzzusammenfassung seiner Rückeroberungspläne enthielten und wahrscheinlich für solche intermediären Akteure gedacht waren, die er zu Beginn seiner Reise an den jeweiligen Hof noch nicht kannte. Diese generischen Briefe enthielten die gängigen Anreden für geistliche und weltliche Würdenträger, sodass Sanudo nur den Namen des Adressaten einsetzen und die korrekte Titulatur auswählen musste, um ein fertiges Empfehlungsschreiben zu produzieren.37 Mit dieser Formelsammlung konnte der Venezianer also schnell reagieren, wenn sich die Chance ergab, neue Kontakte zu knüpfen. Damit war er auch auf einen Besuch an Höfen vorbereitet, an denen ihm die Patronageverhältnisse zunächst nicht hinreichend bekannt waren. Wenngleich das von Sanudo maßgeblich genutzte Medium des Patronagebriefs eine oberitalienische Literaturtradition darstellt, war die dem zu Grunde liegende Vorgehensweise keineswegs eine Eigenart des Venezianers und kann auch bei anderen Beratern beobachtet werden, die versuchten, Zugang zu den höfischen Kreuzzugsplanungen zu erlangen. Ramon Llull bat 1289 einen nicht näher identifizierbaren französischen Prälaten in einem Brief, ihn Philipp IV. zu empfehlen.38 Galvano di Levanto, selbst ein Klient der genuesischen Adelsfamilie Fieschi, nutzte vermutlich die Verbindungen seines Patrons Luca Fieschi an der Kurie, um Papst Nikolaus IV. mit
Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 348–354; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 799; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 310–313 sowie dazu Cecchini, Paolino Veneto (1998), 150–152; Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 17; Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 4 f. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 35: Encores ie vous pri par vostre cortoisie et debonnaireté che il vous plaise de avoir me recomandé emprès mon segnor Loys, duc de Borbonois, et emprès les autres avuec qui vous avés acointance et especiaument au preclarissime et victorieusissime roi de France (...). Für Sanudos Schreiben an Hugo IV. siehe ebenda, 35 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 290 f.; 297 f. Siehe dazu auch III.1.2. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 53 f., Nr. 24.
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seinem 1292 fertiggestellten Rückeroberungstraktat zu erreichen.39 Für Pierre Dubois war der wichtigste Kontakt am französischen Hof wiederum der Bischof von Béziers, Richard Leneveu, den er vermutlich während seiner Zeit an der Universität Paris im Umfeld der normannischen Nation kennen gelernt hatte.40 Guillelmus Adae schließlich war ein Klient des Kardinals Raymond de Farges, mit dessen Hilfe er sein erstes Rückeroberungstraktat an Johannes XXII. vermitteln konnte.41 Wie bei Sanudo handelte es sich auch in diesen Beziehungen der Kreuzzugsratgeber zu zentralen Vermittlern um Patronage- und keineswegs um Verwandtschaftsverhältnisse. Es waren demnach lokale und möglicherweise ererbte Abhängigkeitsverhältnisse (Galvano di Levanto) oder im Studium sowie der Ordenslaufbahn geknüpfte Beziehungen (Pierre Dubois und Guillelmus Adae) zu mehr oder minder einflussreichen Patronen, die als soziales Kapital der Kreuzzugsberater fungierten und ihnen durch Empfehlungen ermöglichten, in Kontakt mit den tonangebenden Entscheidungsträgern zu treten. War der indirekte Kontakt über einen solchen Mittelsmann einmal hergestellt, versuchte Marino Sanudo umgehend, mit dem jeweiligen Entscheidungsträger in direkten Kontakt zu treten. Dabei favorisierte der Venezianer die unmittelbare mündliche Beratung in Anwesenheit gegenüber dem schriftlichen Austausch mit politischen Entscheidungsträgern. Gegenüber Philipp VI. hielt er diesbezüglich fest: die Schrift ist gewissermaßen eine tote Sprache und das gesprochene Wort ist eine lebendige Sprache, weshalb die Beratung im persönlichen Zwiegespräch dem Schriftkontakt vorzuziehen sei.42 Wie das Beispiel illustriert, bot Sanudo politischen Entscheidungsträgern nach der ersten Kontaktaufnahme üblicherweise an, ihren Hof aufzusuchen, um sie dort persönlich zu beraten und ihnen dabei viele weitere Dinge zu erläutern, die weit über seine niedergeschriebenen Rückeroberungsvorschläge hinaus gingen.43 Einen Würdenträger am Hof des byzantinischen Kaisers ließ er wissen: Ich sage ich euch lediglich (...), dass der Kaiser [Andronikos II., Anm. d. V.] verlangen sollte, mich zu sich zu rufen. Erstens, weil ich ihm viele Neuigkeiten schildern könnte, die aus den Regionen des Westens kommen [und] ferner, weil ich ihm viele alte Dinge erzählen könnte (...), die nützlich zu
Gautier Dalché, Levanto Galvano da (2005), 733–736; Leclerq, Galvano di Levanto (1966), 404; Schimmelpfennig, Galvanus de Levanto (2004), 75 f. sowie I.2.3. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 254. Siehe auch Brandt, Introduction (1956), 5; Zeck, Publizist (1911), 29–33. Documents rélatifs à Guillaume Adam. Ed. Kohler, 32 f., Nr. 9; 46 f., Nr. 20; Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 22. Siehe auch I.2.3. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 798: Et qui plura possunt incurrere quam scribantur, et quia scriptura est quasi lingua mortua, et ore tenus loqui est lingua viva ideo si vestrae dominationi placeret mihi vestro rescribere, vestrum immensum dominum, deo dante, personaliter visitabo. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 812: Multa alia serenissimae excellentiae vestrae [Ludwig von Clermont, Anm. d. V.] explicare habeo, cujus rei causa ad partes vestras accedere desidero.
2.1 Der Zugang zum Hof
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wissen wären. Denn mithilfe dieser [Dinge] könnte seine Magnifizenz Wege und Möglichkeiten finden, [um] die Geschäfte des Reiches zu guter Ausführung und einem [guten] Ende zu bringen.44
Mit dieser Vorgehensweise war Sanudo durchaus erfolgreich, seine Reisen führten ihn in den Jahren 1321/22 an die Kurie, 1323 an den französischen Hof, 1324 und erneut 1331 an den neapolitanischen Hof sowie 1333 nach Konstantinopel.45 Wenn wichtige Entscheidungsträger sich in Oberitalien aufhielten, nutze er auch dort die Gelegenheit zu persönlichen Besuchen. Mit Kardinal Bertrand du Pouget traf er sich beispielsweise kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1324 in Piacenza, als dieser dort in seiner Funktion als päpstlicher Legat residierte.46 Längere Reisen und Aufenthalte an Höfen waren allerdings eine kostspielige Angelegenheit, weshalb viele Ratgeber auf einen solventen Patron angewiesen waren, um die Kosten für sie zu tragen.47 Marino Sanudo rühmte sich dagegen gegenüber politischen Entscheidungsträgern, finanziell unabhängig zu sein und seine Auslagen selbst zu tragen, womit er offenkundig suggerierten wollte, dass seine Vorschläge frei von den Einflüssen fremder Interessen seien.48 Im Jahr 1334 scheint er mit seinen finanziellen Möglichkeiten allerdings an eine Grenze gestoßen zu sein, denn im Laufe des Jahres bat er Philipp VI., Ludwig von Clermont und Wilhelm I. von Hennegau darum, ihm seine Reise zu den Kreuzzugsplanungen am französischen Hof zu finanzieren.49 Auch andere Kreuzzugsberater zogen
Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 303: Et tantum dico vobis (...), quod dominus imperator deberet desiderare adventum meum ad ipsum; tum, quia exprimerem ei multas novitates, quae sunt ex parte occidentis; tum, quia narrarem ei multas antiquitates (...), quae essent commodae ad sciendum, ut sua magnificentia per has inveniret viam et modum deducendi negotia imperii ad bonam executionem et finem. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797 f.; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 299; 301; 310; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 1. Siehe auch Edson, Crusade (2004), 133 f.; Roddy, Correspondence (1971), 37–53; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 62 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 308. So u. a. Ramon Llull, dessen Reise an die Kurie im Jahr 1309 von Jakob II. finanziert wurde vgl. AA 2, 879 f., Nr. 557–558. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 301: Noverit ad haec vestra imperialis [Andronikos II., Anm. d. V.] stabilimentum vestri imperii negotiorumque Terrae Sanctae dominum papam et cardinales quamplurimos, ac dominum regem Franciae, nobiles etiam comites et barones sui regni, dominum regem Robertum et nobiles de suo consilio, cum expensis propriis ac magnis meis corporalibus laboribus visitavi (...). In einem Schreiben an König Leon V. von Armenien stellte Sanudo explizit fest, dass dessen Gesandte an der Kurie seine finanzielle Unabhängigkeit bezeugen konnten, vgl. ebenda, 298. Sanudo verknüpfte seine Reisen als Kreuzzugsberater oft mit seinen kaufmännischen Reisen. Bevor er 1321 den Papst in Avignon aufsuchte, war er beispielsweise zu seinen Geschäftspartnern in Flandern und diversen Hansestädten im Nord- und Ostseeraum gereist, vgl. Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 3; 72. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 798; 812; 816. In der Forschung ist immer wieder behauptet worden, der Venezianer habe sich durch sein beständiges Werben für den Kreuzzug finanziell verausgabt, ja sogar ruiniert, vgl. etwa Roddy, Correspondence (1971), 53; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 71. Diese Annahme ist allerdings reine Spekulation, da über Sanudos kaufmännische Tätigkeit kaum etwas bekannt ist. Es ist ebenso gut denkbar, dass 1333 und 1334 für den Venezianer schlechte Ge-
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die direkt-unmittelbare Kommunikation trotz der damit verbundenen Mehrkosten dem schriftlichen Austausch mit politischen Entscheidungsträgern vor. Philipp VI. bat zum Beispiel den Dogen im November 1331, ihm bonnes persones zu schicken, die ihn hinsichtlich der Zusammenstellung einer Kreuzfahrerflotte persönlich beraten könnten, und der Templermeister Jacques de Molay insistierte 1306 darauf, dem Papst und dem französischen König mögliche Angriffsziele für die Kreuzfahrer aus Gründen der Geheimhaltung nur persönlich mitzuteilen.50 Die Forschung zur Diplomatie und höfischen Verwaltung des 14. Jahrhunderts hat die Ansicht vertreten, dass es vor allem dieses Erfordernis der Geheimhaltung war, welches neben der Gefahr, vom Adressaten eines Schreibens falsch verstanden zu werden, dafür sorgte, dass Herrscher und höfische Eliten die mündliche der schriftlichen Kommunikation vorzogen. Über den englischen Hof hat Bombi herausgestellt, dass „from the 1280s the use of the Latin word credentia in the sense of an oral message is frequent in English diplomatic sources where, alongside the expressions nuncium and nunciacio, it also acquired the meaning of confidential information that the envoys had to dispatch orally.“51 Auch für Sanudo spielten diese beiden Faktoren fraglos eine Rolle, so schrieb er dem byzantinischen Kaiser, er habe ihn nicht eher kontaktieren können, weil er ihn nicht persönlich aufsuchen und auch keinen nuntius sufficiens finden konnte, der die Botschaft an seiner statt hätte überbringen können.52 Sanudo berichtet zudem von zahlreichen mündlichen Nachfragen zu seinem Rückeroberungstraktat, die der Papst ihm im September 1321 stellte, nachdem er seine Pläne persönlich vor dem Konsistorium präsentiert hatte.53 Die Diplomatieforschung hat jedoch übersehen, dass die Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgern und anderen höfischen Akteuren nicht allein eine Form der Informationsübermittlung war, sondern für die Zeitgenossen zugleich auch eine Technik darstellte, mittels derer sie soziale Beziehungen herstellen und aufrecht zu erhalten vermochten. Anwesenheit war dafür von zentraler Bedeutung, denn Schlögl zufolge handelt es sich bei vormodernen Gesellschaften wie denen des Spätmittelalters um „Sozialgebilde, in denen soziale Strukturbildung in Kommunikation unter Anwesenden erfolgt und in
schäftsjahre gewesen waren und er aus diesem Grund auf finanzielle Zuwendungen angewiesen war, um seine Reise nach Frankreich bestreiten zu können. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 148: Sed si placet vobis [Papst Clemens V., Anm. d. V.] et domino regi Francie, dicam secreto tot bonas et utiles causas quod credo vere quod acquiescetis consilio meo, quia dare monstrabo que sunt loca bona vel non bona ad hoc, ita quod vestra discretio sancta bene agnoscet. Siehe auch Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219, Nr. 109. Bombi, Relations (2019), 56. Siehe dazu auch Chaplais, Practice (2003), 162 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 302: Factis aliis litteris quas noverit vestra magnificentia me apud me ipsum per bonum temporis spatium tenuisse, tum propter defectum nuntii sufficientis tum propter ipse adveniendi et loquendi vestrae Excellentiae, de quibus magnis et occultis (...). Bei Sanudos Lamento, er habe nicht früher schreiben können, handelt es sich um ein „stock beginning“ von Patronagebriefen, vgl. McLean, Art (2007), 224. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1.
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denen für die entsprechende Formung von Kommunikation wiederum ausschließlich die Gestaltung von Interaktion zu Verfügung steht.“54 Dementsprechend sind die „primären Medien der Sinnbildung“ für die Akteure in derartigen Sozialgebilden „neben der gesprochenen Sprache der Körper, und die Dinge, der Raum und die Zeit“, nicht etwa das geschriebene Wort, das in erster Linie als Speichermedium dient.55 Berater wie Sanudo mussten folglich in der Gegenwart von politischen Entscheidungsträgern physisch präsent sein, um eine Ratgeberbeziehung herstellen oder aktualisieren zu können. Oder um es in Sanudos eigenen Worten zu fassen: Sie mussten die lingua viva der mündlichen Interaktion sprechen, statt sich auf die lingua mortua des Schriftverkehrs zu verlassen.56 Hatte Sanudo einmal durch seine physische Präsenz am jeweiligen Hof eine Ratgeberbeziehung erfolgreich etabliert, so nutzte er im Anschluss verschiedene Wege der direkt-mittelbaren Kommunikation, um diese Beziehung auch in seiner Abwesenheit langfristig aufrechtzuerhalten. In einigen seltenen Fällen versuchte er allerdings auch, den Erstkontakt auf mittelbarem Weg herzustellen. Als Medien dieser direkt-mittelbaren Kommunikation fungierten dabei einerseits der Liber secretorum, in dem der Venezianer seine Rückeroberungsvorschläge niedergeschrieben hatte, sowie andererseits die Zusammenfassungen, Addenda und Errata des Werkes, die in Briefform gefasst waren und entweder von Sanudo selbst oder einem seiner Boten überbracht wurden. Den Liber secretorum überreichte Sanudo üblicherweise im Anschluss an die (mündliche) direkt-unmittelbare Beratung von politischen Entscheidungsträgern; nur in wenigen Fällen verschickte er ihn auch an Personen, die er zuvor nicht persönlich kontaktiert und beraten hatte. Bei seinen Reisen an die lateineuropäischen Herrscherhöfe führte der Venezianer stets mehrere Kopien des Liber bei sich, damit er sie bei Bedarf an wichtige Entscheidungsträger weitergeben konnte. Im Gegensatz zu seinen Briefen richteten sich diese in Serie produzierten Kopien an keinen speziellen Adressaten und wurden von Sanudo vor der Übergabe vermutlich nur mit einem kurzen Widmungstext versehen, von denen allerdings allein der für Robert (✶1282 †1325), den Grafen von Auvergne und Boulogne, erhalten ist.57 Diese serielle Fertigung war durchaus vorausschauend, denn wie Degenhart/Schmitt anhand eines Stilwechsels bei den Buchmalereien in Sanudos Werk zeigen konnten, muss die Nachfrage nach dem Liber während seines Aufenthaltes an der Kurie in Avignon derart groß gewesen sein, dass ihm die Kopien ausgingen und er bei örtlichen Schreibern weitere Exemplare anfordern musste.58 Insgesamt bewegte sich das Rückeroberungstraktat damit zwischen der mittelbaren und unmittelbaren Kommunikation, zumal Sanudo im
Schlögl, Anwesende (2014), 39. Siehe auch Laslett, Society (1956), 157–184; Selig, Anwesenheitskommunikation (2009), 17–34. Schlögl, Anwesende (2014), 40. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 798. BLO Ms. Tanner 190, fol. 1r. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 88–96.
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Rahmen mündlicher Planungssitzungen am Hof oft zentrale Passagen aus dem Liber secretorum verlesen ließ, etwa 1321 vor dem Konsistorium sowie 1324 vor den Ratgebern Roberts I. von Anjou.59 Dieses Verlesen von Schriftstücken ist laut Schlögl typisch für die mittelalterliche Anwesenheitsgesellschaft, denn: „Erst gesprochen findet ein Text wieder Eingang in die laufende (mündliche) Interaktionskommunikation und kann dort als Mitteilung und Information Gegenstand der gemeinsamen Sinnbildung werden.“60 Das Rückeroberungstraktat war also nicht nur ein Medium für Speicherung von Spezialwissen, sondern fungierte auch als Substitut für Sanudo selbst und sollte es den anderen Kreuzzugsplanern ermöglichen, das Wissen des Venezianers auch in seiner Abwesenheit reaktivieren zu können. Dem französischen König Philipp VI. riet er, die Kreuzfahrer sollten sein Rückeroberungstraktat auch während der Expedition selbst noch stets bei sich führen, denn es ist notwendig, dass euer vorgenannter Anführer [d. Kreuzzuges, Anm. d. V.] dem Wortlaut des Liber secretorum fidelum crucis gänzlich folgt und [ihn immer] vor seinen Augen hat (...), um den Kreuzzug zum Erfolg führen zu können.61 Häufiger als den Liber secretorum im vollständigen Umfang von drei Büchern und bis zu neun Karten versandte Sanudo allerdings gekürzte Versionen, Zusammenfassungen sowie Einzelkapitel seines Werkes. Die generischen Patronagebriefe, welche er vor seinen Aufenthalten an der Kurie und dem französischen Hof verfasst hatte, enthielten neben der Bitte um Empfehlung zugleich auch eine Zusammenfassung der wichtigsten Vorschläge aus dem Liber secretorum.62 Die an einflussreiche Persönlichkeiten adressierten Zusammenfassungen waren hingegen üblicherweise inhaltlich auf den jeweiligen Rezipienten zugeschnitten. Andronikos II. erhielt beispielsweise einen Abriss des Liber secretorum, in dem Sanudo die Bedeutung des byzantinischen Reiches für die Rückeroberung des Heiligen Landes herausstellte und dem Kaiser zugleich versicherte, er vertrete im Gegensatz zu einigen anderen Beratern nicht die Ansicht, dass die Kreuzfahrer zunächst Konstantinopel erobern und das lateinische Kaiserreich wiederherstellen sollten.63 Ähnlich passgenau gefertigte Zusammenfassungen übergab der Venezianer auch an die französischen Könige Karl IV. und Philipp VI., Papst Benedikt XII. sowie Kardinal Bertrand du Pouget.64 Wie bereits herausgestellt, war diese Vorgehensweise ein typisches Merkmal der Expertenmediatoren unter den Kreuzzugsberatern, weshalb auch aus der Feder von Ramon Llull vergleichbare Zu-
Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 358; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1. Schlögl, Anwesende (2014), 160 f. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 794: necessarium est ut praedictus vester capitaneus seriem ipsius Libri secretorum fidelium crucis totaliter consequatur et ante suos oculos habeat (...). Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 290 f.; 297 f. Siehe dazu auch III.1.1.2. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 299 f. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 44; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 791–798; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 310; Ders., Liber secretorum. Ed. Bongars, 5 f.
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sammenfassungen erhalten sind.65 Zu Demonstrationszwecken übermittelte Sanudo auch Einzelkapitel und kurze Auszüge seines Werkes: Herzog Johann III. von Brabant und Limburg (✶1300 †1355) erhielt 1326 den Prolog mitsamt einer Übersicht der einzelnen Kapitel des Liber secretorum und dem Hinweis, dass Sanudo ihm gern eine vollständige Kopie des Werkes übersenden oder ihn persönlich aufsuchen könne.66 In dem Bestreben, seine Rückeroberungspläne inhaltlich ständig der wechselnden Wahrnehmung am Hof anzugleichen, produzierte Sanudo zudem zahlreiche Addenda, Supplementa und Errata für sein Kreuzzugstraktat, die er ausgewählten Entscheidungsträgern zusammen mit seinen Briefen zukommen ließ. Mit diesen Addenda reagierte der Venezianer zumeist auf aktuelle politische Entwicklungen wie den Angriff des ägyptischen Sultans auf das Königreich Armenien (1321), den Italienzug Kaiser Ludwigs IV. (1327–1330) oder die von den türkischen Beyliks in Kleinasien ausgehende Gefahr und erörterte deren Auswirkungen auf seine Kreuzzugspläne.67 Diese schriftlichen Addenda richteten sich an Entscheidungsträger, die Sanudo zuvor bereits direktunmittelbar beraten hatte und die meist auch in Besitz einer Kopie des Liber secretorum waren. Sein 1322 oder 1323 verfasstes Memorandum über einen Partikularkreuzzug zur Unterstützung Armeniens war beispielsweise an Johannes XXII. adressiert, dem Sanudo erst ein Jahr zuvor sein Rückeroberungstraktat übergeben hatte.68 Das Bestreben, die eigenen Rückeroberungspläne beständig zu aktualisieren, war ebenfalls kein Alleinstellungsmerkmal der Ratgebertätigkeit Sanudos. Mit der zwei Jahre nach seinem Rückeroberungstraktat verfassten Oppinio cujusdam versuchte auch Pierre Dubois, seine Rückeroberungspläne angesichts neuer politischer Entwicklungen wie der Templeraffäre sowie der Ermordung Albrechts I. von Habsburg zu aktualisieren.69 Wenig später
Petició de Ramon al Papa Celestí V. Ed. Perarnau, 29–43; Petitio Raymundi in concilio generali. Ed. Longpré, 149–154; Petitio Raymundi pro conversione infidelium. Ed. Longpré, 146–149; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 329–331. Siehe dazu III.1.2. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 303: mitto vobis [Herzog Johann, Anm. d. V.] cum litteris praesentibus prologum, rubricas et capitula dicti libri [d. Liber secretorum, Amn. d. V.] et quaedam alia. Paratus sum vobis tutum librum integrum cum mappis mundi transmittere, si vestra probitas magnifica illum desidere possidere. (...) Vestram dominationem conservet altissimus per tempora longiora, cuius mandatis ac beneplacitis paratus sum prompto animo obedire. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 350–354, 357 f.; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 797 f.; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 294; 308 f. Zum lateineuropäischen Vorgehen gegen die Türken in Kleinasien siehe auch Carr, Merchant Crusaders (2015), 63–74; Laiou, Marino Sanudo (1970), 374–392. Ludwig IV. war für Sanudos Pläne von Relevanz, weil dessen Auseinandersetzung mit Johannes XXII. und Robert I. den Frieden in Italien bedrohte, den der Venezianer als wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Kreuzzugs erachtete. Aus diesem Grund versuchte Sanudo, die Konfliktparteien aus Rücksicht auf den Kreuzzug zum Einlenken zu bewegen, vgl. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 304 f.; 311. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 7. Zur Armenien-Krise zu Beginn der 1320er siehe Housley, Later Crusades (1992), 181 f.; Luttrell, Interventions (1978), 126–128; Mutafian, Royaume arménien (2001), 80 f. sowie II.2.1.2. Pierre Dubois, Oppinio. Ed. Langlois, 131–140.
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formulierte er ein weiteres derartiges Addendum, welches den Kreuzzugsablass zum Gegenstand hatte und vermutlich auf den bevorstehenden Partikularkreuzzug der Johanniter oder die Kreuzzugsplanungen des Viennense reagierte.70 Mit solchen ergänzenden Memoranden gingen die Berater jedoch nicht nur auf Veränderungen in der politischen Landschaft ein, sondern antworteten auch auf Beanstandungen an ihren Vorschlägen. Dazu zählen etwa die beiden Memoranden, mit denen die Ordensführung der Johanniter 1308 der Kritik an ihrem Rückeroberungsprojekt begegnete.71 Die Bedeutung dieser direkt-mittelbaren Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Ratgebern mag zunächst als Widerspruch zu den Merkmalen von Anwesenheitsgesellschaften erscheinen. Die Gründe dafür waren jedoch vor allem pragmatischer Natur, denn schließlich konnten Berater wie Sanudo oder Llull sich nicht an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten und mussten deshalb zwangsläufig auf Briefe zurückgreifen. Die jüngere Forschung zur schriftlichen Kommunikation im Mittelalter hat dafür argumentiert, dass die Zeitgenossen diesen Widerspruch erkannten und durch den Einsatz von Boten abzumildern versuchten. Scior konnte anhand des frühmittelalterlichen Botenwesens zeigen, dass der jeweilige Überbringer eines Briefes „seinen Auftraggeber in dessen Abwesenheit vor Ort vergegenwärtigen, vertreten oder gar mit Stimme, Gestik und Mimik ersetzen sollte.“72 Auch Marino Sanudo versuchte, seine direkt-mittelbare Kommunikation so zu gestalten, als befände er sich tatsächlich in Gegenwart der jeweiligen Person, der er seine Rückeroberungspläne übersandte. Von entscheidender Bedeutung dafür waren die Boten, die seine Zusammenfassungen, Addenda und sonstigen Briefe überbrachten. Mehrfach beklagte der Venezianer gegenüber seinen Korrespondenzpartnern, er habe keinen angemessenen Boten finden können, um seine Briefe zu übermitteln.73 Die Suche nach geeigneten Boten gestaltete sich schwer, weil diese nicht bloß ein Schriftstück überbringen, sondern bei dem jeweiligen Adressaten auch den Eindruck der physischen Anwesenheit Sanudos evozieren sollten. Seine Briefe an den byzantinischen Kaiser Andronikos II. überbrachte zum Beispiel Bischof Jerome von Kaffa, weil dieser einerseits Zugang zum Herrscher hatte und von ihm (an)gehört wurde. Andererseits kannte der Franziskaner offenbar auch Sanudos Pläne und konnte Andronikos deshalb an seiner statt darüber Auskunft geben. Dem Kaiser teilte Sanudo diesbezüglich mit: Ich habe viele andere [Dinge] über diese Sache Bruder Jerome, dem Bischof von Kaffa, erklärt, welche er eurer Majestät mündlich erklären kann.74 Einmal in Konstantinopel
BAV Reg. Lat. 1642, fol. 42v. Devise des chemins. Ed. Paviot, 201–220. Siehe dazu III.1.3.2. Scior, Vergegenwärtigung (2018), 36. So u. a. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 355; Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 44; Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 302. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 299: Plura alia explicavi de ista materia domino fratri Ieronymo episcopo Caphenso, quae oretenus vestrae maiestati poterit explicare. Ähnlich äußerte er sich auch in einem Brief an Ingeranno Stella über Paolino Minorita, der das Schreiben für Sanudo über-
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angekommen, sollte Jerome demnach durch seinen mündlichen Ratschlag die physische Präsenz Sanudos simulieren und auf diese Weise dessen Ratgeberbeziehung zu Andronikos II. aufrechterhalten. Zugespitzt formuliert waren viele der kurzen Briefe des Venezianers also nichts weiter als Kredenzschreiben, die den mündlichen Ratschlag ihrer Überbringer gegenüber den Adressaten des Schreibens autorisieren sollten. Ihr eigentlicher Inhalt stellte dagegen nur sicher, dass der jeweilige Bote in seinem mündlichen Ratschlag nicht zu sehr von den Plänen Sanudos abweichen konnte. Besonders deutlich wird diese Vergegenwärtigungsfunktion der Boten angesichts alternativer Wege der Nachrichtenübermittlung, die Sanudo ganz bewusst nicht einsetzte. Parallel zum höfischen Botenwesen hatte sich nämlich im Oberitalien des 14. Jahrhunderts ein professionelles Kurierwesen etabliert, das von städtischen Kaufmannschaften sowie Handelskompanien wie den Peruzzi betrieben wurde und es ermöglichte, untereinander schnell und zuverlässig Nachrichten von wirtschaftlicher Brisanz auszutauschen.75 Marino Sanudo kannte dieses System nicht nur aus seiner eigenen kaufmännischen Tätigkeit, sondern nutzte es auch aktiv, um 1327 ein Schreiben an Ingeranno Stella zu schicken.76 Obwohl er mit dem Kuriersystem der Peruzzi vertraut war, gebrauchte er es jedoch nur dieses eine Mal, um seine Rückeroberungspläne zu versenden. Die Kuriere der Peruzzi vermochten zwar eine Nachricht zuverlässig von einem Ort zu einem anderen zu befördern, waren jedoch nicht in der Lage, Sanudos Position als Ratgeber einzunehmen, und folglich ungeeignet als Überbringer seiner Briefe. Hierfür spricht auch der Adressat des fraglichen Schreibens, Erzbischof Ingeranno Stella, der ein enger Korrespondenzpartner Sanudos war, mit dem er seit 1324 gleich mehrere Briefe ausgetauscht hatte, sodass eine Vergegenwärtigung des Venezianers durch einen angemessenen Boten in diesem speziellen Fall nicht erforderlich war.77 Die direkt-mittelbare Kommunikation durch Zusammenfassungen, Addenda und Briefe sollte demnach die Gegenwart Sanudos durch den Boten simulieren und auf diese Weise eine Ratgeberbeziehung aufrechterhalten, die der Venezianer zuvor durch den direkt-unmittelbaren Kontakt aufgebaut hatte. Für Sanudo war nicht allein das Medium des Boten eine Möglichkeit, seine Präsenz an einem Hof zu simulieren, sondern auch die hohe Frequenz, mit der er seine Briefe und Memoranden an politische Entscheidungsträger verschickte. Nachdem er Robert I. von Anjou 1324 persönlich getroffen und ihm eine Kopie seines Liber secretorum überreicht hatte, ließ Sanudo ihm ein Jahr später durch Ingeranno Stella ein Memorandum über die türkischen Beyliks in Kleinasien zukommen und schickte ein weiteres Jahr später Paolino Minorita mit Neuigkeiten aus der Ägäis an den neapolitanischen
bringen sollte, vgl. ebenda, 302: Nova quae sunt in partibus istis poteritis scire per dominum episcopum supradictum [Paolino, Anm. d. V.]: ipse melis sciet vobis dicere quam ego scribere. Szabó, Nachrichtenvermittlung (1993), 997 f. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 350. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 349–354; 357 f.; Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 291–294; 310–313. Zu Ingeranno Stella siehe Tagliente, Stella Ingeranno (2019), 190–193.
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Hof.78 Denselben Paolino bat er wiederum 1327, 1328 und erneut 1329 schriftlich darum, ihn gegenüber dem König zu empfehlen und diesen an sein Rückeroberungstraktat zu erinnern.79 1327 wandte er sich an Roberts Sohn Karl, den Herzog von Kalabrien, der 1324 bei den Beratungen mit Sanudo ebenfalls zugegen gewesen war, erinnerte ihn an den Liber secretorum und schlug vor, er könne den neapolitanischen Hof erneut aufsuchen, um den König in Kreuzzugsfragen zu beraten.80 1328 entwarf er wiederum einen Plan, der zeigen sollte, wie Robert I. Frieden mit Kaiser Ludwig IV. schließen konnte, um auf diese Weise den Weg für einen Kreuzzug frei zu machen.81 1331 reiste Sanudo schließlich wieder nach Neapel, um dort persönlich mit Robert I. und dem Johannitermeister Hélion de Villeneuve über den Kreuzzug zu sprechen.82 Die Vielzahl der an Robert gerichteten Briefe waren beileibe kein Einzelfall, Tyerman spricht diesbezüglich von einem „extravagant and repetitive bombardement“ und resümiert: „By 1332, the French court alone must have been littered with bits of Sanudoana.“83 Sanudo selbst beschrieb seine Strategie folgendermaßen: In der Tat ist die Erlösung jenen versprochen, die bis zum Ende zur Wahrheit streben und sogar das Schloss des Feindes wird [durch] beharrliches Klopfen geöffnet. Das ist [der Grund], weshalb ich von meiner Jugend bis jetzt nie aufgehört habe, mit großen Mühen und Ausgaben (...) sorgfältig eine Möglichkeit zu suchen, um den Hochmut und Stolz der Heiden zu erschüttern und außerdem [bei] Prälaten und Fürsten wegen der Eroberung des Heiligen Landes zu klopfen. [Denn] der Herr spricht: ‚Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet!‘ [Mt 7,7, Anm. d. V.] Denn jeder, der sehr beharrlich bittet, erhält, [jeder], der sucht, findet und [jedem, der] anklopft, wird geöffnet.84
Die Stelle aus dem Matthäusevangelium, auf die sich Sanudo hier bezieht, zählte ohne Frage zu seinen favorisierten Aphorismen, denn er benutzte sie in fünf verschiedenen Briefen als Captatio Benevolentiae für sein beharrliches Werben und den konstanten Strom an Schriftstücken, den er dabei erzeugte.85 Ein solch konstantes Sperrfeuer aus Memoranden, Traktaten und anderen schriftlichen Ratschlägen lässt sich auch bei anderen Beratern wie Ramon Llull oder Pierre Dubois beobachten. Llull widmete Jakob II. von Aragon mindestens fünf seiner Werke und
Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 291–294; 302. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 356. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 358 f.; Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 312 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 304 f. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 791. Tyerman, Marino Sanudo (1982), 68. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 291: Quia vero salvatio usque in fine perseverantibus ab ipsa veritate promittitur, atque perseveranter pulsantibus clausum hostium aperitur: hinc est quod a iuventute mea usque nunc cum magis laboribus et expensis non cessavi (...) querere solicite modum ad infirmandum paganorum superbiam et tumorem, ac etiam pulsare praelatos et principes ad Terrae Sanctissimae conquisitionem: dicente Domino: petite et accipietis; quaerite et invenietis; pulsare et aperitur vobis: Omnis enim qui petit bene perseveranter, accipit et qui quaerit, invenit et pulsanti aperitur. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 815; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 289; 291; 295; 301.
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Dubois verfasste zwischen 1300 und 1312 zwölf Abhandlungen, die alle mehr oder minder an den französischen König Philipp IV. gerichtet waren.86 Im Unterschied zu Sanudo widmeten sich die Denkschriften der beiden allerdings nicht nur dem Kreuzzug, sondern tangierten auch andere Gegenstandsbereiche, die für die jeweiligen Herrscher von Interesse waren. In der Forschung ist Dubois’ beharrliche Produktion von Pamphleten und Memoranden darauf zurückgeführt worden, dass der normannische Jurist mit seinen Ideen am französischen Hof kein Gehör fand und diesen Umstand verzweifelt zu ändern versuchte, indem er beständig weitere schriftliche Talentproben anfertigte.87 In den anderen beiden Beispielfällen kann mangelnde Rezeption allerdings nicht der Grund für die kontinuierliche Produktion von Memoranden gewesen sein, denn Llull war zeitweise ein gefragter Ratgeber an Jakobs Hof, ebenso wie Marino Sanudo es am Hof Roberts I. war.88 Die drei genannten Ratgeber zeichneten sich derweil durch eine weitere Gemeinsamkeit aus, nämlich ihre (zeitweilige) Abwesenheit aus der unmittelbaren physischen Nähe der Herrscher, die von ihnen beraten wurden. Wenngleich die Gründe für ihre Abwesenheit individuell variieren mögen, war ihr beharrliches Werben mit teils redundanten Briefen und Memoranden fraglos eine Möglichkeit für die drei Berater, trotz ihres Fehlens den Eindruck einer permanenten Präsenz am Hof zu erzeugen und auf diese Weise zu versuchen, ihre Ratgeberbeziehungen aufrechtzuerhalten. Briefe, Memoranden und mündliche Beratungen waren demnach Teil einer Gesamtstrategie, die in Form eines Netzwerkes beschrieben werden kann, das sich aus den Akteuren zusammensetzt, mit denen die Ratgeber über die Rückeroberung des Heiligen Landes konferierten.
2.1.2 Berater als Netzwerker Die Summe aller Kontakte, die Marino Sanudo im Rahmen seines Wirkens als Kreuzzugsberater durch indirekte, direkt-unmittelbare und direkt-mittelbare Kommunikation initiierte, bildet ein Kommunikationsnetzwerk, anhand dessen sich rekonstruieren lässt, wie der Venezianer versuchte, seine Rückeroberungspläne an den Herrscherhöfen seiner Zeit zu verbreiten. Als „Netzwerk“ verstehe ich dabei „eine abgegrenzte Menge von Knoten oder Elementen und [die] Menge der zwischen ihnen verlaufenden sogenannten Kanten.“89 In Sanudos Adressatennetzwerk repräsentiert jeder der 69 Knoten einen Akteur, den der Venezianer mit seinen Rückeroberungsvorschlägen adressierte, und jede der 141 Kanten eine kreuzzugsbezogene Kommunikationshandlung,
Brandt, Recovery (1956), 211–216; Domínguez Reboiras, Works (2008), 178; 189 f.; 203; 240 f.; Zeck, Publizist (1911), 7 f. Jones, Rex (2003), 51–53; Langlois, De recuperatione (1891), XVII; Rexroth, Pierre Dubois (2008), 310 f.; Ubl, Figur (2015), 231 f. Hillgarth, Ramon Lull (1971), 67–73; Tyerman, Marino Sanudo (1982), 61. Jansen, Einführung (2006), 58.
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sprich einen Brief, eine Empfehlung oder ein persönliches Gespräch. Die Richtung der Kanten zeigt wiederum an, wer der Initiator und wer der Adressat der jeweiligen Kommunikationshandlung war. Da das Netzwerk zu großen Teilen auf Sanudos Briefsammlung basiert, repräsentiert es ausschließlich die Versuche des Venezianers aus den Jahren 1321 bis 1336, mit seinen Rückeroberungsplänen Entscheidungsträger an den Höfen zu erreichen. Das Bemühen anderer Berater, ihre Rückeroberungsvorschläge an den Höfen zu verbreiten, wird folgerichtig von dem Netzwerk nicht erfasst, ebenso wenig wie nicht-kreuzzugsbezogene Ratgebertätigkeit, Verwandtschafts-, Bekanntschafts- oder anderweitige soziale Beziehungen. Ferner sind die durch Kanten repräsentierten Kommunikationshandlungen nicht nach ihrer Intensität oder Reziprozität gewichtet, sodass sich auf Grundlage des Netzwerkes allein nicht erschließen lässt, ob und wie erfolgreich Sanudos Avancen im Einzelfall gewesen sind.90 In der Terminologie der sozialen Netzwerkanalyse handelt es sich bei dem Adressatennetzwerk Sanudos um ein sogenanntes ego-zentriertes Netzwerk, in dem der zentrale Akteur Ego mit allen anderen Akteuren, seinen Alteri, verbunden ist. In der Netzwerkforschung werden solche Ego-Netzwerke üblicherweise entweder aus größeren Netzwerken herausgelöst, um die Nachbarschaft eines speziellen Akteurs zu untersuchen, oder direkt durch die Befragung von Ego erhoben. Bei letzterer Form der Datenerhebung handelt es sich um einen relationalen Ansatz, weshalb die auf diese Weise ermittelten Beziehungen kontextabhängig sind.91 Da die Daten für die Erhebung von Sanudos Adressatennetzwerk vornehmlich aus seiner Briefsammlung stammen, basiert es ebenfalls auf einem relationalen Ansatz der Datenerhebung und gibt dementsprechend keineswegs die faktischen Beziehungsstrukturen innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen wieder, sondern stellt die sozialen Beziehungen an den jeweiligen Höfen so dar, wie sie von Sanudo wahrgenommen wurden. Das auf die obengenannte Weise erhobene Netzwerk lässt sich durch einen gerichteten Graphen visualisieren (siehe Abb. 18) und mittels verschiedener Netzwerkindizes analysieren.92 Mit Hinblick auf das strategische Vorgehen Sanudos ist dabei zunächst relevant, wer die wichtigsten Akteure an den jeweiligen Höfen waren, denen der Venezianer seine Rückeroberungspläne vermitteln wollte. Ein einfaches netzwerkanalytisches Instrument, um diese zentralen Adressaten zu ermitteln, ist die „Gradzentralität“, das heißt die Menge der Kanten, welche einen Netzwerkknoten mit anderen verbinden. Da es sich bei dem Adressatennetzwerk Sanudos um ein gerichte-
Aus den Briefen selbst lässt sich mitunter erschließen, dass einige Annäherungsversuche Sanudos nicht erwidert wurden. Guillaume Durand antwortete dem Venezianer nach 1324 beispielsweise nicht mehr auf dessen Briefe, vgl. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 294. Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 41–43; Jansen, Einführung (2006), 65; 105–110; Wolf, Netzwerke (2010), 471–483. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit wurde auch Marino Sanudo in die Visualisierung des Netzwerkes aufgenommen, obwohl dies eigentlich nicht erforderlich wäre, weil der zentrale Akteur in Ego-Netzwerken per definitionem mit allen Alteri verbunden ist, vgl Wolf, Netzwerke (2010), 471.
2.1 Der Zugang zum Hof
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tes Netzwerk handelt, kann bezüglich der Gradzentralität außerdem zwischen InDegree und OutDegree unterschieden werden. „InDegree“ bezeichnet dabei die Summe der Kanten, welche von anderen Knoten auf einen Knoten gerichtet sind, und „OutDegree“ die Summe der Kanten, die von einem Knoten auf andere Knoten gerichtet sind. Die „InDegree-Gradzentralität“ bildet also eine Möglichkeit, das Prestige eines Akteurs in einem gerichteten Netzwerk anhand seiner eingehenden Verbindungen zu bestimmen, und die „OutDegree-Gradzentralität“ ermöglicht es, die wichtigsten „Sender“ in einem Netzwerk ausfindig zu machen.93 In dem Adressatennetzwerk Sanudos zeichnen sich die zentralen Akteure demnach einerseits durch ein hohes InDegree aus, weil der Venezianer sie durch die Vermittlung vieler intermediärer Akteure zu erreichen versuchte. Andererseits haben sie ein niedriges OutDegree, weil sie als Entscheidungsträger Sanudos Vorschläge nicht weitergeben, sondern umsetzen sollten und somit die Endpunkte der kreuzzugsbezogenen Kommunikation bildeten. Da das Fehlen eines einzelnen Akteurs in einem Netzwerk mit 69 Knoten an diesen Zentralitätsmaßen nur wenig zu ändern vermag, gelten InDegree und OutDegree zudem als vergleichsweise robust gegenüber Quellenlücken.94 Der wichtigste Adressat von Sanudos Rückeroberungsplänen war demnach Johannes XXII. mit einem InDegree von 14 (siehe Tab. 10), gefolgt von den französischen Königen Philipp VI. und Karl IV. mit einem InDegree von 7, den Königen Robert I. von Neapel sowie Leon V. von Armenien mit jeweils 5 eingehenden Verbindungen und schließlich dem englischen König Eduard III. mit einem InDegree von 4. Ein weiterer Hinweis auf die zentrale Position dieser fünf Akteure ist der Umstand, dass alle ein OutDegree von 0 aufweisen (siehe Tab. 11) und somit offenbar von Sanudo allein als Rezipienten und nicht als Vermittler seiner Rückeroberungspläne vorgesehen waren. Diese Befunde korrelieren mit den bereits herausgestellten Beteiligungen der Herrscher an den Kreuzzugsplanungen der 1320er und 1330er: Karl IV. und Philipp VI. hatten ein Kreuzzugsgelübde abgelegt und planten gemeinsam mit dem Papst sowie Eduard III. die Rückeroberung der heiligen Stätten, Robert I. erhob Anspruch auf die Krone von Jerusalem und versuchte zugleich für seine Söhne einen eigenen Herrschaftsbereich in der Ägäis zu erobern, Armenien musste sich zu Beginn der 1320er ägyptischer Angriffe erwehren und ohne die Unterstützung von Päpsten wie Johannes XXII. konnte im 14. Jahrhundert kein Kreuzzug mehr stattfinden, weshalb die Kurie zur Schnittstelle der interhöfischen Kommunikation über die Kreuzzüge wurde.95 Alle zentralen Adressaten in dem Netzwerk waren demnach von eminenter Bedeutung für die Organisation eines Kreuzzuges. Eher ungewöhnlich ist dagegen die mit einem InDegree von 4 und einem OutDegree von 0 vergleichsweise zentrale Position des byzantinischen Kaisers Andronikos II. Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 169–183; Jansen, Einführung (2006), 132 f. Stark, Netzwerkberechnungen (2016), 160. Atiya, Crusade (1970), 114–127; Delaville le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 27–39; Housley, Angevin Naples (1981), 548–556; Ders., Later Crusades (1992), 178–203; Tyerman, Capetians (1986), 170–181. Siehe auch II.2.2.
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2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Abb. 18: Adressatennetzwerk des Marino Sanudo (1321–1336).
Palaiologos, der in den Vorhaben der anderen Ratgeber keine Rolle spielte. Der Grund für seine herausgehobene Stellung ist in den Plänen Sanudos zu suchen, denn im Gegensatz zu den anderen Kreuzzugsplanern setzte der Venezianer sich aktiv für eine Allianz mit Byzanz ein.96 In der Forschung ist immer wieder vermutet worden, Marino Sanudo sei Byzanz gegenüber positiv eingestellt gewesen, weil seine Mutter Griechin gewesen sei – eindeutige Quellenbelege für diese Annahme fehlen allerdings.97 Deutlich wahrscheinlicher ist indes, dass seine Nähe zu Byzanz aus der Beziehung des Kaisers zu den Sanudi von Naxos resultierte, die zwar von wechselnden Allianzen geprägt war, aber es Marino auch erlaubte, seine Verwandten aus der Ägäis als Vermittler zu Andronikos einzusetzen.98
Schmieder, Enemy (1999), 357–371 sowie II.4.2.1. Schmieder, Enemy (1999), 363 u. dazu Magnocavallo, Marin Sanudo (1901), 23, Fußn. 1. So u. a. Edson, Crusade (2004), 150; Laiou, Marino Sanudo (1970), 378–388.
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Drei der Alteri fungieren nicht nur als zentrale Adressaten, sondern zugleich auch als Vermittler von Sanudos Rückeroberungsplänen, das heißt, sie haben ein hohes InDegree und ein OutDegree > 0. Der erste dieser sekundären Adressaten ist Graf Ludwig von Clermont, ein Enkel Ludwigs IX. und ab 1327 Herzog von Bourbon, mit einen InDegree von 5 sowie einem OutDegree von 2. Ludwig war für die Kreuzzugsorganisation neben den Königen auf französischer Seite der wichtigste Entscheidungsträger, da er bereits unter Philipp V. zum capitaneus, rector et gubernator des Partikularkreuzzuges ernannt worden war, der dem allgemeinen Kreuzzug des französischen Königs vorangehen sollte. Philipps Tod tat seinem Einfluss keinen Abbruch, denn als designierter Anführer der Vorabexpedition leite er unter dessen Nachfolger Karl IV. weiterhin die französischen Kreuzzugsplanungen.99 Seine Gradzentralität belegt, dass Sanudo diese organisatorischen Zusammenhänge bekannt waren und er den Grafen als ähnlich wichtigen Entscheidungsträger einschätzte wie Karl IV. selbst. Obgleich die französische Krone unter Philipp VI. in den 1330ern von der Strategie des Partikularkreuzzugs abrückte, blieb Ludwig weiterhin in die Organisation des Kreuzzuges involviert, weshalb Tyerman ihn auch als Herzstück der französischen Kreuzzugsplanungen bezeichnet hat.100 Beim zweiten dieser sekundären Adressaten handelt es sich um Graf Wilhelm I. von Hennegau, der ebenfalls ein InDegree von 5 sowie ein OutDegree von 2 aufweist. Obwohl Wilhelm in seiner Stellung als Graf von Holland und Zeeland in der Lage gewesen sein dürfte, die holländischen und niederdeutschen Seeleute zu rekrutieren, die Sanudo als Besatzung für die Kreuzfahrerflotte vorgesehen hatte, war er für den Venezianer wohl weniger als potentieller Kreuzfahrer, sondern vielmehr aufgrund seiner Verwandtschaft zu anderen hochrangigen Entscheidungsträgern von Bedeutung.101 Wilhelms Gattin Johanna (✶1294 †1352) war die Schwester des französischen Königs Philipp VI., seine älteste Tochter Margarethe die Ehefrau Kaiser Ludwigs IV. und ihre jüngere Schwester war verheiratet mit König Eduard III. von England. In einem Schreiben an Paolino Minorita betonte Sanudo explizit diese magnas consanguinitates et amicitias Wilhelms, welche den Grafen zu einem wertvollen Verbündeten auf dem diplomatischen Parkett machen würden.102 Sanudo selbst versuchte die Heiratsverbindungen Wilhelms zu nutzen, um Frieden zwischen Robert I. und Ludwig IV. zu stiften sowie Eduard III. mit seinen Rückeroberungsplänen zu erreichen.103 Der dritte der sekundären Adressaten ist mit einem InDegree von 4 sowie einem OutDegree von 1 Bertrand du Pouget, der Kardinalpriester von San Marcello und ein
AA 1, 223, Nr. 145; Chronique parisienne anonyme. Ed. Hellot, 29 f.; RTC 2, 390, Nr. 2040. Tyerman, Philip VI (1985), 38. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 72. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 354: Preterea gener suus est rex Anglie, qua re frater eius regit pro eo et pro regina, et habet alias magnas consanguinitates et amicitias, et maxime D. Heloysium, Claremontis comitem et dominum Borbonis qui fuit filius condam filii ser Lodoyci regis Francie. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 304 f.
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Neffe des Papstes war. In Sanudos Adressatennetzwerk weist er eine besondere Nähe zu seinem Onkel auf, seine einzige ausgehende Verbindung ist auf Johannes XXII. gerichtet. Seine zentrale Position unter Sanudos Alteri erklärt sich wahrscheinlich aus dem Umstand, dass der Papst Bertrand im Jahr 1319 als Legaten in Oberitalien eingesetzt hatte, wo er unter anderem den Feldzug gegen die Mailänder Visconti koordinieren sollte.104 Sanudos Austausch mit dem Kardinal fällt jedenfalls in diesen Zeitraum und betraf neben dem Kreuzzug auch oberitalienische Lokalpolitik wie den Konflikt mit den toskanischen Ghibellinen.105 Von geringer Relevanz für Marino Sanudo war dagegen der englische König Eduard II., der im Unterschied zu seinem Nachfolger nur ein InDegree von 1 aufweist. Dieser Umstand ist jedoch keineswegs auf eine Überlieferungslücke zurückzuführen, sondern darauf, dass Eduard II. sich während der 1320er mit einer internen Adelsopposition konfrontiert sah, die es ihm nicht erlaubte, sich in den lateineuropäischen Rückeroberungsprojekten zu engagieren.106 Eine eindeutig quellenbedingte Lücke weist das Netzwerk dagegen hinsichtlich der venezianischen Dogen Giovanni Soranzo und Francesco Dandolo auf. Beide verfügen nur über ein InDegree von 1, obgleich sie wahrscheinlich allein aufgrund der gemeinsamen Kreuzzugsplanung Venedigs und der französischen Krone in den 1330ern für Sanudo eine bedeutendere Rolle gespielt haben, die jedoch in Ermanglung seiner innervenezianischen Korrespondenz nicht rekonstruiert werden kann.107 Trotz ihrer Einbindung in die zeitgenössischen Kreuzzugsplanungen gänzlich abwesend sind die Könige von Aragon und Sizilien sowie Kaiser Ludwig IV., der nur durch seine Frau Margarethe von Hennegau in Sanudos Adressatennetzwerk vertreten ist. Alle drei genannten Herrscher befanden sich in politischen oder militärischen Konflikten mit Johannes XXII. und Robert I., die wiederum zentrale Adressaten von Sanudos Rückeroberungsplänen waren. König Friedrich III. von Sizilien sowie die mit ihm verwandten Könige von Aragon waren Rivalen Roberts I., weil sie seit 1282 die Insel Sizilien beherrschten, auf die Robert mit päpstlicher Unterstützung Anspruch erhob. Nach einem vorläufigen Friedensschluss im Jahre 1302 war dieser Konflikt 1317 erneut gewaltsam eskaliert, weshalb der Papst Friedrich III. 1321 exkommuniziert und sein Königreich unter das Interdikt gestellt hatte.108 Ludwig IV. erhob wiederum aus der Tradition der römisch-deutschen Herrscher heraus Anspruch auf das Königreich Italien und versuchte diesen während seines Italienzuges gegen den Widerstand von Johannes XXII. und Robert I. gewaltsam durchzusetzen. Trotzdem nahm Ludwigs Ge-
Guillemain, Cour pontificale (1962), 211–214; Lützelschwab, Clemens VI. (2007), 442–445. Zum Kreuzzug gegen die Visconti siehe Housley, Italian Crusades (1982), 26–28. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 775–789; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 307–310. Tyerman, England (1988), 240–246. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219–222, Nr. 109–110. Siehe auch Tyerman, Philip VI (1985), 35–38; Housley, Later Crusades (1992), 33–36. Caggese, Roberto d’Angiò, Bd. 2, 163–190.
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mahlin Margarethe von Hennegau mit einen InDegree von 3 eine sekundäre Stellung hinter den zentralen Adressaten in Sanudos Ego-Netzwerk ein, da der Venezianer hoffte, die Kaiserin könne einen Frieden zwischen den Konfliktparteien vermitteln.109 In der Rolle als Mediatorin war die Kaiserin offenbar geübt, schließlich vermittelte sie auch in den Jahren 1336 bzw. 1340 einen Frieden zwischen ihrem Schwager Philipp VI. und ihrem Ehemann.110 Margaretes vergleichsweise hohes InDegree deckt sich daher mit dem Bild der neueren Königinnenforschung, der zufolge sie „in ihrer Eigenschaft als Herrschergemahlin wie auch als Herrscherin stets präsent war und von den Zeitgenossen als politische Kraft wahrgenommen wurde (...).“111 Obwohl der Venezianer sich aktiv dafür einsetzte, Frieden zwischen Ludwig IV., Johannes XXII. und Robert I. zu stiften, war Sanudos Wirken als Berater also insgesamt eher guelfisch orientiert und klammerte die politischen Gegner der Achse Avignon-Neapel weitgehend aus.112 Um die zentralen Akteure in Sanudos Adressatennetzwerk bilden sich wiederum enger vernetzte Gemeinschaften von Akteuren, welche auf die zentralen Adressaten verweisen. Die Netzwerkforschung spricht diesbezüglich meist von (Teil-)Gruppen, Gemeinschaften oder Cliquen und hat diverse Algorithmen entwickelt, um solche kohäsiven Subgruppen in einem Netzwerk herauszupräparieren. Ein einheitliches Konzept von „Clique“ oder „Gruppe“ kennt die Netzwerkforschung nicht, stattdessen variiert der Gruppenbegriff je nach Analyseverfahren und Erkenntnisinteresse der Forschenden. Die Algorithmen zur Cliquenanalyse sind ähnlich wie die Gradzentralität weitgehend robust gegenüber Quellenlücken und können in implizite sowie explizite Verfahren unterteilt werden.113 Alle Verfahren, denen ein expliziter Cliquenbegriff zu Grunde liegt, fokussieren sich auf die Verbundenheit der Cliquenmitglieder sowie die Häufigkeit ihrer direkten Beziehungen untereinander. Die Verfahren, welche auf
Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 354; Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 312. In seinem Brief an Wilhelm I. von Hennegau insinuierte Sanudo allerdings nicht, dass die Kaiserin seine Rückeroberungsvorschläge an ihren Gemahl weiterleiten sollte, und erwähnte Ludwig auch sonst nicht, vgl. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 43 f. Dick, Margarete von Hennegau (2011), 260 f. Dick, Margarete von Hennegau (2011), 264. Hierfür spricht auch, dass Robert I. von Sanudo auch in den Briefen, die nicht an den Monarchen gerichtet waren, stets als rex Ierusalem et Siciliae bezeichnet wurde, obwohl dieser das Königreich Jerusalem überhaupt nicht und das Königreich Sizilien nur teilweise beherrschte vgl. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 785; 813; Ders., Epistolae. Ed. Bongars, 292; 308. Ludwig IV. nannte Sanudo dagegen stets abwertend dux Bavariae oder gar nur bavari und sprach dem Kaiser auf diese Weise implizit dessen Herrschaftsanspruch über das Reich ab, vgl. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 356 f.; Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 304 f.; 312. Burkhardt, Bergenhandel (2009), 54; Gramsch, Muster (2016), 92; Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 249–253; Jansen, Einführung (2006), 195; Scheller, Stadt (2013), 161–163. Der Einfachheit halber werde ich im Folgenden nicht von „Gruppen“, „Gemeinschaften“ etc., sondern ausschließlich von „Cliquen“ sprechen, weil der Ausdruck im Unterschied zu den anderen beiden Termini in der Geschichtsforschung deutlich weniger vorbesetzt ist.
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einem impliziten Cliquenbegriff fußen, betrachten die Beziehungsdichte der Cliquenmitglieder untereinander darüber hinaus auch im Verhältnis zur Beziehungsdichte im gesamten Netzwerk. Im Fokus steht demnach weniger die innere Kohäsion der Cliquen, sondern ihre Außenabgrenzung.114 Explizite Verfahren weisen demgegenüber das Problem auf, alle Knoten zu isolieren, die nur über wenige Kanten mit den Knoten einer Clique verbunden sind, und deshalb viele kleinere Cliquen zu produzieren. Aus diesem Grund haben Girvan/Newman einen Algorithmus zur Cliquenbestimmung vorgeschlagen, der den Fokus stattdessen auf die Knoten in einem Netzwerk legt, die besonders häufig auf dem Pfad zwischen zwei anderen Knoten liegen und sich folgerichtig oft an der Peripherie von Cliquen befinden. Ausgehend von diesem distanzbasierten Zentralitätsmaß, das in der Netzwerkforschung seit Freeman auch als die „Betweenness“ eines Knotens bezeichnet wird,115 sollen Cliquen dann auf die folgende Weise ermittelt werden: If a network contains communities or groups that are only loosely connected by a few intergroup edges, then all shortest paths between different communities must go along one of these few edges. Thus, the edges connecting communities will have high edge betweenness. By removing these edges, we separate groups from one another and so reveal the underlying community structure of the graph.116
Angewandt auf das Adressatennetzwerk Sanudos legt der Algorithmus sieben Cliquen frei, die im Wesentlichen die Herrscherhöfe repräsentieren, an denen der Venezianer als Ratgeber aktiv war. Berücksichtigt wurden dabei ausschließlich Cliquen aus drei oder mehr Akteuren. Übertragen in einen Digraph (siehe Abb. 19) lassen sich anhand der farbig markierten Cliquen die personellen Konturen der jeweiligen Höfe ausmachen: (1) die Kurie unter Johannes XXII. mit 16 Akteuren in Blau, (2) der neapolitanische Hof unter Robert I. von Anjou mit 9 Akteuren in Dunkelrot, (3) der französische Hof unter Philipp VI. mit ebenfalls 9 Akteuren in Grün, (4) der Hof seines Vorgängers Karl IV. mit 7 Akteuren in Ocker, (5) der Hof des byzantinischen Kaisers Andronikos II. mit 6 Akteuren in Hellrot, (6) das magenta eingefärbte Umfeld Graf Wilhelms I. von Hennegau mit 8 Akteurinnen und Akteuren sowie (7) der Hof König Leons V. von Armenien mit 5 Akteuren in Türkis. In Kombination mit der Illustration durch den Digraphen wird somit deutlich, welche Akteure direkte Verbindungen zum Herrscher im Zentrum eines Hofes aufwiesen und welche Akteure sich an der Peripherie der jeweiligen Höfe bewegten.
Jansen, Einführung (2006), 195–236. Freeman, Measures (1977), 35 f. Siehe auch Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 188–191; Jansen, Einführung (2006), 134–136. Girvan/Newman, Community Structure (2002), 7822. Siehe auch ebenda, 7822 f.: „The algorithm we propose for identifying communities is simply stated as follows: 1. Calculate the betweenness for all edges in the network. 2. Remove the edge with the highest betweenness. 3. Recalculate betweennesses for all edges affected by the removal. 4. Repeat from step 2 until no edges remain.“
2.1 Der Zugang zum Hof
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Abb. 19: Cliquen im Adressatennetzwerk des Marino Sanudo (1321–1336).
Bedingt durch die Quellenlage produziert die Cliquenanalyse allerdings zwei Artefakte. Erstens befindet der zypriotische König Hugo IV. sich ebenso wie der venezianische Flottenkommandant Pietro da Canale an der Peripherie der Clique um Philipp VI., ihn als Akteur am französischen Hof zu betrachten, wäre jedoch verfehlt. Die mit einem InDegree von 3 ohnehin eher marginale Position Hugos IV. in Sanudos Adressatennetzwerk lässt sich jedoch aus dessen Rückeroberungsplänen erklären, denn der Venezianer sprach Zypern jede strategische Relevanz als Brückenkopf für künftige Kreuzzüge ab und begann erst Kontakt zum Herrscher der Insel aufzunehmen, als dieser in den 1330ern versuchte, gemeinsam mit Venedig, dem byzantinischen Kaiser sowie dem französischen König eine Seeliga gegen die türkischen Beyliks an der Ägäisküste aufzustellen.117 Darüber hinaus erhoben die Lusignan von Zypern auch
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 38 f.
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Anspruch auf die Krone von Jerusalem und waren somit direkte Rivalen Roberts I. von Anjou, der wiederum ein wichtiger Patron Sanudos war.118 Die Beteiligung Hugos an der Seeliga erklärt dann auch, warum der König neben Pietro da Canale einen Teil der Clique um Philipp VI. bildet, denn Hugo wurde in dieser Sache von einem Diener Ludwigs von Clermont mit Namen Guillaume Badin aufgesucht, der bei dieser Gelegenheit auch den Kontakt zu Sanudo herstellte.119 Ein zweites quellenbedingtes Artefakt bildet die Clique um Graf Wilhelm I. von Hennegau, die nicht allein dessen Hof repräsentiert, sondern auch die Heiratsbeziehungen von Wilhelms Familie abbildet. Wie bereits erwähnt, wollte Sanudo sich Wilhelms Verwandtschaftsbeziehungen zu Nutze machen, um wichtige Entscheidungsträger wie Eduard III. oder Ludwig von Clermont mit seinen Rückeroberungsplänen zu erreichen und einen Frieden zwischen Ludwig IV. und dem Papst zu stiften. Aus diesen Gründen sind König Eduard III. und seine Frau Philippa (✶1311 †1369) ebenso wie die Kaiserin Margarethe von Hennegau Teil der Clique um den Grafen. Abgesehen von diesen beiden Artefakten produziert die Cliquenanalyse, ähnlich wie die Analyse der Gradzentralität, allerdings größtenteils erwartbare Ergebnisse, was wiederum darauf schließen lässt, dass das anhand von Kanzleischrifttum und der Briefsammlung Sanudos erhobene Netzwerk für dessen Tätigkeit als Kreuzzugsberater repräsentativ ist. Cliquen und Gradzentralität veranschaulichen allerdings nicht nur, wer die zentralen Adressaten Sanudos an einem Hof waren, sondern auch, wer die wichtigsten Brückenakteure waren, über die der Venezianer seine Rückeroberungsvorschläge an diese Adressaten zu vermitteln versuchte. Um solche Brückenakteure auszumachen, eignet sich das bereits erwähnte Zentralitätsmaß der Betweenness, das in der Netzwerkforschung folgendermaßen bestimmt wird: Das betweenness-basierte Zentralitätsmaß (...) betrachtet jeweils drei Akteure. Für jedes Pärchen wird die kürzeste Verbindungsstrecke, die geodesic, identifiziert. Gegebenenfalls können dies auch gleich mehrere kurze Verbindungen sein. Nun wird gefragt, ob der betrachtete Akteur ein Mittler auf diesen Verbindungsstrecken für das Paar ist. Je häufiger ein Akteur eine solche Mittlerrolle auf den geodesics für alle Paare spielt, desto zentraler ist er nach dem Betweenness-Maß.120
Die Netzwerkforschung kennt verschiedene Ansätze für die Ermittlung dieses Zentralitätsmaßes, von denen der meistgenutzte die von Freeman entwickelte Variante ist.121 Die von Freeman vorgeschlagene Herangehensweise geht allerdings von der Transitivität der Beziehungen aller Akteure in einem Netzwerk aus, was problematisch ist bei Netzwerken, die stratifikatorisch differenzierte Figurationen wie vormoderne Herrscherhöfe abbilden. Vor diesem Hintergrund bietet sich stattdessen das als „Proximal Betweenness“ bezeichnete Zentralitätsmaß an, welches seinen Fokus auf Knoten legt,
Edbury, Cyprus (1994), 141–179; Housley, Cyprus (1995), 187–193. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 35 f. Jansen, Einführung (2006), 134. Siehe auch Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 189 f. Freeman, Measures (1977), 35–41. So auch in der Mittelalterforschung bei Scheller, Stadt (2013), 150.
2.1 Der Zugang zum Hof
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welche die letzten Vermittler auf einem geodätischen Pfad sind. Damit trägt es den höfischen Hierarchien deutlich besser Rechnung als die eher egalitäre FreemanBetweenness.122 Übertragen auf das Adressatennetzwerk Sanudos zeichnen sich die wichtigsten Vermittler demnach durch eine hohe Betweenness (siehe Tab. 12) aus und lassen sich durch Rückbezug der netzwerkanalytischen Evidenz auf die Quellentexte in zwei Typen unterteilen: einerseits Akteure, die aufgrund ihres inkorporierten Kulturkapitals als Vermittler fungieren und andererseits Akteure, die aufgrund ihres Sozialkapitals eine Vermittlerfunktion einnehmen sollten. Bei den Akteuren, die Sanudo aufgrund ihres inkorporierten Kulturkapitals als Vermittler einsetzte, handelt es sich um Brückenakteure, die als sogenannte „Liaison“ zwischen den höfischen Cliquen fungierten.123 In der Wissensgeschichte werden solche Akteure oftmals als Wissensbroker bzw. „knowledge broker“ bezeichnet.124 Sie waren selbst Träger von Spezialwissen, mitunter auch Experten, die als solche die Expertise des Venezianers nicht nur gegenüber politischen Entscheidungsträgern legitimieren, sondern ihn zugleich auch während seiner Abwesenheit als Ratgeber am Hof vertreten konnten. Ihre Position innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen blieb dabei meist peripher, weshalb sie sich durch eine hohe Betweenness bei einem gleichzeitig geringen InDegree auszeichnen. Anhand von Sanudos Briefen lassen sich vor allem zwei solcher Akteure fassen: Giacobo von Cremona und Guillaume Badin, deren Biographie sich in Ermangelung einer Parallelüberlieferung jedoch ausschließlich aus den spärlichen Angaben Sanudos rekonstruieren lässt.125 Jachinus de Cremona bzw. Giacobo von Cremona fällt mit einer Betweenness von 4 in das obere Drittel der Brückenakteure in Sanudos Adressatennetzwerk. Er besetzt den Konvergenzpunkt zwischen französischem und englischem Hof sowie der päpstlichen Kurie, befindet sich dabei aber stets in der Peripherie der jeweiligen Höfe. Giacobo stammte wahrscheinlich aus Cremona und war Sanudo zufolge ein weitgereister Mann, möglicherweise ein Mendikant oder Fernhandelskaufmann, der mehrere Jahre im Khanat der Goldenen Horde zugebracht hatte.126 Der Venezianer setzte Giacobo ein, um seine Briefe sowie Zusammenfassungen und Ergänzungen seiner Rückeroberungsvorschläge an zentrale Entscheidungsträger wie Johannes XXII. oder Philipp VI. zu überbringen, mit denen er bereits direkt oder indirekt einen Kontakt etabliert und ihnen bei dieser Gelegenheit auch eine Kopie seines Liber secretorum übergeben
Brandes, Variants (2006), 136–145. Gould/Fernandez (1989): Structures, 93. Ash, Power (2004), 8; Burke, History (2000), 25. So weisen die Register für die Regierungszeit von Philipp VI. z. B. keinen Eintrag für einen Guillaume Badin, Guillelmus Bernardi etc. auf. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 34; 38 f.
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hatte.127 In einem Brief an Paolino Minorita erklärte Sanudo, warum er Giacobo diese Mittlerrolle anvertraute, denn dieser sei bewundernswert [gut] unterrichtet über die Taten der nördlichen Völker (...), weshalb es ratsam sei, seinen Worten Glauben zu schenken.128 In einem weiteren Schreiben erläuterte Sanudo, dass Giacobo sich für mehr als 30 Jahre in der Romania, der Schwarzmeerregion sowie an vielen weiteren Orten aufgehalten habe und dementsprechend aus eigener Beobachtung über vieles berichten könne.129 Er porträtierte Giacobo demnach als Experten für Vorderasien, an den die Leser seiner Rückeroberungspläne sich wenden konnten, wenn sie nach der Lektüre Fragen haben sollten. Giacobo vermochte den Venezianer somit einerseits auf inhaltlicher Ebene angemessen zu vertreten und bürgte zugleich auch als Augenzeuge für das geographische Wissen, welches Sanudo in seinen Rückeroberungsvorschlägen vorbrachte. Guillaume Badin, von Sanudo als Gullielmus Bernadi de Furno dictus Badin bezeichnet, zählt mit einer Betweenness von ebenfalls 4 zu den wichtigeren Brückenakteuren im Adressatennetzwerk des Venezianers. Wie Giacobo befindet er sich in der Peripherie der größeren Höfe und wurde von Sanudo als Liaison zu Ludwig von Clermont, Wilhelm I. von Hennegau sowie Hugo IV. von Lusignan eingesetzt. Guillaume stammte aus der aquitanischen Hafenstadt Bayonne und scheint zeitweise zum Haushalt von Eduard II. gehört zu haben, bevor er nach dessen Sturz bei Eduard III. in Ungnade fiel.130 Wie Giacobo scheint auch Guillaume aufgrund seines geographischen Wissens von Sanudo als Mittler ausgewählt worden zu sein. Gegenüber dem Grafen von Hennegau stellte der Venezianer jedenfalls heraus, Guillaume Badin sei in den vergangenen zwei Jahren durch viele Länder jenseits des Meeres gereist, er ist nämlich von Glarentza, Modon bis Konstantinopel und Pera gegangen [und von dort] nach Trapezunt, Tabriz in Persien [und dann] nach Laiazzo in Kilikien zurückgekehrt (...). Am Ende seiner Reise habe Guillaume, so Sanudo weiter, sogar den Sultan in Ägypten besucht.131 Als Orientexperte sollte Guillaume ebenfalls mit seinem Beobachtungswis-
Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 34: Joachin de Cremone de Lombardie, li quiex porta letres à mon segnor le pape et à mon segnor le roy de France, et à celui d’Engleterre par les besoignes d’outremer (...). Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 39: Jachinum de Cremona (...), qui mirabiliter est instructus de factis septentrionalium gentium, si quis vellet dare operam verbis suis; (...). Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 812: Qui Jachinus plus XXX. annis moram fecit in partibus maris majoris sive pontici, in Romania, et in aliis multis locis: et ideo tamquam fidelis et sapiens magnificentiam vestram in multis poterit informare. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 816. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 815 f.: Guilelmus Bernandi de Furvo dictus Badin (...) iverit ad partes ultramarines, et multa viderit, scilicet Clarentiam, Mothonum usque Constantinopolim et Peram peregrans, Trapessundam, Thaurisium in Persidem, Valdachum in Chaldaeam, revertens Latacium in Cilicia seu Armenia minore (...) in Alexandriam habens gratiam a soldano Bobylonico et expensas et equum, et ivit Alkeirum et Babyloniam, deinde regnum Ierosolymitanum, et Damascum.
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sen für die Rückeroberungsvorschläge des Venezianers einstehen und mögliche Rückfragen persönlich beantworten. In einem Brief an Ludwig von Clermont schrieb Sanudo: Außerdem empfehle ich eurer vortrefflichen Hoheit den angesehenen Herrn Guglielmo Bernardi de Fumo, genannt Badin, unseren besonders treuen Diener [und] Überbringer dieses Briefes (...), der (...) viele denkwürdige Orte gesehen hat und deswegen eurer Hoheit von sehr Vielem berichten kann.132
Diese Mittlertätigkeit sollte sich auch für Guillaume selbst als vorteilhaft erweisen, denn einige Zeit später nahm Ludwig von Clermont ihn in seine Dienste und er wurde fortan Teil des herzoglichen Haushaltes.133 Der Vorteil von Brückenakteuren wie Guillaume Badin oder Giacobo von Cremona war ihre Polyvalenz, denn ihr inkorporiertes Kulturkapital war nicht an ausgeprägte Verbindungen zu den Akteuren an einem Hof oder an die Nähe zu bestimmten Adressaten gebunden, sodass sie Sanudo an beliebigen Höfen repräsentieren konnten. Diese Figuration machte sie allerdings abhängig von Sanudo, der für sie und ihr Wissen gegenüber politischen Entscheidungsträgern bürgte. Gegenüber seinen Korrespondenzpartnern betonte er dementsprechend stets explizit die fidelitas von Giacobo und Guillaume und versuchte auf diese Weise ihr inkorporiertes Kulturkapital in Form der Expertenrolle zu institutionalisieren.134 Aus eben jenem Grund konnte dieser Typ von Brückenakteur jedoch nicht eingesetzt werden, um neue Ratgeberbeziehungen zu etablieren, sondern nur, um in Kontakt mit Entscheidungsträgern zu bleiben, mit denen Sanudo bereits zuvor eine Ratgeberbeziehung etabliert hatte. Die Mittlertätigkeit von Brückenakteuren wie Giacobo oder Guillaume folgte also den Regeln der mittelalterlichen Anwesenheitsgesellschaft, denn durch ihre Funktion als Wissensvermittler vermochten sie trotz Abwesenheit des Venezianers seine Präsenz als Expertenratgeber an den Höfen zu simulieren, die sie in seinem Namen besuchten. Ob sie in dieser Funktion langfristig zu einer Konkurrenz für Sanudo heranwachsen konnten, lässt sich indes nicht rekonstruieren.
Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 812: Insuper excellentiae vestrae magnificae recommendo circumspectum virum Guilielmum Bernadi de Fumo dictum Badin, fidelissimum servitorem nostrum, huius litterae latorem, (...) qui (...) vidit quam plurima et solemnissima loca, quare magnificentiam vestram in multis poterit informare. In seinem Schreiben an Ludwig von Clermont hatte Sanudo Guillaume Badin noch als fidelissimum servitorem nostrum bezeichnet, einige Monate später nannte er ihn in einem Schreiben an einen unbekannten französischen Adeligen dann einen serviciaux de mon segnor Loys, vgl. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 34; Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 812. In dem oben genannten Brief an Wilhelm I. von Hennegau stellte Sanudo den Aquitanier vor als Guilelmus (...) Badin, nunc familiaris magnifici domini Lodovici ducis Borboni, was wiederum vermuten lässt, dass Guillaume Badin erst nach seiner Orientreise in die Dienste Ludwigs getreten war, vgl. ebenda, 815. Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 812; 816. Zum institutionalisierten Kulturkapital siehe Bourdieu, Kapital (1997), 61–63.
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2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Insgesamt war dieser Typ von Brückenakteur allerdings vergleichsweise selten, denn die Mehrzahl der Vermittler, die Marino Sanudo einsetzte, um die Herrschenden mit seinen Rückeroberungsplänen zu erreichen, nahmen diese Funktion aufgrund ihrer Beziehungen zu wichtigen politischen Entscheidungsträgern wahr. Diese sozialen Beziehungen konnten eine Vielzahl verschiedener Formen annehmen und auf persönlicher Sympathie oder interpersonalem Vertrauen ebenso wie auf hierarchischer Unterordnung, Verwandtschaftsbanden oder Zweckrationalität basieren, weshalb dieser Typ von Brückenakteur in der Klientelismusforschung gern als „social broker“ bezeichnet wird.135 Sanudo selbst beschrieb seine Auswahl an Brückenakteuren folgendermaßen: Deswegen habe ich sehr viele Briefe zur römischen Kurie gesandt, zu jenen [Personen], von denen ich glaube, sie würden besonders nahe bei unserem Herrn dem obersten Pontifex und seinen Vertrauten sein und in ähnlicher Weise [auch] zum Hof des höchst vorzüglichen Königs von Frankreich (...).136
Diese durch proximitas oder fidelitas charakterisierten Beziehungen lassen sich vereinfachend unter dem Oberbegriff des sozialen Kapitals fassen und drücken sich netzwerkanalytisch betrachtet durch die hohe Zahl an kurzen, exklusiven Verbindungen eines Akteurs zu den zentralen Akteuren in einem Netzwerk aus.137 Inzwischen hat die Netzwerkforschung diverse, teils grundlegend verschiedene Zentralitätsmaße entwickelt, um solche einflussreichen Akteure in einem Netzwerk zu ermitteln.138 Dazu zählt etwa die sogenannte Alpha- oder Bonacich-Zentralität, die den Einfluss (bzw. je nach Typ des zu Grunde liegenden Netzwerkes auch das Prestige oder die Macht) eines Knotens danach bemisst, welche Zentralität die Knoten in seiner Nachbarschaft aufweisen und wie exklusiv seine Verbindung zu diesen Knoten ist.139 Im Unterschied zu den Zentralitätsmaßen InDegree und OutDegree handelt es sich demnach nicht um eine quantitative, sondern um eine qualitativ-interpretierende Herangehensweise. Obwohl sie von Bonacich anhand moderner Kommunikationsnetzwerke modelliert wurde, ist die Alpha-Zentralität jedoch keineswegs ein problematischer Anachronismus. Wie Scheller anhand der Zeugennetzwerke jüdischer Konvertiten gezeigt hat, ist sie auch für Netzwerke in vormodernen Gesellschaften oft deutlich aussagekräftiger als die rein quantitativen Zentralitätsmaße140 und kann deshalb auch in Sanudos Adressatennetz Boissevain, Patrons (1969), 380. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 308: Et propterea ad curiam Romanam quamplures litteras destinavi, ad illos quos credo magis fore prope dominum nostrum summum pontificem et fideles eiusdem: et sic simili modo ad curiam excellentissimi domini regis Franciae (...). Henning, Kapital (2010), 181–184. Zu den Begriffen fides und fidelitas siehe Schulte, Vertrauen (2015), 380–394. Für einen Überblick siehe u. a. Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 167–219; Jansen, Einführung (2006), 163–192. Bonacich, Power (1987), 1170–1182; Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 209. Scheller, Stadt (2013), 177 f.; 185.
2.1 Der Zugang zum Hof
535
werk als Indikator für das soziale Kapital der Alteri dienen (siehe Tab. 13). Übertragen auf die Ratgebertätigkeit des Venezianers zeichnen sich Akteure, die aufgrund ihres Sozialkapitals als Brückenakteure fungieren, demnach durch eine hohe Betweenness sowie Alpha-Zentralität aus und befinden sich im Zentrum einer der höfischen Cliquen oder verbinden die Zentren solcher Cliquen miteinander. Zum oberen Drittel der Brückenakteure in Sanudos Adressatennetzwerk zählt Pierre de Via (auch: Pierre de la Vie) (†1336) mit einer Betweenness von 5,5 sowie einer Alpha-Zentralität von 2. Aus den Briefen lässt sich entnehmen, dass der Venezianer Pierre als propinquus von Johannes XXII. betrachtete und ihn deswegen als Mittler zum Papst einsetzte.141 Sanudo hatte Pierre offenbar während seines Aufenthaltes an der Kurie in den Jahren 1321/22 für sich gewinnen können und stand während der 1320er beständig in schriftlichem Kontakt mit ihm. Diese Verbindung nutzte er, um einige seiner an Johannes XXII. gerichteten Memoranden von Pierre weiterleiten zu lassen und im Gegenzug zu erfahren, wie der Papst seine Vorschläge aufgenommen hatte.142 Pierre war der älteste Sohn von Marie Duèze, der Schwester Johannes’ XXII., und ab 1333 Bischof von Albi. Seine Brüder Jacques (†1317) und Arnaud de Via (†1335) hatte der Papst bereits 1316 bzw. 1317 zu Kardinälen erhoben.143 Im Gegensatz zu seinen Geschwistern erreichte Pierre allerdings nie Kardinalswürden, sondern gehörte in Avignon zum unmittelbaren Haushalt Johannes’ XXII. und war dort mit fiskalischen Aufgaben betraut, zu denen unter anderem die Einkäufe für die Küche sowie die Bezahlung der päpstlichen familiares zählten. In dieser Funktion kam er auch mit Marino Sanudo in Kontakt, als er dem Venezianer im Juli 1322 für dessen Ratgebertätigkeit im Namen des Papstes eine Brokatrobe schenkte.144 Pierre gehörte somit zu dem Kreis der Akteure an der Kurie, die nahezu durchgehend persönlichen Zugang zu Johannes XXII. hatten, und war wahrscheinlich aus diesem Grund von immenser Bedeutung für Marino Sanudo. Aufgrund seiner räumlichen Nähe zum Papst vermochte Pierre einerseits zu regulieren, welche Ratgeber mit Johannes XXII. interagieren durften und konnte andererseits durch Empfehlungen die Vorschläge der Berater stützen, die ihm genehm waren. Damit entspricht er in wesentlichen Zügen dem klassischen Bild des Vertrauten, das in der politischen Geschichte immer wieder bemüht wird, um das Phänomen der herrscherlichen Entscheidungsfindung zu erklären.145 Die Netzwerkforschung bezeichnet solche Brückenakteure als „Koordinatoren“, die ihren Einfluss innerhalb einer Clique aus der Mittlerposition zu einem zentralen Akteur aus derselben Clique beziehen.146
Marino Sanudo, Briefe. Ed. Kunstmann, 766. Lettere di Marino Sanudo. Ed. Cerlini, 349; Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 299; 313–315. Weakland, John XXII (1972), 176 f. Marino Sanudo à Avignon. Ed. Faucon, 222 f. Althoff, Colloquium (1990), 156; Postel, Herrschaft (2004), 13; Uebach, Ratgeber (2008), 243–260. Gould/Fernandez (1989): Structures, 92 f.
536
2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Koordinatoren bzw. Vertraute wie Pierre lassen sich auch für andere höfische Cliquen in Sanudos Adressatennetzwerk ausmachen. Für den Hof des byzantinischen Kaisers Andronikos II. erfüllt Stefanos Siropoulos mit einer Betweenness von 2 und Alpha-Zentralität von 1 diese Funktion. Sanudo betrachtete den Sebastokrator als amicus karissimus des Kaisers, weshalb er ihn ähnlich wie Pierre de Via darum bat, seine Rückeroberungspläne an Andronikos weiterzugeben und ihn anschließend darüber zu informieren, wie dieser sie aufgenommen hatte.147 Auch um intermediäre Entscheidungsträger wie etwa Ludwig von Clermont konnten sich solche Vermittler mit Koordinationsfunktion etablieren. In den 1330ern nahm diese Funktion Jean Musaut ein, der in Sanudos Adressatennetzwerk eine Betweenness von 5 sowie eine AlphaZentralität von 2 aufweist und offenbar dem Haushalt des Herzogs angehörte.148 Da diese Koordinatoren bzw. Vertrauten ihren Einfluss allein aus ihrer Verbindung zu einem zentralen Akteur bezogen, der meist auch als ihr Patron fungierte, war ihre Position von ihrer Beziehung zu diesem Akteur abhängig und konnte im Fall von dessen Tod oder einer Verschlechterung der Beziehung verloren gehen. Insgesamt stellen diese sozialkapital-basierten Mittler die Mehrzahl der Brückenakteure in Sanudos Adressatennetzwerk und obgleich viele von ihnen nur eine einzige ausgehende Verbindung aufweisen, vermochten sie in der Gesamtheit betrachtet doch zu beeinflussen, wie die Rückeroberungsvorschläge des Venezianers von den zentralen Entscheidungsträgern aufgenommen und bewertet wurden. Doch nicht allein Sanudo bediente sich solcher Mittler. Sie wurden auch von anderen Beratern bemüht, um politische Entscheidungsträger mit ihren Rückeroberungsvorschlägen zu erreichen. Ramon Llull versuchte zum Beispiel Arnald von Villanova, einen der Leibärzte von Clemens V., als Mittler zum Papst zu gewinnen.149 Die Leibärzte Clemens’ V. waren ihm besonders nah, weil der Papst an einer schweren Darmkrankheit litt, aufgrund derer er sich immer wieder wochenlang in ärztliche Behandlung begeben musste und währenddessen weitgehend isoliert von der Kurie war.150 Auch die päpstliche Entscheidung, den Partikularkreuzzug der Johanniter zur Eroberung von Rhodos zu unterstützen, ist möglicherweise auf einen solchen Mittler zurückzuführen. Der Johannitermeister Foulques de Villaret konnte sich vermutlich nicht nur auf seine Expertise, sondern auch auf seinen Ordensbruder RaymondBernard de Funel verlassen, der zu diesem Zeitpunkt als cubicularius von Clemens V.
Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 303. Lettres de Marino Sanudo. Ed. Dorez, 35. Diplomatari Lullia. Ed. Hillgarth, 77, Nr. 39. Zu Arnald von Villanova und Clemens V. siehe Manselli, Arnaldo da Villanova (1959), 146–161. Von den Krankheitsphasen und der damit einhergehenden Isolation des Papstes berichten u. a. die Gesandten Jakobs II. an der Kurie, vgl. Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 21 f., Nr. 16. Die Forschung hat hinter den wiederkehrenden Koliken von Clemens V. eine Darmkrebserkrankung vermutet, vgl. Menache, Clement V (1998), 32 f.; Paravicini Bagliani, Clemente V (1982), 3–16. Zum politischen Einfluss von Leibärzten siehe Rawcliffe, Manner (2001), 71–91.
2.1 Der Zugang zum Hof
537
diente.151 Diese Form von Brückenakteuren reichten bis hin zum vermeintlich niederen Personal wie den Türhütern der Päpste und Kardinäle, die von auswärtigen Gesandtschaften wie denen des Königs von Aragon regelmäßig bezahlt wurden, damit die Gesandten mit ihren Anliegen zeitnah vorgelassen wurden.152 Sie alle einte, dass ihr Sozialkapital einerseits auf ihrer permanenten physischen Anwesenheit in der Nähe des Herrschers basierte und andererseits von der Fähigkeit abhing, die Anwesenheit anderer Berater regulieren zu können. Diese Koordinatoren bzw. Vertrauten sind jedoch keineswegs die Brückenakteure mit der höchsten Betweenness in Sanudos Adressatennetzwerk und haben überdies meist nur eine mittlere Alpha-Zentralität. Stattdessen liegen die hohen Werte bei Vermittlern wie Guillaume Durand und Paolino Minorita, die nicht nur mit einem zentralen Akteur, sondern mit vielen intermediären Akteuren in einer höfischen Clique verbunden sind und andererseits Verbindungen zu anderen höfischen Cliquen aufweisen, weshalb sie als Selektionsinstanz den Eintritt in eine Clique kontrollieren können. Es handelte sich bei beiden um Akteure, denen es aus ganz unterschiedlichen Gründen gelungen war, die Kommunikationsbeziehungen an einem Hof weitgehend zu monopolisieren, sodass jede Form der kreuzzugsbezogenen Kommunikation über sie lief. Dank ihrer Position innerhalb der Cliquen konnten sie nicht nur zentrale Akteure beeinflussen, sondern auch darüber bestimmen, welche Rückeroberungsvorschläge und Wissenselemente überhaupt erst Eingang in die Kreuzzugsplanungen am jeweiligen Hof fanden. In der Wissensgeschichte werden solche Mittler zumeist als „Gatekeeper“ bezeichnet, weil sie ex ante darüber entscheiden, was in einem bestimmten Diskurs oder Feld legitimerweise als „Wissen“ zu gelten hat.153 Ein typisches Beispiel für eine solche Selektionsinstanz in Sanudos Adressatennetzwerk bildet Bischof Guillaume Durand von Mende, der die Kreuzzugsplanungen am Hof Philipps V. und Karls IV. faktisch kontrollierte. Durand weist mit 5 die höchste Alpha-Zentralität im Netzwerk auf und fällt mit einer Betweenness von 5 in das obere Drittel der Brückenakteure unter Sanudos Alteri. Innerhalb der höfischen Clique um Karl IV. ist er nicht nur mit nahezu allen anderen Akteuren verbunden, sondern fungiert auch als Cutpoint-Akteur, ohne den die Clique in kleinere Subgruppen zerfallen würde.154 Diese Vernetzung am Hof resultiert aus der doppelten Funktion des Bischofs, denn einerseits zählte er als Prokurator der vom Papst gewährten Kreuzzugssteuer selbst zu den wichtigsten Entscheidungsträgern in den französischen Kreuzzugsplanungen, andererseits wurde er von Philipp V., Karl IV. und Ludwig von Clermont auch als
CGOH 4, 195 f., Nr. 4826. Siehe dazu Luttrell, Hospitallers (1998), 613. AA 2, 537, Nr. 354. Siehe dazu Felten, Verhandlungen (2004), 473. Burke, History (2016), 16. Für eine netzwerkanalytische Definition siehe Gould/Fernandez, Structures (1989), 92 f. Faust/Wasserman, Network Analysis (1994), 112–114.
538
2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Experte in Kreuzzugsfragen angerufen.155 Gemeinsam mit dem Grafen von Clermont leitete er das Beraterkollektiv, welches im Dezember 1318 sowie Februar 1319 in Paris zu Kreuzzugsplanungen zusammenkam, und verfasste dabei selbst ein Rückeroberungsmemorandum für den französischen König.156 Neben seinem Wirken in den Kreuzzugsplanungen befasste er sich mit dem Problem der Münzverschlechterung, verfasste als Kanonist diverse Rechtsgutachten für die Krone und repräsentierte den König als Gesandter in Avignon, Kastilien, England sowie Flandern.157 Dass Durand zeitweise innerhalb der französischen Kreuzzugsplanungen die wichtigste Selektionsinstanz für Wissen war, belegt auch die in seinem Auftrag zu Beginn der 1320er kompilierte Sammlung an Rückeroberungsmemoranden, die bereits zur Sprache gekommen ist.158 Der Bischof entschied also vor jeder Bewertung nach Nutzen oder Anwendbarkeit darüber, welche Wissenselemente als kreuzzugsbezogenes Wissen galten und in die französischen Kreuzzugsplanungen eingehen durften. Fasolt hat argumentiert, dass Durand seine exaltierte Position am französischen Hof nach einer Auseinandersetzung mit Johannes XXII. über seine Ernennung zum Patriarchen von Jerusalem schrittweise verloren hat, aber seine Stellung in der Kreuzzugsorganisation noch teilweise aufrechterhalten konnte.159 Marino Sanudo hielt ihn jedenfalls auch im Jahr 1326 noch für die zentrale Selektionsinstanz in den französischen Kreuzzugsplanungen, wobei letztlich unklar ist, ob Sanudo den verbliebenen Einfluss des Bischofs überschätzte oder ob Fasolt ihn unterschätzt hat. Dem Venezianer scheint es jedenfalls schlussendlich nicht gelungen zu sein, diesen wichtigen Gatekeeper als Vermittler für seine Rückeroberungsvorschläge zu gewinnen. Während seines Aufenthaltes am französischen Hof im Jahr 1323 waren Sanudos Ratschläge noch positiv aufgenommen worden, woraufhin der französische Flottenkommandant Amalrich II. von Narbonne ihn sogar eingeladen hatte, den Partikularkreuzzug persönlich zu begleiten.160 Nach seiner Abreise aus Paris kam es jedoch offenbar zum Bruch mit Durand. In den Folgejahren antwortete der Bischof nicht länger auf die Briefe des Venezianers und leitete dessen Einlassungen vermutlich auch nicht an Karl IV. und den Grafen von Clermont weiter. In seinem letzten Brief an Durand beklagte Sanudo sich jedenfalls bitterlich darüber, dass die französische Krone seinen Kalkulationen nicht gefolgt sei und versucht habe, eine viel zu große Kreuzfahrerflotte aufzustellen, nur um letztlich an der absehbaren Unterfinanzierung des Unternehmens zu schei-
Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 294; Journaux du trésor de Charles IV. Ed. Viard, 503 f., Nr. 2897; RJF, Nr. 1683. ANF JJ 58, fol. 37r, Nr. 397; fol.48v, Nr. 441; Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 103–110. Fasolt, Council (1991), 306–314; Viollet, Guillaume Durant (1921), 79–129 sowie II.3.1.1. BNF Ms. Lat. 7470 sowie III.1.1.1. RJF, Nr. 762; RJF, Nr. 850. Siehe dazu auch Fasolt, Council (1991), 312 f. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 300.
2.1 Der Zugang zum Hof
539
tern.161 Als zentrale Selektionsinstanz für kreuzzugsbezogenes Wissen am französischen Hof vermochte Durand Berater wie Marino Sanudo also regelrecht aus den Kreuzzugsplanungen auszuschließen, vor allem dann, wenn sie wie Sanudo nicht persönlich am Hof zugegen waren. Eine weitere Selektionsinstanz und zugleich der vermutlich wichtigste Unterstützer Sanudos war der venezianische Franziskaner Paolino Minorita, der ab 1321 die Position des päpstlichen Pönitentiars bekleidete und 1324 zum Bischof von Pozzuoli gewählt wurde.162 Im Adressatennetzwerk Sanudos weist Paolino dementsprechend mit einer Betweenness von 12 sowie einer Alpha-Zentralität von 5 die höchsten Werte unter allen Alteri auf. Paolino war einerseits ein Vertrauter Johannes’ XXII., der ihn als entschiedenen Gegner der Spiritualen im Franziskanerorden schätzte, und kontrollierte zugleich die Kreuzzugsplanungen am Hof Roberts I., dem er seit seiner Ernennung zum Bischof von Pozzuoli als Consigliere diente. An der Kurie nahm Paolino demnach keine Gatekeeper-Position ein, hatte aber dennoch Einfluss auf die Bewertung von Rückeroberungsvorschlägen, denn er leitete die Sachverständigenkommission, die 1321 im Auftrag Johannes’ XXII. den Liber secretorum prüfte.163 Am Hof Roberts I. besetzte Paolino dagegen keine für den Kreuzzug einschlägige Entscheidungsposition und trat im Unterschied zu Guillaume Durand auch selbst nicht dezidiert als Kreuzzugsexperte auf, war jedoch trotz alledem in der Lage, darüber zu bestimmten, was als kreuzzugsbezogenes Wissen gelten durfte. Statt als Experte für den Kreuzzug fungierte der Bischof von Pozzuoli als Expertenmediator und eine Art kulturelle Selektionsinstanz am angevinischen Hof. Als solcher vermittelte er Künstler an Robert I. und experimentierte in seiner Weltchronik mit verschiedenen Schemata zur vereinfachten Organisation von Wissen, weshalb Cecchini ihn gar als „uno dei principali esponenti politici e culturali della corte angioina“ bezeichnet hat.164 Sanudo nutzte diesen Umstand und tauschte sich mit Paolino nicht nur über den Kreuzzug, sondern auch über Buchmalerei oder Kartographie aus. Wie Degenhart/Schmitt zeigen konnten, entwickelte sich in den 1320er Jahren ein reger künstlerisch-literarischer Austausch zwischen den beiden Gelehrten. Infolgedessen adaptierte Paolino verschiedene Miniaturen und Karten aus dem Liber secretorum für seine Chronologia magna und Marino Sanudo übernahm im Gegenzug die tabellarischen Formen der Geschichtsdarstellung aus der Weltchronik des Franziskaners in sein
Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 294–297. Siehe auch III.1.3.1. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 16–20; Di Cesare, Paulinus Venetus (2015), 1–5. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f. Degenhart/Schmitt haben vermutet, dass sich die beiden aufgrund ihrer gemeinsamen Herkunft bereits vor 1321 kannten, allerdings fehlen die Quellenbelege für diese Annahme, vgl. Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 17. Cecchini, Paolino Veneto (1998), 150. Zur Organisation von Wissen in der Weltchronik von Paolino siehe Michalsky, Stadt (2014), 189–210. Auch in der Politik nahm Paolino eine solche Mittlerrolle ein. Er vermittelte u. a. 1325 im Auftrag des Papstes in dem Konflikt zwischen seiner Heimatstadt Venedig und Ferrara, vgl. Stantchev, Embargo (2014), 142.
540
2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Rückeroberungstraktat.165 Aufgrund dieser Beziehung vermochte Sanudo vom sozialen Kapital Paolinos zu profitieren; der Franziskaner machte ihn 1326 mit Roberts Kanzler Ingeranno Stella bekannt, der sich mit einer Betweenness von 4 sowie einer AlphaZentralität von 4 ebenfalls zu einem der wichtigen Brückenakteure in Sanudos Adressatennetzwerk entwickeln sollte.166 Auch wenn Sanudo fraglos auf die Einbindung von Gatekeepern wie Paolino Minorita oder Guillaume Durand abzielte, lassen sich nicht für alle der höfischen Cliquen in seinem Adressatennetzwerk derartige Selektionsinstanzen ausmachen. In der Clique um Johannes XXII. sind die ausgehenden Verbindungen vorwiegend auf den Papst selbst gerichtet, was wiederum vermuten lässt, dass die Kreuzzugsplanungen an der Kurie offener und deshalb Koordinatoren bzw. Vertraute wie Pierre de Via und Bertrand du Pouget wichtiger als an anderen Höfen waren, um den Herrscher zu erreichen. Dies deckt sich mit den Beobachtungen der Papstforschung, die immer wieder die Neigung Johannes’ XXII. herausgestellt hat, Gutachten und Missive eigenhändig durchzuarbeiten, statt sie seinen Untergebenen zu überlassen.167 Insgesamt erweist sich das gern beschworene Deutungsschema von dem Vertrauten in der Nähe des Herrschers oder der grauen Eminenz am Hof allerdings als wenig zielführend, weil Berater wie Marino Sanudo vornehmlich darauf abzielten, die Akteure zu identifizieren, welche am jeweiligen Hof als Selektionsinstanzen für kreuzzugsbezogenes Wissen fungierten. Der als Koordinator fungierende Vertraute vermochte zwar durch sein soziales Kapital zu beeinflussen, welche Rückeroberungsvorschläge als umsetzbar und welches Wissen als nützlich bewertet wurde, Gatekeeper bestimmten jedoch darüber, welches Wissens überhaupt für den Kreuzzug relevant war und welche Ratgeber eine Chance bekamen, in den Kreuzzugsplanungen gehört zu werden. Was sie tun mussten, wenn sie sich auf diese Weise einmal zum Ohr zentraler Entscheidungsträger vorgearbeitet hatten, wird im folgenden Kapitel erläutert.
Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 60–88. Siehe dazu auch Campopiano, Holy Land (2020), 97–103; Harvey, Maps (2012), 107–127. Besonders deutlich wird dieser Wissenstransfer anhand der von Pietro Vesconte für Marino Sanudo angefertigten Weltkarte, die Paolino ohne größere Veränderungen in seine Weltchronik übernahm, vgl. BAV Vat. lat. 1960, fol. 264v. Marino Sanudo, Epistolae. Ed. Bongars, 302. Siehe dazu insbes. die Beiträge in Schmidt/Rohde, Papst Johannes XXII. (2014).
2.1 Der Zugang zum Hof
Tab. 10: InDegree der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk. Name
541
Tab. 11: OutDegree der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk. InDegree
OutDegree
Paolino Minorita
Philipp VI.
Guillaume Durand
Karl IV.
Ingeranno Stella
Wilhelm I. von Hennegau
Jacinus de Cremona
Robert I. von Anjou
Guillaume Badin
Ludwig von Clermont
Wilhelm I. von Hennegau
Leon V.
Ludwig von Clermont
Eduard III.
Pierre de Via
Bertrand du Pouget
Karl von Anjou
Andronikos II. Palaiologos
Jean Musaut
Pierre de Via
Raimund
Margarete von Hennegau
Johann von Hennegau
Karl von Anjou
Bertrand du Pouget
Johann von Anjou
Stefanos Siropoulos
Hugo IV. von Lusignan
Philippa von Hennegau
Stefanos Siropoulos
Jerome von Kaffa
Sancha von Mallorca
Francesco Dandolo
Philipp von Anjou
Amalrich II. von Narbonne
Philippa von Hennegau
Thibault de Barbazan
Paolino Minorita
Thaddäus
Jerome von Kaffa
Pietro da Canale
Jean Musaut
Pierre le Tessier
Ingeranno Stella
Pierre de Mortemart
Helion de Villeneuve
Philippe Lombart
Gaucher von Châtillon
Niccolo Sanudo
Francesco Dandolo
Nephon I.
Andronikos III.
Matthieu de Varennes
Amalrich II. von Narbonne
Matthäus von Zypern
Marco Gradenigo
Maio Marioni
Konstantin Fuscomalos
Jeremias
Jean de Cherchemont
Jakob
Iacobo de la Cana
Iacobo de Cammerino
Hugo
Guillaume de Bellais
Giovanni Soranzo
Giacomo Stefaneschi
Damian Nadali
Boldo Spinola
Boentio de Ast
Beltramus
Basil von Tarsus
Anglete Sanudo
Almerico de Nohalco
Almerico Chaluz
Albert von Schwarzburg
Johannes XXII.
Berücksichtigt sind allein Alteri mit einem InDegree von 2 oder größer.
Name
Berücksichtigt sind allein Alteri mit einem OutDegree von 1 oder größer.
542
2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Tab. 12: Proximal-Betweenness der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk.
Tab. 13: Alpha-Zentralität (Bonacich) der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk.
Name
Name
Betweenness
Alpha-Zentralität
Guillaume Durand
Wilhelm I. von Hennegau
.
Paolino Minorita
Ludwig von Clermont
Guillaume Badin
Pierre de Via
.
Ingeranno Stella
Guillaume Durand
Jacinus de Cremona
Jean Musaut
Jean Musaut
Guillaume Badin
Johann von Hennegau
Ingeranno Stella
Karl von Anjou
Jacinus de Cremona
Ludwig von Clermont
Karl von Anjou
Pierre de Via
Bertrand du Pouget
.
Raimund
Francesco Dandolo
Wilhelm I. von Hennegau
Jerome von Kaffa
Albert von Schwarzburg
Johann von Hennegau
Almerico Chaluz
Raimund
Almerico de Nohalco
Stefanos Siropoulos
Amalrich II. von Narbonne
Philippa von Hennegau
.
Anglete Sanudo
Albert von Schwarzburg
Basil von Tarsus
Almerico Chaluz
Beltramus
Almerico de Nohalco
Bertrand du Pouget
Amalrich II. von Narbonne
Boentio de Ast
Anglete Sanudo
Boldo Spinola
Basil von Tarsus
Damian Nadali
Beltramus
Francesco Dandolo
Boentio de Ast
Giacomo Stefaneschi
Boldo Spinola
Giovanni Soranzo
Damian Nadali
Guillaume de Bellais
Giacomo Stefaneschi
Hugo
Giovanni Soranzo
Iacobo de Cammerino
Guillaume de Bellais
Iacobo de la Cana
Hugo
Jakob
Iacobo de Cammerino
Jean de Cherchemont
Iacobo de la Cana
Jeremias
Jakob
Jerome von Kaffa
Jean de Cherchemont
Konstantin Fuscomalos
Jeremias
Maio Marioni
Konstantin Fuscomalos
Marco Gradenigo
Maio Marioni
Matthäus von Zypern
Marco Gradenigo
Matthieu de Varennes
Matthieu de Varennes
Nephon I.
Matthäus von Zypern
Niccolo Sanudo
Nephon I.
Philippa von Hennegau
Niccolo Sanudo
Philippe Lombart
Philippe Lombart
Pierre de Mortemart
Pierre de Mortemart
Pierre le Tessier
Pierre le Tessier
Pietro da Canale
Pietro da Canale
Stefanos Siropoulos
Thaddäus
Thaddäus
Thibault de Barbazan
Thibault de Barbazan
Paolino Minorita
Berücksichtigt sind allein Alteri mit einer Betweenness von 1 oder
Berücksichtigt sind allein Alteri mit einer Alpha-Zentralität von 1
größer.
oder größer.
2.2 Die Dramaturgie des Expertenhandelns
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2.2 Die Dramaturgie des Expertenhandelns Wer am Hof als Experte in Kreuzzugsfragen konsultiert werden wollte, musste die richtigen Personen von seiner Expertise überzeugen. Dabei galt es nicht allein, die individuellen Vorlieben des jeweiligen Entscheidungsträgers zu bespielen, sondern auch die ungeschriebenen Regeln des höfischen Expertenhandelns zu beachten. Versteht man den „Experten“ in wissenssoziologischer Tradition als eine soziale Rolle, die Akteuren kommunikativ zugeschrieben wird, indem sie (wiederholt) von Laien hinsichtlich eines bestimmten Problems angerufen werden, so muss der Experte sich nach außen als solcher inszenieren, um den Prozess dieser Rollenzuschreibung anzustoßen und aufrechtzuerhalten.168 Pfadenhauer hat in ihrer Studie zum professionellen Handeln herausgearbeitet, dass Professionelle wie Experten ihre Rolle tatsächlich spielen, indem sie sich auf Grundlage sozial geteilter Erwartungen und Symboliken beständig als solche darstellen. Wie diese Rollendarstellung aussehen kann, erläutert sie am Beispiel des Piloten: Wenn wir uns in ein Flugzeug setzen, dann unterstellen wir, dass im Cockpit (unter anderem) ein Pilot seiner Arbeit nachgeht. Wenn es der Person im Cockpit gelingt, das Flugzeug zu starten, in der Luft zu halten, und am Zielort wohlbehalten wieder zu landen, dann hat sie die Leistung eines Piloten erfolgreich dargestellt. Selbst wenn wir die Person beim Betreten des Cockpits beobachten und ihre Uniform bewundern konnten, (...) wissen wir nicht, ob es sich bei der Person, welche die Schalthebel sachgemäß betätigt, (...) mit den Stewardessen gescherzt hat, usw. tatsächlich um einen Piloten handelt. Wir sind – direkt oder indirekt – mit einer Person konfrontiert, die sich (offenkundig) glaubhaft als Pilot in Szene setzt.169
Wie das Beispiel illustriert, ist die Darstellung von Kompetenz bzw. Expertise eine Form der symbolischen Kommunikation, die sowohl bei den Darstellern als auch bei ihrem Publikum ein gewisses Maß an Orientierungswissen über die kulturell und situativ erforderlichen Symboliken voraussetzt. Jeder höfische Ratgeber musste demnach ein „darstellungskompetenter Kompetenzdarsteller“ sein, wenn er von politischen Entscheidungsträgern, ihren Vertrauten und Gatekeepern als Experte in Kreuzzugsfragen anerkannt und wiederholt angerufen werden wollte.170 Vom modernen Professionellen, den Pfadenhauer in ihrer Untersuchung beschreibt, unterscheidet den mittelalterlichen Expertenratgeber vor allem der Grad der Institutionalisierung seiner Expertise sowie die damit einhergehende Typisierung repräsentativer Symbole wie der vorgenannten Pilotenuniform. Eine solche Institutionalisierung von Expertisen in Form von Organisationen, Gemeinschaften oder Gruppen, deren Mitglieder durch bestimmte Symboliken erkennbar waren, war dem Mittelalter indes keineswegs fremd. Mönche gaben sich beispielsweise durch ihre Tonsur sowie ihre Ordensgewänder zu erkennen, Handwerker drückten ihre Zugehörigkeiten durch Hitzler, Wissen (1994), 19; Rexroth, Systemvertrauen (2012), 20; Schützeichel, Laien (2007), 549. Siehe auch Einleitung.2. Pfadenhauer, Professionalität (2003), 105. Pfadenhauer, Professionalität (2003), 115–117.
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2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Zunftzeichen aus und Gelehrte konnten sich spätestens mit Entstehung der Universitäten durch akademische Grade wie den magister oder doctor als solche ausweisen.171 Für die höfischen Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts gab es allerdings keine solchen legitimationsstiftenden Organisationen (mehr), was vor allem auf die epistemische Krise zurückzuführen ist, die an den lateineuropäischen Herrscherhöfen des ausgehenden 13. Jahrhunderts zu einer fundamentalen Neuauslegung des kreuzzugsbezogenen Wissens geführt hatte.172 Allein den Angehörigen der geistlichen Ritterorden war es auch angesichts heftiger Kritik gelungen, den legitimationsstiftenden Nimbus ihrer Organisationen zumindest partiell über die Krise zu retten, sodass die Brüder auch im 14. Jahrhundert nur durch den Verweis auf ihre Ordenszugehörigkeit eine gewisse Expertise in Kreuzzugsfragen beanspruchen konnten.173 Die Legitimationskrise traditioneller Institutionen des Kreuzzuges machte es wiederum für die Berater erforderlich, auf externe Bestände institutionalisierten Wissens wie etwa die Seefahrt oder die Jurisprudenz zu verweisen. Dies führte dazu, dass Mendikanten eine zunehmende Deutungshoheit über geographisch-ethnographisches Wissen gewannen, weil die Angehörigen ihrer Orden bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Missionsreisen nach Innerasien und Afrika unternommen hatten. Deshalb versäumten selbst die Anonymi unter ihnen es nicht, in ihren Rückeroberungsmemoranden ihre institutionelle Anbindung zu den Dominikanern oder Franziskanern explizit herauszustellen.174 Solche Zugehörigkeiten konnten natürlich auch auf körperlicher Ebene symbolisch repräsentiert werden, etwa durch Kleidung oder das äußere Erscheinungsbild. Andere Kreuzzugsplaner nahmen solche Nuancen aktiv wahr, weshalb Marino Sanudo sich verwundert über einen franziskanischen Expertenratgeber von Johannes XXII. zeigte, der entgegen den üblichen Gepflogenheiten seines Ordens einen Bart trug.175 Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation oder einem Milieu konnte Ratgebern jedoch auch negativ ausgelegt werden. Kaufleuten, die Spezialwissen über den Orient anboten, unterstellte man, dass sie ihr Wissen durch den verbotenen Ägyptenhandel erworben hatten, und Ordensrittern, die Wissen über Muslime vorbrachten, sagte man nach, sich mit dem Feind verbrüdert zu haben.176 Da die legitimationsstiftende Kraft von Institutionen und Organisationen in den Kreuzzugsplanungen des 14. Jahrhunderts vergleichsweise gering ausgeprägt war, wurde die Kompetenzdarstellung durch die einzelnen Ratgeber im Gegenzug besonders wichtig. Im Folgenden werde ich ausgehend von der wissenssoziologischen Pro-
Füssel, Rang (2010), 227–233; Rexroth, Kodifizieren (2007), 395–397; Ders./Schröder-Stapper, Experten (2018), 7–28. Siehe dazu I.1.3. Siehe dazu II.2.1.1. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 367; Ders., Tractatus. Ed. Constable, 22 sowie II.4.4.1. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 1 f. Siehe dazu II.2.1.1 u. II.4.3.2.
2.2 Die Dramaturgie des Expertenhandelns
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fessionsforschung dafür argumentieren, dass die Berater versuchten, das Problem der Rückeroberung des Heiligen Landes dahingehend zu reformulieren, dass ihr jeweiliges Spezialwissen als passgenauer Schlüssel zu dessen Lösung erschein (2.2.1). Anschließend schlage ich in Ergänzung des wissenssoziologischen Modells vor, dass Ratgeber nicht nur erfolgreiche Kompetenzdarsteller, sondern zugleich auch Kontingenzdarsteller sein mussten, um an den Höfen ihrer Zeit als Experten für Kreuzzugsfragen anerkannt zu werden (2.2.2).
2.2.1 Passgenauigkeit verheißen, Ambivalenz praktizieren Am Beginn einer jeden Dramaturgie von Expertenhandeln steht der Auftritt des Experten. Die Kreuzzugsberater des 13. und 14. Jahrhunderts bilden dabei aus wissenssoziologischer Perspektive einen typischen Fall von Experten, das heißt Akteuren, die vorgeben, über maßgeschneidertes Spezialwissen zu verfügen, um ein konkretes Problem von gesamtgesellschaftlicher Relevanz zu lösen.177 Mit der Rückeroberung des Heiligen Landes aus den Händen des ägyptischen Sultans konnten die Experten dabei auf ein Problem vorweisen, das nicht bloß von Bedeutung für einzelne lateineuropäische Gesellschaften war, sondern eines der höchsten Ziele für die gesamte Christenheit darstellte. Die Kompetenzdarstellung eines Experten in Kreuzzugsfragen begann folgerichtig mit einem Postulat der Passgenauigkeit, mit dem der jeweilige Berater gegenüber den Rezipienten seiner Ratschläge deklarierte, der nun folgende Vorschlag sei darauf zugeschnitten, das Rückeroberungsproblem zu lösen. Inwiefern dieses Postulat mündlich oder nonverbal kommuniziert wurde, lässt sich auf Grundlage der Überlieferung nicht mehr feststellen, allerdings beginnen die erhaltenen Traktate, Memoranden und consilia stets mit einer deklarativen Sprechhandlung, in welcher der jeweilige Ratgeber seine Vorschläge als passgenaue Maßnahmen für die Rückeroberung des Heiligen Landes markierte.178 Wie die in Tab. 14 angeführten Beispiele illustrieren, erfolgte diese Inanspruchnahme der Passgenauigkeit üblicherweise bereits im Incipit der Werke und konnte zwei Formen annehmen: erstens der Verweis darauf, im Folgenden werde dargelegt, wie das Heilige Land erworben (acquirere, conquérir) oder zurückerobert (recuperare) werden könne, und zweitens die Behauptung, die folgenden Ausführungen würden aufzeigen, welche Maßnahmen erforderlich seien, um einen Orientkreuzzug (passagium sanctum, negotium Terrae Sanctae) erfolgreich durchzuführen.179
Bubert, Gegensätze (2019), 234–240; Dümling, Träume (2017), 38–41; Hitzler, Wissen (1994), 13–30; Rexroth, Mittelalter (2006), 321–325; Ders., Expertenweisheit (2008), 19 f.; Schütz, Bürger (1972), 87 f. Siehe dazu auch Einleitung.2. Siehe auch Einleitung.4. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 221; Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 358; Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, 104; [Guillelmus Adae],
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Tab. 14: Incipit ausgewählter Rückeroberungsmemoranden. Autor
Incipit
Galvano di Levanto (um )
In nomine Jhesu Christi crucifixi, regis Judeorum. Liber sancti passagii Christicolarum contra Saracenos pro recuperatione Terre Sancte, Galvani de Levanto Januensis umbre medici, ad illustris majestatis ac pie clementie regem dominum Phylippum, Dei gratia regem Franchorum.
Jacques de Molay ()
In nomine Domini. Amen. Hoc est concilium magistri Templi super negotio Terre Sancte.
Foulques de Villaret ()
Нес est informatio et instructio nostri magistri Hospitalis super faciendo generali passagio pro recuperatione Terre Sancte, que erit breviter, divina gratia faciente.
Foulques de Villaret ()
Ci commence .i. autre traitié qui fu pieça acordé entre la mer par le mestre de l’Ospital (...) et enseignie coment la Terre sainte puet estre recouvrée par les crestiens.
Ramon Llull ()
Deus, cum tua gratia et benedictione incipit liber, qui est de acquisitione Terrae Sanctae. Ad acquirendum Terram Sanctam tria maxime requiruntur, videlicet sapientia, potestas et caritas (...).
Guillaume de Nogaret ()
In nomine Domini nostri Jhesu-Christi, super assumptione felicique, Deo prestante, prosequcione negocii Terre Sancte sunt que sequuntur advertenda ac etiam ordinanda per Ecclesiam et per regem Francie, quatenus ad eum pertinet.
Rat der Stadt Marseille ()
Hec sunt informaciones date et olim consulte per consilium generale civitatis vice comitatis Massilie, (...) super facto passagii certi numeri militum volencium transfretare et passagium facere speciale.
Guillaume Durand (um )
Informacio brevis super hiis, que viderentur ex nunc fore providenda quantum ad passagium divina favente gracia faciendum. In Dei nomine amen. Super facto passagii ad laudem Dei et exaltacionem orthodoxe fidei ordinabiliter, generaliter et utiliter faciendi infrascripta viderentur perquam necessaria et utilia fore.
Marino Sanudo ()
In nomine domini nostri Iesu Christi Filii Dei vivi, Amen. Incipiunt Secreta tam pro conservatione Fidelium, quam propter conversionem seu consumptionem Infidelium: quanquam etiam propter acquirendam et tenendam Terram Sanctam et alias multas terras.
Guillelmus Adae ()
In nomine Patris et Filii et Spiritus Sanciti. Amen. Incipit Directorium ad passagium faciendum, editum per quemdam fratrem ordinis Predicatoram, scribentem experta et visa, pocius quam audita, ad serenissimum principem et dominum dominum Philippum, Francie regem illustrem, anno Domini M trecentesimo tricesimo secundo.
Roger von Stangrave (um )
Ici commence le livere qe s’apelle li Charboclois d’armes du conquest precious de la Terre saint de promission.
Directorium. Ed. Kohler, 367; Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 248; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 8; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 199; Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 206; Roger von Stanegrave, Escarboucle d’armes. Ed. Paviot, 294.
2.2 Die Dramaturgie des Expertenhandelns
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Stand dieses Deklarativ nicht unmittelbar im Incipit eines Werkes, so folgte es nach einer kurzen narrativen Überleitung oder Vorrede, welche die Berater oft dazu nutzten, um die gesamtgesellschaftliche Relevanz des Problems herauszustellen, das sie sich zu lösen anschickten. Guillelmus Adae und Ramon Llull beklagten zu Beginn ihrer Werke den bedauernswerten Zustand der Christen im Osten und porträtierten den Kreuzzug anschließend als Möglichkeit, sie aus den Händen der Muslime zu retten.180 Gonzalo de Hinojosa und die Verfasser der Memoria Terre Sancte erinnerten an die selige Zeit vor der Eroberung der heiligen Stätten durch die Muslime und stellten anschließend den Schaden heraus, welcher der gesamten Christenheit durch den Verlust des Landes, in dem Jesus Christus geboren wurde, widerfahren sei.181 Die Mehrzahl der Berater verzichtete allerdings darauf, die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Rückeroberung erneut zu explizieren, da der Kreuzzug spätestens ab dem späten 13. Jahrhundert zwar ein leerer, aber mit hohem moralischem Anspruch verbundener Signifikant war, dessen Bedeutsamkeit für die Christenheit ohnehin allen potentiellen Rezipienten ihrer Rückeroberungsvorschläge evident gewesen sein dürfte.182 Andere Berater verknüpften das Postulat der Passgenauigkeit dagegen mit einer persönlich-biographischen Erzählung, die eine autoritätsstiftende Funktion haben sollte. Fidenzio von Padua schilderte den Lesern seines Rückeroberungstraktates, wie Gregor X. ihn auf dem zweiten Konzil von Lyon mit der Abfassung des Werkes betraut hatte. Guido von Vigevano berichtete davon, wie er als Leibarzt im Dienste Heinrichs VII. und der französischen Königin Johanna von Burgund Tag und Nacht darüber gegrübelt habe, wie das Heilige Land sich leichter zurückerobern lasse.183 Seit der Arbeit von Schein hat die Kreuzzugsforschung die Deklarativa zu Beginn der Werke fälschlicherweise als Merkmale eines literarischen Genres interpretiert.184 Aus wissensgeschichtlicher Perspektive handelte es sich dabei jedoch vielmehr um Kontextmarkierungen, welche den Übergang zwischen verschiedenen Sinnprovinzen der Alltagswelt kennzeichneten.185 Wie das Auf-und Niedergehen des Vorhangs für Theaterbesucher den Übergang in die Welt des Schauspiels kenntlich macht, so markierten Berater qua Verweis auf die Rückeroberung den Eintritt in die höfischen Kreuzzugsplanungen und verteilten zugleich Rollen unter den beteiligten Akteuren. Der Sprecher selbst beanspruchte die Rolle des Experten, der mithilfe seines Spezialwissens das Rückeroberungsproblem zu lösen vermochte und verwies damit die Rezipienten seiner Äußerung zumindest so lange in die Rolle des Laien, bis sie für sich selbst eine kreuzzugsbezogene Expertise reklamierten.
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 22; Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 250. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 111 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 435. Laclau, Empty Signifiers (2007), 36–46 sowie I.2.3. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 9; Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 88. Leopold, Holy Land (2000), 1; Schein, Fideles crucis (1991), 91–93. Berger/Luckmann, Konstruktion (2013), 28. Siehe auch Schütz/Luckmann, Strukturen (2003), 55–57.
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2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Eine weitere Komponente dieses Postulats der Passgenauigkeit bildete die Behauptung der Ratgeber, sie würden sich bei ihren Vorschlägen kurzfassen und allein auf Wissen beschränken, das für die Rückeroberungsproblematik von unmittelbarem Nutzen sei. Foulques de Villaret stellte gleich im Incipit seines Memorandums heraus, die nachstehenden Ausführungen würden breviter erfolgen, Guillaume Durand bezeichnete sein Werk bereits in der rubrizierten Überschrift als Informacio brevis (siehe Tab. 14) und Guido von Vigevano versprach, er werde seine medizinischen Ausführungen für den französischen König stark abkürzen.186 Wie diese drei Beispiele illustrieren, stand das Versprechen der brevitas der eigenen Vorschläge meist am Beginn der Memoranden, musste jedoch offenbar im Laufe des Textes immer wieder aktualisiert werden. Diese Gelegenheit konnten Berater zudem nutzen, um anzudeuten, dass sie jenseits des von ihnen artikulierten Spezialwissens über weitere Formen nützlichen Wissens verfügten, die aufgrund der gebotenen Kürze in dem vorliegenden Werk allerdings nicht ausgeführt werden könnten. Guillelmus Adae merkte am Ende seines ersten Rückeroberungstraktates an, er könne noch deutlich mehr über das Land Äthiopien erzählen, aber dieses Material sei bei der Kürze, die ich in diesem Werklein beabsichtige, nicht erforderlich. Er betonte somit, auch jenseits seiner Kreuzzugsexpertise über Spezialwissen zu verfügen, das in anderen Problemlagen wie etwa der Äthiopienmission von Nutzen sein konnte.187 Die von den Beratern beanspruchte Kürze war allerdings keineswegs ein Spezifikum der Kreuzzugsplanungen, sondern zählte bereits in der antiken Rhetorik zu den Stilqualitäten bzw. Tugenden einer guten Rede.188 Über die Rezeption von Ciceros Abhandlung De oratore sowie die ihm fälschlicherweise ebenfalls zugeschriebene Rhetorica ad Herennium hatte der Kanon dieser virtutes dicendi bereits im Frühmittelalter Einzug in die Literatur gehalten und galt fortan über die Genres hinweg als stilistisches Qualitätsmerkmal.189 Sich kurzzufassen, bedeutete demzufolge, sich auf das für den Gegenstand Wesentliche zu beschränken, und stand in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Länge der Rede oder des Textes. Pierre Dubois, dessen Abhandlung mit einer Länge von insgesamt 36.154 Wörtern zu den umfangreichsten Traktaten zählte, sah zum Beispiel kein Problem darin, den Lesern seines Werkes direkt zu Beginn zu
BNF Ms. Lat. 7470, fol. 117r; Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 88; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 603. Ähnlich auch Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, 360; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 410. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 114: De qua Ethiopia, et de quibusdam insulis possem stupenda narrare nisi quod materia libelli huiusmodi id rennuit et quam intendo in hoc opusculo brevitas non requirit. Ähnlich äußerte sich auch Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, 269: In qua multa alia possent dici ad conversionem infidelium ordinandam. Sed causa brevitatis, quae dieta sunt; sufficiant quo ad praesens. Cic. De orat. 1, 326–329. Die anderen vier Stilqualitäten waren puritas, perspicuitas, aptum und ornatus, vgl. Cic. De orat. 1, 69–73. Curtius, Literature (2013), 487–494; Ward, Rhetoric (1995), 270–305.
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verkünden, er werde im Folgenden nur kurz anführen, was er in Hinblick auf die Rückeroberung und Bewahrung des Heiligen Landes für erforderlich halte.190 Der explizite Verweis auf die Kürze des Gesagten in den Vorschlägen der Ratgeber lässt sich allerdings nicht allein durch die Tradition der antiken Rhetorik oder textimmanente Strategien erklären, sondern ist auch auf die Erfordernisse der Expertenkommunikation zurückzuführen. Für höfische Expertenratgeber war es unerlässlich, politischen Entscheidungsträgern die Kürze und damit verbunden auch die Passgenauigkeit ihrer Rückeroberungsvorschläge zu suggerieren, weil jede Kommunikationshandlung seitens der Berater einen Eingriff in das Zeitregime der Beratenen bedeutete. Für den Zeitraum, den es dauerte, einen Rückeroberungsvorschlag zu hören oder zu lesen, diktierte der jeweilige Ratgeber dem politischen Entscheidungsträger, den er beriet, wie dieser seine Zeit einsetzen sollte. Die Rollenverteilung in der Experten-Laien-Kommunikation bedeutete demnach eine temporäre Inversion der realen Machtverhältnisse, denn die Entscheidungsträger in den Kreuzzugsplanungen waren ausnahmslos hochgestellte Persönlichkeiten wie Päpste, Könige, Prälaten oder Fürsten und standen überdies oft in einem Patronageverhältnis zu ihren Expertenratgebern. Um der realen Machtasymmetrie zumindest auf symbolischer Ebene gerecht zu werden, versuchten die Berater im Gegenzug durch das Versprechen der Kürze zu versichern, dass ihre Vorschläge nur ein kleiner und vor allem streng zweckgebundener Eingriff in das Zeitregime des Beratenen seien. Diese Machtasymmetrie unterscheidet die politische Beratung des Mittelalters wiederum von den meisten anderen Formen der modernen und vormodernen Experten-Laien-Kommunikation, in denen üblicherweise der Experte die Zeitnutzung kontrolliert und beispielsweise durch die Artikulation von Ungeduld die Konversation mit dem Laien verkürzen oder abbrechen kann.191 Das Versprechen der Ratgeber, die Zeit der Beratenen nicht durch die Präsentation von unpassendem und somit unnützem Wissen zu vergeuden, stellte für sich genommen allerdings noch keine Passgenauigkeit ihrer Vorschläge her, sondern diente vielmehr dazu, die im Rahmen der Experten-Laien-Kommunikation geäußerten Sprechakte aufeinander zu beziehen und die Rollen in dieser Interaktion sozial adäquat zu verteilen. Entgegen der von den Beratern geäußerten Versprechen war die Passgenauigkeit des von ihnen mobilisierten Spezialwissens allerdings nicht ex ante gegeben, sondern musste erst im Kommunikationsprozess hergestellt werden. Aus Sicht der Wissenssoziologie handelt es sich bei dem Versprechen maßgeschneiderten Wissens um eine Schimäre, da jede Situation, jeder Handlungszusammenhang sich zumindest in Nuancen von anderen unterscheidet und es folgerichtig wirklich passgenaues Wissen schon a priori nicht geben kann. Die von Experten wie Professionellen beschworene Passge Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 4: Idcirco ego, licet consilio minimus, (...) breviter tangere, favente et operante summa Dei sapiencia, propono que ad recuperationem et conservationem Terre Sancte mihi videntur neccessaria, conferentia ac etiam oportuna. Für Beispiele aus der modernen Medizin siehe Pfadenhauer, Professionalität (2003), 142–150.
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nauigkeit ihres Wissens ist demnach ein graduelles Phänomen, weshalb ihre Expertise üblicherweise eine prinzipielle und nicht etwa eine spezifische Problemlösekompetenz darstellt.192 Wie Stichweh in seiner Untersuchung moderner Professionen herausgestellt hat, zeichnen sich erfolgreiche Experten deshalb durch die Fähigkeit aus, die von ihnen „zu bearbeitenden Probleme nicht in der (funktionalen) Diffusität zu belassen, in der sie lebensweltlich vorliegen, sie vielmehr von dem jeweiligen Kern professioneller Wissensbestände her zu redefinieren und sie erst in dieser rekonstruierten Form handlungsmäßig einer Lösung zuzuführen (...).“193 In den Kreuzzugsplanungen kam diese Schwierigkeit in besonderem Maße zum Tragen, da die epistemische Krise der 1290er das etablierte Wissen hatte fraglich werden lassen und der Erfahrungsraum der Kreuzzüge den Zeitgenossen folglich keine Handlungsroutinen für die Bewältigung des Rückeroberungsproblems zur Verfügung stellte. Aus diesem Grund versuchten die Berater, Wissen aus anderen gesellschaftlichen Beständen zu mobilisieren, das in Auseinandersetzung mit anderen Problemen als dem Kreuzzug entstanden war und sich somit nicht ohne Modifikationen auf neue Handlungszusammenhänge anwenden ließ. Der Erfolg eines Beraters als Kompetenzdarsteller hing also davon ab, inwiefern es ihm gelang, das Rückeroberungsproblem so zu typisieren, dass sich auf der Grundlage seines eigenen Spezialwissens eine passende Lösung formulieren ließ. Entgegen anderslautenden Beteuerungen der Ratgeber wurde also der Kreuzzug auf das Wissen zugeschnitten und nicht umgekehrt. Indem sie ihr Spezialwissen auf diese Weise mit einem gesamtgesellschaftlich relevanten Problem verknüpften, stellten Berater allerdings nicht nur ihre eigene Expertise unter Beweis, sondern legitimierten im Gegenzug auch die Wissensbestände bzw. Wissenskulturen, aus denen es erwachsen war. Das war erforderlich, weil an den Höfen Ratgeber aus verschiedenen Wissenskulturen darum konkurrierten, als Experten für den Kreuzzug anerkannt zu werden. Die Ursache dieser Konkurrenz lag in der großen epistemischen Offenheit der Kreuzzugsplanungen, die seit dem späten 13. Jahrhundert auf keinen Wissensbestand festgelegt waren, sondern den Einsatz einer Vielzahl verschiedener Wissenselemente aus diversen, teils heterogenen Wissensbeständen beförderten. Dem epistemischen Partikularismus und der wissensseitigen Fragmentierung innerhalb der Kreuzzugsplanungen versuchten die Expertenratgeber eine Art wohldosierten Holismus entgegenzusetzen, indem sie das eigene Spezialwissen als entscheidende Komponente für die erfolgreiche Rückeroberung der heiligen Stätten porträtierten. Wie der griechische Mathematiker Archimedes, der einst gesagt haben soll: „Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, so will ich mit meinem Werkzeug die ganze Erde bewegen“, nachdem er mittels eines Flaschenzuges ein ganzes Schiff aus dem Wasser gehoben hatte, versuchten sie ihr Spezialwissen deswegen als gefestigten Standpunkt zu präsentieren, von dem aus
Bubert, Gegensätze (2019), 239 f.; Hitzler, Wissen (1994), 25 f.; Rexroth, Expertenweisheit (2008), 19 f.; Stichweh, Professionen (1987), 296 f. Stichweh, Professionalisierung (1992), 38.
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sich die Welt (der Kreuzfahrer) aus den Angeln heben ließ, wenngleich der Hebel dabei nicht mechanischer Natur war.194 Folgt man dieser Denkfigur, so bildete das von den Beratern mobilisierte Spezialwissen gleichsam einen archimedischen Punkt, während die aus diesem Wissen hergeleiteten Maßnahmen der Hebel sein sollten, mit dem sich die Rückeroberung in Gang setzen ließ. Auf logischer Ebene handelt es sich dabei um eine Form der argumentativen Engführung, genauer gesagt die Behauptung, dass eine komplexe Handlung oder kohärente Menge von Wissenselementen allein hinreichend für die Lösung eines Problems ist, wobei der perlokutionäre Gehalt der Assertion darin besteht, die Rezipienten zur Anerkennung der entsprechenden Wissenselemente bzw. Durchführung der entsprechenden Handlung zu bewegen. Damit die perlokutionäre Handlung Erfolg hat, muss der Sprecher die Rezipienten also von der exklusiven Sonderstellung überzeugen, welche das von ihm eingesetzte Wissen in Bezug auf die Lösung des jeweiligen Problems haben soll. Um die inhaltliche Konsistenz ihrer Ausführungen zu wahren, standen die Berater folglich unter dem Zwang, zu beweisen, warum gerade von dem Punkt aus, den sie ihren Ausführungen zu Grunde legten, die Rückeroberung des Heiligen Landes möglich sein sollte und andere Wissensbestände (oder Experten) für den Erfolg des Vorhabens von untergeordneter Bedeutung waren. Die Art und Weise, auf welche die jeweiligen Berater versuchten, herauszustellen, dass das von ihnen mobilisierte Wissen eben jene Eigenschaften hatte und sich somit als archimedischer Punkt qualifizierte, unterschied sich allerdings je nach Wissensbestand und Wissenskultur. Besonders deutlich tritt die hier skizzierte Denkfigur bei drei Beratern zu Tage: Guido von Vigevano, Guillelmus Adae und Pierre Dubois. Der Umgang Guidos von Vigevano mit dieser argumentativen Verengung bestand darin, die Allgemeingültigkeit des medizinischen und handwerklichen Wissens herauszustellen, das die Grundlage seines Kreuzzugstraktates bildete. Stets hob er hervor, dass seine Kriegsgeräte universell einsetzbar und folglich nicht an einzelne Orte, Zeiten oder Akteure gebunden waren. Er entwarf ein flexibles Messverfahren, mithilfe dessen die Höhe von Türmen und Mauern durch einfache Hilfsmittel wie einen mannshohen Stock bestimmt werden konnte, und beschrieb auf Grundlage dessen die Konstruktion von Sturmleitern sowie Belagerungstürmen.195 Am Ende der Anleitung resümierte er schließlich: Und so[mit] sind Belagerungsgeräte zur Eroberung von Tür-
Die Zuschreibung dieses Zitates geht auf den byzantinischen Gelehrten Johannes Tzetzes (✶um 1110 †um 1180) zurück, vgl. Chiliades 2, 130. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 112: Primo accipiatur mensura altitudinis turris in hunc modum scilicet homo accipiat unum baculum tam longum a terra quod attingat ad oculos ipsius et ipse baculus teneatur erectus a terra et homo iaceat supinus apodiando pedes ad baculum tenendo pedes versus turrim et sic homo iacendo supinus in terra respiciat turrim recte mirando cacumen turris supra cacumen baculi et cum habuerit sic rectam miram tunc mensurentur quot baculi illius erecti erunt a pedibus ipsius usque ad pedem turris et tot baculis erit longa et uno baculo plus (...).
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men, welche Höhe sie auch haben mögen, vollendet, gegen die kein Turm verteidigt werden kann.196 Wie die Sturmleitern waren auch die anderen Belagerungswaffen Guidos nicht darauf ausgerichtet, eine spezielle Befestigung zu überwinden, einen bestimmten Gegner zu besiegen oder ein spezifisches topographisches Hindernis zu bewältigen. Eine konkrete Stadt im Orient, die mithilfe der Gerätschaften erobert werden sollte, benannte der Mediziner ebenso wenig wie einen speziellen Fluss, welcher mittels der von ihm entworfenen Boote und Brücken überquert werden konnte. Aus seiner Beschreibung heraus war es unerheblich, ob der französische König gegen den ägyptischen Sultan oder den persischen Ilkhan ins Feld zog, ob er Jerusalem oder Damietta erobern wollte – sein Kriegsgerät garantierte immer den Sieg, weil das handwerkliche Wissen, aus dem er es hergeleitet hatte, immer applizierbar war. Dieses Allgemeingültigkeitspostulat beruhte auf einer vollständigen Abstraktion des Generellen vom Speziellen, Guidos Boote waren beispielsweise nicht speziell für die Nilschifffahrt entworfen worden, sondern sollten bei jedem Vorkommnis des Typs „Fluss“ gleichermaßen einsetzbar sein. Durch diese kategoriale Trennung war der Erfolg handwerklichen Handelns nicht länger an einzelne Orte oder Individuen, sondern allein an Typen gebunden. Guido argumentierte nahezu ausschließlich mit solchen abstrakten Typen: Seine Schutzschilde schützten gegen die sagittae sarracenorum, seine Belagerungsgeräte halfen civitates et castra zu erobern und mittels seiner Brücken konnten flumina überquert werden.197 Allerdings war Guido sich zugleich darüber bewusst, dass die Länder im Osten andere geographische Spezifika aufwiesen als seine oberitalienische Heimat. Nicht umsonst gab er Philipp VI. eine Reihe von Verhaltensregeln an die Hand, welche die Gesundheit des gealterten Königs vor dem heißen Orientklima schützen sollten.198 Obwohl der Mediziner zumindest an dieser Stelle auf die geographischen Eigenarten des Orients einzugehen schien, blieb sein argumentatives Schema dennoch gleich, weil seine Gesundheitsregeln nicht genuin orientspezifisch waren, sondern regionsunabhängig vor allen Vorkommnissen des Typs „heißes Klima“ schützen sollten. Obwohl Guido regionale Spezifika also zumindest partiell bekannt waren, zog er es vor, mit abstrakten Typen statt mit konkreten Vorkommnissen zu argumentieren. Die Lektüre seines Werkes ließ den zeitgenössischen Rezipienten somit nur eine Schlussfolgerung offen: Wenn das handwerkliche und medizinische Wissen, das er bereitstellte, universell einsetzbar war, musste es folglich auch hinreichend für die Rückeroberung des Heiligen Landes sein. Guidos Versuch, sein Spezialwissen durch diese argumentative Generalisierung zu einem archimedischen Punkt zu stilisieren, war jedoch nicht allein eine geschickte Strategie der Kompetenzdarstellung, sondern auch in den fraglichen Wissensbeständen Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 116: Et sic completa sunt edificia pro conquirendo turres cuiuscunque altitudinis fuerint ex quibus nulla turris defendi poterit. Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, 92; 112; 130. BNF Ms. Lat. 11015, fol. 33r–35v.
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selbst begründet. Schon 100 Jahre vor ihm arbeitete der picardische Baumeister Villard de Honnecourt in seiner Beschreibung zeitgenössischer Maschinen mit ähnlichen Typengeneralisierungen.199 Auch im Werk des spätantiken Militärtheoretikers Vegetius, der sowohl von Guido als auch von anderen Ratgebern intensiv rezipiert wurde, lässt sich in der Darstellung von Kriegsgerät eine vergleichbare Tendenz zur Generalisierung ausmachen.200 Selbiges gilt auch für die Berater, die nautisch-technisches Wissen aus dem zeitgenössischen Schiffbau in ihre Rückeroberungspläne integrierten. Die von Marino Sanudo für die Nilschifffahrt vorgeschlagenen Schiffe waren ursprünglich für die Flüsse Oberitaliens konzipiert worden und die als usserii bekannten leichten Galeeren, welche die Bürger von Marseille in ihrem Rückeroberungsmemorandum für die Kreuzfahrerflotte vorsahen, konnten nicht nur bei Alexandria, sondern prinzipiell an jedem Mittelmeerstrand erfolgreich eingesetzt werden.201 Diese Generalisierungstendenz scheint demnach kein Alleinstellungsmerkmal spätmittelalterlicher Kreuzzugsplanungen oder Baumeisterliteratur zu sein, sondern aus dem Umstand zu resultieren, dass handwerklich-technisches Wissen in Bezug auf sein Anwendungsgebiet niemals nur speziell, sondern immer zugleich auch transitiv ist. Laut Freyer tendiert jede Form technischen Handelns dazu, „die zunächst für einen bestimmten Zweck ausgearbeiteten Mittelzusammenhänge und Verfahrensweisen von diesem Zweck abzulösen, sie frei zu variieren, sie nach allen Möglichkeiten, die sie etwa in sich enthalten könnten, durchzuprobieren und zu sehen, was dabei herauskommt (...).“202 Dass Guido sein handwerkliches Wissen argumentativ zu einem archimedischen Punkt stilisierte, war also auch ein Resultat der technischen Eigenlogik des Wissens selbst. Da sein technisches Wissen generell gültig und somit unabhängig vom Einzelfall war, musste der Mediziner es nicht situativ verorten, um zu beweisen, dass sich das Rückeroberungsproblem damit lösen ließ. Seine Expertise sollte als derart allgemein erscheinen, dass sie in der Folge auch maßgeschneidert für den Kreuzzug sein musste. Das genaue Gegenteil dieser Form der Kompetenzdarstellung bildete das Vorgehen von Guillelmus Adae, der sich zwar ebenfalls einer argumentativen Engführung bediente, aber im Unterschied zu Guido von Vigevano auf Generalisierungen verzichtete
Villard de Honnecourt entwarf z. B. einen Kran por fais lever, ohne die möglichen Lasten zu spezifizieren, oder auch une arc ki ne faut, der im Krieg universell (d. h. unabhängig von Ort und Feind) einsetzbar sein sollte, vgl. BNF Ms. Franc. 19093, fol. 22v. Wie Guido von Vigevano spricht auch Vegetius von civitates, die durch den Einsatz von Belagerungsgeräten erobert werden, sowie muri, welche mittels Belagerungstürmen gestürmt werden können. Im Gegensatz zu Guido ergänzte der antike Militärtheoretiker seine Ausführungen allerdings teilweise durch historische Beispielfälle von Belagerungen und Schlachten, vgl. Veg. Mil. 4.1–7. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, dass Guido von Vigevano das Werk des Vegetius bekannt war. Siehe dazu III.1.2.2. Informationes pro passagio transmarino. Ed. Boislisle, 255; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 70–72. Freyer, Dominantwerden (1960), 547.
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und stattdessen das Spezielle ins Zentrum seiner Rückeroberungsvorschläge stellte. Den archimedischen Hebel in seinem Rückeroberungsplan bildete die bereits erwähnte Flotte, die im Golf von Aden stationiert werden und dort den ägyptischen Indienhandel zum Erliegen bringen sollte.203 Wie Guillelmus nicht müde wurde zu betonen, fußte dieser maßgeschneiderte Plan nicht etwa auf Erzählungen oder Berichten aus zweiter Hand, sondern auf dem Beobachtungswissen, das er selbst auf seinen Reisen als Missionar in Asien und Ostafrika gewonnen hatte. Folglich konnte es allein auf die spezifische geopolitische Situation angewandt werden, die er zu diesem Zeitpunkt vorgefunden hatte.204 Die Asienreisenden des 13. Jahrhunderts hatten die Andersartigkeit dieser Region bereits eingehend herausgestellt und in diesem Kontext festgestellt, es sei nicht möglich, die neugewonnenen Erkenntnisse über diese Gegenden und ihre Bewohner unter allgemein verfügbarem Toposwissen zu subsumieren.205 Guillelmus wies auch auf diesen Umstand gern hin und betonte, sein Blockadeprojekt sei neu und in dieser unserer Zeit ungehört (...).206 Im erzählerischen Umgang mit geographischethnographischen Spezifika stand der Dominikaner also in der Tradition zeitgenössischer Asienreiseberichte. Dementsprechend detailliert schilderte der Dominikaner dann auch die konkrete Situation, der die Kreuzfahrer sich gegenübersahen: Er skizzierte den Weg, welchen die Waren aus Indien über Ägypten nach Lateineuropa nahmen, sowie die ökonomischen Vorteile, die der Sultan aus dieser Position seines Reiches als Handelskreuz bezog. Anschließend analysierte er die militärische Stärke des Sultans und kam zu dem Ergebnis, dass dieser auf die Rohstofflieferungen und Zölle westlicher Kaufleute angewiesen sei, um sein größtenteils aus Militärsklaven bestehendes Heer aufrechtzuerhalten.207 Das Rückeroberungsproblem definierte Guillelmus als ein wirtschaftliches Problem, das allein durch eine Form der ökonomischen Kriegführung gelöst zu werden vermochte.208 Indem er die Problemlage auf diese Weise redefinierte und eine direkte Konfrontation
Siehe dazu II.4.2.3. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 102– 104: ego non cognovi scriptura vel narratore vel teste alio mediante, sed de omnibus hiis mihi fidem proprie manus et pedes et oculi prebuerunt. Fui enim in mari Indico fere viginti mensium spatio, et maxime in quadam insula novem mensibus, que quidem insula [Socotra, Anm. d. V.] est in medio gulfi predicti de Eden, per quem gulfum et per quam insulam est transitus de India in Egiptum. Siehe auch ebenda, 114: Dispositionem autem hanc scio, non narratore alio mediante, nempe quia fui in dictis insulis novem mensibus commoratus, quando volebam causa predicande fidei, cum quibusdam aliis ordinis mei meis sociis in Ethiopiam proficisci. Fried, Suche (1986), 304–318; Münkler, Erfahrung (2000), 20–48. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 102: novum est et nostris hic temporibus inauditum (...). Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 100. Diese argumentative Engführung versuchte der Dominikaner den geographisch weniger kenntnisreichen Rezipienten seines Rückeroberungstraktates auf allegorischer Ebene zu plausibilisieren, wobei er die Macht des Sultans als Baum beschrieb, dessen Wurzeln durch den Indienhandel genährt würden, sodass infolge der von ihm vorgeschlagenen Handelsblockade rami deficiant et arescant sublato a radicibus nutrimento. Vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 26. sowie III.1.2.1.
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mit dem Heer des Sultans ausschloss, versuchte Guillelmus den Beratern des militärischen Subtyps und ihrem Wissen auf argumentativer Ebene die Deutungsmacht über den Kreuzzug streitig zu machen. Erst nachdem er das Rückeroberungsproblem einmal in dieser Art neu bestimmt hatte, erschien das Wissen, das er auf seinen Missionsreisen erworben hatte, als kreuzzugsrelevant. Im Anschluss schilderte Guillelmus detailliert die Meerenge, welche die Handelsschiffe auf ihrem Weg vom Indischen Ozean in das Rote Meer passieren mussten, und präsentierte den Rezipienten seines Rückeroberungstraktates damit eine passgenaue Lösung für das Problem, welches er zuvor selbst definiert hatte.209 Der Dominikaner versuchte also, den Schauplatz der Auseinandersetzung aus dem Mittelmeer in den Golf von Aden zu verlagern und damit alle Ratgeber auszuschließen, die im Gegensatz zu ihm keine Kenntnis der Region hatten. So konnte er schlussendlich feststellen, dass jene, die anderes schreiben nicht die Wahrhaftigkeit dieses Planes erkannt haben, weil sie die Erfahrung nicht haben, welche ich sorgfältig erworben habe, und dadurch allen Kritikern seines Blockadeprojekts die Expertise absprechen, die es für die Planung eines Kreuzzuges brauchte.210 Für geographisch-ethnographische Kreuzzugsberater wie Guillelmus Adae bedeutete die argumentative Engführung auf einen archimedischen Punkt hin also eine probate Möglichkeit, um durch eine räumliche Verlagerung des Kreuzzugsprojektes die Relevanzwahrnehmung innerhalb der Kreuzzugsplanungen zu ihren Gunsten zu verschieben. Da der Kreuzzug im späten 13. Jahrhundert zu einem leeren Signifikanten geworden war, dem die Zeitgenossen Relevanz für die gesamte Christenheit zusprachen, bot das Versprechen der Passgenauigkeit den Beratern überdies die Möglichkeit, durch ihre eigene Redefinition der Rückeroberungsproblematik weit über den einfachen Handlungsrahmen eines Orientfeldzuges hinauszuweisen. Wie Oexle am Beispiel von Pierre Dubois gezeigt hat, konnte die Reflexion über die Erfolgsbedingungen eines Kreuzzuges auf diese Weise sogar zu einem Vehikel utopischen Denkens werden.211 Ähnlich wie Guillelmus Adae versuchte auch Dubois die Deutungsmacht militärischer Berater zu nivellieren, indem er den Fokus der Planungen darauf verlagerte, vor der eigentlichen Konfrontation zunächst eine günstige politische Ausgangslage für die
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 112: Facilitas autem per quam passus predictus valeat custodiri patebit ex duobus, primo ex dispositione passus ipsius, secundo ex adiutorio illorum et favore qui illis inimicantur, contra quos passus ipse custodiendus est. Dispositio passus illius talis est quod, preter illa que de eius conditione supraposita sunt, habet in suo introitu tres Christianorum insulas [d. Hanisch-Inseln, Anm. d. V.], quibus non clausus esse videtur, sed potius obturatus, ita ut de dicta civitate Eden ad quam, ut predictum est, merces pretiose portantur de India in Egiptum denuo transportande, nullus potest exire in Indiam profecturus, nec inde iterum in dictam civitatem, cum lignis vel navibus transmeare, quin de necessitate ad dictas tres insulas, vel ad earum alteram appropinquet (...). Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 102: Primo quia forte illis qui alia scriptitabant non apparebat veritas huius facti, quia experientiam non habebant, sicut ego diligenter scrutatus sum, et ego non cognovi scriptura vel narratore vel teste alio mediante, sed de omnibus hiis mihi fidem proprie manus et pedes et oculi prebuerunt. Oexle, Denken (1977), 293–339.
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Rückeroberung der heiligen Stätten zu schaffen. Im Unterschied zu dem Dominikaner sah Dubois die Bedingung der Möglichkeit erfolgreicher Kreuzzüge allerdings nicht in der ökonomischen Kriegführung, sondern in einer politischen Stärkung der lateinischen Christenheit. Den archimedischen Punkt bildete sein Wissen aus Jurisprudenz und Kirchenverwaltung, auf dessen Grundlage er ein Bündel politischer Reformen erarbeitete, welche die geistliche und weltliche Herrschaft innerhalb der Christenheit in den Händen der Kapetinger zusammenführen sollten. Wie Rexroth zeigen konnte, sah sein Plan vor, bestehende Herrschaften in einer neuen Heilig-Land-Stiftung zusammenzufassen und gleichzeitig Institutionen wie das Papsttum, die geistlichen Ritterorden und das Kaisertum umzustrukturieren sowie unter die Oberhoheit von Verwandten des französischen Königs Philipp IV. zu stellen.212 Diese radikale Form der Herrschaftszentralisierung sollte die lateinische Christenheit in die Lage versetzen, das Heilige Land erobern und verteidigen zu können. Dubois’ argumentative Engführung zugunsten politischer Zentralisierungsmaßnahmen gipfelte in der vielzitierten Bemerkung: Wenn also die katholische Gemeinschaft in allen Königreichen und Regionen ein einziges politisches Gemeinwesen schaffen würde (...), sollte das Resultat folgen, dass dieses Gemeinwesen im Laufe der Zeit die [Vor]Herrschaft über die Welt (...) erhielte (...).213 Die administrativen Maßnahmen, um diese neue res publica zu schaffen, umfassten die Einführung von Schiedsverfahren zur Sicherung des Friedens zwischen den lateinischen Herrschern, Maßnahmen zur Beschleunigung der weltlichen Rechtsprechung sowie eine einheitlich organisierte Ausbildung von Verwaltungspersonal. Als Aufsichtsinstanz kam der Heilig-Land-Stiftung dabei eine zentrale Rolle bei der Durchführung und Aufrechterhaltung der politischen Reformen zu. Eingesetzt in allen Zweigen des geplanten Gemeinwesens, sollte das in Stiftungsschulen sozialisierte Personal sowohl die
Rexroth, Pierre Dubois (2008), 309–331. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 140: ergo si secta catholicorum unam in omnibus regnis et locis faciat rempublicam (...), sequi deberet hic effectus quod hec respublica mondi monarchiam (...) processu temporis optineret (...). Historiker aus dem Feld der politischen Ideengeschichte haben diese Bemerkung in der Vergangenheit gern zur Quintessenz von Dubois’ Rückeroberungstraktat deklariert und den normannischen Juristen zu einem der Vordenker der europäischen Einheit oder des Völkerbundes erklärt, so u. a. Foerster, Europa (1967), 60–70; Kéry, Pierre Dubois (2006), 2–30; Voegelin, History (1998), 61–65. Dabei wurde allerdings nicht beachtet, dass die neugeschaffenen Institutionen tatsächlich rein funktional auf die Eroberung des Heiligen Landes ausgerichtet und keinesfalls Teil einer wie auch immer gearteten europäischen Einigungsidee waren, sondern vielmehr das Produkt kapetingischer Weltreichsphantasien. Ein Gewaltmonopol sollte es in Dubois’ res publica ebenso wenig geben wie eine gemeinsame legislative Instanz. Seine Reformvorschläge sahen stattdessen viele intermediäre Institutionen vor, die auf administrativer Ebene miteinander in Konkurrenz stehen und ihre Konflikte konziliarisch beilegen sollten, also ein Vorschlag, für den vermutlich die ältere Gottesfriedensbewegung Pate gestanden hatte. Die Gemeinsamkeit der geplanten res publica bestand folglich nicht in einer gemeinsamen europäischen Idee, sondern allein in den Familienbanden ihrer Kapetingerherrscher, vgl. dazu Brandt, Pierre Dubois (1930), 510–512; Jones, Rex (2003), 63 f.; Oschema, Idée (2010), 82.
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Beschleunigung der Rechtsprechung als auch den Frieden zwischen den lateinischen Herrschern garantieren.214 Auf diese Weise diente die Stiftung zugleich auch der Verbreitung des juristischen Wissens, das als archimedischer Punkt die intellektuelle Grundlage von Dubois’ Reformen bildete. Somit war die Stiftung zugleich Motor und Wächter seiner Reformpläne, als eine Art archimedischer Hebel sollte sie nicht nur die Rückeroberung der heiligen Stätten ermöglichen, sondern die lateinische Christenheit darüber hinaus auch in einen höheren Zustand versetzen. Das vehemente Eintreten des normannischen Juristen für ein kapetingisches Großreich vor dem Hintergrund eines angeblichen Nutzens für die gesamte Christenheit rückt zugleich eine weitere Komponente der Kompetenzdarstellung von Expertenratgebern in der Politikberatung ins Licht. Nicht nur der Bestand, aus dem der jeweilige Ratgeber sein Spezialwissen bezog, formte seine Redefinition des Rückeroberungsproblems, sondern auch das (angenommene) Interesse der Akteure, die er beriet. Um als Expertenratgeber innerhalb der höfischen Kreuzzugsplanungen Gehör zu finden, mussten die Gatekeeper am jeweiligen Hof ein Interesse daran haben, die Rückeroberungsvorschläge des Experten auf die Agenda zu setzen, und politische Entscheidungsträger mussten einen Nutzen darin sehen, sie umzusetzen.215 Wie bereits gezeigt, änderte Ramon Llull aus diesen Gründen sogar seine Kreuzzugspläne, nachdem er 1305 in den Dienst König Jakobs II. von Aragon getreten war.216 Die Orientierung am Interesse politischer Entscheidungsträger und zentraler Selektionsinstanzen an den Höfen konnte Berater allerdings auch dazu veranlassen, in einzelnen Sachfragen gezielt vom Ideal der Passgenauigkeit abzurücken und keine konkrete Handlungsanweisung zu geben. Als die Könige von Frankreich und Aragon zu Beginn des 14. Jahrhunderts mit den Ritterorden um die Führerschaft des geplanten Kreuzzugs rangen, verzichtete der Johannitermeister Foulques de Villaret etwa im Gegensatz zu anderen Expertenratgebern darauf, sich gegenüber Clemens V. darauf festzulegen, wer den Kreuzzug anführen sollte, und machte dem Papst stattdessen nur vage Angaben über die Kommandostruktur des Kreuzfahrerheeres.217 Wie für das Phänomen der Politikberatung üblich, musste das Spezialwissen der Ratgeber also nicht allein eine maßgeschneiderte Lösung für das Rückeroberungs-
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 186–188: Per quem modum infra plenius explicandum scolares huius provisionis iuris periciam, ut pretactum est, habentes, statim sufficienter esse poterunt experti causarum utriusque fori, quod est alias inauditum, iudices et patroni. Secundum quem modum, clerici beneficiati in ecclesiis suis et domibus commorantes, licet loca iudiciorum non intrantes, poterunt esse causarum consultores et patroni; (...) nec lites diu durabunt, nec vitas hominum excedent, nec diu contemplationem scienciarum et virtutum et alia pacis opera poterunt impedire. Siehe auch ebenda, 138–140. Siehe dazu III.1.3.1. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 212–214; Ders., Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 338 f.; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 276 f. Siehe dazu III.1.3.2. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222; Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 149; Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 605. Zum politischen Hintergrund siehe III.1.3.2.
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problem in Aussicht stellen, sondern sich auch politisch einbetten lassen.218 Letztlich bestand die von allen Beratern verheißene Passgenauigkeit ihrer Vorschläge also keineswegs darin, Lösungen für ein wohldefiniertes gesamtgesellschaftliches Problem zu präsentierten. Stattdessen versuchten sie, das Rückeroberungsproblem in ihr eigenes Spezialwissen einzupassen und dabei den politischen Interessen ihrer jeweiligen Patrone Rechnung zu tragen.
2.2.2 Kontingenzbändigung durch Wissen Die Kreuzzüge in den Orient galten den Zeitgenossen seit den Niederlagen der Kreuzfahrer in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als kontingente Unternehmen, deren Erfolg oder Misserfolg von menschlichem Handeln abhing.219 Kreuzzugsplaner konterkarierten damit keineswegs die Erwartung einer göttlich vorherbestimmten Endzeit, sondern verlegten sich darauf, den als kontingent wahrgenommenen Zeitraum zwischen der Gegenwart und dem unausweichlichen Ende flexibel auszudeuten.220 Die Möglichkeit kontingenter Schäden und Chancen bildete zugleich eine conditio sine qua non für die Tätigkeit der Ratgeber. Nur dann, wenn die Zukunft der Kreuzfahrer durch politisches Entscheiden prinzipiell veränderbar war und sowohl positive als auch negative Szenarien bereithielt, die für den jeweiligen Entscheidungsträger nicht vollumfänglich ersichtlich waren, machte es Sinn, Berater zu konsultieren, um die Risiken einer solchen Unternehmung zu kalkulieren. Aus diesem Grund versuchten Berater aktiv, die Wahrnehmung der Kreuzzüge als riskante Unternehmen zu befördern, um die Unabdingbarkeit ihrer Ratgebertätigkeit zu begründen und damit die Wahrscheinlichkeit möglicher Anschlusskommunikation zu erhöhen. Sie profitierten davon, an die Erfahrungen vergangener Kreuzfahrer anknüpfen zu können, die in Form historischer Narrative sedimentiert waren und den Zeitgenossen vor Augen führten, dass die Risiken des Kreuzzuges real waren. Wie bereits gezeigt, machten sie insgesamt vier Risikofaktoren aus: den Tod durch Gewalteinwirkung oder Krankheit, den Schaden für die orientalischen Christen sowie den Verlust von ökonomischem und symbolischem Kapital.221 Die Berater reagierten allerdings nicht nur auf diese von Entscheidungsträgern wahrgenommenen Risiken, sondern versuchten die Risikowahrnehmung aktiv zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. In Ergänzung zu Pfadenhauers wissenssoziologischem Professionsmodell lässt sich demzufolge festhalten, dass ein am Hof erfolgreicher Expertenratgeber nicht nur ein Kompetenzdarsteller, sondern immer auch ein Kontingenzdarsteller sein musste.
Jasanoff, Fifth Branch (1990), 250. Siehe auch III.1.3.1. Siehe auch I.1.2. Zur Auswirkung der sog. Parusieverzögerung auf die mittelalterliche Kontingenzwahrnehmung siehe insbes. Schmieder, Zukunftswissen (2015), 197–216. Siehe auch I.2.2.
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Diese Kontingenzdarstellung folgte einer simplen Dramaturgie, die sich im Wesentlichen durch den Kurt Vonnegut zugeschriebenen Aphorismus Somebody gets into trouble, then gets out of it again. fassen lässt. Berater beschworen zunächst die Risiken des Kreuzzuges herauf, versprachen aber zugleich, dass der Eintritt künftiger Schäden durch die richtigen politischen Entscheidungen beeinflusst werden könne. Anschließend erklärten sie, dass sie (und nicht etwa andere Ratgeber) über Spezialwissen verfügten, aus dem sich die passenden Maßnahmen herleiten ließen, um die Risiken des Kreuzzuges zu minimieren oder sogar gänzlich zu vermeiden. Hethum von Korykos eröffnete den militärisch-strategischen Teil seines Flos historiarum mit der folgenden Bemerkung: Einem weisen und tatkräftigen Anführer darf von der Macht des Feindes nichts verheimlicht werden, weil das Vorhergesehene nicht verletzt, jedoch das Unvorhergesehene gewöhnlich das Gemüt verwirrt, besonders in großer Kriegsgefahr, da weder Ort noch Zeit genügend Raum haben, den so vorbereiteten Gefahren zu trotzen. Denn bei jedem Werk kann die Arznei der Besserung leichter angewendet werden als im Kampf, wo einem Irrtum die Strafe auf dem Fuße folgt.222
Hethums Ausführungen über die Unwägbarkeiten des Gefechts waren indes keineswegs kreuzzugsspezifisch, denn auch die moderne Militärtheorie hat Schlachten, Feldzüge und Kriege als Momente verstärkter Kontingenz beschrieben. Carl von Clausewitz hat diesbezüglich von „Friktion“ gesprochen, die aus dem Zusammenwirken zahlreicher kleiner Ereignisse wie dem Handeln einzelner Soldaten oder den Wetterverhältnissen erwächst und den Krieg in der Konsequenz nahezu unberechenbar macht.223 Im Unterschied zu Clausewitz ging Hethum jedoch davon aus, dass ein vorausschauender Feldherr diesen Unwägbarkeiten bereits vor der eigentlichen Auseinandersetzung beikommen könne, indem er die Lage und Macht seiner Gegner erkunden würde. Dies ermöglichte dem Armenier den Brückenschlag zu seinem Spezialwissen über das Land Ägypten und dessen Bewohner, das er in den Folgekapiteln seines Traktates ausbrei-
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 341: Sapienti enim et strenuo duci nichil debet esse penitus occultatum de statu et potentia inimici, quoniam previsa non ledunt et improvisa consueverunt animum perturbare, precipue in bellorum discrimine, ubi loci vel temporis spacium non habetur periculis occurrere jam paratis. In omni enim opere potest correctionis medela facilius adhiberi quam in pugna, in qua errorem pena continuo est secuta. Übers. Baum/Senoner, Geschichte der Mongolen (2006), 97. von Clausewitz, Vom Kriege (1832), Buch I, Kap. 7: „Es ist alles im Kriege sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig. Diese Schwierigkeiten häufen sich und bringen eine Friktion hervor, die sich niemand richtig vorstellt, der den Krieg nicht gesehen hat. Man denke sich einen Reisenden, der zwei Stationen am Ende seiner Tagereise noch gegen Abend zurückzulegen denkt, vier bis fünf Stunden mit Postpferden auf der Chaussee; es ist nichts. Nun kommt er auf der vorletzten Station an, findet keine oder schlechte Pferde, dann eine bergige Gegend, verdorbene Wege, es wird finstere Nacht, und er ist froh, die nächste Station nach vielen Mühseligkeiten erreicht zu haben und eine dürftige Unterkunft dort zu finden. So stimmt sich im Kriege durch den Einfluß unzähliger kleiner Umstände, die auf dem Papier nie gehörig in Betrachtung kommen können, alles herab, und man bleibt weit hinter dem Ziel.“
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tete.224 Noch deutlicher wurde Fidenzio von Padua, der in seinem Liber recuperationis zunächst die Fehler vergangener Kreuzfahrer herausstellte und im Anschluss daran resümierte: Die Christen müssen sich gründlich, beständig und vorsichtig vor allen Übeln hüten und [vor] allem, was ihnen möglicherweise zustoßen könnte.225 Dafür müssten die Kreuzfahrer ihre Augen allerdings nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Zukunft richten. Ihr Anführer benötige deshalb einige weise und gottesfürchtige Männer, die ständig über die Größe der Streitmacht Bescheid wissen und nachdenken, sodass alles Nützliche befördert und alles Schädliche abgewendet wird.226 Nur durch die beständige Beratung mit diesen Weisen, so der Franziskaner weiter, könnten die Kreuzfahrer mögliche Risiken vorzeitig erkennen und rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Berater überließen es allerdings üblicherweise den politischen Entscheidungsträgern, darüber zu bestimmen, wer die geeigneten Ratgeber waren, die durch ihre Vorausplanung künftige Schäden von den Kreuzfahrern abzuwenden vermochten. Dabei spielte sicherlich auch der von den Beratern gepflegte Bescheidenheitsgestus eine Rolle, der es ihnen nicht erlaubte, ihre eigene Person allzu offensiv zu bewerben. Sofern Experten dennoch ihre Ratgeberqualitäten explizit herausstellen wollten, versuchten sie dies stets mit einer entsprechenden Bescheidenheitsrhetorik zu verkleiden. Galvano di Levanto bezeichnete sich gegenüber Philipp IV. stets als umbra medici und Guillelmus Adae entschuldigte sich bei seinem Patron dafür, ihn mit seinem ungeordneten, schlecht formulierten Werk zu belästigen.227 Diese Form der Selbstdarstellung blieb allerdings die Ausnahme, stattdessen beschränkten die Experten sich üblicherweise darauf, vor den künftigen Schadenereignissen zu warnen, die ganz gewiss einträten, wenn der jeweilige Entscheidungsträger den Rückeroberungsvorschlägen der falschen Personen Glauben schenken würde. Die Sachverständigenkommission Philipps VI. warnte den König beispielsweise vor den Schäden, die den Kreuzfahrern drohen würden, wenn er den Plänen derjenigen nachgebe, die eine Eroberung Kleinasiens forderten.228 Jacques de Molay alarmierte Clemens V., ein Partikularkreuzzug sei bei dem gegenwärtigen Zustand des Heiligen Landes nicht dien-
Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 341: Ut itaque de hiis que dicturi sumus super passagio Terre Sancte clarior intelligentia habeatur, aliqua narrabimus de stato et condicione terre Egipti, de exercitu Babilonie et potentia inimici. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 33: Cavere debent sibi Xpistiani diligenter, jugiter et sollicite, ab omnibus malis et ab omnibus que sibi possunt contingere secundum possibilitatem suam. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 34: Ut autem ista consideratio melius habeatur, eligendi sunt aliqui viri sapientes et Deum timentes qui semper considerent et cognoscant de multitudine exercitus, ut omnia utilia pro[curent] et omnia nociva abiciant. Kohler (1904): Liber sancti passagii Christicolarum, 358 sowie Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 116: Indulgeat mihi indigno vestro servulo, pater et domine reverende, vestra benignitas copiosa, quia incomposita et incompacta verba piis vestris auribus deprimere ausus fui. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 8.
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lich, sondern schädlich und unwürdig für die Christenheit, und grenzte sich auf diese Weise von den Rückeroberungsplänen der Johanniter ab, welche diese dem Papst in etwa zeitgleich unterbreitet hatten.229 Kontingenzdarstellung war für Berater demnach auch ein Distinktionsmechanismus, mit dessen Hilfe sie sich und ihre Expertise von den Vorschlägen ihrer Konkurrenten absetzen konnten. Weil der Kreuzzug ein riskantes Unternehmen war, so ihre Argumentation, war es für Herrscher nicht nur unverzichtbar, bei der Planung Expertenratgeber zu konsultieren, sondern auch, die richtigen Ratgeber zu hören. Hatten die Berater einmal herausgestellt, dass die Entscheidung für einen Kreuzzug in den Orient ein Risiko bedeute, bestand der nächste Akt in ihrer Kontingenzdarstellung darin, zu verdeutlichen, dass sich mithilfe ihres Spezialwissens die zuvor beschworenen Risiken einhegen ließen. Schlieben hat in ihrer Untersuchung von Zukunftsaussagen bei Pierre Dubois dafür argumentiert, dass dieser sich hierzu des aristotelischen Erfahrungsbegriffs bediente. Die Erfahrung nahm dabei eine Art Mittlerfunktion zwischen Vergangenheit und Zukunft ein: Systematisch betrachtet kreierte Pierre Dubois mit der Erfahrung (...) eine mittlere Ebene der Betrachtung, die zwischen vielen Erinnerungen an einzelne Begebenheiten und möglichen Handlungen in der Zukunft angesiedelt war. Sie ließ Verallgemeinerungen zu, hob damit jedoch die Kontingenz der Aussagen über Künftiges nicht auf, sondern hegte sie allenfalls hier und dort ein.230
Die auf diese Weise verstandene experiencia half demnach, kontingente Ereignisse zu typisieren und sie somit in den gemeinsamen Erfahrungsraum einzuordnen. Die Kontingenz des Einzelereignisses sollte durch die Zuordnung zu verschiedenen Ereignistypen eingehegt werden. Der aristotelische Erfahrungsbegriff wurde auch außerhalb von Gelehrtenmilieus rezipiert,231 weshalb sich analoge Argumentationsweisen auch in den Rückeroberungsmemoranden anderer Ratgeber ausmachen lassen. Guillelmus Adae erklärte 1332 in seinem Rückeroberungstraktat, seine Warnung vor dem verräterischen Verhalten der Herrscher von Byzanz und Armenien entstamme der certa experiencia. Die Gutachter der französischen Sachverständigenkommission, die das Traktat im Auftrag des Philipps VI. prüften, verwiesen ihrerseits auf die certaine expérience, um zu begründen, warum der von Guillelmus vorgeschlagene Angriff auf das byzantinische Reich zu riskant sei.232 Politische Entscheidungsträger suchten wiede Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, 146: parvum passagium, secundum statum in quo terra consistit ad presens, non esset proficuum, sed dampnosum et vituperosum Christianitati (...). Schlieben, Aussagen (2018), 117. Kintzinger, Experiencia (2012), 95–117; Rexroth, Systemvertrauen (2012), 35; Sarnowsky, Expertus (2012), 47–59. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 438 f.: Ecce, domine mi rex, imperatorem et regem prefatos ac domus ipsorum, tales describo quales esse totus Oriens attestatur et magna ex parte certa experiencia sum edoctus. Siehe auch Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 8. Ähnlich argumentierten auch Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 53; Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, 119; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, 345.
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rum gezielt nach Beratern mit einer bestimmten Erfahrung, so hatte Philipp VI. kurz zuvor den Dogen darum gebeten, ihm Ratgeber aus Venedig zu schicken, die über eine certaine experience dou dit saint veage verfügten.233 Die von Entscheidungsträgern wie Philipp VI. eingeforderte Erfahrung bestand weniger aus historischem Toposwissen, sondern war eng mit dem praktischen Wissen aus routinemäßigem Handeln verbunden. Foulques de Villaret gab dem Papst beispielsweise zu verstehen, dass der Anführer des geplanten Kreuzzugs mit der manière de la guerre des Sarrazins vertraut sein müsse, weil der Streitmacht ansonsten großer Schaden drohe.234 Mit Blick auf den Erhalt der eigenen Expertenrolle wies dieses praktische Wissen gegenüber propositionalem Wissen den Vorteil auf, dass es nicht einfach verbalisiert und folglich nicht ohne größere Umstellungen in schriftlichen Memoranden niedergelegt werden konnte. Der jeweilige Entscheidungsträger musste den Expertenratgeber also zu einem späteren Zeitpunkt erneut konsultieren, damit dieser auf Basis seiner Erfahrung spontan auf Kontingenzmomente reagieren konnte. Angesichts einer kontingenten Zukunft stellte der Rekurs auf die eigene Erfahrung für Expertenratgeber demnach eine probate Möglichkeit dar, um die Wahrscheinlichkeit von Anschlusskommunikation zu erhöhen. In einem früheren Memorandum hatte Foulques festgestellt, dass er dem Papst in der Planungsphase keinen sicheren Ratschlag hinsichtlich der Angriffsziele für die Kreuzfahrer geben könne, weil die Größe und Ausrichtung der ägyptischen Armee gegenwärtig noch nicht absehbar seien. Selbst wenn, so der Johannitermeister weiter, die Stärke und Position der feindlichen Truppen einmal bekannt sei, könne keine sichere Entscheidung über das Angriffsziel gefällt werden, weil es nach wie vor ungewiss sei, wie der Sultan seine vorhandene Streitmacht angesichts des bevorstehenden Angriffs neu aufstellen würde.235 Für Foulques erzeugte die mögliche Reaktion der Gegenseite auf das eigene Handeln ein Kontingenzmoment, das ein umfassendes Vorausplanen der gesamten Operation unsicher werden ließ und es erforderlich machte, dass Entscheidungsträger wie Clemens V. erfahrene Ratgeber wie ihn zu gegebener Zeit erneut konsultierten, um spontan auf die veränderten Bedingungen antworten zu können. Kurz gesagt: Seine Stellung als päpstlicher Expertenratgeber war über einen längeren Zeitraum gefestigt.
Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 219 f., Nr. 109. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 222. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, 608: Et debet credi quod Sarraceni qui sunt gentes prudentes, cum audient Christianos debere transire supra eos, de tuicione sua quantum poterunt cogitabunt, et facient magnam remutationem in suis gentibus et locis que ex nunc nullatenus possunt sciri: et ideo videtur nobis quod ex nunc nequiret dari bonum avisamentum aut sanum concilium super isto. Preterea dicimus plus quod, esto quod sciri posset ex nunc conditio cui tunc suberunt paganismus et passagium, omnino non esset utilitas illud conveniendi ex nunc, quia hoc celari Sarracenis aliquatenus non valeret, et melius nequirent informari ad deffendendum se et ad parandum aliquas periculosas insidias Christianis: et ideo ut tardius poterit fieri agitari debent talia et tractari.
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Schliebens Annahme, dass der Erfahrung eine Mittlerfunktion zukam, trifft demnach nicht nur auf das Traktat von Dubois zu, sondern auch auf die Rückeroberungsvorschläge anderer Ratgeber. Wissensgeschichtlich betrachtet lässt sich in Ergänzung zu Schlieben festhalten, dass dieses Erfahrungswissen der Berater nur in seltenen Fällen dem Erfahrungsraum der Kreuzzüge entsprang. Die von Pierre Dubois in Anspruch genommene Erfahrung stammte etwa zu großen Teilen aus der routinemäßigen Verwaltung und Rechtsprechung, er selbst beschrieb sie an einer Stelle explizit als experiencia iudicandi.236 Ähnliches lässt sich auch für die meisten anderen Ratgeber konstatieren, die ihr Erfahrungswissen betonten: Die venezianische Gesandtschaft, die der Doge 1332 auf Anfrage Philipps VI. nach Paris sandte, behandelte größtenteils den Schiffbau sowie logistische Fragen, ihre Erfahrung entsprang dementsprechend der routinemäßigen Seefahrt.237 Die von Guillelmus Adae zur Rechtfertigung der Angriffe auf Byzanz und Armenien aufgerufene Erfahrung stammte wiederum aus seinen Reisen als Missionar sowie seiner Beteiligung an den Unionsverhandlungen mit der armenischen Kirche.238 Allein die Kritiker des Dominikaners aus der französischen Sachverständigenkommission verwiesen auf die Erfahrungen vergangener Kreuzfahrer und bezogen ihr Wissen über Künftiges damit auch aus dem Erfahrungsraum der Kreuzzüge.239 Die Berater reagierten also offenkundig auf den Bruch zwischen dem Erfahrungsraum und Erwartungshorizont der Kreuzzüge, der sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgetan hatte, und versuchten ihn mithilfe von praktischem Wissen aus den Beständen zu überbrücken, die den Zeitgenossen noch als sicher galten.240 Hierfür spricht ferner, dass Berater wie Guillelmus Adae oder die Sachverständigen Philipps VI. nicht müde wurden zu betonen, sie würden sich auf eine certa experiencia bzw. certaine experience stützen. Sie verdeutlichten somit, dass ihre Erfahrung nicht von der epistemischen Unsicherheit betroffen war, die das routinemäßige Handeln auf dem Feld der Kreuzzüge erfasst hatte. Neben der Erfahrung verwendeten die Kreuzzugsberater im Rahmen ihrer Kontingenzdarstellung allerdings auch eine andere Form der Risikoeinhegung, die sich mit Koselleck als „Prognose“ charakterisieren lässt. Im Unterschied zur Prophetie, die ihre Symbolik vollständig aus dem kollektiven Erfahrungsraum schöpft, dabei jedoch auf einen metaphysischen Raum jenseits des Erwartungshorizontes abzielt, bescheidet sich die Prognose laut Koselleck „in innerweltlichen Möglichkeiten, produziert aber dadurch einen Überschuss an stilisierter Weltbeherrschung. Immer spiegelt sich in der Prognose die Zeit auf überraschende Weise; das immer gleiche der eschatologischen Erwartung wird abgelöst durch das immer Neue einer sich entlaufenden Zeit,
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 182 sowie II.3.3.2. Diplomatarium Veneto-Levantinum. Ed. Thomas, Bd. 1, 220–222, Nr. 110 sowie II.2.3.2. [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 438 f. Siehe auch ebenda, 468: Ego autem has fore necessarias judico et affirmo sicut me scientia et experientia docuerunt. Avis. Ed. Delaville Le Roulx, 9. Siehe dazu Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 359–372 sowie I.1.2.
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die prognostisch eingefangen wird.“241 Die Berater äußerten solche Prognosen in Form kontrafaktischer Zukunftsszenarien, mithilfe derer sie verschiedene Möglichkeiten durchspielten, wie künftige Ereignisse sich entfalten könnten und wie die Kreuzfahrer darauf jeweils reagieren sollten, um potentielle Schäden abzuwenden. Diese Prognostik lässt sich vor allem in diplomatischen und militärstrategischen Handlungszusammenhängen beobachten. Das Kontingenzbewusstsein trat dort besonders zu Tage, weil die Reaktion der jeweiligen Gegenseite zwar absehbar, aber eben nicht genau vorhersehbar war.242 Die von den Beratern entworfenen Zukunftsszenarien nahmen meist die Gestalt einfacher Kontingenzpläne an: Gonzalo de Hinojosa plante beispielsweise einen Partikularkreuzzug mit einer kleinen Streitmacht, die von Zypern aus aufbrechen und zunächst Tripolis über See angreifen sollte. Wenn die Rückeroberung der Stadt gelänge, so der Bischof von León weiter, sollten die Kreuzfahrer umgehend versuchen, die dort lebenden Maroniten als Verbündete zu gewinnen und die umliegenden Befestigungen wiederaufzubauen, wofür bereits im Vorfeld der Operation entsprechende Baumaterialien auf Zypern gesammelt werden müssten. Gelänge die schnelle Rückeroberung von Tripolis dagegen nicht, sollte die Streitmacht der Kreuzfahrer sich wieder nach Zypern zurückziehen und von dort aus kleinere Angriffe auf die ägyptische Küste starten, bis der allgemeine Kreuzzug einträfe.243 Ein deutlich komplexeres Szenario entwarf Hethum von Korykos: Der Armenier ging davon aus, dass der Sultan sein Heer außerhalb des ägyptischen Kernlandes nur über einen begrenzten Zeitraum hinweg versorgen könne, weshalb die Kreuzfahrer ihn durch einen Angriff auf Syrien aus Ägypten herauslocken sollten. Zugleich müssten sie eine Allianz mit dem abessinischen Reich oder den Berbern anstreben, damit diese den Sultan von Süden her angreifen und auf diese Weise seine Streitmacht ganz oder zumindest teilweise in Ägypten binden würden. Außerdem sollten sie sich mit dem persischen Ilkhan verbünden, damit dieser die Kreuzfahrerstreitmacht in Syrien unterstützen könne, falls der Sultan mit seinem Heer Ägypten verlassen sollte. Wenn jedoch weder ein Bündnis mit Abessinien oder den Berbern noch eine Allianz mit dem Ilkhan gelänge und der ägyptische Sultan mit seinem gesamten Heer nach Syrien zöge, sollten die Kreuzfahrer sich nach Armenien zurückziehen und dort abwarten, bis der Sultan die Ressourcen zur Versorgung seiner Truppen erschöpft hätte und nach Ägypten zurückkehren würde.244 Beratern wie Hethum ermöglichte die Prognose mittels kontrafaktischer Zukunftsszenarien demnach ein „elastisches Spiel mit einer begrenzten, aber innerhalb der Grenzen fast unendlichen Zahl von mannigfaltigen Möglichkeiten“, in das multiple Kontingenzfaktoren wie die Entscheidung
Koselleck, Zukunft (2013), 30. Siehe dazu auch Ders., Prognose (2013), 87–91. Ähnlich argumentieren auch Bröckling, Schlachtfeldforschung (2000), 74; Füssel, Dämon (2017), 91; Koselleck, Erfahrungsraum (2013), 361; Scheller, Kulturen (2019), 5–10. [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 115. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 356–358.
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des Sultans, die Versorgungslage in Syrien sowie die Entscheidungen möglicher Verbündeter eingingen.245 Mithilfe derartiger Zukunftsszenarien vermaßen Kreuzzugsplaner den militärischen und diplomatischen Möglichkeitsraum ihrer Zeit, um darin Zukünfte zu lokalisieren, welche die Rückeroberung des Heiligen Landes möglich erscheinen ließen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse innerhalb dieser Zukunftsszenarien versuchten die Ratgeber mit einer rudimentären Wahrscheinlichkeitssemantik zu erfassen. Wie bereits gezeigt wurde, grenzten sie Ereignisse, die mit Sicherheit eintreten würden (certum), von denjenigen ab, die nur wahrscheinlich (possibiliter, verisimiliter) oder möglich waren.246 Diese Form einer protostatistischen Kalkulation war keineswegs ungewöhnlich, denn wie Scheller zeigen konnte, waren Wahrscheinlichkeitskalküle nicht an die Entstehung der modernen Probabilistik gebunden, sondern lassen sich in Grundzügen bereits im mediterranen Seehandel ausmachen. Im Unterschied zu stärker formalisierten Praktiken wie den Seeversicherungen verfügten die Kreuzzugsplaner allerdings nicht über eine präzise und weithin geteilte Terminologie, die es ihnen erlaubt hätte, Wahrscheinlichkeiten zu bemessen.247 Der Kontingenzdarstellung von Kreuzzugsberatern lag demnach eine Mischung von intuitiver und protostatistischer Prognostik zu Grunde, die ohne einen allgemein geteilten Begriff der Eintrittswahrscheinlichkeit künftiger Ereignisse auskam.248 Mit dieser Prognostik ließen sich allerdings nicht alle potentiellen Risiken des Kreuzzuges einhegen, weil Zukunftsszenarien stets nur einen limitierten Bereich des Möglichkeitshorizontes abzubilden vermochten, aber „meist nicht die eine oder andere, sondern eine dritte, vierte oder sonstwievielte Möglichkeit sich realisierte.“249 Dieses Überraschungspotential wurde besonders relevant, wenn die Zukunftsplanung der Berater sich über die Rückeroberung hinaus auf die Verteidigung der eroberten Gebiete richtete, denn im Unterschied zu manchem Kreuzfahrer des 12. Jahrhunderts ging man nicht mehr davon aus, dass durch die christliche (Rück-)Eroberung Jerusalems die Rückkehr des Antichristen und somit die Endzeit eingeläutet werden würde.250 Zugleich
Koselleck, Zukunft (2013), 31. So u. a. Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, 223; [Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, 114; [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, 369; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 12–14; RJF, Nr. 1691. Siehe dazu III.1.3.1. Scheller zufolge bemaßen die zeitgenössischen Seeversicherer die Höhe der Prämie anhand des Risikos der jeweiligen Handelsfahrt, vgl. Scheller, Geburt (2017), 320; Ders., Häfen (2018), 56. Zur Entstehung der modernen Probabilistik siehe Hacking, Emergence (1999). Zu den Formen der Prognostik siehe Scheller, Kontingenzkulturen (2016), 15 f. Koselleck, Zukunft (2013), 29. Wie stark die Endzeiterwartungen der Kreuzfahrer des 12. Jahrhunderts jeweils ausgeprägt waren, ist nach wie vor Gegenstand einer Debatte, siehe u. a. Kahl, Eschatology (1992), 35–47; Kedar, Crusade (1984), 112–116; Radcke, Anschauungen (1915), 112–130; Tyerman, God’s War (2007), 69 f. Die einzigen beiden dezidierten Apokalyptiker unter den Kreuzzugsberatern waren Ramon Llull und Fidenzio von Padua. Wie Sanders, Apocalypticism (2015), 37 betont hat, sah Llull den Beginn der Endzeit
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war allen Beteiligten jedoch angesichts des zweimaligen Verlusts der Stadt Jerusalem bewusst, dass die heiligen Stätten auch nach ihrer Rückeroberung prinzipiell wieder verloren gehen könnten, sofern man keine Vorkehrungen dagegen traf. Aus diesem Grund forderten politische Entscheidungsträger seit den 1290ern Vorschläge zur Bewahrung der zurückeroberten Gebiete ein und ihre Berater diskutierten unter dem Oberbegriff der conservatio Terrae Sanctae, auf welche Weise das künftige Königreich Jerusalem organisiert sein müsse, um nicht das Schicksal seiner Vorgänger zu erleiden.251 Die Risiken für das neuzuschaffene Königreich wurden dabei nicht konkret ausformuliert, sondern blieben weitgehend diffus. Im Unterschied zu Hethum von Korykos, der mit seinem Zukunftsszenario die Operationsmöglichkeiten des ägyptischen Heeres einzufangen versuchte, warnte Fidenzio von Padua mit Blick auf die conservatio nur vor einem Angriff nicht näher bestimmter Feinde von außen, da im Heiligen Land nicht nur die Sarazenen, sondern auch viele andere Völker ihren Wohnsitz haben, die sich in unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Herrschaftsbereichen miteinander abwechseln. 252 Da aus der Gegenwart heraus nicht absehbar sei, woher möglicher Schaden für das künftige Königreich Jerusalem drohe, mahnte der Franziskaner zur stetigen Vorsicht und schlug vor, allgemeine Vorkehrungen zur Bewahrung des Heiligen Landes zu treffen: Die lateinischen Christen sollten ein ausreichend großes Heer aufstellen, das Meer überwachen, starke Befestigungsanlagen im Orient errichten, einen gemeinsamen Anführer für alle Christen im Heiligen Land ernennen sowie bescheiden und zugleich weise handeln.253 Wie viele andere der Ratgeber254 zielte auch Fidenzio mit seinen Vorschlägen nicht auf eine konkrete Bedrohung für das Königreich Jerusalem ab, sondern plante dessen Abwehrkräfte zu stärken, um in einer zeitlich nicht näher bestimmten Zukunft
allerdings, anders als der Titel seines Rückeroberungstraktates vermuten lässt, nicht in der Rückeroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer: „De fine’s title suggests it is a book about apocalypticism, but its real ‚end‘ is to spread the Catholic faith throughout the world.“ Fidenzio von Padua ging wiederum aufgrund einer Prophezeiung aus dem Liber Clementis davon aus, dass nach der Rückeroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer noch elf christliche Könige dort regieren würden, bevor der Antichrist erscheinen und die Endzeit einläuten würde, vgl. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 26 f. Für einen Überblick siehe Ertl, De recuperatione (2021), 289–294; Leopold, Holy Land (2000), 172–188; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 95–105. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 58: Terre Sancte conservatio ab illo dependet qui eam suo precioso sanguine acquisivit. In plaga namque orientali non solum Sarraceni, sed etiam alie nationes plures morantur, que diversis temporibus et diversis dominiis variantur. Siehe auch Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, 356–358. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 58: De futuris autem nullam habere possumus cautionem; verumtamen aliqua sunt, que ad conservationem Terre Sancte faciunt, atque prosunt, que sunt: Sufficiens militia, maris custodia, munitio firma, capitis presidentia, humilis sapientia. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 356; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 262; Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 16–26; Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 215 f.; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 269 f.
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Risiken bewältigen zu können, die gegenwärtig noch nicht absehbar waren. Bröckling hat bei dieser Art des vorbeugenden Handelns vom „Prinzip der Resilienz“ gesprochen, „das nicht mehr an den Ursachen ansetzt, sondern die Fähigkeit steigern soll, mit widrigen Bedingungen zurecht zu kommen (...).“255 Der Versuch der Berater, Resilienzen zu erzeugen, um das künftige Königreich Jerusalem vor kontingenten, jedoch schwer absehbaren Risiken zu schützen, wird besonders deutlich in dem Bereich, der sich aus heutiger Sicht am besten als Siedlungspolitik beschreiben lässt. Seit der Arbeit von Prawer betrachtet die Forschung das Ausbleiben einer permanenten lateineuropäischen Besiedlung des Nahen Ostens als eine wesentliche Ursache für den Untergang der Kreuzfahrerreiche. Dabei kann sie sich auf das Urteil vieler Zeitgenossen stützen, denn die geringe Zahl der Lateineuropäer im Heiligen Land wurde beispielsweise auch von den Vertretern der Ritterorden auf dem zweiten Konzil von Lyon beklagt.256 Deshalb planten Fidenzio von Padua, Guillaume de Nogaret sowie die Verfasser der Memoria Terre Sancte eine dauerhafte Garnison westlicher Ritter im Outremer zu unterhalten, die Jerusalem vor Angriffen von außen schützen sollte.257 Diesen Versuch hatten die Könige Ludwig IX. und Eduard I. sowie Papst Gregor X. bereits im 13. Jahrhundert unternommen, waren aber alle gleichermaßen daran gescheitert, die Garnison dauerhaft zu finanzieren.258 Den Ratgebern war dieser Sachverhalt bekannt, weshalb Guillaume plante, die Streitkräfte aus einer permanenten Steuer für den französischen Klerus zu bezahlen.259 Fidenzio regte dagegen an, dass jede Stadt, jedes Kloster und jede Diözese eine zuvor festgelegte Zahl an Rittern mitsamt ihrem Gefolge dauerhaft unterhalten solle.260 Die Berater Karls II. von Anjou planten ebenso wie Ramon Llull aus der Union von Templern und Johannitern einen neuen Ritterorden zu gründen, dessen Anführer das neue Königreich Jerusalem als bellator rex regieren und seine Einkünfte aus den Besitzungen der Orden beziehen sollte.261 Um die Besiedlung zu fördern, empfahlen Karls Ratgeber zudem, den Bürgern der Seestädte Venedig, Genua, Pisa und Marseille weitreichende Handelsprivilegien im Königreich zu gewähren, weil diese sich in der Vergangenheit als erfolgreich bei
Bröckling, Dispositive (2012), 103. Prawer, Settlement (1952), 490–503 sowie in Anschluss daran Riley-Smith, Families (1997), 1–12. Über die Haltung der Johanniter und Templer auf dem zweiten Konzil von Lyon berichten Guillaume de Courcelles, Instruktion. Ed. Prutz, 313 f.; Jakob I. von Aragon, Crónica. Ed. Soldevila, 404 f. Siehe auch I.1.2. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 58 f.; Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200 f.; Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, 440 f. Baldwin, Gregory X (2014), 82–94; Prestwich, Edward I (1997), 79; Reitz, Kreuzzüge (2005), 170–172; Richard, Saint Louis (1983), 248 f.; Roberg, Konzil (1990), 186–188; Schein, Fideles crucis (1991), 19. Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, 200–204. Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, 59. Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 356–360.
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der Kolonisation des Mittelmeerraumes erwiesen hätten.262 Auch Marino Sanudo favorisierte eine Politik der ökonomischen Anreize, um eine dauerhafte lateineuropäische Präsenz im Königreich herzustellen. Deswegen riet er dazu, allen Auswanderern die Überfahrt aus dem Westen zu finanzieren, jedem Einzelnen von ihnen in den eroberten Gebieten ein Haus mitsamt Grundstück zur Bewirtschaftung zur Verfügung zu stellen und allen Siedlern den vollständigen Sündenablass zu gewähren.263 Wie schon Karl II. plante Sanudo überdies, durch die Vergabe von Privilegien Anreize für lateineuropäische Kaufleute zu schaffen, damit diese sich in den Hafenstädten des neuen Königreiches niederlassen würden. Um dies zu erreichen, so der Venezianer, müssten Fernhändlern alle Steuern und Abgaben erlassen werden, wie es einst König Balduin I. von Jerusalem mit Erfolg getan habe. Seien die Kaufleute einmal in den Hafenstädten ansässig, fließe der lukrative Asienhandel ohne weiteres Zutun durch das Heilige Land, was wiederum allgemeinen Wohlstand schaffen und somit weitere Siedler aus dem Westen anlocken werde. Neoklassische Ökonomen würden wohl davon sprechen, den Standort wettbewerbsfähig zu machen.264 Die umfangreichsten Vorschläge zur Neubesiedlung des Heiligen Landes nach dessen Rückeroberung stammten aus der Feder von Pierre Dubois. Er riet dazu, das Land im Königreich Jerusalem nach einem neuen Eroberungsrecht zu vergeben, wobei die Menge an Städten und Burgen, die jedes lateineuropäische Reich besetzen dürfe, danach bemessen werden solle, wie viele Truppen es dem Kreuzfahrerheer beigesteuert habe.265 Außerdem müsse die Herrschaft über diese Territorien an die Pflicht gebunden werden, dort in den Folgejahren so viele christliche pugnatores wie möglich mit ihren Frauen und Familien anzusiedeln.266 Nicht nur die lateineuropäischen Herrscher soll-
Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, 360; Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/ Garí, 328 f.; 337. Den Ausdruck bellator rex verwendete Ramon Llull allerdings erst ab 1305 in seinen Rückeroberungstraktaten, in denen er seine Pläne für das neue Königreich Jerusalem auch deutlich ausführlicher darstellte als noch in den 1290ern, vgl. Ramon Llull, Liber de acquisitione. Ed. Domínguez Reboiras, 215 f.; Ders., Liber de fine. Ed. Madre, 269–273. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 280. Das Vorbild könnte hier die Landgabe in der römischen Armee gewesen sein, die Sanudo an verschiedenen Stellen seines Werkes als vorbildliche Streitmacht darstellte, vgl. ebenda, 263; 266; 268–270. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 158; 281. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 40: Item, et quodlibet regnum catholicorum, nec non alie late regiones quelibet videlicet, habeat ibi civitatem, castellum aut alium locum insignem cum locis adiacentibus iuxta sui populi quantitatem (...). Dubois scheint hier von Königreichen und nicht Fürstentümern o. ä. zu sprechen, weil er aus der Geschichte wusste, dass bei vergangenen Kreuzzügen die Mehrzahl der Teilnehmer aus dem Königreich Frankreich kam. Siehe dazu u. a. RileySmith, First Crusaders (2000), 30–32; Tyerman, Crusade (2015), 167–170. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 40: Item inducantur singuli cuiuscunque sexus potentes ad hoc quod post primum iter arreptum, quolibet anno sequente procurent et mittant, saltem usque ad mare, cum impensis subsidii ulterius transvehendos, quot pugnatores poterunt cum uxoribus propter terram populandam et inhabitandam, iuxta ipsius terre recuperationis et conservationis eius neccessitatem.
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ten ihre Untertanen dazu anhalten, ins Heilige Land überzusiedeln, sondern auch die Christen, welche den im Vorfeld des Kreuzzuges promulgierten Generalfrieden gebrochen hatten, plante Dubois zwangsweise in das neue Königreich zu deportieren. Dort sollten ihnen grenznahe Territorien zugewiesen werden, in denen sie gezwungen sein würden, den Kreuzfahrerstaat an vorderster Front gegen auswärtige Feinde zu verteidigen.267 Damit mögliche Konflikte unter den Siedlern nicht gewaltsam eskalierten, entwarf der Jurist zudem ein einheitliches Gerichtswesen, das für alle Bewohner des Königreiches zuständig sein sollte.268 Den letzten Baustein in seiner Siedlungspolitik bildeten die Schulen, die seine Heilig-Land-Stiftung in allen Regionen Lateineuropas betreiben sollte. In diesen Einrichtungen sollten Schülerinnen und Schüler nach einem einheitlichen Lehrplan für ihren Dienst im Militär und der Verwaltung des neuen Königreichs Jerusalem ausgebildet werden, bevor sie nach Osten übersiedelten.269 Speziell die letzten beiden Vorschläge machen deutlich, dass die von Dubois intendierten Reformen nicht allein auf ein künftiges Reich im Osten ausgerichtet waren. Wie Oexle herausgestellt hat, bildete das neue Königreich Jerusalem für den Juristen darüber hinaus auch einen Wunschraum für das ideale Staatswesen, das die strukturellen Probleme überwinden sollte, welche die Königreiche des Westens seit Jahrhunderten plagten.270 Letztlich sollten also resiliente Strukturen geschaffen werden, die ungeachtet künftiger Risiken Jahrhunderte zu überdauern vermochten. Dubois selbst bemerkte, wenn seine Vorschläge schlussendlich einmal umgesetzt würden, befänden sich nicht nur die heiligen Stätten wieder im Besitz der lateinischen Christenheit, sondern es folgt, dass die Katholiken zukünftig weitaus mehr tugendhaft, gelehrt, wohlhabend, langlebig [und] zur Unterwerfung der barbarischen Völker befähigt sein werden.271 Obwohl die kulturgeschichtlich orientierte Mittelalterforschung dem staatsplanerischen Aspekt der Memoranden von Dubois und anderen Beratern in der Vergangenheit
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 42. An einer anderen Stelle in seinem Werk schlug Dubois dagegen vor, in diesen pivotalen Grenzgebieten besonders bellizistische Völker wie die Hyspani anzusiedeln, vgl. ebenda, 232–234. Die Verteidigung dieser Randgebiete war in den ursprünglichen Kreuzfahrerreichen vielfach von den Templern und Johannitern übernommen worden, die Dubois allerdings plante aufzulösen, vgl. Barber, Knighthood (1994), 79; Riley-Smith, Knights Hospitaller (2012), 88; Sarnowsky, Johanniter (2011), 19 f. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 188–194. Zu der von Dubois geplanten Reform des Gerichtswesens siehe insbes. Kéry, Idées (2009), 553–572. Die an dieser Stelle skizzierten Maßnahmen zur Verkürzung und Vereinheitlichung der Rechtsprechung hatte Dubois dem französischen König bereits sechs Jahre zuvor in seiner Summaria brevis (erfolglos) unterbreitet, vgl. Pierre Dubois, De abreviatione. Ed. Forcadet, 410–470. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 120–180. Zu der von Dubois geplanten Bildungsreform siehe insbes. Blattmann, Erziehung (2016), 173–179; Evans, Marriage (2000), 195–202; Schmidt, Bildungsreform (2003), 421–440; Verger, Studium (1988), 106–122. Oexle, Denken (1977), 293–339. Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Sághy/Léonas, 138: sequitur catholicos longe plus quam hactenus fuerunt futuros esse virtuosos, litteratos, locuplentes, longeviores ad subiugandum barbaras nationes potentiores (...).
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vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt hat, ist dessen Wandel innerhalb der Kreuzzugsplanungen noch nicht beachtet worden.272 Folgt man den erhaltenen Rückeroberungsmemoranden, so lässt sich allerdings eine eindeutige Entwicklung ausmachen: Mit den Werken von Ramon Llull (2,3%), Galvano di Levanto, Fidenzio von Padua (2,8%) sowie den Beratern Karls II. (29,7%) behandelten vier der fünf in den 1290er Jahren entstandenen Memoranden nicht nur den Kreuzzug, sondern auch den Aufbau des künftigen Königreichs Jerusalem.273 Auch sechs der Provinzkonzile, die Nikolaus IV. einberufen hatte, entwarfen Pläne für die zurückeroberten Gebiete.274 Während des Pontifikats von Clemens V. begannen Ratgeber dann zunehmend auf Vorschläge für den Aufbau des neuen Kreuzfahrerkönigreichs zu verzichten. Ramon Llull erweiterte zwar seine Pläne aus den 1290er Jahren in einer zusätzlichen Abhandlung (8,6%), und mit Pierre Dubois (9,8%) sowie Guillaume de Nogaret (5,7%) entwarfen weitere Berater Empfehlungen für das neue Königreich Jerusalem. Andere Ratgeber, darunter etwa Hethum von Korykos, die Berater Heinrichs II. und die Vertreter der Ritterorden, verzichteten dagegen gänzlich auf derartige Vorschläge. Nach dem Ende des Konzils von Vienne im Mai 1312 entstand mit dem 1321 verfassten Liber secretorum des Marino Sanudo (2,4%) dann nur noch ein einziges Traktat, das Vorschläge für den Aufbau der zurückeroberten Gebiete enthielt.275 Während der Kreuzzugsplanungen der 1330er Jahre lassen sich schließlich weder in den vier erhaltenen Memoranden, noch in der herrscherlichen Korrespondenz derartige Entwürfe nachweisen. Diese Entwicklung betraf keineswegs nur die Ratgeber, sondern spiegelt sich auch in den päpstlichen Bitten um Ratschläge wider, denn während Nikolaus IV. noch explizit Vorschläge zur conservatio Terrae Sanctae eingefordert hatte, beschränkten sich seine Nachfolger allein auf die recuperatio.276 Die abnehmende Konjunktur der Vorschläge zur Gestaltung des neuen Königreichs Jerusalem hatte sicherlich vielfältige Ursachen, zu denen etwa die Auflösung des Templerordens durch das Viennense sowie der bereits erwähnte Rhodos-Feldzug der Johanniter (1306–1311) zählten.277 Viele der Ratgeber hatten die künftigen Strukturen der Kreuzfahrerreiche vor dem Hintergrund einer möglichen Union oder Auflösung der geistlichen Ritterorden thematisiert, die mit der Entscheidung des Konzils obsolet geworden war.278 Andererseits war der Partikularkreuzzug der Johanniter
Ertl, De recuperatione (2021), 289–294; Fidora, Arbitration (2011), 303–314; Leopold, Holy Land (2000), 172–188; Oexle, Denken (1977), 293–339; Schein, Regnum Hierusalem (1984), 95–105. Zu Galvano di Levanto siehe Kohler (1904): Liber sancti passagii Christicolarum, 366. Das einzige Memorandum aus den 1290ern, welches keine Angaben zum künftigen Königreich Jerusalem enthielt, war ein Kreuzfahreritinerar, vgl. Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, 425–434. Bartholomew Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, 213–215; Councils and Synods. Ed. Powicke/ Cheney, Bd. 2, 1105; 1108; Iohannes de Thilrode chronicon. Ed. Heller, 581; Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, 93. Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 280. RC, Nr. 1033; RN, Nr. 6791–6792. Siehe dazu III.1.3.2. Forey, Military Orders (1980), 317–345. Siehe dazu II.3.2.2.
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weit hinter den von der Ordensführung geweckten Erwartungen zurückgeblieben und hatte in Teilen des Klerus für Verärgerung über den Umgang mit kirchlichen Subsidien gesorgt.279 Unabhängig von diesen konkreten Anlässen lässt sich allerdings festhalten, dass der Gestaltungsspielraum der Kreuzzugsplaner zwischen 1290 und 1336 beachtlich schrumpfte. Für Pierre Dubois oder Ramon Llull war der Zeitraum nach der Rückeroberung noch planbar, für die Zeitgenossen der 1330er waren derartige Planungen dagegen nicht einmal mehr denkbar. Dabei handelte es sich keineswegs um eine gegenläufige Entwicklung zu der eingangs beschriebenen Entstehung einer Kontingenzkultur an den Höfen des ausgehenden 13. Jahrhunderts, sondern um deren konsequente Fortsetzung. Den Kreuzzugsplanern gelang es weder, den Bruch zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont zu überbrücken, noch kehrten sie zu dem theologisch-transzendenten Relevanzsystem vorheriger Jahrhunderte zurück. Stattdessen war der Möglichkeitsraum der Kreuzzüge regelrecht explodiert und ließ sich deshalb nicht länger planerisch einhegen, sodass Ratgeber sich auf den Zeitraum beschränken mussten, der unmittelbar vor ihnen lag. Die Berater selbst hatten ohne Frage Anteil an dieser Entwicklung. Wie die Risikoforschung herausgestellt hat, trägt die Auslegung der Welt mittels Wissen zwar dazu bei, Handlungsmöglichkeiten zu reduzieren, kann dabei jedoch stets auch neue Kontingenz produzieren.280 Die geographisch-ethnographischen Berater eröffneten den Blick auf neue Bündnispartner und neue Angriffsziele in Vorderasien, die künftig ebenfalls bedacht werden mussten. Finanzexperten etablierten neue Wege der Geldakquise, die ihrerseits neue Konflikte mit dem niederen Klerus hervorbrachten. Militärexperten schufen wiederum neue Strategien wie den Partikularkreuzzug, die höchst anfällig für Friktion waren. Fortan war der allgemeine Kreuzzug an den Erfolg (oder überhaupt das Zustandekommen) des Partikularkreuzzuges gekoppelt, der wiederum von dem Erfolg der Flotte abhängig war, die den Ägyptenhandel unterbinden sollte.281 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass die Kreuzzugsplaner der 1330er Jahre sich an der Reduktion dieser neuentstandenen Kontingenz versuchten. Sie verzichteten nicht nur darauf, über den Zeitraum nach der Rückeroberung nachzudenken, sondern verabschiedeten sich auch von der Idee des Partikularkreuzzuges, welche die Kreuzzugsplanungen seit den 1290er Jahren begleitet hatte. Am Hof Philipps VI. verwarf man schließlich alle mehrstufigen Rückeroberungspläne zugunsten eines allgemeinen Kreuzzugs, der das Heilige Land ohne vorherige Seeblockade oder Vorabexpeditionen einnehmen sollte.282 Es sollte das letzte große Rückeroberungsprojekt in diesem Zeitraum bleiben.
So u. a. Aragonesische Gesandtschaftsberichte. Ed. Finke, 243, Nr. 126; Paolino Minorita, Quinta vita Clementis V. Ed. Baluze/Mollat, 82; Vita Edwardi secundi. Ed. Childs, 78–82. Siehe dazu III.1.3.2. So u. a. Brakensiek, Umgang (2016), 16; Dümling, Träume (2017), 37 f.; Luhmann, Systeme (1988), 47; Ders. Soziologie (1991), 38–40. Siehe dazu II.2.2.1. RJ, Nr. 61324. Siehe auch Tyerman, Philip VI (1985), 36 f.
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2 Die höfische Konstruktion des Kreuzzugsexperten
Als der Hundertjährige Krieg im Jahr 1337 die Planer schließlich einholte und ihre Bestrebungen, einen Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes zu organisieren, zum Erliegen brachte, war der Raum des Planbaren also bereits beachtlich zusammengeschmolzen, der Raum des Möglichen dagegen signifikant expandiert. Am Ende war die Rückeroberung des Heiligen Landes kein riskantes Unternehmen mehr, das zwar eingehende Planungen mit entsprechenden Experten erforderte, aber zugleich große Chancen für alle involvierten Akteure bot, sondern ein unberechenbares Wagnis, das den Erwartungshorizont transzendierte und damit auch die Beratung mit Experten überflüssig erscheinen ließ.
Das Ende kreuzzugsbezogener Expertenkulturen? Eine Schlussbetrachtung Ein anonymer französischer Chronist, der 1328 auf die Kreuzzugsbemühungen der vergangenen Jahrzehnte zurückblickte, kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Der Papst habe reichlich Geld von der Kirche gesammelt, die französischen Könige hätten neben vielen anderen das Kreuz genommen und sich zur Rückeroberung der heiligen Stätten verpflichtet, aber die Sarazenen sind noch immer dort in Frieden und ich glaube, dass sie [auch] weiterhin in Sicherheit schlafen können.1 Tatsächlich muten die Anstrengungen der Zeitgenossen in der historischen Rückschau wie eine Serie von Fehlschlägen an, weshalb sie von der Forschung in Anschluss an Runciman gern als Epilog der Kreuzfahrerzeit interpretiert worden sind.2 Im Jahr 1302 endete ein Partikularkreuzzug der Templer, die auf der Insel Arwad einen befestigten Brückenkopf für die Kreuzfahrer etablieren wollten, mit einer vernichtenden Niederlage gegen das zahlenmäßig weit überlegene Heer des ägyptischen Sultans.3 Neun Jahre später führte ein weiterer Partikularkreuzzug, dieses Mal unter Führung der Johanniter, zur Unterwerfung der Dodekanes, aber der allgemeine Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes, der darauf folgen sollte, blieb aus.4 Ein in den 1320ern von der französischen Krone organisierter Partikularkreuzzug scheiterte bereits in der Planungsphase an Unterfinanzierung und Papst Johannes XXII. nutzte die Reste der französischen Kreuzfahrerflotte kurzerhand für seinen Feldzug gegen die Mailänder Visconti.5 Den Versuchen, durch eine Seeblockade den lateineuropäischen Handel mit den ägyptischen Hafenstädten zu unterbinden, war ebenfalls kein bleibender Erfolg beschieden. Die 1293 durch den Johanniterorden, Heinrich II. von Lusignan und Benedetto Zaccaria aufgestellte Blockadeflotte konnte zwar zunächst einige Siege vorweisen, löste sich jedoch auf, als nach einem Jahr die päpstliche Finanzierung des Unternehmens auslief und aufgrund der zweijährigen
Fragment d’une chronique anonyme. Ed. Guigniaut/Wailly, 150: les Sarrazins sont encores par de la en leur bonne paix, et croy que encores pevent ilz bien dormir asseur. Der Chronist bezog sich damit vor allem auf die Kreuzzugsplanungen von Clemens V. und Philipp IV., vgl. Hillgarth, Ramon Llull (1971), 83; Tyerman, Capetians (1986), 170. So u. a. Menache, Ideology (2011), 116; Runciman, Decline (1971), 501–513; Setton, Papacy (1976), Bd. 1, 146; Schmugge, Wandlungen (2008), 99–103; Thorau, Kreuzzüge (2004), 110 f.; Throop, Criticism (1940), 283–291. Dagegen argumentieren u. a. Atiya, Crusade (1970), 480–483; Delaville Le Roulx, France, Bd. 1 (1886), 514–518; Housley, Later Crusades (1992), 39–48; Müller, Kreuzzugspläne (1993), 13–23; Paviot, Idée (2014), 17–29. Burgtorf, Templer (2011), 63–92; Demurger, Jacques de Molay (2002), 139–157. Luttrell, Genoese (1997), 737–761; Ders., Hospitallers (1998), 595–622; Menache, Clement V (1998), 101–112; Schein, Fideles crucis (1991), 220–233. Housley, Negotiations (1980), 166–185; Tyerman, Philip V (1984), 15–34. https://doi.org/10.1515/9783111085067-011
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Vakanz auf dem Stuhl Petri auch nicht weiter verlängert wurde.6 Die Johanniter unternahmen 1311 einen weiteren Anlauf, stießen dabei jedoch auf vehementen Widerstand der Republik Genua, die sich in der Folge sogar mit dem türkischen Bey von Mentesche verbündete, um den Blockadebestrebungen des Ordens den Garaus zu machen.7 Als der unbekannte Chronist den Muslimen 1328 einen sicheren Schlaf voraussagte, stand den Kreuzzugsplanern der schwerwiegendste Misserfolg allerdings noch bevor. In den 1330er Jahren begann der neue französische König Philipp VI. mit den Vorbereitungen für einen allgemeinen Kreuzzug zur Rückeroberung des Heiligen Landes und erhielt dafür von Johannes XXII. umfangreiche Subsidien, von denen er eine Flotte bauen, Kreuzfahrer rekrutieren und Vorräte einlagern ließ. Als die Spannungen mit der englischen Krone aufgrund der Konflikte in Schottland und der Gascogne zunahmen, ließ Philipp jedoch im letzten Moment von seinen Rückeroberungsplänen ab und begann stattdessen, sich auf den Krieg mit Eduard III. vorzubereiten.8 Noch Jahrzehnte nach dem abgebrochenen Kreuzzug unterstellten Geschichtsschreiber wie Matteo Villani dem französischen König, er habe die Mittel der römischen Kirche verschleudert und der gesamten Christenheit damit großen Schaden zugefügt.9 Philipp VI. erkannte den möglichen Schaden für sein Ansehen bereits früh und versuchte dem entgegenzusteuern, indem er seine Kreuzzugsbemühungen offen zur Schau stellte. Deswegen ließ er im Jahr 1336 mit der Flotte, die in seinem Auftrag für den Transport der Kreuzfahrer gebaut worden war, in der Bucht von Marseille eine Seeschlacht zu seinen Ehren inszenieren, im Rahmen derer die Schiffe sich mit Orangen und anderen Früchten beschossen.10 Wenig später wurden eben jene Schiffe dann in einer ganz realen Seeschlacht durch eine Streitmacht Roberts I. von Anjou vernichtet, der inzwischen ein Bündnis mit Eduard III. geschlossen hatte.11 Dass die im ausgehenden 13. Jahrhundert begonnene Phase der lateineuropäischen Rückeroberungsbemühungen in einer Orangenkanonade vor Marseille enden würde, war indes für die Berater und Entscheidungsträger, welche die Kreuzzugsplanungen an den Höfen über die vergangenen Dekaden kontinuierlich vorangetrieben hatten, keineswegs absehbar gewesen. Wie im ersten Teil der Arbeit gezeigt, war diese Expertenkultur als Reaktion auf eine epistemische Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens entstanden, die das Routinehandeln im Bereich der Orientkreuzzüge erschüttert hatte und zu einer grundlegenden Neuauslegung des zuhandenen Wissens führte. Die Ursache dieser Krise lag nicht allein in den militärischen Niederlagen der Kreuzfahrer, sondern auch in einer veränderten Wahrnehmung des Kreuzzuges, der nicht länger als
CGOH 3, 602, Nr. 4177; Chronique du Templier de Tyr. Ed. Raynaud, 261 f.; Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, 232. Carr, Hospitallers (2013), 168 f.; Luttrell, Genoese (1997), 754–760; Menache, Clement V (1998), 110–112; Schein, Fideles crucis (1991), 231–233; Zachariadou, Trade (1983), 11 f. Felten, Auseinandersetzungen (1991), 79–99; Tyerman, Philip VI (1985), 25–52. Croniche di Giovanni, Matteo e Filippo Villani. Ed. Racheli, Bd. 2, 213 f. Chronique latine de Guillaume de Nangis. Ed. Géraud, Bd. 2, 150. TNA C 54/157/11d.
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prädeterminierter Gotteskrieg, sondern als riskantes Unternehmen betrachtet wurde, dessen Ausgang zuvörderst von menschlichem (Planungs-)Handeln abhing. Auf der Suche nach sicherem Wissen, mit dem sich die Risiken des Kreuzzuges bewältigen ließen, wandten politische Entscheidungsträger sich wiederum dem gesellschaftlichen Wissensvorrat zu. Doch infolge der gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesse der beiden vorangegangenen Jahrhunderte hatten sich verschiedene Bestände von Spezialwissen herausgebildet, deren Inhalte oft nicht nur schwer verständlich, sondern auch von verschiedenen Milieus und Gemeinschaften monopolisiert worden waren. Die Suche nach Auslegungsspezialisten für diese Wissensbestände führte schließlich dazu, dass politische Entscheidungsträger ihre Kreuzzugsberater nicht mehr nur aus dem Kreis ihrer Vasallen und Getreuen rekrutierten, sondern auch Außenstehende an ihre Höfe zogen, die für sich eine besondere Expertise für die Rückeroberung des Heiligen Landes in Anspruch nahmen. Der Bedarf an kreuzzugbezogener Expertise eröffnete Trägern von Spezialwissen also die Möglichkeit, an den Höfen als Berater zu wirken und so langfristig ein Patronageverhältnis zu hochgestellten Persönlichkeiten aufzubauen, sofern sie glaubhaft darzulegen vermochten, dass ihr Wissen nützlich für die Rückeroberung des Heiligen Landes war. Indem sie die Dienste dieser Expertenratgeber in Anspruch nahmen, gewannen die Herrschenden allerdings nicht nur an Entscheidungssicherheit, sondern vermochten ihre Kreuzzugspläne auch von den Rückeroberungsprojekten anderer Potentaten abzugrenzen. Dieser Umstand war von Bedeutung, weil der Kreuzzug spätestens seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einen leeren Signifikanten bildete, der zwar von allen Zeitgenossen positiv betrachtet wurde, aber inhaltlich nicht genau festgelegt war und sich deshalb leicht mit den politischen Partikularinteressen des jeweiligen Herrschers verbinden ließ. Von besonderem Interesse war der Erwerb päpstlicher Subsidien und Kreuzzugsprivilegien, die weltlichen Machthabern nur dann gewährt wurden, wenn sie auf die Expertise ihrer jeweiligen Ratgeber verweisen konnten. Im zweiten Teil der Untersuchung wurde deutlich, dass es eine funktionale Binnendifferenzierung in den Kreuzzugsplanungen gab und die Ratgeber sich anhand der inhaltlichen Schwerpunktsetzung ihrer Rückeroberungsvorschläge in militärische Berater, administrativ-finanzielle Berater sowie geographisch-ethnographische Berater unterteilen lassen. Die beiden Letztgenannten beanspruchten erst seit der epistemischen Krise des späten 13. Jahrhunderts einen Platz innerhalb der Kreuzzugsplanungen und stellten damit die Deutungshoheit der etablierten Kräfte aus den Reihen der militärischen Ratgeber zunehmend in Frage. Trotz dieser Binnendifferenzierung wiesen die höfischen Rückeroberungsplanungen im Unterschied zu anderen zeitgenössischen Expertenkulturen allerdings ein vergleichsweise geringes Maß an Institutionalisierung auf und waren nicht auf eine bestimmte Wissenskultur oder einen Wissensbestand festgelegt. Die Krise des kreuzzugsbezogenen Wissens hatte stattdessen zu einer epistemischen Offenheit für alle Arten von Wissen geführt, die plausibel auf die Rückeroberung des Heiligen Landes bezogen werden konnten. Deshalb diskutierten die Ratgeber mitunter radikale
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Vorschläge, die mit dem politischen Status quo ihrer Zeit brachen und berücksichtigten dabei auch immer wieder Elemente aus randständigen Wissensbeständen, die sich keinem der drei Beratertypen zuordnen lassen. Die Ratgeber des militärischen Subtyps stützten sich vornehmlich auf Wissen aus der routinemäßigen Kriegführung und versuchten dabei jüngere Tendenzen wie den Einsatz von Gewaltprofessionellen mit älteren Traditionen wie der an Befestigungen ausgerichteten Kriegführung zu verbinden, um vielversprechende Angriffschancen zu erkennen und Versorgungswege sicherzustellen. Neben der Vermeidung von Risiken durch solche Vorsorgestrategien entwarfen sie auch Pläne zum Risikomanagement, von denen der Partikularkreuzzug sicherlich der prominenteste war. Ihre Vorschläge hatten weniger eine Orientierungsfunktion, sondern dienten üblicherweise dazu, den Horizont möglicher Handlungen auf die bestmögliche Vorgehensweise einzugrenzen. Die Militärexperten stammten vornehmlich aus den Ritterorden sowie dem kriegführenden Adel, das heißt den sozialen Milieus und Gruppen, die sich bereits im 11. und 12. Jahrhundert für die Organisation von Kreuzzügen verantwortlich gezeigt hatten. Deshalb waren sie im Unterschied zu den Beratern der anderen beiden Subtypen durch die epistemische Krise in ihrer Deutungshoheit bedroht und versuchten dem durch eine Spezialisierung auf militärische Fragen zu begegnen. Von dieser Krise unbetroffen waren die militärischen Berater aus den mediterranen Seehandelsstädten, die vor allem aufgrund ihres nautischen Wissens angefragt wurden. Die Berater des administrativ-finanziellen Subtyps fokussierten sich in ihren Rückeroberungsvorschlägen nahezu ausschließlich auf fiskalpolitische Maßnahmen zur Beschaffung der Geldmittel, die für den Kreuzzug erforderlich waren. Ihr Fokus lag auf kirchenintern umstrittenen Geldquellen wie den Annaten oder dem Spolienrecht am Nachlass Geistlicher, welche die Päpste schlussendlich durch den Verweis auf den allgemeinen Nutzen des Kreuzzuges für sich reklamieren konnten. Die Mehrzahl dieser Finanzexperten hatte Legistik oder Kanonistik studiert und verfügte über Erfahrungen aus der kirchlichen Verwaltung, die dabei halfen, neue Möglichkeiten der Mittelakquise zu identifizieren. Die Juristen lösten damit die Ritterorden ab, welche in den vorangegangenen Jahrhunderten für die finanziellen Belange des Kreuzzuges maßgeblich verantwortlich gewesen waren. Den sozial heterogensten der drei Subtypen bildeten die geographisch-ethnographischen Berater, die sich in ihren Rückeroberungsvorschlägen der Darstellung von Völkern und Regionen des Orients, Asiens und Afrikas widmeten. Im Unterschied zu den beiden anderen Ratgebertypen kamen sie nicht aus einem gemeinsamen Milieu oder hatten eine ähnliche Sozialisation erfahren, sondern bezogen ihr Wissen aus ihren Aufenthalten im Osten, die sie in ihren Werken üblicherweise an prominenter Stelle herauszustellen pflegten. Sie entwickelten ihre Rückeroberungspläne allerdings nicht auf der Basis eines gemeinsamen Bestandes an „Orientwissen“ oder „Asienwissen“, sondern waren stark davon beeinflusst, ob sie ihre Reisen als Kreuzfahrer, Gesandte, Missionare oder Kaufleute unternommen hatten. Ihre Vorschläge erfüllten im Unterschied zu denen der militärischen Bera-
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ter meist eine orientierende Funktion und sollten politischen Entscheidungsträgern den Horizont erwartbarer Möglichkeiten aufzeigen. Statt dem Risikomanagement diente das Wissen der geographisch-ethnographischen Berater vorwiegend der Risikovermeidung, indem es aufzeigte, welche Regionen die Kreuzfahrer besser umgehen sollten. Der dritte Teil der Untersuchung hat gezeigt, dass die Kreuzzugsplanungen eine fraktionierte Austauschzone bildeten, innerhalb der die Akquise sowie Übersetzung von Spezialwissen ebenso wie die Bewertung von Expertise nicht durch zuvor festgelegte Verfahren geregelt war, sondern ad hoc erfolgte. Kreuzzugsexperten wurden am Hof als Kollektive aus Ratgebern aller drei Subtypen konsultiert, wobei jeder der Berater sich jeweils auf die Lösung eines Partikularproblems fokussierte und die abschließende Synthese den jeweiligen Entscheidungsträgern oblag. Innerhalb der höfischen Planungszirkel etablierte sich auf der Grundlage von geteiltem Wissen schnell eine Interaktionssprache, die sowohl den Austausch von Experten und Laien als auch den zwischen Experten verschiedener Wissenskulturen ermöglichte. Zu diesem geteilten Wissen zählte einerseits gelehrtes Wissen, das über (pseudo-)antike Abhandlungen zur Militärtheorie eine gemeinsame Basis schuf, um über den Krieg zu sprechen. Anderseits umfasste es auch Alltagswissen, auf dessen Grundlage Spezialwissen mithilfe von Metaphern und Allegorien vermittelt werden konnte. Eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser Austauschzone spielte das Geschichtswissen über die Taten vergangener Kreuzfahrer. Da der Kreuzzug selbst ein leerer Signifikant war, fungierte der Rückbezug auf die Geschichte als Grenzmarkierung für die Austauschzone und erweckte bei allen Beteiligten den Eindruck, dass sie über denselben Gegenstand sprachen. Die zentralen Bewertungskategorien innerhalb dieser Austauschzone waren Möglichkeit und Nützlichkeit. Das Spezialwissen der Berater beurteilte man hinsichtlich seines Nutzens für den Kreuzzug, ihre Rückeroberungsvorschläge sollten realisierbar und dabei mit möglichst geringen Risiken verbunden sein. Als Prüfinstanz dienten dabei einerseits Feldberichte von Akteuren vor Ort und anderseits Gutachten zweiter Stufe, die von anderen Experten verfasst worden waren. Diese Bewertungsroutinen stellten Herrschern jedoch keine Entscheidungshilfe für politische Interessenskonflikte bereit und führten letztlich zu einer Epistemisierung der Kreuzzugsproblematik. Deshalb entwickelte die höfische Ratgebertätigkeit im Zusammenspiel mit den teils konfligierenden Partikularinteressen der beteiligten Herrscher eine Eigendynamik, welche eine beständige Anschlusskommunikation in Form weiterer Expertengutachten forcierte und so die Kreuzzugsplanungen als Austauschzone aufrechterhielt. Um innerhalb dieser fraktionierten Austauschzone als Experten für die Rückeroberung des Heiligen Landes anerkannt zu werden, mussten Berater ihre Expertise gegenüber den anderen Kreuzzugsplanern aktiv als solche inszenieren. Der Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgern und ihren Ratgebern erfolgte mündlich als Kommunikation unter Anwesenden, weshalb erfolgreiche Berater einerseits Zugang zum Herrscher benötigten und anderseits auf Kompensationsstrategien angewiesen waren, um ihren Ratgeberstatus auch in Abwesenheit aufrechtzuerhalten.
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Ihren Zugang zu den Planungszirkeln erlangten die Berater üblicherweise durch Vermittler, die über soziales Kapital an den entsprechenden Höfen verfügten. Die klassischen Vertrauten der Herrschenden waren dabei allerdings weniger wichtig als die Akteure, die als Selektionsinstanzen den Eintritt in die kreuzzugsbezogene Kommunikation an einem Hof kontrollierten. Umgekehrt nutzten die Berater Vermittler mit Kulturkapital in Form einer passenden Expertise, um auch während ihrer Abwesenheit an den Höfen präsent zu sein und so ihre einmal etablierten Ratgeberbeziehungen aufrechtzuerhalten. Da legitimationsstiftende Institutionen infolge der epistemischen Krise kreuzzugsbezogenen Wissens nur rudimentär ausgeprägt waren, kam zudem der Kompetenzdarstellung durch die einzelnen Ratgeber eine wichtige Bedeutung zu. Die erfolgreichen Kompetenzdarsteller unter den Ratgebern zeichneten sich dadurch aus, das Problem der Rückeroberung des Heiligen Landes so reformulieren zu können, dass ihr jeweiliges Spezialwissen als passgenauer Schlüssel zu seiner Lösung erschien. Um als Experten in Kreuzzugsfragen anerkannt zu werden, mussten die Berater allerdings nicht nur Kompetenzdarsteller, sondern auch Kontingenzdarsteller sein. Da der Bedarf nach Expertenratgebern eng mit der Vorstellung verknüpft war, der Kreuzzug sei ein riskantes Unternehmen, versuchten Berater nicht nur, die Risiken des Kreuzzuges planerisch zu bewältigen, sondern auch, diese Risikowahrnehmung rhetorisch zu befeuern. Dieser Balanceakt zwischen Kontingenzdarstellung und Risikobewältigung war allerdings letztlich nicht erfolgreich, weshalb der Möglichkeitsraum der Kreuzzugsplanungen zwischen 1311 und 1336 regelrecht explodierte, während der Raum des Planbaren sich beständig verkleinerte. Auch wenn die Muslime also letztlich ruhig schlafen konnten, wie es der eingangs zitierte Chronist vorhergesagt hatte, waren die aus der informationsorientierten Beratung hervorgegangenen Rückeroberungsplanungen mehr als nur eine Randnotiz im Epilog der Kreuzzugsgeschichte. Die von dieser Expertenkultur hervorgebrachten Kontinuitäten werden freilich erst dann deutlich, wenn man den Blick vom Orient abund den lateineuropäischen Gesellschaften zuwendet. Mit den Kreuzzugsplanungen etablierte sich ein Modell für die problemorientierte Experten-Laien-Kommunikation, das seinen Ursprung an den Schulen und Universitäten hatte, auch an den lateineuropäischen Herrscherhöfen. In den Jahren nach dem vorläufigen Ende der Rückeroberungsbemühungen verschwand diese neue Form der Beratung keineswegs aus den militärischen Planungen, sondern konnte im Bedarfsfall immer wieder reaktiviert werden. Um den Einflussbereich der türkischen Beyliks in der Ägäis zurückzudrängen, sondierte Papst Clemens VI. (✶1290 †1352) seine Handlungsoptionen zunächst mithilfe entsprechender Expertenratgeber, bevor er 1343 einen Kreuzzug gegen die anatolische Hafenstadt Smyrna proklamierte, die einige Zeit zuvor durch Umur Bey
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(✶1309 †1348) von Aydin erobert worden war.12 Etwa 20 Jahre später wurde mit Philippe de Mézières (✶um 1327 †1405) einer der Ratgeber, die im Vorfeld der SmyrnaExpedition konsultiert worden waren, zum Kanzler Peters I. von Zypern. Als Chefberater des Königs koordinierte er dann von 1362 bis 1365 dessen Kreuzzug gegen Alexandria.13 Peters Feldzug erfuhr an den Höfen im Westen jedoch nur wenig Aufmerksamkeit und sollte der letzte gegen Ägypten geführte Kreuzzug bleiben. Doch selbst wenn der Fokus der Kreuzzugsplanungen sich fortan allein auf die türkischen Herrschaftsbereiche in Kleinasien richtete, blieb die Rückeroberung des Heiligen Landes das erklärte Endziel aller Kreuzzugsbemühungen. Als Herzog Philipp III. von Burgund (✶1396 †1437) begeistert von den Geschichten der ersten Kreuzfahrer zu Beginn des 15. Jahrhunderts begann, die Rückeroberung der heiligen Stätten zu planen, versammelte er selbstverständlich „einen Kern von Spezialisten für sämtliche mit einem Kreuzzug zusammenhängende Fragen (...)“ an seinem Hof, die kontinuierlich an Strategemen für einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich arbeiteten.14 Durch seine Planungen erfuhren auch die Memoranden der Kreuzzugsberater des frühen 14. Jahrhunderts eine erneute Aufmerksamkeit und der Herzog ließ sich Traktate wie das Directorium des Guillelmus Adae ins Französische übersetzen.15 Zugleich entstanden neue Abhandlungen, welche die Organisation des Kreuzzugs unter geänderten geopolitischen Bedingungen problematisierten, darunter etwa der Songe du vieil pèlerin des bereits erwähnten Philippe de Mézières, das Rückeroberungstraktat des Venezianers Emmanuele Piloti sowie der Reisebericht des Ritters Bertrandon de la Broquière (†1459), den Philipp III. 1432 nach Osten geschickt hatte, um den Zustand des Osmanischen Reiches auszukundschaften.16 Das im Rahmen der Kreuzzugsplanungen etablierte Modell der Experten-LaienKommunikation wurde allerdings nicht nur für die Türkenfeldzüge reaktiviert, sondern auch auf andere riskante militärische Handlungszusammenhänge übertragen. Nachdem sich das Scheitern seiner Kreuzzugsbemühungen abzeichnete, ließ der französi-
Atiya, Crusade (1970), 301–318; Carr, Merchant Crusaders (2015), 74–78; İnalcık, Rise (1985), 196–201; Sarnowsky, Johanniter und Smyrna (1992), 215–251; Zachariadou, Trade (1983), 41–62. Bereits 20 Jahre zuvor hatte Guillelmus Adae die Stadt Smyrna als Brückenkopf für die Eroberung von Kleinasien empfohlen, vgl. Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, 64. Atiya, Crusade (1970), 319–378; Contamine, Occident (2011), 19–40; Edbury, Policy (1978), 90–105; Ders., Cyprus (1994), 161–179; Housley, Cyprus (1995), 195–197. Müller, Kreuzzugspläne (1993), 31. Siehe dazu auch Paviot, Burgundy (2004), 70–80; Viltart, Itinéraires (2015), 331–349. Kohler, Auteur (1913), 107; Müller, Kreuzzugspläne (1993), 26 f.; Schmieder, Enemy (1999), 365. Housley, Emmanuele Piloti (2007), 139–150; Leopold, Holy Land (2000), 197–202; Radkovská, Songe (2009), 31–42. Im Unterschied zu den Memoranden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts waren diese Werke allerdings nicht mehr auf das Rückeroberungsproblem allein zugespitzt. Die einzige Ausnahme bildet der Tractatus de modo, progressu, ordine ac diligenti providentia habendis in passagio Christianorum pro conquesta Terrae Sanctae des venezianischen Kaufmanns Emmanuele Piloti, der auch terminologisch stark an die früheren Werke angelehnt ist, zit. nach Atiya, Crusade (1970), 208, Fußn. 1.
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sche König Philipp VI. beispielsweise von einer Sachverständigenkommission einen Plan zur Eroberung der britischen Inseln entwerfen und aus den Kriegen König Jakobs II. von Aragon auf der iberischen Halbinsel ist ein von unbekannten Beratern verfasstes Memorandum zur Eroberung der andalusischen Festungsstadt Almeira erhalten.17 Während die Zeitgenossen sich über große Teile des Mittelalters darauf beschränkt hatten, die Werke antiker Militärschriftsteller wie Vegetius und Frontinus zu kopieren und kommentieren, markierten die Rückeroberungstraktate des ausgehenden 13. Jahrhunderts den ersten größeren Schritt hin zu einer genuin mittelalterlichen Militärtheorie. Vor dem Hintergrund des Kreuzzuges entstanden erstmals umfangreiche schriftliche Abhandlungen, welche die routinemäßige Kriegführung auf abstrakter Ebene reflektierten und auf ihre Erfolgsbedingungen hin befragten. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts begannen schließlich Schriftsteller wie Geoffroi de Charny (†1356) unabhängig von solchen konkreten Anlässen über die Möglichkeitsbedingungen militärischen Handelns nachzudenken und verknüpften die Ergebnisse dieser Beobachtungen mit dem Normenkanon des Rittertums. Auf diese Weise entstand eine neue Militärtheorie, die nicht mehr nur auf den Schriften antiker Autoritäten fußte, sondern in der routinemäßigen Kriegführung ihrer Zeit verankert war.18 In der Person des Ritters Geoffroi de Charny vereinigten sich noch einmal die Erfahrung aus routinemäßiger Kriegführung in Westen und Osten, denn er hatte sowohl als Kommandeur für die französische Seite im Hundertjährigen Krieg gedient als auch am Kreuzzug gegen Smyrna teilgenommen. 19 Mit den militärtheoretischen Werken von Geoffroi und seinen Nachfolgern spiegelte die militärische Sphäre somit eine frühere Entwicklung in der Gelehrtenwelt, innerhalb der man antike Autoritäten wie Aristoteles oder Isidor nicht länger nur kolportierte, sondern gegebenenfalls auch korrigierte. Deutlichen größeren Einfluss als das Modell der Experten-Laien-Kommunikation entfalteten einige der Wissenselemente, die innerhalb der Kreuzzugsplanungen aufgerufen und erprobt wurden. Da die epistemische Krise der 1290er kreuzzugsbezogenes Wissen hatte unsicher werden lassen und der Kreuzzug als leerer Signifikant offen für eine Vielzahl unterschiedlicher Rückeroberungsprojekte war, entwickelten sich die höfischen Kreuzzugsplanungen im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert zu einem Experimentierfeld für die nutzenorientierte Anwendung von Spezialwissen. Vieles aus diesen Planspielen, Ordnungsentwürfen und Wissenselementen erwies sich in den Augen der Zeitgenossen als impraktikabel oder stand im Konflikt mit politischen Interessen und wurde deshalb verworfen. Der Besitz von Ritterorden und Kirche wurde nie in einer
AA 3, 213–217, Nr. 99; Ormrod, Edward III (2011), 187 f.; Sumption, Hundred Years War, Bd. 1 (1990), 156. Siehe dazu auch den früheren Plan zur Eroberung der britischen Inseln: Mémoire de l’amiral Benoît Zacharie. Ed. Boutaric, 112–119. Zur Entstehung der spätmittelalterlichen Militärtheorie siehe Contamine, Guerre (1980), 351–386; Nicholson, Warfare (2004), 13–21; Geoffroi de Charny, Livre. Ed. Kennedy, 84–200. Kaeuper, Geoffroi de Charny (1996), 3–15.
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Heilig-Land-Stiftung gebündelt, keine christliche Flotte störte im Roten Meer den ägyptischen Indienhandel und kein windgetriebener Kampfwagen rollte je über die mittelalterlichen Schlachtfelder. Andere Projekte und Wissenselemente betrachteten die Zeitgenossen dagegen als nützlich und wendeten sie fortan auch auf Problemstellungen außerhalb der Orientkreuzzüge an. Die höfischen Kreuzzugsplanungen fungierten somit als Katalysator für die soziale Diffusion von Spezialwissen. Diese Wissensdistribution konnte vergleichsweise kleine Nischen wie den kunsthistorischen Einfluss der Kartographie betreffen. Während Portolankarten zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch ausschließlich ein praktisches Instrument zur Navigation auf See gewesen waren, gelang es Beratern wie Marino Sanudo und Paolino Minorita durch die Verknüpfung mit dem Kreuzzug und den Einsatz didaktischer Texte für eine breitere, ästhetisch ausgerichtete Rezeption dieser Karten am neapolitanischen Hof zu sorgen.20 Andere Wissenselemente hatten wiederum Einfluss auf die Politikgestaltung. Die Rückeroberungspläne der Orientexperten trugen beispielsweise maßgeblich zur geographischen Erweiterung des politischen Denkens lateineuropäischer Herrscher bei und verfestigten die Überzeugung, dass auch ferne Regionen in Asien und Ostafrika in geopolitische Abwägungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden mussten.21 Das Land Äthiopien, welches zuvor nur Missionaren geläufig gewesen war, rückte mit den Kreuzzugsplanungen zunehmend in das Blickfeld lateineuropäischer Herrscher, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts damit begannen, die ersten Gesandtschaften an die Herrscher des abessinischen Reiches zu schicken.22 Auch der Einsatz von Gewaltprofessionellen, die das Bild europäischer Armeen vom ausgehenden Mittelalter bis ins napoleonische Zeitalter hinein prägen sollten, wurde im Rahmen der höfischen Kreuzzugsplanungen unter dem Oberbegriff des passagium particulare diskutiert und erprobt. Die ersten Gewaltprofessionellen kamen zwar bereits im späten 12. Jahrhundert zum Einsatz, doch die erste größere Streitmacht, die sich nahezu ausschließlich aus bezahlten Gewaltprofessionellen zusammensetzte, war das Heer, das die Johanniter im frühen 14. Jahrhundert anlässlich ihres Partikularkreuzzuges zur Eroberung von Rhodos versammelten.23 Um den durch diese stipendiarii gestiegenen Kosten gerecht zu werden, entwickelten die administrativ-finanziellen Berater elaborierte Finanzierungsstrategien, die bald auch jenseits der Kreuzzüge zum Einsatz kamen. Diese Abgaben konnten wiederum unter Verweis auf die Rückeroberung des Heiligen Landes durchgesetzt werden, weil der Kreuzzug als leerer Signifikant in allen Teilen der Gesellschaft als höheres Ziel galt. Der Rekurs auf die Rückeroberung konnte so zur Rechtfertigung einer beispiellosen Kampagne der Zentralisierung kirchlicher Abgaben dienen, die einen wichtigen Schritt vom Ständestaat zum Steuerstaat bil-
Degenhart/Schmitt, Marino Sanudo (1973), 1–138. Fried, Globalisierung (2015), 219 f.; García Espada, Enlargement (2014), 109–124. Baum, Äthiopien (2001), 143–149. Luttrell, Hospitallers (1998), 595–622; Tyerman, England (1988), 240–242.
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Das Ende kreuzzugsbezogener Expertenkulturen?
dete.24 In Frankreich sollte die Solvenz der Krone noch bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts von den Steuern abhängig bleiben, die zur Rückeroberung des Heiligen Landes erhoben wurden.25 Als schließlich 1337 Krieg zwischen der englischen und französischen Krone ausbrach, konnten die politischen Entscheidungsträger beider Seiten auf ein Arsenal an militärischen und fiskalpolitischen Maßnahmen zurückgreifen, die zuvor von ihren Expertenratgebern im Rahmen der Kreuzzugsplanungen entwickelt und erprobt worden waren. Die verantwortlichen Akteure blieben dabei oft dieselben: Clemens VI., der während des Hundertjährigen Krieges als erster Papst einem weltlichen Herrscher eine Steuer zur Kriegführung gegen andere christliche Herrscher gewährte, war etwa vor seinem Pontifikat als Kanzler Philipps VI. für die Kollekte und Verwaltung der französischen Kreuzzugssteuern verantwortlich gewesen.26 Die regelmäßigen Abgaben für den Klerus waren zugleich auch der Erisapfel, der den eingangs zitierten Chronisten dazu veranlasste, Päpste und Könige für ihre gescheiterten Rückeroberungsprojekte zu kritisieren. Ihn erboste weniger die Aussicht, dass die Muslime auch künftig friedlich würden schlafen können, als der Umstand, dass der versprochene Kreuzzug nicht zu Stande kam, die Last der Abgaben jedoch weiter stieg. Sein Argwohn illustriert, dass die Rückeroberung des Heiligen Landes als Katalysator für eine Reihe miteinander verflochtener gesellschaftlicher Prozesse fungierte. Die Suche nach sicherem Wissen in ungewissen Zeiten beförderte nicht nur herrscherliche Zentralisierungsmaßnahmen, sondern vor allem die Trennung von (Experten-)Ratgebern und politischen Entscheidungsträgern, welche die höfische Kultur der kommenden Jahrhunderte prägen sollte.
Ertman, Birth (1997); Schumpeter, Krise (1918), 8–19. Fryde, Taxation (1991), 265 f.; Henneman, Taxation (1971), 290–302; Housley, Crusading (2010), 298. Felten, Auseinandersetzungen (1991), 98.
Anhang
Siglenverzeichnis AA ANF AOM BA BBB BCC BL BLO BNF BNM BRF BSB BSG CCCM CClR CGOH CIC Extrav. Joh. CPR KBR MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit Const. SS SS rer. Germ. N. S. MWG PL RC RG RHC Doc. Arm. RHGF RJ RJF RN RS RTC SBB TNA UB
Acta Aragonensia. Ed. Finke Archives nationales de France Archives of the Order of St. John of Jerusalem, of Rhodes and of Malta (Valletta) Biblioteca Ambrosiana (Mailand) Burgerbibliothek Bern Biblioteca Capitular y Colombina (Sevilla) British Library (London) Bodleian Library Oxford Bibliothèque nationale de France (Paris) Biblioteca Nazionale Marciana (Venedig) Biblioteca Riccardiana di Firenze Bayerische Staatsbibliothek (München) Bibliothèque Sainte-Geneviève (Paris) Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis Calendar of the Close Rolls. Ed. Maxwell-Lyte Cartulaire général de l’Ordre des Hospitaliers. Ed. Delaville Le Roulx Corpus Iuris Canonici Extravagantes Johannis XXII Calendar of the Patent Rolls. Ed. Maxwell-Lyte Koninklijke Bibliotheek van België (Brüssel) Monumenta Germaniae Historica Die Briefe der deutschen Kaiserzeit Constitutiones et acta publica imperatorum et regum Scriptores Scriptores rerum Germanicarum. Nova series Max Weber-Gesamtausgabe Patrologia Latina. Hrsg. v. Migne Regestum Clementis papae V. Ed. Tosti Registres de Grégoire X. Ed. Guiraud Recueil des historiens des croisades Documents arméniens Recueil des historiens des Gaules et de la France Lettres communes de Jean XXII. Ed. Mollat Lettres secrètes et curiales du pape Jean XXII relatives à la France. Ed. Coulon Registres de Nicolas IV. Ed. Langlois Rerum Britannicarum medii aevi scriptores (Rolls Series) Registres du trésor des chartes Staatsbibliothek zu Berlin The National Archives (London/Islington) Universitätsbibliothek Basel
https://doi.org/10.1515/9783111085067-012
Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17
Abb. 18 Abb. 19
Dendrogramm mit Ward-Verknüpfung. © Gion Wallmeyer 119 Durchschnittliche Verteilung der Kategorien in den drei Aggregaten. © Gion Wallmeyer 120 Die Kreuzzugsroute in ausgewählten Rückeroberungsplänen. © Pamela Mannke-Gardecki 162 Verhältnis von Kreuzzugsfinanzierung zu Militärstrategie. © Gion Wallmeyer 237 Verhältnis von Kreuzzugsfinanzierung zu Geographie/Ethnographie. © Gion Wallmeyer 237 Verhältnis von Militärstrategie zu Geographie/Ethnographie. © Gion Wallmeyer 238 Routenoptionen im Liber recuperationis des Fidenzio von Padua. © Pamela Mannke-Gardecki 293 Darstellung des östlichen Mittelmeeres im Liber recuperationis (um 1300). Aus: BNF Ms. Lat. 7242, fol. 122v. © Bibliothèque nationale de France 325 Portolankarte des östlichen Mittelmeeres aus der Werkstatt des Pietro Vesconte (1313). Aus: BNF CPL GE DD-687. © Bibliothèque nationale de France 327 Weltkarte aus dem Liber secretorum des Marino Sanudo (1327–1330). 383 Aus: BL Add. Ms. 27376✶, fol. 187v–188r. © British Library Portolankarte des östlichen Mittelmeeres aus dem Liber secretorum des Marino Sanudo 386 (1327–1330). Aus: BL Add. Ms. 27376✶, fol. 182v–183r. © British Library Position der Kategorien in der Informatio des Johanniterordens (1307). © Gion Wallmeyer 406 Position der Kategorien in der Memoria Terre Sancte (1307). © Gion Wallmeyer 409 Armenien-Allegorie im Liber secretorum des Marino Sanudo (1322/23). Aus: BLO Ms. Tanner 190, fol. 20v. © Creative Commons (CC BY-NC 4.0) 436 Armenien-Allegorie im Liber secretorum des Marino Sanudo (1327–1330). Aus: BL Add. Ms. 27376, fol. 7r. © British Library 437 Skizze einer Plattform im Texaurus regis Francie des Guido von Vigevano (1335). Aus: BNF Ms. Lat. 11015, fol. 43r. © Bibliothèque nationale de France 440 Karte des östlichen Mittelmeeres mit Itinerar aus dem Liber secretorum des Marino Sanudo (1322/23). Aus: BLO Ms. Tanner 190, fol. 204v–205r. © Creative Commons (CC BY-NC 4.0) 445 Adressatennetzwerk des Marino Sanudo (1321–1336). © Gion Wallmeyer 524 Cliquen im Adressatennetzwerk des Marino Sanudo (1321–1336). © Gion Wallmeyer 529
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Tabellenverzeichnis Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4 Tab. 5 Tab. 6 Tab. 7 Tab. 8 Tab. 9 Tab. 10 Tab. 11 Tab. 12 Tab. 13 Tab. 14
Schriftliche Rückeroberungsvorschläge (1290–1336). 26 Verteilung der Kategorien in den Kreuzzugsmemoranden. 124 Näherungsmatrix (Quadriertes euklidisches Distanzmaß). 126 Nahrungsverbrauch eines Seemanns. Aus: Pryor, Bohemonds March (2006), 10–12. 186 Kosten für den Nahrungsverbrauch eines Seemanns nach Sanudo. 221 Verweise im Rückeroberungstraktat des Pierre Dubois. 242 Die Wegstrecke von Gaza nach Kairo in den Kreuzfahreritineraren. 320 Toponyme an der ägyptischen Mittelmeerküste. 443 Aufbau der quaestio disputata im Liber recuperationis des Fidenzio von Padua. 458 InDegree der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk. 541 OutDegree der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk. 541 Proximal-Betweenness der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk. 542 Alpha-Zentralität (Bonacich) der Alteri in Sanudos Adressatennetzwerk. 542 Incipit ausgewählter Rückeroberungsmemoranden. 546
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Kategorien der Inhaltsanalyse Analyseeinheit: Schriftliche Rückeroberungsvorschläge (1290–1336) Codiereinheit: Sinneinheiten (Doppelcodierungen möglich) Messeinheit: Wörter
Aufbau und Rekrutierung des Heeres Operationale Definition
() Aufstellung des Personals, welches für einen Kreuzzug notwendig ist. () Vorschläge über Mittel und Methoden, Personal für einen Kreuzzug zu akquirieren. () Vorschläge über die Führung des Heeres.
Indikatoren
ballistarii, capitaneus, equites, gens a cheval, gens d’arms, pedites, entspr. Mengenangaben
Ankerbeispiele
Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, : Item, se il plaist au Saint Syege apostolical d'ordener les soudees des mil homes a cheval et .IIII. C mil aubalestriers .V. ans continuels, et .IX. gualees chascun an .VIII. moys, et les susdites gualees et gens serront compartiz a Roddes et en Chipre en tens et en saisons, selonc la pourveance dou chevetaine et l'ordinance dou Saint Syege apostolical, en la manière que il porront plus grever les mescreans. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, : Item necesse esset quod noster dominus papa ordinaret quam citius posset ad perpetuum .IIIm. equites et .IIIm. arbalistarios et .Xm. servientes, tum pro necessitate conquestus Terre sancte, tum pro eius custodia sustinenda contra inimicos dicte fidei.
Diplomatie und Bündnispolitik Operationale Definition
() Vorschläge über das Eingehen militärischer Allianzen zwischen Herrschern. () Vorschläge über das Vermeiden militärischer Allianzen zwischen Herrschern.
Indikatoren
Herrschernamen, matrimonium, nuntii, societas
Ankerbeispiele
[Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, : Item tractetur matrimonium inter filiam regis Navarre et istum parvulum regem alfonsum castelle, quia cum alia de domo Francie fieri non posse; yspani enim non acciperent aliam, nisi filiam regis aut primogeniti. Hethum von Korykos, Flos Historiarum. Ed. Robert, : De societate vero Christianorum et Tartarorum videtur michi quod aliqua quantitas Tartarorum, circa Xm videlicet, posset multa conferre commoda Christianitas per itinera incendendo.
Ethnographie und Geographie
Operationale Definition
() Beschreibung der Bewohnerinnen und Bewohner einer Region. () Beschreibung von politischen Entitäten einer Region. () Beschreibung der Wirtschaft einer Region. () Beschreibung der Topographie einer Region. () Beschreibung der Position und Ausstattung von Siedlungen einer Region.
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Kategorien der Inhaltsanalyse
(fortgesetzt)
Indikatoren
aigue, castrum, civitas, flumen, mons, Namen von Orten, Regionen und Völkern, natio, populus
Ankerbeispiele
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, : Armenorum populus, in Armenia provincia, prope Antiochiam, in Christianos et Saracenos inhabitat seorsum: inter omnes Christianos singulares ritus et proprias habens observentias (...). Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, : Haman si est grant ville et foible et pernable et y a poi de gens d'armes.
Geschichte Operationale Definition
() Beschreibung vergangener Ereignisse. () Beschreibung der Taten vergangener Personen.
Indikatoren
anno domini, Jahresangaben, exemplum, Historische Personennamen
Ankerbeispiele
[Gonzalo de Hinojosa], Informatio. Ed. Dürrholder, : Quo tempore anno domini M circa C quatuor magnates, scilicet dux Godofredus, dux lotaringie, comes flandrie, comes blesensis, comes Raymundus tolosanus cum magna multitudine christianorum ad terram sanctam accesserunt et expulsis inde sarracenis totam terram et dominium recuperaverit (...) Foulques de Villaret, Projet de passage particulier. Ed. Kedar/Schein, : Ce l'ost des crestiens veut passer par terre, et les pelerins qui les suiront, l'on doit regarder au primier passage qui fu meu par Pierre l'Ermite et le duc Godeffroy de Billon, et les autres barons qui passèrent, et grant quantité de pelerins sains nombrer.
Gottesfrieden Operationale Definition
() Vorschläge zur Vermeidung kriegerischer Handlungen zwischen den Kreuzzugsparteien. () Vorschläge zur Vermeidung kriegerischer Handlungen in ganz Lateineuropa.
Indikatoren
(generaliter) pax, tranquillitas, treuga Dei
Ankerbeispiele
Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, : Pacientia multum est neccessaria volentibus pugnare contra infideles, immo etiam multum est neccessaria omnibus Cristianis qui debent ad invicem conservari. Guillaume Durand, Informatio. Ed. Dürrholder, : Item cum in regno isto plus quam in aliis regnis sit communiter propter pacem et tranquilitatem ipsius regni defectus armorum et eciam equorum ad arma, videretur expediens, quod omnibus iuxta eorum gradus et facultates paulatim ex nunc imponerentur arma ab ipsis ex necessitate habenda et tenenda, et eciam eque ad pertandum et procurandum equos, de quibus homo se iuvare posset (...).
Kreuzzugsfinanzierung Operationale Definition
() Aufstellung der Kosten des Kreuzzuges. () Vorschläge zur Akquise von Geldern für den Kreuzzug.
Indikatoren
beneficium, Geldbeträge, pecunia, subsidium, thesaurus, stipendium
Kategorien der Inhaltsanalyse
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(fortgesetzt)
Ankerbeispiele
Mémoire de Nogaret. Ed. Boutaric, : Nono, quod concedantur sibi per tempus predictum pro subsidio, supradicto, redditus et proventus primi anni beneficiorum ecclesiasticorum que va care contigerit per dictum tempus in regno, provinciis, civitatibus et dyocesibus supradictis. Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, : Item quod omnia vasa argentea et aurea que prelati tenent pro mensarum et personarum suarum servicio, exceptis illis de quibus sibi serviunt et servire possunt in ecclesia divinum agendo offïcium, sint pro passagio cum obibunt.
Kreuzzugsroute Operationale Definition
() Beschreibung des Weges, den das Kreuzfahrerheer nach Osten nehmen soll.
Indikatoren
liue, per mare, per terram, portus
Ankerbeispiele
Via ad Terram Sanctam. Ed. Kohler, : Issir de la Portelle, et aler vers la terre d'Antioche par le Pont dou Fer, et chevaucher par la Marre et par Sermin et par Mequaret Mesrin, et par tote celle terre jusques a Haman. Memoria Terre Sancte. Ed. Kohler, : Gentibus quidem de Anglia [qui] moverentur et de Franchia melior portus esset eis in Provincia, quantum per longum protenditur. Illis de Aragonia portus eorum et riverie de Cathalonia; et illis de Castella et Portugalle et Provincia esset eis communis. Alamanis portus Veneciarum; Lombardis et Tuscis portus Janu[ensis] et Pisanus.
Legislation Operationale Definition
() Vorschläge für den Erlass von Gesetzen, Dekreten, Privilegien, etc. () Vorschläge für die Aufhebung von Gesetzen, Dekreten, Privilegien, etc. () Vorschläge für die Anwendung von Gesetzen, Dekreten, Privilegien, etc. () Vorschläge für die Schaffung von Institutionen.
Indikatoren
indulgentia, iurisdictio, ordinare, privilegium, statuere
Ankerbeispiele
Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Langlois, : Petatur per concilium statui quod major pars bonorum decedentium predicte previsioni Terre Sancte et sequenti, que tendit ad reformationem et unitatem veram totius reipublice catholicorum, misericorditer applicetur una cum residuo bonorum dictorum prioratuum (...). Livre de Guillaume Le Maire. Ed. Port, : Item, quod aliquid de premissis nullo modo assignetur vel tradatur alieni, cujuscumque conditionis aut status sive dignitatis existat, sine litteris sedis apostolice bullatis; et quod dominus noster optime caveat per sentencias et alias adversus quoscumque, qui bona hujus modi, sive postquam deposita fuerint in ede sacra vel ante, per se vel per alios presumpserint occupare vel prelatos hac occasione molestare.
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Kategorien der Inhaltsanalyse
(fortgesetzt) Logistik Operationale Definition Indikatoren
Ankerbeispiele
() Aufstellung des Materials, das für einen Kreuzzug notwendig ist. () Vorschläge für die Versorgung des Kreuzfahrerheeres. () Vorschläge für den Transport von Personal und Material für den Kreuzzug. arma, herbage, transfretare, viande, victuale [Guillelmus Adae], Directorium. Ed. Kohler, : Quomodo ergo ipsa Turchia sive Asya circa se ad predictas tres partes, scilicet occidentem meridiem et aquiloniem, regiones et loca contineat optima, ex quibus per mare valeant exercitui victualia provenire, quomodo etiam in se habeat loca et portus commodos in quibus possunt recipere vasa quecunque ipsa victualia deportantes lucide et breviter declarantur. Jacques de Molay, Consilium. Ed. Baluze/Mollat, : Item, non laudo galeas in facto passagii, sed naves et alia magna vasa; et hoc ideo quia naves sunt magis proficue et laudabiliores quam galee. Nam una navis portabit plus quam quatuor galee, et una galea constabit plus quam tres naves.
Militärische Gerätschaften Operationale Definition
() Konstruktionsanleitungen von Ausrüstung und Fahrzeugen für den Kreuzzug. () Beschreibung von Ausrüstung und Fahrzeugen für den Kreuzzug.
Indikatoren
machina, brachium
Ankerbeispiele
Marino Sanudo, Liber secretorum. Ed. Bongars, f.: Debent coxae machinae antedictae tanto in foliis fore amplae, quanto alta est preafata machine in castello, ac debet praefata machine desubtus esse aperta in soliis, inter duas coxas tertia parte minus (...). Guido von Vigevano, Texaurus. Ed. Ostuni, : Primo accipiantur assides subtiles et leves longe brachiis III et medio late uno brachio vel medio et numero tot quot voluerimus facere pontem longum et coniungantur in axis ferri et per transversum positis ad contrarium intus et extra ut possint in una balla colligi et super equis aportari.
Militärische Taktik und Strategie Operationale Definition
() Anweisungen für die Bewegungen von Truppen in Gefechten (Taktik). () Anweisungen für die Bewegungen von Heeren in Kriegen (Strategie). () Antizipation gegnerischer Truppenbewegungen.
Indikatoren
combattre, defendere, exercitum, Saraceni
Kategorien der Inhaltsanalyse
595
(fortgesetzt)
Ankerbeispiele
Mémoire de Foulques de Villaret. Ed. Petit, : Et sic opportebit Sarracenos habere gentes armorum pedites et equites ituros et venturos de loco in locum juxta marittimam, cum videbunt armamentum Christianorum in terram ponere velle gentes, et sic forsan, simulato quod gentes ponantur in terram et nichil fiet, set ibunt una die vel una nocte, quatuor aut quinque dietas, seu quantum poterunt, et tunc mittent gentes in terram sic quod accidet propter istud ire et venire, quod gentes armorum Sarracenorum consument arma sua et animalia et expendent quicquid habebunt (...) Conseil du roi Charles. Ed. Brătianu, : Et que quant li crestien decendroient la ou li passages seroit ordenes Li soudans et sa force la leur defendroit mout. Et se ce estoit que li cristien preissent terre par force et se fussent herbergies de novel en leur venue li sarrasin ne se combattroint point acaus amcois se retrerroent en leur terres qu il ont e grans et larges.
Mission Operationale Definition
() Mittel und Methoden zur Konversion Andersgläubiger zum lateinischen Christentum. () Beschreibung der Glaubensgrundsätze nicht-lateinisch-christlicher Religionsgemeinschaften.
Indikatoren
convertere, disputare
Ankerbeispiele
Ramon Llull, Liber de passagio. Ed. Domínguez Reboiras/Garí, : De Saracenis captivis inter christianos ordinetur, quod aliqui de ipsis idonei accipiantur, quibus fides nostra ostendatur et aliquae nostrae rationes destruentes sectam eorum. Et st ad fidem venire voluerint, quod disputetur cum ipsis per aliquod tempus.
Moralität und Ethik Operationale Definition
() Anweisungen für das gute bzw. sittlich richtige Handeln. () Argumentative Begründung des guten bzw. sittlich richtigen Handelns. () Diffamierende Äußerungen über das Verhalten bzw. die Eigenschaften der Gegner.
Indikatoren
infideles, luxuria, nocere, virtus
Ankerbeispiele
Galvano di Levanto, Liber sancti passagii. Ed. Kohler, : (...) ibi Christi et sanctorum ymagines, quas christianitas adorat, conculcantur, et stabularia aliunde fiunt. Heu mihi, quam terrible, quam flebile hoc, quam abhominabile christianis, si non sunt molles aut inlegiptimi filii Jhesu Christi! Fidenzio von Padua, Liber recuperationis. Ed. Golubovich, : Cristianis etiam habitatoribus Terre Sancte multum nocuit et nocet effeminatio.
596
Kategorien der Inhaltsanalyse
(fortgesetzt) Neues Königreich Jerusalem
Operationale Definition
() Vorschläge für die politische Struktur der durch den Kreuzzug eroberten Territorien. () Vorschläge für die wirtschaftliche Struktur der durch den Kreuzzug eroberten Territorien. () Vorschläge für die Aufteilung der durch den Kreuzzug eroberten Territorien.
Indikatoren
conservatio Terrae Sanctae, Ierusalem, sustenance de la Terre, sustinere
Ankerbeispiele
Ramon Llull, Liber de fine. Ed. Madre, : Dominus papa et domini etiam cardinales eligant et ordinent unum nobilem ordinem, qui ordo militiae nominetur. Et caput istius ordinis et magister dominus bellator rex nuncupetur. (...) Et si fieri possit, regnum sibi Ierusalem tribuator (...). Pierre Dubois, De recuperatione. Ed. Langlois, : Item, et quodlibet reguum catholicorum, nec non alie late regiones quelibet videlicet, habeat ibi civitatem castellum aut alium locum insignem cum locis adjacentibus juxta sui populi quantitatem (...).
Seeblockade des Orienthandels Operationale Definition Indikatoren
() Vorschläge zur Unterbindung des Seehandels lateinischer Christen mit muslimischen Reichen. Alexandria, custodia maris, falsi bzw. mali Christiani, merces
Ankerbeispiele
Guillelmus Adae, Tractatus. Ed. Constable, : Tercio si alique galee armate tenerentur in mari cum quibus viam illam facientes caperentur et in servitutem redigerentur et bona eorum in sortem eos capientium vel ecclesie devenirent. Heinrich II. von Lusignan, Mémoire. Ed. Mas Latrie, : Videtur enim dicto regi et consilio suo, quod cum dictum passagium, (...) statim forte parari non possit, quod ad minuendas vires soldani et Sarracenorum, interim quousque passagium efficaciter sit paratum, debeat premitti aliqua quantitas galearum, que capiant malos et falsos Christianos, qui dictis Saracenis portant homines armorum, scilicet Mamolucos, lignamina, ferrum, picem, victualia et alias merces necessarias eis.
Quellenverzeichnis Gedruckte Quellen Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291–1327). Ed. Heinrich Finke, 3 Bde. Berlin 1908–1922. Aegidius Romanus, De regimine principum. Über die Fürstenherrschaft (ca. 1277–1279). Hrsg. u. übers. v. Volker Hartmann. Heidelberg 2019. Ambroise, L’Estoire de la guerre sainte. Histoire en vers de la troisième croisade, 1190–1192. Ed. Gaston Paris. Paris 1897. Anna Komnene, Alexias. Hrsg. u. übers. v. Diether Roderich Reinsch. Köln 1996. Anonymi descriptio Europae orientalis. Imperium Constantinopolitanum, Albania, Serbia, Bulgaria, Ruthenia, Ungaria, Polonia, Bohemia. Ed. Olgierd Górka. Krakau 1916. Anonymi gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum. Ed. Heinrich Hagenmeyer. Heidelberg 1890. Appendice. Ed. Alberto M. Boldorini, Imperatore (1966), 145–153. Aragonesische Gesandtschaftsberichte vom allgemeinen Konzil von Vienne. Ed. Finke, Papsttum, Bd. 2 (1907), 230–306. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum. Ed. Johann Martin Lappenberg, in: Georg Heinrich Pertz (Hrsg.), Historici Germaniae saec. XII., Bd. 1. (MGH SS 21.) Hannover 1869, 106–112. Augustinus, Quaestiones in Heptateuchum. Fragen zum Heptateuch. Ed. Walter Groß. (Augustinus Opera – Werke 57.) Paderborn 2018. Avis du conseil du roi sur la route que Philippe VI de Valois devra suivre pour la croisade projetée. Ed. Delaville Le Roulx, France, Bd. 2 (1886), 7–11. Bartholomew Cotton, Historia Anglicana (A. D. 449–1298). Ed. Henry Richard Luard. (RS 16.) London 1859. Bericht des Petrus Barrerie über die Verhandlungen mit König Philipp von Frankreich aus dem Ende des Jahres 1313. Ed. Schwalm, Beiträge (1900), 562–566. Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke. Hrsg. u. übers. v. Gerhard Winkler, 10 Bde. Innsbruck 1990–1999. Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey. Ed. Martina Hartmann. (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 9.) Hannover 2012. Briefe, Reden und Gutachten zur Geschichte des Untergangs des Templerordens. Ed. Finke, Papsttum, Bd. 2 (1907), 1–229. Bruno von Olmütz, Relationes episcopi Olomucensis pontifici porrectae. Ed. Jakob Schwalm. (MGH Const. 3.) Hannover 1904–1906, 589–595. Calendar of the Close Rolls preserved in the Public Record Office. Edward I. Ed. Henry Churchill Maxwell-Lyte, 5 Bde. London 1900–1908. Calendar of the Patent Rolls preserved in the Public Record Office. Edward II. Ed. Henry Churchill MaxwellLyte, 5 Bde. London 1894–1904. Cartulaire général de l’Ordre des Hospitaliers de Saint-Jean de Jérusalem 1100–1310. Ed. Joseph Marie Antoine Delaville Le Roulx, 4 Bde. Paris 1894–1906. Chronica monasterii Casinensis. Die Chronik von Montecassino. Ed. Hartmut Hoffmann. (MGH SS 34.) Hannover 1980. Chronicon domini Walteri de Hemingburgh. Ed. Hans Claude Hamilton, 2 Bde. London 1848–1849. Die Chronik Johanns von Winterthur. Ed. Friedrich Baethgen. (MGH SS rer. Germ. N. S. 3.) Berlin 1924. Chronique de Primat. Traduite par Jean du Vignay. Ed. Gaston Paris. (RHGF 23.) Paris 1894, 1–106. Chronique du Templier de Tyr. Ed. Gaston Raynaud, in: Ders. (Hrsg.), Les Gestes des Chiprois. Recueil de chroniques françaises écrites en Orient au XIIIe et XIVe siècles. Genf 1887, 139–334.
https://doi.org/10.1515/9783111085067-016
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Orts- und Personenregister Abaqa, Ilkhan von Persien 348 Abessinien. s. Äthiopien Abu Saʿīd, Ilkhan von Persien 153, 282, 346 Achaia, Fürstentum 398–399 Adana 266 Adé 256 Aden 289, 300 Aden, Golf von 259, 302, 335, 345, 431, 434, 554–555 Adhemar, Bischof von Le Puy 397, 462 Adriatisches Meer 293, 323 Aegidius Romanus OESA 44, 447, 452 Afrika 28, 30, 252, 300, 303, 307, 381, 384, 433, 544 – Nordafrika 79, 162, 295, 328, 362, 473, 497 – Ostafrika 256–257, 259, 269–270, 288–289, 335, 382–383, 554, 581 Ägäisches Meer 22, 176, 268, 273, 283, 288, 290, 303, 305, 322–323, 344, 346, 371–372, 374, 377, 398, 426, 493, 500, 519, 523–524, 529, 578 Ägypten 33, 60–61, 63, 79, 106, 117, 123, 129, 135, 146, 150, 155, 164–167, 172–175, 184, 190, 196, 201, 259, 263–264, 269–272, 276–277, 279–284, 288–289, 291, 295–302, 304–305, 310, 312, 319, 328–334, 345–347, 357, 361, 371, 373, 375–376, 382, 384, 386–387, 415, 422, 425, 427–428, 431, 433–435, 439, 444, 456–457, 459, 463, 466, 468–470, 473–474, 480, 482, 487, 489, 492–494, 497, 500, 532, 545, 554–555, 560, 564–565, 572, 579, 581 Aigues-Mortes 441 Akkon 3, 22, 33, 64, 68–69, 70, 71, 88–89, 129–130, 139, 141, 145, 169, 198, 204, 254–255, 265, 299, 303, 311, 328, 333, 337, 354, 366, 371, 374, 399, 437, 457, 468, 487, 506 – Dominikanerkloster 48 – Hafen 381 Akşehir 55 al-ʿAbbāsa 296 al-ʿArīš 466 Alaya, Burg 174 Albert von Aachen, Magister 357 Albert von Schwarzburg, Johanniter 133–134, 136, 176, 182 Alberto Mussato 377 Albrecht I. von Habsburg, König (HRR) 98, 197, 398, 491, 517 https://doi.org/10.1515/9783111085067-018
al-Dyyb. s. Diu Aleppo 278–279, 291, 295 Alertz, Ulrich 361, 438 Alès 200 Alexander der Große, König von Makedonien 239, 414–416, 452–455, 461, 464–466 Alexandria 135, 146, 152–153, 165–168, 174, 273, 275, 296, 300–302, 305, 322, 328–333, 346–347, 371, 441, 444, 532, 553, 579 Alexios I. Komnenos, Kaiser (Byzanz) 41, 286, 288 Alfons III., König von Aragon 136, 140 Alfons IV. der Gütige, König von Aragon 84 Alfons X. der Weise, König von Kastilien und León 7 Alfons XI. der Gerechte, König von Kastilien und León 141–144, 170 al-Ghurābī 265, 272, 322 al-ʿKāmil, Sultan von Ägypten 340 al-Manṣūra 60, 62–63, 297, 468 Almeira 580 Almerico de Nohalco, Erzdiakon von Villa Muro 508 Alpen, Gebirge 217 Alphandéry, Paul 51 al-Quṣair 272, 275 al-Rāzī 362 Althoff, Gerd 39, 93 al-Warrāda 466 Amalrich I., König von Jerusalem 319 Amalrich II., König von Jerusalem 139 Amalrich II., Vizegraf von Narbonne 178, 398, 538 Amalrich von Lusignan, Fürst von Tyrus 134, 145–146, 267–268, 349, 486 Amalrich von Narbonne 178 Amanieu d’Albret 402 Amasra 278 Ambroise, Troubadour 316 Ambrosio Salvaygo 331 Amorgos 167 Anagni 194–195 Ancona 146, 268 Andrea Cornaro 500 Andreas von Longjumeau OP 45, 252, 261 Andronikos II. Palaiologos, Kaiser (Byzanz) 132, 287–288, 424, 489–491, 493, 500, 510, 512–514, 516, 518–519, 524, 528, 536
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Orts- und Personenregister
Andronikos III. Palaiologos, Kaiser (Byzanz) 529 Angers 201–202 – Saint-Maurice 202 Anna Komnene 41, 55, 315 an-Nāṣir Muḥammad I., Sultan von Ägypten 173, 279, 304, 311, 331–332, 346, 573 Anthony Bek, Bischof von Durham 399 Antiochia 3, 50, 53, 67, 92, 130, 254, 272, 274–275, 295, 313, 327, 408, 468, 492–493 Antiochia, Fürstentum 129, 284 Antivari 100, 103, 256 Aorade. s. al-Warrāda Apulien 159, 301, 322 Aragon 131, 179, 228, 493, 498, 500, 526 Archimedes 551 Archipelagos, Herzogtum 290, 346, 371, 377, 478 Argun, Ilkhan von Persien 282, 342, 345 Aristoteles 241, 379, 410, 452–455, 465, 561–562, 580 Arles 73 Armenien 89, 101, 144–145, 155, 159, 163, 189, 258–260, 263, 267–268, 272, 280, 284–286, 291, 293–296, 301, 305, 329, 333, 335, 342–345, 349, 371, 398, 402, 405, 424–425, 428, 435–437, 457, 466–467, 474, 476, 479, 484, 492–493, 517, 523, 562–563, 565 Arnald von Villanova 353–354, 497, 536 Arnau de Banyuls, Templer 131 Arnaud de Pellegrue, Kardinal 209 Arnaud de Via, Kardinal 535 Arnaud Novel OCist, Kardinal 473 Arno, Fluss 184 Arnold von Lübeck OSB 52 Arsuf 314 Arwad, Insel 129–130, 173–174, 178, 181–182, 282, 289, 291–292, 294, 303–305, 328, 343, 457, 479, 489–491, 573 Ash, Eric 417–418, 472 Asien 28, 30, 45, 145, 251–253, 256, 260, 262, 303, 307–308, 317, 333, 335, 342, 351, 381, 384, 415–416, 431, 554, 581 – Ostasien 253, 270 – Vorderasien 44, 259, 269, 280, 305–306, 329, 376, 532, 572 – Zentralasien 383 Askalon 52 Asowsches Meer 383 Äthiopien 256, 258, 280, 288–289, 334–335, 340, 384, 548, 554, 565, 581 Atilius Regulus 43
Auge, Oliver 7 Augorabi. s. al-Ghurābī Augustinus OSB, Erzbischof von Canterbury 242 Augustinus von Hippo, Kirchenvater 51, 242, 351, 379 Aurell, Martin 44, 446 Avicenna. s. ibn Sīnā Avignon 101–102, 131, 139, 144, 200, 250, 256, 258–259, 356, 373, 394, 424, 443–444, 483, 485, 498, 503, 509, 513, 515, 527, 535, 538 – Dominikanerkloster 101 – Franziskanerkloster 392 Ayalon, David 279 Ayas 145, 294, 467, 532 Aydin, Beylik 290, 304, 343, 347, 425, 579 Bāb al-mandab 302, 459, 555 Babylon 415 Bachrach, Bernard S. 271, 449 Bagdad 345–346, 416 Baibars, Sultan von Ägypten 254, 263, 274, 283, 437 Baktrien 384 Balduin I., König von Jerusalem 466, 568 Balduin III., König von Jerusalem 52, 451 Balduin von Exeter, Erzbischof von Canterbury 40, 57 Baldwin, Philip 63 Balearen 364 Baltikum 21, 78, 129, 228, 340, 383 Bar. s. Antivari Bar Ṣaumā, Rabban 342 Barber, Malcolm 207 Barcelona 95, 147, 364, 492, 496 Bardawil-See 466 Bar-Hebraeus 345 Bärkä, Khan der Goldenen Horde 283 Barker, Hannah 166, 346 Bartholomaeus Carusio. s. Bartholomäus OESA, Bischof von Urbino Bartholomäus OESA, Bischof von Urbino 254, 410 Bartholomäus von Capua 203 Bartholomew Cotton OSB 73 Basel 255–256 Basra 300 Baumgärtner, Ingrid 245 Bayonne 532 Beaucaire 194, 404 Beazley, Raymond 256–257
Orts- und Personenregister
Beda Venerabilis OSB, Heiliger 376 Beijing. s. Khanbaliq Bejaia 365 Béla III., König von Ungarn 59 Bellapais, Kloster 267 Beltran de Tarragona, Johanniter 206 Benedetto Cotrugli 322, 377 Benedetto Zaccaria 158, 174, 184, 345, 347, 573 Benedikt XI., Papst 355 Benedikt XII., Papst 92, 103, 250, 516 Bérenger d’Olarges, Kanoniker 96, 148, 488 Bérenger de Cardona, Templer 131, 205 Bérenger Fredoli, Kardinal 500 Bernard Vital 34, 147–148, 187 Bernat de Fonollar, Ritter 392 Bernhard von Clairvaux OCist, Heiliger 51–52, 58, 66, 87–88, 462 Bertrand de Montfavez, Kardinal 477 Bertrand de Rouge Negade, Ritter 486 Bertrand du Pouget, Kardinal 234, 373, 384, 513, 516, 525–526, 540 Bertrandon de la Broquière, Ritter 410, 579 Béziers 96, 198, 200, 488, 512 Biagio Zeno 149 Blanka von Anjou, Königin von Aragon 498 Blanka von Kastilien, Königin von Frankreich 37, 400 Blois, Schloss 254 Boentio de Asturia OP 260, 335, 484 Boethius 376, 447, 456 Bohemund, Fürst von Tarent 293–294, 462 Böhmen, Königreich 48 Bologna 357 Bombi, Barbara 514 Bonacich, Philipp 534 Bonacursus OP, Erzbischof von Tyrus 46 Bonifaz VIII., Papst 79–80, 98, 100, 194–195, 198, 228, 244, 250, 336, 354–355, 367, 423, 492 Bonifaz von Calamandrana, Johanniter 136 Bonner, Anthony 370 Bono Giamboni 448 Bouchard de Montmorency, Ritter 398 Bougier. s. Bejaia Bousser. s. Būṣīr Boutaric, Edgar 195 Boyle, Leonard E. 197 Brandt, Walter 199, 223, 242 Brindisi 163, 293, 295, 500 Britische Inseln 323, 326, 580
657
Bröckling, Ulrich 18, 567 Brügge 372 Brundage, James 79 Brunner, Otto 38 Bruno, Bischof von Olmütz 46–48, 71 Brüssel 256 Bubert, Marcel 472 Buda 37 Burchard, Pseudo- 257 Burchard vom Berg Zion OP 257, 259, 324–327, 356, 376, 387 Burgos 141, 143 Burgtorf, Jochen 140 Burgund 207 Burke, Peter 9 Burkhardt, Mike 505 Būṣīr 466 Caesar 465 Cagliari 441 Campaldino 178 Canterbury 73, 226, 235 Cary, George 464 Cathay. s. China Catie. s. Qatia Cecchini, Francesca 539 Ceylon. s. Sri Lanka, Insel Châlons-en-Champagne 39–40, 58 Chalon-sur-Saône 404 Château Pèlerin, Burg 3, 68 China 48, 145, 281, 334, 349 Chinon, Burg 394 Chios, Insel 158, 213, 258, 268, 303, 305, 344, 346–347, 478 Chollet, Dominique 239 Christina, Königin von Schweden 197 Cicero 140, 371, 376, 447, 466, 549 Ciocîltan, Virgil-Ionel 344–345 Clausewitz, Carl von 19–20, 157, 171, 559–560 Claverie, Vincent 219 Clemens V., Papst 67, 75, 78–80, 88, 96, 98, 100, 104–106, 121, 128, 130–133, 135, 143, 147, 157, 166–167, 181–182, 184, 186, 196, 198, 201–206, 208, 214, 226, 228, 236, 244, 247–248, 250, 255, 259, 264, 266–267, 270, 281–282, 311, 313, 335, 347, 349–350, 353–355, 357, 366–367, 372, 380, 393–395, 399, 401–402, 405, 407, 411, 421, 424, 483–484, 486–498, 500–501, 509, 514, 536, 558, 561–563, 570, 573
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Orts- und Personenregister
Clemens VI., Papst 219, 578, 582 Clermont 21, 49, 233 Coelestin V., Papst 166, 336, 367, 423 Collard, Franck 361 Collins, Harry 407, 429 Condom 141 – Dominikanerkloster 256 Constable, Giles 209 Contamine, Philippe 171 Coureas, Nicholas 145 Coutances 98–99, 199, 239, 244 Crécy 92, 171 Cremona 531 Dalmatien 295 Damaskus 273, 279, 281, 295, 451, 532 Damietta 37, 151, 163, 275–276, 296, 422–423, 441, 467, 469, 552 David II., König von Schottland 91 Davidson, Donald 480 Degenhart, Bernhard 260, 373, 435, 444, 515, 539 Delaville Le Roulx, Joseph Marie Antoine 22, 29, 114, 140, 204 Delbrück, Hans 171 Delisle, Leopold 140 Demurger, Alain 114, 131, 483 Diotti, Angelo 197 Diu 303 Dodekanes 104, 132, 163, 290, 488–490, 500, 573 Don, Fluss 381 Dörper, Sven 266, 349 Dorylaeum 37, 54 Dover – Hafen 417 Dschibuti 302 Dschingis Khan 280, 348–350 Dulaurier, Edouard 266 Durand de la Prévôté, Johanniter 133, 205 Durazzo 293–295, 398–399 Durham 399 Edbury, Peter 145 Edson, Evelyn 274, 383 Eduard I., König von England 64, 81, 88–89, 95–96, 129, 135–136, 139, 143, 177, 194, 198, 202, 211, 248, 262–263, 281, 336, 399, 402, 449, 468, 487, 490–491, 495, 568
Eduard II., König von England 136, 201, 495, 526, 532 Eduard III., König von England 23, 84–85, 90–92, 135–136, 152, 157, 233, 372, 399, 404, 417, 453, 455, 510, 523, 525, 530, 532, 574 Eleonore, Königin von England 449 Elias, Norbert 8, 505 Emmanuele Piloti 579 England 105, 136, 174, 210, 215, 218, 402, 538 Enguerran de Marigny 196–197, 473 Ephesos 257 Erard de Valéry, Ritter 62 Erdmann, Carl 33, 51, 230 Eritrea 288 Étampes 36, 39 Eugen III., Papst 50–51, 62, 209, 230 Ezechia, König von Juda 64 Falkirk 399 Famagusta 144, 146, 301 Fāraskūr 60, 70 Fasolt, Constantin 200, 538 Favier, Jean 196 Federico di Levanto 354 Felten, Franz 85, 94, 134 Ferdinand III. der Heilige, König von Kastilien und León 210 Ferrara 79, 175, 422, 539 Fidenzio von Padua OFM 28, 46, 64–66, 67, 72, 96, 163–164, 175, 188–190, 212–213, 235, 254–255, 260–261, 267, 272–273, 275, 278–280, 283–284, 288–289, 293–295, 297, 299–301, 303, 310, 313–316, 322–324, 326–330, 333–338, 341, 376, 395, 410–411, 420, 448, 450–451, 454, 456–460, 466–469, 473, 546, 560, 566–568 Fidora, Alexander 453 Filippo Busseri OFM 112, 259–260, 335, 341, 487, 490–491 Filippo di Savona. s. Filippo Busseri OFM Finke, Heinrich 29 Flandern 105, 184, 233, 398, 509, 513, 538 Flavius Josephus 241, 376 Flavius Vegetius Renatus. s. Vegetius Florenz 219, 329, 508 Forey, Alan 487 Foulques de Villaret, Johanniter 34–35, 67, 104, 121, 131–137, 141, 150–154, 156, 161, 173, 176, 179–182, 188, 204–205, 264, 290, 307, 310–311,
Orts- und Personenregister
343, 398, 405, 412, 469–470, 480, 489–490, 494–496, 498, 500–501, 506, 536, 548, 558, 562–563 Francesco Balducci Pegolotti 300, 302 Francesco Dandolo, Doge von Venedig 149, 186, 290, 514, 526, 562–563 Francolino 422 Frankfurt am Main 36 Frankreich 57, 81, 132, 218, 228, 355, 363, 478, 492, 498–500, 514, 569, 582 Franz von Perugia OP 252 Freeman, Linton C. 528, 530–531 Frege, Gottlob 480 Freyer, Hans 554 Fried, Johannes 6, 17, 45, 331, 343, 384 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser (HRR) 36, 38, 40–42, 53–55, 59, 70, 72, 88, 164, 342, 463 Friedrich II., Kaiser (HRR) 44, 78, 253 Friedrich III., König von Sizilien 79, 90, 498, 526 Friesland 154 Frontinus 175, 254, 410, 448, 580 Fulko von Villaret. s. Foulques de Villaret, Johanniter Füssel, Marian 15 Gaius Iulius Caesar. s. Caesar Galeazzo I. Visconti, Herr von Mailand 79–80, 82, 526, 573 Galenos von Pergamon 353 Galison, Peter 403 Galvano di Levanto 65, 74–75, 99–100, 115, 235, 239, 260, 324, 352–356, 364, 460, 464, 473, 511–512, 561, 570 García Espada, Antonio 45, 251, 335, 384, 404 García Miguel de Ayerve, Bischof von León 142 Gascogne 91, 141, 255–256, 574 Gaucelme de Jean, Kardinal 136 Gaufrido Raymundi, Johanniter 135 Gautier Dalché, Patrick 260, 295, 323, 335, 356, 441 Gaza 54, 263, 265, 276, 279, 296, 319, 395, 439, 445 Geddington 36, 39–40 Gehlen, Arnold 86 Genua 99, 145, 163, 165, 167, 184, 186, 218, 294, 323, 330–332, 344–346, 354–355, 459, 467, 500, 505, 568, 574 – Franziskanerkloster 260, 324, 354, 356 – St. Laurentius 354 Geoffroi de Charny, Ritter 20, 171, 580 Geoffroi de Vendôme, Ritter 398
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Georgien 289, 311, 349, 384, 405 Géraud de Frachet OP 61 Germiyan, Beylik 290 Gettier, Edmund 12 Gévaudan 105 Ghazan, Ilkhan von Persien 282–283, 311 Giacobina di Levanto 260, 354 Giacobo von Cremona 531–533 Giacomo Stefaneschi, Kardinal 477 Gian Galeazzo Visconti, Herzog von Mailand 254 Gilbert von Hoxton, Templer 222 Gilbert von Tournai OFM 46–49, 51, 71, 211 Giovanni Belegno 149 Giovanni dei Dondi 358, 361 Giovanni di Fedanzola da Perugia OFM 261, 306 Giovanni di Paolo Rucellai 377 Giovanni Fontana 361 Giovanni Soranzo, Doge von Venedig 509, 526 Giovanni Villani 195 Girvan, Michelle 528 Giuliano Cattaneo della Volta 346 Gizeh, Pyramiden von 387 Glarentza 532 Goldene Horde, Khanat 281, 283, 331–332, 531 Gonzalo de Hinojosa, Bischof von León 95, 122, 141–143, 150–151, 154, 157, 159, 164, 166, 170, 172, 200, 213, 281, 286, 292, 400, 411–412, 414, 460, 464, 467–468, 470, 476, 546, 564 Gonzalo Osorio de Villalobos 141 Gottfried von Boullion, Herzog von Niederlothringen 67, 293, 397, 408, 434, 462–463, 465, 469–470 Gottfried von Villehardouin, Ritter 39, 377 Gramsch, Robert 505 Granada 79–80, 367, 473, 490, 492, 497–498 Granovetter, Mark 504 Gravina 399 Gregor VIII., Papst 54–55, 57, 62, 64, 66, 416 Gregor IX., Papst 211, 244, 281 Gregor X., Papst 45–46, 47, 62, 64, 69, 96, 128, 217, 230, 236, 253–255, 265, 344, 395, 546, 568 Griechenland 462 Grundmann, Thomas 13 Guérin 204 Guglielmo di Santo Stefano. s. Guillaume de Saint Estène, Johanniter Guglielmo Sanudo, Herzog von Archipelagos 371 Guibert OSB, Abt von Nogent-sous-Coucy 50, 286 Guido I. von Lusignan, König von Jerusalem 52
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Orts- und Personenregister
Guido von Valence, Bischof von Tripolis 452 Guido von Vigevano 27–28, 88, 106–107, 115, 119, 161, 316, 352–353, 356–364, 375, 394, 420, 438–439, 447–448, 468, 473, 480, 482, 546, 548, 551–554 Guido, Ritter 37 Guillaume Adam. s. Guillelmus Adae OP, Erzbischof von Antivari Guillaume Badin 530–533 Guillaume de Beaujeu, Templer 62, 129, 343 Guillaume de Courcelles, Johanniter 62–63, 71, 128–129 Guillaume de Nangis OSB 62, 405, 441–442 Guillaume de Nogaret, Ritter 95, 154, 161, 193–196, 199, 201, 208, 212, 214–216, 220, 222–223, 228–229, 235–236, 242–243, 246–249, 277, 281, 352, 395, 424, 473, 482, 487, 496, 567–568, 570 Guillaume de Plaisians 196, 201, 495 Guillaume de Rochefort, Ritter 398 Guillaume de Saint Estène, Johanniter 133, 140–141, 206 Guillaume de Villaret, Johanniter 137, 141, 181, 188 Guillaume Durand, Bischof von Mende 34–35, 105–106, 134, 141–142, 156, 175, 200–201, 212, 223–224, 231, 243–244, 329, 397, 411–414, 417, 426–427, 448–449, 453, 473, 475, 478, 487, 506, 508, 522, 537–540, 548 Guillaume Durand d. Ä., Bischof von Mende 200 Guillaume Le Maire, Bischof von Angers 75, 81, 90, 120–121, 154, 161, 180, 201–202, 212, 214, 222–223, 228, 473 Guillelmus Adae OP, Erzbischof von Antivari 28, 92, 99–103, 107, 112, 122, 155, 158, 162–163, 167, 180, 186, 190, 211, 213, 252, 255–261, 273, 275–276, 278, 280–281, 283–289, 295, 298, 300, 302–303, 305, 329–338, 340–341, 343–347, 361, 376, 398, 415, 420, 431–432, 434, 448, 451–452, 456, 459–460, 462–463, 468, 470, 485–487, 512, 546, 548, 551, 554–556, 561–564, 579 Gujarat 303 Guyart des Moulins 415 Ḫalīl, Sultan von Ägypten 68, 91, 198, 263, 468 Hall, Bert S. 361 Hama 279, 408 Hamburg 372 Hanisch-Inseln 275, 302, 555 Hannibal 465
Hannig, Jürgen 39 Harim, Burg 408 Hartwig II., Erzbischof von Bremen 53 Harvey, Paul Dean Adshead 326 Hassauer, Frederike 307–309 Hattin 52, 54–55, 70, 129 Hayton. s. Hethum von Korykos Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen 35 Heinrich I. von Lusignan, König von Zypern 269 Heinrich II. von Lusignan, König von Zypern 91, 134, 139, 144–147, 150, 155, 159, 161, 166, 169, 174, 190, 213, 222, 235, 267–269, 276, 278–279, 285, 295, 297, 301, 304, 310–311, 319, 331, 341, 343, 394, 455, 483, 571, 573 Heinrich II., König von England 38–40, 70, 210 Heinrich III., König von England 37 Heinrich VII. von Luxemburg, Kaiser (HRR) 106, 357, 546 Heinrich von Segusa, Erzbischof von Embrun 79, 245 Hélary, Xavier 211 Hélion de Villeneuve, Johanniter 136–137, 219, 520 Hennegau 43 Hermann von Carinthia. s. Hermann von Dalmatien Hermann von Dalmatien 338 Herpin d’Erquery, Ritter 398 Hethum I., König von Armenien 266–267 Hethum II., König von Armenien 267 Hethum von Korykos 28, 135, 151, 175–176, 261, 264–268, 270, 272–274, 277–278, 280, 283–284, 288–289, 291–295, 305, 310–312, 319, 341–343, 347–351, 409, 436, 448, 460, 466, 486, 493, 559–560, 565–566, 571 Hillgarth, Jocelyn Nigel 506 Hippokrates 353 Hitzbleck, Kerstin 504 Homs 135, 273, 279 Hormus 300, 302 Hostiensis. s. Heinrich von Segusa, Erzbischof von Embrun Housley, Norman 70, 77, 83, 208 Hrabanus Maurus OSB, Abt von Fulda 378–379, 381 Hugo Bedin, Ritter 146 Hugo I., Graf von Vermandois 36 Hugo I. von Lusignan, König von Zypern 269 Hugo III. von Lusignan, König von Zypern 139
Orts- und Personenregister
Hugo IV. von Lusignan, König von Zypern 372, 511, 529–530, 532 Hugo von Ampurias, Templer 190 Hugo von St. Viktor CRSA 411 Hugone Eustacie, Johanniter 135 Hugues de Pairaud, Templer 131, 205 Hugues Quiéret, Ritter 405, 407, 487 Hülegü, Ilkhan von Persien 283, 348 Humbert Blanc, Templer 184 Humbert von Romans OP 46, 48, 61–64, 89, 202, 216, 253, 337 Ḥusām ad-Dīn Lāǧīn, Sultan von Ägypten 312 Iacobo de Cammerino OFM 260, 335, 484, 486 Iberische Halbinsel 21, 78, 81, 128, 143, 154, 177, 181, 210, 315, 323, 326, 340, 490, 580 ibn Sīnā 353, 363 Ifat, Sultanat 288 Île-de-France 463 Indien 256, 259, 270, 298, 300–302, 329, 334–335, 340, 345, 349, 431, 434, 456, 459, 470, 554–555, 581 Indischer Ozean 302, 340, 345, 376, 382, 431, 459, 554–555 Ingeranno Stella, Erzbischof von Capua 234, 398, 508–509, 518–519, 540 Innozenz III., Papst 44, 56, 66, 77, 177, 182, 211, 229–230 Innozenz IV., Papst 44, 215, 230, 339, 344 Iohannes Hispaniensis. s. Johannes von Sevilla Irak 452 Irwin, Robert 264, 279, 312 Isaak II. Angelos, Kaiser (Byzanz) 59 Isaak, Jüdischer Unterhändler 136 Isabella von Ibelin, Königin von Zypern 145 Isidor von Sevilla, Heiliger 378–379, 381, 580 İskenderun 408 Isolo da Anastasio 343 Istrien 295 Italien 80, 194, 295, 326, 517, 526 – Norditalien 79, 154, 163, 177, 318, 323–324, 326–328, 377, 386, 410, 441, 449, 465, 481, 511, 513, 519, 552–553 – Süditalien 73, 148, 174, 505 Izmir. s. Smyrna Jachinus de Cremona. s. Giacobo von Cremona Jacobus Constantius, Kanoniker 144 Jacobus de Casiatis, Kanoniker 146, 268
661
Jacoby, David 381 Jacques Bongars 197, 373, 414 Jacques de Longuyon 465 Jacques de Molay, Templer 128, 131–132, 135–137, 151, 153, 156–157, 159, 172, 176, 182, 185–186, 205, 213, 226–227, 285, 292, 317, 343, 393, 395, 479, 483–484, 491, 514, 561 Jacques de Via, Kardinal 535 Jaffa 314, 316 Jakob I., König von Aragon 47, 62, 364 Jakob II., König von Aragon 29, 66, 75, 78, 80, 90, 95, 101–103, 133–134, 136, 139, 147, 151, 162, 166–168, 204, 336, 354, 365–367, 401, 489–490, 492, 494, 496–499, 513, 520–521, 526, 558, 580 Jakob von Avesnes, Ritter 43 Jaspert, Nikolas 341 Jean de Cepoy, Ritter 84, 405, 407, 417, 487 Jean de Cora. s. Johannes von Cori OP, Erzbischof von Soltaniye Jean de Joinville, Ritter 33–35, 42–43, 75, 148, 189, 208, 276, 310, 359 Jean de la Forêt 197, 199 Jean de Mandeville 264 Jean de Meun 414, 448 Jean de Vignay, Johanniter 38, 256, 416, 448 Jean Le Venelais 414 Jean Miélot, Kanoniker 256–257 Jean Musaut, Ritter 511, 536 Jean Priorat 448 Jean-Baptiste Colbert 356 Jeanne de Montbaston 414, 417 Jemen 302 Jericho 56 Jerome OFM, Bischof von Kaffa 424, 510, 518–519 Jerusalem 3, 21, 50, 56–58, 68, 70, 77–78, 106, 177, 218, 233, 235, 268–269, 271, 274, 295, 311, 353, 374, 397, 399, 439, 455, 462–463, 469, 491–493, 500, 538, 552, 566–568 – Davidsturm 274 – Gihonquelle 274 – Hospital des heiligen Johannes 410 – Teich von Siloah 274 – Tempelberg 274 Jerusalem, Königreich 89–90, 129, 139, 145, 157–158, 169, 203, 221, 224–225, 228, 232, 234–236, 254, 262, 356, 373, 421, 426, 451, 498, 523, 527, 530, 532, 566–571 Joachim, Abt von San Giovanni in Fiore 58, 70
662
Orts- und Personenregister
Johann III. der Triumphator, Herzog von Brabant und Limburg 379, 426, 517 Johann von Anjou, Graf von Gravina 398–399 Johann von Toledo. s. Johannes von Sevilla Johann von Vienne, Bischof von Thérouanne 398 Johanna II., Königin von Navarra 105, 142–143 Johanna von Burgund, Königin von Frankreich 106–107, 356–358, 363, 394, 482, 546 Johanna von Valois, Gräfin von Hennegau 525 Johannes Dalderby, Bischof von Lincoln 96, 399 Johannes de Garlandia 461, 466 Johannes, Infant von Kastilien und León 170 Johannes Peckham, Erzbischof von Canterbury 64, 73–74 Johannes Tristanus 427 Johannes Tzetzes 551 Johannes von Cori OP, Erzbischof von Soltaniye 257 Johannes von Montecorvino OFM, Erzbischof von Khanbaliq 252 Johannes von Plano Carpini OFM, Erzbischof von Antivari 135, 252, 337, 344, 350, 414–415 Johannes von Sevilla 452, 455 Johannes von Winterthur OFM 345 Johannes von Wrotham OP 336, 402 Johannes XXII., Papst 15, 75, 79, 82, 84–85, 89, 92, 96, 100–103, 106, 112, 123, 136, 144, 146–148, 158, 166, 182, 198, 201, 214–215, 220, 234, 236, 244, 252, 255, 258, 260, 271, 285, 303, 329, 331, 333, 335, 340, 343, 347, 372–374, 385, 393–394, 398, 401–402, 404, 407, 412, 424–425, 428, 431, 437, 449, 474–475, 477, 479–480, 483–486, 488, 509, 511–512, 517, 523, 526–528, 531, 534–535, 538–540, 544, 573–574 Johnston, Mark D. 366 Jordan, William Chester 90, 208, 210 Jordanus Catalanus OP, Bischof von Quilon 252, 259, 334–335, 340–341, 344, 350 Joseph de Chauncy, Johanniter 45, 129, 204 Juan Fernández de Heredia, Johanniter 266 Judas Makkabäus 465 Jung, Eva-Maria 11 Justinian I., römischer Kaiser 242 Kairo 134, 263, 265, 296, 298–299, 319, 343, 386–387, 395, 415, 439, 445, 463, 493–494 Kalabrien 405
Karasi, Beylik 290, 425 Karl der Große, Kaiser (HRR) 463–465 Karl I., Graf von Valois 90, 261, 287, 397–399, 409–410, 490–491, 494, 497 Karl I. von Anjou, König von Sizilien 139, 287 Karl II. von Anjou, König von Neapel 63, 73–74, 139–141, 150, 152, 154, 157–158, 166–167, 169–170, 174, 178, 181, 203, 206, 213–214, 218, 222, 226–228, 235, 298, 394, 399, 469, 483, 568 Karl IV. der Schöne, König von Frankreich 75, 82, 92, 96–97, 106, 114, 142, 147, 151, 178, 200–201, 219–220, 223, 250, 285, 357, 372, 397–398, 401–402, 404–405, 407, 410–411, 413, 424–425, 474–475, 477–479, 509, 516, 523, 525, 537–538 Karl V. der Weise, König von Frankreich 15 Karl von Anjou, Herzog von Kalabrien 234, 509, 520 Karpaten, Gebirge 383 Karpathos, Insel 500 Kasos, Insel 328 Kaspisches Meer 384 Kastilien 105, 142, 179, 538 Katalonien 163, 179, 255, 323, 326, 331, 386, 441 Katharina von Courtenay 398, 490–491 Kaukasus, Gebirge 283, 289 Kedar, Benjamin Zeev 156, 331, 346 Keller, Hagen 39 Khambhat 300, 303 Khanbaliq 252 Kılıç Arslan II., Sultan von Rum 59 Kisch 300, 302 Kleinasien 53, 59, 79, 100–101, 144, 159, 164, 174, 258, 268, 272, 276, 284–286, 289–290, 293, 298, 301, 305, 331, 340, 343, 349, 371, 386, 433, 444, 462–463, 470, 485, 489, 500, 517, 519, 532, 561, 579 Klement, Katja 140 Kohler, Charles Alfred 256–257, 263–267 Kollam 252, 303 Konrad III., König (HRR) 36–37, 54–55, 72, 307, 451 Konrad Kyeser 361 Konrad, Markgraf von Montferrat 317 Konradin, König von Sizilien 62, 139 Konstantin IV., Patriarch von Armenien 258–259, 344
Orts- und Personenregister
Konstantinopel 44, 79, 90, 104, 158, 257–258, 261, 276, 287, 293, 299, 468, 478, 485, 489–491, 494, 497, 510, 513, 516, 518, 532 Konstanz 96, 223 Kopp, Vanina 417 Korfu, Insel 295 Korykos 266 Kos, Insel 489 Koselleck, Reinhard 53, 564 Krak des Chevaliers, Burg 130, 294 Kreta, Insel 160, 187, 221, 301, 305, 328, 386, 478 Kristeller, Oskar 377 Laclau, Ernesto 76, 81–82, 471 Laiazzo. s. Ayas Lambeth 73 Land, Heiliges 24, 33, 41, 53, 57–58, 78, 80, 103–104, 107, 112, 120, 123, 129, 162, 180–181, 198, 224, 227–228, 231, 235, 238, 250, 254, 258, 270, 290–291, 295, 303–304, 306, 308, 324, 365, 373–374, 380, 386, 391, 417, 463, 466, 473–474, 490, 496, 548, 556, 568–569, 572 Langlois, Charles Victor 99, 197 Lapo de Pistorio 102 Lardos 489 Latour, Bruno 14, 504 Le Goff, Jacques 55, 308, 378 Le Mans 39 Lechfeld 171 León 141–143 Leon IV., König von Armenien 145, 343 Leon V., König von Armenien 144, 150, 153, 258–259, 284–285, 343–344, 394, 513, 523, 528 Leon, Ritter 145 Leonardo da Vinci 359 Léonas, Alexis 197 Leopold, Anthony 55, 142, 263, 265, 279 Leopold V., Herzog von Österreich 232 Leros, Insel 489 Levante 3, 22, 48, 69, 89, 150, 172–173, 252, 269, 280, 295, 301, 305, 327, 331, 345, 349, 372, 434, 500 Lewy, Mordechay 432 Libanongebirge 289, 292, 294, 338 Ligurisches Meer 184 Limassol 131–132 Lincoln 136 Lock, Peter 376
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Lodovico Moresco 500 Lombardei 140 London 36, 73 Long, Pamela 360 Lozère 506 Lübeck 372 Luca Fieschi, Kardinal 100, 355, 478, 511 Lucius Annaeus Seneca. s. Seneca Ludwig der Lahme, Graf von Clermont 34, 148, 151, 155, 160, 231, 397–399, 474–475, 511–513, 525, 530, 532–533, 536–538 Ludwig III., Landgraf von Thüringen 53 Ludwig IV. der Bayer, Kaiser (HRR) 234, 517, 520, 525–527, 530 Ludwig VII. der Junge, König von Frankreich 36–37, 39–40, 42, 53–54, 58, 60, 66–67, 69, 210, 451, 462 Ludwig IX. der Heilige, König von Frankreich 19, 33–34, 37–40, 45, 55, 59–63, 70, 75, 88, 90, 163, 179, 198, 208, 210, 219–220, 239, 252–253, 271, 276–277, 281, 297, 359, 400, 415, 427, 441, 468–469, 490, 525, 568 Ludwig X. der Zänker, König von Frankreich 114, 142, 410 Ludwig XII., König von Frankreich 254 Luhmann, Niklas 10, 16, 18, 20, 38, 308 Luttrell, Anthony 140, 206 Luxor 300 Lyon 22, 24, 36, 45, 47, 49, 56, 61, 63–64, 69–71, 73, 89, 128–130, 139, 200, 202, 211, 216, 223, 226, 232, 235, 244, 251, 253–254, 263, 270, 274, 286, 395, 402, 546, 567 Mâconnais 84 Maffeo Polo 48, 145, 344 Mahaut, Gräfin von Artois 199 Mailand 73, 79, 526, 573 Mainz 36 Maio Marioni 510 Malabar 300 Malea, Kap 322 Malediven 303 Mallorca, Insel 103, 179, 322–323, 364–365, 419 Manfred, König von Sizilien 328 Manfredonia. s. Nuova Siponto Mannheim, Karl 6, 14 Manosque 141 Manuele Zaccaria 174, 268 Manzalaoui, Mahmoud A. 452
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Orts- und Personenregister
Marco Polo 48, 135, 145, 267, 344, 349, 409, 414–417 Marco Sanudo 371 Marcus Tullius Cicero. s. Cicero Marḍī Ibn-ʿAlī aṭ-Ṭarasūsī 314 Margarethe von Hennegau, Kaiserin (HRR) 234, 510, 525–527, 530 Margat, Burg 294 María de Molina, Königin von Kastilien und León 143, 170, 400 Maria von Antiochia 139 Maria von Luxemburg, Königin von Frankreich 106, 357 Mariano Taccola 359 Marie Duèze 535 Marienburg, Burg 228 Marino Morosini 149 Marino Sanudo gen. Torsello 27, 67, 91, 102, 119, 123, 133, 137, 151, 154–156, 160–161, 163, 168, 173, 175–176, 178–179, 182–183, 185, 198, 208, 221, 234–235, 239, 253, 260, 262–263, 268, 271–272, 274, 276–279, 283–284, 288–290, 296–301, 304–306, 317, 319, 322–324, 329–332, 334, 343, 352, 359, 371–388, 392–394, 398, 400, 419–420, 422–428, 431, 434–439, 442–444, 447–451, 454–455, 460, 463, 465–466, 469, 477–480, 484–487, 506–540, 544, 553, 568, 571, 581 Marseille 132, 135, 147–148, 150, 155–156, 158, 160, 163, 165, 168, 185, 221, 317, 330, 359, 497, 553, 568, 574 Martin IV., Papst 80 Martino Zaccaria 346–347 Mas Latrie, Louis de 266 Matteo Villani 92, 574 Matteo Zaccaria 332 Matthäus von Zypern OFM 260, 484 Matthew Paris OSB 60, 326 Matthias von Jerusalem, Heiliger 50–51 Matthieu de Varennes, Ritter 509 Maurikios, römischer Kaiser 452 Mayer, Hans Eberhard 77 McLean, Paul D. 508 McNamarra, Jo Ann 113, 400 Mehmed, Bey von Aydin 304 Meier-Staubach, Christel 378 Mellorus de Ravendel, Ritter 140, 399 Meloria, Insel 184 Mende 200, 506
Mentesche, Beylik 167, 290, 343, 500, 574 Mesopotamien 349, 386 Messina 163 Mesut, Bey von Mentesche 167, 500, 574 Meyer, Andreas 215 Meyer, Christoph 245 Michael VIII. Palaiologos, Kaiser (Byzanz) 287 Miethke, Jürgen 392 Miramar, Kloster 104, 365–366 Mittelmeer 84, 104–105, 129, 147–148, 158–159, 165–166, 168, 173, 183–184, 239, 284, 291, 294–296, 298–299, 302, 304–305, 317–318, 323, 326, 328, 335, 344–345, 374, 382, 385, 399, 405, 417, 428, 434–435, 437, 441–443, 482, 494, 553, 555, 568 Modon 532 Mohammed, Prophet 48, 433 Mondino dei Luzzi 357 Möngke, Khan der Mongolen 280, 348 Monopoli 322 Mons Peregrinus, Burg 292 Montpellier 188, 194, 200, 366, 498 – Universität 194 Morton, Nicholas 51 Mossul 349 Mu‘īn ad-dīn Unur, Statthalter von Damaskus 451 Münkler, Marina 44–45, 308–309, 317, 322, 336, 342, 351 Narbonne 96, 147–149, 160, 187, 356, 488 Navarra 142 Naxos, Insel 290, 371, 478, 524 Neapel 137, 203, 218, 372–373, 399, 509, 520, 527 Nektanebos II., ägyptischer Pharao 415 Nero, römischer Kaiser 455 New Haven 357 Newen, Albert 11 Newman, Mark E. J. 528 Niccolò Polo 48, 145, 344 Niccolò Sanudo, Herzog von Archipelagos 290, 346 Nicolas Béhuchet 398, 404 Nicolas Falcon OPraem 267, 351, 436 Niketas Choniates 286 Nikolaus IV. OFM, Papst 63–65, 69–74, 82, 86, 89–90, 97, 99, 113–114, 139, 146, 165–166, 169, 178, 184, 202, 212, 226, 228, 234–236, 248, 254–255, 297, 304, 333, 346, 354–355, 367, 369, 423, 456, 469–470, 473, 496, 511, 570–571 Nikolaus von Ligny OP, Bischof von Butrinto 357
Orts- und Personenregister
Nikolaus von Vicenza OP 49, 344 Nil, Fluss 60, 63, 154, 273, 276–277, 296, 298–300, 327, 381, 422, 425, 553 Nordsee 513 Normandie 199 Norwich 73–74, 235 Nuova Siponto 328 Odo von Deuil OSB, Abt von Saint-Denis 40, 52–53, 55 Odorich von Portenau OFM 414 Oexle, Otto Gerhard 49, 556, 570 Öldscheitü, Ilkhan von Persien 282–283 Oliver, Bischof von Paderborn 57, 340, 423, 467 Oman, Charles W. 171 Opicinus de Canistris 432 Orange 200 Ordás Díaz, Pablo 141, 143 Orhan, Bey von Mentesche 343 Orontes, Fluss 294, 327 Oschin von Korykos 144, 285 Ostsee 513 Ostuni, Giustina 356–357 Othon de Grandson, Ritter 34, 95, 139, 263, 399, 402, 487 Otranto 295 Otto de Grandison. s. Othon de Grandson Otto VI. von Wittelsbach, Pfalzgraf von Bayern 35 Oxford 256 Padua 175 – Franziskanerkloster 254, 335 Palästina. s. Land, Heiliges Palma 364 Paolino Minorita OFM, Bischof von Pozzuoli 234, 260, 324, 326, 385, 393, 484–485, 500, 509–510, 518–520, 525, 532, 539–540, 581 Paolino Veneto. s. Paolino Minorita OFM, Bischof von Pozzuoli Paris 34, 36, 92, 102, 137–138, 199, 242, 256, 356–358, 366, 370, 372–373, 392, 410, 414, 417, 424, 499, 538, 563 – Universität 57, 199, 241, 244, 353, 366, 369, 379, 419, 497, 506, 512 Paschalis II., Papst 64 Pavia 356 Paviot, Jacques 263–265, 313
665
Peloponnes 322 Pera 532 Pere de Batet, Bischof von Tortosa 102, 497 Persien 48, 100, 256, 260, 267, 280–282, 301–302, 305, 329, 335, 344, 349, 384, 405, 459, 464, 484, 532 Persischer Golf 301 Peter der Einsiedler 58, 67, 462–463, 469 Peter I. von Lusignan, König von Zypern 23, 168, 579 Peter III. der Große, König von Aragon 174 Peter von Blois 51, 56, 66 Peter, Infant von Kastilien und León 170 Petrus de Beverlaco 410 Petrus de Bosco. s. Pierre Dubois Pfadenhauer, Michaela 542, 544, 559 Philipp II. Augustus, König von Frankreich 36, 204, 233 Philipp III. der Gute, Herzog von Burgund 23, 256, 410, 579 Philipp III. der Kühne, König von Frankreich 47, 62 Philipp IV. der Schöne, König von Frankreich 65, 74–75, 81, 90, 94–95, 98–100, 105, 114, 132, 134, 141–144, 147, 157–158, 174, 193–199, 201, 204, 212, 224, 239, 281, 287, 353–354, 356, 366, 394–395, 397, 401, 453–455, 474, 482–483, 489–491, 494–499, 503, 506, 511, 514, 521, 556, 558, 561, 569, 573 Philipp V. der Lange, König von Frankreich 34, 40, 75, 96, 105–106, 111, 114, 137–138, 143, 148, 151, 200–201, 214, 233, 392, 397, 402, 410–411, 453, 486, 525, 537–538 Philipp VI. von Valois, König von Frankreich 23, 84–85, 88, 90–92, 101, 106–107, 114, 137, 149, 160–161, 164, 182, 186–187, 215, 220, 233, 248, 256, 273, 284, 288, 336, 357, 361, 363, 372, 379, 393–394, 398, 401, 404–405, 407, 415–417, 420, 424–426, 438, 449, 452, 460, 474, 479, 482, 485, 487, 509, 511–514, 516, 523, 525, 527–531, 534, 548, 552, 561–564, 572, 574, 580, 582 Philipp von Courtenay 287 Philipp von Tripolis, Kanoniker 452–454 Philippa von Hennegau, Königin von England 525, 530 Philippe de Mézières, Ritter 579 Philippe de Villepreux 193 Philippe Lombart 510 Phillips, Jonathan 39 Philomelion. s. Akşehir
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Orts- und Personenregister
Phokaia 158, 344 Piacenza 423, 513 Pierce, Charles Sanders 480 Pierre Barrière 196 Pierre de Bologne, Templer 206 Pierre de la Vie. s. Pierre de Via, Bischof von Albi Pierre de Mortemart, Ritter 509 Pierre de Pleine-Chassagne, Bischof von Rodez 496 Pierre de Saint-Just, Templer 131, 205 Pierre de Via, Bischof von Albi 102, 535–536, 540 Pierre Dubois 27, 90, 94, 98–99, 103, 117, 152, 156, 158, 162, 180, 197–199, 212, 214–217, 223–225, 227–228, 230–232, 234, 236, 238–239, 241–244, 247–249, 287, 307, 394–395, 432, 454, 463, 473–474, 491, 497, 503, 512, 517, 520–521, 549, 551, 556–557, 561, 563, 569–571 Pierre Le Jaune, Ritter 146 Pierre Le Tessier, Kardinal 89, 475–477, 484 Pietro da Canale 529–530 Pietro Valeriano Duraguerra, Kardinal 100, 355 Pietro Vesconte 323–324, 326, 373–374, 382, 385, 442, 444, 540 Pisa 184, 323, 331, 467, 568 Platon 2 Platzek, Erhard 365 Plutarch 371, 455 Po, Fluss 422–423 Poitiers 92, 131–132, 205, 266–267, 491, 495 Polen 48 Polo – Maffeo. s. Maffeo Polo – Marco. s. Marco Polo – Niccolò. s. Niccolò Polo Portus Palorum (Armenien) 294–295, 457, 459 Pozzuoli 260, 485, 539 Prawer, Joshua 567 Primat von Saint-Denis OSB 38, 415 Provence 134, 141, 148, 499 Pryor, John 183, 185 Puimisson 200 Pyrenäen, Gebirge 256 Qalāwūn, Sultan von Ägypten 89, 255, 292 Qatia 265, 296 Radulfus Niger, Kanoniker 81 Ragusa 322
Raimund III., Graf von Tripolis 52 Raimund IV. von Saint-Gilles, Graf von Toulouse 209, 462 Raimund von Peñafort OP, Heiliger 225 Raimundus Lullus. s. Ramon Llull Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln 35 Ralph Baldock, Bischof von London 96, 399 Ralph von Diceto, Erzdiakon von Middlesex 38 Ramon Llull 27, 66–67, 72, 75, 81, 96, 101–104, 119, 121–122, 151, 154, 158, 162, 167, 175–176, 179, 182–183, 211, 216, 225, 227–228, 235, 239, 277, 283, 287, 315, 317, 330, 333, 336–337, 340, 352, 364–371, 374, 378, 403, 419–421, 423, 425–427, 432–435, 453, 465, 473–474, 487, 496–498, 506, 511, 513, 516, 518, 520–521, 536, 546, 557, 566, 568, 570–571 Ranuccio di Levanto 354 Raoul d’Erquery. s. Herpin d’Erquery, Ritter Raymond de Fargues. s. Raymond-Guillaume de Farges Raymond de Got, Kardinal 392 Raymond de Ribells, Johanniter 136 Raymond Étienne OP, Bischof von Ephesos 257 Raymond-Bernard de Funel, Johanniter 536 Raymond-Guillaume de Farges, Kardinal 100–101, 255, 303, 456, 475, 512 Raymundus Stephani. s. Raymond Étienne OP, Bischof von Ephesos Regensburg 36–37 Reims 73, 227, 235 Reinhard, Wolfgang 504 Renouard, Yves 219 Reuvekamp-Felber, Timo 7 Rexroth, Frank 16, 41, 192, 223, 472–473, 556 Rhazes. s. al-Rāzī Rhodos, Insel 34, 78, 80, 82, 104, 132–133, 135, 146, 151, 163, 167, 172, 180, 188, 219, 228, 290, 301–305, 328, 333, 371, 471, 478, 488–491, 493, 500–501, 506, 536, 571, 581 Rhone, Fluss 404 Riant, Paul 266 Riccardo Petroni, Kardinal 372, 419, 427, 509 Richard de Montbaston 414 Richard I. Löwenherz, König von England 36, 58, 104, 163, 232–233, 314, 316, 434 Richard Leneveu, Bischof von Béziers 98, 198–199, 512 Richard, Jean 34, 61, 70, 83 Richard von Holy Trinity, Kanoniker 316
Orts- und Personenregister
Richard, Magister 448 Riley-Smith, Jonathan 77, 89, 129, 209 Rittner, Volker 189, 308, 310, 313 Roberg, Burkard 46, 63 Robert Bruce Cotton 135 Robert der Mönch. s. Robert OSB, Abt von Saint-Remi Robert FitzPayn, Ritter 495 Robert I. der Weise von Anjou, König von Neapel 137, 234, 260, 284, 372–373, 385, 392–393, 398–400, 405, 453, 498, 509, 511, 513, 516–517, 519–521, 523, 525–528, 530, 539–540, 574 Robert OSB, Abt von Saint-Remi 177, 271, 286, 463 Robert von Auxerre OPraem 70 Robert von St. Albans, Templer 190 Robert, Graf von Auvergne und Boulogne 198, 373, 515 Roger Bacon OFM 225, 238–239, 241, 307, 337, 365, 452 Roger von Howden, Kanoniker 40, 58, 70, 222 Roger von Loria, Ritter 157, 174 Roger von Stanegrave, Johanniter 115, 131, 135–136, 151–153, 157, 190, 228, 278, 299, 317, 332, 352, 399, 411, 448, 450–451, 454–455, 460, 465, 468 Rom 194, 217, 372 – San Marcello 525 Romania 371, 377, 532 Rosetta 296, 422 Rostagno de Sabrano, Johanniter 135 Rostaing Berenguier, Troubadour 129 Rotes Meer 275, 300–302, 345, 431, 459, 555, 581 Rouse, Mary 413 Rouse, Richard 413 Ruad. s. Arwad, Insel Rubin, Jonathan 337 Rudolf I. von Habsburg, König (HRR) 74 Ruggiero di Lauria. s. Roger von Loria Runciman, Steven 82, 169, 573 Rustichello da Pisa 267 Ryle, Gilbert 11 Safed, Burg 129, 279 Sághy, Marianne 197 Saint-Félix-Lauragais 194 Saint-Gilles 141 Saladin, Sultan von Ägypten 52, 54, 58, 190, 313, 316, 342
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Saleph, Fluss 88 Salzburg 73, 226 Sancha von Mallorca, Königin von Neapel 400 Santa María de la Real, Kloster 366 Sanudo – Guglielmo. s. Guglielmo Sanudo – Marco. s. Marco Sanudo – Marino. s. Marino Sanudo – Niccolò. s. Niccolò Sanudo Sarchi. s. Sargis, Ritter Sargis, Ritter 144 Schefer, Charles 266, 312 Schein, Sylvia 22, 70, 83, 548 Scheller, Benjamin 18, 50, 309, 505, 534, 565 Schlieben, Barbara 7, 561 Schlögl, Rudolf 514, 516 Schmidt, Hans-Joachim 225 Schmitt, Annegrit 260, 373, 435, 444, 515, 539 Schottland 574 Schröder, Stefan 382 Schumpeter, Joseph 250 Schütz, Alfred 9, 60, 309, 429 Schwarzes Meer 165–166, 277–278, 298, 305, 323, 329–330, 345–346, 374, 532 Scior, Volker 518 Segurano Salvaygo 136, 331–332, 346 Seneca 371, 376, 455 Sens 73 Sestos 53 Sextus Iulius Frontinus. s. Frontinus Shapin, Steven 472 Shihāb al-ʿUmarī 312 Siberry, Elizabeth 58, 83 Sidon 3, 68, 366 Siena 346 Siger von Brabant 199 Simon de Montolif, Ritter 145 Simon Le Rat, Johanniter 133–134, 137, 146, 268, 311, 398, 489, 501 Simone di Carmadino 146, 268 Sinai-Halbinsel 272, 296, 319, 439, 463, 466, 493–494 – Sinai, Wüste 296, 319, 322, 466 Sinope 278 Sizilien, Insel 140, 148, 159, 299, 301, 328 Sizilien, Königreich 80, 157, 177, 233, 492, 526–527 Smail, Raymond C. 188, 310 Smyrna 100, 112, 256, 304–305, 347, 578–580 Socotra, Insel 554
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Orts- und Personenregister
Sokrates 2 Soldinum. s. St. Simeon Soltaniye 100, 252, 255–257 Spieß, Karl-Heinz 7 Sri Lanka, Insel 330 St. Simeon 294–295, 457, 459 Stantchev, Stefan K. 166 Stefanos Siropoulos, Sebastokrator 288, 510, 536 Stephan von Cloyes 57 Stettin 372 Strayer, Joseph Reese 196 Symon de Carmadino. s. Simone di Carmadino Syrien 146, 172–173, 175, 279–280, 282, 291–292, 296, 311, 338, 349, 361, 371, 433, 437, 452, 565 Tabriz 532 Tagliacozzo 62 Tarascon 140 Tarsus 272, 466 Taurus, Gebirge 144, 466 Templer von Tyrus 89, 132, 174, 289, 476, 489 Tenedos, Insel 322 Thaddäus von Neapel 91, 169 Thane 303, 334 Theobald IV., Graf von Champagne 148 Theodor, Kanoniker 145 Thessalien 295 Thessaloniki 295 Thibault de Barbazan, Ritter 511 Thibault de Cepoy, Ritter 417 Thomas von Aquin OP, Heiliger 101, 199, 241, 480 Thomas von Cantimpré OP 378 Thomas von Wymondsworld 410 Thomas von York OP 336, 402 Throop, Palmer Allan 63, 82 Tibble, Steve 59 Tigris, Fluss 416 Tilly, Charles 249 Tohtu, Khan der Goldenen Horde 332, 346 Tortosa 68, 173, 304 Toskana 159, 474, 526 Toulouse 194 Tours 73, 202 Trajan, römischer Kaiser 455 Trani 505 Trapezunt 532
Tripolis 3, 254, 279, 291–292, 294, 313, 315, 457, 468, 564 – Hafen 292 Tripolis, Grafschaft 64, 129, 136, 140, 254–255, 343, 345, 366, 399 Tschagatei, Khanat 281 Tunis 88, 295, 365, 427, 433, 441, 468 Tūrān Šāh, Sultan von Ägypten 33, 60 Turin 357 Tyerman, Christopher 78, 83, 142, 179–180, 411–412, 520, 525 Tyrrhenisches Meer 166 Tyrus 68, 442, 466 Ubl, Karl 201 Umur, Bey von Aydin 290, 343, 578 Ungarn 48, 278, 293, 295 Urban II., Papst 21, 49, 177, 230, 232–233 Urban III., Papst 70, 128 Ursula, Heilige 101 Usbek, Khan der Goldenen Horde 332, 346 Vegetius 20, 44, 175, 350–351, 409–411, 413–414, 447–451, 453, 468, 553, 580 Venedig 84, 145, 163, 165, 168, 175, 185–187, 228, 290, 294, 322, 324–325, 330–331, 343, 345, 371–373, 375, 380, 385–386, 419–420, 465, 490, 500, 507, 509–510, 526, 529, 539, 568 – Basilica di San Marco 387 – Castello 371 – San Zanipolo 372 Venetien 326–327 Verbruggen, Jan 171 Verger, Jacques 225 Vergil 241 Vidal de Villanova 392 Vienne 74, 105–106, 143–145, 179, 195, 200–202, 214, 250, 268, 367, 395, 482, 494, 496, 500, 571 Vigevano 357 Vignolo dei Vignòli 489 Villard de Honnecourt 358, 553 Vinzenz von Beauvais OP 94, 276, 378–380, 421–423, 447 Visconti – Galeazzo. s. Galeazzo Visconti – Gian Galeazzo. s. Gian Galeazzo Visconti Vital du Four OFM, Kardinal 81, 97, 202, 477 Vlora 294
Orts- und Personenregister
Wādī al-Khaznadār 267, 311 Walter Langton, Bischof von Coventry 96, 399, 402 Walter Map, Erzdiakon von Oxford 7 Walter von Châtillon 447 Walter von Guisborough CRSA 69 Ward, Joe H. 118 Weber, Max 37 Wemple, Suzanne 113, 400 Wibald OSB, Abt von Stablo und Corvey 37, 55 Wien 256 Wilhelm Adam. s. Guillelmus Adae OP, Erzbischof von Antivari Wilhelm der Gute, Graf von Hennegau, Holland und Zeeland 234, 372, 510, 513, 525, 527–528, 530, 532–533 Wilhelm Durantis. s. Guillaume Durand, Bischof von Mende Wilhelm I. der Eroberer, König von England 177 Wilhelm II., Graf von Flandern 33 Wilhelm von Nogaret. s. Guillaume de Nogaret, Ritter Wilhelm von Rubruck OFM 45, 239, 337 Wilhelm von St. Stefan. s. Guillaume de Saint Estène, Johanniter
669
Wilhelm von Tripolis OP 46, 48–49, 72, 200, 251, 254, 261, 337, 344, 411, 414 Wilhelm, Erzbischof von Tyrus 52, 55, 135, 376, 410, 451 William Trussel, Ritter 138 Williams, Steven J. 452 Witt, Ronald 377 Władysław III., König von Polen und Ungarn 37 Yorkshire 136 Zaccaria – Benedetto. s. Benedetto Zaccaria – Manuele. s. Manuele Zaccaria – Martino. s. Martino Zaccaria – Matteo. s. Matteo Zaccaria Zeck, Ernst 99 Zion, Berg 274 Zypern, Insel 37, 59, 104, 106, 131, 134, 146, 159, 163, 172, 188–189, 205, 208, 260, 267–269, 291–292, 295, 301–305, 311, 328, 333, 343, 357, 371, 394, 402, 426–428, 478, 487, 492–493, 529, 564